ARCHIV FÜR ANATOMIE, PHYSIOLOGIE UND WISSENSCHAFTLICHE MEDICIN, IN VERBINDUNG MIT MEHREREN GELEHRTEN BERAUSGEGEBEN von Ds. JOHANNES MÜLLER, ORD, ÖFFENTL. PROF. DER ANATOSUE UND PHYSIOLOGIE, DIRECTOR DES KÖNIGL, ANATON. MUSEUMS UND ANATOM, THEATERS ZU BERLIN, v JAHRGANG 1840. MIT FUNFZEHN KUPFERTAFELN. BERLIN: VERLAG VON VEIT ETCOMP., EITE) 2a mıIT Ei Er “ A dr N Inhalisanzeige. Bericht über die Leistungen im Gebiete der Physiologie der . Sinne, im Besondern des Gesichtssiones. Vom Medicinal- rath Dr. Tourtual jun. in Münster. ! . . . 5 Bericht über die Fortschritte der Physiologie im ae 1839. Von Dr. Theod. Ludw. Wilh. Bischoff, Prof. in Heidelberg. Bericht über die Fortschnite dir‘ hingen Alice An Wirbelthiere im Jahre 1839. Vom Herausgeber. Bericht über die Leistungen im Gebiete der Anatomie und Phy- siologie der wirbelloseu Thiere im Jahre 1838. Von Carl. Theodor von Siebold. EN ra Ueber die Lymphherzen der Schildkröten. 0: J. Müller, (Gelesen in der Königl. Akademie der Wissenschaften in - Berlin am 14. October 1839.) . Erklärung der Kupfertafel I., das Never dä AR betreffend. (Zu der Üokrndlaog S. 262, des Jahrgangs 4838 dieses Archive) Von d’Alton. Ueber die Hautdrüsen der Frösche. Von Dr. PER (Hierzu Taf. II.) N er PR Ueber Augen bei Muscheln. Von Dr. Grube, Privatdocent in Königsberg. (Hierzu Taf. II. Fig. 1-3.) . .. . Ueber das Menstrualblut. Von Dr. Burow, Privatdocent in Königsberg. Ueber den Bau der Macula Bat Be erben halfen Von Dr. Burow, Privatdoc. in Ve (Hierzu Taf. II. Fig. 4.) See a ae Bu > * Seite, CLIX cc 36 38 Ueber die männlichen Geschlechtstheile der Rochen und Haien. Von Dr. Herrmann Stannius, Prof. in Rostock... . . Ueber den physiologischen Nutzen der Fettstoffe und über eine auf deren Mitwirkung begründete, und durch mehrere neue Thatsachen unterstützte Theorie der Zellenbildung. Von Dr. Ascherson. 5 - . Beitrag zur Auatomie der A Be ee Sa Von F. Faesebeck in Braunschweig. (Aus brieflicher Mitthei- lurg an den Herausgeber.) F e Ueber die Funclion des Neryus lingualis ui elossophärynall Von Dr. Carl Vugt. (Aus brieflicber Mittheilung an den Herausgeber.) Ueber die Täuschung des Pe in RAR IRA Von Prof. Dr. A. Hueck in Dorpat. Von den Grenzen des Sehvermögens. Von Prof. j\ Huecki in Dorpat. (Hierzu Taf, III, Fig. 5.) 2 Ueber den Bau der Needham’ schen Körper. Dr. W. Peters. . Ueber Nebenkiemen di RA ÄRL Yon J. Müller. (Ge-, lesen in der König]. Akademie der Wissensch. zu Berlin am 11. Nov. und 9, Dec. 1839.) ul Ueber das Geschlecht der Seeigel. Von Dr. W. Peters, Bemerkungen über Syngnathus aequoreus und Actinia Sauer Von Heinrich Rathke. , TE Blasenschwänze mit dem Urin ausgeleert. Von Dr. rent zu Greifswald, ERDE El Muskelfasern im erweiterten RRRA und Nierenbecken eines Menschen. Von Medicinalrath Dr. Tourtual in Münster, Ueber die’ Siructur der Warzen und über Pigmentbildung ia der, Haut. Von Dr. Gustav Simon, pract. Arzte in Berlin, “ (Hierzu Taf. IV.) u ars era Ueber künstliche Befruchtung von Fischen ng über einige neue Versuche in Betrelf künstlicher Beftuchtung an Fröschen. Von Dr. Mauro Rusconi. (Vierter Brief an Herrn Prof, E. H. Weber. (Hierzu Taf. V.). . .. . = 2 Zur Entwickelung der Gewebe des Muskel-, des Blutgefiss- Er “des Nervensystems. Von G. Valentin, rn ON, CRRr Werk | Seite, 4 44 69 101 143 145 149 al 169 185 Beschreibung nebst Abbildungen des. Zwerchfells einer, ausge- u Seite, wachsenen weiblichen Thorsa vitulina. Von Professor Dr. M. J. Weber in Bonn. (Hierzu Taf. VI-VUL).. . . “ Horostoff io Kröpfen. Vom Medicinalrath Dr. Tourtual in ‘ Münster. x 0.» E Ueber die mikroskopischen Bestandteile der Milch, Von Prof. Nasse in Marbug. . ı ve... - ae Cholestearine ia pathologischen Flüssigkeiten. Vün ‚Profestor Nasse in Marburg. . » . » kosanre ta SircH Versuche und Bemerkungen über Beekii der Nerven und Abhängigkeit der peripherischen. Nerven von den Central- ‚ organen, Von Dr.'Günther, Prosector zu Dresden, und ‘Dr, Schön, practischem Arzte daselbst. . . sa Ueber eine gangliöse ‘Anschwellung in der Jacobson’schen Anastomose des Menschen. Von G. Valentin...» . Ueber eine physiologisch-interessante Varietät des Ursprunges der langen Wurzel des Augenknotens. Von G. Valentin. Distomeneier in der Rückenmarkshöhle eines Fötus. Von G. Valentin... . . . Ueber die Netzhaut und ihre Gehirnsubstanz bei Wirbelihieren mit Ausnahme des Menschen. Von Adolph Hannover. Ueber die Muskelfasern des Mesometriums der Säugethiere. Von Dr. Pappenheim in Breslau. (Hierzu Taf. IX. und X.) Bemerkungen zur Anatomie und Physiologie der Arenicola pis- eatorum. Von Prof. Dr. Herrmann Stannius. (Hierzu Taf. XI, Fig. 1-15.) . . et AND, Ueber. augenähnliche Organe bei Pecten dd BE nis lar! Von Dr. Krohn. (Hierzu Taf. XI. Fig. 16.) . a Ueber den Magen des Flusskrebses. Von Dr. Friedr. Pr len in Murrhardt im Würtembergischen. (Hierzu Taf. XII.) Ueber eine eigenthümliche, auf den Zähnen des Menschen vor- kommende Substanz. Von Friedr. Buehlmann, Cand. Med. in Bern. (Hierzu Taf. XII. Fig. 1-6.) . = Ueber das Vorkommen der krystallinischen Hornblätichen. Von J. C. Luethi, Assistent von dem Inselhospitale in Bern. (Hierzu Taf, XI. Fig. 7—9.) . * 270 442 446 IV Briefe über das Nervensystem an Prof. J, Müller. Von Mar- shall Hall. Erster Brief. Ueber die Vis nervosa Hal- ler’s. .(Hierzu Taf, XIV.) . . . . «ee Ueber den Bau des Hodens und die Entwickelang, ai Samen- Seite. 451 thiere der .Rochen, Von .Dr. Eduard Hallmann. (Hierzu Taf. XV. Fig. 1-6)... 2... iS Ueber die motorischen ‚Wirkungen. der Kopf- uni! Haladere ® Von Dr. A. W. Volkmann. (Hierzu Taf. XV. Fig. 7.) Beobachtungen und Reflectionen über Nerven-Anastomosen. Von A. W. Volkmann. .. BET, Vermischte Beobnchtungern von s. Pappenheim, (Hierzu Tat. XV. Fig.'8) «nr. . Einige Bemerkungen über Folsickung; Bau ua ee de menschlichen Haare. Von Dr. Bidder in Dorpat. Die Chromsäure, ein vorzügliches Mittel bei mikroskopischen . Untersuchungen. Von Adolph Hannover. . . . .» - BERICHT über die s x Leistungen im Gebiete der Physiologie der Sinne, au. im Besondern I. Ahäh des Gesichtssinnes. De °2 Von —— Medicinalrath Dr. Tourtual jun. in Münster. 4 w äh, BR Die Physiologie der Sinne hat für das Jahr 1838 zwar kein umfassendes Werk, dafür aber eine Reihe meistens werihvoller Abhandlungen aufzuweisen, in welchen theils streitige Fragen auf dem Wege der Beobachtung und des Experiments vielseitig beleuchtet, frühere Untersuchungen fortgeführt, Irrthümer auf- gedeckt, neue Ansichten gegeben und einzelne schätzbare Ent- deckungen mitgetheilt worden sind. Auch diesesmal hat vor- zugsweise das Sehen sowohl in plıysicalisch- optischer als in physiologischer und in psychischer Beziehung die Forscher be- schäfiigt, und der Gefühls- und Tastsinn haben eine fast nur comparative Berücksichtigung gefunden. Die wichtigsten Ge- enslände der Untersuchung sind gewesen der Stand des Netz- * tbildehens, die Ursachen und Gesetze der Raumbeziehung im Sehen und Tasten, die Bewegungen der Augen und Augen- lider, die Co entfarben in der Zeit und im Raume, die Eeraptetioo der Gesichtsempfindungen und Vorstellungen. Die nachstehende Uebersicht giebt Auszüge des Wesentlichen aus den vorliegenden Abhandlungen mit beigefügten kritischen Be- merkungen und eigenen Versuchen des Berichterstallers. Müllers Archiv, 1840. A 1. Bestimmung der Oertlichkeit in den Sin- nesvorstellungen. Aufrechtsehen, Einfach- und Doppeltsehen. r Griffin (Contributions to the physiology Be der London medical gazette.e. Mai 1838) hat die Lk DeWw- ster’s widerlegt, dass die Relalionslinien des Sehens normal zur Netzhaut stehen sollen, oder dass jeder empfundene | unkt des Netzhautbildchens nach einer Linie, welche von demselben durch das Centrum der Netzhaut reichend gedacht wird, in den Raum übertragen werde, und in der Richtung derselben äus- serlich erscheine. Dieser Satz (welcher schon von Porter- field annähernd, und in neuerer Zeit von Treviranus und Bartels geradezu behauptet worden ist, Ref.) war erstlich dar- auf gegründet, worden, dass die Erscheinung im Raume an der entgegengesetzten Seite des Netzhaulbildehens ist, wie daraus hervorgeht, dass der schwarze Fleck oder leuchtende Ring, welcber durch Druck an einer Seite des Auges entsteht, an der entgegengesetzten gesehen wird, und dass die Stelle, an welcher Gegenstände, die ihr Bild auf der Insertion des Seh- nerven entworfen, unsichtbar werden, für das rechte Auge sich an der rechten, für das linke an der linken Seite-der Axe be- findet, und ferner darauf, dass die Richtung des Sehens für jeden Punkt der Netzhaut nieht von der Richtung der dieselben treffenden Lichtstrahlen, sondern lediglich von der Lage dieses Punktes abhängt, wie aus der Unbeweglichkeit der distinelen Erscheinung bei Interceplion des grössten Theils vom Licht- kegel durch eine Charte,. aus der Beweglichkeit derselben ‚beim Scheiner’schen Versuche und aus dem Umstande erhellet, dass von Objectpuncten, die 45° von der Sehaxe enifernt sind, kein einziger Strahl geradlinig zur Netzhaut gelangt, dennoch aber dieselben, wenngleich nicht circumseript, gesehen werden können. Eine Modification des Scheiner’schen Versuchs ist die Durchsicht dureh drei sich nahe Kartenlöcher auf einen dies- seits der Klarweite vor dem Auge gehaltenen Stecknadelknopf, welcher alsdann dreifach und zwar so gesehen wird, dass bei Verdeckung eines der Seitenlöcher das Bild der andern Seite verschwindet, welches sich aus der Construction des directen Zerstreuungskreises in Verbiadung mit der anderseitigen Rich- tung der Gesichtsrelation. erklärt. (Diese Thatsachen scheine Referenten aber keinesweges beweisend, selbst nicht für Diagonalrichtung des Sehens, denn sie lassen sich cbeusowohl mit der Annahme der Richtung nach gleicher Seite vereaiken, da durch Umkehrung des gesammten Sehfeldes die Seite. an welcher der Druck auf das Auge angebracht, die Charte be- Ir wegt, das Loch geschlossen; die Iasertion des Nervus oplieus gedacht wird, ebenfalls sich umkehren, mithin alles in gleicher Ordnung sich combiniren würde. Aber auch zugegeben die Relation nach der entgegengesetzien Seile, würden sie doch im geringsten nicht die zur Retina senkrechte Richtung derselben - zu erweisen genügen. Das Unstatthafte der Hypothese, dass - die Richtung des Lichtes auf der Netzhaut empfunden werde und die ausschliessliche Beziehung der Richtungslinien zu dem alfieirten Netzhautpunkte ist übrigens schon von Porterfield und neuerdings von Volkmann anschaulich gemaeht worden, und wird in Deutschland wohl von keinem Physiologen mehr bezweifelt.) Griffin zeigt nun, indem er vornehmlich die von Wollaston und Brewster gegebenen Bestimmungen der Krüm- mungen und brechenden Kräfte der Augenmedien zum Grunde legt, dass in Voraussetzung der normalen Relalionslinien die Gegenstände nicht in ihrer wirklichen Lage zur Sehaxe erschei- nen könnten,’ denn nach seinen Rechnungen bildet ein Object- punkt von 22° 30‘ Winkeldistanz von der Sehaxe sich auf der entgegengesetzien Seite der Netzhaut ungefähr 34° von ihrem Axenpunkle ab, ein 45° entfernter 63°, und ein 67° 30 ent- legener 89° von diesem Punkte, und müssten mithin in diesen Abständen von der Axe erscheinen; überhaupt würde die Ab- _ weichung der Erscheinung von der wahren Lage mit waclsen- der Schrägheit der Lichtkegel zunehmen, grössere Gegenstände ausserhalb der Mitte des Sehfeldes müssten verschoben ausse- echseln scheinen, auch dann noch, wenn, um die in gleicher Winkeldistanz hintereinanderliegender Punkte no, mit Brewster die Kreuzung der Sehstrallen oder um der Netzhaut als Drehpunkt des Auges angenom- de). Wäre die Refractionskraft der Hornhaut so gross, Objeetpunkte im 45—70sten Grade von der Schaxe in demselben Gradabstande von der Netzhautmilte sich abbilden könnten, so würde das Auge für die nahe der Axe befindlichen Objecte höchst kurzsichtig, und der mittlere Theil der Netzhaut, ig welchem die Bilder am deutlichsten sind, von nur geringem ı* 17 Nutzen für das Sehen sein. Auch aus der scheinbaren Lage der Druckbilder lässt sich nach Griffin die Unrichtigkeit. der Brewster’schen Ansicht darlhun, obgleich die äusserste Ge- nauigkeit in dem Ergebnisse dieser Versuche nicht erwartet wer- den darf. Denn wird der Druck an der Schläfenseite des Aug- apfels etwa 90° von seiner Axe entfernt angebracht, so sieht man das Bild vor der Nasenwurzel, wird das Auge nach der Seile der Nase hingerichtet, und so tief als möglich im äussern Winkel gedrückt; so erscheint es etwas diesseits der Nase, beim “ Sehen nach aussen und möglichst tiefen Druck im innern Au- genwinkel steht es elwa 30° nach aussen vor der Axe. Zur Ermiltelung der Sehstrablen wird als Grundsatz. aufgestellt, dass jeder Objecetpunkt in seiner wirklichen Lage zur Sehaxe gese- hen werde, woraus folgt, dass die Richtung des Sehens für jeden Netzhautpunkt durch die geradlinige Verbindung desselben mit dem Objectpunkte bezeichnet wird. Denkt mau sich die Netzhaut durch zur Axe senkrechte Parallelkreise in. Zonen abgetheilt, so hat jede Zone und jeder Punkt in ihr, gemäss ‘der. verschiedenen Gradentfernung vom Axenpunkle ihre beson- dere und bleibende Richtungslinie. So bildet z. B. die Rich- tungslivie für den 63sten Grad auf der Netzhaut. mit der Seh- axe einen Winkel von 45 Graden, weil jener Grad durch die Richtung des Lichtkegels dem 45sten des äussern Sehfeldes ent- ‚spricht. Hiernach wird also auch jeder Punkt der verticalen Scheibe in seiner richtigen Lage zu anderen Punkten gesehen, und es bedarf daher, um die scheinbare Ruhe der Gegenstände bei den Bewegungen der Sehaxe zu begreifen, nicht der _An- nahme der Coineidenz des Drehpunktes mit der Ipterseclion der Richtungslinien. Man sieht, dieser Satz lässt unentschieden, ob ‚es überhaupt einen Kreuzungspunkt dieser Linien gebe, und enthält über die Richtung der Relation eigentlich nichts‘ Neues,‘ ‚sondern ist bloss ein anderer Ausdruck für die so natürliche ‚Supposilion, dass die Gesichtsobjecte in ihrer wahren Richtung zur Sehaxe gesehen werden, welches Griffin mit Unrecht ein ‚Factum nennt; als solches würde sie die Vergleichung der sicht- baren Lage mit der anders vorher erkannten wirklichen Lage der Dinge voraussetzen, eine solche Vergleichung ist aber selbst mit Hülfe des Tastsinnes nicht ‚ausführbar, weil das tastende Glied in die Gesichtserscheinung eingeschlossen wird ahard ıher ‚eine Divergenz der Tast- und Gesichtsvorstellung nicht wohl ‚veranlassen kann, wovon man sich leicht überzeugt, wenn man das eine Auge verbindet, das andere seilwärts drückt und im ausgewichenen Sehfelde die Hand wirken lässt. Aus der Nicht- bewegung der Erscheinungen bei bewegtem Auge lässt sich die Ca derselben mit. der Wirklichkeit eben so wenig fol- gera, weil denkbarer Weise die Abweichung der Scheinlage v von der wirklichen, eben wie bei Verschiebung des Augapfels, für alle Punkte des Sebfeldes die gleiche sein könnte. Grif- fin’s Bestimmung der Lage der Netzhantbilder zu den Objecten gilt zwar nur als Beispiel und berührt nieht das Prineip seiner Ansicht, indess unterliegt sie gegründetem Bedenken und hat " kaum approximative Gültigkeit, denn die Bereehnung ist nicht mitgetheilt, und den Vorausselzungen, auf welche sie basirt ist, dass nämlich die Oberfläche der Hornhaut und die Linsenflä- ehen Kugelabschnitte bilden, und dass die Retina selbst sphä- risch sei, widersprechen die Messungen von Krause, nach wel- chen die Form ‘des Bulbus ein sehräg liegendes Ellipsoid‘ mit aufgesetztem Kugelsegment der Hornhaut, die Vorderfläche der Linse ebenfalls elliptisch, die hintere parabolisch, die Vorder- fläche der Hornhaut zwar sphäriseh, die hintere aber wiederum parabolisch gekrümmt ist. Es dürfte daher bei dem jetzigen Stande unseres Wissens kaum möglieh sein, den Weg der Ocu- larkegel bis zur Netzhaut geomelrisch zu verfolgen. Obgleich nun hierdurch das wichtigste der von Griffin wider die dia- metrale Richtung der Relation vorgebraehten Argumente sehr verliert, se widerlegt sich dech diese durchaus grundlose Be- hauptung schon allein durch die Nichtexistenz eines Mittelpunk- tes der Netzhaut wegen der elliptischen Form derselben: (bei Säugelhieren soll nach Treviranus ihre Krümmung sich einer Epicycloide nähern). ’ Alison (on single and correet vision by means ofdouble and inverted images of the retina, in den Transact. oftheroyal sociely of Edinburgh. Vol. XII. p. 472:), nachdem er das Un- haltbare der alten, von Brown angenommenen Lehre, welche das Aufreeht- und Einfachsehen der Gegenstände von einer Cor- reetion des Sehens durch das Tasten herleitet, nach Reid: aus einandergeselzt hat, giebt zwar die Norm der anderseitigen Sehrichtung für jeden Netzhautpunkt zu, meint aber, dieselbe könne nicht der letzte Grund des Aufrechtsehens sein, weil die Richtung des in die Netzhaut treffenden Lichtes nicht empfun- den werde (die Sehrichtung ist ‚aber keinesweges als bedingt ‚durch eine solehe Empfindung anzusehen, und würde auch in Voraussetzung der Richtigkeit des Brewster’schen Geselzes, welches Alison im Auge hat, von der Richtung der Axen- strahlen abweichen, Ref.), auch könne sie nicht aus der Er- fahrung geschöpft sein, sondern müsse eine tiefere Bedingung in organischen Verhältnissen des Sensorii haben. Er nimmt nun zuvörderst für das Einfachsehen der Bilder eorrespondi- er Netzhautpunkte die Newton-Wollaston’sche, von ler ausgeführte Erklärung aus der Iheilweisen Decussa- Sehnervenbündel im Chiasma an, und beruft sich theils und Mayo’s Untersuchungen des Obiasma im Men- vı schen, aus denen eine Kreuzung der innern Bündel mit unge- kreuztem Verlaufe der äussern hervorgehe, wie auf Serres Beobachtungen des gleichen Verhaltens in Säugethier -Embryo- nen, theils auf die Nichtvermengung der Sehnerven in den Rep- tilien und Fischen. Er macht zugleich auf die zur Durchführ ruug dieser Erklärung nothwendige Annahme aufmerksam, dass bei der nach innen liegenden Sehnerveninsertion in jeder Netz- haut die Fibrillen ihrer äussern Halbkugel auf dem Wege zum Nerven nach innen von der Augenaxe, von den zwischen dem Sehuerven und der Axe liegenden Fasern des innern Hemisphä- riums geschieden seien, und beide in zwei Blättern übereinander liegen, welcher Gegenstand allerdings noch eine nähere Unter- suchung verdient. (Es ist überdies aber die Vereinigung der Fasern je zwei identischer Netzhautpunkte und die Richtung des Stammes zu einer der Hirnhemispbären, wie das Getrennt- sein der nichtidenlischen im Chiasma, desgleichen das der ver- schiedenen Grösse der absolut differenten Sehfelderabschnitte bei den Thieren entsprechende Verhalten der Sehnervenfasern in demselben noch nicht factisch, mithin jene Erklärung für jetzt noch blosse Hypothese. Dass nach Flourens’ Versuchen an Säugethieren durch Verletzung eines der Vierhügel das Auge der andern Seite erblindet, will Ref. nicht einwenden. da bei den stark divergirenden Augenhöblenaxen derselben ihre Gesichts- felder nur in einem kleinen mittleren Theile gemeinschaftlich sind, mithin der bei weitem grösste Theil der Netzhaut seine Bündel zu entgegengesetzten Hemisphären sendet; allein vor der Hand scheinen noch die Beobachtungen Vesal’s, Valverda’s und Nicolaus de Janua von vollkommenem Getrenntsein der Sehnerven beim Menschen ohne staltgehabtes Doppeltsehen und die von Burdach gesammelten Erfahrungen entgegenzustehen, in denen organische Krankheit eines Hemisphärii entweder Blind- heit. des gleichseiligen oder des andern Auges und nicht Halb- sehen zur Folge gehabt hat, Ref.) Zur Erklärung des Auf. rechtsehens der Objecte bei umgekehriem Netzhaulbilde geht Alison von dem Salze aus, dass durch die Hautnerven die Eindrücke in derjenigen Localordnung zur Empfindung gelangen, welche der Lage der Wurzeln zu einander und der Bündel je- der Wurzel an ihren Ursprüngen in der Cerebrospinalaxe ent- spreche, und meint, dass es sich ebenso bei den Sehnerven ver- halte. Er tritt Gordon’s Behauptung bei, dass die Fasern des Tractus opticus zum hintern Hirnganglion nicht bloss auf dessen Oberfläche sich verbreiten, sondern sich auch hineinsenken und ihre Richtung einwärts und abwärts gegen die eminenlia qua- drigemina nehmen, und dass letzte um so mehr als der eigent- liche Ursprung der Scehnerven anzusehen sei, als nach Flou- rens’ Versuchen (welche durch Hertwig bestätigt worden Vvır sind, ‘Ref,) durch Wegnahme eines der Vierhügel bei Säuge- ihieren und eines Lobus optieus bei Vögeln, Amphibien und Fischen Blindheit des entgegengesetzien Auges eintrete. Er will nun an in Alkohol erhärteten Gehirnen von Säugethieren gefunden haben, dass sowohl die vom Thalamus als auch die an den knieförmigen Körpern dahin gelangenden Fasern also ibre Lage verändern,’ dass die oberen in der Chiasmawurzel nach unten ia das vordere Paar der Vierhügel, die dert äus- sern hier nach innen u. s. w. eintreten sollen. Bei den nie- dern Klassen der Wirbeltbiere sei das Verhalten weniger deut- lich, aber doch auch‘ von Serres walırgenommen worden. Bei keinem andern Nerven finde man die schräg übereinander ende Richtung der Fasern am Ursprunge, und es stimme ‘in dem Vorderpaare der Vierhügel die nämliche Ordnung jehimpressionen im Gegensalze zu denen des Netzhautbil- ; it der Ordnung der Objectpunkte und der Tasteindrücke überein. (Die beigefügte Abbildung des Sehnervenursprunges im Schaafgehirn und der Lobi opliei 'eines Fisches nach Ser- res sind für Ref. nicht völlig überzeugend,. Auch erhebt sich gegen diese Ansicht in Verbindung mit der behaupteten Bedeu- tung des Chiasma eine nicht zu beseitigende Schwierigkeit. Wegen letzter sollen sich die rechten Hälften beider Netzhaut- bilder nach dem Sebnervenursprunge der rechten, die linken nach dem der linken Hirnhalbkugel fortpflanzen. Wird nun an jeder Seite die Ordnung der Eindrücke, das fortgepflanzte Bild, durch die Kreuzung der Sehnervenfasern am Ursprunge, umgekehrt. so wenden nunmehr beide Bilder diejenigen Seiten, welche auf den Netzhäuten die äusseren waren, einander zu, die inneren von einander ab, und es erfolgt demnach in der Zusammensetzung der Hälften zum Ganzen im vordern Paare der Vierhügel eine Verwirrung, welche nur dadurch gehindert werden könnte, dass zugleich jedes Bild nach dem Hügel der andern Seite versetzt würde, mithin jede Sehnervenwurzel im