UNIVERSITY OF ILLINOIS LIBRARY dass Book Volume e\o,5 '"s-ss' Digitized by the Internet Archive in 2015 https://archive.org/details/archivfuranatomi1886mull i ARCHIV FÜR ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE. Fortsetzung des von REIL, REIL u. AUTENRIETH, J. F. MECKEL, JOH. MÜLLER, REICHERT u. DU BOIS-REYMOND herausgegebenen Archives. EERAUSHEGEBEN IV WILH. HTS UND Dr. WILH. BRAUNE, PROFESSOREN DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT EEIPZIG, UND IV EMIL DU BOIS-REYMOND, PROFESSOR DER PHYSIOLOGIE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. JAHR&MG 1886. ANATOMISCHE ABTHEILUNG. LEIPZIG, VEKLAG VON VEIT & COMP. 1886. ARCHIV FÜR ANATOMIE UND ANATOMISCHE ABTHEILUNG DES ARCHIVES FÜE AlMATOMIE Vm PHYSIOLOGIE, ZUGLEICH FORTSETZUNG DER ZEITSCHRIFT FÜR ANATÖMIE UND ENTWICKELUNGSGFSCHICHTE. UNTER MITWIRKUNG VON Rrof. AL. ECKER in Freiburg, Prof. W. HENKE in Tübingen, Prof. V. HENSEN in Kiel, Prof. J. KOLLMANN in Basel, Pbof. ‘C. KuT>FFER in München, Prof. C. LANGER in Wien, Prof. NATH. LIEBEiyCÜHN' in Marburg, Prof. FR. MERKEL in Göttingen, Prof. HERM. von MEVER IN Zü’^CH, Prof. G. RETZIUS in sIockholm, Prof. NICOLAS RÜDINGER in München, Prof. G. SCHWALBE in Strassbürg, Prof. HERM. WELCKER in Halle HEKAUSGEGEBEN VON Dr. WILH. HIS und De. WILH. BRAUNE, PROFESSOREN DER ANATOMIE AN DER UNIVERSITÄT LEIPZIG. JAHR&AN& 1886. MIT 22 TAFELN UND ZAHLREICHEN ABBILDUNGEN IM TEXT. LEIPZIG, VERLAG VON VEIT & COMP. 1886. ■*.’4! VI, -J f *1^ ^ ' .. ■ ' .' ' \v>' vt- 'I ■' ' •• * ^‘■;K ■ V '.^iv iE.'" iÄ't-i Vi l •/ 1.1/4 il vüV-fy.Ml ^ ^ J .1 ■ '' ' 1 !ävt -•••■ ? 'I ■ '-iÄ r- ^ .■* I?)?: im ' / Druck von Metzger & Wittig in Leipzig. 1 ■ Inhalt. Seite W. Bechterew, lieber einen besonderen Bestandtheil der Seitenstränge des Rückenmarkes und über den Faserursprung der grossen aufsteigenden Trige- minuswurzel 1 W. Braune und H. Stahel, lieber das Verhältniss der Lungen, als zu ventili- render Lufträume, zu den Bronchien, als luftzuleitenden Röhren .... 5 Hans Stahel, lieber Arterienspindeln und über die Beziehung der Wanddicke der Arterien zum Blutdruck. Erste Abhandlung 45 R. Altmann, lieber die Verbesserungsfähigkeit der Mikroskope 64 August Froriep, Zur Entwickelungsgeschichte der Wirbelsäule, insbesondere des Atlas und Epistropheus und der Occipitalregioii. II. Beobachtung. (Hierzu Taf. I-III.) 69 Max Flesch, Ein weiterer Fall von Theilung der Arteria carotis interna in der Schädelhöhle 151 K. Strahl, Zur Bildung der Cloake des Kaninchenembryo. (Hierzu Taf. IV.) . 156 Bernh. Solger, lieber die Alkoholreaction normalen Gelenkknorpels. (Hierzu Taf. V.) 169 C. Hasse, lieber die Bewegungen des Zwerchfells und über den Einfluss der- selben auf die Unterleibsorgane. (Hierzu Taf. VI u. VII.) . 185 Hans Stahel, Zur Anatomie und Chirurgie der Art. subclavia. (Hierzu Taf. VIII— X.) 211 W. Flemming, Die ektoblastische Anlage des Urogenitalsystems beim Kaninchen. (Hierzu Taf. XI.) 236 L. Darkschewitsch, Ueber die sogenannten primären Opticuscentren und ihre Beziehung zur Grosshirnrinde. (Hierzu Taf. XII.) 249 P. Rudloff, Ueber eine Eigenthümlichkeit der äusseren Körner 271 Richard Zander, Untersuchungen über den Verhornungsprocess. I. Mittheilung. Die Histogenese des Nagels beim menschlichen Foetus. (Hierzu Taf. XIII.) 273 Hans Stahel, Ueber Arterienspindeln und über die Beziehung der Wanddicke der Arterien zum Blutdruck. (Hierzu Taf. XIV u. XV.) 307 P. Schiefferdecker, Beiträge zur Topographie des Darmes. (Hierzu Taf. XVI.) 335 Franz Keibel, Zur Entwickelung des Glaskörpers. (Hierzu Taf. XVII.) . . . 358 Ferdinand Hochstetter, Anomalien der Pfortader und der Nabel vene in Ver- bindung mit Defect oder Linkslage der Gallenblase 369 Max Flesch, Nachtrag zu den Mittheilungen über die untere Halskrümmung des Rückenmarkes 385 N. Kastschenko, Methode zur genaueren Reconstruction kleinerer makroskopischer Gegenstände. (Hierzu Taf. XVIII.) 388 A. VON Gubaroff, Ueber den Verschluss des menschlichen Magens an der Cardia. (Hierzu Taf. XIX.) 395 W. Bechterew, Ueber die Bestandtheile des Corpus restiforme. (Hierzu Taf. XX.) 403 Edvard Ravn, Ueber die mesodermfreie Stelle in der Keimscheibe des Hühner- embryo. (Hierzu Taf. XXI.) 412 W. His, Ueber den Sinus praecervicalis und über die Thymusanlage. (Hierzu Taf. XXII.) 421 W. His, Nachtrag zur vorstehenden Abhandlung 428 , .‘fi I \-K .- . I '^'4;. 'I-' , ^h- ']i .xai"ui >w.,.. «n %ki \f '■' .1 i)>m T'-tu: :'- I ‘V : •' ■ ' ■ .»'?j-'rtw ■ • ■: . - i' .. „ ■ > 'V. .: i 'JsAv*'. i •4'Jii’T'-' ';4.‘.’ jr^ii . • ‘ ' ■• M mit.’: ro*’")''- " ; .. M4(> • '■ ■ '. ,-V*\ :'• '}■ • I' --t .L ' f/v ifttt -5 .i i‘V lU'-f . T 1 1 : \ . y ' ; .,mT m;.;,:.hi t ‘ . .. v,., •, • •»'> . », I ■ ‘ '-i . . .l.''ri''*ij. 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Nach der Reihenfolge, in welcher sich die Fasern in den Seitensträngen des Rückenmarkes entwickeln, gelingt es leicht einen Abschnitt derselben auszuscheiden, der unmittelbar der Austrittsstelle der hinteren Wurzeln anliegt, indem er zwischen letzteren und dem Pyramidenstrang eingeschlossen ist. Die Fasern dieses Abschnittes, die auch im erwachsenen Rückenmark sich von denjenigen der Nachbargebiete durch ihr bedeutend geringeres Kaliber unterscheiden, beginnen ihre Markbekleidung erst bei Foeten von ca. 33 Länge zu erhalten, zu einer Zeit, wo bereits die gesammten Hinter- stränge markhaltig erscheinen, dagegen die Pyramidenbahnen der Vorder- und Seitenstränge noch ausschliesslich aus marklosen Fasern bestehen. Die relative Lage und Ausdehnung des in Rede stehenden Abschnittes, welcher meiner Meinung nach am besten als Hinterwurzelgebiet der Seiten- stränge zu bezeichnen wäre, weist ziemlich bedeutende Schwankungen in verschiedener Höhe der Rückenmarksaxe auf. Im unteren Abschnitt des Rückenmarkes, und zwar im Sacraltheil, in der Lendenanschwellung und im unteren Abschnitt des Dorsalmarkes nimmt das Hinterwurzelgebiet der Seitenstränge den ganzen Raum zwischen der hier stark entwickelten gelati- nösen Substanz Rolando’s und der Peripherie des Rückenmarkes ein, indem es vorn an den Pyramidenstrang und die Grenzschicht der grauen Substanz Archiv f. A. u. Ph. 1886. Anat. Abthlg. 1 2 W. Bechterew: anstösst, und nach hinten sich etwas über den Austrittsort der hinteren Wurzeln erstreckt. Nach aufwärts von den unteren Abschnitten des Dorsal- niarkes erscheint das bezeichnete Gebiet, welches hier ausschiesslich inner- halb der Grenzen der Seitenstränge liegt, in Gestalt einer schmalen Schicht in der Richtung des Austritts der hinteren Wurzeln, zwischen der Spitze des Hinterhornes und der Peripherie des Rückenmarkes, indem zugleich die Entfernung letzterer von einander zunimmt, und die gelatinöse Substanz verhältnissmässig an Ausdehnung verliert. Ein geringer Theil der Fasern des uns beschäftigenden Gebietes verläuft hier zwischen einzelnen Bündeln der hinteren Wurzeln. In den obersten Abschnitten des Brustmarkes besitzt es anscheinend die kleinste Ausdehnung; zudem ist hier der grösste Theil seiner Fasern zwischen den Bündeln der hinteren Wurzeln versprengt. In dem Halsmark dagegen steigt die Zahl der Fasern des Hinterwurzelgebietes von Neuem rasch an, und in den oberen Theilen des Halsmarkes bilden sie eine ziemlich breite Schicht längs dem ganzen äusseren Rande der gelati- nösen Substanz, die hier auch in bedeutendem Maasse zunimmt; beim Uebergang in das verlängerte Mark machen sie allmählich den dickeren Fasern der aufsteigenden Trigeminuswurzel Platz. Das beschriebene Gebiet entspricht demjenigen Theil der Seitenstränge des Rückenmarkes, auf dessen Degeneration in Fällen von Tabes dorsalis vor Kurzem Li s sau er aufmerksam gemacht hat.^ Letzterem zufolge stellen die Fasern dieses Gebiets die unmittelbare Fortsetzung der feineren Fasern der hinteren Wurzeln nach aufwärts dar. Letztere Fasern sammeln sich unmittelbar nach dem Eintritt der hinteren Wurzeln in das Rückenmark zu einem Bündel, das sich eng neben dem compacten Wurzelbündel nach aussen wendet; hier verlaufen diese Fasern eine gewisse Strecke lang in aufsteigender Richtung, und dringen dann, nachdem sie wieder einen hori- zontalen Verlauf nehmen, durch die gelatinöse Substanz in das Hinterhorn ein, in dessen tiefen Theilen sie sich zuletzt verlieren. Auf Grund der Untersuchung von Rückenmarken Neugeborener, bei denen das behandelte Gebiet bereits markhaltig erscheint , kann ich Lissauer’s Beschreibung, sowohl bezüglich des Ursprunges, als auch des Endschicksals seiner Fasern, vollkommen bestätigen. Auch habe ich mich durch die Vergleichung von mit Hämatoxylin, nach Weigert ’s Methode, gefärbten Praeparaten aus Rückenmarken Neugeborener mit ebenso gefertigten Schnitten aus fötalen Rückenmarken von weniger als 33 Länge über- zeugt, dass in letzteren nicht nur das Hinterwurzelgebiet der Seitensträuge marklos ist, sondern auch eine gewisse Faseranzahl innerhalb der hinteren H. Lissauer, Neurologisches Centralhlatt. 1885. Nr. 11. Übee die Seitenstkänge des Rückenmaekes u. s. w. 3 Wurzeln und fast alle Fasern, die horizontal durch die äusseren Theile der gelatinösen Substanz des Hinterhornes verlaufen. Es lässt sich also wohl schwerlich daran zweifeln, dass das Hinter- wurzelgehiet der Seitenstränge aus aufsteigenden Fasern des äusseren Bündels der hinteren Wurzeln besteht, die später zum Theil durch die Rolando’sche Substanz hindurch, zum Theil letztere von aussen umbiegend, in die graue Substanz des Hinterhornes eintreten. Der Umstand, dass die Fasern dieses Gebietes bedeutend später als die anderen Wurzelfasern mit Mark bekleidet werden, ist meines Erachtens von hervorragendem wissenschaftlichen Interesse, indem er darauf hinweist, dass sie eine besondere functioneile Bedeutung haben. Ich halte es für angezeigt hier zu erwähnen, dass ich in Fällen von Rückenmarksdurchschneidung an Thieren stets aufsteigende Degeneration der Fasern des Hinterwurzelgebietes in geringer Ausdehnung (von 5 bis 10 — 15 mm) jjach aufwärt von der Zerstörungsstelle beobachtet habe. Auch erscheinen an den in meinem Besitz befindlichen Praeparaten von Kranken, die an Tabes dorsalis litten, die Fasern dieses Gebietes, übereinstimmend mit Lissauer’s Angaben, degenerirt. . Die grosse aufsteigende Wurzel des Trigeminus (Meynert: absteigende Wurzel Stilling’s, racine bulbaire Duvail’s), entwickelt sich, wie ich mich überzeugt habe, in sehr frühem Alter, indem sie bereits bei Foeten von ungefähr 25 — 28 Länge markhaltig erscheint, bei denen im Rückenmark markhaltige Fasern nur im Wurzelgebiet der Burdach’schen, im Grund- bündel der Vorder- und Seitenstränge und — in sehr beschränkter Anzahl — innerhalb der grauen Substanz anzutreffen sind. In Anbetracht dieses Umstandes gelingt es durch die Untersuchung von Rückenmarken früher Altersperioden den Ursprung der aufsteigenden Trigeminuswurzel mit grösserer Genauigkeit zu ermitteln, als es bisher möglich war. Die Untersuchung ununterbrochener Schnittreihen aus fötalen Rücken- marken von ungefähr 28 Länge zeigt, dass die in Rede stehende Wurzel im Uebergangsgebiete des Halsmarkes Medulla oblongata, etwas abwärts von und theils im unteren Abschnitte der Pyramidenkreuzung beginnt, indem sie in Gestalt einzelner kleiner aus der Zellengruppe der Basis des Hinterhorns her- vortretender Bündel erscheint. Diese Bündel, die anfänglich an der Basis des Hinterhornes, nach vorn und innen von der gelatinösen Substanz gelegen sind, nehmen bald ziemlich rasch an Zahl zu, indem sie durch aus höhergelegenen Zellen entspringende Fasern verstärkt werden. Ungefähr in der Höhe der •‘Unteren Abschnitte der oberen Kreuzung, zum Theil jedoch unmittelbar unter letzterer, biegen fast alle diese den Ursprung der aufsteigenden Trigeminuswurzel bildenden Fasern und Bündelchen nach aussen um, 1* 4 W. Bectiteeew'j Übee die Seitensteänge des Rückenmaekes u. s. w. ziehen in querer Richtung durch die gelatinöse Substanz hindurch und legen sich an die äussere Seite letzterer in Gestalt eines compacten Bündels an, welches bis zum Austrittsort der gemeinsamen Trigeminuswurzel auf- steigt. In dieser Weise ist es offenbar, dass die gelatinöse Substanz, welche die grosse aufsteigende Trigeminuswurzel begleitet, nicht als Kern dieser Wurzel angesehen werden kann, wie zu einer Zeit Krause irrthümlich . anuahm. Lieber das Verhältniss der Lungen, als zu ventilirender Lufträume, zu den Bronchien, als luftzuleitenden Röhren. Von W. Braune und H. Stahel. Die zwei schon lange bekannten Thatsachen, dass der rechte Bronchus weiter ist als der linke und dass Volum und Gewicht der rechten Lunge grösser ist als Volum und Gewicht der linken Lunge, haben bis jetzt die Aufmerksamkeit der Forscher nicht zu erregen vermocht. Und doch legen diese Thatsachen die Frage nahe: Ist die grössere Weite des rechten Bronchus im Vergleich zum linken bedingt durch das grössere Volum und Gewicht der rechten Lunge oder liegt diesem Verhältniss eine andere Ursache zu Grunde und welche? Um diese Frage entscheiden zu können, müssen genaue Messungen sowohl der Querschnitte der Bronchien als der Volumina und Gewichte der Lungen ausgeführt werden. Einwurfsfreie Messungen sind aber bis jetzt nicht ausgeführt worden, und so ist es begreiflich, dass man auf diese fest- stehenden und leicht zu constatirenden Thatsachen nicht weiter gebaut hatte. Wir werden deshalb zu Anfang den Stand der Kenntnisse über diese hier in Frage kommenden Punkte, wie er bis jetzt war, erörtern. Henle, Eingeioeidelehre. S. 275. Die Länge der Trachea beträgt im ausgedehnten Zustande etwa 12 Ihre Weite entspricht fast genau der Weite des von der Gart, cricoidea umschlossenen Theiles des Kehlkopfes, dessen Schleimhaut sich ohne merkliche Abgrenzung in die Trachea fortsetzt, während die Dicke der Wand plötzlich auf 2-5 bis 3 fällt und somit die äussere Oberfläche der Trachea hinter den Rand der Gart, cricoidea zurückweicht. Gegen das untere Ende nimmt die Weite der Trachea allmäh- lich um Weniges zu, oder ihr Querdurchmesser vergrössert sich bis zur Mitte ihrer Höhe und nimmt von da an bis zum untern Ende wieder ab. 6 W. Braune und H. Stahel: Der Querschnitt ist nicht genau kreisförmig, ■ da der hintere häutige Theil der Wand, der die Lücke zwischen den Knorpelringen ausfüllt, eine ebene Fläche bildet, und die Schleimhaut derselben, wenn die Quermuskelfasern con- trahirt sind, sogar in Form eines Längswulstes gegen das Lumen ebenso hervor- ragt, wie die häutigen Zwischenräume der Knorpelringe, wenn die Trachea sich verkürzt, als Querwülste in das Lumen vorspringen. Auch entspricht die Flächenkrümmung der Knorpelringe nicht immer einem Knorpelsegment; sie kann parabolisch, hufeisenförmig, asymmetrisch verzogen sein und nicht selten sind, namentlich bei Frauen und Kindern, die Knorpel so weich, dass sie dem Druck^ benachbarter Theile nachgeben, sich abplatten und unregelmässig ein- biegen. Vielleicht dienen die Quermuskelfasern der hintern Wand dazu, im Leben die Elasticität und Widerstandskraft der Knorpelringe durch Spannung derselben zu erhöhen. Seite 278 Von den beiden Bronchi ist der rechte 2.4 lang, 2.3 weit; der linke 5.1 lang und 2 weit; der rechte zählt sechs bis acht, der linke neun bis zwölf Ringe, die in Form und Dimensionen, abgesehen von ihrem geringeren Caliber der Canäle, mit den Ringen der Trachea übereinstimmen, sowie auch die Anordnung der übrigen Schichten genau derjenigen der Trachea entspricht. Beide Bronchi gehen schräg, seit- und abwärts zu ihrer Lunge, der rechte wohl nur scheinbar etwas weniger geneigt, als der linke, weil er kürzer ist; der rechte unter dem Bogen, welchen die V. azygos bildet, indem sie von der hintern Brustwand sich vorwärts zur V. cava sup. wendet; der linke unter dem Bogen der Aorta. Jeder Bronchus theilt sich gabelförmig und unter spitzem Winkel in zwei Aeste, welche linkerseits fast gleiches Caliber haben, während auf der rechten Seite der untere Ast stärker ist, aber sich nach kurzem Verlauf abermals in zwei Aeste spaltet. Seite 287. Die secundären Aeste der Bronchi, zwei auf der linken, drei auf der rechten Seite, verbergen sich im Hilus der Lunge zwischen Gefässen, Lymph- drüsen und den über diesen Gebilden zusammenklappenden Rändern der Lungen- substanz. Entfernt man die Gefässe und Drüsen und streift man die Lungen- ränder, soweit es ohne Zerreissung des Gewebes geschehen kann, zurück, so sieht man die secundären Bronchialäste unter spitzem Winkel einige Mal in kurzen Abständen sich zwei- oder dreizackig in der Weise theilen, dass das Caliber der Aeste zusammengenommen grösser, jedes einzelnen Astes aber kleiner ist, als das des Stammes, aus welchem sie hervorgehen. Seite 284. Die rechte und linke Lunge sind, ausser durch die Zahl und Form der Lappen, auch durch ihre Gestalt und Dimensionen verschieden. Wie erwähnt, ist die rechte Lunge voluminöser als die linke, hauptsächlich in Folge eines Uebergewichts des transversalen Durchmessers und des Flächeninhaltes der Basis. Auch der sagittale Durchmesser oder, genauer, eine vom hintern zum vordem Rand über die Oberfläche der Lunge horizontal gezogene Linie ist an der rechten Lunge meistens länger, als an der linken, weil, abgesehen von dem Ausschnitt des vorderen Randes der linken, das vordere Mediastinum, welches Das Verhältniss der Lungen zu den Bronchien. 7 beide Lungen im lufterfüllten Zustand berühren, aus der Medianebene nach links gerückt ist. Im verticalen Durchmesser sind beide Lungen am hinteren Rande fast gleich, gegen den vordem Rand nimmt die Höhe der rechten Lunge rascher ab, als die Höhe der linken, wegen des rechterseits höheren Standes des Zwerchfelles, doch wird dieser Unterschied wieder einigermaassen dadurch ausgeglichen, dass in der Regel die Spitze der rechten Lunge die der linken um 4—8 überragt. In Bezug auf Volumen und Gewicht verhält sich die linke Lunge zur rechten etwa wie 10:11. Eine absolute Volumen- und Gewichtsbestimmung der Lungen ist wegen ihres wechselnden Blut- und Luftgehaltes misslich. Als mittleres Gewicht bei massiger Anfüllung der Blutgefässe giebt C. Krause für Männer 1320, für Frauen 1050 an. Die Lungen haben in völlig luftleerem Zustande ein Volumen von 694 bis 879 jedoch zusammengefallen, wie man sie in der Leiche nach Eröffnung der Pleura findet, etwa das Doppelte (Krause); ihr Volumen giebt Huschke zu 3688, Arnold zu 6805 an. Hyrtl, Lehrbuch der Anatomie. 17. Aufl. S. 747. Die Länge der Luftröhre misst 3^/g bis 4^2 Zoll. An ihrem oberen und unteren Ende finden wir sie etwas enger, als in der Mitte. Seite 750. Die rechte Lunge ist wegen des höheren rechtsseitigen Standes des Zwerch- felles niedriger, aber breiter als die linke, und zugleich etwas grösser. Luschka, Die Anatomie des Menschen. Die Brust. S. 303. Der Bronchus dexter ist beim erwachsenen Menschen durchschnittlich 2*4®“ lang , 2 * 2 dick und dabei etwas weniger geneigt als der linke. Er liegt theils über, theils hinter dem rechten Aste der Art. pulmonalis, vor ihm steigt die obere Hohlader herab und hinter ihm zieht die Vena azygos empor, deren Bogen sich mit seiner Concavität um den obern Umfang derselben herumlegt. Die grössere Weite des rechten Bronchus bedingt einen stärkern Luft- strom zur rechten Lunge, womit es in Uebereinstimmung steht, dass fremde, in die Luftröhre gelangte Körper gewöhnlich gegen die rechte Lunge vorrücken und diese auch durch die ersten Athemzüge nach der Geburt stärker ausgedehnt zu werden pflegt. Sowohl durch die bedeutendere Weite des rechten Bronchus, als auch durch die Abweichung der Luftröhre gegen die rechte Thoraxhälfte wird die interessante Thatsache erklärt, dass die Stimmvibrationen, der sog. Pectoralfremitus, im gesunden Zustande der Brustorgane an der rechten Thorax- hälfte constant stärker‘ gefühlt werden kann, als an der linken. Der Bronchus sinister hat eine viel bedeutendere, sich auf 5.1 belaufende Länge, während die Dicke desselben durchschnittlich nur 2 beträgt. Seite 292. Das über die obere Brustapertur hinausragende Segment einer jeden Lunge gehört ihrer abgerundeten Spitze an. Der seitlich nach vorn stark abfallende Theil derselben schreitet so über den Rand der ersten Rippe hinaus, dass er 8 W. Braune und H. Stahel; sich allmählich im Niveau ihres vorderen und ihres hinteren Endes verliert, mit welchem letzteren denn auch der höchste Punkt der Lungenspitze zusammen- trifft. Die grösste, etwa dem Halbirungspunkte des inneren Randes vom Knochen der ersten Rippe entsprechende Höbe dieses ihn überragenden Lungensegmentes beträgt beim erwachsenen Menschen 1 — rechts gewöhnlich etwas bedeutender als links. Durch die mit dem Mechanismus der Ath- mung verbundene Erhebung und Senkung des ersten Rippenpaares muss selbst- verständlich die Grösse der überragenden Lungenpartie einigem Wechsel aus- gesetzt sein. Seite 289. Die rechte Lunge hat ein grösseres Volumen und Gewicht als die linke, indem sie zwar kürzer, aber breiter ist als diese, namentlich eine bedeutend grössere untere und äussere Oberfläche besitzt, so dass sich sowohl hinsichtlich des Volumens als auch des Gewichtes die linke Lunge zur rechten etwa wie 10:11 verhält. Krause, Handbuch der menschlichen Anatomie. II. Bd. S. 428. Die Summe der Querschnitte beider Bronchien ist ziemlich genau gleich derjenigen der Trachea und ebenso gleicht erstere Summe näherungsweise der Summe der Querschnitte der primären Bronchien, welche von einem Bronchus abgegeben werden. Die Höhlung des Athmungsrohres stellt insofern einen Cy- linder (nicht etwa einen Kegel) dar, von 1*5 bis 2*5 Querschnitt. Seite 431. Die linke Lunge ist schmäler und länger, die rechte breiter, kürzer, über- haupt etwas grösser als die linke: im Verhältniss wie 10 zu 9 beim männ- lichen, wie 8 zu 7 beim weiblichen Geschlecht. Die Spitze der rechten Lunge steht in der Regel 4 — 8 höher, als diejenige der linken. Bis dahin sind nur sehr spärliche Notizen über die Grössenverhält- nisse der Bronchien und der Lungen in den eben erwähnten Handbüchern der Anatomie aufzufinden gewesen. Die aufgeführten Zahlen über die Grössenverhältnisse der Bronchien sind entweder von vornherein nicht zu gebrauchen, wenn z. B. bloss die Durchmesser der Bronchien angegeben sind, oder es fehlt den vorhandenen Querschnittshestimmungen der Nachweis einer genauen und fehlerfreien Methode. Weder die Trachea noch die Bronchien sind cylindrische Röhren. Es ist deshalb mit der Angabe des Durchmessers eines Bronchus noch nicht der Flächeninhalt seines Querschnittes gegeben. Zahlreiche Messungen, mit Angabe der Methode, über die Caliberverhältnisse der Bronchien angestellt zu haben, ist das Verdienst von Aehy. Aeby hat in seiner Arbeit „Der Bronchialbaum der Säugethiere und des Menschen^^ die Aufgabe zu lösen versucht, auf Grund von Querschnittsbestimmungen der Trachea und der Bronchien ein Bild der Architectur von dem luftführenden Röhrensysteme Das Veehältniss dee Lungen zu den Beonchien. 9 bei Säugethieren und Menschen zu entwerfen. Da unserer Arbeit auch solche Messungen zu Grunde liegen und diese Messungen den Ausgangs- punkt für weitere Untersuchungen gebildet haben , so muss die Arbeit von Aeby, als die erste in dieser Art, eingehender berücksichtigt werden. Zuerst die Methode: Aeby sagt in seiner Arbeit S. 66 unter dem Capitel, „Caliberverhältnisse des Bronchialbaunies^^: „In der frischen Lunge stösst die Bestimmung des Bronchialcalibers auf ziemliche Schwierigkeiten. Wir sind auch nur in sehr mangelhafter Weise darüber aufgeklärt, und doch handelt es sich hierbei um Verhältnisse, die für das Yerständniss des Organs im gesunden und kranken Zustande keines- wegs als bedeutungslos dürften angesehen werden. Unseren Ausgüssen (mit Rose’schem Metall) verdanken wir die erwünschte Gelegenheit, wenigstens theil weise die noch bestehenden Lücken auszufüllen und an einem ebenso treuen wie handlichen Materiale von ganz unveränderlicher Form Alessungen in beliebiger Weise anzustellen. Der Ausguss führt uns das Lumen der einzelnen Bronchien verkörpert vor. Von einer übergrossen künstlichen Er- weiterung kann bei dem geringen Drucke, unter welchem das Metall einfliesst, wohl kaum die Rede sein und jedenfalls ist eine allfällige, daraus ent- springende Fehlerquelle nicht grösser, als diejenige, welche sich aus der Schlaffheit der frischen und leeren Bronchialröhren für die Messung ergiebt. Zudem ist die Ausdehnungsfähigkeit der gröberen Bronchen, um die es sich handelt, eine sehr beschränkte.“ „Ich habe übrigens nie unterlassen, auf den Zustand der Bronchialwan- dungen nach dem Ausgiessen ganz besonders zu achten und dabei in keinem einzigen Falle eine stärkere Spannung derselben vorgefunden. Hinwiederum wurden aber auch nur solche Ausgüsse zur Verwendung gezogen, welche duirch die Sculptur ihrer Oberfläche und getreuen Wiedergabe der Zeich- niing der Bronchialwand sich als vollkommen auszuweisen vermochten.“ „Ich will hier gleich bemerken, dass sich die knorpeligen Bronchial- vinge nur ausnahmsweise deutlicher abzeichnen, gewiss ein Beweis, dass von einem starken Drucke und daheriger unnatürlicher Ausweitung nicht die Rede sein kann. Dagegen kommen die Falten der Schleimhaut häufig mit grosser Deutlichkeit zum Vorschein.“ „Der Querschnitt der gröberen Luftwege ist im Allgemeinen rundlich oder leicht oval, nur ausnahmsweise in der einen Richtung etwas stärker zu- sammengedrückt. Ich benutzte daher zu seiner Bestimmung das Mittel, dass sich je weilen aus dem grössten und kleinsten Durchmesser ergab, indem ich mir den Querschnitt selbst auf Grund dieses Mittels kreisförmig dachte und darnach auf seinen Inhalt berechnete. Dass damit eine absolute Genauigkeit nicht erzielt werden kann, ist selbstverständlich, der in der 10 W. Beaüne und H. Stahel: Rechnung eingeführte Fehler aber auch so gering, dass er für unsere Zwecke gar nicht in Betracht kommt.“ Aehy stellt nun auf Grund seiner Messungen folgende Sätze auf: A. a. 0. S. 68. „Die Durchmesser der Trachea wachsen stetig von oben nach unten hin und es ist daher nicht richtig, wenn Hyrtl sie von der Mitte an wieder abnehmen lässt. Die Trachea ist kein cy lindrisches, sondern ein trichter- förmiges Rohr, mit nach unten gekehrter Basis.“ A. a. 0. S. 70. „Der rechte Bronchus beginnt ausnahmslos mit einer beträchtlicheren Weite als der linke und zwar so, dass beide sich durchschnittlich zu ein- ander verhalten wie 3:2. Nichts wäre indessen irriger, als daraus über- haupt ein üeberge wicht des rechten Bronchialsystems über das linke ab- leiten zu wollen. Davon ist gar keine Rede und was der erste Stamm- bronchus anfangs vor dem linken voraus hat, das verliert er schon mit der Abgabe des eparteriellen Seitenastes für den oberen Lungenlappen so gründ- lich, dass er nach derselben seinem Genossen nur mit Mühe das Gleich- gewicht zu halten vermag.“ A. a. 0. S. 71. „Wir entnehmen hieraus (Tabelle), dass der linke Bronchus, trotzdem er hinter dem rechten an Umfang zurückbleibt, doch eine volle Hälfte des Trachealwerthes für sich in Anspruch nimmt. Beide Bronchen zusammen müssen somit einen etwas grösseren Raum einnehmen als die Trachea^. Er wird dadurch gewonnen dass sie durch ihren schrägen Verlauf nicht blos unten, sondern auch seitlich an letzteren anschliessen. Die Verjüngung der Stammbronchen geschieht in der Regel sprung- weise an der Abgangsstelle eines Seitenbronchus. Die zwischenliegenaen Strecken besitzen im Ganzen Cylinderform. Eine bemerkenswerthe Aus- nahme hiervon macht der linke Stammbronchus von seinem Ursprünge am bis zum Abgänge des ersten Seitenbronchus. Er ist in der Mitte dieser Strecke fast immer merklich verengt. Nach unten hin erweitert er sich wieder, ohne jedoch in der Mehrzahl der Fälle völlig zum anfänglichen Caliber zurückzukehren.“ A. a. 0. S. 78. „Es ist hierdurch (Tabelle der Weite des Bronchialbaumes in Procenteii seines Anfangs werthes) bewiesen, dass die Weite der Bronchialbahn rechts' wie links von ihrem Ursprünge an erst eine Strecke weit abnimmt, um dann über das ursprüngliche Maass hinaus wieder zuzunehmen. Die Ab- nahme beträgt etwa des anfänglichen Calibers und erreicht ihren Höhe- Das Veehältniss dee Lungen zu den Beonchien. 11 punkt links im eparteriellen , rechts im ersten hyparteriellen Stockwerk. Dort ist bereits mit dem ersten, hier erst mit dem zweiten hyparteriellen Stockwerke das ursprüngliche Caliber wieder hergestellt, um mit jedem weiteren Stockwerk eine neue Steigerung zu erfahren. Ueberblicken wir die Luftwege in ihrer ganzen Länge, so erkennen wir, wie schon vom oberen Ende der Trachea an eine trichterförmige Erweiterung angestrebt wird. Sie schreitet stetig fort bis zur Wurzel der beiden Stammbronchen, geht aber dann in der Gegend ihrer ersten Seitenzweige auf das Endcaliber der Luftröhre zurück, um weiterhin von neuem der fortschrittlichen Richtung zu huldigen.‘^ Das Volumen der Lunge hat Aeby so gemessen, dass er die Lungen mittels eines angehängten Gewichtes versenkte und aus der Quantität der verdrängten Flüssigkeit minus dem Volumen des Gewichtes das Volumen der Lunge bestimmte. Aus diesen Messungen folgert Aeby: A. a. 0. S. 85: „Für die Lungen besteht kein anderer Geschlechtsunterschied als der- jenige der absoluten Grösse. Sie sind beim Weibe im Durchschnitt fast genau um ein Viertel weniger umfangreich als beim Manne. Den Werth der linken Lunge finden wir um 15 Procent kleiner als denjenigen der rechten, was dem allgemein angenommenen Verhältniss von 11:10 so nahe steht, als man es bei den beträchtlichen individuellen Schwankungen nur erwarten kann. Wichtig ist in dieser Hinsicht, dass die linke Lunge keines- wegs immer hinter der rechten an Ausdehnung zurück bleibt, dass sie vielmehr individuell unter Umständen grösser gefunden wird, wo nichts zu der An- nahme pathologischer Veränderungen berechtigt. Auf der anderen Seite kommen hinwiederum Fälle von auffallender Kleinheit vor, so dass sich in unseren Tabellen die Extreme ziemlich genau das Gleichgewicht halten dürften. “ Und zum Schluss a. a. 0. S. 92: „Es ist nicht ganz ohne Interesse, das Caliber der Lunge mit dem- jenigen der zuführenden Luftwege zu vergleichen. Vermittelst der bei Er- wachsenen gewonnenen Mittelwerthe lässt sich dies durchführen, freilich nur in allgemeinen Umrissen, da es ja verschiedene Individuen sind, die das Material für die Luftwege und für die Lungen geliefert haben. Die Caliber der beiden Lungen verhalten sich wie 100:85, die der zuführenden Stammbronchen wie 100:70*7.“ So dankenswcrth der Gedanke Aeby ’s auch ist, an der Hand von succes- siven Querschnittsbestimmungen des Bronchialbaumes die einzelnen Ab- schnitte des Bronchialbaumes mit einander zu vergleichen, so lassen sich doch gegen die Methode, die Aeby a. a. 0. S. 66 beschreibt, gewichtige Einwände machen. 12 W. Braune und H. Stahel: Wir wollen hier bloss einen Ein wand gegen diese Methode anführen: Beim Einfüllen mit Rose’schem Metalle wird die Trachea so fixirt, dass die Lungen senkrecht nach unten hängen. Der Seitendruck dieser flüssigen Masse ist nun nach einem einfachen physikalischen Gesetze für gleiche Flächen abhängig von der Höhe der Flüssigkeitssäule und dem spe- cifischen Gewicht derselben. Nun hat aber, um es beiläufig zu erwähnen, das Rose’ sehe Metall, welches aus 2 Thln. Wismuth, IThl.Zinn und 1 Thl. Blei besteht, ein bedeutendes spec. Gewicht. Am Ende des linken Bronchus wird desshalb der Seitendruck grösser sein als an der Bifurcation, weil das Ende tiefer liegt. Ebenso wird die Trachea von oben nach unten durch die flüssige Metallsäule in Form eines Trichters ausgeweitet werden, da mit der Höhe der Seitendruck grösser wird. Die Trachea und die Bronchien sind aber keine aus starren, unnachgiebigen Wandungen bestehende Röhren. Wenn auch der knorpeltragende Theil der Wandung durch die flüssige Metallsäule nicht wesentlich ausgeweitet werden sollte (was übrigens zuerst zu beweisen wäre), so wird der häutige Theil ganz sicher ausgeweitet. Die flüssige Metallsäule wird (zu Folge ihrer Eigenschaft als Flüssigkeit) in jedem Querschnitt nach allen Richtungen in dieser Ebene den gleichen Druck ausüben. Es wird deshalb der Querschnitt, welche Form er vorher gehabt haben mag, vorausgesetzt, dass die Wandung des Rohres nicht starr ist, bei dieser Füllung mit flüssigem Metall annähernd die Form einer Kreisfläche annehmen. Ein Blick aber auf die Tafeln VII. YIII. IX. X des topographischen Atlas von Braune lehrt, dass die Querschnitte der Trachea für die Rechnung weder rundlich noch leicht oval sind. Es lehren diese Abbildungen aber noch ferner, dass die Querschnitte der Trachea ver- schiedener Höhe in ihrer Form wesentlich verschieden sind. Unsere Methode. Die Methode, welche gestattet, Theile des menschlichen Körpers von verschiedener Dichtigkeit zu durchtrennen, ohne dass die Lage der einzelnen Theile zu einander verändert wird, ist die Gefriermethode. Wird daher die gefrorene Trachea im Zusammenhänge mit den umgebenden Weich- theilen an irgend einer Stelle rechtwinkelig zur Axe der Trachea durch- schnitten, so erhalten wir den normalen Querschnitt dieser Stelle, voraus- gesetzt, dass durch den Act des Gefrierens das Lumen der Trachea nicht wesentlich verändert wird. Den Nachweis, dass das Lumen der Trachea beim Gefrieren sich nicht verändert oder, wenn es sich verändert, um wie viel, müssen wir schulden, da wir während der Zeit, da diese Arbeit aus- gfcführt wurde, nicht vollständig über das Material verfügen konnten. Die Das Veehältniss der Lungen zu den Bronchien. 13 Frage, ob die gefrorene Trachea ein anderes Lumen habe als die normale, hätten wir auf folgende Art zu beantworten gesucht: Die Bronchien und die Trachea werden sorgfältig mit Quecksilber ge- füllt; gerade ifnterhalb des Ringknorpels wird mittels einer geeigneten Vorrichtung ein horizontales Capillarrohr (analog dem Capillarrohr des Bunsen’schen Eiscalorimeter) in die Trachea eingebunden. Der Stand des Quecksilberfadens vor und nach der Gefrierung des Körpers hätte angezeigt, ob eine wesentliche Aenderung des Lumens der Trachea und der Bron- chien durch das Gefrieren bewirkt wurde. Um die Querschnitte der einzelnen Theile des Bronchialbaumes mit einander vergleichen zu können, muss jeder Querschnitt senkrecht zur Axe des betreffenden Röhrenabschnittes gestellt werden. Wenn nun auch der Hals einer gefrorenen Leiche so durchsägt werden kann, dass die Trachea rechtwinkelig zu ihrer Axe durchtrennt wird, so ist ein zur Axe senkrechter Durchschnitt des Bronchus sinister in seiner natürlichen Lage nicht aus- führbar. Daraus geht hervor, dass wir die Trachea und Bronchien aus ihrer natürlichen Verbindung herauslösen müssen, wenn wir die Querschnitte verschiedener Theile des Röhrensystems unter gleichen Bedingungen mit einander vergleichen wollen. Die Fehlerquelle, welche aus der Auslösung des Organes aus seinem natürlichen Zusammenhang resultirt, haftet eben- falls unserer Methode an. Die Ausgussmethode überhaupt aber, die gestatten würde, den Bron- chialbaum in seiner natürlichen Lage und Verbindung mit der Umgebung (bei aufrechter senkrechter Stellung der Leiche) mit irgend einer erstarrenden Flüssigkeit auszugiessen hat zwei grosse Fehler, die in specifischen Gewichte und in der Volumenänderung beim Uebergang in den anderen Aggregat- zustand begründet sind. Der erste Fehler rührt her von dem verschiedenen Druck der Flüssig- keit je nach der Höhe der Flüssigkeitssäule; der zweite von der Natur des Körpers d. h. Querschnitt des linken Bronchus am Ende. EB Querschnitt der Aeste des rechten und linken Bronchus. A. Messungen von Tracheen und Bronchien normaler Lungen vom Menschen. I., II., III., IV. und V. Fall (Chr.). I. Männlich. 63 Jahre. Todesursache: Apoplexia cerebri. II. Ca. 30jährige, kräftige, mittelgrosse, weibliche Leiche. Todesursache: Ertrinkungstod. Beide Lungen ganz normal. Gewicht der rechten Lunge 365 Gewicht der linken Lunge 344 III. Ca. 22 Jahre alte, mittelgrosse, männliche Leiche. Todesursache: Lungenschusswunde links mit Abreissung des linken Bronchus an seiner Theilung in die zwei Hauptäste. Beide Lungen gesund, lufthaltig. IV. Mittelgrosser kräftiger Körper, männlich. 40—50 Jahre. Todes- ursache : Erhängungstod. Y. Starker musculöser Körper, männlich, ca. 25 Jahre. Todesursache: Erstickungstod. Ausser Emphysem des linken und rechten oberen Lappens Lungen normal. Querschnitt der Trachea 2^2? hez. 3^™ über der Bifurcation 180 129*3 218*7 — 189*3 Querschnitt des rechten Bronchus an der Bifurcation 101*8 78*7 146*8 152*5 128-7 Querschnitt des oberen Astes des rechten Bronchus — 29*3 47*5 41*2 — 16 W. Braune und H. Stahel: Querschnitt des unteren Astes des rechten Bronchus 53.7 81.2 101.8 — Querschnitt des linken Bronchus an der Bifurcation 82*3 63.1 121.8 109.3 95.0 Querschnitt des linken Bronchus, Mitte — 63.1 112.5 97.5 76*8 Bei Fall V beträgt die Länge des linken Bronchus 4-8®'^, dessen Querschnit am Ende 74.3, des obere Astes 32.5, des untere Astes 23.7. Summe der Querschnitte beider Bronchien: 184.1 141.8 268-6 261-8 223-7 Wird der Querschnitt der Trachea = 100 gesetzt so ist die Yerhältnisszahl der Summe beider Bronchien: 102-2 109-6 122-8 — 118-1 für den rechten Bronchus 56.5 60-8 67-1 — 67-9 für den linken Bronchus 45.7 48-8 55-6 — 50-2 Verhältniss des rechten zum linken Bronchus ersterer =100 gesetzt 80-8 80-1 82-9 71-6 73-8 Summe der Querschnitte am oberen und unteren Ast des rechten Bronchus — 83 128-7 143 — Verhältniss zum ungetheilten Stamm (dieser =100 gesetzt) — 105.4 87-6 93-7 — Wird für Fall V der linke Bronchus an der Bifurcation =100 ge- setzt, so ist das Verhältniss in der Mitte 80-8 am Ende 78-2 Der Querschnitt am Ende verhält sich zur Summe der Aeste wie 100:75*6. VI., VII., vill., IX., X. und XI. Fall (Chr.). VI. Mittelgrosse, männliche, kräftige Leiche, Alter zwischen 25 und 30 Jahren. Todesursache: Erhängungstod. VII. Kräftige, musculöse, männliche Leiche. Alter ca. 50 — 60 Jahre. Todesursache : Erhängungstod. VIII. Ca. 30 bis 35 jährige, männliche Leiche. Todesursache : Erhängungs- tod. Gewicht der rechten Lunge 741 Gewicht der linken Lunge 593 IX. Ca. 15 jährige, männliche Leiche. Todesursache: Erhängungstod. Länge der Trachea vom Kehlkopf bis zur Bifurcation 7 - 8 ' X. Ca. 25 jährige, männliche Leiche. Todesursache: Eij-nängungstod. XI. Sehr kräftige, ca. 35jährige männliche Leiche. 'Todesursache: Erhängungstod. Das Yeehältniss der Lungen zu den Bronchien.. 17 Querschnitt der Trachea 3bez. 7 • 8 über der Bifurcation 204.3 220-0 289-3 85-6 260-0 271-8 Querschnitt des rechten Bronchus an der Bifurcation 123*7 133-7 175*0 72-5 143*1 135-0 Querschnitt des oberen Astes des rechten Bronchus — 50-0 — 21-8 — — Querschnitt des unteren Astes des rechten Bronchus _ 76-2 — 44-3 ~ — Querschnitt des linken Bronchus an der Bifurcation 103-1 110-6 133-7 58-7 103-7 98-1 Querschnitt des linken Bronchus Mitte — 87-5 111-2 — 69-3 96-2 Querschnitt des linken Bronchus Ende 70-0 98-1 117-5 — 81-2 78-7 Bei Fall VII Summe der Querschnitte der Aeste des linken Bronchus 90. Bei Fall IX beträgt der Querschnitt der Trachea zwischen 7-8 und 3-6®'" von der Bifurcation 120-6, 3-6®'" über der Bifurcation 124-3, 3 - 6 ®>" und Bifurcation 111-2. Summe der Querschnitte beider Bronchien 226-8 244-3 308-7 131-2 246-8 233-1 Wird der Querschnitt der Trachea = = 100 gesetzt, so ist die Verhältniss- zahl der Summe beider Bronchien . 111-0 111-0 106-7 117-9 94-9 85-7 für den rechten Bronchus — 60-7 60-4 65-1 55*0 49*6 für den linken Bronchus — 50-2 46*2 52*7 39-8 36-1 Verhältniss der rechten zum linken Bronchus, ersterer = 100 gesetzt 83-3 82-7 76-4 80-9 72*4 72*6 Summe der Querschnitte am ob. und unt. Ast des rechten bez. linken Bronchus — 90 — 66*1 — — Verhältniss zum ungetheilten Stamm (dieser =100 gesetzt) — 91-7 — 91*1 — — Wird der linke Bronchus an der Bifurcation =100 gesetzt, so ist das Verhältniss in der Mitte — 1 79-1 83*1 — 66-8 98-0 67-18 88-7 am Ende 87-8 78.3 80-2 Archiv f. A. i/. Ph. 1886. Anat. Abthlg, 18 W. Braune und H. Stahel: Tabelle I der Verliältuisszalilen der Querschnitte des rechten und linken Bronchus gemessen an der Bifurcation. ^ Nummer Alter Jahre Geschlecht mämilich ' weiblich Querschnitt des rechten Bronchus Querschnitt des linken Bronchus I 63 1 100 80.8 II 30 — 1 100 i 80.1 III 22 1 — 100 i 82.9 IV 40—50 1 — 100 i 71.6 V 25 1 — 100 1 73.8 VI 25—30 1 — 100 ! 83.3 VII 50—60 1 : — 100 . ! 82.7 VIII 30—35 1 1 — 100 1 76.4 IX 15 1 1 — 100 i 80.9 X 1 25 i 1 — 100 72.4 XI 1 35 1 1 — 100 i 72.6 Mittel aus 11 Messungen 100 77*95 Die Verhältnisszahlen dieser Reihe liegen zwischen 100:71.6 100:83.3 Aus Tabelle I geht hervor, dass der Querschnitt des rechten Bron- chus in allen elf zur Untersuchung gekommenen, normalen, mensch- lichen Lungen grösser ist als der Querschnitt des linken Bronchus. Es geht ferner aus dieser Tabelle bervor, dass der Querschnitt des rechten B]‘onchus zu dem Querschnitt des linken Bronchus (beide gemessen an der Bifurcation) in einem bestimmten, nur in geringer Breite schwankenden Verhältnisse steht. Es verhält sich der Querschnitt des rechten Bronchus zu dem des linken im Mittel aus elf Messungen wie 100:77.9. Aus nebenstehender Tabelle II ersehen wir, dass unter zehn normalen menschlichen Lungen der Querschnitt der Trachea ca. 3 oberhalb der Bifurcation gemessen in 8 Fällen kleiner als die Summe der Querschnitte der Bronchien, in 2 Fällen grösser als die Summe der Querschnitte der Bronchien ist. Wegen des Wechsels im Caliber der Trachea musste, da wir aus äusseren Gründen nur über ihren untersten Theil verfügen konnten, an einer ganz bestimmten Stelle die Messung der Tracheallichtung’. ausgeführt werden und zwar wurde der Querschnitt 3 oberhalb der Bifurcation an- gelegt. Das Veriiältniss dee Lungen zu den Bkonchien. 19 Tabelle II der Verhältnisszahlen der Querschuitte der Trachea und der Summe der Querschnitte der Bronchien. Nummer Alter Jahre Gesell weiblich lecht männlich Querschnitt der Trachea Summe der Quer- schnitte der Bronchien. I 63 1 100 102*2 II 30 — 1 100 109*6 III 22 1 — 100 122*8 V 25 1 — 100 118*1 VI 25—30 1 — 100 111*0 VII 50—60 1 — 100 111*0 VIII 30—35 1 — 100 106*7 IX 15 1 — lÖO 117*9 X 25 1 — 100 94*9 XI 35 1 — 100 85*7 Mittel an 10 Messungen 100 107*9 Successive Querschnittsbestimmungen der ganzen Trachea der normalen Lunge einer 15jährigen, männlichen Leiche (s. Fall IX) ergaben, dass das Lumen der Trachea in den einzelnen Abschnitten sich folgendermaassen verhält: die Trachea hat unmittelbar unter dem Kehlkopf den geringsten Querschnitt; von da ab vergrössert sich der Querschnitt stetig bis ungefähr zur Mitte, wo er sein Maximum erreicht, um von da ab bis 3 über der Bifurcation wieder abzunehmen; von dieser Stelle ab erfährt sie wieder eine Erweiterung, die schliesslich in die Querschnitte der beiden Bronchien übergeht. Es sind demnach sämmtliche Querschnitte der Trachea vom Ringknorpel bis oberhalb der Bifurcation kleiner, als die Summe der Querschnitte der beiden Bronchien. Die Behauptung Aeby’s, dass die menschliche Trachea ein trichter- förmiges Rohr mit nach unten gekehrter Basis sei, ist demnach unrichtig, ebenso die Behauptung von See und Krause, dass die menschliche Tra- chea ein cjlindrisches Rohr darstelle. Tabelle III. der Verhältnisszahlen der Querschnitte der Bronchien und der Summe der Querschnitte der Aeste. Nummer Alter Jahre Geschlecht. weiblich | männlich Querschnitte der Bronchien Summe der Querschnitte der Aeste II 30 1 100 r 105*4 r III 22 1 — 100 r 87*6 r IV 40—50 1 — 100 r 93*7 r V 25 1 — 100 1 75*6 1 VII 50—60 1 — ; / 100 r \ 100 1 94*4 r 91*7 1 IX 15 1 1 - 1 .100 r 91*1 r 2* 20 W. Beaune und H. Stahel: Der Querschnitt des rechten Bronchus, gemessen an der Bifurcation sowohl, wie der des linken ist grösser als die Summe der Querschnitte seiner Aeste. In einem von sechs Fällen ist die Summe der Querschnitte der Aeste grösser als der Quer- schnitt des zugehörigen Bronchus. Tabelle IV. der Verhältnisszahlen der Querschnitte des linken Bronchus an der Bifur- cation und des linken Bronchus in der Mitte seiner Länge. Nummer Alter Jahre Geschlecht männlich | weiblich Querschnitt des linken Bronch. an der Bifurcation Querschn. des linken Bronch. Mitte II 30 j j 1 100 100 III 22 1 1 — 100 92.3 IV 40-50 1 100 100 V 25 1 100 80.8 VII 50—60 1 — 100 79.1 VIII 30—35 1 — 100 83.1 X 25 1 — 100 66-8 XI 35 1 1 — 100 98 Mittel aus 8 Messungen 100 87-5 Die Verhältnisszahlen dieser Reihe liegen zwischen 100:66.8 und 100:100 Tabelle V. der Verhältnisszahlen der Querschnitte des linken Bronchus an der Bifur- cation und des linken Bronchus kurz vor Abgabe seiner Aeste. Nummer Alter Jahre Gesell männlich liecht weiblich Querschnitt des linken Bronch. an der Bifurcation Querschn. des linken Bronch. am Ende IV : 40—50 1 __ 100 89-1 V 25 1 — 100 78.2 VI 25—30 1 — 100 67-8 VII 50-60 1 — 100 88-7 VIII 30—35 1 — 100 87.8 X 25 i 1 — 100 78.3 XI i 35 j 1 — 100 1 80-2 Mittel aus 7 Messungen 100 81*4 Die Verhältnisszahlen dieser Reihe liegen zwischen 100:67.8 und 100:89-1 Das Veuhältniss der Lungen zu den Bronchien.' 21 Der linke Bronchus verjüngt sich bei normalen menschlichen Lungen von der Bifurcation ab bis zur Abgabe der Hauptäste; und zwar ist das Verhältniss des Querschnittes des linken Bronchus an der Bifurcation, verglichen mit dem Querschnitte des linken Bronchus in der Mitte seiner Länge, im Mittel aus 8 Messungen an normalen Lungen 100:87.5 Das Verhältniss des Querschnittes des linken Bronchus an der Bifur- action zu dem Querschnitte des linken Bronchus kurz vor Abgabe seine Aeste im Mittel aus sieben Messungen an normalen Lungen 100:81.4. Bei dem rechten Bronchus verhinderte uns die Kürze des Kohres, ähnliche Messungen auszuführen. Fassen wir Alles zusammen, so stellen die Trachea und die Bronchien ein Böhrensystem mit abwechselnden Erweiterungen und Verengerungen dar. Nachfolgendes Flächenschema soll diese Verhältnisse recht prägnant zum Ausdruck bringen. Trachea Trachea Trachea Bifurcation Summe der unmittelbar unter dem Kehlkopf. ungefähr in der Mitte zwischen Kehl- kopf und Bifurcation. ca. 3^=“ über der Bifurcation. Summe der Querschnitte beider Bronchien Querschnitte der Aeste der Bronchien. ln einem ähnlichen Verhältnisse wie heim Menschen stehen heim Hunde die Querschnitte der Bronchien zu einander; ebenso bei Katzen, Schafen, welche wir nach dieser Richtung zu untersuchen, Gelegenheit hatten. Wir lassen demnach diese Messungen hier folgen. B. Messungen an Trachea und Bronchien normaler Lungen vom Hunde. No. I, II, III, IV, V, VI, VII, VIII und IX. Hund. I — III Lungen normal. IV Mit Chloral vergiftet. V Lungen normal. VI — VII Lungen normal. Verblutungstod. V III Lungen normal. IX Lungen blutreich, sonst normal 22 W. Beaüne und H. Stahel; Querschnitt der Trachea 3 bez. 7 • 2 über der Bifurcation 268-7 124-3 84-3 90-0 293-7 179-3 196-8 305-0 — Querschnitt des rechten Bronchus an der Bifurcation 235-6 75-0 48-7 73-7 210-0 109-3 148-1 183-7 — Querschnitt des rechten Bronchus vor der Theilung in seine Aeste 223-7 — _ — _____ Querschnitt des linken Bronchus an der Bifurcation 177-5 61-8 34-3 50-6 146-2 82-5 115-6 156'2 — Querschnitt des Unken Bronchus vor der Theilung 137.5 ___ _____ Querschnitt des linken Bronchus Ende - — — — — — 80-6 112-5 — Bei Nr. II beträgt der Querschnitt der Trachea 5 - 2 über der Bifur- cation 114*3, 3-3 ücer der Bifürcation 115*6, 2 über der Bifurcation 113-7. Summe der Querschnitte beider Bronchien 413-1 136-8 83*0 124-3 366-2 191-8 263-7 329*9 - Wird der Querschnitt der Trachea =100 gesetzt, so ist die Yerhältnisszahl der Summe beider Bronchien 153-7 118*3 98-4 138*1 124-6 138-8 133*9 118-5 — Verhältniss des rechten zum linken Bronchus ersterer =100 gesetzt 75-3 82*4 70*4 68*6 74*3 75-4 67*7 79*5 78*0 Wird der linke Bronchus an der Bifurcation =100 gesetzt, so ist das Yer- hältniss am Ende — — — — — — 69*7 76-9 — Bei Nr. I. Rechter Bronchus Teilung 94*9 Linker Bronchus Theilung 77*4. Einige Messungen an Katze und Schaf. Nr. X und XI. Katze. X. Lungen normal. XI. Mit Atropin vergiftet. \j Querschnitt des rechten Bronchus an der Bifurcation 18*7 25.0 Querschnitt des linken Bronchus an der Bifurcation 11-2 15-0 Yerhältniss des rechten zum linken Bronchus, ersterer =100 gesetzt 59-8 60 Das Veehältniss dek Lungen zu den Bronchien. 23 Nr. XII und XIII. Schaf. Normale Lungen. Querschnitt des rechten Bronchus an der Bifurcation 58*7 71.8 Querschnitt des eparteriellen Bronchus 18J^ 34.3 Summa 76-8 106.1 Querschnitt des linken Bronchus an der Bifurcation 49*3 80.6 Verhältniss des rechten und epartiellen zum linken Bronchus, erstere = 100 gesetzt 64.1 75.9 Tabelle I. Nummer Art der Thiere. Querschnitt der Trachea Summe der Querschnitte der Bronchien I Hund 100 153.7 II >7 100 118. 3 III 100 98.4 lY 100 138.1 Y J? 100 124.6 YI V 100 138.8 YII JJ 100 133.9 YIII r 100 118. 5 Mittel aus 8 Messungen 100 128*0 Tabelle II. 1 Nummer Art der Thiere. Querschn. des recht. Bronch. Bifurcation Querschn. des linken Bronch. Bifurcation. I Hund 100 75*3 II 100 82*4 III 100 70*4 lY 100 68*6 Y 100 74*3 YI V 100 75*4 YII 100 78.0 YIII V 100 1 1 79.5 IX 1 100 67*7 Mittel aus 9 Messungen 100 74.6 24 W. Bkaüne und H. Stahel: Tabelle III. Nummer Art der Thiere. Querschn. des r. u. 1. Bronch. Bifurcation Querschn. des r. u. 1. Bronch. kurz vor der Theilung in die Aeste. I VII VIII Hund V ij /lOO r UOO 1 100 1 100 1 94.9 r 77-4 1 69-7 1 76.9 1 Mittel aus 3 Messungen 100 1 74-6 1 Aus diesen Tabellen ersehen wir: 1. Auch bei Hunden ist der Querschnitt der Trachea kleiner als die Summe der Querschnitte der Bronchien. In einem einzigen von acht Fällen fand sich, dass der Querschnitt der Trachea grösser war, als die Summe der Querschnitte der Bronchien. Eine gleiche Abweichung von der Regel haben wir bereits früher an zwei Lungen vom Menschen constatirt. Zur Zeit lässt sich nichts anführen, was zur Erklärung dieser Erscheinung dienen könnte. 2. Auch beim Hunde steht der Querschnitt des rechten Bronchus zu dem Querschnitt des linken in einem bestimmten, in nur ge- ringer Breite schwankenden Verhältniss. Der Querschnitt des rechten Bronchus verhält sich zu dem des linken wie 100 : 74.6 Die einzelnen Verhältnisszahlen dieser Reihe liegen zwischen 100 : 67*7 und 100 : 82.4 3. Wie beim Menschen, so ist auch beim Hunde der Querschnitt des linken Bronchus an der Bifurcation grösser als der Querschnitt des linken Bronchus kurz vor der Theilung in seine Aeste. Beim Hunde waren wir in der Lage , ähnliche Messungen auch am rechten Bronchus auszuführen. Diese Messungen ergaben , dass beim Hunde der Querschnitt des rechten Bronchus an der Bifurcation grösser war, als der Querschnitt des rechten Bronchus kurz vor der Theilung in seine Aeste. Wir ersehen ferner aus diesen Tabellen, dass beim Hunde, ähnlich wie beim Menschen, die Trachea und die Bronchien ein Röhrensystem mit abwechselnden Erweiterungen und V erehgerungen darstellen. Bei Katzen und'Schafen haben wir ähnliche A^erhältnisse, wie beim Hunde. Auch bei diesen Thieren fand sich, dass der Querschnitt des rechten Bronchus stets grösser war, als der Querschnitt des linken. Bei Das Verhältniss der Lungen zu den Bronchien. 25 Schafen scheint der Querschnitt des rechten Bronchus plus eparteriellem Aste zu dem Querschnitte des linken Bronchus ebenfalls in einem bestimmten nur in geringer Breite schwankenden Verhältnisse zu stehen. Die. Wiederholung dieser beim Menschen gefundenen Thatsachen beim Hunde weist darauf hin, dass die Formation des Bronchialrohres nicht allein durch morphologische Gesetze bedingt ist, sondern dass sie in Beziehung steht zu physikalischen Vorgängen. Welche physikalischen Vorgängen bei der Luftbewegung während der Inspiration und Exspiration in dem Bron- chialrohr sich abspielen, ist zur Zeit noch unbekannt. Wir könnnen vorerst nur untersuchen, ob physikalische Vorgänge über- haupt einen Einfluss auf die Formation des Bronchialrohres auszuüben im Stande sind. In dieser Beziehung wären Querschnittsbestimmungen des Bronchialrohres vom neugeborenen Kinde von sehr grossem Werthe ge- wesen. Diese Messungen hätten uns gezeigt, ob das Bronchialrohr Neu- geborener genau so angelegt ist, wie wir dasselbe bei Erwachsenen kennen gelernt haben, oder ob und wie das Bronchialrohr des Neugeborenen sich von demjenigen des Erwachsenen unterscheide. Wegen der Kleinheit der Objecte fallen die Fehlerquellen, wenn sie auch gering sind, bei der Mes- sung zu sehr in^s Gewicht. Wir konnten aus diesen Gründen die gestellte Frage nicht beantworten. Wir verfügen blos über eine Gewichtsbestim- niung der Lungen beim neugeborenen Kinde. In diesem Falle verhielt sich das Gewicht der rechten Lunge zu dem Gewicht der linken wie 100 : 85. So viel lässt sich sagen, dass die Gewichte solcher Lungen, welche eben erst einige Stunden geathmet haben, ungefähr in dem gleichen Verhältnisse stehen, wie die Gewichte der Lungen Erwachsener. Gewichtsbestimmungen der Lungen von menschlichen Foeten hatten wir aus Mangel an Material nicht ausführen können. Ist nun überhaupt, so sagten wir uns, die Weite des Bron- chialrohres abhängig von der Grösse des Luftvolumens, welches bei jeder Inspiration in die Lungen dringt, so müssen eine Ver- kleinerung oder Vergrösserung des inspiratorischen Luftvolu- mens, vorausgesetzt, dass physikalische Vorgänge Einfluss auf die Weite des Bronchialrohres haben, eine grössere oder ge- ringere Weite des Bronchialrohres bedingen. Die Grösse des Luftvolumens, welches in die Lunge dringt, hängt aber ab von der Capacität der letzteren. Es war also zu untersuchen, ob das Verhältniss der Querschnitte der- beiden Bronchien bei Krank- heit einer Lunge geändert wird und wie. Im Folgenden führen wir die Messungen an Trachea und Bronchien pathologischer Lungen an. 26 W. Bkaune und H. Stahel: C. Messungen an Trachea und Bronchien pathologischer Lungen. I., II., III., IV., V., VI., VII., VIII. und IX. Fall (Chr.) I. Kräftiger, mittelgrosser Körper, männlich, Alter ca. 35 Jahre. Todes- ursache: Ertrinkungstod. Sectionshefund : Luft- und Blutgehalt der beiden Lungen der gleiche. Linke Lunge in ganzer Ausdehnung verwachsen, mit Ausnahme der Spitze und der vorderen Bänder, Die Adhaesion konnte mit Leichtigkeit von der linken Lunge abgelöst werden, ohne dass die Lunge dabei einriss. Gewicht der rechten Lunge 456^’'™, Gewicht der linken Lunge 396-5^’'™. II. Gracile, männliche Leiche. Todesursache: Erhängungstod. Sections- befund: Bechte Lunge hinten und oben verwachsen. Linke Lunge frei. Beide Lungen lufthaltig, oedematös, hyperämisch. Nachdem beiderseits die Drüsen im Hylus entfernt und Bronchien und Gefässe hart an ihrer Ein- trittsstelle in’s Lungenparenchym abgeschnitten worden waren, wurden beide Lungen gewogen. Gewicht der rechten Lunge 777-5 der linken 724*5 III. Männliche Leiche. 24 Jahre. Sectionshefund: Bechte Lunge in grosser Ausdehnung verwachsen. Im rechten Pleurasack ca. V2 klaren, gelblichen Flüssigkeit. In der linken Pleurahöhle ca. V/^ Liter derselben Flüssigkeit. Bechte Lunge: Oberer Lappen emphyematös. Mittlerer und unterer Lappen blutreich. Luftgehalt daselbst vermindert. Linke Lunge: Pleura matt. Pleura des untern Lappens zeigt frische fibrinöse Auflagerungen. Oberer Lappen lufthaltig, oedematös, blutreich. Unterer Lappen zeigt stark verminderten Luftgehalt, ist oedematös und blutreich. lY. Kräftiger Körper, männlich. Fassförm. Thorax. 50 bis 60 Jahre. Todesursache: Erhängungstod. Sectionshefund: Bechte Lunge hinten und oben in ziemlicher Ausdehnung verwachsen. Die linke Lunge ebenfalls, aber in etwas geringerer Ausdehnung. Bechter, oberer Lappen sehr em- physematös. Mässiges Emphysem des unteren Lappens der rechten Lunge und der ganzen linken Lunge. Beide Lungen blutreich, oedematös. V. Männliche, kräftige Leiche; Todesursache : Erhängungstod. Sections- befund: Beide Lungen lufthaltig, hyperämisch. Beide Lungen oben und hinten in ziemhcher Ausdehnung verwachsen. VI. Männliche Leiche, Alter 53 Jahre. Sectionshefund: Die Pleura des unteren Lappens der linken Lunge mit einer frischen, fibrinösen, leicht ab- lösbaren Auflagerung bedeckt. Oberer linker Lappen lufthaltig, oedematös, mässig blutreich. Unterer Lappen befindet sich im Stadium der beginnen- den eiterigen Schmelzung der Pneumonia crouposa. Bechte Lunge: Oberer Lappen lufthaltig, oedematös; unterer und mittlerer Lappen luft- haltig, oedematös, hyperämisch. Das Verhältniss der Lungen zu den Bronchien. 27 VII. Männliche Leiche, 52 Jahre. Sectionsbefund : Beide Lungen frei. Lungenemphysem, besonders links. Länge des linken Bronchus 4 • 5 VIII. Kräftige, muskulöse, männliche Leiche. Alter ca. 50 Jahre. Todesursche: Erhängungstod. Sectionsbefund: Hechte Lunge oben und hinten verwachsen. Linke Lunge frei. Mässiges Emphysem beider Lungen. Beide Lungen lufthaltig, oedematös, hyperämisch. IX. Ziemlich kräftige, männliche Leiche, ca. 40 Jahre. Todesursache: Erhängungstod. Sectionsbefund: Leicht fassförmiger Thorax. Rechte Lunge beinahe in ihrer ganzen Ausdehnung verwachsen. Linke Lunge frei. Rechte Lunge. Oberer Lappen lufthaltig, mässig oedematös, blutreich. Mittlerer und unterer Lappen ebenfalls lufthaltig, oedematös, blutreich. Mässiges Emphysem der rechten Lunge, besonders der Randpartien. Linke Lunge etwas stärker emphysematös als die rechte. Luftgehalt. Oedem. Hyperaemie. Bronchitis. Querschnitt der Trachea 3®“ über der Bifurcation 240-6 176-2 187-5 315-6 236-2 225-5 173-1 301-2 195-6 Querschnitt des rechten Bronchus an der Bifurcation 144-3 129-3 136-8 204-3 135-0 136-2 112-5 170-6 123-1 Querschnitt des oberen Astes des rechten Bronchus — 28-7 — 69-3 13-7 — — 24-3 28-1 Querschnitt des unteren Astes des rechten Bronchus 85-6 60-6 — 94-3 62-5 — - 112-5 70-0 Querschnitt des linken Bronchus an der Bifurcation 121-8 94-3 93-7 109-3 107-5 109-3 103-1 141-8 106-2 Querschnitt des linken Bronchus Mitte 76-4 85-6 72-5 95-0 81-2 — 72-5 100-0 — Querschnitt des linken Bronchus Ende — — 70-5 — 68-7 — 87-5 100-0 — Summe des Querschnitte beider Bronchien. 266-1 223-6 230-5 313-6 242-5 245-5 215-6 312-4 229-3 Wird der Querschnitt der Trachea =100 gesetzt so ist die Verhältnisszahl der Summe beider Bronchien 110-5 126-9 122-9 99-3 102-6 110-3 124-3 103-7 117-2 Verhältniss des rechten zum linken Bronchus, ersterer =100 gesetzt 84-4 72-9 68-4 53-4 79-6 80-2 91-6 83-1 86-2 Wird der ünke Bronchus an der Bifurcation = 100 gesetzt, so ist das Ver- - hältniss in der Mitte 76-4 90-7 77-3 86-9 75-5 — 70:3 — — am Ende — — 75-3 — 63-8 — 84-8 28 W. Bkaune und H. Stahel: Unterer Ast des rechten Bronchus (= 100 j zum oberen Ast des rechten Bronchus — — — 73-4 21.9 — — 21-6 40-1 Für Fall II beträgt die Summe der Querschnitte am oberen und unteren Ast des rechten Bronchus 89*3 und das Verhältniss zum ungetheilten Stamm (dieser = 100 gesetzt) 69*0. Für Fall VIII ist das Verhältniss des unteren Astes des rechten Bronchus (= 100) zum linken Bronchus Ende 88*8 X., XI., XII., XIII., XIV., XV., XVI., XVII. und XVIII. Pall (Chr.). X. Ca. 60jährige, männliche Leiche. Sectionshefund: Lungenemphysem. XL Männliche Leiche. 56 Jahre. Sectionshefund: Fassförmiger Thorax. In der rechten Pleurahöhle eine beträchtliche Menge einer mit fibrinös eiterigen Flocken untermischten Flüssigkeit. Auf der Pleura pulmonalis des rechten unteren Lappens fibrinös-eiterige Belege. Oberer Lappen der rechten Lunge lufthaltig, emphysematos. Der mittlere und untere Lappen zeigt auf der Schnittfläche ein luftleeres, graurothes Gewebe, von welcher eine reichliche seröse, grauliche Flüssigkeit fliesst. Linke Lunge lufthaltig, emphysematös. XII. Männliche Leiche. Alter ca. 50 bis 60 Jahre. Todesursache: Erhängungstod. Sectionshefund: Fassförmiger Thorax. Epigastrischer Winkel gross. Beim Eröfihen des Thorax zeigt sich das Herz in der ganzen Aus dehnung von den Lungenrändern bedeckt. Starkes Emphysem beider Lungen. Ueberall Luftgehalt. Oedem. Die unteren Lappen hyperaemisch. Gewicht der rechten Lunge 844-5^'™ Gewicht der linken Lunge 651»™. Dem- nach auf 100 Gewichtsth. rechte Lunge 77 Gewichtsth linke Lunge. XIII. Männliche Leiche. Alter 53 Jahre. Sectionshefund: Rechte Lunge oben und hinten verwachsen. Die ganze rechte Lunge, mit Ausnahme einiger emphysematoser Randpartien, eingenommen von einer auf der Schnitt- fläche körnigen, graurothen Infiltration. Croupöse Pneumonie. Linke Lunge: Oberer Lappen lufthaltig, stark oedematös. Unterer Lappen zeigt vermin- derten Luftgehalt, ist oedematös und blutreich. Obliteration des Herzbeutels. XIV. Kräftige, männliche Leiche. Sectionshefund: Lungenemphysem. Gewicht der rechten Lunge 472»™. Gewicht der linken Lunge 367 • 5 »™. Demnach auf 100 Gewichtsth. rechte Lunge 77*8 Gewichtsth. finke Lunge. XV. Männliche Leiche. 60 Jahre. Todesursache: Erhängungstod. Sectionshefund: Emphysem beider Lungen. Linke Lunge in ziemlicher Ausdehnung verwachsen. XV. Männliche Leiche. 55 Jahre. Sectionshefund: Im finken Pleura- sack eine grosse Menge einer klaren, mit Fibrinflocken untermischten Flüssig- keit. Linker unterer Lappen vollständig luftleer. Compressionsatelectuse. Das Vertiältniss der Iatngen zu den Bronchien. 29 Linker oberer Lappen zeigt stark verminderten Luftgehalt. Frische Pleuritis sinistra. Rechte Lunge frei. Ziemlich starkes Emphysem. Oedem. Luft- gehalt. XVII. Männliche Leiche. Alter 45 Jahre. Todesursache: Erhängungs- tod. Sectionsbefund : Beide Lungen frei. Lungenemphysem. XVIII. Weibliche, gut gebaute Leiche. Ca. 30 Jahre. Todesursache: Ertrinkungstod. Sectionsbefund: Linke Lunge frei. Rechte Lunge in ihrer ganzen Ausdehnung verwachsen. Lunge sonst ganz normal. Querschnitt der Trachea 2, bez. 3 über der Bifurcation 287*5 220-6 235*0 - 238*1 158-1 248-1 — 100-6 Querschnitt des rechten Bronchus an der Bifurcation 249*3 141*2 144-3 165*0 172*5 130-6 171*2 171*8 67*5 Querschnitt des linken Bronchus an der Bifurcation 164*3 141*2 116-2 128*7 123*7 103*1 121*2 140*0 62*5 Querschnitt des linken Bronchus Mitte 135*0 98*1 - — 86*2 66*8 — 96-8 37*5 Querschnitt des linken Bronchus Ende 118*7 87*5 — 119*3 103-1 67*5 — 89*3 45-0 Fall X: Querschnitt der Trachea 4*2^=“ über der Bifurcation 312 »5. Fall XI: Querschnitt des oberen Astes des rechten Bronchus 41*8, des un- teren Astes des rechten Bronchus 87*5. Querschnitt des oberen Astes des linken Bronchus 43*1, des unteren Astes des linken Bronchus 36*2. Fall XVIII: Querschnitt der Trachea über der Bifurcation 115*0 Summe der Querschnitte beider Bronchien 413-6 282*4 260-5 — 296*2 233*7 292-4 — 168*7 Wird der Querschnitt der Trachea = 100 gesetzt, so ist die Verhältnisszahl der Summe beider Bronchien 143*8 128*0 110*8 — 124*4 147-8 117*8 — 146-1 * Verhältniss des rechten zum linken Bonchus, ersterer =100 gesetzt 65*9 100 80*5 78-0 71*7 78*9 70-7 81*4 92*6 Wird der linke Bronchus an der Bifurcation = 100 gesetzt, so ist das Ver- hältniss in der Mitte 82*5 69-4 — — 69-6 am Ende 64*7 — 69-1 60*0 72*2 61.9 — 92*6 83-3 65*4 ■— 63*7 72*0 Summe der Querschnitte der Aeste des linken Bronchus in Fall XI 79*3, Verhältniss zum ungetheilten Stamm (dieser =100 gesetzt) 90*6. 30 ‘ W. Braune und H Stahel: Tabelle D. Zusammenstellung der Querschnitts Verhältnis 1 j Nummer Alter Jahre Quer- schnitt der Trachea □mm Quersch. der Trachea Summe der Querschn. beider Bronchien Rechter Linker Bronchus Bronchus Summ Querschn. der des Querscl rechten der Aes Bronchus des recl Bronch I 63 180 100 102-2 100 : 80-8 — — • II 30 129-3 100 109-6 100 ; 80-1 100 : 105--^ III 22 218-7 100 122-8 100 : 82-9 100 : 87- ( IV 40—50 — — — 100 : 71-6 100 : 93-' V 25 189-3 100 118-1 o o CO 00 — — VI 25-30 204-3 100 111-0 100 : 83-3 — — VII 50—60 220 100 111-0 100 : 82-7 100 : 94-- VIII 30—35 289-3 100 106-7 100 : 76-4 — — IX 15 111-2 100 117-9 100 : 80-9 100 : 91 -; X 25 260 100 94-9 100 : 72-4 — — XI 35 271-8 100 85-7 100 : 72-6 — — Tabelle E. j Zusammenstellung der Querschnittsverhältni^ I 35 240.6 100 110-5 100 : 84-4 { II — 176-2 100 126-9 100 : 72-9 100 : 69-0. III 24 187-5 100 122-9 100 : 68-4 — — ■ IV 50—60 315-6 100 99-3 100 : 53-4 100 : 80-0; V — 236-2 100 102-6 100 : 79-6 100 : 56 -4^ VI 53 222-5 100 110-3 100 : 80-2 -1 VII 52 173-3 100 124.3 100 : 91-6 ( VIII 50 301-2 100 103-7 100 : 83-1 o o QO o IX 40 195-6 100 117-2 100 : 86-2 100 : 79-5 X 60 287-5 100 143-8 100 : 65-9 — * — XI 56 220-6 100 128-0 100 : 100 100 91-5 XII 50—60 235 100 110-8 100 : 80-5 _ _ XIII 53 — — — 100 : 78-0 — — [ XIV ca. 60 238.1 100 124-4 100 : 71-7 — ~ 1 XV 60 158-1 ^00 147-8 100 ; 78-9 — — I XVI 55 248-1 ' 100 117-8 100 : 70.7 — — i XVII 45 — — — 100 : 81-4 ~ — XVIII ca. 30 115-0 100 : 146-1 100 : 92-6 u Das Yerhältniss der Li'ngen zu den Bronchip^n. ,‘U Tabelle D. r Bronchial] )äume normaler Lungen. üerscbn. reclit. 1 Astes iS untern 'ironchus Qiiersclin. des oberen Astes des recht. Broncbus Quersc*n. des link. Broncbus Bifurc. Querscbn. des link. Broncbus Mitte. Quersebn. des link. Bronclms Bifurc. Quersebn. des link. Broncbus Ende. Quersebn. des link. Broncbus Ende Summe der Quersebn. der Acste des linken Bronclms — — — — — 1 lOü : 54*5 100 : 100 — — — — 100 : 58-4 100 : 92.3 — — — — 100 : 40-4 100 : 100 100 89*1 — — — — 100 ; 88.8 100 78.2 100 : 75-6 — — — •' — 100 67.8 — — 100 : 65-5 100 : 79-1 100 88.7 100 : 91-7 — — 100 : 83.1 100 87-8 — — 100 : 49.2 — — — — — — — — 100 : 66-8 100 : : 78-3 — — 1 1 1 r Broncliialbäume 100 : 98.0 T pathologischer Lunj 100 : 80.2 abelle E. ^en. — — 100 : 76.4 ^ — — 1 — hoo : 47.3 100 : 90.7 — — — — ' — — 100 : 77.3 100 : 75*3 ' — — ; 100 : 73-4 100 : 86.9 — — — 1 100 : 21-9 100 : 75-5 100 : 63.8 i — — — — — — — i — — — 100 : 70.3 100 : 84*4 — — o o t-H 21-6 100 : 70-5 100 : 70*5 — — o o 40-1 — — — — — — : — — 100 : 82*5 100 : 72-2 . — — . 100 : 47-7 100 : 69.4 100 : 61-9 1 100 : 90*6 : — — — — — — — ' 1 100 : 92*6 — — — — — — 100 : 69.6 i 100 : 83.3 — — — 100 : 64-7 100 : 65.4 — — f _ — — — — — — — ; — — 100 : 69*1 100 : 63.7 — — : — — 100 : 60.0 100 ; 72*0 — — 32 W. Braune und H. Stahel: Werfen wir einen Blick auf die unter Rubrik „Rechter Bronchus: Innker Bronchus“ der Tabelle E aufgeführten Verhältnisszahlen, und ver- gleichen wir dieselben mit den Yerhältnisszahlen der entsprechenden Rubrik in Tabelle D, so sehen wir, dass in Tabelle E die Verhältnisszahlen der Querschnitte des rechten und linken Bronchus viel weiter aus einander liegen, als die Yerhältnisszahlen der Tabelle D. Während nach den Messungen an Bronchien normaler Lungen die einzelnen Yerhältnisszahlen (Tab. D) zwischen und 100 : 71.6 100 : 83.3 liegen, so finden wir in der entsprechenden Reihe der Tabelle E die ein- zelnen Yerhältnisszahlen zwischen 100 : 53*4 und 100 : 100 gelegen. Durch Lungenkrankheiten wird demnach das bei normalen Jjungen in engen Grenzen schwankende Yerhältniss der Quer- schnitte der Bronchien wesentlich geändert! Sehen wir nun zu, bei welchen Lungenkrankheiten eine solche Aen- derung des Querschnittsverhältnisses der beiden Lungen gefunden wird. In Fall IV. (Tab. E) ist das Querschnittsverhältniss der beiden Bronchien 100 : 53*4. Dem Sectionsbefunde entnehmen wir: Beide Lungen hinten und oben verwachsen und zwar die linke in etwas geringerer Ausdehnung. Der obere Lappen der rechten Lunge sehr emphysematos; nur mässiges Emphysem an der linken Lunge. Die Ursache der grösseren Weite des rechten Bronchus könnte in dem stärkeren Emphysem des rechten obern Lappens gesucht werden. Hat nun das Emphysem proportional der Grösse der Ueberdehnung eine entsprechende Vergrösserung des Querschnittes des zu der emphysematösen Lunge füh- renden Bronchialrohres zur Folge, so muss in diesem Falle der Quer- schnitt de,s oberen Astes des rechten Bronchus sehr vergrössert sein. Dies ist nun in der That der Fall. In der Rubrik „Querschnitt des unteren Astes des rechten Bronchus : Querschnitt des oberen Astes des rechten Bronchus“ der Tabelle E finden wir für Fall IV folgendes Quer- schnittsverhältniss der beiden Aeste ; 100 : 73.4. Aus Tabelle S. 58 in der die entsprechenden Yerhältnisszahlen bei nor- malen Lungen zusammengesteUt sind, ersehen wir nun aber, dass bei nor- Das Veehältniss dee Lungen zu den Beonchien. 33 malen Lungen der Querschnitt des unteren Astes des rechten Bronchus zum oberen im Mittel aus 5 Messungen sich verhält wie 100 : 53-6, Das Lungenemphysem oder die Ueberdehnung der Lunge hat demnach eine Vergrösserung des Querschnittes der luftzulei- tenden Bronchien an der Bifurcation zur Folge. Proportional der Grösse der Ueberdehnung wächst auch der Querschnitt des betreffenden luftzuleitenden Rohres. Es fragt sich nun, ob diese in Fall IV beobachtete Wirkung des Em- physems eine constante ist. In Fall VII der Tabelle E findet sich folgendes Querschnittsverhältniss des rechten zum linken Bronchus an der Bifurcation 100 : 91-6. Der Sectionsbefund dieses Falles lautet: Beide Lungen frei. Lungen- emphysem, besonders links. Die stärkere Ueberdehnung der linken Lunge hatte in diesem Falle zur Folge, dass der Querschnitt des linken Bronchus (gemessen an der Bifurcation) grösser wurde. In Fall X (Tab. E) ist das Verhältniss des Querschnittes des rechten zu dem des linken Bronchus an der Bifurcation: 100 : 65-9. Der Sectionsbefund der Lungen lautet: Lungenemphysem. In diesem Falle konnte nicht angegeben werden, ob die rechte oder die linke Lunge hochgradiger emphysematös erkrankt war. In Fall XII findet sich folgendes Querschnittsverhältniss des rechten zum linken Bronchus: 100 : 80.5. Dem Sectionsbefunde entnehmen wir, dass beide Lungen hochgradig emphysematös erkrankt waren. Das Querschnittsverhältniss beider Bronchien wird demnach bei gleicher Ueberdehnung der Lungen nicht geändert. Derselbe Schluss ergiebt sich aus den dem Fall XII analogen Fällen XIV, XV und XVII. Nebenstehende Tabelle F soll nun zeigen, dass auch die absoluten Grössen der Querschnitte des rechten und linken Bronchus bei emphysematösen Lungen grösser sind, als die der Bronchien normaler Lungen. Der Querschnitt des rechten Bronchus an der Bifurcation hat im Mittel aus 10 Messungen an normalen Lungen einen Flächeninhalt von 131.9 Der Querschnitt des rechten Bronchus an der Bifurcation hat dagegen im Mittel aus 7 Messungen an emphysematösen Lungen einen Flächen- inhalt von 169*3 Archiv f. A. u. Ph. 1886. Auat. Abthlg. 3 34 W. Braune und H. Stahel: Tabelle F. Normale Lungen. Emphysematose Lungen. Nummer Querschnitt des rechten Bronchus Qmm Querschnitt des linken Bronchus Qmm Querschnitt des unteren Astes des rechten Bronchus Qmm 1 Querschnitt des oberen Astes des , rebhten Bronchus Qmm 1 I Nummer Querschnitt des rechten Bronchus Querschnitt des linken Bronchus Qmm Querschnitt des unteren Astes des rechten Bronchus Qmm Querschnitt des oberen Astes des rechten Bronchus Qmm I 101-8 82-3 — — IV i 204-3 109-3 94-3 69-3 II 78-7 63-1 53-7 29-3 VII 112-5 103-1 i — III 146-8 121-8 81-2 47-5 X 249-3 164-3 — — IV 152-5 109-3 101 -8 41-2 XII 144-3 116-2 — i — V 128-7 95-0 — — XIV 172-5 223-7 — 1 — VI 123-7 103-1 — — XV 130-6 103-1 — — VII 133-7 110-6 76-2 50-0 XII 171-8 140-0 — — VIII 175-0 133-7 — — X 143-1 103-7 — — XI 135-0 98-1 — i — i Mittel] I aus 10 131-9 ! 102-0 Mssgn. I I Mitteil aus 7> Mssgn. j I 169-3! 122-8 Der Querschnitt des linken Bronchus an der Bifurcation hat im Mittel aus zehn Messungen an normalen Lungen einen Flächeninhalt von 102 -OO™™. Der Querschnitt des linken Bronchus an der Bifurcation hat dagegen im Mittel aus sieben Messungen an emphysematosen Lungen einen Flächeninhalt von 122-8'^“'". Die von uns früher gestellte Frage, ob physicalische Vor- gänge einen Einfluss auf die Formation des Bronchialrohres haben können, müssen wir nach den eben dargelegten That- sachen bejahen. Eine neben der inspiratorischen sehr häufig vor kommende Form des Emphysems kommt dadurch zu Stande, dass bei verengerter Glottis starke exspiratorische Anstrengungen gemacht werden. In diesem Falle wird die Lunge durch eine rein physikalische Ursache, nämlich die comprimirte Luft, überdehnt und die Bronchien ausgeweitet. Eine weitere, an Bronchien emphysematoser Lungen gefundene That- sache illustrirt Tabelle a. Das Verhältniss der Lungen zu den Bronchien. 35 Tabelle a. Normale Liiugeii. Lungen mit Emphysem. Nummer der Tabelle D. Querschnitt des Huken Bronchus Bifurcation Querschnitt des linken Bronchus Mitte Querschnitt des linken Bronchus Bifurcation Quercchnitt des linken Bronchus Ende Nummer der Tabelle E. Querschnitt des linken Brenchus Bifurcation Querschnitt des linken Bronchus Mitte Querschnitt des linken Bronchus Bifurcation Querschnitt des linken Bronchus Ende II 100 :100 — — IV 100 : 86.9 — — III 100 : 92.3 — — VII 100 : 70.3 100 : : 84-4 IV 100 :100 100 : 89-1 VIII 100 : 70.5 100 : 70.5 V 100 : 80*8 100 : 78.2 X 190 : 82.5 100 : : 72.2 VI r 100 : 67-8 XI 100 : 69.4 100 ; : 61.9 VII 100 : 79.1 100 : 88.7 XIV 100 : 69.6 100 ; : 83.3 VIII 100 : 83.1 100 : 87.8 XV 100 : 64.7 100 : : 65.4 X XI 100 : 66-8 100 : 98.0 100 : 78.3 100 : 80.2 XVII 100 : 69.1 100 ; : 63-7 g tD 100 : 87-5 Ö M O Ö ^ 'S 1^00 : 81.4 M O) =S fcJO C5 C 0 ^ W TS O) 100 : 72-8 ^ tc 100 : 71.6 Aus diesea Tabelle geht hervor, dass bei dem grösseren Theile der zur Messung gekommenen Bronchien emphysematoser Lungen der linke Bronchus sich in stärkerem Maasse von der Bifurcation ab verjüngt, als dies bei normalen Lungen nach dieser Richtung hin constatirt würde. Diese Verjüngung des Rohres wäre schwer verständlich in Fällen, wo die Lungenüberdehnung durch forcirte Exspiration bei verengerter Glottis entstanden ist. Wir sind leider zur Zeit noch nicht im Stande, diese That- sachen auf ihre Ursachen zurückzuführen. Dass es aber solche Fälle von Lungenemphysem giebt, bei denen diese Erscheinung der stärkeren Ver- jüngung des linken Bronchus von der Bifurcation ab ganz rein als Folge des Emphysems zu Tage tritt, beweist Fall XVII. Neben dem Lungenemphysem haben aber auch noch andere Erkrank- ungen der Lungen. Einfluss auf das Querschnittsverhältniss der Bronchien. In Fall XI flndet sich folgendes Verhältniss des Querschnittes des rechten Bronchus zum Querschnitt des linken 100 : 100. 3 36 W. Beaune und H. Stahel: Dem Sectionsbefunde entnehmen wir folgende Daten: Rechter oberer Lappen lufthaltig, emphysematos, mittlerer und unterer Lappen atelectatisch. Starker rechtseitiger pleuritischer Erguss. In Fall XVIII ist das Yerhältniss des Querschnittes des rechten Bronchus zum Querschnitt des linken 100 : 92.6 Der Sectionsbefund in diesem Falle lautet: Linke Lunge frei. Rechte in ihrer ganzen Ausdehnung verwachsen. Beide Lungen ganz normal. Erhängungstod. Dieser Fall zeigt die Wirkung der totalen Verwachsung der Pleura- blätter auf den Querschnitt des zu der Lunge gehenden Bronchus mit experimenteller Reinheit, da beide Lungen im Uebrigen ganz normal waren und von einer jungen, gut gebauten Selbstmörderin stammten. Fall XI und XVIII haben das Gemeinsame, dass bei jedem die Capi- ität der einen Lunge verringert ist. In l}eiden Fällen ist die Capicität der rechten Lunge durch die pathologischen Processe herabgesetzt. Dieser Herabsetzung entspricht nun ein von dem Durchschnittsverhältniss der Bronchien normaler Lungen weit abstehendes Querschnittsverhältniss der Bronchien. In Fall XVIII hat der rechte Bronchus an der Bifurcation einen Querschnitt mit einem Flächeninhalt von 07.5 amm^ während der Querschnitt des rechten Bronchus einer gleich alten und gleich gebauten, ebenfalls weiblichen Leiche mit ganz normalen Organen (Fall II Tabelle F.) 7g , 7 □mm gross gefunden wurde. Fs entspricht der Lunge, deren Capazität kleiner als die der normalen ist, auch ein Querschnitt des zuführenden Bron- chus, der kleiner ist, als der des zur normalen Lunge gehenden Bronchus. Im Fall VIII verhält sich der Querschnitt des unteren Astes des rechten Bronchus zu dem Querschnitt des oberen Astes des rechten Bronchus wie 100 : 21.6 Der Sectionsbefund lautet: rechte Lunge oben und hinten verwachsen. Linke Lunge frei. Mässiges Emphysem beider Lungen. In Fall IX verhält sich der Querschnitt des unteren Astes des rechten Bronchus zu demjenigen des oberen Astes des rechten Bronchie wie 100 : 40-1 In diesem Falle waren beide Lungen emphysematos. Die rechte Lunge war in ihrer ganzen Ausdehnung verwachsen. Die Abweichung des in Fall VIII gefundenen Querschnittsverhältnisses von dem entsprechenden normalen Querschnittsverhältnisse illustrirt Tabelle b. Das VerhÄltniss der Lungen zu den Bronchien. 37 Tabelle b. Normale Lungen. Pathologische Lungen. Nummer der Tabelle D. Querschnitt des unteren Astes des rechten Bronchus Querschnitt des oberen Astes des rechten Bronchus Nummer der Tabelle E. Querschnitt des unteren Astes des recsten Bronchus II 100 : 54-5 II 100 III 100 : 58.4 IV 100 IV 100 : 40-1 V 100 VII 100 : 65-5 VIII 100 IX 100 : 49.2 IX 100 XI 100 Mittel aus 5 Messungen }lOO : 53-6 Querschnitt des oberen Astes des rechten Bronchus Bemerkungen. 47.3 Rechte Lunge hinten und oben verwachsen. 73.4 Rechte Lunge hinten und oben in ziemliche rAusdehnung ver- wachsen. Der rechte obere Lappen sehr emphysematos. 21.9 Beide Lungen oben und hinten in ziemlicher Ausdehnung ver- wachsen. 21.6 Rechte Lunge oben und hinten verwachsen. 40-1 Rechte Lunge in ihrer ganzen Ausdehnung verwachsen. : 47.7 Rechter oberer Lappen emphy- sematos. Auch diese Fälle bestätigen die Thatsache, die wir eben kennen ge- lernt haben, dass die Querschnittsgrösse eines Bronchus abhängig ist von der Capacität der entsprechenden Lunge. Gestützt auf diese Thatsachen sprechen wir den Satz aus: Die Grösse des Querschnittes eines Bronchus hängt von der Grösse des Luftvolumens ab, welches durch denselben geht. Wächst das Luftvolumen, so wächst auch die Grösse des Quer- schnittes des Bronchus und umgekehrt. Die nähere Beziehung dieser zwei Grössen können wir aus diesen Fällen noch nicht ableiten, da die eine Grösse (Lungencapacität) nicht hin- reichend genau bestimmt werden kann. Wir besitzen aber noch Messungen an Bronchien pathologischer Lungen, welche die Richtigkeit des eben von uns aufgestellten Satzes in Zweifel ziehen könnten. In Fall VI (Tabelle E) ist das Verhältniss des Querschnittes des rechten Bronchus zu dem des linken wie 100 : 80*2, 38 W. Braune und H. Stahel: trotzdem der linke untere Lappen vollständig luftleer war. Cronpöse Pneu- monie. In Fall II (Tab. E) findet sich folgendes Querschnittsverhältniss des unteren Astes des rechten Bronchus zu dem des oberen 100 : 40.7. Obwohl in diesem Falle der rechte obere Lappen hinten und oben verwachsen w^ar, fand sich keine Verengerung des Lumens des zum oberen Lappen führenden Bronchus. Zu Fall VI bemerken wir: Wenn das Bronchialrohr dauernd enger oder weiter werden soll, so müssen die verengernd oder erweiternd wirkenden Ursachen eine gewisse Zeit eingewirkt haben, da die Kräfte, die hier in Betracht kommen, im Allgemeinen klein sind. Es war also a priori zu erwarten, dass das Querschnittsverhältniss des rechten und linken Bronchus in der kurzen Zeit, während das Missverhältniss zwischen Lungen capacität und Weite des Bronchialrohres bestand, sich nicht ändern werde. Dass eine solche Er- klärung zulässig ist, beweist Fall I. In diesem Falle hatte die frische Verwachsung der Pleurablätter noch keine Verkleinerung des Lungencapacität bewirken können, da wir aus Erfahrung wissen, dass- die raumbeschränkenden Wirkungen der Pleuritis adhaesiva erst nach einer gewissen Zeit auftreten. In Bezug auf Fall II müssen wir Folgendes bemerken: Wie wir schon früher gezeigt haben, bewirkt das Lungenemphysem eine Vergrösserung des Querschnittes der betreffenden Bronchien, während die Verwachsung der Pleurablätter eine Verengerung des zu der verwachsenen Lunge gehenden Bronchus nach sich zieht. Diese beiden pathologischen Lungenprocesse können, wenn sie zusammen verkommen, sich in ihrer Wirkung vollständig aufheben. Es kann aber auch der eine Process so überwiegen, dass nur dessen Wirkungen zur Geltung kommen. Als concreten Fall hierzu führen wir Fall IV. (Tab. C) an. In diesem Falle fand sich folgendes Querschnittsverhältniss des unteren Astes des rechten Bronchus zu dem des oberen 100 : 73-4. Der rechte obere Lappen war laut Sectionsbefund in ziemlicher Aus- dehnung verwachsen und sehr emphysematös. Durch die Messungen der Tracheen und Bronchien pathologischer Lungen und die Vergleichung derselben mit den normalen Lungen wurde bewiesen, dass die Weite des Bronchialrohres abhängig ist von der Grösse des Luftvolumens, welches bei einer Inspiration in die Lunge tritt oder Das Vekhältniss der Lungen zu den Bronchien. 39 von der Lungencapacität, wenn wir mit diesem Ausdrucke die Vergrösse- rung des Lungeiiraumes bei der Inspiration bezeichnen und zwar hat sich ergeben, dass die beiden Grössen (Querschnitt und Capacität) in folgender Beziehung zu einander stehen: Bezeichnet V das Volumen Luft, welches bei der Inspiration in die Lunge tritt, so entspricht diesem Volumen V ein gewisser Querschnitt des Bronchialrohres an der Bifurcation Q. Be- zeichnet V' ein im Verhältniss zu V kleineres Volumen Luft, so entspricht V' einem Querschnitt des luftzuleitenden Rohres von der Grösse Q'. Die Beziehung lautet nun: V > V' so ist Q>Q' und umgekehrt. Die Messungen normaler Bronchien haben ergeben, dass der Querschnitt des rechten und des linken Bronchus in einem bestimmten, nur in geringer Breite schwankendem Verhältniss steht. Nach der oben dargelegten Beziehung des Querschnittes eines Bron- chus zu der Capacität der entsprechenden Lunge muss man schliessen, dass die Capacität der rechten normalen Lunge grösser ist als die Capacität der linken. Die Grösse der Lungencapacität hängt nun wieder ab von der ab- soluten Grösse der Lunge. Die absolute Grösse der liunge wird aber durch ihr Gewicht bestimmt. Es war demnach folgende Beziehung zwischen Querschnittsgrösse der Bronchien und Gewicht der Lungen zu erwarten: G> G' so Q>Q worin G und G' die Gewichte der betreffenden Lungen bezeichnen. In folgender Tabelle sind die Gewichtsverhältnisse menschlicher Lungen und die Querschnittsverhältnisse der entsprechenden Bronchien zusammen- gestellt. Die Gewichtsbestimmungen wurden zum Theil an normalen, zum Theil an pathologischen Lungen ausgeführt und zwar betrafen die patho- logischen Lungen emphjsematöse Lungen und solche, die zum Theil ver- wachsen aber sonst normal waren. Tabelle d. Nummer Querschnitt der rechten Lunge Gewicht der linken Lunge i Querschnitt des rechten Bronch. Querschnitt des linken Bronch. Tab. A II 100 94.2 100 80-1 „ A VIII 100 80-0 100 76-4 „ C I 100 86-9 100 84.4 „ C II 100 93. 1 100 72.9 „ C XII 100 77-0 100 80.5 „ C XIV 100 77-8 100 71.7 40 W. Braune und H. Stahel: Aus dieser Tabelle ersehen wir: • 1. In allen 6 Fällen findet sich das Gewicht der rechten Lunge stets grösser als das Gewicht der linken. 2. In drei Fällen verhalten sich die Gewichte der rechten und linken Lunge annähernd wie die Querschnitte der entsprechenden Bronchien. Es war nun sehr naheliegend, zu untersuchen, in welcher Beziehung die Gewichte blutleerer Lungen zu den Querschnitten der entsprechenden Bronchien stehen, da bei den Gewichtsbestimmungen menschlicher Lungen ein Fehler nicht zu vermeiden ist, nämlich der, welcher durch die ungleiche Blutvertheilung in der Lunge nach dem Tode entsteht. Um diesen Fehler zu eliminiren und ganz genaue Gewichtsbestimmungen der Lungen zu er- möglichen, haben wir Hunde zu dem Zwecke verbluten lassen. Wir geben in Folgendem die Gewichte solcher entbluteter Lungen von Hunden sammt den entsprechenden Querschnittsverhältnissen wieder. Nr. III, V, VI, VII und VIII. Hund. Gewicht der rechten Lunge 29 147-9 49 143-0 161-5 Gewicht der linken Lunge 20-5 108-5 37-3 107-05 129-6 ^’-^. Verhältniss des Gewichts der r. zur 1. Lunge, ersteres = 100 gesetzt 70-6 73-3 76-1 74-8 80-2 Verhältniss des Querschnittes des r. zum 1. Brouchus, ersterer =100 gesetzt 70-4 74-3 75-4 78-0 79-5 In Nr. VII. wurden die Lungen mit Wasser gewaschen. Nr. XII. und XIII. Sehaaf. Gewicht der rechten Lunge 258-2 275-2^--“. Gewicht der linken Lunge 205-0 202-5^™. Verhältniss des Gewichts der r. zur 1. Lunge, ersteres =100 gesetzt 79-3 73-5 Verhältniss des Querschnittes des rechten Bronchus sammt eparteriellem Astes zu dem des linken Bronchus, ersterer =100 gesetzt 64-1 75-9 Das VerhÄltniss der Lungen zu den Bronchien. 41 Tabelle der Gewichts- und Quersohnittsverhältnisse der Lungen und Bronchien verbluteter Hunde. Nummer Gewicht der rechten Lunge Gewicht der linken Lunge Querschnitt des rechten Bronch. Querschnitt des linken Bronch. III 100 70*6 100 70-4 V 100 : 73-3 100 : 74.3 VI 100 76-0 100 75.4 VII 100 : 74.8 100 78.0 VIII 100 80.2 100 79.5 Mittel aus 5 Bestimmungen 100 74.9 100 75 Das Gewicht der rechten Lunge verhält sich demnach zu dem Gewicht der linken Lunge im Mittel aus 5 Bestimmungen wie 100 : 74.9 Der Querschnitt des rechten Bronchus verhält sich zu dem Querschnitt des linken Bronchus wie 100 : 75.5 Auch bei Schafen erhielt man ähnliche, wenngleich nicht so überein- stimmende Resultate. Dies rührt davon her, dass bei Schafen der epar- terielle Bronchus, der sehr kurz ist und gesondert aus der Trachea ent- springt, bei der Messung Schwierigkeiten macht. Wie wir gesehen haben, verhalten sich die Gewichte der Langen genau wie die Querschnitte der entsprechenden Bronchien. Es war demnach zu erwarten, dass auch die absoluten Volumina der Lungen sich genau ver- halten, wie die Querschnitte der entsprechenden Bronchien. Unter dem absoluten Volumen verstehen wir das Volumen Luft, welches die Lunge überhaupt zu fassen vermag. Zur Bestimmung des absoluten Volumens haben wir folgenden Apparat angewandt: In zwei Glasflaschen von genau gleicher Höhe, mit am Boden wasser- dicht aufschraubbaren Metallplatten, die in der Mitte von Canülen durch- bohrt sind, werden die frischen, verbluteten, intacten Lungen mit den Bronchien an diesen Canülen befestigt. Die Querschnitte dieser Canülen verhalten sich wie 100 : 80 d. h. wie die Querschnitte der Bronchien. Die Canülen beider Flaschen werden durch ein T förmiges Rohr mit einander verbunden. Durch das Längsstück des T förmigen Rohres bläst der Untersucher die Luft in die Lungen. Der Druck ist also für beide Lungen gleich. Die Menge des verdrängten Wasser giebt das absolute Luftvolumen, das eine Lunge 42 \V. Bkaune und H. !Stahel: bei vollständigem Aufblaseu zu fassen vermag. G-lasflaschen wurden ge- nommen, um eine Controlle der Yersuche zu ermöglichen. Es folgen nun die einzelnen Messungen der absoluten Volumina ent- bluteter Lungen von Hunden. Nr. I, II, III, IV, V, VI, VII und VIII. Hund. Nr. YII a. Bestimmung bei mittelstarkem Aufblasen. Nr. YII b. Be- stimmung bei starkem Aufblasen. Absolutes Volumen der rechten Lunge a b 490 125 250 405 395 513 355 457 485 Absolutes Volumen der linken Lunge 980 95 205 310 290 412 290 348 373 Yerhältniss des absol. Volumen der r. zur 1. Lunge ersteres = 100 gesetzt 65.7 76 82-0 76*5 73-4 80-3 81-6 76- 1 76-9 Gewicht der rechten Lunge 158*1 23-54 21-14 39-51 24-15 55-2 55-9 56 Gewicht der linken Lunge 116*1 16-49 51-1 27*26 18-2 40 41.46 - 42-6?’‘"^. Yerhältniss des Gewichts der r. zur 1. Lunge, ersteres = 100 gesetzt 73-4 70-0 71.4 68-9 75-3 72-4 74-1 — 76-0 In Nr. III blieb die rechte Lunge beim Auf blasen gegenüber der linken etwas zurück. Es musste desshalb die Lunge stark aufgeblasen werden. Mittel aus beiden Bestimmungen a und b in Nr. YII 100 Yol. rechte Lunge 78 Yol. linke Lunge. Wir haben nun gefunden, dass bei diesen Yolumbestimmungen ein kleiner Fehler dadurch entstehen kann, dass sich ein kleiner Theil der Lunge nicht vollständig aufbläst. Dies war z. B. in Nr. III der Fall. Wahrscheinlich ist die Verklebung der Wände eines kleinen Bronchus die Ursache dieser Erscheinung. Um so werth voller ist uns daher Nr. YIII In diesem Falle entfalteten sich beide Lungen beim Aufblasen in gleicher Weise. Dieser Fall beweist, dass auch die absoluten Volumina entbluteter Lungen sich genau wie die Gewichte der Lungen und somit auch wie die Querschnitte der entsprechenden Bronchien verhalten. In folgender Tabelle sind die Verhältnisse der absoluten Volumina sammt den Gewichtsverhältnissen zusammengestellt. Das Vekhältniss der Lungen zu den Bronchien. 43 Nr. Art der Thiere Absol. Volumen der recht. Lunge Absol. Volumen * der link. Lunge Gewicht der rechten Lunge Gewicht der linken Lunge I Hund 100 65-7 100 73.4 II 100 76-0 100 70-0 III ii 100 82-0 100 : 71.4 IV 100 76.5 100 68.9 V V 100 73.4 100 : 75-3 VI V 100 80. 3 100 72.4 VII 100 78.8 100 74-1 VIII V 100 76.9 300 76.0 Mittel aus \ 8 Bestimmungen 1 76.2 100 72.6 Das absolute Volumen der rechten Lunge verhält sich demnach zum absoluten Volumen der linken Lunge im Mittel aus 8 Bestimmungen wie 100 : 76-2; das Gewicht der rechten Lunge aber zu dem der linken verhielt sich im Mittel aus 8 Bestimmungen wie 100 : 72.6. Wie die absoluten Volumina müssen sich auch die Volumina Luft, welche bei einer Inspiration in die Lungen eintreten, und welche wir der Kürze halber respiratorische Volumina nennen wollen, zu den Querschnitten der entsprechenden Bronchien verhalten. Das Volumen Luft, welches bei der Inspiration in jede Lunge gelangt, hängt ab: 1. vom Querschnitt der zuführenden Böhren; 2. von der Geschwindigkeit, mit welcher die Luft die Röhren durch- strömt; 3. von der Zeit, während welcher die Inspiration abläuft. Es ist also das Volumen Luft, das während einer Inspiration in die rechte Lunge eintritt Vr = Qr ct VI == Ql c^t worin Qr und Q/ je den Querschnitt des rechten und linken Bronchus bezeichnen. Somit Vr : VI — Qr c \ Ql und da wir c ohne hier in Betracht kommenden Fehler = c^, setzen können; Vr : VI = Qr : Ql 44 W. Braune und H. Stahel: Das Verhältniss der Lungen u. s. w. Es besteht somit ein bestimmtes Verhältniss zwischen den Lungen als Luft- räumen und den Bronchien als luftzuleitenden Röhren. Der zu jeder Lunge führende Bronchus hat einen so grossen Quer- schnitt, dass dadurch die mechanischen Bedingungen erfüllt sind, um die Lungen in einer gewissen Zeit und bei einer durchschnittlich constanten Saugkraft zweckentsprechend zu ventiliren. Wir kommen am Schluss unserer Arbeit noch kurz auf eine Frage zu sprechen, deren Beantwortung schon oft der Gegenstand der Controverse gewesen ist. Die Frage lautet: Stehen die beiden Lungenspitzen gleich hoch, oder wenn nicht, welche steht höher? Wenn wir einen Blick auf die Literatur werfen, so begegnen wir den verschiedensten Angaben über diesen Punkt. Henle, Luschka, Krause, Braune behaupten, die rechte Lungenspitze stehe höher als die linke und zwar geben Henle und Krause den Höhenunterschied der rechten und linken Lungenspitze zu 4 bis 8“™ an, Rüdinger fand dagegen die linke Lungenspitze höher stehend, während Henke keinen Unterschied der Höhe der rechten und linken Lungenspitze herausfinden konnte. Es war deshalb noth wendig, diesen Gegenstand noch einmal aufzu- nehmen. Die Untersuchung einer grossen Anzahl von Lungen in Bezug auf diesen Punkt ergab, dass die rechte Lungenspitze stets höher stand, als die linke. In zwei Fällen, in denen wir die Höhe genau bestimmt hatten, fanden wir das eine Mal einen Höhenunterschied von 1 das an- dere Mal einen Höhenunterschied von ^2 zu Gunsten der rechten Lungen- spitze. In einem Falle fanden wir beide Lungenspitzen gleich hoch stehend. Die Section zeigte aber, dass die rechte Lungenspitze verwachsen war. lieber Arterienspindeln und über die Beziehung der Wanddicke der Arterien zum Blutdruck. Von Dr. Hans Stahel. (Aus dem anatomischen Institut zu Leipzig.) Erste Abhandlung. Die Yeranlassung zu dieser Arbeit gab eine Beobachtung, die ich an- lässlich einer demnächst erscheinenden Arbeit über die Arteria subclavia gemacht habe. Durch die Güte des Hrn. Prof. His war mir Gelegenheit geboten, den Aortenisthmus und die Aortenspindel an Injectionsapparaten zu sehen. Es zeigten sich nun am Bogen der Arteria subclavia, da wo dieselbe über die erste Rippe weggeht, dem Aortenisthmus und der Aortenspindel ganz ähnliche Bildungen. Hr. Prof. His veranlasste mich, die von ihm begonnenen Messungen fortzusetzen und gab mir zugleich eine Methode an, die eine genaue Bestimmung der Dicke der Gefässwand ermöglichte. Für die reiche Unterstützung und die vielen Rathschläge, die mir Hr. Prof. His bei dieser Arbeit angedeihen liess, erlaube ich mir ihm, an diesem Orte meinen aufrichtigsten Dank auszusprechen. Methode. Die angewandte Messmethode ist folgende. Mttelst einer Mikrometer- schraube von V2 ““ Gewinde, deren Zeigerrad Ablesungen von Vioo ““ schätzungsweise bis auf Viooo erlaubt, wird eine Platte gehoben, auf welche ein quadratisches Stück der Arterie, deren Wanddicke gemessen werden soll, zu liegen kommt. Das zu messende Arterienstück wird mit 46 Hans Stahel: einem dünnen Deckglase bedeckt. Um allfällige Fehler, die die ungleiche Dicke des Deckglases herbeiführen könnte zu vermeiden, wurde stets die Mitte des Deckglases auf die zu messende Stelle gelegt. Die für die Messung geschnittenen Arterienstücke legen sich bei ganz leichtem Drucke der Platte vollsändig an, ebenso das Deckglas. Erforderlich ist nur, dass die Stücke nicht zu gross sind; in der Regel habe ich quadratische Stücke von 2 bis 3 Aussenseite benutzt. Senkrecht über der Platte, welche das Arterien- stück sammt Deckglas trägt, findet sich mittelst eines Bügels eine Xadel I befestigt. Die Platte mit dem Arterienstück sammt Deckglas wird nun j mittelst der Micrometerschraube soweit gehoben, bis die Nadelspitze ihr ^ Spiegelbild an der oberen Deckglasfläche eben berührt. Die Benutzung j einer Loupe ermöglicht eine sehr genaue Einstellung. Darauf wird am I Zeiger der Micrometerschraube die Höhe abgelesen. Die gefundene Höhe giebt also die Dicke des Arterienstückes sammt der Dicke des Deckglases. Das Arterienstück wird nun entfernt und das Deckglas so auf die Platte : gelegt, dass die Nadelspitze beim Heben der Platte die Mitte des Deck- glases berührt. Die Differenz beider Höhen ergiebt die gesuchte Wand- dicke. Die Wanddicke eines Arterienstückes ändert sich innerhalb sehr kurzer Strecken. Um die Genauigkeit unseres Messapparates prüfen zu können, musste vorerst die Bedingung erfüllt sein, dass bei wiederholten Messungen stets die nämliche Stelle gemessen wurde. Diess erreichte man dadurch, dass auf die Platte zwei senkrecht aufeinander stehende Gerade eingekritzt wurden. Das quadratische Arterienstück wurde bei jeder Messung so auf die Platte gelegt, dass immer die gleiche Ecke auf den Durchschnittspunkt der Geraden, die beiden anstossenden Seiten auf die Geraden selbst zu liegen kamen. Es ergab sich, dass mittelst dieses Messapparates die Dicke J der Arterien wand bis auf genau bestimmt werden kann. Die Messungen wurden an sämmtlichen grossen und mittelgrossen Arterien des Körpers ausgeführt. Da jeder Gefässabschnitt seine besonderen Eigenthümlichkeiten besitzt, ist es zweckmässig, die einzelnen Gefässgebiete getrennt zu behandeln. Ich lasse zunächst die durch die Wanddickebestim- mungen am Aortenbogen gefundenen Thatsachen folgen. Aortenbogen. Aortenisthmus und Aortenspindel.^ Die Aorta ändert ihre Richtung vom Ursprung bis zu der Stelle der Aorta thoracica, welche gleiche Höhe mit dem Ursprung der Aorta hat, ^ W. His, Anatomie menschlicher Embryonen, Bd. III. S. 197. Über Arterienspindeln u. s. w. 47 ungefähr um 180 Grad. Diese Riclitungveränderung vollzieht sich aber nicht an allen Aorten auf die nämliche Weise, sondern es existiren in der Art der Richtungsänderung erhebliche Unterschiede. Man kann indessen sämmtliche Formen von Aortenbogen in zwei Klassen unterbringen, nämlich in die Klasse hochbogiger und in die Klasse üachbogiger Aorten. Bei den •ersteren stehen sich die beiden Bogenschenkel näher; bei den letzteren stehen sie weiter voneinander ab. Die Fig. 1 repräsentirt die Klasse der hochbogigen, die Fig. 2 die der flachbogigen Aorten. Mit der Bestimmung hochbogig oder flachbogig ist über die absolute Stellung im Brustkörbe Nichts ausgesagt. Vergleicht man die Aorten Fig. 1 und 2 mit einander, so erkennt man leicht, dass die beiden Formen in zwei Punkten wesentlich von einander ab weichen. Während in Fig. 1 die Aorta kurz nach Abgabe ihrer Aeste (Anonyma, carotis und subclavia sin.) ihre Richtung plötzlich ändert, geht in Fig. 2 die Aorta erst allmählich in die definitive Richtung der Aorta thoracica über. Der Röhrenabschnitt der Aorta, wo diese plötzliche Richtungs- änderung stattfindet, soll nach Analogie der Knieröhren als Aortenknie bezeichnet werden. Der zweite Punkt, in dem die beiden Formen dilferiren, betrifft die nach His benannte Aortenspindel. An der Aorta Fig. 1 findet sich eine deutliche spindelförmige Erweiterung des Anfangstheiles der ab- steigenden Aorta, während diese Bildung an der Aorta Fig. 2 vollständig zu fehlen scheint. Fig. 1 (nach His). Fig. 2. 48 Hans Stahel: Die nächste Frage, weiche sich au die eben dargelegten Differenzen der beiden Aortenbogen knüpfte, war die nach den Bedingungen der Spindelbildung. Eine auf diesen Punkt gerichtete Vergleichung einer Anzahl von Aorten, ergab die bemerkenswerthe Thatsache, dass die Spindel nur an solchen Aorten gefunden wurde, bei denen die Richtungsänderung der Aorta ascendens in die Aorta descendens plötzlich erfolgte. Die Aortenspindel wird auch an flachbogigen Aorten beobachtet; an solchen Praeparaten findet sich stets eine plötzliche Richtungsänderung des Rohres unmittelbar vor der Spindel. Dass die plötzliche Richtungsänderung des Gefässes die Ur- sache dieser Bildung sein muss, beweist endgültig Fig. 3, die von dem Ausgusse einer Aorta, welche unter ge- ringem Drucke mit flüssigem Gypsbrei injicirt worden war, entnommen ist. In diesem Falle, wo die Aorta an zwei Stellen ihre Richtung plötzlich ändert, finden sich auch zwei deut- liche Spindeln. Die Spindelbildung der Aorta descendens hat demnach ihren Grund in der plötzlichen Richtungs- änderung der Aorta. Die Frage, wie diese Bildung hydraulisch zu erklären ist, soll später beantwortet werden. Zu erwähnen ist noch, dass nicht nur an menschlichen Aorten, sondern auch an der Aorta des Hundes die Aorten- spindel gefunden wird und zwar unter der nämlichen Bedingung, wie sie bereits für die menschliche Aorta aufgestellt wurde. Fig. 4 stellt die Aorta eines Hundes im leeren Zustande dar. Trotz- dem das Gefäss leer ist , grenzt sich die Spindel deutlich von der Umgebung ab. An derselben Hundeaorta wird auch ein kurzer Isthmus unmittelbar hinter der Abgangsstelle des Gefässes b beobachtet. Durch die Existenz der Aortenspindel er- scheint der Theil der Aorta, welcher zwischen Abgang der Subclavia und Aortenspindel liegt, verengt. Es wurde deshalb dieser Abschnitt der Aorta sehr bezeichnend mit dem Namen Isthmus Aortae belegt. Dieser Isthmus Aortae scheint nun wie die Aortenspindel nicht eine allen Aorten zukommende Bildung zu sein. Fehlt die Spindel, so scheint auch der Isthmus zu fehlen. Siehe Fig. 2. In einem anderen Praeparate, wo die Richtungsänderung der Aorta des- cendens ebenfalls ganz allmählich erfolgte, war von blossem Auge weder ein Aortenisthmus noch eine Aortenspindel zu sehen. Die Messung ergab Übee Aeteeienspindeln u. s. vv. 49 jedoch eine wenn auch geringe Verengerung des unmittelbar nach aussen vom Abgänge der Subclavia liegenden Theiles der Aorta. Bevor indess auf diese Erscheinung eingegangen werden kann, müssen die hier in Frage kommenden Thatsachen der Experimentalhydraulik vorausgeschickt werden. Ich folge in meiner Darstellung der Experimentalhydraulik von Weisbach.^ Fliesst Wasser durch eine gekrümmte Röhre AB Fig. 5, so trennt sich in Folge der Centrifugalkraft das Wasser von der inneren Seite der Röhre. Es entsteht eine Contraction. Dieser Contraction entspricht ein gewisser Contractionscoefficient, welcher sich aus- drücken lässt durch die Beziehung Fig. 5. worin den Querschnitt des contrahirten Strahles, F den Querschnitt der cyhndrischen Röhre bezeichnet. Wenn ferner r den Krümmungshalbmesser CD = CE der Röhrenaxe, a die halbe Breite dieser Röhre bezeichnet, so existirt folgende Beziehung zwischen dem Contractionscoefficienten a und den Grössen r und a. a = — Um die Contraction des Wasserstrahles in der gekrümmten Röhre ganz zu vermeiden, muss man den Querschnitt derselben allmählich ab- nehmen lassen, etwa so wie AE Fig. 6 zeigt. Ist der ^ Querschnitt der Ausmündung E = a mal Querschnitt der I Einmündung, so füllt der bei E ausfliessende Strahl die Mün- 1 düng ganz. \ \ Bei derselben Gesammtablenkung erleidet das Wasser \ eine stärkere Contraction in rasch sich krümmenden als in sanft gekrümmten Röhren. ^ Aus der Formel « = i / — - — ersieht man, dass bei constantem a der \ r -\-ia ’ Contractionscoefficient um so grösser wird, je grösser r im Verhältniss zu a ist, d. h. die Contraction des Strahles wird um so kleiner, je flacher im Verhältniss zur Röhren weite der Bogen ist. Ist r im Verhältniss zu a sehr gross, so wird a annähernd gleich 1; somit F^ auch annähernd so gross wie F. Die Contraction ist in diesem Falle sehr klein. Ist dagegen r im Verhältniss zu a klein, so nimmt der Contractionscoefficient ab. Die Contrac- tion wird in diesem Falle grösser sein. ^ J. Weisbach, Eie Experimentalhydraulih. Freiberg 1855. Archiv f. A. u. Ph. 1886. Anat. Abthlg. A 4 50 Hans Stahel: Um nun wieder auf unser Praeparat zurückzukommen, so ergab die Messung folgendes. Bezeichnen wir der Kürze halber den Querschnitt der Aorta im Isthmusgebiet mit den der Aorta im Spindelgebiet mit F und ; einen circa 4*5®“ nach aussen von der Abgangsstelle der Subclavia sinistra I angelegten Querschnitt der Aorta mit F„^ so fand sich, dass F, = F, da- i gegen A), kleiner als F war. Zwischen i^undi^, entspringen einige arteriae | intercostales beziehungsweise bronchiales, ebenso zwischen F und F„. Durch ' die Abgabe von Aesten wird aber die Blutmenge in dem Hauptstamm kleiner, und es sollte demnach bei gleichen Strömungsbedingungen, wie die- selben in dem annähernd gleichmässig gekrümmten Bohre dieses Praeparates statthaben mussten, F, grösser als F sein, da ja F„ zu Folge der geringeren Blutmenge kleiner ist als F, Die Thatsache, dass der Querschnitt F, nicht grösser, sondern gleich gross ist wie der Querschnitt F, kann nicht anders als durch eine in F, stattfindende Contraction des Blutstromes erklärt werden. ; ! An Wachspraeparaten können Querschnittsbestimmungen nicht mit der ' erforderlichen Genauigkeit ausgeführt werden. Ausserdem ist es sehr wahr- i scheinlich, dass die dünne Wand an der concaven Seite des Isthmus (siehe : Wanddickebestimmungen der Aorta) dem hohen Injectionsdruck mehr nach- geben wird als die dickere Rohrwandung im Gebiete der Spindel. Es war < desshalb nöthig dieses Resultat an einem Materiale zu prüfen, welches eine | genaue Querschnittsbestimmung zulässt. Zu diesem Zwecke wurde das j Gefässsystem mit flüssigem Gypsbrei ausgegossen und bei geringem Drucke i injicirt, um eine Ueberdehnung der Gefässwand zu verhüten. Die Gefässe j befanden sich dabei in ihrer natürlichen Lage und Verbindung mit den j Weichtheilen. Gegen die der Erstarrung des flüssigen Gypsbreies folgende j kleine Ausdehnung verhielt sich die Gefässwand etwa wie gegen die das ^ Rohr ausdehnende systolische Blutwelle, so dass die Form des Ausgusses unter der Wirkung der Elasticität der Gefässwand zu Stande kam. Hat nun die Formel oc — Gültigkeit für den Blutstrom im Aortenbogen, so muss, wenn r noch kleiner ist im Verhältniss zu a als dies bei dem vorigen Praeparate der Fall war, der Querschnitt des fsthmus Aortae sogar kleiner sein als der Querschnitt der Aorta thoracica bei T Fig. 1. Die folgenden Querschnittsbestimmungen wurden an Gypsausgüssen ausgeführt, welche auf die oben beschriebene Weise hergestellt worden waren. Von diesen Ausgüssen fertigte ich mittelst einer feinen Laubsäge an bestimmten Stellen Querschnitte an. Um den Flächeninhalt eines Quer- Schnittes bestimmen zu können, wurde derselbe mit einem spitzen Stifte j umschrieben. Die so erhaltene Fläche wurde mittelst des Amsler’schen Planimeter ausgemessen. Übee Abterienspindeln u. s. w. 51 I. Gypsausguss einer Aorta, die ungefähr die Form hatte, wie sie Fig. 1. zeigt. Querschnitt des Aortenisthmus 290 Q““ Querschnitt der Aortenspindel 460 Querschnitt der Aorta thoracica bei T . . 350 Aus diesen Messungen geht hervor, dass, wenn wenn r im Verhältniss zu a klein ist, die Contraction stärker ausfällt, als wenn r im Verhältniss zu a grösser ist. II. Gypsausguss einer Aorta, wo r im Verhältniss zu a grösser ist als im Gypsausguss I. Querschnitt des Aortenisthmus 460 Querschnitt der Aortenspindel 650°“°" Querschnitt der Aorta thoracica 4601^™“ III. Gypsausguss der Arteria subclavia sinistra. Querschnitt der Subclavia sinistra vor Abgang der Aeste (truncus thyreo-cervicalis u. s. w.) Querschnitt des Isthmus subclaviae . . . . Querschnitt der Subclavia nach aussen vom Isthmus 27 .6 nmra 15.6 Qmm 20 • 0 Dieser Ausguss der Subclavia sinistra stammt von derselben Leiche wie der Aortenausguss I. Die eben angeführten Messungen beweisen die Existenz der Contraction des Blutstromes im Isthmus Aortae und im Isthmus der Arteria subclavia. Die Grösse der Contraction hängt von r und a ungefähr in der Weise ab, wie sie durch die Formel \ r 4a ausgedrückt wird. Die genaue Bestimmung des Contractionscoefficienten a für den Blutstrom in dem gekrümmten elastischen Gefässrohr bleibt vor der Hand ein noch zu lösendes Problem. Durch His^ wissen wir ferner, dass am concaven Bogen der Aorta die Wanddicke von einer bestimmten Stelle ab rasch abnimmt. Weitere Mes- sungen ergaben, dass die Wand der convexen Seite des Aortenisthmus eine grössere Dicke besitzt als die der concaven Seite. So wurde z. B. an einem Isthmus Aortae die Wanddicke der convexen und der concaven Seite in successiven Abständen gemessen und dabei folgende Kesultate erhalten. ^ His, a. a. 0. 4* 52 Hans Stahel: (Den Ausgangspunkt der Messung für die concave sowohl als für die convexe Seite hezeichnete in diesem Falle eine kurz ausserhalb der Abgangsstelle der Subclavia sinistra senkrecht zur Axe des Rohres gezogene Linie; den Endpunkt bestimmte eine senkrecht auf die Axe des Röhrenabschnittes ge- führte und durch das Ende des Ductus Botalli gehende Linie. Die Länge der concaven Seite dieses so begrenzten Isthmus betrug 1*5^^™; die Länge der convexen Seite 2®™.) Concave Seite des Isthmus. i Convexe Seite des Isthmus. Wanddicke in Q mm 0-875“™ i Wanddicke in Q mm 1. 30 V in ^ mm 0-783““ ?? in 5 mm 1-086 n in 'J mm 0-653““ in 10““ 1.025 V in 15 mm -0-640““ V in 15 ““ 1-020 77 in 20 ““ 0-987 Eine grössere Zahl auf diesen Punkt gerichteter Messungen ergab als Regel, dass die Wandung an der concaven Seite des Isthmus am dünnsten ist kurz vor dem Ansätze des arteriellen fibrösen Bandes und ferner, dass die convexe Seite des Isthmus eine grössere Wanddicke besitzt als die concave. Welches sind nun die Ursachen dieses verschiedenen Verhaltens der Gefässwand ein und desselben Röhrenabschnittes? Der Gedanke lag nahe, die ungleiche Wanddicke verschiedener Stellen des Gefässrohres auf die Existenz ungleicher Drucke im Gefässrohr zurückzuführen. Man sieht auch sofort ein, dass der Blutstrom an der convexen Seiten immerfort abgelenkt wird. Gegen die convexe Seite des Isthmus Aortae findet demzufolge ein höherer Druck statt als gegen die concave. Die Grösse dieses Druckes hängt, wie die Experimentalhydraulik lehrt, von der Grösse des Winkels ab, um den der Strom abglenkt wird. Trifft nämlich eine Flüssigkeitssäule auf eine gekrümmte Rinne, durch die sie vollständig um einen gewissen AVinkel z. B. ß abgelenkt wird, so übt ihr Strahl einen Druck auf die ab- lenkende Fläche aus, der gleich ist X — 2 d a sin ^ , in welcher Formel d die Dichtigkeit der Flüssigkeit, a den Querschnitt des Strahles bezeichnet. Aus diesem eben durch die Messung dargelegten Ver- halten der Gefässwand an der convexen und concaven Seite des Aorten- isthmus geht unmittelbar hervor, dass dem höheren Drucke eine dickere Gefässwand entspricht. Es war nunmehr zu untersuchen, ob an allen Stellen des Gefässsystems, wo nach physikalischen Gesetzen eine Druck- erhöhung zu erwarten ist, auch eine grössere Wanddicke beobachtet wird. Über Arterienspindeln ü. s. w. 53 Wird durch Fig. 7, senkrecht auf die Axe, ein Querschnitt der Aorta ascendens angelegt, so findet sich an diesem Querschnitte die grösste Dicke hei d. h. am innern untern Quadranten der Aorta ascendens. Dieser Theil der Gefässwand liegt nun aber gerade gegenüber den Ausflussöffnungen der Anonyma und carotis sinistra. Nach einem bekannten physikalischen Gesetze, auf das wir seiner Wichtigkeit halber etwas näher eingehen müssen, findet also gegen u der Rückstoss der durch die Anonyma und carotis sinistra ausfliessenden Blutsäulen statt. Strömt nämhch aus einem Gefässe ein Flüssig- keitsstrahl durch eine Seitenöffnung ab, so erleidet die der Oeffnung ent- gegengesetzte Fläche einen Druck, den man die Reaction nennt. Dabei ist zu bemerken, dass die Reaction nur von den Endrichtungen und Querschnitten der Flüssigkeitsfaden, welche den Strahl constituiren, nicht aber von ihrer Krümmung abhängt. Welche Wege auch die Flüssig- keitsfaden bis zur Ausflussöffnung beschreiben mögen, immer hängt die Reaction derselben einzig von der Endrichtung der Flüssigkeitsfaden ab. Diese Endrichtung wird in jedem Falle durch die Axe der Anfangstheile des abgehenden Gefässes bestimmt. Unter der Bezeichnung „Axe eines Gefässes“ ist also hier immer die Axe des Anfangstheiles des Gefässes ver- standen. Ich lasse hier noch einige besondere Messungen folgen, welche zeigen sollen, dass die Reactionsstelle die grösste Wand dicke besitzt. Der Quer- schnitt des Rohres sei, wie das untenstehende Schema (Fig. 8) zeigt, in acht Längszonen getheilt, von denen die Streifen a an der concaven, e an der convexen Seite des Bogens liegen, a entspricht also Punkt a Fig. 7 und e Punkt Uy Wanddicke in a 2*244““ ,, b 1.913 „ c 1.850 „ d 1.753 Wanddicke in e 1-735““ „ „/ 1-711 „ „ „ g 1-760 „ jf ^ 1 * 993 ff 54 Hans Stahel: Somit haben wir hier ein zweites Beispiel für die Abhängigkeit der Wanddicke von der Höhe des Druckes. Eine weitere Bestätigung der Thatsache, dass die Wanddicke mit dem Drucke wächst, giebt die Vergleichung der Schnittflächen der concaven und convexen Wand der Aorta ascendens, in unserer Fig. laß und Die hierauf Bezug habenden Messungen sind folgende: ^ a ß ß, Wand dicke in 0 2 244 mm Wanddicke in 0 em 1-735 mm 11 0-5„ 2- -422 11 11 11 0- ■5„ 1-692 11 11 1 ,, 2 •100 11 11 11 1 11 1.733 11 11 1.5„ 1 -886 11 11 11 1- 5„ 1.696 11 •1 11 2 „ 1 .761 11 11 11 2 11 1-537 11 Aus diesen Messungen geht hervor, dass die concave Wand der Aorta ascendens eine grössere Wanddicke besitzt als die convexe. Es stimmt dieser Befund mit dem theoretischen Postulate überein. Die convexe Wand der Aorta ascendens erleidet nämlich einen Druck, dessen Grösse abhängig ist von der Ablenkung des aus dem Herzen kommenden Blutstromes. Dieser Druck ist Q, = 2 r/ a sin Der Druck dagegen, welchen die Gefässwand in a erleidet hat die Grösse Q = da indem die Reaction doppelt so gross ist als der haemostatische Druck. Für Winkel, die kleiner sind als 90^, ist kleiner als Q. Der Ablenkungs- winkel, um den der Blutstrom in der Aorta ascendens Fig. 7 abgelenkt wird, ist aber kleiner als 90^. Es muss demnach der Druck, den die con- cave Seite a ß der Aorta ascendens erleidet, grösser sein als der Druck, der gegen die convexe Seite a^ ß^ stattfindet. Damit in Uebereinstimmung haben wir durch Messung gefunden, dass die concave Seite der Aorta ascen- dens eine grössere Wanddicke besitzt als die convexe. Eine auf den histo- logischen Bau der Reactionsstelle bezügliche Notiz, die ich hier folgen lasse, findet sich bei Thoma.^ „Am rechten Umfange der Aorta ascendens, wo bereits in früheren Perioden zahlreiche longitudinale Faserungen in der Media beobachtet wurden, folgt unter den elastischen Schichten der Intima eine mächtige, der Media zugehörige Anhäufung von längsgestellten Muskelfasern, die dicht durch- ' Thoma, Ueber die Abhängigkeit der Bindegewebsneubildung in der Arterien- intima von den mechanischen Bedingungen des Blutumlaufes. Virchow’s Archiv. Bd. XCIII. Übee Aeteeienspindeln ü. s. w. 55 setzt sind, von kräftigen elastischen Membranen von gleichfalls longitudi- naler Faserrichtung.^^ Es ist einleuchtend,' dass die Lage der Reactionsstellen der einzelnen Gefässe abhängig ist von der Richtung der Axen. Es können z. B. die Reactionsstellen der Anonyma, Carotis und Subclavia s. sehr nahe bei ein- ander liegen, wie dies Fig. 7 zeigt, oder aber die Reactionsstellen der ein- zelnen Gefässe liegen getrennt von einander. In diesem letzteren Falle finden wir, dass jede dieser Reactionsstellen eine grössere Wanddicke besitzt, als die Umgebung. Die grösste Wanddicke hat aber stets die Stelle der Aorta ascendens, welche gegenüber der AusflussöfiPnung der Anonyma liegt, da die Reaction mit der Fläche der Oeffnung wächst. Die an der Aorta gefundene Beziehung der Wanddicke der Reactions- stelle zur Reaction war nun weiter am Gefässystem zu prüfen. Ueberall, wo Aeste abgehen, findet eine Reaction des ausströmenden Blutstromes gegen die der Ausflussöfihung des Astes gegenüberliegende Stelle der Gefässwand des Hauptstammes statt. Je nach der Grösse des Winkels, unter welchem der Ast entspringt, erleidet die Gefässwand des Hauptstammes in verschie- dener Höhe über der Abgangsstelle die Reaction. Ist nun die Wanddicke abhängig von der Grösse des Druckes, so muss auch, je nach dem Winkel, unter dem ein Ast entspringt, in verschiedener Höhe über der Abgangs- stelle eine grössere Wanddicke der Gefässwand des Hauptstammes beobachtet worden. Zahlreiche an den verschiedensten Abschnitten des Gefässsystems aus- geführte Messungen beweisen, dass die Stellen der Gefässwand, gegen welche die Reaction stattfindet, auch eine dickere Wandung besitzen als die Um- gebung. Da im Verlaufe dieser Arbeit noch eine Reihe dahingehender Be- obachtungen mitgetheilt werden, so mögen hier nur einige Beispiele auf- geführt werden. I. Die Carotis dextra entspringt unter einem ziemlich spitzen Winkel aus der Anonyma. Es trifft demzufolge die verlängerte Axe des Anfangs- theiles der Carotis die Wand der Anonyma ungefähr in einer Entfernung von 2^^"" vom Abgänge der Carotis. Nun ergiebt die Messung: a) Wanddicke der Anonyma kurz nach Abgang derselben aus der Aorta. Aeussere Wand 1*040““^ b) Wanddicke der Anonyma kurz vor Abgang der Subclavia. Aeussere Wand 0-864“^ Der grössere Werth von a fällt auf Rechnung des Reactionsstosses der Carotis. 56 Hans Stahel: II. Der Anfangstheil der Art. transversa colli steht beinahe senkrecht zur Axe der Subclavia. Demzufolge besitzt auch die annähernd senkrecht gegenüberliegende Stelle der Gefässwand eine grössere Wanddicke als ihre Umgebung. a) Wanddicke der Subclavia gegenüber der Abgangsstelle der Art. transversa colli. Concave Seite 0-553““ b) Wanddicke der Subclavia derselben concaven Seite, 6 ““ jen- seits von der Abgangsstelle der Art. transversa colli 0-366““ III. Die Art. femoralis profunda entspringt unter einem spitzen Winkel aus der Art. femoralis. Es muss deshalb die Reaction gegen eine über der Ausflussöffnung der Art. femoralis profunda gelegenen Stelle der Gefässwand stattfinden, was die Messung bestätigt. a) Wanddicke der Art. femoralis 1-5™^ über der Abgangsstelle der Art. femoralis prof. Vordere Wand. . . . . 1-057““ b) Wanddicke der Art. femoralis 1 über der Abgangsstelle der Art. femoralis prof. Vordere Wand 1-135““ c) Wanddicke der Art. femoralis 0-5^“ über der Abgangsstelle der Art. femoralis prof. Vordere Wand ..... 1 - 268 ““ d) Wanddicke der Art. femoralis in der Höhe der Abgangsstelle der Art. femoralis prof. Vordere Wand 1-166““ Bis jetzt haben wir gezeigt, dass die Gefässwand Druckänderungen mit entsprechender Wanddicke beantwortet. Es soll nun die Frage aufgestellt werden, durch welche Vorrichtungen die Stellen der Gefässwand, die dauernd einen Stoss erleiden, vor einer Verschiebung geschützt werden. Vorab ist hervorzuheben, dass an allen Theilungswinkeln eine beträchtliche Verdickung der Wand vorhanden ist und dass der einspringende Winkel dieser Ab- gangsstellen stets durch einen tief in die Lichtung einschneidenden Strom- pfeiler charakterisirt ist. Bei der Anonyma, Carotis und Subclavia s. (u. s. w.) erkennt man diese Pfeiler am Ausguss des Rohres als tiefe Einschnitte, die auch in den Hauptcylinder mehr oder weniger weit übergreifen. Am auf- geschnittenen Rohre haben sie den Charakter von scharf auslaufenden Leisten; dieselben sind aus Faltungen der Gefässwand hervorgegangen. Schneidet man nun die Aorta ascendens vom Menschen von der Re- actionsstelle in der Richtung nach dem Pfeiler, welcher die Strombahnen der Anonyma und Carotis sinistra trennt, auf, so zeigt sich, dass die Wanddicke der in dieser Richtung angelegten Schnittfläche eine grössere ist, als die von jeder in einer anderen Richtung Über Arterienspindeln u. s. w. 57 angelegten Schnittfläche. Trifft die Axe des Anfangstheiles der Ano- nyma die convexe Wand der Aorta ascendens, so verbindet ein dickerer Gewebsstreifen den Pfeiler mit der an der convexen Seite der Aorta ascen- dens gelegenen Keactionsstelle. Ein festerer Ge websring verbindet demnach die Abgangsstelle der grossen Gefässstämme mit ihren entsprechenden Reactionsstellen. Es war nun von Interesse zu untersuchen, ob ähnliche Einrichtungen, wie sie an der Aorta des Menschen gefunden wurden, sich auch an Aorten von Thieren wiederfinden. Zu diesem Zwecke wurde die Aorta vom Hunde untersucht. Schneidet man die Aorta ascendens vom Hunde auf, so sieht man in der Gegend des Abganges der Aeste ieistenförmige Erhebungen die glatte Innenfiäche durchziehen.. Eine genauere Betrachtung ergiebt nun, dass diese Leisten aa^ und ß Eig. 9 und 10 die Strompfeiler der beiden Gefässe a und h mit zwei Punkten der Aorta ascendens verbinden, näm- lich mit der Stelle wo der Blutstrom seine stärkste Ablenkung erfährt und mit der Keactionsstelle ß. Von den Pfeilern und ß-^ setzen sich diese Leisten, welche an leeren Gefässen deutlich prominiren, in die Gefäss- wand der abgehenden Aeste fort und zwar finden sie sich an der Wand des Gefässes, welches den Blutstrom abzulenken hat. Durch die Wandseite S des Gefässes a und ß^ d des Gefässes b wird der in die Gefässe fliessende Blutstrom von seiner ursprünglichen Richtung abgelenkt, wie dies aus dem Verlauf der Gefässe Fig. 9 deutlich hervor- geht. Von dem Pfeiler ß-^^ geht ausserdem noch eine Leiste an die convexe Wand des Anfangstheiles der Aorta descendens, wo dieselbe in kurzer Entfernung von ß^ büschelförmig in eine Reihe von Strippen zer- fällt. Siehe Fig. 10. Während die Leiste a an allen drei Hundeaorten, die daraufhin untersucht wurden, vorhanden war, fehlte in einer Aorta die Leiste ß ß^ Die Reaction fand in diesem Falle gegen die convexe Wand der Aorta ascendens statt. 58 Hans Stahel: Die Anordnung der eben erwähnten Leisten geht aus Fig. 9 und 10 hervor. Fig. 9 ist ohne weiteres verständlich; in Fig. 10 ist die Aorta von der concaven Seite aufgeschnitten und die Innenfläche dargestellt. Ein Blick auf Fig. 9 genügt, um zu erkennen, dass in a der Strom um den grössten Winkel abgelenkt wird. Wie sollte die Gefässwand dauernd dem hier stattfindenden grossen Drucke widerstehen können? Dieselbe würde ohne Gegenzug immer mehr ausgeweitet werden bis zur endlichen Zerreissung. Durch die Leiste a wird u direct mit verkuppelt. Dieselbe Kraft des Blutstromes, welche den Pfeiler zu heben sucht, bewirkt, dass a durch den Druck des abgelenkten Blutstromes nicht immer mehr nach aussen gedränkt wird. — Für den Pfeiler und die Reactionsstelle ß gilt die gleiche Betrachtung wie für und a. Durch die Leiste ß^ wir4 die Aortenwand in ß^ , die ebenfalls einen Druck nach aussen durch die Ab- lenkung des Blutstromes erleidet, vor Ueberdehung geschützt. Die beim Menschen gefundene Thatsache, dass die Wanddicke mit der Grösse des Druckes wächst, findet auch an der Aorta des Hundes ihre Be- stätigung. Schneidet man die Aorta Fig. 9 in der Richtung von A nach B an ihrer convexen Seite auf, so findet sich, wie aus untenstehenden Mes- sungen hervorgeht, die grösste Wanddicke bei u, Wanddicke in A 1.646“"^ W''anddicke in « 2-081“™ Wanddicke in B 1*633““ Dies stimmt mit dem theoretischen Postulate, denn nach der Beziehung Q — dav^ sm muss die Gefässwand in a die grösste Wanddicke besitzen. Um annähernd Aufschluss über die Bewegungsvorgänge der Flüssig- keitstheilchen beim Durchströmen des Blutes durch den knieförmigen Aortenabschnitt zu erhalten, wurde Flüssigkeit, in der Eichenholzspäne suspendirt waren, durch eine der Aorta nachgebildete Glasröhre geleitet. Dieselbe war überall cylindrisch mit Ausnahme des Mittelstückes, das einen kleineren Querschnitt als der übrige Theil des Rohres hatte. Die Richtungs- änderung von dem Mittelstück in den absteigenden Schenkel erfolgte in diesem Glasmodell plötzlich. Der Durchströmungsversuch mit dieser Glas- aorta zeigte nun, dass hier im Gegensatz zu sanftgekrümmten Röhren, wo die Partikelchen annähernd einander parallel laufen, die Partikelchen in dem Kniestück divergiren. Obschon die Erscheinungen, welche bei diesem Versuche auftreten, viel zu complicirt sind und zeitlich zu rasch ablaufen, um die einzelnen Phasen der Bewegung der Partikelchen beobachten zu können, so sieht man doch deutlich, wie in dem Kniestück Partikelchen in grosser Zahl von der Mitte des Stromes gegen die concave, innere Wand Über Arterienspindeln u. s. w. 59 abgelenkt werden. Diese abgelenkten Partikelchen treffen die innere Wand erst in einer gewissen Entfernung unterhalb der Umbiegungsstelle des ab- steigenden Schenkels. Man sieht ferner deutlich, dass gegen die Stelle, welche unmittelbar unter der Umbiegungsstelle liegt, keine Partikelchen geworfen werden. In einer je nach der Grösse des Winkels, den die Axe des absteigenden Schenkels mit der Axe des Isthmus bildet, veschiedenen Entfernung von der Umbiegungsstelle stossen die Partikelchen unter den steilsten Winkel gegen die innere Wand. Nach abwärts von dieser Stelle wird der Winkel immer kleiner, unter dem die Partikelchen gegen die Wand treffen. Der Druck, den die innere Wand in Folge des Stosses der Flüssigkeitstheilchen erleidet, ist dem zu Folge an der Stelle am grössten, wo die Partikelchen unter dem grössten Winkel aufschlagen. Sind nun im Aorten knie die Strömungsvorgänge ähnlich den in der Glasaorta beobach- teten, so muss zu Folge der gefundenen Abhängigkeit der Wanddicke vom Druck unmittelbar unter der Ansatzstelle des fibrösen arteriellen Bandes die innere Wand der Aorta descendens eine geringere Wanddicke besitzen als weiter abwärts. Ferner muss von einer Stelle maximaler Wanddicke an (da wo die Partikelchen unter dem grössten Winkel die Wand treffen) die Wanddicke der inneren Wand wieder abnehmen. Aus den nachfolgenden Messungen ersieht man, dass in der That, ent- sprechend den Strömungsverhältnissen in dem Kniestück der Glasaorta, die postulirten Wanddickeverhältnisse an der inneren Wand der Aorta des- cendens gefunden wurden. Wanddickebestimmungen der inneren Wand der Aorta descendens. Aorta 1. Wanddicke am Ductus Botalli . . . „ 0 • 5 nach abwärts v. D. B. 1 cm ?? ^ V V 9 cm ^ ?? V 1 • 949 1 .276 mm 1 • 643 1.240 mm Wanddicke V V Aorta 2. am Ductus Botalli . . . 1 nach abwärts v. D. B. 1 . Q cm ^ ^ M ff ff 1 , q cm ^ ff ff ff 3*5^“ nach abwärts v. D. B. 237 605 707 560 267 mm mm mm mm mm 4.5 cm 5.5<^™ 6-5^^™ ff ff ff 1.384 1.353““ 1*369 ““ ff 60 Hans Stahel: Aorta 3. Wanddicke nach abwärts v. D. B. r 0.7 cm ^ . 2 cm ^ , 7 cm 2.2 4 cm V ?? ?? V ?7 7? 77 77 77 77 1.196“^“ 1.346“™ 1*340 ““ 1.201 ““ 1 • 270 ““ 1.087 ““ Durch die wiederholten Ablenkungen, die die Flüssigkeitstheilchen in dem knieförmigen Aortenabschnitt erleiden, wird ein Theil der lebendigen Kraft der Flüssigkeitstheilchen in einen entsprechenden Druck, der gegen die Wand stattfindet, umgesetzt. Die Geschwindigkeit des abgelenkten Flüssigkeitstheilchens ist demnach kleiner geworden. Andererseits tritt ein weiterer Verlust an lebendiger Kraft durch die innere Reibung der Flüssig- keitstheilchen auf, die nach einem Satz der Physik proportional ist der Geschwindigkeitsdififerenz der auf einander stossenden Flüssigkeitstheilchen. Es stossen nämlich im Aortenknie die centralen Flüssigkeitstheilchen, welche mit grosser Geschwindigkeit aus dem Isthmus kommen, auf die gegen die Strommitte abgelenkten peripheren Flüssigkeitstheilchen, die durch die Ab- lenkung an Geschwindigkeit eingebüsst haben. Die Geschwindigkeitsdifie- renz der centralen und peripheren Flüssigkeitstheilchen und somit auch die innere Reibung wird um so grösser sein, je kleiner der Querschnitt des Isthmus und je grösser der Winkel ist, den die Axe der Aorta descendens mit der Axe des Isthmus bildet. Beide Factoren, die wiederholte Ab- lenkung und die grössere innere Reibung der Flüssigkeitstheilchen, bewirken also, dass die mittlere Geschwindigkeit des Blutstromes im Anfangstheil der Aorta descendens kleiner wird. Da aber in einem geschlossenen Röhren- system bei constantem Drucke durch jeden Querschnitt die gleiche Menge Flüssigkeit in der Zeiteinheit fliesst, was durch die Beziehung F.v = F,-v, ausgedrückt wird, so muss, wenn v, kleiner als v ist, F, grösser als F sein. Die Aortenspindel ist demnach mechanisch ableitbar von der plötzlichen Richtungsänderung des Anfangtheiles der Aorta descendens. Die Grösse des Querschnittes der Spindel hängt einerseits von dem Winkel, den die Axe der Aorta descendens mit der Axe des Isthmustheiles der Aorta bildet, andererseits von dem Querschnitt des Isthmus abi In Aorten, wo die Rich- tungsänderung allmählich stattfindet, wird auch keine Spindel beobachtet. Die im Anfangstheile der Aorta descendens beobachtete Spindelbildung steht nicht vereinzelt im Gefässsystem da. Wirft man einen Blick auf Fig. 2, so erkennt man leicht, dass der Querschnitt der Aorta ascendens ÜbEE AeTEKIEN SPINDELN U. S. W. 61 vom Ursprung derselben bis ungefähr zur Mitte ihrer Länge stetig grösser wird, um von der Mitte ab wieder abzunehmen. Leider haben mir bis jetzt vollständige Gypsausgüsse der Aorta ascendens gefehlt, so dass ich nicht in der Lage bin, hierfür Zahlen angeben zu können. Ich werde auf diesen Punkt später noch einmal zurückkommen. II. Subclaviaisthmus und Subclaviaspindel. Die Arteria subclavia beschreibt von ihrem Ursprünge aus der Aorta bezw. Anonyma bis zum oberen Rande des M. pectoralis minor einen Bogen, dessen Weite bei verschiedenen Individuen verschieden ist. Man kann deshalb die Subclaviabogen ähnlich den Aortenbogen in hochbogige und flachbogige unterscheiden. In Bezug auf die Entstehung des Isthmus subclaviae und der Subclaviaspindel gilt das nämliche, was bereits früher über die analogen Bildungen der Aorta gesagt wurde. Der Subclaviaisthmus beginnt kurz nach aussen von der Abgangs- stelle des Truncus thyreo-cervicalis und endigt da, wo die Art transversa colli entspringt Nimmt die Art. transversa colli ihren Ursprung noch hinter dem äusseren Rande des M. scalenus anticus, so bezeichnet die äussere Grenze des Isthmusgebietes die Stelle, wo die Subclavia plötzlich ihre Richtung ändert und nach abwärts verläuft. Untenstehende Abbildung (Fig. 11) stammt von einem Wachsausgusse der Subclavia sinistra. Im Allgemeinen hat der Isthmus eine Länge von 0*5 — 1 Der innere Theil des Isthmusgebietes liegt noch hinter dem M. scalenus anticus; der äussere hingegen nach aussen von demselben. Den Isthmus subclavia zeichnet eine sehr dünne Ge- fäss Wandung aus. Nicht nur die Wandung der con- caven Seite, sondern der ganze Rohrabschnitt hat eine bedeutend dünnere Wandung als die Abschnitte der Subclavia vor und nach dem Isthmus. Bei der Fig. ii. Unterbindung der Art. subclavia am Orte der Wahl wird demzufolge stets der Isthmus subclaviae, d. h. die Partie der Subclavia getroffen, welche die dünnste Wandung besitzt. Auf diesen Punkt werde ich in meiner Arbeit über die Art. subclavia näher eintreten. Ich gebe im Folgenden einige Messungen der Wandung der Art. subclavia vor dem Isthmus, im Isthmus- gebiete und nach dem Isthmus. I. Subclavia dextra. Concave Seite. Wanddicke der Art. subclavia vor Abgang der Aeste. (Art. verte- bralis, Truncus thyreo-cervicalis etc.) Wanddicke der Art. subclavia im Isthmusgebiet Wanddicke der Art. subclavia im Spindelgebiet 0-673““ 0-319““ 0-601 ““ 62 Hans Stahel; II. Subclavia sinistra. Concave Seite. Wanddicke der Art. subclavia vor Abgang der Aeste Wanddicke der Art. subclavia im Isthmusgebiet . . Wanddicke der Art. subclavia im Spindelgebiet . . III. Subclavia dextra. Convexe Seite. Wanddicke der Art. subclavia vor Abgang der Aeste Wanddicke der Art. subclavia im Isthmusgebiet . . Wanddicke der Art. subclavia im Spindelgebiet . . IV. Subclavia dextra. Convexe Seite. Wanddicke der Art. subclavia vor Abgang der Aeste Wanddicke der Art. subclavia im Isthmusgebiet . . Wanddicke der Art. subclavia im Spindelgebiet . . . 0*728“'“ . 0-571““ . 0*689““ 0-694 ““ 0*358““ 0 - 664 ““ 1*04““ 0.448 ““ 0*705 ““ Im Allgemeinen hat sich aus einer grossen Zahl von Messungen er- geben, dass die Wandung der Art. subclavia im Isthmusgebiet eine um die Hälfte bis Eindrittel geringere Wanddicke besitzt als die Wandung der Subclavia vor dem Isthmus. Die auf sämmtliche grössere Arterien des Körpers ausgedehnten Mes- sungen haben zur Kenntniss einer physiologisch sehr wichtigen Thatsache geführt. Ich beschränke mich hier zunächst darauf, diese Thatsache aus- zuführen; weitere Messungen und die hydraulische Erklärung derselben lasse ich im zweiten Theile dieser Arbeit folgen. Schneidet man ein be- liebiges Arterienrohr der Länge nach auf und misst in successiven Ab- ständen die Dicke dieser Schnittfläche, so zeigt sich, dass dieselbe nicht überall gleiche Dicke besitzt, sondern dass dickere Wandstrecken mit dün- neren ab wechseln. Unmittelbar vor dem Abgänge eines Astes erfährt die Gefässwand des Hauptstammes eine beträchtliche Dickezunahme. Nach Abgabe des Astes wird die Gefässwand wieder dünner, um gegen die Ur- sprungsstelle eines zweiten Astes von neuem stärker zu werden. Dieser Wechsel in der Wanddicke der Gefässwand einer Hauptarterie erfolgt so oft, als Aeste abgehen. Trägt man die verschiedenen Grössen, welche man durch Messung erhalten hat, graphisch auf, so erhält man eine wellenför- mige Curve, in der die Wellenberge den Stellen des Arterienstammes ent- sprechen, die unmittelbar vor dem Abgang von Aesten liegen. Eine solche Curve der Art. subclavia stellt die beigegebene Figur 12 dar. Aus dieser Curve ersieht man ferner, dass die Gefässwand der Art. subclavia ihre ge- ringste Dicke im Isthmusgebiet besitzt. Über Arterienspindeln u. s. w. 63 n Anonyma-Ursprung. 1 • 230 w» Anonyma-Mitte. 0*786 l Subclavia kurz nach Ursprung aus Anonyma. 0*862 h Subclavia vor Abgang des Trun- cus thyreo-cervicalis. 1*04 i Subclavia 2 ““ nach Abgang des Truncus thyreo-cervicalis. 0*448 \ Subclavia 8 nach Abgang des Truncus thyreo-cervicalis (kurz nachher entspringt ein Stamm - chen). 0*457. g Subclavia 1*9®"' nach Abgang des Truncus thyreo-cervicalis. 0*470 / Subclavia 3*1 nach aussen vom Truncus thyreo-cervicalis. 0*705 """. e Subclavia kurz vor Ursprung der Art. thoracico-acromialis. 0*661 d 'Art. axillaris in der Mitte zwi- schen Art. thoraco-acr. und Art. subscapularis. 0*540““. c Art, axillaris vor Ursprung der Art. subscapularis. 0*625““. h Art. brachialis 5 ““ nach aussen vom Ursprung der Art. sub- scapularis. 0*501““. a Art. brachialis 1 ®“ unterhalb der Abgangsstelle der Art. subscapularis. 