entgegengesetzten Hemisphärio entspräuge, wovon zugleich ein Vorgestelltwerden jeder Hälfte des Gesichtsfeldes durch das He- misphärium der entsprechenden Seite die Folge sein würde. Diese Deeussation der Sehnerven an ihren Ursprüngen ist aber wider alle Analogie, und auch nicht nachzuweisen. Alison selbst ist weit entferot eine solche anzunehmen, denn er giebt za, dass die Seiten des Gesiehtsfeldes in den entgegengesetzten Hemisphären vorgestellt werden. Fände eine vollkommene Kreu- zung der Sehnerven im Chiasma statt, so dass jedes Augen- stück sich in das entgegengesetzte Hirnstück fortsetzte, so fiele dieser Einwurf weg, durch welchen nun jene Erklärung wider- wird, denn man sieht an einem in Weingeist gelegenen menschlichen. Chiasma gauz deutlich die äussern Fasern jedes VI Nerven am Seitenrande sich in einem Bogen nach derselben Seite zurückwenden, Ref.) Der erscheinende Widerspruch zwi- “ schen den Gesichts- und Tastvorstellungen, da letzte durch das Hemisphärium. der Objectseite, erste durch das entgegengesetzie vermittelt werden. wird durch die Kreuzung des Fascikel der _ Pyramidalkörper des Markknopfes zu heben gesucht, vermöge deren die Eindrücke auf die von Spinalnerven versehenen Haut- "iheile ebenfalls nach der anderseitigen.Hemisphäre .hinüberge- leitet werden sollen; deshalb existire diese Kreuzung in den Säugelhieren und den Vögeln, welche noch eine gemeinschaft- liche Mitte beider Sehfelder und daher eine. theilweise Kreuzung im Chiasma, haber, nicht aber in den Reptilien und Fischen wegen der entgegengesetzten Verhältnisse. (Es ergiebt sich al- lerdings aus. den Experimenten der obengenannten Physio ogen sowohl als aus pathologischen Beobachtungen, dass die mo rischen Wirkungen der Hemisphären des grossen und klei Gehirns und ihrer Theile, wie der Vierhügel, abwärts sich kreu zen, und sollte dieses auch von den sensiliven gelten, was bi jelzt nicht feststeht, so würde die Congruenz mit den Percep- tionen des Gesichts daraus hervorgehen. In wiefern dazu die Deeussation der Pyramidenbündel beitragen mag, steht indess noch in Frage, da dieselben nieht zuverlässig in die vordern Büudel des Rückenmarkes als Fortsetzungen verfolgt werden können, da ferner durch den Ursprung der Empfindungswur- zeln des Rückenmarkes es wahrscheinlich wird, dass die Sen- sationen durch die hintern Rückenmarksstränge zum Gehirn ge- langen, während die Pyramiden zunächst den vordern liegen, und eine Kreuzung der hinteren Rückenmarksbündel an dem Eintritte ins Encephalon nicht vorhanden ist, auch eine solche an den Ursprüngen der übrigen Hirnnerven nicht besteht, und dennoch diese Nerven, wenigstens die bewegenden, obgleich sie oberhalb der Pyramidenkreuzung entspringen, durch Erkrankt- sein des Gehirns eine Lähmung an der entgegengeselzten Hirn- hälfte häufiger als an_der gleichseiligen herbeiführen, wie sich wiederum aus Burdach’s gesammellen Fällen ergiebt. Durch diese noch unerklärliche Erscheinung, auf die sensiliven Hirn- nerven überlragen, würden die Sensationen dieser mit denen des Gehirns wiederum in Einklang treien. Ref.) Der Einwand, dass bei diesen Thieren wegen des Ueberganges jedes ganzen Sehnerven in den entgegengesetzten Lobus opticus, die Seh- und Tastsensationen von Gegenständen derselben Seite in ver- schiedenen Hemisphären sich bilden müssen, wird dadurch zu beseitigen gesucht, dass hier bei der vollkommenen Differenz der Sehfelder jedesmal nur eins gesehen werden, und daher eine störende Vergleichung mit den Gefühlsempfindungen nicht staltfinden soll. (Diese Behauptung erscheint indess ungegründet, IX wenn. man erwägt, dass wenigstens der Mensch die für jedes Auge ausschliesslichen äusseren Theile der Sehfelder gleichzeitig sieht, dass hiernach bei den Reptilien und Fischen doch die Gesichts- und Gefühlsobjecte derselben Seite durch entgegen- gesetzte Hirnbälften und die verschiedener durch dieselbe Hirn- hälfte vorgestellt werden müssten, und dass auch ‚die Bewe- gungen dieser Thiere nach seillichen Gegenständen ihren Ge- Ehe vagtellüngen entsprechen müssen. Es scheint vielmehr aus allem diesen hervorzugehen, dass die räumliche Ordnung der Eindrücke im Sensorio in keiner directen Bezieliung zu dem Orte steht, nach welchem dieselben referirt werden, sondern dass diese Bestimmung vielmehr von den afficirten Primitivfa- sern selbst abhängt und auf das peripherische Eude derselben gerichtet ist, wobei es auf das Oben oder Unten des Ursprungs weniger ankommt. Es liesse sich auch durch viele Beispiele darthun, dass die peripherischen Enden verschiedener sensiliver irn- und Rückenmarksnerven in dieser Beziehung keinesweges der Ordnung ihrer Centralenden folgen, und dennoch entsteht keine Localverwirrung in den Perceptionen. Ich erinnere hier nur an die Divergenz der Zweige des vordern Astes vom drit- ten Halsnerven, N. aurienlaris magnus, oceipitalis minor und Subeutanei colli, an den N. musculocutaneus, welcher im Rük- kenmarke höher entspringt und am Arme tiefer herabgeht als der Cutaneus internus minor, an die in verschiedener Höhe ent- springenden und gleichweit hinab sich erstreckenden Nn. radia- lis und ulnaris, an die vom Stamme des medianus und mus- eulocutaneus abtretenden N. thoracici, an mehrere hochendi- gende Aeste des Plexus sacralis, nämlich N. glutaeus superior, pudendus, eutanei femoris posteriores, sacralis infimus im Ver- leich zu tiefer absteigenden Zweigen des Lumbalgeflechtes, n. culanei femoris anteriores, ramus saphenus, an die nahe beisammen liegenden Ursprünge der untern Rückenmarksnerven und die grossen Abstände der Verbreitung: ihrer Enden, ver- glichen mit den voneinander entfernten Ursprüngen der Hals- und Brostnerven und dem geriogern Höhenunterschiede- ihrer Zweige u. s. w. Ref.) m das Verhältniss der Centralenden des Sehnerven zu den Netzhautslellen so viel. als möglich aufzuklären, hat Ref. an einem in Weingeist mit Salzsäure erhärteten menschlichen Gehirn den Ursprung und Verlauf der Fasern des Sehstreifen untersucht, und theilt hierüber folgendes Ergebniss mit. Der Tractus oplieus, welcher zunächst dem Sehhügel platt ist, hin- ter dem ionern Rande des Hirnschenkels eylindrisch und nahe dem Chiasma wieder platt wird, erscheint oberflächlich von dem Selihügel nach dem Chiasma hin in einer mehr: als Viertelspi- rale wie von aussen nach innen um seine Axe gedreht, die x untere Fläche ist an dem hintern Theile nach aussen gewendet und lenkt sich gegen die Kreuzung nach innen, die obere ein- wäris gekehrte Fläche hingegen etwas nach aussen, und der ianere scharfe Rand, welcher an der Krümmung abwärts sieht, tritt vorn sich abrundend ein wenig nach oben, der äussere nach unten. Nach dem hinteren Hirnganglion hin beugt sich um den Hirnstiel wieder die äussere Seite zur hinteren, die in- nere zur vorderen um. Nach Wegnahme der Gefässhaut vom Traetus opticus sieht man, dass die Bündel, welche hinten im Traetus höher als andere liegen, bis zum Eintritt in das Chiasma diese Lage beibehalten. Die des inneren Randes und der’ in- neren Seite der oberen und unteren Fläche des Sehstreifens kreuzen sich im Chiasma mit denen der andern Seite, die der äusseren Seite gehen nach der gleichen zurück. Die Fasern in jedem Bündel gehen in mannigfaltigen Richtungen übereinander weg und legen sich in andere Bündel zusammen, wie man schon mit unbewaflnetem Auge, deutlicher durch die Loupe sieht. Nach querem Durchschneiden des Sehstreifens unter dem » Hirnschenkel trennt sieh derselbe leicht in einen untern dickern und einen obern mehr platten Strang, welcher letzte etwa nur ein Viertheil des Ganzen ausmacht und an das Crus angewach- sen ist, beide treten am äusseren Kniehöcker in den Thalamus ein. Der untere Strang begiebt sich mit seinen oberflächlichen Fasern in die unter dem Ependyma ausgebreitete Gürtelschicht der ‘oberen Fläche des Thalamus, indem er sich theils nach vorn, theils nach oben und innen umbeugt, und breitet sich sowohl gegen das vordere Tubereulum als gegen das Pulvinar bin aus. Die tieferen Fasern dieses Stranges aber spalten sich an dem äusseren Kniehöcker fast rechlwinklig in zwei starke Bündel, ein äusseres und ein inneres. Jenes geht in einem Bogen aufwärts und unter der äussern Seite der oberen Fläche des Thalamus fort, dieses in die Gegend unter dem Pol- ster. Zwischen beiden liegen die Fasern des Armes des vor- dern der Vierhügel, welche sich im Thalamus nach der Gegeud über dem äusseren Kniehöcker und weiter nach vorn hin fä- cherartig ausbreiten. Die hinteren dieser Fasera nehmen ibre Richtung auswärts und rückwärts fast parallel mit denen des inneren Bündels, dagegen sie mit denen des äusseren sich kreuzen. Von dem inneren Bündel lassen sich im oberen Theile des Vierhügelarmes Fasern zum vorderen der Vierhügel verfol- gen. Dieses innere Bündel geht abwärls in die ausgehöhlte Seite, das äussere in die gewölbte der Sehnervenwurzel über. — Der obere flachere Sirang des Schnerven theilt sieh über der Spaltung des unteren Stranges zwischen dem äusseren Rande des Hirnsehenkels und dem äusseren Kniehöcker ebenfalls recht- winklig in zwei Bündel, deren äusseres anfangs vor, demnächst XI unter dem äusseren des untern Stranges im Thalamus nach vorn verläuft, der innere aber in dem Zwischenarme des Hirnschen- kels und Vierhügelarmes sich einwärts rückwärts gegen den inneren Kniehöcker wendet. Der lelzte nun tritt mit einem Bündel gegen den oberen Theil dieses Höckers, von dessen grauer Substanz er Fasern zu empfangen scheint, in den hin- teren unteren Theil des Vierhügelarmes und durch diesen in den hinteren der Vierhügel ein, ein zweites Bündel aber geht unter dem inneren Kniehöcker, in’ der Furche zwischen dem- selben und dem Hirnsehenkel rückwärts unter dem hinteren der Vierhügel gegen den Pons und den Pedunculus cerebelli ad eminenliam quadrigeminam fort, setzt mehrere Fasern an den binteren Hügel und gegen den Lemniscum hin ab, und schickt ein ansehnliches Bündel gerade rückwärts durch den Pons, wel- ches ganz deutlich in die hinteren Pyramidenbündel desselben übergeht, mithin eine Fortsetzung der oberen Fasern des Py- ramidalkörpers ist. Die Länge dieses Bündels von ‚der Thei- lungsstelle des oberen Stranges des Sehnerven bis zum Eintritt der Pyramide in die Brücke ist 1" 5". Die Centralenden der Fasern des oberen Stranges liegen demnach in einer der Median- ebne fast parallelen, von vorn nach hinten gerichteten Reihe, die vordersten selzen sich zum concaven Rande der Sehnerven- wurzel, die hinteren ihrer Folge nach mehr und mehr nach aussen in dieselbe fort, die äussere Hälfte der Wurzel wird auch hier von dem äusseren Bündel aus dem Thalamus gebil- det. Das innere Bündel ist in beiden Strängen breiter als das äussere; dass jenes dieselben Fasern enthalte, welcheim Chiasma zum Auge der andern Seite hinübergehen und dieses die nach derselben ‚Seite eich zurückbeugenden, mag zwar als wahr- scheinlich gelten (alsdann würden die sich kreuzenden Fasern von dem Vorderpaare der Vierhügel, dem inneren Kniehöcker und den Pyramidalkörpern, die sich nicht-kreuzenden aus dem Sehhügel und dem hinteren Vierhügelpaare kommen), ist Ref. aber durch den Augenschein nicht gelungen nachzuweisen. Nir- gend ist eine Decussalion der über- oder nebeneinander liegen- den Fasern in der Höhen- oder Breilenrichtung vorhanden, sondern man sieht sie überall parallel verlaufen. Es ist dem- nach richtig, dass sowohl in den inneren als in den äusseren Bündeln beider Stränge wegen ihrer Umbeugung um den Hirn- schenkel und im Selhügel diejenigen Fasern, welche in der Sehnervenwurzel die unteren sind, mit den Oentralenden oben liegen und umgekehrt, allein es findet ein solches Verhältniss nieht zwischen den nebeneinanderliegenden Fasern stalt,. viel- mehr sieht man diese naeh zwei Hauptrichtungen auseinander- weichen und theils nahe beisammen, theils in so grossen Zwi- scheuräumen entspringen, dass eine Vergleichung der Oertlichkeit zu der Centralenden mit den Netzhautstellen ganz unstatthaft ist, um so mehr als im Laufe des Hirnstückes selbst die Bündel ihre seitliche Lage zu einander nicht beibehalten, und die Fa- sern der Bündel sich vielfältig kreuzen. Die Nachweisung des Zusammenhanges der Sehnervenursprünge mit den Pyramiden erinnert an eine frühere Behauptung B&clard’s, dass alle Cere- bralnerven, den Riech- und Sehnerven nicht ausgenommen, vom Markknopfe entspringen. ; Mile (in Müller’s Archiv 1838. S. 387.) hat den Satz bestritten, dass die Centralenden der primitiven Nervenfasern durch ihre relative Lage dem Empfindungsvermögen die relative Lage der peripherischen Enden anzeigen sollen. Dieser Salz kann, wie Ref. gezeigt hat, jedenfalls nur in sofern gültig sein, als der Ursprung jeder Primitivfaser den Ort ihrer Empfindung bestimmt, und jeder andere Ursprung eine andere Bestimmung enthält, welche indess nach dem Ortsverhältnisse der. Central- enden zu einander sich nicht in der Weise richten kann, dass ein mehr nach aussen oder höher liegendes Centralende darum auch die Sensation nach einer mehr auswärts oder höher lie- gengen Stelle der Oberfläche referiren soll. als ein benachbar- tes, und unter mehreren Centralenden die gleichen Verhältnisse der Abslände wie zwischen den Orten der Empfindungen statt finden, denn alsdann müssten die Peripherieenden der Fasern in derselben relativen Lage hinsichtlich der Höhen- und Brei- tendimensionen stehen, wie ihre Ursprünge. wovon häufig der entgegengesetzte Fall vorkommt. Die Verbindungen der Bündel der animalischen Nerven sowohl im Verlaufe derselben als in den ‚Geflechten, die Vermengungen der Fäden in den Waurzel- knoten der Empfindungsnerven, z. B. dem Gasser’schen Kno- ten, dem Müller’schen Knoten des Zungenschlundkopfnerven, dem Knoten des Vagus, den Spinalknoten, wodureh eine Samm- lung Primilivfasero in anderer Ordnung und andere Scheiden zu liegen kommt, und der mikroskopische Verlauf der Primi- tivfasern eines Fadens selbst, welche, obwohl sich nirgend ver- einigend, doch an vielen Stellen übereinander hinweggehen, sprechen ebenfalls wider die Gleichheit der Localordnung in den Ursprüngen und Enden der Primitivfasern. Am deutlich- sten zeigt sich dies in dem Verhalten der Fasern der Spinal- nerven nach Valentin’s Untersuchungen, da diese Fasern sich bis ins Gehirn hinauf verfolgen lassen, indem diejenigen der untern Rückenmarksnerven im Rückenmarke mehr nach vorn, die der höher eintretenden mehr und mehr nach innen, näher der grauen Substanz aufsteigen und alle nach der Rinde des Encephalon. hin ausstrahlen, wo sie divergirend die Kügelchen desselben zwischen sich nehmen und am Ende sich schlingen- förmig gegeneinander umbeugen. Das Oben und Unten der x Peripherieenden hört also im Gehirn auf. Es ist indess nicht dieses der Gesichtspunkt, von welchem aus Mile obigen Satz bekämpft, vielmehr leugnet er dass, wie Müller annimmt, über- haupt die Primitivfasern den Ort ihrer Sensationen im Gehirn repräsentiren. Er beruft sich auf die Beweglichkeit der Theile der Körperoberfläche und die ihr widerstreilende Stabilität der Centralenden. Es ist klar, dass, wenn die Ursprünge der Pri- mitivfasern die einzige Richtschnur für die Oertlichkeit der Em- pfindungen enthielten, letzte durch sie definitiv festgesetzt würde, und wir ungeachtet der Bewegungen der Glieder die Aflection derselben immer an der Stelle des ruhenden Gliedes, wobei eine bestimmte Stellung sämmtlicher Theile des Körpers als Norm angenommen werden müsste, fühlen würden. Jenes Relations- geselz nach den Nervenursprüngen beschränkt sieh aber auf die beharrende Lage der afficirten Hautstellen, und ist für ‚diese ‚gewiss genug vorhanden als sogenannte Flächenbeziehung; bei selbstibätiger Ortsveränderung einzelner Glieder Ireten die Be- wegempfindungen der dabei sich contrahirenden Muskeln hinzu und combiniren sich mit der durch die Centralenden gegebenen Bestimmung, indem sie die Vorstellung der Lage des Gliedes selbst ändern und hiernach der Empfindung der Oertlichkeit des Eindrucks die entsprechende Modificalion ertheilen, bei: welcher letzte im Vergleich zu den mitbewegten Punkten der Oberfläche beharrend, zu den unbewegten aber wechselnd vorgestellt wird. Es ist keine Frage, dass, wenn zwei hinreichend abstehende Punkte des Handtellers berührt werden, die Unterscheidung des Ortes der Eindrücke Nlächenbeziehend durch die betheiligten Ner- venfibrillen vermittelt wird, dass aber, weon nun die Extre- mität in Abduclion gebracht wird. die»Kenntniss des Ortswech- sels der Eindrücke von der Sensation der Zusammenziehungen der Abductoren und ihrer Grade und Verhältnisse abhängt. Das Bewusstwerden des Ortes der Eindrücke geht aus der Raumbeziehung des Inhalts der Empfindung hervor, und diese wird. durch Vergleichung zweier Perceptionen, nämlich derje- nigen der erregten Nervenfibrillen und der des Muskelstandes zugleich bestimmt. Nicht anders verhält es sich mit den Netz- hautafleetionen, da die subjeeliven Gesichtserscheinungen bei wechselnder Richtung des Auges sich mit bewegen. Diese Er- klärung ist aber nicht, wie Mile glaubt, eins mit Stein- buch’s Theorie der Bewegideen, denn letzte basirt alle Oert- lielikeit des sinnlichen Vorstellens auf den Muskelsinn, welcher nur eine secundäre Bestimmung giebt, mit Uebergehung der ureprünglichen Relation nach den erregten Flächenpunkten des Organs. Wird ein Glied durch fremde Gewalt bewegt, z. B. ein Bein durch einen anderen Jlectirt, so folgen instinctartig die Contraclionen der Beuger und gelangen zum Bewusstsein, daher oe XIV ein: Hautreiz an dem gebogenen Gliede in relaliv anderer Lage zum Rumpfe empfunden wird. Geschieht aber eine solche Be- wegung durch mechanische Ueberwältigung der in Contractions- strebung beharrenden Antagonisten, so fehlt das musculäre Ele- ment, und der Eindruck wird auf die frühere Lage bezogen. Wenn ich z. B. den Daumen angestrengt in starker Abduction halte, während seine Spitze von einem fremden Finger berührt wird, und der Andere ihn an den Zeigefinger zwängt, so ent- geht mir bei geschlossenen Augen der Ortswechsel des Ein- drucks. _ Das Doppeltfühlen bei gekreuztem Zeige- und Mittel- finger erklärt sich nach Müller’s richtiger Auseinandersetzung eben daher. Es werden diese Fioger nur durch den wechsel- seitigen Gegendruck, also durch eine äusserliche Kraft in die- ser Lage erhalten, die etwa veränderte Spannung der Iaterossei ist zu geringlügig, um bier einwirken zu können, und es wer- den daher die gefühlten Theile der Oberfläche der Kugel in der Nebenlage vorgestellt, welche sie bei nicht gekreuzten Fingern haben müssten, um die sich abgekehrten Seilen derselben zu berühren. Dies ist aber auch die ganze Erscheinung, denn wir fühlen eben sowohl zwei widerstehende Theile, wenn wir die Kugel zwischen die nicht gekreuzten Finger nelımen; dass in jenem Falle zwei Kugeln vorgestellt werden, ist Wirkung der ergänzenden Einbildungskraft, dadurch angeregt, dass ‚die Zzwi- schen der Radialseite des Zeigefingers und der Ulnarseite des Mittelfingers befindlichen, tastfähigen Hauttheile nichts fühlen, welches die Vorstellung des Getrenntseins erweckt. Man über- zeugt sich davon, wenn man die gekreuzten Finger an die Flä- chen einer wagrechten Tischkante legt, wobei nämlich die Täu- schung stattfindet, als ob die verticale Fläche auf der oberen stehe. Die Richtung des Drucks, auf welche Mile Gewicht legt, ist: hierbei nicht wesentlich, da die Täuschung schon bei der leisesten Berührung eintritt, obgleich sie beim Gegendrücken intensiver wird, auch würde dies das Erklärungsprineip nicht umstossen. Das Einfachfühlen bei Kreuzung des Daumens und Zeigefingers oder beider Daumen, beider Hände und Füsse ist kein Einwand, da diese Bewegungen durch willkürliche Mus- kelthätigkeit erfolgen, deren Bewusstsein ins Mittel tritt. Ich führe .die Spitze des Mittelfiugers schräg über den im ersten Gelenke flectirten Zeigefinger weg. so gut es durch seinen an der Radialseite liegenden Interosseum externum, ohne ein gegenseitiges Andrängen der Finger, möglich ist, und es erfolgt kein Doppeltfühlen. Beim Hingleiten der so gestell- ten Fingerspitzen über den Tisch in der einen oder andern Rich- tung empfinde ich sehr deutlich das Vor und Hinter jedes Ein- drucks, wogegen bei der andern Art der Kreuzung die Vor- stellung unbestimmt u Sr sich verwirrt. Die in musculärer xY Kreuzung befindlichen Finger fühlen zwei befestigte Kugela, zwi- schen welchen sie eingeschoben werden, entschieden doppelt, bei mechanischer Kreuzung entsteht alsdann kein Doppeltfühlen, son- dern man glaubt eher eine einzige Kugel zu betasten, welche Em- pfindung sich durch den Gegensatz verdeutlicht, wenn man gleich darauf die Finger auf eine der Kugeln legt. Es ist demnach nicht, wieMile glaubt, dem: Schwierigen und Ungewöhnlichen. der ge- kreuzten Fingerlage diese Gefühlstäuschung zuzuschreiben, sondern derNichtbetheiligung derMuskelsensation bei verändertem Verbält- nisse der peripherischen Nervenenden zu den centralen, und überhaupt lässt sich aus dem blossen Mangel der Gewohnheit, in dieser Weise zu tasten und die relative Lage der Eindrücke sich richtig vorzustellen, die Erscheinung keineswegs ableiten, da sie bei hundertmaliger Wiederholung des Experiments stets dieselbe bleibt. Da gleich dem Doppeltfühlen auch das Einfachsehen nach Müller’s Darstellung seines Ursprunges aus der Vereinigung je zweier identischen Nelzhautstellen zu einer gemeinsamen Primilivfaser, wie das Doppeltsehen aus der Nichtvereinigung der nichtidentischen, auf dem Bestimmtwerden der Relation (worunter Ref. allgemein die Raumbeziehung eines auf das Sen- sorium fortgepflanzten Sinnenreizes in der Empfindung versteht; gleichviel ob sie auf den Umfang des Leibes sich beschränkt oder darüber hinausgeht) durch die Centralenden der Nerven- fibrillen beruht, so greift Mile consequent auch diese Erklä- rungsweise an, behauptend, dass jene Erscheinungen lediglich Wirkungen der Angewöhnung und Aufmerksamkeit seien, da wie wegen der grösseren Deutlichkeit in der Mitte des Sehfel- des uns zur Regel machen, die Gegenstände unserer Aufmerk- samkeit mit beiden Sehaxen zu fixiren, und wir durch den Tastsion von ihrer Einfachheit belehrt, die sich deckenden Bil- der derselben in der Vorstellung zu vereinigen pflegen, wäh- rend dieses Verfahren in den aussergewöhnlichen Fällen des Sehens diesseits oder jenseils des Fixationspunktes unterbleibe. Dieser die geometrischen Verhältnisse des Doppeltsehens nicht berücksichtigenden Ansicht einer früheren Zeit tritt die Gleich- förmigkeit und Unvertilgbarkeit des Doppelbildes trotz den Wei- sungen des Tasiens und unserer enigegengesetzien Ueberzeugung, wodurch es sich als ein physiologisch notliwendiges Phänomen bekundet, entschieden entgegen, denn.es ist nicht anders mög- lich, als jedes der Doppelbilder da zu sehen, wo es erscheint, und wir vermögen im geringsten nicht bei unverrücktem Stande der Sehaxen sie in Deckung zu bringen oder nur einander zu nähern, Schon Gall hat dieser Meinung entgegengeseizt. dass ihr zufolge ein neuer und ungewöhnlicher Gegenstand, als ein Wunderthier, uns doppelt erscheinen müsste, auch würde nach xVvI ihr'das directe Doppelgebild bei zu fernem, wie das gekreuzte bei zu nahem Fixationspunkte unerklärlich sein. Als’Gründe wider die Identitätstheorie stellt nun Mile erstens das Unnö- thige der Annahme auf, dass die Vereinigung von zwei Seh- empfindungen eine Verschmelzung der getroffenen Nervenfibril- len zur Bedingung habe, wie aus den Weber’schen Versuchen erhelle, nach welchen Hauteindrücke verschiedener Distanz an verschiedenen Stellen der Oberfläche in eine Empfindung zu- sammenfliessen. Dieser Vergleich würde aber nur dann passen, wenn. von zwei afficirten Punkten Einer Netzhaut die Rede wäre, indem durch jene Versuche nur Primilivfasern Eines Bün- dels nicht gleichnamige Fasern eines Nervenpaares in Anspruch genommen werden, und die von Weber gefundenen Thatsa- chen erklären sich aus einem mehr oder minder bedeutenden Mangel an Bestimmtheit in der Ortsbeziehung. welche auf die Netzhaut, in denen diese Beziehung die vollkommenste ist, keine Anwendung findet: Aber Mile sagt, dass auch dann, wenn beide Hände oder zwei Finger derselben oder verschie- dener Hände, oder auch andere Körpertheile, deren Nerven von verschiedenen Stämmen kommen, nahe beisammen liegend, von den nur wenige Linien von einander entfernten Schenkeln eines Cirkels berührt werden, dasselbe Gefühl der Einheit des Eindrucks entstehe, und dieses erst dann, wenn die Glieder mit wachsender Divergenz der Cirkelspitzen von einander ge- schoben werden, allmählig sich entzweie. Diese Angaben sind nicht exact, Ref. hat bei Wiederholung dieser Versuche mit Bestimmtheit einen doppelten Eindruck wahrgenommen, der nur durch Entfernung der Glieder von einander sich in der Dupli- eität verdeutlichte; auch bei Berührung eines Körpertheiles mit dem Finger entstehen zwei Sensationen, welche, obgleich der Oertlichkeit nach sehr nahe, doch ihrem Inhalte nach durchaus getrennt sind, und die von Mile gezogene Folgerung, dass das Verschmelzen der Empfindungen zur Einheit nicht durch das Verhältniss der Centralnervenenden zu den peripherischen be- dingt werde, sondern äusserlich local sei, ist daber auch nicht riehtig, vielmehr beruht die räumliche Annäherung (nicht Dek- kung) in den Empfindungen unter diesen Umständen auf der Repräsentation der Lage der sich berührenden Theile durch Muskelsensationen. Erheblich erscheint der zweite, auch schon von Heermann vorgelragene Beweisgrund, dass nämlich ver- schiedenfarbige Lichter, identische Netzbautstellen treflend, sich nicht zur Mittelempfindung ausgleichen. Es ist. klar, dass, wenn die Primitivfasern dieser Stelle sich im Chiasma zu einer ver- binden, die Wirkung der Aflection beider Fasera durch zwei Farben auch gleich derjenigen sein muss, welche das Auffallen beider auf die eine Faser hervorbringt. Wie in den verschmel- AYvu zenden Fasern eine Identität der Localbeziehung mit gleichzei- tiger Differenz der Empfindungsqualitäten bestehen könne, ist schwer einzusehen. Dennoch aber lehrt die Beobachtung eine Nichtvermischung der Farben in den Empfindungen gleicher Netzhautstellen. Als eine neue Weise dieses von verschiedenen Beobachtern verschiedentlich angestellten Versuchs hat Mile die angegeben, dass auf eine mit zwei geradlinig und verlical begrenzten Farben bestrichene Wand durch ein nahe vor dieser Gränze befindliches Loch aus einiger Entfernung also gesehen wird, dass beide Sehaxen einen durch die Mitte des Loches ge- zogenen Faden fixiren, mithin verlängert die verschieden ge- färbten Theile der Wand treffen. Hierbei werden die Mittel- felder beider Netzhäute von ungleichen Farben affieirt, und scheinen sich diese übereinander zu schieben. Es verhalten sich aber beide Netzhänte zu differenten Farben in dieser Hinsicht ‚ nicht anders als Eine Netzhaut, wenn sie an derselben Stelle von verschiedenfarbigem Lichte getroffen wird, denn es erfolgt auch in diesem Falle, wie unten näher besprochen werden wird, mehrentheils' keine Nentralisirung der Empfindungen in die Mit- telfarbe, sondern gewöhnlich nur Verdunkelung, oder gänzlicher Untergang der einen Farbe durch die andere. Als drittes Ar- gument wird angeführt, dass bei der Seitenwendung des Blickes in der Ebne der Sehaxe, wenn auch die Interseetion derselben im Horopter fortgeführt wird, zwei Gegenstände, welche beim ersten Stande der Axen sich auf gleich gelegenen Netzhautstel- len abbildeten, dies beim zweiten Stande nicht tun würden, im Falle dass eins der Augen zugleich eine Rotation um seine Axe machen sollte, mithin nach der Identitätslehre alsdann ein Doppeltsehen einlreten müsste, was wider die Erfahrung sei. Es findet nun aber eine solche Rollbewegung nicht statt, so lange die Verbindungslinie der Drehpunkte Bilder Augen ihre horizontale Stellung behält, vielmehr halten alsdann die schie- fen Augenmuskeln, welche die Rollung des Bulbus nach ent- gegengeselzten Richtungen bewirken, einander das Gleichge- wicht und den Drehpunkt in seiner Lage fest, am wenigsten kommt sie nur an einem Auge mit Ausschluss des anderen vor, welches doch zur Aufhebung der objectiven Congruenz der frü- her identischen Netzhautstellen angenommen werden müsste. DieRollung erfolgt vielmehr nur dann, wenn bei Herabneigung des Hauptes nach der einen oder andern Seite hin die Ebne der Sehaxen seitlich von der horizontalen abweicht, und zwar an beiden Ai in gleicher Richtung nach rechts oder links, obei die Objectpunkte, welche vor dieser Bewegung ihre Bil- der lechiegenie Netzhautstellen zusendeten, es auch nach beo thun und die Netzhautpunkte, welche zuvor von dem- selben Objeetpunkte gerührt wurden, es auch nachgehends wer- Müllers Archir. 1840. ” B _ a * ’ ‘ XV den, daher die Identität und Differenz der Netzhautlleile un- gestört bleibt. Es sind demgemäss die Einwürfe Mile’s als anf unzureichenden, zum Theil ungenauen Voraussetzungen. be- ruhend, auch nicht geeignet, die fragliche Erklärung umzu- slossen. n Nicht glücklicher ist dieser Physiolog in der von ihm ver- suchten Widerlegung des nach Ansicht des Ref. im Allgemeinen richtigen Satzes, dass die Refractionsbewegungen der Augen von der Stellung der Sehaxen abhängig sind. Er erklärt das Undeutlichwerden der Gegenstände durch Verlegung der Axen- convergenz von ihnen auf einen dem Auge näheren oder ent- fernteren Punkt, nicht aus der die grössere oder geringere Nei- gung der Sehaxen begleitenden Veränderung des Brechungszu- standes, sondern daraus, dass das Bild, sobald es zum Dop- pelbilde wird, den mittleren Theil der Netzhaut, in welchem am deutlichsten gesehen wird, verlasse und in beiden Augen eine seitliche Gegend der Netzhaut einnehme. Er vergisst aber hierbei, dass die Undeutlichkeit aus unpassender Refraction von ganz anderer Art als die wegen seitlicher Abweichung ist. Im letzten Falle erscheint das Bild zwar auch weniger bestimmt, aber nicht mit zerfliessenden Umrissen, und wenn es klein ist, nicht ausgedehnt; im ersten Falle hingegen macht es Zerstreu- ungskreise und die Gränzen verwischen sich. Man’ fixire mit einem Auge einen punktähnlichen Lichtreflex oder einen Nadel- stich in einer gegen den lichten Himmel gehaltenen Karte, und bringe nahe daneben einen zweiten Lichtpunkt oder Loch an, so sieht man bei unverrücktem Augenstande den letzten nicht als eine Scheibe, wohl aber, wenn man das Auge auf eine andere Distanz einrichtet. Die Undeutlichkeit der Dop- pelbilder beruht aber ebenfalls auf Zerstreuungskreisen, wo- von man sich an denselben Gegenständen leicht überzeugt. Auch ist ja ein Doppeltsehen mit Erhaltung wenigstens eines der Bil- ‚der im Axenpunkte der Netzhaut möglich, wenn nämlich beim Fixiren eines mässig entfernten Punktes das Auge in Ruhe as bleibt, ‚während die Axe des anderen, geleitet von einem ihr [7 allmählig genäherten Gegenstande, z. B. der Spitze eines Blei- stiftes, sich mehr und mehr diesem zuwendet, so dass der In- terseelionspunkt sich nähert. Bei diesem Versuche, welchen man auch so anstellen kann, dass man zuerst mit einem Auge auf den Punkt schaut, dann zwischen ihn und das Auge den Bleistift bringt, so dass jener gedeckt wird, alsdann auch das andere Auge öffnet, und hierauf die Fizalion beider dem Stifte umendt, erscheint aber nicht allein das Bild des bewegten, Km auch das des ruhenden Auges undeutlich, obgleich es die Mitte des Sehfeldes nicht verliess, weil nämlich das Auge diejenige Refraction angenommen hat, welche der neuen Con- Pe” . % \ . » ® u % “ a ‚de + En R' « “ Zu ® v XIX vergenz entspricht. Man darf nur den Bleistift nicht zu nahe dem Auge halten, weil alsdana bei Fixation desselben die Pu- pille sien schr verengt und dadurch der Zerstreuungskreis be- schränkt wird. Mile provocirt ferner auf einen Fall, wo ein fixirter Gegenstand einlach und zugleich undeutlich erscheint, während ein anderer diesseit der Fixation doppelt und zugleich deutlich gesehen wird. Dieser Fall tritt nämlich dann ein, wenn die Sehaxen sich in einem jenseit der Klarweite gelege- nen Punkte vereinigen, das andere Object aber an der äusser- sten Gränze der Klarweite sich befindet, und soll beweisen, dass die Deutlichkeit nicht durch die Axenconvergenz, sondern durch den Brechungsstand des Auges bedingt werde. Aller- diogs zunächst durch diesen, aber der Brechungsstand folgt der Axenneigung. Jener hat nun sein Maximum für die grösstmög- liche Nähe, in welcher deutlich gesehen werden kann, und sein Minimum für die grösste Ferne, und nur innerhalb dieser Grän- zen ist eine Veränderung desselben möglich. Die Axenneigung aber ist wenigstens für die Ferne unbegränzt, indem der Inter- seclionswinkel nicht allein ins Unendliche sich verkleinern, son- "dern in Parallelismus und selbst in beginnende Divergenz der Sehaxen übergehen kann. Natürlich kann die Dependenz des Brechungsstandes von der Axenneigung nur in so weit stalt- haben, als letzte sich innerhalb der Grenzen der Möglichkeit der ersten bewegt, jenseit derselben bleibt die Refraction in ibrem durch die Axenneigung bestimmten Minimo, gleichviel ob der Fixationspunkt einen Fuss oder eine Meile über sie hin- ausliegt. Jene Thatsache würde erst dann von Belang sein, wenn der nähere Gegenstand die Gränze der Klarweite noch nicht erreicht hätte Um den Einfluss der Axenneigung auf die Refraction zu läugnen, müsste gezeigt werden, dass inner- halb dieser Gränzen entweder jene wechseln und diese behar- ren oder umgekehrt, bei Permanenz der ersten letzte sich ver- ändern könne. Ref. hat an sich weder das eine noch das an- dere, aber wohl Erscheinungen des Gegentheils wahrgenommen. Plateau und Müller haben es zwar mühsam, aber doch nicht unausführbar gefunden, dass ein Punkt ohne Verdoppelung des Bildes zugleich undeutlich gesehen werde, und dieses Expe- riment beweiset allerdings, dass die Abhängigkeit des Brechungs- standes von der Axenconvergenz keine unbedingte ist, sondern durch Anstrengung überwunden werden kann. „ Apr 2%, Richtungslinie und Drehpunkt des Auges. Volkmann hat in Poggendorf’s Annalen 1838 p. 207. seine lehrreichen Untersuchungen über die Lage des Kreuzungs- B* AX u ponktes der Richtungslinie des Auges und seines Drehpunktes weiter fortgeführt, und eine Widerlegung der von Mile hier- über aufgestellten entgegengesetzten Ansichten gegeben. Die Controverslage darzustellen ist es nölhig, auf die a stungen dieser Männer zurückzugehen. Die erste Abhandlung Volkmann’s über den Stand des Netzhaulbildchens findet sich in dessen sehr gehaltreichen Beiträgen zur Physiologie des Ge- sichtssinnes,. und ist in den genannten Annalen 1836 S. 342, besonders abgedruckt. Zur Ermittelung der Lage des Netzhaut- bildchens denkt Volkmann sich von jedem Punkte desselben ' eine gerade Linie zu dem durch ihn vorgestellten Objeetpunkte gezogen, obne Rücksicht auf die Liehtbrechung in den Augen- ınedien, und nennt diese imaginären Linien Richtungslinien des Auges. Da von den Seiten des Gesichtsfeldes alle Lichtstrablen gebrochen zur Nelzhaut gelangen, so giebt es in keinem seit- lieben Lichtkegel einen Strahl, welcher mit der Richtungs- linie zusammenfiele, durch die Richtung der Richtungslinie vom Objecte aus wird aber die Stelle seines Netzhautbildchens be- stimmt. Zwei leuchtende Punkte decken sich in der Erschei- nung dann, wenn sie ein gemeinsames Netzhaulbildchen haben, die Linie, welche im Raume diese Punkte verbindet und zum Auge geht, wird Richtungsstrahl genannt. Der Richtungsstrahl ist keine bloss eingebildete Linie wie die Richtungslinie, son- dern wird durch den Weg desjenigen Lichtstrahls bezeichnet, welchen beide’Punkte vermöge ihrer gleichartigen Stellung zum Auge gemeinschaftlich demselben zusenden, der Richtungsstralil kommt im Auge gebrochen auf die Netzhaut, und die Stelle _ seines Zusammentreflens mit ihr ist die des Netzhautbildchens beider Punkte. Wird die Lage eines der Punkte dahin r dert, dass sie zwei Netzhautbildehen entwerfen, so liegt de bewegte nun ausser dem Richtungsstrahle des andern. Der Richtungsstrahl kann in Gedanken bis zur Netzhaut geradlinig verlängert werden, und es liegt nicht im Begriffe desselben, dass er alsdann das Netzhautbildchen selbst trefle oder zu dem- selben Punkte der Netzhaut gelange, auf welchen der im Auge gebrochene Richtungsstrahl fällt; würde er dieses thun, so, würde das Bildchen mit den zwei deckend erscheinenden Punk- ten in gerader Linie liegen, mithin der Richtungsstrahl, sofern er ausser dem Auge liegt, mit der Richtungslinie zusammenfal- len. Würde der verlängerte Riclitungsstrahl aber einen andern Punkt der Netzhaut treffen als der gebrochene, alsdann lägen jene drei Punkte nicht in grader Linie, und das Netzhautbild- chen würde für jeden der in Deckung gesehenen Punkte eine besondere Richtungslinie haben, das Auge würde auch dann der Fähigkeit ermangeln, die Richtung der Objecte nach der Lage des Netzhaulbildchens zu erkennen. Welches von beiden „ xxI Verhältnissen wirklich sei, kann nur durch Erfahrung entschie- den werden. Zur Bestimmung der Richtungslinien bediente Volkmann sich bekanntlich der Augen weisser Kaninchen, Netzhaulbilder wegen mangelnden schwarzen Pigmentes h die dünne Selerotica hindurch gesehen werden. Es wur- den auf einem Tische mehrere in einem Punkte sich kreuzende rade Linien gezogen, in diesen angezündete Lichter ange- bracht und durch Visirversuche mit einem Diopterlineal und einem Haarvisire ; funden, dass, wenn die Hornhauthöhe in einer gewissen Eheknine von dem Kreuzungspunkte stand, die Netzhautbilder der Flämmchen ia den geraden Linien dies- ‚seit der Kreuzung lagen. Wurde in dieser Lage das Auge auf einer Scheibe, deren Centrum der Kreuzungspunkt der gezoge- nen Linien war, um dies Centrum gedreht, selbst bis zum Win- kel von 90°, so blieben die Bildchen mit den Lichtero und dem Rotationspunkte in gerader Linie, und es war hierbei gleich- gültig, welche Seite des Augapfels nach oben lag. Es folgte hieraus, dass die Richtungslinien für die Lichilammen in einem Punkte des Auges, nämlich dem senkrecht über der Kreuzung der gezogenen Linien stehenden, sich schneiden. Zwei Lichter iintereinander in eine dieser geraden Linien gestellt, gaben nur in zhautbildehen, welches auch beim Drehen der Scheibe oh blieb, aber sofort in zwei zerfiel, wenn das Auge, statt den Kreuzungspunkt der Richtungslinien, um einen anderen f der Scheibe rotirt wurde. Es sind also die Rich- hlen eins mit den Richtungslinien, und was gleichbe- ist, die Richtungsstrahlen kommen nach ihrem Durch- ze durch die Augenmedien, die seitlichen nach erlittenen ingen an denselben Punkten der Netzhaut an, welche ie von der Hornhaut aus geradlinig verlängert getroffen haben irden. Das Kaninchenauge war 74“ lang, 8" breit, der euzungspunkt befand sich 3} hinter dem vordersten Pankte ornhaut, 44“ vor dem hintersten Punkte der weissen . enhaut. Um die Richtungsstrahlen für das menschliche Auge nden, wurden beim Fixiren einer in der verlängerten Seh- festigten Stecknadel zwei andere rechts und links in der ze normalen Linie auf der horizontalen Tafel eingesetzt, bei unverrückler Fixation jede durch eine näher einge- steckte Nadel verdeckt, nachdem wurden noch mehr seitwärts zwei sich deckende Nadeln angebracht. Es ergab sich, dass die Verbindungslinien je zweier sich deekender Nadeln rück- wärls verlängert in einem Punkte der Axe sich schnilten und durch trigonometrische Berechnung mit Hülfe des von Volk- mann hierzu erfundenen Gesichtswiukelmessers, der bei acht Individuen applieirt wurde, stellte sich als durchschnittliches lesultat heraus, dass diese Kreuzung 0,466" hinter dem vor- XXul dersten Punkte der Hornhaut lag, mithin, da nach Trevira- nus der hintere Pol der Krystalllinse von diesem Punkte 0,297“ entfernt ist, etwa + Zoll hinter der Linse und nahe vor der Mitte.der Augenaxe, Wurde hierauf das Auge wieder in seine vorige Stellung zu ‚den Nadeln gebracht, so dass jedes Paar sich zu decken schien, und demovächst also gedreht, dass eine der seitwärts stehenden Nadeln fixirt wurde, so blieb die Dek- kung dieser mit der in gleieher Linie liegenden, so wie die Deckung der übrigen Paare ungestört, gleichviel ob die fixirte Nadel eine nähere oder entferntere, eine mehr oder weniger seitwärls abstehende war. Volkmann folgert hieraus, dass der Kreuzungspunkt der Richtungslinien im Auge zugleich der- jenige Punkt sei, um den das Auge bei seinen Bewegungen ro- _ tire, und welchen er den Drehpunkt desselben nennt. Denn läge der Drehpunkt vor oder hinter dem Kreuzungspunkte, so würde letzter bei den Bewegungen des Auges mit bewegt wer- den, und die beim ersten Stande des Auges zusammenfällenden Richtungslinien zweier sich deckenden Nadeln würden beim zweiten Stande auseinander getreten sein, nunmehr in dem Kreu- zungspunkle sich schneiden und nach der Netzhaut hin divergi- ren, daher zwei Netzhautbilder entstehen würden. Der von Volkmann angestellle Versuch über die Nadel- deckung bei unbewegtem Auge beweiset zwar nur die Kreu- zung der in der wagrechten Ebne befindlichen Richtungsstrah- len, und würde um die Kreuzung aller, auch über und unter = dieser Fläche einfallenden Richtungsstrablen in demselben Punkte u we ah darzuthun, noch eine Wiederholung mit vertical und schräg - gestellten Ebenen erfordern, deren Resultat mit dem ersten sich vereinigen müsste, welches indess leicht nachzuholen ist. Der. selbe Versuch ist von Ref. mit einem Brettchen, in welches Nadeln gesteckt waren, mehrmals aufmerksam wiederholt und die Deckung bei den Bewegungen des Auges beharrend gefun- -den worden. Es gestattete derselbe aber keine grosse Ausdeh- nung nach der Seite hin, weil in einem Winkel von 45° die Bilder so unbestimmt werden, dass ihr Zusammenfallen nicht zuverlässig mehr erkannt werden kann, Es ist möglich, dass das Auge Volkmann’s und anderer Beobachter eine grössere Schärfe im indirecten Sehen besitzt, doch schwerlich eine sol- che, dass bis zu 90° Seitensicht die Deckung wahrgenommen werden könnte. Die Kreuzung der Richtungsstrahlen in einem Punkte kann demnach für das menschliche Auge nur in Be- treif der nicht zu entfernt von der Mitte des Sehfeldes liegen-. den Objecte, nicht aber von sämmtlichen Richtungsstrahlen zu- folge des ersten Versuches mit den Stecknadeln behauptet wer- den, und muss’ für die mehr seitlich abweichende die Analogie des Kaninchenauges zu Hülfe kommen. Die scheinbare Aus- XXI dehnung der näheren Nadelköpfe durch Zerstreuungskreise beim Fixiren der enifernteren thut übrigens der Genauigkeit des Ver- suchs keinen Eintrag, da der nähere hierbei nicht als Schatten, sondern als wahres. Objectbild vermöge des von ihm reflectir- "ten Lichtes, und der fernere, als in der Mitte dieses Bildes schvwebend, und demnächst bei der Seitensicht als in der Mitte bleibend gesehen wird. Der categorische Schluss aber, dass die Intersection der Richtungslinien der Drehpunkt des Au- ges sei, scheint auf einem Saltus zu beruhen, sofern für das menschliche Auge die Richtungsstrahlen und Richtungslinien für identisch, oder die Richtung des Netzhautbildchens zu den in Deckung. erscheinenden Punkten als geradlinig angenommen wird, welches noch eines Beweises bedarf. Für das Kanin- ehenauge ist freilich diese Identität durch die erwähnten Ver- suche erwiesen, darf aber nicht ohne Weiteres auf das mensch- liche ausgedehnt werden, obgleich die Existenz desselben Ver- hältnisses beim Menschen dadurch wenigstens wahrscheinlich wird. Bei der noch unermiltelten Lage des Netzhautbildchens zu den sich deckenden Punkten lässt sich aus der Persistenz der Deckung bei den Bewegungen des Auges strenge nicht ein- mal dieses folgern, dass das Auge sich um die Kreuzung der Richtungsstrahlen drehe, Wird aber die Identität der Rich- tungslinien und Richtungsstrahlen vorausgesetzt, so erstreckt sieh der Schluss folgerecht auch auf die Summe aller Drehun- gen selbst bis an die seitliche Gränze des Gesichtsfeldes, weil Bei jede Partialdrebung nur die der Sehaxe nahen Richtungs- strahlen, deren Kreuzung gefunden ist, in Anspruch genommen wo Volkmann hat später durch einen Versuch am u von welchem unten die Rede sein wird, diese 'abrscheinlichkeit der Gewissheit sehr nahe gebracht. Es be- darf aber ausserdem noch des Drehversuches in der verticalen Ebene, um festzusetzen, dass der Drehpunkt des Auges sich nielt verlical über oder unter dem Kreuzungspunkte und der Augenaxe befinde, in welchem Falle die Deckung in der Ho- - ntalebene ebenfalls beharrend/sein würde, sondern dass er mi ie zusammenfalle. Ref. hat durch