0*614““. lieber die Verbesserungsfähigkeit der Mikroskope. Von Dr. R. Altmann, Prosector an der anatomischen Anstalt zu Leipzig. In Stephenson’s homogener Immersion haben die Fortschritte des Mikroskopes einen gewissen Abschluss erreicht, der sich gegenüber der auf- einanderfolgenden Reihe der Trocken-Wasser-Oellinsen kennzeichnet. Setzt man mit Helmholtz die absolute Leistung E— ^ , wo a den halben Oeffnungswinkel und X die Wellenlänge des Lichtes bedeutet, so erhalten wir im besten Falle, nämlich a — 90 Grad vorausgesetzt, £■ = Y , wo ^ in jedem Theil des Spectrums in seiner Grösse sich um- gekehrt proportional dem Index der Immersionsflüssigkeit verhält, für welche der Oeffnungswinkel gemessen ist. Die hier wirklich erreichbare Grösse scheint wegen der Schwierigkeiten der Correction durch einen Oeffnungswinkel von 120 Grad schon abgegrenzt zu sein, und entspricht daher einem absoluten Werthe von 2 o^866~‘ Was also durch die Yergrösserung des Oeffnungs winkeis noch zu er- reichen wäre, beschränkt sich auf 1 — 0*866 — 0»134, also etwa y des Ge- sammtwerthes, und wenn man hinzunimmt, dass gerade in diesem letzten Siebentel die Schwierigkeiten der Correction rapide wachsen, so ist es kaum anzurathen auf eine weitere Yergrösserung des Oeffnungswinkels sein Augen- merk zu richten. Yiel eher wäre es erwünscht, wenigstens bis 120 Grad die Correction möglichst zu vervollkommnen. Für einen weiteren Fortschritt des Mikroskopes bleibt also nur noch die Yerringerung der Grösse von X übrig. Diese kann geschehen erstens durch die Wahl der Spectralfarbe, zwei- tens durch einen höheren Index der Immersionsflüssigkeit. 1\. Altiaiann; i'iJEii DTE Venbessekungbfäiiigkeit dek Mikkoskope. 65 Den erstell, schon mehrfach erörterten Weg wollen wir hier übergehen und wollen nur die Frage erörtern, wie durch einen höheren Index der Immersionsfiüssigkeit die Leistungen des Mikroskopes gefördert werden könnten. Es handelt sich hier darum, eine Constructionsform des Objectives zu linden, welche ohne wesentliche Erschwerungen der Correction dieses er- möglicht. Diese Möglichkeit findet in folgenden Betrachtungen einen Anhalt. Legt man eine grosse Halbkugel aus Glas mit der planen Fläche auf eine Druckschrift, so erscheinen die Buchstaben vergrössert. Bestimmt man diese Vergrösserung, so zeigt sich, dass sie genau dem Verhältniss entspricht, welches der Index der Luft und der Index des Glases zu einan- der haben. Es ist leicht nachzu weisen, warum dieses so sein muss, und ferner leicht nachzuweisen, dass diejenigen Strahlen, welche vom Mittelpunkte der Kugel kommen, keine Aberration haben, eine Verschlechterung des Bildes aber erst in einiger Entfernung vom Mittelpunkte merkbar werden kann. Wir haben also auf diese Weise die Möglichkeit, Vergrösserungen ohne sphärische und chromatische Aberration zu erzielen. Wenden wir dieses auf das Mikroskop an, so ergiebt eine genauere Ueberlegung, dass man mit einem höheren Brechungsindex der Immersions- fiüssigkeit an den homogenen Immersionsobjectiven durch die Veränderung einer einzigen Fläche die absolute Leistung dem Index entsprechend erhöhen kann, ohne wesentlicher Correc- tionsänderungen zu bedürfen. Haben wir es in Fig. 1 mit dem Durchschnitt einer halbkugehgen Frontlinse zu thun, und entspricht A dem in der Axe gelegenen Object- punkt, so braucht man nur mit dem Kadius AB eine Hohlfläche BFC einzuschleifen und den Kaum zwischen A und BFC mit einer Flüssigkeit von höherem Index auszufüllen, um zu sehen, dass die Leistung des Ob- jectives sich im Verhältniss der Indices des Crownglases und der Flüssig- keit erhöht hat. Ist die Fläche BFC genau geschliffen, das Objectiv aber vorher für homogene Immersion genau corrigirt, so sind auch nach dem Einschleifen der Hohlfläche die von A kommenden Strahlen aberrationsfrei. Erst in einiger Entfernjing von A machen sich secundäre Aberrationen merkbar, die aber durch kleine Aenderungen an den Hinterlinsen leicht ausgeglichen werden können. Um die Haltbarkeit der Fassung nicht zu beeinträchtigen und um den Meniskus BECF nicht zu zart zu machen, kann man die Frontlinse etwas über Halbkugelgrösse anfertigen (Fig. 2), und dann mit dem Kadius AB" Archiv f. A. u. Ph. 1886. Auat. Abthlg. 5 66 K. Altmann; die Hohlfläche B " F' C" cinschleifon ; denn diese Hohlfläche braucht nur eine Eigenschaft zu haben, nämlich genau concentrisch um Ä zu sein. Welche Entfernung sie von A hat, ist gleichgültig. Naturgemäss wird die Breite B'’ C" der Hohlfläche dem gewünschten Oeflnungswinkel entsprechen müssen. Man sieht daraus, dass das Auftinden einer Elüssigkeit mit höherem Index es ermöglicht, durch relativ einfache Aenderung der Construction die Leistungsfähigkeit des Mikroskopes zu erhöhen. Hr. Optiker Leitz in^Wetzlar hatte die Güte, mir ein Paar Oelimnier- sionen mit einer solchen Hohlfläche zu versehen; sie reichten ohne weitere Correctur wenigstens dazu aus, um die Richtigkeit jener theoretischen Vor- aussetzungen zu bestätigen. Die Brennweite der Objective wurde bei gleich bleibendem Durchmesser entsprechend dem höheren Index der ange- wendeten Flüssigkeit verkürzt, und dadurch wird, wie ich schon in einer früheren Abhandlung hervorgehoben habe, die absolute Leistung entspre- chend erhöht. Was nun die Praxis jener theoretischen Erörterungen betrifft, so haben wir es da mit dreierlei Schwierigkeiten zu thun, die zu überwinden sind. Diese bestehen erstens in der Herstellung jener Hohlfläche und den nach- träglichen Correcturen an den Hinterlinsen, zAveitens in dem Auffinden passender Flüssigkeiten, drittens in der Verwendung dieser Flüssigkeiten für histologische Zwecke. Was die erste Schwierigkeit betrittt, so werden kleine Abweichungen in der Herstellung der Hohlfläche kaum zu vermeiden sein und werden deshalb, ebenso wie die erwähnten secundären Aberrationen, nachträgliche Correcturen an den Hinterlinsen erfordern. Da dieses hier für jeden ein- zelnen Fall Geltung hat, so ist dieser Umstand für die heutigen Optiker, ÜHKli J)IK VERIiEHÖKKUNGöiMHIGKKlT ÜE1{ M IKIIOSKOI'K. ()7 welche an eine möglichste Verfeinerung der fabrik massigen Herstellung gewöhnt sind, äusserst unbequem. Dennoch glaube ich, dass diese Schwierig- keit bei eintretendem Bedürfniss sich wird überwinden lassen. In Betreff des Auffindens passender Flüssigkeiten kann gewiss noch manches erreicht werden, wenn erst die Aufmerksamkeit auf diesen Punkt gerichtet sein wird. Von den in Betreff ihres Index bekannten Flüssig- keiten hat gelöster Phosphor den Vorrang vor allen übrigen; doch ist die x\n Wendung desselben so unbequem, dass wir von ihm wohl vorläufig ab- sehen müssen. Demnächst folgt, wie ich gefunden habe, das Methylenjodid, welches das bekannte Monobromnaphtalin noch wesentlich an Brechkraft übertrifft. Längere Zeit im Lichte stehen gelassen, bräunt es sich durch Ausscheidung von Jod, doch kann man die Färbung leicht durch Schütteln mit wässeriger Kalilösung wegschaffen. Trockenen Diatomeen kann es ohne Weiteres applizirt werden, histologische Praeparate muss man erst nach einander mit Alcohol absolutus und Monobromnaphtalin behandeln. Es erscheint nicht unmöglich, dass sich noch andere, vielleicht organische Metallverbindungen werden hersteilen lassen, welche einen noch höheren Index haben, und dennoch bequem in der Anwendung sind. Die dritte jener Schwierigkeiten, die Verwerthung hoher Indices für die histologische Arbeit, ist für uns wohl die wichtigste. Denn was hilft uns die Herstellung richtiger Constructionsformen ohne die Anwendbarkeit derselben. Thatsächlich lassen sich hier mancherlei Bedenken anführen. Zunächst muss, um den höheren Index einer Immersionsflüssigkeit direct und in vollem Umfange nutzbar zu machen, das Deckgläschen weg- fallen und die Immersionsflüssigkeiten zugleich als einschliesseudes Medium für das Praeparat benutzt werden. Was den Wegfall des Deckgläschens betrifft, so ist man bereits daran gewöhnt, die Mehrzahl der histologischen Praeparate, sei es durch Ankleben, sei es durch Antrocknen an die Unterlage zu fixiren. Es dürfte also darin kein principieller Hinderungsgrund gegeben sein. Ein hiermit verbundener Vortheil besteht darin, dass beim Wegfall des Deckgläschens das Princip der homogenen Immersion überhanpt nicht mehr gestört werden kann. Bei der Benutzung höherer Indices für das einschliessende Medium ist folgendes zu bedenken. Die Gewebselemente haben, selbst im gehärteten Zustande, selten einen grösseren Index als 1,55. Wenn nun das einschliessende Medium wesent- lich stärker bricht, so müssen jene Brechungseffekte eintreten, wie wir sie etwa bei Betrachtung gehärteter Gewebe in Wasser sehen. Und gerade die Bestrebungen der heutigen Histologie gehen darauf hin, durch Aus- schluss der Brechungsunterschiede und durch reine Farbendifferenzen weiter zu kommen. 5 ()8 R. Altmann: 1\T3kk die Veklehseeuncjseäiiigiceit dee Mikeoskope. Doch ^iebt es bekanntlich ein Hülfsmittel, um bestehende Brechungs- unterschiede auf eine andere Art unschädlich zu machen ; es geschieht dieses durch Vergrösserung der einfallenden Beleuchtungskegel. Ein Beleuchtungs- kegel von 180 Grad für das einschliessende Medium muss theoretisch jeden Brechungsunterschied auszugleichen im Stande sein. Die Beleuchtungskegel von Linsencombinationen, wie sie etwa im Abbe’schen Beleuchtungsapparat gegeben sind, reichen allerdings nicht aus. Wohl aber wird jene Forde- rung erfüllt, wenn man, wie ich es schon in einer früheren Abhandlung erwähnt habe, als Objectträger dünne Milchglasplatten benutzt und diese von unten her intensiv beleuchtet. Für Diatomeen sind bekanntlich grössere Brechungsunterschiede sehr erwünscht, und können dieselben daher ohne künstlichere Beleuchtungen benutzt werden. Es lässt sich leicht verstehen, dass jene Hohlfläche vermieden werden könnte, wenn man an Stelle des Meniskus aus Crownglas eine flachere planconvexe Diamantliuse anbringen würde. Meine Absicht, solche Diamant- linsen zu verwerthen, scheiterte an dem Umstande, dass irgendwie stärkere Krümmungen sich dem Diamanten nicht beibringen lassen. Es ist dieses um so mehr zu bedauern, als durch eine so stark brechende diamantne Frontlinse, deren plane Fläche man durch passende Dicke mög- lichst dem unbedeckten Object nähert, auch bei Anwendung geringer brechender Oele, wie des Anisöls u. s. w., wesentliche Vortheile geschaffen werden könnten. Statt 120 Grad für den Index 1*5 der Immersionsflüssig- keit, wie es der heutigen Oeffhungsgrösse unserer stärksten Objektive ent- spricht, brauchten wir etwa nur 60 Grad zu corrigiren. Da bei unseren heutigen Objectiven ein beträchtlicher Theil der Oeffimng durch Aberrations- reste für die histologische Arbeit verloren geht und höchstens für Diatomeen brauchbar ist, so wäre schon hierdurch viel gewonnen auch ohne grössere Indices des einschliessenden Mediums. Anisöl und Diamant würden ausser- dem, trotz der leichteren Correction, noch grössere Oeffnungen erlauben. Aus diesen Erörterungen ist ersichtlich, dass sowohl der Herstellung, wie auch der Anwendung jener Hohlobjective mancherlei Schwierigkeiten im Wege stehen. Doch sind dieselben keineswegs unüberwindlich, und genügt es für uns vorläufig darauf hingewiesen zu haben, dass die Grenzen der mikroskopischen Leistung noch nicht als abgeschlossen zu betrachten sind. Zur Entwickelungsgescliichte der Wirbelsäule, insbesondere des Atlas und Bpistropheus und der Occipitalregion. II. BeobacMung an SäugetMerembryonen. Von Dr. August Proriep, a, 0. Professor und Prosector in Tübingen. (Hierzu Taf. I— III.) Die vorliegende Abhandlung bildet den II. Theil einer Studie über die Entwickelung der Wirbelsäule, deren I. Theil vor mehr als zwei Jahren er- schienen ist.^ lieber einige der hier in ausführlicher Schilderung folgenden Befunde, namentlich über die Existenz und spätere Umbildung eines wohl- individualisirten Wirbels in der Occipitalregion von Säugethierembryonen, findet sich eine vorläufige Mittheilung bereits in der 1882 veröffentlichten Arbeit über den Hypoglossus (4. S. 294); aber auch die übrigen, dort nicht erwähnten Resultate dieses II. Theiles waren in allem Wesentlichen bereits festgestellt, ehe ich den I., die Beobachtung an Hühnerembryonen umfassen- den Theil ausarbeitete. Dass ich so die älteren Beobachtungen zurücklegte und eine an jene erst angeknüpfte Untersuchung in der Publication als I. Theil vorausschickte, geschah, wie in der Vorbemerkung zu letzterem an- gegeben, lediglich deshalb, weil ich die Entwickelungsvorgänge bei Hühner- embryonen einfacher und leichter zu schildern fand als bei Säugethier- embryonen. Ich würde aber nach dem Abschluss des I. Theiles im Früh- jahr 1883 auch die Untersuchung an Säugern ungesäumt zu Ende geführt haben, wenn ich nicht gerade bei dieser Arbeit alsbald von meinem Gegen- stände abgelenkt worden wäre durch die Entdeckung von typischen Sinnes- organanlagen an den Kiemenspalten, welche mein Interesse ganz in An- spruch nahm. Erst nachdem ich meine Erfahrungen über diesen Gegen- stand im Frühjahr 1884 durch Abfassung des inzwischen erschienenen Aufsatzes (6.) vorläufig einmal niedergelegt hatte, konnte ich meine Wirbel- arbeit wieder vornehmen und diesen II. Theil nun endlich für die Veröffent- lichung fertig machen. * Dies Archiv. 1883. S. 177. 70 August Frortep: Inzwischen sind bald nach dem Erscheinen des I. Theiles in einer Publication von C. Hasse (12. S. 17) Einwendungen gegen meine Resul- tate erhoben worden, die ich gleich hier kurz beantworten will. Es heisst dort, meine Beobachtung einer selbständigen Anlage des Wirbelkörpers gegenüber dem Bogen sei nicht beweiskräftig, erstens, weil meine „Untersuchungen namentlich an den eigenartigen vordersten Wirbeln angestellt^^ seien. Da unter diesen eigenartigen Wirbeln wohl nur die beiden Drehwirbel verstanden sein können, so ist dieser Vorwurf nicht be- gründet, da meine Darstellung der Wirbelentwickelung, wie sich in der- selben wiederholt ausdrücklich erwähnt findet, für die gesammte Halswirbel- säule gültig ist. Uebrigens habe ich die Untersuchung nicht auf diese Region beschränkt, sondern, wo es sich um wesentliche Punkte handelte, regelmässig die Brustregion zu Rathe gezogen. Zur Publication habe ich Befunde aus der letzteren aber auch in den jetzt vorliegenden Theil nicht grundsätzlich, sondern nur gelegentlich mit aufgenommen, theils um die ohnehin weitläufige Darstellung nicht noch mehr zu compliciren, sodann aber auch, weil ich gerade auf Grund meiner Beobachtungen das Verhalten des Halswirbels bei der Beurtheilung der Wirbelentwickelung im Allgemeinen nach wie vor für hinreichend beweiskräftig halte. Ebensowenig oder vielleicht noch weniger begründet ist der zweite Eiii- wand Hasse ’s, welcher lautet: „man findet in späteren Entwickelungsstadien allerdings Bilder, welche für die angenommene Trennung sprechen, allein diese Erscheinungen sind, wie wir später sehen werden,^ secundärer Natur.‘‘ Da möchte ich denn doch fragen: was sind „spätere Entwickelungsstadien Kann man die Entstehung des Wirbelkörpers früher studiren als bei seiner allerersten, spur weisen Anlage, wie es durch mich geschehen? Und gerade bei dieser ersten Anlage und überhaupt nur in frühen Entwickelungs- stadien ist, wie meine Untersuchung nachweist, die relative Selbständigkeit der beiden Elemente erkennbar, in späteren Stadien sind dieselben, ausser im ersten Halswirbel, überall verschmolzen und ihre Trennung ist gar nicht mehr möglich. Mir ist übrigens nicht recht verständlich, warum Hasse einen so grossen Werth darauf legt, dass sich der Körper nicht von selbständiger Knorpel- anlage aus bilde. Denn das in der angeführten Schrift von ihm aufgestellte Schema wird, wie mir scheint, von dem entgegengesetzten Befunde nicht berührt. Das Entscheidende in jenem Schema ist doch das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Elastica externa. Wenn eine solche bei Em- bryonen aus einer Amniotenclasse gefunden worden wäre, dann würde das Hasse’ sehe System der Tectobranchier durchbrochen sein. Das ist aber ^ Von der durch diese Worte in Aussicht gestellten weiteren Begründung ist meines Wissens bis jetzt nichts erschienen. Zur Entwickelungsgrschichte der Wirbelsäule. 71 nicht der Fall. Im Gegentheil; meine Untersuchungen bestätigen gerade, dass Wirhelbogen und Wirbelkörper Ditferenzirungen innerhalb eines ein- heitlichen perichordalen Blastems sind. Sie bringen den Nachweis, dass der Bogen auch ontogenetisch das fundamentale Organ darstellt, da die primäre, häutige Wirbelsäule überhaupt nur Bogen besitzt; dass der Körper dagegen eine secundäre Bildung ist, da er, im Gegensatz zum Bogen, erst in der secundären, knorpeligen Wirbelsäule zur Existenz gelangt. Zeitlich und räumlich tritt der Körper in der Gefolgschaft des Bogens auf, da er nicht nur bedeutend später, sondern auch in bestimmter, abhängiger Lage- beziehung zu ihm entsteht. Man könnte daher wohl geneigt sein, ihn ein- fach als ein Product desselben zu bezeichnen, wenn meine Untersuchung nicht andererseits nachwiese, dass bei der Entstehung des hyalinen Knorpels sich doch eine relative Unabhängigkeit der beiden Elemente geltend macht. Diese vindicirt dem Körper, mag er auch nur ganz vorübergehend ein wirklich selbständiges Skeletglied darstellen, dennoch seine morphologische Selbständigkeit, und sie lehrt uns Einrichtungen, wie sie im ersten Hals- wirbel der Amnioten zu dauernder Entfaltung kommen, verstehen, die ohne ihre Erkenntniss ganz unverständlich blieben. Bei der Abfassung dieses H. Theiles habe ich die gleiche Art der Darstellung beibehalten, welche ich für den I. Theil gewählt hatte. Ich verkenne nicht, dass dieselbe in ihrem Dualismus von Einzelbeschreibung und Gesammtbeschreibung etwas Schwerfälliges hat und zu mancherlei Wiederholung nöthigt, ich sehe aber nicht, wie dem abzuhelfen wäre. Denn dass die zur Publication ausgewählten Objecte eins nach dem andern sorg- fältig beschrieben werden, bildet meiner Ansicht nach die Bedingung der Verwerthbarkeit einer Arbeit für nachfolgende Untersucher. Und dass andererseits eine zusammenhängende Darstellung im Interesse eines grösseren Leserkreises nicht fehlen darf, scheint selbstverständlich. So werde ich denn in dem Folgenden wiederum zunächst die bei der Untersuchung einzelner, genau bezeichneter Embryonen gewonnenen Be- funde einzeln schildern, sodann (S. 121) den Entwickelungsgang im Zusammen- hang darstellen, und zum Schluss iß. 137) die im I. Theil der Arbeit veröffent- lichten Befunde bei Hühnerembryonen mit den jetzt hinzugekommenen Resultaten der Untersuchung an Säugethierembryonen zusammenfassen. UDtersuchung, Bezüglich der Methoden der Untersuchung verweise ich auf die in meiner Abhandlung über Sinnesorgane der Kiemenspalten (6. S. 8) gemachten Angaben. Die im Folgenden zur Besprechung gelangenden Eml)ryonen 72 August Fkokiep: sind zum Theil dieselben, die mir auch bei jener Untersuchung gedient haben. Die entscheidenden Resultate der Arbeit lieferte, wie bei früheren Aufgaben, auch diesmal die von His in die embryologische Forschung ein- geführte Construction übersichtlicher Projectionsbilder aus den Einzelzeich- nungen der Schnittserien. Ueber die Anwendung dieser fundamentalen Methode im Einzelnen habe ich bei früheren Gelegenheiten (5. S. 178 und 6. S. 8) Bemerkungen gemacht , die auch für einige der nachfolgend besprochenen Objecte in Betracht kommen. Bei den im Folgenden mit- getheilten Frontalprojectionen aus Sagittalschnitten, welche die Hals- und Hinterhauptsregion der Wirbelsäule umfassen, habe ich, um trotz der Nacken- krümmung richtige und untereinander vergleichbare Projectionen der ein- zelnen Wirbelanlagen zu erhalten, jede Anlage besonders je auf die für sie genau frontale Ebene projicirt, in der Weise, wie es weiter unten S. 94 ge- nauer beschrieben. Dort findet sich auch angegeben, wie ich verfahre, wenn die Schnittebene im cranio-caudalen Sinne nicht genau sagittal war; durch eine geringfügige I\Iodification der Methode kann man auch in diesen Fällen zuverlässige Projectionsbilder erhalten, und somit Ungenauigkeiten in der Praeparation durch die Construction corrigiren. Die in dem vorliegenden II. Theile dieser Untersuchungen von mir gebrauchten Termini der embryotomischen Beschreibung sind durchaus die- selben, die ich im I. Theil angewendet und dort (5. S. 179 und 180) ausführlich definirt habe. R i n d s e m b r y 0 I. Körperlänge 8*7"^™. (Taf. I, Pig. I.) Der Embryo ist derselbe, den ich bei meiner Untersuchung über An- lagen von Sinnesorganen an den Visceralbogennerven (6. S. 9) unter der Bezeichnung „Embryo I“ verwerthet habe. Der grösste Durchmesser des embryonalen Körpers liegt zwischen Nacken- und Sacralhöcker und beträgt 8.7 Der Embryo wurde in eine Schnittserie zerlegt, welche in der Nackengegend frontal, in der Gegend des dritten Brustwirbels transversal fällt. Die Schnittebene ist in dem nebenstehenden Holzschnitt durch die drei geraden Linien angegeben, welche die Lage der drei in Fig. I, 1 — 3 abgebildeten Schnitte bezeichnen. Der erste dieser Schnitte hat die Chorda dorsalis genau auf der Grenze von Occipital- und Halsregion rein longitu- dinal getroffen, so, dass das Medullarrohr zweimal im Schrägschnitt er- scheint, im Bereich des Hinterhirns und in der Höhe des dritten Cervical- nerven. Der zweite der Schnitte liegt 0*25™*" dorsalwärts vom ersten, zeigt die ventrale Wandung des Medullarrohrs longitudinal geschnitten und ZUJ{ l^]NTWlCKEL(JNGSGESCHI(mTE DER WIRBELSÄULE. 73 die Ganglien des zweiten und dritten Cervicalnerven berührt. Der dritte Schnitt liegt dorsalwärts vom zweiten und 0-36™™ ventralwärts von der dorsalen Oberfläche des Embryos; er enthält das Medullarrohr in reinem Frontalschnitt, sowie die Ganglien des ersten Cervicalnerven und des Hypoglossus. Der Entwickelungszustand des Axen- skelets ist der primitive, den man mit Kolli ker als „häutige Wirbelsäule“ bezeichnen kann. Von Knorpelgewebe ist noch keine Spur vorhanden, gleich- wohl aber ist das Skelet bereits ge- gliedert durch das Vorhandensein wohl- entwickelter primitiver Wirbelbogen. Die Chorda dorsalis zeigt keine regelmässigen Einschnürungen , ihr Durchmesser beträgt sagittal 0-03 bis 0-04™™, transversal 0-04 bis 0-05“™, Vergrösserung 5 fach, Gegend des siebenten Halswirbels. Die drei geraden Linien bezeichnen die Lage der Schnitte Figg. I, 1—3. ihr Querschnitt ist demnach queroval, in sagittaler Richtung ein wenig ab- geplattet. Die Chordascheide ist äusserst dünn (0-5^) und entzieht sich stellenweise der Beobachtung ganz; die Begrenzung ist hier durch die Contour der Zellen selbst gegeben. Diese sind im longitudinalen Durch- messer abgeplattet, die Zellenleiber sind wohlerhalten, die rundlichen Kerne unterscheiden sich von den Kernen des umgebenden Mesoblastgewebes durch schwächere Tinction und durch Mangel oder Undeutlichkeit der Kernkörperchen. Das die Chorda überall umgebende Bindegewebe ist, wie die Binde- substanz des vorliegenden Embryos überhaupt, noch ein fast reines Zellen- gewebe, Bindegewebsfibrillen sind in demselben nur spärlich nachzuweisen. Lateralwärts ist es begrenzt durch die Reihe der Muskelplatten: dorsal- wärts legt es sich an das Medullarrohr an, hüllt die Spinalnerven und -ganglien ein und geht zwischen den letzteren ohne Grenze in das sub- cutane Gewebe der Rückenfläche über; ventralwärts setzt es sich in gleicher Weise in das die Aorten umgebende Bindegewebe fort. In regelmässiger Folge wechselt innerhalb dieser perichordalen Substanz die histologische Anordnung. Das Material bilden überall Mesoblastzellen mit voluminösem Kern, dieselben sind aber bald zusammengedrängt, so dicht, dass sich die Kerne zu berühren scheinen und kaum Platz lassen für dürftige Zellen- leiber, bald sind sie weitläufig augeordnet, so dass zwischen den durch 74 August Fkorifp: Protoplasmaausläiiter communicirenden Zellenleibern Lücken übrig bleiben. In gleicher Höhe mit dem caudalen Theil eines Muskelplattenpaares findet sich eine im Allgemeinen transversal stehende Platte des ersteren, dichten Gewebes; die Zwischenräume zwischen diesen Platten sind von dem weit- läufigeren Gewebe ausgefüllt. Da die dichteren Platten einerseits an der Chordascheide haften, andererseits mit ihren lateralen Rändern das caudale Ende der nebenliegenden Muskelplatten berühren, bez. zwischen je zwei sich folgende Muskelplatten eingreifen, so sind sie ohne Zweifel als die primitiven Wirbelbogen anzusprechen. Dass die Chordascheide, wie erwähnt, sehr zart und die axiale Stützung der Bogen infolgedessen zweifel- haft ist, wird vielleicht dadurch ausgeglichen, dass der Chordascheide un- mittelbar anliegend, eine etwa 0*02'"’^ mächtige Schicht des dichteren Gewebes von Bogen zu Bogen zieht. Die Abgrenzung der Bogenplatten ist bestimmt gegeben, besonders an der cranialen Fläche, welche sich im Frontalschnitt fast als gerade Linie darstellt, von der Chordascheide aus, mit geringer caudalwärts gerichteter Neigung, lateral wärts gezogen (Fig. I, 1). Am schärfsten ist die Grenze da, wo der Wirbelbogen der Muskelplatte anliegt, weil einerseits das Ge- webe des Bogens hier am dichtesten ist, andererseits die aufgeblähte durch- sichtige Substanz der Muskelplatte den Contrast verstärkt. Im lateralen, der Muskelplatte anliegenden Theil ist der Wirbelbogen stärker caudalwärts geneigt, als im medialen, zwischen Muskelplatte und Chorda ausgespannten Abschnitt. Er stellt also im Ganzen eine gekrümmte Platte dar; der late- rale Rand derselben liegt zwischen je zwei Muskelplatten, der mediale Theil ist an der Chordascheide befestigt in gleicher transversaler Ebene mit der Mitte der cranial wärts vorausgehenden Muskelplatte. Verbindet man im Frontalschnitt (Fig. I, 1) den medialen und den lateralen Rand durch eine gerade Linie, so schliesst diese mit der Medianebene des embryonalen Kör- pers einen Winkel von ungefähr 60® ein. Die Mächtigkeit der Bogenplatte im longitudinalen Durchmesser beträgt ungefähr 0*1*"™, die Höhe des Zwischenraumes zwischen zwei Bogen ungefähr 0 • 3 Die Spinalnerven haben ihre Lage in diesem Zwischenraum, jedoch so, dass sie dem cranialwärts vorausgehenden Bogen anliegen und von dem Gewebe desselben theilweise umfasst werden; und zwar ist es der laterale Theil der Bogenplatte und die caudalwärts sich anschliessende Muskelplatte, welchen der Nerv entlang läuft. Das Spinalganglion liegt noch dorsal wärts vom Bereich des Wirbelbogens, welcher vorläufig die Function eines Schutz- apparates für das spinale Nervensystem noch nicht übernommen hat, sich vielmehr ausschliesslich als Stützorgan für die Myomeren darstellt. Das Material dieser letzteren ist bereits nahezu vollständig in longitu- dinalgerichtete Spindelzellen umgewandelt, nur am dorsalen Rande besteht ZlJK KNTW^CKELUN^rSGE-CHIC^^TE DER WlRREIiRÄULE. 75 stückweise noch die frühere epithelartige Anordnung cubischer Zellen. Die Muskelplatte als Ganzes bildet einen sagittal stehenden, etwa langen und 0*5""" breiten Wulst, der am cranialen und caudalen Rande zuge- schärft, also auf dem Longitudinalschnitte spindelförmig erscheint. Die zu- geschärften Ränder stehen mit dem Gewebe der Wirbelbogen in Verbin- dung und durch diese werden die sich folgenden Muskelplatten abgegrenzt und aneinander befestigt. Neben dem Spinalnerven verlaufen die interproto vertebralen Gefässe, Arterie und Vene, ebenfalls von dem Gewebe des cranialwärts vorausgehen- den Wirbelbogens theilweise umfasst. Die Aa. interprotovertebrales kommen direct aus der Aorta, bez. aus den Aorten, da die Vereinigung dieser letz- teren zu einem unpaaren Stamm in dem vorliegenden Embryo erst auf der Grenze der Hals- und Brustregion, in der Höhe des achten Cervicalnerven erfolgt. Die Venen münden in die V. jugularis ein. Kurz recapitulirt lässt sich der Entwickelungszustand des Axenskelets mit folgenden Worten charakterisiren. Die Chorda dorsalis bildet die Grund- lage; ihre Scheide (Elastica interna) ist zwar sehr dünn, sie wird aber ver- stärkt durch einen üeberzug dichteren Mesoblastgewebes. An der Chorda- scheide sind in regelmässiger Folge, je in gleicher Höhe mit der Mitte der aussenliegenden Muskelplatten, primitive Wirbelbogen befestigt, welche, nach aussen zu caudalwärts gekrümmt, mit ihrem lateralen Rand je in ein Muskel- interstitium zu liegen kommen, und den beiden hier zusammenstossenden Muskelplatten zur Stütze dienen. Der dem proximalen (d. h. perichordalen) Theil des primitiven Wirbelbogens caudalwärts anliegende Bezirk, in wel- chem sich späterhin der Wirbelkörper entwickelt, wird in dem vorliegenden Embryo noch gleichmässig von embryonalem Bindegewebe ausgefüllt. Diese Schilderung gilt für die gesammte Halswirbelsäule, für die beiden ersten Wirbel ebenso gut wie für die übrigen. Was dagegen die Occipitalregion betrifft, so stimmt nur der caudalwärts gelegene Ab- schnitt derselben in seiner Anlage mit dem beschriebenen Verhalten der Halswirbelanlage vollständig überein. Fig. I, 1 zeigt die beiden benachbarten Wirbelanlagen nebeneinander in reinem Frontalschnitt, die erste Hals- und die caudale Occipital- Wirbel- anlage, und demonstrirt die Uebereinstimmung beider ohne Weiteres. Der primitive Wirbelbogen in seiner Beziehung einerseits zur Chordascheide, andererseits zu den aussenliegenden Muskelplatten, die Lage des Spinal- nerven und der interproto vertebralen Gefässe an der caudalen Fläche des Wirbelbogens, — in all diesen Punkten sind nennenswerthe Verschieden- heiten nicht nachzuweisen. Cranialwärts von diesem occipitalen Wirbelbogen sind nun noch drei Muskelplatten vorhanden, welche zwar in ihren Dimensionen hinter 76 August Froriep: den Muskelplatten der Halsregion ein wenig zurückstehen, in Gestalt und Struk- tur aber im Allgemeinen mit denselben übereinstimmen. Die Verschiedenheit dieser Gegend gegenüber dem caudalen Abschnitt beruht nur auf der Ab- wesenheit primitiver Wirbelbogen zwischen jenen drei Muskelplatten. Zwar zeigt sich der medialen Fläche derselben anliegend, und desgleichen auch in der Umgebung der Chorda, das Bindegewebe ein wenig verdichtet, dazwischen aber ist die Gleichmässigkeit des Gewebes durch nichts unter- brochen und die Bestandtheile der drei zu jenen Muskelplatten gehörigen Spinalnerven schliessen sich zu einer continuirlichen Reihe von Wurzelfäden aneinander. Wie die Muskelplatten, so nehmen auch diese drei occipitalen Spinal- nerven, welche sich späterhin zur Bildung des N. hypoglossus vereinigen, cranial wärts an Stärke ab. Der caudalwärts letzte Nerv, der dicht vor dem occipitalen Wirbelbogen in gleicher Höhe mit der dritten Muskelplatte gelegen ist, besitzt noch eine dorsale Wurzel mit wohlentwickeltem Ganglion, die beiden cranialen Nerven setzen sich nur aus ventralen Wurzelfäden zu- sammen. In der Höhe des mittleren Nerven findet sich zwar noch das Rudiment eines Ganglions in Gestalt einer unregelmässig kugligen Masse, deren Zellenmaterial mit der Substanz der Spinalganglien durchaus über- einstimmt, dasselbe steht aber mit dem Nerven, zu dem es gehört, in keinem nachweisbaren Zusammenhang. Der cranial wärts vorderste der drei Nerven ist auch dieses Rudimentes verlustig und scheint überhaupt nur durch dünne ventrale Wurzelfäden repraesentirt. Interprotovertebrale Gefässe, wie sie in der Halsregion in regelmässiger Folge sich finden, sind in der Occipitalgegend nicht vorhanden. Die cranial- wärts letzte derartige Arterie ist die neben dem ersten Cervicalspinalnerven gelegene, welche späterhin als Stück der A. vertebralis persistirt. Das gesammte Gebiet der occipitalen Muskelplatten wird umkreist von den bereits wohlentwickelten Fasern des Accessorius, welchen sich vom Nachhirn her die Fasern des Vagus zugesellen. Die erste Muskelplatte scheint durch diese Nachbarschaft beeinträchtigt, in ihrem dorsalen und ventralen Theil ist sie merklich reducirt und hat dadurch eine konisch ver- jüngte Gestalt erhalten, deren Contour dem bogenförmigen Verlauf des Accessorius folgt. Rindsembryo II. Körperlänge 8.8'"'". (Taf. I, Fig. II.) Es ist der in meiner Abhandlung über die Kiemenspaltenorgane (6. S. 9) unter der Bezeichnung „Embryo II^^ aufgeführte Embi-yo. Derselbe stimmt hinsiclitlich seines Entwickelungszustandes in allem Wesentlichen mit dem 77 Zrii ^]NT\VlCKKLUNGS(^l^SCi(ICH'J'E DKK WlRlJELSÄULE. Embryo 1 überein. Der grösste Durchmesser liegt wie bei j(;iiem zwisclieii Nacken- und Sacralhöcker und beträgt 8.8 Die Ebene, in welcher der Embryo zerlegt wurde, ist für die Nackengegend rein transversal. Ich gebe im „Holzschnitt zu Fig. (s. folg. S.) einen idealen Frontalschnitt dieser Gegend, der durch Construction aus der transversalen Schnittserie gewonnen wurde; sechs Schnitte aus dieser Serie bilde ich unter Fig. II, 1 bis 6 einzeln ab, die Lage derselben ist sowohl in dem Holzschnitt zu Fig. II angegeben, als auch in die Profilansicht des unzerlegten Embryo durch die Linien 1 bis 6 genau eingetragen. Aus beiden Holzschnitten ist ohne Weiteres ersichtlich, dass die in Einzel- abbildung gegebenen Schnitte abwechselnd je die Mitte eines Urwirbels und ein Urwirbel- interstitium trefien, in der Weise, dass die Figg. 1, 3, 5 Querschnitte in der Gegend von Urwirbeln, Figg. 2, 4, 6 Querschnitte durch die jenen Urwirbeln caudalwärts folgenden Inter- stitien darstellen. Eine Vergleichung des Holzschnittes zu Fig. II mit dem Frontalschnitt Fig. I, 1 zeigt die Uebereinstimmung in dem Entwickelungs- zustand des Axenskelets bei den Embroynen I und II, welche eine eingehende Beschreibung des Embryos II entbehrlich macht. Alles was über Embryo I gesagt worden ist, gilt, wenn man die Maassangaben ausser Betracht setzt, auch für Embryo II. Der Umstand, dass die Figg. II, 1—6. Eindsembryo II. Vergrösserung 5fach. c^Gegend des siebenten Halswirbels. Die ni-i. 1 j lii j--- j T711T sechs senkrechten Linien be- öchnittebene des letzteren diejenige des Emb. I zeichnen die Lage der Schnitte unter rechtem Winkel schneidet, gewährt eine für das Verständniss und die topographische Orientirung werthvolle, wechselseitige Controle der beiden Schnittserien. Fig. II, 1 stellt den Querschnitt durch die Mitte des dritten occipi- talen Urwirbels, oder richtiger der dritten occipitalen Muskelplatte dar. Entsprechend der spindelförmigen Begrenzung, welche die Muskelplatten im Frontalschnitt zeigen (vgl. Fig. I, 1), bieten sie auf diesem transversalen Schnitte ihre bedeutendste Mächtigkeit dar, und es zeigt sich, dass jene spindelförmige Anschwellung sich am stärksten in derjenigen frontalen Ebene geltend macht, welche auch die Chorda dorsalis enthält. Diese Ebene entspricht aber nicht der Mitte des sagittalen Durchmessers der Muskel- platte, sondern begrenzt ungefähr das ventrale Viertel desselben, die Muskelplatte dehnt sich demnach dorsalwärts viel weiter aus, als ven- tral wärts, ist aber dort schmächtiger als hier. Am dorsalen Rande 78 August Fkokiep: ursprüngliche Wandung des Urwirbels mit ihrer epithelartig regelmässigen Zellenanordnung wohl erhalten, auf der lateralen Fläche der Muskelplatte weiter herabreichend als auf der medialen. Die mediale Fläche steht in ihrer ganzen Ausdehnung mit dem dichten, stark carminisirten Gewebe des primitiven Wirbelbogens in Contact. Wie der Holzschnitt zeigt, ist ( es die cranialwärts gekehrte Grenze des Wirbelbogens, welche gerade noch j in den Schnitt gefallen ist; der cranialwärts vorausgehende Schnitt enthält Holzschnitt zu Fig. II. Frontalprojection aus der transversalen Schnittserie construirt. Vergrösserung 40 fach. , Die bezeichneten sechs Schnitte sind auf Taf. I abgebildet. — o® Caudale Wurzel- ■ gruppe des Hypoglossus. — Erster Cervicalspinalnerv. | nichts davon, die caudalwärts folgenden dagegen zeigen, dass der Wirbel- bogen, wie es oben von Embryo I bereits geschildert wurde, in seinem mitt- leren Theil eine querstehende Platte darstellt, seitlich dagegen, von da ab, wo er an die Muskelplatte herantritt, caudalwärts umbiegt und, neben dem caudalen Theile der Muskelplatte schräg caudal- lateral wärts hinausgreifend, zum intermusculären Septum wird. In der Höhe dieses Septums, doch bereits die nächstfolgende Muskel- platte streifend, liegt der in Fig. II, 2 abgebildete Schnitt. Hier ist die Chorda dorsalis nur von einer schmalen Zone dichteren Gewebes umgeben, weiterhin ist der ganze Raum zwischen ihr und den intermusculären Septen eiderseits von indifferentem Mesoblastgewebe ausgefüllt. In gleicher Höhe interprotovertebralen Gefässe und der cranialwärts schauende ZlIK I^]NTWlCKKIiUNCiS(iKSCiIlCllTE DER W I R BEESA LJEE. 70 llimd des an dieser Stelle austreteiiden Spinalnerven. Für die richtige Auffassung der Gefässe ist die transversale Schnittebene am förderlichsten. Der Ursprung der beiden Arteriae interprotovertebrales aus den hier noch paarigen Aorten, der zuerst dorsolateral, dann dorsal gerichtete Verlauf der Arterie, ihre Beziehung zu Nerv und primitivem Wirbelbogen und ihr end- liches Uebergehen in ein das Medullarrobr umspinnendes Gefässnetz, dies Alles ist hier in ein und demselben Schnitt zu übersehen. Lateralwärts neben einer jeden Arterie, dem cranialen Rande des Spinalnerven unmittel- bar benachbart, findet sich die entsprechende V. interprotovertebralis, welche sich ventral wärts in die Jugularvene ergiesst. Mit dem Querschnitt II, 1 stimmen die Schnitte II, 3 und II, 5 in allem Wesentlichen überein, ebenso mit dem Querschnitt II, 2 die Schnitte II, 4 und II, 6. Das heisst also mit anderen Worten: wie bei Embryo I, so besteht auch bei Embryo II eine fast vollkommene Uebereinstimmung der Anlage des Occipital Wirbels, des ersten Halswirbels und des zweiten Halswirbels; und diese Uebereinstimmung erstreckt sich, wie die Unter- suchung der ganzen Serie ergiebt, weiter über sämmtliche Wirbelanlagen nicht nur der Halsregion, sondern der Wirbelsäule überhaupt. Als das Wesentliche tritt überall der primitive Wirbelbogen hervor. Von seiner axialen Stütze, der Chorda dorsalis aus, greift derselbe mit seinen seitlichen Stücken schräg caudal-lateralwärts zwischen je zwei Muskelplatten ein und stellt so ein metameres Glied des primitiven Rumpfskelets dar. In Folge der Schrägstellung seiner seitlichen Stücke grenzt er in dem caudal- wärts benachbarten Zwischenraum das perichordale Gebiet auch seitlich ab und trennt es von den aussenliegenden Muskelplatten. Die interproto- vertebralen Gefässe und die Spinalnerven, welche jenen seitlichen Stücken an- und eingelagert verlaufen, ergänzen diese seitliche Begrenzung, und indem der nächstfolgende Wirbelbogen mit seiner mittleren Platte den caudalen Abschluss bildet, ist caudalwärts von einem jeden primitiven Wirbelbogen der perichordale Bezirk umschrieben, in welchem später der zugehörige Wirbelkörper entsteht. Rindsembryo III. Körperlänge 10*2'“"'. (Taf. I, Fig. III.) Der grösste Durchmesser des embryonalen Körpers liegt zwischen Nacken- und Sacralhöcker und beträgt 10.2™"*. In der äusseren Gestal- tung zeigte der Embryo unbedeutende Fortschritte gegenüber den Em- bryonen I und II; die Extremitätenhöcker, besonders die vorderen, traten freier heraus, waren aber noch nicht winkelig gebogen, der Schwanztheil war ebenfalls freier entwickelt und durch Ausgleich der spiraligen Drehung des 80 August Frokiep: caiidalen Körperabschiiittes, welche bei den jüngeren Embryonen noch be- standen hatte, in eine Ebene mit der Medianen des Kopfes gerückt. Es war in Folge dessen leicht, eine rein sagittale Schnittserie herzustellen. Ich bilde aus derselben unter Figg. III, 1 bis 3 drei Schnitte ab, deren Lage im embryonalen Körper durch Vergleichung mit den Figg. I und II leicht eruirt werden kann. Denn der Entwickelungszustand des Axenskelets ist im Allgemeinen noch derselbe wie bei jenen zwei jüngeren Embryonen, und die Zusammenstellung der drei, in den rechtwinkelig zu einander stehenden Hauptebenen des Körpers geführten Schnittserien auf Taf. I ge- währt vollkommene Sicherheit der topographischen Orientirung. Fig. III, 1 ist der Medianschnitt, Fig. III, 2 liegt in der sagittalen Ebene der Spinal- ganglien, ungefähr 0*25"'“ links von der Medianebene, Fig. III, 3 trifft die Muskelplatten und liegt ungefähr 0 • 4 von der Medianebene entfernt. Der Entwickelungszustand des Axenskelets charakterisirt sich als der primitive vor Allem durch die Abwesenheit von hyalinem Knorpelgewebe. Die Chorda dorsalis bildet noch immer die eigentliche axiale Grundlage. Ihre Beschaffenheit ist im Wesentlichen die gleiche wie bei den oben be- schriebenen Embryonen, nur dass die Chordascheide etwas stärker ist (2^) und dass sich der in ihr eingeschlossene Zellenstrang streckenweise ’ von ihr getrennt hat, einen engen Spaltraum zwischen beiden lassend. In • ihrem Verlaufe beschreibt die Chorda sagittal schwach wellenförmige Krüm- ; mungen, in der Weise, dass in der Höhe ihrer Verbindung mit den pri- ' niitiven Wirbelbogen dorsal wärts convexe, in den Zwischenräumen ventral- ’ wärts convexe Biegungen sich vorfinden. Der sagittale Durchmesser der , Chorda schwankt zwischen 0 • 03 und 0 • 05 die eingeengten Stellen von . 0 • 03 Durchmesser liegen regelmässig in der Höhe der cranialen Grenze der primitiven Wirbelbogen. Die Verbindung dieser letzteren mit der ; Chordascheide ist eine innige, doch bleibt die Contour der Scheide gleich- < wohl deutlich. Das Bogengewebe ist noch dichter als bei den jüngeren | Embryonen, die Zellen derart zusammengedrängt, dass sich die Kerne j scheinbar berühren und man nur Haufen von Kernen vor sich zu haben ' glaubt. In der unmittelbaren Umgebung der Chordascheide macht sich eine, der Oberfläche der Scheide parallele Längsfassung bemerklich, hervor- gebracht theils durch länglich ovale Gestalt der hierliegenden Kerne, theils aber auch durch Bindegewebsfibrillen, welche zwischen den im Allgemeinen spindelförmigen Zellen längsverlaufen. Die Faserung ist am ausgespro- chensten an den Stellen, wo die Chorda eingeengt erscheint, also im cra- nialen Grenzgebiet des Wirbelbogens, doch finden sich Andeutungen überall, nicht nur innerhalb der Wirbelbogen, sondern auch in den Zwischenräumen zwischen letzteren, in den Bezirken also, die später von den Wirbelkörpern occupirt werden. Bei den jüngeren Embryonen bereits war auch in diesen ZUF{ EnTWICKELÜNGSG1<>CHICHTE DEfJ AVirmeesÄule. 81 Zwischenräumen die Chordascheide von einem dichteren Gewebe umgeben (Fig. 1, 1 und Fig. II, 2. 4. 6), welches von Wirbel bogen zu Wirbelbogen ziehend eine contiuuirliche Einhüllung der Chorda herstellt. Bei Embryo III zeigt sich diese Einhüllung mächtiger geworden (ihr Durchmesser beträgt an der ventralen Fläche der Chorda 0«07™™, an der dorsalen und kann im Zusammenhang mit den Wirbelbogen als primitives Axenskelet bezeichnet werden. Der Medianschnitt, für sich allein betrachtet, kann die Vorstellung erwecken, als ob in diesem Axenskelet Wirbelkörper angelegt seien in Gestalt der in regelmässigen Abständen sich folgenden, dichteren Stellen. Die Verfolgung dieser Stellen in den lateralwärts aneinander schliessenden Schnitten ergiebt sofort die Unrichtigkeit dieser Vorstellung. Jene Verdichtungen des perichordalen Gewebes setzen sich beiderseits fort als eine im Allgemeinen transversal stehende Platte, welche in geringer caudaler Neigung bis an die aussenliegende Muskelplatte reicht, hier ent- schiedener caudalwärts umbiegt und in schräg caudal-lateraler Richtung an dem caudalen Ende der betreffenden Aluskelplatte in das Muskelinterstitium eingreift. Das Gebilde ist demnach nichts anderes als der aus der Unter- suchung der Embryonen I und II bekannte primitive Wirbelbogen. Die sagittale Schnittrichtung des Embryo III ergänzt die dort bereits gewonnene Vorstellung in einigen Punkten. Der Medianschnitt (Fig. III, 1) zeigt die Ausdehnung des perichordalen Theiles im longitudinalen und sagittalen Durchmesser und lässt erkennen, dass die Hauptmasse desselben an der ventralen Seite der Chorda gelegen ist, wie dies schon aus den transver- salen Schnitten des Embryo II hervorging. In der Anlage des dritten Halswirbels misst der perichordale Theil des primitiven Bogens Longitudinal. Sagittal. an der ventralen Seite der Chorda O-lG"''"" 0*18"'"^ an der dorsalen Seite der Chorda 0*10 „ 0*08 „ Noch mehr aber als durch die Ausdehnung über trifft der ventrale Theil den dorsalen durch die Dichtigkeit des Gewebes. Der dorsale Theil ist nur wenig dichter als das die Chordascheide allenthalben umhüllende Gewebe, im ventralen Theile dagegen sind die Zellkerne so eng zusammen- gedrängt und in den carminisirten Praeparaten ist der Farbstoff dadurch derart angehäuft, dass sich dieser Theil als ein distinktes Geblide hervor- hebt. Bemerkenswerth ist dabei, dass dieser dichteste Theil nicht in un- mittelbarer Berührung mit der Chordascheide steht, sondern durch die oben erwähnte Zone von derselben getrennt wird; wie erwähnt, sind die Längs- fasern gerade hier am deutlichsten entwickelt und bilden in gleicher Höhe mit der cranialen Grenze jenes dichtesten Theiles und in gleicher Höhe auch mit der eingeengten Stelle der Chorda dorsalis einen Faserring um Archiv f. A. u. Pli. 1886, Aiiat. Ahthlg-, 0 82 August Feoriep; die letztere. Es ist damit bereits eine Andeutung der späteren Differenzirung gegeben. Denn aus dem perichordalen Faserring sieht man be älteren Embryonen das Lig. intervertebrale hervorgehen, und der dem Faserring ventral-caudalwärts benachbarte, dichteste Gewebsbezirk ist die Anlage der bei Hühnerembryonen von mir (5. S. 189) beschriebenen hypo- 1 chordalen Spange, welche bei Säugethierembryonen eine noch rascher vorübergehende Existenz als bei jenen besitzt und nur im ersten Halswirbel zu definitiver Verwerthung gelangt. Diese Spange ist aber in den Wirbel- anlagen des Embryo III noch keineswegs ein selbständiges Gebilde, viel- mehr ein integrirender Bestandtheil des primitiven Wirbelbogens. Sie stellt sich eigentlich nur auf dem Medianschnitt als etwas Besonderes dar, lateral- wärts geht sie continuirlich in die symmetrischen Bogenhälften über, an welchen topographisch zwei Theile unterschieden werden können. Der me- diale Theil geht von der perichordalen Zone aus als transversale Platte bis an die mediale Fläche der aussenliegenden Muskelplatte; er könnte als interneuraler Theil bezeichnet werden, da er als Scheidewand zwischen je zwei sich folgenden Spinalnerven liegt. Der laterale Theil steht zum me- dialen in einen Winkel geknickt; da er caudal-lateralwärts als Stütze zwi- ’ sehen je zwei sich folgende Muskelplatten eingreift, so könnte er als inter- ^ musculärer Theil unterschieden werden. Die Gestalt und Lage dieser j Theile in sagittalen Schnitten zeigen die Figg. III, 2 und III, 3. Der in ' Fig. III, 2 abgebildete Schnitt hat den Wirbelbogen in der Gegend ge- i troffen, wo der mediale Theil in den lateralen umbiegt; die hier bemerk- | liehe Sonderung in ein dorsales und ein ventrales Stück, welche durch eine • dünnere Brücke in Verbindung stehen, ist durch die benachbarte Muskel- ■ platte bedingt, welche sich in dieser Gegend medialwärts stark hinein- j buchtet. Ein Blick auf den Querschnitt Fig. II, 5 macht das sofort ver- ^ stündlich. Die Sonderung wird später dadurch markirt, dass sich ungefähr j in derselben Gegend eine longitudinale Anastomose zwischen den Inter- < protovertebralarterien entwickelt, die Anlage der A. vertebrahs; das dorsale I Stück ist als Vorläufer des Neuralbogens, das ventrale als Andeutung der ^ Rippe anzusprechen. Fig. III, 3 stellt den Sagittalschnitt durch die Reihe der Muskelplatten und die intermusculären Bogentheile dar. lieber den Grad der caudalen Abbiegung der letzteren von der Ebene der Fig. III, 2 bis zu derjenigen von Fig. III, 3, kann man sich durch Aufeinanderlegen von Pausen der beiden Abbildungen eine Anschauung verschaffen; in jeder Figur findet sich zu diesem Zwecke links unten ein Kreuz als Orientirungs- zeichen für die richtige Eindeckung. Bei einfacher Vergleichung der beiden Bilder gewährt die Lage des Wirbelbogens zum Spinalnerven einen Anhalts- j)unkt. Während in Fig. III, 2 diese Gebilde regelmässig alterniren, indem jeder Spinalnerv in der Mitte zwischen zwei Wirbel bogen und jeder Wirbel- j Zur EnTWICKELUNGSGESCHICHTE der WlRBELSÄUIiE. 8a bogen in der Mitte zwischen zwei Spinalnerven liegt, findet sich in Fig. III, 3 jeder Spinalnerv ungefähr in gleicher Höhe mit dem cranialwärts benach- barten Wirbelbogen, in das Gewebe desselben theilweise eingeschlossen. Und diese Lageveränderung ist lediglich durch die Schrägstellung des Wirbelbogens herbeigeführt, da der Spinalnerv ebenfalls schwach caudaL wärts geneigt verläuft. Eine Vergleichung der Fig. III, 3 mit dem Medianschnitt Fig. III, 1 bestätigt, was die Untersuchung der jüngeren Embryonen bereits ergeben hatte, dass die Mitte einer jeden Muskelplatte sich in gleicher Höhe mit dem perichordalen Theile eines primitiven Wirbelbogeus befindet, der inter- musculäre Theil desselben Bogens dagegen im Niveau der Mitte des Zwi- schenraums zwischen zwei perichordalen Bogentheilen liegt. Die letztere transversale Ebene enthält auch den Spinalnerven und die Art. interproto- vertebralis; diese Gebilde umfassen demnach beiderseits den Raum in der Umgebung der Chorda, welcher später vom Wirbelkörper eingenommen wird und deshalb vorläufig als Körper bezirk bezeichnet werden kann. Der- selbe wird cranialwärts durch den perichordalen Theil desjenigen primitiven Wirbelbogens begrenzt, an welchem der betreffende Körper entsteht; caudal- wärts liegt der Faserring und der primitive Wirbelbogen des nächstfolgen- den Wirbels, dorsalwärts das Medullarrohr, ventralwärts die beiden Aorten, bez., von der siebenten Halswirbelanlage caudalwärts, die durch Vereini- gung aus jenen entstandene unpaare Aorta. Einstweilen ist von einer An- lage des Körpers noch keine Spur nachzuweisen, der Körperbezirk wird von indifferentem Bindegewebe ausgefüllt, welches nur in der Umgebung der Chordascheide in der oben angegebenen Weise verdichtet, eine von Wirbel- bogen zu Wirbelbogen ziehende Einhüllung derselben herstellt. Die bisherige Schilderung bezog sich auf den Entwickelungszustand der Wirbelsäule im Allgemeinen und knüpfte speciell an das Verhalten der Anlage des dritten Halswirbels an. Ein Blick auf die Abbildungen zeigt, dass die Anlagen der beiden ersten Halswirbel und die diesen be- nachbarte Wirbelanlage der Occipitalregion mit dem Verhalten der übrigen Anlagen in allem Wesentlichen übereinstimmen. Der primitive Wirbelbogen der zweiten Halswirbelanlage zeigt nicht einmal untergeordnete Verschiedenheiten, sondern gleicht den caudalwärts folgenden Anlagen sogar in den Maassen genau. Der Wirbelbogen der ersten Anlage ist in seinem interneuralen Theile longitudinal mehr abgeplattet, greift dagegen dorsal etwas weiter hinauf als der der zweiten. Der Wirbelbogen der Occipital- region gleicht im Allgemeinen demjenigen der ersten Halswirbelanlage, ist nur ausgezeichnet durch eine eigenthümlich scharfe und geradlinige Be- grenzung sowohl cranialwärts wie ventralwärts. Im Uebrigen verhält er sich genau so wie alle anderen Wirbelbogen; sein interneuraler Theil trennt 6* 84 August Froriep: den Hypoglossus vom ersten Cervical- Spinalnerven, sein intermuscnlärer Theil greift zwischen das dritte und vierte Glied der Ur wirbelreihe ein. Cranialwärts von dem occipitalen Wirhelhogen sind demnach noch drei Muskelplatten vorhanden, deren Grösse von einer zur anderen cranialwärts ahnimmt. Zu diesen occipitalen Muskelplatten gehörige Wirbelbogen da- gegen sind nicht nachzuweisen. Das als Material des Axenskelets anzu- sprechende, dichtere Gewebe in der Umgehung der Chorda dorsalis ist ohne Andeutung einer Gliederung. In der Medianebene (Fig. III, 1) ist es am dichtesten, jedoch nicht in unmittelbarer Nähe der Chorda, sondern ventralwärts von ihr in einer Linie, welche am hypochordalen Theil des occipitalen Wirbelbogens 0.12“"" unterhalb der Chordascheide beginnend sich cranialwärts der letzteren mehr und mehr nähert und dieselbe 0«75™™ weiter vorne erreicht. Nach den Seiten zu wird dieses Gewebe allmählich weniger dicht, bleibt aber doch ventralwärts scharf und auch dorsalwärts deutlich begrenzt; es schliesst die drei (vielleicht sogar vier) Spinalnerven ein, welche ventralwärts zusammentretend den Hypoglossus bilden, und tritt continuirlich an die aussenliegenden Muskelplatten und zwischen die- selben in die zwei vorhandenen Muskelinterstitien ein. Nur hier im late- ralen Gebiet ist daher die metamere Gliederung auch im Bindegewebe an- gedeutet eben durch das Vorhandensein der Muskelglieder; nicht nur zwi- schen diesen, sondern auch am cranialen Rande der vordersten Muskel- platte ist das Gewebe deutlicher verdichtet zu Andeutungen von inter- musculären Bogentheilen. Das sind Spuren von drei primitiven Wirbelbogen, welche nicht zu completer Anlage gelangt sind. Das Occi- pitalskelet des Embryo III enthält demnach vier Wirbel; von diesen ist jedoch nur ein einziger, der caudalwärts letzte, deutlich gesondert und stellt einen primitiven Wirbelbogen dar, welcher sich in nichts Wesent- lichem von den anderen primitiven AVirbelbogen desselben Embryos unter- scheidet. AVie bei diesen, so findet sich auch am occipitalen AVirbelbogen jederseits eine Interprotovertebralarterie und ein Spinalnerv, welche der caudalen Fläche des Bogens entlang verlaufen und vom Gewebe desselben theilweise umgeben sind; der Nerv ist der erste Cervical- Spinalnerv, die Arterie trägt später zur Bildung der A. vertebralis bei. An den occipi- talen Wirbelbogen schliesst sich cranialwärts der nicht mehr deutlich ge- gliederte Theil continuirlich an, zu einer Gesammtlänge des Occipitalskelets von nahezu 1 Die occipitalen Spinalnerven durchsetzen den scheinbar ungegliederten Theil in mehreren Canälen, um sich ventralwärts von ihm zur Bildung des Hypoglossus zu vereinigen, Interprotovertebralarterien da- gegen finden sich im Bereich des Occipitalskelets nicht. ZlTR KNTVVICKELUNGSGKSCnrCHTE DEH WlKREESÄULE. 85 Kiiidscmbryo IV. Körperliinge (Taf. II, Figg. IV, 1 bis 5.) Es ist dasselbe Object, welches ich bei meiner Untersuchung über An- lagen von Simiesorganen an den Visceralbogennerveii (6. S. 17) unter der Bezeichnung „Embryo benutzt habe. Der grösste Durchmesser liegt noch zwischen Nacken und Kreuz, wie bei den jüngeren Embryonen, und beträgt 12-0"^"'. Die Schnittebene ist für die Nackengegend rein trans- versal, in Folge der Zusammenkrümmung des Körpers wird sie sowohl nach dem Kopfe wie nach dem Rumpfe zu allmählich zu einer frontalen. Ich bilde unter Fig. IV, 1 einen Frontal- schnitt ab, welcher die Anlagen des siebenten bis zehnten Brustwirbels in der Ebene der Chorda dorsalis ge- troffen hat; derselbe ist nicht ganz rein frontal, sondern weicht auf der rechten Körperseite (vom Beschauer links) ein wenig dorsalwärts, auf der linken Seite (vom Beschauer rechts) ein wenig ventralwärts aus der Frontal- ebene ab. Unter Figg. IV, 2 bis 5 gebe ich vier Querschnitte aus der Nackengegend, deren Lage im Zu- sammenhänge der Wirbelsäule aus dem nebenstehenden Holzschnitt zu ersehen ist; sie haben die Anlagen des Occipitalwirbels, sowie des ersten bis dritten Halswirbels getroffen. Der Entwickelungszustand desAxenskelets schliesst sich an denjenigen des vorher besprochenen Embryo im Verhalten der Bogenanlagen unmittel- bar an; ein entscheidender Fortschritt dagegen zeigt sich in dem oben als Körperbezirk gekennzeichneten Abschnitt des perichordalen Gewebes, indem hier die Umwandlung des letzteren in hyalinen Knorpel begonnen hat Der Entwickelungszustand kann daher nicht mehr als der primitive be- zeichnet werden, es ist der Beginn eines Uebergangszustandes, durch' welchen die Herstellung des definitiven Knorpelskelets sich anbahnt. Die Chorda dorsalis zeigt keine bemerkenswerthen Veränderungen, ausser der, dass die Chordascheide anstatt weiterzu wachsen, im Gegentheil an Mächtigkeit abgenommen hat. In dem Frontalschnitt Fig. IV, 1 ist sie an manchen Stellen sogar nicht mehr deutlich zu erkennen. Andere Be- sonderheiten, welche die Chorda des Embryo IV darbietet, halte ich für zufällig und postmortal entstanden, weil ich sie bei anderen Embryonen Holzschnitt zu Fig. IV. Frontalprojection aus der transversalen Serie construirt. Vergr. 20 fach. Knorpelige Theile sind weiss gelassen, bindegewebige punktirt; Spinalnerven und Gefässe als Frontalschnitt dargestellt. 86 August Feokiep; von ungefähr gleichem Alter nicht linde; die Zellen des Chordastranges sind dichter zusammeugedrängt und diffus gefärbt, während der Hegel nach nur die Kerne carniinisirt hervortreten, und ferner scheint der ganze Zellenstrang geschrumpft, sodass sich namentlich in den Körperbezirken ein Hohlraum um die Chorda herum hergestellt hat, wie er als sog. „Chordacanal“ ^ (Dursy) regelmässig erst bei älteren Embryonen innerhalb des fertigen Knorpelgewebes sich findet (3. S. 36). Der Durchmesser der Chorda variirt in regelmässiger Folge zwischen 0 . 06 und 0 • 025 in der Weise, dass die dickeren Abschnitte in den Körperbezirken liegen, die ein- geengten Stellen dagegen da, wo die primitiven Wirbelbogen mit der Chordascheide in Berührung treten. Die Bestandtheile der Wirbelanlagen können durch Betrachtung und A'ergleichung der gegebenen Abbildungen in ihrem Verhalten ziemlich voll- kommen übersehen werden. Der primitive Wirbelbogen besteht aus einem äusserst dichten Gewebe, welches dunkel carminisirt erscheint nicht nur in Folge der engen Anhäufung der gefärbten Zellkerne. Diese sind allerdings derart zusamnien- gedrängt, dass sie bei manchen Einstellungen geradezu ein Mosaik bilden; ,j gleichwohl sind sie eingebettet in eine spärliche feinkörnige Grundsubstanz, , die wahrscheinlich nichts anderes ist als das Protoplasma der zusammen- ; geflossenen Zellenleiber. Dadurch dass diese Grundsubstanz den Farbstoff' ! ebenfalls angenommen hat, ist die dunkele Färbung des Gewebes Vorzugs-^ weise bedingt, und der primitive Wirbelbogen in der Weise hervorgehoben, ? wie es die Abbildungen wiederzugeben versuchen. ■ Fig. lY, 5 zeigt den Querschnitt durch die Anlage des dritten Hals- ; Wirbels, diese Figur und der Frontalschnitt der Brustwirbelanlagen, Fig. IV, 1, können als Darstellung des Verhaltens der Wirbelsäule im Allgemeinen’ gelten. Sie lassen erkennen, dass die Bestandtheile des primitiven Wirbel-] bogens und seine topographischen Beziehungen im Ganzen noch dieselben I sind wie bei den jüngeren Embryonen, im Einzelnen dagegen zeigen sich| mancheHei Veränderungen. \ Die wichtigste derselben dürfte die relative Rückbildung des peri- chordalen Theiles sein. Dieser stellt bei den jüngeren Embryonen eine | starke, bei Embryo I z. B. O-l™"" mächtige Platte dar, welche mit der | Chordascheide innig verbunden von dieser axialen Stütze aus lateralwärts | hinausgreift. Bei Embryo IV ist dieselbe Platte nur 0*05“® mächtig und ihre Verbindung mit der Cfiordascheide, welche gerade auf die Chorda- | Einschnürung trifft, ist gelockert dadurch, dass die bereits bei Embryo III i bemerkliche Längsfaserung jetzt noch deutlicher geworden ist und das I dichtere Gewebe von der Chordascheide abdrängt. Eine fernere Veränderung^ ] die jedoch ebenfalls schon bei Embryo III vorbereitet war, ist die, dass der | ZUK KNTWICKEl.UNGSGP^SCHlCflTK UKH WlRTiKliSÄlTI>E. 87 oheii als liy pochurdale Spange aufgetührte Theil nicht mehr in der Nähe der Chorda, sondern ungefähr ventral vyärts von der Chorda- scheide liegt, auch nicht in derselben transversalen Ebene wie der perichor- dalc Theil, sondern in seiner Hauptmasse caudalwärts verschol)cn. So kann das Bild entstehen, wie es der ungefähr durch die Mitte der Wirbelanlage (vergl. den Holzschnitt) geführte Querschnitt Eig. IV, 5 darbietet; der primitive Wirbelbogen befindet sich hier überall in einer gewissen, nicht unbeträchtlichen Entfernung von der Chorda, er umgiebt das gesammte perichordale Gebiet in Gestalt eines Hufeisens, dessen geschlossener Theil der hypochordalen Spange entspricht und dessen Schenkel, die beiden Bogen- hälften, dorsalwärts offen bleiben. Freilich ist es ein in die Breite gezogenes Hufeisen, denn die hypochordale Spange ist, wenigstens in der transversalen Ebene, kaum merklich gekrümmt, liegt daher im Querschnitt als gerader Gewebsbalken von einer Seite zur anderen. Eine geringe Krümmung da- gegen zeigt sie im Frontalschnitt, sowie in der frontalen Projection, die der Holzschnitt giebt. Die Spange ist hier in ihren lateralen Theilen ein wenig caudalwärts gebogen, nimmt also an der schräg caudallateralen Stellung des gesammten primitiven Wirbelbogens Antheil. Sie geht in die Seiten- theile des Bogens über in der Gegend wo diese durch das Hereindrängen der Muskelplatte in zwei Bogenstücke, ein dorsales und ein ventrales, ab- getheilt wird. Auch für die Gestaltung dieser Stücke scheint die Muskel- platte bestimmend. Dieselbe lässt auf dem Querschnitt (Fig. IV, 5) drei Gruppen unterscheiden, in die sie sich zu sondern beginnt. Die stärkste derselben ist die dorsale, welche noch die Lage der ursprünglichen Muskel- platte einnimmt, als Anlage der Rücken streck er; sie liegt dem dorsalen Bogenstück durchweg an und füllt auch die Einziehung zwischen diesem und dem ventralen Stück aus. Dem letzteren anliegend finden sieh zwei schwächere ventrale Gruppen, und zwar eine laterale, die als Anlage der intercostalen Musculatur, und eine mediale, die als Anlage der sub verte- bralen Muskeln aufgefasst werden darf. Die Bogenstücke, das dorsale sowohl wie das ventrale, bilden sich an und zwischen jenen Muskelgruppen und er- halten dadurch ihre Gestalt. Die Spange hängt .mit beiden Stücken con- tinuirlich zusammen; sie stellt daher gewissermaassen die quere Stütze dar, an welcher jederseits die Bogenbestandtheile, Neuralbogen und Rippe, ihren Halt finden. Im primitiven Zutande, wie ihn die oben beschriebenen jüngeren Embryonen darbieten, war der Halt durch die Chorda dorsalis gegeben, die hypochordale Spange gehörte dem perichordalen Theil des primitiven Wirbelbogens an, durch welchen die beiden Bogenhälften in fester Ver- bindung mit der Chordascheide standen. Bei dem jetzt vorliegenden Em- bryo IV ist der perichordale Theil zu einer schwachen Scheibe reducirt; dieselbe steht zwar an ihrem ventralen Rande mit der mächtig entwickelten 88 AuausT Füokiep: hypocliordalen Spauge und au ihren lateralen Käudern mit den beiden Bogenhälften noch in unmittelbarem Zusammenhang, aber einen axialen Halt dürfte sie derselben kaum mehr zu bieten im Stande sein. Da ein solcher demnach den Wirbelanlagen bei Embryo IV fehlt, so ist dadurch der hier vorliegende Entwickelungszustand als ein provisorischer, als ein Uebergangszustand gekennzeichnet; denn die fundamentalste Bedingung, die ein Axenskelet zu erfüllen hat, ist doch wohl zweifellos eben die feste Stützung in der Leibesaxe. Scheint nun diese Stützung hier vorläufig nicht mehr in vertrauen- erweckender Weise gewährleistet, so finden sich andererseits gerade bei Embryo IV die ersten Spuren einer Differenzirung, durch welche dieselbe in der Folge in neuer Gestalt sich wieder herstellt. Ich meine das bereits erwähnte Auftreten des knorpeligen Wirbelkör per ’s. Im primitiven Zustand des Axenskeletes, und so auch noch bei Embryo III, war, wie wir oben gesehen, der Kaum zwischen den perichordalen Theilen je zweier primitiver Wirbelbogen, der Kaum, den ich, der Entwickelung vorgreifend, schon oben als „Körperbezirk‘‘ bezeichnet hatte, durch indifferentes Mesoblastgewebe ausgefüllt, wie es sich in allen Theilen des embryonalen Körpers als Lückengewebe findet, und in einer die Chordascheide umgebenden, etwa 0.06"'"™ messenden Zone war dieses Gewebe dichter und stellte eine perichordale Verstärkung der Chordascheide dar, eine Verstärkung also der axialen Stütze, an welcher in gleichmässigen Abständen die primitiven Wirbelbogen befestigt waren. Dieser Zustand besteht bei Embryo IV nicht mehr. In welcher Weise der perichordale Theil des Wirbelbogens ver- ändert und dadurch der Halt desselben an der Chordascheide gelockert erscheint, wurde bereits geschildert. In dem Kaume zwischen den peri- chordalen Theilen von je zwei Wirbelbogen ist jene die Chordascheide um- gebende Zone dichteren Gewebes nicht mehr vorhanden, dagegen zeigt sich das Gewebe in unmittelbarer Nachbarschaft des cranial wärts vorausgehenden primitiven Wirbelbogens zu beiden Seiten und am ventralen Umfange der Chorda eigenthümlich modificirt. Im Gegensatz zu dem Gewebe des primi- tiven Wirbelbogens, in welchem die Kerne dichtgedrängt in einer carmi- nisirten Grundsubstanz liegen, ohne Spur von Zellgrenzen, sieht man hier jeden Kern von einem Zellenleib umgeben, welqher, auf der einen Seite mächtiger als auf der anderen, dem Kerne wie ein dünner starkgekrümmter Halbmond sich anschmiegt. Diese Zellen liegen in kleinen, jedoch mess- baren Abständen von einander, in einer homogenen, vom Carmin ganz ungefärbt gebliebenen Intercellularsubstanz eingebettet. Schon auf Grund dieser histologischen Charaktere trage ich kein Bedenken, dieses Gewebe als hyalinen Knorpel anzusprechen ; die Berechtigung dazu wird durch eine Vergleichung im Alter sich anschliessender Embryonen bestätigt, aus welcher Zuit Kntwickelunüsgeschichte der Wirbelsäule. die Identität der fraglichen Gewebsanlage mit dem knorpeligen Wirhelkörper ganz zweifellos resultirt. Der erste hyaline Knorpel, der im Axenskelet aiiftritt, liegt demnach nicht im primitiven Wirhelbogen, sondern an dessen caudalwärts gekehrter Grenzfläche in unmittelbarer Umgebung der Chorda- scheide. Jedoch nicht rings um die Chorda, sondern, Avie erwähnt, nur zu beiden Seiten und ventral, und auch nicht etwa in gleichmässig mächtigem Halbring, sondern in Gestalt von zwei, bilateral symmetrischen Knorpel- herden, welche um den ventralen Umfang der Chorda her durch eine Brücke des gleichen Gewebes in Verbindung stehen. Das betreffende Gebiet ist in den Abbildungen durch hellblaue Färbung bezeichnet, seine Grenze ist keine scharfe. Cranial-, ventral- und theilweise auch lateralwärts geht das Knorpelgewebe unvermittelt in das Gewebe des primitiven Wirbelbogens über, dorsal wärts ist es gegen das lockere Gewebe des perimedullaren Raumes durch eine Art von Perichondrium abgegrenzt, welches in der Medianebene bis an die Chordascheide heranreicht, caudalwärts schliesst sich durch Vermittelung des geAvöhnlichen, nur etwas verdichteten Meso- blastgewebes der perichordale Theil des nächstfolgenden primitiven Wirbel- bogens an. Der Ausdruck „theilweise auch lateralwärts^^ wird verständlich durch einen Blick auf Fig. IV, 1. Dieser Frontalschnitt liegt dorsalwärts von der hypochordalen Spange, in der Ebene der Chorda, und zeigt die beiden Bogenhälften durch den perichordalen Theil des primitiven Bogens mit einander verbunden. Dadurch, dass dieser Theil viel weniger mächtig ist als die Bogenhälften und dass diese letzteren ein wenig caudalwärts verschoben zu ihnen stehen, wird der Körper bezirk auch seitlich von Theilen des primitiven Wirbelbogens begrenzt, aber eben nur so weit, als dieselben reichen. Ihrer caudalen Grenzfläche unmittelbar anliegend, findet sich die Art. interprotovertebralis mit der zugehörigen Vene, und diese Gefässe sind es, welche die seitliche Begrenzung des Körperbezirkes im caudalen Ab- schnitt desselben bilden. Die Interprotovertebralarterien kommen noch in derselben Weise aus den Aorten wie bei den jüngeren Embryonen und umfassen den Körperbezirk wie es Fig. II, 4 demonstrirt. Da sie hierbei genau in der mittleren Höhe dieses Bezirkes liegen, wie Fig. IV, 1 zeigt, so kann man sagen: die Bildung des knorpeligen Wirbelkörpers er- folgt in dem von den Z wischenurwirbelarterien umschriebenen, perichordalen Raume; und man wird die Möglichkeit einer nutritiv-causa- len Beziehung der Knorpelbildung zu jener Lagebeziehung nicht in Abrede stellen dürfen. Immerhin ist dabei zu bedenken, dass die Arterien in min- destens eben so naher Beziehung zu den primitiven Wirbelbogen stehen und dass ihr eigentliches Ziel und das Motiv ihrer Existenz das Nervensystem ist. Eine longitudinale Anastomose der Interprotovertebralarterien, wie sie im Halsgebiet später zur Bildung der A. vertebralis führt, ist noch nicht 1)0 August Fkoriep: entwickelt, aber aiigecleutet in Gestalt kurzer Aeste, die von den Arterien cranialwärts ein Stück weit in die Bogenhälften eindringen. Dieselben sind im Holzschnitt 8. 85 in den Anlagen des zweiten und dritten Halswirbels angegeben. Die bisherige Beschreibung hatte den Entwickelungszustaud der Wirbel- säule im Allgemeinen zum Gegenstand; die Anlagen der beiden Dreh- wirbel weichen von demselben nur in unwesentlichen Punkten ab. Was den primitiven Wirbelbogen anlangt, so ist vielleicht lediglich die geringere Entwickelung des ventralen Stückes der Bogenhälfte, d. h. also der Kippen- anlage, zu erwähnen. Die Sonderung der Muskelplatte in drei Portionen ist zwar auch angedeutet, wie an anderen Stellen der Wirbelsäule, die Gruppen liegen aber noch dichter beisammen, lassen demnach für das ventrale Bogenstück nur geringeren Raum. Und diese Abweichung zeigt die Anlage des ersten Wirbels in höherem Grade als die des zweiten. Dasselbe gilt für eine A'erschiedenheit der Knorpelanlage im Körper- bezirk, eine Verschiedenheit, die ebenfalls nur eine graduelle ist. Wie oben erwähnt, liegt auch in den übrigen Wirbelanlagen die Hauptmasse des Knorpels in zwei Herden zu beiden Seiten der Chorda, während am ventralen Umfang der letzteren diese Herde nur durch eine dünnere Knorpellage in Verbindung stehen. Diese Andeutung einer bilateral sym- metrischen Anlage des Wirbelkörpers wird vom dritten bis zum ersten Halswirbel cranialwärts deutlicher. Während im zweiten Wirbel die beiderseitigen Herde durch eine dünne, nur eben noch nachweisbare Brücke verbunden sind (Fig. IV, 4), erscheinen sie im ersten Wirbel thatsächlich isolirt (Fig. IV, 3). Hier greift das dichtkernige, starkcarminisirte Gewebe des primitiven Wirbelbogens von der hypochordalen Spange aus als dünnes, medianes Septum zur Chordascheide, caudalwärts bis in das Niveau unge- fähr der Mitte der Knorpelanlage reichend. Dadurch sind die beiderseitigen Knorpelanlagen auf der ventralen Seite der Chorda von einander getrennt,’ auf der dorsalen ist wie in allen Wirbelanlagen auch im ersten Halswirbel vorläufig kein Knorpelgewebe entwickelt, vielmehr reicht hier das dichtere Gewebe, welches den Körperbezirk gegen das perimedullare Bindegewebe abgrenzt, etwas verbreitert bis an die Chordascheide herein. Auffallendere Abweichungen vom allgemeinen Verhalten als die Dreh- wirbel bietet bei Embryo IV das Occipitalskelet dar. Wie bei den jüngeren Embryonen, so ist auch hier der caudale Abschnitt, welcher einer einzigen Wirbelanlage entspricht, zu unterscheiden von dem cranialwärts sich anschliessenden Theile, der aus einer nicht genau bestimmbaren Anzahl von Wirbelanlagen, zusammengeflossen erscheint. Die Grenze der beiden Bezirke ist aber bei Embryo IV weniger scharf als bei den jüngeren Em- bryonen. Der primitive Wirbelbogen sowohl wie die knorpelige Anlage des YjVR KnT\VICKEIjUNG8GESCH1CHTP: DEK AVlRBETiSÄTLE. 01 ■Wirbelkörpers, welche sich im (*au(laleii Abschnitt entwickelt haben, gehen in die entsprechenden Gewebsbezirke des nicht mehr deutlich gegliederten Idieiles continiiirlich über. Gleichwohl zeigen sie alle charakteristischen Eigenschaften anderer Wirbelanlagen und machen den caudalen Abschnitt des Occipitalskeletes zu einem wohl individualisirten Occipital wirbel. Der primitive Wirbelbogen desselben zeigt zunächst eine auffallende Abweichung darin, dass die hypochordale Spange nur schwach entwickelt ist, als dünne Brücke zwischen den Bogenhälften ausgespannt. Die Bogen- hälften selbst zeigen im Ganzen dieselben Beziehungen wie in anderen AVirbelanlagen. An ihrer caudalen Fläche verlaufen jederseits eine Inter- protovertebralarterie neben dem ersten Cervical-Spinalnerv. Ihre craniale Fläche wird dadurch markirt, dass an ihr der letzte Occipital-Spinalnerv verläuft, während hier, wie innerhalb des Occipitalskeletes überhaupt, keine Interprotovertebralarterie mehr vorhanden ist. Die Gestalt der Bogenhälften auf dem Querschnitt (Fig. IV, 2) ist einfacher, d. h. weniger gegliedert als in den übrigen Wirbelanlagen, was seine Ursache wohl darin hat, dass die nebenliegende Aluskelplatte (es ist die dritte der Occipitalregion) die oben besprochene Sonderung in drei Gruppen nicht zeigt. Daher kommt es auch, dass ein als Rippenanlage zu deutendes ventrales Bogenstück nicht vorhanden ist. Das Gewebe der Bogenhälfte scheint weniger dicht als in den Bogenanlagen der Halsregion, und es ist innerhalb der Bogenhälfte nicht überall gleichmässig. Am dichtesten ist es in der unmittelbaren Nachbarschaft des Körperbezirkes, sowohl seitlich als in der hypochordalen Spange; dadurch tritt hier im Querschnitt ein hufeisenförmiges Gebilde hervor, welches den Körperbezirk umfasst in derselben Weise wie in den übrigen Wirbelanlagen, und an diesem Gebilde zeigt sich auch eine Ver- dickung an der ventralen Ecke, die als Rippenandeutung aufzufassen ist. Lateralwärts geht dieses Gebilde continiiirlich in das etwas weniger dichte Gewebe des Seitentheiles über; und dieser Theil wiederum steht, soweit die Grenze nicht von dem durchtretenden Spinalnerven (caudale Portion des Hypoglossus) scharf aufrecht erhalten wird, in continuirlichem Zusammen- hang mit dem cranialwärts sich anschliessenden Theile des Occipitalskeletes. Der Körperbezirk ist auch im Occipitalwirbel durch die Bildung von Knorpelgewebe ausgezeichnet wie in der gesammten Wirbelsäule. Eine bi- laterale Anlage dieses occipitalen Wirbelkörpers macht sich nur insofern geltend, als derselbe zu beiden Seiten caudalwärts weiter herabtritt als in der Mitte (vergl. den Holzschnitt). In einem Querschnitt dagegen wie Fig. IV, 2, ist eine bilaterale Sonderung des Knorpelgewebes nicht zu be- merken, die Knorpellage ist hier ventralwärts der Chorda fast ebenso mächtig wie zu beiden Seiten. Dadurch unterscheidet sich der occipitale Wirbel- körper von denen der gesammten Halsregion, was um so auffallender ist, 92 August Froriep: als sich ja oben ergeben hatte, dass innerhalb der Halsregion die bilaterale Anlage cranialwärts immer deutlicher wird. An der dorsalen Seite der Chorda ist kein Knorpelgewebe vorhanden, im Occipitalwirbel so wenig wie in den Anlagen der Wirbelsäule überhaupt. Von dem den Körperbezirk dorsalwärts abgrenzenden etwas verdichteten Gewebe geht hier eine Lage einfachen Bindegewebes aus, die, allmählich schmäler werdend, bis an die Chordascheide reicht. Wie die Bogenhälfte, so geht auch der knorpelige Körper des Occipital- wirbels in den entsprechenden Bestandtheil des cranialwärts sich anschliessen- den, scheinbar ungegliederten Abschnittes continuirlich über. Die Grenze ist hier lediglich durch eine hlinziehung der äusseren Gestalt des Jvnorpels bezeichnet, welche auf sagittalen Schnitten und, für den vorliegenden Embryo, in der Frontalprojection (Holzschnitt) hervortritt. In der Umgebung der Chorda dagegen ist das Knorpel ge webe nicht unterbrochen; demnach ist der perichordale Theil des primitiven Wirbelbogens, der in der Occi- pitalwirbelanlage der jüngeren Embryonen als starkes Gebilde an die Chorda- scheide heran trat, beim Embryo IV vollständig geschwunden oder in der Knorpelbildung aufgegangen. Die gegenseitige Beziehung des knorpeligen Mitteltheiles, den man als Körpermasse bezeichnen kann, und des binde- gewebigen Seitentheiles, der Bogenmasse, ist dieselbe wie in den Wirbel- anlagen, nur dass in dem ganzen Gebiet keine Spur einer hypochordalen Spange nachzuweisen, die Körpermasse überall gleichmässig durch ein dünnes Perichondrium ventral wärts abgegrenzt ist. Da die Schnittebene in Folge der starken Nackenkrümmung des Em- bryo IV, im cranialen Abschnitt des Occipitalskeletes schräg und für die Ana- lyse ungünstig wird, so verlohnt es sich nicht, über die Gestalt und craniale Begrenzung des letzteren bei diesem Object speciellere Auskunft zu suchen. Das wesenthche Eesult der Untersuchung des Embryo IV, soweit das Occipital- skelet in Betracht steht, ist der Nachweis, dass der caudale Abschnitt desselben sich in seiner Anlage von primitivem Wirbelbogen und knorpeligem Wirbelkörper durchaus wie einRumpfwirbel verhält. Kindsembryouen V und VI. Körperlänge 15* 5 (Taf. II, Figg. V und VI.) Diese beiden Embryonen habe ich bei meiner Untersuchung über Anlagen von Sinnesorganen an den Kiemenspalten (6. S. 28) unter der Bezeichnung „Embryonen IV und V “ verwerthet. Der grösste Durch- messer liegt bei beiden zwischen Nacken- und Steisshöcker und beträgt 15.5 mm. Djß Schnittebene fällt bei Embryo V in der Nackengegend rein transversal, stimmt also mit derjenigen des Embryo IV genau überein. Zur Entwickelüngsgesohichte der Wirbelsäule. 93 Ich gebe in dem nebenstehenden „Holzschnitt zu Fig. V“ die durch Con- struction aus den transversalen Schnitten gewonnene Frontalprojection der Wirbelsäule in der Nackengegend ; in den Figg. Y, 2—5 liegen Querschnitts- bilder vor, welche in ihrer Lage den von Embryo lY unter der gleichen arabischen Hezifierung abgebildeten entsprechen, also die Anlagen des Occi- pitalwirbels und des ersten bis dritten Halswirbels darstellen. Der Unter- schied ist nur der, dass ich von lY wirklich vier Einzelschnitte gegeben, von Y dagegen die Einzelschnitte im Bereich einer jeden Wirbelanlage durch Aufein anderpausen combinirt und dadurch gewissermaassen Pro- jectionen der betreffenden Anlagen auf die transversale Ebene hergestellt Frontalprojection aus der transversalen Serie construirt. Vergr. 20 fach. Wirbelkörper weiss, Bogen punktirt, Spinalnerven und Arterien als Frontalschnitt dargestellt. In den Einzelabbildungen auf Taf. II sind je die zwischen zwei queren Linien einge- sclilossenen Schnitte durch Pauseombination zusammengefasst. habe. Unter 1 und 1 b sind dem Querschnittsbild des Occipitalwirbels zwei Schnitte durch den cranialwärts an diesen sich anschliessenden Theil des Occipitalsceletes beigegeben. Die Lage aller sechs Querschnittsbilder im Zusammenhang der Wirbelsäule ist in dem Holzschnitt zu Fig. Y an- gegeben, desgleichen die Anzahl der in jedem Bilde zusammengefassten Einzelschnitte. Embryo YI war in eine sagittale Schnittserie zerlegt worden. Dieselbe war im dorso-ventralen Sinne rein sagittal, nicht aber im cranio-caudalen; um sagittale Schnittbilder von der gesammten uns interessirenden Gegend zu gewinnen, wie die Figg. YI, 1 bis 3 sie geben, war es daher nöthig, die- selben aus je vier nebeneinanderliegenden Sagittal schnitten zu combiniren. Auch bei der Frontalprojection, deren Resultat in dem umstehenden „Holz- 94 August Froriep: schnitt zu Fig. VI“ vorliegt, musste auf diese Abweichung der Schnittebene Rücksicht genommen werden, was keine besonderen Schwierigkeiten dar- bietet. Ich trage in einem solchen Falle in der früher von mir (5. S. 179) beschriebenen Weise zunächst die Organgrenzen in das den wüklichen Schnitten entsprechende Liniensystem ein. So- dann lege ich über dieses ein zweites System von parallelen Linien, deren Abstände eben- falls von der jeweiligen Schnittdicke abhängig sind, deren Richtung dagegen der durch Paus- combination eruirten Lage der Medianebene entspricht. Wenn man nun, unter Beziehung auf diese der Medianen parallele, imaginäre Schnittebene die Marken der Organgrenzen miteinander verbindet, so erhält man eine Pro- jection, deren Richtigkeit beliebig controlirbar ist. Da die einzelnen Wirbelanlagen, ent- sprechend der Nackenkrümmung des Embryo, in stumpfen Winkeln zu einander geneigt stehen, . konnten richtige und unter einander vergleich- , bare Projectionen derselben nur dadurch er- ; langt werden, dass ich das frontale Coordi- ! natensystem für jede Anlage besonders der je- , welligen Richtung der Körperaxe genau parallel « errichtete und dementsprechend auch das Con- ; talen Serie. Vergr. 20 fach, structionsfeld in Abschnitte eintheilte, deren ! Erklärung siehe im nebenstehen- jeder seine besondere Abscisse hat für den Be- den Text. . einzigen Wirbelanlage. Durch ' dieses Verfahren gewonnene Frontalprojectionen stellen die in Wahrheit ' stark gekrümmte Wirbelsäule der Nackengegend so dar, als ob sie gestreckt, | als ob die Körperaxe der einzelnen Wirbelanlagen und der Occipitalregion | in eine gerade Linie aufgerichtet wäre. i Der Entwickelungszustand des Axenskeletes ist bei beiden Embryonen identisch, weshalb ich beide in der Beschreibung zusammenfasse. Sie schliessen sich in ihrem Verhalten an den Embryo IV unmittelbar an, die Wirbelsäule befindet sich noch in derselben, oben als lieber gangszustand bezeichneten Periode ihrer Entwickelung. Die Chorda dorsalis zeigt sich noch nicht weiter verändert, die Scheide zwar sehr dünn, aber doch überall nachweisbar, der Zellenstrang aus dicht- ^ gelagerten, kleinen Zellen bestehend, welche selbst ungefärbt nur die ziem- \ lieh grossen runden oder länglichen Kerne gefärbt hervortreten lassen. Die ^ Durchmesser der (diorda variiren transversal zwischen O-ÜS und O-OI"™'", • Holzschnitt zu Fig. VI. Frontalprojection aus der sagit- Zur Entwickelüngsgesciiichte der Wirbelsäule. 95 sagittal zwischen 0-06 und 0*05”^"'; der Querschnitt ist demnach schwach queroval, die dünnen Stellen liegen in den perichordalen Theilen der primi- tiven Wirbelbogen, d. h. also auf den Grenzen der Wirbelkörper, die stär- keren Abschnitte entsprechen in ihrer Lage den Körpern selbst. Innerhalb der Körper ist die Chordascheide deutlicher als auf den Grenzen, wo das dichte Gewebe sich ihr auf’s innigste anschmiegt; das Knorpelgewehe der Körper umgiebt sie übrigens ebenfalls unmittelbar, lediglich durch eine mehr abgeplattete Form der Zellen sich abgrenzend. Der primitive Wirbel bogen ist noch entschiedener als es schon bei Embryo IV der Fall war in perichordalen Theil und eigentlichen Wirbel- bogen gesondert. Der perichordale Theil könnte jetzt bereits als inter- vertebrale Bandscheibe bezeichnet werden, da er sich in seiner Be- ziehung zu den beiden benachbarten Wirbelkörpern, welche er von einander trennt, bez. mit einander verbindet, durchaus als eine solche darstellt. Er ist aber noch nicht nach Art einer solchen ringsherum durch straffe Band- masse abgeschlossen, sondern geht vielmehr noch, ähnlich wie bei den jüngeren Embryonen, am ventralen und lateralen Rande, in caudalwärts schwach concaver Krümmung, in das Gewebe des eigentlichen Wirbelbogens über. Dieses zeigt im Wesentlichen noch dieselbe histologische Beschaffenheit wie bei Embryo IV, namentlich ist eine Umwandelung in hyalinen Knorpel noch nicht nachzuweisen. Eine Vergleichung der Fig. V, 5 mit Fig. IV, 5 ergiebt, dass auch die morphologischen Beziehungen des Wirhelbogens im Wesentlichen die gleichen geblieben sind. Beide Abbildungen stellen den dritten Halswirbel dar als Beispiel des Verhaltens der Wirbelanlagen überhaupt; die Anschauung, welche Fig. V, 5 gewährt, wird ergänzt durch die drei sagittalen Schnitt- bilder der Fig. VI, in denen die Anlagen des dritten und des vierten Halswirbels mitenthalten sind. Die hypochordale Spange ist noch ein starker, im Allgemeinen transversal stehender Balken, welcher beiderseits continuirlich und ohne die geringste Andeutung einer Abgrenzung in die Bogenhälften übergeht. In der Medianebene ist sie stärker als zu beiden Seiten derselben, indem sie sowohl dorsal wärts nach der Chorda zu, wie auch ventral wärts ein wenig anschwillt. Der Medianschnitt Fig. VI, 1 zeigt die Lagebeziehuug der Spange zu der intervertebralen Bandscheibe; die Spange ist noch ent- schiedener als schon bei Embryo IV, caudalwärts verschoben, derart, dass sie nur durch ihren cranialen Rand noch in Verbindung mit jener Scheibe steht, sonst aber durchaus der ventralen Fläche des Wirbelkörpers anliegt. Auch die Bogenhälften bieten im Allgemeinen dasselbe Verhalten dar wie früher. Eine Neuerung besteht, wenigstens im Bereich der Hals- wirbelsäule, in dem Vorhandensein der longitudinalen Anastomose zwischen 96 August Feoeiep: den Intei-protovertebralarterien, einer Anastomose, welche später, zum Haupt- stamm werdend, die Art. vertebralis bildet. Dieses Gefäss, in Fig. V, 5 im Querschnitt und Fig. VI, 3 im Sagittalschnitt dargestellt, durchsetzt die Bogenhälfte in der Gegend, die wir schon bei den jüngeren Embryonen als die Grenze zwischen einem ventralen und einem dorsalen Bogenstück erkannt hatten, und trägt zu der deutlicheren Scheidung der beiden Be- standtheile bei. Das dorsale Stück ist die Anlage des Neuralbogens, das ventrale die Andeutung einer Bippenanlage. Die Grenze zwischen beiden, welche übrigens keineswegs eine scharfe ist, vielmehr einen continuirlichen Zusammenhang bestehen lässt, ist ein wenig dorsal wärts verschoben; das dürfte darauf beruhen, dass die Bogenhälften überhaupt, sowie auch die ihnen anliegenden Muskelgruppen, ein wenig dorsalwärts hinauf gedrängt erscheinen. Infolgedessen trifit die hypochordale Spange seitlich nicht mehr auf die Grenze der Bogenstücke, sondern geht im Wesentlichen in das ven- trale Stück über. Und selbst dieses erreicht sie nur durch eine geringe dorsalwärts gerichtete Krümmung ihres seitlichen Endes. So kommt es, dass jetzt die Bogenanlage in der Ansicht, die Fig. V, 5 giebt, in ihrer Gesammtheit ein hufeisenförmiges Gebilde darstellt, an dessen Seitentheilen • die ventralen Bogenstücke lateralwärts vortreten. Diese letzteren zeigen j sich in zwei Kanten getheilt, welche zwischen die anliegenden Muskelgruppen ! eingreifen; man könnte sie als Anlage von Rippe und Querfortsatz deuten, ! wobei es freilich' auffallen müsste, dass die Art. vertebralis nicht zwischen , beiden, sondern eher etwas dorsalwärts von dem Querfortsatz, zwischen diesem | und dem Neuralbogen liegen würde. Der knorpelige Wirbelkörper ist in den vorliegenden beiden Em- ’ bryonen vollkommener entwickelt und schärfer begrenzt, als in dem Em- bryo IV, zeigt aber durchaus die gleichen topographischen Beziehungen wie ^ dort. Er umgiebt die Chorda dorsalis jetzt von allen Seiten, indem auch i dorsalwärts von derselben Knorpelgewebe vorhanden ist, wo es bei Embryo IV 1| noch fehlte. Im innigsten Verhältniss steht er zu den Bestandtheilen des | primitiven Wirbelbogens, von denen er, wenigstens in seinem cranialen f Abschnitte, beinahe allseitig umgeben ist. Der Medianschnitt (Fig. VI, 1) zeigt, worauf schon oben aufmerksam gemacht wurde, die Lagerung der hypochordalen Spange an der ventralen Fläche des Wirbelkörpers. Die Bogenhälfte, die sich jederseits an die Spange anschliesst und den Wirbel- körper seitlich umfasst, reicht noch weiter caudal wärts herab als jene, das demonstriren die Holzschnitte zu Figg. V und VI, und man kann sich auch dadurch davon überzeugen, dass man die Figg. VI, 2 und 3 durch Pausen auf Fig. VI, 1 passt, unter Benutzung der links neben den Figuren stehenden Orientirungskreuze. So steckt die craniale Hälfte des Wirbel- körpei-s vollständig im primitiven Wirbelbogen, das Knorpelgewebe b(^- ZUK P^NTWICKELUNGSGESCHICHTE DEE WIRBELSÄULE. 97 findet sich fast überall in unmittelbarer Berührung mit dem dichten Bogengevvebe. Nur an der dorsalen, dem Rückenmarke zugekehrten Fläche ist solches strenggenommen nicht vorhandeu, doch steht das hier den Ab- schluss bildende Perichondrium sowohl mit der intervertebralen Scheibe, welche die craniale Fläche des Körpers überzieht, als auch mit den dorsalen Stücken den Bogenhälften derart in continuirlichem Zusammenhang, dass man recht wohl geneigt sein könnte, das gesammte, den Wirbelkörper umgebende dichtere Bindegewebe, mag es nun dem primitiven Bogen an- gehören oder ergänzendes Grenzgewebe sein, als sein Perichondrium im weiteren Sinne anzusprechen. Der Wirbelkörper tritt bei dieser Auffas- sung in eine gewisse Abhängigkeit zum Bogen, diese Abhängigkeit kam aber, wie oben bei der Beschreibung von Embryo IV sich ergab, schon in dem ersten Auftreten des Knorpelgewebes zu Tage; sie entspricht der entwickel- ungsgeschichtlichen Stellung der beiden Bestandtheile zu einander. Denn der Wirbelbogen ist nicht nur das primitive, sondern auch das fundamentale Organ. Da er, um seine Aufgabe als metameres Glied des Körpergerüstes zu erfüllen, der festen axialen Verbindung mit seinen cranialen und cau- dalen Nachbarn nothwendig bedarf, so muss sich eine solche neu bilden, sobald einmal die Chorda dorsalis den Anforderungen nicht mehr genügt. Man darf daher wohl sagen, dass der Wirbelkörper ein Product des Wirbel- bogens ist, jedoch nicht in dem Sinne, als ob er bereits in der Anlage des Bogens mit enthalten wäre. Der Wirbelkörper ist vielmehr eine Neubildung, und wenn er auch vom Bogen aus entsteht, insofern die knorpelige Diffe- renzirung des perichordalen Gewebes an der caudalen Fläche des primitiven Wirbelbogens beginnt, so nimmt er doch zweifellos seine selbständige Stellung ein, da er als Ganzes die am frühesten entwickelte Knorpeleinheit der Wirbelanlage darstellt. Die caudale Grenzfläche des Wirbelkörpers, welche in Embryo IV noch unbestimmt war, ist in den vorliegenden Embryonen ebenso scharf wie die craniale; an beiden steht das Knorpelgewebe in un- mittelbarem Zusammenhang mit dem Gewebe der intervertebralen Band- scheibe. Wie der Medianschnitt (Fig. VI, 1) zeigt, ist der sagittale Durchmesser des Wirbelkörpers im caudalen Abschnitt desselben beträchtlicher als im cranialen, und zwar beträgt der Unterschied ebensoviel wie der sagittale Durchmesser der hypochordalen Spange. Und nicht nur im sagittalen, auch im transversalen Durchmesser macht sich dasselbe Verhältniss geltend, der Wirbelkörper reicht in seinem caudalen Theile, der nicht mit dem Wirbel- bogen in Berührung steht, weiter lateral wärts als da wo der Bogen liegt; das findet seinen Ausdruck z. B. darin, dass in die sagittale Ebene des in Fig. VI, 2 abgebildeten Schnittes nur der caudale Theil hereingreift. Der Wirbelkörper als Ganzes betrachtet kann demnach beschrieben werden als Archiv f. A. u. Ph. 1886. Anat. Abthlg. 7 98 August Froeiep: ein longitudinal gestellter Cylinder, der jedoch von der cylindrischen Ge- stalt abweicht, erstens dadurch, dass er, dorso-ventral comprimirt, nicht einen kreisförmigen, sondern einen ovalen Querschnitt darbietet, und zweitens da- durch, dass der cranialwärts schauende Theil durch eine ventral und lateral ihn umfassende Rinne oder Hohlkehle verjüngt erscheint. Freilich bleibt in Folge dieser Modifikationen von der Cylinderform nicht viel übrig und man könnte auch sagen: der Wirbelkörper besteht aus einem breiteren caudalen Abschnitt, von welchem ein verjüngter Theil wie ein Zapfen cranialwärts emporragt; da dieser Zapfen nicht gerade auf der Mitte, sondern näher dem dorsalen Rande steht, so macht sich die Einziehung des Körperumfanges nur ventral und lateral geltend. Der Zapfen wird umfasst von Theilen des primitiven Wirbelbogens, ventral liegt ihm die hypochordale Spange an, lateral die eigentlichen Bogenhälften. Die gesammte bisherige Schilderung bezog sich auf das Verhalten der Wirbelanlagen überhaupt und insbesondere derjenigen in der Mitte der Halsregion. Dass die Anlagen des zweiten Halswirbels vollkommen, die des ersten in allem Wesentlichen damit übereinstimmen und dass die letz- teren nur untergeordnete Abweichungen in den Form- und Maassverhält- . nissen der sonst identischen Bestandtheile darbietet, das ist aus den Ab- . bildungen ohne Weiteres ersichtlich. Fig. V, 3 zeigt den ersten Hals- : Wirbel in combinirtem Querschnitt; die Vorstellung, die dieser giebt, wird ! plastisch ergänzt durch Vergleichung der Sagittalschnitte Figg. VI, 1 bis 3. , Die gesammte Wirbelanlage ist etwas breiter als die caudalwärts folgenden. ' Was den primitiven Wirbelbogen betrifft, so ist im Vergleich mit jenen ■ zu erwähnen, dass die hypochordale Spange im sagittalen Durchmesser n etwas mächtiger und entsprechend der grösseren Breite der ganzen Anlage auch länger ist und mit ihren lateralen Enden in kaum merklicher dor- : saler Krümmung in die Bogenhälften und zwar in deren ventrale Stücke | übergeht, welche in der transversalen Verlängerung der Spange stehen. Die | dorsalen Bogenstücke, d. h. die eigentlichen Neuralbogen nähern sich in | ihrer Stellung, wie der Querschnitt zeigt, mehr der sagittalen Ebene als i die entsprechenden Theile der caudalwärts folgenden Anlagen, und bieten zugleich eine mehr gleichmässige Breite dar als diese. Die abweichende Stellung ist wohl dadurch bedingt, dass das Rückenmark in dieser Gegend, entsprechend der Nackenbeuge, sich weiter von der Wirbelsäule entfernt; der- Abstand der ventralen Fläche des Rückenmarkes von der dorsalen Fläche ^ der Wirbelsäule beträgt in der Höhe des ersten Halswirbels 0*5 „ zweiten „ 0-35 ,, i dritten vierten 0-24 0.2 Zur Entwickelungsgeschichte der Wirbelsäule. 99 Entsprechend dem grösseren Abstand richten sich die Neuralbogen mehr dorsal wärts, ihr Oeffnungswinkel am Wirbelkörper wird kleiner. Zu- gleich müssen sie, um ebenso weit dorsalwärts zwischen die Spinalganglien eingreifen zu können, länger sein im Yerhältniss des grösseren Abstandes, was ebenfalls zutrifft und sowohl aus der Gesammtansicht des ersten Wirbels (Fig. V, 3) wie auch aus dem Sagittalschnitt Fig. VI, 3 zu ersehen ist. Die Abweichungen des Wirbelkörpers sind merklichere. Er ist etwas breiter als die caudalwarts folgenden Nachbarn, in dem dorso-ventralen Durchmesser dagegen weniger mächtig als diese. Eine Besonderheit be- steht ferner darin, dass die bilaterale Symmetrie der Knorpelanlage noch ziemlich deutlich ausgesprochen ist. Wie Fig. YI, 1 demonstrirt, ist die Anlage in der Medianebene sehr wenig umfangreich, nach beiden Seiten nimmt der sagittale, wie auch namentlich der longitudinale Durchmesser rasch zu, sodass auf dem Querschnitt (Fig. Y, 3) sowohl wie in der Frontal- projection (vergi. die beiden Holzschnitte) der Körper aus zwei symmetrischen Stücken zusammengesetzt erscheint, welche in der Medianebene verschmolzen sind. Neben diesen Besonderheiten der Form sind die Beziehungen des knorpeligen Körpers zu den umgebenden Theilen in der ersten Halswirbel- anlage durchaus die gleichen wie in allen Anlagen der Halsregion; die caudale Begrenzung bildet die der zweiten Wirbelanlage angehörende inter- vertebrale Bandscheibe, und der cranialwärts schauende Theil des Körpers wird von den Elementen des ersten primitiven Wirbelbogens umfasst. Der Entwickelungszustand des Occipitalskeletes entspricht im All- gemeinen demjenigen der Wirbelanlagen; deutlich differenzirtes Knorpel- gewebe findet sich nur im Körperbezirk, die den Wirbelbogen entsprechenden Theile bestehen durchweg nur aus dem beschriebenen, dichtkernigen, carmi- nisirbaren -Bindegewebe. Innerhalb des Occipitalskeletes ist auch bei den vorliegenden Embryonen die Unterscheidung eines Occipitalwirbels und eines cranialwärts an diesen sich anschliessenden, scheinbar ungegliederten Ab- schnittes noch gegeben, jedoch weniger scharf als bei den jüngeren Objecten. In der unmittelbaren Umgebung der Chorda dorsalis ist die Grenze ganz verwischt. Hier setzt sich das Knorpelgewebe aus dem Körper des Occi- pitalwirbels continuirlich in den ungegliederten Abschnitt hinein fort. Die Chorda ist in diesem ganzen Gebiete allseitig von Knorpel umschlossen und die Querschnitte (Figg. Y, 1, Ib und 2) zeigen nichts mehr von der medianen Scheidung der Knorpelanlage in zwei bilateral -symmetrische Anlagen. Das einheitliche Knorpelstück, welches somit als Vorläufer des i Basilarknorpels nun entstanden ist und im Medianschnitt (Fig. YI, 1) einen Längsdurchmesser von darbietet, lässt seine Zusammensetzung aus einem caudalwärts gelegenen Wirbelkörper und einem cranialwärts an diesen sich anschliessenden ungegliederten Abschnitt durcK eine Einziehung der 7* 100 August Froriep; Oberfläche erkennen, welche aus dem Medianschnitt (Fig. VI, 1) und aus ! den Projectionsbildern (Holzschnitte zu Figg. V und VI) ersichtlich ist. Der , auf diese Weise abgegrenzte occipitale Wirbelkörper zeigt nahezu den- i selben Querdurchmesser wie die Wirbelkörper der Halsregion, im sagittalen und longitudinalen Durchmesser dagegen bleibt er hinter diesen beträchtlich zurück. Besonders der sagittale Durchmesser, erscheint gering nicht nur gegen denjenigen der Halswirbelkörper, sondern auch im Vergleich mit der Knorpelanlage im ungegliederten Abschnitt des Occipitalskeletes, was | aus den Sagittalschnitten Figg. VI, 1 und 2 erhellt. | Mit dem cranialen Theile des knorpeligen Körpers steht der primitive i« Wirbelbogen des Occipitalwirbels noch in derselben Weise in Verbindung, | wie es in Embryo IV beschrieben wurde. Die hypochordale Spange ist j zwar schwach entwickelt aber zweifellos nachweisbar; Fig. V, 2 zeigt sie | im transversalen, Fig. VI, 1 im sagittalen Schnitt und die Holzschnitte in j frontaler Projection. Besonders im Vergleich mit den benachbarten Hals- : Wirbelanlagen erscheint sie unbedeutend, ihre Durchmesser betragen kaum | den vierten Theil von denen der Spange des ersten Halswirbels. In der | Medianebene ist sie am schwächsten, nach beiden Seiten nimmt sie etwas i zu und geht so in die eigentlichen Bogenhälften über. Wie schon aus'j der Beschreibung der Knorpelanlage hervorging, ist von dem perichordalen ;j Theil des primitiven Wirbelbogens des Occipitalwirbels, d. h. also von der' Anlage einer intervertebralen Bandscheibe auf der cranialen Grenze desselben, j! keine Spur mehr vorhanden. Die Spauge steht demnach auch nicht wie^l die Spangen der Halswirbel cranial- und dorsal wärts mit solchem perichor- | dalem Bindegewebe in Zusammenhang, sie liegt einfach der ventralen Oberfläche des Körperknorpels an als eine wulstartige Verdickung des Perichondriums. jj Die Bogenhälften sind an der Stelle, wo die hypochordale Spange mit( ihnen zusammenhängt, am stärksten und bilden hier eine Vorragung, die j als Spur einer Rippenanlage gedeutet werden kann. Der eigentliche Neural- 1 bogen ist sehr schmächtig angelegt, als dünne Platte dorsal- und lateral- j wärts vom Körper abgehend. Die geringe Mächtigkeit desselben ist um so | auffallender, als nicht nur die benachbarten Halswirbel, sondern auch der ; cranialwärts sich anschliessende Abschnitt des Occipitalskeletes bedeutend mächtigere Seitentheile zeigen. Eine Abweichung des Bogentheiles im ge- sammten Occipitalskelet gegenüber den Halswirbelanlangen besteht in der Abwesenheit der interprotovertebralen Arterien sowie ihrer longitudinalen Anastomose. Auch die Gliederung des Bogens auf dem Querschnitt, die sich an den Halswirbeln stark entwickelt zeigte, fehlt, die Musculatur liegt ihm als einheitliche Gruppe beiderseits an. | Wie die Knorpelanlage im Körperbezirk, so steht auch das Gewebe | der Bogen in continuirlichem Zusammenhang vom Occipitalwirbel in den ! Zur Entwickelungsgeschichte der Wirbelsäule. 101 scheinbar ungegliederten Abschnitt des Occipitalskeletes hinein. Wie sich aber gleichwohl die Grenze beider Bestandtheile an der Knorpelanlage durch eine Einziehung der Oberfläche kenntlich macht, so wird sie im Bogenbezirk markirt durch den Austrittskanal des caudalwärts letzten Occipital-Spinal- nerven. Das zeigt besonders deutlich der Sagittalschnitt Big. VI, 3. Die craniale Begrenzung des Bogens des Occipitalwirbels ist hier in scharfer Weise durch diesen Nerven gegeben; lateral- und medialwärts neben dieser Schnittebene ist sie eine weniger scharfe. Doch bleibt auch hier die Ab- grenzung dadurch gesichert, dass das Gewebe im Bogentheil des Occipital- wirbels etwas dichter ist, als in dem cranialwärts sich anschliessenden Abschnitt des Occipitalskeletes. Innerhalb dieses letzteren ist eine Gliederung gar nicht nachzuweisen, so wenig wie innerhalb der Knorpelanlage des zu- gehörigen Körperbezirkes. Für die Annahme, dass dasselbe gleichwohl durch die Verschmelzung einer Anzahl von Wirbelbogen entstanden sei, lassen sich nur die drei occipitalen Spinalnerven geltend machen. Dieselben durchsetzen den Seitentheil in gesonderten Kanälen und vereinigen sich erst in ihrem ferneren Verlauf zur Bildung des Hjpoglossus. Fig. VI, 3 zeigt, dass die drei Nerven nicht gleich stark sind, sondern dass sie°cramW wärts an Stärke abnehmen und dass auch die Abstände zwischen ihnen sich verringern. Dieselbe Erscheinung der allmähligen Abnahme nach dem cranialen Ende zu macht sich aber auch am Oecipitalskelet selbst geltend und zwar sowohl im Körperbezirk wie auch im Bogentheil. Beide Bestand- theile erscheinen auf Sagittalschnitten (Figg. VI, 1 bis 3) nach dem Kopf- ende zu keilförmig verjüngt. Die Knorpelanlage des Körperbezirkes endet auf diese Weise zugeschärft in einer transversalen Ebene, welche noch 1 . 7 mm von dem cranialen Ende der Chorda dorsalis, und 1.9“"“ von der hinteren Wand der Hypophysentasche entfernt ist. Auf dieser ganzen Strecke ist noch kein Knorpelgewebe vorhanden und die Schädelbasis besteht lediglich aus perichordalem Bindegewebe, welchem sich dorsalwärts die primitive Dura mater mit der Art. basilaris, ventralwärts die Schlundwand anlegt. Der Seitentheil des Occipitalskeletes findet seine craniale Begrenzung durch die Nachbarschaft der Labyrinthblase; an deren bindegewebige Kapsel keil- förmig veijüngt herantretend, umfasst er sie an ihrer medialen und cau- ' dalen Wand, und erhält dadurch ganz wesentlich seine Gestalt. In trans- versalen Ebenen, die caudalwärts von der Gehörkapsel liegen, greift er lateralwärts beträchtlich aus (Fig. V, 1) und bedingt so die Breite des ' Schadeigrundes; weiter cranialwärts macht er der Gehörkapsel Platz und j verjüngt sich zu einem schmalen Streifen zwischen ihr und dem knorpeligen : Körperstück. Am cranialen Ende des letzteren geht das Gewebe des Seiten- theiles continuirlich in das oben erwähnte perichordale Bindegewebe über welches vorläufig noch den vorderen Theil der Schädelbasis bildet. 102 August Fhoriep: Rindsembryo YII. Körperlänge 17*0™“. (Taf. II, Fig. VII.) Der Embryo steht den vorhergehenden Embryonen V und VI in seinem allgemeinen Entwickelungszustand noch sehr nahe. Der grösste Durchmesser des embryonalen Körpers findet sich, in der übereinstimmenden Länge von 17““, sowohl zwischen Nacken- und Steisshöcker, wie auch zwischen Mittel- hirn und Steisshöcker. Der Embryo wurde in eine sagittale Schnittserie zerlegt. Ich bilde unter Fig. VII, 1 bis 3 drei Schnitte aus derselben ab und gebe dazu im Holzschnitt eine durch Construction gewonnene Frontalprojection des in Untersuchung stehenden Abschnittes der Wirbelsäule; die Lage der drei einzeln abgebildeten Schnitte ist in das Projections- bild eingetragen. Bei der Construction habe ich das frontale Coordinatensystem nicht für jede Wirbelanlage besonders errichtet, wie bei Embryo VI, sondern entsprechend der geringeren Nackenkrümmung wurde, das Constructionsfeld nur in drei Abschnitte ge- theilt, einen für die Occipitalregion, einen für den ersten und zweiten, und einen für den dritten und vierten Halswirbel. Die Wirbelsäule befindet sich noch in der oben als üebergangszustand bezeichneten Periode ihrer Entwickelung. Jedoch ist der Abschluss dieser Periode und der Eintritt in den definitiven Zustand vorbereitet da- durch, dass die Bildung von Knorpelgewebe in den Bogenhälften begonnen hat. Was zunächst die Chorda dorsalis anlangt, so ist ihre histologische Beschaffen- heit die gleiche wie bei Embryo VI, nur ist von einer Lösung des Zellenstranges von der Innenfläche der Scheide hier nichts zu be- merken, im Gegentheil, die Zellen scheinen mit der Scheide innig verbunden und füllen dieselbe prall aus. Die Grenzen der Zellen stehen nicht einfach transversal, sondern überall nach der Axe des Zellenstranges zu schräg cranialwärts geneigt, als ob die Axe des Stranges ein wenig cranialwärts verschoben wäre. Die Einschnürungen der Chorda sind viel deutlicher als bei Embryo VI; Holzschnitt zu Fig. YII. Frontalprojection aus dersagittalen Schnittserie. Vergr.20fach. Die be- zeichneten drei Schnitte siehe auf Taf. II. Bindegewebige Theile sind mit punktirter, knorpelige Theile mit voller Contour umzogen. Zur Entwickelungsgesschichte der Wikbelsäule. 103 sie liegeu regelmässig in der iiitervertebralen Bandscheibe, der sagittale Durchmesser beträgt an dieser Stelle ungefähr 0-04"“", in der Mitte der Wirbelkörper dagegen beträgt er ungefähr O-ÜS™“ Der knorpelige Wirbelkörper ist nur wenig gewachsen, im trans- versalen Durchmesser erscheint er sogar kleiner als in den beiden vorher- gehenden Embryonen. Dagegen ist seine Begrenzung eine noch bestimmtere als dort, die als Perichondrium zu bezeichnende Grenzschicht eine mächtigere. Die Producte des primitiven Wirbelbogens sind jetzt noch ent- schiedener gesondert als früher. Der perichordale Theil ist zum Lig. inter- vertebrale geworden, welches in seiner peripherischen Zone bereits eine longitudinale Faserung erkennen lässt. Die hypochordale Spange steht zwar mit dem ventralen Rande der intervertebralen Bandscheibe noch in Berührung, ist aber histologisch von ihr gesondert, da im Gegensatz zu der faserigen Zerklüftung der Bandscheibe, die Spange noch wie früher lediglich dicht zusammengedrängte Kerne erkennen lässt. Der Zusammenhang der Spange mit den Bogenhälften ist noch der gleiche wie früher, auch zeigt das an die Spange zunächst sich anschliessende ventrale Bogenstück (das Aequivalent einer Rippenanlage) dieselbe un- veränderte histologische Beschaffenheit wie die Spange. Anders steht es mit dem dorsalen Bogenstück (dem eigentlichen Neuralbogen), welches mit dem ventralen Stück zwar in Continuität steht, aber doch deutlich von demselben gesondert ist theils durch die zwischen beiden verlaufende Anasto- mose der Interprotovertebralarterien (Art. vertebralis), theils dadurch, dass die Gewebsbrücke zwischen beiden eine sehr schmächtige ist. Im Inneren des dorsalen Bogenstückes hat die Umwandlung des primitiven Bogen- gewebes in hyalinen Knorpel ihren Anfang genommen, und zwar nicht an einem einzelnen Punkt, sondern beinahe in der ganzen Ausdehnung des Bogenstückes, vom Körper ab gerechnet lateral- und dorsal wärts auf einer Strecke von ungefähr 0 • 4 In diesem Bereiche liegen die Kerne im Inneren des Bogenstückes nicht mehr so dichtgedrängt wie früher, zwischen den rundlichen Kernen finden sich zahlreiche halbrunde oder eckige Kerne ein- gestreut, an manchen Kernen sind halbmondförmige Zellenleiter wahr- zunehmen und zwischen denselben liegt noch eine sehr spärliche, im Carmin ungefärbt gebliebene Grundsubstanz. . Dieses junge Knorpelgewebe des Bogens steht mit dem Knorpel des Wirbelkörpers bereits in Berührung, ich habe jedoch den Eindruck, dass seine Entstehung nicht auf einer Wuche- rung des Körperknorpels beruht, sondern auf einer Umwandlung des Bogen- gewebes, welche gleichzeitig auf der ganzen Strecke vor sich geht. Die bisherigen, aus der Untersuchung des dritten bis sechsten Hals- wirbels genommenen Anschauungen treffen auch für den zweiten Hals- 104 August Ekoriep: Wirbel durchaus zu, seine einzige Abweichung von den caudalen Nach- barn besteht in einer bedeutenderen Länge des knorpeligen Wirbelkörpers. Etwas mehr weicht der erste Halswirbel ab. Der longitudinale Durchmesser des Körpers ist beträchtlich kleiner, der transversale ein weniges grösser als im zweiten Halswirbel. Die Hauptabweichung aber be- trifft die Knorpelanlage im Bogen. Zwar ihre Beschaffenheit ist die gleiche wie in den Bogen der übrigen Wirbel, nicht aber ihre Lage. Der Bereich der Knorpelbildung im Bogen des ersten Halswirbels reicht nicht bis an den Körperknorpel heran, sondern bleibt 0*2™™ von diesem entfernt. Da in allen übrigen Beziehungen der Bogenknorpel im ersten Wirbel mit den entsprechenden Bildungen in den benachbarten Wirbeln übereinstimmt, also eine zweifellos homologe Anlage repräsentirt, so darf sein von dem Körperknorpel vollständig unabhängiges Auftreten wohl im Allgemeinen als Beweis für die Selbständigkeit der Knorpelanlagen des Wirbel- bogens betrachtet werden. Das Occipitalskelet lässt auch bei dem vorliegenden Embryo, wenn auch wiederum weniger deutlich, den Occipitalwirbel noch unterscheiden von dem cranialwärts sich anschliessenden, scheinbar ungegliederten Abschnitt. Dass die Rückbildung des Occipital wirb eis und sein Aufgehen in dem einheitlichen Occipitalskelet fortschreitet, ist schon daran zu erkennen, dass die hypochordale Spange, die bei den Embryonen V und YI noch deutlich vorhanden war, jetzt im mittleren Gebiet ganz verschwunden ist. Der knorpelige Körper ist durch eine Einziehung der Oberfläche noch abgesetzt, welche zu beiden Seiten tiefer eingreift als auf der dorsalen und ventralen Fläche. Die Lücke, die seitlich dadurch entsteht, ist von dem Bogengewebe ausgefüllt. Denn die Bogenhälften bestehen hier in ganz unveränderter Weise fort, nur die hypochordale Spange ist geschwunden. Der Bogen greift lateralwärts weit aus, und auch dorsalwärts hoch hinauf zwischen die Ganglien des ersten Cervicalnerven und des Hypoglossus. Eine Umwand- lung in Knorpelgewebe kann ich in diesem occipitalen Wirbelbogen nicht nachweisen, derselbe besteht überall noch aus dem primitiven Bogengewebe, charakterisirt durch die ausserordentliche Dichtigkeit der Kerne und die tiefe Karminfärbung. Der Zusammenhang der Bestandtheile des Occipitalwirbels mit den ent- sprechenden Bezirken des scheinbar ungegliederten Occipitalskeletes zeigt nichts Neues. Der Entwickelungszustand der Occipitalregion ist über- haupt kaum verändert im Vergleich zu den Embryonen V und VI, sogar die Dimensionen der Theile sind nahezu die gleichen. Auch die keilförmige Verjüngung des Occipitalskeletes nach dem Kopfende zu besteht in un- veränderter Weise fort und desgleichen auch die Beziehungen zu der be- nachbarten Gehörkapsel. Zur Entwickeluxgsgeschichte der Wirbelsäule. 105 Rindsembr3^onen YIII und IX. Körperlänge 18*5“™. (Taf. III, Figg. VIII und IX.) Die beiden Embryonen sind hinsichtlich ihres Entwickelungszustandes nahezu identisch und können daher in der Besprechung zusammengefass werden. Der grösste Durchmesser liegt zwischen Mittelhirn- und Steiss- höcker und beträgt 18-5™“; der Durchmesser zwischen Nacken- und Steiss- höcker ist aber beinahe eben so gross, er beträgt 18 -O“™, die Nacken- krümmung ist demnach im Vergleich zu Embryo VII nur sehr wenig vermindert. Ueberhaupt bieten die Objekte noch den embryonalen Typus dar, in dem Sinne, welcher diesem Ausdruck von His (14. II. S. 44) ge- geben worden ist; und zwar entsprechen sie nach ihrem allgemeinen Ent- wickelungszustand ungefähr den menschlichen Embryonen aus der Mitte des zweiten Monates, welche His a. a. 0. S. 53 abbildet. Embryo VIII wurde in eine sagittale Schnittserie zerlegt, aus welcher ich vier Schnitte unter Figg. VIII, 1 bis 4 einzeln abbilde; die Lage der- selben ist in dem Projektionsbilde des Holzschnittes (s. folg. S.) eingetragen. Bei der Herstellung dieser Frontalconstruction wurde das Constructionsfeld in fünf Abschnitte getheilt, derart, dass die Projectionsebene sowohl für die Occipitalregion als für jede der vier ersten Halswirbelanlagen eine besondere, genau der jeweiligen Richtung der Körperaxe parallele ist. Die Schnitt- ebene des Embryo IX trifft die Wirbelsäule im Bereich des zweiten bis vierten Halswirbels als eine rein frontale; ich bilde aus dieser Serie zwei sich ventro-dorsal folgende Schnitte ab unter Figg. IX, 1 und 2. Die Wirbelsäule der vorliegenden Objekte befindet sich nicht mehr in der oben als Uebergangszustand bezei ebneten Periode ihrer Entwickelung, wie sich diese bei den Embryonen IV bis VII darstellte. Man kann aber auch nicht sagen, dass der definitive Entwickelungszustand- bereits erreicht wäre. Darin, dass sich als Grundlage des Wirbels jetzt ein einheitliches, aus Körper und Bogen bestehendes Knorpelstück vorfindet, spricht sich aller- dings der wesentlichste Charakterzug des definitiven Zustandes aus; derselbe wird aber gestört durch das Nochvorhandensein der hypochordalen Spange, eines gerade für die primitive Anordnung charakteristischen Bestandtheiles. Erst wenn diese geschwunden, die Bogenhälften aber wie im dorsalen so auch im ventralen Bogenstück knorpelig geworden wären, erst dann würde die definitive Anordnung des Axenskeletes erreicht, in dem fertigen Knorpel- wirbel zugleich die Grundlage für den später in ihm entstehenden Wirbel- knochen gegeben sein. Immerhin ist in den vorliegenden Embryonen durch die Herstellung des einheitlichen, aus Körper und Bogen bestehenden Knorpelstückes der entscheidende Schritt zur Erreichung dieses Zieles gethan. Die Chorda dorsalis zeigt in beiden Embryonen Merkmale der be- 106 xiUGUST Frobiep: ginueiiden Rückbildung. Der Zellenstrang erscheint, wenigstens im Bereich der Halswirbelsäule, innerhalb der Scheide gelockert und füllt als unregel- mässig geschrumpfter Faden das Lumen derselben nicht mehr aus. Die Chordascheide selbst ist unerheblich dünner geworden, so dünn, dass sie strecken- weise überhaupt nicht mehr wahrnehmbar ist. Das trifft namentlich für die Wirbel- körper zu, so dass in diesen nun der so- genannte Chordakanal (Dursy) hergestellt ist, d. h. ein röhrenförmiger Hohlraum, dessen Wand durch das Knorpelgewebe des Wirbelkörpers gebildet wird, und in dessen Lumen die Chorda verläuft ohne dasselbe auszufüllen. Die Einschnürungen des Chordastranges finden sich noch im Allgemeinen in der Höhe der inter- vertebralen Bandscheiben, doch weniger regelmässig als bei Embryo YII. Die Durch- messer des Stranges wechseln in allmäh- lichem Uebergang zwischen ungefähr 0 • 055 in den Wirbelkörpern und 0 • 025 in den Bandscheiben. Innerhalb der Occipitalregion ist die Chorda noch ziemlich unverändert erhalten, die Chorda- scheide deuthch und von dem Zellen- strang prall ausgefüllt. Der knorpelige Wirbelkörper ist im Vergleich zu seinem Verhalten im Embryo VII beträchtlich gewachsen, hat aber seine Gestalt im Wesentlichen beibehalten. Die ventral und lateral um ihn her laufende Einziehung, welche durch die Anlagerung des primitiven Wirbel- bogens bedingt war, ist noch sehr deut- lich vorhanden und noch weiter caudal- wärts gerückt als in den jüngeren Em- bryonen, sodass sie, wenigstens an der ventralen Fläche und in der Nähe der Medianebene ungefähr die Mitte des Wirbelkörpers einnimmt. Hier liegt nun in dieser Einziehung die hypochordale Spange, in ihren Durchmessern zwar reducirt im Vergleich mit Embryo VII, aber doch Holzschnitt zu Fig. VIII. Frontalpi’ojection aus der sagitt. Serie construirt. Vergr. 20 fach. Als Ventralansicht behandelt. Linker- hand sind nur die knorpeligen Theile abgebildet; rechts die bindegewebigen punktirt, sowie die Lage der Spinal- nerven und der A. vertebralis angegeben. l' ' ' . J . -w ' . Zur Entwickelungsgeschichte der Wirbelsäule. 107 noch wohl erhalten und lateral wärts in continuirlicher Verbindung mit den Bogenhälften. Und, was nun sehr bemerkenswerth ist, es findet sich in der Nähe der Medianebene eine Gegend in der hypochordalen Spange, wo das Gewebe derselben, welches im Allgemeinen immer noch das beschrie- bene, dichtkernige und leicht karminisirbare Gewebe des primitiven Bogens ist, eine Veränderung zeigt, ähnlich der zur Knorpelbildung führenden Ver- änderung in den Bogenhälften des Embryo VII. Nicht als ob ein wohl- entwickeltes, scharf begrenztes Knorpelstückchen hier länge, wie der Holz- schnitt fälschlicher Weise glauben machen könnte. Um es im Holzschnitt überhaupt anzudeuten, musste ich mir diese Schematisirung gestattem In Wahrheit ist es eine geringfügige Modificirung des Gewebes, am deut- lichsten in der Axe des Stranges, nach der Oberfläche dagegen, sowie auch lateral wärts, ohne scharfe Grenze auf hörend. In diesem beschränkten Ge- biet liegen die Kerne etwas weniger dicht, zeigen theil weise eigenthümlich eckige Formen und scheinen von einer spärlichen Substanz umflossen, welche wenig Karmin gebunden hat und dadurch zuerst die Aufmerksamkeit auf die Stelle hinlenkt. In den Bo gen hälften hat sich die aus der Beschreibung des Em- bryo VII bekannte Knorpelanlage im dorsalen Bogenstück kräftig weiter entwickelt und steht nun auch mit dem Knorpel des Wirbelkörpers in ganz continuirlicher Verbindung. Die Sagittalschnitte des Embryo VIII können über diese letztere Be- ziehung Zweifel bestehen lassen, weil Schnitte, wie der in Eig. VIII, 2 ab- gebildete, obwohl er schon tief im Wirbelkörper liegt, doch noch eine peri- chondrale Schicht zeigt, durch welche sich das Gewebe des Bogenknorpels im umgebenden Knorpel des Körpers abgrenzt. Die Frontalschnitte des Embryo IX geben hier besseren Aufschluss. Wie Eig. IX^ 2 zeigt, ist das Gewebe des Bogens und des Körpers in der That continuirlich, nur ein Stück weit greift auf der Grenze beider eine dünne Schicht des perichondralen Bindegewebes hinein, welche noch auf die ursprüngliche Selbständigkeit der beiden Bestandtheile hindeutet. Das knorpelige Bogenstück stellt im Wesentlichen noch einen cy lindrischen Stab dar, der lateral- und ein wenig dorsal wärts von der cranial-dorsalen Ecke des Körperknorpels abgeht. Da wo er zwischen den Spinalnerven eingeschlossen liegt, zeigt er eine geringe Abplattung im longitudinalen Durchmesser, weiter lateralwärts schwillt er ein wenig an und endet mit einer dorsal- und caudal wärts vortretenden Verdickung, entsprechend der Gegend, wo sich später die Gelenkfortsätze bilden. Ausser diesem scharf begrenzten dorsalen Bogensück findet sich in den Bogenhälften kein Knorpelgewebe. Speciell das ventrale Bogenstück, wel- ches seinerseits auch kräftig gewachsen ist zu einer lateral- und caudal- 108 August Froriep: wärts beträchtlich ausgreifenden Platte, besteht noch durchaus aus dem beschriebenen kernreichen Bindegewebe des -primitiven Wirbelbogens. Zwischen dem ventralen und dem dorsalen Bogenstück verläuft die jetzt beträchthch entwickelte, longitudinale Anastomose der Interprotovertebral- arterien, und dadurch, dass das Bogengewebe sowohl medial wie lateral neben dieser Anastomose vom ventralen zum dorsalen Bogenstück durch- greift, kommt dieselbe in eine Oeffnung der Bogenhälfte, ein primitives For. transversarium, zu liegen. Dass diese Anastomose zur Art. vertebralis wird, habe ich schon bei der Besprechung jüngerer Embryonen mehrfach er- wähnt; in dem Embryo VIII ist ihre Entwickelung so weit vorgeschritten, dass man ihr wohl bereits ihren definitiven Namen geben darf. Die Inter- protovertebralarterien sind zu Intervertebralarterien geworden und gehen als kleine Seitenäste aus dem starken, longitudinalen Gefäss ab. Die cranial- wärts letzte derselben, welche dem ersten Cervical-Spinalnerv und dem Occipitalwirbel zugehört, bildet nun die Fortsetzung jenes Gefässes; sie zieht cranialwärts weiter und gelangt an die dorsale Fläche des Occipitalskelets zur Bildung der Art. basilaris. Der zweite Halswirbel stimmt mit dem geschilderten Verhalten der übrigen Halswirbel in Allem überein, nur dass die hypochordale Spange mächtiger ist als bei jenen, wie ein Blick auf den Holzschnitt und auf Fig. VIII, 1 bestätigt. Auch ist die beschriebene und als Beginn einer Knorpelbildung gedeutete Gewebsdifierenzirung in der Mitte der Spange sowohl deutlicher wie auch etwas umfangreicher als in den caudalwärts benachbarten Anlagen. Sonst ist die Uebereinstimmung eine vollständige. Merklichere Abweichungen bietet die Anlage des ersten Halswirbels. Zunächst ist die Mächtigkeit der hypochordalen Spange eine noch beträcht- lichere als schon im zweiten Wirbel, die Durchmesser derselben betragen: Sagittal. erster Halswirbel 0-28“"^ zweiter „ 0 • 2 „ dritter „ 0 • 1 6 „ LoügitudiEal. 0-32“™ 0-28 0-2 jy Auch das Gebiet der knorpeligen Gewebsumwandlung innerhalb der Spange ist noch umfangreicher, es dehnt sich lateralwärts bis in die Ebene des unter Fig. VIII, 2 abgebildeten Sagittalschnittes aus, stellt also, wenn man es in schematisch scharfer Abgrenzung einzeichuet, wie es im Holz- schnitt zu Fig. VIII geschehen ist, auch wieder eine transversal gestellte Spange dar. Von dem Knorpelstück im dorsalen Theil der Bogenhälfte bleibt dieselbe aber noch weit entfernt, den Zusammenhang bildet hier, wie in der Bogenhälfte überhaupt das primitive Bogengewebe. In der Selbständigkeit und isolirten Lage des Knorpels im dorsalen Bogenstück, Zur Entwickelungsgeschichte der Wirbelsäule. 109 auch gegenüber dem Knorpel des Wirbelkörpers, besteht die wesentlichste Abweichung des ersten Halswirbels von den caudalwärts folgenden. Dieser Knorpel hat sich, im Vergleich zu dem Befunde bei Embryo VII kräftig entwickelt und stellt einen im longitudinalen Durchmesser etwas com- primirten, dorsalwärts hoch hinaufgreifenden Knorpelstab dar, dessen Form und Dimensionen aus dem Sagittalschnitt Fig. VIII, 4 und aus den Erontal- schnitten Figg. IX, 1 und 2 zu ersehen sind. Dass er in keinem Zu- sammenhang mit dem knorpeligen Wirbelkörper steht, könnte bei der Untersuchung der sagittalen Schnittserie zweifelhaft bleiben, es geht aber mit Bestimmtheit aus der frontalen Serie des Embryo IX hervor. Die grösste Annäherung zwischen dem Knorpel des Bogens und dem Körper- knorpel findet sich hier in dem Schnitte, welcher dem in Fig. IX , 1 ab- gebildeten ventralwärts vorausgeht. Aber auch an der Stulle der grössten Annäherung beträgt der Abstand beider immer noch 0*2““, und der Zwischenraum ist von dem primitiven Bogengewebe ausgefüllt. Der knorpelige AVirbelkörper des ersten Halswirbels ist in allen Di- mensionen gewachsen, und zwar in allen ziemlich gleichmässig, sodass er im Ganzen die gleiche Gestalt zeigt wie früher. Im Medianschnitt ist er beträchtlich weniger hoch als zu beiden Seiten. Die durch das Anliegen der hypochordalen Spange bedingte Einziehung des cranialen Theiles ist, der bedeutenderen Mächtigkeit der Spange entsprechend, am ersten Wirbel stärker als an den übrigen. Das Gewebe der hypochordalen Spange steht, wie in allen Wirbelanlagen, mit dem perichordalen Theil des primitiven Wirbelbogens in Zusammenhang. Da dieser Theil sich hier nicht zum Lig. intervertebrale differenzirt hat, ist der Zusammenhang gleichmässiger als in den anderen Wirbelanlagen, wo die Längsfasern jenes Ligamentes einen Abschluss bilden. So kommt es, dass der craniale Theil des ersten Wirbelkörpers noch wie in den jüngeren Embryonen an seiner ganzen Oberfläche von primitivem Bogengewebe umgeben ist. Dasselbe nimmt nach dem Occipitalskelet an Dichtigkeit ab, steht aber mit dem Peri- chondrium desselben in continuirlichem Zusammenhang. Im Occipitalskelet lässt sich der Occipitalwirbel und der scheinbar ungegliederte Abschnitt auch jetzt noch unterscheiden. Im mittleren Gebiet freilich nicht mehr; der Medianschnitt (Fig. VIII, 1) und die nächstbenach- barten Schnitte zeigen einen durchaus einheitlichen Basilarknorpel von reich- lich 2 ““ Länge. Bereits in der in Fig. VIII, 2 wiedergegebenen Ebene ist dagegen auch im Basilarknorpel die Grenze noch angedeutet durch eine Ein- ziehung der dorsalen und der ventralen Oberfläche des Knorpels und durch eine der ventralen Einziehung anliegende Verdickung des Perichondriums welche lateral wärts mit dem Gewebe des Bogens zusammenhängt. Sehr be- stimmt endlich ist die Scheidung gegeben im Bogengebiet, und zwar da- 110 August Froriep: durch, dass der Bogen des Occipitalwirhels knorpelig ist, die Bogenaequi- valente im cranial vvärts sich anschliessenden Abschnitte dagegen noch aus dem dichtkernigen, leicht carminisirbaren Geweben bestehen, welches oben als das primitive Bogengewebe bezeichnet worden ist. Dass der knorpelige Bogen des Occipitalwirhels dem dorsalen Bogen- stück der Halswirbel homolog ist, geht aus seiner Beziehung zum Körper- knorpel hervor. Er tritt nämlich an diesen von der dorsalen Seite her, gerade auf der Grenze zwischen dem Körper des Occipitalwirhels und dem cranialwärts sich anschliessenden Theil des Basilarknorpels heran. In der Gegend der Vereinigung, d. h. auf dem in Eig. YIII, 3 abgebildeten und den benachbarten Schnitten, sind die drei Bestandtheile innerhalb der Knorpel- masse durch die Stellung der Zellen und das oberflächliche Eingreifen des Perichondriums deutlich zu unterscheiden, der Knorpel des Bogens bildet einen [dorsal wärts gerichteten Buckel. Weiter lateral wärts , wo er aus der Körpermasse frei hervortritt, stellt er zunächst noch einen etwas compri- mirten Knorpelstab, ähnlich den knorpeligen Bogenstücken der Halswirbel dar, erst in der Gegend, welcher die Fig. VIII, 4 entnommen ist, verbreitert er sich und greift als umfängliche Knorpelplatte zwischen die Ganglien des ersten Halsnerven und des Hypoglossus hinauf. Seine caudale Ober- fläche ist frei, d. h. nur von einer perichondralen Gewebsschicht überzogen, an seine craniale Fläche dagegen schliesst sich unmittelbar der noch nicht verknorpelte Bogentheil des scheinbar ungegliederten Occipitalskelets. Auf der Grenze beider tritt die caudale Wurzelgruppe des Hypoglossus durch, weiter cranialwärts in gesonderten Canälen die mittlere und die vordere Gruppe. Durch diese drei Hypoglossus wurzeln, welche ja drei occipitale Spinalnerven repräsentiren, ist noch eine Andeutung der Gliederung im vorderen Abschnitt des Occipitalskelets gegeben, aber auch nur durch diese. In der Umgebung davon und weiter cranialwärts flndet sich eine ganz gleichmässige Binde- gewebsplatte, welche die knorpelige Grundlage des Occipitalskelets continuir- lich ergänzt, den cranial-lateralen Rand des letzteren bildet und als solcher die Vagusgruppe sowie, weiter cranialwärts, die Gehörkapsel theilweise um- fasst. Diesen beiden Nachbargebilden entsprechen die zwei concaven Ein- ziehungen, welche der Rand des Occipitalskelets in der Frontalprojection (Holzschnitt zu Fig, VIII) zeigt. Der vordere Theil des Basilarknorpels, in dem Umfange als dieser zwischen den beiderseitigen Gehörkapseln in der Mitte liegt, ist, wie sich ebenfalls aus der Projection ergiebt, sehr schmal. Am vorderen Ende hört er nicht in einer scharfen Grenze auf, sondern un- bestimmt. Im Medianschnitt (Fig. VIII, 1) reicht der Knorpel an der dor- salen Seite der Chorda etwas weiter als an der ventralen und verliert sich dann rings um die Chorda her in ein Gewebe wie es sich im Verlauf der Untersuchung wiederholt an Stellen fand, wo später Knorpelgewebe auftritt. ZuB Entwickelungsgeschichte deb Wibbelsäule. 111 und welches deshalb wohl als vorknorpeliges Gewebe bezeichnet werden kann. Dasselbe geht cranialwärts allmählich in dichtkerniges Bindegewebe über, welches vorläufig noch fast ausschliessfich die Schädelanlage zu- sainmensetzt. Die Charaktere des hyalinen Knorpels bieten zunächst nur die beschriebenen Knorpeltheile im Occipitalskelet deutlich dar. Rindsembryo X. Körperlänge 22-5"^"^. (Taf. m, Fig. X.) Der Embryo zeigt gegenüber den zuletzt besprochenen Embryonen einen bedeutenden Fortschritt des allgemeinen Entwickelungszustandes. Er sollte streng genommen nach der von His (14. II. S. 44) praecisirten Ter- minologie überhaupt nicht mehr Embryo, sondern Eoetus genannt werden, da die Configuration des Gesichtes vollendet, die Extremitäten gegliedert und der Habitus des Rindsfoetus kenntlich erscheinen. Er steht aber dem Beginne der foetalen Periode noch sehr nahe, da dieser nach dem mir vorliegenden Materiale zu urtheilen, beim Rinde in eine Zeit fällt, wo die Körperlänge ungefähr 20 beträgt. Die Nackenkrümmung geht in dieser Zeit merklich zurück, wodurch der grösste Körperdurchmesser vom Nacken- höcker, welcher mehr und mehr schwindet, in den Mittelhirnhöcker verlegt und zugleich stärker vergrössert wird, als dem Wachsthum an und für sich entsprechen würde. Er beträgt bei dem zur Untersuchung stehenden Object 22*5™“. Der Embryo wurde hinter der Vorderextremität quer durchtrennt und das Kopfstück sodann in eine rein sagittale Schnittserie zerlegt, aus welcher ich vier Schnitte unter Figg. X, 1 — 4 einzeln abbilde. Die Gesammt- gestalt des uns interessirenden Skeletabschnittes ist aus dem umstehenden Holzschnitt zu ersehen, in welchem auch die Lage jener Schnitte angegeben. Derselbe stellt eine durch Projection auf die Erontalebene gewonnene Yen- tralansicht dar, bei deren Herstellung das Constructionsfeld in drei Ab- schnitte je mit besonderer, genau frontaler Projectionsebene getheilt war; ein Abschnitt umfasst die Occipitalregion, einer den ersten und zweiten Halswirbel, und einer den dritten Halswirbel. Die Ansicht zeigt diese Skelettheile demnach so, als ob die Körperaxe in eine gerade Linie gestreckt wäre. Der Entwickelungszustand der Wirbelsäule ist jetzt unzweifelhaft als der definitive zu bezeichnen: die hypochordale Spange ist geschwunden, das Lig. intervertebrale scharf begrenzt, und der Wirbel stellt eine aus Körper und Bogen bestehende Knorpeleinheit dar, innerhalb deren durch Ver- grösserung der Knorpelzellen die Centren späterer Knochenbildung bereits angedeutet sind. 112 August Feokiep: Die Chorda dorsalis zeigt im Weseutlichen noch dasselbe Verhalten wie in den Embryonen VIII und IX. Wo sie von Knorpel umgeben ist, da kann die Chordascheide nicht mehr mit Bestimmtheit unter- schieden werden, der Zellenstrang der Chorda liegt hier innerhalb eines vom Knorpelgewebe selbst begrenzten Canales, und zwar gilt dies für den Occipitalknorpel so gut wie für die Wirbelkörper. In den intervertebralen Band- scheiben ist die Chordascheide noch erhalten, am deutlichsten erscheint sie in dem interverte- bralen Raum zwischen erstem Halswirbel und Occipitale. Hier füllt auch der Zellenstrang zum Unterschied von seinem Ver- halten in den Zwischenwirbel- scheiben, die Scheide noch prall aus, die Chorda hat sich also an dieser Stelle in einem früheren Ehtwickelungsstadium forterhal- ten. Im Occipitalknorpel und im Körper des ersten Halswirbels finden sich keine Anschwellungen der Chorda. Vom zweiten Hals- wirbel ab caudalwärts zeigt sie dagegen regelmässige Dicken- unterschiede, in der Art, dass die dünnsten Stellen (0«02““) in den Bandscheiben, die dicksten (0*055““) in der Körpermitte liegen. Ausser den letzteren An- schwellungen finden sich aber in jedem Wirbelkörper noch zwei Verbreiterungen geringeren Gra- des (0*035““), die ihre Lage am cranialen und am caudalen Holzschnitt zu Fig. X. Frontalprojection aus sagittaler Serie construirt, Ventralansicht. Vergr. 20fach. Linkerhand sind die Rippenanlagen und Spangenreste weggelassen, und durch horizontale Strichelung die Verknöche- rungszonen eingetragen. Rechts Rippenanlagen punktirt und die Lage der Nerven und der A. vertebralis angegeben. Ende des Wirbelkörpers, also in unmittelbarer Nachbarschaft der interverte- bralen Einschnürung haben und diese letztere noch augenfälliger machen. Zuli ENTVnCKELUNGSGKSClIICllTK DEK WiKHELSÄULE. 11.