senkrechte Stellung des relichens diesen Versuch angestellt, und bei den Wendungen der Sehaxe nach oben und unten ein Auseinanderweichen der sich deckenden Nadelknöpfe ebenfalls nicht währgenommen. Es fand sich hierbei, dass die auf dem wagerechten Brettchen sich deekenden Nadeln es auch auf dem senkrecht oder schräg ge- stellten: blieben, so dass es bloss einer Wendung des Breitchens bedurfte, um in jedem Winkel zur Horizontalebene die Stabili- tät der Deckung bei beweglem Auge nachzuweisen, woraus unter der bemerkten Einschränkung folgt, dass die Richtungs- % Be; xx1V , linien sämmtlicher Ebenen einen gemeinschaftlichen Krenzungs- punkt haben. ve Einen zweiten Beweis für die Stabilität des 0,466“ hinter dem vordern Ende der Augenaxen befindliehen Punktes bei den Drehungen des Auges, welcher freilich seiner Natur nach auf die Ebene der Sehaxe beschränkt ist, hat Volkmann durch den Versuch der wechselnden Convergenz der Axen auf einen entfernteren und näheren Punkt geliefert, wobei mit Hülfe zweier beweglicher Diopter der Axenwinkel gefunden und aus diesem und der Länge der einschliessenden Schenkel die Grösse des Zwischenraumes jener Punkte in beiden Augen voneinan- der berechnet wurde. Es ergab sich hierbei, dass letzter 2,4” betrug und sich gleich blieb, da er doch, im Falle die Dreh- punkte vor oder hinter jenen gelegen wären, er sich hätte ver- kürzen oder verlängern müssen. Aber freilich geht hieraus al- lein noch nicht die Coincidenz des Drebpunktes mit der Inter- section der Richtungslinien hervor, vielmehr stützet sich, sofern letzte dargethan werden soll, dieses Argument wiederum auf die Nachweisung der Lage des Kreuzungspunktes. ‚Mile hat nun (Poggendorf’s Annalen S. 37—71. und S. 235—263.) in einer Abhandlung über die Richtungslinien des Sehens von den Volkmann’schen abweichende Ansichten entwickelt, dabei aber, von vorn herein sich auf einen andern Standpunkt versetzt, indem er nicht wie sein Vorgänger von unmittelbarer Beobachtung der Lage des Netzhautbildchens zum Objecte ausgegangen ist, sondern die Sache aus physicalisch- optischen Betrachtungen zu dedueiren versucht hat, und es wird sich im Folgenden zeigen, welcher von beiden Wegen, Empirie oder Speculation, hier sicherer geleitet hat. Mile definirt den Richtungsstrahl, welehen er auch ohne Unterschied Richtongslinie nennt, gleich Volkmann als den Lichtstrahl, welcher zwischen zwei deckend erscheinenden oder im Netz- hautbilde zusammenfallenden Aussenpunkten von einem zum andern geht, sich geradlinig zum Auge fortsetzt, in demselben je nach seiner Lage gebrochen oder ungebrochen zur Netzhaut fortschreitet, und auf ihr die Stelle des Bildes jener zwei Punkte bestimmt. Er behauptet nun aber, dass zwei Punkte, welche für das Auge sich decken, eine solche Lage haben müssen, in welcher die Verbindungslinie derselben verlängert normal auf die Hornhaut falle, oder dass die Richtungsstrahlen überhaupt in ihren die Horuhaut berührenden Punkten senkrecht zu den Tangenten derselben stehen. Dieselben gehen daher ungebro- chen bis zur Linse fort, und aus der verschiedenen Krümmung der vorderen und hinteren Fläche der Krystalllinse erklärt es sich, dass sie ungeachtet der doppelten Brechung durch dieselbe dennoch. die Netzhaut ia den nämlichen Punkten schneiden, | rn AXV welche sie auch grade verlängert getroffen haben würden. Dier- aus wird weiter gefolgert, dass sämmtliche Richtungsstrahlen durch den Mittelpunkt der Corneakrümmung gehen, mithin dieser Punkt zugleich ihr Kreuzungspunkt sei. Derselbe fällt nach Sömmerring’s Berechnung des Radius der Hornhaut im menschlichen, Auge 3,3 Pariser Linien hinter den vordersten Punkt derselben, oder 1,7“ vor den Mittelpunkt des Auges, also nur ein Weniges vor den ersten Drittheilspunkt der Au- genaxe. Das normale Auffallen des Richtungsstrahles für die in der Sehaxe sich deckenden Punkte auf die Hornhaut ist we- gen seiner Coineidenz mit der Sehaxe einleuchtend. Für die seitlich auffallenden Richtungsstrahlen soll die Nothwendigkeit davon durch Fig. 16. Tab. 2. veranschaulicht werden. welche Referenten indess keinesweges überzeugt, da die Annahme nicht zu erweisen ist, dass der schief auffallende Strahl dnc dieselbe Lage habe wie Fig 1. bnz, vielmehr eine Richtung desselben, welche die Sehaxe nicht schneidet, auch dann noch sehr wohl gedacht werden kann, wenn nz auch in der Richtung nach der Axe hin von der normalen nz abweicht. Mile führt aber ferner als Beweis an, dass das Auge als eine einflächige Linse zu betrachten sei, welehe nach der Refraction auf ihrer Ober- ‚fläche das umgekehrte Bild der Gegenstände in ihrer Substanz entwerfe, und dass bei einer solchen Linse, wie durch optische - Construction der Refractionen in. Linsen verschiedener Dicke erläutert wird, die Richtungsstrahlen, welche zugleich geradlinig zum Bildpunkte fortgehen, normal auf ihre Convexität auffal- len. Dies hat sich auch bei Versuchen mit künstlichen Augen gezeigt, welche aus Glas mit einer die Hornhaut vorstellenden prominirenden Wöülbung geblasen und mit Wasser angefüllt wurden, indem das Object mit seinem Bilde und dem Mittel- “ punkte der Hornhaut in gerader Linie lag, Auch an einem menschlichen Auge will Mile diesen Versuch nach Volk- mann’s Beispiele in der Art angestellt haben, dass er den Mit- telpunkt der Corneakrümmung auf den Intersectionspunkt der auf dem Tische in Winkeln von 15° sich schneidenden Livien stellte, an der Hinterwand des Auges zwei dem Abstande dieser Linien entsprechende Stellen der Selerotica ausschnilt, und in ihnen die Gefässhaut leise zur Seite. schob. Lichter vor dem Auge sollen diese Spalte nur dann erhellt haben, wenn sie in den verzeichneten Linien, nicht aber, wenn sie ausser ihnen aufgestellt waren. Es wird übrigens mit Recht bemerkt, dass der Richtungsstrahl gar nicht zur Retina zu gelangen brauche, sondern auch von der Iris aufgefangen werden könne, und bei weit seitwärls gelegenen Objeeten aus dem auf die Hornhaut fallenden Lichtbüschel gar heraustrete und die Selerotica treile; in diesen Fällen werden die durch die Pupille einfallenden _ 4 AXVI Strahlen des Lichtkegels das Netzhautbild dennoch in der Rich- tung des intereipirten Richtungsstrahles zeichnen. Um den Dreh- punkt‘ des Auges zu ermitteln, welcher hinter dem Kreuzungs- punkte zu suchen war, weil die geraden Augenmuskeln ver- möge ihrer Insertionen sich nicht eignen, den Augapfel um einen so nahe der Hornhaut liegenden Punkt zu roliren, be- diente Mile sich eines Breites in Form eines an der Ecke ab- gestutzten Quadranten, auf welchem Metallplatten in der Rich- tung der Radien vom Bogen bis zur Mitte des Abstandes vom Centro aufgestellt und an den Seiten verschieden gefärbt waren. War es ihm gelungen das Auge also zu stellen, dass von sämmt- lichen Platten nur die oberen Ränder, nicht die farbigen Flächen gesehen wurden, so fielen letzte auch dann nicht ins Auge, wenn dasselbe von einer Platte zur andern und so bis zu den Gränzen des Quadranten hingewendet wurde. Mittelst eines zweckmässigen Apparates wurde die Lage des fingirten Con- vergenzpunktes der Plattenränder im Auge bei der erwälinten Stellung desselben durch Messung bestimmt, und die Entfer- nung dieses Punktes hinter dem vordersten Punkte der Horn- haut — 5 Pariser Linien gefunden, woraus geschlossen wurde, dass dieser mit der Mitte der Augenazen coineidirende Punkt zugleich der Drehpunkt des Auges sei. Derselbe ist hiernach nicht eins mit dem Kreuzungspunkte der Richtungsstrahlen, wie Volkmann will, sondern liegt beinahe zwei Linien hinter demselben. Hiervon ist eine nothwendige Folge, dass die bei einem gewissen Stande. des Auges sich deckenden Objectbilder bei den Bewegungen desselben auseinandertreten und die Nicht- wahrnehmung dieser Verschiebungen wird der Beschränktheit der deutlichen Sehweite und des deutlichen Gesichtsfeldes zu- geschrieben. Die Veränderlichkeit der Deckung aber bei ge- drehtem Auge wird factisch durch den Versuch erwiesen, dass, wenn man eine Lichiflamme fixirt und vor das Auge eine Karte so verschiebt, dass die Flamme eben verdeckt wird, dieselbe wieder scheint, wenn man den Blick zur Seite wendet. Dass nach Volkmann’s Versuchen im Kaninchenauge der Kreu- zungspunkt der Richtungsstrablen nahe vor der Mitte desselben liegt, erklären Mile und Treviranus aus den besonderen Dimensionen dieses Auges, dessen Hornhaut sphärisch und von so grossem Radius sei, dass der Mittelpunkt ihrer Krümmun eine halbe Linie vor die Mitte seiner Axe falle. | Wider diese Behauptung Mile’s stellt Volkmann in dem Eingangs dieses Artikels citirten Aufsatze folgende Gegenbeweise auf. Die menschliche Hornhaut sei kein Kugelsegment, son- dern ihre Wölbung parabolisch, wie durch mikrometrische Mes- sung des Spiegelbildchens einer Lichtflamme an verschiedenen ‚Stellen derselben dargethan sei, sie habe mithin kein Centrum, te, ; XXYIL in welchem .die Richtungsstrahlen sich schneiden könnten, viel- > mehr müssten diese, wenn sie senkrecht auffallen sollten, we- gen der nach dem Rande hin abuehmenden Krümmung der Hornhaut von seitlichen Punkten weiter hinten als von der der Axe näher liegenden sich kreuzen (es kann in der That wegen dieser Form der Hornhautkrümmung von Normalen zu dersel- ben ausser der Axe nicht die Rede sein. Ref.). Die Ergebnisse an Mile’s künstlichen Augen dürfen deshalb, weil in ihnen das Licht durch eoncentrische Medien falle, auf das mensch- liche Auge, wo dieses anders sei, nicht angewendet werden. Der mit dem menschlichen Auge angestellte Versuch sei aber vornehmlich deshalb ungenau, weil durch das Zurseiteschieben der Choroidea, wo nicht Zerreissungen, doch mindestens beu- telförmige Vorfälle der Netzhaut entstehen, wodurch die Form des Augapfels wie die die Lichtkegel auffangende Fläche leide. (Allerdiogs hat Mile zur Bestimmung der Incidenz des Rich» tungsstrahles die Gesetze sphärischer und ho mogener Lin- sen auf das Auge übertragen, und die Excentricität der bre- chenden Flächen der Augenmedien zu wenig berücksichtigt], er nimmt z. B. an, dass die senkrecht auf die vordere Hornhaut- krümmung fallenden Strablen ungebrochen zur Linse gehen sol- len, ohne zu erwägen, dass die Hornhaut ein Meniscus, und ihre hintere Fläche schwächer gekrümmt als die vordere ist, _ wodurch die Ableitung aus dem Verhalten der Richtungsstrah- len bei den durch Linsen entworfenen Bildern ihre Beweiskraft verliert. Mile äussert‘ sich auch nicht darüber, ob das von ihm benutzte menschliche Auge ein frisches gewesen sei, wel- ches bei einem so feinen Versuche, wo es auf eine Linie mehr oder weniger ankommt, unerlässlich war. Menschliche Augen erhält man mehrentheils erst einige Tage nach dem Tode, wenn die Feuchtigkeiten durch Evaporation bereits sich gemindert ha- ben, dieselben verlieren hierdurch ihre Spannung und erleiden durch Druck, wie beim Hineinlegen in einen Ring oder beim stellenweisen Abtragen der Sclerotica leicht eine Veränderung der Gestalt, taugen daher wenig zu optischen Beobachtungen, aus welchem Grunde das vom: Referenten wiederholte Experi- ment auch ohne Resultat geblieben ist. Auch der von Mile "wahrgenommene Erfolg ermangelt der erforderlichen Schärfe, denn er sah auf der Netzhaut keine Bilder, sondern nur er- ‚hellte Stellen oder dunkelrothe Lichtflecken, durch welche selbst- en die Localität der Bilder nicht hinlänglich genau reprä- senlirt werden konnte, um ihre geradlinige Lage zu den Lich- m und dem Stützpunkte des Auges mit Sicherheit zu erken- nu. Frisch exstirpirte Augen Hingerichteter würden sich hierzu besten eignen. Ref.) Um zu erforschen, ob die Einheit des Kreuzungspunktes und die gefundene Stelle desselben im Ka- ” “x p AXVIN - mung mit dem Centro des Auges bedingt werde, hat Vo mann den Visirversuch mit einer geringen Modification an einem Ochsenauge angestellt, dessen Hornhaut elipsoidisch, also ohne Centrum ist, indem. er zur Wahrnehmung \der Netzhautbilder an zwei Stellen, nämlich in der Axe und näher nach der Horn- haut hin die Sclerotica wegnahm, aber ohne Zerreissung der Choroidea, nur mit Abtrennung der äussern schwarzen Schicht, worin die innere hellblaue Membran unverletzt blieb, und das Bildchen in solcher Intensität lieferte, dass es noch durch den Diopter gesehen werden konnte. Das Resultat war, dass auch im Ochsenauge. die Richtungsstrahlen geradlinig verlängert die Netzhautbilder schneiden, dass sie einen gemeinschaftlichen Kreu- zungspunkt 0,41“ hinter dem vordersten Hornhautpunkte ha- ben, und dass dieser Eins mit dem Drehpunkte des Auges ist, wodurch obiger Einwand Mile’s sich widerlegte. Ueber den Versuch mit den Metallplatten wird richtig geurtheilt, dass vor- ausgesetzt seine Richtigkeit, er zunächst den Abstand des Kreu- zungspunktes von dem vordersten Hornhautpunkte um 5, ' demnächst aber auch die Coincidenz des Drehpunktes mit ihm beweise, denn wird letzter, aus welchem .Grunde immer, als verschieden von ersterm angenommen, so müssten bei den Be- wegungen des Auges nothwendig' einige der farbigen Flächen gesehen werden. Das scheinbäre Auseinanderweichen der Licht- dJammen und der Karte in Mile’s Experiment wird nicht aus einer Trennung ihrer Netzhautbilder beim Drehen des Auges, sondern aus dem Sichtbarwerden der Flammen in gleicher Rich- tung mit dem Kartenrande vermöge Iheilweise aufgehobener Be- schattung begreiflich gemacht, indem die abgewendete Hornhaut nun Seitenstrahlen von den Flammen aufnimmt, während sie vor der Bewegung durch die Karte gänzlich von ihr abgeschnit- ten war, und die Richtigkeit dieser Erklärung durch ein ge- naues Experiment mit zwei hohlen Pappeylindern dargethan, welche einen der Axe parallelen, und so durch ein hineinge- setztes Licht erhellten Haarspalt halten. Wurden diese in einem finstero Zimmer über einander und in verschiedener Entfernung vom Auge also aufgestellt, dass die erleuchteten Spalten eine gerade Linie zu bilden schienen, so blieb diese ungebrochen, wenn das Auge seitwärts bewegt wurde. Auf dieselbe Ursache wird auch ein anderes Phänomen scheinbarer Verschiebung zu- - rückgeführt. j Mile’s Theorie führt zu der Folgerung, dass die seitlichen. 24 Gegenstände des Gesichtsfeldes kleiner als die mittlern erschei- nen müssen, weil bei der nahe hinter der Hornhaut liegenden Kreuzung der Richtungslinien die Winkel derselben nach den x en XXIX u y ” Seiten hin kleinere Theile der Netzhaut abschneiden als näher der Axe. Es befremdet überdies, dass Mile’n der Widerspruch seiner Erklärung des Hervortretens der Lichtlamme neben dem Kartenrande und der beharrenden Deckung der Metallkanten in dem Versuche mit dem Quadranten, entgangen ist, und dürfte dieses wohl nur durch die irrige Folgerung erklärbar sein, wel- che er aus diesem Versuche gezogen hat. Es ist aber von der höchsten Wichtigkeit, über die Stabilität der Deckung bei den Bewegungen des Auges Gewissheit zu erlangen, da auf ihr nicht allein der Beweis der Identität des Drehpunktes mit dem Krenzungspunkte, sondern selbst der Existenz eines stabilen unktes im bewegten Auge überhaupt ruht, welche anzuneh- men man im Falle der Verschiebung der Objectbilder bei den Wendungen desselben gar nicht benöthigt ist. Ref. hatte, schon ehe ihm Mile’s Abhandlung zu Gesicht kam, den Versuch mit einem Fensterrahmen und einem nahe vor das Auge gebrachten Finger angestellt, und war ihm zufolge ebenfalls geneigt, einen Wechsel der Deckung anzunehmen und die Bewegung des Aug- apfels als Rotationen um den Axenpunkt der Netzhaut sich zu denken. Da aber später die Beobachtung an den aufgesteckten Nadeln das Gegentheil lehrte, fand er sich veranlasst den Er- folg des Mile’schen Versuchs durch Modification desselben zu rüfen. Es fand sich hierbei, dass das Phänomen sich völlig gleich blieb, mochte nun die Karte von der einen oder andern Seite, oder auch von oben oder unten bis zur Verdeckung der Basis oder der Spitze der Flamme fortgeschoben werden, wo- bei im ersten Falle das Auge abwärts, im andern aufwärts ge- richtet werden musste. Wurde sie von der Seite bis zur Con- gruenz.mit dem ersten Rande der Flamme binbewegt, wobei die ganze Flamme sichtbar blieb, so erschien bei der Wendung. des Blicks nach der andern Seite, zwischen der Karte und dem Liehte noch ein freier Raum, und bei begegnender Bewegung des Auges verschwand die Flamme hinter der Karte, welches beides nach der einen wie der andern Ausicht sich erklären würde. Wurde beim Hinschauen auf die Lichtflamme ein schwarzer Papierstreifen von 1‘ Breite vertical in der Sehaxe ‚ mahe dem Auge gehalten, so spaltele er ihr Bild in zwei Flam- men, die aber sofort sich wieder vereinfachten, als nach der a hingesehen wurde. Diese Erscheinung scheint beim er- ten Anblick für Mile’s Ansicht zu sprechen, erklärt sich aber - auch sehr wohl nach Volkmann, nicht durch aufgehobene Deckung zwischen Licht, Papierstreifen und Netzhautbild, son- dern zwischen den beiden ersten und der Hornhautmitte. Wenn Ref. beim Betrachten des Zerstreuungsbildes eines punktähnli- chen Lichtreflexes, gleichviel ob in zu grosser Nähe oder Ferne, einen Nadelknopf also in die Sehaxe brachte, dass sein Schatten ı —. r. 2 XXX in der Mitte des Bildes zu schweben schien, und demnächst seitwärls sah, so änderte der Schalten seine Lage zum Bilde nicht. Wurde durch ein unbewegtes Nadelloch in schwarzem Papiere ganz nahe dem Auge die Flamme fixirt, und die Karte bis zur gänzlichen Deckung derselben vorgeschoben, so erschien beim Seitenblick die Flamme nicht, wohl aber zeigte sie sich neben dem Kartenrande, wenn das Loch nach der Seite des letztverdeckten Flammenrandes ein Geringes bewegt, oder wenn plötzlich das Papier bei unverrückter Karte weggezogen wurde. Da diese Erscheinungen der Ansicht veränderter Deckung ge- radezu widerstreiten, und die Richtigkeit der Volkmann’schen _ Erklärung ausser Zweifel setzen, so ist die Permanenz der Deckung bei bewegter Sehaxe eine erwiesene Thatsache, und es wird die Einheit des Kreuzungs- und des Rotationspunktes durch sie allerdings in sofern dargelhan, als die Gleichheit des Ergebnisses im Kaninchen- und im Ochsenauge bei den sehr differenten Formverhällnissen beider auch für das Zusammenfal- len der Richtungsstrablen mit den Richtungslinien im mensch- lichen Auge spricht. - Volkmann’s originellen und sehr sinn- reichen Versuchen gebührt das Verdienst, dieses bisher dunkle Verhältniss enthüllt zu haben. Vielleicht liesse sich eine Be- stätigung desselben durch genaue Bestimmung der Lage der so- genannten Macula coeca im Sehfelde bei verschiedenen Distan- zen der Wand, etwa nach Griffin’s Meihode gewinnen, wenn aus der Entfernung der Wandstelle von der Sehaxe, combinirt mit der bekannten Entfernung des Axenpunktes an der Wand von dem der Netzhaut, und des letzten von der Mitte der Seh- nerveninsertion, die Eulfernung des Kreuzungspunkles der Rich- tungslinien von dem Axenpunkte der Retina berechnet würde, vorausgesetzt nämlich, dass die Mariotte’sche Stelle im Seh- raume jener Inserlion entspreche. Volkmann hat in seiner Lehre den wissenschaftlichen Beweis dafür zu finden geglaubt, dass das Auge die Gegen- stände da sieht, wo sie sich wirklich befinden. Da nämlich durch den Deckungsversuch bei bewegtem Auge dargeihan sei, dass sich das Auge um den Kreuzungspunkt der Richtungslivien drehe, und dass es sich um den Kreuzungspunkt der Sehstrah- len drehe, so folge die Einheit beider Punkte. Diese Linien haben nun ferner das Netzhautbild als zweiten Punkt gemein, müssen milhin als zusammenfallend gedacht werden, d. i. die Projection der Empfindung erfolge von dem affieirten Netzhaut- punkte durch den’ Drehpunkt des Auges, und die Gegenstände erscheinen in der Richtungslinie (neue Beiträge S. 72.). In seiner letzten Abhandlung hat V.sich weniger entschieden hier- über ausgedrückt, und Ref. hält das vorgetragene Argument für mangelhaft ia der ersten Prämisse, und den Salz selbst nur . °* h/ a XXX ” für bedingt richtig. Der Sehstrahl, Radius visorius älterer Physiologen, bezeichnet die Richtung, nach welcher die Sen- sation des Netzhautbildes auf den Raum bezogen, mithin das Object gesehen wird, er ist die gerade Verbindungslinie zwi- schen dem Bildehen und dem Orte seiner Erscheinung im Raume, Die Richtungslinie aber ist die Verbindung des Bildchens mit dem Objecte selbst, und wird nicht durch den Act des Sehens, sondern durch den Gang des Lichtes vom Objecte zur Netzhaut bedingt. Beide sind also im Begriffe verschieden, und man würde den Sehstrahl, weil er mit dem Lichte nichts gemein hat, richtiger subjeetive Richtungslinie oder Relationslinie nen- nen. Das Neizhautbild ist der gemeinschaftliche Punkt der Richtungslinie und des Sehstrahles. Die Drehung des Auges und der Kreuzungspunkt der Sehstrahlen wird durch Volk- mann’s Versuche nur insofern bewiesen, als man die Sehstrah- len den Richtungslinien gleich anfänglich identisch setzt, wel- ches aber nichts Anderes heissen würde, als dass der Ort des Objectes und jener der Erscheinung eins seien, was aus den folgenden Schlüssen erst erkannt werden soll. Aus dem Dek- kungsversuche, combinirt mit den Visirversuchen, folgt höch- stens die Drehung des Auges um die Intersection der Richtungs- linien, denn mehr bedarf es nicht um die in eins zusammenfal- lenden Netzhautbilder bei bewegtem Auge einig zu erhalten, welche Thatsache doch allein erklärt werden soll, und der Durchschnittspunkt der Sehstrahlen, dessen Existenz noch nicht einmal ausgemacht ist, bleibt hierbei ganz aus dem Spiele, Freilich hat aber Volkmann schon aus den Deckungsbeob- achtungen bei ruhendem Auge geschlossen, dass der Stand des Netzhautbildchens durch eine gerade Linie vom Objecte durch den gemeinschaftlichen Kreuzungspunkt der Richtungs- und Seh- strablen zur Netzhaut bestimmt werde. Diese Folgerung darf nur in Änsehung der ersteren zugegeben werden. Denn wenn zwei in einer Richtungslinie befindliche Punkte für das Auge sich decken, so folgt nicht, dass sie darum in der Richtung dieser Linien gesehen werden, sondern nur dieses, dass sie durch eine gemeinschaftliche Netzhautstelle repräsentirt werden, wel- ches von objecliver Bedingung abhängt; die Richtung zwischen er Punkten wird gar nicht wahrgenommen, weil nur der nähere erscheint. Auch dann, wenn der entferntere Gegenstand durch den nähern hindurchseheint wegen Pellueidität des letzten oder wegen der Lichtzerstreuung, so vermag dennoch das Auge eine Vergleichung ihrer Richtungslinien mit der gemeinsamen Relationslinie nicht anzustellen, weil es von dem Orte des Objectes ausser der Erscheinung keine Kenntuiss hat. Es wäre demnach sehr wohl möglich, dass sie in einer von der Rich- tungslinie abweichenden Richtung und dennoch deckend gesehen » XRXU a würden. Wenn z.B. wegen einer Nichtcoincidenz der Linsen- ase mit der Augenaxe für alle Netzhautpunkte die Sehstrahlen von den Richtungslinien nach gleicher Richtung unter gleichen Winkeln abweichen, so würden sie sich zwar auch kreuzen, aber ausser dem Drehpunkte, und dennoch würden bei den Bewegungen des Auges nicht allein die Deckungen der Object- bilder, sondern auch alle übrigen Lagen derselben zu einander, und ihre relativen Grössen für sämmtliche Gegenstände des Seh- feldes sich gleich bleiben. Wird ein Gegenstand durch den Rand einer Linse gesehen, so divergirt die Richtungslinie von dem Sehstrahle, und wenn sein Bild das eines Gegenstandes zu dek- ken scheint, welcher sein Licht an der Linse vorbei ins Auge sen- det, so haben beide einen gemeinsamen Sehstrahl und diflerente Riehtungslinien. Aehnlich verhält es sich mit den Spiegel- bildern. Es ist auch die Identität des Ortes der Erscheinung mit dem des Objectes oder der Richtungslinie mit dem Sehstrable, wenngleich sie für die gewöhnlichen Fälle des Sehens in der Convergenz der Sehaxen und der Horopterlläche gelten mag, doch ‘mindestens keine allgemeine Wahrheit, denn die Gegen- stände scheinen nach ihren verschiedenen Abständen vom Ho- ropter eine andere Lage sowohl unter sich als zum Auge zu haben. Dies erhellt daraus, dass ihre Bilder bei wenig oder gar nicht verrückter Meridianebne des Auges ihre Stellung ge- gen sie und untereinander wechseln, je. nachdem ein näherer oder entfernterer Punkt fixirt wird, worüber Ref. nur wenige Versuche kurz andeuten will. Auf einer schwarzen (uadratfläche werden ein schmales rolhes und ein blaues Bändchen rechtwinklig sich kreuzend ausgespannt, und die Fläche horizontal mit einem Ausschnitte so an die Nasenspitze geselzt, dass diese den Anfang des ro- then Bändchens am Rande berührt, und letztes normal zur Antlitzfläche steht. Wird nun der Kreuzungspunkt fixirt, so erscheint das rothe Bändchen doppelt und in beiden Sehaxen liegend, indem beide Bänder im Kreuzungspunkte sich schnei- den und jeder einen schiefen Winkel mit dem blauen bildet. Wird das rechte Auge geschlossen, so bleibt der rechte Streif und sein Winkel scheint rechts ein spitziger zu 'sein, der Kreu- zungspunkt wird gerade vor der Nase gesehen. ‚Wird hiernächst das jenseilige Ende des rothen Bändchens fixirt, so scheint die- ses vor der Nase zu sein, und der rothe Streif sammt der schiefwinkligen Kreuzung die Axe des rechten Auges einzuneh- men. Wird das rothe Bändchen in die Richtung dieser Axe gebracht, so scheint es noch weiter nach rechts auszuweichen. Wird es etwas schräg über das blaue hinweggelegt, so dass es mit der Axe des die Kreuzung fixirenden rechten Auges zu- XXXIU sammenfällt, so sieht man das eine Bild desselben in der Rich- tung nach der Nase, das andere weiter rechts ab verlaufen, und jenes rechtwinklig mit dem blauen sich kreuzen. Das linke Bild bleibt fast unverändert, wenn das rechte Auge geschlossen wird. Wird die Sehaxe abwechselnd auf einen näheren oder enifernteren Punkt des Bändchens gerichtet, so scheint dasselbe jedesmal von (diesem aus die Richtung nach der Nase zu neh- men, so dass alle Punkte ihre Lage verändern. Das Phänomen wird deutlicher durch gleichzeitige Oeffnung des linken Auges, weil alsdann zugleich der Intersectionspunkt‘ des Doppelbildes wechselt. In diesem Versuche bleibt die Meridianebene des Au- ges unbewegt, und dennoch verändert sich die scheinbare Nei- gung des in dieser Ebene liegenden Bändchens zu derselben beim Wechsel der Fixation. Fixire ich durch eia in der rech- ten Sehaxe gehaltenes Kartenloch eine entfernte Lichtlamme und demnächst das Loch selbst, so scheint in dem Augenblicke dieses Wechsels die Flamme weit rechts hin abzuspringen, ob- gleich die Axe dieses Auges sich nicht bewegt, Diese Erschei- nung ist im Wesentlichen eins mit der vorigen. Man müsste also, wollte man die Richtung der Gesichtsrelation durch eine vom Netzhautbildchen zu ziehende Linie bestimmen, entweder slatniren, dass es für jeden Netzhaafpunkt eine unendliche Zahl von Relationslinien gebe, in welcher die Anwendung einer je- den durch den Fixationsstand des Auges bedingt würde, oder dass die Richtungslinien mit der Fixirdistanz ihre Direction än- dern, welches letzte von dem verschiedenen Refractionsstande des Auges und dem dadurch abgelenkten Wege der Lichtstrah- len im Auge abhängen könnte. In dem einen wie dem andern Falle würde die Congruenz der Richtungslinien und Selistrahlen für Objecte ausser dem Horopter aufgehoben werden. Die zweite Annahme erweiset sich aber dadurch als falsch, dass die Deckung der Nadeln beim Sehen auf eine der entfernteren sich leich bleibt, wenn demnächst die nähere fixirt wird, welches ‚ef. wiederholt beobachtet hat, und es bleibt demnach nur die erste Annahme übrig, welche keinesweges für die Dependenz des Ortes der Erscheivung von dem permanenten Sehstrahle der Physiologen spricht. \ Diese Lehre verwickelt auch bei Erklärung des Auswei- chens ‘der Objeeibilder durch Verschiebung des Auges mit dem Finger in Schwierigkeit. Denn wenn die Richtungslinie mit dem Sehstrable zusammenfällt, so muss das Object auch vom seilwärts Bere Auge an seinem rechten Orte gesehen werden, Volkmann behauptet dieses auch, indem er die Täu- er nicht auf die Richtung des Gesehenen bezieht, sondern darauf zurückführt, ‚dass wegen der Passivität der Bewegung des Auges durch den Wechsel des Netzhautbildchens dieselbe Müllers Archir. 1840. c AAXXIV Empfindung entstehe, als bewege der Gegenstand sich nach der entgegengesetzten Seite des Bildchens. Dass er aber wirklich nieht in derjenigen Richtung gesehen wird, welche ihm vermöge seiner Richtungslinie zukommen würde, erhellt daraus, dass, wenn das andere Auge offen bleibt, das Bild von dem Bilde dieses Auges sich entfernt. Dieser Einwürfe ungeachtet erklärt dennoch die Hypothese des Zusammenfallens der objeetiven und subjectiven Richtungslinien, wenigstens für die Gegenstände des Horopters, die Gleiehförmigkeit in der Läge ihrer Erscheinun- gen zulänglich, sie befriedigt auch den schlichten Verstand. wel- cher eine Uebereinstimmung der Anschauung mit der Wirk- lichkeit ‚verlangt, und ist innerhalb jener Gränze durch keine bekannte Thatsache zu widerlegen. 3. Grössenbestimmung der Zerstreuungskreise. Volkmann hat (Poggend. Annalen Bd. 45. S. 193.) auf die letztgenannte Supposilion eine beachtenswerthe Methode gegründet, die Grösse der Zerstreuungskreise von Gegenständen diesseit der Fixation im menschlichen Auge durch Messung zu finden. Er bestimmt dieselbe aus dem Durchmesser des Zer- streuungsbildes, d. i. der Erscheinung des auf der Netzhaut ent- worfenen Kreises an einer jenseit des Objeets stehenden Wand, welches sich messen lässt. Die Gränzen des Zerstreuungsbildes wurden, nach Scheiner, durch zwei feine Löcher in einer dem Auge nahen Metallplatte festgestellt, durch welche der zu nahe Gegenstand doppelt erscheint. Der Durchmesser des Zer- streuungsbildes, welches entstehen würde, wenn der Objeet- pünkt durch eine Oeflnung von der Weite des Abstandes der Kartenlöcher von einander seinen Strahlenkegel ins Auge schickte, muss nämlıch dem scheinbaren Abstande der so erzeugten Dop- pelbilder gleich sein, weil die ihnen entprechenden zwei Neiz- hautbilder an der Gränze des Zerstreuungskreises der Netzhaut liegen. Je weiter innerhalb gewisser Gränzen die Löcher von einander entfernt sind, desto grösser unter übrigens gleichen Umständen der Zerstreuungskreis. Wird nun vorausgesetzt, dass die Linien von jeder der beiden Netzhautbildchen zu dem entsprechenden Aussenbilde (welches hier im Horopter liegt), oder die Sehstrahlen in dem seiner Lage nach bekannten Kreu- zuogspunkte sich schneiden, und wird die Verbindungslinie beider Bildchen als der Wand parallel gedacht, welches bei der Kleinheit ohne erheblichen Irrthum geschehen kann, so er- giebt sich aus der Aehnlichkeit der im Kreuzungspunkte sich berührendeu Dreiecke und der bekannten Entfernung dieses ZXXV Punktes von dem Axenpunkte der Netzhaut wie von dem ent- sprechenden Doppelbilde an der Wand, und aus der gemesse- nen Distanz der Doppelbilder, der Diameter des Zerstreuungs- kreises ganz einfach nach der Regel de Tri. Als Object wurde ein Haar genommen und an der Wand ein Maassstab ange- bracht, auf welchem die Entfernung der beiden Haarbilder sich messen liess, während durch eine passende Vorrichtung die Stellung des Auges zum Haare und zu den Kartenlöchern ge- sichert wurde. In allen angestellten Messungsversuchen war der Abstand der Metallplatte vom Auge derselbe, in einigen wurde bloss die Distanz der Visirlöcherchen zwischen 14‘ und 4“, in andern die Entfernung des fixirten Maassstabes zwischen 42" und 8",1, in wieder anderen die Entfernung des Haares vom Auge zwischen 2“,1 und 10“,1 abgeändert. Die Durch- messer der Zersireuungskreise fanden sich natürlich desto klei- ner, je entfernter das Haar vom Auge oder je näher der Maass- stab demselben gerückt wurde. In der Abhandlung sind die gefundenen Grössen derselben nebst den veränderlichen Distan- zen tabellarisch zusammengestellt, und zugleich die erforderliche Grösse des Netzhbautbildchens ohne Lichtzerstreuung, welche naclı demselben Principe gefunden wurde, beigefügt. Aus der Vergleichung der ermittelten Durchmesser ging das Resultat hervor, dass die Grösse der Zerstreuungskreise um so beträcht- licher ist, je weiter das Object von dem Fixationspunkte ent- ferot, oder mit andern Worten, je weniger das Auge accomo- dirt is. Um die Genauigkeit dieser Beobachtungen zu prüfen, bat Volkmann noch einen andern Weg, die Grösse der Zer- streuungskreise zu finden, eingeschlagen, nämlich den der Be- rechnang nach einer algebraischen Formel, die darauf gegrün- det worden ist, dass nach einer freilich gröblichen, allein bei unsrer mangelhaften Kenntniss der Refraction in den Augen- medien allein möglichen und vorläufig ausreichenden Approxi- ‚malion, der Augapfel als eine Kugel von homogener brechender Substanz gedacht und zugleich angenommen wird, dass die Axen- strablen sich nahe im Mittelpunkte dieser Kugel schneiden. Ueber die so berechneten Grössen ist zur Vergleichung mit den gemessenen der Tabelle eine besondere Columne beigefügt, und so eine wechselseitige Controlle zwischen den Ergebnissen der Beobachtung und der Theorie gewonnen worden, durch welche sich eine so nahe Uebereinstimmung beider herausgestellt hat, als sie bei der der Rechnung zum Grunde gelegten annähern- den Annahme nur immer erwartet werden könnte; denn die a kn sich mehrentheils erst in der vierten, sel- lener in der dritien Decimalstelle eines Zolles. Es ist sonachı die Messung durch die Rechnung (und durch beide die Einheit ig KRXVI der Richtungslinien ‘mit den Sehstrahlen für die Objecte ‚des Horopters, Ref.) bestätigt worden. 4. Mariottescher Fleck. Griffin a. a. ©. hat sehr genaue Versuche zur Bestim- mung der Lage des Mariotte’schen Flecks der Netzhaut in folgender. Art angestellt. Das Hinterhaupt gegen eine ' Wand gelehnt, wurde zuerst die Distanz des Augenmittelpunktes: (ver- muthlich: io. Vorausselzung dessen von Brewster angegebenen Abstandes von der Hornhauthöhe) von der gegenüberliegenden Wand bestimmt und mit dem rechlen Auge bei verbundenem linken das verkleinerte Bild einer Lichtlamme im Centro eines an dieser Wand hängenden Convexspiegels fixirt, hiernach die Sehaxe allmählig links. gerichtet bis zu dem äussersten Punkte, an welchem das Bild_noch mit Gewissheit gesehen wurde, und ‘weiterhin, bis wo es zuverlässig nicht mehr zu sehen war. Diese Punkte der Wand wurden mit Oblaten bezeichnet, und auf gleiche Weise die weiter links befindlichen Gränzpunkte des zuverlässigen Nicht- and Wiederscheinens. Eine Linie, wel- che die Mitte der Entferaung der beiden äusseren Punkte mit der. gleichen der inneren verband, galt für den horizontalen Durchmesser des objeetivirten Flecks, und die Mitte dieser Ver- bindungslinie, in welcher das Lichtbild durchans unsichtbar war, Jür das Centrum desselben. Durch Auf- und Abwärtsbewegen der Sehaxe von dieser Mitte wurde nach demselben Verfahren der Verticaldurchmesser des Flecks gefunden. Dann wurde die Distanz des Centri vom Centro des Spiegels gemessen, und aus diesen Datis trigonometrisch die Winkel vom Augencentro berechnet, welche den Durchmessern des Flecks an der. Wand und der Enlfernung seiner Mitte vom Lichtbilde entsprechen. Das mittlere Resultat von eilf an beiden Augen angestellten Versuchen. waren 15° 34° Abstand des Centri von der Axe, und die stärkste Schwankung, nämlich zwischen 2° 45° und 7° 31‘ fand sich beim Horizontaldurchmesser, und richtete sich nach der verschiedenen Lichtintensität des beim Versuche an- gewandten Objecles. War es ein weisses Papier auf hellfarbi- ger Wand, so erschien jener am längsten, kürzer beim Flam- menbilde im gewölbten Spiegel, wiederum kürzer bei einer durch das Loch eines Schirms gesehenen Kerzenflamme, am kürzesten, wenn nach Young’s Verfahren eine unbeschattete Kerzenflamme genommen wnrde. Da mithin der Mariotte- sche Fleck um so schmaler. gefunden wird, je intensiver das auf ihn fallende. Licht ist, so’ folgt, dass derselbe nahe dem XXXVI Umfange noch eine geringe Empfindlichkeit für starken Licht- eindruck besitzt, und dass diese Empfindlichkeit näher der Mitte hin abnimmt, in der Mitte selbst Null ist. Griffin schreibt diese Differenz mit Recht nicht dem Eintreten der Centralar- terie in die Netzhaut, als welche bei den Versuchen mit un- geschirmter Kerzenflamme in der Mitte des unsichtbaren als ein leuchtendes Roth von ihm empfunden wurde, sondern dem Um- stande zu, dass der Sehnerv in der Mitte sich noch nicht in seine Fibrillen ausgebreitet habe, daher hier das Nervenmark zu dicht zusammengedrängt sei, und fragt, ob nicht die Ver- dünnung des Nervenmarkes um Sömmerring’s sogenanntes Centralloch die Ursache der distineteren Empfindung dieses Punktes der Retina sei. Allerdings haben Michaelis treffliche mikroskopische Untersuchungen der Macula lutea dargethan, dass im sogenannten Centralloche die Körnerschicht der Netz- haut sich zu einer einfachen Lage Kügelchen verdünnt, welche aber schon in dem dieses Loch umgebenden gelblichen Wulste schnell sich verdiekt, und dass die Fibrillen der Faserschicht sich um die Macula bogenförmig herumkrümmen, daher abge- sehen von der präciseren Entwerfung des oplischen Bildes an dieser Stelle eine immanente Anlage zur genaueren Auflassung des Eindruckes nicht zu bezweifeln ist. Die Netzhautarterie ist auch von anderen Beobachlern im eigenen Auge gesehen worden, zuerst wohl von Purkinje, welcher zugleich mehrere 'ethoden, die Insertion des Sehuerven subjectiv sichtbar zu en, angegeben hat, wobei dieselbe als ein dunkler. von zuchtenden Nimbus umzogener Fleck zugleich mit der issligur erscheint. Es soll sich ferner aus jenen Versuchen; beiden Augen zugleich angestellt, eine geringe Erhebung der Mariotte’schen Stelle über die Ebne der Sehaxen erge- ben haben, welche durchschnittlich 1° 14‘ betrug, doch wird nicht gesagt, wie bei solcher Art zu experimenliren, wegen der differenten Lage dieser Stelle in beiden Augen, dieselbe dennoch hat wahrgenommen werden können. Der senkrechte Durch- messer wurde bei Anwendung des Kerzenlichtes ohne Schirm eiwas grösser als der horizontale gefunden, welches wohl von der Gestalt der Flamme herrührte, da beim Vorschieben des Lochschirmes dieser Unterschied aufhörte. Griffin’s Bestim- mung des Durchmessers kommt der von Young zu 5° nahe, ältere Angaben von Le Cat zu einem Drittel Linie, und von Bernouilli zum siebenten Theile des Durchmessers des Bul- bus, waren sehr abweichend, Der Werth dieser Versuche be- ruht vornekmlich auf der nachzuweisenden Identität der unem- teten Netzlautstelle mit der Sehnerveninsertion, diese Stelle ann aber sowohl auf dem von Griffin als von seinen Vor- gängern eingeschlagenen Wege nur dadurch gefunden werden, XXXVIU dass die Winkeldistanz der an der Wand markirten Punkte von einander und vom Lichtbilde derjenigen der durch sie afffeirten Netzhautpunkte sowohl unter sich als vom Axenpunkte, ver- möge der Verticalwiukel am Centro der Netzhaut gleich ge- nommen wird, denn eine etwaige Differenz würde sich quanti- tativ nicht ermitteln lassen. Diese Gleichsetzung; welche Grif- fin zwar nicht geradezu ausgesprochen hat, aber doch gemeint zu haben scheint, indem er gleichbedeutend von den Abstands- graden der Wand- und der Netzhautstellen redet, würde aber von dem unrichtigen und von ihm selbst bestrittenen Satze aus- gehen, dass Object- und Netzhautpunkt mit dem Netzhautcen- tro in gerader Linie liegen, oder die Richtungslinien des Sehens durch das Centrum gehen. Die Mariotte’sche Netzhautstelle wird demnach aus objectiven Erscheinungen nur dann genau bestimmt werden können, wenn auf den Kreuzungspunkt der Richtungslinien die Rechnung basirt wird. Uebrigens stimmt die Distanzangabe von 15° 34‘, wenn man sich das Auge gröb- lich als eine Kugel denkt, so ziemlich zu der 1} Linie betra- genden Entfernung des Colliculus nervi opliei von der Mitte der Macula lutea, indem hierbei der Umfang des Bulbus unge- fähr zu 33 Linien herauskommen würde. Griffin erwähnt noch einer interessanten Beobachtung, dass nämlich beim Sehen in eine helle Wolke, wenn ein Gefühl von Geblendetwerden uns die Lidspalte zu verengen nöthigt, wir dennoch nach Schlies- sung des einen Auges das andere ohne Belästigung weit öflnen können, und schliesst daraus, dass nicht die Netzhaut, sondern das Gehirn selbst der Sitz’ jener Empfindung sei. Das Factum ist richtig und, wie Ref. glaubt, auch der Schluss, da im er- sten Falle jeder Sehnervenursprung von zwei Netzhäuten den Lichteindruck empfängt, während in andern der Eindruck einer Netzhaut auf beide Hemisphären vertheilt wird, 5. Functionen der Augenlider. Ueber die Verrichtungen der Augenlider beim Sehen hat Tourtual (Müller’s Archiv 1838. 8.316.) nach vorläufiger genauer Beschreibung der Formverhältnisse derselben und ihrer Bewegungen beim Augenblinken, Blinzeln u. s. w. neue Beob- achtungen mitgetheilt. Die schmale Fläche der Augenlidränder zwischen der Wimpern- und Augengränze ‘ist schräg geneigt uod flach gerinnt, so dass bei geschlossenem Auge beide zwi- schen sich und der Bindehaut des Augapfels einen fast drei- eckigen Gang eiuschliessen, welcher nach innen und etwas ab- wärts die Thränenfeuchtigkeit in den Thränensee leitet, der AXXIX dureh Berührung der ihn begränzenden Schenkel vorn geschlos- sen werden kann. Die Prominenz der Thränenpunkte ist zum Aufsaugen nieht durchaus nothwendig, wie ein Fall von Durch- schneidung des unteren Thränenröhrchens bei Exstirpation eines Augenlidkrebses gezeigt hat, nach welchem kein Thräuenträu- feln zurückblieb. Die Membrannla semilunaris trilt beiden seit- lichen Bewegungen des Bulbus abwechselnd jenseit der Thrä- nenpunkte nach aussen und diesseit ihrer zurück. Das Gefühl der Kälte beim Augenkatarrh ist Folge. verminderter Schleim- secretion der Bindebaut und beschleunigter Evaporation wegen ingerer Beimischung des Schleimes zu der die Bindehaut überziehenden Flüssigkeit. Die Sensibilität der entzündeten Biodehaut für den Lichtreiz hängt von dem ins Auge fallenden Lichte ab, und wird aus Mitempfindung durch die Verbindung der mit der Centralarterie in die Netzhaut tretenden Ciliarner- venzweige mit dem Ramus ophthalmieus trigemini erklärt. Die Bewegungen der Lider lassen sich am eigenen Auge als sich senkende und erhebende Schatten wahrnehmen, wenn man sich der Tageshielle gegenüberstellt, oder das ganz nahe Reflexbild eines Kerzenlichtes von einem kleinen Convexspiegel betrachtet, im letzten Falle sieht man zugleich die chromatischen Schalten der Cilien nach entgegengeseizter Richtung sich bewegen. : Die Augenlidschläge sind theils schwächere, bei denen die Lidränder sich nicht berühren, theils stärkere mit Berührung der Ränder, welche letzte jedesmal nach einer Anzahl der ersten eintreten, Die von Bell behaupteten und demnäst von Brewster geläug: neten Bewegungen des Augapfels beim Augenblinken hat T. durch Beobachtung der dabei eintretenden Bewegung der Ob- jeelbilder bestätigt. Die Gegenstände innerhalb der Klarweite scheinen dabei, am deutlichsten, wenn das Oberlid in der Ele- valion festgehalten und nun ein Augenlidschlag versucht wird, schräg nach unten und etwas nach aussen abzuspringen, wor- aus auf die Bewegung der Augenaxe nach oben und innen zu schliessen ist, welche man auclı bei diesem Versuche au An- Jeren wahrnehmen kaun. Die nicht circumseripten Bilder neh- men je nach der zu grossen Nähe oder Ferne des Objects ent- geseszte Bewegungen an, welche von den Zerstreuungs- isen abhängen und durch Vorschiebeu eines corrigirenden Glases aufgehoben werden. Diese Bewegungen des Augapfels werden nicht durch den Ringmuskel bedingt, weil sie alsdann in entgegengesetzter Weise stalllinden müssten, sondern durch vereinigle Zusammenziehung des obern und innern geraden Au- enmuskels. Der Augapfel wird überdies dureh die lebendige pannung des Ringmuskels zwischen den Lidern wie zwischen zwei elastischen Platten schwebend erhalten, daher schon bei mechanischer Hebung des obera oder Hinabziehen des unlern XL Lides. eine leichte Druckbewegung eintritt. Weil bei mässig „geöffneter Lidspalte das obere Lid unter den oberen Hornhaut- rand herabtritt, während das untere ‘den unteren nur streift, so ist der Gesichtskreis, wie Versuche lehren, oben beschränkter als unten, und wird daher auch durch Erweiterung der Spalte nach oben hin weiter ausgedehnt, ‘ welche Einrichtung auf (die Bestimmung des Menschen zur ‚aufrechtsn Stellung Bezug hat, sofern beim Gange auf den Vieren weiter rückwärts als vorwärts gesehen werden würde. Der Einfluss der Augenlider.auf die Gesichtsvorstellungen wird mit einer dem Auge nahe vorgehal- tenen Querspalte in schwarzem Papiere verglichen, welche