‘] Der Wirbel kör i)er ist, im Vergleich mit den zuletzt beschriebenen Embryonen vorzugsweise im sagittalen Durchmesser gewachsen. Die Ge- stalt ist nicht wesentlich verändert; die Medianschnitte Fig. Vlll, 1 und Fig. X, 1 zeigen in übereinstimmender Weise, dass die Knorpelmasse im caudalen Tlieil des Wirbelkörpers ventralwärts von der Chorda, im cranialen Theil dagegen dorsalwärts mächtiger ist. Das entspricht der oben wieder- holt erwähnten Verjüngung des cranialen Theils an seiner ventralen und lateralen Fläche, jener Verjüngung, welche durch die Lage der hypochor- dalen Spange bei den jüngeren Embryonen motivirt war. Ini vorliegenden Oljecte zeigt sich die hypochordale Spange nun zwar beträchtlich zurück- gel)ildet, besonders in der Nähe der Medianebene, aber ein Rest ist auch im Medianschnitt noch nachzuweisen an derselben Stelle, wo das Gebilde bei den jüngeren Embryonen lag, in inniger Verbindung mit dem ven- tralen Rand der Bandscheibe. Lateralwärts kann dieser Rest durchverfolgt werden bis in die Bogenhälften, und zwar rückt er auf diesem Wege, ebenso wie bei jüngeren Embryonen, allmählich etwas cranialwärts. Er geht ver- breitert in das Perichondrium der Bogenhälfte und zwar des ventralen Bogenstückes über. Denn dieses Bogenstück, welches bei den zuletzt be- schriebenen Embryonen noch bindegewebig war, d. h. aus dichtkernigem, leicht carminisirbaren Gewebe bestand, wie solches für den primitiven Wirbelbogen charakteristisch war, dieses ventrale Bogenstück ist jetzt auch knorpelig und steht sowohl mit dem Körper wie auch mit dem dorsalen Bogenstück in continuirlich knorpeligem Zusammenhang. Die Art. verte- bralis liegt in Folge dessen jetzt in einem allseitig von Knorpel umschlossenen For. transversarium. lieber die Gestalt der Bogenhälfte giebt der Holz- schnitt zu Fig. X nur eine unvollständige Anschauung, weil derselbe eben im Wesentlichen nur die frontale Contour, aber keine Modellirung der Ober- tläche enthält. Hier muss die Combination der Einzelschnitte zu Hülfe kommen, dann ergiebt sich, dass das dorsale 8tück (der eigentliche Wirbel- bogen) auch da wo es mit dem ventralen in knorpeligem Zusammenhang steht, sich doch deutlich abgrenzen lässt, und dass es bis in die Sagittal- ebene der durchtretenden Spinalnerven als rundlicher Arm lateral- und ein wenig dorsalwärts hinausgreift. Von da ab wird es mächtiger durch Ver- grösserung des longitudinalen Durchmessers, und da es sich gleichzeitig ein wenig caudalwärts neigt, so entsteht ein in das Niveau des nächstfolgenden AVirbels herabgreifender Fortsatz. Derselbe liegt mit seinem Ende dorsal- wärts über dem cranialen Rand des nächstfolgenden Bogens, beide stehen durch dichtes Bindegewebe mit einander in Verbindung, eine Syndesmose darstellend, welche an der Stelle des späteren Bogengelenkes liegt. In dieser Verbindung erreicht das dorsale Bogenstück sein Ende, denn der zwischen den Spinalganglien zur Umwölbung des Rückenmarkes hinaufgreifende Archiv f. A. u. Ph. 1886. Anat. Abthlg. g 114 August Feoriep: Bogenschenkel ist nur durch einen kleinen Höcker angedeutet, welcher mehr lateral- als dorsalwärts vortritt und als Stütze für Derivate der Muskelplatten functionirt. Das ventrale Bogenstück (Rippenaequi valent) besteht, wie er- wähnt, aus Knorpelgewehe, welches aber, entsprechend seiner späten Ent- stehung, sich auch als jünger kennzeichnet durch kleinere Knorpelzellen und unbestimmte Abgrenzung vom Perichondrium. Die Gestalt ergiebt sich ziemlich gut aus Vergleichung der drei Schnitte Figg. X, 2 bis 4. Der erste derselben hat die Wurzel der Bogenhälfte am Körper getroffen, der letzte liegt aussen, wo dorsales und ventrales Bogenstück schon wieder ge- trennt sind und letzteres als caudalwärts geneigte Platte schräg zwischen die Muskeln eingreift. Der mittlere der drei Schnitte (Fig. X, 3) hat den Canalis transversarius gestreift und zeigt einen Fortsatz im Längsschnitt, der sich in dieser Gegend aus dem Knorpel des ventralen Bogenstückes er- hebt und schwach gekrümmt, schräg ventral- und lateralwärts gerichtet den zum Longus capitis verschmelzenden Bestandtheilen der Muskelplatten zur Befestigung dient. Dieser Fortsatz kommt auch bei der Verknöcherung später wieder zur Ausbildung, und zwar am menschlichen Halswirbel so- wohl wie bei Wiederkäuern, als obere (craniale) Zacke des Proc. costarius. Die untere, caudal-laterale Zacke ist in der knorpeligen Anlage des vorliegen- den Embryo ebenfalls gegeben, und zwar durch den distalen Theil des ven- tralen Bogenstückes, welches, wie soeben erwähnt, schräg lateral- und caudal- wärts zwischen die Derivate der Muskelplatten eingreift. Die bisherige Schilderung galt für die Halswirbel im Allgemeinen unter specieller Beziehung auf den dritten und vierten, welche in den Ab- bildungen noch mit enthalten sind. Der zweite Halswirbel verhält sich im Wesentlichen ebenso, nur in einem Punkt weicht er ab: seine hypochor- dale Spange ist nicht in dem Grade zurückgebildet wie die der caudal- wärts folgenden Wirbel, im Gegentheil, die knorpelige Differenzirung, die bei dem Embryo VIII sich in den Spangen aller Wirbelanlagen angedeutet fand, hat in der Spange des zweiten Wirbels ein wohlbegrenztes Knorpelstück geliefert. Dasselbeist in der Medianebene am mächtigsten (Fig. X, 1), nach beiden Seiten verjüngt es sich spindelförmig und geht ohne scharfe Grenze in dunkler karminisirtes Gewebe über, durch welches es mit dem ventralen Bogenstück in Verbindung steht in derselben Weise wie die Spangenreste der übrigen Anlagen. In seinen Lagebeziehungen entspricht dieser Spangenknorpel jenen Resten durchaus. Er liegt an dem ventralen Rande der intervertebralen Bandscheibe, in deren Gewebe sich sein Perichondrium unmittelbar fortsetzt, und nimmt am Wirbelkörper die Einziehung der ventralen Oberfläche ein, in welcher auch bei jüngeren Embryonen die hypochordale Spange ihren Platz fand. Ein direkter Zu- Zur P^NTWICKELUNGSGBSCHICHTE DER WIRBELSÄULE. 115 samiiu'Jiliaiig dos Spuiigoiikiiorpels mit dem Knurpol des ÄVirbelkörpers l)esteht nicht. ln ganz anderer und wirklich tidgreifender ^\'eise weicht der erste Halswirbel von d^m allgemeinen Verhalten ab, und auch in dem Knt- wickelungszustand sind die Veränderungen im Vergleich mit dem Befunde bei den Embryonen VIII und IX, beträchtliche. Vielleicht die auftällendste derselben ist die Gestaltveränderung des Wirbelkörpers. AVährend bei jenen zuletzt beschriebenen Embryonen der Körper des ersten Halswirbels zwar breiter als die caudalwärts folgenden, sonst aber den- selben durchaus ähnlich war (Holzschn. z. Fig. VIII), zeigt sich derselbe jetzt (Holzschn. z. Fig. X) in seinem cranialen Theil kegelförmig verjüngt, im caudalen Abschnitt dagegen ganz beträchtlich verbreitert. Der Medianschnitt (Fig. X, 1) lässt von dieser Gestaltveränderung nichts vermuthen, vergleicht man ihn mit dem Medianschuitt Fig. VIII, 1, so scheint es, dass sich das in Rede stehende Skeletstück in allen Durchmessern ziemlich gleichmässig vergrössert hat, seine Beziehungen zu der Umgebung durchaus unverändert beibehaltend. Und so bleibt das Bild auch in den lateralwärts sich anschliessenden Sagittalschnitten. Erst 0*16™"^ von der Medianebene entfernt beginnt die Veränderung; der longitudinale Durchmesser nimmt von liier lateralwärts stetig ab , entsprechend der kegelförmigen Ver- jüngung des cranialen Theiles, und gleichzeitig tritt an der ventralen Fläche des caudalen Abschnittes ein Fortsatz auf (Fig. X, 2), welcher zwischen jenem verjüngten Theil und den Bestandtheilen des caudalwärts benachbarten Wirbels wie ein Gesims vorspringt. In einer Entfernung von 0-6™“ von der Medianebene ist von dem kegelförmig verjüngten Theile nichts mehr übrig, und von hier an setzt sich das Gesims dorsalwärts fort, derart dass es die Basis des Kegels an dessen lateralem Umfange vollständig umgiebt. Das Lig. intervertebrale zwischen erstem und zweitem Halswirbel ist noch wohl erhalten, und in seinem Bereich bleiben die Knorpelmassen der beiden Wirbelkörper infolgedessen in einem Abstande von ungefähr 0*08™™ durch übröses Gewebe von einander getrennt. Wo dagegen der verbreiterte Körper des ersten Halswirbels über das eigentliche Körpergebiet hinausreicht, da legt er sich den Bestandtheilen der zweiten Wirbelanlage innig an, nur durch eine dünne, ungefähr 0-02™™ messende Schicht perichondralen Ge- webes von denselben geschieden. Der in Fig. X, 2 abgebildete Schnitt ist gerade neben den seitlichen Rand der Bandscheibe gefallen, 0.36"^™ von der Medianebene entfernt, und zeigt die nahe Aiieinanderlagerung der beiden Wirbel. Auf diese Weise lagert sich der Körper des ersten Halswirbels auf alle Bestandtheile der ßogenhälfte des zweiten, auf den Spangenrest sowohl wie auf das ventrale und das dorsale Bogenstück. Von dem in Fig. X, 3 abgebildeten Schnitte ab lateralwärts, also von der Gegend ab, 116 August Feüriep: wo das Gesims sich dorsal vvärts wendet, um die Basis des kegelförmigen Theiles herum, erreicht dasselbe nicht mehr das ventrale, sondern nur das dorsale Bogenstück. Auf diesem aber ruht es bis in eine Entfernung von ü* 75“™ von der Medianebene, wo der Stamm des zweiten Gervical-Spinalnerven sich zwischen beide Bestandtheile drängt (s. d. Holzschn.). lieber diesen Nerven wölbt sich die Knorpelmasse des ersten Wirbelkörpers noch wie eine Console nach aussen (Fig. X, 4) und endigt hier in einem Abstande von 1 von der Medianebene, so dass der Körper des ersten Halswirbels in diesem verbreiterten caudalen Abschnitt eine Gesammtbreite von 2 erreicht. Die cranialwärts schauende Fläche des soeben als „Gesims“ beschriebenen Fort- satzes am ersten Wirbelkörper ist annähernd eben wie die Oberfläche einer zum Tragen bestimmten Console. Und zu der Function des Tragens bereitet sich ja der in Rede stehende Theil auch vor. Cranialwärts benachbart liegt seiner Oberfläche eine ganz entsprechend ebene Knorpelfläche in einem durchschnittlichen Abstand von 0 • 15 gegenüber, die caudalwärts schauende fläche des zu derselben Wirbelanlage gehörigen Wirbelbogens. In dem Embryo YIII bestand der Bogen des ersten Halswirbels nodi zum grösseren Theil aus dem oben als primitives Bogengewebe bezeichneten Gewebe; die hypochordale Spange zeigte im Inneren dieses' Gewebes eine Modificirung wie sie der Umwandlung in hyalinen Knorpel vorauszugehen pflegt; nur in dem dorsalen Bogentheil war ein Stück solchen Knorpels bereits vorhanden. In dem jetzt zur Untersuchung vorliegenden Embryo X dagegen besteht die hypochordale Spange in ihrem ganzen Umfänge aus Knorpel und steht nicht nur mit dem dorsalen Bogenstück in continuirlich knorpeligem Zusammenhang, auch das ventrale Bogenstück ist zum grössten Theil in Knorpel umgewandelt und befindet sich mit der Spange in Con- tinuität. In der ersten Halswirbelanlage hat sich demnach der gesammte primitive Wirbelbogen mit alleiniger Ausnahme des perichordalen Theiles erhalten und in hyalinen Knorpel umgewandelt, wodurch sich diese Wirbelanlage von allen übrigen unterscheidet. Die auf diese Weise hergestellte Knorpeleiuheit zeigt bereits sehr beträchtliche Dimensionen. Die knorpelige Spange übertrifft im longitudinalen wie im sagittalen Durchmesser die früher an derselben Stelle gelegene primitive Spange. Ganz besonders mächtig ist die Bogenhälfte angeschwollen, und zwar vorzugsweise in dem Wurzeltheil derselben, welcher einerseits mit der Spange in Verbindung steht, andererseits den beiden Bogenstücken, dem ventralen sowohl wie dem stärkeren dorsalen,- zum Ursprung dient. Es ist der Theil, der bei den übrigen Wirbeln zwischen dem Körper und der Art. vertebralis liegt, welchem Verhältniss es entspricht, dass im Bereich des ersten Wirbels diese Arterie beträchtlich lateralwärts verdrängt erscheint. Das For. transversarium liegt im ersten Wirbel ungefähr 0-45™'“ weiter von der Medianebene entfernt */jV1i Entwickelung sgesciiiciit]<: uee Wirbelsäule. 117 als iiii dritten, eine Dislocation, welche zum Tlieil auf Rechnung der Ver- grösserung dieses Wurzeltheils kommt, zum Theil freilich schon dadurch liediugt ist, dass die Bogenhälfte gar nicht in Verbindung mit dem Wirbel- körper tritt, sondern sich überall in einem Abstande von 0«1 bis ü*15'^"“ von der Oberfläche desselben entfernt hält. Was die gegenseitige Lagebeziehung zwischen Körper und Bogen im ersten Halswirbel anlangt, so knüpft diese unmittelbar an das frühere Verhalten der Theile in allen Wirbelanlagen an. In Entwickelungszuständen, wie sie sich in den Embryonen VI und VII fanden, zeigt der knorpelige Wirbelkörper eine im Allgemeinen konische Verjüngung seines cranialen Theiles, und dieser verjüngte Theil wird an seiner ventralen und lateralen Fläche umfasst von dem noch aus primitivem Bogengewebe bestehenden Wirbel- ])ogen. Die Uebereinstimmung der Sachlage in dem ersten Halswirbel des Embryo X springt in die Augen. Alles ist zwar massiger und in Folge der vollendeten Knorpelbildung schärfer begrenzt, aber die eigentliche Situation ist dieselbe. Der Wirbelkörper ist ein konisch verjüngter Zapfen mit beider- seits gesimsartig vorspringender Verbreiterung an seiner Basis. Der Zapfen wird ventral und lateral umfasst von demWirbelbogen, welcher sich beiderseits in die von Zapfen und Gesims gebildete Hohlkehle eiii- schmiegt, nur in der Mitte, wo das Gesims fehlt, frei vortritt. Auf diese Weise sind nun zwischen Bogen und Körper des ersten Halswirbels zwei Berührungs- flächen vorbereitet zu späterer Gelenkbildung: in der einen würde die ventrale und laterale Fläche des Zapfens mit der dorsalen und medialen des Bogens zusammentreten, in der anderen die cranialwärts schauende Gesimsfläche die caudale Fläche des Bogens aufnehmen. Zwar ist von Anlage eines Gelenkspaltes selbstverständlich noch keine Rede, sondern die Knorpeltheile stehen durch Bindegewebe in geschlossenem Zusammenhang untereinander. Gleichwohl ist die Gegend der späteren Gelenkbildung kenntlich dadurch, dass hier die Knorpelzellen an den Oberflächen deutlicher abgeplattet sind und das anliegende Bindegewebe dichter und parallelfaserig angefügt, das den Zwischenraum bis zur gegenüberliegenden Knorpelfläche ausfüllende Bindegewebe dagegen auffallend locker und durchsichtig erscheint. Am deutlichsten sind diese Differenzirungen zwischen Bogen und Gesims des Körpers, wie in den Figg. X, 2 und 3 auch angedeutet; zwischen dem Bogen und dem Zapfen des Körpers liegt eine mehr gleichmässige Binde- ge webschicht. Diese setzt sich in der Gegend, wo der Bogen dorsal wärts weiterziehend sich vom Körper mehr entfernt, selbständig auf die dorsale Fläche des letzteren fort und darf wohl als das Material betrachtet werden, aus welchem später das Lig. transversum atlantis hervorgeht. Nach dem cranialwärts lienachbarten Occipitalknorpel zu grenzt sich dieses dichtere Gewebe in einer der Oberfläche dieses Knorpels gleichlaufenden Fläche ab, 118 August Froeiep: sodass auf den Sagittalschnitten (Fig. X) der Eindruck entsteht, als ob sich die Bildung eines Gelenkes mit Pfanne und Kopf vorbereite. Das Occipitalskelet des Embryo X lässt von der bei den jüngeren Embryonen geschilderten Zusammensetzung aus einem einzelnen „Occipital- wirbeh^ und einem cranialvvärts an diesen sich anschliessenden, „scheinbar un- gegliederten Abschnitt^^, nur noch undeutliche Spuren erkennen. Es ist zu einer umfangreichen Knorpeleinheit geworden (s. d. Holzschn. z. Fig. X), in welcher der Körperbezirk von dem Gebiet der Bogen sich lediglich durch die Canäle des Hypoglossus, d. h. der occipitalen Spinalnerven, abgrenzt. Deren sind immer noch drei zu unterscheiden, doch erscheinen die beiden caudalwärts gelegenen so nahe aneinander gerückt, dass ihre Verschmelzung schon be- gonnen hat und damit die Herstellung der zwei Canäle vorbereitet ist, wie sie sich typischerweise auch im knöchernen Wiederkäuerschädel vorfinden. Der Körperbezirk, welcher seiner ganzen Länge nach von der Chorda dorsalis in S-förmiger Krümmung durchsetzt wird (Fig. X, 1), zeigt einen schmaleren cranialen Abschnitt und einen breiteren caudalen (vergl. den Holzschnitt). Der erstere liegt zwischen den Gehörkapseln, es ist derselbe Theil, der bei Embryo VIII erst äusserst schmal bei Embryo VII noch gar nicht vorhanden war oder wenigstens noch kein Knorpelgewebe enthielt. Dieser Theil bildet sich also sehr spät, viel später als der breitere, caudale Abschnitt, welcher sich zu gleicher Zeit wie sämmtliche Wirbelkörper knorpelig differenzirt und dementsprechend bereits bei den Embryonen IV, V und VI angelegt war. Bei diesen jüngeren Embryonen entspricht auch seine Breite ungefähr der Breite der Wirbelkörper, speciell der Breite des Körpers der ersten Halswirbelanlage, und mit dieser kommt er auch in dem vorliegenden Ihnbryo annähernd überein. Die spurweise Abgrenzung des Occipitalwirbels, welche vorhin erwähnt wurde, besteht lediglich in einer schwachen Einziehung der Knorpelober- fiäche, der dorsalen sowohl wie der ventralen, und in einer unbedeutenden Verdickung des Perichondriums an letzterer Stelle, wie solche in den Figg. X, 2 und 3 wiedergegeben und auch in dem Holzschnitt angedeutet ist. Aus diesen Abbildungen kann auch entnommen werden, dass der Körper- bezirk des Occipitalskelets, speciell der Körper des Occipitalwirbels, lateral- wärts bis über die Bogenhälften des ersten Halswirbels hinausreicht und hier (Fig. X, 3) an der Bildung des Gelenkes theilzunehmen sich anschickt, was für die Beurtheilung der Articulatio atlanto-occipitalis von Interesse ist. Der Zusammenhang des Bogengebietes mit dem Körperbezirk ist ein ganz continuirlicher. Die Hauptmasse des Bogen gebietes scheint von dem Bogen des Occipitalwirbels geliefert zu werden, die Bogenaequivalente des cranialwärts sich anschliessenden, scheinbar ungegliederten Abschnittes bilden einen schmalen, zugeschärften Rand, der lateralwärts l)ald endigt, in den Zue Entwickelungsgeschichte dee A\'iei}elsäule. 119 Rand des occipitalen Wirbelbogeus übergehend. Beide zusammen bilden eine concave Einziehung am Rande des Occipitalskeletes, in welcher die Stämme des Vago-Accessorius und Glossopharyngeus ihren Platz finden, wie in der vorderen Einziehung die Grehörkapsel. Es ist nun noch hinzuzufügen, dass in dem Embryo X die Knochen - bildung in der knorpeligen Wirbelsäule vorbereitet ist durch Autblähung der Knorpelzellen in bestimmten Bezirken. Durch Feststellung dieser Be- zirke konnte daher die Lage der späteren Knochenkerne festgestellt und ein Eingehen auf ältere Stadien entbehrlich gemacht werden. In dem Holzschnitt zu Fig. X habe ich diese Bezirke vergrösserter Knorpelzellen in der (vom Beschauer) linken Hälfte der Zeichnung durch horizontale Strichelung eingetragen, in den Einzelabbildungen sind sie durch Füllung der betr. Stelle mit kleinen Kreisen angedeutet. Es ergiebt sich, dass die Knochenkerne der Wirbelkörper sowohl wie der dorsalen Bogen- stücke vorgezeichnet sind. In der ersten Halswirbelanlage ist der Bezirk im Körper weniger umfangreich als in den übrigen Halswirbeln, der Bezirk des Bogens liegt in dem mächtig vergrösserten Wurzeltheil der Bogenhälfte. Im Occipitalskelet findet sich ein ziemlich ausgedehnter Bezirk ungefähr in der Mitte des gesammten Körpergebietes, ein gesonderter Bezirk im Körper des Occipital Wirbels, nach welchem ich gesucht habe, ist dagegen nicht nachzuweisen. Umgekehrt verhält sich’s im Bogengebiet, hier liegt ein umfangreicher Bezirk in dem als Bogen des Occipitalwirbels zu unter- scheidenden Theile und trägt zur selbständigen Charakterisirung dieses Theiles wesentlich mit bei (Fig. X, 4), in dem cranialwärts sich anschliessen- den, dem scheinbar ungegliederten Abschnitte des Occipitalskeletes zugehörigen Bogengebiet dagegen findet sich keine Andeutung. Die Lage der Verknöche- rungsbezirke giebt demnach über die Gliederung des Occipitalskeletes keine Aufschlüsse, nach ihr allein zu urtheilen, würde man dasselbe für ein ein- faches Skeletstück halten können; im Körpergebiet sowohl wie im Bogen- gebiet tritt der Verknöcherungsbezirk in demjenigen Theile auf, der der um- fangreichste ist. Rindsembryo von 26*0™“ Körperlänge. Der Embryo schliesst sich in seinem allgemeinen Entwickelungszustand an den Embryo X noch ziemlich nahe an. Sein grösster Durchmesser liegt zwischen Mittelhirn und Steisshöcker und beträgt 26 • 0 Der Kopf wurde in eine sagittale Schnittserie zerlegt. Der Entwickelungszustand der Wirbel- säule stimmt mit demjenigen bei Embryo X in allem Wesentlichen derart überein, dass ich eine Vorführung des Embryos in Abbildung oder eingehen- der Beschreibung nicht für angezeigt halte. Nur einige Punkte möchte ich hervorheben. 120 August FrorteU: Was zunächst die Chorda dorsalis anlangt, so findet sich eine die Mitte des Wirhelkörpers einnehmende Verdickung, wie sie in der Hals Wirbelsäule des Embryo X allgemein bestand, nur noch im zweiten Halswirbel. Im Bereiche des dritten und vierten bleibt sich der Durchmesser im vertebralen und intervertebralen Hebiete ziemlich gleich. Vom fünften Halswirbel ab caudalwärts liegt eine spindelförmige Anschwellung auf jeder Wirbelgrenze, dieselbe zeigt aber zwei Stellen grösster Mächtigkeit, welche, wie die bei Embryo X schon gefundenen Verdickungen je in der Höhe der cranialen und der caudalen Grenzfläche der betreffenden Bandscheibe gelegen sind. Dazwischen, also in der Mitte der Bandscheibe, zeigt die Spindel eine leichte Einziehung und dem entsprechend sind die Zellen der Chorda dichter zu- sammengedrängt und dunkler gefärbt. Durch die Wirbelkörper zieht der Chordastrang in ziemlich gleichmässiger Stärke, eine eigentliche Einschnürung ist nicht vorhanden. Der ganze Zustand der Chorda schliesst sich demnach an denjenigen bei Embryo X durchaus an, und ist noch weit entfernt von der Anordnung wie sie sich später bei der Verknöcherung der Wirbel her- stellt: Einschnürung in der Wirbelmitte und allmähliche Zusammendrängung der Zellenmasse in der Mitte des Lig. intervertebrale. Dementsprechend zeigt sich auch der zur Verknöcherung vorbereitende Process in den knorpeligen Wirbelkörpern im Vergleich mit Embryo X kaum vorgerückt. lieber den Entwickelungszustand der Halswirbelsäule im Allgemeinen ist nichts zu sagen, derselbe ist nahezu identisch mit demjenigen des Eni- l)ryo X. Von den beiden ersten Halswirbeln dagegen sind geringfügige Veränderungen zu verzeichnen. Die hypochordale Spange des zweiten Halswirbels zeigt kein hyalines Knorpelgewebe mehr wie im Embryo X, An der Stelle, wo sich dieses dort fand, liegt jetzt im Gegentheil ein dichtes, dunkel carminisirtes Bindegewebe, und dadurch ist die Spange immer noch als besonderes Gebilde kenntlich. Sie zeigt in den sagittalen Schnitten einen ungefähr dreiseitig prismatischen Querschnitt, ähnlich dem des hyalinen Knorpelstückchens im Embryo X, mit einer dorsalwärts gerichteten Kante lehnt sie an der ven- tralen Fläche des Wirbelkörpers und steht sowohl mit dem Perichondrium an dieser Stelle, als auch mit dem bis hier herab reichenden ventralen Rande der zugehörigen Zwischen wirbelscheibe in Zusammenhang. Lateral- wärts ist sie, allmählich verjüngt, bis auf eine Entfernung von 0 • 25 von der Medianebene zu verfolgen, jedoch nicht weiter, sodass ein Zusammen- hang mit dem ventralen Bogenstück, wie bei Embryo X, nicht mehr besteht. Eine weitere Veränderung zeigt sich darin, dass die knorpeligen Körper des ersten und des zweiten Wirbels in einem seitlichen Gebiet vollkommen mit einander verschmolzen sind. Tn der Umgebung der Chorda findet sich Zur ^ntwickelungroesciiiciitr dek Wdjbelsattle. 321 eine intervertebrale liaudsclieibe, die liinsichtlioli ihrer bistologischeii Be- schaöenheit den übrigen Bandscheiben sehr ähnlich ist. Lateralwärts reicht dieselbe aber nur ungefähr eben so weit wie der beschriebene Spangenrest; in einer sagittalen Ebene, die etwa 0-25”"“ von der Medianebene entfernt ist, endigt sie mit zugeschärftem Rande. Von hier ab lateralwärts ist die Grenze zwischen beiden Wirbeln auf Sagittalschuitten nur noch durch eine unbedeutende Verdickung des Perichondriunis markirt, im Uebrigen besteht ein vollkommen continuirlicher, knorpeliger Zusammenhang, zuerst zwischen den beiden Körpern, und weiter lateralwärts zwischen dem ver))reiterten Körper des ersten und den Bogenhälftoii, speciell den dorsalen Bogenstücken des zweiten Wirbels. Erst in einer Entfernung von 0*75"'"' von der Medianebene trennen sich die beiden Bestandtheile wieder von einander, und zwar deshalb, weil hier der Stamm des zweiten Cervical-Spinalnerven in sagittaler Richtung herabverläuft, über Avelchen sich der verbreiterte Körper des ersten Wirbels lateralwärts hinauswölbt, wie es von Embryo X oben beschrieben wurde. Der erste Wirbelkörper des vorliegenden erscheint im Vergleich zu dem des vorher beschriebenen Embryos in stärkerem Verhältniss gewachsen, als die benachbarten Theile der Wirbelsäule; die longitudinalen Durchmesser ])etragen im medialen, zapfenartig sich erhebenden Theile bei Embryo X 0*68, bei dem vorliegenden 0*8 und in dem lateralen, gesimsartig vorspringenden Theile früher 0*28, jetzt 0*4«^“'. Auch das knorpelige Occipitalskelet ist ziemlich beträchtlich gewachsen, sein longitudinaler Durchmesser beträgt auf dem Medianschnitt 3 • 0 gegen 2 • 5 bei Embryo X. In der Nähe der Mittellinie erreicht es mit seinem cranialen Ende nahezu das knorpelige Sphenoidalskelet, beide sind aber noch durch Bindegewebe von einander getrennt. Auf der Grenze beider liegt das craniale Ende der Chorda dorsalis. Zusaiiimenfassende Darstellung und Discussion. I. Halswirbelsäule. Ueberblicken wir die im Einzelnen geschilderten Entwickelungsvorgänge mm in ihrem Zusammenhang, so zeigt sich, dass die drei Perioden, welclie ich für die Entwickelung der Wirbelsäule bei Hühnerembryonen aufgestellt liabe (5. 8. 222), sich auch bei Säugethierembryonen unterscheiden lassen. Zwar in der Charakterisirung derselben im Einzelnen bestehen gewisse Ab- weichungen zwischen den beiden Wirbelthierklassen. Darin aber stimmen beide überein, dass das embryonale Axenskelet nach einander zwei An- 122 August Fkoeiep: Ordnungen darbietet, welche jede in ihrer Art geeignet erscheinen, den an ein Axenskelet herantretenden Aufgaben möglicherweise genügen zu können. Zwischen diese beiden Anordnungen dagegen fällt eine Periode des Ueber- ganges der einen in die andere, während welcher die Bedingungen einer eventuellen Funktionsfähigkeit nur ungenügend gegeben zu sein scheinen. Ich nenne diese drei Perioden den primitiven Zustand, die Ueber- gangsperiode und den definitiven Zustand der Wirbelsäule, und werde dieselben im Folgenden nach Befunden bei Wiederkäuerembryonen in den Hauptzügen kennzeichnen. Für die Begründung der hierbei kurz nebeneinander zu stellenden Sätze verweise ich auf die obenstehenden Aus- führungen des speciellen Theiles. Primitiver Zustand. (Hierzu Taf. I u. Holzschnitt auf S. 78). Im primitiven Zustand bildet die Chorda dorsalis die eigentliche Grund- lage des Axenskelets. Sie zeigt noch keine Einschnürungen, sondern stellt einen gleichmässig cylindrischen Strang dar. Die Chordascheide (Elastica interna aut., Cuticula chordae, G egen bau r- Hasse) ist zwar dünn, sie wird aber verstärkt durch eine sie allenthalben umhüllende, verdichtete Zone des perichordalen Mesoblastgewebes, jenes Bildungsmateriales, das von Kathke (16. S. 3) als „Belegungsmasse der Wirbelsaite^^, von Gegenbaur (7. S. 4) als „skeletbildende Schichte“ be- zeichnet wird. In regelmässigen, durch die ürwirbelgliederuug bestimmten Abständen gehen von der Chordascheide beiderseits transversal stehende Platten ab, welche ich die primitiven Wirbelbogen (b auf Taf. I) nenne. Die- selben bestehen aus einem Gewebe, welches dem die Chordascheide allent- halben umhüllenden Mesoblastgewebe ähnlich, aber noch dichter ist. Die Zellen sind so zusammengedrängt, dass sich die Kerne zu berühren scheinen. In carminisirten Objecten heben sich infolgedessen die Bogentheile von der Umgebung auf’s Bestimmteste ab. Die primitiven Wirbelbogen sind bilateral symmetrische Gebilde, die beiden Bogenhälften gehen aber in der Mittellinie continuirlich in einander über und umfassen die Chordascheide allseitig (Fig. II, 5). Der perichordale Theil des primitiven Wirbelbogens ist an der ven- tralen Seite der Chorda mächtiger und dichter gefügt als an der dorsalen. Ich habe das dadurch hergestellte festere Verbindungsstück der beiden Bogenhälften als hypochordale Spange (s auf Taf. I) bezeichnet. Die- selbe stellt jedoch im primitiven Zustand der Wirbelsäule nicht, wie später, ein deutlich abgrenzbares Gebilde, sondern lediglich eine gewisse Region in der einheitlichen Bogenplatte dar. ZUK KNTWiCKELUNrTRGESCTTTCHTE DER WnjRELSÄULE. 123 Die primitiven Wirbelbogen greifen im lateralen Gebiet in regelmässiger Folge zwischen die Muskelplatten ein; das intermusculäre Septum oder „Myocomnia‘‘ ist nichts anderes als der laterale Rand des primitiven Wirbel- bogens (Figg. I, 1. II, 6. III, 3). Die Eogenhälften liegen aber nicht rein transversal, sondern sind jeder- seits derart caudalwärts geneigt und gekrümmt, dass eine im Frontalschnitt (Fig. I, 1) den medialen und den lateralen Rand einer Bogenhälfte verl)in- dende gerade Linie mit der Medianebene einen caudalwärts offenen Winkel von ungefähr 60 einschliesst. Dadurch ist es herbeigeführt, dass die An- heftungsstelle des Bogens an der Chordascheide in der gleichen transversalen Ebene liegt wie die Mitte der Muskelplatte, und dass umgekehrt die Ebene des interniusculären Bogenrandes im perichordalen Gebiet auf die Mitte des Bogeninterstitiums fallen muss. Da aus dem perichordalen Theil des l)rimitiven Wirbelbogens das Lig. intervertebrale, aus dem lateralen Theil dagegen der definitive Bogen hervorgeht, so ist in der beschriebenen Schräg- stellung der Bogenplatten schon in dem primitiven Zustand die spätere Gliederung vorgebildet, bei welcher der Muskelansatz je in die Ebene der Wirbelmitte verlegt erscheint (vergl. Fig. I, 1 und Holzschn. S. 78). Im Hinblick hierauf verliert die von Remak (17. S. 42) aufgestellte Theorie der „Neugliederung“ der Wirbelsäule, welcher sich, ausser His (13. S. 178) und Goette (10. S. 418), bis in die neuste Zeit die meisten Embryologen einfach angeschlossen haben, ihre Berechtigung. Die Ent- wickelung des Axenskelets muss im Gegentheil als eine continuirliche be- zeichnet werden. Die primitive Wirbelsäule besitzt noch keine Körper, ihre Wirbelbogen sind an einer unsegmentirten Chordascheide direct angewachsen, und die ersten Wirbelkörper, die überhaupt entstehen, sind die definitiven. Dass aber diese in gleiche Höhe nicht mit den Ilr wirbeln, sondern mit den Urwirbelgrenzen zu liegen kommen, erklärt sich einfach aus der beschriebenen Schrägstellung der primitiven Wirbelbogen. Die Körper bilden sich nämlich später je in den Interstitien der primitiven Wirbelbogen. Wären diese letzteren rein transversal stehende Platten, dann würde der Wirbelkörper in gleiches Niveau mit dem aussen- liegenden Muskelplattenpaar treten; da sie das aber nicht, sondern vielmehr in ihrem perichordalen Theil nahezu um die halbe Breite eines Muskel- plattenpaares cranialwärts hinaufgerückt sind, so wird auch die Mitte des Bogeninterstitiums um denselben Werth, also in das Niveau der Muskel- grenze cranialwärts verschoben. Der Bezirk, welcher später vom Körper occupirt wird, lässt sich in der primitiven Wirbelsäule recht wohl erkennen, obgleich er vorläufig noch von indifferentem Gewebe gefüllt ist (k in Figg. I, 1. II, 6). Er wird beider- seits von den Interprotovertebralarterien umfasst, und cranial- sowohl wie 124 August FEOEiEPt zum Tlieil auch latcralwärts von dem zugehörigen primitiven Wirbelbügen begrenzt. Die primitiven Wirbelbügen verbreitern sich in ihrem lateralen Theil und lassen bereits ein dorsales und ein ventrales Bogenstück unterscheiden, als erste Andeutung der Sonderung eines Bogens im engeren Sinne und einer Rippenanlage (Fig. II, 5). Beide jedoch reichen nur soweit, als die Muskelplatte reicht. Der Wirbelbogen stellt sich demnach im primitiven Zustande ausschliesslich als Stützorgan für die contractilen Rumpfglieder, die Muskelplatten oder „Myomeren^^ dar, eine Function als Schutzapparat für das Medullarrohr hat er noch in keiner Weise übernommen. Der primitive Zustand der Wirbelsäule besteht bei Rindsembryonen in einer Altersperiode, in welcher die Körperlänge von 7 auf 1 1 steigt und der allgemeine Entwickelungszustand demjenigen menschlicher Em- bryonen aus dem letzten Viertel des ersten und dem Anfang des zweiten Monats gleicht. Er scheint sich innerhalb dieses Zeitraums ziemlich unver- ändert zu erhalten. Uebergangsperiode. (Hierzu Taf. II u. Holzschnitte S. 85, 93, 94 u. 102). Vom Beginn der Uebergangsperiode an kann die Chorda dorsalis nicht mehr als Grundlage des Axenskeletes betrachtet werden. Sie zeigt Ein- schnürungen an den Stellen wo früher die primitiven Wirbelbogen an ihr befestigt waren. Diese Befestigung ist aufgehoben. Der primitive Wirbelbogen ist kein einheitliches Gebilde mehr. Der perichordale Theil desselben hat sich durch longitudinal-faserige Auflocke- rung von den übrigen Bestandtheilen differenzirt, als Anlage des Lig. inter- vertebrale. Die übrigen Bestandtheile des primitiven Wirbelbogens, nämlich hypo- chordale Spange und eigentliche Bogenhälften, bilden noch ein Ganzes und zeigen auch noch dieselben Beziehungen zu den Muskelgliedern wie früher. Ihr Gewebe ist ein sehr dichtes, sie treten in den carminisirten Praeparaten dunkelgefärbt hervor, nicht nur in Folge der Anhäufung der Kerne, son- dern auch durch intensive Tinction der spärlichen Substanz zwischen den- selben. Den Muskelgliedern eine axiale Stützung zu vermitteln, ist das hypo- chordal geschlossene Bogenpaar, wenn es auch morphologisch und histo- logisch vielleicht dazu befähigt wäre, doch desshalb nicht im -Stande, weil ihm selbst durch die erwähnte Umwandlung des perichordalen Theiles der axiale Halt entzogen ist. Der Vorgang, durch welchen ein solcher axialer Halt sich von Neuem lierstellt, bildet den Hauptinhalt (Un* Uebergangsperiode. Es ist das Auf- Zur Entwickelungsgescuichte jjer Wjrbelsäule. 125 trotoii von hyalinem Knorpelgewebe, zuerst im Körperbezirke, später im dorsalen Stück der Bogenliälfte, und das endliclie Verschmelzen dieser Knorpelanlagen zum einheitlichen, aus Körper und Bogen bestehenden Wirbel. Die Bildung des Wirbelkörpers beginnt in der cranialen Hälfte des im primitiven Zustand als Körperbezirk unterschiedenen Baumes zwischen den diesen Raum beiderseits umlüssenden Interprotovertebralarterien. Da dieser Raum cranial- und theilweise auch ventral- und lateralwärts von Derivaten des primitiven Wirbelbogens umgeben ist, so könnte die Ver- muthung nahe liegen, dass die Bildung des Körperknorpels auf einem Wachs- thumsprocess des Bogens beruhe. Dass dieses jedoch im eigentlichen »Sinne des Wortes nicht der Fall ist, beweisen, wie mir scheint, zwei Thatsacheii. Die erste ist die gewebliche Differenz der beiderlei Anlagen. Der Körper nämlich erscheint sofort als hyaliner Knorpel mit allen Charakteren des embryonalen Knorpelgewebes, während die Bestandtheile des Bogens dicht daneben nach wie vor aus der ihnen eigenthümlichen, äusserst dichten Bindesubstanz bestehen; ein Uebergangsgewebe zwischen beiden, welches die Umwandlung der letzteren in das erstere begreiflich machen würde, ist nicht nachzuweisen. Die zweite der bezüglichen Thatsachen sehe ich sodann darin, dass der Körperknorpel nicht langsam vom Bogen aus caudal- wärts herabwuchert, sondern wie mit einem Schlage nahezu das ganze, um- längreiche Gebiet einnimmt, welches bereits in der primitiven Wirbelsäule als künftiger Körperbezirk erkannt werden konnte. Die Gestalt der Körperanlage ist Anfangs eine bilaterale in dem Sinne,, dass zwei zu beiden Seiten der Chorda gelegene, grössere Knorpelherde durch eine dünne, die Chorda ventral umfassende Knorpelbrücke in Ver- bindung stehen (Fig. IV, 5). An der dorsalen Seite der Chorda entsteht das Knorpelgewebe erst später, sodass der Körperknorpel zunächst eine dorsalwärts offene Halbröhre ist. Ob die seitlichen Herde bei dem Beginn der knorpeligen Gewebsumwandlung ganz isolirt auftreten, also wirklich eine bilaterale Anlage des Körpers darstellen, habe ich nicht mit Bestimmt- heit entscheiden können, ich halte es aber für wahrscheinlich. Eine bilaterale Anlage des Wirbelkörpers ist schon von K. E. v. Baer und Rathke behauptet, ihre Angaben sind aber später von Robin (18. S. 276) als auf optischer Täuschung beruhend zurückgewiesen worden, und dieser Autor betont das einheitlich ringförmige Auftreten des Körperknor- pels speciell auch für Säugethierembryonen. Als neuere, unanfechtbare Beobachtungen bilateraler Anlage liegen, soviel ich sehe, nur die von E. Rosenberg (19. S. 131) mitgetheilten vor, welche sich auf Steisswirbel menschlicher Embryonen beziehen. Die Yermuthung Rosenberg’s, dass auch die Wirbel anderer Regionen den gleichen Entstehungsmodus haben, 126 August Froriep: ktimi ich nach Obigem zwar nicht bestätigen, aber unterstützen. Ich ver- mag jedoch nicht, in diesem Entstehimgsmodus einen Beweis dafür zu sehen, dass der Körper „aus einer Vereinigung der der Chorda anlagern- den, basalen Theile der Bogen hervorgehe.^^ Wie aus der von mir ge- gebenen Schilderung erhellt, ist der Vorgang kein so einfacher. Auch ich sehe, wie Gegenbaur (9. S. 598), die Bogen als „das Primäre am Wir- beh^ an. Der knorpelige Körper ist aber nicht ein Theil der Bogenanlage, sondern eine zwar secundäre, aber selbständige Anlage neben dem Bogen. Und wenn Gegenbaur an einer anderen Stelle (8. S. 406) sagt, es sei „nicht nachzuweisen, dass die knorpeligen Bögen in Beziehung zu einem knorpeligen Wirbelkörper jemals discrete Theile vorstellen“, so hat er bei dieser Aeusserung davon abgesehen, dass eine solche Einrichtung in dem ersten Halswirbel der Amnioten allgemein und dauernd vorkommt. Der in Rede stehenden bilateralen Anlage des Wirbelkörpers bei Säuge- thierembryonen kann ich für die Entscheidung dieser Frage desshalb keine grosse Bedeutung beilegen, Aveil sich dieselbe einfach als Folge davon deuten lässt, das bei Säugethieren die embryonale Wirbelsäule in ihrer ganzen Anlage in die Breite gezogen erscheint. Bei Hühnerembryonen, wo die Bogen- hälften viel näher an die mächtig angelegte Chorda herantreten, findet sich auch die bilaterale Anlage nicht, der Körperknorpel wird hier an der ven- tralen Seite der Chorda früher deutlich als zu beiden Seiten. Die Gestalt des fertig angelegten Wirbelkörpers ist nicht einfach cy- lindrisch, sondern in seinem cranialen Theile verjüngt, soweit als er mit der hypochordalen Spange und den Bogenhälften in Berührung steht. Es kann dementsprechend am Körperknorpel ein breiterer, caudaler und ein zapfenartig verjüngter, cranialer Abschnitt unterschieden Averden (Figg. VI, 1. VH, 1). Der primitive Wirbelbogen (Spange mit Bogenhälften) umfasst den zapfenartig verjüngten Theil des Körpers in ähnlicher Weise, Avie im definitiven Skelet der Atlas den sogen. Zapfen des Epistropheus umfasst. Beide Bestandtheile stehen aber natürlich in continuirlichem Zusammenhang, nur die geAvebliche Differenz ist eine scharfe: der nicht carminisirbare, hyaline Knorpel des Körpers grenzt an das tief carminisirte , dichtgefügte Bindegewebe des Bogens gerade so Avie er an anderen Stellen an sein Perichondrium grenzt. Durch diese innige Zusammenfügung von Körper und Bogen ist der Wirbel als Ganzes morphologisch bereits vorbereitet, die nun folgende histologische Umwandlung des Bogengewebes in hyalinen Knorpel macht ihn zu einem, in jeder Hinsicht einheitlichen Skeletglied. Dieselbe geht nicht vom Körperknorpel aus, etwa in der Weise, dass dieser appositiouell in den Bogen hineinAvüchse. Die Knorpelbildung ist vielmehr eine an Ort und Stelle sich vollziehende Gewebsmetamorphose, Zur Entwickelungsgeschichte her Wirbelsäule. 127 welche in der giiiizen Länge des dorsalen Bogensiückes gleichzeitig auftritt, lind zwar im Innern desselben (Eig. VII). Die Sonderung von dorsalem und ventralem Bogenstück wird dadurch schärfer, als sie vorher schon war. Das ventrale Stück (Kippen aequivalent) bleibt vorläufig noch bindegewebig, während das dorsale (Neuralbogen) voll- kommen knorpelig wird. Aut der Grenze der beiden Stücke ist im Verlauf der Uebergangs- periode ein longitudinal verlaufendes Gefäss erschienen (Eig. VI, 8). Das- selbe tritt zuerst als Anastomose der Interprotovertebralarterien auf. In dem Maasse als die Aorta allmählich caudalwärts hinabrückt, verlieren die Interprotovertebralarterien in cranio-caudaler Keihenfolge eine nach der an- deren ihren directen Ursprung aus der Aorta und beziehen ihr Blut durch jene Anastomose. Nur die siebente Interprotovertebralarterie bewahrt ihren Zusammenhang mit der Aorta und stellt schliesslich, gemeinsam mit jener Anastomose und der cranialen Eortsetzung der ersten Interprotovertebral- arterie, diejenige Blutbahn her, welche man später Art. vertebralis nennt (Eig. VIII, 3). In der Uebergangsperiode befindet sich die AVirbelsäule bei Rinds- enibryonen in einem Zeitraum, während dessen die Körperlänge von 12 auf steigt, und welcher für menschliche Embryonen ungefähr dem ersten Drittel des zweiten Monats entspricht. Definitiver Zustand. (Hierzu Taf. III u, Holzschn. S. 106 u. 112). Der Anfang der Uebergangsperiode ist leichter zu praecisiren als ihr ‘ Ende, bez. als der Anfang des definitiven Zustandes. Wenn wir den letz- teren in dasjenige Entwickelungsstadium verlegen, wo durch Verschmel- zung des Körperknorpels mit dem Knorpel des dorsalen Bogen- stückes der einheitliche Wirbel gebildet ist, wie ich es bei der obenstehenden Zeitbestimmung gethan habe, dann bestehen in der ersten Zeit des definitiven Zustandes noch Keminiscenzen der primitiven Anord- nung. Das ist vor Allem die hypochordale Spange des primitiven Wir- belbogens. Dieselbe ist nicht nur erhalten, sondern sie nimmt in dieser Zeit so- gar einen Anlauf zu definitiver Gestaltung durch Umwandlung in hyalines Knorpelgewebe. Bei Rindsembryonen, deren Körperlänge zwischen 18 und 20 mm beträgt (Eig. VIII), findet sich in der Mitte der Spange eine Gewebs- difierenzirung, wie sie auch im dorsalen Bogenstück der Knorpelbildung vorausgegangen ist. Bis zur Herstellung eines wohlbegrenzten hyalinen Stückes gelangt dieser Process nur in der Anlage des zweiten und in grösse- rem Umfang in der des ersten Halswirbels. In den übrigen Anlagen kommt 128 August Fkukiep: es nicht so weit, der Vorgang bleibt ein verfehlter Versuch, und im un- mittelbaren Anschluss an denselben beginnt die Rückbildung des ganzen Gebildes, welche sehr rasch zu verlaufen scheint, da schon bei Embryonen von 22 nur noch ein dürftiges Ueberbleibsel nachzuweisen ist (Fig. X). Jn demselben Zeitraum, d. h. also während die Körperlänge der Rinds- embryonen von 20 auf 22 steigt, hat sich nun auch das ventrale Bogen- stück (Rippenaequivalent) in hyalinen Knorpel umgewandelt und ist mit dem Körper sowohl wie mit dem dorsalen Bogenstück in knorpelige Con- tinuität getreten. Erst bei Embryonen von 22'"™ und darüber ist dem- nach der definitive Zustand des Wirbels in allen seinen Theilen hergestellt, sodass die Uebergangsperiode vielleicht richtiger bis zu diesem Termin, welcher, auf menschliche Embryonen übertragen, ungefähr in das letzte Drittel des zweiten Monats fällt, verlängert werden sollte. Ich ziehe es a))er vor, den Begriff der Uebergangsperiode auf jenen interimistischen Ent- wickelungszustand zu beschränken, in welchem die Wirbelbogen ihres axialen Haltes entbehren. Sobald das dorsale Bogenstück Theil eines Knorpel- wirbels geworden ist, der durch Ligg. intervertebralia mit den Nachbarwirbeln in Verbindung steht, ist jenes Stadium zu Ende. Ich betrachte die Rück- Ijildung der hypochordalen Spange und die Verknorpelung der ventralen Bogenstücke als Ausgestaltungsvorgänge und datire den definitiven Zustand früher, nämlich, wie bereits angegeben, von der Zeit an, wo die Körper- länge bei Rindsembryonen 18"'“' erreicht hat, und diese Zeit entspricht in der Entwickelung des Menschen ungefähr der Mitte des zweiten Monats. Eine Charakterisirung dieses definitiven Zustandes der Wirbelsäule wünle nun etwa die folgenden Punkte hervorzuheben haben. Die Chorda dorsalis zeigt die Merkmale der Rückbildung. Anfangs (Fig. VllI, 1) finden sich noch, wie bereits während der Uebergangsperiode, Einschnürungen in der Höhe der Ligg. intervertebralia, das ist also an den Stellen der früheren Anheftung der primitiven Wirbelbogen; mit diesen intervertebralen Einschnürungen wechseln in regelmässiger Folge An- schwellungen in der Mitte der Wirbelkörper. Später wird es umgekehrt; während der die Verknöcherung des Körpers einleitenden Vorgänge wird die Zellenmasse der Chorda in der Körpermitte eingeengt und drängt sich im Intervertebralraum zu spindelförmiger Anschwellung zusammen. Die Chordascheide ist nicht mehr nachzu weisen ; da wo die Chorda im Knorpel verläuft, liegt der Zellenstrang in einem vom Knorpelgewebe selbst begrenzten Hohlraum und füllt denselben nicht völlig aus. Dieser Hohlraum ist von Dursy als Chordacanal bezeichnet worden (vgl. 3. S. 36). Die Wirbelbogen stellen nicht mehr ein selbständiges, hypochordal geschlossenes Gebilde dar wie in der Uebergangsperiode. Zuerst im dor- salen, später auch im ventralen Stück verknorpelt, verschmelzen die Zur Kntwickelüngsgeschichte der Wirhelsäuee. 129 Bogenhälfteu mit dem Körper und bilden die Seitentheile des ein- heitlichen Knorpelwirbels. Das mediane Verbindungsstück der beiden Bogen- hälften, die hypochordale Spange, bildet sich gleichzeitig zu einem dürf- tigen Ueberbleibsel zurück (Fig. X, 1) und verschwindet später spurlos. Der einheitliche Knorpelwirbel steht anfangs nur im Bereich des Kör- pers mit den Nachbarwirbeln in Verbindung, durch die inter vertebrale Bandscheibe, welche sich bereits im Laufe der Uebergangsperiode in jeder Wirbelanlage aus dem perichordalen Theil des primitiven Wirbelbogens gebildet hatte. Dass die einem jeden Wirbel zugehörige Bandscheibe demnach die cranialwärts gelegene ist, findet sich am Knorpelwirbel noch deutlich ausgesprochen einmal dadurch, dass sie an der ventralen Fläche bis ungefähr auf die Mitte des Körpers caudalwärts herabgreift und hier mit dem TJeber- bleibsel der hypochordalen Spange in Verbindung steht solange dieses er- kennbar bleibt, später aber die Stelle bezeichnet, wo jene Spange gelegen hatte und geschwunden ist; und ferner dadurch, dass der Rand der Band- scheibe mit dem ventralen Bogenstück continuirlich zusammenhängt. Die letztere Beziehung erhält sich auch dort bleibend, wo das ventrale Bogen- stück zu einer selbständigen Rippe wird, und findet hier in dem Lig. inter- articulare des Rippenköpfchens ihren Ausdruck. Erst später stellt sich auch die laterale Verbindung zwischen benach- barten Knorpelwirbeln her, und zwar dadurch, dass das dorsale Bogen- stück an seinem Ende sich caudalwärts zur Bildung eines Ge- lenkfortsatzes verdickt und dem entsprechenden Stück des nächst- folgenden Wirbels sich nähert. Beide treten zunächst durch dichtes Binde- gewebe zur Bildung einer Syndesmose zusammen, aus welcher späterhin das Bogengelenk hervorgeht (Fig. X, 4). Lange Zeit hindurch stellt der Gelenkfortsatz das dorsale Ende des Wirbelbogens dar und die Ausbreitung des letzteren liegt, ebenso wie die Musculatur, der er zur Stütze dient, im Wesentlichen lateral wärts vom Ge- biet des Wirbelkörpers. Erst spät wächst der Knorpel dorsal wärts weiter, wiederum in gleichem Schritt mit einer entsprechenden Ausbreitung der Muskeln, und nun erst bildet er die dorsalen Bogenschenkel, welche sich schliesslich von beiden Seiten her in der Mittellinie begegnen und dadurch (len über dem Medullarrohr geschlossenen eigentlichen Neuralbogen her- stellen. Bis es so weit kommt, hat die Knochenbildung im Wirbel l)ereits beträchtlich um sich gegriffen. Nachdem, sich nämlich der definitive Zustand in der Anordnung der Wirbelsäule hergestellt hat, werden sehr bald die Bezirke im Knorpel- gewebe erkennbar, in welchen die Knochen bildung später zuerst auf- tritt, und zwar erkennbar in Folge der bekannten Vergrösserung der Knorpel- Archiv f. A. u, Ph. 1886. Anat. Abthl^. 9 130 August Froriep: zellen und der allmählich zunehmenden Färbbarkeit der Grundsuhstanz durch Carmiu. In diesem Stadium bleiben die Verknöcherungszonen sehr lange, innerhalb der Halswirbelsäule bei Rindsembryonen während des ganzen Zeitraumes, in welchem die Körperlänge von 22 auf 6 steigt. Erst bei älteren Foeten schliesst sich hier der eigentliche Knochenbildungs- process an. Die Zonen der vorbereitenden Gewebsveränderung im Knorpel liegen an den bekannten Stellen. Im dorsalen Rogenstück wird dieselbe früher deutlich als im Körper. Im Körper nimmt sie nicht genau die Mitte ein, sondern erscheint ein wenig dorsal- und caudalwärts verschoben, ihr Centrum befindet sich dorsalwärts von der Chorda. Kurze Wiederholung: Die Wirbelsäule der Säugethiere macht im Laufe ihrer embryonalen Entwickelung drei Perioden durch. Zuerst stellt sich als primitiver Zustand eine Anordnung her, bei welcher die Chorda dorsalis als axiales Stützorgan in regelmässigen, den intermusculären Zwischenräumen entsprechenden Abständen schräg caudal- lateralwärts bindegewebige Stützplatten, die primitiven Wirbelbogen, ent- sendet, an deren lateralen Rändern sich die musculösen Rumpfsegmente befestigen. Sodann folgt eine Uebergangsperiode. Die primitiven Wirbelbogen verlieren durch Auflockerung ihres perichordalen Theils ihren festen Halt an der Chorda, sie bleiben ausserdem im Wesentlichen unverändert be- stehen als hypochordal geschlossenes, bindegewebiges Bogenpaar, welches auch fortdauernd die intermusculäre Stützplatte bleibt, jedoch erst durch die Bildung eines Körperknorpels wieder axialen Halt bekommt. Der definitive Zustand endlich bildet sich dadurch aus, dass der Bogen, während seine hypochordale Spange sich zurückbildet und gänzlich schwindet, in seinen lateralen Theilen knorpelig wird, und dass diese knor- peligen Bogenstücke alsbald mit dem Körperknorpel zu einem Ganzen ver- schmelzen. Dies ist der knorpelige Wirbel, welcher das definitive Skelet- glied darstellt und durch Gewebssubstitution später zum Wirbelknochen wird. II. Atlas und Epistropheus. Während der Dauer des primitiven Zustandes stimmen die Anlagen der beiden ersten Halswirbel vollkommen mit denen der übrigen überein, derart, dass man ohne die topographische Orientirung gar nicht im Stande sein würde, sie zu unterscheiden. Zur Kntwickelungsgeschichte ber Wirbelsäule. 181 Im Laufe der Uebergangsperiode bilden sich gewisse Abweichungen aus, welche aber alle untergeordneter Natur sind und im Wesentlichen auf Unterschiede in den Grössenverhältnissen hinauslaufen. Und auch diese betreffen mehr den ersten als den zweiten Wirbel. Der zweite kann auch für die Dauer der Uebergangsperiode als identisch mit den caudalwärts folgenden bezeichnet werden, während der erste sich etwas mehr in die Breite und etwas weniger in die Länge vergrössert als diese. Aber erst gegen das Ende der Uebergangsperiode macht sich jene Entwickelungsdivergenz geltend, durch welche die in Rede stehenden Wirbel zu den beiden sogenannten Dreh wirbeln werden. Der erste Schritt besteht darin, dass die Knorpelumwandlung des dorsalen Bogenstückes (Fig. VII) in der ersten Hals wirbelanlage nicht bis an den Körper heranreicht, sondern zur Bildung eines seitlich gelegenen, vollständig isolirten, knorpeligen Bogenstückes führt. Der zweite Schritt, der bereits in den Beginn des definitiven Zustandes fällt, ist der Vorgang, dass die hypochordale Spange der ersten Halswirbelanlage sich in hyalinen Knorpel umwandelt und mit den knorpeligen Bogenhälften zu einem einheitlichen, hypochordal geschlossenen Bogenknorpel zusammenfliesst. Gleichzeitig mit diesem Vorgang verläuft eine Umgestaltung des Körpers der ersten Halswirbelanlage (vergl. den Holzschnitt auf S. 112), welche auf den ersten Blick sonderbar erscheinen kann, im Grunde aber lediglich auf einer Weiterentwickelung der für die Uebergangsperiode charakteristischen Form der Körperknorpel überhaupt beruht. Der caudale Theil des ersten Wirbelkörpers verbreitert sich beiderseits zur Bildung eines stark vorspringenden Gesimses. Der craniale Theil dagegen bildet sich zu einem konisch verjüngten Zapfen um, welcher am ventro-lateralen Umfang seiner Basis von jenem Gesims umgeben ist. Dadurch ist eine in transversaler Ebene um den ventro-lateralen Umfang des Körpers im Halbkreis herumverlaufende Hohlkehle hergestellt, in welche der gleich- zeitig entstandene Bogenknorpel hineinpasst (Fig. X, 2). Gegenüber diesen tiefgreifenden Besonderheiten der ersten Halswirbel- anlage verhält sich die zweite mehr indifferent. Ausser unwesentlichen Grössenabweichungen zeigt sie nur eine, jedoch vorübergehende Verschieden- heit von den caudalwärts folgenden Anlagen. Nämlich die, dass die Differenzirung von Knorpelgewebe, welche in den hypochordalen Spangen der übrigen Wirbel nur andeutungsweise auftritt und sofort von der Re- duction des ganzen Gebildes gefolgt ist, in der Spange des zweiten Halswirbels wirklich zur Bildung eines hyalinen Knorpelstückes führt (Fig. X, 1). Dasselbe findet aber keine Verwendung, es bildet sich nach kurzem Bestehen wieder zurück, und späterhin ist am zweiten Wirbel 9* 'X 132 August Froeiep: von der hypochordalen Spange eben so wenig eine Spur vorhanden wie an allen caudalwärts folgenden. Der Körperknorpel der ersten Halswirbelanlage greift, ent- sprechend der bedeutenden Verbreiterung seines caudalen Theiles, bei seiner Anlagerung an den zweiten Wirbel über das Gebiet des Körpers beiderseits derart auf die Bogenhälften über, dass er das Wurzelgebiet derselben ganz in Anspruch nimmt und die Art. vertebralis sowie den Stamm des zweiten Cervical-Spinalnerven lateralwärts wegdrängt. Die Körper der beiden Wirbelanlagen sind durch eine wohl entwickelte intervertebrale Bandscheibe von einander getrennt, dem Knorpel der Bogenhälften der zweiten Anlage dagegen legt sich der verbreiterte Theil des Körpers der ersten dicht an, sodass nur eine dünne Schicht perichondralen Bindegewebes zwischen beiden liegen bleibt. Und auch diese ist nur in der ersten Zeit nach Herstellung des definitiven Zustandes nachzuweisen (Fig. X, 2), später ist sie verschwunden. Der Körper der ersten Wirbelanlage ist dann mit dem zweiten Wirbel beider- seits im Bereich der Bogenwurzel zu knorpeliger Einheit verschmolzen? während dazwischen, im ursprünglichen Körpergebiet die interverte- brale Bandscheibe noch wohl erhalten ist. Die letztere bildet sich nun von den lateralen Rändern her medial wärts allmählich zurück, sodass sich nur in der Nähe der Medianebene in späteren Foetalperioden noch Reste davon nachweisen lassen. Dieselben stellen aber lediglich eine entwickelungs- geschichtliche Spur dar und man darf wohl sagen, dass im definitiven Zustand des embryonalen Skeletes der Körper der ersten Wirbel- anlage mit dem zweiten Wirbel eine Einheit, einen knorpeligen Plpistropheus darstellt. Bemerkenswerth ist dabei, dass es an diesem Epistropheus der Säuge- thierembryonen ausschliesslich der An theil von der ersten Halswirbelanlage ist, welcher Berührungsflächen für den Atlas vorbereitet, dass also die gesammte Articulatio atlanto-epistrophica sich streng innerhalb der ersten Halswirbelanlage entwickelt. Die Lage der die Verknöcherung vorbereitenden Bezirke des Knorpel- gewebes (Fig. X) stimmt im zweiten Halswirbel durchaus mit der in den caudalwärts folgenden Wirbeln überein. In der Anlage des ersten wird der Bezirk im Wirbelkörper etwas später deutlich, hat aber die gleiche Lage; der Bezirk im dorsalen Bogenstück liegt in dem stark verbreitei'ten und verdickten Wurzeltheil der Bogenhälfte und ist dementsprechend auch sehr umfangreich. UL Occipitalregion. Die Occipitalregion des Wiederkäuerschädels geht aus der Eiuschmelzung von vier Wirbeln, bez. Wirbelaequivaleuten hervor. Zuli Kntwickelungsgeschichte eek \Vijrbelsäule. 133 Von diesen vier occipitalen Metameren entwickelt vor der Einschmelzung nur eines, das caudalwärts letzte, einen selbständigen Wirbel, den ich den Occipitalwirbel nenne. Derselbe ist im ganzen Verlauf der Ent- wickelung, bis zur Herstellung des definitiven Zustandes, mehr oder weniger deutlich zu unterscheiden von dem cranial wärts sich anschliessenden Ge- biet, in welchem die Zusammensetzung aus einzelnen Wirbeln schon in der ersten Anlage nur spurweise angedeutet, und welches ich deshalb als den scheinbar ungegliederten Abschnitt des Occipitalskeletes bezeichnet habe. Im primitiven Zustand der embryonalen Wirbelsäule stimmt die Anlage des Occipitalwirbels in allem Wesentlichen mit den Halswirbel- anlagen vollkommen überein (Figg. I, 1. II, 1). Ein primitiver Wirbel- bogen ist axial an der Chordascheide befestigt, greift caudal-lateralwärts geneigt zwischen die aussenliegenden Muskelplatten ein und an der caudalen Fläche seines lateralen Theiles liegen die interprotovertebralen Gefässe und der erste Cervical-Spinalnerv. Der cranialwärts sich anschliessende Abschnitt dagegen zeigt sich schon im primitiven Zustand zu einem einheitlichen Skeletab- schnitt verschmolzen. Das perichordale Mesoblastgewebe ist sowohl in der Umgebung der Chorda als auch von da lateralwärts gegen das Urwirbel- gebiet hinaus, verdichtet, jedoch ohne Spur einer Segmentirung (Fig. III, 1). Erst im lateralen Gebiet beim Eingreifen zwischen die Muskelplatten stellt sich eine solche her, und man darf die in den intermuskulären Spalten gelegenen, stärker verdichteten Gewebsstücke als Reste primitiver Wirbel- bogen betrachten. Cranialwärts vom Occipitalwirbel finden sich drei solcher Bogen- rudimente, wie sich auch drei Muskelplatten finden; die erste Muskel- platte ist an ihrem cranialen Rande, der zugleich das craniale Ende der ganzen Unwirbelreihe darstellt, von einem etwas stärkeren derartigen Binde- gewebswulst begrenzt. Die occipitalen Muskelplatten nehmen cranialwärts stetig in allen Durchmessern ab. Dadurch erhält die ganze Reihe eine cranialwärts ver- jüngte Gestalt (Fig. III, 3). Der dorso-cranialen Contour derselben läuft der Accessorius entlang. Entsprechend den drei Muskelplatten finden sich auch drei occi- pitale Spinalnerven, von denen jedoch nur die zwei caudalwärts ge- legenen Reste der dorsalen Wurzel, bez. des zugehörigen Spinalganglions besitzen. Der cranialwärts erste besteht nur noch aus ventralen Wurzel- fädchen; diese kommen von einer so langen Ursprungslinie her zusammen, dass man geneigt sein könnte, die Gruppe als aus mehreren ventralen Spinalnervenwurzeln zusammengeflossen zu betrachten. 134 August Früiuep: liiterproto vertebrale Arterien gelangen in der Occipitalregiun nicht zur Anlage. Die cranial wärts letzte derselben ist diejenige, welche zwischen dem Bogen des Occipitalwirbels und dem ersten Cervical-Spinalnervcn ver- läuft, und später zur Bildung der A. vertebralis beiträgt. Die Uebergangsperiode charakterisirt sich auch für die Occipitalregion dadurch, dass der primitive Bogen seine direkte Befestigung an der Chordascheide verliert, dass sich im Körperbezirk Knorpelgewebe bildet, dass dagegen die Bogenmassen noch bindegewebig bleiben. Die Selbständigkeit des Occipitalwirbels erhält sich durch die ganze lieber gangsperiode hindurch, seine Abgrenzung vom scheinbar unge- gliederten Abschnitt wird aber allmählich undeutlicher. Bis zur Mitte der Periode stellt er sich als wohl individualisirte Wirbelanlage dar, bestehend aus knorpeligem Wirbelkörper und bindegewebigem, hypochor- dal geschlossenen Bogen. Die einzige wesentliche Abweichung von den übrigen Anlagen besteht in dem Nichtvorhandensein einer zugehörigen Bandscheibe. Bei der Ablösung des primitiven Wirbelbogens von der Chorda- scheide schwindet der perichordale Theil desselben vollständig und der caudalwärts dicht daneben sich bildende Körperknorpel des Occipitalwirbels fliesst sofort mit dem im Körperbezirk des scheinbar ungegliederten Ab- schnittes entstehenden Knorpelgewebe zusammen. In der Nähe der Medianebene ist in Folge dessen die Grenze zwischen beiden frühzeitig verwischt; seitlich erhält sie sich gerade an der Körpermasse am längsten in Gestalt einer Einziehung der Oberfläche des Knorpels, die von dem Gewebe der Bogenanlage-ausgefüllt ist. Die craniale Abgrenzung der Bogenhälften ist für die ganze Periode deutlich gegeben durch den dritten Occipital-Spinalnerv, welcher zur caudalen Wurzelgruppe des Hypoglossus wird. Medial- und lateral wärts neben dem Verlauf dieses Nerven ist die Grenze zwar weniger scharf, aber doch deutlich genug, weil das Bogengewebe im Bereich des scheinbar un- gegliederten Abschnittes merklich weniger dicht ist als im Bogen des Occi- pitalwirbels. Beide gehen aber hier continuirlich in einander über und bilden eine einheitliche, bindegewebige Bogenmasse, die Seitentheile des Occipitalskeletes. Die hypochordale Spange des Occipitalwirbels ist schon zu Anfang der üebergangsperiode viel weniger mächtig als die der Halswirbel- anlagen (Fig. IV, 2) und gegen das Ende der Periode ist sie, wenigstens im mittleren Theil, völlig geschwunden (Fig. VII, 1). Im scheinbar un- gegliederten Abschnitt des Occipitalskeletes können auch im Beginn der Periode keine Spangen nachgewiesen werden, was nicht zu verwundern, da in diesem Bezirk die primitiven Wirbelbogen überhaupt nicht mehr zu Zue KNTWiCKEiiUNGSCrESCfncJiTE DER Wirbelsäule. 135 vollständiger Anlage gelaugt sind. Auch die ventralen Bogenstücke (Ripjien- aequivaleute) kommen in der Occipitalregion nur zu dürftiger Entwickelung, doch sind sie, wenigstens am Occipitalwirbel, zweifellos angedeutet (Fig. IV, 2). Der Körperknorpel des Occipitalwirbels ist klein im Vergleich sowohl mit den Körpern der Halswirbel wie auch mit der Körpermasse des scheinbar ungegliederten Occipitalabschnittes (Fig. VI, 1). Die letztere ist besonders im sagittalen Durchmesser sehr mächtig, wenigstens im caudalen Theil. Cranial wärts verjüngt sie sich keilförmig und endet zugeschärft in derselben transversalen Ebene, in der im lateralen Gebiet der A"ago-Accessorius ventralwärts durchtritt. Auch die Bogenmassen des scheinbar ungegliederten Abschnittes verjüngen sich keilförmig; am Vago- Accessorius endigen sie mit scharfem Bande, weiter medialwärts gehen sie continuirlich in die dünne Bindege websplatte über, welche den vorderen Theil der Schädelbasis bildet. Die Chorda dorsalis endigt nahe der dorso-caudalen Wand der Hypophysentasche. Die knorpelige Körpermasse des Occipitalskeletes schliesst. bis gegen das Ende der Uebergangsperiode, nur den caudal wärts gelegenen Abschnitt der in der Schädelbasis verlaufenden Chorda ein und zwar nahezu die caudale Hälfte. Die craniale Hälfte bleibt während dieses Zeitraumes von Bindegewebe umgeben. Da in der Occipitalregion keine interprotovertebralen Arterien zur An- lage gekommen waren, so kann sich auch die longitudinale Anastomose solcher Arterien nicht bilden, die in der Halsregion zur Entstehung der Art. vertebralis führt. Nur in den Bereich des Occipitalwirbels erstreckt sich eine kurze Fortsetzung jenes Gefässes, die aber später wieder verschwindet. Der definitive Zustand wird auch in der Entwickelung des Occipital- skeletes angebahnt durch Bildung von Knorpelgewebe in den dor- salen Bogenstücken, d. h., da die ventralen Stücke nur andeutungsweise zur Anlage gelangt sind und die gesammte Bogenmasse des Occipital- skeletes aus den dorsalen Stücken hervorgeht, durch knorpelige TJm- wandelung der Bogenmassen. Dieselbe scheint in der Regel etwas später einzutreten als der ent- sprechende Vorgang in den Halswirbelanlagen. Die Knorpelbildung verläuft aber rasch, und wenn die Bogenstücke der Halswirbel verknorpelt und mit ihren Körpern verschmolzen sind, dann findet sich auch in der Occipital- region ein knorpeliger Bogen, der mit der Körpermasse fest verbunden ist. Zunächst betrifft die Knorpelbildung aber nur den Bogen des Occipitalwirbels. Im Anfangsstadium des definitiven Zustandes (Fig. VIII) finden sich schmale occipitale Bogenknorpel, welche beiderseits an der dorso-cranialen Ecke des Körpers des Occipitalwirbels an diesen herantreten. 186 August Feoeiep: Sie sind zwar durch die Anordnung der Knorpelzellen und durch strecken- weises Eingreifen des Perichondriums ahgrenzhar sowohl von dem Wirbel- körper wie noch deutlicher von der ebenfalls benachbarten Körpermasse des scheinbar ungegliederten Abschnittes^ gleichwohl aber befinden sie sich be- reits in knorpeliger Continuität mit diesen Theilen. Da die Bogenmasse des scheinbar ungegliederten Abschnittes in diesem Stadium noch wie in der XJebergangsperiode aus dichtem Binde- gewebe besteht, so ist schon durch diesen Gewebsunterschied eine scharfe Abgrenzung des Occipitalwirbels gegeben, wenigstens im lateralen Gebiet. Im Körpergebiet ist diese Grenze weniger deutlich und nur durch eine seitliche Einziehung der Oberfläche erhalten, die Einziehung, in welcher von der dorsalen Seite her der Bogenknorpel wurzelt. Der craniale Band der Körpermasse liegt in diesem Stadium nicht mehr in gleicher Querebene mit dem Vagusdurchtritt, sondern schiebt sich allmählich weiter cranial wärts zwischen die seitlich liegenden Labyrinthblasen vor. Die Knorpelbildung, durch welche dies geschieht ist zunächst auf die unmittelbare Umgebung der Chorda beschränkt, und erst allmählich verbreitert sich dieser schnabelförmig vortreten de Th eil (Holzschn. auf S. 106); er bleibt jedoch auch späterhin schmaler als der früher angelegte Theil, aus dem er hervorgewachsen (Holzschn. auf S. 112). Die Knorpelbildung ist in dem in Rede stehenden Stadium eine sehr lebhafte und der definitive Zustand daher auch im Occipitalskelet bald hergestellt (Fig. X). Körpermasse und Bogjenmasse sind dann zu einer umfangreichen Knorpeleinheit zusammengeflossen. Die Grenze zwischen beiden ist nur im caudalen Theil noch leicht angedeutet durch dieselbe Einziehung, welche auch die Unterscheidung von Körper des Occipitalwirbels und scheinbar ungegliedertem Abschnitt selbst jetzt noch möglich macht (Fig. X, 2). Die Körpermasse ist sehr breit. Der Körper des Occipitalwirbels reicht so weit lateralwärts, dass er bis über die verbreiterten Bo gen hälften der ersten Halswirbelanlage zu liegen kommt und sich hier später an der Bildung des Atlanto-occipitalgelenkes betheiligen kann. In diesem Gelenk treten demnach ungleich werthige Glieder zusammen, Körper und Bogen vom Occipitalwirbel articuliren ausschliesslich auf Bogen vom ersten Halswirbel. Im Bo gen gebiet des Occipitalknorpels wird die Abgrenzung des Occipitalwirbels jetzt bald von Neuem erleichtert dadurch, dass der Antheil von letzterem in die zur Verknöcherung vorbereitende Modification des Knorpelgewebes übergeht. Zur ENTWlCKELUNGöGESClIICilTE EEli WlJiliELSÄULE. 137 Dabei zeigt sich denn, dass es ganz vorzugsweise dieser Aiitheil ist, welcher die Seitentheile des Occipitalknorpels liefert. Von der Bogen- iiiasse des scheinbar ungegliederten Abschnittes stammt nur der Theil, welcher den Winkel zwischen dem Bogen des Occipitalwirbels und der Körpermasse ausfüllt und die H3^poglossuscanäle abschliesst (vergl. den Holzschnitt auf !S. 112). Durch diese Canäle ist auch noch in der definitiven Gestaltung eine Spur davon erhalten, dass auch dieser von Anfang an scheinbar un- gegliedert auftretende Abschnitt des Occipitalskeletes aus inter- neuralen Wirbelelementen zusammengeflossen ist. Die Verknöcherung geht in beiden Gebieten des Occipitalskeletes von einfachen Centren aus. Im Seitentheil ist es der Bogen des ursprünglich selbständigen Occipitalwirbels, im Mittelstück umgekehrt die von dem scheinbar ungegliederten Abschnitt herstammende Knorpelmasse. In beiden Gebieten verfallen demnach diejenigen Theile zuerst der Verknöche- rung, welche die umfangreichsten sind; von ihnen greift die Sub- stitution des Gewebes auf die schwächlicher angelegten Theile über. Der Occipitalknorpel ist bei der Ausgestaltung des definitiven Zustandes an seinem cranialen, zwischen den Labyrinthkapseln gelegenen Ende, der Chorda entlang rasch weitergewachsen. Wenn er die Chorda nahezu voll- ständig eingeschlossen hat, dann berührt er sich auch mit dem inzwischen entstandenen Sphenoidalknorpel, und auf der Grenze beider liegt das noch freie Ende der Chorda. Durch die Vereinigung der beiden Knorpel wird die Chorda vollends umschlossen, die Basis des Dorsum sellae gebildet und der einheitliche Basilarknorpel hergestellt. Vergleichung der Befunde hei Hühnereinhryoneu und hei Säugethieremhryoneii. Bei Kepräsentanten der beiden höchsten Wirbelthierklassen zeigt die embryonale Entstehung der Wirbelsäule Uebereinstimmung in den wesent- lichen Zügen, daneben aber auch mancherlei, zum Theil nicht ganz un- wesentliche Abweichungen (vergl. zum Folgenden auch die Abbildungen des I. Theils, in diesem Archiv 1883). Den Ausgangspunkt der Entwickelung bildet bei beiden das in- diöerente Bindegewebe, welches sich in dem axialen Spaltraum zwischen Medullarrohr , Urwirbelreihen und Aorten, die Chorda dorsalis rings ein- schliessend, bei Hühnerembryonen im Laufe des dritten Brüttages ausge- breitet hat in der von His (13. S. 177) zutreffend geschilderten Weise. In diesem perichordalen Bindegewebe tritt, bei Hühnerembryonen in der ersten Hälfte des vierten Brüttages, bei Bindsembryonen während die 138 August Froriep: Körpeiiäiige gegen 7 beträgt, die erste Differenziruiig ein. Dieselbe steht in augenscheinlicher Abhängigkeit von der, ihrerseits wieder durch die Urwirbelgliederung bedingten Anordnung der Blutgefässe, und führt rasch zur Herstellung eines Axenskelets, welches ich die primitive Wirbel- säule nenne. In beiden Wirbelthierclassen ist damit ein vorläufiger Abschluss der Skeletbildung erreicht, die Organisation scheint gewissen Anforderungen der axialen Stützung oder Verbindung vorläufig zu genügen. Denn in diesem primitiven Zustand verweilt die Wirbelsäule relativ lange unverändert, bei Hühnerembiyonen von der Mitte des vierten bis zur Mitte des fünften Brüttages, bei Rindsembiyonen während einer Zeit, in der die Körperlänge von 7 auf steigt. Vergl. I. Theil, Figg. I— IV und II. Theil, Taf. I. Der Bau der primitiven Wirbelsäule ist in beiden Classen fol- gender. Als axiales Stützorgan fungirt die Chorda dorsalis mit ihrer cuticularen Scheide, welch’ letztere durch eine sie umhüllende Lage ver- dichteten Bindegewebes verstärkt wird. In regelmässigen, durch die Ur- wirbelgliederung bedingten Abständen sind an der Chordascheide quer- stehende Platten dichtesten Bindegewebes befestigt, die primitiven Wirbel- bogen. Dieselben umfassen die Chorda allseitig , sind aber an der ven- tralen Seite derselben stärker und dichter. Lateralwärts verbreitern sie sich zu der vollen Breite der Urwirbel und indem sie hier zwischen die aus letzteren hervorgegangenen Myomeren in regelmässigem Wechsel ein- greifen, ist ihr lateraler Rand identisch mit dem intermuskulären Septum oder Myocomma, und sie selbst stellen sich ausschliesslich als metamere Stützorgane der Muskelsegmente dar. Sie stehen nun aber nicht rein transversal von der Chorda nach dem Ur wirbelspalt hinaus, sondern jede Bogenhälfte ist derart caudal-lateralwärts geneigt und gekrümmt, dass sie mit der Medianebene einen caudalwärts offenen Winkel von 60® bildet. Dadurch ist es herbeigeführt, dass der perichordale Theil des Bogens in gleicher Höhe, nicht mit dem Ur wirbelspalt, sondern mit dem Urwirbel selbst liegt, und zwar trifft seine craniale Fläche ziemlich genau auf die Mitte des Myomers. In gleicher Höhe dagegen mit dem Ur wirbelspalt findet sich in der Umgebung der Chorda nur indifferentes Bindegewebe, einen Raum ausfüllend, welcher cranial wärts und theilweise auch lateral- wärts durch den primitiven Wirbelbogen abgeschlossen wird und später den Bezirk für die Bildung des Wirbelkörpers darstellt. Im lateralen Gebiet dieses Raumes verläuft jederseits eine Arterie von der Aorta aus, am Spinalnerven und Wirbelbogen entlang nach dem Medullarrohr hinauf. Diese Arterie ist bei ihrem ersten Auftreten interprotovertebral und wie er- wähnt der Ausgangspunkt für die Bildung des primitiven Wirbelbogens. Da sie beiderseits den geschilderten Körperbezirk umgreift, scheint sie auch Zur Entwickelungöcksciitchte der VViukeusäule. 130 zur Entstellung des Wirbelkörpers in einer gewissen Beziehung zu stehen. Sie wird später mit der Herstellung der definitiven, knorpeligen Wirbel scheinbar zu einem intervertebralen Gelass und persistirt in der Halsregion als Wirbelästchen der A. vertebralis, weiter caudalwärts als A. intercostalis, bez. lumbalis. Wie im Baue der primitiven Wirbelsäule, so stimmen Vögel und Säuge- thiere auch darin überein, dass sich an den primitiven Zustand eine Ueber- gangsperiode anschliesst, während welcher das Axenskelet einen seiner Natur nach interimistischen Zustand darbietet. Denn die fundamen- tale Leistung eines Axenskelets, der axiale Zusammenhalt der Glieder ist in diesem Zustand in Frage gestellt, da die Chorda dorsalis nicht mehr als Stützorgan fungirt, während eine zur Substitution befähigte Reihe untereinander verbundener Wirbelkörper noch nicht vorhanden ist. Gleichwohl ist die Uebergangsperiode keine ganz kurze. Sie dauert bei Hühnerembryonen von der Mitte des fünften bis zur Mitte des sechsten Brüttages, bei Rindsembryonen über die Zeit in der die Körperlänge von 12 auf 17 steigt. Wie jedoch die Anordnung durchaus keine stationäre, die Entwickelung vielmehr eine lebhafte ist, so schliesst auch die Periode mit dem angegebenen Termin nicht scharf ab, einzelne Charaktere der- selben verlieren sich erst später, bei Hühnerembryonen mit dem Anfang des siebenten Brüttages, bei Rindsembryonen mit Erreichung einer Körper- länge von ungefähr 22 Vergl. I. Theil, Figg. V — YII und II. Theil, Taf. II. Der allgemeine Modus der Umgestaltungen, die sich in der Uebergangsperiode vollziehen, ist bei beiden Wirbelthierclassen übereinstimmend folgender. Die Chorda dorsalis zeigt Merkmale der Rückbildung, ihre Scheide schwindet und es finden sich Einschnürungen an den Stellen, wo früher die primitiven Wirbelbogen befestigt waren. Der p r i m i t i V e W i r b e 1 b 0 g e n erhält sich zwar noch als ein einheitliches Gebilde, indem die beiden Bogenhälften durch eine aus dem ventralen Rand des perichordalen Bogentheiles differenzirte, von mir als „hypochordale Spange“ bezeichnete Brücke fest verbunden bleiben. Er hat aber keinen axialen Halt mehr, weil der perichordale Theil im engeren Sinne, durch welchen der Bogen im primitiven Zustand an der Chordascheide befestigt war, sich aufgelockert hat und durch longitudinalfaserige Zerklüftung sich zur Bildung eines Lig. inte r vertebrale vorbereitet. Eine neue axiale Stützung wird jetzt angebahnt dadurch, dass in dem bereits oben bei der Beschreibung der primitiven Wirbelsäule gekennzeichneten Körperbezirk der irbelkörper entsteht. Indern dieser zu Ende der Uebergangsperiode mit dem Bogen verschmilzt und durch das L. intervertebrale sich je mit seinem cranialen Nachbar in feste Verbindung setzt, ist das neue Axenskelet her- t gestellt: die definitive, zunächst noch knorpelige Wirbelsäule. 140 August Feokiep: In dem speciellen Verhalten der einzelnen Bestandtheile während jener Umgestaltungen zeigen die beiden Classen folgende Abweichungen. Die Umbildung des Gewebes zu hyalinem Knorpel tritt bei Hühnerembryonen früher im AVirbelbogen auf, als im Körperbezirk, bei Säuge- thierembryonen umgekehrt. Wenn bei Hühnerembryonen die Bildung des Wirbelkörpers beginnt, ist bereits ein selbständiger, hypochordal geschlossener Bogenknorpel vorhanden. Wenn dagegen bei Säugethierembryonen der Wirbel- körper sogar fertig angelegt und bereits mit den Nachbarn intervertebral verbunden ist, findet sich zwar auch ein selbständiger, hypochordal ge- schlossener Bogen, derselbe besteht aber nicht aus hyalinem Knorpel, sondern aus derselben, sogar noch mehr verdichteten Bindesubstanz, aus der er schon im primitiven Zustand gebildet war. Eine fernere Abweichung macht sich in der Gestalt der ersten An- lage des Körperknorpels geltend. Dieselbe spricht bei Säugethier- embryonen für ihre bilaterale Entstehung, indem grössere, zu beiden Seiten der Chorda gelegene Knorpelherde durch eine dünnere Lage am ventralen Umfange derselben Zusammenhängen. Bei Hühnerembryonen dagegen ist sie unpaar in Gestalt eines, an der ventralen Seite der Chorda gelegenen , Herdes, der jedoch alsbald die Chorda auch seitlich umfasst als eine kurze, dorsalwärts offene Halbröhre. ; Eine untergeordnete Verschiedenheit endlich tritt in der ge ge ns ei- : tigen Lage von Bogen und Körper hervor. Bei Hühnerembryonen ^ bleibt der Bogenknorpel am cranialen Rande des Körperknorpels liegen, t und speciell die hypochordale Spange bildet hier eine Hervorragung an ' der cranio-ventralen Kante des Körpers; dieser letztere bewahrt im All- : gemeinen eine cylindrische Form. Bei Säugethierembryonen dagegen kommt der bindegewebige Bogen bei der Entstehung des Körperknorpels so zu liegen, ' dass er das craniale Drittheil des letzteren umfasst, speciell die hypochor- | dale Spange rückt allmählich bis nahe zur Mitte des Körpers herab. | Infolgedessen lässt der Körperknorpel einen breiteren, caudalen und einen | zapfenartig verjüngten, cranialen Theil unterscheiden. Diese Abweichung \ der beiden Classen ist insofern nicht ganz unwichtig, als aus ihr gewisse, unten zu erwähnende Verschiedenheiten ihres Verhaltens bei der Entwicke- lung von Atlas und Epistropheus verständlich werden. Ganz übereinstimmend bei Hühnern und Säugethieren ist die eben- falls in die Uebergangsperiode fallende Bildung der Art. vertebralis. Dieselbe geht aus einer, auf der Grenze von ventralem und dorsalem Stück der Bogenhälfte entstehenden, longitudinalen Anastomose der Interprotoverte- : bralarterien hervor, wenn diese in Folge der Wachsthumsverschiebungen ihren directen Ursprung aus der Aorta einbüssen. Bei der das Ende der Uebergangsperiode bezeichnenden Herstel- Zur Entwickelungsgeschichte der Wirbelsäule. 141 luiig der definitiven Wirbelsäule bestehen eigentliche Abweichungen zwischen den beiden Wirbelthierclassen nicht, sondern nur kleine A^er- schiedenheiten, welche durch die Umgestaltungen der Uebergangsperiode bereits vorbereitet sind. Vergl. I. Theil, Eig. VII und II. Theil, Fig. VIII. Vor Allem ist es die gewebliche Verschiedenheit des Bogens, die einen Unterschied bedingt. Bei Hühnerembryonen liegt ein hypo- chordal geschlossener Bogenknorpel vor; dieser verschmilzt mit dem Körperknorpel sowohl seitlich als ventral; die hypochordale Spange wird also hier zunächst vom Körperknorpel aufgenommen, bildet einen A^orsprung an demselben und schwindet erst als solcher. Bei Säuge- thierembryonen dagegen ist der Bogen bis gegen Ende der Uebergangs- periode bindegewebig, nun erst wird er hyalinknorpelig , und unmittelbar darauf verschmilzt er mit dem Körper. Verknorpelung und Verschmelzung betreffen aber hier nur die Bogenhälften, nicht die hypochordale Spange. Diese fliesst überhaupt nicht mit dem Körper zusammen, sondern bleibt als Bindegewebswulst am ventralen Rand des Big. intervertebrale liegen und schwindet als solcher allmählich. Wenn die Reduction der Spange vollendet oder nahezu vollendet ist, bei Hühnerembryonen um die Mitte des siebenten Brüttages, bei Rinds- embryonen mit Erreichung einer Körperlänge von 22™“, dann ist der de- finitive Knorpelwirbel gebildet und dieser zeigt nun in den beiden Wirbelthierclassen wieder Uebereinstimmung* aller wesentlichen Punkte. A^ergl. I. Theil, Fig. VIII und II. Theil, Fig. X. Der einzige erwähnenswerthe Unterschied besteht vielleicht darin, dass bei Hühnerembryonen, wo ja überhaupt die Knorpelbildung energischer verläuft, der Abschluss des Wirbelrohres durch die Vereinigung der Bogenschenkel in der dorsalen Mittellinie viel früher erfolgt, als bei Säuge- thierembryonen. Bei diesen stellt sich, wie der primitive Wirbelbogen in beiden C lassen, so auch noch der definitive Wirbel zunächst aus- schliesslich als intermuskuläre Stütze, d. h. als Glied des Loco- motionsapparates dar. Auch nachdem der Gelenkfortsatz gebildet, und der Bogen dadurch je mit dem caudalen Nachbar in Verbindung getreten ist, liegt das Rückenmark noch in voller Breite frei, lediglich durch die sogen. Membrana reuniens gedeckt. Nun erst wachsen die eigentlichen Bogen- schenkel von beiden Seiten um dasselbe herum, erreichen sich aber erst, wenn die A^erknöcherung in den Bogenbasen bereits begonnen. Die Function eines Schutzapparates für das centrale Nervensystem wird dem- nach von dem Wirbelbogen sehr spät und durch secundäre Bil- dung eines dorso -medialwärts hervorwachsenden Fortsatzes übernommen. Auch die Chorda dorsalis verhält sich beim Beginn des definitiven 142 August Fkoriei’: Zustandes in beiden Classen übereinstimmend, allerdings nur für eine kurze Zeit. Bei Säugethierembryonen bietet dieselbe nämlich für jede der drei von mir unterschiedenen Perioden eine besondere, für die Periode charakteristische Modification dar; in der primitiven Wirbelsäule ist sie ein gleichmässig cylindrischer Strang, während der Uebergangs- periode zeigt sie inter vertebrale Einschnürungen neben vertebralen Ver- dickungen, in der definitiven, knorpeligen Wirbelsäule bilden sich umge- kehrt Einschnürungen in der Körpermitte und intervertebrale Anschwel- lungen aus, und diese Anordnung ist es, in der die Chorda schliesslich der Reduction verfällt. Auch bei Hühnerembryonen ist diese Reihenfolge von Modificationen nachzuweisen. Die Chorda ist zwar von Haus aus viel stärker angelegt und bleibt es auch im Laufe der Entwickelung, und die inter verte- bralen Einschnürungen der Uebergangsperiode sind weniger ausgebildet als bei Säugethierembryonen. Gleichwohl sind sie vorhanden, und ebenso zweifellos stellen sich mit dem definitiven Zustand auch vertebrale Einziehungen her und Anschwellungen, deren Höhe in den intervertebralen Raum fällt. Merk- würdigerweise aber besteht diese Anordnung bei Hühnerembryonen nur während der Dauer von 1 bis 2 Brüttagen, kehrt dann wieder zu dem früheren Zustand der intervertebralen Einschnürungen zurück, und dieser ist es, in welchem die Chorda der Reduction entgegengeht. Die Entwickelung der beiden ersten Halswirbelanlagen läuft bei Vögeln wie bei Säugethieren in der Herstellung des eigenthümlichen Drehgelenkes zwischen Atlas und Epistropheus aus. Die dahin führende Divergenz der Entwickelung macht sich in beiden Classen erst zu Ende der Uebergangsperiode geltend, d. h. also in Hühnerembryonen um die Mitte des sechsten Brüttages, in Rindsembryonen bei einer Körper- länge von ungefähr 20 Bis dahin stimmen die beiden ersten Hals- wirbelanlagen mit allen übrigen in ihrem Verhalten überein. Und das ist sehr begreiflich. Denn die Bildung des Atlas und des Zahnfortsatzes ist einfach ein Stehenbleiben der ersten Halswirbelanlage in der Uebergangsperiode, d. h. der Bogen bleibt, dem Körper gegenüber, selbständig, wie er es während der Uebergangsperiode in allen Wirbel- anlagen ist. Erst beim Eintritt der Verschmelzung dieser Bestandtheile in den übrigen Anlagen muss die abweichende Entwickelung in der ersten beginnen. Hinsichtlich des speciellen Vorganges dieser Entwickelung macht sich zwischen Hühnerembryonen und Säugethierembryonen eine nicht unwesent- liche Verschiedenheit geltend. Bei Hühner embryonen persistirt die hypochordale Spange der zweiten Wirbelanlage, entwickelt sich weiter und wird dauernd zu einem wesentlichen Bestandtheil des Zur Entwickelungsgescuichte der Wirbelsäule. 14B Epistropheus. Der Körper der ersten Wirbelaiilage verbreitert sich nicht, sondern bleibt in seiner Verbindung mit der zweiten Anlage genau auf den Körper derselben beschränkt. In Folge dessen wird die cranial- wärts schauende Oberfläche des Epistropheus ausschliesslich vom Bogen der zweiten Wirbelanlage gebildet, von der hjpochor- dalen Spange und der beiderseits an diese sich continuirlich anschliessenden Bogenhälften. Dieser cranialen Oberfläche des Bogens der zweiten liegt die caudale Oberfläche des Bogens der ersten Wirbelanlage einfach gegenüber. Bei Säugethierembryönen dagegen schwindet die Spange der zweiten Wirbelanlage, der Körper der ersten verbreitert sich in seinem caudalen Theil ungeheuer und überlagert, beiderseits als breites Oesims vortretend, die zweite Anlage vollständig, Körper sowohl wie Bogen- hälften. In Folge dessen wird die cranial wärts schauende Oberfläche des Epistropheus ausschliesslich von dem Gesims des Körpers der ersten Wirbelanlage gebildet. Der cranial wärts schauenden Ge- simsfläche des Körpers der ersten liegt die caudalwärts schauende Fläche des Bogens derselben Wirbelanlage gegenüber. Vergl. die Holzschnitte I. Theil, S. 209 und II. Theil, S. 112. Demnach verhält sich bei Säugethierembryönen nur der craniale Theil des ersten Wirbelkörpers so, wie sich bei Hühnerembryonen dieser ganze Körper verhält; nur der craniale Theil tritt bei jenen als verjüngter Zapfen cranial wärts hervor, und es ist nur für das Vogelskelet, nicht aber für das Säugethierskelet zutreffend, wenn man sagt: der Körper des ersten Wirbels wird, mit dem des zweiten verwachsend, zum Proc. odontoides des Epistropheus. Der Körper des ersten Wirbels bildet bei Säuge- thieren nicht nur den Zahnfortsatz, sondern den ganzen, die cranialen Gelenkflächen tragenden Theil des Epistropheus. Und desgleichen ist natürlich auch die Articulatio atlanto-epistro- phica der Säuge thiere nicht homolog oder wenigstens nur theil weise homo- log mit derjenigen der Vögel. Bei Säugern liegt dieselbe im Zapfengelenk sowohl wie in den Gesimsgelenken streng innerhalb der ersten Hals- wirbelanlage, es sind nur zwei Skeletstücke, die sich betheiligen: der Bogen des ersten und der Körper des ersten Wirbels. Bei Vögeln da- gegen ist sie combinirt: im Zapfengelenk articulirt der Bogen des ersten am Körper des ersten, im Gesimsgelenk articulirt der Bogen des ersten am Bogen des zweiten Wirbels. Diese eigenthümliche Verbreiterung der ersten Wirbelanlage giebt nun vielleicht auch eine Erklärung für das Fehlen der eigentlichen Gelenkfortsätze am Atlas der Säugethiere, da der sich verbreiternde Körper die gleichfalls mächtig wachsenden Bogenhälften des ersten Wirbels lateralwärts aus dem Gebiet ganz hinausdrängt, in welchem zwischen anderen 144 August Fhoriep: Wirbelanlageii die Bogengelenke sicli bilden. Neben den sich verbreitern- | (len Knorpeltheilen wird auch die Art. vertebralis zu bogenförmigem Verlauf , hinausgedrängt, und indem desgleichen auch die Spinalnerven, der zweite und noch mehr der erste, lateral- und dorsalwärts geschoben werden, kommen diese in das Gebiet der Bogenschenkel zu liegen und tragen nun vielleicht auch ihrei-seits dazu bei, dass es zu einer Gelenkverbindung zwischen diesen nicht kommt. Bei Vogelembryonen geschieht von all dem nichts. Da der Körper der ersten AVirbelanlage klein bleibt, bleibt Alles an seinem Platz, und die Bogengelenke bilden sich zwischen erstem und zweitem AVirbel * so gut wie zwischen allen übrigen, lateral- und dorsalwärts neben den | Stämmen der Spinalnerven. j Die Occipitalreglon des Vogelkopfes sowohl wie des Säugethierkopfes | geht aus der Einschmelzung einer Anzahl von Metameren herviir. Bei Hühnerembryonen sind vier Muskelplatten und fünf Wirbelrudimente, bei Wiederkäuerembryonen drei Muskelplatten und vier Wirbelaequi valente ■ im Hinterhauptsabschnitt nachzuweisen. AVährend nun aber in Säugethierembryonen das caudalwarts letzte der ; Wirbelaequivalente sich zu einer in allen Charakteren wohlentwickelten, kurz als „Occipitalwirbel“ zu bezeichnenden Wirbelanlage gestaltet, an welc e , cranialwärts das Gebiet der Wirbelrudimente als ein „scheinbar un- ; gegliederter Abschnitt“ sich anschliesst, stellt bei Hühnerembryoiien die ganze ^ Occipitalregion ein Gebiet von Wirbelrudimenten dar, da auch das . caudalwarts letzte dieser Rudimente nicht zu selbständiger Differenzirung a s > Wirbelanlage gelangt. . . In beiden Classen nimmt die Vollständigkeit der Anlage m den occi. . pitalen Metameren in caudo-cranialer Richtung ab. j i * i Bei Hühnerembryonen finden sich nur in den zwei caudalwarts letzten Gliedern Spinalnerven, dieselben besitzen, ebenso wie die zwei ; ersten Cervical-Spinalnerven, keine dorsalen Wurzeln, sie vereinigen sich später auf ihrem Verlauf zur Bildung des Hypoglossus. In den drei caudai- wärts letzten Metameren kommen interprotovertebrale Arteiien zur Anlage und an ihnen auch noch relativ gut entwickelte primitiver Bogenhälften. Heben der cranialwärts ersten Muskelplatte, welche das craniale Ende der ganzen Urwirbelreihe darstellt, findet sic i . weder Arterie noch Nerv, die Bogenrudimente sind nur andeutungsweis | vorhanden und auch die Muskelplatte selbst ist sehr kümmerlich. | Bei Wiederkäuerembryonen kommen in der Occipitalregion ; interprotovertebralen Arterien zur Anlage und dementsprechend sm( ^ auch die Bogenrudimente, abgesehen vom Occipitalwirbel, der j der postoccipitalen Zwiscbeniirwirbelarterie entwickelt, sehr schwac i. ; Zue Entwickelungsgeschichte der Wirbelsäule. 145 occipitcilen Spinalnerven dagegen sind vollständiger erhalten als bei Vogel- enibryonen, es finden sich drei, von denen der caudalvvärts letzte der stärkste ist und eine wohlentwickelte dorsale Wurzel mit Ganglion besitzt, der mittlere noch einen Rest seines Ganglions erkennen lässt , der cranial- wärts erste nur aus dünnen ventralen Wurzelfädchen sich zusammensetzt. Die drei occipitalen Spinalnerven vereinigen sich zur Bildung des Hypoglossus. Die caudalwärts letzte occipitale Wirbelanlage der Säugethier- embryonen stellt im primitiven Zustand der Wirbelsäule Bogen dar, die sich in nichts von den übrigen primitiven Wirbelbogen unter- scheiden. Auch in der Uebergangsperiode verhält sie sich im Ganzen übereinstimmend mit anderen Anlagen, indem am entsprechenden Platze ein knorpeliger Wirbelkörper entsteht, während die Bogen noch bindegewebig bleiben; die einzige wesentliche Abweichung ist der Schwund des perichordalen Bogentheils und das dadurch bedingte einheitliche Zu- sammenfliessen des Körperknorpels mit der knorpeligen Körpermasse des cranial wärts anschliessenden scheinbar ungegliederten Abschnittes. Dadurch entsteht schon in der Uebergangsperiode ein einheitliches Occipitalskelet, an welchem jedoch die Grenze des Occipitalwirbels noch deutlich er- halten ist. Dieselbe wird nach und nach undeutlicher, aber auch zu Ende der Uebergangsperiode und selbst nach hergestelltem defnitiven Zu- stand der Wirbelsäule ist sie nicht verwischt, sondern wird sogar vorüber- gehend in den Bogenmassen wieder sehr deutlich dadurch, dass die Knorpel- bildung in den bindegewebigen, und später die Yerknöcherungsvorbereitung in den knorpeligen Seitentheilen zunächst scharf begrenzt nur im Bogen des Occipitalwirbels auf tritt und sich von da aus erst nachträglich auf das cranialwärts angrenzende Gebiet ausbreitet. Bei Hühnerembryonen gelangt, wie erwähnt, ein Occipitalwirbel nicht zu selbständiger Entwickelung; die drei caudalwärts gelegenen Bogenrudi- mente, welche im primitiven Zustand deutlicher angelegt unterschieden werden können, dififerenziren sich nicht wie andere Bogen weiter, sondern fliessen zur Bildung eines einheitlichen bindegewebigen Occipital- skelet es zusammen; dieses wandelt sich durch histologische Metamorphose als Ganzes in einen einheitlichen Occipitalknorpel um. Demnach sind also in der primitiven Occipitalregion bei Hühner - embryonen die Muskelplatten vollständiger conservirt als bei Säuge - thierembryonen, bei diesen dagegen die Kerven besser erhalten und die Skeletglieder deutlicher gesondert als bei jenen. Bei beiden ist die Entwickelung mit fortschreitender Verwischung der Segment- spuren verknüpft, und das Resultat bildet ein einheitliches Skelet- stück, welches sich als integrirender Bestandtheil in den Knorpelschädel einfügt. Tübingen, 6. August 1885. Archiv f. A. u. Ph. 1886. Anat. Abthlg'. 10 146 August Feoetep: Literatur. * 1. Francis M. Balfour, Handbuch de^ vergleichenden Embryologie. Deutsch von Vetter, Jena 1881. Bd. II. 2. C. Claus. Beiträge zur vergleichenden Osteologie der Vertebraten. I. Rippen und unteres Bogensystera. Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie der Wissenschaften. Math.-naturw. Classe. Wien 1876. Bd. LXXIV. 1. Äbth. 8. August Fror iep, Kopftheil der Chorda dorsalis bei menschlichen Embryonen. Beiträge zur Anatomie und Embryologie als Festgabe Jacob He nie dargebracht von seinen Schülern. Bonn 1882. 4. Derselbe, lieber, ein Ganglion des Hypoglossus und Wirbelanlagen in der Occipitalregion, Beitrag zur Entwickelungsgeschichte des Säugethierkopfes. Dies Archiv. 1882. 5. Derselbe, Zur Entwickelungsgeschichte der Wirbelsäule, insbesondere des Atlas und Epistropheus und der Occipitalregion. I. Beobachtung an Hühnerembryonen. Dies Archiv. 1883. 6. Derselbe, lieber Anlagen von Sinnesorganen am Facialis, Glossopharyngeus und Vagus, über die genetische Stellung des Vagus zum Hypoglossus, und über die Herkunft der Zungenmusculatur. Beitrag zur Entwickelungsgeschichte des Säugethier- kopfes. Dies Archiv. 1885. 7. Carl Gegenbaur, lieber Bau und Entwickelung der Wirbelsäule bei Am- phibien überhaupt, und beim Frosche insbesondere. Halle 1861. ; 8. Derselbe, lieber die Entwickelung der Wirbelsäule des Lepidosteus, mit ver- j gleichend-anatomischen Bemerkungen, Jenaische Zeitschrift für Medicin und Natur- wissenschaft. Bd. III. 1867. 1 9. Derselbe, Grundzüge der vergleichenden Anatomie. II. Aufl. Leipzig 1870 | 10. Alexander Goette, Die Entwickelungsgeschichte der Unke. Leipzig 1875. 11. C. Hasse, Die Entwickelung des Atlas und Epistropheus des Menschen und , der Säugethiere. Anatomische Studien. 1873. Bd. I. 12. Derselbe, Beiträge zur allgemeinen Stammesgeschichte der Wirhelthiere. I Jena 1883. ^ 13. Wilhelm His, Untersuchungen über die erste Anlage des Wirbelthierleibes. | Die erste Entwickelung des Hühnchens im Ei. Leipzig 1868. \ 14. Derselbe, Anatomie menschlicher Embryonen. I. II. Leipzig 1880 — 1882. | 15. Albert Kölliker, Entwickelungsgeschichte des Menschen und der höheren ^ Thiere. II. Aufl. Leipzig 1879. 16. Heinrich Rathke, Ueber die Entwickelung des Schädels der Wirhelthiere. Vierter Bericht über das naturwissenschaftliche Seminar zu Königsberg. 1839. 17. Robert Remak, Untersuchungen über die Entwickelung der Wirhelthiere. Berlin 1855. 18. Ch. Robin, Memoire sur le developppement des vertebres Atlas et Axis. Journal de V Anat. et de la Physiol. 1864. Vol. I, 19. Emil Rosenberg, Ueber die Entwickelung der Wirbelsäule und das Centrale carpi des Menschen. Morphologisches Jahrbuch. 1876, Ed. I. Zur Entwickelungsgeschichte der Wirbelsäule. 147 Erklärung der Abbildungen. Taf. I. Vergrösserung der Figuren: 50 fach. Die Tafel demonstrirt den „primitiven Zustand“ der Wirbelsäule. Fig. I. Rindsembryo I. Körperlänge 8*7 Drei sich ventro-dorsal folgende Frontalschnitte, deren Lage im embryonalen Körper aus dem Holzschnitt auf S. 73 zu ersehen ist. Linke Seite. 1. Frontalschnitt, 0*85™“ ventralwärts von der Nackenoberfläche des Embryos. Die Chorda ist auf der Grenze der Occipital- und Halsregion im Längsschnitt getroffen. 2. Frontalschnitt, 0*25“™ dorsalwärts vom ersten. Der Boden des Medullarrohres im Längsschnitt getroffen. 3. Frontalschnitt, 0*24’"™ dorsalwärts vom zweiten. Das Medullarrohr im Längs- schnitt getroffen. Fig. II, Rindsembryo II. Körperlänge 8*8 Sechs sich cranio-caudal fol- gende Transversalschnitte, deren Lage im embryonalen Körper sowie in der Continuität der Wirbelsäule aus den beiden Holzschnitten auf S. 77 und 78 zu ersehen ist. 1. Querschnitt durch die Mitte der dritten occipital en Muskelplatte und den pri- mitiven Wirbelbogen der Occipital region. 2. Querschnitt durch den cranialen Rand der vierten, zwischen Occipital- und Halsregion gelegenen Muskelplatte und durch den Körperbezirk des späteren Occipital- Wirbels. 3. Querschnitt durch die caudale Hälfte der vierten Muskelplatte und den primi- tiven Wirbelbogen der ersten Halswirbelanlagc. 4. Querschnitt durch den intermusculären Bogenrand und den späteren Körper- bezirk der ersten Halswirbelanlage. 5. Querschnitt durch die caudale Hälfte der fünften, zwischen erstem und zweitem Halswirbel gelegnen Muskelplatte und durch den primitiven Wirbelbogen der zweiten Halswirbelanlage. 6. Querschnitt durch den intermusculären Bogenrand und den späteren Körper- bezirk der zweiten Halswirbelanlage. 10* 148 August Feoriep; Fig’. III. Rindsembryo III. Körperlänge 10*2 Drei sich medio-lateral toi- gende Sagittalschnitte. 1. Medianschuitt. 2. Sagittalschnitt, 0*25*"'" links von der Medianebene. 3. Sagittalschnitt, 0*4 links von der Medianebene. Taf. II. Yergrösserung der Figaren; 25 fach. Die Tafel demonstrirt den „Uebergangszustand“ der Wirbelsäule. Fig. IV. Rindsembryo IV. Körperlänge 12*0““. 1. Frontalschnitt der Anlagen des siebenten bis zehnten Brustwirbels. Der Schnitt weicht links (vom Beschauer) ein wenig dorsalwärts, rechts ein wenig ventral wärts aus der Frontalebene ab. 2—5. Vier sich cranio-caudal folgende Transversalschnitte, deren Lage in der Continuität der Wirbelsäule aus dem zugehörigen Holzschnitt auf S. 85 zu ersehen ist. 2. Querschnitt durch die Anlage des Occipitalwirbels. 3. Querschnitt durch die erste Halswirbelanlage. 4. Querschnitt durch die zweite Halswirbelanlage. 5. Querschnitt durch die dritte Halswirbelanlage. Fig. Y. Riudsembryo V. Körperlänge 15*5““. Sechs sich cranio-caudal fol- ■ gende Transversalbilder, welche der Mehrzahl nach nicht einfachen Schnitten entsprechen, ] sondern durch Pauscombination aus mehreren gewonnen sind, wie es der zugehörige ! Holzschnitt auf S. 93 erläutert. '1 1. Querschnitt des Occipitalskeletes in der Ebene des ersten Occipital-Spinalnerven. ? 1 b. Querschnitt des Occipitalskeletes in der Ebene des dritten Occipital-Spinal- ! nerven. 2. Occipitalwirbel. 3. Erster Halswirbel. 4. Zweiter Halswirbel. ' 5. Dritter Halswirbel. Fig. VI. Rindsembryo VI. Körperlänge 15*5*"”\ Drei sich medio-lateral fol-) gende Sagittalbilder, je aus vier nebeneinander liegenden Sagittalschnitten combinirt, wie auf S. 93 angegeben. Die Lage der drei Bilder zu einander ist aus dem zugehö- J rigen Holzschnitt auf S. 94 zu ersehen. . I Fig. VII. Rindsembryo VII. Körperlänge 17*0““. Drei sich medio-lateral fol-i gende Sagittalschnitte, deren Lage zu einander aus dem zugehörigen Holzschnitt auf« S. 102 zu ersehen ist. | Taf. III. Yergrösserung der Figuren: 25faeh. Die Tafel demonstrirt den „definitiven Zustand“ der Wirbelsäule. Fig. VIII. Rindsembryo VIII. Körperlänge 18*5 Vier Sagittalschnitte, derec Lage zu einander aus der im zugehörigen Holzschnitt auf S. 106 gegebenen Frontal- projection zu ersehen ist. /;.// Wil !H'oiii|) _ i iicf. IrJiü.tiJVfith. /.Vv. . ,'/«//. . lMi>/ T<,ni i ZüK Entwickelungsgeschichte der Wirbelsäulpi 149 Fig’. IX. Rindsembryo IX. Körperlänge 18*5 Zwei sich ventro-dorsal an einander schliessende Frontalschnitte des zweiten bis vierten Halswirbels. Fig, X. Rindsembryo X, Körperlänge 22*5““™. Vier Sagittalschnitte, deren Lage zu einander und in der intacten Wirbelsäule aus dem Projectionsbild des zuge- hörigen Holzschnittes auf S. 112 zu ersehen ist. Die neben den Figuren der frontalen und sagittalen Schnitte stehenden Kreuze sind Orientirungszeichen, nach welchen die zusammengehörigen Bilder in richtiger Eindeckung auf einander gepaust werden können. Dieselben finden sich bei den fron- talen Schnitten rechts, bei den sagittalen links neben oder in dem Bilde. Die im Text befindlichen Hülfsfiguren zu den Abbildungen der Tafeln sind in- folge eines Missverständnisses auf der Tafelvergrösserung reducirt worden. Behufs Vergleichung beider und Controle der Constructionsbilder kann man sich eines auf das Verhältniss 4:5 eingestellten Reductionszirkels bedienen. Die Erklärung der Bezeichnungen siehe auf folgender Seite. 150 August Froeiep: Zue Entwickelungsgeschichte der Wirbelsäule. Gemeinsame Bezeichnungen. Vierter ArterieDbogen (Are. aortae). Fünfter Arterienbogen (Ductus ar- teriös.). ai Art. interprotovertebralis. ai^ Erste Zwischenurwirbelarterie, an wel- cher sich der Occipitalwirbel bildet und welche als Theil der A. verte- bralis persistirt. ao Aorta. av Longitudinale Anastomose der Inter- proto Vertebralarterien , welche in der Halsregion sich zur A. verte- bralis entwickelt. bas A. basilaris. b Primitiver Wirbelbogen. bc^ — — der ersten Halswirbelanlage. bc^ — — der zweiten Halswirbelanlage. bc^ — — der dritten Halswirbelanlage. bo — — der Occipitalwirbelanlage. bf — — der siebenten Brustwirbelanlage. bt^^ — — der zehnten Brustwirbelanlage. B Knorpeliger Wirbelbogen (dorsales Bogenstückj. Bc^ — — der ersten Halswirbelanlage, sg. Seitentheil des Atlas. Bc^ — — des zweiten Halswirbels. Bc^ — — des dritten Halswirbels. Bo — — des Occipitalwirbels. c* — Erster bis vierter Cervical-Spinalnerv. ch Chorda dorsalis. d Ram. dorsalis eines Spinalnerven. gc^—gc'' Spinalganglien des ersten bis vier- ten Cervical-Spinalnerven. go^^ Spinalganglion des zweiten Occipital- Spinalnerven (Ganglion - Rudiment des Hypoglossus). go^ Spinalganglion des dritten Occipital- Spinalnerven (Ganglion des Hypo- glossus). B Hypoglossus. hy Hypophyse. k Der spätere Körperbezirk in der pri- mitiven Wirbelsäule. K Wirbelkörper. Kc^ — der ersten Halswirbel anlage (cra- nialer Theil des Epistropheus). — der zweiten Halswirbelanlage (cau- daler Theil des Epistropheuskörpers). Kc^ — des dritten Halswirbels. Ko — des Occipitalwirbels. l Perichordaler Theil des primitiven Wirbelbogens, später Lig. inter- vertebrale. Ic^ — — der zweiten Halswirbelanlage. Ic^ — — der dritten Halswirbelanlage. W — — der siebenten Brustwirbelanlage. Erste bis dritte Muskelplatte der Occipitalregion. Muskelplatte zwischen Occipital- und Halsregion. Erste Muskelplatte der Halsregion. n Dorsales Bogenstück des primitiven Wirbelbogens (Neuralbogen). 0^ Erster Occipital-Spinalnerv (craniale Wurzel des Hypoglossus). 0^ Zweiter Occipital-Spinalnerv (mittlere Wurzel des Hypoglossus). 0^ Dritter Occipital-Spinalnerv (caudale Wurzel des Hypoglossus). occ Der „scheinbar ungegliederte Ab- schnitt“ des Occipitalskeletes im bindegewebigen Zustand. Occ Derselbe Abschnitt im knorpeligen Zustand. r Ventrales Bogenstück des primitiven Wirbelbogens (Rippenanlage). R Rippenanlage im knorpeligen Zustand. s Hypochordale Spange des primitiven Wirbelbogens. sc'^ — sc^ Hypochordale Spange der ersten his vierten Halswirbelanlage, im primitiven oder bindegewebigen Zustand. Sc^ Knorpelige hypochordale Spange des ersten Halswirbels, sog. unterer oder vorderer Bogen des Atlas. Sc^- Knorpelige hypochordale Spange der zweiten Halswirbelanlage; bleibt rudimentär und schwindet später. so Hypochordale Spange des primitiven Occipital wirbelbogens. sph Sphenoidalknorpel. Siebenter bis zehnter Thoracal- Spinalnerv. V Ramus ventralis eines Spinalnerven. vi Interprotovertebralvene. vj V. jugularis. X Vagus. XI Accessorius. Ein weiterer Fall von Tlieilung der Arteria carotis interna in der Schädelhöhle. Von Dr. Max Flesch ia Bern. In dem letzten Jahrgänge dieses Archives veröffentlicht Ferdinand Hochstetter^ zwei Fälle der seltenen Varietät der A. carotis cerebralis. bei welcher dies Gefäss am Schädelgrunde im Sinus cavernosus eine Arteria aberrans entsendet, welche rückwärts gewendet mit der A. hasilaris anasto- mosirt. Nicht die Seltenheit dieser Varietät bestimmt mich, den von Höch- ste tter publicirten und den von ihm aus der älteren Litteratur zusammen- gestellten Fällen^ eine weitere Beobachtung aus der Würzburger Anatomie anzureihen; vielmehr ist mir massgebend der Umstand, dass in den publi- cirten Fällen, soweit mir bekannt, das Verhalten des von den anomal an- geordneten Gefässen versorgten Gehirnes nicht besprochen worden ist. Die hier mitzutheilende Beobachtung betrifft die A. carotis cerebralis sinistra. Das Praeparat entstammt der Leiche eines 22 Jahre alten Mannes. Derselbe war im Zuchthaus zu Ebrach an Pneumonie mit Pleuritis gestorben.^ Neben den speciell zu betrachtenden Unregelmässigkeiten der Basilararterien ^ Dies Archiv. 1885. S. 396, ^ Nicht erwähnt ist eine in Henle’s Gefässlehre (I. Aufl. S. 252) citirte Beobach- tung von Ttingel, Klinische Mittheilungen des allgemeinen Krankenhauses zu Mam- hurg 1860. Hamburg 1862. S. 258. „Eine Art. aberrans — der A. basilaris — welche durch ein Loch im Dorsum sellae zur A. carotis interna geht; die A. vertebralis ist halb so stark als die sinistra“ (nach Henle, a. a. O.). ^ Das Gehirn ist in der Würzburger anatomischen Sammlung aufbewahrt, eine kurze Notiz über dasselbe und die uns beschäftigende Anomalie findet sich in ,.Flesch, Untersuchungen über Verbrecher-Gehirne."* Würzburg 1882. A. Stuber’s Buch- und Kunsthandlung. Tabelle 1. Nr. 4. S. 52—53. 152 Max Flesch: finden sich Anomalien der Sinus durae matris und der grossen Körper- venen. ^ Beschreibung der Basisgefässe. Die Arteria vertehralis dextra ist sehr schwach; nach Abgabe der A. cerebelli poster. infer. und superior wird sie so fein, dass die Fortsetzung nur einen dünnen Verbindungszweig zu der allein als Verlängerung der linken Wirbel- Arterie erscheinenden Basilararterie dar- stellt; letztere erscheint vor der Vereinigung- stelle in keiner Weise verstärkt. Die A. basi- laris nimmt in ihrer Mitte ein von links her kommendes, am injicirten Praeparat über 2 im Durchmesser haltendes Gefäss auf. Letzteres ist ein Ast der Art. carotis sinistra. Es entsteht aus ihr im Sinus cavernosus aus der Convexität ihrer zweiten Biegung, ver- läuft an der medialen Fläche des Ram. oph- thalmicus N. V. nach hinten und tritt durch die Dura mater in der hinteren Schädelgrube aussen und oben vom N. abducens. Nach vorn theilt sich die Basilararterie in ge- wöhnlicher Weise zur Bildung des vollständig normalen Circulus arteriosus Willisii. Von dem ersten PraeparateHofstetter’s unterscheidet sich das unsrige zunächst darin, dass eine Durchbohrung des Dorsum ephippii nicht stattgefunden hat. Wesentlich ist dies wohl nicht; unser Praeparat entstammt einem sehr jungen Individuum; es ist wohl möglich, dass sich in einem spä- teren Lebensalter eine knöcherne Umschliessung des Vas aberrans gezeigt hätte. Gemeinsam ist den beiden Fällen ebenso wie dem anderen von Hofs t etter mitgetheilten die gleichzeitige Existenz anderer Unregelmässig- keiten der Basisgefässe. Jedesmal erscheint die überzählige Arterie gewisser- maassen als Ersatz für die schwache Ausbildung der Vertebralarterien. Eigenartig ist unserer Beobachtung, dass nur die eine der letzteren ver- kümmert erscheint, dass aber die collaterale Ergänzung einem Gefässe der C. i. Carotis interna. — C. abir- render Ast derselben. — ch.p.s. A. cerebelli posterior superior. — ch.p.i.k. cerebelli posterior inferior. — V. d. A. vertebralis dextra. — V, si. A. vertebralis sinistra. — sp. a. A. spinalis anterior. ^ Der Sinus longitudinalis superior spaltet sich schon weit über dem Confluens sinuum in zwei Canäle, von welchen der linke den Sinus rectus aufnimrat; ein feiner Quercanal verbindet letzteren mit dem Sinus transversus. — Die Vena jugularis externa mündet in die Vena jugularis anterior dicht über dem Sternoclavicular-Gelenk nach querem Verlauf über den M. Sternocleidomastoideus. — Die linke Nierenvene verläuft hinter der Aorta zur V. cava adscendens. Ein WEITEREE Fall von Theilung der Art. carotis int. u. s. w. 153 gegenüberliegenden Körperhälfte obliegt. Pligenartig ist ferner die Ueber- kreuzung der A. cerebelli posterior superior und inferior dextra, endlich die Existenz nur einer A. spinalis anterior, welche aus der rechten verkümmerten A. vertebralis entspringt. Ein besonderes Interesse musste unser Praeparat gewinnen, als sich ergabj dass die Windungen des Gehirnes in höchst auffälliger Weise abnorm angeordnet waren. In Kürze lässt sich der Charakter der vorliegenden Windungsverhältnisse dahin praecisiren, dass transversale Furchen über die ganze Ausdehnung der Convexität beiderseits dominiren, dermaassen, dass nur der linke Stirnlappen, und auch dieser verhältnissmässig undeutlich, Längs- Windungen erkennen lässt. Beiderseits zeigt der mittlere Theil der Convexität vier, die Breite der Hemisphaere fast vollständig durchtrennende parallele Querfurchen; die vorderste ist links durch Confluenz der medialen und der lateralen (oberen und unteren) Praecentralfurche entstanden; ihr folgt nach hinten die Centralspalte, dann eine Retrocentralspalte, gebildet durch die starke Ausbildung des Stammes und des aufsteigenden Astes der Parietalspalte; endlich eine vierte Querfurche welche, bis 15"^"^ tief, den 10 mm nicht überschreitenden hinteren Ast der Parietalspalte durch- kreuzt. Rechts zeigen sich ähnliche Verhältnisse; nur ist die vorderste Querfurche etwas kürzer als links. Dagegen ist hier in dem Stirnlappen die normale Längsfurchung vollständig verschwunden, da die einzige stärker hervortretende Furchenzeichnung durch eine zwischen 5 und 10“™ tiefe transversale Spalte gebildet ist. Von einer detaillirten Beschreibung der Gehirnoberfläche kann wohl abgesehen werden, da ein kritisches Eingehen auf die Einzelheiten hier unwesentlich erscheint. Ich behalte mir vor, in dem in Arbeit beflndlichen II. Theile der citirten Untersuchungen über Verbrechergehirne darauf zurück- zukommen. Dagegen ist es vielleicht gerechtfertigt, die Frage aufzuwerfen, ob ein Zusammenhang zwischen den beschriebenen Anomalien der Hirn- gefässe einerseits, der Windungen andererseits im Sinne einer Abhängigkeit der Ausbildung der letzteren von jener der Blutbahnen besteht. So verlockend dies von vornherein erscheinen mag, so glaube ich dennoch, in negativem Sinne antworten zu müssen. Allerdings bedarf dies Votum der Begründung, da bei der Seltenheit und Un Vollständigkeit der vorliegenden Beobachtungen der Beweisbefund — Typische Windungsgruppirung neben der gleichen Anomalie der Basisgefässe — aussteht. Indessen glaube ich, die vertretene Ansicht auf die Thatsache stützen zu können, dass unter dem grossen Material oft in hohem Maasse abnormer Gehirne, bei welchen ich eine genaue Untersuchung der einzelnen Gyri vornehmen konnte, nur sehr wenige sich finden, an welchen gleichzeitig sehr erhebliche Unregelmässigkeiten der Gefässstämme zu beobachten waren. Es fehlt nicht ganz an solchen ; 154 Max Flesch: die Tabellen der citirten Untersuchungen über Verbrechergehirne weisen indessen auch eine Anzahl von Fällen auf, in welchen „regelmässige Gefässe“ neben „unregelmässigen'^ oder „sehr unregelmässigen“ Gyris verzeichnet sind.^ Von den Fällen, in welchen wesentliche Anomalien der Gefässe und der Windungen coincidiren zeigt einer ^ abnorme Bildung der A. profunda cerebri sinistra aus einem Theil-Aste der A. basilaris und einem spitz- winkelig in diesen mündenden, mit der A. communicans posterior aus der Carotis cerebralis entstehenden Stämmchen; für die Beurtheilung des zu- gehörigen sehr assymmetrischen Gehirnes er- scheint die Assymmetrie des Schädels jedenfalls bedeutungsvoller als jene Irregularität der Gefässe, die jedenfalls keine erhebliche Aenderung der localen Cirkulations- bez. Druckverhältnisse be- dingen konnte. Eher Hesse sich an einen Zu- sammenhang denken in einem anderen Falle,^ in welchem assymmetrische Beschaffenheit der Gehirnoberfläche zusammentrifft mit assymme- trischer Anordnung des Ursprunges der A. pro- funda cerebri (dieselbe entstammt links wesentlich der A. carotis, rechts der A. basilaris; in reci- prokem Verhältniss steht der Ursprung, bez. die Stärke der Aa. communicantes). Auch hier fällt die gleichzeitige Assymmetrie des Schädels in’s Gewicht. Die Gefässanomalie ist ausserdem relativ häufig gegenüber der hier sehr auffälligen Atypie der Windungen (links sechs parallele Querfurchen der Convexität; beiderseits Affenspalte). Wichtiger aber für die Beweisführung er- scheint mir noch der Umstand, dass in anderen Fällen weitgehende Unregelmässigkeiten die Ge- fässanordnung mit normalen oder doch wenig abnormen Windungsverhältnissen coincidiren. Ein exquisites Beispiel dafür ist folgendes:^ An der Gehirnbasis eines 50 Jahre alten, im Zucht- haus zu Ebrach an Carcinoma ventriculi gestorbenen Mannes finden sich folgende Unregelmässigkeiten der Gefässe. Der Circulus arteriosus ist in Folge Mangels der A. communicans p3st. dextra nicht geschlossen. Die 1 A. a. O. I. Thl. Tabelle I. Nr. 8. 12. 14. 29 u. a m. 2 A. a. 0. I. Thl. Tabelle 1. Nr, 43. 3 A. a. 0. I. Thl. Tabelle I. Nr. 42. " A. a. O. I. Thl. Tabelle I. Nr. 19. C. i. Carotis interna cc. cc Aa corporis callosi c. f. Ar- teria communicans posterior. ch. A. choroidea. Ein weiterer Fall von Theilung der Art. carotis int. u. s. w. 155 Art. carotis cerebralis siuistra liefert beide Aa. corporis callosi, indem das rechtsseitige Gefäss als A. communicans anterior aus dem linken hervorgeht, während nur ein ganz feiner, der rechten Carotis entstammender Verbindungs- zweig den normalen Verlauf der A. corporis callos. dextra repraesentirt. Hier hätten sich — falls überhaupt eine directe Beziehung der Windungsan- ordnung zur Gefäss-Verzweigung bestünde — Ungleichheiten der Stirnlappen zeigen müssen. Solche bestehen allerdings für den Sulcus callosoniarginalis, in einer Weise jedoch, welche vollkommen in den Bereich des normalen fällt, jedenfalls wiederholt auch ohne Anomalie bez. Assymmetrie in der Vertheil ung der Balkenarterien. Eher könnte in umgekehrtem Sinne eine Abhängigkeit der Gefäss- vertheilung im gesammten Körper von der normalen Entwickelung des Nervensystemes bestehen. Die Untersuchung des mikrocephalen Knaben Franz Becker^ bot Gelegenheit zur Notirung einer ganzen Reihe zum Theil seltener Anomalien der Körpergefässe; gerade die Arterien der Hirnbasis waren hier allerdings normal. Auch darüber muss vor allem weiteres Material gesammelt werden. Der Geschäftsgang — sit venia verbo — eines grösseren Praeparirsaales wird wegen der Zerlegung der Cadaver in den einzelnen Praeparanten zuzutheilende Stücke leider gerade für Gefässe und Nerven nicht leicht Uebersichten über die Gesammtvertheilung in einem Körper gewinnen lassen. Ausser dem erwähnten mikrocephalen Knaben Becker finde ich unter meinen Notizen eine Untersuchung eines 25 Jahre alten Mannes mit nicht unerheblichen Anomalien der Hirnwin- dungen nebst mehreren ausserordentlich seltenen Gefäss-Varietäten beider oberer Extremitäten (nicht symmetrisch) und der Halsarterien verzeichnet. Gerade der hier besprochene Fall dürfte durch die erwähnten einzelnen Befunde an dem Venensysteme des Rumpfes auch in diesem Sinne nicht uninteressant sein. Bern, 24. November 1885. ^ Festschrift zur Feier des 300jährigen Bestehens der Julius- Maximilian- Uni- versität zu Würzhurg gewidmet von der medicinischen Facultät daselbst. Bd. II. S. 114. Zur Bildung der Cloake des Kaninchenembryo. Von Dr. H. Strahl in Marburg. (Hierzu Taf. IV.) K Öllik er hat neuerdings^ beim Kaninchenembryo von 3 bis 4 Ur- wirbeln eine Stelle hinter dem Primitivstreifen aufgefunden und beschrieben, an welcher der Ectoblast eine Verdickung bildet und bis auf den Entoblast herunterreicht, während ein freier Mesoblast zwischen Ectoblast und Ento- blast an dieser Stelle nicht vorhanden ist. Bei Gelegenheit anderer Untersuchungen an Säugethierembryonen etwas älterer Entwickelungsstadien fand ich eine der von Köl liker be- schriebenen entsprechende Anordnung der Keimblätter vor und konnte in weiterer Verfolgung des fraglichen Entwickelungszustandes feststellen, ^ dass es sich bei demselben um die Stelle der späteren Kloakenöfifhung handelt. Im Folgenden soll eine genauere Darstellung von demselben gegeben wer- den, an die sich eine Vergleichung mit entsprechenden Verhältnissen des Reptilienembryo anschliessen soll. Von der Kloake des Säuge thieres giebt Köl liker an, dass dieselbe sich beim Kaninchen am elften bis zwölften Tage nach aussen öffne. Vom Vogelembryo liegen Angaben von Bornhaupt^ und von Gasser^ vor. Letzterer nimmt an, dass beim Hühnchen die Stelle der Kloakenöfifnung in dem hinteren Ende des Primitivstreifens gegeben sei und dass hier bis zur Bildung der Oeffnung alle drei Keimblätter miteinander ver- ^ lieber die Chordahöhle und die Bildung der Chorda beim Kaninchen. Würz- hurger Sitzungsberichte. Dec. 1882. ^ Marhurger Sitzungsberichte. Mai 1884. — Zoologischer Anzeiger. 1884. Nr. 171. ^ Untersuchungen über die Entwickelung des Urogenitalsystems beim Hühnchen. Dissertation. Eiga 1867. ^ Die Entstehung der Cloakenöffnung bei Hühnerembryonen. Dies Archiv. 1880 S. 297. H. JSteahl: Zur I^ildung der Cloake des Kaninchenembryo. 157 schmolzen seien. Der Bildung der Oeffnung gehe das Auftreten von kleinen Hohlräumen an genannter Stelle voraus. Bornhaupt’s Untersuchungen beziehen sich meist auf ältere Stadien. Fig. 1 zeigt einen Kaninchenemhryo (grosse Varietät) von etwa 5 Ur- wirbeln von der Ectodermüäche her. Die Kückenfurche Rf läuft nach hinten in einer verdickten Stelle aus, an die sich weiter nach hinten der Rest des Primitivstreifens Fr anschliesst. Dieser endet wieder in einer kolbigen Anschwellung, dann folgt eine bei auffallendem Lichte dunklere Stelle Af, die von zwei schmalen Rändern seitlich eingeschlossen ist und die hinten von einem Schlussbogen umfasst wird, der seitlich und nach vorn in die Parietalzone des Embryo übergeht. (Anm. Die genannte Stelle Af finde ich an drei von vier mir vor- liegenden Embryonen der gleichen Entwickelungszeit. Zwei derselben sind mit Pikrin-Schwefelsäure, einer mit Chromsäure erhärtet. Der vierte auch mit Pikrin-Schwefelsäure gehärtete Embryo ist etwas gefaltet und lässt die fragliche Stelle nicht mit Sicherheit erkennen.^ Die Herzanlagen des Embryo sind deutlich, neben den vorderen Ur- wirbeln bemerkt man eine Segmentierung auch in der Parietalzone. Der Embryo wurde in Querschnitte zerlegt, und zeigt Fig 2 einen Durchschnitt durch die Stelle Af. Dieselbe lässt eine Einbuchtung von der Ectoblastseite her und weiterhin erkennen, dass der Ectoblast bis auf den ebenfalls verdickten Entoblast herunterreicht; auch dieser zeigt eine leichte Einbuchtung von der freien Fläche. Der Mesoblast hängt beiderseits nicht nachweislich mit dem Ecto- blast zusammen;, besonders an der linken Seite des Schnittes ist die Tren- nung zwischen Ectoblast und Mesoblast ganz deutlich, während rechts die Grenze zwar nicht ganz so klar ist, aber doch die Zellen des Ectoblast und Mesoblast sich im Aussehen deutlich von einander unterscheiden. Es kann also keine Frage sein, dass es sich hier um die von Kölliker beschriebene Stelle handelt. (Dieselbe soll mit Rücksicht auf die unten zu beschreiben- den Praeparate und der Einfachheit halber mit Mihalcovics als After- membran bezeichnet werden. Es folgen nach vorn von dem genannten auch in gleicher Weise, wie dies Kölliker beschreibt, Schnitte, welche einen Primitivstreifen auf dem Querschnitt zeigen (Fig. 3), aber ohne Rinne. ^ E. V. Beneden und Ch. Julin, Eecherches sur la formation des annexes foetales chez les mammiferes. Archives de Biologie, t. V. pl. XXL Fig. 1, deuten die- selbe ebenfalls an. ^ Vergl. G. V. Mihalcowics, Entwickelung der Harn- und Geschlechtsapparate der Amnioten. Internationale Monatsschrift. S. 310. 158 H. Steahl: Doch finde ich, dass auch nach hinten von der Aftermembran noch eine kurze Strecke weit ein Zusammenhang des mittleren Keimblattes mit dem Ectoblast vorkommt (Fig. 4), dass sich bei dem vorliegenden Praeparat die Kloakenstelle demnach mitten auf dem Endabschuitt des Primitivstreifens befindet. Der hinter derselben befindliche Theil des Primitivstreifens unter- scheidet sich von dem nach vorn von ihr gegebenen Theil noch dadurch, dass der Ectoblast, der seitlich neben der Medianlinie belegen ist, bei ersterem Abschnitt nur aus einer Lage von niedrigen Zellen besteht, wäh- rend er bei letzterem dicker ist. (Bei allen eben beschriebenen Schnitten ist der Entoblast unter dem Embryonalkörper sehr dünn, während er seit- lich eine erhebliche Verdickung zeigt, die auf dem Vorhandensein von hohen cylindrischen Zellen beruht.) Noch auffälliger tritt der Umstand, dass hinter der Aftermembran noch Primitivstreifen vorhanden ist, an Längsschnitten durch einen Embryo der gleichen Entwickelungszeit zu Tage. Fig. 5 stellt den Medianschnitt der Serie dar und zwar den Theil desselben, der sich nach vorn und hinten an die makroskopisch sichtbare Stelle Af anschliesst; derselbe enthält die Einbuchtung, die auch der Querschnitt zeigte; nach vorn sowohl, als nach hinten von dieser ist der Mesoblast mit dem Ectoblast verbunden. Erst kurz vor der Stelle, an welcher der Mesoblast in Haut- und Darmfaser- platte zerfällt P//, findet sich eine Grenze desselben gegen den Ectoblast. Die in Rede stehende Verbindung des Mesoblast und Ectoblast wäre an dem ganzen Embryo im Bereich der Mittellinie des Schlussbogens (hintere Parietalzone) zu suchen, dieser selbst gehört demnach noch in den Bezirk des Primitivstreifens, wenn auch eine Linie an dieser sehr kurzen Strecke des Primitivstreifens am unversehrten Embryo nicht sichtbar war. Die erste Anlage der Aftermembran ist demgemäss, wie auch Gasser dies für den Vogelembryo beschreibt, im Bereich des Primitivstreifens zu suchen, würde aber beim Kaninchen nicht das letzte Ende desselben dar- stellen, sondern es liegt noch ein, wenn auch kurzes Stück des Primitiv- streifens hinter derselben. Was* den Modus der ersten Bildung der Membran in dem Bereich des Primitivstreifens anlangt, so wird man sich denselben nach den vor- liegenden Praeparaten wohl so vorstellen, dass hier eine seitliche Loslösung des Mesoblast vom Ectoblast am Boden des Primitivstreifeus vor sich geht, während nach vorn und hinten zunächst ein Zusammenhang noch erhalten bleibt. An einem noch jüngeren Kaninchenembryo von einem Urwirbelpaar — das zweite war eben in der DifiPerenzirung begriffen — Hess sich im Flächenbilde noch keine Andeutung der Aftermembran finden, dagegen zeigten die Durchschnitte, dass hinter einem Primitivstreifen mit hohem Zur Bildung der Cloake des Kaninchenembryo. 159 Ectüblast neben der Medianlinie ein solcher mit niedrigem Ectoblast folgte. Hier fand sich an einer Stelle ein auffällig verdickter Entoblast vor und wird hierin wohl die erste Anlage der Membran zu suchen sein. Eine seitliche Loslösung des Mesoblast im Bereich des Primitivstreifens beschreibt Gasser (Primitivstreifen bei Vogelembryonen, S. 79) für den Vogelembryo (Huhu und Gans) ebenfalls, doch tritt dieselbe bei letzterem verhältnissmässig viel später auf. Anm. An den Längsschnitten durch den eben beschriebenen Embryo findet sich am Vorderende des Primitivstreifens noch ein gut ausgebildeter, wenn auch kurzer Chordakanal vor. Kolli ker fand einen solchen bei den von ihm untersuchten Embryonen des Kaninchens von 3 bis 4 Urwirbeln nicht mehr. Es scheint, als ob die Bilder, die man von demselben erhält, auf Längsschnitten günstiger sind, als auf Querschnitten. Der Canal (vgl. Fig. 6) stellt jetzt einen kurzen Blindsack dar; die Chorda, welche auch in ihrem mittleren Theile, in dem die Eröffnung des Canales bereits vor sich gegangen ist, im Gegensatz zu nur wenig älteren Entwickelungsstadien noch ziemlich hoch ist, zeigt an der Stelle, an der der Canal beginnt, erst eine leichte weitere Verdickung, die Kerne stehen dicht, dann folgt ein Bogen, in dessen oberem Abschnitt die Kerne an den Rand gedrängt sind, während der untere Abschnitt ohne Grenze in einen hier sehr niedrigen Entoblast übergeht. Ob an dem hinteren Ende der Schlinge eine Grenze derselben gegen den Primitivstreifen vorhanden ist, wie bei Betrachtung der Schnitte bei schiefer Beleuchtung und mit stärkeren Vergrösserungen scheinen will, vermag ich doch weder an diesem noch an ähnlichen etwa gleichalterigen Praeparaten mit Sicherheit zu entscheiden. Ein ganz ähnlicher Canal findet sich an Längsschnitten durch einen Embryo von etwa 7 bis 8 Urwirbeln noch vor; ferner bei Embryonen von etwa 3 bis 4 Urwirbeln eine ähnliche Erscheinung am Vorderende der Chorda. Die auch für andere Thiergruppen bekannte Erscheinung, dass die Chorda bereits in früher Zeit nach vorn in eine ziemlich breite Entoblast- platte ausläuft, wird sich für den Kaninchenembryo vielleicht theil weise dahin erklären lassen, dass es sich hier um die Verschmelzung von Ento- blast und Mesoblast handelt, die auch an anderen Stellen der Eröffnung des Chordacanales vorausgeht; nur ist an dieser Stelle die eigentliche Canal- bildung auf eine sehr kurze Strecke beschränkt. Einen Umstand, der für diese Ansicht spricht, finde ich z. B. darin, dass ich an den Durchschnitten durch einen Embryo mit zwei Urwirbeln innerhalb der genannten Entoblast- verdickung bereits eine an ihrer Zellbildung kenntliche Chorda vorfinde, unter der nur die kleinen rundlichen Zellen weggezogen zu werden brauchen um ein Bild zu liefern, wie man es auf Durchschnitten aus der Mitte des Embryo erhält. 7 160 H. Strahl: Man hat sich demgemäss den Vorgang der Eröffnung des Chorda- canales beim Kaninchen so vorzustellen, dass derselbe zunächst auf dem gesammten mittleren Theile der Chorda stattfindet — hier ist er bei einem Embryo, der noch keine ürwirbel besitzt, bereits abgelaufen — und dass er dann nur auf eine kleine Strecke am jeweiligen hinteren und vielleicht auch am vorderen Ende der Chorda sich noch abspielt. " Einen Eingang in den Canal an der Ectoblastseite, wie derselbe von Heape für den Maulwurf und von Bon net beim Schaf beschrieben ist, habe ich beim Kaninchen ebenfalls gefunden (Fig. 7). Bei Querschnitten durch eine Keimscheibe von 1 ““ Länge nach der Erhärtung finde ich einen Spalt, der am Yorderende des Primitivstreifens auf der Höhe des Hensen’ sehen Knotens von der Ectoblastseite aus sich in den Embryo einsenkt. Derselbe endet in einem kleinen rundlichen Hohlraum, in dessen Wand > die Zellen in ähnlicher Weise radiär gestellt sind, wie man dies in der Wand des Chordacanales auch sonst findet. Der Spalt ist nur auf einem Querschnitt vorhanden, ein Chordacanal in dem sonst noch ganz kurzen Kopffortsatz des Primitivstreifens dagegen noch nicht. Einen Canal, der gleichzeitig an beiden Seiten — Ectoblast- und Entoblastfiäche — oflen wäre, habe ich bis _ jetzt nicht beobachtet. Ausserdem zeigt die Figur, dass im mittleren Keimblatt die dem Ento- ; blast angelagerten Zellen sich durch ihre dunklere Färbung von den höher . gelegenen unterscheiden, sie sehen den Ectoblastzellen ähnlicher als diese. Ich finde diesen Umstand in früheren Stadien häufig, er ist auch in den Fi- i guren 2 bis 4 wiederzugeben versucht. : Ehlers hat neuerdings in einer Abhandlung, ^ in welcher er die Chorda ; dorsalis einem Vergleich mit dem Nebendarm von Echinodermen und ver- • schiedenen Würmern unterzieht, auch der Entwickelung der Chorda der ' Säugethiere gedacht. Er zieht dabei in Erwägung, ob in dem Chordacanal, | wie er von Lieberkühn und Köl liker bei Säugethier-Embryonen ohne! Ur Wirbel beschrieben und auch in der obigen Darstellung aufgefasst ist, nicht eine Röhrenbildung aus dem Entoderm statt einer Eröffnung eines \ mesodermalen Gebildes zu suchen sei. Für das Meerschwein und das Kaninchen ist aber eine solche Auf- fasung nicht wohl haltbar. Hier folgen nämlich die Entwickelungsstadien so auf einander, dass 1. ein solider aus dem mittleren Keimblatt gebildeter Kopffortsatz vor- handen ist (Stadium ohne Urwirbel). In diesem tritt 2. ein zunächst nach dem Eiitoblast geschlossener Canal auf (bei kurzem Kopffortsatz), der ^ Nebendarm und Chorda dorsalis. Nachrichten von der Icgl, Gesellschaft der Wissenschaften zu Gottingen. 1885. Nr. 12. 7.VR HlLDlTNa DER OliOARE DES KaNTNOHENEMRRYO. 161 beim Kaninclieii diclit vor Anlage des ersten Urwirbelpaares, wenn der Kopffortsatz schon sehr lang ist, fast in seiner ganzen Ausdehnung zu einer gegen den Entoblast ausgehöhlten Rinne eröffnet ist. hlier bildet sich der Canal nur noch an der Uebergangsstelle der Chorda iii den Pii- niitivstreifen und eventuell auch am vordersten Chordaende. 4. Die Ausschaltung der so in eine Linie mit dem Entoblast gelegten Chorda, wie sie Lieb erkühn für das Meerschweinchen beschrieb, erfolgt beim Kaninchen ziemlich spät. Bei Embryonen mit fünf Ur wirbeln ist fast die ganze Chorda in den Entoblast eingeschaltet. 5. Bei der Trennung der Chorda vom Entoblast, die bei Embryonen von 10 bis 11 Urwirbeln im Gange ist, kommt streckenweise allerdings eine ähnliche Faltung der Chorda zu Stande, wie sie Ehlers für die jungen Stadien anzunehmen geneigt ist. (Vgl. Li eher kühn). Dabei wird aber kein Theil des Entoblast vom übrigen Entoblast getrennt, sondern ein früher in dem Mesoblast gelegener Abschnitt wieder ausgeschaltet. Erst bei einem Kaninchen-Embryo Von 13 Urwirbeln liegt die Chorda wieder fast ganz oberhalb des Entoblast frei. Der vorderste Abschnitt ist aber auch hier noch in den Entoblast eingeschaltet. Es kommen demgemäss zwei Faltungsvorgänge bei der Chorda der Säugethiere vor und zwar zuerst eine Auffaltung des Mesoblast gegen den Entoblast, also eine Eröffnung, dann in viel späterer Zeit, nachdem die (diorda so lange in den Entoblast eingeschaltet erschien, die zweite Faltung bei dem Schluss der Chordarinne. Das Entscheidende für die Beziehung der Chordaanlage zu den Blättern dürfte sein, dass die scheinbar en to- biastische Chorda bei Embryonen mit Urwirbeln zu einer Zeit, in welcher der Embryo noch keine Urwirbel besass, eine Röhrenform im Mesoblast zeigte. Wenn die Auffassung von Ehlers richtig wäre, müsste der Zustand, in dem die Chorda in den Entoblast eingeschaltet ist, demjenigen voraus- gehen, in welchem sie bei Embryonen ohne Urwirbel eine Röhrenform zeigt, was bis jetzt nicht beobachtet ist. Auch der von mir beschriebene Entwickelungszustand der Eidechse, in welchem die Chorda in der Mitte ausser Zusammenhang mit dem Ento- blast erscheint, während ein solcher an ihrem dermaligen vorderen und hinteren Ende vorhanden ist, dürfte nach dieser Richtung nicht beweisend sein; die Entwickelung ist für diese Frage zu weit vorgeschritten, denn das in den Entoblast eingeschaltete hintere Chordaende hat in einem früheren Zustand ebenMls im Mesoblast gelegen. Ein Embryo eines älteren Entwickelungsstadiums des Kaninchens von Anfang des neunten Tages — es mögen ungefähr elf Urwirbel vorhanden sein — wurde ebenfalls für eine Querschnittserie verwandt. Hier kommen Archiv f. A. u. Ph. 1886. Anat. Abthlg. 162 H. J^TRÄTIfi: hinter dem Primitivstreifen Durchschnitte vor, wie ein solcher in Fig. 8 al)gehildet ist. Das Amnion ist an dieser Stelle bereits geschlossen, die Amnionhöhle (anm. h.) schmal, die Ectoblastiage niedrig, die Haiit])latte dagegen ungemein dick. Nach unten wird die Amnionhöhle von zwei gegen einander abgegrenzten ziemlich gleich hohen Zellenlagen geschlossen, von denen die nach der Höhle zu belegene der Ectoblast, die untere der Entoblast ist. Zwischen beiden findet man — jedoch nur stellenweise, aber auch in den folgenden Entwickelungsstadien — einzelne etwas schärfer umrandete Zellen, von denen dann schwer zu sagen, wohin dieselben gehören. Die Grenz(* des Entoblast gegen den Mesoblast erscheint auf der linken Seile der Figur nicht klar, auf der rechttm ist dieselbe jedoch an der Umbiegungsstelle des Entoblast nach unten deutlich. Die Darmrinne ist nach unten noch offen. Auf den nächsten nach hinten folgenden Schnitten schwindet die Am- nionhöhle alsl»ald, man kommt in den Bereich der sich eben anlegeinlen Allantois. Auf den nach vorn folgenden wird die Aehnlichkeit mit d(un von Köl liker beschriebenen Entwickelungszustand noch grösser, insofern sich der Ectoblast noch erheblich verdickt, ehe man an den Primitivstreifen selbst kommt. Einen ähnlichen Entwickelungszustand zeigt Fig. 9 von einem Hunde- embryo. Auch hier dringt ein Fortsatz dos Ectoblast durch den seitlich gegen ihn abgegrenzten Mesoblast hindurch. Der Ectoblast zeigt an seinem oberen Rande eine kleine doppelte Einziehung. Der Entoblast ist in der Mitte verdickt und wird nach den Seiten niedriger, von der Bildung der Darmrinne nimmt man noch nichts wahr, während die hintere Amnionfalte bereits erhoben ist. Der Schnitt liegt hinter dem Primitivstreifen. Es würde also dieser Embryo nach dem Verhalten der Darmriune zu schliessen, gegen den eben besc'hriebenen etwas in der Entwickelung zurück sein. Dass es sich bei den zuletzt beschriebenen Objecten in der That um einen älteren Zustand des von Kölliker beschriebenen Entwickelungs- stadiums handelt, ergiebt sich 1. aus der Lage hinter dem Primitivstreifen. 2. aus dem Verhalten des Ectoblast gegen den Mesoblast und Ento- blast, indem der Ectoblast an den Entoblast anstösst und in der Medianlinie sich freier Mesoblast nicht findet. Als neu gegenüber den frühen Entwickelungsstadien würde zunächst festzustellen sein, dass die fragliche Stelle bei der Bildung des Amnion in die Amnionhöhle zu liegen kommt, dass also die Wurzel des Amnion und die Allantois hinter derselben belegen sind. Das nächst ältere, mir vorliegende Präparat zeigt Fig. 10, den Zur Bildung der Cloake des Kaninchenfmbryo. 