die Zerstreuungsbilder in vertiealer Richtnng beschränkt. Directes Zerstreuungsbild wird dasjenige eines diesseit der Klarweite be- findlichen Punktes genannt, indirectes das eines jenseitigen Punk- ies, zu dessen Entwerfung vor ‘der Netzhaut Kreuzung der . Strahlen stattfindet. ‘ Das indirecte Zerstreuungsbild ‘der Ker- zenflamme enthält eine Multiplieation des Bildes selbst, welche bei erweiterter Pupille, daher auch beim Sehen dureh eine in- wendig geschwärzte Röhre deutlich hervortritt; und durch die Spalte wird aus demselben eine wagerechte Reihe von Bildchen ausgeschieden. ‘Eine Haarspalte, deren sich beim indireeten Bilde ein: presbyopisches Auge bedienen muss, und ein myopisches, im Falle sehr hellen Lichts, z. B. beim Sehen in die Sonne, bedienen kann, verlängert das Bild in der zur Spalte senkrech- ten Richtung, welches aber Folge der Inflexion des Lichts ist. Ein schwarzes Feld auf weissem Grunde ausser der Klarweite scheint sich durch einen Halbschattenrand zu verkleinern, weisse Linien auf schwarzem sich in graue Gürtel auszubreiten, Qua- dratlinien verschwimmen in Nebel. Die Spalte hellt die wage- rechten lichtschatligen Gränzen auf und stellt die Schärfe der- selben her, während sie keinen Einfluss auf die verticalen hat. Ganz analoge Erscheinungen bewirkt die Verengerung der Au- genlidspalte, sie hellt: verschieden gerichtete Gränzen, je.nach der Neigung des Kopfes auf, und hierauf beruht zum Theil der Vortheil der seitlichen Neigung des Kopfes oder der Drehung des Objectes zum deutlichen Sehen in nicht adäquater Distanz. Bei aufrechter Stelluog des Hauptes scheint ein liegendes schwar- _ zes Rechteck auf weissem Papiere zu nahe dem Auge durch Blinzeln sich einem Quadrate zu nähern, und ähnliche Erschei- nungen mehr. Es finden dabei auch Scheinbewegungen der Grän- zen statt, enigegengeselzt, je nachdem die Zerstreuung eine-di- reete oder indireete ist, und entsprechend denjenigen, welche durch die Papierspalte sich darbieten. (Anch die durch Bre- chung bewirkte Farbenzerstreuung auf der Netzhaut wird durch Verengung der Lidspalte aufgehoben, wovon Ref. sich durch Versuche mit wagerechten abwechselnd hellen und dunklen Strei- 3. XLI fen verschiedener Farbe auf Papier überzeugt hat, wenn sie " durch ein biconcaves Glas betrachtet wurden, wodurch andere Farben zur Erscheinung kamen, welche beim Blinzeln ver- schwanden, und hierin zeigt sich der Einfluss der Augenlider am auffallendsten.) Aus dem vervielfältigten Bilde der durch eine Röhre oder einen Wassercylinder gesehenen Kerzenflamme wird ‘durch "Verengung der Lidspalte eine quere Reihe von Flämmchen, wozu die Wimpern beitragen, welche, ohne selbst gesehen zu werden, senkrechte Spalten bilden. Ein kurzsichti- tiges Auge zieht aus der Annäherung der Lider noch den be- sonderen Vortheil, dass durch den Druck derselben die Horn- haut flacher und die Lichtbrechung in ihr gemindert wird. Diesen Thatsachen gemäss werden die Augenlider mit der Iris in Parallele gestellt, die Aehnlichkeit und Verschiedenheit der Wirkungen der Lidspalte und der Pupille werden nachgewiesen und gezeigt, wie in verschiedenen Fällen jene diese unterstützt und corrigirt. Den Schluss des Aufsatzes machen Mittheilun- gen über die Lichtreflexe von den Wimpern in Gestalt von Bündeln, Balken, parallelen hellen Strahlen und beweglichen dunklen Radien, an deren Bildung auch die Feuchtigkeit vor der Hornhaut Antheil hat. 6. Myodesopsie. Doppeltsehen mit einem Auge. Die noch immer nicht genügend erklärten Erscheinungen des Mückensehens hat Steifensand (über die im Auge selbst befindlichen Gesichtsobjecte, in v. Ammon’s Monatsschrift, S. 203.) sorgfältig beschrieben, und über ihr Ursächliches eini- ges Licht verbreitet. Von den unter dem Namen fliegender Mücken bekannten schattigen. Körperchen, welche sich mit dem Auge zu bewegen scheinen, ist ein beim Sehen in das Himmel- blau -über den Gesichtskreis verbreiletes Gelimmer zu unter- scheiden, welches genau betraehtet in regelmässigen Strömun- gen von Kügelehen nach verschiedenen Richtungen besteht, - and der Capillarblutbewegung unter dem Mikroskope gleicht, daher ohne Zweifel die sichtbare Circulation in den Blutgefässen der Retina iet. Jene Körperchen erscheinen als concentrische helle und dunkle Ringe mit dunklem oder hellem Mittelpunkte. Neu ist die Bemerkung, dass äusserst feine Gegenstände, als Leinwandgewebe, mit dieht genähertem Auge durch diese Kör- perchen hindurch deutlich gesehen werden, und hieraus sowohl als aus dem Umstande, dass das durch sie hindurchgehende Licht viel heller ist als das der Umgebung, folgt, dass sie von - gewölbler Gestalt, slark lichtbrechend und ganz nahe der Ke- XLII tina sein’ müssen, so dass man nicht sie selbst, sondern nur das durch ilıre Brechung hervorgebrachte Licht- und Schatten- bild auf der Retioa sieht. Um sie zu fisiren und deutlich zu machen, bat St. sich wie gewöhnlich der Durchsicht durch ein feines Löchlein im Kartenblatte gegen einen lichten Grund bedient. Hierbei scheint das ganze Gesichtsfeld von schattirten kreisförmigen Körperchen, Sireifen, geschlängelten Fasern und Verästelungen zu wimmeln. Ausser diesen und den Linsenkör- perchen sieht man durch das Löchlein noch eine dritte Art von runden Körperchen, welche grösser, feststehend, in gerin- gerer Zabl vorhanden sind und einen einfachen dunklen Rand haben, diese zeigen sich auch ohne Löchlein im direeten Zer- streuungsbilde eines Lichtrefleses. Sie sind in ihrer Schattirung ganz den geschlängelten Streifen ähnlich, welche durch die Be- wegung der Thränenfeuchtigkeit vor dem Auge entstehen, und scheinen daher ihren Sitz in der Hornhaut oder ihrem Binde- hautblättchen zu haben. Von den Linsenkörperchen selbst, die als mouches volantes gesehen werden, glaubt St., dass sie nicht die vonDonn« durch das Mikroskop in den Augenfeuch- tigkeiten gefundenen und für dieselben gehaltenen Kügelchen seien, sondern dass sie unmittelbar vor der Retina sich befin- den, weit im Falle ihres Entferntseins von derselben, bei der grossen Nähe ihres Focus das Bild äusserer Gegenstände durch sie nicht würde entworfen werden können. Er will die innere Fläche der Retina von einer Menge runder Körperchen bedeckt gefunden haben (mit freiem Auge oder durch das Mikroskop ?), welche ganz das Ansehn der Linsenkörperchen hatten und sich mit einem Pinsel leicht abwischen liessen; auf diese und viel- leicht auch auf die von Michaelis gefundene Kömerschicht der Netzhaut ist er geneigt die Erscheinung zu beziehen. Ref. sieht die Mouches volantes mit freiem Auge iheils als linsengrosse graue Scheibchen, theils als helle Punkte, von einem halbdunklen Ringe umzogen in der bekannten Bewegung, und hat sich in früherer Zeit durch die schönen Versuche Mei- ster’s sowohl als durch ihr langjähriges und stabiles Vorkom- men olıne Ausbildung einer Netzhautläbmung, ebenfalls über- ‚zeugt, dass sie nicht in einer dynamischen Aflection dieser Haut, sondern in Körperchen bestehen, welche Schatten auf dieselbe werfen. Hierdurch erklärt es sich, warum sie vorzugsweise bei verengler Pupille, z.B. beim Sehen gegen den lichten Him- ‚mel, auf eine Schnee- oder andere helle Fläche, wie durch das Mikroskop und das Kartenloch erscheinen. Ref. glaubt aber auch durch folgenden Versuch beweisen zu können, dass diese Körperchen nicht unmittelbar die Netzhaut berühren, sondern dass zwischen ihnen und dieser noch ein Zwischenraum ist, Man steche mit einer Nadel zwei etwa eine Linie einander nahe LI Tächer in ein Kartenblalt, und betrachte durch dieselben gegen ie Tageshelle diese Scheibchen. Es erscheinen die Löchleia alsdann als zwei zum Theil sich deckende Kreischeiben. Wäh- rend nun eine Mouche volante sich schräg abwärts bewegt und durch diese Scheiben trilt, bleibt sie einfach im ersten Seiten- felde, verdoppelt sich aber augenblieklich und wird. zugleich heller, indem sie in das Deckungsfeld gelangt, und vereinfacht und verdunkelt sich wieder im zweiten Seitenfelde. Liegen die Löchlein nebeneinander, so sieht man im Mittelfelde auch die beiden Körperchen neben einander, stehen jene überein- ander, so geschieht die Verdoppelung in dieser Richtung. . Wird die Karte einige Linien weiter vom Auge entfernt, so sind sie einander näher als in der ersten Lage. Gelingt es, das Doppelkörperchen einige Seeunden in dem Mittelfelde zu fixi- reu, und verdeckt man nun das eine Loch mit dem Finger, so verschwindet die Mouche derselben Seite, während die der an- deren Seite dunkler wird, gleich wie es im Seitenfelde war. In diesem Falle wirft das Körperchen zwei Schalten auf die Nelzhaut, einen von jedem Löchlein, der von dem Lichte des andern Löchleins erhellt wird. Dieses würde nicht geschehen können, wenn das Linsenkörperchen die Netzhaut berührte, Könnte man die Doppelerscheinung so lauge festhalten, dass ihr Zwischenraum sich messen liesse, so würde bei der be- kannten Entfernung der Kartenlöchlein von der Netzhaut sogar die Distanz zwischen dieser und den Körperchen sich berech- nen lassen, Der Schluss von der Sichtbarkeit äusserer Gegen- stände durch die Körperchen auf die unmittelbare Lage der letzten vor der Netzhaut dürfte daram nicht hallbar sein, weil der Grad der Wölbung und brechenden Kraft der Körperchen nicht bekannt, Ref. hat ein Analogon der Mouche volanle objeeliv producirt,. indem er zwischen einem Kerzenlichte und der Wand ein Brennglas, welches mit einem fünf Livien breiten Ringe schwarzen Papiers beklebt war, also aufgestellt, dass an der Wand das umgekehrte Bild des ersten distinet entworfen wurde, demnächst wurde unmittelbar vor das Bild in der Axe des Glases ein auf eine Nadel gespiesstes Wachskügelchen ge- bracht; der Schatten des Kügelehens wurde nun schwarz im Bilde gesehen, in dem Maasse aber, wie es langsam vom Bilde entfernt wurde, umzog er sich mit grauem Halbschalten, wäh- rend der Kern sich ‚allmählig verengle und zuletzt verschwaud, dass nur ein graues Scheibehen übrig blieb; weiterhin wurde vom Umkreise nach der Mitte hin neblig und varschwand lich. Wurden nun zwei Lichter genommen und einander ganz malıe und zugleich in soleher Enrfernuug vom Glase hin- ‚ dass sie zwei ineiwandergreifende Kreisscheiben auf der . XLIV Wand entwarfen, demnächst das Kügelchen zwischen den ‚lase und der Wand, doch näher der letzten langsam seitlich vorüber bewegt, so zeigten sich ebenfalls die Verdoppelung und Erhel- lung seines Schattens in dem Deckungssegmente und beim Ver- decken eines der Lichter das Verschwinden des Schattens der anderen Seite. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass die frag- lichen Körperchen des Auges sich nahe vor der Netzhaut in der Glasfeuchtigkeit befinden. Schon aus diesen Grüuden kann Michaelis Körnerschicht der Netzhaut hier nicht in Betracht kommen, zumal’ sie an der äussern Fläche der Nervenschicht liegt, und Steifensand’s Körnchen, falls sie sich bestätigen, würden es, abgeschn von obigen Erfahrungen, auch nur dann können, wenn sie mikroskopisch sein sollten. Zur näheren Ermittelung der Gestalt der Körperchen hat Ref. die Erschei- nung derselben beim Schauen durch ein Kartenloch sowohl ge- gen den hellen Himmel als gegen die breite Flamme einer Lampe genauer zu bestimmen gesucht. Die letzte Weise ist die be- quemsle, sie zu fixiren, und die Abhängigkeit ihrer Stellung von den Bewegungen des Auges zu erkennen, da man es hier ganz in der Gewalt hat, sie in Ruhe oder in jede beliebige Bewegung zu verselzen. Es zeigen sich alsdann kleinere, un- zählig und dicht gedrängt die ganze Fläche der Flamme bedek- kend, zwischen ihnen zerstreut grössere. Ref. unterscheidet drei Formen, nämlich erstens eine helle Scheibe, umgeben von einem schmalen halbdunkeln Ringe, zweitens eine kleinere helle Scheibe, umzogen von einem breiteren, tiefer dunklen Ringe, und drittens ein dunkler Punkt in der Mitte einer halbdunklen Scheibe. Die erste Form war die gemeinste, die zweite sel- tener und zwischen die anderen gleichsam eingestreuet, die dritte wurde nur gegen den Himmel, nicht vor der Flamme und auch dort nur an zwei Körperchen gesehen. Beim Betrachten der Flamme durch das Kartenloch ‚und leichter Seitenbewegung der Karte schienen die Kügelchen jedesmal der Richtung derselben zu folgen, welches wiederum für das Vorhandensein eines Zwi- schenraumes zwischen den Körperchen und der Netzhaut spricht. Es ergiebt sich nun zuvörderst, dass die Körperchen, welche die Erscheinungen der ersten und zweiten Art bedingen, nicht opak sein können, denn alsdann würden sie entweder nur als dunkle Kerne von einem Halbschattenrande umzogen oder als graue schattige Scheiben, nicht aber als Ringe geschen werden - können, wie auch der objective Versuch lehrt, in welchem die Ringform durch keine Stellung des Wachskügelchens sich dar- stellen lässt, und nur die Körperchen der dritten Art können undurehsichtig sein. Die der ersten und zweiten Art sind fer- ner nicht sphärisch, denn in der erwähnten optischen Vorrich- tung giebt ein Glaskügelchen von etwa zwei Linien Durchmesser n xLV ah pad ‚nahe der Wänd gehalten, einen durch eoncentrirtes Licht sehr hellen Punkt von einem dunklen Ringe eingefasst, welcher bei allmähliger Entfernung von der Wand in eine ganz dunkle Scheibe übergeht, in die der Halbschatten von aussen eindringt. Der Kern der Mouches volantes hat aber nicht diese intensive Helle, sondern nur die Helle des durchscheinenden Grundes, vor welchem sie schweben. Wollte man annehmen, die Sub- stanz der Körperchen sei trübe und lasse nicht alles Licht hin- durch, so würde zwar jene geringere Helle erklärbar sein, wie sich selbige auch objectiv nachahmen lässt, wenn man. die Oberfläche des Glaskügelchens mit Wachs trübt, ‚allein man würde dann nicht durch sie hindurchsehen. können], sie wür- den bei ihrer ausserordentlichen Menge. und dichten Lage das Sehfeld verdunkeln und den wasserhellen Glaskörper trüben müssen. Ihre Flächen sind auch nicht concav, denn ein klei- nes concav geschliffenes Glas wirft in der‘ Vorrichtung ‚einen Schalten mit hellem Ringe. Vielmehr passt zu jenen Erschei- nungen nur die flach. conveze oder die Linsenform, welche auch St. annimmt. Eine kleine Glaslinse in der Vorrichtung ganz nahe der Wand gehalten giebt eine mässig helle Scheibe von einem schmalen halbdunklen Ringe umsäumt, weiter von der Wand entfernt wird der Ring breiter und dunkler, die Scheibe enger und heller, welche Erscheinungen denen der Körperchen im Auge vollkommen entsprechen.‘ Es ist hieraus ferner zu vermuthen, dass die Körperchen der zweiten Form weiter vor der Netzhaut liegen als die der ersten. Die letzte Annahme scheint noch durch folgenden Versuch bestätigt zu werden. Wenn Ref. bei Beobachtung der Mouches volantes durch das gegen die Lichtflamme gehaltene Löchlein den Fixa- tionspunkt von der Flamme auf das Löchlein selbst verlegt, so verwandeln sich augenblicklich mehrere der Kügelchen der er- sten Form in die zweite, indem sie dunkler und breitet wer- den. Dies erklärt sich aus der hierbei stattfindenden Veren- gung der Pupille, durch welche. der Halbschaltenring zu einem vollkommenen Schatten wird. Eben deshalb erscheinen auch die Ringelchen um so dunkler, je näher das Löchlein dem Auge en wird. Den übrigen Beobachtungen und Ansichten Stei- ensand’s muss Ref. nach eigener Erfahrung beitreten. Bei fernern Versuchen hierüber wird aber besonders darauf zu ach- en sein, dass die Wirkungen der Beugung und Interferenz des es, welche beim Hindurchsehen durch feine Oefluungen und enge Spalten sich eiofinden, als halbdunkle Flecken im Derstreuungsbilde des Löchleins, und schatlige, den Spalten- dern gleichlaufende Striche, von den durch Ungleichheiten in den Augenmedien bedingten Erscheinungen gehörig getrenut werden 2 XLVI Unser Verfasser kommt demnächst auf das Doppeltsehen mit einem Auge zurück, und sucht den Grund davou in der Abweichung der Krystalllinsenaxe nach innen von der Horn- hautaxe, wodurch zwei Brennpunkte neben einander entstehen sollen: Ref, hält zwar die Existenz einer doppetten Lichibre- chung in den Augenmedien als Ursache des Secundärbildes für wahrscheinlich, die Abweichung der Linsenaxe aber für zwei-, felhaft, und glaubt, selbst wenn diese Lage der Linse zugege- ben würde, aus physicalischen Gründen, dass sie nicht Ver- doppelung des Netzhaulbildchens, sondern nur eine leichte Ver- schiebung desselben nach innen zur Folge haben könnte. Das Experiment mit dem Brennglase veranschaulicht dieses, wenn man nahe demselben nach der Seite der Wand hin eine zweite Glaslinse anbringt, deren Axe mit jener der ersten zusammen- fällt, wobei es. gleichgültig ist, ob das Bild nur eircumseript oder undeutlich entworfen wird. Bewegt man alsdann die Linse nach rechts oder links aus der Axe des Brennglases, so tritt dieses Bild nicht auseinander, sondern bewegt sich nach dersel- ben Seite hin. Nur dann, wenn die Linse so weit verschoben wird, dass ein Theil des Lichtkegels durch das Brennglas neben ihrem Rande vorbei auf die Wand fällt, entsteht ein doppelter Focus und ein zweites Bild. Umgiebt man die Linse mit einem breiten Rahmen, oder umfasst man sie zwischen Daumen und Zeigefinger, so dass nebenfallendem Lichte der Weg versperrt wird, so bleibt es bei dem einen bewegten Bilde. Im Auge aber hindern die die Linsenkapsel umkränzenden Ciliarfortsätze, dass durch die Pupille einfallendes Licht zur Netzhaut gelange, ohne durch die Linse zu gehen. Der Grund, weshalb horizon- tale Linien in weiterer Entfernung deutlicher gesehen werden, als vertieale, welchen St. in der Lage des Nebenbildes nach, innen vom Hauptbilde setzt, ist wohl in der quer eliptischen Form der vordern Hornhautfläche, wie in der fast horizontalen Richtung der Augenlidspalte und dadurch bedingter Einengung der Zerstreuungskreise von oben nach unten zu suchen. Ref. hat in seiner Abhandlung über die Zerstreuungsbilder in Hecker’s literar. Annalen f. d. ges. Heilk. 1829, Oetober, über das Doppeltsehen mit einem Auge ausführlich gehandelt (auch Pr&vost, Purkinje, Volkmann), und muss nach eigenen Beobachtungen drei Arten desselben aufstellen, nämlich ausser dem von St. wahrgenommenen secundären Bilde noch ein Doppeltsehen durch Halbschattenbildung im Auge von dun- klen Gegenständen, welche einem breiten. lichten Grunde, z.B. dem hellen Himmel gegenüber, als Schatten auf der Netzhaut entworfen werden, indem das aus verschiedenen Richtungen an ihren Grenzen vorbeifallende Licht ihre Umrisse doppelt, als Schlag- und Halbschatten zeichnet, und drillens ein beim un- XLVI deutlichen Sehen aus den Zerstreuungsbildern sich entwickeln- des Doppelt- und Mehrfachwerden des Bildes, welches durch den Einfluss einer- weiten Pupille und nahe vor dem Auge be- findlicher undurchsichtiger Körper, welche schmaler als die Pu- pille sind, begünstigt wird, als durch die Augenwimpern, durch den Zwischenraum zweier Kartenlöcher in Scheiner’s Ver- such, durch einen nahe vor der Hornhaut gehaltenen schmalen Papierstreifen, aber auch ohne diese sehr vollkommen beim Hin- blick auf eine entfernte Lichtlamme durch eine Röhre einfritt. Das letzte Doppeltsehen lässt sich auch ausser dem Auge künst- lich ausbilden. Man braucht nur, wenn das Bild des Kerzen- lichtes wegen zu grosser oder zu geringer Distanz durch das Brennglas undeutlich entworfen wird, an der Lichtseile des Glases einen etwa zwei Linien breiten Papierstreifen verlical vorzuhalten; kommt man damit in eine gewisse Entfernung von dem Glase, so spaltet sich durch den Schatten des Streifens das Bilchen in zwei, und wenn man sich eines kammartig ausgezack- ten schwarzen Papiers bedient, in mehrere, gleichwie das directe Zerstreuungsbild im Auge durch die vortretenden Cilien, Eben so lässt sieh auch die scheinbare Seitenbewegung der Gränzen zu naher oder zu entfernter Gegenstände in ‚Folge eines dicht am Auge seitlich bewegten Kartenrandes an dem dioptrischen Bildchen zeigen. Verf. ist geneigt, selbst die Entstehung des sogenannten Secundärbildes auf die bei Bildung der Zerstreu- ungskreise obwaltenden Brechungsverhältnisse zurückzuführen, und dasselbe ebenfalls als Phänomen der Zerstreuuug zu be- trachten, denn ein entfernter Gegenstand, z.B. eine Kirchthurm- spitze, durch zwei Karteolöcher gesehen, lässt dasselbe ganz in gleicher Weise hervortreten, wie es wohl dem freien Auge erscheint. 7. Bewegungsverhältnisse der Augen. Axendre- hung derselben. Die Bewegangsverhältnisse der Augen beim Sehen hat Tourtual (zur Phoronomie des Sehorganes in v. Ammon’s Monatsschrift Bd. I. Heft 3. 4. 