163 (Querschnitt durch einen Kaninchencnibryo von 13 Urwirheln, liinter dem Primitivstreit’en. Das Amnion ist an dieser Stelle ehenialls liereits ge- schlossen (die obere Wand der Höhle fehlt in der h'igur), die untere Wand der Amnionhöhle besteht wieder nur aus zwei Zellenlagen Bctoblast und Bntoblast, die beide annähernd gleich dic-k sind; in den unteren Theilen des hier nunmehr bereits geschlossenen Darmrohrs wird die Grenze des Ento- blast gegen die Darmläserplatte an dem Schnitt undeutlich, die Zellen des Entoblast sind im Verhältniss zu denen der oberen AVand niedrig. Aus einem Vergleich des eben beschriebenen Stadiums mit den Figg. 8 u. 0 ergiebt sich, dass die Aftermcmbrau nach dem stattgehabten Verschluss des Enddarmes zunächst noch eine Zeit lang in der oberen AVand des dermaligen Enddarmes belegen ist, eine Kinne von der Ectobiast- seite ist weder in diesem noch in dem vorausgehenden Stadium vorhanden. AVie sich dieselbe in ihrer Lage zu dem Embryonalkörper und zur Allantois in dieser frühen Entwickelungszeit verhält, zeigt die Eig. 11, ein Längsschnitt durch das hintere Ende eines Kaninchenembryo, der in der Entwickelung etwa zwischen denjenigen der Eig. 8 und 10 steht, näher an 8 als an 10. Der Schnitt ist nicht ganz genau sagittal und triftt in seinem vorderen Theil die Medianlinie nicht, sonst könnten hier die drei Keim- blätter nicht getrennt von einander erscheinen. Er zeigt jedoch, dass inner- halb der Amnionhöhle, also nach vorn von der Wurzel der hinteren Ani- nionfalte sich eine hier ziemlich schmale Stelle vorfindet, an der Ectoblast und Entoblast einander berühren (die Ausdehnung der Stelle, innerhalb deren Ectoblast und Entoblast an einander stossen, scheint bei verschie- denen Embryonen auch der gleichen Entwickelungszeit innerhalb gewisser Grenzen zu variiren. Ich finde dieselbe bei einigen anderen Durchschnitts- serien nicht so breit, wie z. E. in Eig. 10). Der Entoblast erscheint ent- sprechend den Querschnitten verdickt und ein wenig von unten her ein- gebuchtet. Nach hinten folgt dann der AVulst, den die Allantoisanlage in dieser Zeit darstellt. Der nächste Vorgang würde nun der sein, dass die bis dahin in der oberen AVand des End darnies belegene Stelle zugleich mit der Drehung der Allantois in die untere AVand des Darmes zu liegen kommt und damit ihre deünitive Lage im Embryonalkörper erhält. Während der Zeit der Drehung sind zur Beobachtung selbstverständ- lich nur Längsschnitte durch das hintere Ende des Embryonalkörpers geeignet. Diese sind genau sagittal wieder nur durch einen sehr kleinen Theil des Hinterendes zu legen, da dasselbe sich in dieser Zeit (etwa erste Hälfte des neunten Tages) bereits stärker zu krümmen beginnt. Einen Längsschnitt aus dieser Zeit zeigt Eig. 12. Da der Schnitt (wie auch der folgende Längsschnitt) in seinem vorderen Theil erheblich 164 H. 8teahl: schräg fällt, so sind von demselben theil weise nur die Contoiiren angegeben. Der Schnitt lässt zunächst die Drehung der Allantois nach unten und vorn erkennen; damit tritt zugleich die Wurzel des Amnion mehr nach unten und in dem am weitesten nach vorn und unten reichenden Ende der Ani- nionhöhle liegt die Aftermembran. Gerade an diesem Präparat sind deut- lich einzelne scharf umrandete Zellen zwischen Ectoblast und Entoljlast gelegen, von denen nicht zu sagen ist, wohin sie gehören. Einen ähnlichen Durchschnitt bildet auch Kölliker von Kaninchen ab (Grundriss der Entwickelungsgeschichte. 2. Aufl. Eig. 102), hier scheinen noch mehr Zellen zwischen Ectoblast und Entoblast zu liegen, derselbe würde also die Aftermembran nicht genau getrofien haben. Sobald die Drehung der Allantois nach vorn vollendet ist, kann man auch brauchbare Querschnitte anfertigen. Einen Querschnitt eines solchen Enil)ryo zeigt Eig. Ul (neun Tage drei Stunden nach der Begattung. Die Embryonen desselben Uterus können, wie bekannt, grosse Verschiedenheiten in der Entwickelung zeigen). Das Rückenmark ist jetzt geschlossen, unter demselben liegt die schon in der Drehung begritlene und daher schräg getroffene Chorda. Die Leibeshöhle ist ebenfalls geschlossen, desgleichen das Amnion. ln der unteren Wand des geschlossenen Darmes, an einer Stelle, die nunmehr — deutlicher noch in den gleich zu beschreibenden Längsschnitten — als Cloake kenntlich ist, hört das mittlere Keimblatt, das die seitliche Leibeswand bilden hilft, auf, und stossen Ectoblast des Hornblattes und Entoblast des Darmrohres an einander. Das Hornblatt ist sonst ganz niedrig, einschichtig und wiial nur an der Aftermembran, wo es dem Meso- blast nicht mehr anliegt, hoch. Unverkennbar als Stelle der späteren Cloakenöffnung tritt die in Rede stehende Stelle bei zwei Längsschnitten durch das hintere Körperende von zwei älteren Embryonen auf. Eig. 14 zeigt den Durchschnitt durch einen deutlich ausgebildeten Schwanz eines Embryo von zehn Tagen IV2 Stunden. Das Rückenmark reicht bei einem neben dem abgebildeten gelegenen Schnitt his fast zur Schwanzspitze, die Chorda ebenso weit und die pars caudalis intestini ist wohl entwickelt. Au der Stelle der Cloake verdicken sich das Hornblatt und der Entoblast ziemlich plötzlich und es schwindet der Mesoblast zwischen beiden, sodass sie sich berühren. Die Verdickung des Hornblattes ist am hinteren Ende der Cloake am stärksten und findet sich hier auch eine leichte Einbuchtung. Eine Grenze zwischen Entoblast und Hornblatt ist noch vorhanden. V. Mihalcowics (1. c. p. olO) beschreibt die Aftermembran des Kaninchens aus ähnlicher Entwickelungszeit, als „aus den Derivaten aller drei Keim- Zur Bildung der Cloake des Kaninchenembrto. 165 blätter‘^ bestehend. Die Abbildung, die er hierlur giebt (Tat. IV. b’ig. 52), betrifft aber einen Durehsehnitt, der — wie aus dem Vorhandensein von Rückenmark und Urwirbeln hervorgeht — schräg durch den Bchwanztheil geht. Daraus wird sich wohl die Abweichung nach dieser Kichtung erklären. In Fig. 15 ist die Cloake eines Embiyo von fast dreizehn Tagen darge- stellt; es ist dies ein Zustand dicht vor der Eröfl’nung, die um diese Zeit der Entwickelung erfolgen muss. Au dem ziemlich genau sagittal und median gefallenen 8chnitt reicht ein epithelialer Strang, der stellenweise noch ein feines Lumen zeigt, eine Strecke in den Schwanz hinein. Es ist der Rest der pars caudalis intestini, welch’ letztere sich hier von hinten nach vorn langsam zurückbildet. Die Verhältnisse liegen in dieser Beziehung anders als beim Eidechsenembry«». An der unteren Wand der Cloake sind Ectoblast und Entoblast nicht mehr von einander zu trennen; eine von aussen eindringende (Irube, wie Gasser dieselbe beim Vogelembryo fand, ist nicht vorhanden; auch Köl- liker vermisst dieselbe bei den von ihm untersuchten Säugethierembryonen- Vergleicht man die Reihe der eben beschriebenen Praeparate unter einander, so ergielff sich, wenn man von den letztbeschriebenen ausgeht, dass die Stelle der späteren Cloakenöffnung (Aftermembran) uns bei dem Embryo von fast 13 Tagen ein ähnliches Bild zeigt, wie es Gasser für den Hühneremhryo beschreibt. Es sind Ectoblast des Hornblattes und Entoblast der Cloake ohne Grenze mit einander verschmolzen; in wenig früherer Zeit findet man jedoch zwei (wenn auch zuweilen nicht in allen, so doch stets in einzelnen Stellen) von einander getrennte Zellenlagen vor und kann nun verfolgen, auf welche Weise die Stelle der späteren Cloaken- öffnung allmählich von der Rückseite des dermaligeu Darmrohres auf die ventrale üherwandert. Immer liegt aber in dieser Entwickelungszeit die betreffende Stelle in dem letzten Abschnitt der Amnionhöhle, also vor der Wurzel der hinteren Amnionfalte und hinter dem dermalen noch vorhan- denen Rest des Priniitivstreifens. .Geht man noch weiter in den Entwickelungsstadien zurück, so findet man bei Embryonen von 3 bis 5 Urwirbeln, dass hier in dem Bereich des Primitivstreifens die erste Anlage der Aftermembran sich kenntlich macht. Da übrigens hinter derselben die Diöerenzirung der Keimblätter bald vor sich geht, so wäre vielleicht in dem Umstand, dass diese Differenzirung etwas früher oder später vor sich gehen kann, die Erklärung dafür zu suchen sein, dass Kölliker bei seinen Praeparaten von einem Stück Pri- initivstreifen hinter der Aftennembran nichts beschreibt. Durch den Umstand, dass diese Stelle hier so verhältnissmässig früh kenntlich wird, lässt sich dann auch besser als beim Vogelembryo, für den Gasser dasselbe anzimehmeu geneigt ist, der Nachweis führen, dass ein, 166 H. Strahl: wenn auch kleiner Theil des Primitivstreifens von hinten nach vorn zurück- gebildet wird. Die beiden oberen Plättei' dieses Theiles liefern die Wurzel der hinteren Amnionfalte und an der Stelle, an welcher deren Hautplatte in die Darmfaserplatte übergeht, also im Bereiche des ehemaligen Primitiv- streifens, entwickelt sich weiterhin der Allantoiswulst. Ich möchte hier auch noch eine kurze Darstellung der entsprechenden Entwickelungsvorgänge beim Keptilieuembryo anschliessen, die ich ebenfalls zu untersuchen Gelegenheit hatte. Aus dem Verhalten der Cloakenstelle zu dem Endwulst einerseits und der Anlage der Allantois andererseits und aus dem früher von mir be- schriebenen eigeuthümlicheii Verhalten der Allantois zum Primitivstreifeii ergiebt sich bereits, dass die Verhältnisse der Entwickelung hier wesentlich anders sein werden. Berücksichtigt man das Verhalten des hinteren Körperendes eines Embryo von lacerta agilis von etwa 5 bis 6 Urwirbeln, so ergeben Längs- schnitte durch dasselbe, dass die hintere Amniontälte eben in der Anlage begriffen ist. Dieselbe hat sich von dem oberen Rand des letzten Theiles des Primitivstreifens abgespalten, der noch bleibende Rest dieses Theiles wird nach Abzug einer aus Darmfaserplatte und Entoblast bestehenden Zellenschicht zur Allantois. Letztere hängt breit mit dem späteren hinteren Körperende zusammen. Falls man überhaupt die Stelle der späteren Cloakenöffnung hier schon bestimmen wollte, so könnte man solche nach dem oben vorn Säugethier mitgetheilten nur an der Stelle suchen, an welcher die Wurzel der hin- teren Amnionfalte mit dem hinteren Körperende zusammenhängt. Ein Vergleich meiner früher hierfür gegebenen Figuren mit den vom Säugethier gegebenen lässt die Unterschiede leicht erkennen. Dieselben sind für die frühen Entwickelungsstadien gegeben, in den Differenzirungs- vorgängen des sehr hohen Primitivstreifens der Eidechse gegenüber dem niedrigen Primitivstreifen des Säugethieres. Als wesentliche Uebereinstimmung würde dagegen der Umstand zu nennen sein, dass bei beiden Thiergruppen noch ein, wenn auch kleiner Rest des Primitivstreifens hinter der Cloake gelegen ist, der in seinen Zellen die Anlage für die Allantois enthält. Ausserdem ist hier noch weiter zu erwähnen, dass auch bei Lacerta eine Stelle am hinteren Körperende vorkommt, an der Ectoblast und Ento- blast einander berühren. Dieselbe bildet sich aber erst bei älteren Em- bryonen und betriff’t eine Stelle an der oberen Wand der Allantois, wo dieselbe mit der Wurzel der hinteren Amnionfalte zusammenstösst. Hier Zitn Btldi'Ng heu Cloake ICantnchenemervo. 167 feilt in ziemliclier Ausdelmuiig eine Lage freien Mesoblastes. Gasser^ )»esclireibt eine solche für den Vogelembiyo ebenfalls. Für die Anlage der Afterniembran wird übrigens die Stelle nicbt ver- wandt, wenigstens sicher nicbt direct, wie aus dem Umstand hervorgeht., (lass in einer älteren Entwickelungszeit sich in der unteren Wand der Cloake drei wohl von einander getrennte Keimblätter vorfinden. Figur 16 zeigt einen Querschnitt aus solcher Zeit, man erkennt in der unteren Cloaken- wand die drei Keimblätter, die sich in gleicher Deutlichkeit, wie in dem abgebildeten Schnitt, in der ganzen unteren Cloakenwand linden; man wird einen solchen Durchschnitt von einem entsprechenden beim Kaninchen also schon an diesem Umstand sicher unterscheiden. Ausserdem fehlen hier die cylindrischen Zellen im Hornblatt, die bei der Cloake des Kaninchens sich bis kurz vor der Eröffnung erkennen lassen es ist im Gegentheil hier der Ectoblast verdünnt. Ob wie beim Säugethier und Vogel eine Verschmelzung von Blättern der Eröffnung der Cloake vor- ausgeht, kann ich aus den mir vorliegenden Praeparaten nicht entnehmen. Es sollen hier nur die in Obigem mitgetheilten Beobachtungen, soweit, dieselben sich auf das Verhalten der Cloakenbildung des Kaninchens beziehen, kui’z zusammengefasst werden: 1. Beim Kaninchenembrjo von 4 bis 5 Urwirbeln ist die Stelle, an welcher später die Cloakenöffnung durchbricht als schmaler von zwei Wülsten bt'grenzter Streifen im Flächenbilde kenntlich. 2. Auf dem Durchschnitt findet man hier eine Stelle, an der Ectoblast und Entoblast einander berühren (Kölliker), die Aftermembran. 3. In der nach hinten von dieser Stelle belegenen Parietalzone sind Ectoblast und Mesoblast in der Axe nicht getrennt, findet sich also Primi- tivstreifen; die Aftermembran entsteht demgemäss im Bereich des Primit.iv- streifens, sie bildet sich hier durch seitliche Loslösung des Mesoblast vom Ectoblast. 4. In der hinter der Aftermembran belegenen Parietalzone differenzirt sich die hintere Amnionfalte, in dem Bereich des früher hier vorhandenen Primitivstreifens entwickelt sich die Allantois. 5. Mit der Anlage der hinteren Amnionfalte ist die Lage der After- membran in dem hinteren Ende der Amnionhöhle gegeben. 6. Bei der Bildung des Enddarmes erfolgt der Schluss desselben so, dass die Aftermembran zeitweilig in der oberen Wand des geschlossenen Enddarmes belegen ist. ^ Primitivstreifen hei Vogelemhryoneii. S, 75. 168 H. Htraiii,; Zur Bn,mTNr, der Oloake des Kaninchenembeto. Erklärung der Abbildungen. Rr — Riickeiimarksrolir. Uf = Rückenfurche. Pr — Primitivstreifen. Af — Afterniembran. Hz = Herzanlage. Hp — Hautplatte. Dfp — Darmfaserplatte. Ch = Chorda. Chi'. — Cliordakaual. Amnh — Amnionhöhle. >S'c? = Schwanzdarni. All — Allan tois. D — Darmrolir. Clh = Cloakenhohlramn. Pp — Pleuroperitonealhöhle. Fig. 1, Kanincheneniln’yo von 5 ürwirheln von der Ectohlastfläelie. Yergrösserung etwa 15/1. Fig', 2. Querschnitt durch einen solchen Embryo an der Stelle Af. Fig, U. Querschnitt durch denselben Embryo vor Af. Fig. -1-. Querschnitt durch denselben Embryo dicht hinter Af. (Yergrösserung Leltz (Je. 1. Syst. 3.) Fig. 5. Theil eines medialen Längssclinittes durch einen gleichaltrigen Embryo an der Stelle Af. (Yergrösserung Leitz Oc. 1. Syst. 5.) Fig. C. Längsschnitt durch den Chordacanal desselben Emliryo. Yergrösserung wie 5. Fig. 7. Querschnitt durch das Yorderende des Primitivstreifeiis (im Bereich von Ifensen’s Knoten) von einem Kaninchenembryo von etwa 1 mm Länge. Yergrösserung Leitz Oc. I. Syst. 7. Fig. 8. Querschnitt durch einen Embryo von etwa 11 Urwirbeln hinter dem Primitivstreifen. Fig. D. Ebensolcher Schnitt von einem Hundeembryo. Fig. 10. Querschnitt durch einen etwas älteren Kaninchen enibryo (13 ürwirbel, Anfang des 9. Tages) an gleicher Stelle. Fig. 11. Tjängsschnitt durch das hintere Körperende eines Kaninebenembryo neben der Medianlinie. Yergrösserung Leitz Oc. I. Syst. 3. Fig. 12. liängsschnitt durch das hintere Körperende eines etwas älteren Embryo. Yergrösserung Leitz Oc. I. Syst. 2. (Ebenso Fig. 13, 14, 15.) Fig. 115. Querschnitt durch einen Kaninchenerabryo von 9 Tagen und 3 Stunden mit etwa 18 Urwirbeln. Cloakengegend. Fig. 14. Längsschnitt durch das Schwanzende eines Kaninchenembryo von 10 'lagen l’/i Stunden. Fig. 15. Medialer Längsschnitt durch das Hinterende eines Kanincheuembryo von fast 13 'lagen. Fig. 16. Querschnitt durch die Cloakengegend eines Eidechsenembryo kurz vor Er- öffnung der Cloake (annähernd in derselben Entwickelungszeit wie der Fig. 8. — Archiv. 1884. 'laf. III — abgebildete.) Yergrösserung Leitz Oc. I. Syst. 3. Aum. In Fig. 6 ist der Uebergang des hinteren Randes der Cbordaschleife in den Primitivstreifen nicht ganz dem Object entsprechend zum Ausdruck gekommen, ebenso ist in Fig. 2 die Grenze des Ectoblast gegen den Mesoblast rechts unten von der Vertiefung zu scharf. Ircliin.rJmil.u.l'lui I hr/iir./'. hml n /%•*' ■ H'lh{'l At: mBm 5^ NVri;'W^*UVv;*v ;j .’”■*. Wi V.-'.l .a Veil a- t'i)iii|). -.i;) ].i*K. At. lieber die Alkoholreaction normalen Gelenkknorpels. Ein Beitrag zur Histopkysik.^ Von Bernh. Solger, ao. Professor der Auatomie iu Greifswald. (Hierzu Taf. Y.) Es ist gerade kein vielbetretenes Arbeitsfeld, dem das Thema angehört, das in den folgenden Zeilen erörtert werden soll. Die thierische Gewebe- lehre unserer Tage hat ihre grossen Erfolge auf ganz anderem Gebiete er- rungen: sie hat unsere morphologischen Anschauungen vom Baue des Zell- körpers und besonders des Zellkernes von Grund aus umgestaltet, und die durch eine Reihe hervorragender Forscher, W. Flemming an der Spitze, ermittelten Thatsachen erscheinen um so bedeutungsvoller, als sich — seit Schleiden’s und Schwann’s Zeiten zum ersten Male wieder — eine oft bis in’s Einzelne gehende Uebereinstimmung in der Strnctur des Eiern entar- organisnius des pflanzlichen und thierischen Körpers herausstellte. Haben somit bei der Erforschung des feineren Baues der ruhenden und sich theilen- den Zelle und damit im Zusammenhänge bei dem Studium des Befruchtungs- vorganges beide Schwesterwissenschaften gleichen Schritt gehalten, so sind sie dagegen auf einem anderen Gebiete, dem der Mikrophysik oder im wei- teren Sinne genommen, der Histophysik nicht gleichmässig vorgegangen. Das Verhalten pflanzlicher Gebilde hinsichtlich ihrer Elasticität und Weich- heit, der Krümmung und Drehung, Cohäsion und Adhäsion, Quellung und Diosmose, sowie die Erkennung und Beurtheilung der betreffenden Befunde, wie sie an der Hand verschiedener Untersuchungsmethoden sich ergeben, haben ^ Nach einem im medicinischen Verein zu. Greifswald am 6. Februar d. J. gehal- tenen Vortrag. 170 Beenh. Solgee: in botanischen Lehrbüchern schon längst ihre ausführlichere Darstelluug ge- funden. Eine Zusammenfassung histophysikalischer Thatsachen, wie sie für die Chemie der Gewebe bereits vorliegt, hat meines Wissens die thierische Histologie noch nicht aufzuweisen; nur die Lehre von den Polarisations- erscheinungen macht hiervon eine Ausnahme. Was sonst in das Gebiet der Histophysik gehört, findet sich in Zeitschriften oder Monographien zerstreut. So ist, um nur einige Punkte hervorzuheben, über den Einfluss von Zug- und Druckkräften auf die Form der Zellen von einer Anzahl von Autoren an ver- schiedenen Orten gehandelt worden. Pflüger hat auf Grund ausserordentflch werthvoller Experimente die Frage aufgeworfen: In wieweit wird die Richtung der Furchen des sich zerklüftenden Batrachiereies und die Zelltheilung über- haupt von der Schwerkraft beherrscht? H. Gierke hat in einer sehr dankens- werthen Abhandlung: „Färberei zu mikroskopischen Zwecken‘‘ ^ entgegen der allgemein festgehaltenen Vorstellung das Ueberwiegen physikalischer Vorgänge bei der Imprägnation thierischer Gewebe mit Farbstoffen nachdrücklich betont. Es eröffnen sich also für die physikalische Betrachtung der Gewebe nach ver- schiedenen Seiten hin vielversprechende Aussichten. Ob freilich die Ergeb- nisse der Forschung jemals derselben Sicherheit sich erfreuen werden, welche die Botanik für ihre auf demselben Felde erworbenen Errungenschaften in Anspruch nehmen darf, das muss bei der Verschiedenheit der Untersuchungs- objecte die Zukunft lehren. Die Hauptschwierigkeit scheint mir darin zu liegen, dass wir nicht überall in der Lage sein werden, die chemische und die physikalische Wirkung der von uns angewandten Mittel streng auseinander zu halten. Es lässt sich dies an dem Beispiel der Essigsäure mit aller Schärfe zeigen. Man kann, so äussert sich Ran vier, ^ die Objecte auf doppelte Weise durchsichtig machen, erstens dadurch, dass man ihre chemische Zusammen- setzung ändert, und zweitens dadurch, dass man sie mit einer Substanz von ähnlichem oder gleichem Brechungsindex (Canadabalsam, Damarharz, Nelkenöl, Terpentin, Glycerin) imprägnirt. Beide Methoden können übrigens auch gleichzeitig zusammen angewandt werden. Unter den Substanzen, „welche die Gewebe chemisch modiflciren‘‘ und dieselben „vermittelst dieser Art der Einwirkung durchsichtiger machen*^ nennt Ranvier gewisse Säuren in flüssiger Form, nämlich Ameisensäure, Salzsäure und Essigsäure. Diese Stoffe lassen gewisse Elemente, die Bündel des Bindegewebes, das granulirte Protoplasma der Zellen anschwellen und verwandeln sie in eine mehr oder weniger homogene Masse, aber sie lösen sie nicht auf, vorausgesetzt, dass sie nicht ^ Zeitschrift für wissenschaftliche Mikroskopie und für mikroskopische Technik. Bd. I und II, auch als Separatabdruck. Berlin 1885. ^ Kanvier, Technisches Lehrbuch der Histologie. Deutsche Uersetzung. 1877. l.Lfg. S. 103 ff. Über die Alkoholreaction normalen Gelenkknorpels. 171 in zu concentrirter Lösung angewandt werden. Dass die Essigsäure in stark verdünntem Zustande wirklich „die Elemente bloss anschwellen^‘ macht, lässt sich, wie Ran vier ausdrücklich hervorhebt, dadurch erweisen, „dass man ein Gewebe wieder auf seine ursprüngliche Form zurückführen kann, wenn man die Säure, die darauf eingewirkt hatte, wieder daraus entfernt.^‘ In diesem Falle liegt also doch wohl nur ein physikalischer Vorgang vor, oder wenigstens in erster Linie ein solcher. Die von dem Verfasser ge- wählte Ueberschrift: „Körper, welche die Gewebe chemisch modificiren“ passt dagegen unzweifelhaft für die verhältnissmässig seltenen Fälle von Application wenig verdünnter Lösungen, durch welche die Gewebstheile „zu einer gelatinösen Masse verschmelzen, in der man auch nicht eine Spur der ursprünglichen Elemente erkennt.“ Wo ist nun die Grenze zwischen beiderlei Wirkungsweisen , welche Concentrationsgrade entsprechen bei den verschie- denen Geweben der einen oder der anderen? Die Entscheidung wird noch schwieriger dadurch, dass die Zeitdauer der Einwirkung ihren Einfluss geltend macht. Wie bei so vielen unserer histologischen Reagentien kommt es noch bei der Essigsäure darauf an, die Praeparate „im richtigen Zeit- punkt“ zu untersuchen „indem vor diesem Moment Quellung und Aufhellung noch allzu gering, später aber die Umänderungen des Gewebes durch die Säure allzu bedeutend ausgefallen sind“ (Frey, Mikroskop. 6. Aufl. S. 81). Gerade die Gruppe der Bindesubstanzen scheint für histophysikalische Untersuchungen das dankbarste Feld abzugeben. Die Abhängigkeit des Gefüges derselben von Zug- und Druckkräften ist ja, seit H. v. Meyer das Gesetzmässige in der Anordnung der Spongiosa entdeckte, für zwei wichtige Glieder jener wohl charakterisirten Gewebsfamilie, für den Knochen und für das fibröse Gewebe (W. His) wohl allgemein anerkannt. Man ist bei dieser Erkenntniss nicht stehen geblieben. Räuber hat durch umfassende Ver- suche die Widerstandskräfte des Knochens zu ermitteln gesucht.^ Inter- essante Aufschlüsse über das optische Verhalten des Knochens gab fast gleichzeitig V. v. Ebner.^ Bekanntlich wird der Knochen durch Mineral- säuren (Salzsäure) erweicht, gleichzeitig quillt seine Substanz. Diese Quel- lung, bei welcher der Knochen glasartig durchsichtig oder durchscheinend wird, bleibt aus, wie v. Ebner zeigte, wenn die Säure einer Kochsalzlösung (10 — löprocentige Kochsalzlösung auf 1 — Sprocentige Säure) zugesetzt wird. Der auf diese Weise erhaltene sogenannte „Knochenknorpel“ ^ erscheint zunächst noch weiss und nimmt ^ A. Rauher, Elasticität und FesfigJeeit der Knochen. Leipzig 1876. ^ V. V. Ebner, Ueber den feineren Bau der Knoebensubstanz. Sitzungsberichte der k. k. Akademie der Wissenschaften in Wien. Bd. LXXIL III. Abth. Juli-Heft. 1875. 1876 erschienen. ^ Sehnen zeigen bei gleicher Behandlung ein analoges Verhalten. 172 Beenh. Solgee: erst nach dem Auswaschen der Salzlösung das bekannte glasartige Aus- sehen an. An solchen Praeparaten lässt sich die fibrilläre Structur der Intercellularsubstanz, die v. Ebner übrigens auch an Querschnitten (in Wasser untersucht) erkannte, auf das Deutlichste demonstriren. — Auch der Knorpel (Gelenkknorpel) lässt, wie ich^ vor einiger Zeit nachweisen konnte, bei bestimmter Behandlung streckenweise eine sehr auffällige Aende- rung seines bekannten optischen Verhaltens erkennen, und zwar handelt es sich auch hier wieder um opak bleibende und glasartig durchsichtig werdende Partien.'^ Distale Femurenden und proximale Abschnitte der Tibia, deren Knorpelüberzug als normal zu bezeichnen war, wurden in möglichst frischem Zustand in reichliche Mengen von absolutem Alkohol (Aethylalkohol) versenkt. Während an den frisch untersuchten Femur- abschnitten erhebliche Niveauunterschiede nur in Form jener bekannten Grenzmarken vorhanden waren, die gegen die Incisura intercondyloidea hin convergiren und die Superficies patellaris von den beiden gewölbten Con- dylenflächen trennen, konnte man im Verlaufe von 24 Stunden allmählich immer deutlicher erkennen, dass der Knorpelüberzug nicht überall dieselbe Höhe beibehielt, sondern — und zwar vorwiegend im Gebiet der Condylen — beträchtlich schrumpfte. (Dass die Niveaudifferenz nicht umgekehrt durch Quellung gewisser Abschnitte zu Stande kommt, wurde, obwohl nach Allem, was über die Alkohol Wirkung bekannt ist, von vornherein nicht daran zu zweifeln war, zum üeberfiuss auch noch durch vergleichende Messungen festgestellt). Mit diesem Niveau-Unterschied ging eine Verschiedenheit des optischen Verhaltens Hand in Hand. Die geschrumpften Bezirke waren glasartig durch- sichtig geworden, die nicht geschrumpften hatten das Aussehen des frischen Knorpels beibehalten. Ich habe nun seit der Abfassung meiner ersten Mit- theilung den Gegenstand stets im Auge behalten und kann als ganz sicher hinzufügen, dass die bezeichnete Erscheinung in allen Extremitäten- gelenken und vielleicht in allen Gelenken überhaupt in ganz derselben Weise zur Beobachtung zu bringen ist. Ich habe wohl bei 30 Individuen der verschiedensten Altersstufen zwischen dem 15. und 65. Lebensjahre die Untersuchung durchweg mit demselben Erfolg angestellt. Dass es sich dabei überall um vollkommen normale Gelenke handelte, möchte ich ausdrücklich hervorheben. Wir haben also keinen Grund zu bezweifeln, dass die durch Alkohol hervorzurufende Difiterenzirung des vorher gleich- ^ B. Solger, lieber das verschiedene optische Verhalten bestimmter Abschnitte anscheinend normalen Gelenkknorpels nach Einwirkung von absolutem Alkohol. Vir- cho w’s Bd. CIL S. 258— 262. Taf. IV. ^ Hier ist zunächst nur von dem Gelenkknorpel die Rede, dessen Dicke ja bis 2“*'' betragen kann. Dass derselbe, wie der hyaline Knorpel überhaupt, „in feineren Schnitten wasserklar und durchsichtig“ (Frey) ist, kommt einstweilen nicht in Betracht- Übee die Alkoholreaction normalen Gelenkknorpels. 173 massigen Knorpelüberzugs, wodurch zwei Bezirke von so auffallender Yer- schiedenheit unterscheidbar werden, durchaus in das Bereich normaler Gewebsveränderung fällt, wie sie gerade das Knorpelgewebe während der postembryonalen Entwickelung mehrfach erleidet. So stellt, um nur einen Punkt herauszugreifen, die Verkalkung der tiefsten Partien des Gelenk- knorpels bei bejahrteren Leuten so regelmässig sich ein, dass es Niemand in den Sinn kommen wird, sie als pathologisch zu bezeichnen, denn eben- sowenig wie die in Eede stehende Veränderung hat sie die geringsten Stö- rungen der Function des betreffenden Gelenkes zur Folge (vergl. Kölliker Gewebelehre. 5. Aufl. S. 67, ferner Cornil und Ran vier). Die Verkalkung der dem Knochen benachbarten Knorpelpartien tritt übrigens im Bereiche des Glasknorpels ^ aus naheliegenden Gründen besonders leicht zu Tage; hier erscheint die betreffende Schicht an Prae- paraten, die nicht zu lange in Alkohol gelegen haben, unter der Form schwefelgelber Flecken, die, wie in Fig. 1 dieser Abhandlung, in Gruppen beisammenstehen: die Farbe der wegen ihres Blutreichthums nach Ein- wirkung des Alkohols braun gewordenen Substantia spongiosa der betreffenden Epiphyse ist in der angegebenen Weise lichter geworden. Die soeben angeführte Abbildung giebt mir Veranlassung auf einen Punkt zurückzukommen, den ich schon in meiner früheren Publication (a. a. 0. S. 261) berührte. Ich hatte an der bezeichneten Stelle darauf aufmerksam gemacht, dass „Continuitätstrennungen (Einschnitte), die vor der Einwirkung des Alkohols an Knorpelpartien, die später in Alkohol durch- sichtig werden, angebracht worden waren, eine Aenderung des optischen Verhaltens zur Folge“ hätten. Im Umkreis des Schnittes aber bleibt die Substanz opak; leider ist dieses Verhalten in Fig. 2 der beigefügten Tafel (bei sch) nicht deutlich zu erkennen, weil der gelbe Farbenton auch die punktirte Zone überdeckt. Ich möchte hier noch beifügen, dass in der nächsten Umgebung von Einschnitten, die senkrecht zur Oberfläche des Knorpels geführt werden, die Schrumpfung ausbleibt. Die freien Ränder des Schnittes ragen also über das Niveau ihrer glasigen Nachbarschaft her- vor. Uebrigens ist das Ergebniss immer das gleiche, in welcher Richtung zur Medianebene man auch die Verticalschnitte führen mag. Im Bereich des opaken Knorpels ändern dagegen derartige Continuitätstrennungen nicht das Geringste an dem Aussehen desselben. ^ So will ich in Zukunft, wo die Kürze der Ausdrucksweise es verlangt, die in absolutem Alkohol (genauer 96 procentigem Alkohol) durchsichtig werdende Varietät des Hyalinknorpels bezeichnen. „Hyalin“ bedeutet freilich selbst schon „gläsern“. — Die opak bleibenden Bezirke sollen, im Anschluss an eine für die Sclera gebrauchte Be- zeichnung E. V. FeischEs (1880) „Porzellanknorpel“ heissen. 174 Beknh. Solgee: Ich habe ferner den Versuch in der Weise abgeändert, dass ich in tangentialer Kichtung von der gewölbten Knorpeloberfläche Scheiben von der Dicke eines halben oder eines ganzen Millimeters mit dem Messer ab- triig. Auch hier war das Ergebniss ähnlich dem des vorigen Versuches. Im Bereich des Porzellanknorpels, der dadurch erheblich dünner geworden war, wurde durch derartige Eingriffe Nichts geändert, nur war die zurück- bleibende Schicht je nach ihrer Dicke etwas durchscheinender geworden. Im Gebiet des Glasknorpels erscheint die Schnittfläche — unter Alkohol gehalten — grösstentheils opak, porzellanartig. Nimmt man gar das Prae- parat aus der Flüssigkeit heraus und lässt es einige Minuten an der Luft verweilen, bis die Schnittfläche eben trocken geworden ist, so erscheint die- selbe nun wie weiss lackirt, während das glasartige Aussehen der weiteren Umgebung nach wie vor fortbesteht. Das intensive Weiss ist auf die eigent- liche Schnittfläche beschränkt; in der Tiefe erstreckt es sich, immer schwächer werdend, über die Ränder derselben hinaus. — Beide Anordnungen des Versuches laufen wesentlich auf dasselbe hinaus. In beiden Fällen konnten die Molecüle der Intercellularsubstanz bei der durch den Alkohol bewirkten Schrumpfung nicht in derselben gleichmässigen Lagerung bleiben, wie sie im Gebiete des Glasknorpels --es wird das in einem folgenden Artikel nochmals zur Sprache kommen — gewahrt wird. Die Lichtreflexe, die in den gleichsinnigen Ebenen des intacten glasigen Knorpels fehlen, hier aber zu Stande kommen, weisen unzweideutig darauf hin. — Von wie grosser Bedeutung Aenderungen der Spannung (und der Dichtigkeit) des Knorpels für das Eindringen und den Modus der Ausbreitung gewisser Reagentien sein können, geht schon aus den Erfahrungen hervor, die wir Flesch^ bezüglich des Verhaltens der Lösungen von Argentum ni tri cum verdanken. Als üntersuchungsobject diente ihm der Knorpelüberzug des Femurkopfes des Frosches. Weiterhin wurde von mir nach einem gesetzmässigen Verhalten der beiden einander zugekehrten Gelenkenden bezüglich der Ausdehnung der Differenzirung gesucht. Eine derartige Feststellung wird nun aber — und das gilt auch hinsichtlich der Frage nach der gleich zu besprechenden Symmetrie des Processes und der mit dem Alter wachsenden Ausbreitung desselben — nicht unerheblich durch den Umstand erschwert, dass der Glasknorpel bei seinem ersten Auftreten und seiner allmäh- lichen Zunahme nicht die ganze Dicke des Knorpelüberzuges gleichmässig durchsetzt, sondern von den tiefsten Schichten ^ Flesch, Bemerkungen zur Kritik der Tinctionspraeparate. Zeitschrift für toissenschaftl. Mikroskopie und für mikroskopische Technik. Bd. II. Hft. 4. S. 469 — 471. Die betreffenden Angaben sind aus einer früheren Specialuntersuchung des Verfassers reproducirt. Über die Alkoholreaction normalen Gelenkknorpels. 175 desselben gegen die Oberfläche vorrückt. Solche Uebergangsformen, denen oft nur sehr wenig an Vollwerthigkeit abgeht, sind keineswegs immer leicht richtig zu taxiren. Die folgende Angabe kann daher nur auf den Werth einer ungefähren Schätzung Anspruch erheben. Unter dieser Yor- aussetznng lässt sich dann als Ergebniss vielfältiger Prüfung der Satz auf- stellen, dass die Ausdehnung der Differenzirung in die beiden mehrfach charakterisirten Zonen im Bereiche zweier einander zugekehrter Gelenkabschnitte im Allgemeinen die gleiche ist. Ist z. B. die Ausdehnung des Glasknorpels an einem Gelenkkopf eine mässige, so pflegt dieselbe sich auch au der zugehörigen Pfanne innerhalb ent- sprechender Grenzen zu halten. Wichtiger als die wechselseitigen Beziehungen der mit einander zu einem Gelenk verbundenen Skelettheile oder genauer der einander zu- gekehrten Knorpelflächen war für den Fortgang der Untersuchung die Ent- deckung der Symmetrie des Differenzirungsprozesses. Ich habe eine ziemlich grosse Anzahl (etwa je ein Dutzend) bestimmter Gelenkenden (distale Femurabschnitte, proximale Flächen der Tibia und des Talus) eigens zu dem Zwecke in Aethylalkohol ^ eingelegt, um mich zu vergewissern, ob wirklich die correspondirenden Flächen beider Körperhälften in dem frag- lichen Punkte Uebereinstimmung zeigen, und bin zu dem Ergebniss gelangt, dass es sich thatsächlich so verhält. Besonders an dem proximalen Ende der Tibia war die Symmetrie der häufig recht complicirt verlaufenden Grenzlinien oft bis in’s Einzelne ausgeprägt. Die Eruirung dieses That- bestandes war deshalb von Bedeutung, weil nun die Möglichkeit vorlag, die Wirkung des Aethylalkohols mit derjenigen anderer wasserentziehender Keagentien von einem sicheren Standpunkt aus in Vergleich zu ziehen. Die Ergebnisse dieser Versuche sollen weiter unten mitgetheilt werden. In meiner ersten Publication über den vorliegenden Gegenstand, die Ende Juli 1885 niedergeschrieben wurde, gab ich der Meinung Ausdruck, dass die glasige Modification des Gelenkknorpels „mit zunehmendem Alter in typischer Weise^^ um sich greife. Für das distale Femur ende, auf dessen Bilder ich mich damals vorwiegend stützte, muss ich diese An- sicht auch jetzt noch im Grossen und Ganzen als zutreffend er- klären, wenn man sich auch hüten muss, daraus etwa das Jahrzehnt des Lebensalters vorher zu sagen, in welchem das betreffende Individuum ge- standen hatte. An der oberen Gelenkfläche des Talus und an den Malleolar- flächen desselben tritt ein viel weniger gesetzmässiges Verhalten zu Tage. Das Resultat einer Versuchsreihe von fünf verschiedenen Individuen, von ^ Wenn später im Interesse der Kürze des Ansdrucks von „Alkoholwirkung“ die Rede ist, so ist stets an Aethylalkohol zu denken. 176 Bernh. Solger: denen vier eines plötzlichen Todes gestorben waren (drei Selbstmörder, ein Fall von Kohlenoxydgasvergiftung) und deren Gelenke durchaus normal sich verhielten, lässt sich am übersichtlichsten dadurch darstellen, dass ich die Lebensjahre der Einzelnen in der Ordnung aufführe, wonach jede folgende Ziffer einer weiteren Ausdehnung der Differenzirung entspricht; wir erhalten dann folgende Reihe: 36, 41, 15, 35, 25. Bei meinen bisherigen Versuchen hatten die Objecte sowohl, als der verwendete Alkohol eine Temperatur, die etwa zwischen 12 — 20® R. schwankte. Wie allgemein bekannt, werden durch Erwärmung die Körper, gleichviel ob sie starr, tropfbar-flüssig oder gasförmig sind, ausgedehnt. Ihr Volum vergrössert sich, die Molecüle müssen sich also dabei von einander ent- fernen. Temperaturerniedrigung hat dagegen Verminderung des Volums, also Annäherung der Molecüle zur Folge. Ich werde im späteren Verlaufe der Untersuchung die Gelegenheit wahrnehmen. Versuche innerhalb weiterer Temperaturgrenzen anzustellen (Versuche mit stark erwärmtem oder abge- kühltem Alkohol und in derselben Weise oder entgegengesetzt behandeltem Objecte). Ebenso bleibt das Maximum des Wassergehaltes des Aethylalkohols , noch festzustellen, bei welchem die Reaction noch eintritt. Der in den . anatomischen Instituten in der Regel für Sammlungspraeparate benutzte ; Spiritus ist natürlich schon zu wasserhaltig. i Treten wir nun der Frage näher: Worauf beruht das Eintreten , einer so auffälligen Differenzirung innerhalb einer anscheinend ' gleichartigen Knorpelplatte, die der längeren Einwirkung von Aethylalkohol ausgesetzt war? — Man wird zunächst wohl daran -l denken, dass der Durchmesser des Knorpelbelages hierbei entscheidend ; sein möchte. Allein diese Vorstellung muss als unzutreffend aufgegeben ’ werden, wenn man eine nur einigermaassen umfängliche' Reihe von Prae- : paraten mit Bezug auf diesen Punkt einer Prüfung unterzieht. Halten wir \ uns hier an Fig. 1 und Fig. 3 der beigegebenen Tafel! Der Knorpelüber- \ zug der Gelenkenden pflegt in den centralen Partien, einerlei, ob es sich ; um einen convexen oder concaven Abschnitt handelt, am dicksten zu sein ! und gegen die Ränder successive sich zu verdünnen. Daraus folgt, bei- | läufig bemerkt, dass auch bei völlig congruenten Knorpelflächen die von j denselben entblössten Knorpelenden unter allen Umständen einander in- congruent sein müssen. Im Bereich der Superficies patellaris (sp Fig. 1) i entspricht nun allerdings das Auftreten von Glasknorpel den dünnsten Knorpel- I strecken. Anders im Bereiche des lateralen Condylus (/). Hier zieht sich j ein ziemlich breiter Saum opaken Knorpels längs des lateralen Randes der | Incisur nach hinten und ganz gewöhnlich ist auch der gegenüberliegende | mediale Rand derselben in dieser Weise eingefasst (vgl. Vir chow’s Arc/iw, ^ Bd. CII, Taf. IV). Dieselbe Incongruenz zwischen der Ausdehnung des ■ I Über die Alkoholreaction normalen Gelenkknorpels. 177 Glaskiiorpels einerseits und dem Durchmesser des Knorpelüherzugs anderer- seits ergiebt ein Schnitt, der etwa durch die Eminentiae intercondyloideae der Tibia (Fig. 3) in frontaler Richtung gelegt wurde. Schneidet man, be- vor man die Gelenkenden mit Aethylalkohol übergiesst, Scheiben in tan- gentialer Richtung von Knorpelstellen ab, die später als opak bleibende sich heraussteilen, so nimmt, obwohl der Knorpel dünner geworden ist, die betreffende Stelle dennoch glasartige Beschaffenheit nicht an. Auf einer einfachen Differenz der Dicke des Knorpelüberzugs kann also, wie ich schon früher (a. a. 0. S. 201) betonte, die Erscheinung nicht beruhen. Es erhebt sich ferner die Frage, ob etwa die Alkoholreaction auf eine functioneile Structur im Sinne von Roux hin weist. Die Grenzen der Superficies patellaris, die man hier zunächst in’s Auge fassen wird, die „rainures^^ französischer Autoren, fallen mit denen der beiden Knorpel- gebiete nirgends auf grössere Strecken zusammen (vgl. Taf. IV in Virchow’s Archiv j Bd. CII und Fig. 1 dieser Abhandlung). Dagegen ist nicht zu leugnen, dass die Ausdehnung des opaken Knorpels, wie er nach Alkohol- behandlung bei Individuen mittlerer Lebensjahre zum Vorschein kommt, mit der Rutschbahn der Patella, wie sie neuerdings H. v. Meyer ^ darstellt, auffallend übereinstimmen kann. Aber diese üebereinstimmung besteht doch nur von einer gewissen Lebensperlode ab und auch dann nur vor- übergehend; schliesslich greift die Structuralteration, die durch die Alkohol- behandlung sichtbar gemacht wird, auch auf den bisher noch verschonten Bezirk über und kann ihn unter Umständen gänzlich occupiren. Der einzige Anhaltspunkt, der für das Bestehen einer functioneilen Structur sich dar- bietet, ergiebt sich aus der Vergleichung der einzelnen Bezirke der Geienk- flächen unter einander mit Bezug auf die Belastung derselben beim aufrechten Stehen und Gehen. Ich habe den Eindruck erhalten (be- stimmter möchte ich mich nicht ausdrücken), als ob diejenigen Partien des Gelenkknorpels der unteren Extremität, welche beim Stehen und Gehen durch die Last des Körpers besonders in Anspruch genommen werden, frühzeitiger und constanter die Alkoholreaction zeigten, als die übrigen. In meinem früheren Aufsatze glaubte ich über den Grund der Er- scheinung einstweilen nur soviel sagen zu können, dass „eine Alteration der Intercellularsubstanz vorzuliegen scheint, die mit geringerem Gehalt an Gewebsflüssigkeit oder mangelhaftem Festhalten derselben einem wasser- entziehenden Reagenz (Alkohol) gegenüber einhergeht.“ Dass dem hyalinen Knorpel bald ein grösserer bald ein geringerer Gehalt an Wasser zukommen ^ H. V. Meyer, Der MechaDismus der Kniescheibe. Dies Archiv. Anat. Abthlg. 1880. S. 280 ff. Archiv f. A. u. Ph, 1886. Auat. Abthlg-. 12 178 Bernh. Solger: kaun, ist ja längst bekannt.^ Das Neue meiner Mittheilung würde sich mithin hauptsächlich auf die Methode des Nachweises jener Verschiedenheit des Wasser- gehaltes beschränken. Es lag nun jedenfalls nahe, die Wirkung anderer wasser- entziehender Substanzen mit derjenigen des Aethylalkohols zu vergleichen. Das Bestehen einer nicht zu verkennenden Symmetrie beider Körperhälften hin- sichtlich der Ausbreitung der Alkoholreaction musste hierbei, wie schon oben angedeutet wurde, besonders zu Statten kommen. Allein die Versuche mit Aether und Kreosot , die ich zunächst anstellte, ergaben stets ein negatives Resultat. Irgend eine mit der Alkoholreaction vergleichbare Wirkung trat nicht zu Tage, der Knorpelüberzug blieb opak. Ich habe nach diesen wenig ermuthigenden Erfahrungen es zunächst noch unter- lassen, Kali aceticum oder, was mir von befreundeter Seite als ein besonders energisch wasseranziehendes Mittel empfohlen wurde, Chlorcalium dem Gelenk- knorpel gegenüber zu prüfen. Es wird sich später zeigen, ob sie mehr leisten, als Methylalkohol (Holzgeist), mit dem ich in jüngster Zeit experimentirte. Der Methylalkohol (CH^O) dient bekanntlich vielfach, namentlich in England, als Surrogat für den Aethylalkohol (C2HßO). Die Erfahrung hat gelehrt,^ dass die aus Methylalkohol kommenden Schnitte von Terpentinöl, in das sie behufs Aufhellung gebracht wurden, etwas leichter durchdrungen werden, als diejenigen, welche direct aus dem absoluten Aethylalkohol ■ in jenes Del übertragen worden waren. Man verfährt zu diesem Zwecke so, dass, „die mittelst absoluten Alkohol entwässerten Schnitte für kurze , Zeit in reinen, starken Methylalkohol gebracht, dann aus diesem heraus- ' genommen und, schon im ersten Abtrocknen begriffen, in Terpentinöl ge- ; werfen“ werden. Die Verwendung des Methylalkohols als Zusatz zu der , blauen Beale’schen Injectionsflüssigkeit (a. a. 0. S. 116 und 117) kann ' hier füglich übergangen werden; dagegen müssen wir bei der Benützung ' desselben als Einschlussmittel für mikroskopische Praeparate etwas verweilen. | In starker Verdünnung mit Wasser (1 ; 10) wurde derselbe vor längerer \ Zeit von Queckett hierzu empfohlen. Diese Mischung hat nun als Ein- > Schlussmasse, wie Frey (a. a. 0. S. 137) bemerkt, einen Uebelstand: die meisten Praeparate nehmen nämlich nach längerem Verweilen innerhalb desselben „wie bei der Essigsäuremischung eine körnige Beschaffenheit“ an. Aus diesen Literaturangaben liess sich kaum Vorhersagen, in welchem Sinne die Wirkung des Methylalkohols dem Gelenkknorpel gegenüber aus- fallen würde. Der Versuch selbst lehrte Folgendes: Methylalkohol lässt die Differenzirung im opaken und glasigen Knorpel nicht her- vortreten. Der Knorpel scheint eher gleichmässig an Undurchsichtigkeit ^ s. Tolclt, Lehrhuch der Gewebelehre. S. 102. s. Frey, Das Mikroskop. 6. Aufl. S. 88. Über die Alkohoereaction normalen Gelenkknopels. 179 noch etwas gewonnen zu haben. Praeparate mit wohl ausgesprochener Aethylalkoholreaction (Differenzirung in Glas- und Porzellanknorpel) ändern durch nachträgliches Einlegen in Methylalkohol auch nach tagelangem Ver- weilen in demselben ihr Aussehen nicht; ebensowenig werden aber Knorpel - flächen, die erst in Methylalkohol gelegen hatten, in ihrem optischen Ver- halten beeinflusst, wenn sie nachträglich in Aethylalkohol gebracht werden. Versuche dieser Art habe ich übrigens erst dann als beweiskräftig angesehen, nachdem an dem betreffenden Gelenkende der anderen Körperhälfte durch Einwirkung von Aethylalkohol die bekannte Differenzirung hervorgerufen war. In ganz derselben Weise verhindert die Vorbehandlung des Knorpels mit Wasser, verdünntem Alkohol (Spiritus), Aether, Kreosot das spätere Auftreten der Aethylalkoholreaction. Zu den Substanzen, die energisch Wasser anziehen, gehört auch das Glycerin. Dasselbe beeinflusst wie der Aethylalkohol den Grad der Durchsichtigkeit und dasNiveau des frischen Gelenkknorpels, allein eigenthümlicher Weise in dem entgegengesetzten Sinne wie jener. Ich stütze mich hierbei auf Erfahrungen am Talus, wo der Unterschied am schärfsten zu Tage trat und bitte zur Erläuterung des Ge- sagten die Fig. 4—6 der beigegebenen Tafel zu berücksichtigen. Pig. 4 giebt die Ausdehnung der glasigen Bezirke in hellbraunrother Farbe wieder, wie sie nach Einlegen in Alkohol an dem genannten Skelettheil der linken Körperhälfte eines Erwachsenen sich darstellten. Diese Bezirke sind gleich- zeitig niedriger, gleichsam eingesunken im Vergleich zur opaken Umgebung. Die folgenden Figuren (5 und 6) beziehen sich auf den rechtsseitigen Talus desselben Individuums, eines 36 jährigen Selbstmörders. Hier verhält sich der Knorpelüberzug 1) mit Bezug auf das Niveau dem vorigen gerade ent- gegengesetzt und 2) hinsichtlich seiner Durchsichtigkeit bis zu einem gewissen Grade entgegengesetzt. Ich erörtere zunächst den zuerst aufgeführten Punkt: Bezirke, die bei Alkoholbehandlung nicht oder kaum merklich geschrumpft waren, welche ihr altes Niveau also der Hauptsache nach beibehalten hatten, sind niedrig geworden und umgekehrt; oft genug ist die Grenze der beider- seitigen Gebiete durch einen scharf geschnittenen Abhang markirt. Wenden wir uns nun zu dem zweiten Punkt. Zonen, die dort (Fig. 4) ihr opakes Aussehen bewahrt batten, sind hier (Fig. 5) ganz durchsichtig geworden und solche Partien, welche dort glasartig durchsichtig erschienen, sind hier zwar nicht völlig opak geblieben, zeigen aber doch wenigstens einen erheb- lich geringeren Grad von Transparenz, als die in Fig. 4 hellbraunroth wieder- gegebenen Gebiete. Legt man nun den Talus, nachdem er zwei Tage in Glycerin gelegen hatte, nachträglich auf ebensolange Zeit in absoluten Aethyl- alkohol, so gleichen sich die durch das erstgenannte Mittel hervorgebrachten Niveau-Differenzen nicht aus, sondern bleiben nach wie vor bestehen. An 12* 180 Beenh. Solgee: Transparenz hat der Knorpel dagegen beträchtlich eingebüsst, aber doch auch wieder in dem Sinne der Glycerin Wirkung, die, wie bemerkt, der un- mittelbaren Alkohol Wirkung entgegengesetzt sich verhält: die in Glycerin halb opak gebliebenen Partien (Fig. 5 a) sind nun vollständig opak (Fig. 6 a), die vorhin ganz durchsichtigen Randzonen (Fig. 5 c) sind halb-opak (Fig. 6 b) geworden. — Kann die Alkoholreactionj frage ich nun auf Grund der soeben vorgetrageoen Erfahrungen, aus einer einfachen, wenn auch vollständigeren Entziehung von Wasser oder Gewebsflüssigkeit erklärt werden? Auf keinen Fall; denn eine ganze Anzahl wasser- entziehender Substanzen geben diese Wirkung nicht, eine, das Glycerin, reagirt sogar in dem entgegengesetzten Sinne. In Alkohol wird der Knorpel allerdings wasserarm, aber wohl durchweg in demselben Grade. Ich kann wenigstens den Beweis nicht liefern, dass die opaken Zonen eine Spur Wasser oder Gewebsflüssigkeit mehr enthielten, als die glasig durch- sichtig gewordenen und muss daher zugestehen, dass meine Annahme (a. a. 0. S. 262), wonach dem Aussehen des Glasknorpels eine Alteration der Inter- cellularsubstanz zu Grunde liege, die „mit geringerem Gehalt an Gewebs- flüssigkeit oder mangelhaftem Festhalten derselben einem wasserentziehenden Reagens gegenüber einhergehe,^^ eine voreilige Avar. Handelt es sich vielleicht um eine rein chemische Wirkung des Aethylalkohol , so zwar, dass derselbe mit gewissen Bestandtheilen des Knorpels an bestimmten Stellen eine Verbindung eingeht, während dieselbe an anderen Stellen nicht zu Stande kommt? Auch diese Anschauung wird man von der Hand weisen müssen, denn ein rein mechanischer Eingriff (Einschnitt) genügt, um die Umwandlung des Glasknorpels in solchen von opakem Aussehen herbeizuführen. Aus demselben Grunde ist auch nicht daran zu denken, dass histologische Besonderheiten das optische Verhalten beeinflussen möchten. Allerdings lässt sich, wie Spina ^ zeigte, gerade durch Behandlung mit Alkohol und Belassung der mikroskopischen Praeparate in demselben im Hyalinknorpel eine Structur nachweisen, die dem Beobachter, der die Schnitte in der üblichen Weise mit aufhellenden Mitteln (Glycerin und dergl.) behandelt, verborgen bleibt. Spina legt die mit Knorpel überzogenen frischen Gelenk- enden — er scheint sich dieselben ausschliesslich vom Frosche beschafft zu haben — auf 3 — 4 Tage in Alkohol, entnimmt hierauf dem Materiale direct (ohne zu entkalken) feine Schnitte, die er, wie schon bemerkt, in Alkohl unter- sucht. Er beschreibt und zeichnet nun folgendes Structurverhältuiss : Von ^ A. Spina, lieber die Saftbahuen des hyalinen Knorpels. Sitzung sh erichle der mathematisch-naturioissen sehn f fliehen Classe der Akademie der Wissenschaften zu Wien. 1879. Bd. LXXX. Abth. 111. Übek die Alkohülreaction normalen GtELENKKNORPELS. 181 den Zellen gehen solide Fortsätze aus, die zunächst in mehr radiärer Rich- tung in die Grundsuhstanz einstrahlen, wobei sich die Fortsätze benach- barter Zellen mit einander in Verbindung setzen; an manchen Zellen ver- einigen sich dieselben auch unter spitzen Winkeln und formiren auf diese Weise ein zierliches Netzwerk. — Der Gelenkknorpel des erwachsenen Menschen ist schon wegen der geringen Dimensionen seiner Zellen sowohl als der Hohlräume, in welchen dieselben liegen, kein günstiges Object, um zu entscheiden, ob die durch Alkohol sichtbar zu machende Zeichnung wirklich auf Zellenausläufer zu beziehen ist oder nicht. Hierzu kommt noch hinderlich der Umstand hinzu, dass in den mir zu Gebote stehenden Prae- paraten die Form^bestandtheile des Gewebes erst längere Zeit nach dem Tode (1 — 2 Tage) in Alkohol fixirt werden konnten. Allein soviel steht fest, dass man auch im menschlichen Gelenkknorpel eine ganz ähnliche Zeichnung wahrnimmt, wenn man nach Spina’s Methode verfährt; man trifft sie aber ebensowohl innerhalb der glasigen wie der opaken Zone. Auch sonst hat sich kein Anhaltspunkt für das Bestehen irgend welcher morphologischer ^ Structurunterschiede zwischen den beiden Gebieten er- geben. Mit voller Sicherheit kann ich insbesondere die Vermuthung zurück- weisen , als ob vielleicht die sogenannte „faserige Zerklüftung^^ mit im Spiel sei. Sie äussert sich als gröbere oder feinere streifige Zeichnung der Inter- cellularsubstanz, die (zum Unterschied von dem eben besprochenen „Canäl- chensystem‘‘) schon am frischen Knorpel hervortritt, in den verschiedensten Reagentien (Chromsäure in schwachen Lösungen, Müller’sche Flüssigkeit, Alkohol) sich erhält und auf locker zusammengehaltene Fibrillen zu be- ziehen ist. Ich habe nun in dem oberen Gelenkende der Tibia eine Localität kennen gelernt, an welcher unter normalen Verhältnissen bei Indi- viduen mittlerer Lebensjahre diese faserige Zerklüftung ganz gewöhnlich in der Weise zum Ausdruck gelangt, dass sie das Aussehen ^ und die Con- sistenz des Knorpelüberzugs beeinflusst. Man bemerkt nämlich nach Ent- fernung der Menisci und zwar besonders deutlich an der Gelenkfläche des medialen Condyls, dass ein centrales Feld von einem peripherischen Saume sich abhebt. Im Bereich des letzteren (Fig. 2 p) ist der Knorpel glatt, bläulich, weiss, undurchsichtig, im Gebiet des ersteren (Fig. 2 c) erscheint er von mehr graulicher Farbe, halb durchscheinend und der darüber strei- chende Finger hat das Gefühl einer leichten Rauhigkeit. Die bei den Gelenk- flächen eigenthümlichen Formen der betreffenden Bezirke c und p ergeben sich gleichfalls aus der Abbildung. Am medialen Condyl umgreift das Feld p das central gelegene c in Form eines sichelförmig nach vorne sich ^ Zum Unterschied von der Molecularstructur (W. Müller 1861). ^ Vergl. Fig. 2. 182 Beenh. SüLGEß; verschmälerndeii Saumes; dabei bestellt ein unverkennbarer Niveau-Unter- schied: c ist in seinem peripherischen Theil vertieft, so dass der centrale Rand von p als deutlich vorspringeude Kante sich markirt. Im Bereich des lateralen Condylus fällt dieser Niveau-Unterschied weg und darauf be- ruht hauptsächlich die geringere Schärfe der Begrenzung beider Abtheilungen. Dennoch erkennt man ohne Schwierigkeit, dass das Feld p verhältnissmässig und absolut breiter ist als c. Ich habe, wie schon bemerkt, an Individuen mittlerer Lebensjahre das geschilderte Verhältniss stets so angetroffen und schliesslich denselben Befund auch an zwei plötzlich verstorbenen (etwa 20 jährigen) Personen erhalten, so dass nicht daran zu zweifeln ist, dass es sich um eine normale Erscheinung handelt. — Der Niveau-Unterschied am Knorpel des medialen Condyls ist übrigens schon beim 6 monatlichen Foetus unverkennbar. Macht man senkrechte Schnitte durch den Knorpelüberzug eines der Condylen, so überzeugt man sich, dass das veränderte optische Verhalten der centralen Partie nicht etwa darauf zurückzuführen ist, dass der Knorpel hier dünner ist, als an der Peripherie, letzterer erreicht vielmehr gerade im Bereiche des Feldes c, seine grösste Mächtigkeit. Man erkennt dann ferner, dass nur die oberffächlichen Partien des Knorpelbelages durch- scheinend sind. Hand in Hand mit der Aenderung des Lichtbrechungs- vermögens geht eine Modification der Consistenz. Die durchscheinenden Zonen sind elastischer als die opaken, sie weichen dem Druck des Messers leicht aus. Dass die Form der peripheren Säume p, wie sie am exarticulirten Unterschenkel uns entgegentreten, mit der charakteristischen Grestaltung der Semilunarknorpel im Allgemeinen übereinstimmt, erhellt ohne Weiteres aus dem bisher Mitgetheilten. Allein die Menisci sind doch veränderliche Gebilde. Es schien mir daher von Interesse, zu constatiren, ob die Begrenzung der centralen Felder c in irgend einer Stellung des Gelenkes mit dem von den Menisci freigelassenen Raum sich deckt. Ich suchte mir daher vor Allem über die Formverschiedenheiten der Menisci während der extremsten Beugung und Streckung durch eigene Untersuchung Aufklärung zu ver- schaffen und gelangte zu dem Ergebniss, dass am normalen Knorpelüberzug des oberen Tibiaendes jene Sonderung des Gewebes soweit Platz greift, als der Knorpel in der Strecklage von den Menisci unbedeckt bleibt. Beim aufrechten Stehen ruht also das distale Femurende des Erwach- senen überall auf elastischen Polstern, die in dieser Eigenschaft dem Hyalinknorpel weit voranstehen, nämlich den Bandscheiben einerseits und den von ihnen frei gelassenen centralen Knorpelfeldern (c) andererseits. Die mikroskopische Untersuchung gab folgende Punkte, die gut zu dem stimmen, was mit unbewaffiietem Auge zu ermitteln war, an die Hand: Schnitte aus den ÜbEK die AeKÜHULREACTIÜN normalen (TELENKKNOliPEJiS. 183 peripheren Saume, in verdünntem Glycerin untersucht, zeigen eine glatte Oberfläche und eine hyaline Zwischensuhstanz auch in den obersten Schichten. Schnitte aus dem centralen Felde lassen dagegen conische Vorragungen an ihrem freien Kande und eine demselben parallel lautende faserige Zerklüf- tung der Intercellularsubstanz erkennen. Praeparate aus beiden Zonen in wässrigen Carminlösungen (Picrocarmin, Beale’sches Carmin) gefärbt unter- scheiden sich gleichfalls von einander. Im ersteren Falle bleibt die Im- bibition der oberflächlichen Schicht aus, im letzteren Falle setzt sich die- selbe als rother Streifen von den tieferen ungefärbt bleibenden Partien ab. Durch vielfältige Versuche konnte ich mich nun überzeugen, dass die faserige Zerklüftung der oberflächlichen Schichten für das Ein- treten der Alkoholreaction ohne Belang ist. In Fig. 3 habe ich eines der zahlreichen Praeparate abgebildet. Das Gebiet des Glasknorpels greift bald weit über die faserig zerklüftete Zone hinaus, bald hält es sich wieder von ihrer Grenze fern, und nur insofern besteht eine übrigens be- langlose Beziehung zwischen dem centralen Felde c und der Alkoholreaction, als ihr erstes Auftreten am distalen Gelenkende der Tibia allerdings in das Bereich jenes Feldes fällt. Aber auch dann tritt dieselbe, wie ich schon oben hervorhob, in den tiefsten Knorpelstücken zuerst auf, die doch von der faserigen Zerklüftung frei geblieben waren. Wenn man in Erwägung zieht, dass wir über den Grund des opaken Aussehens homogener Substanzen (Talg, Paraffin, Wachs und dergl.) zur Zeit noch keineswegs im Klaren sind, dann wird man wohl geneigt sein, dem Verfasser dieser Zeilen gegenüber Nachsicht zu üben, wenn derselbe mit einer Theorie der am Knorpel unter gewissen Bedingungen (Behandlung mit Aethylalkohol) hervortretenden Unterschiede des optischen Verhaltens noch zurückhält. Denn offenbar handelt es sich hier um eines jener bio- logischen Probleme, bei denen „die Arbeit bis über die Grenzen des Ge- bietes hinaus in das derjenigen Disciplin gerückt ist, die man die exacten Naturwissenschaften zu nennen pflegF‘.^ Alles weist darauf hin, dass wir den Grund der verschieden ausfallenden Alkoholreaction des hyalinen Gelenkknorpels in einer allmählich sich ausbilden- den Differenz der Molecularstructur zu suchen haben. Für das weitere Vordringen nach dieser Richtung hin geben folgende Erfahrungen an Alkoholmaterial werthvolle Fingerzeige. Bringt man Ge- lenkabschnitte mit der bekannten Reaction aus Alkohol auf 24 Stunden in Wasser, so haben sie ihr früheres opakes Aussehen wieder angenommen und sind von frischen Stücken kaum zu unterscheiden. „Werden die Ob- jecte nun neuerdings wieder in Alkohol deseiben Gehaltes gebracht, so bleibt ^ G. Kraus, lieber die Nägeli’sche Micellar-Tlieorie. Festvortrac] . Ha1b‘ 1879. 184 B. Solgek: Über die Alküholbeaction noem. Gelenkknoepels. die frühere Reactioii aus^^ (Seiger, a. a. 0. S. 262). Auch das von Gierke ^ kürzlich aufgeführte Beispiel der thierischeii Blase (Schvveinsblase) gehört trotz mancher Besonderheit hierher. Gierke spricht von den Veränderungen, welche die Gewebe durch Wasserentziehung erleiden. „Diese Veränderungen gleichen sich zum Theil wieder aus, wenn die Gewebe in reines Wasser zurück gebracht werden, zum Theil aber sind sie dauernde. Legt man z. B. die frische Schweinsblase in absoluten Alkohol, so wird dieser sehr schnell das Wasser aus dem Gewebe ausziehen. Hierbei wird die weiche Membran hart. Sie gewinnt das ursprüngliche Aussehen nicht wieder, wenn sie in Wasser zurückgebracht wird. Welche moleculäre Veränderung dieser erkennbaren Umgestaltung entspricht, vermag man nicht anzugeben. Die hypothetischen Räume bleiben jedenfalls bestehen, denn das Gewebe lässt jetzt wie zuvor Diöüsionsströmungen zu. Ob sie kleiner oder grösser geworden sind, liesse sich wohl aus dem Unterschiede hinsichtlich der Energie der Diffusion bei Anwendung der frischen und der behandelten Membran entscheiden.^^ Auch für die Beantwortung dieser Frage liegen aber die erforderlichen that- sächlichen Unterlagen noch nicht vor. Greifswald, den 28. Februar 1886. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Rechtes distales Femurende eines Erwachsenen, frisch in Aethylalkohol gelegt; l laterale, m mediale Condylenfläche, Superfic. patellaris. Die gelben Flecken im Bereich des lateralen Condylus entsprechen verkalkten Knorpelpartien; die weisse Insel im Gebiet des medialen Condylus stellt eine eben trocken gewordene tangentiale Schnittfläche dar. Fig. 2. Proximale Geleukhäche einer rechten Tibia eines Erwachsenen; l lateraler, m medialer Condylus, p peripherisches, c centrales Feld des Knorpelüberzugs. Fig. Dasselbe Praeparat nach 24 stündiger Einwirkung von absolutem Aethyl- alkohol. Fig. 4. Linker Talus eines Erwachsenen, die MalleolarHächen in der Ebene der oberen Gelenkfläche zur Darstellung gebracht, nach 24 ständigem Verweilen in Aeth3d- alkohol; a Glasknorpel (eingesunken), h Porzellanknorpel (über a erhaben). Fig. r>. Rechter Talus desselben Individuums wie in Fig. 4, nach -zweitägigem Verweilen in unverdünntem Glycerin; a halbdurchsichtig (über h erhaben), h glasartig durchsichtig (eingesunken). Fig. 6. Dasselbe Praeparat, aus Glycerin in absoluten Aethylalkohol verbracht und darin zwei Tage belassen; a ganz opak, h halb opak. Der Niveau-Unterschied wie in Fig. 5. ^ H. Gierke, Färberei zu mikroskopischen Zwecken. Sep.-Abdr. aus der Zeit- schrift für wissenschaftliche ^likrcslcopie und nnlcrosTcopische Technik. Braunschweig 1885. S. 205. Aj‘c}iiv£Am\ Tafn. Lithlnst.y EAPunke, Leipzig. u.Phi/n hm Anal. AIMij. TafM. i Verlag- Veit ft Comp, Leipzig-. lititAnst tlA Fun]«. Letpxia. ArchJn £ Ariat^ u. Pkijs.1886. Anat. Abihhf. Verlag- Veit 8- Comp, Leipzig. LilLAnst t. E.A Funke, leipzig. Heber die Bewegungen des Zwerchfells und über den Einfluss derselben auf die Unterleibsorgane. Von C. Hasse. (Aus dem anatomischen Institut zu Breslau.) (Hierzu Taf. VI u. VII.) Diese Untersuchuugeu habe ich unter der dankensvverthen Beihülfe meines vortrefflichen Assistenten Hrn. Dr. Roux in der Hoffnung unter- nommen verschiedene streitige und dunkle Punkte der Zwerchfellbewegungen aufklären zu können und damit der Physiologie und der praktischen Me- dicin zu nützen. Dieselben beschäftigen sich meist mit Fragen, welche von der Physiologie und Pathologie kaum aufgeworfen, geschweige denn beant- wortet wurden. Bei der Durchsicht der Literatur war ich erstaunt zu sehen, wie ge- wichtige Anatomen von vorgefassten Meinungen ausgehend die Wirklichkeit zu construiren versuchten, ohne sich weiter um das zu kümmern, was die praktische Medicin auf dem Gebiete der Percussion, Auscultation und Pal- pation der Eingeweide zu Tage gefördert hatte. Es überraschte mich feimer, dass sowohl Anatomen, wie Physiologen und Pathologen übereinstimmend die normale Leber als ein starres oder steifes Organ hinstellen, während doch die Erwägung der wechselnden Blutfülle und der Secretionszustände zur entgegengesetzten Ansicht führen musste, dass das Leberparenchym in sich beweglich ist, und dass somit das ganze Organ Formänderungen er- leiden kann. Von der Annahme der Nachgiebigkeit der Leber, des Magens, der Milz, ferner der übrigen Baucheingeweide ausgehend, ferner geleitet von der Erwägung, dass die Bewegungen des Zwerchfells Form Veränderungen zur Folge haben, und dass diese dann auch Formveränderungen der anliegenden 186 C. Hasse: Untei’leibsorgaiie zur Folge haben müssen, musste ich mir die Frage vorlegeu, welchen Einfluss haben diese Aenderungen auf das Strömen des Blutes, auf die Bewegungen der Absonderungen oder des Inhaltes der Organe? Diese Frage war um so zwingender, weil der Bau namentlich der Leber und der Milz zeigt, dass die Stromwiderstände in diesen blutreichen Organen ganz erheb- liche sein müssen. Dennoch müssen diese überwunden werden und zwar verhältnissmässig leicht, und somit frug es sich, werden dieselben von aussen her durch den Druck, unter welchem das Blut in den Gefässstämmen ausser- halb der Organe steht, überwunden oder durch Kräfte, welche innerhalb der Organe ihre Wirkung entfalten? Ersteres ist die allgemeine Annahme. Der positive intraabdominale Druck, welcher beim Einathmen steigt, beim Ausathmen sinkt, stets aber wenigstens bei dem aufrechten Stehen und der einfachen Rückenlage als normal vorhanden angenommen wird, und da- neben die Aspiration des Blutes von der Brusthöhle her werden als das Wirkende bei dem Ueberwiuden der Strömungswiderstände aufgefasst. Bei der Fortbewegung der Secrete oder des Magendarminhaltes spielen dann neben dem Secretionsdruck die glatten Muskeln der Wände der Behälter eine Rolle. Auch ich habe bei meinen Erwägungen und Untersuchungen den positiven intraabdominalen Druck als vorhanden angenommen, möge der- selbe auch noch so gering sein. Ich habe mich dabei bemüht eine Methode zu ersinnen, um die Höhe desselben unter normalen Verhältnissen zu be- ' stimmen, allein vergebens; ich bin in dieser Beziehung nicht weiter ge- kommen als alle meine Vorgänger. Die Messungen im Mastdarme sind mit so vielen Fehlerquellen behaftet, dass irgend ein wissenschaftlicher Werth denselben nicht beizuniessen ist und so bleibt nichts anderes übrig, als das ’ Vorhandensein desselben aus Thatsachen zu schliessen, aus denen man bis- j her geschlossen hat. Es sind das der Tonus der Bauchdecken, der Druck \ des Inhaltes der Gedärme, der Vorfall der Eingeweide bei Eröffnung des | Bauches am Lebenden, das Herausströnien von Flüssigkeiten bei Puuktionein 1 das Nichteintreten von Luft etwa bei Eröffnung der Schenkelvene unter- halb des Poupart’schen Bandes. Freilich ist dabei nicht ausgeschlossen, j dass namentlich bei den Seitenlagen an einzelnen Stellen der Bauchhöhle i negativer Druck entsteht, aber als die Norm hat man auf Grund der er- ! wähnten Thatsachen den allgemeinen positiven Druck in der Bauchhöhle | so lange anzunehmen, bis exacte Messungsmethoden das Gegentheil beweisen. Bereits im Jahre 1884 habe ich auf dem internationalen medicinischeu Congress in Kopenhagen in kurzen Zügen die Resultate meiner Untersuchungen dargelegt und veröffentlicht,^ allein die Untersuchungen haben seit der Zeit ^ Comptes rendus des travaux de la section d’anatomie. 1885. ÜbEII die 1)EWE(1 UNGEN DES ZWERCH FELDS U. S. W. 187 nicht geruht und wenn auch Einzelnes anders gefunden wurde, so muss ich doch im Ganzen bei den damals aufgestellten Sätzen stehen bleiben. Ich weiss recht wohl, dass einzelne Fragen nicht erschöpft sind, dass ein allseitig befriedigendes Bild nicht entstanden ist, dass es namentlich nöthig sein wiirl, angesichts der Schwankungen nach Alter, Geschlecht und Individualität, ganz abgesehen von den pathologischen Zuständen viel grössere Untersuchungsreihen zu nehmen, allein es musste der Anfang einmal ge- macht werden und die Uiscussion über die aufgeworfenen Fragen und über die darauf erfolgten Antworten wird ja schliesslich vollkommene Klärung bringen. Auf alle Fälle kann der praktischen Medicin nur damit gedient sein, dass von anatomischer Seite eine Lösung der aufgeworfenen Fragen versucht wird. Ich will nun zunächst eine üebersicht über den Stand unserer bis- herigen Kenntnisse geben und sowohl die Ansichten der Anatomen und Physiologen, als die der Kliniker an die Spitze stellen. Eine vollkommen erschöpfende Üebersicht der Literatur aller Zeiten und Völker zu geben, liegt nicht in der Absicht. Ich beschränke mich auf die Angaben her- vorragender und leitender Persönlichkeiten auf diesem Gebiete. Bei welchen Autoren ich auch sonst noch Umschau gehalten, ich habe nichts wesent- liches über das hinausgehend gefunden, was ich hier verbringen werde. Bezüglich der Bewegungen des Zwerchfells erwähnen viele, namentlich auch ältere Autoren einfach das Herabsteigen desselben bei der Einathmung, ohne den musculösen und sehnigen Theil gesondert zu besprechen. Im Uebrigen theilen sich die Forscher in drei Gruppen, in solche, welche das Herabsteigen des Centrum tendineum bei der Athmung unter normalen Verhältnissen leugnen, in solche, welche eine vermittelnde Stellung ein- nehmend ein geringes Herabsteigen bei tiefer Athmung annehnien, und in solche, welche die Abwärtsbewegung des Centrum als selbstverständlich ansehen. j Von älteren Autoren sprechen: gegen das Herabsteigen des Zwerchfells ; vor Allen: Senac, Memoire sur le diaphragme. Acadernie royale des Sciences. i annee 1829. ; Hamernik, Das Herz und seine Bewegung. 1858. ^ ferner: I Hyrtl, Topographische Anatomie mit folgenden Worten auf S. 615: „Man möge es wohl beachten, dass bei ruhigem Athmen nur die Pars musculosa, nicht aber das Centrum tendineum einer Ortsveränderung 188 C. Hasse: unterliegt. Das Centrum tendineum ist nach oben mit dem Pericardium und den Laminae mediastini verwachsen und durch diese Verwachsung tixirt. Ein Heruntersteigen des Centrums , wie man es gewöhnlich an- nimmt, würde eine solche Zerrung der grossen Gelasse, an welche der Herzbeutel angewachsen ist, bedingen, dass es unausbleiblich zu gewaltigen Störungen der Function dieser Organe kommen müsste. Von derlei Stö- rungen weiss man aber Nichts, ebenso wenig als von einer bei jeder ge- wöhnlichen Inspiration tiefer rückenden Herzlage. Man bedenke, welche Streckung der Nervus phrenicus, der sich gerade am Rande des Centrum tendineum in das Zwerchfell einsenkt, auszuhalten hätte, wenn das Zwerch- fell sich mit seiner ganzen Kuppelwölbung herabsenkte. Das Centrum tendineum bleibt nahezu beim gewöhnlichen Aus- und Einathmen in seiner Lage. Es bildet gewissermaassen den festen Punkt des Zwerch- fells, während die Rippen den beweglichen darstelleiP^ — „das Zwerch- fell braucht sich nur dort zu senken, wo die Lungen auf ihm ruhen. Wo es mit dem Herzbeutel verwachsen ist, wäre eine Senkung zwecklos^^ — „denn was soll ein über dem Centrum tendineum entstandener leerer Raum. Er kann nicht durch die Lungen ausgefüllt werden, da das Herz nicht weggedrängt werden kann. Die Pars musculosa diaphragmatis dagegen, deren Fleischbündel bei der Exspirationslage des Zwerchfells nach oben ■ convex gekrümmt sind, wird sich durch ihre Contraction abflachen, in- dem jeder Faserbogen auf seine gerade Chorda gebracht wird. Die Pars ’ musculosa stellt dann eine schiefe Ebene dar, welche zum flachen und , planen Centrum tendineum ansteigt. Die Abflachung der gesammten Pars musculosa kommt nur den Lungen zu gute, welche sich in verti- caler Richtung um soviel ausdehnen, als die Grösse der Senkung erheischt. ; Ich kann an mir selbst bei der sehr tiefen Inspiration keine merk- | liehe Veränderung der Herzlage durch Tieferrücken der Stelle, wo der | Herzstoss gefühlt wird, zu Wege bringen. Bei sehr intensiver Reizung | des Nervus phrenicus nach Eröffnung und Ausräumen der Bauchhöhle kommt der Descensus in ganzer Breite zur Anschauung, aber immer Aveniger tief am Centrum tendineum, als an den fleischigen Bestand- theilen.“ i Dann folgt: I Henke, Topographische Anatomie. 1884. S. 203. . ! „Aber die Mitte des Zwerchfells betheiligt sich sehr Avenig am Auf- und ! Abgehen bei In- und Exspiration, sondern sie liegt flach ausgespannt und | ziemlich unbeweglich zAvischen Brustbein und Wirbelsäule.^^ Ferner auf | S. 209: „Dabei wird sich das Mittelstück so gut Avie gar nicht zu A^er- I ändern brauchen oder auch nur verändern können. Es ist und bleibt ; Übku die Bewegungen des Zwedciifells u. s. w. 189 wie zuvor glatt und eben zwischen seiner vorderen und hinteren Anhef- tung an Brustbein und Wirbelsäule ausgespannt. Nur an den Seiten kann es mit herabgezogen werden. Und in der That geht es auch im Ganzen nicht merklich auf und ab. Sonst müsste auch das Herz, das auf ihm ruht mit jedem Athemzuge auf- und niedergehen.“ Für geringe Bewegungen des Centrum tendineum sprechen: Teutleben, Die Ligamenta suspensoria diaphragmatis des Men- schen. Dies Archiv. 1877. „Das Centrum tendineum ist relativ fixirt. Das Centrum tendineum kann etwas herabrücken, wie sich aus der Untersuchung des Spitzenstosses des Herzens ergiebt, so in gewissen Fällen von Emphysem, bei Hypertrophie, bei dem tonischen Krampfe des Zwerchfells, bei Pericarditis. Immer aber ist die Dislocation des sehnigen Theiles gegenüber den Lageverände- rungen der seitlichen Theile eine sehr geringe. Grund: der Bandapparat, welcher das Centrum tendineum an der Halswirbelsäule befestigt.“ und: Töpken, Ein Beitrag zur Bestimmung der Lage des Herzens beim Menschen. Dies Archiv. 1885. S. 205. „Noch viel ausgiebiger sind nun die Veränderungen in der Höhenlage des Herzens, welche das Zwerchfell durch seinen höheren oder tieferen Stand herbeizuführen vermag. Am wenigsten findet es bei ruhiger Ath- mung statt, da das Centrum tendineum, auf dem das Herz liegt, sich nur in geringem Grade an demselben betheiligt. Bei forcirter Athmung wächst natürlich der Unterschied.“ Für das Herabsteigen des Centrum tendineum sprechen: Gerhardt, Der Stand des Diaphragma. 1860. S. 15. „Nur soviel sei bemerkt, dass wir sowohl nach Vivisectionen an Thieren als auch nach einer Beobachtung am lebenden Menschen zu der bestimmten Ansicht gelangt sind, dass das Centrum tendineum keineswegs, wie schon Senac angab und neuerdings Hamernik und Hyrtl wiederholten, bei der Respiration unbewegt bleibe, sondern im Gegentheil, wie sich bei Heinke angedeutet findet bei ruhiger Inspiration eine Abwärtsbewegung deutlich wahrnehmen lasse.“ Darauf: Luschka, Anatomie. 1862. S. 15. „Der Grad der Wölbung des Centrum ist im Leben einem bestän- 190 C. Hasse: digen Wechsel unterworfen, indem dieselbe heim Einatlimen vermindert, beim Ausathmen vermehrt wird.“ S. 164: „Der vordere Lappen des Centrum tendineum erfährt unter allen Umständen nur eine geringfügige Senkung.“ Dann: He nie, Handbuch der systematischen Anatomie. 1871. S. 77. „Die Contraction des musculösen Theiles hat den Zweck“ — „insbeson- dere durch Herabführen des sehnigen Theiles die Brusthöhle zu erweitern.“ Endlich: Sappey, Traite dUmatomie descrijdive, 1876. „L’abaissement de la partie centrale a pour resultat rallongement du diametre vertical de la poitrine. Ce diametre s’allonge peu sur la ligne mediane ou le centre phrenique presente moins de mobilite. II s’allonge beaucoup plus sur les parties laterales , qui correspondent ä la base des poumons.“ Dies die Ansichten über die Bewegungen des sehnigen Zwerchfell- abschnittes. Ich lasse nun diejenigen über den Einfluss der Bewegungen des Zwerchfells auf die ünterleibsorgane folgen und beginne mit dem Einfluss der Bewegungen des Zwerchfells auf die Leber. Hyrtl, Topographische Anatomie sagt S. 609: „Das Zwerchfell wälzt sich so zu sagen über die convexe Oberfläche der Leber hin. Würde es die Leber blos einfach herabdrücken, so müsste ja, da die Oberfläche der Leber stark convex ist, die Convexität des Zwerchfells aber während der Zusammenziehung dieses Muskels ge- ringer wird, zwischen Leber und Zwerchfell ein entsprechender Hohlraum entstehen, von dem man allerdings nicht wüsste, womit er ausgefüllt werden sollte.“ Gerhardt, Der Stand des Diaphragma. 1860. sagt S. 7 : „Die starre Leber ist wohl fähig die inspiratorische Locomotion des Diaphragmas gerade auf Magen, Dünndarm, Duodenum und Niere ungeschmälert fortzupflanzen und so z. B. bei Entzündungen derselben den Schmerzen den Charakter respiratorischer Exacerbation aufzuprägen.“ Ferner S. 12: „Excursionen des unteren Leberrandes in der Mittellinie bei ruhiger Athmung 1 bei angestrengter Dann auf S. 41: „Die Leberdämpfung ist durch die Inspiration nicht allein nach abwärts verschoben, sondern zugleich verkleinert, umgekehrt durch die Exspiration. Während die Verschiebung derselben bei ruhiger Respiration zu gering ÜbEE DTE 1>EW3^G ENGEN DES ZWERCHFELLS U. S. W. 191 aust’ällt, Hin eine genaue Bestimmung zuzulassen, ist dieselbe bei mög- licbst tiefem Ein- und Ausatlimen leicht anzuzeichnen und zu messen, wenigstens an dem vorderen und seitlichen Umfange der Brust, während hinten die Dicke der Weichtheile keine ganz genaue Bestimmung erlaubt. Dabei ergiebt sich, dass dieselbe, wenn wir zunächst an den oberen Band der Leberdämpfung uns halten, keineswegs für alle Stellen dieser Strecke gleich gross, sondern je näher der Mittellinie desto kleiner, umgekehrt je näher der Axillarlinie, desto grösser erscheint.^^ Endlich' auf S. 52; „Bei der Untersuchung des Mach betrug das Heruntersteigen der un- teren Lebergrenze IV4 — U/2 Henle, Handbuch der systematischen Anatomie. 1871. Thl. I. führt an auf S. 85; „Bei der Contraction muss die Leber wegen ihrer unveränderlichen Eorm wie eine Rolle wirken, über welche die Fasern gespannt sind; ob dabei das Centrum teudiueum nur herab, oder nach vorn und rückwärts bewegt wird, hängt von der relativen Länge der vorderen und hinteren Muskelfasern ab.“ Dann folgt; AVeil, Handbuch und Atlas der topographischen Percussion. 1877 S. 80: „Die Grenzen der absoluten Leberdämpfung erleiden bei tiefen Respirationsbewegungen Verschiebungen. Für den unteren Leberrand gelingt in vielen Fällen der percu torische Nachweis, dass derselbe bei tiefer Inspiration um herab, bei tiefer Exspiration um ebensoviel hinaufsteigt.“ Ferner : Eichhorst, Lehrbuch der physikalischen Untersuchungsmethoden innerer Krankheiten. 1881. Thl. II. auf S. 177; „Die inspiratorische Verschiebung des unteren Leberrandes beträgt 1 — 1-5^“\“ Schliesslich: Gerhardt, Lehrbuch der Auscultation und. Percussion. 1883 auf S. 141: „Beim Athmen ergiebt die Percussion, dass auf der Höhe einer tiefen Inspiration der untere Leberrand um ein AVeniges nach ab- wärts tritt. Der untere Leberrand erhält die Bewegungen der Kuppel des Diaphragma mitgetheilt.“ Hieran schliessen sich die Ansichten über den Einfluss der Bewegungen des Zwerchfells auf die Strömungs- verhältnisse des Blutes namentlich in der Leber. Hyrtl, Topographische Anatomie. 1871. sagt auf S. 609; „Lässt man, während der Finger in der Lebervene sich 192 C. Hasse: befindet, die Respirationsbewegung des Zwerchfells durch abwechselnden Druck auf den uneröff'neten Unterleib nachahmen, so fühlt man, dass bei jedem Heben des Zwerchfells der Finger mit Gewalt gebogen wird, während er durante inspiratione gerade bleibt. Das venöse Blut wird somit nur während des Einathmens ungehindert in die Cava und somit zum Herzen strömen können, während der Exspiration nur auf verengertem Wege zufiiessen.“ Dann bemerkt: Heidenhain, Physiologie der Absonderungsvorgänge. Hermann’s Handbuch der Physiologie. 1883. 8. 260: „Neben dem Wechsel in der Innervation gewinnen noch andere Momente einen Einfluss auf die Triebkraft des Pfortadersystems: peri- staltische Bewegungen der Eingeweide, indem sie das Blut in den Darm- wandungen in die Venen hinüber werfen und Athembewegungen, sofern jede Einathmung durch Steigerung des intraabdominalen Druckes den Pfortaderstrom beschleunigt^* — „die Inspiration, welche den Werth des Druckes in den intrapectoralen Venen steigert, muss deshalb die An- saugung verstärken, für welche die Verhältnisse um so günstiger liegen, als die Lebervenen bei der Anlöthung ihrer Wandungen an das steife Lebergewebe mit stets offen klaffender Lichtung die Wand der unteren Hohlvene durchbohren. Ferner 8. 261: „Die Widerstände im inter- lobularen Capillargebiet dürften bei der Steifheit des Lebergewebes keinen erheblichen Schwankungen unterliegen, aber vielleicht doch mit den Ver- dauungszuständen veränderlich sein (Druck durch Volumsvergrösseruug der Zellen). Veränderlich dagegen ist der Widerstand im interlobulären Pfortadergebiet in Folge verschiedener Füllungszustände der Gallengänge und der Leberarterie. Ueber den Einfluss der Bewegungen des Zwerchfells auf die Milz finden sich folgende Angaben: Gerhardt, Der Stand des Diaphragmas. 1860. auf S. 55: „Auf die Grösse und Lage der Milzdämpfung zeigte die Re- spiration einen entschiedenen Einfluss. Am Schlüsse tiefer Inspiration fand sich die vordere Spitze unverrückt an ihrer Stelle, wenigstens sicher nicht nach innen oder aussen verrückt, dagegen fanden sich der obere sowohl als der untere Rand der Milzdämpfung in voller Ausdehnung nach unten verschoben, jedoch ungleich weit. Stets hatte nämlich der Über die Bewegungen des Zwekcheells u. s. w. 193 obere Rand eine stärkere Abwärtsbewegung an jeder entsprechenden Stelle erfahren j als der untere. Somit wurde die ganze Milzdämpfung durch die Inspiration kleiner und kam tiefer zu stehen. Der letztere Umstand erklärt sich einfach durch das mit dem Descensus diaphrag- matis gleichzeitige Herabrücken des Organs. Um so viel wie die Be- wegung des unteren Randes anzeigt, rückt das ganze Organ bei der Inspiration abwärts. Die Milz erfährt vermuthlich bei der Inspiration eine Drehung um die Längsaxe mit ihrem oberen Rande nach innen. Im Mittel aus sechs Fällen beträgt die respiratorische Verschiebung des oberen Randes die des unteren 1V2^"'- Die Bewegung der Milz- dämpfung bei tiefer Exspiration erfolgt in umgekehrter Richtung wie die inspiratorische, ist fast in allen Fällen kleiner als jene und zeigt sich ebenfalls ausgiebiger am oberen Rande als am unteren.^^ Auf S. 56: „Dem- nach erfolgen die hauptsächlichsten Verschiebungen der Milz bei der Re- spiration 'in der Richtung der Längenaxe des Körpers. Weil, Handbuch und Atlas der topographischen Percussion. 1877. S. 103; „Mit jeder Inspiration wird die Milzdämpfung verkleinert und kommt tiefer zu stehen, während das vordere Ende des Organes bald unverrückt bleibt (nach Gerhardt in der Regel), bald um 1— 2<'"'nach vorn und unten sich bewegt. Das Herabsteigen des unteren Randes ent spricht dem Herabrücken des ganzen Organs durch die Contraction des Zwerchfells. Der untere Rand findet sich nach möglichst tiefer Inspiration etwa 1 tiefer als zuvor.‘‘ Eichhorst, Lehrbuch der physikalischen Untersuchungsmethoden innerer Krankheiten. 1881. Thl. II. S. 197: „Bei tiefer Inspiration wird die Milzdämpfung kleiner und rückt mit ihrem unteren Rande bis nach abwärts, ja! durch tiefe Ein- athmung in rechter Seitenlage kann die Milzdämpfung bis auf einen kleinen unteren Streifen ganz und gar verschwinden. Die starke in- spiratorische Verkleinerung der Milzdämpfung beruht darauf, dass die Verschiebung des unteren Lungenrandes eine beträchtlichere ist, als die inspiratorische Dislocation der Milz. Das vordere Milzende rückt nach unten und vorne, so dass es die Linea costoarticularis nicht selten etwas nach vorn überschreitet.^^ Gerhardt, Lehrbuch der Auscultation und Percussion. 1883. S. 146: „Beim Einathmen stellt sich die Milzdämpfung tiefer.^^ S. 88: „Palpation (wohl in der Rückenlage) zeigt die Milz beim Athmen auf- und absteigend (somit respiratorische Bewegung nach unten und vorn).“ Archiv f. A. u. Ph. 1886. Auat. Abthlg. 13 194 C. Hasse: Den p]iufluss der Bewegungen des Zwerchfells auf den Magen stellt man sich folgendermaassen vor: Gerhardt, Der Stand des Diaphragmas. 1860. S. 8: „Es wird sich der Einfluss etwaiger Lageveränderungen des be- treffenden Theiles des Zwerchfells immer nur auf einzelne Abschnitte der Magen wand erstrecken und das Organ im Ganzen kaum solche Dis- locationen erfahren können, wie die starre Leber und Milz, während an- dererseits die nicht unmittelbar an das Zwerchfell angrenzenden Theile des Magens doch auch, soweit sie an Leber und Milz anstossen, von diesen Zwerchfellbewegungen übertragen bekommen können.‘^ S. 57: „Was endlich noch die Verhältnisse des Magens betrifft, so äussert das Zwerch- fell selbst auf die Lage desselben und die- seiner Grenzen, je nach dem Grade der Füllung des Organes einen sehr verschiedenen, meist jedoch geringen Einfluss, indem trotz seines anatomischen Zusammenhanges mit dem Diaphragma doch nur der stark gefüllte Magen bedeutende Ver- schiebungen in toto erleidet. Eichhorst: Lehrbuch der physikalischen Untersuchungsmethoden innerer Krankheiten. 1881. Thl. II. S. 195: „Der Magen ist dehnungsfähig und compensirt etwaigen . Druck vom Zwerchfell her durch seitliche Ausdehnung“ lieber die Verhältnisse der Nieren äussert sich Gerhardt^ auf S. 71 folgendermaassen: „Was endlich noch die Nieren betrifi't, so besitzen diese eine weit fixirtere Lage als die Milz.“ Dies die Ansichten über die hier in Frage kommenden Verhältnisse und wenn ich nun dazu übergehe, die eigenen Ansichten zu formuliren, so gipfeln dieselben in Folgendem: Eigene Resultate: Die Zusammenziehung der Zwerchfellfasern hat eine Ab- flachung der Zwerchfellkuppeln und damit ein Niedergehen der- selben zur Folge; allein auch das Centrum tendineum bewegt sich nach abwärts und flacht sich durch allseitigen Zug der Muskelfasern an der Peripherie desselben ab. Das Niedergehen der Zwerchfellkuppeln ist aber selbst bei tiefer Athmung immer bedeutender, als das des Centrum. » 1. c. Über die Bewegungen des Zwerchfells ü. s. w. 195 Die Zusammenziehung der Zwerchfellfasern bedingt, wie namentlich auch Duchenne ausgeführt hat, eine Erweiterung der unteren Brustöffnung durch Hebung der Rippen und Hebung des Brustbeines.^ Jede Zusammenziehung der Zwerchfellfasern hat eine Ent- fernung derselben von den Brustbeinwänden und damit eine Er- weiterung der Complementärräume der Pleurasäcke zur Folge, desto mehr, je stärker die gleichzeitige Hebung des Brustkorbes. Das Niedergehen des Zwerchfells steigert den normal vor- handenen, positiven intraabdominalen Druck, das Aufwärts- gehen erniedrigt denselben, jedoch nicht bis auf 0. Die Formveränderungen, welche bei dem Abwärtsgehen des Zwerchfells auftreten, haben eine entsprechende Formänderung der dem Zwerchfell anliegenden Eingeweide, der Leber, des Magens und der Milz zur Folge. Die Leber ist sonach kein starres, steifes, sondern unter normalen Verhältnissen in seiner Form veränderliches Organ. Durch die Zusammenziehung des Zwerchfells werden die Strömungswiderstände des Blutes in Leber und Milz überwun- den, und die Durchströmung erfolgt desto leichter, je ausgiebiger die Athembewegung. Die Bewegungen des Zwerchfells sind ferner wesentlich für den Abfluss der Galle und befördern die Weiterbewegung des Inhaltes des Magens und der Gedärme desto mehr, je ausgiebiger dieselben erfolgen. Der Darstellung der wesentlichsten Resultate lasse ich nun die Methoden der Untersuchung folgen. Bei allen Leichen, welche benutzt wurden, wurde immer fest- gestellt, dass sie an keinen wesentlichen, das Resultat beeinträchtigenden Erkrankungen des Athmungsapparates und der Unterleibsorgane gelitten hatten. Zuerst stellte ich Versuche au an einer kräftigen Selbstmörderleiche im mittleren Lebensalter (Tod durch Ertrinken). Es wurden in etwa 2 Abständen oberhalb der unteren Lebergränze in gleicher Tiefe durch die Bauchwand starke Nadeln in die Leber gestossen. Die Nadeln gingen vom siebenten Rippenknorpel links zur Spitze der neunten Rippe rechts. Die Luftröhre wurde dann unterhalb des Kehlkopfes quer durchschnitten und zur Herstellung künstlicher Athmung eine Canüle eingebunden. ^ Physiologie des mouvements. 13* 196 C. Hasse: Die Yersuche ergaben beim Auf blasen der Lungen, abgesehen von der Vorwülbung der Bauchdecke in der Oberbauchgegend, starke Neigung der Nadelköpfe nach oben und zwar bei allen. Die Leber musste sich also zwischen siebenter und neunter Rippe im Epigastrium nach abwärts ge- schoben haben, und zwar nicht allein in Folge der Senkung der rechten Zwerchfellkuppel, sondern auch in Folge der Senkung des Centrum ten- dineum. Die Unterschiede in der Neigung der Nadeln Hessen zugleich eine Yerschiedenheit im Maasse der Yerschiebung vermuthen, doch wollte ich dieser Erscheinung als mit zu vielen Fehlerquellen behaftet keinen Werth beilegen. Weitere Yersuche wurden an der Leiche eines IP/2 jährigen Knaben (Hydrocephalus) vorgenommen. Der Bauch wurde geöffnet, die gesunden Eingeweide wurden bis auf die dem Zwerchfell anliegende Leber entfernt. Dann wurde künstliche Athmung eingeleitet und die Formänderungen der Leber sowohl, wie der einzelnen Zwerchfellabschnitte wurden beobachtet und als Kontrolle, bezw. Stütze der folgenden Yersuche verwerthet. Diese erstreckten sich auf zwei kräftige Selbstmörderleichen (Tod durch Erhängen) mittleren Alters. Bei ihnen wurden nach Eröffnung des Bauches sämmtliche Eingeweide entfernt und somit das ganze Zwerchfell sorgfältig freigelegt. Beim Einleiten der künstlichen Athmung bewegten sich sowohl die Zwerchfellkuppeln, als das Centrum tendineum nach abwärts und flachten sich ab. Um die Bewegung zu messen, wurde der Horizont des oberen Randes des dritten Lendenwirbels gewählt, und es wurden für die Messung folgende sechs Punkte der Zwerchfelloberfläche in Betracht gezogen 1. Höhe der Kuppel rechts im hinteren Drittel. 2. Mitte zwischen Höhe der Kuppel rechts und Foramen quadrilaterum. 3. Rechter Rand des Foramen quadrilaterum. 4. Mitte des Centrum tendineum. 5. Mitte zwischen Centrummitte und höchstem Wölbungspunkt links. 6. Höchste Stelle links hinten. Darauf wurde nach Freipräpariren des Randes des Foramen quadri- laterum zu Anfang und Ende der künstlichen Athmung der Umfang des- selben durch Auslegen des Foramen mit einem ringförmig gebogenen Streifen einer Rolle steiferen Papieres und Markiren und Abmessen der Yerschiebung des übergreifenden Randes des Streifens bestimmt. Bei einer weiteren Yersuchsreihe, welche an der Leiche eines Mannes von 65 und einer Frau von 35 Jahren angestellt wurde, wurde von der Einleitung künstlicher Respiration abgesehen, dagegen das Yerfahren von Über die Bewegungen des Zwerchfells ü. s. w. 197 A. Fick und Weber/ welches von Strasser^ weiter ausgebaut wurde, nämlich die Muskelbündel durch gleichgerichtete, vom Ursprung zum Ansatz verlaufende Fäden zu ersetzen und dann die Muskelverkürzungen zu messen, zu Grunde gelegt. Das Zwerchfell wurde in jedem Falle sorgfältig von seinem Peritunealüberzuge befreit, und die Muskelbündel ohne Zerrung vom Ursprünge bis zum Ansätze rein präparirt. Dann wurde mittelst eines biegsamen Metallmessstabes, welcher sich den Krümmungen der Muskelfasern leicht und vollkommen anschmiegte, die Länge der Muskel- bündel an den einzelnen Zwerchfellabschnitten gemessen. Die Messung erstreckte sich über folgende Bündel: Rechts. Innerstes Bündel des rechten inneren Schenkels. Inneres Bündel des äusseren Schenkels. 12. Rippenbündel. 10. Rippenbündel. 8. Rippenbündel. 8. vorderes Rippenbündel. 8. Rippenbündel an der Spitze der Rippe. Sternalbündel. Links. Inneres Bündel des inneren Schenkels. Bündel von der Mitte des Sehnen- bogens über dem psoas. 12. Rippeiibündel. 11. Rippenbündel an der Spitze der Rippe. 9. Rippenbündel. 8. vorderes Rippenbündel. 8. Rippenbündel an der Rippenspitze. Sternalbündel. Nach Ausmaass eines Muskelbündels >vurde an der Ursprungsstelle in den Wirbelkörper oder in die Rippe eine Metallöse als Rolle eingebohrt und festgeschroben. Darauf wurde an der Stelle der stärksten Krümmung der Muskelfaser ein S förmig gebogener Draht festgehakt, durch Rolle und Haken ein Faden geführt, und derselbe mittelst eines feinen Angelhakens am Muskelansatz an das Centrum tendineum befestigt. Von der Stelle des Fadens, welcher bei leichter Spannung desselben die Rolle am Ursprung berührte, wurde ein Stück abgemessen, welches einer 20 procentigen Ver- kürzung der Länge der Muskelfaser entsprach. Das Ende wurde dann mit Blaustift am Faden markirt. Darauf wurde gleichzeitig an allen Fäden ein Zug ausgeübt, bis die mit Blaustift angezeigten Punkte bei allen die Rollen berührten und dann wurde von dem Horizont des oberen Randes des dritten Lendenwirbels der Abstand der in der vorigen Versuchsreihe erwähnten sechs Punkte bestimmt, deren Abstände von dem angegebenen Horizonte bereits vor Anlegen der Fäden genau gemessen waren. ^ Anatomisch mechanische Studie über die Schultermuskeln. Verhandlungen der 'physikalisch-medicinischen Gesellschaft zu Würzhurg. N. F. Bd. XI. ^ Zur Mechanik des Fluges. Dies Archiv. 1878. 198 C. Hasse: Den Zeichnungen legte ich die Tafel I des Luschka’ sehen Atlas (Bauchorgane) sowie die Tafel lA des Braune’ sehen Atlas zu Grunde. Nach dieser Auseinandersetzung wende ich mich nun dazu die Resultate der Untersuchungen für die Bewegungen des Zwerchfelles zu schildern. Mit Bezug auf die Bewegungen der einzelnen Zwerchfell- abtheilungen ergaben sich aus den beiden letzten Yersuchsreihen im Wesent- lichen übereinstimmende Resultate. Um das klar zu legen, hebe ich aus der Gesammtzahl zwei Tabellen hervor, von denen die erste auf dem Yer- suchswege mit künstlicher Athmung, die andere ebenfalls an einer männ- lichen Leiche bei 20procentiger Yerkürzung der Muskelfasern genommen wurde. Die Differenzen zwischen dem höchsten und tiefsten Zwerchfellstande waren folgende Künstliche 20proc.Ver- Athmung kürzung Höhe der Kuppel rechts hinteres Drittel 3*3^“ 2-6 Mitte zwischen rechter Kuppelhöhe und for. quadril. . 3*6„ 3*0 „ Rechter Rand des for. quadril 2-6,, 2*3 „ Mitte des Centrum tendineum 2*6,, 2*1 „ Mitte zwischen Centrummitte und höchster linker Wölbung 3*6 „ 2*9 „ Höhe der linken Kuppel hinten 4 • 1 „ 3 • 3 „ Die Höhe der sechs Punkte über dem Horizont des oberen Randes des dritten Lendenwirbels waren folgende: Höhe der Kuppel rechts hinteres Drittel 12*5^™ 15*2 Mitte zwischen rechter Kuppelhöhe und for. quadril. . 13*3 „ 16-2 „ Rechter Rand des for. quadril 12*8 „ 16*1 „ Mitte des Centrum tendineum 14» 1 „ 16*4 „ Mitte zwischen Centrummitte und höchster Wölbung links 12-6 „ 16 „ Höchster Punkt der linken Kuppel hinten . . . . 12-7 „ 15*8 „ Die Zahlen scheinen mir zunächst zu lehren, dass der Stand des Zwerch- felles nach Todesart, Alter, Geschlecht und Individualität ungemein wechselt. Diese Erfahrung stimmt auch mit den neuesten Untersuchungen von Töpken,^ und sie hat sich mir bei jeder neuen Untersuchung bestätigt. Demnach lässt sich der Exspiration stand des Zwerchfelles nur im Allgemeinen bestimmen und ebenso dessen Form. Es bleibt nichts übrig als einen idealen ‘ Ein Beitrag zur Bestimmung der Lage des Herzens beim Menschen. Dies Archiv. 1885, Über die Bewegungen des ZwERCHEELiiS u. s. w. 199 Typus der Lage- und der Form des Zwerchfelles zu construiren und als solchen betrachte ich den von Luschka aufgestellten, welcher sich auch des allgemeinen Beifalls der praktischen Aerzte erfreut. Meine Untersuchungen lehren aber ferner, dass bei einer 20 procentigen Verkürzung der Muskelfasern des Zwerchfelles ein weiteres Herabgehen des Diaphragma unter normalen Verhältnissen unthunlich ist, und dass dann die Lungen ihren grössten Füllungsgrad erreicht haben. Es folgt daraus weiter, dass selbst bei Hinzunahme der zur Hebung des Brustkorbes nöthigen Zusammenziehung der Zwerchfellfasern 20 Procent Verkürzung wohl das äusserste im normalen Leben verkommende Maass der Verkürzung sein wird, und dass somit bei ruhiger Athmung die Verkürzungsgrösse kaum mehr wie 8 oder 10 Procent, vielleicht auch noch weniger betragen wird. Dies spricht dann meines Erachtens für eine geringe Innervationsenergie und für ein grosses Maass von Widerständen, welche während des Lebens überwunden werden müssen und auch bis zu einem gewissen Grade über- wunden werden. Diese Widerstände sind vor allen Dingen abwärts vom Zwerchfell in den Unterleibsorganen zu suchen. Aus obigen Zahlen und meinen übrigen gleichartigen Untersuchungen geht nun aber weiter hervor, dass auch das Maass der Bewegung zwischen den äussersten Athmungslagen ein nach Alter, Geschlecht und Individualität wechselndes ist, so dass auch in dieser Beziehung ein idealer Typus auf- gestellt werden muss. Diesen habe ich in den Zeichnungen zum Ausdruck gebracht, welche den Stand des Zwerchfelles bei der tiefsten Einathmung versinnlichen sollen. Dabei bin ich davon ausgegangen, dass das grösste Maass der Erweiterung des Brustraumes im queren Durchmesser 2^^”^ das im sagittalen beträgt. Die rechte Zwerchfellkuppel sinkt dabei auf 2^^ die linke um 2*5®“^ und das Centrum tendineum in der Mitte hinten um P™. Auf alle Fälle geht das Centrum nach abwärts, wenn diese Be- wegung auch etwas geringer ist als die der Seitentheile des Diaphragma. Diese Annahme steht auch vollkommen im Einklang mit den Annahmen z. B. Gerhardt’s, welcher 2^"^ als äusserstes Maass der Excursion des unteren Leberrandes in der Mitte annimmt, während Weil höchstens statuirt. Man könnte nun, wenn'man den Nadel- und Percussionsmethoden gar keinen Werth beizumessen geneigt ist, behaupten, durch die Eröffnung des Bauchraumes und durch das Entfernen der Eingeweide würden die den Bewegungen des Zwerchfelles entgegenstehenden Widerstände entfernt und durch die Einleitung der künstlichen Athmung ebenfalls von den natürlichen abweichende Resultate erzielt. Diesen Einwänden zu begegnen, habe ich an der frischen Leiche eines neugeborenen Kindes den Bauch nicht er- öffnet, dagegen unter vollkommener Erhaltung der Pleurasäcke das Brust- 200 C. Hasse: bein entfernt, dann die künstliche Athmung vorsichtig und unter niederem Druck eingeleitet und dabei an dem Abwärtsgehen der in der Mitte ge- legenen Herztheile das Niedergehen des Centrums erkannt, so dass ich nicht einmal eine relative Unbeweglichkeit des sehnigen Zwerchfellabschnittes ein- räumen kann. Ich stehe somit durchaus auf dem Standpunkte von Luschka, Henle, Sappey, und der Pathologen, an ihrer Spitze Gerhardt, dass bei der Athmung das Centrum auf- und abgeht. Ich trete sonach mit Bestimmtheit den Angaben von Hyrtl und Henke entgegen. Es macht mir den Eindruck, als wenn lediglich der einseitige Gesichtspunkt der Zweckmässigkeit, als wenn eine vorgefasste Meinung und nicht die Be- obachtung an Lebenden oder an der Leiche diese beiden Forscher zum Glauben an die relative Unbeweglichkeit des Centrum tendineum geführt hätte. Henke scheint sich sogar ganz einfach auf die Schultern von Hyrtl zu stellen, denn seine Zeichnungen sowohl, wie seine Auseinandersetzungen decken sich vollkommen mit den Annahmen und Ausführungen von Hyrtl. Wenn Hyrtl als Grund gegen das Herabgehen des Centrums unter normalen Verhältnissen die nachtheilige Dehnung des Herzens und der grossen Gefässe angiebt, so kann man dem entgegen halten, dass Dehnungen oder Bewegungen der Gefässwand innerhalb gewisser Grenzen nicht nach- theilig wirken. Das zeigen die an den verschiedensten Stellen des Körpers auftretenden Dehnungen und Biegungen der Gefässwände bei den Be- wegungen. Man könnte sogar vom teleologischen Standpunkte aus sagen, ein Heruntergehen des unter dem Herzbeutel gelegenen Centrum diaphrag- matis böte wesentliche Yortheile, denn dadurch würde der Spielraum für die Bewegungen des Herzens namentlich während der Diastole vergrössert. Auch die von Teutleben gefundenen Ligamenta suspensoria bilden, wie er selbst hervorhebt, kein absolutes Hinderniss. Es kommt wesentlich auf die Höhe des positiven Druckes in der Bauchhöhle, auf die Kraft der Zusammenziehung der Zwerchfellfasern, sowie auf die grössere oder geringere Starrheit der unter dem Zwerchfell liegenden Eingeweide an, ob und wie weit das Centrum sich nach abwärts bewegt. Weder das Herz, noch die Ligamenta suspensoria bilden absolute Hindernisse. Ist doch schon wieder- holt von Pathologen und Anatomen, in der neuesten Zeit von Töpken gezeigt, dass Verlagerungen des Herzens nicht allein unter pathologischen Verhältnissen, sondern auch beim Wechsel der Lage ohne unmittelbare Nachtheile verkommen. Wenn dann hervorgehoben wird, dass bei einem und demselben Individuum der Spitzenstoss des Herzens bei der Athmung seine Lage nicht ändere, nun so spricht das auch nicht ohne Weiteres für die Unveränderlichkeit der Lage des Centrums, denn wie wir wissen, ist die Bewegung der einzelnen Theile des Zwerchfelles im besonderen auch des Centrum tendineum eine durchaus ungleiche. Es finden sich dort die ÜBER DIE Bewegungen des Zwerchfells u. s. w. 201 grössten Verschiebungen, wo die längsten Muskelfasern sind, die kleinsten dagegen dort, wo sich die kürzesten befinden. Die längsten Fasern finden sich seitlich und hinten, die kürzesten vorne. Die Länge wechselt, um nur ein Beispiel hervorzuheben, von 6 — 16^™ oder in einem anderen Falle sogar von 2 • 5 — 14^™ ; es ist also ein drei- bis vierfacher Längenunterschied vorhanden. Erstere Maasse gelten für die Sternalbündel, letztere für die achten bezw. neunten Rippenbündel, so dass demnach das geringste Maass der Ver- schiebung vorne in der Mitte, das grösste seitlich vorne vorhanden ist. Für die Grösse der Abwärtsbewegung kommt dann aber auch noch die Richtung der Muskelbündel zur senkrechten Ebene in Betracht, und da wissen wir, dass dieselben seitlich und hinten der senkrechten, vorne da- gegen in der Mitte der horizontalen Ebene genähert sind. Machen dem entsprechend die vorderen Zwerchfellabschnitte geringere Abwärtsbewegungen als die seitlichen und hinteren, so- wird für die ersteren die Bewegung noch dadurch verringert, ja gleich 0, weil durch die Hebung des Brustkorbes die Ursprünge der Sternalbündel in gleiche oder nahezu gleiche Höhe mit den Ansätzen derselben am Centrum tendineum gebracht werden (siehe die Durchschnittszeichnung), und da sich die Verhältnisse auch nicht viel anders für die Muskelbündel, welche an den an den unteren Theil des Sternums sich anschliessenden Rippenknorpeln entspringen, gestalten, so begreift sich, dass in dem Individuum wesentliche Lage Veränderungen des Spitzenstosses des Herzens bei der Athmung nicht stattfinden. Die Bewegung des gesammten Zwerchfelles hat die Richtung von hinten oben, nach vorne unten, und wie bekannt erfolgt die Verdrängung der ünterleibseingeweide in gleicher Richtung. Das zeigt sich ja auch durch die bei der Einathmung erfolgende Vorwölbung der vorderen Bauch wand. Wenn nun Töpken in seiner Arbeit angiebt, die Höhenlage des Herzens steigt und sinkt mit derjenigen des Zwerchfelles, so gilt das auch für jedes einzelne Individuum, allein der Satz erfährt insofern eine Ab- änderung, als bei der ungleichen Abwärtsbewegung der einzelnen Zwerch- fellabschuitte während der Athmung ungleiche Bewegungen der einzelnen denselben aufgelagerten Herzabtheilungen erfolgen. Die vorderen bewegen sich viel weniger, als die hinteren. Somit handelt es sich bei dem Herzen nicht um eine einfache Abwärtsbewegung, sondern wir haben es mit einer Drehung nach abwärts um die transversale Axe zu thun, und es erfolgt auch nicht eine einfache Streckung der Gefässe, sondern vor Allem eine Aenderung der Krümmung derselben. Ich hoffe, dass sich bald Gelegenheit finden wird in einer besonderen ausführlichen Abhandlung auf die Ver- hältnisse innerhalb des Brustraumes zurück zu kommen. Ich begnüge mich einstweilen mit diesen Andeutungen und wende mich nun zu den bei der Einathmung erfolgenden Formänderungen des 202 C. Hasse: Zwerchfelles. Die stärkere Abwärtsbewegung der Zwerchfellkuppeln gegenüber der der Mitte des Centrums tendineum bedingt eine Abflachung des letzteren, welche noch dadurch vergrössert wird, dass durch die sich zusammen- ziehenden und ringsum oder an die Peripherie angehefteten Muskelfasern eine gleichmässige Spannung der Zwerchfellmitte erfolgt. Als Ausdruck dieser Spannung erscheint die Erweiterung des Foramen pro vena cava, welche bei 20 procentiger Verkürzung der Muskelfasern, bezw. bei der äussersten Füllung der Lungen mit Luft 1—1*5''“' im Umfange beträgt. Ferner divergiren bei der Hebung des Brustkastens die während der tiefsten Ausathmung nahezu senkrecht und paralell • zu einander gestellten Seiten- wände des Zwerchfelles nach abwärts und aussen (siehe Figur). Die in der Exspirationsphase steil an der Brustwand gegen das Centrum tendineum emporsteigenden Fasern werden bei der Einathmung schräg nach aufwärts und innen gegen dasselbe gerichtet und entfernen sich somit von der Brustwand. Die bekannte Folge ist die Eröffnung der Complementärräume der Pleurasäcke und das tiefere Herabrücken der unteren Lungenränder, welches sich ja ganz besonders an den Seiten des Brustkorbes geltend macht. Einfluss der Bewegungen des Zwerchfells auf die anliegenden Unterleibsorgane. Wir haben gesehen und darüber sind alle Forscher einig, dass bei der Zusammenziehung der Muskelfasern eine Formänderung des Zwerchfells, eine Abflachung entsteht. Wenn sich nun die Oberflächen der Leber, des Magens und der Milz bei der Athmung genau den Krümmungen des Zwerch- fells anschmiegen und diese Organe nachgiebig sind, so müssen dieselben bei der Athmung einmal eine Formänderung erleiden, und zweitens müssen die Berührungsflächen sich der Bewegungsrichtung des Zwerchfells entsprechend nach abwärts bewegen. Sind nun aber die Organe starr oder fast unnach- giebig, so muss, wenn überhaupt eine Verdrängung der unveränderlichen, dem Zwerchfell zugekehrten Oberflächen stattfindet zwischen diesen und der Unterfläche des Diaphragma ein luftleerer Raum entstehen, und dieser müsste durch irgend etwas ausgefüllt werden. Ueber die Nachgiebigkeit des Magens und der Milz unter gewöhnlichen Verhältnissen ist man einig, dagegen herrscht ausgesprochen oder unausgesprochen der Glaube, die Leber sei ein starres oder steifes Organ, höchstens mit geringer Beweglichkeit seiner Substanz versehen. Von dieser Ansicht ausgehend meint Hyrtl, das Zwerchfell wälze sich über die convexe Oberfläche der Leber. Soweit ich ihn verstehe, liegt darin die Annahme, dass sich das Zwerchfell bei seiner Abflachung auf die mässiger gekrümmten Theile der Leber zu bewegt. Wie eine solche Be- wegung möglich, ist mir nicht klar. Eine andere Möglichkeit wäre die, Übee die Bewegungen des Zwekchfells u. s. w. 203 dass die vorderen schwächer gekrümmten Theile der Leber den hinteren besonders sich abflachenden Parthien des Zwerchfells zugetrieben würden. In diesem Falle müsste aber die Leber eine Drehung um ihre Längsaxe nach hinten abwärts erfahren, und das widerspricht geradezu der Beobach- timg am Lebenden, wonach die Bewegung nach vorne abwärts gegen die vordere Bauchwand geht. B[enle stellt sich die starre Leber als eine Rolle für die Muskelfasern des Zwerchfells vor, und darin liegt unzweifelhaft etwas richtiges und auch ich glaube, dass die Leber in Verbindung mit dem positiven Druck inner- halb der Bauchhöhle eine wenn auch noch so geringe Stütze für das Cen- trum tendineum bildet und damit die hebende Wirkung der Zwerchfell- fasern auf den Brustkorb fördert. Wie nun aber bei der Zusammenziehung der Zwerchfellfasern und bei der Hebung des Brustkorbes, wobei die Rippen nach aussen und mit dem Brustbein nach vorne oben gehen, im Bereiche der unteren Brustöffnung eine Berührung der starren und somit unver- änderlich gekrümmten Leberoberfläche mit der Brustwand zu Stande kommen kann, ist mir unerfindlich. Es muss vor allem zwischen dem vorderen und seitlichen Leberrande und dem Rippenbogen ein leerer Raum entstehen, ein Raum, welcher von den benachbarten Gedärmen, namentlich von der Flexura dextra coli und dem Colon transversum ausgefüllt werden müsste. Die Beobachtung am Lebenden lehrt, dass das nicht der Fall ist, dass sich an keiner Stelle unter normalen Verhältnissen zwischen Leber und Zwerch- fell Gedärme eindrängen. Damit erheben sich aber ernste Bedenken gegen die starre oder steife Beschaffenheit des normalen Lebergewebes und diese gewinnen noch mehr an Gewicht, wenn man die Erfahrungen bei den Sectionen heranzieht. Sowie der Bauch geöffnet wird, entfernt sich der vordere, dünnere Leberabschnitt von der Bauchwand, sinkt in den Bauch- raum zurück, und daraus ergiebt sich wohl ohne Weiteres die ausgiebige Beweglichkeit des vorderen Leberabschnittes. Allein auch die dicken, seit- lichen und hinteren Parthien sind weitaus nicht so starr und steif, als man gewöhnlich annimmt. Die aus der Leiche herausgeschnittene normale Leber ändert nicht allein, wenn man sie unterstützt, ihre Oberflächenkrümmung, sondern es ändert der Spiegel’sche Lappen und die anschliessende Parthie des rechten Leberlappens vollkommen die Lage. Während des Lebens und in der Leiche nach hinten sehend und gegen die Unterfläche der Leber fast rechtwinklig abgeknickt, lagert sich derselbe mit dieser in dieselbe Ebene. Die Leberpforte, im Leben beinahe am hinteren Ende der Unterfläche ge- lagert, erscheint dann fast in der Mitte gelegen, und so wird die Leber- unterfläche fälschlich in allen Handbüchern der systematischen Anatomie gezeichnet. Diese Lageveränderungen wären an der herausgenommenen Leber wohl nicht möglich, wenn die dicken Lebermassen starr und un- 204 C. Hasse: nachgiebig wären. Auch diese sind in verhältnissmässig hohem Grade nachgiebig. Die Leber lässt sich unter normalen Verhältnissen in allen ihren Theilen ohne irgend welche Schwierigkeiten biegen, und somit kann sie gegebenen Falles bei auf sie wirkendem Druck von Seiten der sich zu- sammenziehenden Zwerchfellfasern und bei Gegendruck von Seiten der unterliegenden Eingeweide Formänderungen erleiden. Sie ist, und damit schliesse ich mich vollkommen den Ansichten von His und Braune^ an, unter normalen Verhältnissen ebenso wenig ein starrer Körper, wie der Magen und die Milz, wenn diese auch bezüglich der Leichtigkeit des Eintretens von Formänderungen voransteheu. Letzteres zeigt sich ohne Weiteres darin, dass die linke Hälfte des Zwerchfells grössere Abwärtsbewegungen macht, als die rechte. Von dieser veränderten Anschauung in Betreff der Lebersubstanz aus- gehend, versteht es sich von selber, dass jeder Formänderung der Zwerch- felloberfläche eine entsprechende Formänderung der Leber, des Magens und der Milz folgen muss. Die Erfahrung lehrt, dass trotz der Hebung des Brustkorbes die Leber die untere Brustwand nicht verlässt und ich besitze auch eine ganz directe Beobachtung, welche beweist, dass jede Formänderung des Zwerchfells eine gleiche der gesammten Leber zur Folge hat. Bei der Eröflnung der Bauch- höhle des hydrocephalen ll^/g jährigen Knaben, dessen Unterleibsorgane ebenfalls vollkommen gesund waren, zeigte sich, dass die Leber sich dem Zwerchfell vollkommen anschmiegte. Ich entfernte die Eingeweide sorg- fältig bis auf die Leber um genau alle Einzelheiten der Unterfläche sehen zu können, und darauf liess ich künstlich athmen. Die Leber machte jede Bewegung des Zwerchfells mit, entfernte sich nirgends von demselben, und ich konnte unmittelbar beobachten, dass meine zunächst theoretisch con- struirten Anschauungen über die Art der Leberbewegung und über die Formänderung vollkommen richtig waren. Wenn nun diese Form Veränder- lichkeit der Leber sich bereits an einem geöffneten und nahezu entleerten Bauch, bei vollkommenem Aufhören jedes intraabdominalen Druckes nach- weisen liess, wie viel mehr muss dann dieselbe unter dem Einfluss der Athem- bewegungen sowohl, wie des positiven intraabdominalen Druckes vorhanden sein. Es giebt freilich Fälle, wo Leber, Magen und Milz wie bei Ueber- füllung, Hyperaemie, Hypertrophie oder in Folge übermässiger Erhöhung des intraabdominalen Druckes starr werden können, dann aber wird die Zu- sammenziehung der Zwerchfellfasern und die Formänderung des Zwerchfells auf ein Minimum reducirt und statt der abdominalen erscheint die forcirte thoracale Athmung. Dies vorausgeschickt, wende ich mich nun zur Darstellung des Ein- flusses der Bewegungen des Zwerchfells auf die einzelnen Bauchorgane. ^ Braune in der Erklärung zu Taf. XVI und His, dies Archiv, 1878. S. 63 u. ft. ÜiiEK DIE Bewegungen des Zweechfells u. s. w. 205 Einfluss der Bewegungen des Zwerchfells auf die Leber. Der zunächst in die Augen fallende und bereits bekannte Einfluss der Bewegungen des Zwerchfells, welcher percutorisch an der unteren Leber- grenze nach zu weisen ist, ist die Hebung und Senkung der Leber und das Andrängen gegen und das Zurückweichen von der vorderen Bauchwand. Die Leber wird, wie bereits früher erwähnt, entsprechend der Bewegungs- richtung des Zwerchfells bei der Einathmung nach abwärts und vorne, bei der Ausathmung nach aufwärts und hinten bewegt (siehe die Eig.). Die Leber schiebt sich dabei längs des vorderen Abschnittes des Zwerchfells an der vorderen Bauchwand entlang und wälzt sich dabei über die unter- liegenden Eingeweide (Flexura prima coli, Colon transversum), mit seinem rechten Abschnitt und über den Pylorus, über das Antrum pjdori und den Magenkörper mit seinem linken Lappen, stets der Bauch wand angelagert. Nach Gerhardt schwankt ja das Maass der Excursion zwischen 1 und 2^’" nach Weil und Eichhorst zwischen 1 und Dabei zeichnet Weil auf seiner Taf. VIII die Verschiebung der unteren Lebergrenze von der Sternal- bis zur Axillarlinie gleich gross. Diese Annahme ist nicht rich- tig. Folgt die Leber den Bewegungen des Zwerchfells und schmiegt sie sich mit ihrer Oberfläche stets der IJnterfläche des Zwerchfells an, dann muss, wie meine Abbildung zeigt, nicht allein eine ungleiche Verschiebung der wirklichen oberen Lebergrenze im Sinne der Pathologen, sondern auch der unteren stattfinden. Sie wird seitlich, entsprechend der grösseren Bewegung der Zwerchfellkuppel grösser sein, geringer dagegen gegen die Mittellinie , entsprechend der weniger ausgiebigen Bewegung des Centrum tendineum. Die nähere Erwägung und Betrachtung lehrt nun aber gleich- zeitig, dass bei tiefer Einathmung und gleichzeitiger Hebung des Brust- korbes das Maass der Abwärtsbewegung des Zwerchfells (siehe den Median- schnitt) wenigstens in der Mitte nicht der maximalen Abwärtsbewegung des Centrum tendineum hinten entspricht, denn die vorderen sternalen Bündel des Diaphragma werden bei der Hebung des Brustkorbes mit gehoben, und dem entsprechend muss die absolute Abwärtsbewegung des unteren Leber- randes in der Medianebene, also in der Sternallinie um die Höhe der Hebung- geringer sein, als das Maass der Abwärtsbewegung der höchsten Punkte des Centrum hinten. Dagegen vergrössert sich bei der Einathmung der Abstand des unteren Leberrandes von dem unteren Theil des Schwertfort- satzes um das Maass der Bewegung des Centrum hinten nach abwärts, und somit kommt diese durch die Hebung des Brustbeintheiles des Zwerchfells verursachte Differenz praktisch nicht in Betracht. Vergegenwärtigen wir uns nun bei der Senkung des Zwerchfelles (siehe Figur) das Maass der Verschiebung des unteren Leberrandes, so beträgt 206 C. Hasse: dasselbe in der Sternallinie 0-7 in der Mammillarlinie in der Axillarlinie 0 • 6 und ausserdem erscheint der untere Leberrand 1 unter dem Rippenrande abwärts verschoben. Woher stammt nun diese geringe Verschiebung in der Axillarlinie und nach hinten von derselben? Wenn wir bedenken, dass sich die Leber niemals von der seitlichen Brust- wand entfernt, eben so wenig wie von der vorderen Brust wand, so findet diese Erscheinung einfach ihre Erklärung darin, dass die untere Grenze des Brustkorbes über der Leber nach aufwärts gewichen ist, und dass ferner mit der Seitwärtshebung der unteren Rippen nicht ein einfaches Nieder- gehen des rechten Leberrandes stattgefunden hat, sondern derselbe ist bei tiefster Einathmung seitlich ausgewichen und der Breitenzunahme der rechten Hälfte der unteren Brustöffnung gefolgt. Die Leber ist somit nicht allein nach abwärts gegangen, sondern breiter und entsprechend der Abfiachung der Zwerchfellkuppel in ihrer Krümmung flacher geworden. Diese Abflachung der Leberkrümmung habe ich namentlich klar während der künstlichen Ath- mung an der Leiche des früher erwähnten hydrocephalen Knaben und zwar an der concaven ünterfläche gesehen, ganz besonders im Bereiche der Leber- pforte und des linken Theiles des Lobus quadrangularis. üebrigens erscheint diese Abflachung nicht allein in transversaler, sondern ebenfalls in sagittaler Richtung (siehe die Figuren) wenn letztere auch in der Medianebene, in der Sternallinie am wenigsten merkbar ist. Die ganze Formänderung der Leber bei der Einathmung könnte man mit Fug und Recht als Dehnung, bei der Ausathmung als Zusammenziehung, als Compression bezeichnen. Diese Formänderungen, welche der positive intraabdominale Druck nur zu befördern im Stande ist, erscheint mir nun physiologisch ganz ungemein bedeutsam. Jede Dehnung des Lebergewebes wird, wenn wir zunächst die Kreis- laufsverhältnisse in Betracht ziehen, in desto höherem Maasse, je stärker dieselbe ist, die Circulationswiderstände und zwar durch Zug an den Gefäss- wänden und Ausweitung derselben heruntersetzen. Die arteriellen Bahnen werden freier und die erweiterten Pfortader- und Capillargefässe werden im Stande sein eine grössere Blutmenge zu fassen. Die Erweiterung des innerhalb der Leber befindlichen Pfortader- und Capillargebietes wird eine Ansaugung des Blutes aus dem Pfortaderstamme bewirken, und dieser selbst wird, da am Hilus der Leber, wie wir gesehen haben, die grössten Be- wegungen stattfinden, bei seinem Eintritt in das Lebergewebe, wo das Lumen klaffend erhalten wird, erweitert werden. Die Bewegung des Pfortaderblutes gegen die Leber hin und in diese hinein wird dann noch weiter gefördert durch die bei der Einathmung stattfindende Erhöhung des positiven intraabdominalen Druckes, welcher das Blut in den Pfortaderästen gegen den locus minoris resistentiae, gegen die Leberpforte hintreiben ÜBEii DIE Bewegungen des Zweechfells u. s. w. 207 muss. Bedenkt man dann weiter, dass bei jeder Einathmung das Foramen quadrilaterum und damit die darin gelagerte untere Hohlader erweitert wird, dass ferner das Lumen der Lebervenen in der Lebersubstanz bis an die Einmündung in die Cava offen ist, so werden, je tiefer die Athemzüge erfolgen, desto günstigere Verhältnisse für die Durchströmung der Leber, für den Abfluss des in grösseren Massen in die Leber hineingebrachten Pfortader- und Arterienblutes in das Yenengebiet und am letzten Ende in die rechte Vorkammer geschaffen. Umgekehrt wird jede Ausathmung das Zuströmen des Blutes aus den Arterien und aus der Pfortader in die Leber behindern. Damit ist nun aber keineswegs gesagt, dass auch der Abfluss des Blutes aus der Leber gehindert ist, im Gegentheil. Durch das Zu- sammendrücken des Lebergewebes bei der Ausathmung wird der Gefäss- inhalt durch die offenen Lebervenen in die untere Hohlader gepresst. Ein- und Ausathmung hat also ungehinderten Abfluss, allein nur die Einathmung vermehrten Zufluss des Blutes und ganz besonders des Pfortaderblutes zur Folge. Je flacher die Athmung, desto träger die Durchströmung, desto leichter die Gefahr der Ueberfüllung, der Hyperaemie mit ihren Folgen. Die Dehnung der Leber bildet nun aber nicht allein ein aspiratorisches Moment für die Blutgefässe, sondern auch für die innerhalb der Leber liegenden Gallengänge und Gallencapillaren, und es ist mir durchaus wahr- scheinlich, dass durch die Erweiterung derselben die Galle aus den Leber- zellen angesogen werden kann. Jedenfalls wird bei der Dehnung des Lebergewebes während der Einathmung der Spielraum für die Volums- änderungen und namentlich für die Vergrösserung der Zellen bedeutender, und unter allen Verhältnissen wird dann die Compression des Lebergewebes bei der Ausathmung, der Druck auf die Leberzellen das Sekret aus den- selben befördern helfen. Wie dem nun auch sei, auf alle Fälle hat die Einathmung und desto mehr, je tiefer dieselbe ist, einen wesentlich fördernden Einfluss auf den Abfluss der Galle aus der Gallenblase in den ductus chole- dochus und damit in den Darm und auch hier wirkt oberflächliche Ath- mung, welche Gründe auch immer dieselbe veranlassen, hemmend und nachtheilig. Ich habe nirgends präcise Angaben gefunden, in welcher Weise man sich die Entleerung der Gallenblase denkt. Ich glaube es herrscht ziemlich allgemein die Vorstellung, dass es abgesehen durch den intraabdominalen Druck durch die Zusammenziehung der glatten Musculatur geschieht, welche sich in den groben Gallenwegen findet. Ich will dieses Moment der Aus- treibung durchaus nicht in Abrede stellen, allein ich gebe zu bedenken, dass namentlich in der Blase die Zahl der Muskelfasern im Verhältniss zur auszutreibenden Masse gering ist, und dass dieselben um so weniger wirksam sein können, weil die Gallenblase der am tiefsten gelegene Theil der Aus- 208 C. Hasse: fuhrwege ist, und die Triebkraft somit der Schwere entgegen wirken muss. Ich glaube die Entleerung geschieht auf die einfachste Art, indem bei der Einathmung unter Erhöhung des Gegendruckes der unter der Gallenblase und dem ductus choledochus gelagerten Eingeweide, nämlich des Colon trans- versum und des absteigenden Theiles des Duodenum und bei dem Herab- gleiten der Leber nach abwärts vorne die Galle nach hinten oben in der Richtung des Ausführungsganges herausgestrichen wird. Im Augenblicke der Ausathmung und bei dem Heruntergehen des intraabdominalen Druckes wird dann aufs Neue Platz für die in den Gallenbehälter strömende Galle geschaffen. Ich wende mich nun zu dem Einfluss der Bewegungen des Zwerchfells auf die Milz. Auch bei der Milz stelle ich den Satz auf, dass es sich bei der Ein- athmung nicht allein um eine einfache Verdrängung derselben, bez. um eine gleichzeitige Drehung derselben um die Längsaxe handelt, sondern vor allen Dingen um eine wirkliche Verkleinerung, um eine Kompression von oben nach unten. Gerhardt behauptet ja eine mittlere Verschiebung der unteren Milz- grenze um ^^ch abwärts, während AVeil eine solche nach abwärts und vorne annimmt. Ich kann mich nur den Angaben Weil’s, dass die Milz bei der Einathmung nach vorne abwärts in der Richtung der zehnten Rippe gegen die vordere Bauchwand, und zwar bei tiefster Inspiration um 1 gedrängt wird, anschliessen. Diese Annahme findet ihre Bestätigung durch die Palpation der Milz unter dem Rippenbogen, unter' der zehnten Rippe links. Dafür sprechen aber auch ohne Weiteres die topographischen V erhältnisse der Milz. Dieselbe ruht mit ihrem unteren Rande der oberen Kante der linken Niere auf, welcher nach aussen hin abfällt. Nun be- merkt Gerhardt selber, dass die Nieren eine weit fixirtere Lage wie die Milz besitzen, es ist demnach nicht einzusehen, wie der untere Milzrand im Stande wäre eine so ausgiebige Verschiebung um im Mittel zu machen. Die Niere müsste dann folgen und von einer so ausgiebigen Dis- location derselben ist unter normalen Verhältnissen niemals die Rede ge- wesen. Ich halte die Nieren in der Norm für so gut wie vollkommen fixirt und für so gut wie vollkommen unbeeinflusst von den Bewegungen des Zwerchfells, und ich kenne kein anderes Moment, welches allenfalls eine A^erschiebung der Nieren um ein solches Grössenmaass bedingen könnte. Die Milz ruht auf dem Nierenrande wie auf einer schiefen Ebene und wird bei der Abwärtsbewegung des Zwerchfells auf dieser nach vorne ab- wärts gleiten (siehe Tafel). Ferner nimmt Gerhardt eine A^erschiebung des ÜliKR DIE Bewegungen des Zwekcheeuus ü. s. \v. /^09 oberen Milzraudes iiiii 2V2 allein es geht nicht klar ans seiner l>e- schreibnng hervor, ob er dieses grössere Maass auf die Drehung der Milz um die Längsaxe mit dem oberen Rande nach vorne zurückführt, oder auf eine absolute Verkleinerung der Milz von oben nach unten. Ich halte mit Gerhardt dafür, dass eine solche Drehung bei der inspiratorischen Be- wegung des Zwerchfells stattfiudet, allein ich bin vor Allem der Ansicht, dass die Verkleinerung der Milzdämpfung auf einer absoluten Verkleine- rung dieses Organs, auf einer Compression desselben von oben nach unten, vom oberen Rande gegen die Niere, an die sich unmittelbar der Hilus lienis mit den Gelassen auschliesst, beruht. Umgekehrt wird bei jeder Ausathmung die Milz um 1 nach hinten aufwärts längs der zehnten Rippe steigen, sich mit ihrem oberen Rande um die Längsaxe gegen die hintere Brustwand drehen, vor allen Dingen aber sich von dem Hilus nach aufwärts ausdehnen und zwar etwa um 1 im Mittel. Das weiche Milz- gewebe bietet nach meiner Ansicht unter normalen Verhältnissen der Com- pression keinen besonderen Widerstand. Diese Compression erscheint mir nun aber in physiologischer Bezieh- ung, mit Bezug auf die Kreislaufsverhältuisse in der Milz, mit Bezug auf die Ueberwinduug der ausserordentlichen Strom widerstände, welche im Gefässsysteme derselben herrschen müssen (penicilli, Lakunen), ausserordent- lich wichtig. Jeder Druck von Seiten des Zwerchfells, vergrössert durch die Erhöhung des intraabdominalen Druckes, wird das Blut aus dem Hilus, gegen den der Druck gerichtet ist, in die vena lienalis und von da in die Pfortader treiben, dabei aber freilich die arterielle Zufuhr beschränken. Jedes Aufheben des Druckes, wie es bei der Ausathmung statt hat, und jede Dehnung des Organes, welche wiederum bei der Exspiration vom Hilus ausgeht, wird die arterielle Zufuhr aus den im Hilus gelegenen Stämmen in die sich erweiternden Blutbahnen der Milz fördern. Freilich wäre dabei auch an eine aspiratorische Wirkung auf das Venengebiet zu denken, allein ob eine solche zu Stande kommt, ist wohl die Frage. Klappen, welche das Rückströmen des Blutes in die Vena lienalis verhindern könnten, sind bis jetzt nicht entdeckt worden, es wäre aber wohl möglich, dass das Rück- strömen des Blutes in das Venengebiet der Milz dadurch verhindert würde, dass die zwischen Niere und pancreas und pancreas und Zwerchfellschenkeln gelegene Vene bei der Ausdehnung, welche die Bauchspeicheldrüse nach dem Heruntergehen des intraabdominalen Druckes während der Ausathmung erfahren muss, zwischen Niere und pancreas eingeklemmt würde. Dadurch würde die Rückstauung des Blutes vollkommen gehindert werden können. Diese Compression wage ich aber nur als eine Vermuthung hinzustellen, welche noch weit besser gestützt werden muss, ehe sie sich zum Range einer Thatsache erhebt. Archiv f. A. u. Ph. 1886. Auat. Abthlg. 14 210 C. Hasse; Über die Bewegungen des Zwercheells u. s. w. Schliesslich bespreche ich noch den Einfluss der Bewe^uiii^eu des Zwerchfells auf den Ma^eii. Die ]]ewegungeii des Zwerchfells sind für den vullkominen leeren Magen ohne jegliches Interesse, anders steht es dagegen mit dem gefüllten Organ. Ich habe meinen Zeichnungen das Volumen und die Stellung zu Grunde gelegt, welche Luschka und His als typisch für den Magen an- genommen haben. Die Veränderungen sind, wie bereits Gerhardt und Eichhorst behaupteten, theils von dem Zwerchfell, theils von der Leber und der Milz, zudem aber namentlich auch von dem Gegendruck der unter- liegenden Gedärme abhängig. Durch die linke Zwerchfellkuppel wird der Magengrund nach abwärts vorne und etwas nach innen gedrängt, während in den durch die Hebung des Brustkorbes im Bereich des linken Theiles der unteren Brustöffnung entstandenen Raum theils die Milz sich einschiebt, theils die llexura colica sinistra sich einlagert. Durch den bei der Einath- niung sich steigernden Gegendruck der unterliegenden Eingeweide wird die grosse Curvatur in entgegengesetzter Richtung verdrängt und somit gehoben und abgeflacht. Die Drehung der Milz um die Längsaxe wird höchstens eine geringe Vortreibung des Magengrundes an der entsprechenden Stelle bewirken, dagegen wird die Abwärtsbewegung der Leber über die Vorder- fläche des Magenkörpers eine Bew^egung der Vorderwand des Antrum, sowie des an die kleine Krümmung sich anschliessenden Theiles der Vorderwand des Magenkörpers nach hinten zur Folge haben. Es entsteht also eine Coni- pression des Magens in der Richtung gegen den pylorus, welcher seine Lage nicht w^esentlich ändert. Die Muskelthätigkeit des Magens wird somit durch ausgiebige Athembewegungen unterstützt und die Entleerung des Mageninhaltes gegen den Pförtner hin erleichtert. Zur Anatoinie und Chirurgie der Art. subclavia. Von Dr. Hans Stahel. (Gearbeitet auf der topographischen Abtheilung des Prof. Braune.) (Hierzu Taf. VIIl-X.) Das Gebiet der arteriellen Collateralbahnen ist in den meisten Hand- büchern der Anatomie stiefmütterlich behandelt. Namentlich fehlt es den- selben an guten, naturgetreuen Abbildungen der einzelnen Collateralwege. Und doch ist eine genaue Kenntniss der Arterienanastomosen von der grössten Wichtigkeit für den Chirurgen. Welch’ verderbliche Folgen eine ungenügende Kenntniss der Collateralen nach sich gezogen hat, lehrt am besten die Geschichte der wegen Yerletzungen peripherer Aeste ausgeführten Stammesunterbindungen. Die genaue Kenntniss der Collateralen allein er- möglicht ferner, die Folgen einer ausgedehnten und eingreifenden Operation in Bezug auf die nachherigen Ernährungsverhältnisse des operirten Theiles vorauszusehen, denn trotz Antiseptik ereilt Gangrän den von der Zufuhr arteriellen Blutes abgeschnittenen oder mangelhaft ernährten Körpertheil. Hr. Prof. Braune veranlasste ‘mich daher, die Collateralen der Art. subclavia, axillaris und brachialis in Angriff zu nehmen und überliess mir zugleich zur Beschreibung das Injectionspraeparat eines Individuums, dem früher die Art. subclavia am äussern Bande des M. scal. antic. unterbunden worden war. Es sei mir gestattet, an dieser Stelle Hrn. Prof. Braune für die reiche Unterstützung und die vielen Eathschläge, die er mir bei dieser Arbeit angedeihen liess, meinen besten Dank auszusprechen. Wenn auch eine Anzahl von Anastomosen in dem Gefässgebiete der Art. subclavia bekannt sind, so ist doch, wie nachfolgende Untersuchung zeigen wird, das Gebiet der constant vorkommenden Collateralwege mit 14* 212 Hans Stahel; den früheren Angaben nicht erschöpft. Diess geht schon daraus hervor, dass eine Reihe von Erscheinungen, welche nach der Unterbindung der Subclavia eintreten, zu ihrer Erklärung der anatomischen Grundlage bis dahin entbehrten. Anderseits ist bis jetzt noch nicht der Versuch gemacht Av Orden, die mit der Unterbindung eines Arterienstammes in dessen Gebiete eintretenden Aenderungen von Druck und Geschwindigkeit des Blutstromes zur Erklärung der mannigfachen Formen, wie sie die Collateralbahnen nach der Unterbindung zeigen, heranzuziehen. Die vorliegende Arbeit bezweckt nun, diese Lücken möglichst auszufüllen. Sie schliesst zwar den Gegen- stand nicht vollständig ab, bringt aber eine sichere Grundlage von festen Thatsachen, von denen aus weiter gearbeitet Averden kann. Die grosse Zahl von Collateralen , welche die Art. subclavia mit der Art. axillaris verbinden, legt mir in Bezug auf deren bildliche Darstellung eine gewisse Beschränkung auf. Es Avürde einen eigenen Atlas erfordern, Avollte man sämmtliche bis jetzt bekannten Anastoniosen dieses Gefäss- gebietes in Bildern wiedergeben. Ich habe aus diesem Grunde von einer solchen erschöpfenden Darstellung Umgang genommen und beschränke mich in dieser Arbeit darauf, die von mir gefundenen, bis jetzt unbe- kannten Collateralwege abzubilden und zu beschreiben. Die Berechtigung, diese Anastomosen als neue zu bezeichnen, leite ich daher, dass dieselben in den Handbüchern der Anatomie von Henle, Hyrtl, Luschka, Arnold, Cruveilhier, Tillaux, Sappey und Quain nicht beschrieben sind. Bezüglich der künstlichen Abgrenzung des Truncus brachiocephalicus folge ich in meiner Darstellung Luschka, welcher die Art. subclavia von ihrem Ursprünge bis zum obern Rande des M. pectoralis minor, die Art. axillaris vom obern Rande des Pectoralis minor bis zum untern der Sehne des Latissimus dorsi, die Art. brachialis endlich vom untern Rande des Latissi- mus dorsi bis zum Halse des Radius gehen lässt. I. Anastomose ZAvischen der Art. scalena und einem Zweige der Art. transversa colli. Hiezu Taf. VIII. Fig. 1. Hinter dem M. scalenus antic., ungefähr der Grenze des innern und mittleren Drittels seines Ansatztheiles entsprechend, geht aus dem obern hintern Quadranten der Art. subclavia ein circa V2 — 1 dickes Stämm- chen ab, Avelches ich Art. scalena nennen Avill. Dieselbe verläuft von ihrer Ursprungsstelle schräg nach aufwärts auswärts und giebt auf diesem Wege feine Reiserchen in den M. scal. antic. und die tiefen Halsmuskeln ab. Das Hauptstämmchen der Art. scalena kreuzt die Richtung des Plexus brachialis, indem es zAvischen den oberflächlichen und tiefen Bündeln des- selben durchgeht. Kurz bevor die Arterie den Plexus verlässt, mündet in Zue Anatomie und riimuRGiE der Art. subclavia. 213 dieselbe ein bogenförmig verlaufendes Aestchen ein, welches aus der Art. transversa colli da entspringt, wo dieselbe zwischen den oberflächlichen und tiefen Bündeln des Plexus verläuft. Dieses Aestchen der Art. trans- versa colli ist schwächer als die Art. scalena. Es sendet auf seinem Ver- laufe feine Reiser zum Plexus und M. scal. nied. Der von diesen beiden Arterien gebildete Gefässbogen hat, vom obern Rande der Art. subclavia aus gerechnet, eine Höhe von ungefähr 3 ln drei Praeparaten, die ich auf diese Anastomose untersucht habe, fand sich dieselbe zwei Mal. Es ist noch hervorzuheben, dass die Art. scalena nicht etwa die gesondert aus der Art. subclavia entspringende Art. cervicalis prof. ist, indem in beiden Eällen die Art. cervicalis prof. gemeinschaftlich mit der Art. inter- costalis supr. vom untern hintern Quadranten der Art. subclavia entsprang. Das die eben erwähnte Anastomose eingehende Aestchen der Art. trans- versa colli ist ferner nicht zu verwechseln mit dem Ramus cervicalis asc. der Art. transversa colli, indem letzterer zwischen M. levator anguli scap. und Splenius nach aufwärts verläuft und mit der Art. cervicalis super- ficialis anastomosirt. II. Der von Zweigen der Art. thoraco-acromialis und Trans- versa Scapulae gebildete Anastomoseuring unter dem Ursprung des M. deltoides. Circulus arteriosus subacromialis. Hierzu Taf. VIII. Figg. 2 und 3. Nach den Handbüchern der Anatomie anastomosieren die Art. thoraco- acromialis, Art. superficialis cervicis und Art. transversa scapulae mittelst zahlreicher, auf dem Periost der Pars acromialis claviculae und des Acro- mion verlaufender Zweige, das sogenannte Rete acromiale darstellend. Ausser diesem Rete acromiale findet sich eine weitere Gefässverbindung zwischen der Art. thoraco-acromialis und der Art. transversa scapulae. Trennt man nämlich den M. deltoides vorsichtig von seiner Ursprungs- stelle ab, so stösst man auf einen Gefässstamm, der die Pars acromialis des Schlüsselbeins und das Acromion ringförmig umgiebt. Der Ast der Art. transversa scapulae, welcher die genannte Anastomose mit der Art. thoraco-acromialis bildet, entspringt aus ersterer kurz vor deren Eintritt in die Fossa infraspinata. In diesen Gefässring münden von oben arcaden- förmig zahlreiche, aus dem Rete acromiale hervorgehende Stämmchen, während aus dem nämlichen Gefässbogen eine Reihe von Aestchen ent- springen, die ihren weitern Verlauf in der Substanz des M. deltoides nehmen. Eine Verbindung dieser Muskelästchen mit Zweigen der Art. circumflexa hum. post, habe ich nicht feststollen können, obschon eine solche Verbindung wahrscheinlich ist. Die beschriebene Anastomose habe ich in allen fünf darauf hin untersuchten Fällen darstellen können. 