5.) zum Gegenstande der Un- uchung gemacht, und ist dabei von der Stellung derselben im Schlafe mit aufwärts gerichteten Sehaxen als dem Ruhe- punkte ausgegangen, von welchem die willkürlichen Bewegun- en beginnen. Beide Augen bilden in der Vereinigung ihrer hthätigkeiten ein Gesammtorgan, nur die Bewegungen des Ganzen sind willkürlich, die.der einzelnen Augen sind wech- selseilig dependent wie Theile einer Einheit, Im Schlafe ist xLVIU das Sehorgan dem objectiven Sehfelde entrückt und in sein Innenleben versunken, die subjeclive Richtung drückt sich durch die Bergung der Pupillen unter den Supraorbitalrändern aus. Wir vermögen auch wachend durch den Willen den Angen die Disposition zum Schlafe ‘zu geben, sie in dieselbe Stellung zu bringen, welches aber nicht durch active Bestimmung, sondern durch Aufhebung der objectiven Richtung bei geschlossenen Lidern geschieht, wobei die Sehaxen ihrem organischen Schwer- punkt folgen und zugleich der Seele eine zum Schlafe hinnei- gende Passivilät sich bemeistert. Werden zugleich die Ober- lider durch die Daumen stark hinaufgezogen, so sieht man noch etwas von den Aussendingen. Die Contraetion der hierbei thä-+ tigen Augenmuskels. ist, eine unwillküriiche und rasch erfol- gende, das Bewusstsein derselben greift daher nicht gehörig in den Vorstellungsprocess ein,‘ und hieraus folgen Scheinbewe- gungen der Gegenstände, sowohl beim Eintreten der Augen in jene Stellung als bei dem Austreten in die fixirende, welche im ersten Falle absteigend, im andern aufsteigend, und zugleich von Doppeltschen begleitend sind, weil die Neigung der Seh- axen sieh dabei nicht gleich bleibt; das Druckbild weicht, in- dem das Auge sich zum Schlafe stellt, aufwärts. Diese Phä- nomene unter verschiedenen Modificationen werden speciell be- schrieben, und es wird die seltene Beobachtung einer andauern- den Divergenz der Sehaxen als Krankheitssymptom hinzuge- fügt, bei welcher die Scehfelder kreuzweise übereinander ge- schoben erschienen. Auch beim Vorsichhinstarren gehen die ‚Sehaxen ein Geringes über den Parallelismus in die Divergenz hinaus, und werden erst durch die Willkür zur Convergenz gebracht. (Ref. hat anderswo diese Divergenz durch das Dop- pelbild des Mondes, welches beim fortgesetzten Hinstarren ge- gen denselben gesehen wird, dargethan. Wird dabei das rechte Auge geschlossen, so verschwindet das linke der Bilder, der Mond verhält sich also wie ein Object diesseit der Interseclion der Axen. Da nun aber wegen der grossen Entfernung des Mondes die in einem Punkte desselben sich vereinigenden Seh- axen als parallel stehend betrachtet werden können, so mussten sie über den Parallelismus hinaustreten, um das gekreuzte Dop- pelbild. des Mondes zu veranlassen.) Im Wachen wird das Auge ‘durch die Gegenstände angezogen und unterslülzt, es strebt, die Seitenbilder in den Centralpunkt der Netzhaut zu bringen ‘und in diesem festzuhalten, daher die Sehaxe unwill- kürlich dem Objecte, z. B. einem in der Seitenansicht befindli- chen Lichtpunkte begegnet‘ und auf ihm ruhet, wenn nieht der Wille Gegenbefehl ertheilt. ‚Sie folgt daher auch unwillkürlich und häufig unbemerkt den Gegenständen, woher sich manche Täuschungen: hivsichtlich ihrer Bewegung und Ruhe erklären, XLIX von denen ‚hier. einige erörtert werden. Es üben aber nur eir- eumseripte Netzhautbilder, nicht solche von Objecten weit vor oder hinter. der jedesmaligen Brechungsdistanz diesen Einfluss auf die Stellung der Sehaxen aus, Auch bei Bewegungen eines fisirten Gegenstandes in die Nähe oder Ferne werden die Axen zu entsprechender Vergrösserung oder Verkleinerung, ihres ‚Nei- gungswinkels gleichsam hingerissen, woraus ebenfalls Orienta- tionsläuschungen entstehen können. Das wache Sehorgan ist der Intelligenz unterthan, daher das Streben zur ‚Centralisiruug der Netzhautbilder, daher in den combinirten Sehacten beider | Augen nur die Möglichkeit der Verbindung solcher Bewvegun- gen. welche den Zwecken .der Einheit und Deutlichkeit' der Anschauung entsprechen. Es können nur Bewegungen mit con- vergirenden, nicht mit divergirenden Sehaxen gemacht werden, leizte. bleiben ferner stets in einer Ebene, und es ist unmöglich, die Axe des einen Auges nach oben oder unten aus derselben heraustreten zu lassen, auch vermag der Ungeübte ohne Anhalt nieht, während die eine ruht, die Neigung der andern gegen jene zu ändern. Die Axenneigung hängt ebensowohl als die Axenrichtung des einzelnen Auges von der Lage der Object- bilder auf den Netzhäuten ab, der Intersectionspunkt will durch Objectpunkte gehalten und gestützt sein, und es erfordert Uebung, die Axenpunkle in einem Raumpunkle zu vereinigen; der durch kein Object bezeichnet is. Wird der vor einem Kerzenlichte aufgehobene Finger fixirt, so dass das Licht dop- pelt erscheint, und demnächst schnell zurückgezogen , so ver- einfacht sich augenblicklich das Doppelbild, indem die Sehaxen ihre Convergenz ändern und sich in dem Lichte begegnen. Auch wenn durch Vorschieben eines geschliffenen Glases in beide Sehaxen eine fixirte schwarze Scheibe auf weissem Grunde ihr Bild verdoppelt, so vereinigen sich ohne Zuthun des Wil- lens in wenig Augenblicken beide Bilder. Ist es ein biconcaves Glas, so sieht jedes Auge sein Bild an der entgegengesetzten Seite, und die Axen treten behufs der Vereinfachung in nähere ©onvergenz; ist es eine Linse, so erscheint jedes Bild an der Seile seines Auges, und der Convergenzpunkt entfernt sich, am die Vereinigung zu bewirken. Die Deutlichkeit der Er- scheinung verliert dabei wenig, weil im ersten Falle die Bewe- ung der Axen von einer Erhöhung, im anderen von einem Nachlasse des Brechungszustandes im Auge begleitet, und da- durch die Refraction des Mediums einigermaassen compensirt wird. ee aber Medien auf eine Weise ein, welche mit der veränderten Axenneigung zueläe eine unpassende Refraclion _ des Auges herbeiführt, so der Erfolg verschieden. Nach Sehwanken der Sebaxen und wechselseitigen Annähern und Entfernen der Bilder kommt es entweder zu einem deulli+ ' Müllers Archiv. 1840. D L chen Doppelbilde, z. B. wenn zwei Linsen von den Schläfen- seiten nach der Nase hin sich begegnen, oder zu einem einfa- chen und zugleich undeutlichen Bilde, wenn zwei biconcave Gläser einander entgegengeführt werden. Die Sehaxen setzen sich also am Ende in einer Convergenz fest, welche der Ein- heit entgegen und der Deutlichkeit entsprechend ist, oder umge- kehrt. Dieser Unterschied wird durch die Neigung der ermüdeten Augen zum Parallelismus und zu nachlassender Refraction bedingt, vermöge deren sie in der gegebenen Alternation jedenfalls die fer- nere Convergenz und die Accomodation der Brechung für eine grös- sere Distanz wählen. Eben deswegen wird beim Fixiren eines Punktes in der Mittelferne und darauf folgenden Aufsetzen einer stark brechenden concaven Brille derselbe in einfachem Zer- streuungsbilde, durch eine convexe hingegen im unzerstreuten Doppelbilde gesehen. Die Unmöglichkeit, die Sehaxen in ver- schiedene Ebenen zu richten, zeigt sich bei dem Versuche mit zwei Hohlgläsern dadurch, dass, wenn bei einfach erscheinender schwarzer Scheibe das eine derselben erhoben wird, wodurch zugleich das Bild anuseinanderweicht, eine Wiedervereinigung desselben ohne Bewegung des Kopfes durch keine Anstrengung zu Stande gebracht werden kann. Hinsichtlich der Accomoda- tion des Auges für verschiedene Distanzen wird bemerkt, dass bei zu entferntem Objecte man auch durch leisen Druck auf die Hornhaut und dadurch bewirkte Abflachung derselben die Erscheinung verdeutlichen könne. (Die Verminderung der Re- fraction im Auge durch Druck auf die Hornhaut geht auch aus folgenden, nachträglich von Referenten angestellten Versuchen hervor. Man verdecke das rechte Auge und fixire mit dem linken ein Schnitzel weissen Papiers auf schwarzem in deutli- cher Sehferne. Uebt man nun den angegebenen Druck auf die Augenlider, so werden die scharfen Ränder des Bildes umne- belt, weiterbin entstehen Farbensäume und Mehrfachwerden des Bildes. Legt man alsdann eine flache Glaslinse auf das Papier- ‚ stückchen, und nähert sie allmählig dem gedrückten Auge, so mindern sich diese Erscheinungen mehr und mehr, und man _ kommt an einen Punkt, wo das Bild wieder einfach, scharf gerandet und sehe schwach umsäumt, oder völlig farblos wird. Derselbe Erfolg tritt ein, wenn man anstatt der Linse ein'Loch von etwa einer halben Linie Durchmesser in schwarzem Pa- _piere vorhält, wobei aber das Object vom Sonnenlicht oder sehr "hellen Tageslicht erleuchtet sein muss. Sieht man mit freiem inken Auge das Papierstückehen scharf begränzt, und schiebt . die Linse in solcher Entfernung vor, dass die Ränder neblig werden, so verschwindet diese Zerstreuung in dem Augenblicke, wann man den Druck anbringt.) Das Motiv, welches bei vor- handener Zerstreuung uns veranlasst, der Refraction des Auges LI die richtige Abänderung, und nicht elwa die entgegengesetzte zu eriheilen; wird in lie Stellung der Netzhautbilder beider Augen zu den @entralfocis gesetzt, wobei dieselben aber be- stimmt erleuchtet und nicht mit andern Bildern zusammenfal- lend oder verschmolzen sein dürfen; daher gelingt z. B. das Fixiren eines Hohlspiegelbildes, durch welches auch dahinter liegende Gegenstände gesehen werden, schwierig und nieht an- — ‚ es wird leicht doppelt gesehen, weil es die Sehaxen gehörig fesıhält. und lässt daher auch das Auge über seine Entfernung zweifelhaft, von welcher man sich durch ei- nen dem Bilde entgegengelührten Bleistift überzeugt, welchem die fixireuden Sehaxen folgen, bis es einfach erscheint. Dass die Bewegungen der Augen nach gleicher Seite nicht auf einer angebornen Naturnothwendigkeit, sondern auf Association be- ruhen, wird aus den Verhältnissen derselben und aus dem Schielen erwiesen, und die Synergie der beiderseitigen Augen- muskeln derjenigen der Aus- und Einwärtsroller der Schenkel- beine bei den Drehungen des Rumpfes auf den Köpfen dersel- ben, wie der das Haupt rolirenden Muskeln verglichen. Wie «+ der Refractionsstand der Augen von der a nn an so wird auch umgekehrt diese durch jenen bestimmt, wie le tes aus folgenden Versuchen hervorgeht. Wird beim Fixiren ‚einer Kerzenflamme das eine Auge geschlossen, in der Axe des anderen ein Bleistift diesem allmählig bis auf die halbe Distanz mit gleichmässig bewegler Fixation genähert und alsdann jenes geöflnet, so erscheint der Stift einfach, das Licht doppelt; wird Beim Fixiren eines Punktes in die Axe des einen Auges ein concav oder convex geschliflenes Glas gebracht, so erfolgt ein Doppelisehen, und zwar in dem ersten Falle ein gekreuztes im andern ein directes; werden die Sehaxen auf den Reflex einer Lichtlamme von einem 4 Zoll vor dem Auge befindlichen Tropfengläschen gerichtet, das linke Auge geschlossen und das rechte ohne Veränderung seiner Richtung so accomodirt, als wolle es einen entlegenen Gegenstand schauen, so erscheint bei zer linken Auge der Reflex als gekreuztes Doppelbild. iese Dependenz ist wiederum keine physiologische, sondern ebenfalls psychischen Ursprungs, wie aus den Distanzverhält- nissen in der Identitätslivie, aus der verschiedenen Refractions- kraft der Augenmedien nach der Individualität und ıdem Alter, und auch daraus folgt, dass man denselben Gegenstand mit freiem Auge ‚und ebenso durch eine schwach brechende Brille einfach zugleich eircumseript sehen kann. (Auch die Aus- ei schwierigen Versuchs, ohne Medium einen Ge- erhalb der Klarweite mit beiden Augen einfach und deutlich zu sehen, und die vielfältig modilicirten Beobachtungen Heermann’s und Volkmann’s, naelr denen D % Lu der fixirte Gegenstand bei Enthüllung des andern Auges gleich anfangs doppelt erscheint, und erst in dem folgenden Augen- blicke einfach wird, durch künstliche Mittel auch doppelt er- halten werden kann, welches Ref. ebenso gefunden hat, spre- chen für blosse Mitbewegung durch Gewohnheit. Ref.) Das anfängliche Schielen beim Abnehmen einer Brille, und das dar- auf folgende Wiedervernehmen der Augen rührt von der Com- bination der Axenneigung mit einem anderen Refractionsstande her. Die Bewegungstendenzen der Augen lassen sich nach Tourtual auf fünf Grundtriebe zurückführen, nämlich auf den Centrifugalinstinet, welcher die Sehaxen in die Divergenz und aufwärts zieht, und der subjectiven Seite des Sinnes angehört, den Centrifugalinstinet, welcher seinem objecetiven Leben die- nend, die Axe in die Richtung zum Objecte bringt, den re- fracliven Beweginstinet, welcher für die Dimension der Tiefe, wie der vorige für die Klächendimensionen wirkt, den socialen Instinet, welcher die Refractionsstände und Axenrichtungen bei- der Augen zum Zwecke der Einheit der Anschauung verbin- -det, endlich den locomotiven Instinet, welcher die Axencon- vergenz in der Fläche und Tiefe von Punkt zu Punkt leitet, und Erweiterung des Bildes innerhalb der Gränzen der Deut- lichkeit bezweckt, derselbe wird graphisch, indem er mit den ‚beweglichen Axen die Umrisse der Körper zeichnet. 63 Ueber die Bestimmung der schiefen Augenmuskeln hat Hueck in einer schätzbaren ‚Schrift: die Axendrehung des Au-- ges, Dorpat 4838, Aufschluss ertheilt, und diesen sowohl auf ‚eine genaue Untersuchung der Richtung und Anheftung der schiefen Muskeln beim Menschen und bei den Thieren, durch “ welche die bisherige Beschreibung derselben nach Albin, Söm- merring, Rosenmüller, Cloquei, Weber, wesentlich‘ ver- vollständigt ist, als auf Beobachtung der Bewegungen des le- bendigen menschlichen Auges gegründet. Er fand, dass die ‘Sehne des ‚obern schiefen Muskels schon von ihrem Anfange ‚drei Linien hinter der Rolle, von einer sehr nachgiebigen Schleim- scheide umgeben wird, welche sie durch die Rolle hindurch eben so weit auf dem Wege zum Bulbus begleitet, so dass die Länge der Bewegung beim Vor- und Zurückziehen 5,5 be- trägt. , Von der Rolle aus verläuft die Sehne in horizontaler Richtung, berührt den Augapfel an seinem höchsten Punkte, und setzt sich nach aussen und hinten an diesen unter dem ” äussern Rande des oberen geraden Muskels schräg an, so dass die vorderen Fasern der Sehne weiter reichen als die hinteren. Die Insertion gewinnt an Breite durch zwei von dem vordern und hintern Rande ausgehende dünne Aponeurosen, von denen ‚dieserste..bis, zur Anheftung des Rectus superior sich erstreckt Lili und bei der Richtung der Augenaxe nach aussen ‘oder unten; die andere nach innen und hinten verlaufende beider Bewegung nach innen oder oben sich anspannt. Zur genauesten Bestim- mung der Lage dieser Sehne und des unteren schiefen Muskels wurde von einem hartgefrornen Leichnam, dessen Augenaxen parallel und geradeaus gerichtet waren, sechs Linien hinter den vorragendsten Punkte der Hornhaut ein seukrechter Querdurch- schnitt durch beide Augenhöhlen und Augäpfel hiudurchgeführt, wobei die Schnittläche der Bulbi von ihrer Kreisform wenig einbüsste, und die Lage der Augenmuskeln sich nicht verän- Der Ursprung des untern schiefen. Augenmuskels belin- sich nun senkrecht unter dem Austritte der Sehne des obe- ren aus der Rolle, derselbe nimmt seine Richtung dieser fast arallel, und seine ebenfalls schräge Insertion ist unter dem eclus externus eine Linie weiter nach hinten als die des .obe- ren, so dass die hinteren weiter binaufreichenden Fasern unter dem oberen Rande dieses Muskels zu liegen kommen; auch ‚sie wird durch eine zarte Sehnenhaut. sowohl am hintern als vor- dern Rande verstärkt. Ueber die Wirkungen dieser Muskeln hat Laulh sich da- hin erklärt, dass jeder für sich den Augapfel um seine Län- ze rollen müsse, und zwar beide nach entgegengesetzlen ehtungen, dass aber diese Bewegung .nicht vorzukommen ıeine, und daher eine gleichzeitige Wirkung beider anzuneh- ei, die in Compression und Verläugerung der Axe des jfels zum Nahesehen bestehe. Die Annahme dieser Ver- erung, welche wir schon bei älteren Plıysiologen finden, st aber irrig, und auch von unserem Verfasser in einer: frühe- ren Schrift widerlegt worden. Derselbe bemerkt, dass: die durch den einen oder andern schiefen Augenmuskel bewirkte Rich- tung der Sehaxe sehr verschieden nach ihrem jedesmaligen Stande sei, wie sich auch in Leichnamen nach Durchschnei- dung der geraden Augenmuskeln zeige, wo die Obliqui vereint Bulbonı zusammendrücken, wenn die Augenaxe gerade nach steht, dieselbe aber, wenn sie nach innen gerichtet ist, nz gegen die Innenwand der Orbita, und wenn nach aussen, sch slärker auswärts wenden und zugleich den Augapfel her- vorzielien, welche Bewegungen grösslentheils auch von den ein- zelnen oder zusaimmenwirkenden geraden Augenmuskeln voll- zogen werden können. Es ist also nölhig, eine bestimmte Lage des Augapfels vorauszuselzen, und zwar diejenige, welche durch ‚die Gesammtwirkung der vier geraden Muskeln ihm gegeben und erhalten wird, um den Erfolg der Contraclion der schiefen 20 ermitteln. Jene, in taugentiellen Richtungen wirkend. ver- einigen sich. zu einer mittleren Achtung, indem sie den Dreh» punkt des Augaplels gegen die Mitte des Foramen oplicum zu- LIV rückziehen und in dieser Lage fisiren. Eine gerade Linie von diesem Punkte zu jenem bezeichnet die Riehtung ihrer verei- nigten Wirkungen. Die Richtungslinie für die gemeinsame Wir- kung der schiefen Augenmuskeln geht vom Drelpunkte unter einem Winkel von 103° zu jener gegen die Mitte zwischen der Rolle und dem Ursprunge des unteren: schiefen Augenmuskels, Die Diagonale beider Richtungen lenkt sich vom Drehpunkte nach der Innenwand der Orbita hin, demnach muss bei glei- cher Spannung der geraden Muskeln, durch die Zusammenzie- hung beider schiefen Muskeln der Bulbus gegen diese Wand angedrückt und dadurch aufs genauesle in seiner Lage erhalten werden, so dass der Drehpunkt unverrückt bleibt. Wird nun durch überwiegende Contraction eines der seitlichen geraden Muskeln die Sehaxe nach innen oder nach aussen gewendet, se gleiten zwar die Mitten der Sehne des obern und des Bauches des untern schiefen Muskels vom Zenith und Nadir des Bulbus ab, aber es berühren ‘diese im ersten Falle die hintern, im an- dern die vordern Ränder der Sehne und des Muskels, und es bleibt ihre Wirkung in der Richtung der Tangenten dieselbe. Bei der Auf- und Abwärtsrichtung der Sehaxe stellt sich der Parallelismus beider Muskela dadurch her, dass bei der Breite der Insertionen die entgegengesetzten Ränder derselben abspan- nen und erschlaffen. Auch bei den Säugelhieren sind die schie- fen Augenmuskeln, deren Verhalten beim Hunde, Rinde und Hasen untersucht wurde, gleichlaufend nach aussen und hin- ien, der Ursprung des unteren liegt in senkrechler (Juerebne unter der Rolle; die Sehne des oberen verläuft fast horizontal, und die Richtungslinie beider ist zu derjenigen der M. reeti un- ter einem grösseren oder kleineren Winkel geneigt, der z.B. beim Hunde 106°, beim Rinde ungefähr 90° hat. Bei den Vö- gela entspringt der obere nahe und gerade über dem unteren von der Innenwand der Augenhöhle, beide gehen an die Pole des senkrechten Augendurchmessers, und nach gleichem Prin- eipe werden sie auch bei Amphibien und Fischen übereinander liegend und an die Pole angeheftet gelunden. Daraus, dass ihr Winkel zu den Rectis bald ein spitzer, bald ein rechter oder stumpfer bei verschiedenen Thieren ist, erhellt, dass sie nicht zur Hervorziehung des Augapfels, sondern nur zur Andrückung desselben an die innere Wand der Augenhöhle, und zur Fixi- rung des Drehpunktes dienen können, dessen Stabilität für das Sehen nolhwendig ist, Ist die Augenaxe durch die geraden Muskeln in einer ge- wissen Richtung festgestellt, so wird der obere schiefe Muskel, wenn er das Uebergewicht über den unteren gewinnt, den Aug- apfel von oben nach innen um diese Axe rollen, der untere darch seine Prävalenz entgegengesetzt, nämlich nach aussen. LY Zwar steht die Richtungslinie der Wirkung, eines, jeden nur dann senkrecht gegen die Augenaxe, wenn diese nach aussen- gewendet ist, bei den übrigen Stellungen derselben schief; dies hindert indess nicht die Drehung um selbige, denn. auch die gemeinsame Richtung (des oberen und unteren geraden Muskels bildet, wenn die Pupille gegen die Nase gerichtet ist, mit der ‚Queraxe des Bulbus einen Winkel von 45°, obne dass dadureh ihre Wirkung auf: das Heben und Senken des Bildes verändert würde, und bei den Vögeln, Amphibien und Fischen sind diese- Muskeln ebenfalls schief angeheftet. (Wäre der Umfang des Bulbus nach jeder Richtung frei beweglich, so müsste die Rol, lung durch die schiefen Muskeln um denjenigen Durchmesser desselben erfolgen, welcher ihrer gemeinsamen Richtung senk- recht steht, also von hinten und innen nach vorn und aussen erichtet ist, wobei die Längenaxe einen Doppelkegel um den rehpunkt beschreiben müsste; da aber die Richtung der Län, genaxe durch die vier geraden Muskeln fixirt ist, so kann sie allein die Rotationslinie sein. Ref.) Die Rolle dient dazu, dass der obere schiefe bei der Drehung nach aussen nachgeben könne, denselben Zweck hat die Länge des unteren, vermöge deren seine Anheftung mehr nach hinten zu liegen kommt., Weil die Sehne des oberen wegen der Ausdehnung ihrer Schleimseheide sich nur um 5,5‘ bin und her bewegen kann, so wird. der Gesammtumfang der Rollung durch beide schiefe Muskeln auch "höchstens diese Länge vom Umfange eines grössten Kreises des Bulbus, oder 574° betragen können. ‘ Man kann diese Axeudrehung am Leichname bewirken, wenn man die Augenaxe durch eine in dieser Richtung durch- gestossene Striekuadel fixirt, und nun die schiefen Muskeln wechselweise anzieht. Auch am Lebenden ist sie nachzuwei- sen, Wenn man jemanden eiuen senkrecht gestellten . Gegen- siand an einem mit dem Auge gleich hohen Punkte fixiren, und alsdann den Kopf mit beharrender Fixalion langsam nach der veehlen Seite berabneigen lässt, so sieht man, dass ein horizon- tal liegendes Bindehautgefäss im äussern Winkel des rechten Auges nieht der veränderten Richtung der Augenlidränder folgt, sondern seine horizonlale Lage behält, den, Augenwinkel ver- lässt und unter das obere Lid aufsteigt, und bei der Rückkehr des Kopfes in die aufrechte Stellung seine vorige Lage im Au- er wieder einnimmt; beim Herabneigen des Kopfes nach r linken Seite seukt es sich, stels wagerecht bleibend, und hebt sich wieder bei der rückgängigen Bewegung. Der Um- fang dieser Drehung des Augapfels scheint nach jeder Seite hin 25°, im Gauzen also 50° zu betragen; wird die Neigung des Hauptes über diese Gränze hinaus fortgesetzt, so kehrt er iu seine frühere Stellung zurück, Man sicht dasselbe bei Belrach- Lv1 tuüg des eigenen Auges im Spiegel, indem das hin, und her be- wegte Haupt sich um dasselbe wie um einen ruhenden Punkt herumdreht. Bei der Neigung des Kopfes nach rechts wird das rechte Auge durch den obern schiefen Muskel nach innen, das linke durch den unfern nach aussen gerollt, umgekehrt bei der entgegengesetzien Neigung. so dass der Grad der Axendrehung des Auges dem Grade der Kopfneigung gleich ist, und der senk- rechte Meridian der Netzhaut stets senkrecht bleibt. Das Auge hat mitbin drei Axendrehungen, nämlich um die senkrechte Axe beim Sehen nach den Seiten hin, oder beim Fixiren während der Drehung des Kopfes nach rechts und links, um die Quer- axe beim Sehen nach oben und unten, oder beim Fixiren, in- dem der Kopf sich vorwärts neigt und aufrichtet, endlich um die Längenaxe, wenn er seitwärts geneigt wird. Es verhält sich wie die Magnetnadel im Schiffe, welche ihre Richtung zu den Erdpolen beibehält, wie auch das Schiff sich bewege, und nur die Richtung zum Schiffe ändert. Wie durch die Drehung des fixirendeu Auges um die senk- rechte Axe die Bilder der ruhenden Objecte in dem senkrech- ten Meridian der Netzhaut und seinen Parallelkreisen festgehal- ten werden, und durch die Drehung um die Queraxe in dem wagerechten und seinen Parallelkreisen, so wird durch die Rol- lung um die Längenaxe bewirkt, dass die Bilder der verlical wie der schiefgeneigten und wagerechten Gegenstände bei der seitlichen Neigung des Hauptes nicht aus einem Meridian in den andern übertreten, sondern