214 Hans Stahel: III. Die Hautauastomosen der Schulter- und Oberarmgegend. Hiezu Taf. IX. Fig. 1. Unmittelbar unter der Haut der Schulter und des Oberarmes findet sich ein reiches, auf dem subcutanen Fettgewebe verlaufendes Gefässnetz. Die einzelnen Gefässverbindungen dieses Netzes sind von innen nach aussen aufgeführt folgende: 1. Gefässverbindung zwischen Hautästen der Art. thoraco-acromialis und der Art. circumflexa hum. post. 2. Gefässverbindung zwischen Hautästen der Art. thoraco-acromialis und der Art. cervicalis superficialis. 3. Gefässverbindung zwischen Hautästen der Art. cervicalis super- ficialis und Art. transversa scapulae. 4. Gefässverbindung zwischen Hautästen der Art. transversa scapulae und Art. transversa colli. Diese Hautanastomosen habe ich nur einmal in dieser Vollständigkeit her- aussetzen können. Ich bin somit nicht im Stande etwas über die Häufig- keit des Vorkommens dieser Bildungen auszusagen. IV. Anastomose zwischen dem Ramus coracoides der Art. axil- laris und einem Zweige der Art. thoraco-acromialis. Hiezu Taf. IX. Fig. 2. Ungefähr in der Höhe der Abgangsstelle der Art. subscapularis, etwas oberhalb derselben, entspringen aus der äussern Wand der Art. axillaris drei Gelasse von je circa 1 Dicke. Ich nenne dieselben Rami cora- coidei. Von diesen Stämmchen verzweigen sich die beiden untern im Ur- sprangstheile des M. coraco-brachialis, während das obere, als das stärkste von den dreien, einerseits Aestchen in das unter dem Proc. coracoides befindliche Fettgewebe schickt, anderseits einige Reiser über den Proc. coracoides hinwegsendet. Diese letzteren Gefässe anastomosiren mit einem Aestchen der Art. thoraco-acromialis. Diese Anastomose fand ich in allen darauf hin untersuchten Praeparaten. Im Uebrigen sind die genannten Gefässe bei verschiedenen Individuen von wechselnder StäiFe; in einem Falle fehlte das unterste der drei Stämmchen. V. Erste Anastomose zwischen einem Zweige der Art. circum- flexa hum. ant. und einem Aste der Art. brachialis prof. Hierzu Taf. X. Fig. I. Hart am innern Rande der Sehne des Caput long. musc. bicip. eut- s})ringt von der untern Seite der Art. circumfiexa hum. ant. ein dünnes Zue Anatomie und Ciiieuegie dee Aet. subclavia. 215 circa V2 dickes Stämniclieii , welches zwischen der Sehne des langen Ilicepskopfes und der AnsatzsteJle des I\I. latissiniiis dorsi nach abwärts verläuft. In seinem weitern V erlaufe schickt es feine Reiser in den M. coraco- hrachialis und biegt dann hngerbreit unter dem untern Rande der Sehne des Latissimus dorsi nach einwärts, um zuletzt, unter dem M. coraco- brachialis weggehend, mit einem Aste der Art. brachialis prof. zu coniniu- uiciren. Diese Anastomose habe ich in allen drei darauf hin untersuchten Fällen gefunden. VI. Zweite Anastomose zwischen der Art. circumflexa hum. ant. und einem Muskelaste der Art. brachialis prof. Hiezu Taf. IX. Fig. 2. Nach aussen von der Sehne des langen Bicepskopfes ändert die an- fangs quer verlaufende Art. circumflexa hum. ant. ihre Richtung, indem sie nach abwärts auswärts verläuft. Nahe am innern Rande des M. del- toides teilt sie sich in zwei Aeste, die unter den M. deltoides treten. Vom untern dieser Aeste geht ein dünner Zweig ab, welcher zwischen der An- satzstelle des M. pectoralis major und dem M. deltoides nach abwärts ver- läuft. Hart unter dem untern Rande der Sehne des M. pectoralis major biegt das Zweigehen nach innen um und communicirt, den Ansatztheil des M. coraco-brachialis durchsetzend, mit einem Aste der Art. brachialis prof. In einem zweiten Falle, den ich auf diese Anastomose hin untersuchte, communicirte dieser Zweig mit der Art. collateralis radialis sup. Eine Anastomose zwischen Zweigen dieser letztem Arterie mit Aesten der Art. circumflexa hum. post, konnte ich nicht darstellen. Darstellung des Collateralkreislaufes nach Unterbindung der Art. subclavia sinistra am äussern Rande des M. scal. ant. Nach einem Praeparate der anat. Sammlung zu Leipzig. Hiezu Taf. X. Figg. 2, 3 und 4. Von der grossen Zahl geheilter Fälle von Unterbindung der Art. sub- clavia sind es nur wenige, die zur anat. Untersuchung gekommen sind. Am eingehendsten hat Aston Key^ die Collateralwege, welche der Blut- strom nach Verschluss der Art. subclavia am Orte der \Vahl einschlägt, beschrieben und abgebildet. Unser Fall ergänzt in manchen Punkten den von Key beobachteten und soll desshalb hier ausführlicher beschrieben werden. Ich beginne die Darstellung unseres Praeparates mit der Beschrei- bung der Art. vertebralis, als dem ersten Aste der Art. subclavia. ^ Med.-chh\ Transactions. Vol. XIB. 216 Hans Stahel: Die Art. vertebralis entspringt in unserem Praeparate an normaler Stelle und besitzt einen Durchmesser von 4*5 Ihr Kaliber ist somit nach Krause, der die mittlere Dicke der Vertebralis zu 4-5 angiebt, nicht vergrössert. Unmittelbar nach aussen von der Abgangsstelle der Art. vertebralis entspringt von der hintern Wand der Art. subclavia der Truncus costo- cervicalis. Der Anfangstheil dieses Gcfässes ist durch eine eigenthüm- liche kolbige Anschwellung ausge- zeichnet. Siehe nebenstehende Zeich- nung. Die Dicken Verhältnisse des Truncus costo-cervicalis am Ursprung und vor der Theilung desselben in die Aeste sind folgende: Durchmesser des Truncus costo-cervicalis a am Ursprung 4 „ des Truncus costo-cervicalis unmittelbar vor der Theilung 3"™. 1 über der Ursprungsstelle des Truncus costo-cervicalis nimmt die schwach 1 dicke Art. cervicalis profunda ihren Ursprung. Die Art. intercostalis suprema, welche einen Durchmesser von 3 hat, verläuft in normaler Weise. Die Aeste derselben, die Art. intercostalis post, prima und secunda, beschreiben in ihrem Verlaufe mehrfache Windungen. Die Art. mammaria int. geht 8 nach aussen vom Ursprünge der Art. vertebralis aus dem untern, innern Quadranten der Art. subclavia ab. Ihre Dicke beträgt starke 4 während der Durchmesser der normalen Arterie nach Krause zu 3*4 angegeben wird. In ihrem Anfangstheile verläuft die Art. mammaria int. mit einem nach vorn und aussen con- vexen Bogen. Auch in ihrem weitern Verlaufe beschreibt dieselbe starke Windungen. In gleicher Höhe mit der Abgangsstelle der Art. mammaria int., etwas nach aussen, entspringt aus dem vordem obern Quadranten der Subclavia, fast senkrecht zur Axe derselben, der 7 dicke Truncus thyreo- cervicalis. Da die normale Dicke dieses Gefässstammes bloss 5*6"™ beträgt, so ist somit das Kaliber des Truncus thyreo-cervicalis in unserem Falle bedeutend vergrössert. Einige Millimeter über dem Ursprünge theilt sich der Stamm in die Art. thyreoidea inf. und in die ausserordentlich starke Art. trans- versa Scapulae. Der Anfangsteil der Art. thyreoidea inf. zeigt eine eigen- Zur Anatomie und Chirurgie der Art. subclavia. 217 tliümliche kolbige Anschwellung, eine Erscheinung, die wir bereits am An- fangstheile des Truncus costo-cervicalis kennen gelernt haben. Dem entsprechend sind nun auch die Dickenverhältnisse der einzelnen Abschnitte dieses Gefässes verschiedene. Während z. B. der Durchmesser des kolbenförmigen Anfangstheils 5-5'"'" beträgt, hat die nämliche Arterie kurz vor Abgabe ihres ersten Astes nur eine Dicke von 3 Die Länge des kolbenförmig erwei- terten Gefässstückes beträgt un- gefähr 3"^™. Nebenstehende Skizze veranschaulicht diese Erscheinung. Aus der Art. thyreoidea inf. a entspringt die Art. cervicalis as- cendens, welche eine Dicke von 2 besitzt. Die Art. cervicalis superficialis existirte leider in dem Praeparate nicht mehr. Während unter normalen Verhältnissen die Art. thyreoidea inf. der bedeutendste Ast des Truncus thyreo-cervicalis ist, nimmt in unserem Prae- parate die Art. transversa scapulae die erste Stelle ein. Dieselbe besitzt eine Dicke von 6"^™, während der Durchmesser der normalen gleichnamigen Arterie bloss 2-8’^™ beträgt. Noch aufiTallender gestaltet sich der Unter- schied, wenn man die aus den Durchmessern berechneten Querschnitte mit- einander vergleicht. Die betreffenden Querschnitte als Kreisfiächen be- rechnet, ergiebt sich ein Verhältniss wie 4:1. Jedenfalls ist der Querschnitt der Art. transversa scapulae unseres Praeparates wenigstens drei Mal grösser als der einer normalen. Die Art. transversa scapulae verläuft von ihrer Ursprungsstelle gerade nach vorn, um dann in kurzem Bogen sich nach aussen zu wenden. Sie durchsetzt parallel mit dem Schlüsselbeine verlaufend, in grossen Windungen die Supraclaviculargegend und giebt, ungefähr 2-2^'’^ vom inneren Rande des M. trapezius entfernt, ein 2*5™™ dickes Gefäss ab, das die innere untere Seite genannten Muskels mit Zweigen versorgt. Auf den weiteren Verlauf der Art. transversa scapulae werde ich später zurückkommen. Unmittelbar nach aussen von der Abgangsstelle des Truncus thyeo- cervicalis wird der Stamm der Art. subclavia plötzlich enger. Diese Ver- engerung betrifft ein Stück der Subclavia von 2-2'“”' Länge. Dasselbe ist nach innen begrenzt von der Abgangsstelle des Truncus thyreo-cervicalis, nach aussen von der der Art. transversa colli. Die Natur dieser Ver- engerung erhellt am besten aus folgenden Massen. Fig. 2. 218 Hans Stahel: Durchmesser der Art. subclavia vor Abgang des Truncus thyreo-cervicalis 8-5™™ Durchmesser der Art. subclavia nach Abgang des truncus thyreo-cervicalis Durchmesser der Art. subclavia am äusseren Rande des M. scal. ant 4.O*“™ Durchmesser der Art. subclavia vor Abgang der Art. transversa colli 6*0™™ Durchmesser der Art. subclavia nach Abgang der Art. transversa colli 6-5™“ Ungefähr 2"'™ nach aussen von der Abgangsstelle des Truncus thyreo- cervicalis entspringt aus dem oberen hinteren Quadranten des verjüngten Subclaviatheils ein stark 3"'”' dickes Gefäss, welches hinter dem M. scal. ant. nach innen und oben verläuft. In einer Höhe von ungefähr 4*^™ von der Ursprungsstelle aus gerechnet ändert das Gefäss seine Richtung, indem es nach aussen biegt und mit einem Aste der Art. transversa colli com- municirt. Das erstere Gefäss, welches aus der Art. subclavia entspringt, ist nichts anderes als die stark erweiterte Art. scalena in Taf. VIII, Fig. 1; beide Gefässe, welche zusammen die eben beschriebene Anastomose bilden, beschreiben namentlich an den Umbiegungsstellen starke Windungen. Die Art. transversa colli, welche an ihrer Abgangsstelle eine Dicke von stark 4"™ (normale Dicke nach Krause 3“™) besitzt, theilt sich auf ihrem Verlaufe zwischen den oberflächlichen und tiefen Bündeln des Plexus in zwei Aeste. Der nach innen abgehende Ast, welcher einen Durchmesser von 3 hat, begiebt sich nach oben einwärts, bedeckt von den ober- flächlichen Bündeln des Plexus und communicirt, wie wir bereits gesehen haben, mit der Art. scalena. Der eigentliche Stamm der Art. transversa colli dagegen hat in unserem Falle bloss eine Dicke von 2"’™. Dieses Gefäss spaltet sich in einer Entfernung von 2^"^ von seiner Ursprungsstelle in 2 Aeste. Der nach abwärts verlaufende Ast, welcher eine Dicke von schwach 2"^”^ besitzt, ist der gemeinsame Stamm für die Rami supraspinati und den Ramus dorsalis scapulae. Der obere Ast, welcher einen Durch- messer von 2™™ hat, begiebt sich nach innen unter den M. scal. med. und communicirt mit einem Aste der Art. scalena. Zu bemerken ist noch, dass kurz vor der Ursprungsstelle der Art. transversa colli ein schwach 1*”“ dickes Stämmchen aus der Art. subclavia entspringt, welches sich in der Ansatzportion des M. scal. ant. verzweigt. Kehren wir nun zur Darstellung des weiteren Verlaufes der Art. transversa scapulae zurück. Die Art. transversa scapulae verläuft in mehr- fachen Windungen durch die Fossa supraspinata. Während ihres Verlaufes Zuu Anatomie und riniumoiE der Art. subclavia. 210 durch die erwähnte Gruhe gieht sie mehrere Stämmchen von 1—2’""’ Dicke ab, die, den M. cucullaris durchbohrend, sich zum Acromion begeben. Die Aeste, welche das Rete acromiale bilden, sind in unserem Praeparate nicht erweitert. Unmittelbar vor dem Eintritte der Art. transversa scapulae in die Eossa infraspinata theilt sie sich in zwei Aeste von je 4- 5’"’" Dicke. Beide Aeste beschreiben in ihrem Verlaufe nach abwärts ausserordentlich starke Windungen und treten gesondert durch den M. teres minor hindurch. Die Vereinigung derselben zu dem gemeinsamen Stamme der Art. circum- flexa scapulae erfolgt in normaler Weise unterhalb genannten Muskels. Die Art. circumflexa scapulae misst jenseits der Vereinigungsstelle 5"’"^ im Durchmesser, während die Dicke der normalen Arterie 3"’"’ beträgt. Der am lateralen Rande des Schulterblattes nach abwärts verlaufende Ast der Art. circumflexa scapulae hat eine Dicke von 2"’"\ Es existiren in unserem Praeparate keine nennenswerthen Anastomosen zwischen diesem Aste und dem Ramus descendens der Art. transversa colli. Die Art. thoraco-acromialis und thoracica longa entspringen in unserem Praeparate gemeinschaftlich vom inneren, vorderen Quadranten der Art. axillaris, welch’ letztere an dieser Stelle einen Durchmesser von ß™"’ besitzt. Der den beiden Gefässen gemeinschaftliche Stamm ist kaum 1’"’" lang. (Die Art. thoracica supr. ist leider in unserem Praeparate zerstört.) Der Stamm der Art. thoraco-acromialis hat am Ursprünge eine Dicke von 3 • 5’“’". Derselbe theilt sich in zwei Aeste, von denen der untere, auf seinem Verlaufe mehrfache Krümmungen beschreibend, sich nach innen begiebt und mit der Art. mammaria int. anastomosirt. Der obere stärkere Ast (2.5"”" dick) theilt sich bald nach seinem Abgänge tripusartig in drei Aeste, von denen der stärkste, die 2.5""" dicke Art. acromialis sich nach aussen wendet. Der zweite Ast geht zum M. pectoralis major; der Dritte endlich, welcher schwach 2""" dick ist, verläuft in mehrfachen Windungen nach oben und aussen. Derselbe durchsetzt in seinem weiteren Verlaufe den M. subclavius und anastomosirt mit dem Ramus thoracicus (Cr u veil hier) der Art. transversa scapulae. Die Art. thoracica longa, an ihrem Ur- sprung 3""" dick, theilt sich 1.5,""" über ihrer Abgangsstelle in zwei Aeste, von denen der obere im II. Intercostalraume nach innen zieht und mit der Art. mammaria int. anastomosirt. Auch dieses Gefäss beschreibt zahlreiche Windungen. Die Art. circumflexa hum. ant. hat eine Dicke von schwach 2""" (normal 1.5mm). circumflexa hum. post, ist 3’"’" dick (normal 3*4’"’"). Das Kaliber dieser Gefässe ist somit nicht wesentlich vergrössert. Etwas unterhalb vom Processus coracoides .entspringt von der äusseren Wand der Art. axillaris ein schwach 2""" dickes Stämmchen, über dessen Verbindung leider nichts mehr festzustellen war. 220 Hans Stahel: Die Caliberverhältnisse der Art. axillaris an verschiedenen Stellen ihres Verlaufes sind folgende: Durchmesser der Art. axillaris nach Abgang der Artt. thoracicae ext 7“™™ Durchmesser der Art. axillaris nach Abgang der Art. subscapularis S'"™ Die Collateralen, durch welche in unserem Falle das Blut dem Arme ziiströmte, sind demnach in Kürze zusammengestellt folgende: 1. die Anastomose zwischen der Art. scalena und der Art. transversa colli. 2. die Anastomose zwischen Art. transversa scapulae und Art. circum- flexa scapulae. 3. die Anastomose zwischen der Art. mammaria int. und den Artt. thoracicae ext. 4. die Anastomose zwischen Ramus thoracicus der Art. transversa sca- pulae und Art. thoraco-acromialis. 5. die Anastomose zwischen Art. intercostalis supr. und Art. thoraco- acromialis. Von diesen 5 Anastomosen strömte der grössere Theil des Blutes nach der Unterbindung durch 1, 2 und 3, der kleinere durch 4 und 5. Sehen wir nun zu, welche Collateralbahnen der Blutstrom bei der näm- lichen Unterbindung in dem Falle von Aston Key eingeschlagen hatte. Ich lasse einer bequemeren Vergleichung dieser beiden Beobachtungen halber die Beschreibung des Falles von Key hier ausführlich folgen. Dieselbe tindet sich niedergelegt in Froriep’s Notizen Bd. 50 S. 9. Die Krankengeschichte des von Key operirten Individuum’s ist folgende: „N. N. wurde den 20. September 1823 wegen eines Axillaraneurysma von A. Key die Subclavia dextra unterbunden. A. Key unternahm die Operation, weil er sich vorher überzeugt hatte, dass bei Compression der Subclavia ober- halb des Schlüsselbeins der aneurysmatische Sack sich entleerte. Die Operation verlief günstig; 12 Tage nach derselben fiel die Ligatur. Bis zum Tode des N. N., der im Jahre 1835 erfolgte, konnte der Puls nie wieder weder an der Radial- oder Brachialarterie gefühlt werden. Section und anatomische Untersuchung. Die Muskeln des rechten Armes waren gross und stark; sie zeigten eine fast grössere Entwickelung als man sie sonst bei der arbeitenden Classe an der rechten Seite findet. Das Platysma myoides zeigte eine quere Narbe von 1 Zoll Breite. Der rechte M. omohyoideus stand etwas höher. Dies entsprang wahr- scheinlich von der Durchschneidung der Fascie, welche diesen Muskel an die Clavicula heftet. Zur Anatomie und Chirurgie der Art. subclavia. 221 Vom iiussereii Rande des Seal. ant. an fand sich die Art. subclavia plötzlich obliterirt. Dieselbe nahm die Form einer dichten platten Schnur an, welche sich etwa 2^2 Zoll nach der Achselgrube hin fortsetzte und an den Ueberresten des aneurysmatischen Sackes endigte. Die eigentliche Stelle, wo die Arterie unterbunden gewesen war, war durch eine tiefe Einziehung angedeutet. Der aneurysmatische Sack existirte noch in der Grösse eines Hühnereies und lag unmittelbar hinter dem M. pectoralis minor und fest an der zweiten Rippe an- hängend. Die obliterirte Portion des Axillarstammes endigte in dem oberen und hinteren Theil des Sackes, während von seiner unteren Fläche die Fort- setzung der Arterie zu entspringen schien, als ein vollständiges Gefäss, indem es fast sein na.türliches Caliber wieder erhalten hatte durch den Eintritt eines grossen Zweiges, welcher ursprünglich unmittelbar unter der Geschwulst ab- gegeben worden war und durch welchen das Blut nacher einen retrograden Ver- lauf genommen hatte. Anastomosen. 1. eine hintere Abtheilung, welche aus dem Ramus suprascapularis und Ramus scapularis post, der Art. subclavia besteht und mit der infrascapularis aus der Art. axillaris anastomosirt. 2. eine innere Abtheilung, welche hervorgebracht wird durch die Art. mamraaria int. einerseits und die Artt. thoracicae longae et breves und der Infrascapularis andererseits. 3. eine mittlere oder Achselabtheilung, bestehend aus einer Zahl kleiner Gefässe, die aus den Zweigen der Art. subclavia oberhalb herkommen, ducch die Axilla laufen und an dem Hauptstamme oder an einigen Aesten der Art. axillaris unterhalb endigen. Diese letzte Abtheilung zeigte besonders den Charakter von neugebildeten oder vielmehr erweiterten Arterien. Die Gefässe waren ausserordentlich gewunden und bildeten einen vollständigen Plexus, welcher fast allenthalben mit den Axillarnerven untrennbar verbunden war, wobei mehrere Zweige in die Mitte der Nervenfasern hineindrangen, sodass ihre Lostrennung eine sehr schwierige und mühsame Arbeit war. Das Hauptagens bei der Restauration des Axillarstammes unterhalb der Geschwulst war die Infrascapularis, welche aufs mannigfaltigste mit der Art. mammaria int., Suprascapularis und Scapularis post, (aus der Subclavia) communi- cirte, von welchen allen sie einen so grossen Blutzufluss erhielt, dass sie bis aufs dreifache ihrer natürlichen Grösse -ausgedehnt wurde. Die Art. infrascapularis entsprang an diesem Subjecte viel höher als gewöhnlich und ihre Ursprungs- stelle war in die aneurysmatische Erweiterung eingeschlossen. In der That öffneten sich die Arterien in dem Sacke selbst und nach der Wiederherstellung der Circulation musste das Blut eine kleine Portion der Höhle durchlaufen, um den Anfang des Axillarstammes zu erreichen. Die Continuität zwischen den beiden Gefässen war durch das in der Geschwulst enthaltene Coagulnm hindurch er- halten worden, indem das Coagiüum für eine kurze Strecke die Arterienhäute darstellte, so dass, als der Inhalt entfernt wurde, das injicirte Wachs auf dem Boden des Sackes zum Vorschein kam, während eine correspondirende tiefe Rinne in dem Coagulum den Canal andeutete, durch welchen das Blut passirt war. 222 Hans Stahel; Die Art. subscapularis war in diesem Falle von der Art. cervicalis super- licialis hergeg’eben und wurde gerade, als sie die Scapula erreichte, durch einen Zweig verstärkt, welcher aus der obliterirten Portion des Hauptstammes ent- stand, welcher aber wieder brauchbarer geworden war dadurch, dass er einen Ge- fässzweig von der Art. subclavia oberhalb erhielt. Der gemeinschaftliche Ur- sprung der Art. thoracica brevis und der Art. humero -thoracica war obliterirt, da er aus dem Sacke selbst entsprang; aber die Gefässe haben hernach ihre gehörige Grösse wieder erlangt, indem das eine durch seine Verbindung mit der Art. mammaria int., das andere durch die Verbindung mit der Art. cervicalis superficialis versorgt wurde.“ Leider finden sich in dem eben mitgetheilten Berichte dieses Falles keine Angaben über die Grössen Verhältnisse der einzelnen Collateralen. Ich kann mich daher hei der Vergleichung dieses und unseres Falles, was den ersteren betrifft, nur auf spärliche Andeutungen im Texte und auf die Ab- bildung des Praeparates stützen. Ich hebe zunächst das den beiden Fällen gemeinschaftliche hervor. 1. In beiden Fällen war die Art. subclavia am äusseren Rande des M. scalenus ant. unterbunden worden. 2. Die Anastomosen zwischen Art. transversa scapulae und circumflexa Scapulae einerseits und zwischen Mammaria int. und Artt. thoracicae ext. andererseits sind in beiden Praeparaten stark erweitert. 3. Die Anastomose zwischen Ramus thoracicus der Art. transversa scapulae und Art. thoraco-acromialis ist beiderseits mässig erweitert. 4. Die erweiterten Arterien zeichnen sich in beiden Fällen durch einen äusserst geschlängelten Verlauf aus. In nachfolgenden Punkten dagegen unterscheidet sich unser Fall von dem Aston Key 's. 1. In unserem Falle ist die Art. subclavia an der ünterbin dungsstelle nur verengert, während die Arterie in Key’s Praeparate von der ünter- bindungsstelle bis zum Aneurysma in einen soliden, undurchgängigen fibrösen Strang umgewandelt ist. 2. Die starke Anastomose zwischen der Art. scalena und einem Aste der Art. transversa colli findet sich in dem Falle von A. Key nicht erwähnt. 3. Die Anastomosen zwischen der Art. circumflexa scapulae und Ramus dorsalis scapulae, welche in der Beschreibung des Falles Key als stark erweitert aufgeführt werden, weichen in unserem Praeparate von normalen dieses Gebietes nicht ab. 4. Die Gefässe, welche direct von der Subclavia zur Axillaris gehen und in Key’s Praeparate hochgradig erweitert waren, konnten in unserem Praeparate nicht mehr nachgewiesen werden. Zur Anatoisiie unu Chirurgie der Art. subclavia. 22H Im Allgemeinen geht aus diesem Vergleich hervor, dass der Haupt- strom des Blutes in beiden Fällen den nämlichen Bahnen folgte. Damit steht auch die anatomische Untersuchung normaler Theile in Ueber- einstimmung, indem dieselbe das constante Vorkommen dieser Anastomosen nachweist. Physiologische Betnichiuiigeii. 1. Als Folgezustände der Subclaviaunterhindung lernten wir in beiden Fällen eine enorme Erweiterung der Collateralbahiien kennen. Dieser Er- weiterung parallel ging ferner ein stark geschlängelter Verlauf der den Collateralkreislauf vermittelnden Gefässe. Es stellt sich nun die Frage nach den Kräften, welche diese hochgradige Erweiterung und Schlängelung der Collateralen bewirkt haben. Bevor ich indessen dieser Frage näher trete, will ich zunächst das, was über die nach Unterbindung eines Arterienstammes eintretenden Erscheinungen bekannt ist, vorausschicken. Ludwig und W. Müller^ haben gefunden, dass, wenn man beim Hunde einen Arterienstamm z. B. die Carotis comm. ligirt, der Druck, im centralen Theile der Carotis mit der Unterbindung steigt, im peripheren dagegen fällt. So stieg, um ein Beispiel anzuführen, in einem Falle der Mitteldruck von 105"^"^ Hg. auf 128"^’^, als das Gefäss oberhalb der Mano- metereinsatzstelle hgirt wurde, dagegen sank er im peripheren von an- fänglich lOS'""' auf 88™™. GolD hat ferner nachgewiesen, dass der arterielle Blutdruck proportional der Zahl und Grösse der abgebundenen Arterien steigt. Aus diesen physiologisch feststehenden Thatsachen schliessen wir, dass der Blutdruck nach Unterbindung der Subclavia centralwärts von der Ligaturstelle steigt, peripherwärts dagegen sinkt. Die Folge der Unter- bindung wird daher zunächst die sein, dass das in dem centralen Theile der Subclavia unter einem höheren Druck stehende Blut nach den Stellen geringsten Druckes abzuströmen sucht. In diejenigen centralwärts von der Ligaturstelle aus der Subclavia abgehenden Aeste, in denen der Druck gegenüber dem normalen erniedrigt ist, wird somit nach der Unterbindung das Blut mit grösserer Geschwindigkeit einströmen als vor der Ligatur. Von der Richtigkeit vorstehender Sätze überzeugt man sich leicht durch folgende physikalische Betrachtung. Die Geschwindigkeit eines durch eine Röhre fliessenden Flüssigkeitsstromes hängt von der Grösse der Differenz der an zwei Querschnitten der Röhre beobachteten Drucke ab. Man nennt diese Druckdifferenz, bezogen auf die Längeneinheit der Strombahn, das ^ Ludwig, Lehrbuch der Pk^siulogie. Bd. II. S. 167 — 168. ^ Goll, Heule und Pfeufer’s Zeitschrift. N. F. IV. 224 Hans Staiiel; Gefälle des Stromes. Sind mm z. B. die Drucke im centralen Tlieile der Subclavia und in der Axillaris, da wo dieselbe die Art. subscapularis ab- giebt, vor der Unterbindung p und 77; die entsprechenden Drucke nach der Unterbindung p, und n„ so ist das Gefälle vor der Unterbindung P — n l ’ nach der Unterbindung ~ Da nun p, > p und n, < n, so ist dem zufolge das Gefälle in den Aesten, welche den centralen Theil der Subclavia mit dem peripheren ver- bindet, nach der Unterbindung grösser als vor derselben. Es wird daher, um ein concretes Beispiel anzuführen, das Blut nach der Unterbindung der Subclavia mit grösserer Geschwindigkeit in die Art. transversa scapulae strömen als es in das nämliche Gefäss vor der Unterbindung floss. Ist aber die Geschwindigkeit des Blutstromes vermehrt, so wächst auch die in der Zeiteinheit durch den Querschnitt des Gefässes fliessende Blutmenge. Es hängt nun von der Grösse des Querschnittes der einzelnen Anastomosen ab, ob das einzelne Gefäss erweitert wird oder nicht. Sind die Abfluss- verhältnisse derartig, dass die in der Zeiteinheit in das Gefäss strömende Blutmenge nicht vollständig ausfliessen kann, so staut sich das Blut im Anfangstheile, d. h. ein Theil der lebendigen Kraft, welche das einströmende Blut zufolge der Druckdifferenz besitzt, wird in Druck umgewandelt. Diese Druckerhöhung tritt zunächst, um wieder an unser Beispiel anzuknüpfen, im Anfangstheile der Art. transversa scapulae auf und bewirkt daselbst eine locale Erweiterung des Gefässes. Letztere nimmt zu, bis die Spannung der Gefässwand sich mit dem im inneren des Gefässes statthabenden Drucke in’s Gleichgewicht gesetzt hat. Sobald der Gleichgewichtszustand eingetreten ist, wird ein weiterer Abschnitt des Gefässes ausgeweitet und auf diese Weise schreitet die locale Erweiterung der Collaterale in Form einer langsamen Welle über die Bahn weg. Von dem Momente an, da gerade soviel Blut ausfliesst wie einströmt, tritt ein stationärer Zustand ein, d. h. das Kaliber des Gefässes ändert sich jetzt nicht mehr. Dass die Erweiterung der Collateralen in dieser Weise vor sich geht, werde ich weiter unten zu be- weisen suchen. Die Calibervergrösserung der Collateralen findet somit in dem Vorher- gehenden ihre physikalische Erklärung. Nicht erklärt ist aber hierdurch die ungleiche Erweiterung, welche die einzelnen Collateralen zu Folge der Unterbindung der Art. subclavia erfahren haben. Wie erklärt es sich, dass z. B. der Querschnitt der Art. scalena Taf. X, Eig. 2 im Vergleich zu dem der normalen Taf. VIII, Eig. 1 um das Neunfache, während andererseits die Anastomose zwischen der Art. intercostalis supr. und Art. thoraco-acromialis nur Zur Anatomie und Chjruhgie der Art. sudclavja. 225 wenig erweitert ist. Leider fehlen darüber Angaben, in welcher Weise der Druck in dem centralen und peripheren Gefässstiicke mit der Entfernung von der ünterbindungsstelle sich ändert. Es lässt sich somit dieses verschiedene Verhalten der Collateralen nicht mit Hülfe feststehender Thatsachen analy- siren. Folgende Thatsachen weisen aber darauf hin, dass der Druck im centralen Theile der ligirten Subclavia unmittelbar vor der Unterbindungs- stelle am höchsten ist und von dieser Stelle nach dem Ursprünge der Subclavia hin abnimmt. Vergleicht man die einzelnen Durchmesser der Gefässe unseres Praeparates mit den entsprechenden normaler Arterien, so ergeben sich folgende Verhältnisszahlen: Bezeifliuuug des Gefässes Durchmesser der Arterien unseres Prae- parates Durchmesser normaler Arterien (n. Krause) Verhältniss- zahlen der Durchmesser der Colonnen II und III Entfernungen der Ursprungs- stellen der einzelnen Ge- fässe von der Ligaturstelle Art. scalena .... stark 3““ V2— 1 "" 3:1 4 mm Art. transversa scapulae 0 mm 2-8 mm 2.1:1 Art. thyreoidea inf. An- fangstheil .... 5 • 5 3 . 5 mm 1:6.1 > 8 mm Art. thyreoidea inf. vor Abgabe der Cervic. asc. 3 • 5 3.5 mm 1:1 Art. mammaria int. . . stark 4™»* 3 • 4 mm 1.2:1 10 mm Truncus costo-cervicalis Aufangstheil . . . 3 . 5 mm 3 mm M : 1 1 Truncus costo - cervicalis vor dessen Theilung g mm 3 mm 1:1 1 16”™ Art. vertebralis . . . ^ g mm 4,5 mm 1:1 21 mm Aus dieser Tabelle geht unmittelbar hervor, dass die Calibergrössen der Gefässe mit deren Entfernung von der Unterbindungsstelle abnehmen. Diese Thatsache scheint daher dafür zu sprechen, dass der Druck im cen- tralen Theile der Subclavia von der Unterbindungsstelle gegen die Ur- sprungsstelle der Art. vertebralis hin abnimmt. Weitere Untersuchungen werden zeigen, ob die Deutung dieser -Thatsache die richtige ist. Wir haben im Vorhergehenden gesehen, dass mit der Unterbindung der Subclavia die Druck- und Geschwindigkeitsverhältnisse des Blutstromes iin ganzen Röhrensysteme sich ändern. Für diejenigen Gefässe, welche aus dem centralen Theile der Subclavia entspringen und durch Anastomosen mit dem peripheren communiciren wurden diese Aenderungen bereits festgestellt. Es erübrigt nun noch die Wirkung der Unterbindung auf den Blutstrom derjenigen Gefässe zu untersuchen, welche zwar aus dem centralen Theile Archiv f. A. u. Ph. 1886, Anat, Abthlg. 15 226 Hans Stahel: dej’ Subclavia entspringen, aber nicht durch Aiiastomosen mit der peripheren Subclavia verbunden sind. Wir wollen die Untersuchung an einem con- creten Beispiele durchführen, nämlich an der Art. thyreoidea inf., welche in unserem Praeparate ausser einigen Zweigen an die Trachea als stärksten Ast die Art. cervicalis ascendens abgiebt. Auch in der Art. thyreoidea inf. wird nach der Unterbindung das Gefälle des Blutstromes grösser sein als vor derselben, da in dem Quotienten die Grösse 7t sich zwar nicht ändert, dagegen p zunimmt. Es wird somit der Blutstrom nach der Unter- bindung mit grösserer Geschwindigkeit in die Art. thyreoidea inf. einströmen. Die Folge hiervon ist zunächst eine locale Erweiterung des Anfangstheils der Art. thyreoidea inf. In ähnlicher Weise, wie wir es früher beschrieben haben, würde successiv die ganze Arterie erweitert, wenn das Gefälle des Blutstromes stets das gleiche bliebe. Nun zeigt aber unser Praeparat die Erweiterung bloss auf eine kurze Strecke der Art. thyreoidea inf. beschränkt. Um diese Erscheinung erklären zu können, ist es noth wendig, die zeitlich neben einander laufenden Vorgänge, wie sie nach der Unterbindung der Subclavia in die Erscheinung treten, in der Art. scalena z. B. und in der Art. thyreoidea inf. miteinander zu vergleichen, d. h. es soll untersucht werden, wie die Erweiterung des Gefässrohres bei einerseits die Norm weit übersteigendem Gefälle anderseits bei dem die Norm nur wenig über- steigendem Gefälle sich gestaltet. Ein solcher Vergleich erfordert aber, dass in beiden Gefässen die Anastomosen, durch welche der Druckausgleich er- folgen kann, gleiche Weite besitzen. Die anatomische Untersuchung zeigt, dass sämmtliche Anastomosen des Gefässgebietes der Subclavia mit Aus- nahme der Anastomose zwischen Art. transversa scapulae und circumflexa Scapulae, macroscopisch die gleiche Weite besitzen. Auch die Anastomosen der Art. cervicalis asc. und der Art. occipitalis haben annähernd dieselben Querschnitte wie die Anastomosen im Subclaviagebiete. Dies ist der Grund, warum ich, um einen schlussfähigen Vergleich zu ermöglichen, nicht die Art. transversa scapulae sondern die Art. scalena der Art. thyreoidea inf. gegenüberstelle. Es leuchtet ein, dass bei annähernd gleichem Abflüsse in beiden Ge- fässen das Blut mit grösserer Geschwindigkeit in die Art. scalena, mit kleinerer dagegen in die Art. thyreoidea inf. strömt. Die Folge davon ist, dass in dem Anfangstheile der Arterie scalena eine grössere Summe lebendiger Kraft in Druck umgewandelt wird als im Anfangstheile der Art. thyreoidea inf. Je grösser aber der Druck ist, in um so kürzerer Zeit wird die Ge- fässwand bis zu ihrem Maximum ausgeweitet. Es schreitet somit die Er- weiterung des Gefässes in derselben Zeit in der Art. scalena um eine grössere Strecke fort als in der Art. thyreoidea inf. Zuit Anatomie und Chiuurgie eek Akt. sukclavia. 2 ‘2 7 Von der Richtigkeit des ehen Gesagten kann man sich leiclit dnn h fülgenden einfachen Versuch überzeugen. Verbindet man einen neuen Cautschukschlauch^ mit dem Hahne der Wasserleitung, so erweitert sich der der Einüussöüiiung zunächst liegende Abschnitt der Cautschukröhre, so1)ald man das Lumen der Ausllussölfnung soweit verengert, dass in der Zeit- einheit weniger Wasser ausströmt als eintliesst. Die Erweiterung des Rohres erfolgt um so rascher, je mehr Wasser man bei gleichbleibender Ausllussöffnung einströmen lässt und umgekehrt. Verhindert man mittelst der Hand die weitere Ausdehnung des Rohres, so weitet sich der strom- abwärts nächstliegende Abschnitt aus. In ähnlicher Weise wie hier die Hand des Experimentators wirkt im Körper für eine gewisse Zeit die Um- gebung des Gelasses. Nimmt nun, um auf unsere frühere Betrachtung zurückzukommen, mit der Ausbildung des Collateralkreislaufes der anfangs im centralen Theile der Subclavia erhöhte Druck ab, so nähert sich die Druckdifierenz in der Art. thyreoidea inf. der normalen und es fällt das Moment, welches die Ausweitung des Anfangstheiles des Rohres bewirkte, fort. Wir haben aber gesehen, dass die Erweiterung derjenigen Gefässe, welche durch Anastomosen mit dem peripheren Theile der Subclavia in Verbindung stehen, rascher erfolgt als die der Art. thyreoidea inf. Der anatomische Befund der Art. thyreoidea inf. und des Truncus costocervicalis macht die Voraussetzung noth wendig, dass der Druck im centralen Theile der Subclavia schon zu einer Zeit gesunken ist, da erst ein kurzer Abschnitt dieser Gefässe er- weitert worden war. Die locale Anschwellung des Anfangstheiles der Art. thyreoide inf. und des Truncus corto-cervicalis beweist somit, dass die Er- weiterung der Collateralen aus successive sich folgenden localen Ausweitungen entstanden ist. 2. Ich habe bereits oben erwähnt, dass die Anastomose zwischen der Art. transversa scapulae und der Art. circumflexa scapulae alle anderen Anastomosen dieses Gefässgebietes an Grösse weit übertrifft. Es gehört nicht zu den Seltenheiten, dass man diese Anastomose in einer Dicke von 1-5"^“ findet (Taf. VIII, Eig. 3). Die Thatsache weist darauf hin, dass während des Lebens Druckschwankungen im Gebiete der Art. circumflexa scapulae häufig sein müssen. Eine Studie ganz anderer Art giebt mir den Schlüssel zur Erklärung dieser Erscheinung. Ich hatte bei dieser Arbeit nebenbei mein Augenmerk darauf gerichtet, welche Stelle der Art. axillaris bei er- hobenen und stark abducirtem Arme am meisten durch den Humeruskopf flachgedrückt würde. Dabei zeigte es sich, dass die Partie der Art. axillaris, welche gerade oberhalb der Ausflussstelle der Art. subscapularis liegt, die stärkste Dehnung erfährt. Wie ferner die Beobachtung ^ am Lebenden ^ Schüller, Die chirut'gisclie Anatomie. Hft. 1. S. 64. 15* 228 Hans Stahel; zeigt, kann das Gefäss bei stark erhobenem and abdiicirtem Arme durch den Humeruskopf so plattgedrückt werden, dass der Puls in der Radialis verschwindet. Bei gewöhnlich erhobenem und abducirtem Arme wird daher jedenfalls das Lumen der Axillaris oberhalb von der Ausllussstelle der Art. subscapularis bedeutend verengert. Die Polge hiervon ist eine Druck- verminderung unterhalb dieser Stelle und somit auch eine Druckerniedrigung im Gebiete der Art. subscapularis. Sinkt aber der Druck in der Art. sub- scapularis unter den der Art. transversa scapulae, so fliesst ein reichlicher Strom Blutes aus letzterer durch die Anastomose in die Art. circumflexa scapulae. Da ferner der mittlere Blutdruck, wie die physiologische Er- fahrung lehrt, erst in den kleinsten Arterien eine Abnahme erfährt, so kann demnach schon eine kleine Druckerniedrigung in der Art. axillaris eine Rückströniung des Blutes in die Art. subscapularis veranlassen. Die hie und da während des Lebens auftretenden Druckschwankungen im Ge- biete der Art. subscapularis erklären somit ungezwungen die abnorme Weite dieser Anastomose. Es bleibt noch die Frage zu beantworten, wesshalb gerade diese Ana- stoniose so mächtig entwickelt ist, diejenige der Art. circumflexa scapulae und Kanius dorsalis der Art. transversa colli dagegen ein im Vergleich zu ersterer bedeutend schwächeres Caliber besitzt. Diese Frage Hesse sich exact beantworten, wenn wir darüber unterrichtet wären, in welcher Weise der Druck peripher von der Ligatur- oder Compressionsstelle mit der Ent- fernung von letzterer sich änderte. Wie ich bereits früher angeführt habe, existiren keine Angaben über diesen Punkt. Die Thatsache jedoch, dass die Einmündungsstelle der Schulterblattanastomose in die Art. circumflexa scapulae weit näher der Ursprungsstelle der Art. subscapularis liegt, als diejenige der zweiten Anastomose, dürfte etwelchen Aufschluss geben. Gesetzt auch der Fall, die Druckerniedrigung wäre im Anfänge der Art. subscapularis gerade so gross wie in den peripheren Aesten derselben, so wäre das Gefälle in der Art. transversa scapulae in der Art. trans- versa colli . Da aber grösser als l ist, so wird auch das Gefälle in der Art. transversa scapulae grösser sein als in der Art. transversa colli, mithin mehr Blut in der Zeiteinheit durch die Anastomose der Art. transversa scapulae oder Art. circumflexa scapulae strömen als durch die der Art. circumflexa scapulae und Ramus dorsalis der Art. transversa colli. Unser Beispiel gestattet noch einen weitern xlusblick. Die reichlichen Anastomosennetze auf der Streckseite des Ellenbogen-, Hand- und Knie- gelenkes verdanken wohl ihre Entwickelung und Persistenz den mit den Bewegungen dieser Gelenke verbundenen zeitweiligen Knickungen der Haupt- Zur Anatomie und Chirurgie der Art. subclavia. 229 arterien. Dass in Folge von Gelenkbewegungen eine Knickung, ja sogar ein vollständiger Verschluss des Gefässstammes der hetrefienden Gegend zu Stande kommen kaim, beweist das Ausbleiben des Pulses in der Radial is und Tibialis postica bei forcirter Flexion dos Ellenbogen- und Kniegelenks. Bei den alltäglicben Bewegungen, die der Mensch auszufübren pflegt, wird zwar kein vollständiger Verschluss, hingegen eine Verengerung der Arterie die Folge jeder stärkeren Flexion genannter Geleuke sein. Nun wissen wir aber, dass mit der Verengerung oder dem Verschlüsse eines Gefäss- stammes der Blutdruck centralwärts steigt, peripherwärts dagegen sinkt. Es wird demnach bei jeder Knickung der Hauptarterie, in Folge des grösseren Gefälles, ein reichlicher Blutstrom durch die Anastomosen fliessen und diese somit offen halten. Die im Vergleich zu dem üppigen Anastomosennetze der Kniegelenks- gegend spärlichen Anastomosen der Fussgelenksgegend sprechen ebenfalls für diese mechanische Auffassung. Die Beugung des Kniegelenks beträgt nämlich am Lebenden nach W. und Ed. Web er ^ im Mittel 145^, während die Excursionsweite des Fussgelenkes bloss einen Winkel von 30® — 40® umfasst. Die Art. poplitea wird daher eher eine Knickung ihres Rohres erfahren als z. B. die Art. tibialis antica. Den nämlichen Kräften, welche die Erweiterung der Collateralbahnen zur Folge hatten, verdanken auch die mannigfachen Krümmungen und Windungen dieser Gefässe ihren Ursprung. Man kann die Wirkung dieser Kräfte auf ein durch einen Flüssigkeitsstrom durchflossenes elastisches Rohr mittels eines einfachen Versuches feststellen. Verbindet man einen Kautschukschlauch mit dem Hahne der Wasserleitung und verengert die Ausflussöfihung der Kautschukröhre, so streckt sich zunächst bei einer ge- wissen Stromgeschwindigkeit das elastische Rohr. Verhindert man die Streckung, indem das Ende der Röhre festgehalten wird, so biegt der Kautschukschlauch in weitem Bogen aus. Wird nun ausserdem der Bogen fixirt, so dass eine weitere seitliche Bewegung unmöglich ist, so treten zwei Biegungen auf. Dadurch dass man das Ausweichen der Röhre an verschiedenen Punkten verhinderte, könnte man eine grössere Anzahl von Krümmungen erzeugen. — Dieser Versuch giebt uns den Schlüssel zum Verständniss aller der mannigfachen Formen von Krümmungen, welche die erweiterten Collateralen unseres Praeparates aufweisen. Es mag hier genügen, die Analyse der an einem Gefässe vorkommenden Krümmungen durchzuführen. Ich wähle als concretes Beispiel die Art. transversa sca- pulae, weil gerade diese Arterie die mannichfaltigsten Krümmungen und Windungen beschreibt. W. u. Ed Weber, MechaniJc der menschlichen Gehwerhzeuge. 1836. S. 171. 230 Haj^s Stauel: Die Art. transversa scapulae verläuft, wie es nebenstehende Skizze ver- anschaulicht, in weiten Bogen entlang der Clavicula (Fig. 3). In ihrem weitern Verlaufe durch die Fossa supraspinata folgen sich dagegen die Windungen rascher und in der Fossa infraspinata liegt Windung an Windung hart nebeneinander (Taf. X, Fig. 4). Der Grrund, wesshalb die Art. transversa scapulae bald sanfte Bogen, bald rasch sich folgende steile AVindungen beschreibt, liegt in der den einzelnen Abschnitten des Gefässes entsprechenden verschiedenen Umgebung. In dem lockeren Binde- gewebe längs der Clavicula hinziehend, biegt die verlängerte Arterie in weitem Bogen aus, bis sie durch mehr oder weniger unnachgiebiges Gewebe abgelenkt wird; zwischen Knochen und Muskel gelagert, wie in der Fossa supra- und infraspinata kann dieselbe nur kurze Windungen beschreiben. So verläuft der Gebirgsfluss in kurzen und reichlichen Krümmungen thal- al)wärts, während derselbe Strom in der Ebene grosse Windungen beschreibt. 4. Die Herstellung des Collateralkreislaufes kündigt sich dem Arzte durch verschiedene Zeichen an, von denen das wichtigste, nämlich die Wiederkehr des Pulses, hier zunächst betrachtet werden soll. Die Angaben über die Zeit der Rückkehr des Pulses bei Individuen, denen die Art. sub- clavia an derselben Stelle unterbunden wurde, lauten verschieden. So pul- sirte die Radialis, um einige Beispiele anzuführen, bei Ha 11 ’s Kranken nach einer Stunde, bei Lizar’s Kranken am 3. Tage, bei Post ’s Kranken am 22. Tage, bei Aston Key’s Patienten endlich kehrte der Puls nach der Unterbindung der Subclavia nicht wieder zurück. Der Kranke Kej^’s lebte nach der Unterbindung noch elf Jahre. Die klinische Erfahrung macht es somit wahrscheinlich, dass die Anastomosen dieses Gefässgebietes in Bezug auf ihre Weite bei verschiedenen Individuen variiren. Und in der That findet sich bei verschiedenen Individuen ein messbarer Unter- schied in der Weite der mächtigsten Gefässanastomose , nämlich der der Art. transversa scapulae und circumflexa scapulae. So fand ich unter fünf Praeparaten die Durchmesser genannter Anastomose zwischen 0*8 als Minimum und 1*8 als Maximum liegend. Es wird daher, ceteris pari- tus, bei einem Individuum, das eine stark entwickelte Schulterblattanasto- inose l)esitzt, das Blut nach der Unterbindung in stärkerem Strome die Zur Anatomie und Ctttrujigte der Art. subclavia. 231 Kadialis durclifliessei], als bei einem Subjecte, dessen Haiiptanastomose nur schwach ausgebildet ist. Die bei den einzelnen Individuen variirende Stärke der Schulterblattanastomose dürfte somit als die wesentlichste Ursache der eingangs erwähnten Erscheinung angesehen werden. — Ist aber die Rück- kehr des Pulses ein sicheres Zeichen des hergestellten Collateralkreislaufes, wie erklärt sich dann der Fall von Key? Der Patient Key’s lebte noch elf Jahre nach der Unterbindung, ohne dass die Pulsation wiederkehrte. Bei der Section zeigte es sich, dass nicht nur die Brachialis der operirten Seite die normale Weite hatte, sondern es wird noch Ijesonders hervor- gehoben, dass die Muskeln des rechten Armes eine grössere Entwickelung gezeigt hätten, als man sie sonst bei der arbeitenden Klasse ündet. In diesem Falle beweist die kräftige Entwickelung der Musculatur, dass die Circulation des Armes nach der Unterbindung eine genügende, gewesen ist. Das Ausbleiben des Pulses bei Key’s Kranken kann nicht anders erklärt werden, als dass die Blutwelle bereits in den Collateralen vernichtet worden ist. Dieser Pall lehrt uns daher, dass die Rückkehr des Pulses zwar die Herstellung des Collateralkreislaufes beweist, das Fehlen des Pulses aber eine ausgiebige und genügende Circulation nicht ausschliesst. Er zeigt uns ferner den Einfluss starker Krümmungen des Gefässrohres und veränderter Elasticität der Gefässwand auf die Fortpflanzung der Blutwelle. Ein weiteres physikalisches Zeichen des sich ausbildenden Collateral- kreislaufes sind die Gefässgeräusche, welche das auf das der Unterbindungs- seite entsprechende Schulterblatt gelegte Ohr des Untersuchers hört. In den stark gewundenen, erweiterten Collateralbahnen entstehen Geräusche auf die nämliche Weise, wie in den Arterienstämmen des schwängern Uterus. — Hr. Prof. Braune theilt mir mit, dass er in einem Falle bei der Auscultation der Schultergegend ein starkes Gefässgeräusch hörte, welches ihn veranlasste, den Kranken auf eine früher vorgenommene Unter- bindung der Art. subclavia zu untersuchen. Und in der That zeigte es sich, dass dem betrefienden Patienten die Subclavia unterbunden worden war. Da in allen bis jetzt anatomisch untersuchten Fällen von Subclavia- unterbindung die Collateralbahnen und besonders die Anastomose zwischen der Art. transversa scapulae und circumflexa scapulae stark erweitert und geschlängelt gefunden wurden, so dürfte die Zeit des Eintrittes dieses Ge- räusches nach der Unterbindung und die mit der Erweiterung der Gefässe zunehmende Stärke desselben, werthvolle Anhaltspunkte über die Art und Weise der Herstellung des Collateralkreislaufes im speziellen Falle geben. Die Angaben, welche die Krankengeschichten über die Temperatur- verhältnisse des der Unterbinduugsseite entsprechenden Armes enthalten, lauten niclit übereinstimmend. In der grössern Zahl der Fälle, wo auf 232 Hans Stahel: diesen Punkt Rücksicht genommen wurde, konnte eine messbare Differenz der Temperaturen beider Arme nicht gefunden werden. In einigen wenigen Krankengeschichten wird dagegen ausdrücklich erwähnt, dass die Tempe- ratur des leidenden Armes höher gewesen sei als die des gesunden. So führt Koch^ einen Pall an, in dessen Krankengeschichte bemerkt ist, dass der der Unterbindungsseite entsprechende Arm lange Zeit nach der Ope- ration höher temperirt gewesen sei als der gesunde. In der Kranken- geschichte eines andern Palles ^ von Unterbindung der Subclavia wird sogar die Temperaturdifferenz in Zahlen angegeben. Die Temperatur des rechten gesunden Armes war zwei Tage nach der Unterbindung 96^ P., während der linke Arm eine Temperatur von 98^ P. hatte. — Die Temperatur- erhöhung des der Unterhindungsseite entsprechenden Armes hat ohne Zweifel ihren Grund darin, dass in diesen Pällen die Hautgefässe der Schulter und des Armes an der Herstellung des Collateralkreislaufes he- theiligt und demzufolge erweitert waren. Die anatomische Möglichkeit einer solchen Betheilung beweist Taf. IX, Pig. 1. Einige Bemerkungen zur Chirurgie der Art. subclavia. Da eine Krankengeschichte über unsern Pall fehlt und die Existenz einer Hautnarhe in der Supraclaviculargegend aus äussern Gründen nicht mehr festgestellt werden konnte, so stellt sich zunächst die Präge nach der Ursache der an unserem Praeparate beobachteten Erweiterung der Collateralbahnen. Wie aus der frühem Beschreibung hervorgeht, ist das Lumen der Subclavia vom Abgang des Truncus thyreo-cervicalis bis zur Ursprungsstelle der Art. transversa colli stark verengt, jedoch nicht gleich- mässig, indem sich die stärkste Verengerung der Art. am äussern Rande des M. scal. ant. findet. Die verjüngte Partie der Art. subclavia ist ihrer ganzen Länge nach durchgängig. Dieser letztere Befund scheint auf den ersten Blick die Ligatur der Art. subclavia als Ursache der Erweiterung der Collateralbahnen auszu- schliessen. Berücksichtigt man jedoch einerseits die Lage der verengten Partie an der typischen Unterbindungsstelle, anderseits das Pehlen eines Tumors, welcher die Verengerung hätte erklären können, so muss diese hochgradige Erweiterung der Collateralbahnen auf eine vorausgegangene Unterbindung als Ursache zurückgeführt werden. Wir schliessen daher ^ Koch, lieber Unterbindungen und Aneurysmen der Art. subclavia, v. Langen - beck’s Archiv. Bd. X. Nr. 96. S. 254. ^ L. F. V. Froriep, Veraltete Luxationen vom Standpunkte der Chirurgie und Medizinalpolizei hetrach tet. Zur Anatomie und (hiiRURGiE der Art. subclavia. 283 aus unserem Praeparate, dass dem Träger desselben die Art. subclavia aseptisch (wahrscheinlich mit Catgut) unterbunden worden war und dass die Lösung des Catguts vor der festen Verklebung des Cefässendothels er- folgt war. AVenn auch die Gefahren der Nachblutungen, welche die Continuitäts- unterbindung eines Arterienstammes in der Nähe der Abgangsstellen von Aesten früher mit Recht gefürchtet machten, durch die aseptische Ligatur sehr vermindert ist, so dürfte dennoch die Kenntniss, wesshalb gerade die nicht aseptische Ligatur der Art. subclavia am Orte der Wahl so ausser- ordentlich gefährlich ist, mehr als ein bloss historisches Interesse haben. In seiner bereits citirten Arbeit hat KoclG nachgewiesen, dass die Hauptgefahr bei der Unterbindung der Art. subclavia am Orte der Wahl in dem Auftreten secundärer Blutungen aus dem peripheren Theile der ligirten Subclavia bestehe. Die Ursache dieser Nachblutungen findet Koch, gestützt auf zahlreiche Sectionsbefunde, in dem Ausbleiben der Thrombus- bildung sowohl in dem peripheren als centralen Stücke der Art. subclavia. Eine befriedigende Erklärung jedoch, wesshalb gerade an dieser Stelle die Thrombusbildung ausbleibt, vermochte derselbe nicht zu geben. Die Kenntniss einer bis dahin unbekannten Anastomose giebt den Schlüssel zum Verständniss dieser Thatsache. Wirft man einen Blick auf Taf. VIII, Eig. 1 und Taf. X, Fig. 2, so erkennt man sofort, dass die starke Anastomose Taf. X, Fig. 2, welche die Ligaturstelle überbrückt, nichts anderes darstellt als den hochgradig erweiterten , an dieser Stelle normal vor- kommenden Gefässbogen Taf. VIII, Fig. 1. Aus dieser Gefässanordnung geht unmittelbar hervor, dass in den zwischen der Ligatur und den Abgangs- stellen der Gefässe liegenden kurzen Strecken der Subclavia eine Thromben- bildung nicht statthaben kann, da hier Wirbelbildungen eine Stagnation des Blutes verhindern. Zum Schlüsse möchte ich noch kurz auf eine Thatsache aufmerksam machen, deren ich bereits in einer andern Arbeit ^ Erwähnung gethan habe. Es betrifft dieselbe die abnorme Dünnwandigkeit der Art. subclavia gerade am äussern Rande des M. scal. antic. In einem Falle ^ von Unter- bindung der Subclavia am Orte der AVahl hatte diese abnorme Dünn- wandigkeit der Art. zu Folge, dass der Faden durchschnitt. Der Patient ging an Verblutung zu Grunde. ’ Koch, a. a. O. ^ H. Stahel, lieber Arterienspindeln und über die Beziehung der Wanddicke zum Blutdruck. Dies Archiv, 1886. ^Stephani, Arteriencompressur bei arteriellen Blutungen. Aerztliche Mit- theilungeu aus Baden. 1871. Nr. 20. 234 Hans Stahel: Erklärung der Abbildungen. Taf. VIII. Fig^. 1. 1. u. 6. M. scalenus antic. 2. Art. superficialis cervicis. 3. Art. thyreoidea inf. 4. Art. vertebralis. 5. Art. mammaria int. 7. Art. transversa scapulae. 8. Art. transversa colli. 9. Art. scalena. 10. Plexus brachialis. Fig-. 2, 1. Art. transversa scapulae. Taf. Fig. 1. 1. Ast der Art. tlioraco-acromialis. 2. u. 3. Aeste der Art. circumflexa liumeri post. 4, Aeste der Art. transversa scapulae, 5, Ast der Art. transversa colli. 6, Ast der Art. cervicalis superficialis. Fig. 2. 1. Rami coracoidei. 2. Art. subscapularis. 3. Ansatztheil des M. pectoralis major. 2. Art. acromialis. 3. Circulus arteriosus subacroraialis. Fig. 3. 1. Ast der Art. transversa scapulae, wel- cher die ringförmige Anastoinose mit der Art. acromialis bildet. 2. M. infraspinatus. 3. u. 4. M. deltoides. j 5. Caput long. musc. tricipit. ; 6. M. latissimus dorsi. • 7. Art. circumflexa scapulae. 8. M. teres major. ^ 9. M. trapezius. , IX. ' 4. Art. collateralis radialis sup. ; 5. Anastomose eines Zweiges der Art. cir- j cumflexa hum. ant. mit einem Muskel- I aste der Art. brachialis prof. I 6. Art. circumflexa hum. ant. < 7. Auf den M. deltoides geschlagener, j abgeschnittener Ast der Art. thoraco- acromalis. 8. Ast der Art. acromialis, welcher den Anastomosenring unter dem Ansatz des M. deltoides bildet. 9. M. latissimus dorsi. Fig. 1. 1. Processus coracoides. 2. u. 7. M. coraco-brachialis. 3. i\rt. circumflexa hum. ant. Taf. X. 4. Art. brachialis prof. [ 5. M. triceps. 6. M. biceps (caput breve). ^ 8. Ansatzportion des M. pectoralis major. ' r,ii:riii. Archiof'Anat u.rhij^ W86.Amtl. Ahlh LitK-lnsl TE.A.I'unice, Leipzig. Ahl)ü(,. /■>//. / Verlaj Veit a Comp, leipzij. lith Jto T £ A Funke, lelpna . Archiv f!Anat u.Fhi)s188ß.Anat . Abh Ta/: IX. u.nnjS Abthhj. TaCIX. Wi-Anst V I A Funite, lefpziq. Fkj. /. Verlag- Veit ft Comp, Leipzig. Tai;x. Verlaj Veit ii- Comp, Leipzig. jSrLv’.' ./v.Jt uJfiifS/ti'iii-hidf- Ahthhj. Zur ANATüJMfK und CmiuTRuiu der Art. suj?clavia. 235 Fig*. 2. 1. M. scalenu antic. 2. Art. scalena. 3. Art. transversa scapulae. 4. Art. transversa colli. 5. Anastomose zwischen der Art. scalena und einem Aste der Art. transversa colli. 6. Plexus brachialis. 7. Ast der Art. transversa scapulae. Fig^. 3. l, Anastomose zwischen dem Ramus tho- racicus der Art. transversa scapulae und einem Aste der Art. thoraco- acroinialis. 2. Art. thoracicae ext. 3. Art. subscapularis. 4. M. pectoralis minor. Figr. 4. 1. M. infraspinatus. 2. M. tcres minor. 3. Caput long. musc. tricipit. 4. Anastomose zwischen der Art. trans- versa scapulae und Art. circumflexa scapulae. 5. Vorderer Rand des M. trapezius. Die ektoblastisclie Anlage des ürogenitalsystems beim Kaninchen. Von W. Flemming, Professor der Anatomie in Kiel. (Hierzu Taf. XI.) Für die gesammte Literatur der Frage, welche mein Thema betrifft, kann ich mich der Kürze zu Liehe auf die hier noch mehrfach citirte Ab- handlung von Graf F. Spee^ beziehen, in der dieselbe ausführlich zu- sammengestellt ist, und kann mich begnügen, hier die folgenden Haupt- puncte hervorzuheben. Der Gedanke, dass die wesentlichen, epithelialen B estandtheile des Urogenitalsystems vom äusseren Keimblatt stammen, ist bekanntlich zuerst von His^ vertreten worden; seine anfängliche Annahme, dass dem eine unmittelbare Abschnürung vom Ektoderm zu Grunde liege, glaubte er nicht festhalten zu können, da er sich überzeugte dass das Gebilde, in dem er jene Einstülpung anfangs gesucht hatte, der Zwischen- strang, eine andere Bestimmung hat. Den Grundgedanken hat His darum nicht aufgegeben, sondern angenommen, dass bereits eine frühere Ein- wucherung ektoblastischer Zellen im Bereiche des Axenstranges dem mitt- leren Keimblatt das fragliche Material zuführe; und in dieser Form hat seine Anschauung auch auf anderen Seiten, so besonders bei Waldeyer, ^ lieber directe Betlieiligung des Ektoderms an der Bildung der Urnierenanlage des Meerschweinchens. Dies Archiv. Anat. Abth. 1884, S. 89 ff. Taf. V. ^ Beobachtungen über den Bau des Säugethiereierstocks. Archiv für miJcro- sTcojßische Anatomie. 1865. Bd. I; und Die Häute und Höhlen des Körpers. 1865; und weiter: Untersuchungen über die erste Anlage des Wirhelfhierleihes. 1868. Un- sere Körperform. 1875. AV. Flemming: Die ektoelastische Anlage des Urogenitalsvstems. 237 Zustimmung gefunden. Inzwischen war Hensen^ schon bald nach den ersten Mittheilungen von His für eine directe Abschnürung der Urogenital- anlage vom Ektoderm eingetreten, fand dieselbe aber beim Kaninchen an einer anderen Stelle, nämlich lateral neben der Urwirbelgegend. Diese Angabe blieb lange ohne Bestätigung und ohne die Anerkennung, die sie verdient, bis vor zwei Jahren Graf Spee den gleichen Abschnürungsprocess beim Meerschwein auöänd und in der anfangs citirten Arbeit genau beschrieb. Da jedoch auch diese Beschreibung alsbald wieder Anfechtung erfahren hat, 2 halte ich es nicht für überflüssig, hier eigene Beobachtungen zu ihrer Bestätigung mitzutheilen. Es scheint mir dies um so mehr motivirt, weil meine Befunde sich auf Hensen’s Object, das Kaninchen, beziehen. Ich glaube, der Mangel an Bestätigung und Zustimmung beruht in diesem Falle lediglich darauf, dass überhaupt noch nicht sehr viel Material von diesen frühen Stadien des Säugethieres zur genauen Untersuchung gekommen ist und, wo dies geschah, nicht immer mit recht geeigneten Methoden conservirt und präparirt wurde. Deshalb kann ein glücklicher Fall, der dazu Gelegenheit bot, wohl die Beschreibung verdienen. Kürzlich fand ich mehrere junge Kaninchenembryonen in den frag- lichen frühen Stadien, von denen vier sofort nach dem Herausnehmen fixirt wurden, zwei mit dem von mir angegebenen Chrom-Essig-Osmiumgemisch,^ einer mit Chromsäure von 1 p. c. und einer mit Osmiumsäure. Kach Waschung in Wasser und Nachhärtung in absolutem Alkohol färbte ich die drei ersteren in Delafield’schem Hämatoxylin, den vierten in Gre- nacher’schem Alauncarmin durch, und schnitt sie nach dem Spee’schen Verfahren (Paraffinbänder) zu Serien von durchschnittlich 8,u Schnittstärke. Der eine von diesen Keimen (A) war etwas weiter entwickelt als die übrigen,® über lang, und zeigt schon nichts mehr von der ersten ^ Virchow’s Archiv. Bd. XXXVII, S. 81; und Archiv für miJcroslcopische Anatomie. 1867. Bd. II; Speciellere Darstellung dann in: Beobachtungen über die Be- fruchtung und Entwickelung des Meerschweinchens und Kaninchens. Dies Archiv. 1875. S. 370—371, Figg. 50, 51, 52. ^ V. Mihalkovics, in der am Schluss citirten Abhandlung. ^ Behrens, Zeitschrift für wissenschaftliche Mikroskopie. 1884. Bd. I. Hft. 3. ^ Zeitschrift für wissenschaftliche Mikroskopie. 1885. Bd, II. S. 7. ® Etwas weiter, als der Embryo von 9 Tagen 3 Stunden, der in Kolli ker’s Entwickelungsgeschichte. 2. Aufl. Fig. 173. S. 251, abgebildet ist: Medullarrohr bis in die Allantoisgegend geschlossen, Augenblasen bis nahe an’s Ektoderm vorgestülpt, noch keine Linseuanlage; Gehörblasen bilden weite gerundete Buchten mit noch nicht ver- engtem Eingan'g; vordere Kopfkrümmung stark entwickelt, Nackenkrümmung hat be- gonnen, Schwanzkrümmuug ebenso; Allantois schon etwas grösser als in der citirten Figur K ö 11 i ker’s, der ganze Leib ist um wenig stärker geschlängelt als dort, der Hinterdarmschluss etwas weiter nach vorn vorgerückt. 238 A\\ 1^’liEMMlKG: ektublastischeii Urogenitalaiilcige, um die es sich hier im Folgenden handelt. Es ist an ihm im ganzen hinteren Mittelleib und bis in das gekrümmte Schwanzende das Querschnittbild vorhanden, das ich in Fig. 2, schon aus dem Anfang der Schwanzkrümmung, skizzire: Zwischen den Urwirbelmassen (uw.) und den Somatopleuren (som.) liegt jederseits, von beiden etwas ge- sondert, ein unterer etwas grösserer Zellenstrang ^r., entsprechend dem „Grenzstrang“ nach Hensen und Spee, und dicht darüber ein kleinerer Strang [u. (j. .st., vergl. meine weiteren Figuren), der mit einem ver- schmälerten Kamm gegen das Ektoderm sieht, aber mit ihm nicht zu- sammenhängt. Das Bild entspricht also etwa dem Zustand von Kölliker’s Fig. 200 a. a. 0. S. 280, ausgenommen, dass in dieser nur ein Strang (uu(/.) statt jener beiden vorliegt und zwar in Zusammenhang mit der Somatopleura, während bei meinen Schnitten eine Lücke diesen Zusammen- hang trennt. Weiter gegen das Kopfende lagert sich dann der Strang u. (j. .si. mit dem unterliegenden Grenzstrang zusammen, wie es Spee näher be- schriel)en hat. ^ Dann hat mau nur einen compacten, oder noch eben durch eine quere Marke getrennten Strangquerschnitt, so wie Beides in Kölliker’s Fig. 200 a. a. 0. (ung) zu sehen ist. Ich gebe die Skizze in Fig. 2 nur, um zu zeigen wie rasch der im Folgenden beschriebene Vor- gang abläuft, und dass man in diesem Stadium nicht mehr erwarten kann, einen Zusammenhang zwischen Ektoderm und ürogenitalanlage zu finden.^ Der zweite Embryo (B) ist kleiner, etwa 4™^^ lang, und dürfte im Allgemeinen dem Zustand der citirten Fig. 173 bei Kölliker entsprechen. Nach der Querschnittserie lassen sich 16 angelegte Ur wirbelkörper zählen, mit Einschluss der endständigen, welche noch unvollkommen abgegrenzt sind. Die Augenblasen sind etwas kleiner als bei A, Linsenanlage fehlt wie dort, die Gehörblasen bilden noch flache Buchten, die Allantois ist etwa von dem Umfang wie in der citirten Fig. 173. Im mittleren Drittel der Leibeslänge zeigt der Querschnitt in der frag- lichen Gegend das gleiche Verhalten, wie es eben nach Fig. 2 beschrieben wurde. Dicht vor der Stelle aber, an welcher eben der hintere Darm- schluss angelangt ist, und in der Gegend des letzteren selbst, findet sich auf eine kurze Strecke das Folgende (Figg. 5, 6, 7; 1, 3): Lateral neben den Urwirbelmassen, die hier noch nicht nach einzelnen Somiten abgegliedert sind, ist das Ektoderm (auch weiter vor dieser Stelle) auf der einen (rechten) Leibesseite zu der flachen Furche eingeknickt, welche auch in Fig. 2, 1, 4 zu sehen, und in vielen iibbilduiigen Anderer wieder- ^ Siehe dessen Figg. 6 und 7 a. a. O. Wenigstens nicht bis in den vord.eren Theil der Schwanzkrümmung. Es wäre möglich, dass im letzten gebogenen Hinterende, das ich wegen der Unbequemlichkeit des Drehens nicht ganz mit geschnitten hatte, noch etwas davon zu finden sein mag. Die EKTOBLASTISCHE AmLAGE G. U JiOGENITALSYSTEMö BEIM KaNINCIIEN. 2B9 geoeben ist. Auf der linken Seite (Fig. 6) ist diese Furche vor der be- tretfenden Stelle flacher (vergl. Fig. 5, rechts), und an der Stelle selbst so gut wie gar nicht ausgesprochen (Fig. 6). ln dieser Furche nun beginnt, wenn man in der Sclmittreihe von hinten nach vorn fortschreitet, eine immer verstärkte Verdickung des Ektoderms (siehe die Pfeilreihen in Figg. 5 und (). Diese sind mit der Camera lucida gezeichnet und geben so das Anwachsen der Leiste möglichst getreu wieder). Fig. 1 zeigt den Schnitt c Fig. 6 stärker vergrössert, Fig. 7 c vom selben Schnitt mit Zeiss Oel- ininiersion Vis Durchschnitt der Leiste auf der rechten Körperseite (= linke Seite in der Figg. 1 und 5). In diesem ganzen Bereich, und überall weiter nach hinten, ist ober- halb der Grenzstranggegend der kleinere Strang n. (j. st nicht vor- handen, welcher in Fig. 2 über dem Grenzstrang dargestellt ist, und der Grenzstrang selbst nicht mehr so deutlich, wie weiter vorn, von den Urwirbeln und Seitenplatten abgegliedert. ^ Geht man dagegen weiter nach vorn, so lässt sich auf beiden Seiten die Ablösung der verdickten Leiste vom Ektoderm, und ihr Ueber- gang in den Strang u. g. st verfolgen, welchen Fig. 2 zeigt. Da die Schnittebene nicht geändert wurde und der Leib, wie gesagt, etwas geschlängelt liegt, sind die Schnitte ein wenig schief gefallen, sowohl gegen die Längsaxe als gegen die Fläche; so unbedeutend dies ist, so kann es bei der Dünne der Schnitte schon mit dafür in Betracht kommen, dass die Verdickung u. g. st. auf der einen (rechten) Seite des Embryo erst um 54 Schnitte weiter vorn beginnt, als auf der linken.^ Doch kann dies unmöglich bloss auf Schiefheit der Schnitte beruhen; denn bei der Grösse der Distanz — 54 Schnitte gleich mehr als 0-4”'“^ — müssten die Schnitte dafür weit schräger sein als sie sind. Zum Theil beruht der ungleiche Anfang auch auf der schwachen Krümmung des Leibes; es scheint mir aber auch dies nicht zu genügen und ich möchte deshalb annehmen, dass der Process der Leistenbildung überhaupt nicht ganz symmetrisch zu beginnen braucht, und es in diesem Falle nicht gethan hat. Dafür spricht noch Folgendes: die Strecke, in deren Bereich die Leiste noch fest am Ektoderm hängt, ist auf beiden Seiten ungleich lang, links beträgt sie 84 Schnitte, * Siehe Fig. 1, wo auf der einen Seite diese Abgliederung erkennbar, auf der an- deren nicht deutlich ist. In Fig. 5 habe ich der Uebersichtlichkeit wegen den Grenz- strang überall etwas isolirt gegeben, auch wo seine Abgrenzung sich am Praeparat nicht inarkirt. ^ In den Abbildungen sind die Körperseiten umgekehrt. Der Schnitt a in Fig. 6 liegt um 54 Schnitte hinter c Fig. 5, letztere identisch mit Fig. 1 und c Fig, 7. ^ Die Schnittdicke = 6—10 fA, ich rechne 8 als Mittel. 240 W. Flemmij^g: rechts nur 52, also links etwa 0-67”“", rechts 0-42"“*'.^ Wenn die Länge dieser Haftstelle beiderseits so ungleich sein kann, so mag auch der ganze Process etwas asymmetrisch auftreten können. Der Embryo C ist etwas kleiner als B, die lieibesaxe abgesehen von der vorderen Kopf krümmung ganz gerade, ausgenommen eine kleine Biegung am Hinterende, von der ich nicht sagen kann ob sie natürlich, oder durch das Keagens (Chromsäure) entstanden sein mag; sie hat durch Abschrägung der Schnittebene zum grössten Theil die Asymetrie der Schnitte in dieser Gegend (Fig. 4) bedingt. Nach dem Habitus der Augen- und Ohrblasen (letztere noch gar nicht eingesenkt, nur Verdickungen des Ektoderms) und dem noch geringeren Darmschluss ist der Keim jünger als Auch hier findet sich dieselbe Verdickungsleiste des Ektoderms, wie beim letzteren Embryo, in der Gegend des Hinterdarmschlusses und eine Strecke weiter nach vorn [u, (j. st. in Fig. 4); nur ist hier ihre Continuität mit dem äusseren Blatt deshalb weniger auffallend, weil die Blätter hier (vermöge der Chromsäure Wirkung) enger zusammenliegen als bei B. Ein Unterschied bei C gegen B ist, dass die Furche zwischen ürwirbel- und Seiten- plattengegend sich viel stärker eintieft so bleibt es auch noch viel weiter, nach vorn wie nach hinten, an den auf Fig. 4 folgenden Schnitten. Von dem Embryo B ist, zufolge von Missgeschick beim Durchschmelzen, ein Theil des Kopfendes verdorben und auch die übrigen Schnitte zum Theil nicht glatt aufgeklebt, und die Zellen ziemlich geschrumpft, wie es bei dieser Methode an Osmiumsäureobjecten leider leicht vorkommt. So weit sich urtheilen lässt, ist der Embryo etwa im Stadium von C oder zwischen ihm und B. An der entsprechenden Stelle des Hinterendes findet sich an einer Anzahl von Schnitten, deren Conservation leidlich ist, wiederum der Durchschnitt der beschriebenen Leiste am Ektoderm; auch hier am Grunde einer tieferen Furche, wie es eben von C beschrieben ist, und auch hier weiter nach vorn reichend, als bei B. In einer Gegend ist der Grund der Furche sogar noch bedeutend tiefer, faltenförmig. Noch weiter vorn ist wieder das Bild das der Fig. 2. ^ Es sind nur 31 Schnitte, an denen beiderseits zugleich die Leiste in vollstän- digem Zusammenhang mit dem Ektoderm ist. Nach vorn von da, wo dieses auf der linken Seite aufhört und der Wulst durch eine Spalte vom Ektoderm deutlich getrennt wird, folgen noch 21 Schnitte mit Zusammenhang auf der rechten Seite, dann auch hier die Spalte. ^ Siehe Figg. 5 und 1. Der Schnitt a Fig. 6 liegt um 54 Schnitte hinter Fig. 1 = c Fig. 5 = c Fig. 7. ^ Die Ürwirbel konnten nicht gezählt werden, da die Mitte des Leibes durch Bruch verloren gegangen ist. ^ Vergl. Fig. 4 mit Figg. 5 und 6. Die ektoblastische Anlage d. Urogenitalsystems beim Kaninchen. 241 Es lässt sich fragen, worauf die grössere Tiefe der Furche F bei den beiden Keimen C und D, gegenüber B, zu beziehen ist. Man könnte zu- nächst denken, dass nur bei C und I) die Form ganz natürlich erhalten,^ bei B aber durch eine verändernde Wirkung des Reagens der Leib mehr in die Breite ausgedehnt, und dadurch die Furche abgeflacht sei. Ich möchte dies aber doch nicht glauben, sondern annehmen, dass der flache Habitus von B (Figg. 1, 5, 6) wirklich oder doch nahezu dem natürlichen Verhalten entspricht: erstens, weil andere bezügliche Abbildungen ^ vom Säuge thier die Furche ebenso flach, oder nur unbedeutend tiefer zeigen wie meine Figg. 5 und 6; und zweitens, weil ausser einer geringfügigen Trennung der Blätter, sonst in allem eine gute Erhaltung zeigt. Es scheinen mir also für diesen Punct zwei Deutungen übrig zu bleiben: entweder die, dass in dem etwas späteren Stadium von B der Leib an der fraglichen Stelle wirklich flacher geformt ist, als in den früheren von C und oder die, dass die Tiefe der Furche überhaupt individuell dem Wechsel unter- worfen ist. Nach dem oben Beschriebenen kann kein Zweifel daran bestehen, dass der Strang u. g. st. in den späteren Stadien (Fig. 2) aus der verdickten Leiste des Ektoderms {u. g. st. in Figg. 1, 5, 6) entsteht, indem diese successiv von hinten nach vorn an wächst, sich vom Ektoderm löst und in die Tiefe rückt. Es kann nur noch die Frage gestellt werden, ob die Leiste damit auch im feineren Sinne ektoblastischer Abkunft ist, ob sie nicht vielleicht aus angelagerten mesoblastischen Zellen bestehen und durch deren Vermehrung wachsen könnte. Sie hängt allerdings fest mit dem Ektoderm zusammen, wie am besten der Embryo B zeigt. Bei diesem ist, wie erwähnt, durch eine leichte Abschrumpfung der Blätter von einander zwischen Ektoderm und Mesoderm ein Raum entstanden,^ dessen Durchmesser in Fig. 1, sowie Fig. 7, genau nach den Praeparaten aufgenommen ist. Der Wulst aber, der den Quer- schnitt der Leiste darstellt, ist überall am Ektoderm haften geblieben. ^ Für c ist dies jedenfalls anzunehmen, da die Chromsäure von 1 Procent für Säugethierkeime sehr gut formerhaltend wirkt ; dies ergiebt sich auch aus den sonstigen Verhältnissen bei c, besonders daraus, dass die Blätter fast gar nicht von einander ge- trennt sind. 2 Z. B. Spee, a. a. 0. Fig. 1; — Kölliker, a. a. O. Figg. 190, 198, 201; — Hensen, a. a. O. Figg. 50 und 51, in letzterer Figur ist die Furche auf der einen Seite so flach wie hei meinem Keim 5, auf der anderen so tief wie bei C. ^ Ob diese Trennung der Blätter, die an Osmimsäure- und an Osmiumgemisch - Praeparaten gewöhnlich, und besonders stark an Vogelembryonen, nach Paraffindurch- schmelzung vorliegt, auf die Wirkung der Eeagentien zu beziehen ist oder sich an solchen Praeparaten erst bei der warmen D urchschmelzung einstellt, wird noch fest- zustellen sein. Archiv f. A. u. Ph. 1886. Anat. Abthlg. 16 242 W. Flemming: aucli dort noch, wo das Ektoderm-Hautblatt sich von ihm schon durch die kleine Spalte ahgrenzt, die Graf Spee bereits beschrieben hat. ^ Aus- gezogene Brücken und Fortsätze der gegenüberliegenden mesodermatischen Zellen haften allerdings an der Innenfläche des Wulstes (Fig. 7, Fig. 3)< dies kann aber nicht als Beleg benutzt werden, um etwa den Wulst zum mittleren Blatt zu rechnen, denn die gleichen Brücken und Ausläufer Anden sich an der Innenfläche des Ektoderms auch an anderen Stellen, wo das- selbe rein einschichtig ist (nach rechts und links in den Bildern Fig. 7 mit angedeutet). Es ist übrigens schwer zu bestimmen, wie viel von diesen Brücken wirklich Zellenausläufer, und wie viel blosse Gerinnsel sind: letztere spielen jedenfalls mit, denn auch auf der äusseren Fläche des Ektoderms, wo ja nur Amniosflüssigkeit ist, finden sich solche kurze freiauf hörende Anhängsel, die ich in Fig. 7 mit dargestellt habe, und die natürlich Ge- rinnsel sind. Das Zusammenhaften der Urogenitalleiste mit dem Ektoderm, das hiermit wohl hinlänglich demonstrirt ist, liefert, wie ich zugebe, noch keinen absoluten Beweis für ihre ektoblastische Abkunft. Hierfür sind die feineren Verhältnisse maassgebend. Das Hautblatt des Ektoderms besteht fast durchweg aus einer ein- fachen Lage von ziemlich flachen, etwa linsenförmigen Zellen. An der Innenfläche des Ektoderms zeigt sich, durch die Härtung etwas gefältelt und scharf tingirt, ein schmaler Saum, offenbar der Hensen’schen Mem- brana prima entsprechend (Fig. 1 mp). Wegen der ziemlich starken Mit- färbung der Zellenleiber ist sie nicht überall so deutlich, wie wohl bei anderer Behandlung, kann aber mit Zeiss Via Benutzung des Farben- bildes an den meisten Orten vollkommen sicher erkannt werden. Ich be- merke hier beiläufig, dass man auch an der Aussen grenze des Ektoderms eine Grenzschichte bemerken kann, die allerdings viel zarter ist als die Membrana prima, und deshalb nur dort deutlich wird, wo die Aussenfläche der Zelle gerade senkrecht gegen die Schnittebene steht; dies kann nicht überall der Fall sein, weil die linsenförmigen Zellkörper ja keine plane Aussenfläche bieten, sondern sich etwa verhalten wie die Fläche eines schlechten Strassenpflasters. Die äussere Grenzschicht ist aber so zart, dass ihr Durchschnitt, wenn nur etwas schräg, sich nicht hinreichend abgrenzt. Mir scheint diese äussere Schicht als eine zarte Cuticularbildung der Ekto- dermzellen aufzufassen. Für die Frage nach der Herkunft des Urogenitalstranges ist nun, wie schon Spee a. a. 0. erörtert hat, das Verhalten der Membrana prima ja von besonderem Interesse. Man kann an meiner Schnittreihe ebenso. Figg. 3, 4, 5, 8 bei Spee, Serie Fig. 6 e/ hier. Die ektoblastische xInlage d. Ueogenitalsystems beim Kaxixchex. 243 wie Spee es nach mehreren Praeparaten dargestellt hat, die Membrana prima von der 3Iedian- und Lateralgegend her bis auf die Ventralfläche des wulstigen Leistendurchschnittes verfolgen: so in sämmthchen Schnitten meiner Serie Pig. 7 von links her, an einigen Schnitten [d, f Pig. 7 und «, h Pig. 3) von rechts her. Preilich ist sie hier nirgends als ein con- tinuirlicher Ueberzug des ganzen Wulstes fortgesetzt zu erblicken, ausser an den 2 Schnitten Pig. 3; dies hat zum Theil denselben Grund, den ich vorher für das gleiche Verhalten bei der zarteren äusseren Cuticula an- führte: der Wulst hat eine unebene IJnterfläche, an der die kernhaltigen Mittelkörper der Zellen wie Pflastersteine hervorragen, und Schnitte, die eine solche Zelle meist in mehr als zwei Theile zerlegen, werden deshalb ihre IJnterfläche vielfach schief treffen müssen, in einem solchen Schräg- schnitt aber wird die dünne Membran nicht mehr hinreichend erkennbar sein. Allerdings ist aber dort, wo sich die Leiste am stärksten nach ven- tral vorgewulstet, nirgends eine deutliche Portsetzung der Membrana prima zu finden (vergl. Pig. 7), und auch dort wo der Ueberzug vollständig oder nahezu so ist (Pig. ^ a b), wird die Membran auf der Höhe des Wulstes recht zart; ich nehme deshalb an, dass sie hier, eben durch das Vorwachsen der Leiste, stark gedehnt und ad minimum verdünnt, schliesslich zum Schwinden gebracht und damit zugleich der Weg für die Einsenkung der der Leiste frei wird. — Doch mag es nun hiermit an der Mitte der Leiste aussehen wie es will, an den Seiten derselben ist die Membran jedenfalls da und grenzt die Leiste gegen die Mesodermseite ab. Dies Verhalten der Membrana prima sollte eigenthch für die Herkunft der Leiste aus |dem Ektoblasten schon beweisend sein. Der einzige Ein- wurf, der sich meines Erachtens gegen diesen Beweis erheben liesse, könnte darin bestehen, dass man etwa die Membrana prima überhaupt nicht als ein festes Structurgebilde gelten lassen wollte, sondern als eine flüssige oder sehr weiche Schicht, die an der Innenfläche des Ektoderms angesammelt wäre, und diu’ch die Keagentien in Porm einer zusammenhängenden Platte zur Gerinnung käme. Unter solcher Voraussetzung könnte man dann auf- stellen, dass die Zellen, die in Pig. 7 b, Pig. 3 « ö die Verdickung des Ektoderms bedingen, dennoch von unten her aus dem Mesoblasten an- gelagert würden; und dass, wenn diese Anlagerung vollkommen geworden, die betreffende gerinnbare Plüssigkeitsschicht nun auch unter ihnen weg sich ausbreitete. Obschon ich nun keinerlei Wahrscheinlichkeit für eine derartige Auffassung der Membrana prima sehe, würde ich doch zugeben dass dieselbe, und damit der eben erwähnte Einwurf, nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen sei, wenn nicht ein anderer Umstand wäre, der ihn in der That widerlegt. Dies ist das Verhalten der Zelltheilungen im Bereich der Urogenitalleiste. 16* 244 W. Flemming: Graf Spee hat schon bemerkt (S. 94 a. a. 0.), dass in deren Gegend das Ektoderm relativ zahlreiche Theilungsfiguren zeigt. Ich finde es ebenso, und kann zugleich in meinen hier gezeichneten Serien einen Beleg dafür geben, dass es auch wirklich Zelltheilungen im Ektoderm sind, die das Material für die leistenförmige Verdickung liefern. In dem Schnitt, welcher auf der linken Leibesseite von hinten gerechnet die erste Ektodermverdickung zeigt (Fig. 3 a), liegt unter der einschichtigen Zellenlage nur ein fiacher Zellkörper (a) an, dessen Kern noch nicht mit in diesem Schnitt ist.^ Rechts davon ist eine in der Metaphase der Theilung stehende Zelle (ß) durchschnitten, die Hälfte der Fadenfigur im Schnitt. Der Kern der Nachbarzelle links (/) ist in den ersten Anfang der Mitose getreten; auch von ihr ist in diesem Schnitt nur ein Theil, darin der grösste Theil der Kernfigur. Der zweite links folgende Kern (^') schickt sich gleichfalls zur Mitose an. — Im nächsten Schnitt (Fig. 3 d) folgt in Zelle y das kleine schief abgeschnittene Endstück der Kernfigur, dicht darunter ein weiterer in Mitose getretener, länglich-fiacher Kern daneben der übrige Körper und Kern der Zelle a aus dem vorigen Schnitt, und die zweite Hälfte der Zelle und Fadenfigur ß. Auch auf der anderen Seite (Fig. 7) sind in dem ersten Anfang der Leiste und seiner Umgegend recht zahlreiche Kerne des Ektoderms in Mitose (siehe die Erklärung der Fig. 7); bei dem Kern a in b, und bei den beiden Schwesterkernen, die in e und f aufeinander folgen, ist es ganz klar, dass sie dem Ektoderm angehören, die Zelle mit dem Schwesterkern in / steht ja in die äusserste Zellenlage rangirt. Wollte man nun noch behaupten, dass die Leistenbildung dennoch von mesoblastischen Zellen ausginge, die sich (z. B. Zelle aa in Fig. ^ ab) von unten her dem Ektoderm anlegten und sich vermehrten, dann müssten sich auch vorwiegend in diesen tiefen Zellen und im benachbarten Mesoderm Theilungen finden. Statt dessen finden sie sich gerade an dieser kri- tischen Stelle, wo die Leistenbildung eben beginnt, in ganz besonderer Häufung in ektoblastischen Zellen, und ich sehe nicht wie man nach alledem noch daran zweifeln will, dass die Urogenitalleiste beim Säugethier ein Product des äusseren Keimblattes ist. Die Yer- muthung, dass es das epitheliale Keimmaterial für die Harn- und Ge- ^ Die Grenzen der Zellkörper gegen einander sind nur dort angedeutet wo sie erkennbar sind, was nicht überall der Fall ist. ^ Nach dem Habitus der beiden flachen Knäuelfiguren ^ und e könnte man auch denken, dass sie Schwesterkerne aus einer schon erfolgten Theilung seien, sie scheinen mir dafür aber zu gross (vergl. die Schwesterkerne in Fig. 7 e und /). üebrigens würde, wenn es doch so wäre, damit an dem Beweiswerth nichts geändert sein. Die ektoblastische Anlage d. Urogenitalsystems beim Kaninchen. 245 schlechtsdrüsen ist, was sie in die Tiefe zu tragen hat, liegt danach nahe genug. ^ Die einzige einschlägige Abbildung Yom Kaninchen, die bis jetzt exi- stirt, Hensen Fig. 50, entspricht volUvommen dem hier Beschriebenen, Hensen (a. a. 0. S. 371) hat damals angenommen, dass diese Einstülpung vom Ektoderm ^ eine secundäre sei, und dass eine andere, vorhergegangene, bereits Alaterial für die Bildung des Grenzstranges geliefert habe. Gegen die Möglichkeit einer solchen primären Einstülpung lässt sich allerdings nichts einwenden, so lange nicht noch frühere Stadien darauf hin unter- sucht sind. Doch will ich nicht unerwähnt lassen, dass am Schwanzende, wo die Bildung der Urogenitalleiste noch nicht begonnen hat, an meinen Praeparaten auch noch kein Grenzstrang abgegliedert ist, und nichts darauf hinweist, dass hier schon ektoblastische Einwanderung stattgefunden hätte. Im Uebrigen liefern meine Befunde lediglich eine Bestätigung derer von Hensen und Spee, und ich würde sie darum nicht so ausführlich mitgetheilt haben, wenn nicht ein so erfahrener Embryologe, wie v. Mihal- kovics, kürzlich gegen die Schlüsse des letztgenannten Autors Widerspruch erhoben, und eine mesoblastische Herkunft des ganzen Urogenitalsystems aufrecht erhalten hätte. ^ Freilich kann ich diesen Widerspruch nicht ganz verstehen; denn wenn v. Mihalkovicz (S. 10) hauptsächlich darauf hin- weist, dass an den proximalen Schnitten ein unzweifelhafter Zusammen- hang zwischen Urogenitalstrang und Mittelplatte (Grenzstrang) bestehe, so ist dies ganz unläugbar, entscheidet aber in der vorliegenden Frage gar nichts, weil es dafür offenbar nicht auf die proximalen, sondern auf die distalen Schnitte ankommt. Denn die Befunde Spee ’s und meine eigenen zeigen ja, dass die Bildung der Leiste sich von proximal nach distal fort- schreitend vollzieht, also muss man nach dem Zusammenhang mit dem ^ Weiteres darüber siehe bei Spee, a. a. 0. S. 95, 96 ff. ^ Die von Anderen vertretene Ansicht, dass dieser von Hensen beschriebene Strang (= u. g. st, hier) die Vena cardinalis sei, ist nicht haltbar. Es giebt um diese Zeit an dieser Leibesstelle noch kein grösseres Gefäss, und das erste Entstehen von solchen kann ich gerade an meinen Schnitten demonstriren : in f Fig. 7 (proximalster Schnitt), und von da weiter nach vorn, ist ein grösseres Stämmchen gef. neben der Urogeni- talleiste vorhanden. In e ist es noch ein Eohr, in d folgt der zugehörige kernhaltige Körper Je gef. einer gefässbildenden Zelle, in e die Hälfte eines weiteren vorderen Zell- körpers mit dem einen Kernende, in h das hintere Zellende mit dem grösseren Stück des Kerns; von da nach distalwärts liegt an dieser Stelle kein Zellkörper mehr. Es han- delt sich hier wohl um erste Wurzeln des Cardinalvenensystems. Von einer Ver- wechselung derselben mit dem ürogenitalstrang kann hiernach keine Eede sein. ^ G. V. Mihalkovicz, Entwickelungsgeschichte des Harn- und Geschlechtsappa- rates der Amnioten. Krause ’s Internationale Monatsschrift für Anatomie und Histo- logie, 1885. 246 W. Flemming: Ektoderm in den Stadien, wo er vorne schon gelöst ist, hinten suchen. Wenn ich nun daran erinnere, dass die Strecke, in welcher dieser Zu- sammenhang in den hier behandelten Stadien noch zu finden ist, nicht viel mehr als etwa ein Drittel Millimeter Länge beträgt, und dass ferner dieser Zusammenhang schon sehr bald nachher (Embryo A, Fig. 2) ganz verschwunden ist: so wird es wohl erklärlich, dass er anderen Unter- suchern entgehen konnte, die über das schöne und sichere Schnittbänder- verfahren noch nicht verfügten. Wo v. Mihalkovics aber von den distalen Schnitten redet (S. 10), ist ihm offenbar ein Missverständniss begegnet; denn er giebt dort an, dass der Urnierenstrang nach distal immer frei ende, und citirt dafür den Schnitt Fig. 6 von Spee, welcher von der ganzen Reihe 1 — 6 der proximalste ist, ausserdem aber dennoch einen vollen Zusammenhang des Stranges mit dem Ektoderm zeigt. Dass der Strang nach distal nicht frei auf hört, sondern in das Ektoderm über- geht, bildet gerade den Hauptpunct in Spee’s Beweisführung, und dürfte hier auch für das Kaninchen hinreichend festgestellt sein. Eine bestimmte Verallgemeinerung des Gefundenen ist vor der Hand gewiss nicht begründet; auch erkenne ich vollkommen den Standpunct an, nach welchem es einen Functionswechsel der Keimblätter bei verschiedenen Thierformen giebt, und also ein solcher auch in Bezug auf das Urogenital- system existiren kann. Aber gerade unter diesem Gesichtspunct hat man um so weniger Grund, den Säugethieren etwas abzusprechen, weil man es bei anderen Wirbelthierclassen bis jetzt nicht finden kann. Dass jedoch auch bei letzteren noch ein ektoblastischer Beitrag zur Urogenitalanlage sich feststellen lassen wird, darf man nach der Sachlage jedenfalls wahr- scheinlicher finden, als dass es sich bei ihnen damit ganz anders verhalten sollte wie bei den Mammalien. Kiel, 10. April 1886. Die bktoblastische Anlage d. Ueogenitalsystems beim Kaninchen. 247 Erklärung der Abbildungen. (Behandlung der gezeichneten Praeparate: Text S. 237. Alle Figuren sind mit Camera lucida gezeichnet.) Fig 1. Querschnitt des Kaninchen embryo JB (etwa 4“*^^ lang, nähere Beschrei- bung siehe Text S. 238), nahe vor dem hinteren Darmabschluss (identisch mit Fig. 5 c und 7 c). Die rechte Seite der Figur ist die linke des Leibes. Das geschlossene Amnion war beim Einbetten gebrochen, das Bruchstück liegt getrennt über dem Schnitt. In der linken (Abbildung: rechten) Urwirbelmasse ein kleiner Bruchspalt. U. g. st,: Urogenital - Leiste, um. Umbilicalvenen. Näheres siehe im Text S. 238 — 239. — Gez. mit Zeiss B. Fig. 2. Skizze der Hälfte eines Schnittes von dem Embryo Ä (wenig älter als JB), durch den Anfang der Schwanzkrümmung (also weiter distal, als Fig. 1). Trotzdem ist hier die Bildung und Versenkung der Urogenitalleiste bereits bis hier hinten ab- gelaufen. JHed.: Medullarrohr, uw.: Urwirbel, som.: Somatopleura, h. d.: Hinterdarm (hier längst geschlossen), u.g. st.: Urogenitalstrang, gr.: Grenzstrang nach Hensen und Spee. Näheres über den Embryo: Text S. 257—238. Gez. mit Zeiss B. Fig. 3 a 1). von dem Embryo B, aus den Schnitten Fig. 6 5 c, die Stellen des Ectoderms, auf welche die Pfeile weisen, mit Zeiss Vis Immersion Oc. 1. im Farbenbild gezeichnet, m.p.: Membrana prima. Sonstige Erklärung s. S. 244 Abs. 1. Fig. 4. Querschnitt durch den Embryo C in der Gegend des Hinterdarmschlusses (Chromsäurepraeparat). F: die hier tiefere Furche, an deren Grund die Urogenitalleiste einsinkt. In der letzteren auf der rechten Seite der Figur eine Mitose. Weiteres *• Text S. 240. Mit Zeiss B. Fig. 5. Aus der Querschnittserie vom Embryo B, die Stelle, an welcher auf der rechten Seite des Embryo (linken den Figuren) die Urogenitalleiste u. g. st. beginnt. Schnitt a ist der hinterste, f der vorderste der gezeichneten. Auf der anderen Seite ist die Leiste hier schon verdickt. Erklärung siehe Text S. 238 ff. Das obere abgebrochene Amnionstück (vergl. Fig. 1) ist fortgelassen. Unter der Urogenitalleiste der Grenzstrang, absichtlich etwas stärker abgesetzt gezeichnet. Mit Zeiss Syst, a* gez. Fig. 6. Aus derselben Querschnittserie, dieselbe Stelle u. g. st. von der anderen Körperseite, 54 Schnitte weiter hinten (Hinterdarm hier bereits geschlossen, nicht mit gezeichnet). Nur das Ektoderm ist dunkel gezeichnet, nur in a dessen Kerne einge- 248 W. Flemming : Die ektoblastische Anlage des Ueogenitalsystems. tragen, die Form des Querschnittes der Urogenitalleiste genau berücksichtigt, das Mesoderm skizzenhaft gehalten. Schnitt a ist der hinterste der Eeihe. Fig. 7. Die Stelle des Ektoderms u. g. st. aus der Reihe Fig. 5 hcdef, mit gleicher Buchstabenbezeichnung, Zeiss hom. Imm. Vis Oc. 1, Farbenbild. Inf gef. Ge- fässästchen, das durch e nach dch m Zellkörper mit Kernen übergeht, {k gef.). In &, der Kern a in Vorbereitung zur Mitose, und am unteren Buckel des Wulstes das Ende eines kleinen Tochterkerns, dessen übriges grösseres Stück im Schnitt c folgt. In c dann wieder zwei weitere Kerne in Vorbereitung zur Mitose, in d ein solches rechts; in e ein kleiner Tochterkern in der Anaphase, die Schwester dazu folgt in/. — In diesem Schnitt liegt der einzige Fall in der Reihe vor, wo eine der mesodermatischen Zellen unter dem Wulst in Mitose ist; diese vermehren sich also an der Stelle zur Zeit lange nicht so stark, als die Ektodermzellen. ■l/rhin Unut u. J’hijs loSdAuat. At Gez.v'W.Flemmi’ag. r T.ii: X! Vfiiiaq- "Wit (i-('oin[), .s.ipziq. Ueber die sogenannten primären Opticuscentren und ihre Beziehung zur Grosshirnrinde. Von L. Darksehewitseh aus Moskau. (Hierzu Taf. XII.) So exact und vollständig die Aufschlüsse über den Zusammenhang verschiedener Partien des centralen Nervensystems unter einander auch sein mögen, welche wir auf dem Wege der experimentell erzeugten Degene- ration gewinnen, so bleibt es doch immer noch wünschenswerth, die Existenz dieses Zusammenhangs auch auf rein anatomischem Wege zu constatiren und ein histologisches Bild von dem Verlaufe und der Yertheilung der Fasern zu erhalten, welche als die Verbindungsbahnen zwischen diesen Partien betrachtet werden können. Leider muss dieser Wunsch sehr oft unbefriedigt bleiben, da die ana- tomische Untersuchung nicht selten auf Hindernisse stösst, welche den Resultaten derselben den Character der Sicherheit und unbedingten Ver- lässlichkeit rauben, während das Experiment auf dieselben Fragen bereits eine bestimmte Antwort gegeben hat. Die Ursache dieses Misslingens der anatomischen Untersuchung ist ohne Zweifel in der Mangelhaftigkeit der Untersuchungsmethoden zu suchen, und daher darf man andererseits er- warten, dass die Fortschritte der histologischen Technik zu Fortschritten in den Resultaten der Untersuchungen selbst führen werden. Die histologische Technik (für die Untersuchung des Nervensystems) hat nun in der letzten Zeit eine Bereicherung durch neue Methoden er- fahren, der zu Folge die anatomische Untersuchung wenigstens für eine gewisse Zahl von Fragen viel fruchtbriugender geworden ist. Ich meine 250 L. Daekschewitsch: die rärbungsmethoden , die vor noch nicht langer Zeit von Prof. Weigert ^ (Haematoxylin) und von Dr. S. Freud^ (Gold-Jodkalium) vorgeschlagen worden sind. Diese Färbungsmethoden haben die Untersuchungen des centralen Nervensystems erheblich erleichtert, und Fragen des Faserverlaufes, die bei Untersuchung von nach alten Methoden hergestellten Praeparaten keine genügende Antwort finden konnten, lassen sich jetzt in viel be- friedigenderer Weise erledigen. Bei der Bearbeitung des mir zu Gebote stehenden vergleichend- anatomischen Materials mit Hilfe der Weigert’ sehen Methode überzeugte ich mich nun, dass es jetzt möglich sei, eine ziemlich genaue histologische Darstellung von der Beziehung der Fasern des Tractus opt. zu seinen so- genannten infracorticalen Centren und vom Zusammenhänge der letzteren mit der Grosshirnrinde zu geben. Da diese Frage in der letzten Zeit von den Untersuchern in der Kegel experimentell in Angriff genommen wird, und die histologischen Untersuchungen in dieser Richtung bis jetzt nur spärliche sind, hielt ich es nicht für überfiüssig, einige von den Ergebnissen meiner Untersuchungen zu veröffentlichen, um damit die Aufmerksamkeit Anderer auf diesen Gegenstand zu lenken. Ich theile hier nur die Resultate meiner Untersuchungen am Kaninchen- und Hundehirne mit; die Untersuchungen des Affen- und Menschenhirns sollen später veröffentlicht werden, da dieselben noch nicht ganz voll- endet sind. Die zu untersuchenden Gehirne wurden in 4 procentiger Lösung von doppelt chromsaurem Kali durch 3 — 4 Wochen gehärtet und dann in Alkohol eingelegt, in dem sie nicht kürzere Zeit als 2 — 3 Wochen gelassen wurden. Das nachträgliche Einlegen der Praeparate in Alkohol ist sehr zu empfehlen, da dieselben dadurch einen sehr gut brauchbaren Grad von Elasticität bekommen und die Schnitte bei weiterer Behandlung fast gar nicht zerreisen. Im Alkohol können die Praeparate übrigens beliebig lange bleiben, ohne zu verderben und ohne zur Färbung untauglich zu werden. — Als Einbettungsmasse benutzte ich Celloidin. — Mit Hilfe des Schanze’ sehen Mikrotoms wurden dann Schnitte in lückenlosen Reihen und zwar nach folgenden Richtungen gemacht: in horizontaler (parallel der Gehirnbasis), frontaler und in einer Richtung, die einen Winkel von etwa 45® mit der Horizontalebene bildet. Die Färbung geschah, wie gesagt, mit Haematoxylin nach der Methode von Prof. Weigert. ^ Fortschritte der Medicin. 1885. Nr. 8. ^ Dies Archiv. 1884. Über die primären Opticuscentren ü. s. w. 251 I. Eigene Untersuchungen. Kaninchen. 1. Tr actus opticus. Die Beziehung der Fasern des Tractus opt. zu seinen sogenannten primären infracorticalen Centren studirt man am besten an horizontalen Schnitten d. h. an solchen, welche tangential zur Gehim- oberfläche geführt sind. Figg. I, II, III und IV stellen eine Serie, von solchen Schnitten vom Kaninchenhirnstamme dar, und wir wollen dieselben der Reihe nach und zwar zuerst mit Bezug auf den Verlauf und die Ver- theilung der Opticusfasern studiren. An Fig. I, welche einen der obersten Schnitte darstellt, sind von grauen Massen das Corpus quadrigeminum superius (2), das Corpus geniculatum externum (6) und der Thalamus opticus (12) mit seinen Kernen getroffen. Zwischen dem oberen Vierhügel und dem Sehhügel zeigt sich ein Zwischen- raum, welchen ein sehr mächtiger, von einem zum anderen hinüberziehender, Faserzug (4) einnimmt. Dieser Faserzug ist der Tractus opticus. Seine Fasern, von der ganzen äusseren Peripherie des Corpus genicul. ext. und des Thalamus opt. ausgehend, verlaufen zuerst in schiefer Richtung — dorsalwärts und nach innen — und wenden sich dann später fast sagittal, um in der Medianebene parallelen Ebenen weiter dorsalwärts zu ziehen. Auf diesem Wege passirt der mehr ventral gelegene Theil der Opticus- fasern die Substanz des äusseren Kniehöckers (6) und des Thalamus opt. [seiner dorsalen, lateralen, zwischen dem äusseren Kniehöcker und dem oberen Vierhügel gelegenen Partie — des Pulvinars (5)], so dass die mächtigen Bündel desselben einen sehr beträchtlichen Bestandtheil dieser Ganglien darstellen. Es ist von grosser Bedeutung die Frage zu beantworten, in welcher Beziehung diese Fasern des Tractus opt. zur Substanz sowohl des Corpus genicul. ext., wie auch des Thalamus opt. stehen; ob dieselben hier ihr Ende finden, oder ob sie diese grauen Substanzen ohne Verbindung mit den Elementen derselben durchsetzen. Untersucht man sorgfältig eine Reihe von Schnitten und nicht bloss mit schwachen, sondern auch mit starken Vergrösserungen, so gelangt man zur festen Ueberzeugung, dass das letztere Verhältniss Geltung hat, also dass keine Verbindung der Opticusfasern mit der Substanz des äusseren Knie- höckers und des Pulvinars besteht. Es unterliegt nämlich keiner Schwierigkeit den grössten Theil der Opticusfasern, der in die Substanz des Pulvinars (5) eingetreten ist, ohne Unterbrechung durch dieselbe zu verfolgen, bis er sich nach seinem Austritt aus dem Thalamus opt. der übrigen Opticus- faserung (4) angeschlossen hat. — Viel schwieriger als im Sehhügel ist die Untersuchung des Verlaufes der Opticusfasern im Bereiche der ventralen 252 L. Daekschewitsch: Partie des äusseren Kniehöckers. Hier beschreibt der Verlauf der Opticus- fasern nämlich einen Bogen in der verticalen Ebene, so dass sie an hori- zontalen Schnitten nicht in ununterbrochener Continuität, sondern als kleine abgeschnittene Faserstückchen (6) erscheinen. Verfolgt man aber diese letzteren durch die ganze Strecke ihres Verlaufes dorsalwärts, so findet man, dass auch sie früher oder später in die langen Faserzüge übergeheu, welche den übrigen Theil des Ganglions in offenbarer Continuität durchsetzen. Freilich können wir nicht ausschliessen, dass nicht einzelne der Opticus- fasern in der grauen Masse der erwähnten Ganglien ihr Ende finden mögen. Zu dieser Entscheidung sind die verwendeten Untersuchungsmethoden jeden- falls nicht fein genug; aber ich darf auf Grund meiner Praeparate be- haupten, dass, wenn solche Fasern wirklich existiren, ihre Zahl wenigstens eine sehr geringe sein muss. Alle Fasern des Tractus opt., sowohl die, welche die Substanz des äusseren Kniehöckers und des Pulvinars passirt haben, als die dorsalwärts von ihnen gelegenen, gelangen endlich zum oberen Vierhügel (2), treten in seine Substanz ein und breiten sich über den ganzen Durchschnitt des- selben (3) aus, wobei nur der äusserste Saum (1) der Vierhügelsubstanz frei bleibt. Auch in letzterer, der eigentlichen Kindensubstanz kann man die Nervenfasern ohne Mühe, aber erst bei stärkeren Vergrösserungen, nachweisen. Auf diesem Praeparate sind die beiden Vierhügel (3) durch eine natürliche Spalte getrennt; es ist also klar, dass hier von einem Uebergang der Opticusfasern in die Substanz des Vierhügels der anderen Seite keine Rede sein kann. Fig. II stellt ein Praeparat dar, das um 25 Schnitte (jeder Schnitt = V50““ tiefer (der Gehirnbasis näher) liegt, als Fig. I. Hier sind die oberen Vierhügel (2) zusammengelötet; ihre centrale Partie ist von querverlaufenden Fasern (16) erfüllt, die nicht Anderes sind, als die Fasern des sogenannten tiefliegenden Markes des Vierhügels. In der dorsalen Partie des Thalamus opt. ist das Pulvinar (12) bereits deutlich zu erkennen. Das Corpus genicul. ext. (7) hat ein wenig zugenommen. Die Fasern des Tractus opt. (6) kommen, wie am vorigen Praeparate, von der ganzen äusseren Peripherie des Pulvinars und des Corpus genicul. ext. und halten dieselbe schräge Richtung ein. Die mehr ventral liegenden Fasern durchsetzen auf ihrem Wege die Substanz des äusseren Kniehöckers (7) und des Pulvinars (14). Die Zahl dieser Fasern ist so gross, dass man bei Untersuchung z. B. des Pulvinars den Eindruck empfängt, als ob die Substanz des Pulvinars vorzugsweise aus solchen Fasern bestehe, die nur durch die graue Substanz einigermaassen auseinander gedrängt werden. Über die primären Opticüscentren u. s. w. 253 Die Opticusfasern (5), welche in den Vierhügel eintreten, breiten sich jetzt nicht mehr über die ganze Fläche des Durchschnittes aus, sondern nehmen nur die äussere Peripherie des Yierhügels ein, wobei doch die äusserste Schicht desselben als schmaler grauer Saum (1) frei bleibt. Die Faserung des Tractus opticus zeigt im Yierhügel eine sichelförmige Gestalt; je mehr sich nämlich die Fasern desselben der dorsalen Oberfläche des Corpus quadrig. sup. nähern, desto mehr nimmt ihre Zahl ab, so dass man in den dorsalsten Theilen des Yierhügels nur mehr einzelne Ursprungs- fasern findet. Die mediale, theil weise auch die dorsale Partie der Peripherie des Yierhügels giebt einem besonderen Fasersjsteme (17) Ursprung, welches sich zu einem mächtigen Zuge (15) sammelt und dann längs der Median- hnie des Yierhügels gegen die Basis hinzieht, woselbst es bis in die Capsula interna (10) verfolgt werden kann. Da ich beabsichtige, dieses Fasersystem, welches den Yierhügel mit der Grosshirnrinde in Verbindung bringt, noch- mals und ausführlicher zu behandeln, so will ich es hier nur darum er- wähnen, um die noth wendige Trennung dieser Bahn von den Fasern des Tractus opt. zu betonen. Die beiden Fasersysteme können sehr leicht mit- einander verwechselt werden, besonders wo sie einander in ihrem Verlaufe berühren, wie z. B. im ventralen inneren Abschnitte des äusseren Knie- höckers (8). Untersucht man aber eine Reihe von Praeparaten, so über- zeugt man sich gleich, dass alle Fasern der fraglichen Bahn ohne Aus- nahme in die innere Kapsel übergehen und zur lateralen Markzone (Tractus opt.) des äusseren Kniehöckers in keiner Beziehung stehen. Bei Untersuchung dieses Praeparates wollen wir auch die Frage be- rühren, ob hier Anhaltspunkte zur Annahme eines Ueberganges von Opticus- fasern in die Substanz des Yierhügels der entgegengesetzten Seite vorliegen. Ein solcher Uebergang lässt sich bei sorgfältigster Untersuchung nicht nachweisen. Vielmehr bleiben die Fasern des Tractus opt. auf ihrem ganzen Verlaufe dorsal wärts immer der äusseren Peripherie des Yierhügels parallel und zeigen an keiner Stelle eine Umbiegung gegen die Mittellinie. Be- sonders müsste man für diese Möglichkeit des Verlaufes der Opticusfasern den Raum (3) zwischen dem Tractus opt. (5) und dem sogenannten mitt- leren Marke (4) berücksichtigen, da hier die beiden Fasersysteme sehr nahe zusammenstossen. Aber auch in Bezug auf diese Stelle müssen wir dasselbe sagen, nämlich dass die Opticusfasern keine Umbiegung gegen die Mittellinie erkennen lassen. Ich muss noch auf einen Punkt aufmerksam machen. In der durch dieses Praeparat dargestellten Höhe fangen die Fasern der inneren Kapsel an, in die benachbarten Ganglienmassen (Corpus genicul. ext. und Thalamus opt.) einzustrahlen. Die lateralsten dieser Fasern (9, 8) treten in den inneren 254 L. Darkschewitsch: ventralen Abschnitt des äusseren Kniehöckers ein, wie das auf dem Prae- parate sehr deutlich zu sehen ist. Verfolgt man diese Fasern auf ihrem weiteren Verlaufe, wobei man unbedingt stärkere Vergrösserungen an wenden muss, so überzeugt man sich, dass die betreffenden Fasern, gleich nach ihrem Eintritt in den Kniehöcker, ihren Verlauf zu ändern anfangen. Sie beschreiben nämlich einen Bogen, verlassen die Substanz des äusseren Knie- höckers wieder, und nachdem sie sich zu der gemeinschaftlichen Masse der Fasern der inneren Kapsel (11) gesellt haben, setzen sie ihren Weg in schräger Richtung — dorsal wärts und nach innen — fort, wobei sie sich mehr von den Opticusfasern entfernen. Wir sehen also, dass man die Fortsetzung der lateralsten Fasern der Capsula interna nicht zwischen den Opticusfasern (7), sondern zwischen den Fasern der vorhin erwähnten Bahn (11) zu suchen hat. Dieses Verhältniss ist meiner Ansicht nach von grosser Bedeutung; denn wdr können nun behaupten, dass sich zur Opticusfaserung in dieser Höhe keine Fasern aus der Capsula interna gesellen, und dass hier das Opticussystem von jedem anderen exact zu trennen ist. Uebergehen wir jetzt wieder eine Reihe von Praeparaten, die im Wesent- lichen nichts Neues darbieten, und verweilen bei Fig. 3, welche ein um 30 Schnitte tiefer liegendes Praeparat darstellt, als das in Fig. 2 abge- bildete. Die centrale Partie des oberen Vierhügels ist an diesem Praeparate von querdurchschnittenen Fasern eingenommen, die in Form von zwei con- centrischen Halbkreisen dicht neben einander liegen. Der äussere dieser Halbkreise ist das sogenannte mittlere (4), der innere das tiefliegende Mark (17) des Vierhügels. An der Stelle des Faserbündels, das im Praeparate Fig. 2 aus der Capsula interna zum dorsalen Theil der Peripherie des Vier- hügels verlief (Fig. 2, 11, 15, 17), finden wir jetzt ein anderes Fasersystem (10, 13, 14), welches zwar ebenfalls aus der inneren Kapsel (11) hervor- geht, aber dorsalwärts nicht weiter als bis zum sogenannten mittleren Marke (4) verfolgt werden kann. Die äussersten Fasern dieses Bündels treten in den Zwischeuraum (2) ein, der zwischen dem Tractus opt. (5) und dem sogenannten mittleren Marke (4) bleibt^ liegen aber dem letzteren ganz dicht an, so dass sich zwischen ihnen und den Opticusfasern wieder ein Zwischenraum (6) bildet, der die beiden Fasersysteme ganz scharf von einander trennt. Ich will auf dieses Faserbündel später nochmals zurück- kommen und für jetzt nur hervorheben, dass dasselbe nicht mit dem Tractus opt. verwechselt werden darf. Was nun den Tractus opt. (7, 5) selbst betrifft, so kann man über seine Vertheilung in dieser Höhe nicht viel Neues mehr, als am Prae- parate Fig. 2 ersichtlich war, erkennen. Man sieht ebenfalls, dass seine Über die primären Opticüscentren u. s. w. 255 Fasern, nachdem sie die Substanz des Corpus genicul. ext. (9) und des Pulvinars (8) durchsetzt haben, in den Yierhügel (3) eintreten, dessen ganze äussere Peripherie (5) sie wieder einnehmen. Was man aber besonders klar an diesem Praeparate verfolgen kann, das ist der an Fig. 2 beobachtete Verlauf der Fasern (10), welche aus der inneren Kapsel (11) in die Substanz des Corpus genicul. ext. einstrahlen. Diese Fasern gesellen sich nämlich nicht den Opticusfasern bei, sondern verlassen das Corpus genicul. ext. wieder, nachdem sie die beschriebene Umbiegung voll- zogen haben, und schliessen sich den Fasern des oben erwähnten Bündels (13, 14) an. Auch hier ist also das System der Opticusfasern von jeder anderen Beimengung frei. Auch die Untersuchung dieses Praeparates lässt keinen Uebergang der Fasern des Tractus opt. in die Yierhügelsubstanz der anderen Seite nach- weisen. Es ist ganz leicht, den Tractus opticus (5) dorsalwärts bis zur dorsalen Peripherie des Yierhügels zu verfolgen und man überzeugt sich wieder, dass auf dieser ganzen Strecke seine Fasern keine Umbiegung machen, sondern immer der Yierhügeloberfläche nahezu parallel ziehen. Die- jenigen Fasern, die dem sogenannten mittleren Marke sehr dicht anliegen und theilweise die Umbiegungen gegen die Mittellinie machen, gehören, wie wir wissen, jenem besonderen Systeme (13, 14) an, das gar nichts mit dem Tractus opticus zu thun hat. Die Yertheilung der Fasern des Tractus opt., die wir soeben an den letzten Praeparaten (Figg. 2 und 3) kennen gelernt haben, bleibt auch in den tieferen Partien des Yierhügels die nämliche, so lange als die Schnitte den inneren Kniehöcker nicht erreicht haben. Älit dem Auftreten des letzteren ändert sich das Bild. Wir wollen die nun vorliegenden Verhältnisse an Fig. 4 studiren. Dieselbe stellt einen Schnitt dar, der fast durch die Grenze zwischen oberem und unterem Yierhügel geführt ist. Man unterscheidet hier deutlich den unteren Yierhügel (1), einen Best von der Binde des oberen Yierhügels (3), den inneren Kniehöcker (6) und den Best des äusseren Kniehöckers (7). Wir wollen unsere Aufmerksamkeit zuerst auf den letzteren richten. Das Corpus geniculat. ext. (7) ist hier nach innen gegen den Thalamus opticus hin nicht scharf abgegrenzt, dagegen ist seine dorsale Grenze gegen den inneren Kniehöcker (6) gut kenntlich. Auch hier schliesst die graue Substanz des Corpus genicul. ext. Opticusfasern ein. Während die letzteren aber an früheren Praeparaten, welche höhere Ebenen darstellten, in jener gewissen Bichtung (dorsal- und median wärts) verliefen und auf längere oder kürzere Strecken längs getroffen waren, sind sie hier alle quer geschnitten, d. h. ziehen sie hier alle vertical in aufsteigender Bichtung. 256 L. Daekschewitsch: Der innere Kniehöcker (6) zeigt sich von Fasern durchsetzt, welche bis in den unteren Vierhügel (1) verlaufen und annähernd die gleiche Sich- tung, wie an den früheren Praeparaten die Fasern des Tractus opt. ein- halten. Untersucht man das betreffende Praeparat nur mit der Lupe, so kann man den Eindruck gewinnen, als ob diese den inneren Kniehöcker durchsetzenden Fasern nichts Anderes, als eine Fortsetzung der Opticus- fasern aus dem äusseren Kniehöcker (7) wären. Doch eine sorgfältige Untersuchung einer ununterbrochenen Reihe von Praeparaten mit starken Yergrösserungen wird diesen Anschein sofort zerstören. Verfolgen wir zu diesem Zwecke die vom unteren Vierhügel ausgehenden Fasern ventralwärts. Wir sehen ohne Mühe, dass diejenigen dieser Fasern, welche mehr nach innen liegen (5), die äussere Partie des Pulvinars (10) und den innersten Abschnitt des Corpus genicul. internum (6) fast in gerader Richtung durch- setzen um in die innere Kapsel (9) einzutreten. Was nun die mehr nach aussen liegenden Fasern betrifft, so sieht man, dass dieselben (6) vorzugs- weise durch die äussere Peripherie des inneren Kniehöckers verlaufen; so- bald sie aber bis zum äusseren Kniehöcker (7) gekommen sind, fangen sie an umzubiegen und folgen der Grenze zwischen beiden Kniehöckern bis sie mit den übrigen (inneren) Fasern (5) des unteren Vierhügels zusammeo- treffen. Nach dieser Vereinigung zieht die ganze Fasermasse (8) ventral- wärts in die innere Kapsel (9). Diese Fasern stellen also ein besonderes System (2) dar, das aus der Capsula interna in den unteren Vierhügel zieht und mit dem Tractus opticus gar nichts zu thun hat. Wir wollen hier noch kurz erwähnen, dass die Durchsicht einer Reihe von Praeparaten aus dieser Höhe lehrt, dass die meisten dieser Fasern die Substanz des unteren Vierhügels bloss durchsetzen, um zum tiefliegenden Marke der anderen Seite zu werden. Am betreffenden Praeparate kann man noch eine Spur von der Rinde des oberen Vierhügels (3) erkennen. Geht man um einige Praeparate zu- rück, bis der Schnitt das Corpus quadrig. superius noch in seiner ganzen Ausdehnung trifft und das Corpus quadrig. inferius nur durch ein Stück der grauen Masse repräsentirt ist, so findet man das eben erwähnte Faser- system bereits ganz ausgebildet und man sieht, dass es dieselbe Stelle ein- nimmt, die an noch etwas höheren Praeparaten der Tractus opt. eingenommen hatte. Daraus folgt, dass der caudalste, dem unteren Vierhügel nächste Theil des Corpus quadr. superius keine Opticusfasern mehr entsendet. Bevor wir unsere Untersuchungen über die Vertheilung der Opticus- fasern abschliessen , wollen wir unsere Aufmerksamkeit noch auf einen an- deren Bestandtheil der Opticusfaserung richten; aber zu dem Zwecke müssen wir wieder zum Praeparat Fig. 1. zurückkehren. Übee die peimäeen Opticüscenteex u. s. w. 257 Verfolgt man nämlich diejenigen Opticusfasern (6), die die ventralste Partie des äusseren Kniehöckers passiren, so bemerkt man, dass eine Zahl von Fasern sich vom gesammten Zuge ablöst und sehr bald die Substanz des Kniehöckers verlässt. Diese Fasern (11) laufen dann nicht mehr zum ohereu Vierhügel, wie die übrigen Opticusfasern, sondern gesellen sich zu den Fasern aus der Capsula interna, mit welchen sie in der Kichtung nach dem Ganghon habenulae (13) ziehen. Sie endigen aber ganz plötzhch und scharf abgescbnitten kurz bevor sie das letztere erreicht haben. Um ihren weiteren Verlauf zu verfolgen und den Umstand, dass sie wie scharf ab- geschnitten aufhören, zu verstehen, bedarf man unbedingt eine ununter- brochene Reihe von Praeparaten nach unten und überdies Frontalschnitte aus der entsprechenden Gegend. Man überzeugt sich dann, dass alle diese fraglichen Fasern, sobald sie an der erwähnten Stelle augekommeu sind, eine Umbiegung nach unten (basalwärts) machen, eine Strecke weit in der verticalen Ebene verlaufen und endlich wieder in die horizontale Ebene um- biegen. Diese Fasern sind jetzt dem Ganghon habenulae bereits viel näher gekommen, und von dort aus verlieren sie sich theilweise in den letzteren, theilweise treten sie mit den übrigen Fasern des Pedunculus Conarü in die Glandula pineahs ein. Es handelt sich hier daher um Fasern des Tractus opt., die nebst Fasern aus der Capsula interna in dem Ganglion habenulae und in der Glandula pinealis ihr Ende finden. AVenn wir jetzt Alles zusammenfassen, was wir Wesenthches über die Opticusfasern beobachtet haben, so stellt sich der Verlauf des Tractus opt. in folgender Meise dar. Nachdem der Tractus opt. den äusseren Kniehöcker erreicht hat, steigt er in diesem letzteren zuerst in verticaler Richtung auf, später aber lenkt er immer gegen die Horizontal ebene ab, wobei er anfängt mehr dorsalwärts zu ziehen und sich der Mediallinie immer mehr zu nähern. Nachdem er die Substanz des äusseren Kniehöckers und des Pulvinars (seine laterale capitale Partie) theilweise bedeckt, theilweise durchsetzt hat, tritt er in das Corpus quadrig. superius derselben Seite ein und vertheilt sich hier, indem er gleichsam eine Schale um die dorsale, caudale und äussere Partie der Peripherie des Vierhügels bildet. Ein Theil seiner Fasern trennt sich noch im Bereiche des Corpus genicul. ext. ab und läuft zu dem Ganglion habenulae und zur Glandula pinealis. 2. Projectionsfasern zu den sogenannten primären Opticus- centren. Bei Untersuchung des Praeparates Fig. 2 haben wir bereits eine Bahn kennen gelernt, welche von der inneren und dorsalen Partie Archiv f. A. u. Ph. 1886. Auat Abthlg. I7 258 L. Daekschewitsch: der Vierhügelperipherie Fig. 2, 17, 15, 11, 9) nach der Capsula interna (Fig. 2, 10) führt. Wir wollen dieselbe nun genauer beschreiben. Das betreffende Fasersystem wird zuerst in den höheren Partien sicht- bar, d. h. in den Ebenen, wo die Opticusfasern aufhören sich über die ganze Schnittebene des Yierhügels auszubreiten und sich auf die äussere Partie der Vierhügelperipherie zu beschränken beginnen. Von hier ab kann man den ganzen Verlauf dieses Fasersystems durch wenigstens 30—40 Schnitte verfolgen. Weiter nach unten (Fig. 3), wo die Systeme des sogenannten mittleren (Fig. 3, 4) und tiefliegenden Markes (Fig. 3, 17) ganz aus- gebildet sind, ist von dieser Bahn nichts mehr vorhanden, als die nicht weit von der Vierhügelrinde gelegenen Durchschnitte (Fig. 3, 19), mit welchen diese Bahn, wie oben erwähnt, aus der dorsalen und inneren Partie der Vierhügelperipherie entspringt. Dieses letzte Verhältniss wird dadurch verständlich, dass die Fasern der fraglichen Bahn in ihrem Verlaufe einen Bogen in sagittaler Ebene beschreiben, indem sie das kugelschalenförmige Fasersystem des tiefliegenden Markes von oben bedecken und also ihren Ursprung in viel tieferen Ebenen finden, als die sind, in denen man ihren Verlauf übersieht. Verfolgen wir nun den Verlauf dieses Systems von dem beschriebenen Ursprung bis in die innere Kapsel und weiter. Nachdem die aus der Vierhügelrinde austretenden Fasern (Fig. 2, 17) sich zu einem Zuge vereinigt haben (Fig. 2, 15), verlaufen sie zuerst der Medianlinie beinahe parallel; je weiter ventral sie aber kommen, desto mehr w^eichen sie von der sagittalen Richtung nach aussen ab. Auf diesem Wege durchsetzen die Fasern die innerste capitale Partie des Pulvinars (Fig. 2, 12), näheren sich dem äusseren Kniehöcker, passiren durch seinen innersten capitalen Abschnitt (Fig. 2, 3) und treten darauf in die innere Kapsel ein, deren äussersten resp. dorsalsten Theil sie einnehmen (Fig. II, 10). Im Weiteren handelt es sich nun darum, wohin diese Fasern aus der inneren Kapsel ziehen; ob sie im Streifenhügel endigen, oder ob sie zur Hirnrinde gelangen. Zur Entscheidung dieser Frage benützt man am besten Schnitte, welche, in einem Winkel von 45® mit der Horizontalebene geführt, vom oberen Vierhügel bis zum Chiasma Nn. opticorum reichen. An solchen Schnitten (Fig. 5) kann man dieses Fasersystem überhaupt am leichtesten studiren. Verfolgt man an solchen Schnitten dieses System (Fig. 5, 2, 4, 5) von der Vierhügelrinde ab ventralwärts, so sieht man ganz deutlich, wie seine Fasern, nachdem sie in die äusserste (dorsalste) Partie der inneren Kapsel (Fig. 5, 6) eingetreten sind, sich in derselben fortseizen und zwischen dem Nucleus lentiformis (Fig. 5, 8) und dem Nucleus caudatus (Fig. 5, 10) hindurch passiren, um mit den übrigen Stabkranzfasern (Fig. 5, 9) nach der Hirnrinde zu ziehen. Übee die pkimäeen Opticüscenteen u. s. w. 259 Demnach handelt es sich hier wirklich um ein Fasersystem, das von der Grosshirnrinde durch den äussersten Abschnitt der inneren Kapsel und durch das Pulvinar in ununterbrochener Continuität zur Vierhügelrinde zieht; mit anderen Worten wir haben hier ein System von Projectionsfasern zum oberen Vierhügel vor uns. Von diesen Projectionsfasern zu dem oberen Vierhügel muss man streng das andere bereits erwähnte Fasersystem (Fig. 3, 13, 14) unter- scheiden,^ w^elches an tieferen Schnitten die gleiche Stelle einnimmt. Wir wollen der Beschreibung dieses zweiten Systems einige Worte widmen, müssen aber vorher kurz das sogenannte mittlere und tiefliegende Mark behandeln. An Fig. 2 sieht man sehr deutlich, dass die centrale Partie des oberen Vierhügels von queren Fasern (Fig. 2, 16) eingenommen ist, die nichts anderes sind, als Fasern des tiefliegenden Markes. Man sieht, dass die- selben von der anderen Seite herkommen und nach einer Kreuzung in der Mittellinie nach aussen ziehen und dann alsbald scharf abgeschnitten endigen. Die Stelle ihrer Endigung (Fig. 2, 4) entspricht genau dem Orte, der in tieferen Praeparaten von dem als mittlerem Marke (Fig. 3, 4) bezeichneten Systeme eingenommen wird. Am Praeparate Fig. 3 be- obachtet man auch, wie die ventralsten (16) und die dorsalsten Fasern (18) des sogenannten tiefliegenden Markes einer Seite nach der Kreuzung in der Mittelhnie unmittelbar in das sogenannte mittlere Mark (4) der anderen Seite übergehen. Es bleibt also kein Zweifel, dass das sogenannte tiefliegende und mittlere Mark in unmittelbarem Zusammenhänge stehen und zwar derart, dass das tiefliegende Mark einer Seite zum mittleren Marke der anderen Seite wird. Kehren wir jetzt zu unserem Systeme zurück. Ich habe schon früher erwähnt, dass, sobald der Schnitt in der Höhe geführt ist, wo das sogenannte mittlere und das tiefliegende Mark zwei concentrische Kreise (Fig. 3) bilden, das System von Projectionsfasern zum oberen Vierhügel nicht mehr auf seinem ganzen Verlaufe zu übersehen ist. An seine Stelle ist jetzt eine neue Fasermasse (Fig. 3, 13, 14) getreten, welche ebenfalls aus der dorsalsten resp. äussersten Partie der inneren Kapsel (Fig. 3, 11) kommt, durch den innersten Abschnitt des äusseren Kniehöcker (Fig. 3, 10) geht, den innersten Theil des Pulvinars (Fig. 3, 14) durchsetzt und ganz dicht an das System des sogenannten mittleren (Fig. 3, 4) Markes herantritt. Es ist nicht sehr schwer sich davon zu überzeugen, dass zwischen den Fasern der fraglichen Bahn und denen des sogenannten mittleren Markes an dieser ^ Vergl. Verfassers „Einige Bemerkungen über den Faserverlauf in der hinteren Commissur des Gehirns“. Neurologisches Centralblatt. 1886. Nr. 5. 17* 260 L. Darkschewitsch: Stelle eine enge Beziehung existirt und zwar so, dass diese Bahn eine Fort- setzung der Fasern des mittleren Markes darstellt. Untersucht man ganz sorgfältig unter stärkeren Vergrösserungen eine Keihe von Schnitten, be- sonders aus tieferen Ebenen, so findet man, dass die Fasern unserer Bahn (Fig. 3, 14) im Bereiche des mittleren Markes immer eine Umbiegung gegen die Mittellinie machen; ja man findet sogar Stellen, an denen die Fasern des tiefliegenden Markes der entgegengesetzten Seite nach der Kreuzung in der Mittellinie nicht in das Bereich des mittleren Markes, sondern direct in die Fasern dieser Bahn (Fig. 3, 16) übergehen. Damit stimmt auch die Thatsache, dass man dieses Fasersystem auf der ganzen Strecke sowohl des oberen (Fig. 3, 13, 14) als auch des unteren Vier- hügels (Fig. 4, 4, 10) vorfindet, auf welcher Strecke man das System des mittleren resp. tiefliegenden Markes beobachten kann, und zwar bleibt das Lageverhältniss zwischen dem Systeme des mittleren Markes einerseits und den Fasern dieser Bahn andererseits immer dasselbe. Was nun den weiteren Verlauf der betreffenden mit dem mittleren Marke zusammenhängenden Bahn in der Capsula interna anbelangt, so lehren die Schnitte, die ähnlich, wie Fig. 5, geführt sind, dass die Fasern des fraglichen Sj^stems ebenso wie die des Projectionssystems zum oberen Vierhügel, zwischen dem Nucleus caudatus und dem Nucleus lentiformis nach der Grosshirnrinde ziehen. Wir haben hier also ein mächtiges System von Fasern vor uns, die von der Hirnrinde ausgehen und durch den äussersten resp. dorsalsten Ab- schnitt der inneren Kapsel verlaufend, in das mittlere Mark derselben Seite, resp. in das tiefliegende Mark der anderen Seite übergehen. Es existiren also zwei Systeme von Fasern, die von der Grosshirnrinde zu dem oberen Vierhügel ziehen, sich aber schon auf anatomischem Wege streng von einander trennen lassen; während das eine wirklich in der Sub- stanz des oberen Vierhügel derselben Seite anatomisch sein Ende findet (das System von Projectionsfasern zum oberen Vierhügel), lässt sich das andere durch das mittlere Mark derselben und das tiefliegende Mark der entgegengesetzten Seite hindurch verfolgen. Nachdem ich mich von der Existenz eines ziemlich mächtigen Bündels von Projectionsfasern zum oberen Vierhügel überzeugt hatte, hielt ich es für nothwendig meine Praeparate auch daraufhin zu untersuchen, ob sich für die Existenz ähnlicher Projektionsbündel zu den übrigen sogenannten primären Opticuscentren Anhaltspuncte gewinnen Hessen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung waren mehr negativer als positiver Natur. Doch kehren wir wieder zu den Praeparaten zurück. Schon bei der Besprechung des Praeparates Fig. 2, also eines der oberen Schnitte vom oberen Vierhügel, haben wir die Faserausstrahlung aus der Über die primären Opticuscentren u. s. w. 261 inneren Iiapsel in die benachbarten Ganglien (Corpus genicul. ext. und Thalamus opt.) berücksichtigt. Die lateralsten dieser Fasern (Fig. 2, 9) treten in den inneren ventralen Abschnitt des äusseren Kniehöckers (Fig. 2, 8) ; aber, wie wir schon damals gesehen haben, endigen sie hier nicht, sondern treten wieder aus dem Kniehöcker aus, um ihren Weg unter den Fasern fortzusetzen, die zum oberen Vierhügel (Fig. 2, 11) ziehen. Untersucht man die ganze Reihe von Schnitten, in denen der äussere Kniehöcker vor- handen ist, so findet man immer dieselben Verhältnisse, und man bekommt nirgends, auch nicht bei stärkeren Vergrösserungen, ein Bild, das man für die Annahme der Endigung eines einigermaassen ansehnlichen Bündels aus der Capsula interna im äusseren Kniehöcker verwerthen könnte. — Anderer- seits sieht man sehr deutlich und zwar auf der ganzen Strecke, in der sich der äussere Kniehöcker vorfindet, dass von der inneren Hälfte des Knie- höckers eine grosse Menge von sehr feinen Fasern (Fig. 1, 7; Fig. 3, 12) ausgeht, die bald zu einem zierlichen Bündel (Fig. 1, 8) zusammentreten und längst der vorderen Commissur des Gehirns (Fig. 1, 9), resp. der dor- salen Grenze der inneren Kapsel (Fig. 3, 11) medialwärts zu einem von den Thalamuskernen ziehen. Wir finden also mit Bezug auf den äusseren Kniehöcker Verhältnisse, die mehr für den directen Zusammenhang des letzteren mit dem Thalamus opt., als für seine directe Verbindung mit der Grosshirnrinde sprechen. Was nnn das dritte der sogenannten primären infracorticalen Opticus- centren, das Pulvinar betrifft, so wird seine Substanz, wie wir schon öfters bei der Beschreibung der Praeparate hervorgehoben haben, von verschiedenen Fasersystemen in sehr reichlicher Menge durchsetzt. Durch seine äussere capitale Partie (Fig. 1, 5; Fig. 2, 14; Fig. 3, 8) ziehen Opticusfasern, durch die äussere caudale Partie (Fig. 4, 5) die Fasern, die vom unteren Vierhügel nach der Capsula interna verlaufen. Der innere Abschnitt des Pulvinars wird in seiner ganzen Ausdehnung von einer grossen Masse von Fasern durchsetzt, die, wie erwähnt, in den oberen Theilen des Vierhügels dem Projectionsbündel zum oberen Vierhügel entsprechen (Fig. 2, 11), in den tiefer gelegenen Abschnitten (Fig. 3, 14) resp. im unteren Vierhügel (Fig. 4, 10) dem Fasersysteme des sogenannten mittleren Markes an- gehören. Ueber die Beziehung dieser erwähnten aus der Hirnrinde kommenden Fasern zur Substanz des Pulvinars muss ich dasselbe sagen, was ich oben über die Beziehung der Opticusfasern zum Pulvinar behauptet habe, nämlich, dass die fraglichen Fasersysteme auf ihrem ganzen Wege ohne Unter- brechung durch das Pulvinar verfolgt werden können, mit anderen Worten, dass alle diese Fasersysteme keineswegs Verbindungsbahnen für das Pul- vinar mit der Hirnrinde darstellen. Wenn eine directe Verbindung des 262 L. Daekschewitsch: Pulvinars mit der Grosshirnrinde wirklich existirt, so muss sie nicht durch einen besonderen, für das Pulvinar seihst bestimmten Zug, sondern durch diejenigen Fasern hergestellt werden, welche als die Projectionsfasern zum Thalamus opt. im Allgemeinen aufgefasst werden müssen. Was diese letzteren betrifft, so habe ich darüber nur wenige Worte zu sagen. Bei Untersuchung der Praeparate beobachtet man immer eine grosse Menge von Fasern, die aus der Capsula interna in den Thalamus opt. einstrahlen und die gewiss den verschiedenen Stielen (Meynert) des Thalamus opt. analog sind, durch welche der letztere heim Menschen mit der Grosshirnrinde in Verbindung steht. Eine sorgfältige Untersuchung, die sich nicht auf einzelne Praeparate beschränkt, sondern eine ununter- brochene Schnittreihe bis zum unteren Vierhügel abwärts berücksichtigt, weist zwar nach, dass die meisten von diesen Fasern mit dem Thalamus opt. selbst gar nichts zu thun haben, indem sie denselben bloss passiren, um an andere Zielpunkte zu gelangen. Doch giebt es ausser diesen Fasern zweifellos noch andere, die nicht so weit nach unten (caudal) verfolgt werden können, und die in der Substanz des Thalamus opt. ihr Ende zu finden scheinen. Dem Eindrücke nach, den ich empfangen habe, übertrifft die Menge von Fasern, die den Thalamus opt. bloss durchsetzen, die Zahl der im Thalamus opt. selbst endigenden Fasern sehr bedeutend. Hund. Der Verlauf und die Vertheilung der Fasern des Tractus opt., sowie auch die Beziehung seiner sogenannten primären infracorticalen Centren zu der Grosshirnrinde bieten beim Hunde im Grossen und Ganzen so viel Übereinstimmendes mit dem, was wir soeben an Kaninchenpraeparaten kennen gelernt haben, dass wir bei der nun zu gebenden Beschreibung dieser Verhältnisse am Hundegehirn uns ganz kurz fassen können, wenn wir die Vergleichung beider Gehirne beständig vor Augen behalten. Richten wir zuerst unsere Aufmerksamkeit auf Fig. 6. Dieselbe stellt einen Schnitt von einem Hundegehirne dar, welcher ganz dem Praeparate Fig. 5 vom Kaninchen entspricht. An diesem Praeparate sind das Corpus quadrigeminum sup. (8), das Pulvinar (10), der innere (11) und der äussere Kniehöcker (13) ganz deutlich kenntlich. Beim Vergleiche dieses Schnittes mit dem Kaninchenpraeparate Fig. 5 fällt auf, dass der innere Kniehöcker hier ungemein stark entwickelt ist, während er am Kaninchenpraeparate Fig. 5 ganz fehlte; im Uebrigen stimmen aber die beiden Praeparate in allen Punkten mit einander überein. Wir gehen jetzt zu dem Tractus opt. über und bemerken, dass der- selbe an diesem Praeparate in seinem ganzen Verlaufe übersehen werden ÜbEE DTE PRIMÄREN OpTICUSCENTREN U. S. W. 263 kann. Er zieht vom Chiasma in Form eines compacten Zuges (2) nach aussen, kreuzt den Hirnschenkelfuss (3), durchsetzt dann den äusseren Kniehöcker (13), bedeckt den inneren Kniehöcker (11) an seiner äusseren Peripherie, noch immer als ein compactes Bündel (12), passirt durch den äusseren Abschnitt des Pulvinars (10) und tritt endlich in das Corpus quadrigeminum sup. ein (9), dessen äussere Partie er einnimmt. ■ Einzelne Punkte dieses Verlaufes verdienen unsere besondere Aufmerk- samkeit. Es ist zunächst nicht ohne Interesse, die Stelle zu untersuchen, wo der Tractus opt. dem äusseren Abschnitte des Hirnschenkelfusses anliegt. Hier sieht man nämlich eine grosse Menge von Fasern (4, 5), die aus dem inneren Kniehöcker herkommen und sich dem Tractus opticus so dicht anschliessen, dass man bei Betrachtung des Praeparates mit der Lupe den Eindruck empfängt, als ob es Fasern des Tractus opt. wären, welche sich hier vom gemeinschaftlichen Zuge des letzteren abgelöst hätten. Doch lässt eine genauere Untersuchung einer Reihe von Praeparaten Capital wärts, wobei man unbedingt mit starken Vergrösserungen arbeiten muss, erkennen, dass die fraglichen Fasern keineswegs Opticusfasern sind; vielmehr sammeln sich dieselben über dem Tractus opt. bloss an, um später mit den übrigen Fasern des Hirnschenkelfusses in die Capsula interna einzugehen, wo sie die äusserste Partie einnehmen. Vergleicht man dieses Praeparat noch mit dem Kaninchenpraeparate Fig. 5, so überzeugt man sich sofort, dass unsere Fasern ein Analogon derjenigen sind, welche am Kaninchenpraeparate von der Capsula interna zum Corp. quad. sup. (Fig. 5, 4, 5, 6) verliefen. Es bleibt also kein Zweifel, dass die betreffenden Fasern (Fig. 6, 4, 5) ein besonderes System darstellen, welches mit dem Tractus opt. gar nichts zu thun hat, mit anderen Worten, dass der Tractus opt. an der fraglichen Stelle keine Fasern abzweigen lässt. Die Vertheilung der Opticusfasern in dem äusseren Kniehöcker geschieht in der nämlichen Weise, wie wir es beim Kaninchen gesehen haben. Der Tractus opticus bedeckt nämlich zum Theil die äussere Peripherie des Knie- höckers, znm anderen Theil zieht er durch die Substanz desselben hindurch. An unserem Praeparate ist das Corpus genicul. ext. (13) in seinem caudalsten Abschnitte getroffen, wo die graue Substanz noch sehr wenig ausgebildet ist. Der grösste Theil der Opticusfasern erscheint hier als Markzone, welche die caudale Oberfläche des äusseren Kniehöckers bekleidet; die übrigen Fasern scheinen aus der grauen Substanz des Kniehöckers zu entstehen, sind aber in Wirklichkeit nichts anders, als die Fortsetzung der Markzone- fasern, welche nur in mehr caudalwärts liegenden Ebenen verlaufen: mit anderen Worten directe Fortsetzungen des Tractus opt. selbst. Was nun die Beziehung der Opticusfasern zu den Elementen der grauen Substanz des äusseren Kniehöckers betrifft, so muss ich hier dasselbe wiederholen 264 L. Daekschewitsch: was ich hei den Kaninchenpraeparaten in Bezug auf diesen Punkt geäussert habe, nämlich, dass ein Zusammenhang zwischen den Pasern des Tractus opt. und den Elementen der Substanz des äusseren Kniehöckers nicht an- zunehmen ist. Nachdem die Fasern des Tractus opt. den äusseren Kniehöcker durch- setzt haben, sammeln sie sich wieder zu einem compacten Bündel (12) und fangen, wie gesagt, an, durch die äussere Peripherie des inneren Kniehöckers dorsalwärts gegen das PuBinar (10) zu ziehen. Auf diesem ganzen Ver- laufe lässt die sorgfältigste Untersuchung keine Umbiegungen der Fasern gegen die Mittellinie in die Substanz des inneren Kniehöckers erkennen. Der letztere wird von den Opticusfasern bloss von aussen bedeckt, ohne dass dieselben in ihn eintreten. Dieses Verhältniss stimmt ganz mit dem überein, was wir an Kaninchenpraeparaten (Fig. 5) beobachtet haben, so dass wir hier wieder eine engere Beziehung des Tractus opt. zu dem inneren Kniehöcker in Abrede stellen müssen. Je mehr der Tractus opt. sich dem oberen Vierhügel nähert, desto mehr verliert er seine compacte Gestalt, so dass er in dem Pulvinar wieder in einzelne Fasern aufgelöst erscheint. Diese nehmen wie beim Kaninchen die äussere Partie des Pulvinars (10) ein und können auf ihrem ganzen Verlaufe mit solcher Deutlichkeit ohne jede Unterbrechung bis zum oberen Vierhügel verfolgt werden, dass auch hier das Fehlen eines Zusammenhangs der Opticusfasern mit der Substanz des Pulvinars ausser allem Zweifel ge- stellt werden muss. Im oberen Vierhügel geht die Vertheil ung der Opticusfasern beim Hunde ganz ähnlich, wie beim ‘Kaninchen vor sich. Die Opticusfasern bilden nämlich eine Schale um die äussere, dorsale und caudale Peripherie des Vierhügels, wobei sie wieder Capital wärts von der Grenze auf hören, die den oberen vom unteren Vierhügel trennt, und ihre Stelle von den Fasern eingenommen wird, welche aus dem unteren Vierhügel nach der Capsula interna ziehen. An Schnitten, die ähnlich, wie das Kanin chenpraeparat Fig. 5 geführt sind, nehmen die Opticusfasern die äussere Peripherie des Vierhügels (Fig. 6, 9) ein, während die innere Partie der Peripherie dem Fasersysteme (Fig. 6, 7) den Ursprung giebt, das, wie wir sehen werden, zur Hirnrinde zieht. Wir wollen noch kurz bemerken, dass es auch beim Hunde nicht gelingt, einen Uebergang der Opticusfasern in die Substanz des Vierhügels der entgegengesetzten Seite nachzuweisen. Ich will jetzt einige Worte über die Beziehung der Opticusfasern zum unteren Vierhügel sagen. Beim Hunde ist es wieder ganz leicht, sich zu überzeugen, dass der Tractus opt. mit dem unteren Vierhügel in gar keiner Verbindung steht. Alle Fasern, welche aus dem unteren Vierhügel ent- stehen, ziehen mit den Fasern des sogenannten mittleren Markes des Vier- Über die primären Opticuscenteen u. s. w. 265 hügels durch das Pulvinar und den inneren Kniehöcker ventralwärts und sammeln sich nach aussen von dem Hirnschenkelfusse (4), um später mit den Fasern des letzteren nach der Capsula interna zu verlaufen. An der Stelle, wo der Tractus opt. diesen Fasern nahe anliegt (4), kann es auf den ersten Blick scheinen, als oh hier ein Zusammenhang zwischen diesen beiden Fasersystemen bestände; doch wird das, wie gesagt, durch eine ge- nauere Untersuchung völlig widerlegt. Was nun die Projectionsfasern zu den sogenannten primären Opticus- centren betrifft, so giebt die Untersuchung der Hundepraeparate dieselben Eesultate, wie beim Kaninchen. Man kann nämlich auch hier nur ein einziges gesondertes System von Fasern deutlich erkennen, welches sich aus der inneren Kapsel zu dem oberen Yierhügel verfolgen lässt. Dieses zieht durch den äusseren und den inneren Kniehöcker (Fig. 6, 5), durch den inneren Abschnitt des Pulvinars (10) und endigt in der inneren Partie der Peripherie (7) des oberen Vierhügels. Es verläuft nur in dem capitalen Theile des Yierhügels, während seine Stelle in den mehr caudal gelegenen Abschnitten des letzteren von Fasern eingenommen wird, die aus der Capsula interna zum sogenannten mittleren Marke ziehen. Gesonderte Fasersysteme aus der inneren Kapsel zu dem äusseren Kniehöcker und dem Pulvinar sind hier in derselben Weise, wie beim Kaninchen, nicht nachzuweisen. II. Zusammenfassung und Besprechung der Resultate. Yor den Untersuchungen von v. Gudden wurden allgemein als primäre Opticuscentren ausser dem oberen Yierhügel, dem Pulvinar und dem äusseren Kniehöcker, noch der innere Kniehöcker und der untere Yierhügel angeführt. Dieser Forscher hat zuerst vermittelst seiner Unter- suchungsmethode nachgewiesen, dass „die Centralorgane der N. optici . . . sich in den vorderen Hügeln, dem Corp. genic. ext. und in noch näher zu umgrenzenden Theilen der Thalami (befinden)“,^ nachdem er sich über- zeugt hatte, dass die Corp. genic. interna „zum Gesichtssinne in keiner physiologischen Beziehung^^ stehen und dass das Gleiche für die unteren Yierhügel gilt. ^ Forel, der ganz mit v. Gudden in diesem Punkte ^ Ueber die Kreuzung der Fasern im Chiasma N. opticorum. Archiv für Oph- thalmologie. 1874. Bd. XX. S. 257. ^ Ebenda, S. 260 und Archiv für Esychiatrie. Bd. II. 266 L. Darkschewitsch: übereinstimmt, ^ theilt seinerseits ein Experiment mit, bei dem er nach der Wegnahme des unteren Yierhügels beim neugeborenen Kaninchen gar nichts abnormes an den N. optici bemerken konnte. ^ Auch v. Monakow^ hält auf Grund seiner Untersuchungen für die primären Opticuscentren nur das Corpus genic. ext., das Pulvinar und den vorderen Vierhügel. Kürzlich ist Bechterew^ auf dem Wege des Thierexperimentes zur Ansicht ge- kommen, dass der untere Yierhügel als Endigungsort für den Tractus opt., nämlich für das gekreuzte Bündel desselben aufgefasst werden müsse. Die Ergebnisse meiner histologischen Untersuchungen in Bezug auf den unteren Yierhügel sprechen nach dem oben Mitgetheilten entschieden zu Gunsten der Ansicht von v. Gudden und der anderen Autoren, welche mit diesem Forscher übereinstimmen und stehen in Widerspruch zu der Ansicht von Bechterew. Wir haben nämlich gesehen, dass alle Fasern, welche aus dem Bereiche des unteren Yierhügels hervorgehen, in ununter- brochener Continuität nach der Capsula interna ziehen und, obgleich die- selben an einigen Stellen dem Tractus opt. dicht anliegen, haben sie doch in Wirklichkeit mit letzterem gar nichts zu schaffen. Dem entsprechend muss ich behaupten, dass der untere Yierhügel in keiner Beziehung zu dem Tractus opt. steht. Ganz dasselbe muss ich auch im Bezug auf den inneren Kniehöcker aussagen. Beim Hunde, wo der Tractus opt. durch die äussere Peripherie desselben zieht (Fig. 6, 12), konnten wir keinerlei Umbiegungen der Opticus- fasern gegen die Mittellinie in die Substanz des Kniehöckers auffinden. Beim Kaninchen gelingt es gleichfalls bei genauerer Untersuchung nach- zuweisen, dass diejenigen Fasern (Fig. 4, 6), welche durch den inneren Kniehöcker ziehen und im Bereiche des äusseren Kniehöckers den Opticus- fasern sehr dicht anliegen, keine Fortsetzung des Tractus opt. darstellen, sondern dass sie alle nach der Capsula interna verlaufen. Diese letztere Thatsache steht im Einklänge mit den Ergebnissen der Untersuchungen von Monakow, der bei experimentell erzeugten Rindenläsionen an Katzen gefunden hat, dass „die lateral-caudale Partie des Corpus geniculatum intern, und dessen laterale Markzone .... eine nicht unerhebliche Yolumens- verkleinerung und Atrophie darboten.“ ^ Eine solche secundäre Atrophie ^ Untersuchungen über die Haubenregion. Archiv für Psychiatrie. 1877. Bd. VII. ^ Einige hirnanatomische Untersuchungen. Allgemeine Wiener medicinische Zei- tung. 1881. Nr. 46. ® Experimentelle und pathologisch-anatomische Untersuchungen über die Beziehung der sog. Sehsphäre u. s. w. Archiv für Psychiatrie. Bd. XVI. Ueber die Function des Vierhügels. Separat-Abzug aus dem ,yWratscP*. 188S. Nr. 35. (Russisch.) ® Neue experimentelle Beiträge zur Anatomie der Schleife. Neurologisches Cen- tralhlatt. 1885. Nr. 12. Über die primären Opticuscentren u. s. w. 267 des Corpus gen. int. nach der Extirpation des Scheitel- und Hinterhaupts- hirns hat auch v. Gudden bestätigt.^ Meine histologischen Untersuchungen sprechen also für die Annahme, dass das Corpus genic. internum sich in keiner Verbindung mit den Opticusfasern befindet. Ich sehe mich aber genöthigt in der Zurückweisung primärer Centren für den K opticus noch weiter zu gehen und auch die Bedeutung des Pulvinars als Opticuscentrum zu bestreiten. Es ist leicht zu ver- stehen, warum die Enucleation eines Auges beim neugeborenen Thier eine beträchtüche Volumverkleinerung der lateral-capitalen Partie des Pulvinars hervorruft. Wir haben ja an vielen Praeparaten sowohl vom Kaninchen (Fig. 2, 14; Eig. 3, 8; Eig. 5, 13), als auch vom Hunde (Fig. 6, 10) ge- sehen, in wie reichlicher Zahl die Opticusfasern die Substanz des Pulvinars durchsetzen. Damit ist aber für den Zusammenhang der Opticusfasern mit der Substanz des Pulvinars nichts entschieden, und es kommt vielmehr in Betracht, dass wenigstens die meisten der Opticusfasern auf ihrem ganzen Verlaufe durch das Pulvinar bis zum oberen Vierhügel ohne Unterbrechung verfolgt werden können. Dieses histologische Verhältniss spricht also ent- schieden gegen die Meinung, dass das Pulvinar ein Opticuscentrum sei. — Diese Ansicht über das Pulvinar vertrete ich jedoch nicht ganz allein; V. Gudden hat in neuester Zeit seine frühere Meinung über die Opticus- centren in der Richtung modificirt, dass auch er jetzt bloss zwei Centren, das eine im Corpus genicul. ext., das andere im oberen Hügel des Corpus quadratus gelten lässt. ^ Alles was ich soeben über das Pulvinar gesagt habe, gilt auch für das Corpus genicul. externum, so dass ich auf Grund meiner Untersuchungen be- haupten muss, dass der äussere Kniehöcker ebenso wie das Pulvinar den Opticusfasern keinen Ursprung geben. Die beträchtliche Schrumpfung des Corpus genicul. ext. nach der Enucleation des contra- lateralen Bulbus muss ich wie vorhin durch den Ausfall der bloss durch- ziehenden Opticusfasern erklären, welche die Substanz des Kniehöckers, wie wir gesehen haben, in so reichhcher Zahl (Fig. 1, 6; Fig. 2, 7, Fig. 3, 9) einschliesst. Ich will nicht die Annahme von v. Gudden^ bestreiten, dass sich zu den Opticusfasern, die aus dem oberen Vierhügel entstehen, im Be- reiche des äusseren Kniehöckers eine Anzahl von ganz anderen Fasern bei- gesellen; ich behaupte das vielmehr selbst; muss aber daran festhalten. ^ lieber die Frage der Localisation der Functionen der Grosshirnrinde. Bericht über die Jahresversammlung des Vereins der deutschen Irrenärzte. II. Sitzung 17. September 1885. Neurologisches Centralblatt. 1885. Nr. 19. ^ lieber die Sehnerven, die Sehtractus u. s. w. Die Versammlung der deutschen Naturforscher und Aerzte in Strassburg 1885. Neurologisches Centralhlatt. 1885. Nr. 19. 3 Ebenda, 268 L. Darkschewitsch: dass diese Tasern keineswegs im Kniehöcker selbst entstehen, sondern dass sie von der Glandula pinealis und dem Ggl. habenulae herstammen. Ich nehme also für denN. opticus (für seine Sehfasem [v. Gudden]) nur ein Centrum — den oberen Hügel des Corpus quadrigeminus — an, wobei ich aus der Glandula pinealis und dem Ggl. habenulae eine Anzahl von Fasern hervorgehen lasse, welche sich im Bereiche des äusseren Knie- höckers zu den Opticusfasern gesellen, und die nach meinen physiologi- schenUntersuchungen^alsPupillarfasern(v.Gudden) angesehen werden dürfen. Die Hypothese von Charcot,^ nach der die Opticusfasern sich im Yierhügel kreuzen und in die Substanz des Yierhügels der ent- gegengesetzten Seite übergehen sollen, findet in den Ergebnissen meiner Untersuchungen, die hierin im Einklänge mit denen von Eorel^ stehen, keine Bestätigung. Was nun die Beziehung der sogenannten infracorticalen Opticuscentren zur Hirnrinde betrifft, so nimmt v. Monakow^ auf Grund seiner experi- mentellen Untersuchungen Yerbindungen der verschiedenen Partien der Hirnrinde mit dem äusseren Kniehöcker, dem oberen Yierhügel und den verschiedenen Abschnitten des Thalamus opt. an. Meine histologischen Untersuchungen erlauben mir nicht, der Ansicht von v. Monakow ohne Weiteres beizutreten. Ich muss nicht bloss, im Anschlüsse an Eorel,^ eine directe Yerbindung des äusseren Kniehöckers mit der Hirnrinde bestreiten, sondern auch die directe Yerbindung des Pulvinars mit der Grosshirnrinde in Abrede stellen. Es wirft sich mir überhaupt die Frage auf, ob v. Mo- nakow den secundären Atrophien bei seinen Untersuchungen die richtige Er- klärung gegeben hat, und ob nicht diese Atrophien bloss als eine Folge des Schwindens der Fasern aufgefasst werden müssen, die, wie wir gesehen haben, in so reichlicher Masse sowohl den äusseren Kniehöcker, als den Pulvinar bloss durchsetzen. Ich muss wenigstens behaupten, dass auf histo- logischem Wege nur ein Zusammenhang des oberen Yierhügels mit der Hirnrinde durch ein besonderes Faserbündel nachzuw eisen ist, während zu dem äusseren Kniehöcker und dem Pulvinar kein ge- sonderter Faserzug von der Grosshirnrinde verfolgt werden kann. Wenn wir die Ergebnisse der hier mitgetheilten Untersuchungen zur Construction eines Yerlaufsschemas für den N. opticus verwenden wollen, so ergiebt sich das Taf. XII Fig. 7 dargestelite Resultat. ^ Versuche über die Durchschneidung der hinteren Gehirncommissur beim Kanin- chen. Pflüger’s Archiv u. s. w. 1886. Bd. XXXVHI. ^ Legon sur les localisations dans les maladies du cerveau et de la moelle epiniere. ^ Untersuchungen über die Haubenregion. ^ Ueber einige durch Exstirpation circumscripter Hirnrindenregionen bedingte Entwickelungshemmungen des Kaninchengehirns. Archiv für Psychiatrie. Bd. XII. ^ A. a. 0. Über die primären Opticuscentren u. s. w. 269 Erklärung der Abbildungen. Fig*. 1. Horizontais cbnitt durch den Hirnstamm des Kaninchens. 1. Grauer Saum der Vierhügelsubstanz. 2. Oberer Vierhügel. 3. 4. Opticusfasern. 5. Pulvinar. 6. Corpus genic. ext. 7. 8. Fasern, welche aus dem äusseren Kniehöcker entstehen (siehe Text). 9. Vordere Gehirncommissur. 10. Innere Kapsel. 11. Pupillarfasern des Tractus opt. 12. Thalamus opt. 13. Gl. habenulae. Fig. 2. Horizontalschnitt durch den Hirnstamm des Kaninchens. 1. Grauer Saum der Vierhügelsubstanz. 2. Oberer Vierhügel. 3. Zwischenraum zwischen den Opticus- fasern und dem sog. mittleren Marke des Vierhügels. 4. Sog. mittleres Mark des Vierhügels. 5. 6. Opticusfasern. 7. Corpus genic. ext. 8, 9, 11, 15, 17. Projectionsfasern zum oberen Vierhügel. 10. Innere Kapsel. 12, 14. Pulvinar. 13. Gl. habenulae. 16. Fasern des sog. tiefliegenden Markes des Vierhügels. Fig. 3. Horizontalschnitt durch den Hirnstamm des Kaninchens. 1. Grauer Saum der Vierhügelsubstanz. 2. Zwischenraum zwischen den Opticus- fasern und dem sog. mittleren Marke des Vierhügels. 3. Oberer Vierhügel. 4. Sog. mittleres Mark des Vierhügels. 5. 7. Opticusfasern. 6. Zwischenraum zwischen den Opticus- fasern und den Fasern des sog. mitt- leren Markes des Vierhügels. 8. Pulvinar. 9. Corp. genic. ext. Fig. 4. Horizontalschnitt durch den 1. Unterer Vierhügel. 2. Fasern, welche aus dem unteren Vier- hügel nach der Hirnrinde ziehen. 3. Eest des grauen Saumes der Substanz des oberen Vierhügels. 4. Fasern, die von der Hirnrinde zum sog. mittleren Marke des Vierhügels ziehen. 5. 10. Pulvinar. 10. 13, 14. Fasern, die von der Hirnrinde zum sog. mittleren Marke des Vier- hügels ziehen. 11. Innere Kapsel. 12. Fasern, die aus dem äusseren Knie- höcker entstehen. 15. Hintere Gehirncommissur. 16. 18. Fasern des sog. tiefliegenden Mar- kes des Vierhügels. 17. Sog. tiefliegendes Mark des Vierhügels. 19. Projectionsfasern zum oberen Vierhügel. Hirnstamm des Kaninchens. 6. Corpus genic. internum. 7. Corpus genic. externnm. 8. Fasern aus der inneren Kapsel (siehe Text). 9. Innere Kapsel. 11. Hintere Gehirncommissur. 12. Sog. mittleres Mark des Vierhügels. 13. Sog. tiefliegendes Mark des Vierhügels. 270 L. Daekschewitsch: Übee die peimäeen Opticüscenteen u. s. w. Fig. 5. Schnitt durch den Hirnstamm eines Kaninchens, der unter 45^ zur Hori- zontalehene geführt ist. 1. Oberer Vierhügel. 9. Stabkranzfasern. 2. 4, 5, 6. Projectionsfasern zum oberen 10. Schweifkern. Vierhügel. 11. Corpus genic. ext. 3. Hintere Gehirncommissur. 12. Tractus opticus. 7. Innere Kapsel. 13. Pulvinar. 8. Linsenkern. 14. Opticusfasern. Fig, 6, Schnitt durch den Hirnstamm des Hundes, der ähnlich wie Fig. 5 ge- führt ist. 1. Chiasma nn. opticorum. 8. Oberer Vierhügel. 2. Tractus opt. 9. Opticusfasern. 3. Hirnschenkelfuss. 10. Pulvinar. 4. 5, 7. Projectionsfasern zum oberen Vier- 11. Corpus genic. internum. hügel. 12. Tractus opticus. 6. Hintere Gehirncommissur. 13. Corpus genic. externum. Fig. 7. D ist das rechte, 8 das linke Auge; CH — Chiasma nn. opticorum; TO = Tractus opt., welcher nach der Abtrennung der Pupillarfasern (io) für die Glan- dula pinealis (p) in den oberen Vierhügel (.»L- ju? ■ üfi’LAr,siv5A.Mx?,feipii5. r^//:M 'Dirxn. tnfiü> /'. Snat u hui . Ihlhh] äSlAr -K'' A Verlag Voll K-Conii), Leipzig. Ueber eine Eigenthümlichkeit der äusseren Körner. Von Dr. P. Rudloffi (Aus der anatomischen Anstalt in Leipzig.) Da die äusseren Körner die Kerne der Sehzellen sind, so beanspruchen sie ein besonderes Interesse, und ist die Frage, inwieweit sie mit den Kernen der übrigen Zellen übereinstimmen oder nicht, von einigem Werth. Man hat von ihnen, insbesondere von den Stäbchenkörnern beschrieben, dass sie durch eine eigenthümliche quere Bänderung (He nie) ausgezeichnet sind, und sich hierdurch von den übrigen in der Retina vorkommenden Kernen unterscheiden. Eine noch auffallendere Differenz erhält man in folgender Weise. Man lege den frischen Bulbus eines Kaninchens in eine concentrirte wässrige Sublimatlösung, und lasse ihn hier 24 Stunden liegen. Dann bringt man den Bulbus in Wasser, schneidet ihn hier auf, entfernt den Glaskörper und wäscht ihn durch öfteres Wechseln des Wassers 24 Stunden gut aus. Er kommt dann für beüebige Zeit in Alkohol, wird in Paraffin eingebettet und geschnitten; die Schnitte werden nach Auswaschen des Paraffins u. s. w. nach der Gram’schen Methode ^ auf dem Objectträger gefärbt. Es zeigt sich dann, dass alle Kerne der Retina farblos, und nur die äusseren Körner dunkelblau gefärbt sind. Die Gram’sche Methode zeichnet sich bekanntlich dadurch aus, dass sie die Bacterien färbt, die Kerne der Zellen dagegen ungefärbt lässt; es scheint also, als wenn eine gewisse Yerwandtschaft zwischen den in den ^ Gram, Fortschritte der Medicin. 1884. S. 185. 272 P. Rudloef: Übee eine Eigenthümlichkeit der äusseren Körner. äusseren Körnern und in den Bacterien vorhandenen Stoffen besteht. Voll- ständig ist diese Uebereinstimmung der Eeaction nicht; denn wenn man, wie es bei der Gram’schen Methode üblich ist, nachträglich Doppelfärbungen an wendet, so zeigen sich hier Unterschiede. Färbt man z. B. nachträglich mit alkoholischem Eosin, so bleibt jene beschriebene Blaufärbung der äusseren Körner bestehen, färbt man dagegen mit wässerigem Bismarkbraun, so ver- schwindet die blaue Farbe des Gentianaviolett und macht der Gelbfärbung des Bismarckbraun Platz, während die Bacterien blau bleiben. Diese Beactionen zeigen, dass die äusseren Körner sich den anderen Kernen der Retina gegenüber different verhalten; von den Bacterien unter- scheiden sie sich durch die erwähnte Einwirkung des Bismarkbraun. Am besten überzeugt man sich hiervon wenn man das Kaninchen, dessen Bulbus man benutzen will, vorher in der vorderen Kammer mit Milzbrandbacillen impft und seinen Tod abwartet. Man hat dann in einem Schnitt die Re- actionen der äusseren Körner, der übrigen Kerne und der Bacillen in den Gefässen der Chorioidea nebeneinander. Nach den Beobachtungen von Hrn. Dr. Altmann,^ dem ich auch die Anregung zur vorliegenden Untersuchung verdanke, sind es die Kerne der späteren Sehzellen, welche allein in der embryonalen Retina durch ihre Ver- mehrung den Zellenbestand dieses Organes liefern. Sie haben diese Eigen- thümlichkeit gemein mit der analogen Zellenschicht aller übrigen Organanlagen. Es lag nun die Möglichkeit vor, dass diese Eigenthümlichkeit mit der beschrie- benen Färbungsdifferenz in Verbindung steht. Es ist jedoch bis jetzt noch nicht gelungen, am Embryo dieselbe Differenz zu erzielen, ebensowenig beim erwachsenen Organismus an anderen Stellen, als an den äusseren Körnern. Es deutet dieses darauf hin, dass die beschriebene Differenz dieser Körner sich erst mit der specifischen Umbildung der Sehzellen einstellt. ^ Altmann, XJeher embryonales Wachsthum. Leipzig 1881. ITTitersiicliiingen über den Verhornungsprocess. I. Mittlieilung. Die Histogenese des Uagels beim menscblichen Toetus» Von Dr. Richard Zander, P-ivatdocenten und Prosector der Anatomie in Königsberg i. Pr. (Hierzu Taf. XIII.) Bei meinen UntersuchuDgeu der frühesten Stadien der Nagelent Wickelung beim Menschen ^ machte ich die Bemerkung, dass die in der Literatur sich findenden Angaben über den Modus der Histogenese des foetalen Nagels mit meinen Beobachtungen nicht völlig in Einklang zu bringen sind: sie erwiesen sich nicht nur als mehr oder weniger unvollständig, sondern widersprachen in manchen Punkten sogar ganz direct dem, was ich gesehen. Das gab mir die Veranlassung, den Vorgang genauer zu studiren. Eine grössere Anzahl (in Alkohol oder in Müller’scher Lösung resp. Chromsäure und Alkohol) vorzüglich conservirter menschlicher Poeten aus verschiedenen Altersperioden stand mir zur Verfügung; auch an brauch- barem Material von Neugeborenen, Kindern und Erwachsenen, hatte ich keinen Mangel. Leider aber vermochte ich in den letzten zwei Jahren keine geeigneten Poeten in so frischem Zustande zu erlangen, dass ich durch eine Con trolle meiner Praeparate am frischen Objecte einen in jeder Hinsicht vollkommenen Abschluss hätte erzielen können. Diese Unter- suchungen bildeten den Ausgangspunkt einer systematischen Bearbeitung ^ Die frühesten Stadien der Nagelentwickehing und ihre Beziehung zu den Digi- talnerven. Dies Archiv, 1884. S. 108—144. Archiv f. A. u. Pli. 188G. .\nat. Abthler. 18 274 Richaed ZandeE: anderer Hornbildungen, die mich seit Jahren beschäftigt hat. Wenn ich vor Beendigung dieser mich zur Mittheilung meiner Beobachtungen über die Histogenese des foetalen meschlichen Nagels entschliesse, so geschieht dies, weil ich dieselben für geeignet halte, einige Klarheit über das Wesen des Verhornungsprocesses zu verbreiten. Literatur. Die Bildung der menschlichen Nägel vollzieht sich nach Kölliker^ auf folgende Art: Bei Foeten des vierten Monats tritt zwischen Stratum Malpighii und der aus einer einfachen Lage polygonaler Zellen mit deut- lichem Kern bestehenden Hornschicht des Nagelbettes eine einfache Lage blasser, platter, vieleckiger und kernhaltiger Zellen auf, die fest Zusammen- hängen und „als die erste Andeutung der eigentlichen Nagelsubstanz anzu- sehen sind.‘^ Das Stratum Malpighii verdickt sich unter diesen Zellen, so dass mindestens zwei Zellschichten über einander zu liegen kommen. Der Nagel, anfänglich von der Oberhaut umschlossen, bildet sich auf dem ganzen Nagelbett in Form eines viereckigen Plättchens durch eine Umwand- ; hing der Zellen der Schleimschicht. Während er sich nun verdickt durch den Zutritt neuer Zellen von unten her und vergrössert durch den t Ansatz neuer Elemente an den Rändern, bleibt er noch einige Zeit unter dem Stratum corneum verborgen, wird dann am Ende frei und lieginnt in ; die Länge zu wachsen. In Uebereinstimmung hiermit giebt Frey^ an, dass im vierten Monat ' des intrauterinen Lebens unter der foetalen Epidermis und über dem Rete j Malpighii des Nagelbettes eine Schicht neuer Zellen erscheint, „welche die j erste Andeutung der hornigen Nagellagen kommender Tage ausmachen soll.“ Derartige Lagen häufen sich übereinander, so dass die allerdings noch \ weiche Hornschicht eine grössere Mächtigkeit erlangt. Die Bedeckung des Nagels durch Epidermoidalschüppchen verschwindet zu Ende des fünften Monats. Biesiadecki^ findet ebenfalls im vierten Foetalmouat zwischen den Epithelien des leistenähnlichen Fortsatzes, welchen die Schleimschicht in das Corium schon früher, im dritten Monat, hineingesendet hat, eine drei- bis ^ A. Köl liker, J^ntioickelungsgeschichte des Menschen und der höheren Thiere. 11. Aiifl. Leipzig 1879. S. 777 ff. und Grundriss der Entwickelmigsgeschichte des Men- schen und der höheren Thiere. II. Aufl. Leipzig 1884. S. 331 u. 332. ^ H. Frey, ITandbuch der Histologie und llistochemie des Menschen. 5. Aufl. Leipzig 1876. S. 181. ^ A. Liesiadcck i , Strickcr’s Tlandhuch der Lehre von den Geirehen des Menschen und der Thiere. Leipzig 1871. Bd. 1. (kap. XXVI. Nägel. S. Gl 2. Untersuchungen über den Verhornungs]>rocess. 275 vierfache Reihe platter, kernhaltiger, sehr scharf begrenzter Zellen. Diese, welche den Nagelzellen entsprechen sollen, schieben sich zwischen die Schleim- und Hornschicht des Nagelbettes ein, so dass der vorgebildete Nagel noch von der Hornschicht zugedeckt ist und keinen freien Rand be- sitzt. Indem nun der Nagel unterhalb der Hornschicht bis zur Fingerspitze (im sechsten Monate) reicht, hebt er die Hornschicht in Form einer nach rückwärts offenen Tasche ab. Auch Gegenbaur^ nimmt an, dass die erste Bildung des Nagels nicht unmittelbar auf der Oberfläche erfolgt. Nachdem sich im dritten Monat das Nagelbett abgegrenzt hat, entsteht unter der Hornschicht seiner Epidermis eine dünne aus festen Zellen zusammengesetzte Platte, welche allmählich vom Nagelfalz und Nagelbett aus zunimmt und den von der Hornschicht gebildeten Ueberzug gegen den sechsten Monat verliert. Nach Klein 2 wird im foetalen Nagelbett das Stratum germinativum von dem gewöhnlichen Stratum lucidum und Stratum corneum bedeckt; ersteres ist aber das stärkere. Der foetale Nagel wird gebildet durch eine ungemein schnelle Theilung der Zellen des Stratum germinativum und eine Umwandlung der oberflächlichen Zellen desselben zu den Schüppchen des Stratum lucidum. In diesem frühen Stadium ist der Nagel von einem Stratum corneum bedeckt. Am Ende des fünften Monats bricht der Rand durch dieses Stratum corneum durch und im siebenten Monat ist der grössere Theil frei davon. Noch weniger bestimmt als in den bisher angeführten Handbüchern ist der Vorgang in Quain’s „Elements of Anatomy“^ geschildert; Bei dem dreimonatlichen Foetus, heisst es daselbst, beginnt die Epidermis über der Nagelmatrix in ihren unteren Theilen den Character des Nagels anzunehmen. Nach dem Ende des fünften Monats beginnt der Nagel die bedeckende Oberhaut zu durchbrechen und im siebenten Monat nimmt das Längenwachsthum seinen Anfang. Ganz unbestimmt sind die Angaben in Sappey’s Traite d’anatomie. ^ Zu erwähnen wäre noch, dass in Balfour’s Handbuch der vergleichen- den Anatomie® Kölliker’s Angabe von der ersten Entstehung des Nagels im Innern der Epidermis acceptirt wird. ^ Gegeiibaur, Lelirhucli der Anatomie doa Mensehen. Leipzig 1886. S. 892. ^ E. Klein, Elements of Histology. IV. Edit. London, Paris und New-York 1884. S. 289. ^ Quai ns, Elements of Anatomie. VIII. Edit, London 1876. Vol. II. S. 219. Ph. C. Sappey, Traite d’anatomie descriptive. Paris 1879. t. IV. Embiyo- logie. S. 919. ^ F. M. Balfour, Handlmch, der ^lergleichenden Embryologie. Deutsch von Vetter. Jona 1881. Bd. II. S. 854. 18 276 Kichard Zander: Aus Specialarbeiten, welche die Bildung der ISägel berücksichtigen, habe ich Folgendes zu erwähnen. Ren au t^ fand, dass der Nagel im vierten Monat unter der Epidermis entsteht von der er zunächst ganz und gar bedeckt wird und die er erst gegen Ende des embryonalen Lebens mit seinem vorderen Rande durch- bricht. Der Epidermisüberzug des Nagels geht alsdann in der Richtung nach dem Falz zu verloren. Dieser Angabe, welche mit der Köl liker ’s zusammenfällt, schliesst sich auch Henle^ in seiner letzten Publication an. An dem Sagittalschnitt durch das Daumenendglied eines fünf Monate alten menschlichen Foetus zeigte sich zwischen den Zellen des Nagelfalzes ein hellerer Streif, der sich in die Epidermis der unteren Fläche des Nagelwalls und in den Nagel- körper schied. Der gelb gefärbte Nagel erstreckte sich bis auf die Mitte der Länge des Nagelbettes. Die Epidermis an der unteren Fläche des Nagelwalls setzte sich, an dem vorderen Rande des letzteren mit der Epi- dermis der oberen Fläche des Nagelwalls vereinigt, über das Nagelbett fort. Der Nagel wird demnach nach Henle’s Ansicht bei seiner ersten Ent- wickelung, ebenso wie beim späteren Wachsthum von dem Falz aus vor- wärts geschoben. Die Schleinischicht des Nagelwalles und Nagelbettes , färbten sich an dem untersuchten Praeparat mit Carmin, es konnten aber ' in den Zellen nicht Eleidinkörnchen nachgewiesen werden. Unter dem Nagel fand sich eine bis zum vorderen Rand des Walles hinziehende dunkle ' feinkörnige Schicht von allmählich zunehmender Mächtigkeit, die für Ony- chin zu halten ist, weil sie sich indifferent gegen Carmin und Haematoxylin j verhält. Schon beim Foetus nähme demnach die Onychinschicht dieselbe ] Region wie beim reifen Menschen ein. ^ Auch Ranvier^ scheint der allgemein angenommenen Ansicht \ Kölliker’s zuzustimmen, wie aus einer kurzen Notiz hervorgeht, welche > besagt, dass in einer gewissen Entwickelungsperiode beim Menschen der foetale Nagel von Epidermis überdeckt ist, wie der Nagel der erwachse- nen Hufthiere (Hyponichion). Diese Epidermis ist gebildet aus mehreren Lagen weicher Zellen, die sehr reich an Glycogen sind und ausserdem ^ Bei S. Arloing, Poils ei ongles. Leurs Organes producteurs. Paris 1880. p. 149. (Nach Virchow-Hirsch, JalireshericM für 1880 und Henle, Das Wachs- ihum der menschlichen Nägel u. s. w. citirt. ^ J. Henle, Das Wachsthum des menschlichen Nagels und des Pferdehufs. Äh- j handlungen der Jcgl. Gesellschaft der Wissenschaften za G'öttingen. Güttingen 1884. | Bd. XXXI. S. 28 u. 29. ^ ! ^ L. Kanvier, Traite technique dhistologie. p. 887; — De l’eleidine et de la : repartition de cette suhstance dans la peau, la muqueuse huccale et la muqueuse oeso- i ])hagienne des vertebres. Archivrs de physiologie normale et pathologie. 1884. III. Serie. Tom. III. p. 125— 141. | Un'I'EUSITCIIUNÜEN über den Verhoknunuspuocess. 277 grosse Kloidiiitropfon enthalten. Aber weder in der Nagelplalte nucdi in deren Matrix soll nach ilini sich je Glycogen oder Eleidin linden. (W al- deycr^ hatte das Vorkommen von Eleidin in den Hufen von Pferdefoeten behauptet.) Am genauesten ist bisher die Entwickelung des Nagels beim mensch- lichen Eoetus von Unna^ beschrieben worden. Die Kesultate, zu denen dieser gelangte, befinden sich im Wesentlichen im Einklang mit den An- gaben von K öl liker. Die Zehe eines zwei bis drei Monate alten mensch- lichen Eoetus zeigte auf dem Nagelbett nicht wie an der übrigen Haut ein cylindrisches sondern ein cubisches Epithel und eine schwächere Stachel- schicht. Vom Rücken des zweiten Gliedes zieht darüber bis zur Einger- kuppe eine dicke lamellöse Hornschicht (Eponychium). Unter letzterer entsteht bei dem 4^2 monatlichen Eoetus die erste Andeutung des defini- tiven Nagels als eine kleine, auf dem Längsschnitt der Zehe linsenförmige Anhäufung klarer und grosser Stachelzellen am Ausgange des Nagelfalzes. Diese Zellen dringen, wie dies an einer sechsmonatlichen Zehe deutlich wurde, weiter nach hinten in den Nagelfalz ein und schieben sich unter dem Eponychium mehr und mehr nach vorn fort (damit steht in Einklang die vorhin mitgetheilte aber später veröffentlichte Angabe Heulens) wobei sie zugleich von hinten nach vorn verhornen, ohne dass (wie dies auch Ran vier behauptet) Körnerzellen auftreten. Im achten Monat liegt das Eponychium nur dem hinterem Abschnitt des Nagels auf; der Nagel ist sonst frei. Während in der Haut des Neugeborenen die Körnerschicht, welche bereits im achten Monat zwischen Stachel- und Hornzellen auftritt, sich überall findet, fehlt sie im Gebiet des Nagels. Dieselbe Beobachtung hatte schon früher Heynold^ gemacht. Im Wesentlichen gleich soll sich die Entwickelung des Eingernagels gestalten, nur dass der Nagel früher frei wird, weil das Eponychium wegen des rascheren Wachsthumes der Phalanx schneller abblättert. Brooke^ gelangte in manchen Punkten zu Resultaten die mehr oder ^ W. Waldeyer, Untersuchungen über die Histogenese der Horngebilde, ins- besondere der Haare und Federn. Beiträge zur Anatomie und Emhrijologie. J. He nie dargebracht. Bonn 1882. S. 141 — 162. ^ P. Unna, Beiträge zur Histologie und Entwickelungsgeschichte der mensch- lichen Oberhaut und ihrer Anhangsgebilde. Archiv für mikroskopische Anatomie. 1876. Bd. XII. S. 665 — 741; Derselbe, Entwickelungsgeschichte und Anatomie (der Haut) für von Ziemssen’s Handbuch der speciellen Pathologie und Therapie 1883. S. 38 ff. ® H. Heynold. Beitrag zur Histologie und Genese des Nagels. Virchow’s Archiv ii, s. w. 1875. Bd. LXV. S. 270—272. ^ Brooke, Beitrag zur Lehre über die Horngebilde. Mittheilungen aus dem 278 Richard Zander: weniger von dem bisher mitgetheilton abweichen. Die Grenze des Nagels wird, wie er fand, durch einen Vorsprung der Gebilde des mittleren Keim- blattes zu Anfang des dritten Monats bestimmt. Bei einem circa 6™' langen Boetus konnten in der Tiefe des Nagelhilzes einige Zellen beobachtet werden, die Körnchen und grössere oder kleinere „tropfenartige rundliche 8tellen^‘ enthielten. An den übrigen Zellen war keine Spur davon; das Nagelblatt unterschied sich nicht von der sonstigen Epidermis. In den nächsten Monaten sollen sich die A^eränderungen darauf beschränken, „dass die angelegten Theile eine weitere Ausbildung erfahren‘‘. Auf Längs- schnitten durch den Nagel eines 9*5^™ langen Foetus fand Brooke in dem bedeutend vertieften Nagelfalz einige Zellen, die tropfenartige Eleidin- körner enthielten. Weiter fiel hier die Dickenabnahme der Epidermislage des Nagelbettes auf und eine starke Verdickung derselben an dem vor- dersten Abschnitte des Nagels. Auf dem Längsschnitt von einem Praei)arat aus dem sechsten Monat, bei dem der Nagel deutlich umgrenzt aber noch nicht besonders hart anzufühlen war, erstreckte sich vom Nagelfalz aus- gehend eine Schicht von Zellen, welche nach der Fingerspitze hinzieht und ungefähr in der Hälfte des Nagels gegen den Falz an Dicke abnimmt. Diese Schicht soll für den Verhornungsprocess des Nagels von grosser Be- deutung sein wegen ihres Gehalts an Eleidinkörnern, die sich von denen der Epidermis durch ihre Grösse auszeichueten.^ Beim Neugeborenen sah Brooke die Hornschicht („das ist die Zellenlage mit der oben beschriebenen Metamorphose der Elemente, welche zur A'erhornung führt“) bis nahe zu der Spitze des Nagels hinreicheii. Eigene UiilersuchiiugeiiP AVie ich früher mitgetheilt habe, finden sich an den Fingern und Zehen von jungen menschlichen Foeten, die etwa ein Alter von neun bis zehn Wochen hatten, endständig sitzende kleine hügelige Hervorwölbuugen, welche eine ringsherumziehende seichte Einbuchtung gegen die Nachbar- schaft abgrenzte. Bei etwas älteren Foeten Hessen sich an den Fingern sowohl wie an den Zehen schon bei Lupenvergrösserung Stellen erkennen, cmhryologischen Institut der k. k. Universität in Wien von Schenk. Wien 1883. Bd. 11. Hft. 3. S. 159-168. ^ Für die härteren Horngebildc ist die Bildung aus Zellen mit grösseren Eleidin- körnchen durch Zabludowski (Der Verhornungsprocess während des Embryoual- lebeus. Schenk’s Mittlieilungen aus dem emhryologischen Institut zu Wien. Wien 1880. Bd. II. Hft. 1. S. 65—75) am Schuabel von V^ogelembryonen und der Klaue von Schweineembryonen nachgewiesen worden. Ueber die vorliegenden Untersuchungen habe ich bereits am 10. Januar 1885 in dem biologischen Verein zu Königsberg i. Pr. kurz berichtet, UnTKKSUCHUNCIEN über een VERHOJiNUNGSl’ROCESS. 270 die man ohne weiteres als NagelgTÜbchen bezeichnen konnte, welclie eben- falls nahezu endständig lagen und durch eine ringförmige Einbuchtung gegen die Umgebung sich absetzteu. Ich gab ihnen den Namen „primären Nagelgrund‘‘ ^ einmal der Kürze des Ausdrucks wegen, dann aber um anzudeuten, dass sie in Beziehung zur Nagelbildung ständen. Von diesem primären Nagelgrund, der also bei den jüngsten Eoeten eine terminale Bildung ist, konnte ich nachweisen, dass er mit zunehmendem Alter und AVachsthum des Foetus mehr und mehr eine rein dorsale Lagerung au- nimnit. Ob in der ganzen Ausdehnung oder nur auf einem Theil desselben die Platte des definitiven Nagels entstehe, vermochte ich an den in jener Arbeit beschriebenen Foeten nicht zu eruiren. Da ich aber bereits einen Theil derjenigen Praeparate, auf welchen der gegenwärtige Aufsatz basirt, studirt hatte und zur Ansicht gelangt war, dass ersteres wohl nicht der Fall sei, so wählte ich nicht die Bezeichnung „foetales oder primitives Nagelbett^^, was doch nahe gelegen hätte, sondern „primärer Nagelgrund‘^ Ich hebe dies ausdrücklich hervor, weil Gegenbaur^ aus meiner Arbeit den Eindruck gewonnen hat, dass ich den ganzen primären Nagelgrund als Ursprungsstätte der Nagelplatte betrachte. Die Veranlassung dazu hat wohl hauptsächlich meine in ihrer Richtigkeit von Gegenbaur bestrittene Angabe, dass in der Thierreihe eine Wanderung der „Nägel“ aus einer terminalen in eine dorsale Stellung erfolgt, gegeben. Was ich nachzu- weisen wünschte, war, „dass die von den Nervi digitales volares und plan- tares versorgten Abschnitte auf der dorsalen Finger- und Zehenoberfläche eine Lageveränderung von der volaren bez. plantaren Fläche durchgemacht haben“. ^ Nach Gegenbaur ’s Ansicht umfasst mein primärer Nagelgruud nicht bloss die Anlage der Nagelplatte oder des Nagelbettes, sondern auch noch den „Nagelsaum“, ein dem „Sohlenhorn“ der Hufthiere entsprechen- des stark reducirtes Gebilde, das Boas‘^ am Nagel der Primaten nachge- wiesen hat. Es findet sich dasselbe beim erwachsenen Menschen am Ueber- gange des Nagelbettes in die mit regelmässigen parallelen Furchen ver- sehene Haut der Fingerbeere. Bei der jüngsten der von mir untersuchten Früchte war weder irgend eine Spur von dieser Trennung noch überhaupt ein Unterschied im Bau des primären Nagelgrundes und der benachbarten Epidermis zu entdecken. Doch schon sehr früh treten Differenzen auf. So maass beispielsweise 1 A. a. 0. S. 127. ^ C. Gegenbaur, Zur Morphologie des Nagels. Morphologisches JdJirhmh. 1885. Bd.X. S. 465-479. ^ A. a. O. S. 143. ^ J. E. V. Boas, Ein Beitrag zur Morphologie der Ncägel, Krallen, Hufe und Klauen der Säugetbicre. Morphologisches Jahrhuch. 1884. Bd, IX. S. 389—400. 280 Richakd Zandek: bereits bei einem neun Wochen nlten^ Foetus die Oberhaut des Fingers in der Höhe der Mittelphalanx auf der Rückenfiäche 0-0204“^“', auf der Beugeseite 0-0255“'“b während sie an der Spitze 0-0806*”™ dick war. Die Zehen desselben Foetus waren noch von einer überall gleich dicken Epidermis bekleidet, die sich aus drei Zellenlagen zusammensetzte. Zu unterst lagen cubische Epithelien mit grossem runden Kern, der durch Alauncarmin dunkelroth tingirt wurde. Darüber fand sich eine Reihe ein wenig abgeplatteter Zellen, durch einen stark glänzenden Contur ausge- zeichnet; ihr Kern färbte sich weniger intensiv als derjenige der cubischen Zellen. Zwei Zellen der untersten Schicht lagen durchschnittlich unter je einer der mittleren. Die Epidermis schlossen nach aussen zu Schüppchen abgeplattete Zellen ab, an welchen vor allem die Schrumpfung und Ab- plattung des Kerns und eine nach Anwendung von Alauncarmin ganz be- sonders dunkele Färbung desselben in die Augen fiel. Die Oberhaut der Finger von demselben Foetus unterschied sich von der der Zehen dadurch, dass auf dem primären Nagelgrund und auf der Volarseite die mittlere Schicht aus zwei Reihen von Zellen bestand, während sie auf der Dorsal- Üäche ebenso wie an den Zehen gebaut Avar. Die Entwickelung ist dem- nach bei demselben Individuum au den Fingern weiter vorgeschritten als an den Zehen und das Gleiche tritt auch bei allen weiteren histologischen Differenziruugen zu Tage, ln diesem Sinne ist es auch als etwas A^orge- schrittneres anzusehen, dass während an den Zehen des besprochenen neun- wöchentlichen Foetus die an die Cutis grenzende Zellage durchweg cubische Epithelien zeigte, an den Fingern letztere sich nur im Gebiet des primären Nagelgrundes und auf der Rückenfläche fanden, auf der Volarseite dagegen durch deutlich cylindrische Zellen ersetzt wurden. Entsprechend dem stär- keren Idächenwachsthum der Epidermis auf der Volarseite, als deren Aus- druck ja die Abplattung der Zellen gegeneinander und ihre daraus sich ergebende Cy linderform aufzufassen ist, liegt denn auch der primäre Nagel- grund der Finger mehr als der der Zehen der definitiven dorsalen Lage genähert. Praeparate von älteren Foeten bis zur 14. AVoche geben im AVesent- lichen das gleiche Bild. Erwähnen will ich, dass bei einem circa 13 AVochen alten Foetus an den Fingern die cubischen Zellen des primären Nagelgrundes und der Dorsalfiäche in unmittelbarer Nachbarschaft des Nagelfalzes — der bis dahin als ein seichtes Grübchen sich darstellte, nun aber sich in die Cutis ^ Das Alter der Früchte wurde nach deu Angaben von Toldt (Ueher die Altersbestimmung menschlicher Embryonen. Prager mediclnische WochenscUrift. 1879) bestimmt. Unteksuchungen über BEN Veriiornungöbrocess. 281 tiefer eiiizusenken beginnt — cylindrischen Zellen Platz imiclien. Pis zum Ende des fünften Monats hin habe ich es verfolgt, dass die zunehmende Vertiefung des Nagelfalzes auf eine 01)erflächenvergrösscrung der Epidermis zurückzulühren ist: immer zeigten im Grunde des Falzes die tiefsten Zellen cy lindrische Gestalt, weiter weg von dieser Stelle waren die Epithelien cubisch. Wie bei dem neun Wochen alten Eoetus bilden auch bei älteren Früchten zu Schüppchen abgeplattete Zellen die freie Oberlläche der Epi- dermis. Die scharfe Grenzlinie, die sie anfangs nach aussen bilden, wird in späteren Entwickelungsstadien dadurch mehr oder minder verwischt, dass zwischen ihnen hindurch eigenthümliche zellige Elemente hervortreten und der Oberfläche der Haut fest anhaften oder locker aufliegen. An ein- zelnen Punkten kann man mächtige Anhäufungen dieser Gebilde sehen, an anderen Stellen finden sie sich nur vereinzelt und in grösseren Ab- ständen auf der sonst scharf begrenzten Epidermis. Zum ersten Male zeigte sich dies in guter Ausbildung bei einem etwa 13 Wochen alten Eoetus; die letzten Spuren davon sah ich bei 19 bis 20 Wochen alten Eoeten. Die folgende Beschreibung des Medianschnittes durch den Daumen eines Eoetus der 14. Woche möge die Verhältnisse genauer illustrireii. Die Epidermis der Dorsalfiäche ist von einer dreifachen Zellenlage gebildet. Zu unterst liegen cubische Epithelien, darüber grosse, ein wenig abgeplattete, zum Schluss reihen sich stark abgeplattete aneinander. Auf letzteren finden sich nun in unregelmässigen Abständen die fraglichen Zellen. Bald liegen sie zu zwei bis drei nebeneinander, dann fehlen sie für eine kürzere oder längere Strecke, so dass einzelne aber auch fünf oder sechs der oberfläch- lichen platten Epithelien von ihnen unbedeckt bleiben, bald treten sie dann wieder in Ein- oder Mehrzahl auf. So wechseln bald grössere, bald kleinere Abschnitte, die nicht von diesen Zellen bedeckt sind und sich nach aussen scharflinig abgrenzen, mit solchen, wo die Zellen die scharfe Begrenzung der Epidermis mehr oder weniger vollständig verwischen. Das Bild ist demnach ein sehr unregelmässiges. Im Bereich des primären Nagelgrundes ist die Anzahl der Zellen, welche der Oberfläche auflagern in der Nähe des Falzes nur eine geringe, nimmt aber gegen die Fingerspitze hin mehr und mehr zu. Denkt man sich den primären Nagelgrund in vier gleiche Theile getheilt, so bemerkt man an der Grenze des dritten und vierten (wenn man vom Falz aus zählt) eine leichte Einbuchtung der Epidermis gegen die Cutis hin, durch welche die gleichmässige Krümmung des primären Nagelgrundes eine Unterbrechung erleidet. Hier liegen in der untersten Lage cylindrische Zellen, während in der ganzen sonstigen Ausdehnung des primären Nagelgrundes deren Gestalt deutlich cubisch ist. Auf dem ganzen primären Nagelgrund mit Ausnahme dieser Stelle sind grössere, ein wenig 282 Richard Zander; abgeplattete Zellen darüber in vier Reihen angeordnet, hier aber fehlt jede Regelmässigkeit der Anordnung und ausserdem ist die Schicht lieträchtlich verdünnt, so dass auch an der Oberfläche der Epidermis eine Einbuchtung bemerkbar wird. lieber derselben aber haben die fraglichen zelligen Ge- bilde unregelmässig gestaltete und geordnete Haufen erzeugt; nirgends sonst am Finger kamen sie in solcher Massenhaftigkeit vor. Auf der Volarfläche trifft man die auflagernden Zellen zwar nicht in der Menge an wie hier, doch weit zahlreicher wie auf der dorsalen Seite, so dass vielfach benachbarte Zellen sich gegen einander abplatten. Partien, wo die Oberfläche der Epidermis in der Ausdehnung von mehreren Zellen- längen ganz frei ist, kommen an der Fingerbeere kaum vor, weiter proxi- malwärts dagegen häufiger und es war dann leicht die scharfe Begrenzung zu erkennen, die durch die oberste abgeflachte Zellschicht bedingt war. Dass es sich nicht um eine die Unebenheit der Epidermisoberfläche bedingende ungenügende Conservirung handelte, dürfte durch den Umstand, dass das geschilderte Verhalten bei einer grösseren Zahl von Foeten aus der betreffenden Periode sich regelmässig zeigte, erwiesen sein. Betrachtet man einschlägige Präparate genauer, so kann man ohne Schwierigkeit beobachten, wie an einzelnen Stellen zwischen den oberfläch- lichen platten Zellen der Epidermis sich Zellen gleichsam durchdrängen. Bald sieht man eine Zelle mit ihrem flach gewölbten Leib ein wenig die Oberfläche überragen; eine Strecke davon findet sich eine stärkere Hervor- buckelimg; man wird das Präparat meistens nicht weit unter dem Mikro- skop zu verschieben nöthig haben, um gelegentlich eine Zelle anzutreffen, die schon fast aus dem Verband der Epidermis ausgeschieden ist: sie hängt wohl noch mit einem grösseren Abschnitt fest, bald ist jedoch der Zusammen- hang bis auf eine schmale Substanzbrücke reducirt und nun liegt die Zelle frei auf der Oberhaut. Diese verschiedenen Bilder neben einander sprechen zweifelsohne dafür, dass aus der foetalen Epidermis Zellen austreten. Ich bin nun geneigt anzunehmen, dass diese ausscheidenden Zellen Epidermis-Epithelien sind. Ihr ganzer Habitus spricht dafür. Ebenso wie die Zellen der mittleren Epidermisschicht sinfl sie hell, von einer starren, stark glänzenden Hülle umgeben und besitzen anfangs einen grossen kreis- runden oder ovalen Kern, der sich nach Carminbehandlung deutlich roth färbt. Dass der Kern vielfach fehlt, ist vielleicht als Folge davon aufzu- fassen, dass die Zelle, einmal aus dem Zell verband ausgeschieden, nicht mehr ernährt wird. Man findet dann auch verschiedene Stadien des Kern- zerfalles, schliesslich einen vollkommenen Schwund. Neben mehr oder weniger unregelmässigen Formen beobachtet man in der Hauptsache blasig aufgetriebene kugelige Zellen. Sie sind zweifellos auf eine einfache Quellung zurückzuführen, welche die nicht mehr ernährten Untkkbuchungen übek den Vebhoknungsprocess. 283 und dciruni widerstandslosen Zellen in dem Fruchtwasser erleiden. Dass diese Zellen von den Epidermis-Epitlielien entstammen ist auch darum wahr- scheinlich, weil die eben frei gewordenen Zellen und diejenigen aus der mittleren Schicht der Oberhaut die gleiche Grösse haben. Gegen die An- nahme, dass es sich um Wanderzellen handele, ist vor allem die Grössen- differenz hervorzuheben: Eine mittelgrosse, mit völlig erhaltenem Kern ver- sehene Zelle von rein ovaler Form war 0*0204 mm lang und 0*0119 mm breit, der Kern war 0*0085 mm lang und 0*0051 breit, während nach Kölliker^ ein weisses Blutkörperchen beim menschlichen Foetus 3*3 — 13*5/r misst. Eine Erklärung dafür, dass die Zellen an den verschiedenen Punkten sich nicht in gleicher Häufigkeit finden, dürfte vielleicht in dem verschieden starken Flächenwachsthum der betreffenden Abschnitte zu suchen sein. Bekanntlich findet im späteren Foetalleben eine beständige Abschup- pung an der Oberfläche der Epidermis statt. ^ ]\löglicherweise ist dieser Process dem eben geschilderten Vorgang des Austretens von Zellen aus der Oberhaut gieichzustellen. Es würde sich dann in beiden Fällen um eine Beseitigung unbrauchbar gewordenen Materials handeln. Die Ausstossimg von relativ gut erhaltenen Zellen würde als der zeitlich früher auftretende Modus anzusehen sein. Eine scharfe Trennung der beiden Formen existirt darum nicht, w^eil die Epidermis der Finger und Zehen nicht zu einem Zeitpunkte in der ganzen Ausdehnung die gleich zu schildernde Umgestaltung ihrer oberflächlichsten Zelllage erfährt. Die ab- geplatteten, an der Oberfläche gelegenen Zellen sind, wie mehrfach erw^ähnt, vorerst als gesonderte Zelliiidividuen mit Leichtigkeit zu erkennen. Von dem Augenblick an, w^o ihre gegenseitige Abgrenzung so undeutlich wird, dass mau sie selbst bei stärksten Vergrösserungen nicht zu erkennen ver- mag, w^o sie sich also in eine continuirliche Begrenzungsschicht umwandeln, nimmt das HervorUeten von Zellen ein Ende. Ich konnte dies zum ersten Mal an den Zehen eines 15 — 16 Wochen alten Foetus beobachten, wo die Metamorphose den distalen und mittleren Abschnitt des primären Nagel- grundes betraf. Auf dem durch eine deutlich ausgeprägte Furche gegen die Plantarfläche (w^elche die erste Andeutung von Papilleiibildung erkennen lässt) abgegrenzten primären Nagelgrund lassen sich wiederum zwei Re- gionen unterscheiden. Auf der Grenze zwischen drittem und viertem Viertel vom Falz aus gerechnet erleidet die sonst gleichmässig bogenförmige Krümmung des primären Nagelgrundes eine Unterbrechung dadurch, dass die Epidermis gegen die Cutis eine leichte Verwölbung erzeugt, welche ^ Kölliker, Gewebelehre. V. Aufl. S. 637. ^ Kölliker, Enüoickelungsgeschichte. II. Aufl. S. 771. 284 Richarb Zander; etwas deutlicher noch dadurch wird^ dass zu beiden Seiten derselben die Cutis die Epidermis ganz wenig nach aussen vordrängt. Hier findet sich eine kleine Anhäufung jener aus der Oberhaut ausgeschiedenen Zellen. Nach dem Falz zu ist der primäre Nagelgrund nur noch eine kurze Strecke weit von diesen bedeckt; nach der anderen Seite hin dagegen liegen sie dicht neben einander bis zur Gfrenzfurche gegen die Plantarfläche und noch ein wenig darüber hinaus, weiterhin nur in grösseren Abständen. In der Nach- barschaft des Falzes und in dem proximalen Viertel des primären Nagel- grundes vermochte ich die an der Oberfläche gelegenen, von den jüngeren Foeten her bekannten flachen schüppchenartigen Zellen mit Hilfe starker Immmersionssystenie als von einander getrennte Zellen zu erkennen. AVeiter distalwärts aber hörte das auf. Statt der einzelnen Zellen sah ich einen stark glänzenden homogenen Streifen, der in bestimmten Abständen die stäbchenförmig geschrumpften Kerne enthielt. Zunächst lagen die Kern- rudimente in einfacher Reihe, dann trat eine zweite Reihe auf und gleich- zeitig verdickte sich der glänzende homogene Streifen. An der Stelle, wo der primäre Nagelgrund eine Unterbrechung seiner gleichmässigen Krüm- mung erkennen liess, erreichte der homogene Streifen seine grösste Dicke. Ausserordentlich dicht neben einander und in zwei- bis dreifachen Parallel- reihen über einander lagen hier die stäbchenförmigen Kernreste. Auch mit den dort der Epidermis aufliegenden, aus ihr ausgeschiedenen Zellen schien der homogene Streifen verschmolzen, wenigstens gelang mir mit stärksten Systemen keine Trennung. Ueber diese Stelle hinaus zog dann der Streif, höchstens um ein ganz geiinger dünner, bis zur Grenzfurche gegen die Plantarfläche, an seiner freien Fläche ebenfalls von den ausge- schiedeiien Zellen nicht scharf abgrenzbar. In diesem proximalen Abschnitt lagen die Kernrudimente in zwei Parallelreihen angeordnet. Dass die stark glänzende, zusammenhängende, homogen aussehende Schicht, welche die Mitte und den distalen Theil des primären Nagelgrundes bedeckte, wirklich aus einer Verschmelzung jener platten Zellschüppcheu entstanden ist, wird, wenn auch au sehr feinen (5iw) Schnitten selbst mit den stärksten Vergrösserungen keine Spur der alten Grenzlinien aufzufinden war, dennoch wahrscheinlich gemacht dadurch, dass sich die vorerst noch in ihr erhaltenen Rudimente der Kerne in Abständen, die denen an den gesonderten Zellschüppchen entsprechen, finden. Dass mit dieser Ver- schmelzung innere Umgestaltungen der platten, an der Epidermisoberfiäche gelegenen Zellen Hand in Hand gehen, erscheint nach dem eigenthümlich glänzenden homogenen Aussehen und dem starken Lichtbrechungsvermögen der Schicht schon an und für sich plausibel, wird aber durch gewisse charakteristische Farbenreactionen zur Bestimmtheit erhoben. Lässt man eine wässerige einprocentige Lösung von Methylorange (aus der Fabrik von tlNTEESUCIIÜNGEN ÜBER DEN VeRHORNÜNGSPROCESS. 285 Tromms dor ff in Erfurt) eine halbe Stunde oder zweckmässig noch länger auf einen Schnitt ein wirken, so wird dieser durchweg gelb gefärbt, ))esonders intensiv aber die Begrenzungsschicht. (Ich will der Kürze halber diese nichts praejudicirende Bezeichnung fortan an wenden für die durch ihr glänzendes homogenes Aussehen und durch verschiedene Farbenreactionen charakterisirte, aus einer Verschmelzung der platten Zellen an der Epidermis- oberfläche entstehende Schicht anwenden.) Absoluter Alkohol entfärbt den Schnitt allmählich vollkommen. Am längsten wird die Farbe von der Begrenzungschicht zurückgehalten. Combinirt man mit dieser Tinction noch eine reine Kernfärbung durch Alauncarmin, so erhält man bei recht- zeitigem Abschluss der Extraction durch Alkohol sehr instructive Bilder. Während die Epidermiszellen ungefärbt bleiben und die violette Alauncarmin- farbe annehmen, zeigen sich die Begrenzungsschicht mehr oder weniger intensiv gelb und die in ihr liegenden Kernreste bismarkbraun. Bequemer ist folgende Methode: Eine einprocentige wässerige Lösung von Methyleosin (aus derselben Fabrik) färbt in wenigen Augenblicken dünne Schnitte prächtig roth. Die Zellkerne, in höherem Grade aber noch die Begrenzungsschicht, nehmen einen dunkleren Ton an. Ohne Schaden kann man die Praeparate selbst Tage lang in der Lösung belassen; starker Alkohol extrahirt immer die Farbe bis zu einem gewissen Grade. Es besitzen die Körper der Epidermiszellen alsdann einen schwach röthlichen Hauch, die Kerne zeigeii ein mattes etwas in’s Bläuliche spielendes Roth, die Begrenzungsschicht aber ist glänzend purpurroth gefärbt. Die schönsten und lehrreichsten Bilder lieferte das von Weigert^ für die Untersuchung des Centralnerven- systems und von Michelson’^ für dermatologische Zwecke empfohlene Säure- fuchsin. In der concentrirten wässerigen Lösung des Farbstoffs liess ich die Schnitte mehrere Stunden, legte sie darauf in Brunnenwasser und, wenn keine Farben wölken sich mehr bildeten, in die vorgeschriebene alko- holische Kalihydratlösung. Die einzige Schwierigkeit der Methode, die man aber bald überwinden lernt, ist den Moment abzupassen, wenn die ent- färbten Schnitte wiederum in Brunnenwasser gebracht sich nicht von Neuem roth färben. Solche Praeparate müssen nochmals zuerst mit Wasser und dann mit Kalialkohol extrahirt werden. Gelungene Praeparate werden in destillirtem Wasser ausgespült und dann in gewöhnlicher Weise in Balsam eingebettet. Als gelungen erachtete ich die Färbung, wenn nur die Be- grenzungsschicht intensiv, und zwar in einem dunkeln glänzenden Burgunder- roth, gefärbt war. Die Kerne der schwach röthlich tingirten Epidermis- ^ C. Weigert, lieber eine neue Untersuchungsmetliode des Centralnervensysteras. CentralhlaM für die medicinisclien Wissenschaften. 1882. S. 753— 757. 772 — 774 u. 819. ^ P. Micbelson, lieber die Säurefuchsinfärbung für dermatologische Zwecke. Monatshefte für praktische Dermatologie. 1883. Nr. 12. 286 Richard Zander! zellen haben dabei eine etwas verwaschene bläulich-rothe Farbe angenommen. Wirkt das Wasser oder der Kalialkohol zu lange auf die Schnitte ein, so wird schliesslich das Säurefuchsin vollständig ausgezogen. Während nun durch die genannten Farbstoffe die platten Zellen an der Oberfläche der Epidermis, solange sie gegen einander noch abgrenzbar sind, nicht different resp. intensiv gefärbt werden, geschieht dieses sowie sie mit einander verschmelzen. Praeparate, die von den Zehen eines 17 Wochen alten Foetus gefertigt waren, zeigten die Grenze des primären Nagelgrundes gegen die Beere nicht so deutlich wie das bisher der Fall war. Ich möchte dafür die Stelle halten, wo die Epidermis eine seichte Einbuchtung erkennen lässt und von wo ab sich die jetzt schon gut ausgebildeten Papillen finden. Der primäre Nagel- grund zerfiel in zwei Abschnitte, von denen der gegen den Nagelfalz liegende eine ziemlich regelmässige bogenförmige Begrenzung hatte; der distale etwa gleich grosse dagegen ist unregelmässig gestaltet, besonders auf der Aussen- fläclie und senkt sich als stumpfer Winkel von etwa 135® in die Cutis ein. Dieser Winkel wird auf der Oberfiäche fast vollständig ausgeglichen durch eine reichliche Ansammlung von den oben geschilderten stark metamorpho- sirten ausgeschiedenen Zellen. Auf der Plantarfläche hatte die Epidermis über dem Metatarsus eine Dicke von 0-0520"™, an der Beere von 0-0728’""'. Die Dorsalfläche war über dem Metatarsus mit einer 0-0260""" dicken Oberhaut bekleidet, die sich allmählich bis zum Nagelfalz hin bis auf 0 - 0364 verstärkte. Der an den Falz angrenzende Theil des primären Nagelgrundes war 0-0390"™ dick; wo der distale und proximale Abschnitt desselben zusammenstossen, betrug seine Dicke 0-0468 und wo der distale Abschnitt in die Beere übergeht 0-0884’™'. Es sind demnach die beiden Hälften des primären Nagelgrundes von sehr verschiedener Dicke. Die Begrenzungs- schicht erreicht bereits den Nagelwall. In dem Grenzgebiet zwischen proxi- malem und distalem Abschnitt des primären Nagelgrundes ist sie unregel- mässig abgegrenzt, besonders nach aussen hin gegen die hier auflagernden aus der Epidermis ausgeschiedenen Zellen. In dem proximalen Ab- schnitt des primären Nagelgrundes dagegen erscheint sie bei schwacher Vergrösserung scharf begrenzt, so dass ihre Dicke bestimmt werden kann. Dieselbe beträgt an der am stärksten ausgebildeten Stelle 0-0078"'"', in der Nähe des Falzes, kurz vor ihrem Ende, 0-0026’"’". Von den stäbchenförmigen Kernrudimenten, die früher in grosser Zahl in der Begrenzungsschicht vorkamen, ist nichts mehr zu finden. Hin und wieder trifft man aber in derselben kleine kreisrunde Kernreste, die besonders da, wo in dem distalen Abschnitt des primären Nagelgrundes sich die An- häufungen der ausgeschiedenen, metamorphosirten Zellen vorfinden, sehr zahlreich sind. Untersuchungen über den Veriiornungsprocess. 287 Als ich feine Schnitte, die nach den vorher mitgeth eilten Methoden gefärbt waren, mit starken Systemen studirte, beobachtete ich zunächst, dass die Begrenzungssclhcht durchaus keine so scharflinige Abgrenzung gegen die unter ihr liegenden Zellen besitzt, wie es bei oberflächlicher Betrachtung den Anschein hatte. Es treten nämlich in einzelnen dieser Zellen grössere und kleinere stark lichtbrechende und lebhaft glänzend wie die Begrenzungsschicht tingirte Körnchen in solcher Zahl auf, dass man sie nicht mehr sicher von einander und von der Begrenzungsschicht zu trennen im Stande ist. Ferner konnte ich hin und wieder beobachten, wie die Begrenzungsschicht gegen das dem Nagelfalz zugekehrte Ende von einer dieser Zellen vorsprang und es gabelförmig umfasste. An ungefärl)ten Praeparaten besass dieser Vorsprung dasselbe homogene, glänzende Aussehen, an gefärbten die gleiche brillante Tinction wie die Begrenzungsschicht, muss daher als ihr zugehörig angesehen werden. In einzelnen Fällen sah ich dann diesen gabelförmigen Fortsatz sich in eine Reihe der geschil- derten Körnchen auflösen, welche in der Peripherie der umfassten Zelle gelegen waren. Andere Zellen wieder, die Körnchen nur in spärlicher Zahl enthalten, erzeugen mit ihrer nach aussen gerichteten gewölbten Fläche in der Begrenzungsschicht eine Einbuchtung. Bevor ich Genaueres über diese körnchenhaltigen Zellen und ihre Be- ziehungen zu der Begrenzungsschicht mittheile, muss ich jedoch erst ein^ gehender die Zusammensetzung des primären Nagelgrundes schildern. Zunächst bespreche ich den proximalen Abschnitt, der sich von dem distalen different verhält. In seiner ganzen Ausdehnung liegt direct auf der Cutis eine Schicht cubischer Zellen mit grossem Kern. Darauf folgen nach aussen vier bis fünf Lagen etwas abgeplatteter Zellen, die ebenfalls einen grossen runden oder ovalen Kern, der aber schwächer tingirt wird, besitzen. In der distalen Hälfte dieser Abschnitte sind diese Zellen alle völlig gleich gebaut; höchstens könnte man anführen, dass die oberflächlichen vielleicht ein wenig mehr abgeplattet sind als die tiefer gelegenen. Das Protoplasma ihrer Zellkörper ist fein granulirt und wird durch die angeführten Farbstoffe schwach tingirt, aber um eine Nuance dunkler als die entsprechenden Zellen in der Epi- dermis der Beugefläche. Gleichartige Zellen liegen in der proximalen Hälfte dieses Abschnitts in ein bis zwei Reihen den cubischen Epithelien auf. Darüber folgen dann aber in drei Schichten ganz wasserklare, wie blasig aufgetrieben erscheinende Zellen, die sich vor allem durch ihre Grösse aus- zeichnen. Eine mittelgrosse Zelle war 0.0182 lang und 0.0078 breit, eine der granulirten und sich färbenden aus der distalen Hälfte dieses Ab- schnittes war 0.0130 lang und 0.0052 breit. Der Kern dieser blassen Zellen war gross und völlig oder nahezu kreisrund. Zwischen den grossen 288 Richard Zander: hellen und den kleineren granulirten Zellen liegen Zwischenformen. Wenn darum auch scharfe Grenzen für das Gebiet der hellen Zellen nicht zu ziehen sind, so hob sich dies dennoch bei mittelstarken Vergrösserungen durch die Farbendifferenz deutlich ab. Es zeigte sich, dass gegen die Be- grenzungsschicht hin die Zahl der grossen hellen Zellen etwas zunimmt. Da nun wegen der grösseren Breite dieser Zellen im Bereiche derselben die Begrenzungsschicht ein wenig nach aussen hervorgewölbt ist, so könnte man das Gebiet der hellen grossen Zellen der Form nach mit einer Bicon- vexlinse vergleichen. Der Rest dieses Abschnittes, welcher an den Nagel- falz ausstösst, nimmt, wie die vorher angegebenen Maasse zeigen, etwas an Dicke ab, weil in ihm die grossen blassen Zellen fehlen und da die ihn constituirenden granulirten Zellen noch stärker abgeflacht sind als in den distalen Theilen. Der zweite an die Zehenbeere anstossende Abschnitt des primären Nagelgrundes besitzt in der untersten Lage cylindrische Zellen. Darüber liegen in fünf bis acht Reihen etwas abgeflachte, fein granulirte Zellen, die um so schwächer gefärbt werden, je näher sie der plantaren Epidermis liegen, während nach der anderen Seite ein allmählicher Ueber- gang zu den eine Spur dunkler sich tingirendeu Zellen des vorher beschrie- benen Abschnittes des primären Nagelgrundes besteht. Während die Zellen der entsprechenden Schicht in der Oberhaut der Dorsalfläche, der Plantar- , fläche und in dem dieser benachbarten Theil von dem distalen Abschnitt des primären Nagelgrundes deutliche gut ausgebildete Stacheln tragen, sind diese auf dem ganzen übrigen primären Nagelgrund weniger stark ent- wickelt. An den grossen hellen Zellen vermochte ich sie überhaupt nicht ' mit Sicherheit nachzuweisen. Sie schienen von einem stark glänzenden ^ homogenen Contur begrenzt. | Auf diese in den einzelnen Regionen des primären Nagelgrundes ver- j schieden gestaltete mittlere Schicht folgen dann die mit Körnchen äuge- | füllten Zellen, die, wie erwähnt, nicht überall sich scharf von der Begrenzungs- schicht absetzen. In dem distalen Abschnitt des primären Nagelgrundes enthalten diese Zellen nur ganz kleine Körnchen. Dieselben treten an der Peripherie der Zellen auf und lassen das Centrum frei, so dass der Kern deutlich zu er- kennen ist. Nähert man sich den mehr proximalwärts gelegenen Partien des primären Nagelgrundes, so treten in diesen Zellen neben den unmess- bar kleinen Körnchen auch grössere auf, ja solche, welche die Grösse der Zellkerne erreichen. Ich fand Körnchen von 0.0039 Durchmesser. In dem Abschnitt, wo in der mittleren Schicht des primären Nagel- grundes die grossen klaren Zellen beschrieben wurden, zeichneten sich auch die der Grenzschicht anliegenden Zellen durch ihre Grösse und klaren In- halt aus. Sie machten den Eindruck als wenn sie aufgeciuollen wären. In ÜNTERSUCfiUKGEN ÜBER BEN VeRHORNuNGSPROCESS. 280 ihnen nun kommen in der Hauptsache die grösseren Körnchen vor, die meist in spärlicher Anzahl vorhanden sind. Eine solche Zelle enthielt nur drei grössere, nach Färbung mit Säurefuchsin wie Oeltropfen glänzende Körnchen. In den meisten Zellen aber fanden sich neben einzelnen grösseren eine beträchtliche Zahl kleinerer und kleinster Granula. Mit dem Düimer- werden der Begrenzungsschicht gegen den Nagelfalz und die Zehenbeere hin verschwinden die Körnchen enthaltenden Zellen. In dem distalen Theil des proximalen Abschnittes des primären Nagel- grundes sah ich, zunächst an Praeparaten, bei denen durch Alauncarmin eine reine Kernfärbung erzielt war, wie einige neben einander liegende körnchenhaltige Zellen sich mit ihren zugespitzten Enden zu kürzeren und längeren Zellketten vereinten, in denen die gut conservirten ovalen Kerne spindelförmige Anschwellungen erzeugten. Von einer Grenze der Zellen gegen einander war nichts nachzuweisen. Diese Körnchenketten verschmolzen an ihrem gegen den Nagelfalz hin gerichteten Ende mit der Begrenzungs- schicht, indem die Körnchen so dicht an einander zu liegen kommen, dass man sie nicht mehr von einander zu sondern vermag. Ein wenig weiter proximalwärts sah ich an geeigneten Praeparaten auch noch eine zweite solche Körnchenkette sich in die Begrenzungsschicht einsenken und vorher habe ich bereits mitgetheilt, dass bisweilen ein gabelförmiger Ausläufer der Begrenzungsschicht eine körnchenhaltige Zelle an ihrem dem Nagelfalz zu- gekehrten Ende umfasst. Daraus geht hervor, dass die körnchenhaltigeu Zellen nicht in der Kichtung von innen nach aussen, sondern von distal und innen nach proximal und aussen mit der Begrenzungsschicht verschmelzen. Um die Körnchen in den an die Begrenzungsschicht anstossenden Zellen deutlich zu machen, kann ich die vorher mitgetheilten Tinctiuns- methoden als die besten empfehlen nach langdauernden Versuchen mit zahlreichen Farbstoffen und sonstigen Reagentien. Da ich bei jüngeren Foeten als den soeben geschilderten trotz eifrigster Bemühungen keine Spur von diesen körnchenhaltigen Zellen finden konnte und die Methode als eine sichere bezeichnen muss, weil sie sich auch bei allen älteren Stadien als wirksam erwies, so erübrigt nur die Annahme, dass vor der 17. Woche etwa des Intrauterinlebens die Körnerzellen noch nicht existiren. Keine Spur einer Differencirung zeigte der Nagelfalz. Zwischen den der Cutis aufliegenden cubischen, im Grunde des Falzes mehr cy lind rischen Zellen sind drei Lagen stark abgeplatteter spindelförmiger Zellen mit einem fein granulirten Protoplasma, grossem ovalen Kern und zum Theil recht deutlichen Stacheln vorhanden. Ich habe vorher angegeben, dass an der Zehe dieses Foetus die Be- grenzungsschicht sich bereits bis zum Nagelfalz ausdehnte. An den Fingern desselben Foetus konnte ich ein Weiteigreifeii des Difterenciruiigsvorganges Archiv f. A. u. l*h. 1886. Anat, Abtlilg. 19 290 Richard Zandhr; beobachten. Es spaltet sich die Begrenzimgsschicht über dem Nagelfalz in zwei Blätter, von denen das eine zwischen die Zellen des Falzes eindringt und den so entstehenden Nagel wall von unten her überzieht, während das andere auf der Streckseite gelegen ist und also die freie Fläche des Nagelwalls bedeckt. Correcter ausgedrückt handelt es sich aber eigent- lich nicht um eine Spaltung der Begrenzungsschicht in zwei Blätter, vielmehr sind es zwei verschiedene Lamellen von denen die eine denn Nagelwall an seiner innern, die andere an seiner äussern Fläche be- deckt. Es wird noth wendig, hier einiges über den lamellösen Bau der Begrenzungsschicht nachzuholen, da derselbe schon an den vorher genauer geschilderten Zehen dieses Foetus deutlich erkennbar war. Bei dem etwa zwei Wochen jüngeren Foetus bestand die Schicht aus einer continuirlichen Lage, hervorgegangen aus der Verschmelzung der oberflächlichsten stark abgeplatteten Zellen; von einer lamellösen Anordnung der Begrenzungs- schicht findet sich nicht einmal eine Andeutung, ebenso wie hier auch die körnchenhaltigen Zellen nicht nachzuweisen waren. Durch die Art, wie letztere mit der Begrenzungsschicht sich verbinden, glaube ich, wird die eigenthümliche lamellöse Anordnung dieser, die von nun an zu beobachten ist, erklärt. Ich habe bei der Beschreibung von Medianschnitten durch die Zehen des 17 Wochen alten Foetus darauf aufmerksam gemacht, dass die körnchenhaltigen Zellen nicht in der Richtung von innen nach aussen, sondern von distal und innen nach proximal und aussen mit der Begrenzungs- schicht verschmelzen. Aus meiner dort gegebenen Schilderung, wie das geschieht, ging wohl schon hervor, was, wie ich gleich hervorheben will, durch Praeparate von älteren Foeten zur Gewissheit erhoben wurde, dass die Verschmelzung der Körnchen mit einander die Quelle für die Weiter- entwickeluug und das Wachsthum der Begrenzungsschicht abgiebt. Noth- wendigerweise muss die eigenthümliche Masse, die so aus den Körnchen entsteht auch in der Richtung von distal und innen nach proximal und aussen liegen, d. h. die Begrenzungsschicht ist aus Lamellen zusammen- gesetzt, die nicht parallel der Cutis liegen, sondern in der angegebenen Weise verlaufen. Da die Bildung von der Stelle aus, wo die beiden Ab- schnitte des primären Nagelgrundes aneinanderstossen, gegen den Nagelhilz hin fortschreitet, so werden die äussersten und ältesten Schichten am weitesten gegen die Spitze des Fingers resp. der Zehe hin zu suchen sein. Der lamellöse Bau der über dem proximalen Abschnitt des primären Nagel- grundes gelegenen Begrenzungsschicht und die Verlaufsrichtung der einzelnen Lamellen ist mit Hilfe des Mikroskops nachzuweisen. An Praeparaten, die ein wenig gezerrt und misshandelt waren während der verschiedenen Mani- pulationen, die mit ihnen bei der Färbung vorgenommen worden waren, fanden sich hin und wieder leichte Continuitätstrennungen der Begrenzungs- Un^J’ERSUCHUNGEN übee den Veehoenungspudcess. 291 Schicht zwischen den einzelnen Lamellen. In dem Theil der Begrenzungs- schicht, welcher den distalen Abschnitt des primären Nagelgrundes bekleidete, konnte die lamellöse Structur nicht nachgewiesen werden. An Medianschnitten durch die Zehen eines 18 Wochen alten Foetus fiel beim ersten Blick eine beträchtliche Verdickung der Begrenzungsschicht auf, da gelegen, wo der primäre Nagelgrund durch eine stumpfwinkelige Knickung in einen proximalen und einen distalen Abschnitt zerlegt wird. In dem proximalen können zwei Theile unterschieden werden, der eine bis zum Nagelwall, der andere bis zum Grunde des Falzes reichend. Jeder dieser Theile hat etwa eine gleiche Länge wie der distale Abschnitt. Letzterer wird durch eine flache Einbuchtung von der Zehenbeere getrennt. Seine Grenze gegen die Cutis erscheint leicht gewellt, hohe Papillen beginnen aber erst auf der Zehenbeere und Anden sich auf der ganzen Plantarfläche, während sie auf der dorsalen Seite der Zehen völlig fehlen. Die untere und obere Fläche der Epidermis im Bereich des primären Nagelgrundes sind nirgends parallel. Am bedeutendsten ist die Gesammtdicke der Ober- haut dicht neben der Zehenbeere, wo sie 0-1 170™"" beträgt, wovon auf die Begrenzuugsschicht 0-0026 ™™ kommen. Da wo die 0-0260 ™™ messende Verdickung der letzteren die Grenze zwischen distalem und proximalem Abschnitt des primären Nagelgrundes angiebt, hat die Epidermis eine Mächtigkeit von 0-0910 ™™, verdünnt sich dann aber schnell auf 0-0494™™, wobei für die Begrenzungsschicht 0.0104 ™™ angerechnet wird, um sich endlich wieder allmählich zu verdicken bis auf 0-0780 ™™ einschliesslich der 9-0052™™ starken Begrenzungsschicht an dem freien Ende des Nagel- walls. Im Bereich des proximalen Abschnittes des primären Nagelgrundes liegen auf der Cutis cubische Epithelien, im Bereich des distalen cylindrische. Die nach aussen folgende Schicht besteht an der dünnsten Stelle aus vier, an der dicksten aus zehn Reihen von Zellen, die folgende Verschiedenheiten zeigen. In dem distalen Abschnitt stimmen sie völlig überein mit den Zellen aus der entsprechenden Schicht der Beugefläche; ihr Protoplasma ist fein granulirt, nimmt nach Färbung mit Methyleosin eine äusserst schwache röthliche Nuance an; ihr kreisrunder rother Kern färbt sich etwas intensiver; ihre gegenseitige Abgrenzung ist sehr scharf, weil die Stacheln gut ausgebildet sind. Unter der verdickten Partie der Begrenzungsschicht und im proximalen Abschnitt des primären Nagelgrundes fehlt den Zellen diese scharf ausgeprägte Stachelpanzerung. In dem letztgenannten Bezirk kommen zwei Arten von Zellen vor, einmal solche mit körnigem Proto- plasma, das sich dunkler tingirt als in den Zellen der entsprechenden Schicht des distalen Abschnittes, und mit etwas verwischten Grenzen und dann die schon früher lieschriebenen grossen, blassen, wasserklaren Zellen mit stark glänzendem homogenem Contur. Am Ende der Begreiizungsschicht, welche 19* 2Ö2 RtCHARt) Zander! tiefer in den Nagelfalz eingedruDgen ist, so dass sie in der Ausdehnung von acht his zehn Zellen den Nagelwall von unten her bedeckt, liegen die hellen Zellen in vier Lagen übereinander. Nach beiden Seiten hin ver- mindert sich die Zahl derselben bis auf eine, so dass das Gesammtgebiet der hellen Zellen wiederum ungefähr die Form einer Biconvexlinse hat. Proximalwärts vom Ende der Begrenzungsschicht dringen die hellen Zellen noch eine Strecke zwischen den granulirten Zellen des Nagelfalz vor, distal- wärts kann man sie fast his zur Mitte zwischen der Spitze des Nagelwalls und der verdickten Partie der Begrenzungsschicht verfolgen. Da wo das Gebiet der heilen Zellen seine bedeutendste Dickenausdehnung hat, also an der Stelle, wo die Begrenzungsschicht endigt, liegen einige ausserordentlich grosse und blasig aufgetriebene Zellen. Eine derselben hatte eine Länge von 0*0312 und eine Breite von 0*0110 — Unter der verdickten Partie der Begrenzungsschicht und bis zu dem Punct, wo die ersten hellen Zellen auftreten, kommen die Zellen der anderen Art, die granulirten aus- schliesslich vor und liegen weiterhin zwischen den hellen Zellen und den an die Cutis grenzenden Epithelien, um sich dann in zwei Lagen his zum Grunde des Nagelfalzes fortzusetzen. Das proximale Ende der Begrenzungsschicht wurde bereits angegeben; distalwärts zieht die Schicht, schnell sich verdünnend, über die Einbuchtung zwischen primärem Nagelgrund und Zehenbeere hinweg noch eine Strecke weit auf letzterer hin. In dieser ganzen Ausdehnung enthalten die an die Be- grenzuugsschicht anstossenden Zellen in grösserer oder geringerer Anzahl die stark glänzenden, durch Methylorange, Methyleosin, besonders aber durch Säure- fuchsin in gleicher Intensität wie die Begrenzungsschicht gefärbten Körnchen. Die Grösse derselben zeigte sich auch hier äusserst schwankend. Zwi- schen solchen von unmessbarer Kleinheit und 0*0052 im Durchmesser grossen kamen alle Uebergänge vor. Die kreisrunde Form war die vor- herrschende, doch fanden sich auch ovale und ganz unregelmässig gestaltete Körnchen. Unter der verdickten Partie der Begrenzungsschicht waren zwei Reihen von Zellen mit kleinsten Körnchen erfüllt. In der unteren Schicht erschienen die Körnchen nur in einfacher Lage an der Peripherie, in der oberen Schicht sind sie viel zahlreicher, so dass sie den Kern oft vollkom- men verdecken. In beiden Schichten berührten sich die benachbarten spindelförmigen Zellen, die ungefähr gleich gross und gleich stark abge- plattet wie di^ darunterliegenden körnchenfreien Zellen waren , mit ihren zugespitzten Enden. Die chromophilen Granula machten ihre gegenseitige Abgrenzung undeutlich und es entstand das von mir schon vorher von dem jüngeren Foetus Ijeschriebene Bild von Körnchenketten mit spindelförmigen Anschwolhmgen. Auf der proximalen Seite des verdickten Theiles der Be- grejizuiigsschicht verschmolzen die Körnchenketten mit dieser in der Rieh- UNTEli8UCHUN(iEN ÜBEli DEN \'ElU101lNlTN(iSJ’lU)CKSS. 293 tiing von distal und innen nach proximal und aussen, ihr gegen die Zehen- spitze gerichtetes Ende dagegen verlief der OberÜäche parallel. Indem nun hier die Granula in der oberflächlichsten Zellenlage zahlreicher werden, dichter aneinander rücken und schliesslich verschmelzen, entsteht eine neue Lamelle der Begrenzuugsschicht, die demnach parallel der Oberfläche liegt. Da sich nun der Vorgang in der gleichen Weise wiederholt, so erscheint die Begrenzungsschicht in dem distalen Theil des primären Nagelgrundes aus Lamellen zusammengesetzt, welche alle parallel der Oberfläche gelegen sind. Jede neu sich bildende Lamelle rückt etwas weiter gegen die Zehen- spitze vor, sodass die Begrenzungsschicht demnach an der Stelle, wo proxi- maler und distaler Theil des primären Nagelgrundes zusammenstossen, ihre grösste Dicke hat und von da aus gegen die Zehenspitze hin sich verdünnt. Auf dem proximalen Abschnitt des primären Nagelgrundes enthalten die Zellen unmittelbar unter der Begrenzungsschicht bis zu dem Punkte, wo die blassen Zellen aufzutreten beginnen, nur ausnahmsweise Körnchen, von da ab jedoch sind diese Zellen von kleinen und grossen Körnchen erfüllt, welche den charakteristischen Glanz und die grosse Affinität zu Säure- fuchsin, Methyleosin etc. erkennen lassen. Diese körnchenhaltigen Zellen sind von den im distalen Theil des primären Nagelgrundes gelegenen, ausser durch das wasserklare Aussehen ihres Zellleibes, den stark glänzenden homo- genen Contur besonders dadurch unterschieden, dass die Granula eine sehr beträchtliche Grösse erreichen können, so dass sie als ölartige, glänzende Tropfen von dem Umfange des Kerns erscheinen, und dass dieselben nicht an ihrer Peripherie allein, sondern im Innern des Zellleibes liegen. Con- fluiren die Granula, wie das an der gegen die Begrenzungsschicht hin ge- richteten Seite der Zellen mit Leichtigkeit beobachtet werden kann, so ge- lingt es niemals im Innnern der Zellen einen Kern oder Theile, welche nicht die chromophile Substanz enthalten, nachzuweisen. Mit anderen Worten: es wandeln sich die Zellen vollkommen in eine Masse um, welche mit den Körnchen und mit der Begrenznngsschicht die gleichen Eigenschaften be- sitzt. In dem Nagelfalz verjüngt sich die Begrenzungsschicht und endigt hier mit einigen Ausläufern, die sich wurzelartig zwischen grosse und kleine Körnchen einschliessende Zellen einsenken und sie an ihrem distalen Ende umfassen. Die Zellen der unteren Fläche des Nagelwalls, welche die Be- grenzungsschicht berühren, enthalten nur kleine chromophile Granula, welche die Peripherie des Zellleibes einnehmen und deren Centrum freilassen, so dass der Kern deutlich hervortritt. Auf der Rückenfläche der Zehe findet sich die Begrenzungsschicht nur in nächster Nähe des Nagelfalzes, wo sie als ein feiner homogener Streif über vier bis fünf der flachen oberfläch- lichen Zellen hinzieht. In diesen Zellen sind Körnchen nicht nachweisbar. Die plantare Fläche der Zehe war in unmittelbarer Nachbarschaft des pri- 294 Richard Zander: inäreii Nagelgnindos von der Begrenzniigsscliiclit bedeckt. Dann wechselten Abschnitte ili denen sie fehlte, mit solchen, wo sie in der ersten Anlage vorhanden war. Das letztere war beispielsweise der Fall etwa in der Höhe von der Spitze der Fmdphalanx, ferner in der Zehenbeiige unter der Mittel- phalanx. An beiden Stellen konnten in dem homogenen Streifen, der hier die äusserste Epidermislage bildete, noch die Kernreste erkannt werden. Obgleich die charakteristischen Farbenreaction die Schicht deutlich hervor- hoben, konnte in den anliegenden flachen Zellen keine Spur von den chromophilen Gramilis nachgewiesen werden. Die Beziehungen der Begrenzungsschicht zu den körnchenhaltigen Zellen waren am besten bei einem Foetus aus der ersten Hälfte des fünften Monats zu studiren. Ich habe versucht in den Figuren 1. 2. 3 einen Medianschnitt durch die fünfte Zehe dieser Foeten naturgetreu abzubilden. Figur 1 ist mit der Oberhaus er’ sehen Camera lucida unter Benutzung von System 2 von Hartnack gezeichnet. Der zwischen den Linien a und h gelegene Abschnitt ist in Fig. 2, der von den Linien c und d begrenzte Theil in Fig. 3 bei 59Üfacher Vergrösserung wiedergegeben. (Zeiss: Wasser-Immersion I, Ocular 2.) In die mit dem Prisma entworfenen Bilder wurden die feineren Details bei Anwendung der homogenen Immersion Seibert und Kr afft mit Ocular 0 eingezeichnet. Das Praeparat war in der vorhin angegebenen Weise mit Säurefuchsin gefärbt worden. Die Zellen der Epidermis zeigten einen ganz minimalen röthlichen Hauch, die Kerne hatten einen schwach bläulich-rothen Ton angenommen, nur die Begrenzungs- schicht und die Körnchen in den benachbarten Zellen leuchteten in präch- tigem dunkeln Burgunderroth. Wurde aus dem Abbe’ sehen Beleuchtungs- apparat das Diaphragma entfernt oder ein solches mit sehr grosser Oeffnung eingefügt, so traten die intensiv tingirten Partieen ganz allein scharf her- vor, während das Uebrige mehr oder weniger vollkommen verschwand. Hierdurch wurde es möglich gemacht, die Grösse und Gestalt der einzelnen Granula und ihre Lagebeziehungen untereinander und zu der Begrenzungs- schicht auf’s Genaueste zu bestimmen. Das Uebersichtsbild Fig. 1 zeigt, dass der primäre Kagelgrund durch relativ sehr mächtige Ein Senkungen der Epidermis in die Lederhaut begrenzt ist. Die Zehenbeere ist mit hohen Papillen ausgestattet. In der Nähe des primären Nagelgrundes hat die Epidermis eine Dicke von 0-045 resp. 0-0975 je nachdem von der Spitze oder der Basis der Papillen an ge- messen wird. Die Begrenzungsschicht mass ca. 0-009"^"^. Die an den primären Nagelgrund anstossende Haut des Zehenrückens, an welcher die ersten Papillen und die Anlage der Schweissdrüsen sich zu markiren be- ginnen, ist 0-045 bis 0-060'^^™ dick, wovon etwa ein Zehntel auf die Be- grenzungsschicht entfällt. Der primäre Nagelgrund ist von einer Epidermis- UnTRRSUCHUNGEN über den VEBllÜRNUN(iSl*R()CESS. 295 läge überkleidot, wolclie in der Mitte des Gebietes am dünnsten ist, — ü-0675"““, eingerechnet 0-0150™“ für die Gegrenzungsscbiclit, — an der Spitze des Nagelwalls eine Dicke von 0-290“““ erreicht (die Begrenzungs- schicht misst 0 - 0225 gegen das distale Ende hin tief in die Lederhaut vordringt. In diesem distalen Abschnitt verdickt sich die Begrenzungs- schicht bis auf in maximo 0*045“^“b jedoch findet sich eine auffällige, an allen Praeparaten nachweisbare Auflockerung derselben an ihrer dicksten Stelle, ein lamellöses Abblättern, das an einzelnen Praeparaten zu einer starken ßeduction dieser Lage geführt hat. Die unterste Zelllage der Epidermis der Zehenbeere und des Zehen- rückens ist aus Zellen zusammengesetzt, deren Höhendurchmesser den Breiten- durchniesser beträchtlich übertrifTt, wie aus der gestreckt ovalen Form der Kerne erhellt. So gestaltete Kerne finden sich auch im distalen Abschnitt des primären Nagelgmndes und in der Tiefe des Nagelfalzes, während im Bereich des proximalen Abschnittes die Kerne weniger abgeflacht sind oder vollkommen rund erscheinen. Zwischen dieser untersten Zellenlage und der Begrenzungschicht liegen mehrere Schichten polyedrischer Zellen, die im distalen Theil des primären Nagelgrundes ebenso wie auf dem Kücken und an der Beere der Zehe einen deutlichen Stachelpanzer erkennen lassen, einen scharf sich von dem leicht granulirten Zellleib abhebenden kreis- runden Kern enthalten und gegen die äussere Oberfläche hin etwas platter werden. Die der Begrenzungsschicht direct anliegenden Zellen sind zum Theil mit chromophilen Granulis mehr oder weniger vollkommen erfüllt. Im proximalen Bezirk des primären Nagelgrundes folgen auf die der Leder- haut aufsitzende Schicht zunächst einige Lagen von Zellen, deren gegen- seitige Abgrenzung ganz undeutlich ist, deren Kern aus dem stärker granu- lirten und sich leicht diffus färbenden Protoplasma nicht scharf hervor- tritt. An der in Fig. 1 mit * bezeichneten Stelle, der Grenze zwischen proximalem und distalem Theil des primären Nagelgrundes erreichen diese Zellen die Begrenzungsschicht. Weiter gegen den Nagelfalz hin und auch im vorderen Abschnitt desselben schieben sich zwischen beide Schichten die schon wiederholt beschriebenen grossen wasserklaren Zellen mit stark glänzendem homogenem Contur. Die Beziehungen zwischen der Begrenzungsschicht und den körnchen- haltigen Zellen sind die nämlichen wie sie bereits für die jüngeren Foeten oben geschildert worden sind. Die Figuren 2 und 3 lassen erkennen, dass eine scharfe Sonderung beider nicht möglich ist. Die Anhäufung der Granula nimmt in den Zellen an der der Begrenzungsschicht zugewandten Seite derartig zu, dass schliesslich eine gleichartige mit den gleichen Eigen- schaften wie die Begrenzungsschicht begabte Masse daraus hervorgeht, mit 296 ßiCHAED Zander: tiiideren Worten, es tliesseii die Granula zu der Begreuzungsschicht zu- sammen. In dem distalen Al)schnitt des primären Nagelgrundes, der an die Zeheubeere angrenzt, liegen die Körnclienzellen mit ihrem längsten Durch- messer parallel der freien Oberfläche regelmässig neben einander. Die Granula sind grüsstentheüs von unmessbarer Beinheit, meist kreisrunder Gestalt und erfüllen gleichmässig den peripheren Theil des Zellleibes. In manchen Zellen scheinen die Körnchen zu einer zusammenhängenden Hülle zu einer Art Zellmembran verschmolzen, die im optischen Querschnitt sich als mehr oder weniger vollständig geschlossener Ring darstellt. Indem ziemlich gleichzeitig in den eine Lage bildenden Zellen die Körnchen con- fluiren, erhält die Begrenzungsschicht eine der Oberfläche parallele Schich- tung. An der Stelle, wo die Oberhaut sich stark verdickend in die Leder- haut vorspringt, Anden sich zwei bis drei Lagen von Zellen, die mit Körnchen erfüllt sind. Die Menge und Grösse der Körnchen nimmt nach aussen hin zu. Wie aus den oben mitgetheilten Zahlen hervorgeht, redu- cirt sich die Dicke der Begrenzungsschicht im Bereiche der Zehenbeere auf etwa ein Fünftel. In der angrenzenden Zellenlage können nun zwar mit scharfen Vergrösserungen noch Granula, die durch eine grosse Afflnität zu den verschiedenen oben erwähnten Farbstoffen characterisirt sind, nach- gewiesen werden, immer aber zeichnen sie sich durch ihre minimale Grösse aus und dadurch,- dass sie niemals zu jenen glänzenden membranartigen Bildungen oder zu grösseren Tropfen verschmelzen. In dem proximalen Theil des primären Nagelgrundes ist die Begrenzung sschicht nur etwa halb so dick, wie im distalen Theil und, wie dies schon bei den jüngeren Foeten beschrieben wurde, aus Lamellen zusammengesetzt, die nicht parallel der Oberfläche sondern in der Richtung von proximal und innen nach distal und aussen verlaufen, was darauf zurückzuführen ist, dass ihre Ursprungszellen diese geneigte Stellung zur Oberfläche einnehmen. Die Linie, welche die Begrenzungsschicht von den anstossenden Zellen scheidet, ist ähnlich wie die Schneide einer Säge gestaltet, deren Zähne proximalwärts gerichtet sind, während an allen übrigen Partien der Zehenoberfläche, soweit diese eine Begrenzungsschicht besitzt, diese Linie aus kleinen Bogenstücken sich zusammensetzt, welche meistens ihre Convexität nach aussen gerichtet haben. In demjenigen Theil der proximalen Partie des primären Nagelgrundes, welcher an die distale anstösst fehlen die körnchenhaltigen Zellen und treten erst etwas weiter gegen den Nagelfalz hin wieder auf. Es unter- scheiden sich aber die körnchenhaltigen Zellen in diesem proximalen Ab- schnitt in sehr wesentlichen Punkten von denjenigen des distalen Abschnittes. Zunächst ist, wie erwähnt, ihre Längsaxe schräg zur Oberfläche gelagert. Ferner enthalten sie neben kleineren chromophilen Granulis grössere tropfen- Untersuch UN GEN über den Verhornüngspkücess. 297 artige Bildungen, ausgezeichnet durch ihren starken Glanz und durch die lebhafte Färbung, die sie bei Behandlung mit Säurefuchsin, Methylosin etc., annehinen. In einigen Zellen kommen ganz allein solche grosse Tropfen vor, in anderen nur die kleineren Granula, wieder andere enthalten beides. Die Grösse der Körnchen kann eine so beträchtliche werden, dass sie sogar die der Zellkerne um ein geringes übertrifft. Ich habe Körnchen von 0*006“"" gemessen. Die kleinsten Körnchen sind annähernd kreisrund, die grösseren und die ganz grossen erscheinen bald als kugelige Tropfen, bald besitzen sie eine ganz unregelmässige Gestalt. Mit Sicherheit lässt sich constatiren, dass die Granula im Inneren der Zellen liegen — einige der grösseren Körnchen nehmen eben die ganze Dicke des Zellleibes ein — und nicht allein in einer peripheren Zone verkommen. Aufs deutlichste ist der Uebergang der Granula in die Begrenzungsschicht wahrzunehmen. Der Character der körnchenhaltigen Zellen wird sofort ein anderer auf der unteren Fläche des Nagelwalls. Hier finden sich, wie im distalen Theil des primären Nagelgrundes wiederum nur kleinere Granula, die mehr oder weniger genau concentrisch um den Kern gpordnet sind und hier erscheint auch die Grenzlinie gegen die Begrenzungsschicht nicht sägeförmig sondern aus Bögen zusammengesetzt, deren Concavität nach aussen gerichtet ist. Auf der Dorsalfläche der Zehe besitzt die Begrenzungsschicht die geringste Dicke. Die unter ihr liegenden Zellen sind abgeflacht, ihre Längsaxe liegt parallel der Oberfläche und die in ihnen vorhandenen sehr kleinen chromo- philen Granula nehmen die peripheren Theile der Zelle ein. An den Fingern dieses Foetus (aus der ersten Hälfte des fünften Monats) hatte der primäre Nagelgrund eine viel beträchtlichere Ausdehnung erlangt als an den Zehen. In seinem Bereich ist aber nicht allein die Begrenzungs- schicht, sondern auch die gesammte Epidermis dünner als dort. An der dicksten Stelle, die etwa an der Spitze des Nagel walls gelegen ist, misst letztere 0*075 wovon etwa 0*015™"^ auf die Begrenzungsschicht zu rechnen sind. Diese erreicht etwas weiter distalwärts fast die doppelte Dicke und verdünnt sich alsdann allmählich bis zur Grenze gegen den distalen Theil des primären Nagelgrundes, die erkennbar ist an einer starken unregelmässig geformten Vorwölbung der Begrenzungsschicht. Die grössere Länge des primären Nagelgrundes ist auf das stärkere Wachsthum ihres proximalen Abschnittes zurückzuführen, während der distale etwa die gleiche Ausdehnung besitzt. Auch der feinere Bau des distalen Theils weicht von dem der Zehe in keinem Punkt ab. Die körnchenhaltigen Zellen unter der Begrenzungsschicht erfüllen die Peripherie, während das Centrum der Zellen frei bleibt; die mächtig entwickelte Begrenzungsschicht erscheint aus parallel der Oberfläche gelegenen Lamellen zusammengesetzt. Im proximalen Theil des primären Nagelgrundes finden sich die körnchenhaltigen Zellen in un- 298 Richard Zander; iiiiterbrochener Reihe nur im Bereich der des NagelMzes. Je weiter gegen die Fingerspitze hin, um so spärlicher treten sie auf. Die an den Zehen dieser Foeten beobachteten grossen, wie Oeltropfen aussehenden Granula fehlen, dagegen nehmen einzelne der an die Begrenzungsschicht anstossenden Zellen ein homogenes Aussehen und nach Färbung mit Methyleosin eine diffuse röthliche Farbe an. Die Richtung, in der solche und die mit kleinen Granulis erfüllten Zellen in die Begrenzungsschicht übergehen ist eine gegen die Oberfläche leicht (viel weniger stark als an den Zehen) von distalwärts und innen nach proximalwärts und aussen geneigte. Die durch ihr wasser- helles Protoplasma und den scharfen homogenen glänzenden Contur aus- gezeichneten Zellen unterhalb der Begrenzungsschicht resp. der körnchen- haltigen Zellen sind stark abgeplattet, so dass sie auf dem Schnitt spindel- förmig erscheinen; die blasig gestalteten, scheinbar aufgequollenen Formen linden sich nur in den tieferen Partieen des Falzes. Indem diese platten hellen Zellen in der Gegend des Nagel walls in zahlreichen Schichten auf- treten, erlangt hier die Epidermis ihre grösste Dickenausdehnung. Die Lage dieser Zellen setzt sich in unverminderter Mächtigkeit weit in den Falz hinein fort, um sich erst in dessen Tiefe zu reduciren; gegen die Fingerspitze hin nimmt die Dicke dieser Lage schneller ab, jedoch erstreckt sie sich als einfache Zellenreihe etwa über die Hälfte der Länge des proxi- malen Abschnittes. Weiter gegen die Fingerspitze hin liegen zwischen der Begrenzungsschicht und dem Derma wie an den Zehen Zellen mit undeut- lichen Grenzen und einem trüben Protoplasma, das den Kern nicht deut- lich hervortreten lässt und einen leichten Farbenton nach Anwendung der erwähnten Tinctionsmittel annimmt. Für den Zeitraum von der zweiten Hälfte des fünften Monats bis zur zweiten Hälfte des sechsten Monats wurden Foeten von zehn verschiedenen Altersstufen zur Untersuchung benutzt, von deren Fingern und Zehen feine Schnitte gefertigt und auf die verschiedenste Weise gefärbt worden waren. Wie bei den bisher besprochenen Foeten konnte auch in allen diesen Fällen die Beobachtung gemacht werden, dass die Finger weiter als die entsprechenden Zehen entwickelt sind. Je älter der Foetus ist, um so mehr wird es deutlich, dass der Theil der Epidermis, welchen ich als den distalen Abschnitt des primären Nagelgrundes bezeichne, im Verhältniss zum proxi- malen an Ausdehnung zurücktritt. Im Bereich des distalen Abschnittes sind stets die unter der mächtig entwickelten Begi-enzungsschicht gelegenen Zellen an ihrer Peripherie mit chromophilen Körnchen erfüllt. Meistens liegen die Körnchen haltenden Zellen in mehreren Lagen übereinander. Beim Uebergang auf die Finger resp. Zehenbeere erfährt die Begrenzungs- schicht eine plötzliche Verdünnung und es findet sich an sie au stossend auch nur eine Lage von Körnerzellen, An beiden Stellen ist die Begrenz- ÜNTEKSUCIUJNdEN ÜBER DEN YeRJIORNUNGSPKOCESS. 299 iirigsschiclit aus Laiiiellcn, die parallel der Oberfläche verlaufen und nach Beliaudlung mit Methyleosin ebenso wie die Körnchen sich färben, zu- sammengesetzt. Der proximale Abschnitt des primären Nagelgrundes erfährt ausser der schon erwähnten relativ starken Längenausdehnung noch die folgenden Veränderungen, auf welche bereits die an den jüngeren Foeten gemachten Beobachtungen hinweisen. Hier zeigte sich, dass sowohl die erste Umwand- lung der oberflächlichsten Zellen der Epidermis zu der homogenen Be- grenzungsschicht, als auch eine Anhäufung von wasserklaren, scharf con- turirten Zellen, endlich das Auftreten von grossen chromophilen Granulis im Innern der oberflächlichsten Zellen, welche zu neuen Lagen der Be- grenzungsschicht sich verbinden, auf der Grenze von proximalem und dis- talem Abschnitt des 'primären Nagelgrundes stattfindet. Schon bei den wenig älteren Foeten war die Begrenzungsschicht gegen den Nagelfalz vor- gerückt und auch die Anhäufung der hellen Zellen und die Zellen mit grossen Granulis haben eine Verlagerung in gleichem Sinne erlitten. Die Begrenzungsschicht dringt in den Falz ein und die hellen Zellen liegen am Eingang des Falzes in einer Anzahl von Schichten übereinander, die nach beiden Seiten hin an Zahl abnimmt. Einige dieser Zellen, welche der Be- grenzungsschicht anliegen, sind durch ausserordentliche Grösse ausgezeichnet und sehen wie aufgequollen aus. Diese Zellen finden sich schliesslich (bei den Foeten aus dem sechsten Monat) nur in der Tiefe des Falzes, ange- lagert an das verdünnte Ende der Begrenzuugsschicht und dieses noch in proximaler Eichtung überragend. In diesen blasigen Zellen kommen noch grössere Granula vor, wenn sie sonst aus dem proximalen Abschnitt des primären Nagelgrundes bereits völlig verschwunden sind. Im Uebrigen flachen sich die anfangs polyedrischen klaren Zellen mit zunehmendem Alter der Foeten mehr und mehr ab, so dass sie auf dem Schnitt eine ausgesprochene flache Spindelform besitzen. An der Begrenzungsschicht bleibt die schräg zur Oberfläche gerichtete Schichtung erhalten, freilich wird der Neigungs- winkel an den Fingern, wegen der grossen Längenausdehnung des Gebietes ein sehr geringer. Die Theile der Begrenzungsschicht, denen keine Körnchen haltenden Zellen anliegen, also die früher entstandenen, welche bei jüngeren Foeten neben dem distalen Abschnitt des primären Nagelgrundes liegen und mit zunehmendem Alter der Frucht immer mehr gegen den Nagelfalz und schliesslich in diesen hineinrücken, werden durch Methyleosin nicht mehr ganz so lebhaft gefärbt, die Farbe hat etwas von ihrem Glanze ein- geb üsst. Die Körnchen haltenden Zellen, von denen des distalen Abschnitts des primären Nagelgrundes durch das Vorkommen von grösseren Körnchen und durch eine gleichmässige Vertheilung der Körnchen durch den ganzen Zellleib unterschieden, rücken von der Stelle ihres ersten Auftretens mehr 300 Richakd Z ander: und mehr distiilwürts, sind aber bei den Foeten aus der zweiten Hälfte des sechsten Monats in der Tiefe des Falzes unter dem Ende der Begrenzungs- schicht und über dasselbe eine Strecke weit distalwärts hinaus noch sehr schön entwickelt; an den Zehen kommen neben den feineren Granulis, die ich an den Fingern allein sah, auch grosse tropfenartige Bildungen vor Bei Neugeborenen fand ich an dem zugespitzten Ende der Begrenzungs- schicht in der Tiefe des Falzes noch einzelne mit feinen Körnchen erfüllte Zellen. Einige Zeit nach der Geburt gelang mir dies nicht mehr. Dass die Begrenzungsschicht von den unter ihr liegenden Körnchen haltenden Zellen einen Zuwachs erhält, kann, wie gezeigt, durch die directe Be- obachtung nachgewiesen werden. Wahrscheinlich aber findet auch, wenn die Körnchen nicht mehr zur Beobachtung gelangen, ein Uebergang der Zellen in die Begrenzungsschicht statt, indem die t)ifferencirungsprodukte des Protoplasma nicht in distincten Körnchen, sodern diffus auftreten. Dafür spricht einmal die wiederholt gemachte Beobachtnng, dass Zellen, welche die Begrenzungsschicht noch nicht direct oder nur mit einem kleinen Theil ihrer Peripherie berühren, ein homogenes Aussehen haben und nach Färbung mit Methyleosin eine diffuse röthliche Tinction annehmen, die mit derjenigen der Begrenzungsschicht identisch ist, ferner die an jedem Schnitt mit Leichtigkeit constatirbare Thatsache, dass die Begrenzungsschicht mit kleinen Fortsätzen von der Gestalt dieser Zellen sich zwischen die unveränderten blassen Zellen einschiebt, so dass eine sägenförmig gestaltete Grenzlinie entsteht. Hie und da zeigte sich endlich einer dieser Fortsätze, der auch die characteristische Lagerung mit der Spitze nach innen und distalwärts erkennen lässt, aus einzelnen, nicht völlig mit einander verschmolzenen Körnchen zusammengesetzt. Dass die Differencirungsprodukte des Proto- plasmas nicht mehr in distincten Körnchen, sondern diffus auftreten, würde verständlich gemacht werden durch die freilich nicht direct zu beweisende Annahme, dass die Begrenzungsschicht, nachdem sie einen gewissen Grad von Mächtigkeit erlangt hat, auf die unterliegenden sich metamorphosirenden Zellen einen Druck ausübt, der nicht nur eine stärkere Abplattung derselben erzeugt, sondern auch die in ihnen auftretenden Differenzirungsprodukte zu einer homogenen Masse zusammenpresst. Diese Annahme würde auch erklären, warum die Körnerzellen von ihrer ersten IJrsprungsstätte an der Grenze von proximalem und distalem Abschnitt des primären Nagelgrundes immer weiter gegen die Tiefe des Falzes hin rücken: es schlägt ja die Begrenzungsschicht bei ihrer Bildung die gleiche Richtung ein. Auf der dorsalen Fläche der Finger und Zehen und an der unteren Wand des Nagelwalls sind die Begrenzungsschicht und die Körnchen haltenden Zellen genau so wie an der Finger-, resp. Zehenbeere gebaut, so dass ich dem oben gesagten nichts hinzuzufügen habe. In der Tiefe des Falzes treten Unter süCHUiiGEN über den VertioRnungsbrocess. 301 die mit Körnehen erfüllten Zellen in nahe Berührung mit den zum primären Nagelgrund gehörenden. Am freien Rande des Nagelwalles tritt die Be- grenzungsschicht als zugeschärft auslaufender Fortsatz auf, der der Be- greuzungsschicht des primären Nagelgrundes mehr oder weniger fest anhaftet. Die bisher mitgetheilten Beobachtungen haben ergeben, dass die Epi- dermis der Finger und Zehen die Umwandlung in die charakteristische Begrenzungsschicht an einer Stelle, die ursprünglich endständig oder nahezu endständig gelegen war, zuerst erfährt und dass der Umwandlungsprocess von hier aus nach beiden Seiten hin vorschreitet. Das Stück der Epidermis- oberfläche, zwischen dieser ersten ürsprungsstätte und dßm schon sehr früh als Einsenkung der Oberhaut in die Lederhaut auftretendem Nagelfalz ge- legen, unterschied sich in den feineren Details bei der Umbildung der obersten Zellenschichten von dem mehr distalwärts gelegenen Abschnitt. Darf man die Begrenzungsschicht auf dem proximalen Theil des pri- mären Nagelgrundes als Nagel auffassen? Indem ich diese Frage bejahe, setze ich mich mit der bisher geltenden Ansicht in Widerspruch, die besagt, dass der Nagel beim Foetus inmitten der Epidermis unterhalb des Stratum corueum entstehe und zwar entweder „gleich in toto auf dem ganzen Nagel- bette“ (Köl liker), oder dass derselbe, zunächst von der Hornschicht be- deckt, von dem Nagelfalz aus in distaler Richtung vorwärts wachse (Unna, Henle, Brooke). Am ausgebildeten Körper existiren sehr bestimmte Unterschiede zwischen der Nagelsubstanz und der Hornschicht der Epidermis. So wird beispiels- weise durch Picrocarmin der Nagel rein gelb, das Stratum corueum je nach dem Erhärtungsgrade und der Conservirungsflüssigkeit roth oder scheckig roth und gelb gefärbt. An den Zehen des 15 — 16 Wochen alten Foetus, an denen zum ersten Male sich die Begrenzungsschicht bildete, nahm dieselbe nach Behandlung mit Picrocarmin eine glänzend gelbe Farbe an. Das gleiche war bei aller älteren Foeten ausnahmslos der Fall in dem proximalen Abschnitt. In dem distalen dagegen nahm die Begrenzungsschicht sehr bald eine mehr oder weniger reine rothe Farbe an. Die Stelle, an welcher später der Nagel liegt, besitzt demnach von Anfang an auf ihrer Oberfläche eine Sub- stanzlage, welche in ihrem Verhalten gegen Picrocarmin sich ebenso wie der ausgebildete Nagel verhält. Wäre nun die allgemein acceptirte Ansicht richtig, dass der Nagel des Foetus zunächst von dem Stratum corueum der Epidermis völlig verdeckt wird, so bliebe nur entweder die Möglichkeit, dass die von mir als Begrenzungsschicht bezeichnete Lage als Stratum corneum aufzu fassen sei, oder dass dieselbe zwar dem künftigen Nagel ent- spräche, die über ihr gelegene Hornschicht aber durch uiigeiiügeiide Cun- 302 Richaed Z ander : servirung oder unzweckmässige Manipulationen verloren gegangen sei. Gegen letzteres spricht nicht nur der Umstand, dass eine ziemlich grosse Anzahl von Foeten, die sich sonst in jeder Hinsicht also vortrefflich er- halten erwiesen, das gleiche Resultat lieferten, sondern auch die Beobach- tung, dass nicht am Eingang zum Nagelfalz, wie ein Theil der Autoren will, oder in der Tiefe desselben, was andere behaupten, der foetale Nagel zuerst auftritt, sondern weiter gegen die Spitze der Finger bez. Zehen hin und dass er von hier aus gegen den Falz hin rückt, statt umgekehrt von diesem aus distalwärts. Für die erste Annahme, dass die Begrenzungsschicht auf dem proxi- malen Abschnitt des primären Nagelgrundes nichts als das foetale Stratum corneum sei, würde zwar ins Gewicht fallen, dass dieselbe continuirlich in diejenige des distalen Abschnittes und in späteren Entwickelungsstadien auch auf die Epidermis des dorsalen und der ventralen Fläche übergeht, ferner die gleiche Tinction derselben in den erwähnten Bezirken durch eine Anzahl von Farbstoffen (Methyleosin, Methylorange, Säurefuchsin). Gegen diese Annahme erheben sich aber gewichtige Einwände. Sowie die Be- grenzungsschicht im Bereich des distalen Abschnittes des primären Nagel- grundes eine gewisse Dicke erreicht hat, reagirt sie auf verschiedene Farb- stoffe anders wie die Begrenzungsschicht des proximalen Abschnittes. Ich kann mit Bestimmtheit angeben, dass bei allen untersuchten Foeten, die älter als 18 Wochen waren, — für die jüngeren Stadien waren die be- trefi'enden Farbennuancen nicht deutlich genug um sie zum Beweise her- heizuziehen — die Begrenzungsschicht des proximalen Abschnitts durch Picrocarmin gelb, die des distalen roth oder wenigstens röthlich gefärbt wurde; erstere zeigte nach Anwendung von Haematoxylin eine rein weisse oder gelblich graue, bisweilen auch ganz schwach bläulich graue Färbung, letztere dagegen eine mehr oder weniger intensiv blaue bez. violette, wenig- stens eine blaugraue Färbung; Doppelfärbungen mit Eosin und Dahlia oder Gentiana violett Hessen erstere roth, letztere blau erscheinen. Ich habe ferner oben gezeigt, dass in beiden Abschnitten des primären Nagelgrundes die Begrenzungsschicht aus verschieden gegen die Oberfläche geneigten Lamellen sich zusammensetzt. Der distale Abschnitt besteht aus Lamellen, die parallel der Oberfläche liegen und stimmt in dieser Hinsicht überein mit der Epidermis der Finger- bez. Zehenbeere, des Nagelwalls und der unmittelbar an diesen anliegenden Partie. Der proximale Abschnitt da- gegen lässt von seinem ersten Entstehen an eine Schräglagerung der La- mellen erkennen, die um so bedeutsamer ist, als sie übereinstimmend mit der an dem ausgebildeten Nagel erwiesenen, ^ eine gewichtige Unterstützung Siehe Unna, Entwickelungsgeschichte und Anatomie der Haut in v. Ziems en’s Unteksuchungen über BEN Verhornlingsbrocess. 303 meiner Annahme, dass dieser Theil der Begrenzungsscliiclit als Nagel aul- zufassen sei, liefert. Die Lamellen des foetalen Nagels verlaufen ebenso wie die Schichten des völlig entwickelten Nagels in der Richtung von proximal und aussen nach distal und innen. Endlich — und damit komme ich zu dem wichtigsten Punkt — ist der Modus, wie die Begrenzungsschicht sich weiterbildet oder regenerirt in den beiden Abschnitten des primären Nagelgrundes eine principiell sehr verschiedene. In dem distalen Abschnitt geht die Begrenzungsschicht aus Zellen hervor, in denen feinste oder doch immer relativ 'kleine stark glän- zende, durch ihre grosse Affinität zu verschiedenen Farbstoflen ausgezeich- nete Körnchen in sehr grosser Menge auftreten, welche die centralen Par- tien der Zelle freilassen. Diese Zellen liegen für gewöhnlich in mehreren Lagen übereinander und die Zahl der Granula nimmt von den tiefsten Schichten gegen die oberflächlichsten hin zu. Im proximalen Abschnitt treten neben den Zellen mit kleinen Körnchen auch solche mit beträchtlich grösseren auf, die mit den kleinen zusammen oder mit wenig anderen grossen allein den Zellinhalt darzustellen scheinen. Die Körnchen scheinen hier nicht allein eine peripherische Lage einzunehmen, sondern auch im Centrum der Zellen gelegen zu sein, was für die grössesten derselben un- zweifelhaft ist. Diese Zellen finden sich zuerst in der Nachbarschaft des distalen Abschnittes, rücken mit zunehmendem Alter des Foetus mehr und mehr in die Tiefe des Nagelfalzes und können bei Neugeborenen noch in sehr reducirter Zahl am äussersteu Ende des Nagels nachgewiesen werden. Brooke ist der erste, welcher im Bereich des foetalen Nagels Körner- zellen beobachtete „mit grösseren tropfenartigen Massen in ihrem Proto- plasma versehen als beispielsweise in der Epidermis, wo sie nur als kleine Körnchen vorhanden sind^‘, und diesen eine grosse Bedeutung für den Verhornungsprocess zuschreibt. Ich selbst hatte meine in diesem Aufsatz niitgetheilten Untersuchungen bereits beendet als ich durch den Jahres- bericht auf die Arbeit Brooke s aufmerksam gemacht wurde. Abgesehen von der eben erwähnten Beobachtung ergaben unsere Untersuchungen kaum irgend welche Uebereinstimmung. Von Autoren, die von Köruer- zellen im Bereich des foetalen Nagelbettes sprechen, sind auzuführen Ranvier, der den foetalen Nagel von mehreren Lagen weicher, an Glycogen und grossen Eleidintropfen sehr reicher Epidermiszellen bedeckt sein lässt, dagegen Eleidin und Glycogen in der Nagelplatte und in deren Matrix leugnet, und Unna, welcher angiebt, dass bei der Verhornung des foetalen Bandhuch. Bd. XIV. Hft. I. S. 45; — Unna, Anatomisch physiologische Vorstudien zu einer künftigen Onychopathologie. Vierteljahresschrift für Dermatologie und Sy- philis. Wien 1881. 304 Richard Zander: Nagels keine Körnerzellen auftreten. Bei Anwendung der von mir vorge- schlagenen Reagentien werden meine Angaben ihre Bestätigung finden. Wenn die Körnerzellen nicht mehr auftreten, so scheint eine diffuse Umwandlung des Zellprotoplasmas stattzufinden. Es ist darum unzweifel- haft, dass die von den Autoren augenscheinlich als den Nagel bedeckendes Stratum corneum, bez. als Rest eines Epitrichiums (Eponychium Unna, Hyponychion Ranvier) aufgefasste Begrenzungsschicht im proximalen Ab- schnitt des primären Nagelgrundes morphologisch nicht identisch ist mit derjenigen im distalen Abschnitt, an den Finger- und Zehenheeren, am Nagel wall und an dem diesem Abschnitt benachbarten Hautbezirk. Die grossen, scharf conturirten, wasserhellen, zum Theil blasig aufgetrieben er- scheinenden Zellen unterhalb der Begrenzungsschicht sind offenbar die- jenigen Zellen, welche „als die erste Andeutung der eigentlichen Nagel- substanz^^ (Köl liker) angesehen werden, „welche den Nagelzellen ent- sprecheifi^ (Biesiadecki). Bei dem 4^2 nionatlichen Foetus sah Unna^ unter einer dicken lamellösen Hornschicht „die erste Andeutung des defi- nitiven Nagels als eine kleine, auf dem Längsschnitt der Zehe linsenförmige Anhäufung klarer und grosser Stachelzellen am Ausgange des Nagelfalzes“. Bei einer 6 monatlichen Zehe hatte „der definitive Nagel bereits eine grössere Ausdehnung gewonnen, indem die klaren grösseren Zellen ebenso- wohl nach hinten in den Nagelfalz weiter gedrungen sind wie nach vorn sich unter dem Eponychium fortgeschoben haben, wobei sie zugleich von vorn nach hinten verhornen, was man aus der Annahme der gelben Nüance bei Picrocarniinfärbung erkennt“. Die Abbildung, welche Unna dieser Beschreibung zu Grunde legt, Fig. 7 III (S. 41) entspricht jedoch derselben nicht, denn der Nagel setzt sich, wie sie zeigt, direct in die Hornschicht des Nagelbettes, also in das Eponychium fort. Da diese hellen Zellen nicht ein Endstadium repräsentiren, sondern eine weitere Umbildung erfahren und, wie ich das oben geschildert habe, in die Begrenzungsschicht über- gehen, so ist man nicht berechtigt, sie als Nagelzellen oder als solche, die durch eine Umwandlung in loco dazu werden, aufzufassen; sie sind eine Vorstufe der Begrenzungsschicht. Es ist damit wohl der Nachweis erbracht, dass beim menschlichen Foetus der Nagel nicht unterhalb des Stratum corneum entsteht. Ob man nun aber die Begrenzungsschicht des proximalen Abschnittes des primären Nagelgrundes als ein Stratum corneum, das von dem der benachbarten Epidermis in wesentlichen Punkten abweichend gebaut ist, in anderer Weise sich entwickelt und diflerent reagirt, bezeichnet oder von einem foetalen Nagel spricht, der durch allmähliche innere Umgestaltungen in den defi- ^ P. Unna, Eutwickeluagsgeschiclitc uiul Anatomie der Haut. v. Zienissen’s Handbuch. Bd. XIV. S. 39 tf. Untersuchungen über den Verhornungsprocess. 305 uitiven Nagel übergeht, scheint mir an und für sich gleichgültig zu sein. Ich halte aber die Bezeichnung „foetaler Nagel für zweckmässiger, weil sie die Beziehungen zu dem fertigen Gebilde einerseits ausdrückt, andererseits aber auch auf die unbeendigte Entwickelung hinweist. Der distale Abschnitt des primären Nagelgrundes, der in der ersten Anlage unzweifelhaft mit dem proximalen zusammengehört, zeigt, wie aus den oben mitgetheilten Beobachtungen hervorgeht, sehr bald Yerschieden- heiten, als deren wesentlichste ich folgende hervorhebe: Vor dem Auftreten der Begrenzungsschicht sind hier die aus der Epidermis ausgeschiedenen Zellen in einer Massenhaftigkeit wie sonst nirgends an den Fingern und Zehen zu finden. Wenn die Begrenzungsschicht sich bildet, so geschieht dies auf der Grenze von proximalem und distalem Abschnitt ; von hier aus schreitet die Umbildung der oberflächlichsten Zellenlagen nach beiden Seiten fort, proximalwärts eine regelmässig glatte Oberfläche erzeugend, distalwärts in sehr unregelmässiger Weise, was dadurch bedingt wird, dass die hier anhaftenden ausgeschiedenen Zellenmassen theilweise sich an dem Umwandlungsvorgang mitbetheiligen und so zu verschieden gestalteten An- hängen der Begrenzungsschicht werden. Später ist dieser Abschnitt haupt- sächlich durch die grosse Dicke der Epidermis und die Mächtigkeit der Begrenzungsschicht ausgezeichnet. Die Körnerzellen treten in mehreren Lagen übereinander auf, scheinen stets nur sehr kleine Körnchen zu ent- halten, welche eine peripherische Lage in den Zellen einnehmen und das Centrum freilassen. In der an die Begrenzungsschicht anstossenden liage verschmelzen die Körnchen zu einer starren Membran, welche den differen- ten centralen Theil der Zelle rings einschliesst. Was die Art der Weiter- bildung der Begrenzungsschicht aus den Körnerzellen anlangt, so charak- terisirt sich der distale Abschnitt des primären Nagelgrundes als gewöhn- liche Epidermis, wenigstens vollzieht sich der Vorgang ganz gleichartig wie auf der anliegenden Beere, wie an der unteren Seite des Nagel walls und auf der angrenzenden Rückenfläche. Er unterscheidet sich jedoch von diesen Hautpartien durch die frühzeitig auftretende ausserordentlich starke Begrenzungsschicht und die Unregelmässigkeit der Oberfläche und der Lagerungen der Zellen. Die bei dem ersten Entstehen unzweifelhaften Beziehungen zu dem proximalen Abschnitt des primären Nagelgrundes und die wenn auch scheinbar nicht gerade wesentlichen aber doch bestehenden Unterschiede von der gewöhnlichen Haut bestimmen mich, für den distalen Abschnitt die von Gegenbaur vorgeschlagene Bezeichnung „Nagelsaum‘‘ anzunehmen. Ob Gegenbaur’s Meinung, dass der Nagelsaum das Homo- logen des Sohlenhorns der Hufthiere ist, in histologischen und vergleich end- histogenetischen Thatsachen eine Bestätigung findet, hoffe ich demnächst entscheiden zu können. Archiv f. A. u. Ph. 1886. Anat. Abthlg. 20 BOf) RicHAKD ZANDBr: tiNTERSüriHrNÖEN ÜBER BEN VeRHORNüJ^GSPRÖCESS. Erklärung der Abbildungen. (Taf. XIII.) Fig-. 1. Medianschnitt durch die fünfte Zehe eines Foetus aus der ersten Hälfte des fünften Monats. (Oberhäuser’sche Camera lucida, System 2 von Hartnack,) Fig*. 2. Der in Fig. 1 zwischen den Linien a und h gelegene Abschnitt bei 590 facher Vergrösserung. Fig. 3. Der in Fig. 1 zwischen den Linien c und d gelegene Abschnitt bei 590 facher Vergrösserung. Archiv f.'Amtf. n. Fhi/s. Whii Anti t. Ahflihj. Tanill. 'i ■ } . üf -IH": UNlVERSrrf oH* lieber Arterienspindeln und über die Beziehung der Wanddicke der Arterien zum Blutdruck. Von Dr. Hans Stahel. (Ans dem anatomischen Institut zu Leipzig ) Zweite Abhandlung. (Hierzu Taf. XIV n. XV.) Am Schlüsse meiner ersten Abhandlung habe ich die Thatsache erwähnt, dass die G-efässwand der Art. subclavia regelmässig gegen die Abgangsstelle von Aesten eine Zunahme ihrer Wandstärke erfährt. Im Folgenden soll nun gezeigt werden, dass diese Erscheinung sämmtlichen grösseren Arterien des Körpers zukommt. Ich lasse zunächst einige weitere, an der Art. sub- clavia ausgeführte Messungen folgen. Die auf Taf. XIV Fig. 13 abgebildete Curve stammt von der Art. sub- clavia sinistra eines ganz normalen, 15jährigen Menschen und stellt die Wanddickeverhältnisse der auf der convexen Seite der Subclavia angelegten Schnittfläche dar. Eine Vergleichung dieser Curve mit der auf Taf. XIV Fig. 12 lehrt, dass in beiden die Wellenberge den Stellen der Arterie entsprechen, wo unmittelbar nachher Aeste abgehen, während die Thäler auf die zwischen zwei Aesten befindlichen Arterienstrecken fallen. Diese Curven stimmen somit in den hier in Betracht kommenden Punkten genau überein. — Die nämliche Arterie wurde auch von der concaven Seite aufgeschnitten und die Dicke der erhaltenen Schnittfläche an verschiedenen Stellen gemessen. Von den Dicke Verhältnissen dieses Wandstreifens giebt die Curve Taf. XIV Fig. 14 ein Bild. Wie aus derselben unmittelbar hervorgeht, ist die Ge- fässwand sämmtlicher vom Schnitte getroffenen Beactionsstellen bedeutend mächtiger als die an die Reactionsstellen grenzende Gefässwand. 20* 308 Hans Stahel: Die in Fig. 13 nnd 14 abgebildeten Curven geben indessen nur Auf- schluss über die Dickeverhältnisse zweier Wandstreifen der Art. subclavia; über das Verhalten der übrigen Gefässwand ist darin nichts ausgesagt. Ein Blick aber auf den Querschnitt irgend einer Arterie lehrt, dass selbst an ein und demselben Querschnitte die Gefässwand an verschiedenen Stellen verschiedene Dicke besitzt. Es war daher zunächst festzustellen, ob die Curven der Dickenmaxima und -minima der Art. subclavia die aus den Curven Eig. 13 und 14 abgeleitete Beziehung zwischen Wanddicke und Astabgabe ebenfalls erkennen lassen. Zu diesem Zwecke wurden an der Art. subclavia in Abständen von je 1 Querschnitte angelegt und an jedem derselben die Wandung von 2 zu 2™™ gemessen. Auf diese Weise fand ich an einer Art. subclavia sinistra folgende Wanddickeverhältnisse. Querschnitt der Subclavia am Ursprung Querschnitt der Subclavia 1 vom Ursprung Querschnitt der Subclavia 2 vom Ursprung Querschnitt der Subclavia 3 vom Ursprung Querschnitt der Subclavia am Isthmus Querschnitt der Subclavia nach aussen von der Abgangsstelle der Art. trans- versa colli mm mm mm mm mm mm 0*723 0*475 0-367 0-348 0-208 0-429 0*746 0*529 0-370 0-425 0-292 0-554 0*512 0*452 0-360 0-355 0-326 0-554 0.531 0*446 0-398 0-485 0-337 0-448 0-515 0*418 0-427 0-376 0-356 0-307 0*535 0*392 0-437 0-382 0-388 0-319 0.491 0*333 0-319 0-343 0-212 0-373 0-518 0*401 0-405 0-368 0-247 0-425 0*532 0*478 0-395 0-351 — — 0*556 0*490 0-393 0-358 — — Trägt man das Maximum und Minimum der Wanddicke jedes einzelnen Querschnittes als Ordinate auf die Länge des gemessenen Arterienstückes als Abscisse auf, so erhält man die Taf. XIV Eig. 15 wiedergegebene Curve. Aus diesen Curven geht hervor, das die Subclavia sinistra von ihrem Ursprünge an zunächst eine Abnahme ihrer Wanddicke erfährt. Das Minimum der Wandstärke des astlosen Anfangstheils der Subclavia be- trifft ungefähr die Mitte desselben. Von hier ab nimmt die Wandung bis zur Abgabe des Truncus thyreo-cervicalis an Dicke stetig zu. Nach Ab- gabe des Truncus thyreo-cervicalis wird die Gefässwand der Subclavia wieder schwächer, um daun von neuem gegen die Ursprungsstelle der Art. trans- versa colli eine Verdickung zu erfahren. Der Verlauf dieser Curven ist somit der nämliclie, wie der der Curve Eig. 13. Die grössere Mächtig- Über Arterienspindeln u. s. w. 300 I koit der Gefässwand eines Arterienstamines jevveilen vor Al)- I- gang eines Astes betrifft daher nicht mir einen Wandstreifen, sondern die gesammte Gefässwand. In meiner ersten Abhandlung habe ich mm gezeigt, dass die Wand- dicke in einer ganz bestimmten Beziehung zum Blutdrucke steht. Ueberall da, wo nach ])h3^sikalischen Gesetzen eine Druckerhöhung angenommen werden musste, wurde auch eine grössere Wanddicke beobachtet. Wir müssen somit aus den vorhergehenden Curven mit Nothwendigkeit folgern, dass der Blutdruck in einem Arterienstamme unmittelbar vor Abgang eines Astes höher ist als an einer weiter central gelegenen Stelle. Dies ist aber nur möglich, wenn entsprechend der grösseren Wand dicke auch das Lumen grösser ist und umgekehrt. Es war deshalb nothwendig, die Flächeninhalte verschiedener Querschnitte eines Arterienstammes zu bestimmen. Zu diesem Zwecke habe ich das Gefässsystem in situ mit flüssigem Gypsbrei bei mitt- lerem Drucke gefüllt. Die auf die Aorta gelegte Hand bürgte dafür, dass der Druck nicht zu stark war und somit eine Ueberdehnung der Gefäss- wand mit Sicherheit ausgeschlossen werden konnte. Die Gypsform kam so unter der Wirkung der Elasticität der Gefässwand zu Stande. Von diesen Gypsausgüssen fertigte ich mittelst einer feinen Laubsäge Querschnitte an. Letztere wurden sodann, nach vorausgegangener sorgfältiger Glättung der Sägefläche, mittels des Hi s’ sehen Zeichnungsapparates fünf Mal ver- -grössert gezeichnet und die Flächeninhalte derselben mit dem Polarplani- meter ausgemessen. Heber die Brauchbarkeit dieser Methode werde ich im folgenden Abschnitte Rechenschaft geben. Nimmt man als Abscisse die Länge des zu messenden Arterienstückes und trägt über den Stellen, an denen Querschnitte angelegt wurden, die entsprechenden Flächeninhalte als Ordinaten auf, so erhält man eine Curve, die den Gang der Aenderung des Lumens veranschaulicht. Auf diese Weise sind die Querschnittscurven in Fig. 16 und 17 auf Taf. XIV zu Stande gekommen. Die Curve Taf. XIV Fig. 16 stammt von der Art. subclavia eines 24 jähri- gen Selbstmörders; die Curve Fig. 17 von der Art. innominata und subclavia dextra desselben Individuums. Vergleicht man die Curve Fig. 16 mit der Fig. 15, so erkennt man sofort die Uebereinstimmung derselben für den Abschnitt der Art. subclavia, welcher nach innen von der Ursprungsstelle des Truncus thyreo-cervicalis, nach aussen von der Abgangsstelle der Art. thoraco-acromialis begrenzt ist. Für den Anfangstheil der Subclavia sinistra dagegen weichen die beiden Curven von einander darin ab, dass in Curve 1 6 die Subclavia unmittelbar vor Abgang der Aeste (Art. vertebralis, Truncus thyreo-cervicalis u. s. w.) das nämliche Lumen besitzt, wie in der Mitte ihres astlosen Anfangstheiles. In Bezug auf diese scheinbare Abweichung 310 Hans Stahel: der beiden Curveii ist zu bemerken, dass erstens dieselben von Arterien verschiedener Individuen stammen ^und zweitens dass gerade der Gefäss- abschuitt der Art. subclavia, wo die Art. vertebralis, Truncus thyreo-cervicalis u. s. w. entpringen, hinsichtlich des Ursprungs dieser Gefässe bedeutende Abweichungen zeigt. Während z. B. bei einer Gruppe von Subclavien die genannten Gefässe beinahe unmittelbar hintereinander aus dem Haupt- stamme entspringen, finden sich die Ursprungsstellen derselben Aeste bei einer anderen Classe von Subclavien durch Distanzen von 1 und mehr getrennt. Da nun, wie ich später zeigen werde, das Lumen der Art. sub- clavia vor der Abgangsstelle der Aeste um so grösser ist, je gedrängter letztere abgehen, so findet somit diese Differenz der beiden Curven in der eben erwähnten anatomischen Thatsache ihre ungezwungene Erklärung. Der mit Ausnahme dieser kleinen Strecke übereinstimmende Verlauf der Curven Eig. 15 und 16 lehrt, dass Wanddicke und Lumen einer Arterie in gleichem Sinne sich ändern. Carotis communis. Legt man an der Leiche die Carotis communis dextra oder sinistra frei, so gewahrt man ungefähr in der Mitte ihres Verlaufes eine deutliche Ver- engerung des Lumens. Diese Isthmusbildung der Carotis communis ist nicht nur an der leeren, sondern auch an der mit Blut gefüllten Arterie zu erkennen. So fand ich bei einem Neugeborenen, dessen Arterien prall mit Blut gefüllt waren, den Ursprungs- und Endtheil der Carotis communis im Verhältniss zum mittleren Stück bedeutend erweitert. Mit dieser Be- obachtung befinden sich denn auch die Ergebnisse der Messung in Ueber- einstimmung. Man braucht nur einen Blick auf die Taf. XIV Eig. 18 A — 19 A dargestellten Wanddickecurven der Carotis communis dextra und sinistra und die Querschnittscurven (Eig. 20 und 21) derselben Gefässe zu werfen, um sich zu überzeugen, dass in beiden Gefässen sowohl Wanddicke wie Querschnitt vom Ursprung gegen die Mitte ab-, von der Mitte gegen die Theilungsstelle zunehmen. Das Vorhandensein eines Isthmus der Carotis communis wird auch noch durch folgende Messungen bewiesen. Legt man nämlich senkrecht zur Axe der Carotis in bestimmten Abständen Querschnitte an und misst die Länge der auf eine Linie abgerollten Schnittfläche, so erhält man an verschiedenen Stellen des Gefässes verschiedene Werthe. Trägt man letz- tere als Ordinaten auf die Länge des Gefässes als Abscisse auf, so erhält man Curven, deren Verlauf für zwei Carotiden in Taf. XIV Eig. 18 B und 19 B dargestellt ist. Diese Curven zeigen, dass der Wandumfang der Carotis Über Arteriensbindeln ü. s. w. 811 communis dextra und sinistni vom Ursprung bis zur Mitte ab-, von der der Mitte bis zur Theiluugsstelle wieder zuiiimmt. Die erwähnte Isthmusbildung der Carotis communis bot mir eine er- wünschte Gelegenheit, die Brauchbarkeit der von mir angewandten und eingangs beschriebenen Ausgussmethode zur Bestimmung des Gefässlumens zu prüfen. Da die Wandung der Carotis communis in der Mitte ihrer Länge, entsprechend dem geringeren Querschnitte, dünner ist als an anderen Stellen, so hätte beim Einfüllen des G3^psbreies ein die Elasticitätsgrenze der Ge- fässwand überschreitender Druck zur Folge gehabt, dass die dünnere Wan- dung stärker gedehnt und somit der Querschnitt in der Mitte des Gefässes grösser ausgefallen wäre als jeder andere Querschnitt der Arterie. Dies trat nun, wie ich mich durch zahlreiche Messungen überzeugt habe, nie ein, wenn bei der Injection die Spannung der Gefässwand controlirt wurde. Die auf die beschriebene Weise ausgeführten Wanddickebestimmungen sind demnach beweiskräftig. Wird das Gefässrohr der Carotis communis senkrecht zur Axe durch- schnitten, so überzeugt man sich schon mit blossem Auge von der un- gleichmässigen Wandstärke der erhaltenen Schnittfläche. Diese Beobach- tung bestätigt denn auch die Messung. Bestimmt man nämlich an ver- schiedenen Punkten einer solchen Schnittfläche die Wanddicke und trägt die gefundenen Grössen als Ordinaten auf die auf eine Linie abgerollte Peripherie des Rohres als Abscisse auf, so erhält man eine Curve, die in keinem ihrer Theile horizontal verläuft. Eine Reihe solcher Wanddicke- curven verschiedener Querschnitte der Art. carotis communis dextr. und sinistr. ist in Fig. 22 wiedergegeben. Die links von den einzelnen Curven beigesetzten Zahlen beziehen sich auf die jeweiligen Entfernungen der be- trefi’enden Querschnitte vom Ursprünge der Gefässe. Aus der Thatsache, dass die Gefässwand an verschiedenen Stellen ein und desselben Querschnittes verschiedene Wanddicken besitzt, muss gefolgert werden, dass auch der Druck nicht an allen Punkten eines Querschnittes der nämliche ist. Nun ist aber nach der Bewegungsgleichung eines Stroni- fadens der haemodynamische Druck eine Function der Geschwindigkeit von letzterem. Die nämliche Thatsache der wechselnden Wanddicke der Gefäss- wand ein und desselben Querschnittes zwingt uns daher zur Annahme, dass die den dickeren Wandtheilen anliegenden Stromfäden eine geringere Ge- schwindigkeit besitzen als die den dünneren Wandpartien zugehörigen Stromfäden. Diese Annahme erweist sich als richtig, wenn wir nachweisen können, dass in dem Maasse, als die Wandtheile an Dicke zunehmen, auch die entsprechenden Stromfäden weiter von dem axialen Stromfaden entfernt sind und umgekehrt. Gelingt es daher^ genaue Querschnitte von dem Blut- 312 Hans Stahel: ströme eines Gefässes anzufertigen, so ist die Möglichkeit eines solchen Nachweises gegeben. Eine genaue Nachahmung aller der Bedingungen, wie sie z. B. für die Strömung des Blutes in der Carotis communis statthahen, ist selbst- verständlich unmöglich. Dagegen gelingt es, die wesentlichsten Bedingungen im Versuche annähernd herzustellen. Die wesentlichsten Factoren aber, von denen die Constitution des Blutstromes in einem Gefässe abhängt, sind 1. die Geschwindigkeit des Blutstromes in dem betreffenden Gefässabschnitte, 2. der Verlauf des Gefässes und 3. die Form der Einllussöffnung. Da nun die Form der Einflussöffnung sich nicht wesentlich ändert, wenn das Gefäss aus seiner natürlichen Verbindung gelöst ist und ferner der Verlauf einer Arterie annähernd nachgeahmt werden kann, so fehlt nur noch die Kenntniss der Geschwindigkeit des Blutstromes in dem betreffenden Gefässe, um einen Flüssigkeitsstrom von derselben Constitution, wie sie der Blut- strom in dem zu untersuchenden Gefässe besitzt, ausserhalb des lebenden Körpers herzustellen. Folgende an der Carotis communis ausgeführte Be- trachtung zeigt, wie die Geschwindigkeit des Blutstromes der Carotis an- nähernd bestimmt wird. Die Geschwindigkeit des Blutstromes ist durch sein Gefälle gegeben. Um das Gefälle in der Carotis zu bestimmen, braucht man nur an zwei Stellen der Strombahn die Druckhöhen zu messen und ihre Differenz durch die Anzahl von Längeneinheiten zu dividiren, um welche die beiden Stellen von einander abstehen. Wenn wir daher den Druck in der Carotis und im rechten Vorhofe und ferner die Länge der Strombahn von der Carotis bis zum rechten Vorhofe kennen, so sind alle Daten zur Berechnung des Gefälles gegeben. Nun beträgt der mittlere Druck in der Carotis ungefähr 100"“^^ Hg. Der mittlere Druck im rechten Vorhof ist nicht bekannt. Wir werden aber im Hinblick auf die gefundenen Druck- werthe in der Vena jugularis nicht weit fehl gehen, wenn wir denselben zu Null Hg. aunehmen. Setzen wir ferner die Länge der Strombahn gleich der doppelten Entfernung des Scheitels vom Herzen zu 100^*", so ist an- nähernd das Gefälle in der Carotis gleich =1. Mit der Kenntniss dieser Grössen ist es somit nicht schwer, im Versuche annähernd die Bedingungen, wie sie für die Bewegung des Blutes in der Carotis statthaben, festzustellen. Um nun Querschnitte von dem durch die Carotis gehenden Wasser- strome anfertigen und messen zu können, habe ich folgendes Verfahren angewandt. In die Art. innominata, subclavia, carotis ext. und int. wurden Canülen eingebunden und letztere mit entsprechend dicken Kautschuk- schläuchen armirt. Den mit der Art. innominata verbundenen Kautschuk- schlauch befestigte ich an den Hahn der Wasserleitung. Unmittelbar an der Verbindungsstelle des Schlauches mit der Canüle der x'Vrt. innominata Über vVrterienbrindeln u. s. w. 313 war ein T-förmiges Glasrohr in die Leitung eingeschaltet, dessen senkrecht stehender Schenkel mit einem Manometer verbunden war. An die Schläuche, welche die Fortsetzungen der Art. subclavia, carotis ext. und int. bildeten und welche eine Länge von je 100 hatten, wurden Klemmen angelegt, die eine allmähliche Verengerung der Lumina der Schläuche gestatteten. Auf diese Weise war ich in den Stand gesetzt, eine beliebige Druckdiflerenz lierstellen zu können. Nach diesen Vorbereitungen wurde der Hahn der Wasserleitung geöffnet und die Lumina der mit den Canülen der Art. sub- clavia, carotis ext. und int. verbundenen Kautschukschläuche soweit ver- engert, bis das Manometer einen Druck von 90 — 100 Hg. zeigte. Nun wurde das Gefäss, welches in einem Thontroge lag, mit geschmolzenem Paraffin umgossen und der Waeserstrom so lange durch die Arterie geleitet, bis das Paraffin vollständig starr war. Wenn dies geschehen, so konnte der Wasserstrom unterbrochen werden, ohne dass die Gefässwand zusammenfiel. Der weitere Weg war der, dass ich in die in dem Paraffin eingebettete Arterie flüssigen Gypsbrei injicirte. Von den auf diese Weise erhaltenen Gypsformen, welche getreue Abgüsse der durch die betreffenden Gefässe geleiteten Wasserströme darstellten, wurden sodann auf bereits beschriebene Art Querschnitte angefertigt und die Ausmessung der Querschnitte geschah ebenfalls auf die früher angegebene Weise. In folgender Tabelle habe ich nun zunächst die Flächeninhalte ver- schiedener Querschnitte eines solchen Gypsausgusses nebst den zugehörigen Wanddickebestimmungen aufgeführt, um zu zeigen, dass auch die nach dieser einwurfsfreien Methode ausgeführten Messungen die Existenz des Isthmus carotis bestätigen. Carotis communis dextra. Tabelle der Querschnittsgrössen. Entfernung vom Ursprung des Gefässes. 1-4^^ Querschnitt I 48-on“"‘ 4*4 Querschnitt II 42*8n™“ 9*1''“ Querschnitt III 50 • 8 Daraus berechnen sich folgende Verhältnisszahlen; Querschnitt I : Querschnitt II = 100 : 89*1 Querschnitt II : Querschnitt IH= 100 : 118 *6 Querschnitt I : Querschnitt III = 100 : 105*8 Für die Wanddickebestimmungen desselben Gefässes wurde jeder der drei Querschnitte des Arterienrohres in 8 Längszonen getheilt. Die Messung ergab folgende Werthe. 314 Hans Stahel: Wanddicke in Querschnitt I. Querschnitt II. Querschnitt III. a 0.755 mm 0*653 ™™ 0*907 ™™ b 0*717 0*790™™ 0*850 ™™ c 0*740 0*722 ™‘" 0*849™™ d 0*766^"“ 0*701 ™™ 0*787 ™™ e 0*877 0*894 ™“ 0*737 ™“ f 0*907 0*800 ™™ 0*892™™ g 0*899 0*835™™ 0-927 ™™ h 0*712"'™ 0*703 ™™ 0*945™™ S. I 6.373™™ S. II 6.098™™ S. III 6.894™™ Addirt man die Zahlen jeder Reihe und ver gleicht die erhaltenen Summen mit einander, so erhält man folgende Verhältnisszahlen: S. I : S. II = 100 : 95-6 S. II ;S. III = 100: 113.5 S. I :S. II = 100 : 108.1 Eine Vergleichung dieser Verhältnisszahlen mit den entsprechenden der Querschnitte lehrt unmittelbar, dass in der That das Lumen einer Arterie annähernd proportional der Wanddicke ist. — Mit dieser Thatsache ist nun auch die physikalische Erklärung gegeben, weshalb der Druck in einer Arterie unmittelbar vor der Abgangsstelle eines Astes höher ist als an einer mehr central gelegenen Stelle. Es ist nämlich nach einem Satze der Physik der hydrodynamische Druck um eine dem Quadrate der vorhandenen Geschwindigkeit proportionale Grösse kleiner als der hydro- statische Druck. Da nun bei constantem Drucke die mittleren Geschwindig- keiten eines Flüssigkeitsstromes an zwei Stellen der Strombahn sich um- gekehrt verhalten, wie die entsprechenden Querschnitte, so leuchtet ein, dass der hydrodynamische Druck um so grösser ist, je kleiner die Geschwindig- keit und umgekehrt. Die Wanddickecurven geben somit auch ein Bild von den in den betreffenden Gefässen statthabenden Druckverhältnissen. Die Thatsache, dass die senkrecht zur Axe einer Arterie angelegte Schnittfläche an verschiedenen Stellen verschiedene Dicke besitzt, hat die Annahme nöthig gemacht, dass die den dickeren Wandtheilen anliegenden peripheren Stromfäden des Blutstromes eine geringere Geschwindigkeit be- sitzen müssen, als die den dünneren Wandpartien zugehörigen Stromfäden. Diese Annahme erweist sich als richtig, wenn durch Messung nachgewiesen werden kann, dass die Entfernungen der den dickeren Wandtheilen ent- sprechenden peripheren Stromfäden vom axialen Stromfaden grösser sind, als diejenigen der den schwächeren Wandpartien zugehörigen Stromfäden Diese von der Theorie geforderte Abhängigkeit der Wanddicke irgend einer Übee Aeteeienspindeln u. s. w. 315 Stelle der Gefässvvand von deren Entfernung vom axialen Stromfaden ist exact bewiesen, wenn die aus den Wanddickegrössen eines Querschnittes constructiv dargestellte Fläche mit der entsprechenden QuerschnittsÜäche des Stromes in Bezug auf die Form übereinstimmt. In der That lässt sich dieser Beweis so führen. Theilt man nämlich einen Kreis in ebenso viele, den Messstellen eines Gefässquerschnittes entsprechende Theile und trägt die gefundenen Wanddickegrössen auf die die einzelnen Theilpunkte des Kreises mit dem Mittelpunkte verbindenden Kadien auf, so umgrenzen diese Punkte eine Fläche, die mit der an gleicher Stelle vom Stromausgusse hergestellten Querschnittsfiäche in Bezug auf die Form übereinstimmt. So stellt in Fig. 1 A die unmittelbar über dem Ursprung der Carotis communis dextr. an deren Stromabgnss angelegte Querschnittsfläche, B. dagegen die aus den Wanddickebestimmungen desselben Gefässquerschnittes construirte Fläche dar. Fig. 1 A. (Gypsausgusß.) Fig. 1 B. Die gleiche Uebereinstimmung der Formen zeigen auch die Fig. 2 dar- gestellten Querschnittsflächen. Nach dem Vorausgehenden müssen wir somit aus den in Fig. 22 dargestellten Wanddickecurven mit Nothwendigkeit schliessen, dass die peri- pheren Stromfäden des Blutstromes in der Carotis verschiedene Geschwindig- keiten besitzen. Es stellt sich nun die Frage nach der Ursache dieser Strömungsverhältnisse. Wirft man einen Blick auf Fig. 25 Taf. XV, so sieht man, dass die Ausflussöfihungen der Art. innominata, carotis sinistra und subclavia sinistra ganz von der Kreisform abweichende Formen besitzen 316 Hans Stahel: Der Versuch ergiebt nun, dass ein aus einer der Ausflussölfnung der Carotis communis sinistra nachgebildeten Oeffnung üiessende Wasserstrahl an seiner Oberfläche rundliche, gegen den übrigen Theil des Stromes scharf a])gegrenzte Bänder zeigt. An diesen rundlichen Stellen ist die Oberflächen- spannung grösser als an einer anderen Stelle desselben Querschnittes. Die Folge hiervon ist, dass stets eine Bewegung der Stromtheilchen von den Stellen grösserer Oberflächenanspannung nach dem Innern des Stromes stattfindet. Ferner constatirt man, dass diese hervortretenden Partien des Stromes von Querschnitt zu Querschnitt ihre Lage ändern und zwar so, dass ein im Anfäiigstheile des Strahles auf der oberen Seite desselben be- findliches Band, in einiger Entfernung seine Lage auf der unteren Seite des Strahles hat. Querschnitt der Carotis communis un- mittelbar über der Einflussöffnung (natür- lich). Wachsausguss. Fig. 2 B. Derselbe Querschnitt construirt. Dieselben Yeränderungen wie der Wasserstrahl erfährt der durch die spaltartige Ausflussöffnung der Carotis communis sinistra fiiessende Blut- strom. Auch hier treten Bänder mit stärkerer Oberflächenspannung auf, welche zur Folge haben, dass die Flüssigkeitstheilchen nicht parallel zur Kohraxe, sondern in krummen Bahnen verlaufen. Wie die spaltartige Aus- flussöfihung der Art. carotis comm. sin. bestimmt auch die wesentlich von der Kreisform abweichende Ausflussöffnung der Carotis communis dextra die Constitution des Blutstromes in letzterer. Auch da geschieht die Bewegung der Flüssigkeitstheilchen nicht parallel zur Kohraxe, sondern in krummen Bahnen. Dies beweisen die in Fig. 3 dargestellten Querschnittsformen eines Abgusses des Blutstromes der Carotis communis dextra. Würde nämlich die Bewegung der Flüssigkeitstheilchen parallel zur Axe geschehen, so müsste der Querschnitt des Blutstromes eine Kreisfläche sein. Man sieht aber sogleich, dass der Querschnitt 3 A ganz erheblich von der Kreisform abweicht. Eine weitere Bestätigung dafür, dass die Stromverhältnisse in der Carotis communis annähernd den am Wasserstrahle beobachteten gleich sein müssen. Über Arterienspindeln u. s. w. 317 ergiebt sich aus folgender Beobachtung. Denkt man sich die in Fig. 22 mit einem punktirten Kreise markirten Punkte grösster Wanddicke auf dem Gefässrohr durch eine Linie verbunden, so resultirt eine Spirale. Das Band des Blutstromes, welches die grösste Oberflächenspannung besitzt, ändert somit in ähnlicher Weise seine Lage, wie das des Wasserstrahls. Nachdem so der Einfluss der Ausflussöffnung auf die Constitution des Blutstromes nachgewiesen ist, fällt es nicht schwer, die Isthmusbildung der Carotis auf ihre Ursache zurückzuführen. Die Folge der veränderten Oberflächenspannung des Blutstromes un- mittelbar über der Ausflussöffnung ist die, dass beständig eine Bewegung von der Stelle höheren Druckes zu den Orten niederen Druckes stattfindet. Dadurch nun, dass die Stromtheilchen von der Peripherie gegen die Mitte des Stromes sich bewegen, wird dmch die wiederholten Ablenkungen, welche die Theilchen erleiden, ein Theil der lebendigen Kraft in Druck umgewandelt. Die mittlere Geschwindigkeit des Blutstromes im Anfangstheile der Carotis ist somit verlangsamt und dementsprechend nach der Beziehung Fo = der Querschnitt des Blutstromes an dieser Stelle gross. Im weiteren Ver- laufe der Carotis gleichen sich nach und nach, wie aus den Curven Fig. 22 deutlich hervorgeht, die Spannungsunterschiede an der Peripherie des Stroms aus. Gegen die Mitte der Carotis geschieht die Bewegung der Flüssigkeits- theilchen annähernd parallel, indem hier der Verlauf der Wanddickecurve 318 Hans Stahel: nur noch wenig von einer Horizontalen abweicht. Dementsprechend ist die Form des Querschnittes an dieser Stelle annähernd die einer Kreisfläche (siehe Fig. 3 D). Da ferner bei paralleler Bewegung der Stromtheilchen am wenigsten lebendige Kraft verloren geht, so besitzt mithin der Blut- strom der Carotis an dieser Stelle die grösste mittlere Geschwindigkeit. Unter dieser Voraussetzung erfordert aber die für die Blutbewegung fest- stehende Beziehung, Fv =z dass der Querschnitt des Blutstromes der Carotis in der Mitte ihrer Länge den kleinsten Flächeninhalt besitzt. Dieses theoretische Postulat bestätigt die Messung vollkommen, wie nachfolgende Tabelle zeigt. Carotis communis dextra» Querschnitt unmittelbar über Ursprung . . . Querschnitt 1 über Ursprung 39*2D"""' Querschnitt 2 über Ursprung 34-8 Querschnitt Mitte 29*2^™" Querschnitt 2^*" vor der Theilung 36 •OQ"*”' Der Ausgleich der Spannungsdifierenzen an der Peripherie würde ein vollständiger sein, wenn die Carotis einen gestreckten Verlauf hätte. Gerade in der Mitte ihrer Länge beschreibt aber die Carotis einen starken Bogen um den seitlich am meisten hervorspringenden Schilddrüsenlappen. Durch den gekrümmten Verlauf entstehen wieder neue Spannungsdifierenzen, welche zur Folge haben, dass die Form der stromabwärts von der Mitte der Carotis angelegten Querschnittsfläche wieder mehr von der Kreisform abweicht Siehe Fig. 26 E. Aus den angeführten Messungen geht somit hervor, dass die Ursache der Isthmusbildung der Carotis die von der Kreis- fläche abweichende Form der Einflussöffnung dieses Gefässes ist. Wir haben bereits früher die Thatsache kennen gelernt, dass die senk- recht zur Axe durchschnittene Gefässwand der Aorta ascendens und Sub- clavia sinistra an verschiedenen Stellen verschiedene Dicke zeigt. Auch diese Erscheinung findet ihre Erklärung in der von der Kreisform abweichenden Form der Einflussöffnung dieser Gefässe. Carotis interna. Eine im arteriellen Gefässsysteme einzig dastehende Erscheinung ist die locale Ausweitung des Anfangstheils der Carotis int. Diese, wie wir in der Folge sehen werden, ausserordentlich wichtige Thatsache war den Ana- tomen schon lange bekannt. Luschka^ schildert die in Rede stehende Eigen thümlichkeit der Carotis int. mit folgenden Worten: ^ Luschka, Anatomie den Menschen. Hals und Brust. S. 333. Über Arterienspindeln u. s. \v. 319 „Von der Bifurcation der Carotis communis bis zur Apertura ext. ca- nalis carotici, d. h. soweit die Carotis int. s. cerebralis dem Bezirke des Halses angehört, bietet sie eine durchschnittliche Länge von 6 und eine Dicke von dar. Die Dicke ist jedoch beim erwachsenen Menschen in der Kegel nicht im ganzen Verlaufe gleichförmig, sondern es besitzt die Ader an ihrem Anfänge gewöhnlich eine leichte spindelförmige Auftreibung, welche in der Richtung nach hinten und aussen merklich stärker als im übrigen Umfange ist. Diese, gewissermaassen den normalen Prototyp eines Aneurysma fusiforme repräsentirende Erweiterung setzt sich bisweilen, aber durchaus nicht immer, auf das obere Ende der Carotis primitiva fort.“ Krause^ belegt den erweiterten Anfangstheil der Carotis int. mit dem passenden Namen Bulbus caroticus int. Er sagt : „An ihrem (Carotis int.) Ursprünge von der gabelförmigen Theilung der Carotis communis im Trigonum cervicale ist die überhaupt im Mittel 6,2 dicke, linkerseits gewöhnlich etwas stärkere innere Kopfschlagader in der Regel durch eine spindelförmige Anschwellung, Bulbus caroticus int., erweitert. Diese Anschwellung hat 7 bis 10’^'’^ Durchmesser auf etwa 10 bis 14 Länge und eine etwas dickere Wandung, als die Arterie selbst.“' Während die äussere Form dieses Theiles der Carotis int. genau und treffend beschrieben ist, findet sich bei den genannten Autoren keine An- gabe über die dem Bulbus caroticus int. zu Grunde liegende etwaige Ur- sache. Anlässlich meiner Messungen an der Carotis communis ist mir diese starke Erweiterung des Anfangstheiles der Carotis int. ebenfalls aufgefallen. Indem ich diesem Punkte meine Aufmerksamkeit zuwandte und zugleich durch die Güte des Hrn. Prof. His in die glückliche Lage versetzt war, eine Reihe von Injectionspraeparaten der Carotis communis und ihrer Aeste zu studiren, ist es mir gelungen, diese Erscheinung auf ihre Ursache zu- rückzuführen. Bevor ich indessen auf die Besprechung der Ursache des Bulbus caroticus int. eingehe, mögen hier zunächst meine Beobachtungen über die äussere Form des Anfangstheils der Carotis int. folgen. Vergleicht man eine Reihe von Injectionspraeparaten, so zeigen sich bei verschiedenen Individuen grosse Differenzen in der Form des in Rede stehenden Gefässabschnittes. Bei dem einen Individuum ist der Bulbus caroticus int. sehr schwach, bei einem anderen ausserordentlich stark ent- wickelt, bei einem dritten endlich findet sich gar keine Erweiterung des Anfangstheiles der Carotis int. In den zwei Abbildungen Fig. 27 u. 28 habe ich die äussersten Extreme, die mir in die Hände gekommen sind, nebeneinander gestellt. ^ Krause, Handhuch der menschlichen Anatomie. S. 595. 320 Hans Stahel: Man sieht, dass in Fig. 27 Taf. XV der Anfangstheil der Carotis int. nicht erweitert, dagegen das Ende der Carotis communis windkesselartig aufgetriehen ist. Besonders betrifft diese Auftreibung die der Ursprungs- stelle der Art. thyreoidea sup. zugehörige Seite der Carotis communis. Stellt man diesem Praeparate dasjenige in Fig. 28 Taf. XV gegenüber, so fällt sofort der grosse Unterschied dieser beiden Gefässe auf. In dem Praeparate, Fig. 28, ist der Endtheil der Carotis communis nicht erweitert, dagegen findet sich ein sehr starker Bulbus caroticus int. Die Natur dieser Erweiterung erhellt am Besten aus folgenden Maassen: Durchmesser der Carotis communis bei h 8-9™’^^; Durchmesser des Anfangstheiles der Carotis int. bei 10*9"^’^^; Durchmesser der Carotis int. hei «2? ^2 5-9 Der Durchmesser des Bulbus caroticus int. ist somit beinahe zwei Mal so gross, als der der übrigen Arterie. Zwischen diesen in den Figg. 27 und 28 dargestellten Extremen existi- ren nun eine Reihe von Zwischenstufen. So stellt zum Beispiel Fig. 29 eine Carotis dextra mit sehr schwach ausgebildetem Bulbus dar. Dieses Praeparat verdient noch deshalb ein besonderes Interesse, als in diesem Falle die Carotis communis dext. hlos eine Länge von 3 hatte, somit die Carotis int. dextr. ungefähr 3*5'^"^ länger war als normal. Was die Häufigkeit des Vorkommens des Bulbus caroticus int. anhe- trifft, so gehören nach meinen Erfahrungen diejenigen Fälle, in denen gar keine Erweiterung des Anfangstheils der Carotis int. beobachtet wird, zu den Seltenheiten. Die Mehrzahl der Gefässe, sowohl im injicirten als fri- schen Zustande, zeigt die Bulbusbildung. Die Carotis int. beschreibt oberhalb ihres Bulbus eine schwache Bie- gung nach hinten und innen und steigt alsdann gerade aufwärts. Ihr Verlauf bis zum Canalis caroticus ist nicht hei allen Menschen derselbe. Bei den einen Individuen hegiebt sich die Arterie in ziemlich gerader Linie nach aufwärts; hei anderen hingegen beschreibt die nämliche Arterie starke Windungen, die mitunter bis dicht unter die innere Oberfläche des Phar^mx Vordringen. Einen solchen geschlängelten Verlauf der Carotis int. zeigt z. B. Fig. 28. Mit dem Eintritt der Art. carotis int. in den Canalis caroticus beginnt eine Reihe regelmässiger Biegungen , deren genauere Beschreibung in den Handbüchern der Anatomie nachzusehen ist. Entsprechend der Kalibervergrösserung des Anfangstheils der Carotis int. ergiebt nun die Messung, dass die Gefässwand des Bulbus eine grös- sere Dicke besitzt, als die Wandung der übrigen Arterie. Ich lasse liier Übek Arterienspindeln u. s. w. 321 einige an verschiedenen Artt. carot. int. ansgeführten Wanddickebestimmun- gen folgen; I. Carotis int. Convexe Seite. Concave Seite. Wanddicke des Bulbus am Anfang. . . 0-903™’^ Wanddicke des Bulbus in der Mitte . . 0-834'^’^ 0-652'"'’^ Wanddicke, des Bulbus am Ende . . . 0-622™"^ 0-503”^"^ II. Carotis interna. Vordere Seite (Mitte). Hintere Seite (Mitte). Wanddicke des Bulbus am Anfang . . 0-958“'^ 0*943™"^ Wanddicke des Bulbus in der Mitte . 0-819'"“ 0-644““ Wanddicke des Bulbus am Ende. . . 0-613““ 0-606““ Aus diesen Wanddickebestimmungen geht hervor, dass der Druck von der Ausflussöffnung der Carotis int. bis zu der Stelle, wo der Bulbus in die fernere Arterie übergeht, rasch sinkt, um dann im weiteren Verlaufe des Gefässes annähernd auf gleicher Höhe zu bleiben. Entsprechend der grösseren Wanddicke des Bulbus carotis int. ist denn auch der Querschnitt dieses Gefässabschnittes bedeutend grösser als der der übrigen Arterie, wie aus folgenden Zahlen hervorgeht. Carotis interna (Gypsausguss). Querschnitt des Bulbus, Anfangstheil . . . 34-8 0mm Querschnitt des Bulbus am Ende .... 16-8°™“ Der Bulbus caroticus int. kann nicht allein auf die Form der Aus- flussöffnung als Ursache dieser Erscheinung zurückgeführt werden. Dies leuchtet ein, wenn man die Flächeninhalte zweier Querschnitte eines Ge- fässes, dessen Ausflussöffnung die nämliche Form wie die der Carotis int. besitzt, mit den entsprechenden Querschnitten der Carotis int. vergleicht. Nun hat die Ausflussöffnung der Carotis communis dextra annähernd die- selbe Form wie die der Carotis int. Man sicht aber aus folgender Tabelle, dass die Form der Ausflussöffnung den Bulbus caroticus int. nicht zu er- klären vermag. Carotis comm. dextr. Carotis int. Querschnitt unmittelbar Über der Ausflussöffnung 41-2 0““ 34-8 0““ Querschnitt 2^^“ über der Ausflussöffhung . . 34*8 0mm 10.3 amm Yerhältniss der Querschnitte 100:84 100:48 Es muss somit die Ursache des Bulbus caroticus int. eine andere sein. Folgender Versuch giebt einen werthvollen Fingerzeig zur richtigen Auf- fassung dieser Erscheinung. Verbindet man nämlich einen Kautschuk- ^ Archiv f. A. u. Ph. 1886. Auat. Abthlg. 21 322 Hans Stahel: schlauch mit dem Hahne der Wasserleitung und verengert die Ausfluss- Öffnung, so streckt sich bei einer gewissen Stromgeschwindigkeit der Schlauch. Verhindert man dessen Streckung, so biegt derselbe in weitem Bogen aus. Wird bei gleichbleibender Verengerung der Ausflussöffnung die Stromgeschwin- digkeit noch mehr gesteigert, so weitet sich der dem Wasserhahn zunächst- liegende Abschnitt spindelförmig aus. Die Ursache letzterer Erscheinung liegt darin, dass mehr Wasser in der Zeiteinheit einströmt als ausfliesst. Demzufolge wird ein Theil der lebendigen Kraft des in den Schlauch ein- strömenden Wassers in Druck umgewandelt und dieser höhere Druck im Anfangstheile des Schlauches erzeugt die spindelförmige Ausweitung. Ein diesem Versuche ganz analoger Vorgang findet nun auch im Stromgebiete der Carotis int. statt. Die Carotis int. füllt nämlich den Canalis caroticus fast vollständig aus. Bei jeder Systole des Herzens wird das Arterienrohr der Carotis int. ausgeweitet. Während aber die Arterie ausserhalb des Canales den ausweitenden Kräften frei folgen kann, hindert im Canalis caroticus die starre Knochenmasse eine stärkere Ausdehnung des Gefässes. Aus der Ausweitung des Anfangstheiles der Carotis int. müssen wir somit schliessen, dass während der Systole mehr Blut in die Arterie geworfen wird, als gleichzeitig abfliessen kann. Es tritt daher mit jeder Systole eine Erhöhung des Blutdruckes im Anfangstheile der Carotis int. ein. Die Richtigkeit dieser Auffassung wird noch durch eine andere That- sache bestätigt. A^ergleicht man eine Reihe von Injectionspraeparaten der Art. carotis communis und ihrer Aeste, so findet man, dass das Caliber des Bulbus caroticus int. in einer gewissen Beziehung zu dem der Art. thyreoidea sup. steht. Ist nämlich das Caliber der Art. thyreoidea sup. sehr stark, wie es Eig. 27 Taf. XV zeigt, so.existirt kein Bulbus caroticus int. Die Erweiterung beschränkt sich in diesem Falle auf den Endtheil der Carotis communis und die Ursprungsstelle der Art. thyreoidea sup. Besitzt dagegen die Art. thyreoidea sup. ein schwaches Caliber, so findet sich ein starker langer Bulbus. Von der Richtigkeit dieser Beziehung habe ich mich an einer Reihe von Praeparaten überzeugen können. — Aber nicht nur zwischen dem Bulbus der Carotis int. und dem Caliber der Art. thyreoidea sup. herrscht die erwähnte Beziehung, sondern auch zwischen letzterem und den Windungen, welche die Art. carotis int. vom Ursprung derselben bis zum Canalis caroticus beschreibt. Je kleiner nämlich das Caliber der Art. thyreoidea ist, um so stärkere Windungen beschreibt die Art. carotis int. und umgekehrt. — Es ist noch zu erwähnen, dass auch bei schmächtiger Art. thyreoidea sup. ausnahmsweise kein Bulbus caroticus int. beobachtet wird. Ist nämlich der Canalis 'caroticus verhältnissmässig weit, so fällt natürlich die Ursache der Druckerhöhung im Anfangstheile der Carotis int. weg. Ueber die Weite des Canalis caroticus verschiedener Individuen fehlen Übee Aeterienspikdeln u. s. w. 323 bis jetzt grössere Beo])achtimgsreihen. Ich behalte mir vor, in Bezug auf diesen Punkt noch vergleichende Messungen auszuführen. Alle die eben erwähnten Erscheinungen erklären sich ungezwungen, wenn man annimmt, dass bei jeder Systole mehr Blut in der Zeiteinheit in die Carotis int. geworfen wird als in der nämlichen Zeit durch den Querschnitt der Carotis int. innerhalb des Canalis caroticus abfliessen kann. Hat die in der Eegel gegenüber der Ausflussöffnung der Carotis int. aus der Carotis communis entspringende Art. thyreoidea sup. ein starkes Caliber, so leuchtet ein, dass der mit der Systole auftretende höhere Druck im An- fangstheile der Carotis int. rasch abnimmt, indem das unter einem höheren Drucke stehende Blut im Bulbus caroticus int. durch das weite einem Hahn gleichende Rohr der Art. thyreoidea sup, abströmen kann. Ist dagegen das Caliber der Art. thyreoidea sup. klein, so erfolgt der Druckausgleich nicht so rasch. Die Folge hiervon ist, dass einerseits das Gefäss sich krümmt, andererseits die durch den höheren Druck bedingte Erweiterung der Ursprungsstelle eine Strecke weit auf das Gefäss fortschreitet. Der Vorgang, der sich hier abspielt, ist folgender. Hat nämlich der der Aus- flussöffnung zunächst liegende Abschnitt seine maximale Ausweitung (die für eine so kleine hier in Betracht kommende Zeit sehr beschränkt ist) er- reicht, so erfährt der nächstanliegende Abschnitt eine Erweiterung. Da nun aber der Druck stetig sinkt, indem continuirlich eine, wenn auch ge- ringe Menge Blut durch die schmächtige Art. thyreoidea sup. abströmt, so ist die Folge davon, dass jeder weitere Gefässabschnitt eine geringere Deh- nung erfährt. Dementsprechend zeigt der Bulbus caroticus int. eine aus- gesprochene Trichterform (siehe Fig. 28 Taf. XV). Ist der Druckausgleich erfolgt, so fällt die Ursache, welche diese locale Ausweitung der Carotis int. bedingte, weg. Man sieht somit, dass eine solche locale Erweiterung nur denkbar ist, wenn die die Ausdehnung des Rohres bewirkende Druckerhöhung periodisch erfolgt. Wäre die Druckerhöhung eine constante, so müsste die Art. carotis int. vom Ursprünge bis zum Eintritt in den Canalis caroticus gieichmässig erweitert werden. Mit dieser theoretischen Betrachtung stimmt denn auch die Beobachtung vollständig überein. Vergleicht man die Figg. 27 und 28, so überzeugt man sich sofort, dass die Länge des Bulbus caroticus int. im umgekehrten Verhältniss zu dem Caliber der Art. thyreoi- dea sup. steht. Der Nutzen dieser Einrichtung für das Gehirn ist folgender. Dadurch dass die Ausdehnung der Gefässwand der Carotis int. im Canalis caroticus eine sehr beschränkte ist, hat dieser Gefässabschnitt der Carotis mehr den Charakter eines starren Rohres. Die Folge hiervon ist, dass die Blut- * welle an dem Canalis caroticus zum Theil reflectirt, zum Theil sehr abge- schwächt weiter verläuft. Auf diese Weise wird die zarte Hirnsubstanz vor 21 324 Hans Stahel: mechanischen Stössen eines ergiebig sich ausdehnenden Arterienrohres geschützt. Wenn nun schon diese Einrichtung bei ruhiger Herzaction von her- vorragendem Nutzen für eine normale Function des Gehirns ist, so ist dies noch viel mehr der Fall bei stürmischer Herzarbeit. Ohne diese wunder- bare Schutzvorrichtung würde das zwischen den Gefässschlingen liegende Hirngewebe in gröbster Weise durch die sich mächtig ausdehnenden Gefässe gepresst. In der Glandula thyreoidea haben wir somit eine bewunderungs- würdige Ventilvorrichtung, welche den Canalis caroticus von der sonst unvermeidlichen Usur seiner Wandung schützt und damit das Gehirn vor plötzlichen Ueberschwemmungen bewahrt. Zu Gunsten dieser bereits schon früher von Liebermeister ^ aus klinischen Gründen ausgesprochenen Auffassung der Glandula thyreoidea als eines Regulators für die Blutbewegung im Gehirn spricht das Auftreten eigenthümlicher Gehirnerscheinungen, welche Koche r^ an Individuen, denen die ganze Schilddrüse entfernt worden war, beobachtet und mit dem Namen der Cachexia strumipriva belegt hat. Aorta thoracica. In dem beinahe geradlinig verlaufenden Rohre der Aorta thoracica ge- schieht die Bewegung der Flüssigkeitstheilchen annähernd parallel. Dies geht aus der Thatsache hervor, dass die Wanddickegrössen verschiedener Stellen desselben Querschnitts der Aorta thoracica nicht wesentlich von einander abweichen. So ergiebt z. B. die Messung eines in der Mitte der Länge der Aorta thoracica angelegten und in verschiedene Zonen getheilten Querschnittes folgende Zahlen; AVand dicke in Zone a 1.331 mm AVanddicke in Zone e 1-377 b 1-324 „ f 1-431 V c 1-366 „ V g 1-470 d 1-368 „ V h 1-366 In IJebereinstimmung mit dem Resultate der Wanddickebestimmungen ist denn auch die Form der vom Gypsausguss der Aorta thoracica in der Mitte ihrer Länge angelegten Querschnittfläche annähernd die einer Kreis- fläche. ^ Lieber meiste r, lieber eine besondere Ursache der Ohnmacht und über die Regulirung der Blutvertheilnng nach der Körperstelluog. Prager Vierteljahrsschrift. 21. Jahrgang. Bd. III. ^ Kocher, Ueber Kropfexstirpation und ihre Folgen. Archiv für klinische Chi- rurgie. Bd. XXIX. Übee Aeteeienspindeln u. s. \v. 325 Schneidet man die Wandung der Aorta thoracica auf ihrer Vorderseite auf und bestimmt die Wanddicke der erhaltenen Schnittfläche in successiven Abständen, so erhält man die Curve Taf. XIV Fig. 30. Dieselbe lehrt, dass auch die Gefässwand der Aorta thoracica gegen die Urspruugsstelle eines Astes hin an Mächtigkeit zunimmt, indem die Ordinaten von u nach w, wo die Art. coeliaca aus der Aorta abdominalis entspringt, rasch zunehmen. Arteria iliaca communis und ext. Die Art. iliaca communis und ext. geben in ihrer Wandung ein ebenso getreues Abbild der Strömmungsverhältnisse des durch diese Gefässe gehenden Blutstromes wie die Gefässwand der bereits angeführten Arterien. Sämmt- liche Thatsachen, welche wir als den verschiedensten Arterienbahnen ge- meinsam kennen gelernt haben, deckt die Messung auch an der Gefäss- wand der Art. iliaca communis und iliaca externa auf. So zeigt z. B. die Curve in Fig. 31 und 32 Taf. XIV, dass die Rohrwand gegen die Abgangs- stelle von Aesten an Dicke zunimmt. Die Querschnittscurven der Iliaca communis dextr. und sin. lehren ferner, dass die Querschnittsfläche einer Arterie unmittelbar vor der Ab- gangsstelle von Aesten, entsprechend der mächtigeren Wanddicke, grösser ist, als die einer mehr central gelegenen Stelle (Taf. VIX, Fig. 33 u. 34). Ausser diesen, sämmtlichen grösseren Arterien gemeinsamen Thatsachen, zeigen die in Rede stehenden Arterien noch Erscheinungen, welche durch den besonderen Verlauf dieser Gefässe, Astabgabe u. s. w. bedingt sind. Die wichtigste Erscheinung in diesem Gefässgebiete ist nun die enorme Wandstärke des Anfangstheiles der Cruralis im Vergleich zu der Wauddicke der Art. iliaca ext. Vom Poupart’schen Bande an nimmt, wie die in Fig. 32 dargestellte Curve zeigt, die Gefässwand der Cruralis rasch gegen die Abgangsstelle der Art. femoralis prof. zu. Die Ursache dieser rasch erfolgenden Wanddickezunahme der Art. cruralis gegen die Ab- gang sstelle der Art. fern. prof. kann nicht auf die etwaige, von der Schwere abhängige Differenz des Druckes in der Art. iliaca ext. und Art. cruralis zurückgeführt werden, da die Höhendifferenz dieser beiden Stellen nur einige Centimeter beträgt. Und doch müssen wir mit Nothwendigkeit aus den Wanddickebestimmungen der Art. cruralis schliessen, dass während des Lebens der Druck im Anfangstheile der Art. cruralis bedeutend höher ist, als in der Arteria iliaca ext. Die folgenden physiologischen Thatsachen ermöglichen eine befriedigende Erklärung dieser Erscheinung. H u m i 1 e w s k i ^ ^ Humilewski, lieber den Einfluss der Muskelcontractionen der Hinterextre- mität auf ihre Blutcirculation. Dies Archiv. Physiol. Abth. 1886. Hft. 2. 326 Hans Stahel: hat nämlich gefunden, dass der Blutdruck sowohl in der Arterie wie in der Vene jedesmal auf Reizung des peripheren Stumpfes des Ischiadicus oder Cruralnerven in die Höhe geht und zwar direct proportional zur Stärke des Reizes (Muskelcontractionen). Die Ursache dieser Druckerhöhung liegt nun, wie Humilewski nachgewiesen hat, nicht in dem Effect der Reizung der Vasomotoren, sondern in den durch die Reizung des Nerven ausgelösten^ energischen Muskelcontractionen. Denn je mehr Nervenzweige gereizt werden, je energischere Muskelcontractionen demnach stattfinden, desto höher steigt der Blutdruck bei der Nervenreizung und desto tiefer fällt er nach der Reizung. Beim vollkommenen Ausfall der Muskelcontractionen, wenn die Endplatten der motorischen Nerven durch Curare gelähmt wordeii sind, bleibt die Reizung der Nerven auf den Blutdruck einflusslos. Kein Muskel- gebiet befindet sich aber während des Lebens beim Menschen so häufig in Thätigkeit wie die Musculatiir des Ober- und Unterschenkels. Es ist daher nach den Versuchen von Humilewski einleuchtend, dass gerade vor der Abgangsstelle der mächtigsten Muskelarterie des Menschen wiederholt eine bedeutende Druckerhöhung während des Lebens statthaben muss. Um den systematischen Gang dieser Untersuchung nicht zu unter- brechen, habe ich mich bis dahin darauf beschränkt, die für die Gefässwand sämmtlicher grösseren Arterien gültigen Gesetze festzustellen. Es erübrigt nun noch eine Reihe nicht minder interessanter Erscheinungen zu besprechen die allerdings nicht mehr in einem so engen Verbände wie die früheren besprochen werden können. Der hier folgende Abschnitt wird daher eine Reihe ganz verschiedener Erscheinungen nebeneinander behandeln. Die Ursache, weshalb der Querschnitt einer Arterie vor der Abgangs- stelle eines Astes grösser ist als der einer mehr central gelegenen Stelle, ist zur Zeit noch nicht ermittelt. Das Experiment beantwortet diese Frage nicht. Verbindet man einen möglichst dünnwandigen Kautschukschlauch mit dem Hahne der Wasserleitung und bringt an zwei ca. 5^^“ von ein- ander entfernten Stellen der Rohr wand je ein Manometer an, so steht, wenn ein Wasserstrom durch die Röhre geht, die Quecksilbersäule in deni; stromabwärts liegenden Manometer niedriger als in dem der Einflussöffnung; näheren Manometer. Dieses Verhältniss der Manometerabstände ändert sich auch dann nicht, wenn das Rohr unterhalb des weiter stromabwärts; gelegenen Manometers künstlich verengert wird. Stets zeigt das der Ein-;^ flussöffnung nähere Manometer einen höheren Stand. In diesem Experi-.'t mente ist der Widerstand, den der Blutstrom an • den Pfeilern der abgehen- ' den Aeste erleidet, durch eine Verengerung des Lumens bewirkt. Aus dem . negativen Resultate des eben mitgetheilten Versuches müssen wir sch Hessen, . Über Arterienspindeln u. s. w. 327 dass in dem stossweisen Eiuströmeii des Blutes Momente gegeben sind, die das an den Arterien beobachtete abweichende Verhalten des Lumens zur Folge haben. Die Ermittelung dieser Kräfte ist vorderhand ein noch zu lösendes Problem. Obschon das vorausgeschichte Experiment diese am arteriellen Getliss- rohr gefundene Erscheinung nicht erklärt, so spricht doch eine Thatsache mit zwingender Kothwendigkeit dafür, dass der Widerstand, den der Blut- strom je weilen an der Abgangsstelle von Aesten erfährt, die letzte Ursache der unmittelbar vor dem Abgänge von Aesten beobachteten grösseren Quer- schnittsfläche des Hauptstammes ist. Die Beobachtung hat nämlich er- geben, dass der Querschnitt eines Arterienstammes unmittelbar vor der Ab- gangsstelle von Aesten um so grösser ist, je mehr Gefässe von demselben Querschnitte des Haiiptstammes entspringen. Besonders deutlich zeigt sich diese Erscheinung an dem Anfangs theile der Art. subclavia. Die Art. sub- clavia bietet nämlich hinsichtlich der Ursprungsstellen der Art. vertebralis, truncus thyreo-cervicalis u. s. w. bei verschiedenen Individuen grosse Ab- weichungen dar. Bei einer Classe von Arterien liegen die Ursprungsstellen genannter Gefässe sehr weit auseinander; bei anderen dagegen sind die Ab- gangsstellen der nämlichen Gefässe nur durch kurze Strecken getrennt. Bei der ersten Classe von Subclavien ist die Erweiterung des Lumens der Sub- clavia vor dem Abgang der Aeste nur wenig, bei der zweiten dagegen sehr deutlich ausgesprochen. Es giebt nun Fälle, wo die Art. vertebralis, der Truncus thyreo-cervicalis, die Mammaria int., der Truncus costo-cervicalis wie die Speichen eines Bades von der Subclavia, als Axe gedacht, abgehen. Bei dieser Gefässanordnung ist der unmittelbar vor den Aesten beflndliche Abschnitt der Art. subclavia derart erweitert, dass der ästlose Anfangstheil der Subclavia die Form eines Conus hat. Ein solches Praeparat ist auf Taf. XV Fig. 35 abgebildet. Die eben besprochenen localen Ausweitungen des Arterienrohres scheinen die Function von Windkesseln zu haben. Eine solche Wirkungsweise ist bei der Annahme, dass die während der Systole in den vor der Abgangs- stelle von Aesten gelegenen Abschnitt geworfene Blutmenge nicht in der nämlichen Zeit durch die Fortsetzung des Stammes und die abgehenden Aeste abströmen kann, sehr leicht verständlich. Weitere Untersuchungen werden lehren, ob diese Annahme richtig ist. Die wunderbare Eigenschaft der Gefässwand, sich dem Blutstrom an- zuschmiegen, ohne ihn zu verändern, giebt ein beredtes Zeugniss von der , Oeconomie des Organismus. Während in jeder Wasserleitung ein grosser Theil der lebendigen Kraft durch Wirbel, die an den Einflussstellen der Seitenleitungen entstehen, verloren geht, ist in den Arterien alles darauf 328 Hans Stahel: f angelegt, den Blutstrom vor solchen Verlusten an lebendiger Kraft zu schützen. So hat W. Roux^ gezeigt, dass die Blutgefässe nicht mit ihrem weiteren Verlaufe entsprechender cylindrischer, sondern mit conischer Gestalt ent- springen. Der Nutzen dieser Einrichtung wird sofort klar, wenn man die Ergebnisse der hydraulischen Experimente ^ bei dieser Betrachtung in Er- wägung zieht. Das Experiment lehrt nämlich, dass das Wasser durch Mündungen, welche nach der Gestalt des contrahirten Strahles geformt sind, mit einer Geschwindigkeit ausfliesst, welche 96 bis 98 Procent der theoretischen Geschwindigkeit ist, während die Geschwindigkeit des AVassers, welches, alle anderen Bedingungen gleichgesetzt, durch eine kurze cylindrische Röhre ausfliesst, bloss 81 Procent der theoretischen Geschwindigkeit beträgt. Dadurch, dass sich die Gefässwand dem contrahirten Blutstrome anschmiegt, ist die AVirbelbildung um die Contractionsstelle und somit ein Verlust an lebendiger Kraft vermieden. Die lehrreichsten Bilder über die in Rede stehenden Verhältnisse erhält man, wenn das abgehende Gefäss in einer Ebene, die parallel zur Axe des Gefässes ist, durchschnitten wird. Auf den gütigen Rath von Hrn. Prof. His habe ich dadurch sehr schöne Durch- schnittsbilder von abgehenden Gefässen erhalten, dass ich letztere mit 0 • 5 procentiger Chromsäurelösung ausspritzte und damit gefüllt in die näm- liche Lösung legte. Die Gefässe erhalten bei dieser Behandlungsweise einen solchen Grad von Festigkeit, dass man sie mit dem Messer schneiden kann, ohne die Form zu verändern. Taf. XV Fig. 41 zeigt einen solchen Längs- schnitt der Aorta thoracica des Pferdes. An der Gefässwand der Pferdeaorta sind die Wanddickenunterschiede nahe bei einanderliegender Strecken des Gefässrohres so bedeutend, dass erstere auch ohne Messung dem Auge sofort auffallen. Fig. 36 Taf. XV stellt einen Längsschnitt durch die Aorta ascendens dar, an welchem man die AVanddickenunterschiede verschiedener Stellen des Gefässes sehen kann. lieber die Form Verhältnisse pathologisch veränderter Gefässe. AA" ährend an normalen, gesunden Arterien der Grössenunterschied zwischen dem Lumen einer Arterie kurz vor der Abgangsstelle von Aesten und demjenigen einer weiter centralgelegenen Stelle zwar durch Messung festgestellt, aber vom blossen Auge kaum zu erkennen ist, fällt an Gefässen mit krankhaft veränderter AVandung dieser Unterschied sofort in die Augen. Die atheromatöse Erkrankung der grösseren Gefässstämme ist in ihrer äusseren Form durch den AVechsel von engen und weiten Gefässabschnitten charak- ^ W. Eoux, Uther die Verzieeigungen der Blutgefässe. ^ W eisbacli, a. a. 0. Übek Artekienspindeln u. s. w. 829 terisirt. Nun lehrt die Beobachtung, dass die Erweiterung des Lumens am häufigsten diejenigen Gefässabschnitte betrifft, wo unmittelbar nachher Aeste abgehen, und zwar ist diese Erscheinung so gesetzmässig, dass au einem längeren, atheromatös erkrankten Arterienabschnitte so viel erweiterte Gefässpartien sich finden, als Hauptäste abgehen. So zeigt die aus Cru- V eil hier ’s Atlas beigegebene Copie Taf. XV Eig. 37 einer atheromatösen Aorta, dass vor den Abgangsstellen der Art. coeliaca und mesenterica sup., Art. renalis dextra, mesenterica inf., iliaca communis, iliaca externa dextra das Lumen des Hauptstammes jedesmal stark erweitert ist. Ausser den genannten Erweiterungen weist dieselbe Aorta noch in ihrem Spindelgebiete zwei Ausladungen auf, die die Wand der concaven und convexen Seite der Aortenspindel betreffen. Aber nicht nur an der Aorta, sondern auch in anderen Gefässgebieten, deren Arterien atheromatös erkrankt sind, findet sich diese Erscheinung. Der in Eig. 38 Taf. XV abgebildete Gypsausguss stammt von einer atheroma- tösen Anonyma und Subclavia dextra. Man sieht auch hier, wie ausserordent- lich vergrössert das Lumen der Subclavia unmittelbar vor der Abgangsstelle der Art. vertebralis im Yerhältniss zu dem des Anfangtheiles der Sub- clavia ist. — Die Dehnung der Gefässwand atheromatös erkrankter Arterien ist somit an den Stellen am ausgesprochensten, wo schon normal der Blutdruck erhöht ist. Diejenigen Gefässabschnitte, an denen erfahrungsgemäss am häufigsten wahre Aneurysmen beobachtet werden, sind in erster Linie die Aorta as- cendens und der Arcus Aortae; dann folgen die Art. poplitea, die Theilungs- stelle der Carotis communis, die Art. axillaris. In allen diesen Gefässab- schnitten ist schon unter normalen Verhältnissen der Blutdruck während des Lebens dauernd oder wenigstens sehr oft erhöht. So wissen wir bereits aus früheren Untersuchungen, dass der aus dem Herzen kommende Blut- strom von der convexen Wand der Aorta ascend. um beinahe 90^ abge- lenkt wird. Einer solchen Ablenkung des Blutstromes entspricht aber ein Druck von der Höhe des hydrostatischen. — Am Arcus Aortae sind es namentlich die Pfeiler und ihre unmittelbare Umgebung, welche den Blut- strom zu brechen und dementsprechend einen den normalen weit über- steigenden Druck zu erleiden haben. Die Art. poplitea, welche nach der Aorta ascendens am häufigsten von dem aneurysmatischen Processe befallen wird, erfährt in Eolge ihrer ana- tomischen Lage und der grossen Excursionsweite des Kniegelenkes während ' des Lebens häufig eine Knickung des Eohres. Die Eolge einer solchen Knickung des Arterienrohres ist stets eine bedeutende Druckerhöhung un- mittelbar oberhalb der verengten Stelle. Als weiteres drucksteigerndes Mo- 330 Hans Stahel: ment kommt noch hinzu, dass nach den Untersuchungen von Humilewski ^ bei starker Muskelanstrengung der Druck in der Cruralis der betreffenden Extremität erheblich steigt und zwar proportional der Stärke der Muskel- contractionen. Die Wandung der Theilungsstelle der Carotis communis und des An- fangstheiles der Carotis int. erfährt während jeder Systole eine Druck- erhöhung dadurch, dass die in der Zeiteinheit in die Carotis int. geworfene Blutmenge nicht vollständig durch das im canalis caroticus befindliche Stück der Arterie abfiiessen kann. Und was schliesslich die Art. axillaris anlangt, so weist die anatomische Untersuchung nach, dass bei jeder kräf- tigen Abduction und Erhebung des Armes die axillaris oberhalb von der Ursprungsstelle der Art. subscapularis eine Verengerung ihres Lumens erfährt. Ja wie die Erfahrung am Lebenden zeigt, kann durch for9irte Abduction und Elevation des Oberarmes die Arterie so plattgedrückt werden, dass der Puls in der Radialis verschwindet. Es ist somit auch diese Oefässpartie während des Lebens häufig einem erhöhten Drucke ausgesetzt. Wir sehen nun, dass die Natur diese am meisten gefährdeten Stellen des Gefässsystems mit besonderen Schutzvorrichtungen ausgestattet hat. So ist die convexe Wand der Aorta ascendens derart mit den Pfeilern und den Keactionsstellen verkoppelt, dass die einzelnen Kräfte nicht einseitig wirken können. Es wird z. B. der aus der Ablenkung des Blutstromes resultirende Druck auf die Gefässwand der Convexität der Aorta asc. durch einen annähernd gleichen Druck, der die Pfeiler in entgegengesetzter Richtung zu verschieben sucht, aufgehoben. Die Schutzvorrichtung der Art. poplitea besteht in einer reichlichen Einlagerung von glatten Muskelzellen in die Gefässwand dieser Arterie und zwar übertrifft, wie ich aus einer mündlichen Mittheilung meines hochver- ehrten ehemaligen Lehrers Herrn Prof. Eberth erfahren habe, dieser Ge- fässabschnitt alle anderen gleichkalibrigen Gefässe an Mächtigkeit der Muskelschicht. Die durch höheren Druck gedehnte Wandung der Art. poplitea wird daher im gewöhnlichen Leben stets durch die kräftige Con- traction der in ihrer Wand gelegenen, reichlichen Muskelzellen auf ihren normalen Zustand zurückgeführt. Was endlich die Theilungsstelle der Ca- rotis communis und den Anfangstheil der Carotis internus betrifft, so wissen wir, dass die von jeder Systole begleitete Druckerhöhung dadurch unschäd- lich gemacht wird, dass das in diesem Gefässabschnitte unter einem höheren Drucke stehende Blut rasch durch die Art. thyreoidea sup. abströmen kann. Wenn nun auch diese eben aufgeführten Schutzvorrichtungen die Ge- fässwand wdihrend des gewöhnlichen Lebens vor einer bleibenden Ueber- dehnung schützen, so reichen dieselben, wie die Erfahrung zeigt nicht mehr Humilewski, a. a. O, Über Arterienspindeln u. s. w. 831 ans, wenn die Drucksteigenmgen sehr hoch sind und dabei während einer längeren Zeit und wiederholt wirken. Die Statistik weist nach, dass das Aenrysma im Allgemeinen eine exquisite Krankheit des Arbeiterstandes ist. So hat Richter^ nachgewiesen, dass eine gewisse Klasse von Arbeitern in St. Kranzisco, die sog. Longshoremen (Hafenarbeiter), das grösste Con- tingent zu den Aortenaneurysmen liefern. Richter führt die Ursache dieser Erscheinung darauf zurück, dass diese Classe von Leuten eine ausserordent- lich reich belohnte, aber ihre Kräfte oft weit übersteigende Arbeit zu ver- richten haben, indem dieselben schwere Lasten viele Stunden lang ohne Rast zu heben haben. Dabei sollen diese Leute, in Folge des reichlichen Verdienstes, sehr dem Alkoholismus fröhnen. Wenn man bedenkt, dass neben der durch die Muskelanstrengung gesetzten Druckerhöhung noch die Wirkung tiefer Einathmung und for9irten Ausathmungsversuchen bei geschlossener Stimmritze hinzutritt, so ist es erklärlich, wenn auch schliesslich die erwähnten Schutzbarrieren durch- brochen werden. Ist aber die Gefässwand einmal überdehnt, so kehrt die- selbe niemals mehr auf ihren normalen Zustand zurück; dagegen wird jede neu hinzutretende Schädlichkeit die in ihrer Structur veränderte Gefäss- wand noch mehr lädiren. Im Vorhergehenden habe ich gezeigt, dass der erhöhte Druck als eine wesentliche Ursache des aneurysmatischen Processes angesehen werden muss. Aber auch der gewöhnliche Blutstrom scheint unter gewissen Bedingungen die Gefässwand abzunutzen. Eine dahingehende Beobachtung, welche ich weder in den Handbüchern der patholog. Anatomie beschrieben noch in Cruveilhier’s citirtem Atlas abgebildet gefunden habe, will ich in Kürze anführen. Man findet nämlich oft an Arterien (hauptsächlich an der Carotis communis und Aorta thoracica von Individuen mittleren und höheren Alters), deren Innenfiäche dem Gefühle nach noch glatt erscheint, gelbe, der Längs- achse des Gefässes parallel verlaufende Streifen. Diese Streifen die Taf. XV, Fig. 39 a u. b abgebildet sind und die ich Drucklinien nennen will, sind nichts anders als fettig entartete Intimapartien. In welcher Beziehung diese Drucklinien zu der Constitution des Blut- stromes stehen, werde ich in einer weiteren Untersuchung festzustellen ver- suchen. Eine Reihe von schönen Praeparaten über die in Rede stehenden Ver- änderungen verdanke ich der Güte des Hrn. Dr. Huber, I. Assistenten am pathologischen Institute zu Leipzig, welcher mir in liebenswürdigster .. Zuvorkommenheit sein Material zur Verfügung stellte. Ich erlaube mir, an dieser Stelle Hrn. Dr. Huber meinen herzlichsten Dank auszusprechen. ^ Eichter, Zur Statistik der Aneurysmen, besonders der Aorta- Aneurysmen, so- wie über die Ursache derselben. Archiv für Minische Chirurgie. Bd. XXXII. 332 Hans Stahel: Nachruf. Der Verfasser obigen, in so erfolgreicher Weise ein neues Forschungsgebiet er- schliessenden Aufsatzes sollte das Erscheinen seiner Arbeit nicht mehr erleben. Durch eine rapid sich ausbreitende Luugenkrankheit ist er am 25. August d. J. im Alter von 31 Jahren dahingerafft worden. Hans Stahel wurde den 12. Februar 1855 in Turbenthal Ct. Zürich geboren; einziges Kind seiner Eltern, verlor er den Vater in früher Jugend und wurde nun von der Mutter auf das sorgsamste gepflegt und erzogen. Von 1867 ab hat er das Gym- nasium in Zürich besucht und sich durch grossen Fleiss ausgezeichnet, so dass er 1873 mit der Ceusur I zur Universität entlassen werden konnte. Er studirte in Zürich und bestand 1877 die eidgenössische Staatsprüfung. Nach kurzer Thätigkeit an der chirurgischen Klinik unter Hrn. Prof. Kose ging er als Assistent zu Hrn. Prof. Eberth an die pathologische Anstalt über und verblieb hier 1878 — 1880. Seine Inaugural- dissertation vom Jahre 1880 behandelt die Bluterkrankheit und trägt den Titel „Die Haemophilie in Wald“. Nachdem Hr. Stahel 1881 noch die Kliniken von Berlin und von Bern besucht hatte, liess er sich in Affoltern am Albis als Arzt nieder und ver- heirathete sich daselbst. Nach 3 jähriger Thätigkeit gab er indessen die Praxis wieder auf und kam im Herbst 1884 behufs anatomischer Studien nach Leipzig. Als ob durch die mehrjährige ärztliche Thätigkeit sein theoretischer Wissensdrang gestaut worden wäre, warf er sich mit eiserner Energie auf die Arbeit und während der IV2 Jahre seines Leipziger Aufenthaltes hat er sich niemals eine Ausspannung gegönnt. Das Archiv enthält aus dieser Zeit von ihm vier grössere Aufsätze, die er theils in der Abtheilung von Hrn. Prof. Braune, theils in der meinigen ausgeführt hat. Gegen Pflngsteu stellte sich ein von den Aerzten nicht für unbedenklich gehal- tener Catarrh ein. Mit schwerem Herzen entschloss sich Hr. Stahel zu einer Unter- brechung seiner Thätigkeit und er ging auf kurze Zeit in die Thüringer Berge. Un- gebessert kam er indessen wieder und, trotz täglich neu auftretenden Fiebers, ver- suchte er nun, noch eine Weile weiter zu arbeiten. Erst mit dem Ende des Semesters kehrte er nach der Schweiz zurück. Kaum in Zürich angelangt, wurde er von heftigen Lungenblutungen befallen, welche sich in rascher Folge wiederholten, und denen er zum Schmerz seiner jungen Gattin, sowie seiner Mutter und seiner Freunde nach wenigen Tagen erlegen ist. Ein edler Forscher ist mit Dr. Stahel dahiugeschieden, ein Mann, der mit sel- tener Hingebung und Treue seine Aufgaben erfasst und der in ungewöhnlichem Maasse die Gabe besessen hat, in seinen Gegenstand sich zu vertiefen und ihm durch an- dauerndes Nachdenken fort und fort neue Seiten abzugewinnen. Eine gediegene physiologische Bildung verlieh ihm dabei den Sinn für strenge wissenschaftliche Methodik. StaheUs äusseres Wesen war still, seine Denkweise einfach und sein Charakter un- bedingt lauter und zuverlässig. Die Arbeit, von welcher obiger Aufsatz den zweiten Theil bildet, wird ihm m. E. einen bleibenden Platz in der Geschichte unserer Wissenschaft sichern, denn sie enthält neue Thatsachen und neue Ideen von tiefgreifen- der Bedeutung. Dr. Stahel selbst sah sich erst am Anfang seiner Forschung und eben hatte er begonnen, unter der Leitung von Hrn. Prof. Ludwig einige der aufgeworfenen Fragen experimentell zu prüfen, als ihn die tödtliche Krankheit ereilte. Des jungen Forschers persönliche Unternehmungen haben damit ein jähes Ende gefunden, das von ihm gepflanzte wissenschaftliche Reis wird indessen weiter wachsen und aus Stahel ’s Arbeit werden sicherlich dauernde Früchte reifen. His. Über Arterienspindeln u. s. w. 333 Erklärung der Abbildungen. Taf. XIV. -|- bedeutet Abgangsstelle , $ Reactionsstelle eines Gefässes. 13. Subclavia sin. Convexe Seite. a. Subclavia 2*3 vor Abgang der Art. vertebralis. e. Subclavia kurz vor Abgang der Art. thyreoidea inf. g. Subclavia kurz vor Abgang der Art. transversa colli. l. Subclavia kurz vor Abgang der Art. thoraco-acromialis. p. Reactionsstelle der Art. subscapularis. q. Axillaris kurz vor Abgang der Art. subscapularis. 14. Subclavia sin. Concave Seite. a. Subclavia kurz nach dem Ursprung aus der Aorta. c. Reactionsstelle der Art. vertebralis. d. Reactionsstelle der Art. thyreoidea inf. /. Reactionsstelle der Art. transversa colli. Ic. Reactionsstelle der Art. thoraco-acromialis. m. Art. axillaris kurz vor Abgang der Art. subscapularis. 15. Subclavia sinistra. Curve der Maxima. Curve der Minima. A. Subclavia am Ursprünge. B. Subclavia 1 vom Ursprünge. C. Subclavia 2 vom Ursprung. D. Subclavia 3 vom Ursprung. B. Subclavia Isthmus. B. Subclavia 8 ““ nach aussen von der Ursprungsstello der Ars. transversa colli. 16. Sublcavia sinistra. Curve der Querschnitte. A. Querschnitt der Subclavia 2 über Ursprung. B. Querschnitt der Subclavia in der Mitte zwischen Ursprung und Abgangs- stelle der ersten Aeste. C. Querschnitt der Subclavia kurz vor Abgang der Aeste. D. Querschnitt des Isthmus Subclaviae. B. Querschnitt der Subclavia 2 nach aussen vom Isthmus. B. Querschnitt der Subclavia kurz vor Abgang der Art. thoraco-acromialis. 334 Hans Stahel: LTber Aeterienspindeln u. s. w. Figr. 17. Art. innommata und Subclavia dextra. Curve der Querschnitte. A. Querschnitt der Anonyma, Ursprung. B. Querschnitt der Anonyma, Mitte. C. Querschnitt der Anonyma vor der Theilung. D Subclavia am Ursprung. E. Querschnitt der Subclavia vor Abgabe der Aeste. F. Querschnitt des Isthmus Subclaviae. 6r. Querschnitt der Subclavia 2 nach aussen vom Isthmus. Fig. 18 A. Carotis communis dextra. Curve der Maxim a. Curve der Minima. Die Wandung der Arterie ist in Abständen von je 1 gemessen. Das näm- liche gilt von 19 A. Figg. 18 B und 19 B. Carotis communis dextra und sinistra. Die Umfängo dieser Arterien sind ebenfalls in Abständen von je 1 gemessen. Fig. 20. Carotis communis dextra. Curve der Querschnitte. Ä. Querschnitt der Carotis dextra am Ursprimge. C. Querschnitt der Carotis dextra in der Mitte. B. Querschnitt der Carotis dextra vor der Theilung in die ext. und int. Fig. 21. Carotis communis sinistra. Curve der Querschnitte. Fig. 22 A. Carotis communis sin,; B. Carotis communis doxtra. Fig. 30. Aorta thoracica. Fig. 31. Iliaca communis sin. und iliaca ext. sin. a. Ursprung der Art. iliaca communis. h. Mitte der Art. iliaca communis. c. Ende der Art. iliaca communis. d — e. Art. iliaca ext. in Abständen von 1 gemessen. Fig. 32. Art. iliaca ext. dextra und cruralis dextra. Curve der Maxim a. Curve der Minima. Die Wandung dieser Arterien ist ebenfalls in Abständen von 1 gemessen. 0. Reactionsstelle der Art. femoralis prof. Fig. 33. Art. iliaca communis dextra. Curve der Querschnitte. Fig. 34. Art. iliaca communis sin. Curve der Querschnitte. Taf. XV. Fig. 40. Längsschnitt durch ein mit 0*5 procentiger Chromsäurelösung ausge- spritztes und in Chromsäurelösung erhärtetes Hundeherz. Fig, 42. Gypsausguss einer menschlichen Aorta mit den abgehenden Aesten Art. innominata, Carotis sin. und subclavia sin. lltfi iuj.a Lirti Anst.Y E A lur.ke, Uipiiq Tai: XV .imii ihlhUj WrJay Veil (]■ (.'omj), Leipzig iithATiaiv K A FuTW.U’piiq Beiträge zur Topograpliie des Darmes. Von Dr. P. Schiefferdecker, Prosector in Göttingen. (Hierzu Taf. XVI.) Wir besitzen über die Lage der Bauch eiuge weide einige genauere Ar- beiten, welche namentlich der letzten Zeit angehören. Dieselben behandeln theils die Lage der Eingeweide beim erwachsenen Menschen, theils die Ent- stehung dieser Lage beim Embryo und Kinde. Ist nun in diesen Arbeiten auch die Lage der grossen Drüsen in recht ausreichender Weise festgestellt worden, so ist, wie mir scheint, die Topographie des Darmes in denselben doch nicht so umfassend behandelt worden, dass es nicht gerechtfertigt wäre, noch einige Beiträge hinzuzufügen. Ich habe seit dem Jahre 1876 theils in Rostock, theils in Güttingen auf dem Secirsaale zum Zwecke der Demonstration für die Studirenden etwa 200 Sectionen ausgeführt und hier- bei die Beobachtungen gemacht, welche ich in dieser Arbeit mittheilen will. Die Leichen gehörten sämmtlich Erwachsenen an, und zum überwiegenden Theile Männern. Dieselben waren einfach von- der Art. poplitea aus mit desinficirenden Flüssigkeiten injicirt. Wenn es nun auch sicher richtig ist, dass man die genaue Form und Lage der grossen Drüsen nur an Leichen studiren kann, welche vorher gehärtet worden sind, wie die bekannten Un- tersuchungen von His und Braune das deutlich gezeigt haben, und wenn auch dasselbe vom Darme gilt, soweit es sich um in’s kleinste Detail gehende Lage- und Formbeschreibung handelt, so scheint es mir doch an- dererseits auch zweifellos, dass man die gröberen Lagerungsverhältnisse des Darmes, und namentlich solcher Theile, welche kein Gekröse besitzen oder wenn sie ein solches besitzen, doch an anderen, die keins besitzen, festge- 336 Po SCHIEFFEEDECKEK : heftet sind, auch hei nicht gehärteten Leichen mit hinreichender Genauig- keit studiren kann, um als wissenschaftlich anzuerkennende Beobachtungen zu machen. Und gerade diese gröberen Lagerungsverhältnisse haben auch für den Arzt den grössten Werth. Die Beobachtungen, welche ich hier mittheilen will, beziehen sich auf das Duodenum, auf die Einmündungsstelle des Dünndarmes in den Dickdarm und auf die Flexura sigmoidea. Den Anatomen ist es ja leider nur zu gut bekannt, wie viele Varie- täten an allen Stellen des Körpers verkommen, Varietäten, die ja auch für den practischen Mediciner oft von der grössten Bedeutung sind. An manchen Stellen des Körpers sind dieselben so häufig, dass man wirklich im Zweifel sein kann, was man als normal ansehen und beschreiben soll. Zu diesen Stellen gehören nun auch die oben genannten Partien des Darmes in Bezug auf ihre Lagerungsverhältnisse zur Bauchwand. Man hat, wie bekannt, für eine Menge von Varietäten eine Erklärung durch das Studium der Ent- wickelungsgeschichte gefunden, und fassend auf den vorhandenen Vorarbeiten will auch ich hier versuchen die Entwickelungsgeschichte zur Erklärung der veränderten Lageverhältnisse des Darmes zu benutzen. I, Duodenum. AVas das Duodenum anlangt, so wissen wir aus den ausgezeichneten Untersuchungen von Toldt (1), dass dasselbe schon sehr frühe einen festen Punkt in Bezug auf seine Anlagerung an die Bauchwand und ursprünglich ein freies Gekröse besitzt. Toldt (I, S. 9) sagt bei der Beschreibung der Lage der Eingeweide bei einem sechswöchentlichen Embryo: „AVeiter hebe ich hervor, dass die Umbeugungsstelle des Duodenums in die Nabelschleife jener Punkt des Darmcanals ist, welcher am meisten an die hintere Leibes- wand fixirt ist. Es ist dies die spätere Flexura duodeno-jejunalis. Schon Treitz hat der so frühzeitigen Befestigung des Darmes an dieser Stelle eine entscheidende AVichtigkeit für die Ausbildung der bleibenden Lageverhält- nisse beigemessen. Dass dies in der That sich so verhält, werden die später folgenden Auseinandersetzungen zeigen“. Tarenetzky (2) stimmt mit Toldt überein. Der letztere führt dann ferner (I, S. 10 und 11) des weiteren aus, dass das Duodenum bei einem Embryo desselben Alters ein freies Gekröse besitze, welches unmittelbar mit dem Mesogastrium in Con- tinuität sich befinde und dass die Existenz eines freien Duodenalgekröses bei jungen Hühnerembryonen den Embryologen schon seit längerer Zeit bekannt sei. Eine sehr genaue Beschreibung der Lage des Duodenams beim Erwachsenen und älteren Kinde verdanken wir Braune (3 und 4). Hier- nach wären die Lageverhältnisse des Duodenums die folgenden. Die Pars Beiteäge zuk Topogkaphie des Daemes. 337 horiz. sup. verläuft in der Höhe des ersten Lendenwirbels von vorne nach hinten. Je nach dem Füllungszustande des Magens, nach welchem sich wieder die Lage des Pylorns richtet, ist der Verlauf bald direct von vorn nach hinten, bald mehr oder weniger von vorn — links — oben nach hinten — rechts unten. Die Pars descendens, welche aus der vorigen unter ungefähr rechtem Winkel hervorgeht, steigt neben dem zweiten und dritten Lendenwirbel vor der rechten Niere herab. Dieselbe ist viel weniger beweglich als die pars horizont. sup. immerhin kann sie durch ein stark gefülltes Colon ascendens medianwärts verschoben werden. Die Pars horizont. inf. biegt aus der vorigen unter einem AVinkel ab, der ungefähr ein rechter oder kleiner als ein rechter Winkel ist, läuft in der Höhe des dritten Lendenwirbels quer oder leicht aufsteigend vor der Wirbelsäule nach links hinüber, um schliesslich senk- recht nach aufwärts zu ziehen und mit steiler Krümmung nach vorn in das Jejunum überzugehen. Dieses letzte Stück wird unter der Mesenterial- wurzel sichtbar. Die Flexura duodeno-jejunalis wird nach oben an das Zwerchfell fixirt durch den von Treitz entdeckten Muse, suspensor. duo- deni und in ihrer Lage nach vorne bestimmt durch die Richtung des Mesenterium (3, S. 469). „So kommt in dem Verlaufe des Duodenums die Bildung eines offenen Ringes zu Stande, welcher vom Pylorus ausgehend, bis in die Nähe desselben unter der unteren Magenwand wieder zurück- läuft um dann nach vorwärts in den Tr actus des Jejunums und Ileums weiter zu ziehen.^^ Dieser offene Ring hat Aehnlichkeit mit einer flachen Spiral- tour. Je nach dem Füllungszustande des Magens liegen die Endpunkte des ringförmigen Stückes näher oder weiter von einander entfernt (3, S. 470). So richtig nun die oben mitgetheilte Beschreibung des Verlaufes des Duo- denums sicher auch für eine Anzahl von Fällen ist, so wenig stimmt sie doch für alle oder auch nur für die Majorität der Fälle, und die Gründe dafür sind: verschiedene Länge des Duodenums und verschieden hoher Beginn der Pars verticalis. Auf den beigegebenen drei Figuren habe ich die Extreme in der Lage des Duodenums, wie sie mir vorgekommen sind, eingetragen. Zu bemerken wäre hierzu nur noch, dass in allen drei Ab- bildungen die Lage des Anfangs der Flexura duodeno-jejunahs in der am weitesten lateralwärts beobachteten Form wiedergegeben ist, dass dieselbe aber auch weiter medianwärts gelegen vorkommt. Die Pars horizontalis sup. und der Anfang des Jejunums sind als unerheblich fortgelassen. In Taf. XVI Fig. 1 ist die höchstliegende Form des Duodenums abge- bildet. Die Pars descendens beginnt am oberen Ende des ersten Lenden- wirbels; steigt herab neben der Wirbelsäule theils vor der Niere theils vor dem M. psoas und quadrat. lumb. bez. den Querfortsätzen gelegen, und biegt in der Höhe des unteren Endes des zweiten Lendenwirbels, unter einem ungefähr rechten Winkel um in die Pars, horizontalis inf., welche Archiv f. A. u. Ph. 1886. Änat. Abthlg. 22 B38 P. SCHIEFEERDECKER : vor den Körpern des zweiten und dritten Lendenwirbels und der zwischen denselben gelegenen Sjmchondrose zuerst mehr horizontal, dann leicht an- steigend hinzieht, um theilweise noch vor dem zweiten Lendenwirbel theil- weise links neben demselben auf dem M. psoas nach oben und gleich darauf nach vorwärts steil umzubiegen. In diesem Palle ist die Pars descendens relativ sehr kurz und die Pars horizontalis inf. ist wirklich beinahe hori- zontal, da sie nur ganz wenig und nur gegen das Ende steiler aufsteigt. Nun kommt es aber sehr oft vor, dass die Pars descendens weiter herab- steigt. Demgemäss muss dann die Pars horizontalis inf. zunächst mehr schräg vor der Wirbelsäule aufsteigen und eventuell auch unter einem spitzeren Winkel aus der Pars descendens hervorgehen. So kommt es vor, dass die IJmbeugung in der Höhe des dritten, ja des vierten Lendenwirbels statthat und dass dann die Pars, horizontalis inf. vor dem dritten, dem unteren Ende des dritten uud dem oberen Ende des vierten und endlich vor dem vierten Lendenwirbel hinzieht. Je tiefer die Umbeugung statt- findet, um so steiler wird die Pars horizontalis inf. nach links und oben verlaufen müssen, um zu dem annähernd feststehenden Punkte der Um- biegung in das Jejunum hinzugelangen, um so mehr wird die sogenannte Pars, horizontalis zu einer Pars, ascendens werden, was sie eigentlich ja immer ist, und wie sie richtiger wohl auch zu bezeichnen wäre. Es geht dann die Ringform, die ja doch auch im besten Falle nur annähernd eine Ringform ist, natürlich mehr in eine Hakenform über. In Taf. XVI Fig. 2 habe ich einen solchen Fall abgebildet. Die Pars horizontalis inf. geht hier dicht an der T heilungsstelle der grossen Gefässe vorüber. Das unterste Ende der Pars descendens geht bis zur Höhe der Synchondrose zwischen dem vierten und fünften Lendenwirbel.^ Das Pankreas verhält sich bei diesen Lageveränderungen des Duodenums verschieden. In Fig. 1 füllt es, wie das der gewöhnliche Fall ist, die Run- dung des Duodenums völlig aus, in dem Spalte zwischen Kopf und Körper würde die hier nicht gezeichnete Art. mesent. sup. hervortreten, um über das Duodenum diesem von vorn und obenher eng sich anschmiegend nach unten hin weiter zu ziehen. Liegt die Pars inferior tiefer, so folgt das Pankreas zunächst der Duodenalkrümmung, auch bei recht tiefem Stande kann es noch unmittelbar an das Duodenum sich anlegen, und in diesen ^ Da aus dem eben Gesagten hervorgeht, dass der Name Pars horiz. inf. eigentlich zu Unrecht besteht, und auch bei der Pars horiz. sup. das Horizontale des Verlaufs das für diesen Theil weniger Charakteristische ist, so möchte ich hier vorschlagen, im Anschluss an die von His in seiner „Anatomie menschlicher Embryonen“ gebrauchten Ausdrücke die drei Abschnitte des Duodenum zu bezeichnen als Pars superior, media und inferior, welche Namen sich enge an die bis jetzt gebräuchlichen anschliessen, und werde auch in der vorliegenden Arbeit von jetzt an diese Namen benutzen. Beiteäge zur Topographie des Darmes. 339 Fällen ninimt daun der umbiegende Kopf des Pankreas gewölinlicli an Flächenausdehnung zu, ob überhaupt an Masse vermag ich nicht zu sagen. In Folge dessen bleibt das Pankreas in seinem transversalen Theil in seiner gewöhnlichen Lage, entsprechend der unveränderten Lage der Flexura duo- deno-jejunalis. Es kann aber auch verkommen, dass das Pankreas dem Duodenum nicht folgt, und dann bleibt zwischen dem unteren Rande des ersteren und dem oberen des letzteren ein mehr oder weniger breiter Raum frei. Die Art. mesent. sup. wird dann natürlich nicht in so enge Beziehung zum Duodenum treten. Taf. XYI Fig. 2 zeigt einen Fall, in dem ein solcher freier Raum entsteht. Derartige Fälle sind, wie es scheint, seltener als solche, in denen das Pankreas dem Duodenum folgt. Ein Herabsteigen des Duodenums bis zum unteren Rande des vierten Lendenwirbels habe ich überhaupt selten beobachtet, ein solches bis zur Mitte des vierten Lenden- wirbels ist schon sehr viel häufiger, und noch häufiger ein Herabsteigen bis zum Anfänge desselben. Diese Form, bei welcher die Pars inferior dann vor dem dritten Lendenwirbel hinzieht, und die in Taf. XYI Fig. 1 ab- gebildete können, wie mir scheint, als die häufigsten angesehen werden. Wie mir Hr. Prof. Merkel mittheilte, hat er in Königsberg ganz ähnliche Erfahrungen über die Lage des Duodenums gemacht. Da gleiche Beob- achtungen somit in Rostock, Königsberg und Gröttingen gemacht worden sind, kann man wohl annehmen, dass diese Lagevarianten des Duodenums weit verbreitete sind. In Taf. XYI Fig. 3 habe ich eine Abbildung von einer Art der Lage gegeben, welche noch seltener zu sein scheint, als die in Taf. XYI Fig. 2 dargestellte. Ich habe sie wenigstens nur einmal beobachtet. Es fand sich dieselbe bei einer weiblichen Leiche in Rostock, deren Bauch- eingeweide sonst normal waren. Die Pars media begann hier erst in der Höhe der Synchondrose zwischen dem ersten und zweiten Lendenwirbel, stieg dann zuerst schräg lateralwärts dann schräg medianwärts verlaufend, also im Bogen herab, um in der Fortsetzung der Bogenkrümmung vor dem vierten und dem oberen Theile des fünften Lendenwirbels quer vor der Wirbelsäule vorüberzuziehen und in einem etwas steiler ansteigenden Bogen auf der linken Seite der Wirbelsäule hinziehend den gewöhnlichen IJmbeugungs- punkt zu erreichen. Das Duodenum bildete also in diesem Falle in der That fast einen Kreis, dessen tiefst gelegener Punkt der Peripherie etwa vor der Mitte der Wirbelsäule etwas über der Mitte des fünften Lenden- wirbels sich befand. Der unterste gerade vor der Wirbelsäule hinziehende Abschnitt des Duodenums war etwas dicker als die anderen Theile , hinter ihm lag die Theilungsstelle der grossen Gefässe. Das Pankreas füllte merk- würdigerweise den Raum der von dem Duodenum umgrenzten Fläche völlig aus, die umgeschlagene Kopfpartie war bedeutend grösser als sonst, so dass die Gefässdurchtrittsstelle ungefähr in der normalen Höhe lag. 22* 340 P. SCHTEFFERDECKEE : Wie bekannt liegt das linke anfsteigende Ende der Pars inferior duo- deni zunächst hinter und dann links von der Kadix mesenterii. Diese letztere steigt schräg von der Flexura duodeno-jejunalis beginnend herab in der Richtung nach der Articulatio sacro-iliaca dextra. Tritt eine Ver- längerung des Duodenums ein mit jenem schräg aufsteigenden Verlaufe, wie ihn Taf. XVI Eig. 2 stark ausgeprägt darstellt, so sieht man leicht, dass die Richtung der Radix mesenterii und des schräg aufsteigenden Duodenal- theiles zusammenfallen werden, und demgemäss wird in solchen Fällen dieser Theil des Duodenums in ziemlich grosser Ausdehnung direct hinter der Mesenterial Wurzel liegen, bez. bei Aufheben des Dünndarmes und An- spannen des Gekröses mit diesem zugleich angespannt werden und so in der Radix mesent. zu liegen scheinen. Wir wissen durch Toldt (1, S. 15), dass die Flexura duodeno-jejunalis schon in der zweiten Hälfte des dritten Embryonalmonats sich auf der linken Seite der Wirbelsäule befindet und dort • an der Rauchwand festhaftet, wir wissen ferner durch den- selben Forscher, dass das Duodenum in dieser Zeit noch ein freies Ge- kröse besitzt und auch noch bis in den fünften Embryonalmonat be- hält (1, S. 31), während es später zunächst auch nur relativ locker, mit der Rauchwand verwächst. Wir haben also einen an der Rauchwand frei beweglich befestigten Darmtheil, der oben aus dem Magen entspringt, dessen oberem Theile schon durch die bekannte Drehung des Magens eine Wendung nach rechts gegeben worden ist und der unten sehr wenig tiefer als sein Magenursprung liegend, zunächst in der Mitte, dann an der linken Seite der Wirbelsäule festgeheftet ist. Dieser Darmtheil wächst in die Länge und wird zugleich durch bestimmte, sich vorlagernde Theile (Colon, Dünn- darm) nach der hinteren Rauchwand gedrängt. Rei diesem Wachsthum wird er das Restreben haben die Form eines nach links und oben offenen Ringes anzunehmen, der platt der hinteren Rauchwand anliegt. Wird der hierzu nöthige Raum beschränkt, so wird der Ring an bestimmten Stellen abgeplattet werden und anstatt der gleichmässig gekrümmten Kreislinie werden flacher gekrümmte Partien mit steiferen winkelartigen Stücken ab- wechseln. So findet nun in der That nach der Reschreibung von Toldt auch der Wachsthumsgang statt. Derselbe schreibt (1, S. 29): „Das Duo- denum zeigt während der ganzen zweiten Hälfte der Schwangerschaft ganz constant jene schon früher erwähnte, von Rraune beschriebene kreisförmige Gestalt und ist mit Ausnahme seines Anfangsstückes vollständig an die hintere Rumpfwand fixirt. In derselben Ausdehnung ist es von der Flexura coli hepatica und von dem Gekröse des Colons von vorn her bedeckt. Der absteigende Theil ist neben dem medialen Rande der rechten Niere gelegen und geht stets erst unter der Mitte der Niere in das sogenannte untere Querstück über. Dieses schreitet quer vor der Wirbelsäule weg und erhebt Beiträge zue Topogeaphie des Daemes. 341 sich links neben derselben bis annäherd zu der Höhe, in welcher der Pylorus gelagert ist. Hier, genau an dem unteren Rande des Pankreas liegt steil abwärts geknickt die Flexura duodeno jejunalis^b Gegen das Ende der Eoetal- periode und den Anfang des Kindesalters tritt dann das Colon ascendens tiefer und tiefer herab, um seine spätere normale Lage einzunehmen. Dabei wird es den absteigenden Theil des Duodenums nothwendig in seiner seit- lichen Ausdehnung hindern, um so mehr, je stärker die Wachsthumsneigung des Duodenums sein wird. Dass das Colon ascendens ein solches Hinderniss abgeben wird, geht schon aus der bekannten Thatsache hervor, dass man durch starke Füllung desselben mit Luft beim Erwachsenen den absteigenden Theil des Duodenums nach der Medianlinie zutreiben kann. So wird der absteigende Theil etwas flacher werden als dem Kreisbogen entspricht, und diese Abflachung wird um so schwächer sein, je kürzer das ganze Duo- denum ist. An der Stelle des IJeberganges der Pars media in die Pars inferior wird in Folge dessen ein mehr oder weniger ausgeprägter Winkel sich bilden. Dieser „Winkel des Duodenums“, wie ich diese Stelle nennen will, ist zugleich die Partie des Darmtheiles, welcher bei dem Wachsthum desselben am energischsten und ausgiebigsten sich vorschieben wird, da er gerade der Oeffnung der Spiraltour gegenüber liegt. Wird also einmal dieser Winkel die grösste Neigung oder Fähigkeit zur Verschiebung zeigen, so wird andererseits von der linken Seite her gerade wie von vorn die Masse des Dünndarmes der Ausbreitung des Duodenums hinderlich sein. Demgemäss wird bei stärkerem Wachsthum der Winkel des Duodenums spitzer und spitzer werden und sich, an der Wirbelsäule, wo er auf keinen Widerstand trifft, herabsteigend, tiefer und tiefer lagern, während die Pars inferior mehr und mehr zu einer Pars ascendens sich umbilden und so in mehr oder weniger flachem Bogen schräg vor der Wirbelsäule aufsteigen wird. Ist das Wachsthum des Duodenums ein sehr bedeutendes und sind die übrigen Druckverhältnisse nicht zu ungünstig, so kann sich natür- lich auch wie^ier eine der Ringform sich mehr nähernde Figur des Duo- denums ergeben wie in Taf. XVI Fig. 3. Der Winkel des Duodenums ist dort so weit herabgerückt, dass er mit dem unteren Dünndarmende und der entsprechenden Anheftung der Radix mesenterii in Berührung kommt. Ob nun in Folge davon oder weil die seitlichen Druckverhältnisse hier günstigere waren, breitet sich das Duodenum seitlich mehr aus, der Winkel wird aus- geiundet und nur die Asymmetrie der Krümmung der beiden Schenkel deutet noch an, dass auf der rechten Seite der Winkel zu suchen ist. Dass bei dem unmittelbaren Zusammenhänge des Mesogastrium und Mesoduodenum, und dem langen Bestehen des letzteren der Anfang der Pars media, d. h. die oberste Festheftungsstelle in der Lage variirt, ist leicht verständlich, ebenso wie, dass die Flexura duodenojejunalis, die von 342 P. SCHIEFFEKDECKER : der Mitte der Wirbelsäule nach der Seite hin wanderte, an verschiedenen Punkten ihre Wanderung beendigen, und so mehr oder weniger weit von der Medianlinie fixirt werden kann. lieber das Duodenum herüber legt sich dann die Radix mesenterii: Toi dt (1, S. 33) sagt darüber: „Das Mesenterium des Dünndarmes gewinnt ungefähr mit dem sechsten Monate seine Selbständigkeit und annähernd seine bleibende Gestalt d. h. es tritt von da an das deutlich hervor, was man nun als Wurzel des Dünndarmgekröses beschreibt. Die Einleitung dazu war schon in früheren Perioden dadurch geschehen, dass jener Theil des gemeinschaftlichen Dünn-Dickdarmgekröses, welcher dem Colon ascendens zugehört, sich an der hinteren Bauchwand, bez. am Duodenum festgeheftet hat. Da diese Adhaesion von oben nach abwärts gegen die rechte Darm- beingrube vorschreitet und entlang der VorderÜäche des rechten M. psoas ihre mediale Grenze findet, so ist dadurch jene Linie gegeben, von welcher aus das gemeinschaftliche Gekröse nach der Seite des Dünndarmes frei und beweglich bleibt und dies ist die bleibende, secundär entstandene Wurzel- linie, besser gesagt, Haftlinie des Dünndarmgekröses“. Hieraus folgt dann wieder, dass der aufsteigende untere Theil des Duodenums je nach seiner Länge und Lagerung mehr oder weniger weit links neben der Radix mesenterii zum Vorschein kommen wird. Zu bemerken hätte ich schliesslich noch, dass in den von mir beob- achteten Fällen das Duodenum so weit es der hinteren Bauchwand ange- heftet zu sein pfiegt, auch immer angeheftet war. II. Einmündungsstelle des Dünndarmes in den Dickdarm. Eine andere Stelle des Darmes, welche in ihrer Lage sehr wechselt, ist die der Einmündung des Dünndarmes in den Dickdarm. Am häufigsten liegt dieselbe wohl in der Eossa iliaca dextra in der Höhe der Articulatio sacro-iliaca dextra und nicht weit lateralwärts von derselben. Von dieser häufigsten Lage kommen nun Abweichungen nach unten und nach oben hin vor. Es handelt sich in diesen Fällen entweder um einen Dickdarm der länger ist als gewöhnlich, oder um einen der kürzer ist bez. auf einem embryonalen Standpunkte stehen geblieben ist, also um eine Hemmungs- bildung. Ich spreche hier bei der Bestimmung der Lage des Dickdarmes von der Einmündungsstelle des Dünndarmes und nicht von dem Ende des Coceum, wie das sonst vielfach geschehen ist, einmal weil es sich in meinen Fällen auch um besondere Lagerungen des Dünndarmes handelt und dann, weil das Coecum, wie bekannt, sehr variabel in seiner Länge ist und daher eine neue Unbekannte in die Bestimmung der Lage der wichtigen Ein- mündungsstelle einführen würde. Immerhin kann man ja auch aus den- jenigen Mittheilungen, in denen der Stand des Coecums angegeben ist, einen Beiträge zur Topographie des Darmes. 343 ungefähren Schluss auf den der Einmündung des Dünndarmes machen.. Engel (5) giebt darüber folgendes an: „Der Blinddarm hat seine Lage unter 100 Fällen: hoch über dem Psoas .... 28 Mal über der Schambein-synchondrose 30 „ tief in der Beckenhöhle .... 8 „ in der Gegend des Nabels ... 4 „ Die beiden ersten Gruppen würden die mittleren Biöhenlagen angeben^ die beiden letzten die extremen, doch sind die Bestimmungen im Ganzen wenig genau. Tarenetzky (2) macht folgende Angaben: Im neunten Embryonal- monate kann das Coecum mit seiner Spitze die Mitte des Lig. Poupartii erreichen, wobei es die ganze Fossa iliaca dextra einnimmt. In anderen ebenfalls normalen Fällen geht jedoch seine Spitze nicht weit über die Mitte der Fossa iliaca herab und verbleibt in dieser Stellung für das ganze Leben. Der Abstand seiner Spitze von der Mitte des Lig. Poupartii kann hierbei 2 bis 3 betragen (2, S. 16). Bei Erwachsenen mittleren Alters findet Tarenetzky die Lage im Allgemeinen gleich der bei Kindern, bei hoch- stehendem Blinddarm kann die Länge des Abstandes seiner Spitze von der Mitte des Lig. Poupartii bis 8,4 betragen, im Mittel wechselt sie zwischen 4,5 und 5 In der Altersperiode von 50 bis 83 Jahren findet er das Coecum relativ am längsten. Es hatte in fünf Fällen solche Dimensionen, dass dasselbe nicht mehr im grossen Becken Raum fand, sondern mit seiner unteren Hälfte einen Theil des kleinen Beckens einnahm. Hierbei war die obere Hälfte dem Lig. Poupartii parallel gelagert, während die untere im kleinen Becken über dem Dünndarm lag und die Spitze die Mittellinie be- rührte. In zwei weiteren Fällen war übrigens der Grund dieser abnormen Stellung nicht die aussergewöhnliche Länge des Blinddarmes, sondern eine ungemeine Längenzunahme des Colon ascendens; dieselbe ging bei der Leiche eines 50jährigen Mannes so weit, dass nicht nur ein Theil, sondern das ganze Coecum mit dem Proc. vermiformis und dem Endstücke des Ileums im kleinen Becken lag (2, S. 17, 18). Wenn nun auch die Annahme von Tarenetzky, dass das Coecum noch beim Erwachsenen weiter wachse und im hohen Alter seine grösste Länge erreiche (während andererseits der Proc. vermif. umgekehrt kürzer werde) sich auf eine zu geringe Zahl von Beob- achtungen (33 mittleren, 12 höheren Alters) stützt, um irgendwie als näher bewiesen angesehen werden zu können, so geht doch soviel aus seinen Mit- theilungen hervor , dass er in fünf Fällen ein längeres Coecum beobachtete das theilweise in das kleine Becken herabhing und in^ zwei weiteren Fällen ein etwas längeres Colon ascendens. Luschka (5) schreibt: Seine Lage hat der Blinddarm normalmässig 344 P. tSCHIEFFERDECKER : SO auf dem rechten M. iliac. int., dass sein Ende etwa der Mitte des Pou- part’schen Bandes entspricht. Er lehnt sich demgemäss dicht über der lateralen Hälfte des letzteren an die Innenseite der vorderen Bauchwand au. Ausnahmsweise bietet das Coecum eine höhere Lage dar, indem es seinen gesetzmässigen Descensus nicht vollzogen hat. Seine Yerschiebung von links nach rechts und unten geschieht um dieselbe Zeit, in welcher auch die Hoden nach unten rücken. Es kann daher nicht überraschen, wenn bei Störung des Descensus testiculi auch die Wanderung des Coecums unterblieben ist. Es kann der Blinddarm aber auch als anderes Extrem weiter gegen den Eingang des kleinen Beckens oder selbst über die Mittel- linie hinaus nach links gewandert sein (6, S. 22). Toi dt (1,S. 35 und 36) spricht sich folgendermaassen aus: „Dabei (nämlich bei der Bildung der Haftlinie des Dünndarmgekröses) kommt auch die äusserst variable Lage und die Art der Anheftung des Blinddarmes mit in Betracht. Unter den zahlreichen diesbezüglich vorkommenden Varianten seien hier nur folgende erwähnt. Ist der Blinddarm, wie nicht selten in den ersten Lebens- nionaten noch nicht in die Darmbeingrube hinabgerückt, sondern unmittelbar unter der rechten Niere fixirt, so kommt zweierlei zur Beobachtung. Entweder es erscheint die Haftlinie des Dünndarmgekröses sehr kurz, wenn das End- stück des Ileums frei beweglich geblieben ist; oder die Haftlinie hat ihre gewöhnliche Länge, wenn das Endstück des Ileums an der vorderen Fläche des Psoas angelötet ist und im Bogen gegen den Blinddarm hinaufsteigt. In dem letzteren Falle findet man von dem Endstücke des Ileums ganz ähnliche Peritonealfalten ausgehend, wie bei tiefer stehendem und theilweise fixirtem Blinddarm an diesem beobachtet werden und schon mehrfach Gegen- stand der Beschreibung gewesen sind. Der am häufigsten während des Kindesalters vorkommende Befund ist, dass der Blinddarm zwar in der Darmbeingrube gelagert ist, aber an einem grösseren oder geringeren Theile seiner hinteren Fläche einen freien Peritonealüberzug besitzt, d. h. entweder gar nicht oder nur theilweise fixirt ist. In anderen Fällen, jedoch relativ selten, besteht schon bei neugeborenen Kindern eine vollständige Fixiruug des Blinddarmes in der Darmbeingrube; dann sind auch die Verhältnisse des Dünndarmgekröses ganz analog denen des ausgewachsenen Menschen. Bei meinen Beobachtungen am Erwachsenen habe ich nun, wie schon oben erwähnt, bei weitem am häufigsten die Stelle der Einmündung des- Ileums in das Colon in der Fossa iliaca dextra in der Höhe der Articularis sacro-iliaca gefunden, leichte Abweichungen nach oben und nach unten kommen natürlich sehr häufig vor. Auch dass die Einmündungsstelle am Eingänge in das kleine Becken lag, kam häufiger zur Beobachtung. Selten war es schon, dass dieselbe in das kleine Becken hinabrückte, doch habe ich auch hiervon sowohl in Rostock, wie in Göttingen mehrere Fälle gesehen. Beitkäge zue ToPOGEAI'HIE des Daemes. 345 Seltener als dieses Herabrücken, welches auf eine zu bedeutende Länge des Colon ascendens schliessen liess, habe ich dagegen ein bedeutendes Hinauf- rücken bemerkt, da ich in der ganzen Zeit nur zwei Fälle notirt habe. In dem einen Falle bei einer männlichen Leiche lag die Einmündungs- stelle des Dünndarmes in der Höhe des unteren Endes des dritten Lenden- wirbels, das Coecum erreichte den Darmbeinkamm, der Proc. vermif. lag auf dem M. iliac. int. festgeheftet. Der Dünndarm stieg zu der Einmüu- dungsstelle steil empor angeheftet an den M. iliac. int. und den Quadrat, lumbor. Die Baucheingeweide waren sonst normal, die Hoden im Scrotum. Der zweite, noch stärker ausgeprägte Fall ist auf Taf. XVI Fig. 1 ab- gebildet. Es handelte sich wieder um eine männliche Leiche mit sonst normalen Baucheingeweiden, beide Hoden im Scrotum. Die Einmündungs- stelle lag hier auf der Niere etwas unterhalb der Mitte derselben, zwischen dieser und der Grenze des unteren und mittleren Drittheils. Das kurze Coecum endigte noch oberhalb des unteren Nierenendes, so dass der Proc. vermif. noch an die Niere angeheftet herunterstieg, sie üben*agte und auf dem M. quadrat. lumb. endigte. Der Dünndarm stieg steil aufwärts an- geheftet an die Mm. psoas, iliac., und quadr. lumb., zuletzt an die vordere Fläche der Niere. Dicht oberhalb der Einmündungsstelle bog das Colon medianwärts in den transversalen Theil um. Diese beiden Fälle bedeuten offenbar ein Stehenbleiben auf einer früheren Stufe der Entwickelung. Nach den Angaben Toldt’s kann eine ähnliche Art der Lagerung in den ersten Lebensmonaten öfter beobachtet werden, wenngleich das Coecum in dem zweiten mitgetheilten Falle auch hierfür ungewöhnlich hoch zu stehen scheint. Indessen sind diese Arten der Lage des Colon doch auch in den ersten Lebensmonaten eigentlich schon Aus- nahmen von der Regel. Die Stellung des Coecum in dem zweiten Falle ent- spricht jener, welche Toldt von dem fünfmonatlichen Embryo beschreibt: „in anderen keineswegs seltenen Fällen ist das ganze Colon ascendens sammt dem Gekröse und auch der Blinddarm mit dem Bauchfellüberzug der hin- teren Rumpfwand verklebt und liegt dann stets auffallend hoch an der Vorderfläche der rechten Niere“ (1, S. 28). Das von Luschka erwähnte gleichzeitige Vorkommen von nicht vollendetem Descensus testiculi und Coli konnte ich in den von mir beobachteten Fällen nicht bestätigen. Auch in einem in gewissem Sinne entgegengesetzten Falle bei einem alten Mikro- cephalen, dessen rechter Hoden allerdings durch den Leistencanal getreten, aber im obersten Theile des Scrotums geblieben war, lagen die Baucheinge- weide ganz normal. Dass so hochgradige Umlagerungen des Colons sowohl für die innere Medicin wie für die Chirurgie von grosser Bedeutung sind, brauche ich wohl kaum besonders hervorzuheben. 346 P. SCHIEFFERDECKER : Ein eigenthümlicher Fall, den ich nur einmal beobachtet habe, ist der anf Taf. XVI Eig. 3 abgebildete. Bei einer männlichen Leiche stieg der Dünndarm fest an den M. iliac. int. geheftet bis zur Höhe der Crista ihac. hinauf, bog dann, sich von der Bauchwand entfernend, steil um, um dicht neben dem aufsteigenden Theile zurücklaufend etwa in der Mitte der Fossa iliaca von hinten her in das Colon einzumünden. Zur Erklärung dieses Falles könnte man eigentlich nur annehmeu, dass hier zunächst das Colon sehr hoch gelegen habe und der Dünndarm an die Bauchwand mehr oder weniger fixirt ein Ende heraufgestiegen sei, ganz ähnlieh wie in den oben beschriebenen Fällen. Später wäre dann das Colon in einer intensiveren Wachsthumsperiode bis zu seinem jetzigen Lagerungsplatze hinabgestiegen und hätte dabei der Dünndarm soweit wie nöthig sich von der Darmwand wieder entfernen müssen. Ein derartiger Ablösungsvorgang eines Gekröses mit nachfolgender neuer Anheftung hätte nach den Untersuchungen Toldt’s über die Vorgänge bei der Gekröse- bildung nichts unwahrscheinliches, immerhin will ich zugeben, dass ein solches späteres intensiveres Wachsthum .des Colon zunächst durch nichts besonders wahrscheinlich zu machen ist. III. Flexura sigmoidea. Der dritte Abschnitt des Darms, welcher eine sehr wechselnde Lage zeigt, ist die Flexura sigmoidea. Nach den Untersuchungen von Toi dt ist die Beschaffenheit derselben während der Entwickelung die folgende. Das Colon besitzt zunächst, gerade wie das Duodenum eine relativ fest an die Bauchwand geheftete Stelle, die Flexura lienalis, welche sich bereits beim sechswöchentlichen Embryo auszeichnet. In der zweiten Hälfte des dritten Embryonalmonats tritt die erste Andeutung der Flexura sigmoidea hervor. Toi dt beschreibt sie folgendermaassen (1, S. 15): „Der Mastdarm ist median in der Beckenhöhle gelagert und besitzt bei seinem Austritt aus derselben bereits ein kurzes Gekröse. Von hieraus wendet sich der Dickdarm mittels einer genau vor der Geschlechtsdrüse gelegenen Schlinge (erste Andeutung der Flexura sigmoidea) nach links in die Hüftgrube und steigt dann, weiter der hinteren Bauchwand anüegend, schief nach auf- und medianwärts, in- dem er an dem unteren Pole der linken Niere vorbeistreichend sich an den medialen Band derselben anlegt (Colon descendens).“ Das Gekröse dieser Theile erhebt sich aus der Mittellinie der hinteren Rumpfwand, vom Becken- eingang herauf bis an den Theil des Pankreas, welcher an der Wirbelsäule festhaftet es wendet sich von seiner Haftlinie nach links und hegt frei der hinteren Rumpfwand an.‘‘ In der ersten Hälfte des vierten Em- bryonalmonats erscheint die Flexura in die Höhe gehoben in Folge eines Beiteäge zuk Topogkaphie des Darmes. 347 Zuges an dem Gekröse (1, S. 21). Am Ende des vierten und im fünften Monate heftet sich das Mesocolon von oben nach unten fortschreitend all- mählich an die Bauchwand. Die Elexura hängt wieder herab, und bei dem Aufheben derselben zeigt sich der Anfang der Bildung des Recessus inter- sigmoideus. Vom sechsten Monate sagt Toi dt (1, S. 30): „Das Colon des- cendens bildet einen dem lateralen Rande der linken Niere folgenden Bogen und ist bis gegen jenen hin fixirt. In einzelnen Fällen ist jedoch im sechsten und selbst im siebenten Monate noch ein unterer Theil beweglich und sein Gekröse eine Strecke weit frei. Die Elexura sigmoidea zeigt schon im sechsten Monate ihre beiden typischen Schlingen, deren untere stets vor der Geschlechtsdrüse ihren Platz nimmt. Später wenn der Inhalt an Me- conium reichlich wird, dehnt sich die Elexura sigmoidea stärker aus und erstreckt sich über die Mittellinie weg bis an die rechte Hüftgrube, oder sie biegt sich wohl auch nach aufwärts bis an den Hilus der linken Niere. Gegen das Ende der Foetalperiode zeigt sich das Mesocolon descendens bis mehr oder weniger weit unter den Darmbeinkamm herab angeheftet (1,S. 34). Das Gekröse der Elexura sigmoidea haftet beim Neugeborenen in einer nach abwärts stark concaven Linie, welche von dem Promontorium median bis an den dritten oder vierten Lendenwirbel aufsteigt und von da in scharfem Bogen nach links und abwärts über den M. psoas weg gegen den Darm- beinkamm sich wendet. An der Kuppe dieser Bogenlinie liegt der Eingang in dem Recessus intersigmoideus. Früher oder später im Verlaufe des Wachsthums, nicht selten schon in der dritten oder vierten Lebenswoche erscheint der laterale Theil der Haftlinie viel weiter herabgerückt, in dem Niveau des Beckeneinganges oder nur wenig darüber; ihre Umbeugungsstelle fällt dann an den fünften Lendenwirbel. An grösseren Kindern und bei ausgewachsenen Individuen reicht sie in der Mehrzahl der Fälle noch eine kurze Strecke weit an der Seitenwand des Beckenraumes herab Der Eingang in den Recessus intersigmoideus findet sich nun, wenn ein solcher überhaupt noch vorhanden ist, in der Höhe des Promontoriums oder der Symphysis sacro-iliaca (1, S. 38—39). Luschka (6) sagt über die Lage der Elexura sigmoidea beim Er- wachsenen folgendes (6, S. 23 und 24): „Die sogenannte Hüftkrümmung des Colon beginnt in der Ebene des höchsten Punktes der crista ossis ilium, d. h. da, wo das Colon descendens anfängt vom Bauchfelle vollständig um- hüllt zu werden, indessen man das Ende der Elexura an die obere Grenze der articul. sacro-iliaca zu verlegen pflegt. Zwischen diesen Punkten be- schreibt das Darmstück eine S-förmige Biegung, deren obere Hälfte als so- genannter „Colonschenkel“ mit dem Ende des absteigenden Grimmdarmes unter einer mit ihrer Convexität dem Poupart’schen Bande zugekehrten Krümmung zusammenfliesst und ihre Lage auf dem linken M. iliac. int. 348 P. SCHIEFFEEDECKIE : hat, während die die untere Hälfte als „Rectumschenkel“ über den M. psoas weg in die Höhle des kleinen Beckens hereinhängt. Nicht selten erreicht die Flexura sigmoidea eine bedeutendere Länge, womit dann anch eine mehrfachere Krümmung verbunden zu sein pflegt; sie kann nämlich die Mittellinie überschreiten und sich bis in die Nähe des Coecum erstrecken, um von da wieder nach links in den Mastdarm umzubiegen. Im entleerten Zustande wird sie meist von Schlingen des Dünndarmes bedeckt, in Folge von starker Anfüllung mit Gas oder Faecalstoffen erhebt sie sich unter Um- ständen bis in die Nähe des Nabels, verdrängt den Dünndarm und schliesst sich so unmittelbar an die Innenseite der vorderen Bauchwand an, dass ein consistenter Inhalt derselben durch diese hin durchgefühlt werden kann. Die Lage der Flexura sigmoidea, bei der sie in das kleine Becken herab- hängt, wird im allgemeinen als die normale angesehen, auch His (7) bildet die Flexura in dieser Lage ab, doch ist die Menge der Abweichungen von dieser Lage so gross, dass es schwer zu sagen sein dürfte, auf welcher Seite sich die Mehrzahl beflndet. Indessen möchte auch ich sie für die normale halten, namentlich auch deshalb, weil sie entwickelungsgeschichtlich sich als die normale nach weisen lässt und weil sie mechanisch die natürlichste ist. Die Abweichungen von ihr sind mannichfacher Art und lassen sich, wde ich glaube, schärfer praecisiren und in Abtheilungen trennen als das bisher ge- schehen ist. Nach meinen Beobachtungen möchte ich vier Arten der La- gerung der Flexura sigmoidea unterscheiden. Als Colon descendens fasse ich in der nachfolgenden Beschreibung den Theil des Colons auf, der von der Flexura lienalis an die Bauchwand geheftet herabsteigt bis zu der Stelle, an welcher eine mit einem freien Mesocolon versehene Schlinge auftritt. Man kann diese Stelle am deutlichsten sehen, wenn man die Flexura aus der liegenden Leiche heraushebt und so ihr Gekröse ausspannt. Dann wird sich der Punkt, an welchem das Colon descendens aufhört und die Flexura beginnt, auch markiren, wenn das Colon descendens ein kurzes Gekröse be- sitzen sollte, da der Anheftungsrand des Gekröses der Flexur immer quer oder leicht bogenförmig von der Wirbelsäule nach der lateralen Seite herüber- zieht, also mit dem Gekröse des Colon descendens einen Winkel bildet. Die vier zu unterscheidenden Lagerungsarten sind die folgenden. I. Das Ende des Colon descendens liegt lateralwärts von der Flexur. a) Die Flexur hängt in das kleine Becken herab. Das Colon descendens geht in diesem Falle bis in die Gegend des M. psoas, das Mesosigmoideum zieht von der Gegend des Promontoriums schräg und leicht bogenförmig nach unten und lateralwärts, um auf dem Beiträge zur Topographie des Darmes. 349 M. psoas zu endigen oder auch noch tiefer in das kleine Becken hinah- zusteigen. Im allgemeinen liegt hierbei also das Ende des Colon descendens und also auch das laterale Ende des Mesosigmoideums, welche Punkte ja identisch sind, tiefer als die Spina iliaca ant. sup., doch finden hiervon auch Aus- nahmen statt und das Ende des Colon descendens kann etwas heraufrücken. Die Elexur kann nun zunächst auf der linken Seite des Rectums bleiben, Taf. XVI Eig. 3, indem sie erst an der linken Wand des kleinen Beckens herabsteigt (Colonschenkel) dann steil nach median-rückwärts und oben um- hiegt, dicht neben dem Rectum, dasselbe halb von vorn her deckend, hinauf- steigt bis zur Höhe des Promontoriums (Rectumschenkel) , und endlich hier wieder nach median-rückwärts umhiegend in das Rectum übergeht, welches dann im Wesentlichen in der Mittellinie herabsteigt. Ist die Elexur länger, so kann sie auch bei gleichliegendem Colonschenkel mit dem Rectum- schenkel weiter nach rechts rücken und vor dem Rectum liegend aufsteigen, oder sie kann auch rechts vom Rectum aufsteigen und von rechts her in dasselbe umbiegen, wobei dann eventuell auch der Anfang des Rectums mehr nach rechts hinüber verlegt werden kann. lieber der Elexur und nach vorne von ihr lagert die Masse der Dünndarmschlingen. Diese Lagerung der Elexur kann man, wie ich schon oben bemerkte, als die normale ansehen. Bei derselben steigt das Colon descendens, wie aus der Beschreibung hervorgeht, im allgemeinen tief herab, und die Eälle des tiefsten lateralen Ansatzes des Mesosigmoideums finden sich in dieser Gruppe. Die Entstehung dieser Lagerung lässt sich, wie aus den mitge- theilten Untersuchungen hervorgeht, entwickelungsgeschichtlich als normal verfolgen und rein mechanisch betrachtet erscheint es als das natürlichste, dass sie von der Elexur gewählt wird. b) Die Elexur liegt gerade entgegengesetzt wie in dem vorigen Ealle, nach oben geschlagen, und der hinterenBauchwand dicht an. Ich will hier zwei ziemlich extreme Eälle beschreiben. In einem Ealle, bei einer männlichen Leiche (Selbstmörder, in der Bauchhöhle nichts von krankhaften Veränderungen zu sehen) lag die Elexur folgendermaassen: Das Mesosigmoideum ging von der Gegend des fünften Bauchwirbels leicht bogenförmig über den M. psoas und iliac. int. hin nach der Eossa iliaca und endigte in dieser etwas lateralwärts von der Mitte ungefähr in der Höhe des Promontoriums, also ein ziemliches Ende höher als die Spina iliac. ant. sup. Der laterale Anheftungspunkt des Mesosig- moideums lag in diesem Ealle also nur sehr wenig tiefer als der mediale, das Colon descendens war demgemäss relativ kurz. Der Colon- schenkel der Elexur bog steil nach vorn und medianwärts um, und lag P. Schieffeedecker: 35 0 demgemäss vor und etwas medianwärts neben dem Colon descendens. Er stieg in derselben Richtung wie jenes auf und bog dicht unterhalb des unteren Endes der linken Niere medianwärts in breiterem Bogen in den Rectumschenkel um. Dieser kam so in seinem Anfänge auf den M. psoas dicht neben der Wirbelsäule zu liegen, anstossend an die Elexura duodeno- jejunalis. Er stieg schräg medianwärts herab, so dass er allmählich gerade vor die Wirbelsäule zu liegen kam und als directe Fortsetzung in derselben Linie in das Rectum überging. Die Elexur war in dieser Lage an der hinteren Bauchwand festgeheftet, nur die obere IJmbiegungsstelle konnte um ein weniges abgehoben werden. Ein Recessus intersigmoideus war nicht zu sehen. Zur Erklärung dieser eigenthümlichen Lagerung könnte man die fol- gende Hypothese aufstellen. Da ich selbst nicht in der Lage ^var, Embryo- nen untersuchen zu können, muss ich mich hierbei auf die Untersuchungen von Toldt beziehen. Dieser giebt nun, wie ich oben angeführt habe, an, dass in der ersten Hälfte des vierten Embryonalmonats in Folge der Wen- dung des gemeinschaftlichen Gekröses des Dünndarmes und des oberen Dick- darmabschnittes nach rechts ein Zug auf die Flexur ausgeübt würde, in Folge deren dieselbe aus ihrer früheren Lage — flach in der linken Hüft- grabe — so aufgerichtet wird, dass ihr unterer Schenkel an einer Gekrös- falte in die Höhe gehoben erscheint. Auf Taf. I Fig. 6 (1) ist diese Lage daun dargestellt. Wenn es möglich wäre anzunehmen, dass in dieser frühen Zeit eine dauernde Festheftung des Gekröses der Flexur in der angegebenen Lage hätte stattflnden können, so würde man, wenn man sich die Flexur weiterhin auswachsend denkt, ziemlich genau die Lagerung beim Erwachsenen erhalten, welche ich eben beschrieben habe. Man müsste annehmen, dass der Zug der durch die ersterwähnte Rechts wendung des gemeinschaftlichen Gekröses ausgeübt wird, eine längere Zeit eingewirkt habe als in den meisten Fällen, und noch zu der Zeit wirksam gewesen wäre, als die Anheftung der Gekrösplatten an die hintere Bauch wand erfolgte. Für die Hypothese, dass schon in so früher Zeit der Anfang dieser Lagerung der Flexur gesucht werden müsse, spräche auch der hohe laterale Anheftungspunkt des Meso- sigmoideums. Dass die Entstehung auf entzündliche Processe im Kindesalter oder beim Erwachsenen zurückzuführen sei, durch welche die ursprünglich normal liegende Flexur in dieser Stellung an die Bauchwand geheftet wurde, halte ich für durchaus unwahrscheinlich. Einmal ist die Entstehung dieser so extremen und gleichmässig ausgebildeten Lage auf diese Weise kaum denkbar, und zweitens fand sich nicht der geringste Anhaltspunkt dafür, dass man es hier mit entzündlichen Verwachsungen zu thun habe. Ich würde daher die ersterörterte Hypothese zunächst noch für die wahrscheinlichste halten. Beiträge zur Topographie des Darmes. 351 Im zweiten Falle, männliche Leiche, plötzlicher Tod, war die Bauch- höhle wieder frei von pathologischen A^eränderungen. Das Colon descendens ging bis zu dem Abfall des M. psoas nach dem kleinen Becken etwa zwei Finger breit unterhalb der Spina ant. sup., das Mesosigmoideum zog sich bogenförmig am Rande des kleinen Beckens nach dem Promontorium hin. Diesem Rande folgte ebenso die Flexur; zog oberhalb des Promontoriums vor der vorderen Fläche des fünften Bauchwirbels quer vor der Wirbelsäule vorbei, lief über den rechten M. psoas und iliacus in der Höhe der Articul. sacro-iliaca dextra nach der Mitte der rechten Fossa iliaca hin und deckte auf diesem AVege von oben her das unterste Ende des Dünndarmes, welches von der vorderen Fläche des fünften Lendenwirbels leicht aufwärts steigend nach der Mitte der rechten Fossa iliaca hinzog, um dort in das Colon ein- zumünden. Das Coecum war in diesem Falle sehr kurz. Dasselbe stiess in der Alitte der Fossa iliaca an die Flexur an, welche hier nach median- wärts und unten in den Rectumschenkel umbog, den auf dem M. iliac. liegenden bis zum M. psoas herabhängenden Proc. vermif. deckend. Nach dieser steilen Umbiegung zog der Rectumschenkel quer medianwärts über iliacus und psoas nach dem Beckenabfalle des letzteren, um in der Gegend der Mitte der seitlichen AVand in das kleine Becken zu treten und in das ganz von rechts und lateralwärts nach unten und medianwärts verlaufende Rectum überzugehen. In diesem Falle war das Mesosigmoideum durchaus frei, man konnte die ziemlich lange Schlinge bequem in die unter a be- schriebene Lage bringen, das Rectum war in seinem oberen Theile in Folge eines ziemlich langen Gekröses leicht beweglich. Der gesammte Dickdarm zeigte eine mässig starke Anfüllung mit Gas. Dicht neben der Wirbelsäule auf dem linken psoas befand sich der etwa 2^“ weite Eingang in einen kurzen Recessus intersigmoideus. Die eben beschriebene Lagerungsform ist von der vorigen dadurch sehr scharf geschieden, dass jene nur eine vorübergehende ist, diese eine blei- bende war. Bei völlig freiem Gekröse kann die Flexur natürlich sehr verschiedene Lagen einnehmen. Die wirkenden Kräfte sind gegeben durch die dem Darm vermöge seiner Muskulatur innewohnende Bewegungsfähigkeit, durch die Art und die Menge des Darminhaltes und durch die auf den Darm von ver- schiedenen Seiten her einwirkenden Nachbar darmschlingen. Diese verschie- denen Kräfte sind vollkommen hinreichend, um einer an einem freien Ge- kröse befindlichen Darmschlinge jede beliebige Lagerung zu geben, welche nach der Ausdehnung des Gekröses und der natürlichen Beschaffenheit der Darmschlinge in dem gegebenen Körperinnenraum überhaupt möglich und denkbar ist. Ich halte es nicht für richtig, wenn man dabei ein so sehr grosses, ja das weit überwiegende Gewicht, auf den Darminhalt legt, und 352 P. Schieffeedecker: diesen bei der Lagerung der Flexur für maassgebend ansieht. Die eigene Bewegungsfähigkeit des Darmes ist eine so kräftige, wie man weiss, und bei jedem frisch getödteten Thiere sehen kann, und die schlüpfrige Ober- fläche des Darmes sowie seine cylindrische schlangenartige Form sind so günstige Bedingungen für eine durch Einwirkung benachbarter Darmschlingen zu bewirkende Verschiebung, dass ich diesen beiden Momenten wenigstens dieselbe, wenn nicht eine grössere Wichtigkeit beilegen möchte als dem Darminhalte. Dieser letztere kann auf zwei Arten wirkend gedacht werden. Einmal dadurch, dass er durch seine Menge und Schwere den Darm ?u einer schweren, steifen, daher schwieriger zu bewegenden Masse macht, oder dadurch, dass er in Folge seiner sonstigen Beschaffenheit reizend auf den Darm wirkt und so entweder mehr locale oder weiter verbreitete Be^yegungen desselben hervorruft. Diese letztere Einwirkungsfähigkeit des Inhaltes können wir bei der gegenwärtigen Betrachtung vernachlässigen, da sie sich mecha- nisch nur als eigene Bewegung des Darmes oder der benachbarten Darm- theile äussern würde und daher schon unter dieser oben erwähnten eigenen Bewegungsfähigkeit mit einbegriffen ist. Es bleibt also hier nur die lastende steifende Wirkung zu betrachten übrig. Hier ist es ja nun selbstverständ- lich, dass eine Flexur, welche mit festeren, dicken und schweren Koth- massen gefüllt ist, vermöge der Schwere das Bestreben haben wird nach unten zu sinken und vermöge ihrer Steifigkeit sowohl der eigenen Mus- kulatur wie dem Drucke benachbarter Eingeweide grösseren Widerstand leisten wird. Sowohl in der aufrechten wie in der liegenden Stellung des Menschen wird also die Flexur in solchem Zustande das Bestreben haben in das kleine Becken zu sinken, doch wird es bei liegender Stellung einer viel geringeren Kraft bedürfen, die Flexur nach oben zu lagern als in stehender und die Bedingungen für die Verlagerung werden noch viel günstigere werden, wenn der Mensch nicht auf dem Bücken, sondern auf der Seite, oder sogar mehr nach der vorderen Seite hin übergeneigt liegt. Ist der Inhalt der Flexur an Menge bedeutend, aber dabei sehr leicht, ist der Darm z. B. mit Gasmengen erfüllt, so wird er nur durch seine Steifig- keit der eigenen Bewegung und dem Drucke der Nachbartheile grösseren Widerstand leisten, das Moment der Schwere fällt fort, ja wirkt sogar ne- gativ, d. h. günstig für die Verschiebungsfähigkeit, falls die benachbarten Darmtheile schwerer sind. Die Flexur wird also in einem solchen Falle indifferenter werden, wenn ich diesen Ausdruck hier gebrauchen darf, d. h. sie wird von ihrer eigenen Muskulatur weniger beeinfiusst werden als von den Einwirkungen der umliegenden Darmtheile und wird so an eine be- liebige Stelle hinverlagert werden können. Aus diesen Gründen wird eine mit Gas erfüllte Flexur leichter nach oben geschlagen gefunden werden als eine mit Koth gefüllte. Doch geht aus dem eben Gesagten hervor, dass BeITEÄGE ZUli Topügeaphie des Dakmes. 353 eine mit Gas gefüllte Flexnr auch ebenso leicht nach unten hängen, oder sonst eine Mittelstellung einnehmen kann, und dass eine mit Koth gefüllte nach oben geschlagen gefunden werden kann, und dieses letztere natürlich um so leichter, je geringer die Menge und Schwere des Kothinhaltes ist. So findet man denn in der That häufig genug mehr oder weniger mit Gas gefüllte Flexuren in dem kleinen Becken liegen und leere oder mit massigen Kothniengen gefüllte nach oben geschlagen. Die Leichen, welche auf Ana- tomieen zur Untersuchung kommen, stammen ja in den meisten Fällen von Menschen, welche längere oder kürzere Zeit vorher im Bette gelegen haben, und wie wir schon sahen wird dieser Umstand ein günstiges Moment für die Verlagerung abgeben. Ferner ist zu berücksichtigen, dass nach dem Tode des Menschen eine Periode heftigerer Bewegung des Darmes ein treten wird. Es ist dieses wenigstens nach den Erfahrungen an Thieren wohl anzunehmen. Diese wird also wahrscheinlich die Lagerungsverhältnisse der Darmschlingen, wie sie zur Zeit des Todes bestanden, wieder ändern, und so postmortale Verhältnisse schaffen. Da hierbei indessen keine andere Kraft zur Geltung kommt als auch sonst im Leben wirkt, so wird diese Periode heftigerer Bewegung keine an sich abnormen Lagen hervorbringen, und wir werden die Lagerungsverhältnisse, wie wir sie nach dem Tode vorfinden, direct auf den Lebenden übertragen dürfen, d. b. natürlich nur als solche, welche bei demselben haben bestehen können, ohne dass es deshalb nöthig ist, dass sie auch während des Lebens des betreffenden Individuums jemals bestanden haben. Nach dem eben Gesagten dürfte es unnöthig sein die Entstehung der oben zuletzt beschriebenen Lagerung noch weiter zu erklären. Es ist selbstverständlich, dass zwischen den äussersten Lagen nach rechts und nach links, für welche jene beiden Fälle zufällig recht hübsche Beispiele lieferten, alle möglichen Zwischenformen denkbar sind und ver- kommen. Viel häufiger indessen als diese Formen, bei denen die Flexur unmittelbar der hinteren Bauchwand anliegt, sind c) jene, bei denen a,ndere Darmtheile sie von der hinteren Bauchwand trennen und eventuell in solchen Mengen sich zwischen sie und die hintere Bauchwand einschieben, dass die Flexur mit einem grösseren oder geringeren Theile ihrer Länge an der vorderen Bauchwand unmittelbar anliegt, Fälle, die allen Anatomen wohl bekannt sind. Ich will alle diese sehr mannigfachen La- gerungsformen zu einer dritten Gruppe zusammenfassen. Zu ihrer Er- klärung dürfte nach dem vorher Gesagten nichts weiter hinzuzufügen sein. Sie setzen alle ein freies Mesosigmoideum voraus und werden um so leichter Archiv f. A. u. Ph. 1886. Anat. Abthlg, 23 354 P. Schiefferdecker: und in um so grösserer Ausdehnung nach oben geschlagen gefunden wer- den, je höher der laterale Anheftungspunkt des Mesosigmoideum liegt, und je länger die Schlinge der Flexur an sich ist. Die Spitze derselben kann dabei natürlich beliebig von der äussersten Linken nach der äussersten Rechten rücken. II. Das Ende des Colon descendens liegt medianwärts von der Flexur. Von diesem vierten Typus habe ich nur einen Fall gesehen und mir ist auch nicht bekannt geworden, dass andere einen solchen beobachtet haben; demgemäss scheint diese Lagerungsform recht selten zu sein. Auf Taf. XVI Fig. 1 habe ich versucht dieselbe darzustellen. Es handelte sich in diesem Falle um eine männliche Leiche mit durch- aus gesunden Baucheingeweiden. Das Colon descendens stieg, wie man auf Taf. XVI Fig. 1 sieht, schräg medianwärts hinab bis in die Gegend der Ar- ticulatio sacro-iliaca sinistra. Hier bog dasselbe in die Flexur um, deren Colonschenkel zunächst nach oben und leicht medianwärts verlaufend theils vor, theils leicht lateralwärts von dem Colon descendens diesem anliegend, aufstieg, sodann bog die Flexur in breiterem Bogen lateralwärts um in den Rectumschenkel, welcher durch den lateralen Theil der Fossa iliaca abwärts verlief, dann nach dem kleinen Becken umbiegend dicht unter dem Anfänge der Flexur nach dem Eingänge des kleinen Beckens hinzog und sich in der Gegend des Promontoriums in das normal liegende Rectum einsenkte. Wie man sieht, lag in diesem Falle die Flexur gerade umgekehrt ge- richtet wie gewöhnlich, da der Rectumschenkel sich links lateralwärts vom Colonschenkel befand. Soweit die Schlinge nach oben ragte, besass sie ein freies Mesosigmoideum, das mit seinem Anheftungsrande von dem Ende des Colon descendens schräg nach lateralwärts und unten nach der Stelle sich hinzog, an welcher der absteigende Theil des Rectumschenkels in den definitiv transversal verlaufenden umbog. Von hier an war der Darm fest an die Bauchwand geheftet. Ein Recessus intersigmoideus war natürlich nicht zu finden. Wie konnte nun eine derartige Lagerungsform zu Stande kommen? Vergleicht man die oben citirten Angaben von Toldt und die von ihm (1, Taf. I, Fig. 5) gegebene Abbildung der Lage der Flexur bei einem Embryo aus der zweiten Hälfte des dritten Monats, welche ich in den für uns wesentlichen Theilen in Taf. XVI Fig. 4 a wiedergegeben habe, so scheint mir nur eine Art der Erklärung möglich, diese aber auch in der That nicht zu unwahrscheinlich zu sein. AVie man sieht, liegt auf dieser Abbildung die Flexur fast vollständig Beiträge zur Topograehie des Darmes. 355 so wie bei dem eben beschriebenen Falle der aus der Fossa iliaca nach dem Rectum ziehende quere Theil, welcher ja fast ganz an die hintere Bauch- wand geheftet war. Nimmt man nun an, dass von jener frühen Zeit der Embryonalentwickelung an die Flexur und ihr Gekröse in ihrem grössten medialen Theil im Wachsthum zurückbleibt gegen den äussersten lateralen Theil und den untersten Theil des Colon descendens und deren Gekröse, dass also gewissermaassen eine Verschiebung der Stelle des Wachsthums- maximums von der medialen nach der lateralen Seite hin eintritt, so wird die erst beschriebene Form entstehen müssen. Die Strichzeichnungen Taf. XVI Fig. 4 b, c, d, e, f, von denen die erste den Verlauf des Darmes in a wiedergiebt; mögen diese Entwickelung veranschaulichen. Normaler Weise sollte die Flexur ja stärker wachsen als die Bauch- wand und so eine sich mehr und mehr nach unten senkende Schlinge bilden. An der Stelle des stärksten Wachsthums würde natürlich auch das Gekröse am meisten wachsen und so das lange freie Mesosigmoideum sich bilden. Wächst nun die Flexur nicht in dem gewöhnlichen Maasse, sondern nur in demselben Grade wie die Bauchwand und ist dasselbe bei dem ent- sprechenden Gekröse der Fall, so liegt kein Grund vor, warum sich die Lagerung der Flexur zu der hinteren Bauchwand ändern sollte und das Ge- kröse wird demgemäss frühzeitig mit der Bauchvv^and verkleben. Es würde, falls dieses dem der Bauch wand gleiche Wachsthum das Colon descendens mitbeträfe, einfach ein kurzer Dickdarm resultiren, welcher ungefähr die- selbe Lage besitzt, wie der auf der Taf. XVI Fig. 4 a gezeichnete. Tritt nun aber durch Verschiebung des Wachsthumspunktes ein stärkeres Wachsthum des lateralen Theils der Flexur und des untersten Theils des Colon des- cendens ein, so wird die Länge des Colon descendens Flexur dieselbe werden können, wie sonst, aber die Lagerung wird eine andere sein. I^assen wir also in diesem Falle den oberen Theil des Colonschenkels der Flexur bez. den unteren Theil des Colon descendens besonders stark auswachsen (die Stelle bei a), so wird dieser Theil sich zunächst mehr lateralwärts ausbuchten. Diese Ausbuchtung wird naturgemäss sehr bald an die laterale Bauchwand stossen, während von vorne her das Convolut des Dünndarmes sie zurück- drängt, und in Folge dessen wird die Bildung einer entgegengesetzt ge- richteten Krümmung, resp. die Vertiefung einer solchen schon vorhandenen oberhalb von cc im Colon descendens eintreten (Taf. XVI Fig. 4ß), Durch diese wird das untere Ende des Colon descendens medianwärts gerichtet werden, und je mehr die Schlinge bei a auswächst, um so tiefer wird die Einbuchtung bei ß werden, um so weiter medianwärts wird das untere Ende des Colons rücken. Da das Colon descendens während dieser Zeit natürlich auch weiter auswächst, so wird der Punkt ß nicht nur weiter medianwärts, sondern auch tiefer rücken bis er schliesslich eventuell an den 23* 356 P. SCHIEFFERDECKER : transversalen Theil der Flexur anstösst. Auf diese Weise entwickeln sich die verschiedenen Formen b, c, d, e, f aus einander, bis diese letzte uns genau die Lagerungsform wiedergiebt, welche wir oben vom Erwachsenen beschrieben haben. Der Punkt a liegt jetzt auf dem Scheitel der nach oben geschlagenen Flexur, welche indessen eigentlich gar nicht dem sonst Flexur genannten Darmtheile, sondern nur dem Colonsschenkel desselben entspricht, und der Punkt ß ist herabgerückt, liegt dicht über dem trans- versalen Theile der Flexur und an der Umbiegung in den scheinbaren Colonschenkel der fertigen Flexur. Der Rectumschenkel der Flexur wird eigentlich nur repraesentirt durch den fest der Bauch wand angehefteten transversalen Theil. Die Leichtigkeit, mit welcher man die eigenthümliche Lagerung der Flexur auf diesem Wege entwickeluugsgeschichtlich construiren kann, macht mich wohl geneigt die Hypothese als richtig anzuerkennen. Immerhin ist nicht zu verkennen, dass es äusserst wünschenswerth wäre, wenn um- faseendere entwickelungsgeschichtliche Untersuchungen über die Lagerung der Baucheingeweide vorhanden wären. Es lassen sich solche ja natürlich nur an Orten ausführen, welche durch Materialreichthum besonders begünstigt sind. Erst wenn solche umfassendere Untersuchungen vorhanden sein werden, wird es möglich sein etwas weniger tappend die beim Erwachsenen vorkommenden Lagen zu erklären. Selbstverständlich sind auch sehr grosse Zahlen aufweisende Beobachtungen am Erwachsenen von grosser Wichtig- keit. Einmal wird durch solche noch manches neue auf diesem so in- teressanten Gebiete sich ergeben, und dann wird man eben auch die Pro- centzahlen ausreichend genau fixiren können, wozu ich in der vorliegenden Arbeit gar keinen Versuch gemacht habe, da dieselben doch zweifellos falsch geworden wären bei dem so geringen Material. Die vorliegende Arbeit würde jedenfalls am meisten Werth bekommen, wenn sie die Anregung gäbe, nach den erwähnten Richtungen hin neue umfassende Arbeiten zu veranlassen. 7(f/:A17. Verlag- Veü&Comp, Leipzig. .■4 Beiträge zur Topographie des Darmes. 357 Literatur. 1) C. Toldt, Bau uud Wachsthumsverhältnisse der Gekröse des menschlichen Darm- canals. Denkschriften der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zu Wien. Math.- naturw. Classe. Bd. XLI. 2) A. Tarenetzky, Beiträge zur Anatomie des Darmcanals. Memoires de Vaca- demie de St. Petershourg. 1881. Serie VII. Tome XXVIII. 3) W. Braune, Notiz über die Eingform des Duodenums. Dies Archiv. 1877. 4) W. Braune, Ueber die Beweglichkeit des Pylorus und des Duodenum. Aka- demisches Programm. Leipzig. Edelmann. 1873. 5) Engel, Einige Bemerkungen über Lageverhältnisse der Baucheingeweide im gesunden Zustande. Wiener Wochenschrift. Nr. 30, 32, 33, 35, 37, 39, 41. Da mir die Originalabhandlung nicht zugänglich war, citire ich nach dem Jahresbericht von Henle und Meissner. 6) Luschka, Die Lage der Pauchorgane des Menschen. Carlsruhe 1873. 7) His, Ueber Praeparate zum Situs viscerum mit besonderen Bemerkungen über die Form und Lage der Leber, des Pankreas, der Nieren und Nebennieren, sowie der weiblichen Beckenorgane. Dies Archiv. 1878. Erklärung der Abbildungen. Taf. XVI. Die Abbildungen 1, 2, 3 sind schematisch gezeichnet, dementsprechend ohne auf das körperliche Hervortreten namentlich des Knochenschemas viel Rücksicht zu nehmen. Die in dieses eingetragenen Darmtheile sind jeder für sich zu betrachten, gehören nicht etwa zu einem Falle, wie das ja auch aus der vorstehenden Arbeit hervorgeht. Ausser Darm und Pankreas sind von Weichtheilen angedeutet der Umfang jeder Niere, die beiden Mm. psoas und die Aorta und Vena cava soweit sie für die Arbeit in Betracht kommen. Buchstaben habe ich diesen leichtverständlichen Abbildungen nicht weiter beigefügt. Abbildung 4« ist eine theilweise Copie einer Figur aus der Arbeit von Toldt, wie das in vorstehender Arbeit des genaueren angegeben worden ist. Die Figg. 4 h, c, d, e,f geben Strichzeichnungen des Darmes aus Fig. 4a, deretwegen eben- falls auf die vorstehende Arbeit verwiesen wird. Zur Entwickelung des Glaskörpers. Von Franz Keibel, cand. med. (Aus dem anatomischen Institut zu Strassburg.) (Hierzu Taf. XVII.) Nach R. Virchow’s Vorgang (Archiv Bd. IV S. 486 und Bd. V S. 278) hat man das Glaskörpergewehe lange Zeit als einen, den einzigen Rest des Schleimgewebes im ausgehildeten Körper betrachtet und das Ge- webe des Glaskörpers in eine gewisse Parallele zu dem der Nabelschnur gestellt. In der Folge trat dann C. 0. Weber (Virchow’s Archiv Bd. XVI und XIX) für die Auffassung des Glaskörpergewebes als Schleim- gewebe ein, und wie Virchow auch noch in der neuesten Auflage (4) der Cellularpathologie an seiner Anschauung festhält, finden wir dieselbe in dem Lehrbuch der pathologischen Anatomie von Birch-Hirschfeld (2. Auflage, Theil 1, S. 114). Auch eine der letzten entwickelungsgeschichtlichen Ver- öffentlichungen, welche diese Frage, wenn auch nur im Vorbeigehen, be- rührt, steht vollkommen auf Virchow’s Standpunkt. Bugnion sagt in der Einleitung zu Rubattel’s „Recherches sur le developpement du cristallin chez l’homme et quelques animaux superieurs“ pag. 5: „Dernier vestige de mesoderme interieur de l’oeil, le corps vitre peut etre considere comme du tissu connectif atrophie, prive de ses vaisseaux et de la plupart de ses cellules et ajant subi une sorte de transformation colloide.“ In der That schienen besonders die pathologischen Verhältnisse für Virchow’s Lehre zu sprechen. So die Verknöcherung des Glaskörpers, wie sie z. B. von Wittich (Virchow’s Archiv Bd. V) beschrieben hat, und wie sie in den Lehrbüchern der Ophthalmologie als ein nicht seltenes Feanz Keibel: Zue Entwickelung des Glaskörpees. 359 Vorkommen bezeichnet wird. Obwohl von Anderen (Haab in Ziegler’s Lehrbuch der allgemeinen und speciellen pathologischen Anatomie Bd. II, S. 108) derartige Erscheinungen auf die Verknöcherungen „eitriger von der Chorioidea gelieferter Exsudate zurückgeführt werden.“ Auf der anderen Seite musste bei weiteren Untersuchungen das eigenthümliche Verhalten der Glaskörperzellen auffallen. So unterschied Iwanoff (Zur normalen und pathologischen Anatomie des Glaskörpers, Archiv für Ophthalmologie Bd. XI) drei Arten von Zellen im Glaskörper: Rundzellen, Stern und Spindelzellen und besondere vacuolenhaltige Zellen. Zwischen diesen Formen finden sich die mannigfachsten Uebergänge. Doch trotz dieser Mannigfaltigkeit der Form haben Pagenstecher (Zur Pathologie des Glaskörpers, Archiv für Augen- und Ohrenheilkunde Bd. I, Abtheilung 2, 1870) und Schwalbe (Art. Glaskörper in Graefe und Saemisch’s Handbuch der Augenheil- kunde Bd. I) alle diese Zellen als Leukocyten erkannt; ja Schwalbe gelang es experimentell den Nachweis zu führen, wie solche Gebilde zu Stande kommen. Bringt man den Glaskörper eines Säugethieres in den Rückenlymph- sack eines Frosches, dessen Leucocyten, wie es uns von Recklinghausen (Virchow’s Archiv Bd. 27, 1863) gelehrt hat, durch feinste Farbstofif- körnchen kenntlich gemacht sind, so wandern die Leucocyten des Frosches in den eingebrachten Glaskörper über und nehmen Formen an, wie sie Iwanoff von den Glaskörperzellen beschrieben hat. Diese Versuche Schwal- be’s sind von Potiechin (Virchow’s Archiv 1878, Bd. 72) für den ent- wickelten Glaskörper auf das vollständigste bestätigt worden. Potiechin wiederholte nicht nur Schwalbe’s Versuche mit dem besten Erfolge, son- dern unterstützte sie auch noch durch die Resultate, welche er nach einer von J. Arnold (Virchow’s Archiv Bd. LIV, Abtheilung 3) angegebenen Methode erhielt. Er injicirte in den Glaskörper des Auges mit einer Pra- vaz’schen Spritze einige Tropfen mit Zinnober gemischteu Wassers und versetzte so den Glaskörper in einen Zustand traumatischer Entzündung. Auch, hier konnte er dann an den einwandernden Leucocyten die charac- teristischen Formveränderungen nachweisen. Dagegen behauptete Potiechin, dass im embryonalen Glaskörper neben den Leukocyten entsprechenden Elementen, unzweifelhaft fixe Bindegewebszellen vorkämen. Er wurde in dieser Ansicht durch die namhaftesten Autoren unterstützt. SchonR. Vir- chow hatte seine Lehre durch die Beobachtung von Säugethier- und Menschenembryonen begründet, und Scheeler, Koelliker, Babuchin, Li eher kühn u. a. waren auf das lebhafteste für die Entstehung des Glas- körpers aus bindegewebiger Grundlage eingetreten. Den einzigen namhaften Widerspruch fand diese Lehre von Seiten Kessler’ s, der den Glaskörper als ein Gefässtranssudat auffasste. So hat denn auch Schwalbe auf 360 Feanz Keibel: Potiechin gestützt in seinem Lehrbuche an der bindegewebigen Natur des Glaskörpers festgehalten; wogegen er seine schleimgewebige Natur in Abrede stellt. Die nachstehende Untersuchung soll der Frage über das Gewebe des Glaskörpers vom entwickelungsgeschichtlichen Standpunkte näher zu treten versuchen. Auf zweierlei Weise kann man das Vorkommen von mesodermatischem Gewebe zwischen der Linse und der secundären Augenblase erklären. Erstens, ist zwischen dem Epidermisblatt und der primären Augenblase schon vor Beginn der Linseneinstülpung Bindegewebe gewesen, so muss dasselbe natürlich von der sich bildenden Linse in die secundäre Augenblase eiugestülpt werden. Zweitens, wird das Vorhandensein mesodermatischen Gewebes zwischen der primären Augeublase und dem Ectoblast zur Zeit der Linsenbildung bestritten, so bleibt der Weg um den Aequator der Linse herum und der durch die foetale Augenblasenspalte; auf beiden kann Bindegewebe hinein- wuchern. Die erste Art der Bildung tritt in der Darstellung der meisten Autoren wenigstens für das Säugethier in den Vordergrund. Aber auch das Ein- wuchern des Bindegewebes durch die foetale Augenspalte wird behauptet, und dieser Weg von der Mehrzahl für das Hühnchen ausschliesslich in An- spruch genommen. Nach Lieber kühn befindet sich sowohl beim Hühn- chen als auch beim Säuge thier, zwischen der Wand der primären Augen- blase und der Epidermisanlage eine feine Schicht von Bindegewebe. Diese wird nun von der sich einstülpenden Linse vor sich her in die sich bildende secundäre Augenblase hineingeschoben. Es hängt dieses Bindegewebe na- türlich mit dem Bindegewebe unterhalb der Augenblase unmittelbar zu- sammen, und es ist kein principieller Unterschied zwischen demselben und dem durch die foetale Augenblasenspalte hineinwuchernden. Dagegen leugnen Schöler und Köl liker, dass sich beim Hühnchen vor Beginn der Linseneinstülpung mesodermatisches Material zwischen der Stelle des Ectoblastes, welcher die Einstülpung entspricht, und der primären Augenblase befindet. Für das Säugethier theilen sie die Auffassung Lie- berkühns. Mit Beeilt macht in Bezug hierauf Kessler darauf aufmerksam, dass dadurch ein principieller Unterschied zwischen der Entwickelung des Säuge- thier- und Vogelauges aufgestellt werde. Es hätte daher scheinen sollen, dass man die Beobachtung Liebe rkühn’s, welche diese Schranke nieder- reisst, als einen wesentlichen Fortschritt hätte begrüssen sollen. Um so überraschender war es, als nun Kessler fand, dass sich weder bei Vögeln, noch ))ei Säugethieren eine solche bindegewebige Schicht zwischen primärer Zur Entwickelung des Glaskörpers. 361 Augenblase und Epidermis befindet und demnach auch eine Einstülpung derselben in den Raum zwischen Linse und secundärer Augenblase unmög- lich ist. Da Kessler auch zu gleicher Zeit das Hinein wachsen von Binde- gewebszellen durch den Augenspalt leugnete, kam er folgerichtig zu dem Schluss, dass der Glaskörper sich überhaupt nicht aus einer derartigen bindegewebigen Grundlage entwickele. Doch fanden die Ansichten Kess 1er ’s wenig Anerkennung; noch in seinem „Grundriss der Entwickelungsgeschichte des Menschen 1884“ sagt Kölliker: „Neue Erfahrungen haben mir ergeben, dass der Glaskörper von unten und von vorn sich hineinbildet und reichlich mit Zellen versehen ist.“ Kölliker bezieht sich hier wohl sichtlich auch auf seine 1882 in den Ver- handlungen der phys. med. Gesellschaft zu Würzburg und 1883 in der Gratulationsschrift für Zürich niedergelegten Untersuchungen jüngerer menschlicher Embryonen. Ich werde auf dieselben noch zurückkommen müssen. Für Feldmaus und Huhn wenigstens kann ich Kessler’s An- gaben und Abbildungen durchaus bestätigen und vielleicht noch ergänzen, insofern mir die vollständige Serie von Horizontalschnitten eines Mäuse- embryo von 6™“ Steissnackenlänge vorliegt, in einem Stadium, das eine Entwickelung des Auges zeigt, wie sie zwischen denen, welche die Abbildungen 67 und 68 bei Kessler zeigen mitten inne steht. An den Sagittalschnitten eines Mausembryo aus demselben Uterus tritt besonders deutlich hervor, dass auch durch den Augenblasenspalt kein Bindegewebe einwuchert. Die in Rede stehenden Foeten sind sofort, nachdem sie aus dem frisch getödteten Mutterthiere hinausgeschnitten waren, in 10 Salpetersäure gehärtet und dann mit Alkohol weiter behandelt worden. Sie wurden mit Alauncarmin im ganzen gefärbt und nach der von Graf Spee etwas modificirten, im Neapeler Institut schon vor längerer Zeit angewendeten Methode, in Schnitt- händer zerlegt. Die in Stücke von entsprechender Länge getheilten Schnitt- bänder wurden dann mit einer Lösung von gereinigtem Gummi arabicum auf den Objectträger geklebt (vergl. V. Noor den, Archiv für Anatomie und Entwickelungsgeschichte 1883) das Paraffin durch Xylol ausgezogen und die Schnitte in gewöhnlicher Weise in Xylolcanadabalsam eingebettet. Die so behandelten Schnitte zeigen auch die histologischen Verhältnisse, insbesondere die Kerntheilungsfiguren klar und deutlich. Ich muss auf die Behandlungsweise der Praeparate besonderen Werth legen, weil sich nur durch dieselbe die Widersprüche so vorzüglicher Beobachter wie Lie- herkühn und Kölliker einerseits, Kessler andererseits erklären lassen. Ich kann dies mit um so grösserem Rechte betonen, als ich bei Praeparaten welche mit Müller’scher Flüssigkeit behandelt waren, oder welche nicht ganz frisch in die Härtungsflüssigkeit eingelegt werden konnten, vorzüglich auch an zwei menschlichen Embryonen Bilder erhielt, die auch mich zu 1 362 Feanz Keibel: den Schlüssen Kolli her ’s und Lieberkühn’s geführt hätten. Bei Mäuse- embryonen mm, hei welchen ich die Resultate beider Praeparationsmethoden vergleichen konnte, erschien es mir unzweifelhaft, dass die in Salpetersäure oder Chromessigsäure oder Flemming’scher Lösung gehärteten Objecte, die den wirklichen Verhältnissen entsprechenden Bilder gehen, während ich in den anderen mehr oder weniger * Kunstprodukte sehen musste, ln den beiliegenden Zeichnungen gehe ich die Horizontalschnitte durch das Auge des schon erwähnten in Salpetersäure gehärteten Mäuseembryo von 6™“ Steissnackenlänge. Die Linse zeigt noch eine vollkommene Blasenform, ihre hintere Wand ist noch nicht wesentlich verdickt. Die ersten Pigmentkörnchen beginnen sich in der äusseren Wand der secundären Augenblase zu zeigen. In den oberen Schnitten (1 — 18) findet man zwischen Linse und innerem Blatt der secundären Augenblase weder Zellen noch zellenlose Substanz. Die Linse liegt ganz fest an dem inneren Blatte der Augenblasenwand an ; wenigstens konnte ich, selbst bei den stärksten Yergrösserungen (Seibert, homogen. Imm. V12) Zwischensubstanz erkennen (Fig 1 und 2). Erst in den weiteren Schnitten (von Schnitt 19 Fig. 3 und 4) treten ganz vereinzelte Zellen mit spindelförmigen Kernen und verschwindend geringem Protoplasma auf. Doch der Zusammenhang dieser Zellen mit einem tiefer folgenden kolbenförmigen Blutgefäss ist deutlich ersichtlich (Fig. 5, 6 und 7). Dieses Blutgefäss steht unterhalb der Linse (Sch. 24 Fig. 8) mit den Gefässen, welche das äussere Blatt der Augenblase umspinnen, in weiter Verbindung, ebenso mit einem Gefässe des Augenblasenstieles. Wir haben hier keine Gefässschlinge, sondern einen Gefässkolben; zwischen den denselben begren- zenden Gefässen dothelien und der inneren Wand der secundären Augen- blase lässt sich trotz der sorgfältigsten Nachforschung keine Spur von Binde- gewebe auffinden. Ebenso bin ich überzeugt, dass die vereinzelten Zellen, welche man in den höheren Schnitten zwischen Linse und Augenblase sehen konnte, als Gefässsprossen anzusehen sind. Ausser dem Interesse für die Entwickelung des Glaskörpers hat die Anordnung der Gefässe in diesem Falle noch dadurch eine besondere Bedeutung, dass Kessler behauptet, bei einem vierwöchentlichen menschlichen Embryo, den er in seiner Ab- handluDg Fig. 88 abbildet, dieselbe Gefässanordnuug beim Auge gefunden zu haben, wie beim Mäuseembryo der entsprechenden Entwickelung. Er konnte jedoch keine definitive Entscheidung treffen, da ihm lückenlose Serien fehlten. Jetzt hat auch Kölliker in seinen oben erwähnten Abhandlungen 1882 und 1883 erklärt, dass er auf seine Beobachtung einer Gefässschlinge beim menschlichen Embryo, wie er sie in seinem Handbuche Fig. 402 abbildet und allerdings auch noch in seinem Grundrisse von 1884 wiedergiebt keinen besonderen Werth legen könne. Zue Entwickelung des Glasköepees. 368 Auch die beiden jüngeren menschlichen Embryonen^ deren Unter- suchung mir Hrn. Prof. Schwalbe’s Güte ermöglichte, gestatten keine Entscheidung dieser Frage. Beide sind zu sehr verändert, als dass man über feinere histologische Verhältnisse irgend einen Aufschluss bei ihnen linden könnte. Dennoch will ich bei dem so spärlich vorhandenen Material über den Befund berichten und auch die wichtigsten Maasse, soweit sie das Auge betreffen, mittheilen; vor Allem auch, da der jüngere Embryo von 8*5 — ich will ihn kurz Embryo Ä nennen, während ich den älteren von 13*5 mm mit B bezeichne — eine ungleichmässige Entwickelung beider Linsen zeigt, die vielleicht überhaupt zu einer Untersuchung der Ent- wickelung der beiden symmetrischen Körperhälften auffordern könnte. Während die Linse der rechten Seite, nach welcher der Embryo sich spiralig windet, bereits vollkommen abgeschnürt ist, ist die der linken Seite noch weit offen. Was den Glaskörper anbetrifft, so zeigt er, wie wir sehen werden, dieselben Verhältnisse, wie sie Kölliker bei seinen Embryonen 1882 und 1883 gefunden hat; doch wage ich aus diesen Bildern aus den schon oben erwähnten Gründen keine weitergehenden Schlüsse zu ziehen. Der 8*5™"^ lange Embryo A verliert bei Oeffnung des Eies trotz vor- sichtiger Behandlung dennoch die Dotterblase und die eben angelegten Ex- tremitäten. Er wird weiter in Müller ’scher Flüssigkeit gehärtet und zeigt in den Schnitten eine bessere Erhaltung der Gewebe, als man es nach dem Verhalten beim Eröffnen des Eies erwarten durfte. I Durch das linke Auge, dessen Linseneinstülpung, wie erwähnt, noch offen ist, fallen 36 Schnitte. In den oberen Schnitten, auch dort noch, wo i die secundäre Augenblase sich schon nach aussen öffnet, zieht die ein- bis ! höchstens zwei Zellen starke Epidermisanlage ohne eine Aenderung zu zeigen ; über die Augenanlage fort. Zwischen Epidermis und der Augenblase findet sich eine ziemlich beträchtliche Mesodermschicht mit deutlichen Kernen, die j sich auch in den Augenbecher hinein verfolgen lässt. In der Augenblase werden die Kerne allmählich sparsamer und gehen in eine leicht gekörnte, bei schwächeren Vergrösserungen homogen erscheinende Masse über; die Masse scheint stark geschrumpft zu sein, denn zwischen ihr und dem mehr- fach gefalteten Blatt der inneren Augenblase ist ein beträchtlicher Raum, I in welchem sich weder Kerne noch Gerinnsel irgend welcher Art nach- ‘ weisen lassen. Augenscheinlich berührten sich also im frischen Zustande das innere Blatt der Augenblase und die fragliche Masse. Auf den ersten Schnitten, welche die Linse treffen, finde ich zwischen derselben und der Epidermis eine dünne Mesoblastschicht mit deutlichen Kernen; zu beiden Seiten der Linse, also zwischen ihr und dem Rande der secundären Augenblase, zieht sich Mesoblastgewebe nach dem Glaskörper- 364 Feanz Keibel: raum hinein, auch hier werden, wie in den höheren Schnitten, die Kerne allmählich spärlicher, und die oben beschriebene, leicht gekörnte Masse tritt in den Yordergrnnd. Dagegen tritt schon in den nächsten Schnitten diese Masse im Glaskörperraume gegen Zellanhäufungen zurück, in denen ich deutlich die Zellen embryonaler Gefäss Wandungen und Blutkörperchen zu erkennen glaube, ohne jedoch den Verlauf der Gefässe selbst genau ver- folgen zu können. An dem Schnitte (21), in welchem man diese Verhält- nisse zuerst sieht, findet man die über die Linse hinziehende Epidermis- schicht leicht verdickt, aber immer noch ist sie von der Linse durch eine dünne mesodermatische Schicht getrennt. Zwei Schnitte darunter ist die Epidermis mit der Linse verbunden. Wieder zwei Schnitte tiefer wird es dann deutlich, wie die Epidermis sich umschlägt, sich zur Lihsenwand ver- dickt, wie sich dann wieder die aus 4 — 5 Zellschichten bestehende Linsen- wand umschlägt und in die einschichtige Epidermis übergeht. Zwischen den Rändern beider Umschlagstellen ist ein deutliches Lumen. An weiteren Schnitten zeigt sich dann auch, dass das Glaskörpergewebe durch den weit offenen foetalen Augenblasenspalt mit dem mesodermatischen Gewebe unter der Augenblase in Zusammenhang steht. Durch den Augenblasenspalt scheint das Gefäss oder scheinen die Gefässe einzutreten, welche oben er- wähnt wurden. Gefässe, welche die secundäre Augenblase umspinnen, habe ich nicht deutlich erkennen können, dass solche Gefässe etwa neben oder über der Linse mit den Gefässen im Glaskörperraum Zusammenhängen sollten, glaube ich sogar ausschliessen zu dürfen. Die Blätter der Augenblase selbst sind mehrfach gefaltet, besonders das äussere Blatt, das noch keine Spur von Pigment zeigt. Zwischen beiden Blättern der Augenblase befindet sich ein ziemlich breiter Spalt, der durch den primitiven Opticus in weiter Verbindung mit dem Medullarrohre steht. Das rechte Aug<' sieht man auf 37 Schnitten getroffen. Es zeigt die Linse ganz abgeschnürt; dieselbe ist eine mehrfach gefaltete Blase, in deren Innerem sich ein Gerinnsel befindet. Die Linse hängt nicht nur nicht mit der Epidermis zusammen, sie ist vielmehr an allen Schnitten durch eine Mesodermschicht von derselben getrennt. Im üebrigen zeigt das rechte Auge die schon bei dem linken be- schriebenen Verhältnisse, nur sieht man hier deutlich, dass die secundäre Augenblase von Gefässen umsponnen ist. Möge hier noch eine übersichtliche Zusammenstellung der Maasse Platz finden. Am linken Auge war: 1 . die Dicke der Epidermis vor der Einstülpung 1 1 jtx. 2. die Dicke der inneren Wand der Linseneinstülpung 35 jU. Zue Entwickelung des (ilasköelkes. 3G5 3. das innere Blatt der Augenblase 55 |E. 4. das äussere Blatt der Augenblase 11 n. Das rechte Auge ergab: 1. die Dicke der Epidermis über der abgeschnürten Linse 11 jw. 2. die vordere Wand der Linsenblase 33 |E. 3. die hintere Wand 33 (jl. 4. das innere Blatt der secundären Augenblase 55 m. 5. das äussere Blatt 11 (jl. 6. der senkrechte Durchmesser der Linse 220 jj. Der 13*5”^™ lange Embryo D ist in Müller’scher Flüssigkeit gehärtet; er zeigt vollkommen geschlossene Linsenblasen und deutliches Pigment in der ganzen Ausdehnung des äusseren Blattes der secundären Augenblasen. Die histiologischen Verhältnisse sind sehr stark verändert. Da das Auge besonders stark geschrumpft ist und die W andungen der secundären Augen- blase vielfach wie eine Halskrause gefaltet sind, liessen sich auch von den Maassen nur der senkrechte Linsendurchmesser gleich 280 ^ und die Dicke der Epidermisdecke über der Linse gleich 1 1 jti mit einiger Zuverlässigkeit ermitteln. Wenn ich das Ergebniss meiner Untersuchung zusammenfasse, so lautet es ungefähr folgendermaassen : Bei der Maus und dem Huhn befindet sich vor der Linseneinstülpung kein Mesodermgewebe zwischen der Linse und der primären Augenblase, es kann somit auch nicht eingestülpt werden und das Material für die Bildung des Glaskörpers abgeben. Auch in den späteren Stadien habe ich um den Aequator der Linse herum kein Binde- gewebe in den Glaskörperraum einwandern sehen. Ebenso tritt mit Aus- nahme des oben beschriebenen Gefässkolbens durch den Augenblasenspalt kein mesodermatisches Gewebe in den Glaskörper. Aus diesem Gefäss muss sich demnach der Glaskörper bilden. Auch in ihm und seinen Gefäss- sprossen hätten wir ja ein bindegewebiges Material für die Entstehung der zeitigen Elemente des Glaskörpergewebes, aber dasselbe ist doch wesentlich von dem der meisten Autoren zu unterscheiden. Auch nach meiner Dar- stellung brauchte man nicht alle im embryonalen Glaskörper anzutreffenden Zellen als Leucocyten aufzufassen; es Hesse sich immer noch denken, dass ein Theil derselben von nicht canalisirten Gefässsprossen abstammte. So ist die Frage über die Natur dieser Elemente auch hierdurch nicht definitiv entschieden, obwohl doch den Leucocyten auch unter den Zellen des em- bryonalen Glaskörpers die erste Bolle gesichert sein dürfte. Auch der viel umstrittenen Linsenkapsel, die Sernoff (nach Kessler ’s Eeferat, vergl. auch Waldeyer in Nagel’s ophthalmolog. Jahresber. Bd. I) als Paradigma für die Bildung derartiger Membranen aus mesodermatischen Materialien hin- 366 Franz Keibel: gestellt hat, glaube ich auf Grund dieser Untersuchung der Hauptsache nach, ihre Eigenschaft als epitheliale Cuticularhildung wahren zu müssen. Selbst trotz der entgegenstehenden Veröffentlichung Rubatters. Erstlich erscheint mir Rubattel’s Behauptung, dass die „wahre Kapsel‘‘ (la capsule vraie) immer an das Erscheinen der Gefässe gebunden ist, ziemlich will- kürlich, wie sie auch den Beobachtungen anderer Autoren, z. B. Köl liker, widerspricht. Dann scheinen mir gerade die Praeparate Rubattel’s so- wohl nach der Art ihrer Härtung als nach Beschreibung und Abbildungen bedeutend verändert zu sein. Ich habe an vielen Praeparaten ähnliche Veränderungen gesehen, wie Rubattel sie seiner Arbeit zu Grunde legt. Ich habe diese Bildungen im Wesentlichen für Kunstprodukte gehalten und halte sie auch noch dafür. Rubattel sagt zwar: „Ce ne peut etre une production artificielle, parce qu’elle est trop reguliere, trop nette, et qu’on la retrouve aussi chez Tembryon de porc et chez Tembryon humain, comme nous le verrons bientöt^^; aber dürfen wir uns wundern, wenn bei gleicher Behandlung auch immer wieder die gleichen Kunstprodukte zu Stande kom- men? Müssen wir uns da nicht an die Fasernetzgerüste des Glaskörpers und an Hanno ver’s Glaskörperpraeparate erinnern? Es mag immerhin zuge- standen werden, dass die Reste der embryonalen Gefässe einen Theil der definitiven Linsenkapsel ausmachen; im Wesentlichen haben wir in ihr eine epitheliale Cuticularhildung vor uns. Allerdings kann ich mir ja nur für Huhn und Maus über diese Fragen ein bestimmtes Urtheil erlauben. In wieweit diese Resultate auf die Säugethiere und Vögel im Allgemeinen zu übertragen sind, bliebe zu unter- suchen. Die Embryonen von Hund, Schwein, Kaninchen und vor Allem vom Menschen haben mir keine befriedigenden Resultate ergehen, ein Misserfolg, den ich, wie ich glaube, mit Recht, durch die Mangelhaftigkeit des mir zugänglichen Materials erklären kann. Jedenfalls wird man auch an ihnen die Frage noch einmal prüfen müssen, und wird besonderes Gewicht auf die Härtungsmethode und darauf, dass man die betreffenden Embryonen vollkommen frisch behandelt, zu legen haben. Zuii Entwickelung des Glaskörpers. 367 Litteratiir. I. BabuchiD, Beiträge zur Entwickeluiigsgescliichte des Auges. Würzburger naturioissenschaftliche Zeitung. Bd, IV. S. 71. 2. V. Baer, Untersuchungen über die Entwickelung des Wirbelthier es. 3. H. Beauregard, Etüde du corps vitre. Journal de l’anatumie par Robin et Pouchet 1880. 4. Goette, Die Entwickelungsgeschichte der Unke u. s. w. 1875. 5. Haab, Artikel „Auge“ in Ziegler's Lehrbuch der pathologischen Anatomie. Jena 1885. Bd. II. Abth. 3. 6. Hensen, Max Scliultze’s Archiv. 1866. S. 420. 7. Birch-Hirscbfeld, Lehrbuch der pathologischen Anatomie. 1883. 2. Aufl. 8. W. His, Untersuchungen über die erste Anlage des Wirbelthierleibes. Leipzig 1868. 9. Derselbe, Unsere Kör perform und das physiologische Problem ihrer Ent- stehung. Leipzig 1875. 10. Iwan off, Zur normalen und pathologischen Anatomie des Glaskörpers. Archiv für Ophthalmologie. Bd. XI. II. Kessler, Untersuchungen über die Entivickelung des Auges. Dissertation. Dorpat 1871. 12. Derselbe, Zur Enttcickelung des Auges der Wirbelthiere. Leipzig 1877. 13. Klebs, Zur normalen und pathologischen Anatomie des Auges. Virchow^s Archiv. Bd. XXL 14. Kölliker, Handbuch. 1877. 15. Derselbe, Zur Entwickelung des Auges und des Geruchsorganes menschlicher Embryonen. Verhandlungen der physikalischen und medicinischen Gesellschaft zu Würzburg 1882. 16. Derselbe, Gratulationsschrift zum bü jährigen Jubiläum von Zürich. 1883. 17. Derselbe, Grundriss. 1884. 2. Aufl. 18. Derselbe, Handbuch der Getoebelehre. S. 376. 19. Derselbe, Würzburger Verhandlungen. Bd. II. S. 160. 20. Lieberkühn, Ueber das Auge des Wirbelthier embryo. Cassel 1872. 21. Potiechin, Ueber die Zellen des Glaskörpers. Virchow’s Archiv. 1878. Bd. LXXII. S. 157. 22. Remak, Untersuchung über die Entwickelung der Wirbelthiere. Bd. 1851. 23. R. Rubattel, Pecherches sur le Developpement du cristallin. Geneve 1885. 24. Schöler, De oculi evolutione in embryonibus gallinaciis. Dorpat 1848. 25. Schwalbe, Art. Glaskörper. Graefe und Sae misch, Handbuch der Augen- heilkunde. Bd. I. 26. Derselbe, Lehrbuch der Sinnesorgane. 1883. Lfg. 1. 368 Fkanz Keieel: Zue Entwickelung des Glasköepees. 27. Sernoff, lieber die Entwickelung der Linsenkapsel. Russische kriegsärzt- liche Zeitschrift. 1871. 28. Derselbe, Zur Entwickelung des Auges. Centralblatt für die medicinischen Wissenschaften. 1872. Nr. 13. 29. H. Vircbow, lieber Zellen des Glaskörpers. Archiv für mikroskopische Anatomie. 1884. Bd. XXIV. 30. R. Vircbow, Notiz über den Glaskörper. Virchow’s Archiv. Bd. IV. S. 468. 31. Derselbe, lieber den menschlicben Glaskörper. Vircbow’s Archiv. Bd. V. 32. Derselbe, Cellularpathologie. 1871. 4. Aufl. 33. Waldeyer, NageEs Ophthalmolog. Jabresbericbt I. 34. C. O. Weber, lieber den Glaskörper. Vircbow’s Archiv. 1859. Bd. XVI. 35. Derselbe, lieber den Bau des Glaskörpers. Vircbow’s Archiv. Bd. XIX. 36. V. Witticb, Verknöcherung dos Glaskörpers. Vircbow^s Archiv. V. S. 580. Die Abbildungen sind mit Benutzung des Abbe’scben Zeicbenapparates nach Seiber t Obj. 4. Ocul. 0. bei eingescbobenem Tubus (mittleres Stativ) entworfen. Die Unterlage, auf der das Zeicbenpa])ier befestigt war, batte eine Höbe von 4‘""‘. Die Zeichnungen sind dann nach Obj. 5, Ocul. 1 weiter ausgeführt und an den uns hier besonders interessirenden Stellen zwischen Linse und Augenblase und in dem Raum zwischen Linse, Umschlagsrand der Augenblase und Epidermis, genau Zelle für Zelle eingetragen. Fig. 1 — 8 von einem Mauseembryo von 6 Steiss-Nackenlänge. Figg. 1 und 2 zeigen noch keine Zellen zwischen innerem Blatt der Augenblase (i) und Linse ( L). Figg. 3—8 sind aufeinanderfolgende Schnitte. In Fig. 3 haben wir die ersten Zellen (Gefässsprossen = Gsp.) zwischen Linse (Lj und innerem Blatt der Augenblase (i). In Fig. 4 schon ein Blutkörperchen neben demselben, in Fig. 5 und folgenden ein deut- liches Gefäss (Gk.) Fig. 9. Aus einem Sagittalschnitt durch einen Mauseembryo von 6*”® Steiss- Nackenlänge zeigt den foetalen Augenblasenspalt (f. A. Sp.J nahe dem Verschluss; In ihm nur ein dünner Strang von Zellen, welche Gefässendothelien entsprechen. E. = Epidermisanlage. M. = Mesodermgewebe. L. = Linse. P. = Pigment. Gk. — Gefässkolben im Glaskörperraum. Gsp. = Gefässsprossen. /. A. Sp. = foetaler Augenblasenspalt. g = Gefäss über dem foetalen Augenblasenspalt. g, = Gefässe, welche das äussere Blatt der secundären Augenblase umspinnen. g,, = Grösseres Gefäss, das in Verbindung mit den mit g, bezeichneten Gefässen S. 478. Erklärung der Abbildungen. (Taf. XVII.) steht. i = inneres Blatt der secundären Augenblase. e — äusseres Irchiu /' Inai. Taf'ATU. f.A.Sp litk/.Tiit-, E.lF’ir.ke ,I';i»".i(i. Tar\ru. Vuriaij Veil 8- Coiii]). Leipzig. Anomalien der Pfortader und der Nabel vene in Ver- bindung mit Defect oder Linkslage der Gallenblase. Anomalien der Vena coronaria ventricnli. Von Dr. Ferdinand Hochstetter, Prosector am I. anatomischen Institut in Wien. Fälle von Defect der Gallenblase ^ sind zwar längst bekannt nnd bieten an nnd für sich nichts gerade wunderbares, fehlt ja doch einer ganzen Reihe von Wirbelthieren, insbesondere aber vielen Säugern die Gallenblase constant, aber Gefässanomalien scheinen bei solchen Defecten noch nicht beobachtet worden zu sein und sind ja auch wahrscheinlich nur zufällige Nebenbefunde, wofür ein Fall von Defect der Gallenblase bei einem Neu- geborenen spricht, den ich beobachtete und bei welchem sich die Gefässe vollständig typisch verhielten, während in einem zweiten im nachfolgenden mitzutheilenden Falle sich äusserst interessante Gefässverhältnisse ergaben. Yon Verlagerungen der Gallenblase nach links finde ich nur bei Huschke einen Fall erwähnt. — Dieser Autor giebt an bei einem acht- zehn Monate alten Kinde, dessen Leber auffallend blass und klein war, die Gallenblase nicht in ihrer Grube, sondern in der linken vorderen Längen- grube gefunden zu haben, wo sie das Ligamentum teres bedeckte ohne ausser ihrer Krümmung etwas Abnormes zu bieten. — lieber die Ver- hältnisse der Pfortader und der Umbilicalvene giebt er jedoch nichts an. — Auch Luschka erwähnt neben Defect und abnormer Kleinheit die Ver- lagerung der Gallenblase in die liiike vordere Sagittalfurche der Leber, ohne aber irgend einen bestimmten Fall zu besprechen. ^ Eine Zusammenstellung derartiger Fälle aus der alten Litteratur findet sich bei Huschke. Archiv f. A. u Ph. 1886. Anat. Abthl^. 24 370 Feedinand Hochstettee: Ich theile nun im Nachfolgenden eine Reihe von meines Wissens noch nicht beschriebenen Anomalien der Pfortader und Umbilicalvene mit, welche mit Rücksicht auf ihre muthmaassliche Genese ^ einerseits, andererseits aber auch im Hinblick auf die noch durchaus nicht genau festgestellten Ver- hältnisse des normalen Blutkreislaufes in der Leber des Foetus ein all- gemeines Interesse haben dürften. — Ausserdem glaube ich aber auch, dass die mitzutheilenden Anomalien durchaus nicht so selten sind und dass sie nur allzuhäufig übersehen werden dürften. Die beobachteten Fälle lassen sich mit Rücksicht auf die Gefässverhält- nisse in folgende drei Gruppen zusammenstellen: I. Mangel des Ramus communicans zwischen Pfortader und Nabelvene daher vollständige Trennung der beiden Gefässbezirke bei Mangel der Gallenblase (ein Fall) II. Einmündung der Nabelvene in den rechten Pfortaderast bei Linkslage der Gallenblase (zwei Fälle) III. Unbedeutendere Gefässabweichungen bei Linkslage der Gallenblase (drei Fälle). I. I. Fall (betrifft die Leber eines acht Tage post partum verstorbenen Kindes). (Fig. 1.) An der oberen Fläche der Leber zeigt sich ein unverhältnissmässiges Ueber wiegen des rechten Leberlappens über den linken, an ihrer vorderen Kante findet sich ein Einschnitt für die Umbilicalvene. An der unteren Fläche der Leber überrascht zunächst das Fehlen der Gallenblase und des Lobulus quadratus und ausserdem markirt sich auch hier deutlich die Klein- heit des linken Lappens. — Die vordere linke Sagittalfurche ist durch eine Lebersubstanzbrücke in einen Canal umgewandelt, in welchem die Um- bilicalvene verläuft. — Bei der Praeparation des Ligamentum hepato duo- denale zeigte sich ein eigenthümliches Lageverhältniss der darin enthaltenen Gebilde; die Arteria hepatica, welche aus der Arteria mesenterica superior entspringt, und der Ductus choledochus hatten ihren Platz vertauscht, so dass der Ductus choledochus links und die Arteria hepatica rechts vor der Vena portae gelegen waren. — Welches Verhältniss sich aus dem abnormen Ursprünge der Leberarterie einerseits und einer etwas höher oben im Duo- ^ Bei der Erklärung der Genese dieser Varietäten habe ich mich hauptsächlich an die von His in seiner Geschichte der Orcjane gegebene Darstellung gehalten. Anomalien deii Pfortader und der Nabelvene. 371 deiiiim stattlindendeii EiBmündung des Ductus clioledoclius andererseits er- klärt. — Die Pfortader ist von einer der Entwickelung des Kindes ent- sprechenden Stärke und senkt sich, ohne vorher irgend welche Aeste ab- gegeben zu haben, in den rechten Leberlappen ein um sich darin zu ver- theilen. — Die Nabelvene tritt, nachdem sie innerhalb des der linken Sagittal- furche entsprechenden Canals, durch welchen sie ihren Weg nimmt, kurz vor Eintritt in die Transversalfurche, einige kleinere Aeste abgegeben hat. Fig. 1. in die Leberpforte ein, hier macht sie eine Biegung im rechten Winkel nach rechts hin und entlässt an der IJmbiegungsstelle einen ziemlich starken Ast für den linken Leberlappen und den noch weit offenen Ductus venosus Arantii, weiterhin einen Ast für den Lobulus Spigelii und theilt sich endlich dort, wo sie vom linken Aste der Arterie und dem Ductus hepaticus über- kreuzt wird, in zwei Endäste, welche in entgegengesetzter Richtung, der eine nach vorne, der andere nach hinten in die Lebersubstanz eintreten. Zwischen Pfortader und Nabelvene finden sich, wie das die Injection (mit Teichmann’scher Masse) zeigte, keine Anastomosen. Auf Frontalschnitten zeigte es sich, dass das Yerbreitungsgebiet der Yena umbilicalis den ganzen linken Leberlappen und noch ein ziemlich bedeutendes Stück des rechten Lappens umfasste, während der übrige Theil des rechten Lappens nur von der Pfortader versorgt wurde, was sich ganz deutlich unterscheiden liess, da die beiden Gefässbezirke mit verschieden gefärbten Massen gefüllt worden waren. — Genau ebenso verhält sich das Yerbreitungsgebiet der beiden Yenenbezirke bei der normalen Leber eines neugeborenen Kindes, dessen Leber nach Unterbindung des Communicationsastes zwischen Umbilicalvene 24* 372 Feedinand Hochstettee: und Pfortader, mit verschieden gefärbten Massen von beiden Gefässen aus injicirt worden war, wenn man der Analogie wegen den Lobulus quadratus mit zum rechten Leberlappen binzurechnet. — Der Ductus hepaticus zeigt im übrigen keine Abweichung und zeigt auch keinerlei Ausweitung oder Ausbuchtung seiner Wand. — Die Venae hepaticae bieten nur insofern eine kleine Abweichung als aus dem rechten Leberlappen schon tiefer unten als gewöhnlich einige Aeste in die Vena cava inferior ein treten. Diese Anomalie bietet ein doppeltes Interesse, einerseits ihrer Genese wegen, andererseits weil sie geeignet scheint auf die Bedeutung des späteren linken Pfortaderastes für die foetale Lebercirculation ein gewisses Licht zu werfen. Folgt man der Darstellung, welche His über die Entwickelung der Leberblutgefässe gegeben hat, so kann man sich ganz gut vorstellen, dass die Trennung der beiden Gefässbezirke , der Yena omphalo-mesaraica und der Vena umbilicalis in der Weise stattgefunden habe, dass vom Sinus annularis nicht nur der vor dem Darm die beiden Gefässe verbindende Abschnitt, sondern auch der hinter dem Darm zwischen Vena ascendens Arantii und Vena omphalo-mesaraica gelegene Theil obliterirt sei. — Ob die Obliteration in den beiden Gefässabschnitten zugleich erfolgte oder in dem einen früher, in dem anderen später, lässt sich natürlich nicht an- geben, wäre jedoch die Obliteration erst sehr spät erfolgt, dann wären ge- wiss noch Spuren davon nachzuweisen gewesen. Was den Effect des Ausfalles dieser Verbindung zwischen Nabel vene und Pfortader auf die Entwickelung der Leber betrifft, so ist von einem solchen durchaus nichts wahrzunehmen, denn die Leber zeigt der Grösse des Kindes entsprechende Grössenverhältnisse und für die relative Kleinheit des linken Leberlappens lässt sich in dem Mangel des communicirenden Astes kein Grund finden. Es frägt sich nun, wie gestaltet sich unter normalen Verhältnissen die Blutvertheilung in der foetalen Leber, liegt die Bedeutung des Communi- cationsastes zwischen Umbilicalvene und Pfortader mit in der Rolle, welche er beim Foetus spielt oder einzig in seiner späteren Function als linker Ast der Pfortader. Der einzige Autor, welcher die Verhältnisse der Pfortader und der Nabelvene mit Bezug auf ihre Verbindung einer eingehenden Besprechung unterzieht, ist Sappey. — Er giebt an, dass dieser CommunicationscanaV wie er die Verbindung zwischen den beiden Gefässen nennt, in der ersten Zeit des Intrauterinlebens im Verhältniss zur Weite des Ductus venosus ^ Auch Luschka spricht von einem Communicationscanal der Pfortader mit der Nabelveue. Anomalien dek Peoutader und der Nabelvene. 373 Arantii selir schwach sei, vom vierteD Monate an aber sich immer mehr zu erweitern beginne, bis er bei der Geburt ungefähr die Weite des rechten Pfortaderastes erreicht habe. Daraus schliesst er, dass: 1. In der ersten Zeit des Intrauterinlebens das arterielle Nabelvenen- Ijlut sich zum grössten Theile im Lobulus sin. et quadratus vertheile, dass ein ganz kleiner Theil in den rechten Leberlappen eintrete, wo er sich mit Pfortaderblut mische und dass der Ueberschuss durch den Ductus venosus Arantii in die Hohlvene gelange. 2. Dass in der zweiten Hälfte des foetalen Lebens ein Theil des Pfort- aderblutes in den Communicationsast gelange und auf diese Weise in den linken Leberlappen, den Lobulus Spigelii, quadratus und Ductus venosus Arantii, dass der Communicationsast sich in dieser Zeit zum linken Pfort- aderast ausbilde. 3. Dass der Lobulus sinister, quadratus et Spigelii in der ersten Hälfte des Intrauterinlebens nur von arteriellem Blut durchflossen werden und da- her günstigere Entwickelungsbedingungen haben als der rechte Lappen, was aus ihrer raschen Entwickelung ersichtlich sei, da im dritten Monate linker und rechter Lappen gleich seien, während bei der Geburt der linke Lappen bereits um vieles kleiner sei als der rechte. So richtig die Angaben über Verhältnisse dieses Communicationscanales sind, so möchte ich doch die daraus gezogenen Schlüsse einigermaassen be- zweifeln. Zunächst glaube ich nicht, dass zu «irgend einer Zeit des embryo- nalen Lebens fortlaufend Blut aus der Nabelvene nach rechts hin gelangen könne und zwar aus folgenden Gründen. Der spätere rechte Ast der Pfort- ader stellt erstens in Bezug auf seinen Verlauf während der ganzen Zeit, nachdem der Sinus annularis verschwunden, bis zur Geburt und auch noch späterhin die directe Fortsetzung des Pfortaderstammes dar, zweitens ist das Caliber des späteren rechten Astes wahrscheinlich niemals während des Intrauterinlebens grösser als das des Pfortaderstammes selbst, sondern ist von gleicher Weite. Dass dies wirklich der Fall ist, davon kann man sich an gelungenen Injections- und Corrosionspraeparaten überzeugen. Die Praeparate müssen jedoch mit einer gewissen Vorsicht angefertigt werden, besonders wenn man sich warmer Injectionsmassen bedient, weil man sonst leicht Objecte er- hält, welche einem die Richtigkeit der Henle’schen Anschauung (auf welche ich später zurückkommen werde) zu belegen scheinen. — Es erscheint be- sonders dann, wenn von der Umbilicalvene mit einer rasch erstarrenden Masse injicirt wurde, häufig die Pfortader viel schwächer als ihr rechter Ast, weil die Injectionsmasse in ein Gefäss, welches in der Stromrichtung gelegen ist leichter einströmt und es ausdehnt, als in eines , welches mit 374 Ferdinand Hochstetter: der Richtung des Injectionsstromes einen Winkel von 80 bis 90® bildet wegen seiner grossen Menge von Aesten von der einströmenden Masse erst spät wird vollständig ausgedehnt werden können, oder in welchem, bevor dies überhaupt möglich, besonders wenn nicht genügend vorgewärmt war, die Masse erstarrt, so dass sich dann das oben geschilderte Verhalten herausstellt. — Injicirt man jedoch mit warmer Masse von der Pfortader aus allein oder von der Pfortader und Umbilicalvene zugleich, oder mit einer sehr langsam er- starrenden Masse überhaupt, so wird einem nicht leicht ein unvollkommenes Praeparat unrichtiges Vortäuschen können. Es genügt demnach der rechte Pfort- aderast allein zur Aufnahme und Weiter- leitung des zugeführten Pfortaderblutes, und da er nicht weiter ist als der Pfort- aderstamm selbst, ist auch keine Möglich- keit vorhanden, dass bei gleichem Drucke in der Umbilicalvene und der Pfortader Blut aus der ersteren in die letztere übergehen könnte und umgekehrt. — Es müsste daher eine dauernde Verschiedenheit des Blut- druckes in den beiden Gefässen angenommen werden, wenn man an ein anhaltendes Ueberströmen von Blut aus dem einen in das andere glauben sollte und das ist deshalb unwahrscheinlich, weil ja eben die Verbindung zwischen den beiden Gefässen durch eine relativ weite Communication einen raschen Ausgleich etwaiger Druckverschiedenheiten ermöglicht. In dieser Function nämlich in dem raschen Ausgleiche vorkommender Druckschwan- kungen mag auch die geringe Bedeutung dieser Communication für den foetalen Leberkreislauf liegen. — Gering ist die Bedeutung jedenfalls, wenn diese Verbindung vollständig fehlen kann, ohne dass irgend eine daraus zu erklärende Störung in der Entwickelung der Leber vorhanden ist. Es wird sich daher auch die Verschiedenheit der Grösse der beiden Leberlappen und besonders das Zurückbleiben des linken hinter dem rechten in den letzten Foetalmonaten aus der verschiedenen Qualität des durchfliessenden Blutes nicht erklären lassen.^ — Es dürfte vielmehr dafür, dass der rechte Leberlappen den linken vom dritten Monate an zu überflügeln beginnt, darin der Grund liegen, dass von diesem Zeitpunkte an der Darm und mit ihm die ^ Sappey ist meines Wissens übrigens der einzige Autor, welcher eine Erklä- rung dafür zu geben versuchte. und welches wie die Pfortader Pf. Die Umbilicalvene und ihre Verbin- dung mit der Pfortader beim Neu- geborenen. (Nach einem Corrosions- praeparat,) U — Umbilicalvene. Pf. = Pfordader. D- V. A.— Duct. ven. Arantii. C. A. — Cominunicationsast. R. A. = Rechter Ast derPfortader. Anomalien der Pfortader und der Nabelvene. 375 Pfortader bedeutend an Grösse ziinimmt, so dass dem rechten Lappen all- mählich viel mehr Blut zugeführt wird, während zugleich die Entfaltung des linken Leberlappens durch die stärkere Entwickelung des Magens und der Milz immer mehr erschwert wird. — Dieser letztere Factor vdrkt natürlich nach der Geburt, wenn der Magen durch Flüssigkeit und Gasaufnahme stärker ausgedehnt wird, in einem noch viel höheren Grade, scheint ja der Druck des Magens auf die Leber so mächtig zu wirken, dass sie nach der Geburt sogar in toto etwas nach rechts hin verschoben wird, was man an der fast genau medianen Lage der Umbilicalvene einige Zeit vor der Ge- burt und der bereits einige Zeit nach der Geburt auffälligen Abweichung des Ligamentum teres nach rechts hin ziemlich deutlich wahrnehmen kann. Dadurch wird natürlich der linke Leberlappen unter noch ungünstigere Verhältnisse gebracht, als er es ohnehin schon in Folge der schlechteren Blutversorgung ist. Die Leber des Foetus besitzt demnach zwei zuführende Venen, die Umbilicalvene und die Pfortader, welche durch eine quere auf den ver- schiedenen Entwickelungsstufen verschieden weite Anastomose mit einander verbunden sind. Nach diesen Betrachtungen ist daher auch die Henle’sche Ansicht, dass sich die Nabelvene in einen rechten und linken Ast theile und dass in den rechten Ast die Pfortader eintrete, ^ nicht haltbar, ebenso- wenig wie die gangbare Ansicht vieler anderer Autoren, dass der linke Pfortaderast, den man aber beim Foetus als solchen nicht bezeichnen kann, die Umbilicalvene aufnehme. Es giebt allerdings Fälle, wo wirklich ein rechter Umbilicalvenenast existirt (Fall IV), dieser Ast entspringt aber dann aus der Umbilicalvene dort, wo sie in die Transversal furche der lieber eintritt, ohne dass der Communicationsast wesentlich beeinträchtigt wäre und verläuft parallel mit ihm zum rechten Leberlappen. — Dann kommt aber auch, und zwar ziem- lich häufig, ein anomales Verhalten vor, welches beim ersten Anblick an das Vorhandensein eines rechten Astes der Umbilicalvene denken lässt. — Die Gefässe verhalten sich dann wie es umstehendes Schema zeigt so, dass die directe Fortsetzung der Pfortader ein relativ schwacher Ast ist und dass ein zweiter ungefähr ebenso starker Ast als directe Fortsetzung des Communi- cationsastes abgeht, welcher seinerseits wieder durch ein kurzes Zwischen- stück mit der Pfortader zusammenhängt. — Untersucht man aber die Ver- hältnisse genauer, so findet man, dass der von der Pfortader abgehende Ast eigentlich nur dem nach rückwärts ziehenden Ast, und der der Fort- setzung des Communicationsastes entsprechende nur dem aufsteigenden ^ Ganz abgesehen davon, dass die Zeichnung, welche dieses Verhalten illustriren soll, kaum annähernd richtig genannt werden kann. 376 Ferdinand Hochstetter: Aste des normalen rechten Pfortaderastes entspricht, so dass die Theilungs- stelle in diese beiden Aeste eben Pf. = Pfortader. U — Umbilicalvene. D.v. A. = Ductus veuos. Arantii. P.h.A. = Rechter hinterer Ast. R.a.A. = Rechter aufsteigeuder Ast. L. A. = Aeste für den linken Leberlappen. nur bis an den Stamm der Pfortader heran verschoben erscheint, was beson- ders dann deutlich hervortritt, wenn man diese Anomalie in einem geringeren Grade der Ausbildung vor sich hat, wo dann anstatt eines rechten Astes an der Ein- mündungsstelle des Communications- astes zwei gleich starke Aeste für den rechten Leberlappen aus dem Pfortader- stamme hervorgehen. Anschliessend an diese Beobachtung möchte ich hier auch eine Abbildung aus dem III. Hefte der Anatomie mensch- licher Embryonen Fig. 1 38 (V enensteämme des Embryo Rg.) von His erwähnen, welche, wenn sie überhaupt richtig ist, ausser dem Vorhandensein eines rechten Umbilicalisastes in dem Sinne des zu beschreibenden Falles IV auch noch den Mangel eines rechten Astes als Fortsetzung der Pfortader aufweist, eine Anomalie welche jedenfalls noch nie beobachtet wurde. ^ II. Liiikslage der Gallenblase mit Traiispositioii der ümbilical- vene nach rechts. 11. Fall. Die Leber eines Erwachsenen betreffend. (Fig. 2.) Die convexe obere Fläche der Leber zeigt nichts auffallendes, die An- satzlinie des Ligamentum trianguläre liegt wie gewöhnlich so, dass der da- durch abgegrenzte linke Abschnitt der Leberoberfläche um vieles kleiner erscheint als der rechte. — Am Leberrande angelangt biegt die Ansatzlinie scharf nach rechts hin ab, um das rechtsliegende Ligamentum teres zu er- reichen. — An der unteren Fläche der Leber fällt sofort die Liukslage der Gallenblase und das Fehlen des Lobulus quadratus auf und ausserdem ist ein Grössenunterschied zwischen rechtem und linken Lappen kaum wahr- zunehmen. — Die Gallenblase liegt zum grössten Theile links vom Liga- ^ Eine im Jahre 1883 erschienene Dissertation über die Bedeutung des Ductus venosus Arantii von Beutlich bietet ausser der Bestätigung der Angaben Sappeys über den Oommuuicationsastes, welche der Autor nicht gekannt zu haben scheint, niclits für unsere Betraclituiigen wesentliches. Anomalien dee Peoetader und dee Nabelvene. 377 mentum teres schief an den linken Leberlappen fixirt, so dass zwischen ihr lind dem Ligamentum teres ein schmales Dreieck von Lebersubstanz sicht- bar ist, während ihr Hals über der Einmündung der vorderen Sagittal furche, Fig. 2. welche hier natürlich viel weiter rechts liegt als die hintere Sagittalfurche, das Ligamentum teres überkreuzt. — Ductus cysticus und hepaticus liegen übereinander und der Ductus cysticus mündet von unten her in den Ductus hepaticus. — Der Ductus choledochus öffnet sich an normaler Stelle in das Duodenum. — Sehr merkwürdig verhält sich die Pfortader in Bezug auf ihre Kamification und in ihrer Beziehung zur obliterirten Nabelvene und dem obliterirten Ductus venosus Arantii; sie erweitert sich näm- lich in der Leberpforte fast auf das Doppelte ihres Durchmessers und aus dieser sinusartigen Erweiterung geht zunächst als ihre directe Fort- setzung ein starker Ast hervor, welcher dem normalen rechten Ast entspricht, dann sechs kleinere Aeste, von denen die zwei kleinsten in den Lobulus Spigelii die übrigen vier grösseren in den linken Leberlappen eintreten. — In die hintere Wand dieser Erweiterung inserirt der obliterirte Ductus venosus 378 Ferdinand Hochstetter : Arantii. — Der rechte Pfortaderast ist mindestens doppelt so lang als ge- wöhnlich und theilt sich schliesslich in zwei Aeste, deren einer als seine Fortsetzung geradeswegs in den rechten Lappen eintritt, während der andere (nichtobliterirtes Stück der Nabelvene) nach vorne zu umbiegt um nach Abgabe mehrerer kleiner Aeste für seine Umgebung mit dem Ligamentum teres, welches eine Strecke weit durch einen Leberparenchymcanal verläuft, sich zu verbinden, dabei geht er durch die Gabel hindurch, welche durch das Zusammentreten der beiden Aeste des Ductus hepaticus gebildet wird. Arterien und Lebervene verhalten sich wie gewöhnlich. An den Bauch- eingeweiden war sowohl in Bezug auf Form als auf Lage weder in diesem noch in den übrigen Fällen etwas abweichendes warzunehmen. III. Fall. Die Leber eines Neugeborenen betreffend. Die convexe obere Fläche der Leber zeigt ähnliche Verhältnisse, wie im vorhergehenden Falle, auch hier liegt die Ansatzlinie des Ligamentum triquetrum links und biegt nahe dem Leberrande scharf nach rechts gegen die Umbilicalvene hin ab. — An der unteren Fläche fehlt wie im früheren Falle der Lobulus quadratus, die Gallenblase liegt links knapp neben der in einem Leberparenchymcanal verlaufenden Umbilicalvene. Was in diesem Falle am meisten auffällt, ist der Grössenunterschied zwischen rechtem und linken Leberlappen, welch letzterer den ersteren bei weitem an Grösse übertrifft. Die Gallenblase überkreuzt hier nicht mit ihrem Halse die Nabelvene, sondern liegt parallel neben ihr. Die Vena portae erweitert sich in der Leberpforte an ihrer Theilungsstelle in einen rechten und linken Ast hier ebenfalls, aber bei weitem nicht so auffallend wie in dem früheren Falle. Der linke Ast, welcher aus dieser Erweiterung hervorgeht, gelangt ohne Abgabe bedeutenderer Aeste, abgesehen vom Ductus venosus Arantii, an den linken Leberlappen, der rechte Ast, welcher etwas stärker ist, nimmt nahe an seiner Abgangsstelle die Umbilicalvene auf, die vorher nur einige kleinere Aeste an ihre Umgebung abgegeben hat, giebt dann zwei Aeste für den Lobulus Spigelii und einen Ast für die unteren seitlichen Partien des rechten Leberlappens ab, worauf er selbst in letzterem verschwindet. Die Gallenwege verhalten sich normal, die Gabelung des Ductus hepaticus liegt hier links von der Einmündungsstelle der Umbilicalvene in den rechten Pfortaderast, so dass der Hauptgallengang aus dem rechten Leberlappen über der Umbilicalvene verläuft. Die Arterien zeigen insofern eine Ab- weichung, als der Ast für den linken Leberlappen aus der Arteria coeliaca stammt, während der Ast für den rechten Lappen aus der Arteria mesen- terica superior entspringt. Die Leber venen bieten nichts abweichendes. Fall II und III haben demnach die Eigenthümlichkeit der Lage der Gallenblase und die Einmündung der Umbilicalvene in den rechten Pfort- Anomalien der Peortader und der Nabel vene. 379 aderast gemeinschaftlich, andererseits aber sind sie wieder etwas verschieden dadurch, dass bei II der Stamm der Pfortader neben der hinteren Sagittal- furche also weiter links als gewöhnlich in die Leberpforte eintritt, und keinen einfachen linken Ast besitzt, wie er bei III vorhanden ist, und durch die Lage des rechten Astes des Ductus hepaticus zur Umbilicalvene, da derselbe bei II unter, bei III hingegen über der Umbilicalvene verläuft. Das verschiedene Verhältniss der Grösse des linken Leberlappens zum rechten bei II und III lässt sich leicht aus der Altersverschiedenheit erklären Diese Anomalie dürfte sich in der Weise entwickelt haben, dass von den beiden ursprünglich vorhandenen Umbilicalvenen die rechte, nicht wie gewöhnlich die linke sich stärker entwickelte und die Verbindung mit dem Sinus annularis einging, während die linke wie sonst gewöhnlich die rechte vollständig verschwand; daraus würde sich dann die Lageabweichung der Gallenblase auf die einfachste Weise so erklären, dass die Gallenblase eigentlich an normaler Stelle liegt und die Umbilicalvene eben nur ihre Lage zur Gallenblase geändert hat. Diese beiden Fälle sind aber noch in anderer Beziehung von Interesse ; sie zeigen nämlich ganz deutlich, dass die Qualität des Blutes auf die Ent- wickelung der Leber keinen Einfluss ausübt, denn hier dürfte wohl der grösste Theil der Leber entsprechend den eigenthümlichen Gefäss Verhältnissen nur von arteriell und venös gemischtem, der linke Leberlappen aber und der Ductus venosus Arantii wahrscheinlich nur von venösem Blut durchflossen worden sein, ohne dass die Grösse des linken Leberlappcns geringer wäre als unter normalen Verhältnissen. III. Unbedeutendere Gefässabweichungen in Verbindung mit Linkslage der Gallenblase. IV. FalU (die Leber eines Erwachsenen betreffend). (Fig. 3.) Die obere Fläche der Leber verhält sich ähnlich wie in den zwei früheren Fällen. Die Lage der Gallenblase bietet hier insofern etwas be- sonderes als sie an den linken Rand der vorderen Sagittalfurche so befestigt ist, dass ihr dadurch ein gewisser Grad von Beweglichkeit gestattet wird, dabei verdeckt sie das Ligamentum teres und liegt also nicht so weit links wie in den früher beschriebenen Fällen. Die Pfortader theilt sich wie ge- wöhnlich in der Leberpforte in ihre beiden Aeste. Während aber der rechte Ast sich ganz normal verhält, ist der linke Ast schwächer als gewöhnlich und erweitert sich am linken Ende der Transversalfurche angelangt um ^ Fall IV sowie VI wurden von Hrn. Dr. Arnold Paltauf gelegentlich einer sanitätspolizeilichen Obduction gefunden und mir in der liebenswürdigsten Weise zur Untersuchung und Beschreibung überlassen. 380 Ferdinand Hochstetter: ein bedeutendes. Aus dieser Erweiterung gehen dann knapp neben der Insertionsstelle des obliterirten Ductus venosus Arantii nach rechts zwei Fig. 3. kleine Aeste für den Lobulus Spigelii und nach links ein grösserer Ast für den linken Leberlappen ab, worauf der erweiterte linke Pfortaderast sich in einem Bogen nach vorne und rechts hin wendet, um sich mit dem weiter rechts als gewöhnlich lie- genden Ligamentum teres zu verbinden. Dabei giebt er zunächst einen starken Ast für den linken Leber- EA lappen ab, während seine Fortsetzung nach Abgabe eines kleinen Astes für die der vorderen Sagittal- furche benachbarten Partien des rechten Leber- lappens knapp neben dem eigentlichen rechten Pfort- aderast in den rechten Lappen eingeht. Das Liga- Schema zu Fall IV. mentum teres verläuft hier durch die Gabel der beiden Aeste des Ductus hepathicus zum linken Pfortaderast. Leberarterien sowie Lebervenen bieten keinerlei Abweichung von der Norm. Y. Fall. Die Leber eines Erwachsenen betreffend. Diese Leber ähnelt in ihrer Form sehr der unter lY beschriebenen, insofern als hier und dort linker und rechter Lappen gleich gross sind, Anomalien den Peohtadeu und dek Naeelvene. 881 während der Ijohiilus qnadratus vollständig fehlt, nur ist hier der Lul)ulus Spigelii etwas kleiner als dort. Auch die Gallenblase ist ebenso an den Rand der vorderen Sagittalfurche hxirt und ziemlich frei beweglich nur ist hier die Sagittalfurche vor ihrer Einmündung in die Transversalfurche ein kurzes Stück weit von Leberparenchym überbrückt. — Die Vena portae tlieilt sich wie gewöhnlich in einen weiteren rechten Ast und einen etwas engeren linken, welch letzterer an seiner Umbeugungsstellc sinusartig er- weitert ist. In diese Erweiterung mündet einerseits von unten her die Vena coronaria ventriculi sinistra, andererseits inserirt hinten an ihr der obliterirte Ductus venosus Arantii und treten von ihr aus zwei grosse und ein kleiner Ast für den linken Leberlappen, nach hinten ein kleiner Ast für den Lobulus Spigelii, nach vorne zu die Fortsetzung des linken Astes (wegsam gebliebener Theil der Nabelvene) und nach rechts hin mehrere kleinere Aeste für den rechten Lappen, so zwar, dass diese erweiterte Stelle wie ein Stern aussieht, in den von unten her etwas excentrisch die Magenvene eintritt. Das Ligamentum teres bildet in seiner Richtung die directe Fortsetzung des unter einem rechten Winkel abgebogenen End- stückes des linken Pfortaderastes. — Leberarterien, Lebervenen und Haupt- gallengänge der beiden Lappen verhalten sich ganz wie gewöhnlich. VI. Fall (die Leber eines achtzehn Monate alten Kindes betreffend). (Fig. 4). Die convexe obere Fläche der Leber zeigt nichts abweichendes. An der unteren Fläche fällt sofort wieder die Lage der Gallenblase und der Mangel eines viereckigen Lappens auf. Die Gallenblase liegt zum grössten Theile in eine seichte Grube eingebettet links neben dem in einem Leber- parenchymcanal verlaufenden Ligamentum teres und überkreuzt mit ihrem Halse unter der Transversalfiirche den nichtobliterirten Theil der Nabelvene. Der linke Leberlappen erscheint etwas kleiner als der rechte, ist aber immerhin verhältnissmässig noch sehr gross. Die Pfortader theilt sich wie gewöhnlich in der Transversalfurche angelangt in einen stärkeren rechten und einen etwas schwächeren linken Ast. Während sich der rechte Ast ganz wie gewöhnlich verhält, ist der linke. Ast relativ kurz, verhält sich aber in Bezug auf seine Ramilication und seine Verbindung mit dem Ligamentum teres vollständig normal. Da der Ductus cysticus von rechts nach links hinüberzieht, so liegt er unterhalb und nicht wie gewöhnlich neben dem Ductus Schema zu Pall TT. hepaticus, dessen Gabelung hier wieder von dem Ligamentum teres passirt wird. Leberarterien und Lebervenen zeigen nichts abnormes. 382 Ferdinand Hochstetter: Die im vorgehenden beschriebenen drei Fälle zeigen in Bezug auf die Form der Leber und die Lage der Gallenblase ziemlich analoge Verhält- nisse, besonders aber ist die Aehnlichkeit in dieser Beziehung bei Fall IV und V auffallend, während der Fall VI nur deshalb den zwei anderen weniger ähnelt, weil durch das Ueberbrücktsein der Sagittalfurche die Gallen- blase anders zu liegen scheint. Wenn aber bei V die Gefässverhältnisse abgesehen von der Einmündung der Vena coronaria ventriculi in die Er- weiterung des linken Astes fast normal zu nennen sind, sind bei VI durch Fig 4. die Kürze des linken Astes der Pfortader einerseits und durch das Ver- halten des Ligamentum teres zur Gabelung des Ductus hepaticus anderer- seits eine geringere bei IV durch die oben geschilderten Gefässverhältnisse und das dem Verhalten bei VI analoge des Ligamentum teres bedeutendere Abweichungen gegeben. Aehneln aber die letzten drei Fälle auch den sub II beschriebenen äusserlich sehr, so sind sie von ihnen doch durch das Ver- halten der Nabelvene wesentlich verschieden. Gewiss ist die Lage der ob- literirten Umbilicalvene und ihr Verhältniss zum linken Pfortaderast bei IV und VI auch von der Norm abweichend, doch ist es gewiss hier die linke Umbilicalvene, welche sich weiter entwickelte, und man muss sich ihre veränderte Lage nur so zu Stande gekommen denken, wie folgt. His giebt an, dass die beiden Umbilicalvenen, nachdem sie ihre directe Ver- bindung mit dem Sinus renniens aufgegeben haben, mit mehreren Aesten an die Leber herantreten; während die rechte Umbilicalvene nun in der Anomalien i:)EK Peortadek und der Nabelvene. 883 Entwickelung zurückbleibt, wächst einer der Aeste der linken unter der Leber durch zu einer Verbindung mit dem Sinus annularis aus. Stellt man sich nun vor, dass ein besonders stark nach rechts hin liegender Ast zu dieser Verbindung auswächst, so kann man sich ganz gut die bei IV und VI und wenn man dasselbe auf die in II entwickelte rechte Umbili- calvene an wendet, auch die bei II vorhandene Verschiebung der Einmün- dungsstelle der Umbilicalvene erklären. Erklärung der Figg. 1—5. — Fig. 1 entspricht dem Fall I, Fig. 2 dem Fall II, Fig. 3 dem Fall IV, Fig. 4 dem Fall VI. Fig. 5 stellt den im Text beschriebenen Fall von Einmündung der Vena coronaria ventriculi in den linken Leberlappen dar. V. P. = Vena portae. — V.C.= Vena cava. — V.U. = Vena umbilicalis. — L.t. = Liga- mentum teres. — V. c. v. — Vena coronaria ventriculi. P = Vena portae. — E A = Rechter Ast. — L A = Linke Aeste. — D. v. A. — Ductus venosus Arantii. — P = Ligamentum teres. — X = Rechter Ast (ursprünglich von der Umbilicalvene abgehend). Anomalien der Vena coronaria ventriculi. lieber die Einmündung der Vena coronaria ventriculi (V. coron. v. sinistra) findet man in den verschiedenen Lehr- und Handbüchern der Fig. 5. Anatomie zweierlei Angaben. Die eine lautet dahin, dass sich die Vena coronaria ventriculi über der Einmündung der Vena lienalis von links her in den Stamm der Pfortader ergiesse, die andere dahin, dass sie noch in die Vena lienalis einmünde. Wie man sich leicht überzeugen kann, kommt 384 F. Hüchstetteii: Anomalien bek Peoktader und der Nabelvene. 1)eides ziemlich gleich häufig vor und wohl auch in der Weise Zwischen- formeii, dass sich die Vena coronaria ventriculi in den Winkel zwischen Stamm der Pfortader und Vena lienalis einsenkt, so dass es nicht bestimmt zu fixiren ist, was man als Norm anzunehmen habe. Mit der Vena coro- naria ventriculi anastomosirt nahe dem Pylorus eine gewöhnlich ziemlich unbedeutende Vena (Vena pylorica Sappey), welche entweder ziemlich hoch oben in den Pfortaderstamm oder sogar in den linken Leberlappen selbst eintritt. Ich beobachtete nun einen Fall, wo die Vena coronaria ventriculi auf dem Wege der sehr weiten Vena pylorica ihr Blut in den Pfortader- stamm ergoss, während eine Verbindung mit der Vena lienalis oder dem Pfortaderstamm von hinten her fehlte und mehrere Fälle, in denen die Vena pylorica stärker, das Endstück der Vena coronaria ventriculi dagegen schwächer war als gewöhnlich, gewissermaassen Zwischenstadien zwischen der Norm und dem oben geschilderten Verhalten. Es kommt aber auch vor, dass die Vena coronaria ventriculi im Ligamentum hepato-gastricum aufsteigt und in den linken Ast der Pfortader einmündet, welches Verhält- niss ich ausser in Fall V auch noch an einer zweiten, sonst ganz normalen Leber vorfand, oder wie in einem dritten Falle in eine aus dem linken Ast stammende Abzweigung für den Lobulus Spigelii eingeht. Auch normaler Weise findet man in dem hinteren dichteren Abschnitte des Ligamentum hepato gastricum ganz feine Venen einerseits zum linken Aste der Pfortader andererseits zur Vena coronaria ventriculi hinziehen, so dass dadurch ge- wissermaassen der Weg für die Ausbildung einer derartigen Anomalie ge- geben erscheint. An diese Fälle schliesst sich endlich einer an (Fig. 5), wo die Vena coronaria ventriculi in den linken Leberlappen eintritt. Der Fall betrifft die Leber eines Erwachsenen, deren linker Lappen ausser hoch- gradiger Schrumpfung auch noch eine Theilung in zwei Lappen, einen grösseren vorderen und einen kleineren hinteren aufweist. Die Vena coro- naria ventriculi gelangt im sehnigen Theil des Ligamentum hepato gastricum aufsteigend an den der hinteren Sagittalfurche zugekehrten Rand des linken Leberlappens und löst sich sofort in eine grössere Anzahl von Zweigen auf, welche fächerförmig angeordnet in das Leberparenchym eintreten. Von hinten her tritt an dieses Gefässbündel eine Anastomose aus dem linken Aste der Pfortader heran. Es handelt sich also in diesem Falle um eine grosse accessorische Pfort- ader, gebildet durch die Vena coronaria ventriculi, welche sich ähnlich ver- hält, wie sonst häufig die Vena pylorica (Sappey). Naclitrag zu den Mittheilungen über die untere Halskrüininung des Rückenmarkes. Von Dr. Max Flesch in Bern, In einem gemeinsam mit Hrn. stud. med. Hugo Ebeling veröffent- lichten Aufsatze ist der Nachweis erbracht worden, dass das Rückenmark der Säuger eine typische Biegung in der Gegend des IJeberganges von der cervicalen zur dorsalen Region zeigt. ^ Ausser bei dem Menschen wurde deren Existenz bei der Fledermaus, der Katze, dem Kaninchen und dem Meerschweinchen festgestellt; es wurde betont, dass sie schon vor der Reife demonstrirt werden kann. Seit jener Zeit bot sich mir wiederholt Gelegen- heit, auf die, nach einem Vorschläge des Hrn. Prof. His von uns als „untere Halskrümmung^^ bezeichnete Biegung zu achten. Theils an dem vollständig freigelegten und in Müller’scher Flüssigkeit aufgehängten Centralnerven- system, theils an genügend langen Stücken desselben, konnte ich mich von der Thatsache, dass das Rückenmark bei Aufhebung des Zuges der Schwer- kraft jene Biegung zeigt, vergewissern bei dem Fuchs, dem Hunde und dem Bären, bei der Hausmaus, der Ratte, endlich bei einem Affen (Hapalemur). Bei einer ziemlich grossen Zahl junger Katzen, Kaninchen und Hunde aus verschiedenen Altersstufen liess sich immer wieder erkennen, dass bei dem jungen Thiere die Krümmung des freihängenden Praeparates leichter zu demonstriren ist, als bei alten Exemplaren derselben Art. In der ersten Mittheilung ist darauf hingewiesen, dass diese Beobachtung möglicher Weise auf eine Ungleichheit im Verhältnisse des specifischen Gewichts des Ge- hirnes von dem des Rückenmarkes bei jungen und alten Thieren hindeute ; ^ ^ Dies Archiv. 1885. S. 102. A. a. O. S. 107. Archiv f. A. u. Ph. 1886. Anat. Abthlg. 25 386 Max Flesch: vielleicht ist indessen schon die absolute Zunahme des Hirngewichtes und dessen stärkerer Zug hei dem an dem caudalen Ende aufgehängten Prae- parate ausschlaggebend ; die äusseren Yerhältnisse haben mir leider noch nicht gestattet, der interessanten Frage nach dem Verhalten des specifischen Gewichtes in verschiedenen Lebensaltern näher zu treten. Dagegen schien es mir geboten, den Grad der Krümmung irgendwie besser als bisher zu bestimmen. An den früher abgehildeten Praeparaten erscheint die Krümmung immer zu ge- ring, weil, des zu geringen specifischen Gewichtes der umgebenden Flüssigkeit wegen, ein der normalen Biegung ent- gegenwirkender Zug des Gehirnes nicht zu vermeiden war. Da es besser er- schien, die Krümmung zu gering als zu gross erscheinen zu lassen, konnte diese üngenauigkeit hingehen, um so mehr, als es sich zeigte, dass beim Er- höhen des specifischen Gewichtes der Lösung durch Zusatz von Kali hichro- micuni Strömungen in der Flüssigkeit leicht zu anomalen Biegungen führen. Eine andere Flüssigkeit zu schnellem Fixiren der Krümmung in Folge rascherer Erhärtung — Pikrinsäurelösung würde dies nach Versuchen am Bückenmarke der Maus leisten — wollte ich ver- meiden, weil es mir gerade darauf an- zukommen scheint, dass möglichst lange die natürliche Weichheit des Praepa- rates erhalten und Gerinnungen, welche eine Verziehung einer oder der anderen Richtung bedingen könnten, vermieden werden. Nun genügt es aber, das Praeparat mit dem Gehirne nach oben in der Lösung aufzuhängen, um der Norm jedenfalls sehr nahe zu kommen. Die beifolgende Figur ist eine Skizze des Gehirnes und des Rückenmarkes eines neugeborenen Kätzchens, gezeich- net nach dem in Müll er’ scher Lösung befindlichen Objecte. Das Prae- parat war in der Weise conservirt, dass eine quer durch das Gehirn ge- Über die untere Halskrümmung des Hückenmat{,kes. 38 7 führte Nadel an Korkstückchen schwebend gehalten wurde. Der ans den innewohnenden Spannungen des Rückenmarkes resultirenden Krümmung steht nur die kleine Zugwirkung entgegen, welche sich aus der Differenz zwischen dem specifischen Gewichte des abwärts von der Biegungsstelle hängenden Theiles des Rückenmarkes und der Flüssigkeit ergiebt. Die „untere Halskrümmung^^ erscheint hier weit bedeutender, als in einer der früheren Zeichnungen. Weit weniger, als nach diesen, wird die Bezeich- nung der Biegungsstelle als Winkel Anstoss erregen können. Versucht man, durch Axenlinien — die natürlich eine absolute Genauigkeit nicht beanspruchen können — die Grösse der Biegung zum Ausdruck zu bringen, wie dies a a und d d versuchen, so stellt sich eine gegenseitige Neigung beider Linien um ca. 30^ heraus. Die Stellung, welche das freischwebende Nervensystem bei der gewählten Aufhängungsweise in der Lösung einnahm, lässt sich aus der dritten der eingezeichneten Linien (vv) erkennen. Das freischwimmende Praeparat hatte sich durch Drehung um die tragende, als Axe dienende Nadel so eingestellt, dass der untere Theil, das dorsale Mark, um etwa 18® gegen die Verticalebene {vv) geneigt war. Gerade diese Art der Aufhängung und Selbsteinstellung des Praeparates zeigt noch besser, als die bisherigen Beobachtungen, dass die Krümmungen des Rückenmarkes aus dessen eigenen Spannungen resultiren. Bern, den 8. Juli 1886. 25* Methode zur genauen lleconsti*uction kleinerer makroskopisclier Gegenstände. Von Dr. med. N. Kastschenko. Privat-Doeent au der Universifät zu Charkow. (Aus dem anatomischen Institut zu Ijeipzig.) (Hierzu Taf. XVIII.) Die anatomische Untersuchung der kleinen makroskopischen Gegen- stände in totOj selbst wenn dieselben vollständig durchsichtig sind, kann nur mit sehr geringer Genauigkeit aiisgeführt werden. Andererseits ergiebt auch die Kenntniss der einzelnen successiven Schnitte an und für sich keine deutliche A^oi'stellung über die Form und die gegenseitige Beziehung der einzelnen zusammengehörigen Theilchen des zu untersuchenden Gegen- standes. Prof. W. His hat sich ohne Zweifel um die Wissenschaft sehr verdient gemacht, indem er zuerst auf die Methode der Reconstruction eines ganzen Gegenstandes durch graphisches Zusammensetzen der Abnahme seinei- successiven Querschnitte hingewiesen und auch wirklich den grössten prac- tischen Wert desselben dargethan hat. Jedoch bleiben bei dieser Art von Reconstruction oftmals Zweifel über die Richtigkeit der Lage einzelner Schnitte. Die für eine genaue Reconstruction noth wendige Vorbereitung einer Abnahme der äusseren Form eines zu untersuchenden Gegenstandes erreiclit nicht vollständig ihren Zweck, da eine derartige Abnahme bloss der Recon- struction des Schnittes dienlich ist, mit dessen Fläche die Fläche der Ab- nahme selbst zusammenfällt z. B. bei Abnahme des Profilbildes zur Re- construction des Medianschnittes. Ferner verändert sich auch beträchtlich die Grösse, wie auch tlieihveise die Form des hetrefienden Gegenstandes in K. J\ ASTSCHKNKO: MeTHOJJH ZUK, IvECONSTliUCTION U. H. \V Folge des für gute Schnitte nötliigen Eiuschliesseiis des Gegenstandes in eine entsprechende Masse. Bei der Einschliessung z. ß. eines Emhrjo in Paraffin (wie es Prof. W. His hervorhebt oder in Gummi arabicum (wie ich es bemerkt habe^) nimmt derselbe in seinem Umfange beträchtlich ab und zeigt eine stärkere Krümmung des Kopf- und Schwanzendes. Bloss wenn der Untersuchende mit dem betreffenden Gegenstände sehr vertraut ist, wird er vor Irrthümern bewahrt, und selbst da bleibt die Ge- fahr immer noch vorhanden. Ich bemühte mich darum eine solche Methode zu finden mit deren Hülfe die Reconstructionen, ähnlich den von Prof. W. His angewandten, mit vollständiger Genauigkeit ausgeführt werden könnten und obendrein zugänglich seien den unerfahrenen Untersuchern. Es scheint mir, dass das unten beschriebene Verfahren diese Aufgabe recht befriedigend löst. Für die genaue Reconstruction ist es unbedingt nothwendig, dass der Gegenstand wenigstens zwei sich schneidende ebene Oberflächen zeige und dass die Schnitte immer in einem ganz bestimmten Winkel (am besten in einem rechten) zu den beiden diesen Flächen ausgeführt werden. Dieses genügt vollständig, um bei dem graphischen Aufbau die Lage der successiven Schnitte genau bestimmen zu können. Folglich beruht die erste Bedingung der von mir gefundenen Methode darin, dass der zu untersuchende Gegen- stand mindestens zwei sich schneidende Oberflächen erhält, die ich De- finir flächen nenne. Am einfachsten erhält man dieselben durch Schnitte am Körper selbst. Falls jedoch der Gegenstand unverletzt bleiben soll, so werden solche Flächen künstlich gebildet. Bis jetzt machte ich von dieser Untersuchungs weise bloss bei Hühner- enibryonen Gebrauch, obgleich es augenscheinlich ist, dass sie bei beliebigen Gegenständen angewendet werden kann. Ich mache es in folgender AVeise: Der Embryo wird in Paraffin eingeschlossen. ^ Wenn das Paraffin erkaltet ist, so wird es von zwei, drei oder vier Seiten beschnitten. Im letzten Falle erhalten wir die Form eines Prismas aus Paraffin, das in seiner Mitte den Embryo einschliesst. AVie aus dem oben Erläuterten zu ersehen ist, so genügt es auch schon, das Praeparat von zwei Seiten zu beschneiden, aber wegen der genaueren Controlle über die Richtigkeit der Form der einzelnen Schnitte ist es ratlr- sam eine grössere Anzahl Schnitte zu legen. In den meisten Fällen ist es ^ Anatomie menschlicher Embryonen. III. Thl. 1885. S. 7. ^ lieber atrophische menschliche Embryonen. Verhandlungen der medicinischen Ahtheilung der Naturforschergesellschaft an der Universität in Charkow. 1883. Bd. I. (Russisch). ^ Sowohl die Einschliessung in Paraffin, wie auch die nachfolgende Bearbeitung des Schnittes mache ich nach Dr. Altmann’s Methode. 390 N. Kastschenko: bequemer, die DetiiiirÜtieheii rechtwiiiklich sich schneiden zu lassen, obgleich das nicht unbedingt nothvvendig ist. Die Deünirflächen müssen vollständig eben und glatt sein, da gerade hiervon der gute Erfolg der Keconstruction abhängt. Aus freier Hand ist es unmöglich dieselben genau genug aus- zuführeii; darum habe ich zu diesem Zwecke ein kleines Instrument erdacht, zu dessen Beschreibung ich bald übergehen werde. Nachdem das Paraffin die gehörige Eorm erhalten hat, muss seine OberÜäche gefärbt werden, damit nach der Uebertragung der einzelnen Schnitte auf den Objectträger die Lage der Deünirflächen unter dem Mi- kroskop sichtbar sei. Da alle von mir versuchten flüssigen Farbstofi'e ent" weder das Paraffin nicht genügend färben oder sich bei der weiteren Be- arbeitung lösen, so musste ich es mit den pulverförmigen Stoffen versuchen. Nach vielen erfolglosen Versuchen' kam ich zu der Ueberzeugung, dass zu diesem Zwecke das feinste Kohlenpulver, wie es in der Malerei gebraucht wird , genüge. Ich nehme eine zubereitete üelfarbe, „Lampenschwarz“, thue zu derselben ein ungefähr zehnmal so grosses Quantum Terpentinöl hinzu, mische diese beiden Flüssigkeiten mit einem kleinen Pinsel und bedecke mit diesem Gemenge die Deflnirfiächen. Die Farbenschicht darf nur eine sehr dünne sein, damit das Paraffin durchsichtig bleibt, was viel practischer ist, da sie dann nicht hindert, die Lage des eingeschlossenen Gegenstandes zu sehen. Man darf nicht ein zu grosses Quantum Oelfarbe dazu benutzen, da dieselbe sehr langsam trocknet und nach ihrer Austrocknung eine Kruste bildet, die bei feinen Schnitten sehr leicht bricht. Andererseits ist der Gel)rauch von Oelfarbe und nicht von einem Gemenge von Russ und Ter- pentinöl empfehlenswerther, da der Russ sich sehr leicht abwischt. Nachdem die Farbe ausgetrocknet ist (was erst nach Verlauf einiger Stunden geschieht) kann man ohne Weiteres an die Ausführung der Schnitte gehen. Jedoch empfiehlt es sich sehr, wenn man das in der beschriebenen Weise zubereitete Praeparat noch einmal in geschmolzenes Paraffin ein taucht, natürlich erst dann, wenn diese zu erkalten und an den Rändern zu ge- rinnen anfängt; durch diese Vorsichtsmaassregel soll verhütet werden, dass die I’orm der Deflnirfiächen sich verändere. Auf diese Weise erhalten wir ein Stück Paraffin, welches, abgesehen vom Embryo, noch eine dünne Schicht Farbe in sich enthält, die in der Nähe des Embryo eine regelmässige geometrische Figur bildet (Taf. XVHI, Ilg. la.) Nach Ausführung der Schnitte, nach Bearbeitung derselben mit einem Ge- menge von Alkohol und Colodium, nach Auflösung des Paraffins und nach Einschliessung des Praeparates in Canadabalsam, bleiben in der Nähe jedes einzelnen Schnittes von den Deflnirfiächen deutliche Umrisse sichtbar, die auch eine vollständig genaue Reconstruction des Embryo ermöglichen. Für das genaue Beschneiden des Paraffins benutze ich ein kleines Instrument, EeCUNSTHUCTION KLEINEKEK MAKKOSKOPl SCHEE GEGENSTÄNDE. H9 1 das nach meiner Bestellung M. Schanze (Mechaniker des pathologisch- anatomischen Instituts zu Leipzig) höchst befriedigend hergestellt hat. Dieses Instrument, welches ich als Beschneid er bezeichnen will, (Fig. 2) ist speciell zu Schanze’s Mikrotom gemacht, in welches dasselbe statt der Klammer oder des Parallintischchens eingestellt wird. Es besteht aus einem zweimal im rechten Winkel gekrümmten Cy linder (a), dessen oberer Theil in einen King (b) ausläuft, in welchen in horizontaler Lage eine Klammer oder ein Paraffintischchen (d) eingefügt wird, an dem das Praeparat (e) befestigt ist. Durch den oberen Theil des Ringes geht eine Klemmschraube (c) zur bequemeren Fixirung des Praeparates in gewünschter Lage. Der Gebrauch dieses Instrumentes ist selbstverständlich. Es ist auch verständlich, dass man den Paraffin mit Hülfe desselben von jeder beliebigen Seite beschneiden kann. Das Beschneiden kann mit jedem Messer ausgeführt werden, wenn man das Praeparat mit dem freien Ende zur Schneide hin wendet. Man kann das Praeparat auch beschneiden, wenn man dasselbe nach rechts wendet, d. h. zum Mikrotom hin, nur dass man bei dieser Beschneidungsart ein Messer mit bis zu seinem äussersten Ende voll- ständig gerader Schneide haben muss, da man in diesem Falle bloss mi dem Ende derselben schneiden kann. Für die Bequemlichkeit des Abzeichnens der Schnitte ist es nothwendig, dass man die Definirflächen so viel wie möglich dem Gegenstände nähert. Oöenbar müssen die Definirflächen senkrecht zu den auszuführen- den Schnitten gelegt sein, wenn die Reconstruction dem Untersucher recht erleichtert werden soll. Wenn man z. B. durch einen Gegenstand einen Querschnitt legen will, so müssen alle Definirflächen parallel der Längsachse desselben laufen. Die erhaltenen Schnitte werden zusammen mit den entsprechenden Conturen der Definirflächen bei ein und derselben Yergrösserung abgezeich- net und dienen für sehr verschiedene Constructionen, die man in zwei Hauptgruppen eintheilen kann: Flächenconstructionen und Reihenconstruc- tionen. Um die Flächenconstructionen sich vorstellen zu können, denke man sich einige successive Schnitte auf einem durchsichtigen Material z. B. Glas, Wachspapier u. s. w. ausgeführt. Wenn man jetzt alle diese Zeich- nungen nach ihrer genauen Reihenfolge so aufeinanderlegt, dass die Con- turen der Deflnirflächen zusammenfallen, so bekommt man ein solches Ge- bilde, wie man es von einem bedeutend dickeren Schnitte oder von einem ganzen Gegenstände bekommen hätte, wenn derselbe entsprechend ver- grössert und durchsichtig wäre. Für die Flächenconstructionen kann man entweder Wachspapier benutzen in der ebenbeschriebenen Art oder in einer allgemein bekannten Weise die eine Zeichnung auf die andere übertragen. 3D2 N. Kastschenko : ln einigen Fällen kann man einfach mit Hülfe einer Camera lucida auf ein und demselben Papier mehrere successive Schnitte abzeichnen und zwar in der Weise, dass die Conturen der Definirflächen des unter dem Mikros- kop gesehenen Praeparats mit den entsprechenden Conturen des vorher auf- gezeichneten zusammenfallen. Für die Flächenconstruction sind die Längs- durchschnitte besonders günstig. Was die Reihenconstruction anbetrifft, so ist sie aus den erfolg- reichen Arbeiten des Prof. W. His zur Genüge bekannt; ^ darum werde ich nur wenige Worte über die Veränderungen sagen, die diese Methode durch die Einführung der Definirflächen erfährt. Für die Reihenconstruction braucht man gewöhnlich Querschnitte des Gegenstandes^ bei der Construction selbst aber erhält man das Bild eines Längsschnitte. Eine derartige Reconstruction kann auf zweierlei Art vorgenom- men werden: 1) Ohne Aufhebung der Axendrehung des Gegenstandes (hierbei sind hauptsächlich die Embryonen gemeint) und 2) mit Aufhebung dieser schraubenartigen Drehung. Im ersten Falle wird der Längsschnitt derart dargestellt, dass er die Form erhält, die er erhalten würde, wenn er in Wirklichkeit mit dem Messer ausgeführt wäre. Offenbar werden hierbei einige der Länge nach gelegene Theile (Medullarrohr, Chorda u. a.) schief oder ganz quer durchgeschnitten erscheinen. Im zweiten Falle nimmt die Zeichnung ein solches Aussehen an, welches der Längsdurchschnitt des Gegen- standes haben würde, wenn vorher die Axendrehung desselben aufgehoben wäre. Hierbei müssen alle Axenbildungen um Längsschnitte dargestellt werden. Bei der zweiten Art der Construction erhält man demonstrativere Zeichnungen, obgleich einige Verzerrungen der ganzen Form des Gegen- standes unumgänglich sind. Die Reconstruction, mit Aufhebung der schraubenartigen Axendrehung des Gegenstandes ist mit Hülfe der Definirlinien sehr leicht auszuführen. Man muss auf allen Zeichnungen der Querschnitte eine Linie ziehen, die den Gegenstand in gewünschter Richtung schneidet. Die Lage und Rich- tung der Linie muss in Bezug auf die Definirflächen auf allen Zeich- nungen dieselbe sein, in Bezug auf die einzelnen Organe des Embryo kann sie natürlich sehr verschieden sein [e /, Fig. 8 und 4). Hierauf werden die Ausmessungen der verschiedenen Theile des Querschnittes, die von der eben- besprochenen Linien durchschnitten werden, nacheinander angedeutet auf einem in bestimmter Weise liniirten Papier, so dass die Conturen der Definir- flächen zusammenfallen. Wenn man ebenso auch noch einige andere Theile die nicht von dieser Linie durchschnitten werden, darstellen will, so wird ihre Lage auf diese Linie projicirt. ^ Diese Methode ist ira I. und III. Theile der Anatomie menschlicher Embryonen (1880—85) angegeben. KeCONBTKUCTION KLEINEKER MAKKOSKOIMSCHEE ( rEEENSTÄNDE. H03 Die Reconstruction mit der Aufhebung der Axenreliung des (tegen- stcindes wird auf eine etwas complicirtere Weise ausgeführt. In diesem Falle ist unumgänglich noth wendig, um eine jede Zeichnung eines Quer- schnittes einen Kreis mit ein und demselben Radius zu ziehen und zwar so, dass seine Lage in Beziehung auf die Definirtiächen auf allen Zeichnungen dieselbe bleibt (Fig. 3 u. 4). Hierauf projicirt man die Lage der verschiedenen Organe des Embryo, die in einer bestimmten Ebene liegen, z. B. der sagittalen Ebene, auf den entsprechenden Diameter (Fig. 3 u. 4 gk) des umschriebenen Kreises. Ferner wird die Reconstruction ebenso ausgeführt, wie im ersten Falle. ^ Der Gebrauch der Definirtiächen giebt nicht nur die Möglichkeit zu einer genauen Reconstruction, sondern ist auch in anderer Beziehung für die Erlernung des Gegenstandes dienlich. Eben mit Hülfe dieser Methode kann man mit grosser Genauigkeit die Veränderung der Form des ganzen Körpers und der Lage seiner einzelnen Theile in der Fläche der succesiveii Schnitte bestimmen. Man kann z. B. bei Querschnitten genau die Grösse des Winkels, um den sich der Gegenstand gedreht hat, bestimmen. Ich glaube, dass diese Methode nicht nur für die Embryologie von grossem Nutzen ist, sondern auch für alle anderen mikro-anatomischen Wissenschaften. In den Fällen, wo es nicht nothwendig ist die ganze Ober- lläclie des Gegenstandes unangetastet zu lassen, wie es gewöhnlich der Fall ist bei Untersuchungen von einzelnen Theilchen relativ grosser Orga- nismen, wird die Anwendung dieser Methode dadurch um vieles vereinfacht, dass man die Ausrüstung des Praeparates mit Definirtiächen viel einfacher ausführen kann. Hierfür ist es vollständig genügend, das oben beschriebene Beschneiden des Paraffins derart auszuführen, dass man die Oberfläche des Gegenstandes selbst mitbeschneidet. Dann werden die abgeschnittenen Oberflächen die Definirflächen darstelleii. Das Befärben des Paraffins wird in diesem Falle unnöthig. Ich bin im höchsten Grade Hrn. Prof. W. H i s für seine liebens- würdige Beförderung meiner Studien dankbar, wie auch Hrn. Dr. Altmaun, der mich mit seiner Mikrotomirmethode bekannt gemacht hat. ^ Offenbar könnte man statt der Uiusclireibung eines Kreises um einen jeden Schnitt dem ganzen Praeparat die Form eines Cylinders geben, jedoch scheint mii dieses für die Praxis unzweckmässig zu sein. 394 N. Kastscthenko: Methode zue Reconsteuction u. s. w. Erklärung der Abbildungen. (Taf. XVIII.) Fig. 1. Ein Hühnerembryo, zweimal in Paraffin eingeschlossen und mit Definir- fiächen (a) versehen. Fig. 2. Beschneider. Natürliche Grösse. a — ötiel, b — Ring, c — Klemmschraube, — Paraffintischchen, e — Paraffin- praeparat. Figg. 3 und 4. Zwei verschiedene Schnitte eines und desselben Hühnerembryos. 1 Syst. V. Hartnack. Camera lucida v. Oberhäuser. ah. hc, cd — Definirfiächen. ef — beispielsweise ausgeführte Linie, die der Reihenconstruction ohne Ver- nichtung der Axendrehung des Embryos dient. ()h Fig. 3 und gh — Fig. 4 zwei verschiedene Diameter des Kreises gih, die der Sagittalreihenconstruction mit Vernichtung der Axendrehung des Em- bryos dienen. Archiv f.Ajuii. u. Ilnjs. IS86. Anal. Ahfhhj. Tar.xm. K Kastsdieiiko, del. Verk^^ Veit 8- t’omp, Leipzig. lith.Anst.-v: E.A. funke. Leipzig. , [Jeher den Verschluss des menschlichen Magens an der Cardia. You A. von Gubaroff aus Moskau. (Gearbeitet auf der topographischeu Abtheilung des Hru. Prof. Braune.) (Hierzu Taf. XIX.) Schon im Jahre 1871 hat Prof. W. Braune^ die Angabe gemacht, dass bei einem Rumpfstück, von dem die obere Thoraxhälfte hinweggenommen war, in Rückenlage durch den lang erhaltenen Oesophagus grosse Alengen Wasser sich in den Magen hineintreiben dessen, ohne wieder zurückzufliessen, trotzdem am Oesophagus keine Ligatur angebracht worden war. Beim Eindringen des Fingers durch das Oesophagusstück in den Magen fühlte man zwischen Cardia und Fundus die Magenwand so scharf vor- springend, dass man auf die Yermuthung kam, es handle sich hier um eine Ventil Wirkung. Die anatomische Litteratur giebt hierüber verhältnissmässig wenig Aufschluss. Die Angaben, die sich vorfinden, sind meistens nur theoretischer Natur. So findet sich bei Spigel,^ welcher, nachdem er die Ränder des Foramen oesophageum als muskulöse beschrieben hat, sich darüber folgender- maassen ausspricht: „Hoc (diaphragma) dum contrahitur versus principium. ^ W. Braune, Topographisch-anatomischer Atlas nach Durchschnitten an ge- frorenen Cadavern. Kleine Ausgabe, Leipzig 1878. S. 113 — 114. (Erklärungen zur XIII. Tafel.) ^ Adriani Spigelii, De corporis humani fahr ico libri decem. Francofurti 1632. p. 133—134. 896 A. VON (fUBAKUFF; tibrae uimies colligiintur in Auch Fantoni^ beschreibt Muskelfasern, welche das Forauien oesophageum circular iimfaugen, eine Constriction der Cardia ausführeii und gemeinsam mit dem Diaphragma das Zurückhiesseu des Mageninhaltes in die Speiseröhre verhindern können. Die meisten Autoren beschreiben überhaupt das Foranien oesoi)hageuni als eine musculöse Oeffnung. In diesem Sinne wird es auch von H^^p. Cloquet,'^ Yelpeau,^ Bourgery^ und anderen dargestellt, doch hat Cruveilhier^ an einer Leiche, die er in seinem Cursus gebraucht hat, ein Foramen oeso- phageum beobachtet, dessen vorderer Rand aponeurotisch war. Auch an den Langenbeck’schen Tafeln^* kann man diese Aponeurose am vorderen Rande sehen. Blandin’' geht sogar soweit, dass er die aponeurotische Natur des vorderen Randes des Foramen oesophageum als normal darstellt. B o u r g e r,y ^ nimmt dagegen eine vollständige Umgebung des Foramen oesophageum durch muskuh'ise Fasern an und erwähnt ausdrücklich einen kleinen sich pinselförmig ausbreitenden Muskelfortsatz, welcher nach rückwärts von dem vorderen Rande ausläuft und in der Länge von einigen Linien auf der vorderen Oesophagus- wand hinlaufend sich schliesslich in den Längsfasern des Oesophagus verliert. Diese Verhältnisse, welche übrigens schon von Haller und anderen xiutoren notirt, aber von ihnen als zufällige und nicht constante erklärt wurden, sieht Bonrgery als constant und normal an. Nach der Meinung von Fr. ArnokD sollen die Fibrae obliquae wagerechte Kreise bilden, die sich an der Cardia an die circularen Fasern der Speiseröhre anschliessen und um das Ostium oesophageum ein breites horizontales Band bilden, mit der Wirkung eines Sphincter oesophagi. Damit kann sich aber Luschka nicht einverstanden erklären. Er meint vielmehr dass gar kein beson- derer Schliessmuskel des oberen Magenmundes voidianden sei, sondern dass der Mageninhalt durch Bildung strahlig auslaufender Längsfasern an der Schleimhaut des Cardialrandes der Speiseröhre zurückgehalten werde. ^JohaDiii Fantoni Dissertationes anatomicae septem renovatae, Taiizigii. 1745. p. 95. ^ Hypp. Cloquet, Traite dUmatomie descriptive. Paris 1822. p. 996. ^ Velpcau, Traite complet Tanatomie chirurgicale. Paris 1838. t. II. p. 188. ^ Pourgery et Jacob, Anatomie descriptive uu physiologique. Paris 1834. t. 11. p. 17. Cruveilhier, Cours d’etiLdes anatomiques. Paris 1830. ® Langenbeck, Icones anatomicae. Göttingen 1826 — 1838. Myologia Tab. XII. Figg. 2 u. 3. Blandin, Traite d'anatomie topographique ou des regions du corps hmuain. Paris 1826. p. 292. ® Bonrgery et Jacob, a. a. O. S. 17. Yy. kx\io\A, Handbuch der Anatomie des Menschen. Freiburg 1847, Bd. II. S, 73. Luschka, Die Lage der Baucheingeweide des Menschen. Carlsruhe 1871. S. 15. Über den Vbrschlüss des menschlichen Magens an der ('ardia. 397 HjrtP giebt die Möglichkeit einer Compressiun der Hpeiseröhre durch die von den Zwerchfellschenkeln gebildete Muskelzwinge zu; doch hält er es für wahrscheinlicher, dass der Schluss der Cardia durch die Lage- veränderung des Magens und dadurch bedingte Knickung des Oesophagus zu Stande komme. Er giebt an, dass das Zwerchfell über das Foramen oesophageum einige Gewalt besitze, weil er gelegentlich beobachtet habe, dass man dem Aufstossen (ructus) durch eine tiefe Inspiration vorzubaueii im Stande sei. Nach Sappey^ stellen sich die Verhältnisse so, dass der Oesophagus an den musculösen Ländern seines Foramen durch Bindegewebe befestigt ist. Er beschreibt auch ein dünnes, von dem linken Rande dieses Foramen gehendes Muskelbündelchen, welches sich an der entsprechenden Oesophaguswand inserire. Manchmal existiren nach seiner Angabe zwei solche Bündel, welche von den Rändern dieses Foramen an der vorderen Oesophaguswand herabsteigen. M. Rouget hat deren Fasern sich kreuzen gesehen. Auch Henle (Muskellehre, xitlasS. 117, Handbuch der System. Anatomie des Menschen S. 78 Fig. 43) giebt nach einer genauen Beschreibung der muskulösen Theile an, dass der Oesophagus zwischen Muskelfasern liege, deren Contraction den Erfolg haben müsse, durch Uebergang des bogen- förmigen Verlaufes der Fasern in den geradlinigen die Spalten zu verengen, dann sie zu kürzen. Aus diesen Litteraturzusammenstellungen geht hervor, dass die Angaben über den Bau des Foramen oesophageum und über den Verschluss der C-ardia nicht völlig übereinstimmen, so dass es nothwendig erscheint: 1. den Faserverlauf am Foramen oesophageum nochmals zu untersuchen; 2. den Verschluss der Cardia experimentell zu prüfen. Es finden sich zwar überall einzelne Andeutungen des vorhandenen ^lechanismus, jedoch ist bisher der Verschluss der Cardia immer noch eine oflene Frage gewesen. Die drei grossen Passagen des Zwerchfelles für die Vena cava inferioi’, Aorta und Oesophagus unterscheiden sich dadurch von einander, dass die Gefässöftnungen dauernd offen erhalten bleiben müssen, der Oesophagus dagegen nur zeitweilig. Dies ist dadurch erreicht, dass die Aorta dicht am Ursprung der Zwerchfellfasern auf der Wirbelsäule liegt, parallel zu den Faserzügen und deshalb nicht von den verkürzenden Faserzügen zu- sammengeschnürt werden kann. Die Vene ist weit davon entternt im Centrum tendineum gelegen und durch diese Lage gegen jede Compressioii ^ J. Hyrtl, Handbuch der topographischen. Anatomie. Wien 1847. III. Buch. S. 415. ^ Sappey, Tratte d‘‘anatomie desertptive. Paris 1870. 8 me edit. p. 256. 398 A. VON Gubaroff: gesichert. Der Zug der Muskeln kann das Foramen für die Vene nur erweitern, nicht verengern (vgl. Taf. XIX, Fig. 1). Zwischen beiden Oeff- nungen liegt der Oesophagus, von einer muskulösen Zwinge allseitig um- geben, so dass, wie schon Heule sehr richtig bemerkt, die Zusammen- ziehungen des Zwerchfelles das Foramen oesophageum verengern müssen. Die anatomischen Verhältnisse des Zwerchfelles am Foramen oesophageum sind folgende: Bei der Praeparation von vorne her von der Bauchhöhle aus, sieht man. wie schon vielfach l)eschriehen, dass zwei mächtige fleischige Muskelpfeiler, ^velche schräg vom Lig. longitudinale anticum in der Höhe des diitteu Lendenwirbels ausgehen, einen Schlitz, der in der Mittellinie liegt und mit seinem oberen Ende bis nahe an das Centrum tendineum reicht, begrenzen. Meist ist er noch von bogenförmigen Fleischfasern, welche die Fortsetzung dieser erwähnten Pfeiler bilden, nach oben umgeben und dadurch vom Centrum tendineum abgegrenzt. Nur in sehr seltenen Fällen ragt er bis an das Centrum tendineum selbst. Der oberste Theil dieses Schlitzes wird vom Oesophagus passirt, der unterste von der Aorta. Die Abgrenzung der Aortenööhung von dem Foramen oesophageum wird dadurch gebildet, dass auf den medialen Rändern des grossen Muskelpfeilers ein sehniger Saum liegt, der oben bogenförmig den Hiatus aorticus schliesst. Von diesem sehnigen Saum entspringen weitere Muskelbündel, welche bogenförmig das Foramen oesophageum umgreifen und nach unten gegen das Aorten- loch hin abschliessen. In der Mehrzahl der Fälle ist es ein starkes Muskelbündel, welches von der rechten Seite des sehnigen Hiatus aorticus entspringt und einen Zuwachs erhält von den tiefen Muskelschichten des rechten Pfeilers. Dieses Muskelbündel wendet sich auf die linke Seite herüber, geht bogenförmig um den Oesophagus herum und endigt zum grössten Theil im Centrum tendineum. Nur wenige Fasern schwenken am oberen Rande des Foramen oesophageum nach der rechten Seite hinüber und fliessen dort mit den Muskelfasern zusammen. Ausserdem flndet mau oft, wenn auch nicht so regelmässig, vom linken Pfeiler ein Muskel bündel ausgehen, welches in der Tiefe unter dem vorhin erwähnten Bündel nach rechts hinüberzieht und gleichfalls nach oben theils bogenförmig den Oeso- ])hagus umgreift, theils am Centrum tendineum ansetzt. Dadurch wird die Form der Achtertour um den Oesophagus gebildet, nicht in der Weise, wie dies Heizmann in seinem bekannten Atlas abbildet (Fig. 220, S. 116), wohl aber übereinstimmend mit den Angaben und Abbildungen von Henle. Aus dem Gesagten wird verständlich, dass diese Verhältnisse besser von hinten her durch Praej)aration klargelegt werden können, eine Praeparation, bei welcher man sehr deutlich die Sphincternatur dieser Muskelanlage erkennt. Dazu kommt noch, dass Muskelfaserzüge die äussere Längs- ITbeh den Yebschlitss des menschlichen Magens an dee Cardia. 899 muskulatur des Oesophagus in Verbindung setzen mit der Muskulatur des Zwerchfelles, welche mit hinweggeräumt werden, wenn man die Fascie am Foramen oesophageum entfernt, und dadurch wird das Foramen oeso- phageuni selbst theilweise zerstört. Auch diesem Uebelstande entgeht man, wenn man das Foramen oesophageum von der Rückseite des Zwerchfelles aus praeparirt. Figg. 2, 3, 4 gehen Abbildungen des Foramen oesophageum, wie es sich bei der Praeparation von hintenher darstellt und zwar sind Taf. XIX Figg. 3 und 4 vom menschlichen Zwerchfell, Fig. 5 von dem des Hundes genommen. Man sieht zunächst den Uebergang der Fasern des Zwerch- fells auf den Oesophagus (Fig. 3) und ferner erkennt man deutlich die Anordnung der Fasern zu einem Sphincter des Oesophagus. Namentlich Fig. 4, deren Praeparat durch Spannung in die ursprüngliche räumliche Lage gebracht wurde, zeigt fast das Bild wie es der Sphincter ani bietet. Am unteren Rande des Foramen oesophageum findet sich eine sehnige Naht, von welcher eine Anzahl von Muskelfasern ihren Ursprung nehmen, welche nach oben bogenförmig den Oesophagus umschlingen (Fig. 4), ähnlich, wie die vom Lig. palpebrale entspringenden Fasern des Orbicularis oculi. Ebenso findet sich ein sehniges Bändchen auf der Rückseite des Oesophagus, welches in die Längsmuskulatur desselben übergeht und den Ansatzpunkt für eine Reihe von Fasern bildet, welche den Oesophagus schlingenförmig umgeben (Fig. 3); ganz ähnlich findet man auch eine solche sehnige Naht am unteren Rande des Foramen oesophageum beim Hunde. Diese Zwerchfellmuskulatur würde aber doch nur einen schwachen Verschluss abgeben können, ebenso wie der Sphincter ani externus nur einen relativ schwachen Antheil an dem Schliessapparat des unteren Mastdarm- endes nimmt; wenn nicht zum Cardiaverschluss noch eine Ventilwirkung hin- zuträte, deren Zustandekommen durch die Muskelwirkung des Zwerchfells erleichtert wird, ihre Orundlage aber in dem schiefen Einsetzen des Oeso- phagus am Magen unterhalb des Fundus findet. Um den Ventilschluss zu untersuchen , wurden die Inj ections ver- suche wiederholt und unter verschiedenen Verhältnissen angestellt. Im Ganzen wurden neun Versuche an möglichst frischen Cadavern vorgenommen, welche sämmtlich normalen, muskelkräftigen Individuen (Selbstmördern) angehörten. 1. Es wurde an mehreren Cadavern der Thorax quer oberhalb des Zwerchfelles abgenommeu und der Oesophagus ziemlich lang erhalten. Es liess sich wiederholt durch den letzteren in den Magen bei genau horizontaler Rückenlage eine grössere Quantität Flüssigkeit einspritzeu, ohne dass dieselbe 400 A. VON Gubaroff: wieder zurück floss. Nur mitunter, bei sehr starker Anfüllung-, fing sie an, allmählich wieder aus dem Oesophagus auszufliessen, als ob das Ventil an der Cardia durch übermässige Ausdehnung relativ insufficient geworden wäre. Aussderdem war doch auch zu bemerken, dass durch das Abtragen des Thorax die Rippen ihren festen Halt verloren hatten und in Folge davon die Zwerchfellspannung verändert worden war. Ebenso war es möglich, dass ein Theil der Flüssigkeit aus Magen und Duodenum in die Dünndärme geflossen war. Bei diesen Versuchen konnte man recht deutlich wahrnehmen, dass ein Zug am Zwerchfell die Ventil Wirkung erhöhen oder vermindern konnte, je nach der Richtung, in welcher er angebracht wurde. Wenn man das Herz auf dem Zwerchfell erhielt und bei Rückenlage des Cadavers seiner Schwere überliess, so floss der Mageninhalt leichter ab; die Ventil Wirkung wurde dagegen erhöht wenn an dem Herzen ein Zug in der Richtung der von Teutleben^ beschriebenen Bänder des Zwerchfelles angebracht wurde. 2. Es wurden die Versuche so abgeändert, dass durch einen kleinen Schnitt in die Linea alba des Bauches bei sonst unverletztem Cadaver die Flexura duodenojejunalis zugänglich gemacht wurde, um von hier aus nach aufwärts den Magen zu füllen. Es ward die Bauchwunde dicht um die Canüle geschlossen, um die natürlichen Verhältnisse möglichst wieder her- zustellen , der Thorax intakt gelassen und entweder auf ein Ansteigen der Flüssigkeit im Schlundkopf geachtet oder der am Halse freigelegte und auf- geschnittene Oesophagus auf das Ausströmen von Flüssigkeit angesehen. In sechs Fällen wurde so verfahren und jedesmal ein Schluss der Cardia constatirt, wenn mit schwachem Drucke von wenigen Centimetern Wasser- höhe operirt wurde Nur dann, wenn nach Eröffnung der Bauchhöhle ein Zug aus der Magen wand ausgeführt wurde, welcher den Oesophagus winkel an der Cardia möglichst streckte, oder wenn der Druck bedeutend ver- stärkt ward, konnte man die Flüssigkeit zum Ausfliessen in den Oeso- ])hagus bringen. Letzteres wurde mehrmals beobachtet. Es musste also die Ventil Wirkung dadurch zu Stande kommen, dass durch die passive Spannung des Zwerchfells der Oesophagus an dem Foramen oesophageum förmlich abgeknickt wurde. Es forderten diese Versuche auf zu der wei- teren Untersuchung, wie an gut gehärteten Körpern die Lage des Oeso- phagus zur Magenaxe und zum Fundus sich gestaltet. Es lässt sich erwarten, (lass hier mancherlei Verschiedenheiten verkommen. Die mehr gestreckte Lage des Oesophagus zum Magen lässt erwarten, dass beim Neugeborenen die Ventilwirkung nur eine schwache ist, was damit übereinstimmt, dass bei Kindern der Mageninhalt bei Lage Veränderung des Körpers so überaus ^ V. Teutleben, Die Ligamenta siispensoria diapbraginatica des Menschen. Dies Archiv. 1S77. S. 2.S7. Über den Verschluss des menschlichen Mauens an der Cardta. 401 leicht regurgitirt. Indessen mögen auch hei Erwachsenen die Verhältnisse verschieden sein, da Manche überaus leicht brechen, andere nur mit der grössten Anstrengung heim Erbrechen Mageninhalt herauswürgen können. Darstellung der Oesophaguseinniünduug in den Magen an gehärteten Praeparaten. (Taf. XIX, Figg. 5, 6, 7, 8). 1. Fig. 5 zeigt den Frontalschnitt durch den festgefrorenen Körper eines er- wachsenen, normal gebauten Mannes mittleren Alters, von hinten her betrachtet. Der Schnitt verläuft vor der Brustwirbelsäule durch beide Lungen und den linken Vorhof des Herzens, tritt darauf durch das Zwerchfell in die Bauchhöhle über, knapp hinter dem Foramen oesophageum, durchschneidet den Fundus des Magens, welcher durch Speiseinhalt stark ausgedehnt war. Dann schneidet er schräg die Aorta descendens und tritt nach abwärts in die Lendenwirbelsäule ein. Die Leber wird im rechten Lappen nahezu frontal halbirt, der Lob. Spigelii gestreift und die Vena cava inferior in grösserer Länge freigelegt. Das weitere Detail erläutern die an der Figur selbst an- gel)rachten Bezeichnungen. Beim Eindringen des Fingers in das Foramen oesophageum von oben her, konnte man deutlich die enge Zwinge des Zwerchfelles fühlen. Es wurde nachträglich, wie in der Zeichnung zu sehen, das Foramen oesophageum aufgeschnitten. Man bemerkt, dass der Fundus beträchtlich höher steht, als die Cardia, und dass der starke A'orsprung an dem oberen Rande der letzteren recht gut bei stärkerer Ausdehnung des Fundus ventilartig den Oesophagus abschliessen kann. Auf dem Querschnitt sieht man sehr deutlich die Mächtigkeit des darin liegenden Zwerchfellschenkels. 2. Fig. 6 bildet den gut in Chromsäure gehärteten Körper eines aus- getragenen neugeborenen Kindes ab. Die frontal weit geöffnete Bauchhöhle ist ausgeräumt und nur Magen, Duodenum und Milz darin gelassen, die linke Seite der Brusthöhle weit geöffnet und der ganze Körper so gedreht, dass man von links her in das Coelom hineinblickt. Die Aorta ist hinter dem Bogen abgeschnitten, die linke Lunge frontal angeschnitten, die rechte intakt. Oesophagus, Magen, Duodenum, Milz sind in situ gelassen, Magen, Cardia und ein Stück des Oesophagus durch einen Frontalschnitt geöffnet. Der Oesophagus zieht hier viel steiler, als bei dem vorigen Bild, herab, aber auch hier lässt sich ein Ventil herausconstruiren, infolge des hoch ge- legenen Fundus und der schiefen Einbohrung des Oesophagus in den Magen, und auch hier ist die Cardia vom Zwerchfell eng eingeschnürt. Ergänzt wird dieses Bild, welches einen starken Füllungsgrad des Magens zeigt, durch das folgende in Fig. 7 abgebildete Praeparat, bei welchem der Magen viel weniger angefüllt war. Hier sind noch sämmtliche Gedärme Archiv f. A. u. Ph. 1886. Anat. Abtlilg. 20 402 A. V. Gubaroff: Über den Verschluss des menschlichen Magens. iu der Bauchhöhle gelassen , die letztere selbst ist weit geöffnet, während von der Brusthöhle nur die linke Hälfte geöffnet ist. Man kann den Ver- lauf der Nahelvene zur Leber gut verfolgen und sieht den Magen an der Cardia nebst dem ansstossenden Stück des Oesophagus weit geöffnet. Auch hier zieht der Oesophagus steil herab, zeigt also ebenso, wie die vorige Ab- bildung eine ungünstige Lage für eine A^entilwirkung, ganz besonders aber wird durch die geringe Ausdehnung des Fundus ersichtlich, dass eine Aul- treibung desselben zur Ventilwirkung gehört. 3. Fig. 8 zeigt die Lageverhältnisse von der Zwerchfellkuppel aus be- trachtet. Man sieht unter dem weit geöffneten Zwerchfell rechts die Leber mit der Vena cava und den einmündenden Lebervenen; der linke Leber- lappen ist abgeschnitten, so dass die Theile unter der linken Zwerchfell- kuppel sichtbar gemacht sind, nämlich der aufgetriebene Fundus und die Milz. Man sieht den Oesophagus schief zu dem Magen herüberziehen und wie eingeknickt von oben her, eine Einwirkung des nachträglich weggenom- menen Zwerchfellschenkels. Das Praeparat stammt von dem gefrorenen und quergeschnittenen Körper eines nicht völlig ausgetragenen Neugeborenen ; an dem Schnitt wurden successive das Zwerchfell und die Lungen weg- genommen. Dieselben Verhältnisse sind zur Evidenz gut erkennbar an den schönen Gypsabgüssen, welche His nach in Chromsäure gehärteten Körpei'u angefertigt und theilweise in diesem Journal (Jahrgang 1878) beschrieben hat. Zu untersuchen bleibt ferner, ob die Musculatur der Magenwandung an der ( Jardia einen Sphincter" bildet, wie es z. B. beim Pferde der Fall ist,i ferner, welche Muskeln sich beim Brechact betheiligen. Kommt der Brechact dadurch zu Stande, wie dies Lüttich - annimmt, dass das Zwerch- fell herabrückt, so ist schwer zu verstehen, wie bei dieser Action das Fo- ramen oesophageum erweitert werden soll. Wenigstens habe ich keine Muskelfasern am Diaphragma nach weisen können, welche activ durch ihre Contraction das Foramen oesophageum erweitern, eine Annahme, welche Gad^ gemacht hat. Ich behalte mir vor, durch Schnitte des Magens die Musculatui’ der Magenwand an der Cardia in einer s])äteren Untersuchung klar zu legen. Hrn. Proh^ssor Braune sage ich schliesslich an dieser Stelle für seine mannigfache Unterstützung meiner Arbeit meinen besten Dank. ^ Leise ring, Atlas der Anatomie des Pferdes. Leipzig 1861. Taf. 19, Fig. 8; — Franke, JTandhnch der Anatomie der Hausthiere. Stuttgart 1888. S. 507 : — Uui’tl, Atlas der anatomischen Ahhildunxjen der Hausthiere. Berlin 1829. Taf. 56. ^I'ext S. 262. " Lüttich, Ueher den ]\[ec.hanismus des Brechaktes, insbesondere über die Be- theiliffinicj des Oesophagus. Dissertation. Kiel 1875. S. 14. ' (iad, „Frhreeheii**. rieal-Fncyeloi»iidie der gesanmiten Iteilkunde von Eiileu- hurg. 2. Aull. B.KeiHtz gez. Litb.. tet:T.E . k .F^jnke , Leipzig Archiv f'.Anal.u.Fhys'. h’ig. 7. Taf.m. Arx'hr f 'JrM/ ä7%vj'. ISSo. Amii AMI FUj.3. a.anmj)mu. anomjma. ' tradua ■ oeaophagus. ■ lAnv/a, inf Ten sin Taf.XU. y Verlag Veit Ä-Comp. Leipzig Fx^.t. F!g2. Fig. 7. Lith ^ns'.-tE A F-jiÄe.Lftipr.q Fffj. 6. üel)er r, ist, während die obere Wand hinten von der ventralen Wand der Herzhöhle gebildet wird, vorn von der ventralen Fläche des Kopfes. Dass dieser Raum hinten einen allseitig geschlossenen (iuersclmitt darstellt, kommt Übee die mesodeemfreie Stelle u. s. w. 417 natürlich daher, dass das Proamnion sich in der Mittellinie weiter rück- wärts erstreckt als an den beiden Seiten, oder mit anderen Worten, dass seine hintere Begrenzung einen spitzen Bogen mit nach vorn gekehrter Concavität darstellt. Vorn dagegen fehlt diesem Raume eine dorsale Wand zu den beiden Seiten des Kopfes, Fig. 4ö; der Uebergang von dem ge- schlossenen zum offenen Theile geschieht so, dass das dorsale Ectoderm- blatt von Fig. 4 c sich mit dem seitlichen Ectoderm des Kopfes verbindet, während das ventrale Blatt seitwärts in das Ectoderm der dorsalen Wand der beiden Pleuroperitonäalhöhlen- Abtheilungen übergeht, Fig. 4 h. In Fig. 4 sieht man allenthalben die dorsale Wand dieser Höhle in eine Falte, /?«, gehoben; diese ist die Amnionfalte, und die beiderseitigen Falten ver- einigen sich vor dem vorderen Rande des Proamnion durch eine bogen- förmige, nach vorn convexe Falte, dessen Durchschnitti in Fig. 3 pa abgebildet ist. Durch Hebung dieser Falte wird selbstverständlich eine periphere, mesodermbekleidete Partie der Kopfscheide gebildet, die nicht mit der Kopfkappe verwachsen ist, während dagegen diese letztere in ihrer ganzen Ausdehnung noch immer mit der grösseren centralen Partie der Kopfscheide verwachsen ist. Das Proamnion ist also jetzt identisch mit der ganzen Koptkappe, die mit dem centralen Theile der Kopfscheide verwachsen ist. Indem sich nun das Amnion in der bekannten Weise mehr und mehr von vorn über deiL^opf schiebt, bildet sich eine Höhle aus, die den freien Abschnitt des Kopfes enthält und deren Boden, vom Proamnion gebildet wird; man kann sie Proamnionhöhle nennen, wenn man nur erinnert, dass sie identisch mit der vorderen Abtheilung der späteren Amnionhöhle ist. Sein hinteres Ende, dessen Querschnitt wir in Fig. 4 c sahen, stellt dann gewissermaassen einen blindsackförmigen Anhang dieser Höhle dar. Im Laufe des dritten Tages treten folgende Veränderungen ein: Die Flexion des Kopfes, die schon am zweiten Tage angefangen hat, schreitet fort; die vordere Abteilung des Kopfes kommt unter rechtem Winkel mit dem übrigen Theile zu liegen; später wird die Flexion des Kopfes noch vollständiger, so dass der vordere Theil ventralwärts vom mittleren und hinteren zu liegen kommt; die Kopfspitze sieht dann direkt nach hinten, und wenn diese Spitze sich in dieser Richtung verlängert, wird es ganz natürlich sein, dass sie in den Blindsack des Proamnion hineindringt. Gleichzeitig hat sich der Schluss des Amnion vorn vollzogen. Die Quer- schnitte Fig. 5 ö, ^ und c von einem Embryo von 2^2 Tagen werden nach diesem leicht verständlich sein: c geht durch die mittlere Gegend des Herzens und zeigt den Blindsack, ventralwärts vom Proamnion pr be- grenzt. Zu seinen beiden Seiten sieht man den Querschnitt der Vena vi- tellina ant., vva\ die Amnionfalten, pa, haben sich einander über den Rücken des Embryos genähert und sind im Verschmelzen. Dieser Schnitt Archiv f. A. u. Ph. 1886. Anat, Abthlg, 27 418 Edvaed Ravn; entspricht ganz Fig. 4 e. In durch den vorderen Theil des Herzens, sieht man ganz dasselbe, nur schliesst der Blindsack die Spitze des Kopfes ein über -pr. Endlich in «, in der Gegend vor dem Herzen, ist die Bauchwand geschlossen (oder, was dasselbe ist, der Schnitt geht durch den freien Theil des Kopfes) ; der Blindsack und die Proamnionhöhle sind verschmolzen, das Amnion steht nicht länger in Verbindung mit dem Körper des Embryos und hat sich auch von der serösen Membran, ms^ geschieden. Auch dieser Schnitt entspricht ganz demjenigen von Fig. 4 «, wenn man hier die beiden Amnionfalten pa dorsalwärts über den Kopf führen und vereinigen. Die Schnitte, die den Uebergang zwischen Fig. hh und a zeigen, sind der Fig. 4 h ganz ähnlich. — Ich bemerke, dass während in den vorigen Figuren auch das Feto- und Entoderm des Embryos bez. roth und blau angegeben ist, habe ich in dieser und in der folgenden Figur diese Farben auf das Feto- und Entoderm der foetalen Adnexen beschränkt. Im Anfänge des dritten Tages hat nun auch das Proamnion angefangen sich zu verkleinern, und nach wenigen Stunden ist es auf einen kleinen Best reducirt. Die Verkleinerung geht so vor sich, dass seine lateralen Ränder sich einander nähern, während sein vorderer und hinterer Rand nicht dasselbe zu thun scheinen. Es wird also schmäler, aber nicht kürzer. Während am Schlüsse des zweiten Tages der laterale Rand des Proamnion und derjenige der Kopf kappe, wie oben erwähnt, identisch waren, schiebt sich vom Anfänge des dritten Tages die Uebergangsfalte von Darmfaser- platte zur Hautplatte, die in Fig. 4 mit x bezeichnet ist, immer mehr in das Gebiet der Kopfkappe hinein, indem sie zwischen Ectoderm und Ento- derm des Proamnion medianwärts hervorrückt. Dadurch verschmälert sich das Proamnion im Verhältnis zur Kopfkappe, und in der oben beschriebenen Fig. 5 sieht man daher diese Falte x eine gute Strecke medianwärts von dem noch stumpfen Umbeugungswinkel zwischen der Kopfkappe und dem Boden des peripheren Theils der Pleuroperitonäalhöhle gelegen. Die erwähnte Falte rückt derjenigen der anderen Seite immer näher, bis sie ihr endlich in der Mittellinie der Kopfkappe begegnet. Nach der Begegnung ist selbstverständlich das Proamnion ganz und gar verschwunden, indem es jetzt nicht mehr eine mesodermfreie Stelle der Keimscheibe giebt, aber aus den erwähnten Falten geht ein zwei- blättriges Gekröse hervor, das die beiden Pleuroperitonäalhöhlen- Abtheilungen ventralwärts vom Kopfe von einander scheiden. Dieses Gekröse, aus zwei Schichten Mesoderm bestehend, ist sagittal gestellt, seine Höhe (in dorso- ventraler Richtung) ist äusserst gering; sein dorsaler Rand ist an die ven- trale Fläche der Kopfscheide (im hintersten Theil natürlich an den Blind- sack), sein ventraler Rand an die Kopfkappe angewachsen, sein vorderer Rand ist frei und sieht in die vordere Communication der beiderseitigen Über die mesodermereie Stelle u. s. w. 419 Pleiiroperitonäalhöhlen, sein hinterer Rand ist ebenfalls frei und sieht in die Herzhöhle. Man kann sich ein Bild von einem Sagittalschnitte dieses Gekröses vorstellen, wenn man sich in Fig. 3 die rothe und blaue Linie des pr etwas von einander entfernt denkt und dazwischen eine dicke schwarze Linie eingeschohen, die das Mesoderm von cpp^ und cpp"^ verbindet. Ein Querschnitt von dem Gekröse ist in Fig. 6 von einem Embryo von 68 Stunden abgehildet; es liegt über pr. Zu beiden Seiten von seinem Ur- sprünge sieht man die Venae vitellinae anteriores, die also mit der Meso- dermfalte median wärts gerückt sind. Dieser Schnitt entspricht in der Serie Fig. 5 einem Schnitte ungefähr mitten zwischen a und b\ man sieht die Verbindung zwischen der Höhle des Blindsacks, die die Kopfspitze enthält, und dem übrigen Theile der Amnion- (oder Proamnion-) Höhle ganz wie in Fig. 4 b und einige Schnitte weiter vorn wird man die Verbindung mit der Amnionhöhle auch an der anderen (linken) Seite (die in Fig. 6 nach unten gegen die Keimscheibe sieht) treffen; dann ist die Brustbauch- wand geschlossen und die folgenden Schnitte nach vorn zeigen dasselbe Bild wie Fig. 5 a, ausgenommen natürlich die Veränderungen an dem Pro- amnion. Von dem weiteren Schicksale des Gekröses ist nur zu sagen, dass es einige Tage bestehen bleibt, dann zerreisst es allmählich in seiner ganzen Länge; somit ist also jede Spur des Proamuion verschwunden, und das Amnion geht jetzt überall vom Rande des Hautnabels aus. Ich habe nur noch eine Bemerkung über den Blindsack der Pro- amnionhöhle beizufügen. Dieser ist nur, wie es hoffentlich nach dem Vor- stehenden verständlich ist, eine nach hinten gekehrte und in der Median- ebene gelegene Ausstülpung desjenigen Theiles der Amnionhöhle, den ich Proamnionhöhle genannt habe. Er ist Anfangs , ebenso wie diese Höhle, ventralwärts vom Proamnion begrenzt, später besteht seine ventrale Wand aus Ectoderm und Mesoderm wie das übrige Amnion, hängt aber durch ein Gekröse mit der Kopfkappe zusammen. Allmählich wie die Brust-Bauch wand sich verschliesst, wächst der Blindsack nach hinten, das heisst: die Stelle, wo in Fig. 3 das Ectoderm des Proamnion hinten wieder nach vorn in die ventrale Wand der Herzhöhle umbiegt (ein wenig links vom Pfeile 1), rückt allmählich weiter nach hinten zwischen Entoderm und Darmfaserplatte des hinteren Theiles der Herzhöhle. Wenn das hintere Ende des Blindsackes in der Gegend der Leber angelangt ist, ist es an eine Stelle gekommen, wo der geschlossene Vorderdarm längere Zeit mit der Keimscheibe verbunden bleibt, man wird daher den Durchschnitt des Blind- sackes im Grunde des ventralen Lebergekröses liegen sehen, wie in Fig. 7 von einem Embryo von 75 Stunden. Die dorsale Wand des Blindsackes ist identisch mit der medianen Partie der späteren, definitiven Brust-Bauch- 27* 420 Edvard Kavn: Über die mesodermfreie Stelle u. s. w. wand, und man kann daher sagen, dass der Verschluss dieser Wand in der Medianebene stets etwas weiter vorgeschritten ist als lateral wärts von dieser Ebene, oder mit anderen Worten, dass die Eigur, die die zwei unteren Parietalfalten, durch deren Vereinigung der Verschluss des Bauches zu Stande kommt, mit einander bilden, nicht etwa eine solche ist: A, sondern eine solche: M. Wenn das hintere Ende des Blindsackes rückwärts von der Leber angelangt ist, verschwindet indessen dieser Sack allmählich, in- dem er nicht so schnell sich nach hinten verlängert, als er nach vorn in die allgemeine Amnionhöhle aufgenommen wird. Erklärung der Abbildungen. (Tat XXL) pr = Proamnion. epp — Cavum pleuro-peritonäale. pa = Plica amnii. vva = Vena vitellina anterior. ms = Membrana serosa. • Fig*. 1. Sagittalschnitt vom vorderen Theile eines Embryos von 27 Stunden, etwas links von der Medianebene, lieber dem Keimwall (rechts) hat sich das Ectoderm etwas vom Entoderm entfernt. Fig, 2. Querschnitt der Keimscheibe vor dem Kopfe eines Embryos von 42 Stunden. Fig-, 3. Sagittalschnitt vom vorderen Theile eines Embryos vom Schlüsse des zweiten Tages. Fig. 4. Drei Querschnitte durch den Kopf eines Embryos von demselben Alter. Fig. 5. Drei Querschnitte durch den Kopf eines Embryos von 2V2 Tagen. Fig. 6. Querschnitt durch den Kopf eines Embryos von 68 Stunden. Fig. 7. Querschnitt durch die Lebergegend eines Embryos von 75 Stunden. Tami TnrXQ Verlag Veit fi- (’oni]). Leipzig. //> hr Cludl. n. /f ///.'<' /Ä .Ir/d/. . I/M/- üeber den Sinus praecervicalis und über die Thymusanlage. Von W. His. (Hierzu Taf. XXII.) Zur nachfolgenden Notiz bin ich durch eine im nächsten Heft dieses Archives zum Abdruck gelangende Arbeit von Hrn. Franklin P. Mall aus Baltimore veranlasst worden. Hr. Mall hatte hatte im vorigen Sommer eine in der hiesigen anatomischen Anstalt durch mehr als Jahresfrist durch- geführte Untersuchung über die Produc te der Kiemenbogen und Kiemen- spalten des Hühnchens abgeschlossen. Dabei war er u. A. gleich Born, Froriep und neuerdings de Meuron dahin geführt worden, die epitheliale Thymus vom Entoderm der dritten Schlundtasche ahzuleiten. Seine für das Hühnchen gewonnenen Ergebnisse standen also in vollem Widerspruch mit denen, die ich am menschlichen Embryo bekommen hatte. Eine nochmalige gemeinsame Durchprüfung der auf die Thymus bezüglichen Beobachtungen Mall ’s ist durch dessen unerwartet rasche Heimreise verhindert worden, und unter den Umständen habe ich mich veranlasst gesehen, meine Auf- fassung von der Thymusbildung noch etwas eingehender zu begründen, als dies in der Anatomie menschlicher Embryonen (HI. S. 103 ff.) geschehen ist. Sinus praecervicalis. Mit diesem Namen habe ich die Bucht be- zeichnet, welche beim menschlichen Embryo gegen Ende des ersten Monats in dem Winkel hinter dem zweiten Schlundbogen, vor der seitlichen Halswand und über der primären Brustwand auftritt. Der Sinus entsteht dadurch, dass der vierte und der dritte Visceralbogen in die Tiefe rücken und eines- theils vom vorspringenden Rande des zweiten Yisceralbogens, anderentheils von der Seitenwand des Halses überdeckt werden. Mit Beginn des zweiten 422 AV. His: Monats ist die Ueberwachsung vollendet und der zweite Bogen berührt nunmehr unmittelbar die seitliche Wand des Halses. Die Ueberwachsung der Bucht ist in verschiedenen Tafeln meiner Anatomie menschlicher Em- bryonen dargestellt (Taf. I, Figg. 1 u. 2. Taf. XIII, Figg. 4 u. 5). Ein be- sonders instructives Bild gewährt einer meiner neueren Embryonen (-ßrg), von dem ich in Fig. 1 die betreffende Strecke abbilde. Bei diesem 6 • 9 langen Embryo erscheint die Bucht als eine tiefe Einsenkung, in deren Grund der dritte und der vierte Visceralbogen ein Stück weit sichtbar sind. Die Form des Grubeneinganges ist die eines Dreieckes mit unterer Basis und oberer Spitze; nach vorn begrenzt ihn der übergebogene Rand des zweiten Yisceralbogens (der Kiemendeckel der Autoren), unten liegt die AVand der primären Brust- höhle, dorsalwärts die Seitenwand des Halses.^ Die letztere bildet einen den Grubenrand überwölbenden Wulst, in dessen Innerem die Ganglien von den Xn. glossopharyngeus und vagus eingeschlossen sind. Die beiden Schnitte Fig. 2 a und b sind annähernd senkrecht zur Basis des oben beschriebenen Dreiecks geführt. Fig. 2 a zeigt den vom Schnitt gestreiften zweiten und den dritten, Fig. 2 b den dritten und vierten Visceralbogen. Beide Schnitte zeigen den Grund des Sinus praecervicalis in mehrere Rinnen gespalten und dessen zwei tiefste Ausläufer umfassen beiderseits den vierten Bogen. Diesen ectodermal ausgekleideten Rinnen kommen die entodermalen Schlund- taschen 2, 3 und 4 von Innen* her entgegen; an den Stellen grösster Annäherung schiebt sich eine zweischichtige Verschlussplatte zwischen die beiderseitig sich entgegenkommenden Spalten. Indem die Ränder des Sinus praecervicalis sich entgegenrücken, wird der tiefere Theil desselben vom Eingang mehr und mehr geschieden. Letz- terer wird zu einem oberflächlich sich öffnenden Trichter, der tiefere Theil des Raumes dagegen zu einer in mehrere Spalten auslaufenden Bucht mit klaffender Lichtung und mit stark verdickter Epithelwand. Ich habe in Fig. 72 meines grossen Werkes [An. m, Em. III. S. 108) ein Praeparat vom Embryo abgebildet, bei welchem der Eingangstrichter des Sinus und der tiefere Theil desselben zwar nicht mehr offen communiciren, wohl aber durch einen dünnen Gewebsstreifen noch mit einander verbunden sind. (Denselben Schnitt in etwas grösserem Massstabe zeigt auch Fig. 5 a Taf. 2.) 1 Correcter gesprochen noch die Seiten wand des embryonalen Hinterkopfes. Da indessen der betreffende Wandabschnitt in der Folge in den Hals einbezogen wird, so gebe ich der letzteren Bezeichnuog als der verständlicheren den Vorzug. 2 Fol und neuerdings sein Schüler de Meuron haben den Versuch gemacht, den dauernden Verschluss der Spalten in Zweifel zu setzen. Mir scheint dieser Punkt kaum mehr der Discussion fähig und ich kann mir nur denken, dass schlechte Material- conservirung den Grund zum negativen Ergebniss der beiden Untersucher gebildet hat. de Meuron, Recherches sur le developpement du tliyinus etc. Genf 1886. S. <8. Übek den Sinus peaeceevicalis und übee die THYMusANiiAUE. 123 Aehnliche Verhältnisse fand ich bei Embryo N (10-9 Nh), der in seiner Entwickelung auch sonst sehr nahe steht. Bei beiden Embryonen ist die epitheliale Verbindung zwischen dem Eingangstrichter und dem Grund des Sinus praecervicalis unterbrochen, dagegen bezeichnet eine doppelte Strasse abgeplatteter Zellen den Verlauf der früheren Spalten wand und hei S zeigt der tieferliegende Epithelkörper einen langen, nach Aussen sich zuspitzenden hohlen Fortsatz als Rest der früheren Verbindung (Fig. 5«) Eine noch offene, aber sehr enge Communication zeigt der Fig. 3 abge- hildete Durchschnitt durch den Embryo Br (dessen Profil in der An. m. Ein. Taf. XIII, Fig. 6 steht). Der Embryo war seiner Zeit beim Einschmelzen in Seife stark zusammengeschrumpft und ich habe daher seine Schnitte niemals eingehend durchgearbeitet. Für die vorliegende Frage entnehmen wir dem Fig. 3 gezeichneten Schnitt die Thatsache, dass ganz nahe am Kehlkopf- eingange eine in mehrere Rinnen auslaufende und von Epithel ausgekleidete Spalte liegt, welche durch einen engen Gang bis zur Oberfläche reicht und hier hinter dem zweiten Schlundbogen sich öffnet. Der tiefste Ausläufer der Spalte liegt vor dem N. vagus und vor dem an dessen lateraler Seite befindlichen N. h}^poglossus. In Betreff einer zweiten im Gewebe sichtbaren Spalte lasse ich unentschieden, ob sie aus einer inneren Schlundtasche hervorgegangen ist, oder ob auch sie zum Systeme des Sinus praecervicalis mit hinzugehört. Ich vermuthe nach Richtung und Lagerungsweise, dass wir es bei diesem von Epithel ausgekleideten Raum mit der dritten äusseren Spalte zu thun haben. Besonders instructive und klare Verhältnisse zeigen sich bei einem 10““ langen Embryo, der in meinem Register als Jen. verzeichnet ist, und den ich seiner zweifelhaften Abstammung halber von einer Be- nutzung bei meinen bisherigen Publicationen gleichfalls ausgeschlossen habe. Ich habe denselben vor sechs Jahren von Hrn. Prof. Schwalbe, da- mals in Jena, bekommen. Das Praeparat, auf das ich zuerst grosse Hoffnung gesetzt hatte, war, wie sich nachträglich herausstellte, als menschlich nicht genügend beglaubigt, und seine Form wich von derjenigen gleich- grosser menschlicher Embryonen in manchen nicht unwesentlichen Punkten ab. Jedenfalls handelt es sich um einen Säugethierembryo, und das ist für unsere Discussion genügend. Der abgebildete Schnitt Fig. 4 zeigt zu innerst die breite Pharynxhöhle, sowie den von einem Stücke Epiglottis über- lagerten Kehl kopfein gang. Die Pharynxhöhle verlängert sich jederseits in die zweite, dritte und vierte Schlundtasche, von denen die letzteren beiden lateralwärts von den Plicae aryepiglotticae liegen. Nicht ohne Interesse ist die Andeutung einer medialwärts von fünften Aortenbogen gelegenen fünften Schlundtasche, die mit Mall’s Fossa subbranchialis übereinstimmt. Von der Aussenfläche her sind der zweite und der dritte Visceralbogen zu- 424 W. His: gäüglichj ersterer ist über den dritten Bogen klappenartig zurückgeschoben. Dieser deckt wieder zum Theile den vierten Bogen zu. Die hinteren drei Viertel des letzteren sind aber von der nach vorn sich lagernden Wand des Halses umgriffen und diese ist de m hinteren Bande des dritten Bogens bis auf geringen Abstand entgegen gerückt. Auch sind an der engsten Stelle die einander zugekehrten Epithelflächen mit einander verschmolzen. Der Sinus praecervicalis zerfällt somit, auf dem Durchschnitt gesehen, in einen abgeschlossenen tiefen und in einen offenen oberflächlichen Abschnitt, den Fundus praecervicalis und das Infundibulum praecervicale. Dem offenen Abschnitt gehört noch die zweite Spalte an, wogegen der tiefe Abschnitt in die dritte und vierte Rinne ausläuft uud dem vierten Bogen sich anlagert. Die epitheliale Trennung des tiefen Abschnittes der Hals- bucht von oberflächlichen geht, wie dies Praeparat zeigt, der völligen Trennung des Grubeneinganges vom Grubengrunde voraus. Die letztere führt, wie aus den oben beschriebenen Befunden bei den Embryonen N u. S gefolgert werden muss, zu einer Zerreissung des früher vorhandenen Epithel- rohres und statt eines zusammenhängenden Epithelstieles erhalten sich bloss zwei mit ihren Spitzen sich entgegengekehrte Epitheltrichter. Der epitheliale Hohlkörper an der Aussenseite des vierten und zum Theil noch des dritten Visceralbogens ist die Thymus- anlage, und als solche ist er durch die weiteren Entwickelungsstufen hin- durch zu verfolgen. Ich hatte früher (a. a. 0. S. 104) angenommen, dass das Epithel der zweiten Spalte an der Thymusbildung Theil nimmt, bei der nochmaligen Erwägung der Verhältnisse kommt mir dies nicht mehr zulässig vor. Die zweite Spalte fällt, wie die Vergleichung der ver- schiedenen Figuren zeigt, weiter lateralwärts, als der oben beschriebene, so scharf sich umgrenzende Hohlkörper. Letzterer ist, wie ich nicht bezweifeln kann, identisch mit den Gebilden, welche andere Autoren als Thymus- anlage angesehen haben. Die von verschiedenen Autoren hervorgehobene dreieckige Form, sowie die Lage, lateralwärts vom vierten Aortenbogen, er- scheinen dafür als bezeichnende Charactere. Wenn nun mit Born die Beobachter bis jetzt Alle dahin Übereinkommen, jene Anlage von der dritten Schlundtasche abzuleiten, so ist der Grund dieses Missverständnisses un- schwer zu verstehen. Eine schmale Epithelbrücke scheidet den Sinus prae- cervicalis von der dritten Schlundtasche, und die Ableitung der Thymus- anlage von der letzteren muss besonders verlockend erscheinen, sobald die so frühzeitig vor sich gehende Trennung zwischen dem Eingänge und dem Grund des Sinus praecervical erfolgt ist. Vergleicht man übrigens mit meiner Fig. 4 die Fig. 22 in der Abhandlung von deMeuron, so sieht man, dass die dasselbst gegebene Ableitung der Schafsthymus von der dritten Schlundtasche auf anfechtbaren Füssen steht, denn der als Thy- Über den Sinus praecervicalis und über die Thymusanlage. 425 mus bezeichnete Schlitz steht in de Meuron^s Zeichnung mit der nach innen sich öffnenden Tasche keineswegs in offener Verbindung, sondern er ist durch eine ansehnliche Epithelbrücke davon geschieden. Ebenso ist bei der von ihrem Autor für beweisend erachteten Fig. 24 von Fisch elis^ eine breite compacte Masse zwischen Thymusanlage und Schlundtasche ein- geschaltet und ähnliches gilt von den Figg. II 4, III 3 u. III 4 von Froriep.^ Gehen wir bei Fig. 5 nochmals die Topographie der Theile durch, so haben wir in der Mittellinie die Epiglottis und den Kehlkopfeingang. Letz- terer wird von zwei Gewebsplatten eingeschlossen, welche wir nach ihrer Hauptbedeutung als Plicae aryepiglotticae bezeichnen. Dann folgt eine enge, in die vierte Schlundtasche auslaufende Spalte, deren Lage dem späteren Sinus pyriformis entspricht. Sie ist zugleich der Ort, von dem aus die seitliche Anlage der Schilddrüse ausgeht. ^ Der lateralwärts davon kommende vierte Visceralbogen ist der Träger des N. laryngeus snperior und in ihm bildet sich späterhin der Schildknorpel aus. Erst nach aussen davon liegt jener Epithelkörper, den ich aus dem Grunde des Sinus prae- cervicalis abgeleitet und für die Anlage der Thymus erklärt habe. Wenn meine Auffassung richtig ist, so wird demnach der obere Theil der Thymus- anlage lateralwärts vom N. laryngeus superior, hinter und unter dem N. glossopharyngeus und vor dem Hauptstamm des N. vagus sowie vor der V. jugularis liegen und die Carotis wird sich medialwärts davon befinden. Dies ist die Stellung, welche das von mir als Thymus angesprochene Ge- bilde auch bei dem Fig. 5 a gezeichneten Schnitte von Embryo zeigt. Der Schluss des Sinus praecervicalis vollzieht sich bei menschlichen Embryonen von 10 bis 11 """ NI. Von da ab sind die Anlagen der Thymus und der Schilddrüse durch ihre Lagerung so bestimmt characterisirt, dass deren Erkenntniss keine ernstlichen Schwierigkeiten mehr bereitet, wie denn die Deutung der auf dem Schnitte sichtbaren Zellencomplexe bei Stieda und bei Eischelis von meiner eigenen nicht ab weicht. Bei den Embryonen W, S und Sch (4^2 bis 5 Wochen) bildet die Thymusanlage einen länglichen Zellenstreifen, welcher mit etwas verdicktem Anfangstheile in der Höhe des Kehlkopfeinganges beginnt und von da aus bis in den oberen Theil des Brustraumes herabreicht. Der Frontalschnitt von Em- bryo Sch Fig. 6 zeigt die Thymusanlage in einem grossen Theile ihrer Länge, jedoch ohne das untere, in die nach vorn liegenden Schnitte fallende ^ Archiv für milcrosTcopisclie Anatomie. Bd. XXV. Taf. XIV und Text. S. 434. ^ Dies Archiv. 1885. Taf. II — III. ^ In der anatomischen Schuldarstellung kann man die Schilddrüse als ein Organ beschreiben, das ursprünglich drei Ausführungsgänge besessen, aber diese frühzeitig ein- gobüsst hat. Der mittlere Gang öffnete sich am Foramen coecum, die beiden seit- lich neben den Plicae aryepiglotticae vor den zwei Sinus pyriformes. 426 W. His: Ende. Ihr oberes Ende stösst an die Nn. vagus und Hypoglossus an, es überragt die beiden Anlagen der Schilddrüse und ist von ihnen durch die Carotis geschieden. Die Thymus ist zur Zeit noch hohl und ihre Wand zeigt einen in die Lichtung vorspringenden rundlichen Wulst, der in den Schnitten verschiedener Stufen in characteristischer Weise wiederkehrt (man vergl. z. B. Fig. 5 die einen Schnitt durch die Thymus von Embryo S darstellt). Querschnitte durch den oberen Theil des Organes zeigen dem- nach eine halbmondförmige Lichtung und wir erkennen darin die Form des Fundus praecervicalis wieder, durch dessen Abschnürung die Thymusanlage entstanden ist. Der Schluss der Thymuslichtung vollzieht sich gegen Ende des zweiten Monates. Von den beiden Schilddrüsenanlagen bleibt die seit- liche länger hohl, als die mittlere, letztere ist schon bei Embr}^o Sch com- pact und besteht aus mehreren zum Theil von einander getrennten Zellen- streifen. Die Beste des äusseren Verbindungsstieles der Thymusanlage inseriren sich, so lange sie überhaupt erkennbar sind (bei N und bei S) nahe an deren oberem Ende. Unterhalb der Insertionsstelle des Stieles kreuzt der N. hypoglossus bez. dessen R. lingualis die Thymus. Anfangs hinter dieser liegend, rückt der Stamm lateralwärts davon nach vorn, um die Zunge zu erreichen, während sein Ramus descendens die Drüse eine Strecke weit nach abwärts begleitet, indem er gleichfalls deren lateralem Rande folgt (Fig. 6). Wenn der Kopf des Embryo sich aufrichtet, wird die Thymus in die Länge gestreckt, ein Vorgang der in innigem Connex steht mit der gleichzeitig erfolgenden Streckung der Luft- und der Speiseröhre, der Verlängerung der Carotis communis und dem Abwärtsrücken der unteren Aortenbogen. Ich fasse noch einmal meine Ergebnisse zusammen : dadurch, dass die hinteren Visceralbogen in die Tiefe gedrängt werden, entsteht eine zu den Spalten 2, 3 und 4 hinführende Bucht, der Sinus praecervicalis. Der Grund dieser Bucht (Fundus praecervicalis) umgreift als gekrümmte Spalte den vierten Visceralbogen und bleibt von der dritten Schlundtasche nur durch die dünne Verschlussplatte geschieden. Auch an die vierte Schlundtasche rückt er nahe heran, obwohl hier die zwischenliegende Platte niemals so dünn wird, wie im Bereiche der dritten Tasche. Der Fundus pracervicalis trennt sich als selbständiger Raum ab und seine Auskleidung bildet einen epithelialen Hohlkörper, von mehr oder minder halbmondförmigem Quer- schnitt. Dieser Körper ist die Anlage der primären oder epithelialen Thymus. Er streckt sich bei zunehmender Ausbildung des Halses in die Länge und sein unteres Ende, das von Anfang ab den unteren Aorten- bogen nahe lag, behält seine Stellung in deren Nähe bei und erfährt zu- gleich mit den grossen Gefässstämmen eine Verschiebung nach abwärts. Taf.XXJl At'chiv f'yhuit ii.FhijS Jo’S^.Aiu Pk Tig.5^ üthAnstvfA Furie Leipzig. D.i>. JU IV' 3^ Verlaj Wil ß-Coinp, Leipziq. üüi Aiul V f A FhpJ« .-irfAif’ f. buit u. /fii/s aWA’. hia/. . l/’Z/ib/. S.lfvr Taf.xm yj- K 0 a. -- r fh -^j FLfl.l. Über den Sinus praecervicalis und über die Thymusanlage. 427 Erklärung der Abbildungen. (Taf. XXII.) A b Arteria basilaris. As Aorta. Ap. Art. pulmonalis. Brh. Brusthöhle. C. Carotis. JD. t. Ductus thyreoglossus. Ep. Epiglottis. G.j. Ganglion jugulare. G. n. Ganglion nodosum. Kk. Kehlkopfraum. Mh. Mundhöhle. on. S. mittlere Schilddrüsenanlage. ZV. l. Nervus laryngeus sup. ZV. l. i. Nervus laryngeus inferior. O. Ohröffnung. Oe. Oesophagus. Ok. Oberkiefer. P. a. Plica aryepiglottica. Ph. Pharynx. R. erste Pdi)pe. s. Hw. seitliche Halswand. S. pr. Sinus praecervicalis. s. S. seitliche Schilddrüsenanlage. T/i. epitheliale Thymusanlage. r. Truncus pulmonalis. ük. Unterkiefer. V.j. Vena jugularis. 2 a. äussere Visceralspalte. 3.U. 4. innere Schlundtaschen. II— IV. Visceralbogen bez. deren Aorten- bogen. V. Fünfter Aortenbogen. 9. N. glossopharyngeus. 10. N. vagus und seine Ganglien. 11. N. accessorius. 12. N. hypoglossus. 12.-1. Eamus ling. N. hypoglossi. 12. -d. Ramus descendens N. hj^poglossi. Fig. 1. Kopf von Embryo Rr^. Vergrösserung 15. Der Sinus praecervicalis er- scheint als dreieckige Grube hinter dem zweiten Visceralbogen, vor der seitlichen Hais- und über der oberen Brustwand. Fig. 2 a und 2 b. Durchschnitt durch den Emhryo Br^ annähernd senkrecht zur Basis des oben erwähnten Dreiecks. 2 a zeigt den zweiten und dritten, 2 b den dritten und vierten Visceralbogen. Fig. 3. Durchschnitt durch den Sinus praecervicalis von Embryo Br^ Anatomie menschlicher Embr'qonen. Taf. XIII, Fig. 6). Der Sinus ist noch von Aussen her zu- gänglich, sein dem vierten Spalt ungehöriger Grund läuft vor dem N. vagus aus. Fig. 4. Durchschnitt durch den Embryo Jen. Der Grund des Sinus praecervi- calis hat sich von dem Eingangstheil dadurch geschieden, dass auf der Grenze beider eine epitheliale Verlöthung eingetreten ist. Figg. 5 und 6. Thymusanlage von Embryo S. Vergrösserung 40. Fig. 5 a zeigt noch die Reste des Verbindungsstieles. Die Lage der Thymus- anlage entspricht der Lage des Fundus praecervicalis, vor dem N. vagus, lateralwarts vom N. laryngeus sup. und hinter der Carotis. Fig. 5 b zeigt dieselbe Anlage höher oben, mit der charakteristischen Form der Lichtung und dem wulstigen Vorsprung der Wand. Fig. 6. Frontalschnitt durch den Embryo Sch. Vergrösserung 40. Die Thymus- anlage ist vom Schnitt in einem grösseren Theil ihrer Länge getroffen, sie ist noch hohl und zeigt in ihrem oberen verdickten Ende einen in die Lichtung vor- springenden Epithelwulst. Die beiden Schilddrüsenanlagen sind vom unteren Theil der Thymusanlage durch die Carotis geschieden Die seitliche Anlage ist noch hohl, die mittlere dagegen erscheint als ein compacter Zellenstreifen. Nachtrag zur vorstehenden Abhandlung. Von W. His. Die Herausgabe obiger Notiz, die ich vor 4 Monaten, zugleich mit dem Aufsatze des Hrn. Mall, zum Druck abgeliefert hatte, ist erheblich verzögert worden. Mittlerweile hat Prof. Rabl in Prag einen Vortrag über die Bildungsgeschichte des Halses gehalten,^ worin er den Ergebnissen früher von mir publicirter i\.rbeiten in auffallend schroffem Tone entgegengetreten ist. Es erwächst mir dadurch die Aufgabe, verschiedene von den ange- fochtenen Punkten einer erneuten Besprechung zu unterziehen. 1. Rabl reiht sich den Forschern an, welche der Thymus einen ento- dermalen Ursprung von der dritten Kiementasche zuschreiben, und er er- klärt meine Angabe von der ectodermalen Herkunft des Organes als einen „einfachen Beobachtungsfehler“. Die Antwort hierauf liegt in meiner obi- gen Notiz. 2. Rabl nimmt Aergerniss an der Bezeichnung eines Sinus praecer- vicalis. Durch dieses Wort werde die Ansicht ausgedrückt, dass die Orube vor dem Hals liege, während sie nahe an dessen hinterer Grenze, zwischen Hals und Brust sich befinde. Hierbei constatire ich zunächst, dass, wäh- rend ich meinerseits die Ausdrücke „hinten“ und „vorn“ als gleichbedeu- tend mit „dorsal“ und „ventral“ brauche, Rabl dieselben in dem Sinn von „aboral“ und „oral“ anwendet, mit welcher Verwechselung natürlich das Wort „praecervical“ einen ganz anderen Sinn, als den von mir gegebenen, bekommt. Darüber, dass der Sinus praecervicalis im vorderen, d. h. in dem vom Nacken abgekehrten Halsgebiete liegt, wird man billiger Weise nicht zu streiten brauchen. Das Missverständniss von Rabl geht aber noch weiter; während sich nämlich meine Angaben in Betreff des Sinus praecervicalis auf Embryonen einer ganz bestimmten Entwickelungsstufe beziehen, auf die Stufe von circa ^ Abgedruckt in der Frager' medicinischen Wochenschrift. 1886. Nr. 52. AV. His: Nachtrag. 429 4—4^2 Wochen, überträgt sie Rabl ohne AVeiteres auf die viel späteren Perioden mit frei entwickeltem Halse. Nun existirt, so lange der Sinus vorhanden ist , noch gar keine vordere Halswand , auch zeigen meine Dar- stellungen, übereinstimmend mit Rabl’s eigener Abbildung, dass bei Em- bryonen der bezeichneten Stufe der Sinus praecervicalis den dreieckigen Raum einnimmt zwischen dem Rand des 2. Yisceralbogens, der seitlichen Hals- und der oberen Brustwand. ^ Die Aussagen, dass derselbe an den Kopf, und diejenige, dass er an die Brust stosse , stehen somit nicht im Wider- spruch zu einander, da beides zugleich der Fall ist. Eine nahe Beziehung zur Brusthöhle (Parietalhöhle) ergiebt sich übrigens auch daraus, dass der 3. und der 4. Aortenbogen aus’ dem in der letzteren liegenden Truncus in die den Grund des Sinus bildenden Visceralbogen einzutreten haben. Nachdem der Sinus sich geschlossen hat, kann man nicht mehr von einem solchen sprechen, und so habe ich es auch unterlassen, dessen Ort nach erfolgtem Freiwerden des Halses bestimmen zu wollen. Die in seiner Umgebung liegenden Theile erfahren jedenfalls bei der Streckung des Halses starke gegenseitige Verschiebungen. Während z. B. die Zungen- wurzel und der Kehlkopf bez. die Nn. glossopharyngeus und laryngeus Su- perior im oberen Halsgebiete liegen bleiben, rücken die zugehörigen Arte- rien stark nach abwärts und senken sich zum Theil sogar in den Brust- raum ein. Der zuletzt sich schliessende Eingangstrichter des Sinus ent- spricht nach meiner Erfahrung nicht dem tiefsten Theil der Grube, sondern einem höher gelegenen Abschnitt; sein Stiel -wird vom Hypoglossusbogen um- griffen und bei Embryo liegt er etwa in mittlerer Ohrhöhe (An. m. Emb. in. Fig. 71 u. 72). Wieweit sich die Stelle des einstmaligen Trichterein- ganges beim Menschen verschiebt, das wage ich nicht festzustellen, da ich bis jetzt keine sicheren Anhaltspunkte dafür habe. Der Umstand, dass der Eingang von Halsfisteln oftmals sehr weit unten gelegen ist, gestattet nicht ohne Weiteres, ein secundäres Herabdrücken der normalen Verschlussöffnung anzunehmen, weil gerade solche Fälle aus Störungen der normalen Schluss- weise hervorgegangen sind. 3. Wie Dursy, so lässt auch Rabl die Ueberdeckung des dritten und vierten Visceralbogens ausschliesslich durch den sogenannten Kiemendeckel d. h. durch den hervortretenden Rand des zweiten Visceralbogens geschehen. Beim Hühnchen erreicht dieser Theil eine sehr bedeutende Entwickelung, und sein unterer Saum bildet am Hals, nachdem dieser frei geworden ist, eine besondere Leiste, die mit der der anderen Seite in der Mittellinie zu- sammentrifft. Beschreibung und Abbildungen des Hrn. MalP geben über ^ Neben den Figuren der grossen Tafelu vergleiche man auch die Textfigur 70, S. 106 im III. Heft meiner Anatomie menschlicher Embryonen. 2 Dies Archiv. 1887. S. 8 u. 9 und Taf. I, Figg. 3 bis 10. 430 W. His: diese Leiste sehr eingehende Auskunft. Dieselbe legt sich beim 6 tägigen Hühnchen nach Art eines Hufeisens über den unteren Halstheil und ist dabei ebensoweit vom Kiefer, als von der Brust entfernt. So wichtig nun die angegebene Thatsache ist, so kann sie denn doch nicht unmittelbar auf die Säugethiere und speciell auf den Menschen über- tragen werden, indem bei diesen die Entwickelung eines Kiemendeckels sehr rudimentär bleibt. Auch beweisen alle meine Durchschnitte überein- stimmend, dass hier der Verschluss des Sinus praecervicalis nicht aus- schliesslich vom zweiten Yisceralbogen aus vor sich geht, sondern dass die Seitenwand des Halses (die Ketrobranchialleiste) und zum Theil sogar die Brustwand den Sinus überwölben und mit einschliessen helfen (Taf. XII, Eig. 3 und 4 und Anat. m. Emb. Taf. II. Eig. 44 — 46 und Taf. V. Eig. 65—67). Vom Bindsembryo sagt Dursy, dass der Kiemendeckel bei seinem Herabrücken sämmtliche Schlundspalten verschliesst und mit den dazwischen liegenden Bogen verschmilzt.^ Ich möchte glauben, dass hier ein Irrthum vorliegt; beim Menschen kommt der also beschriebene Schlussmodus ent- schieden nicht vor. Hier schliesst sich der Grund des Sinus praecervicalis d. h. der den vierten Bogen umgreifende Raum (die 3. und 4. Spalte) zu- nächst durch das Zusammentreffen des 3. Bogenwulstes mit der seitlichen Halswand (Ketrobranchialleiste) und erst nachher tritt der Rand des 2. Bogens mit der letzteren in Verbindung, niemals berührt der zweite Bogen den vierten (Eigg. 3 und 4 der Tafel und An. m. Emb. Taf. I.* Eig. 2). Eine mediane Begegnung der beiderseitigen :?weiten Bogenwülste er- folgt innerlich bei Bildung der Zungenwurzel, äusserlich dagegegen lässt sich eine solche beim Menschen nicht zur Anschauung bringen. Die Zeich- nungen meines Atlas {An. m. Emb. Eig. 7 — 9) ergeben, dass die Wülste äusserlich von einander getrennt bleiben und dass ein aus der primären Brust wand ableitbares Zwischenfeld den trennenden Raum einnimmt. ^ 4) Die in einem kleinen Aufsatze des Anatomischen Anzeigers (Nr. 1. S. 22) behandelte Retromandibularbucht giebt Rabl Anlass zu einer ganzen Reihe von tadelnden Bemerkungen. Als einem nicht mehr ganz jugendlichen Anatomen wird man mir zwar wohl Zutrauen, dass ich nicht, wie Rabl vor- aussetzt, die die Parotis aufnehmende Grube entdeckt zu haben beanspruche ; immerhin ist es richtig, dass ich dafür einen besonderen Namen vorge- schlagen habe. Im Anschluss an die Terminologie der vergleichenden Knochenlehre, welche die Worte Maxilla und Mandibula in getrenntem Sinne benutzt, habe ich das eindeutige Wort Retromandibularbucht, statt des ^ Entwickelungsgeschichte des Kopfes. S. 114. ^ Dies Feld entstammt natürlich, wie der obere Theil des Herzens selbst, dem Metamerengebiet des embryonalen Hinterkopfes. Nachtrag. 431 von Rabl bevorzugten einer Retromaxillargrube gebraucht. Ich glaube dies verantworten zu können, denn es bedarf nur eines Blickes in einige un- serer neueren topographisch-anatomischen Handbücher, um sich zu über- zeugen, dass für die fragliche Gegend die Namengebung nicht so feststeht, Avie man auch Rah Ts Bemerkungen erschliessen sollte. HyrtH spricht von einer Ohrspeicheldrüsengegend, Henke ^ von der zwischen Unterkiefer und Wirbelsäule liegenden, die Parotis umschliessenden Furche, die Be- zeichnung einer Fossa retromaxillaris für diese Grube gebraucht Keiner von beiden Autoren. Im angegebenen Sinne findet sich bei Luschka^ der Name, allein derselbe kehrt mit einer ganz anderen Bedeutung bei Rü- dinger'^ wieder, indem dieser Anatom als Regio retromaxillaris die Ge- gend bezeichnet, die von den Mm. pterioidei eingenommen und welche von der A. maxillaris int. mit Blut versorgt wird. Mein Aufsatz über die Retromandibularbucht hatte den Zweck auf deren bis dahin wenig beachtete embryologische Beziehungen hinzuweisen. Es wurde gezeigt, wie die Verschiebungen, welche die Visceralbogen gegen einander erfahren, ihren bleibenden Ausdruck in der Lagerung der Theile an der Schädelbasis finden, und im Besonderen wurde die Abdrängung der Gebilde des dritten und vierten Visceralbogens von der Oberfläche hervorgehoben und die eigenthümliche Stellung des N. auricularis Vagi als Verbindungsbahn der drei hinteren Visceralbogennerven. Die Thatsache, dass derselbe Grundvorgang, welcher die Bildung des Sinus praecervicalis ein- geleitet hat, auch die definitive Lagerung der aus den Bogen hervor- gegangenen Theile bestimmt, liegt, meine ich, klar genug vor Augen und dazu stehe ich. Wenn dagegen Rabl behauptet, ich suche die Retroman- dibularbucht vom Sinus praecervicalis abzuleiten, so interpretirt er in meine Schriften herein, was nicht darin enthalten ist. Der Sinus praecervicalis ist, ich wiederhole dies, eine transitorische Bildung, deren Reconstruction beim Erwachsenen ich nicht unternommen habe. 5. Die Frage nach dem primitiven Ort des M. sternocleido-mastoideus ist jedenfalls eine von den wichtigsten für das Verständniss der vorderen Halsgegend. Froriep, welcher zuerst Angaben darüber gemacht hat,^ be- zeichnet als Kopfnicker wulst die hinter dem Sinus praecervicalis schräg an- steigende, in der Verlängerung der Wolff sehen gelegene Leiste (meine ^ Hyrtl, Toipogra'phiscTie Anatomie. 7. Aufl. I. S. 381. Bei der äusserlichen Betrachtung des Halses erwähnt er auch der „Unterohrgegend“ als oberer Fortsetzung der Caroditenfurche des Halses. Ebenda. S. 488. ^ Henke, Toj>ograpJiische Anatomie. S. 109. ^ Luschka, Anatomie des ELalses. S. 125. ^ Küdinger, Topographisch-chirurgische Anatomie des Menschen. III. 1. S. 82. ^ Froriep, a. a. O. S. 15, Abbildung. 432 W. His: Ketrobrauchialleiste). Ich selbst habe die Anlage des Kopfnickers ventral- wärts von dem auf der Brust aufruhenden Ende des zweiten Visceral- bogens gesucht. Ich bin dabei von der Betrachtung ausgegangen, dass Kinn und obere Brustwand ursprünglich verbunden sind und dass der Muskel vom vorderen Abschnitt der letzteren schräg hinter den unteren Abschnitt der Ohrmuschel hinaufzusteigen hat. Indem ich bei der Aussen- besichtigung die Lage der Theile von höher entwickelten fötalen Formen [An. m. Emb. Taf. X. Eig. 25) zu den embryonalen zurückverfolgt habe, konnte ich überall die schräg ansteigende Linie wiederfinden, die das Profil des Halskeiles nach vorn abgrenzt und deren Kichtung dem Verlauf des genannten Muskels entspricht. Ich kann indessen nicht verhehlen, das ich zwischen dieser Auffassung und derjenigen von Eroriep lange ge- schwankt habe, und dass ich es noch heute für einen Punkt weiterer Unter- suchung halte, ob nicht die letztere vor der meinigen den Vorzug verdient. Eroriep’s Auffassung stimmt nämlich gut mit dem bleibenden Verhalten des Muskels zur Jugularvene, zum Stamm des N. vagus, sowie zum Kehl- kopf. Dagegen ist bei ihr schwer verständlich, wie die unteren Enden der beiden so weit auseinanderstehenden, über der Schulter auslaufenden Leisten späterhin die Mittellinie erreichen sollen. Ich habe daher geglaubt in ihnen eher die Anlagen des M. cucullaris suchen zu müssen. Am wich- tigsten möchte wohl im Sinne von Eroriep die Beobachtung sein, wonach der N. accessorius in den oberen Theil seiner Kopfnickerleiste eintritt, und wenn es sich bestätigt, dass dieser Nerv nach seinem Austritt aus dem Schädel zuerst den oberen Abschnitt der Retrobranchialleiste erreicht, so werde ich meine Auffassung zu Gunsten der Eroriep’schen zu verlassen haben. Rabl verwirft meine Darstellung als gemacht und erkünstelt und die- jenigen von Eroriep als jeder thatsächlichen Grundlage entbehrend, und er verspricht uns eine ausführliche Abhandlung über den Verlauf des em- bryonalen M. sternocleidomastoideus. Dieser in Aussicht gestellten Dar- legung bin ich um so lieber gewärtig, als mir die vorläufigen Andeutungen RabPs wenig verständlich erscheinen, und ich sie im Verdacht habe, mit Druckfehlern behaftet zu sein: dieselben gehen dahin, dass „der Muskel in seinem Verlauf ziemlich genau einer Linie folgt, die wir von dem dorsalen Ende der ersten äusseren Kiemenfurche, also etwa von der Stelle, an welcher der äussere Gehörgang auftritt, bis an die hintere Wand des Sinus cervicalis, oder vielleicht zu einer etwas weniger mehr dorsal wärts gelegenen Stelle der zweiten äusseren Kiemenfurche ziehen können.“ Wenn ich dies richtig verstehe, so versetzt also Rabl die Anlage dorsal wärts von der Ohrmuschel bez. bei aufrechter Kopfhaltung über diese letzte, was doch kaum der Sinn seiner Angabe sein kann. Nachtkag. 433 6. Das Haiiptprüblem bei der Halsbildiiiig geht m. E. darauf hinaus, zu untersuchen, wie sich der Hals als ein coelomfreier Körperabschnitt zwischen Kopf und Kumpf einzuschalten vermag, nachdem sich die primäre Brust- höhle bis zur Höhe des Unterkiefers herauf erstreckt hatte. ^ Dieser Frage ist Kabl mit der kurzen Erklärung aus dem Weg gegangen, dass der ►Säugethierembryo gleich dem Fisch, keinen Hals besitzt, und dass der Ver- such, an ganz jungen menschlichen Embryonen eine Halsregion zu unter- scheiden, ein durchaus misslungener sei. Die Bezeichnung „Hals“ ist, wie ich a. a. 0. ausgeführt habe, gleich allen topographischen Bezeichnungen eine mehr oder minder conventioneile, und vor jeder Discussion bedarf es daher einer scharfen Begriffsbestimmung. Legt man bei der Halsdefinition das Gewicht auf das Fehlen des Coelomes, so hat der junge menschliche Embryo in der That keinen Hals, und er verhält sich wie ein Fisch, bei dem ja die das Herz umschliessende Höhle gleichfalls bis in den Bereich der Yisceralbogen sich erstreckt. Allein es ist klar, dass beim Embryo die Theile, die später dem Hals angehören werden, selbst vor Eintritt der Nackenkrümmung als räumlich bestimm- bare Anlagen vorhanden sein müssen. Das Halsrückenmark , die Hals- ganglien und Halsmuskeln, das Kehlkopf- und das Schilddrüsengebiet, sie sind alle schon vorhanden, lange bevor ein freier Hals existirt, und es entsteht die Aufgabe zu verfolgen, wo beim jungen Embryo die später im Hals vereinigten Theile liegen und wie es kommt, dass sie ihre ursprüng- liche Lagebeziehungen verändern. Dabei stellt sich heraus, dass im All- gemeinen die vordem Halsgebilde dem embryonalen Hinterkopf entstammen, während die dem Nacken angehörigen Theile aus dem embryonalen Rumpf sich erheben. Die Zusammenschiebung dieser Theile, sowie die Dis- location des Herzens und der Brusthöhle ergeben sich als Folgen der Zu- samnienkrümmung der Embryonen, daher bei den Wirbelthierklassen, bei denen, wie bei den Fischen, die embryonale Krümmung nicht zur Ent- wickelung kommt, die hohe Stellung des Herzens und das Fehlen eines Halses bleibende Befunde sind. Alle diese Beziehungen sind so einfach und klar und dabei so fundamental, dass auch die absprechendsten Be- merkungen Rabl’s ihre Bedeutung nicht werden zu erschüttern vermögen. ^ Hiezu vergl. man auch meinen Vortrag im hiesigen anthropol. Verein, abge- druckt im Correspondenzblatt d. deutschen anthropol. Ges. 1886. Nr. B und 4, und in Betz’ Memorabilien. 1886. Heft 4. Berichtigungen Auf S. 430, Z. 27 V. 0. schalte hinter „An. m. £mh.‘' ein: „Taf. S. 431, Z. 5 V. 0. lies „aus“ statt „auch“. S. 431, Z. 12 V. 0. lies „ptery goidei“ statt „pterioidei“. 93