in ihrem Meridiane behärren und also auch ruhend erscheinen. Wenn daher die Neigung des Kopfes über 38° hinausgeht, so dass die Axendrehung nicht mehr folgen kann, so tritt in dem Momente, wenn der Verli- ealdurchmesser des Auges wieder in seinen Parallelismus zur Axe des Kopfes zurücksinkt, eine plötzliche Schwankung des ©bjectes ein. (Dieser Versuch hat Ref. weder bei blosser Be- wegung des Kopfes noch beim Uebergange aus der sitzenden Stellung in die liegende gelingen wollen.) Wird die seitliche Neigung rasch nach entgegengesetzten Richtungen wiederholt, wobei es den schiefen Muskeln an Zeit fehlt, die Rollungen zu vollziehen, so tritt eine Wanderung der Bilder in diejenigen Meridiane ein, welche sich jedesmal in die Ebne der Objecte stellen, und die senkrechten Gegenstände scheinen alsdann zu wanken, die wagerechten sich hinauf oder herab zu neigen, gleichwie eine scheinbare Seiten- oder Auf- und Abwärtsbewe- gung bei raschen Seitendrehungen oder beim Beugen und Auf- richten des Hauptes durch Störung der Fixationsthätigkeit der geraden Augenmuskeln erfolgt. Der vorzüglichste Nutzen der Drehung um die Längenaxe besteht demnach darin, dass durch sie erst die Feststellung aller Netzhautbilder, mithin des ganzen ” - “. LV1l Sehfeldes bei sämmtlichen einfachen und combinirten Bewegun: gen des Hauptes ermöglicht wird. (Ohne diese Axendrehung würden wir zwar bei der Seitenbewegung des Kopfes den Ge- genstand ebensowohl als ruhend erkennen, wie bei den übrigen Bewegungen desselben, wenn die Augen. ohne in der Fixation des Gegenstandes zu beharren. sich passiv erhalten. allein doch nur durch Combination der Bewegempfindungen der die Stel- lung des Kopfes veräodernden Muskeln mit dem Localwechsel im Sehfelde, durch welche die Vorstellung einer veränderten Lage des Sehfeldes entsteht, welche die der Bewegung aufhebt; die Folge der Axendrehung nun ist, dass die Erscheinung des Objects in der Ruhe direet und ohne Annullirnng von Schein- bewegungen durch Vermittelung des Muskelsinnes aus der Ge: sichtsempfindung hervorgeht. Ref.) Die nun folgende Ansicht des Verfassers aber, dass die Axendrehung zur Erhaltung der Correspondenz der Gesichtsfel- der Behufs des Einfachsehens bei seitlicher Neigung des Haup- tes erfordert werde, beruht auf einem Irrthum, denn diese Ueber- einstimmung würde auch dann Statt finden, wenn hierbei der senkrechte Durchmesser der Augäpfel den Bewegungen folgte. Ein Objectpunkt z. B., welcher unter der Ebne der Sehaxen in einer von ihrer Inlerseclion lolhrecht gefällten Linie liegt, sich daher in dem senkrechten Netzhautmeridian beider Augen und zwar gleich weit vom Axenpunkte, mithin auf identischen Stellen abbildet und demgemäss einfach erscheint, würde, wenn das Haupt nach rechts um 10° herabgeneigt wird, im Fall die Netzbäule um die Längenaxen sich nicht bewegten, nun zwei Meridiane trefien. die sich bei jener Bewegung verlical stellten, oder in einem Winkel von 10° zu der vorigen geneigt wären, also wiederum identische Stellen, und so würden sämmtliche Objeetbilder identischer Netzhautpuncte zwar ihren Ort wech- sa. aber immer wieder auf identische Stellen kommen, mit- hin die bei aufrechtem Haupte einfach gesehenen Objecte auch bei seitwärts geneiglem noch einfach erscheinen müssen. Es würde sich hiermit nicht anders verhalten als mit der aus glei- chem Grunde bleibenden Einheit der Erscheinungen beim Dre- hen oder Beugen des Hauptes, wenn dabei die geraden Augen» muskeln ilır Contractionsverhältniss nicht ändern, und die Öon- vergenz der Sehaxen in gleichbleibender Entfernung von den Drebpunkten der Augen, von dem fixirten Objecte ab- und aufwärts oder nach den Seiten hin abweicht. a dritte Nutzauwendung der Drehung des Augapfels um ngenaxe wird darein geselzt, dass durch sie, wie auch durch die Drehungen um die Quer- und Vertiealaxe, das Au- gentmaass gesichert werde, Uin zu bestimmen, ob ein Object- punkt höher oder niedriger als das Auge liege, fixireun wir ibn LVin und entscheiden durch das Bewusstsein des dabei obwaltenden Contractionsverhältnisses des oberen geraden Augenmuskels zum unteren, ob und wie weit die Sehaxe dabei von der horizon- 1alen abweicht. Ueber die Gränzen der Möglichkeit dieser Be- stimmung hat Hueck lesenswerthe Versuche angestellt, aus denen sich ergab, dass eine Verkürzung einer dieser Muskeln um 1355 seiner Länge noch empfunden wird. Eben so urthei- len wir darüber, ob. der Punkt gerade von dem Auge (d. i. seine Verbindung mit dem Drehpunkte normal zur Antlitzflä- che) oder seitwärts sich befinde, nach der Zusammenziehung der seitlichen geraden Augenmuskeln beim Fixiren desselben, durch welche die normale oder seitlich abweichende Stellung der Sebaxe bedingt wird, und die Versuche hierüber wiesen eine noch grössere Schärfe des Augenmaasses in dieser Hinsieht nach, indem nach ihnen eine Verkürzung des inneren oder äus- seren geraden Augenmuskels um 4,15 seiner Länge noch merk- bar sein musste. Diesem analog sollen nun die M. obliqui die Abweichung einer Linie von der verlicalen oder wagerech- ten Ricbtung angeben, welches folgendermaassen erläutert wird, Da die Contraclionen derselben sich nur in der wagerechten Stellung des Kopfes das Gleichgewieht halten, und bei jeder Seitwärtsneigung Behufs der Stabilität der senkrechten Augen- axe in ein anderes Verhältniss zu einander treten, so werde die Stellung des Kopfes zur Verticale uns durch das Bewusstsein des Contraclionsstandes der schiefen Augenmuskeln wahrnehm- bar, und von dieser Wahrnehmung hänge die Beurtheilung der Neigung eines Objectes ab. So wurde an einem fünf Fuss lan- gen und vierzehn Fuss entfernten Faden eine Abweichung von 0.45" von der Verticale wahrgenommen, welche im Netzhaut- bilde nur 0,0004’ ‚beirug, zu deren Regulirung es einer Axen- drehung des Auges bedurft haben soll, bei welcher der betref- fende schiefe Augenmuskel sich um nicht mehr als 45‘ verkürzte. — Auch diese Darstellung hat Referenten nicht ganz befriedigt. Zur Bestimmung der Höhe und seitlichen Lage eines Punktes bedarf ‚es allerdiogs der Muskelempfindung der hori- ‚zontal und der geradeaus gestellten Sehaxe, aber es ist hierzu ‚nicht jedesmal die Bewegung der Axe nach dem Punkte erfor- derlich, denn wir können bei besagter Stellung der Axe, so Jange der Punkt auf der Netzhaut noch klar gesehen wird, die Abweichung von dem Axenpunkle auch bei ruhendem Auge durch die Grösse des Abschnittes eines grössten Kreises der Netzhaut zwischen beiden, also flächenbeziehend messen; um der Scehälzung die möglichste Genauigkeit zu geben, nehmen wir alsdann das musculäre Maass zu Hülfe, vornehmlich dann, wenn der Gegenstand zu weit von dem Fixalionspunkte ent- ferot liegt. Zum Erkennen der Neigung einer Linie gegen den LI vr Wr x 7 Y Horize nt würde das Bewusstsein der wagerechlen, Stellung des Kopfes dann freilich erfordert werden, wenn dabei keine Rol- lung der Augäpfel um die Längenaxe Statt fände, um die Rich- tung des Netzhautmeridians, in welchen das Bild fiele, zur Ver- ticale wahrnehmen zu können, und würde alsdann die Stellung des Kopfes durch das Contractionsverhältniss der seitlich nei- genden Muskeln beider Seiten, als der Reeli capilis laterales, sternocleidomastoidei. intertrausversarii colli, scaleni u. s. w, angegeben werden. Nun aber durch die Rollung der senkrechte Neizhautmeridian stets vertical bleibt, welche auch die Neigung des Kopfes sein möge, erscheint in jedem Falle ganz einfach diejenige Linie verlical, weiche mit ihm zusammenfällt, die von a. ihm abweichenden gemäss der Grösse des Aequatorbogens zwi- schen ihrem Meridian und dem senkrechten nach Nlächenbezie- hender Anschauung mehr oder weniger geneigt. Hueck scheint auch anzunehmen, dass wir die Linie, deren Neigung wir be- stimmen wollen, durch Rollung des Auges um die Längenaxe in den senkrechlen Meridian zu briogen suchen, was er das Reguliren der Abweichung nennt, und nun nach der Contra- etion dieser Muskeln den veränderten Stand. dieses Meridians zur Verticalen, und darnach die Stellung der Linien beurtheilen, wodurch die Analogie ihrer messenden Function. mit. derjenigen der Recti in den vorigen Fällen erst klar würde. Allein diese Bewegung des Auges findet hierbei nicht statt. , Ref, hat von der Rollung des Auges beim Fixiren eines Gegenslandes und Seitwärlsneigen des Hauptes eine specifische Empfindung, wel- che bei hohem Grade der letzten zu einem Gefühle von Span- nung wird, und hat auch diese Rollung an dem Auge eines andern, dessen blaue Iris unten nahe dem senkrechten Durch- messer einen rostfarbigen Flecken hatte, beim Hauptoeigen wie- derholt und ganz deutlich wahrgenommen. Jenes Gefühl der Rollung aber fehlt gänzlich, wenn ein vertical stehender Stab an einem Punkte vom Auge fixirt, und alsdann bei unbeweg- tem Haupte langsam seitwärts geneigt wird. Dem erwähnten Individuo wurde eine schwarze Kreisscheibe, deren verticaler Durchmesser durch einen Streifen weissen Papiers bezeichnet war, in einer Eutfernung von drei Fuss vorgehalten, und das- selbe angewiesen, den Streifen fest im Auge zu halten, wäh- d das andere Auge geschlossen wurde, Bei langsamem Dre- der Scheibe um ihre Mitte erfolgte aber die Bewegung des Irisfleckens in einem Bogen nichts mochte nun die Milte oder ‚ Ende des Dorchmessers fixirt werden. Dass wir, um eine der horizontalen abweichende Linie gleichmässiger ins Auge fassen, den Kopf gern seilwärls neigen, bis die Richtung der Drehpunkte der Augen zu einander ihr gleichlaufend wird, spricht ebenfalls nicht für jene Regulirung, weil die Netzhäule y r LX a A ihewiest bleiben, wie die Beobachtung am fremden Auge welches sich dabei um die Läogenaxe dreht. zeigt, und mag zum grössten Theil darin beruhen, dass hierdurch die Linie in die Ebne der Sehaxen tritt, und demnach auch ihre Bilder auf beiden Netzhäuten in dieselbe Ebne zu liegen kommen, unter welcher Bedingung die Anschauung derselben durch beide Au- gen leichter zu Stande kommt, als wenn sie in parallelen Me- ridianen liegen, wie bei jeder ihr nicht congruenten Stellung des Hauptes, wofür auch der Umstand spricht, dass der Trieb zur Seitwärtsneigung des Kopfes daun aufhört, wenn nur mit einem Auge hingesehen wird, und auch dann nicht bemerkt wird, wenn die verlicale Linie ausweicht; zum geriogern Theile, und zwar bei’ unpassender Distanz der Linien vom Auge auch darin, dass sie dann am schärfsten gesehen wird, wenn die Augenlidspalten ihr parallel stehen. Hueck führt noch fol- genden interessanten Versuch an: wenn beim Fixiren eines Punk- tes ein näherer oder ein entfernterer doppelt gesehen, urd als- dann das Haupt nach der rechten Seite herabgeneigt wird, so steigt das linke Doppelbild, während das rechte sich senkt; diese Thatsache erklärt sich aus den Gesetzen des Doppeltse- hens, combinirt mit ‘der sich nach rechts herabneigenden Ebne der Sehaxen, die Netzhautbilder des doppelt erscheinenden Ge- genslandes verlassen dabei die wagerechten Meridiane und treten in schiefe, welche aber zu einander und mit den Sehaxen wie- der in einer Ebene liegen, daher die scheinbare Bewegung. Es wird hiernächst eines besonderen Mittels zur Bestim- mung von Entfernungen erwähnt, welches in der Bewegung des Kopfes bei Fixirung des Gegenstandes und der dadurch ge- wonnenen Standiinien zwischen der ersten und zweilen Stel- lung des Auges besteht, zu welcher wir den parallactischen Winkel durch die Contraetion der die Sehaxe bewegenden M. recti erlangen, aus welchen Datis die Distanz gleichsam tri« gonometrisch gefunden wird. (Diese Bemerkung ist fein und richtig, wir wenden diese Art unbewusster Berechnung vor- nehmlich bei so grossen Distanzen, für welche die Entfernung der Augendrehpunkte von einander als Standlinien zu kurz ist, oder bei Gesichtsschwäche des einen Auges an. Ref.) Da nun. auch die Grösse einer Linie durch den Winkel der von einem Endpunkte "zum andern bewegten Sehaxe bestimmt wird, und. die Gestalten des Sichtbaren von der Lage, Richtung und Grösse ihrer Gränzen abhängen, so#wird gefolgert, dass das Gesicht die Form überhaupt nur durch das Bewusstsein der Augen- muskelbewegung erkenne. (Ref. kann dieser Erneuerung der Steinbuch’schen Lehre nicht beipflichten. Wenngleich die Bestimmung der Lage eines Punkles zu imaginären Linien, in welche die Sehaxe gebracht werden kaun, als zur Horizontale > ’ e LXI Fe ri Ei nomals auf. die Antlitzläche, selbstredend nicht ohne Dazwischenkunft der musculären Emplindungen erlangt werden kann, so werden doch wenigstens die auf der Netzhaut sich gestaltenden planicentrischen Formen und Grössen schon un- mittelbar durch die Oertlichkeit ihrer Punkte und Winkel an- geschaut, und dienen die Bewegungsmomenle nur als auxiliaire Mittel zur genauern Bestimmung und Schätzung derselben.) Recht sinnreich sind Hueck’s Versuche über den Einfluss der ‚gestörten Axendrehung auf die Lage des Objecetbildes, welche Ref. mit gleichem Erfolge wiederholt hat. Wird durch Druck des linken Auges nach innen ein Doppelbild erzeugt, und der gedrückte Bulbus überdies mit drei Fingern über dem Oberlide nach aussen gedreht, so senkt sich das Doppelbild eines hori- zontalen Striches nach rechts abwärts, bei entgegengeselzter Drehung nach links. Neigt man bei einwärls gedrücktem lin- ken Auge den Kopf nach rechts herab, so senkt sich das Dop- pelbild nach links, nach rechts aber, wenn man den Kopf nach links beugt. Durch das Verlieren der Bewegempfindungen der 'schiefen Augenmuskeln soll auch eine besondere Art des Au genschwindels entstehen, der sich durch ein scheinbares Wan- ken der Gegenstände äussert, Ein Mann sah mit dem rechten Auge alle Objecte schief, so dass sie mit dem oberen Theile constant etwa 10—15° nach links abwichen, welches beim Doppeltsehen deutlicher wurde und von gestörter Axendrehung dieses Auges, wahrscheinlich durch Lähmung seines M. obli- quus superior oder Verkürzung des inferior herzurühren schien. Das Vorhandensein eines besonderen Nerven für den ersten die- ser Muskeln erklärt sich aus der Bestimmung desselben, das durch die Seilenneigung des Kopfes gestörte Gleichgewicht der Bulbi herzustellen, und dem zugleich mit den vier geraden Au- enmuskeln vom augenbewegenden Nerven versorgten unteren schiefen Muskel das Widerspiel zu halten, welches Verhältniss der Theorie J. Müller’s von der Wirkung der abducirenden Muskeln in Bezug auf die im Gebiete des. genannten Nerven liegenden übrigen geraden Augenmuskeln zur Bestätigung dient. Ref. bat an den Augen Änderer, indem er die Stellung der Bindehaufgefässe oder etwaige Flecken der Iris beachtete, wie am eigenen im Spiegel die Axendrehung ebenfalls wahrgenom- ; doch findet sie nur dann Statt, wenn bei der Neigung des fes die Fixalion in einem Punkte festgehalten wird; bei In- uen, welche im Fixiren nicht geübt sind, auch wenn die egung des Kopfes beim Sehen ins Weite oder mit geschlos- Augen geschieht, bemerkt man sie kaum. Hierin gleicht diese Drehung den Drehungen des Auges um die senkrechte und um die Queraxe bei den entsprechenden Bewegungen des Kopfes, sofern auch sie Folge willkürlicher Fixation sind. Die LAU Bediogungen der Axendrehung sind aber auch hierdurch noch nicht zulänglich ermittelt, wie aus folgender vom Ref. an sich selbst gemachten Beobachtung hervorgeht. Wenn an einer klei- nen schwarzen Scheibe an der Thür Mariotte’s Versueli mit dem rechten Auge angestellt, und der untere Grenzpunkt der Gegend, in welcher die, Scheibe verschwindet, mit einer Oblate bezeichnet und fixirt, alsdann bei beharrender Fixation der Kopf nur um ein Geringes nach rechts herabgeneigt wird, so wird augenblicklich die Scheibe wieder sichtbar, und das Auge muss entweder durch Beugen der Knie gesenkt, oder auf einen hö- heren Punkt gerichtet werden, um sie wieder zum Verschwin- den zu bringen. Oder nachdem man sich jenen Punkt gemerkt hat, fixirt man die Scheibe, neigt immer fixirend den Kopf etwas nach links, und lenkt die Sehaxe nach jenem Pauvkte hin, so sieht man dennoch die Scheibe und sie verschwindet erst, wenn man weiter abwärts sieht. In beiden Versuchen halte also das Panetum eoecum der Netzhaut seinen Platz ge- ändert, und der senkrechte Netzhautmeridian war nicht derselbe geblieben, mithin halte wenigstens keine der Neigung des K fes das Gleichgewicht haltende Axendrehung stattgefunden, obgleich die Fixation nielit aufgehoben worden war. Fernere Untersuchungen müssen diese Momente aufklären. 8. Empfindung der Farben beim combinirten Sehen. Das Verhalten der Farbenempfindungen beim zusammen- wirkenden Sehen beider Augen :ist nochmals Gegenstand einer Diseussion geworden. Der von Huschke behaupteten Ver- sehmelzung der Farben zu einer mitlleren, wenn beide Augen gleichzeitig denselben Gegenstand ia verschiedener Farbe sehen. welches von Gall, Müller, Heermann, wie von den mei- sten Beobachtern geläugnet wird, tritt neuerdings Völckers bei (über Farbenmischuug in beiden Augen, Müller’s Archiv S. 60.), auf Versuche sich stützend, welche er theils nach du Tour’s Vorgange mit verschiedenfarbigen, vor beiden Au- gen gehaltenen Gläsern, tlıeils nach J. Müller’s Weise, ohne Gläser, durch Bewirkung eines Uebereinanderschiebens der Seh- axen angestellt hat. Er sagt richtig, dass bei der erst erwähn- ten Meihode Uebung und demnächst ein fortgesetztes und durch- aus ruhiges Belrachten dazu gehören, die heterogenen Farben- empfindungen beider Augen der Zeit nach zu vereinigen, weil ‘bei der bestehenden räumlichen Einheit derselben die Zeit noch das einzige Treunungsmiltel sei, daher anfänglich durch abwech- LXIMI selodes Sehen beider Augen die eine Farbe nach der anderen erscheine, zumal dann, wenn das eine Auge geschlossen und demnächst wieder geöffnet werde, wonach die Empfindung die- ses Auges jedesmal temporäre Oberhand über die des anderen gewiont, Hierdurch wird allerdings von vorn herein die Ver- muthung begründet, dass, wenn die Einigung in Zeit und Raum ‚ gelingt, die Mittelfarbe erscheinen müsse, welche durch Ver- mischung. beider Farben ausser dem Auge entstehen würde. Salhı das eine Ange durch ein gelbes, das andere durch ein blaues Glas auf eine Kerzenflamme oder eine weisse Fläche, so erschien dieselbe grün, war die Flamme breit, und wur- den die Gläser so vor den Augen gehalten, dass das rechte Auge durch das gelbe Glas die ganze Flamme sah, das linke die Flamme zur Hälfte durch das gelbe, zur Hälfte durch das blaue. so erschien ihm die rechte Hälfte der Flamme gelb, die linke grün. Wurden die Gläser in Berührung mit einander zwischen den Augen und einem Blatte weissen Papiers gern und auf letztem ein Punkt fixirt, so dass die Berüh- ungslinie zwischen beiden doppelt gesehen wurde, so erschien der Theil des Feldes zwischen den doppelt gesehenen Rändern wiederum grün, aber bald ins Gelbe, bald ins Blaue spielend, je nachdem das eine oder andere Auge vorwaltenden Antheil an der Empfiodung hatte. Wurden die Gläser nebeneinander auf weisses Papier gelegt, und im Sonuenlichte mit diesseits convergirenden Sehaxen betrachtet, so trat im Deckungsfelde ebenfalls die Mischfarbe zwischen den ursprünglichen Farben der Seitenfelder, jedoch mit Annäherung der Ränder an eine der letzten auf; weit vollkommener gelang das Experiment bei jenseiliger Convergenz der Axen, und auch ohne Sonnenlicht dann, wenn anslalt der Gläser farbige Papierstücke nebenein- ander gelegt wurden. Es wird zugleich bemerkt, dass die Misch- farbe nicht immer rein, sondern hänfig zu der einen oder an- deren ihrer Elementarfarben hinneigend, und nicht allein heller als bei übereinander gelegten Gläsern, sondern zugleich blasser als bei Durchsicht.darch das einzelne der Gläser erscheinen. Ref., dessen Augen schwach myopiseh, gleich stark in Energie und Sehdistanz, und in Fixationsversuchen wie anderen Beobachtungen sehr geübt sind, hat alle von Völckers erzähl- ne einzeln wiederholt und mit Sorgfalt vorgenommen, ne indess nur ein einziges Mal zu dem Resultate der blei- ee Mittelfarbe gelangt zu sein. Beim Sehen durch die Glä- ser (wozu ausser blauen und gelben auch dunkelrothe, hell- veilchenblaue, dunkelviolette, grüne genommen wurden) auf ein Kerzenlicht oder eine helle Fläche, z. B. das Milchglas einer brennenden Lampe, sah er sowohl wenn vor jedes Auge eins, LXIV als wenn. vor das eine eins und vor das andere.beide neben- einander gehalten wurden, entweder nur ein wechselweises ne- belhaftes Auftauchen der einen oder anderen Farbe, wobei zu- weilen an einer Stelle die eine, zugleich an einer anderen die zweite, und beide wie durch einen Dunst erschienen, oder wenn durch anhaltendes ruhiges Beobachten die Ausgleichung zu Stande . kam, ein Mittel, welches aber keinesweges die Mischfarbe war, sondern eine solche Verschmelzung beider darstellte, dass in ihr jede einzelne, obwohl mit der anderen vermischt, dennoch unterschieden werden konnte, und die Helligkeilen beider sich za einer miltleren vereiniglen. Es erschien z. B. ein Blaugelb, dunkler als das Gelbe allein und heller als das Blaue, wie wenn das Gelbe durch das Blaue gesehen würde, und diese Mengung war von mallerer Tinte als jede Farbe für sich, gleichsam mit Grau vermischt. Es wird also. die dunklere Farbe erhellt, die hellere verdunkelt, und beide verlieren an Intensität. Das Vor- herrschen der einen oder anderen Farbe in dieser Mischung hängt theils von dem grösseren Antheile Weisslicht, theils von ihrer grösseren Lebhaftigkeit, endlich auch von der wechselo- den Stimmung des einen oder andern Auges ab, auf welche die Aufmerksamkeit und der Wille, die eine oder andere Farbe zu sehen, Einfluss haben. Nur selten, nämlich beim Doppeltsehen mit jenseiligar Convergenz. wenn die Farben der Papierstücke sehr lebhaft waren, schien es durch Anstrengung des Auges auf wenige Augenblicke zu gelingen. dass die physicalische Miltel- farbe gesehen wurde, die aber bald verschwand, nie das reine Mittel -bielt, sondern immer den Anstrich der intensivern Ele- mentarfarbe, als des Rolhen, Gelben halte, und auch viel mat- _ ter. duftiger, Nüchtiger war als eine objeeliv gegebene: Wurde z. B. das so entstandene Grün mit eioem blassgrünen Papier- stücke oder dem Grünen, welches durch Voreinanderschieben des gelben und blauen Glases gesehen wurde, verglichen, so überzeugle man sich gleich von der grossen Verschiedenheit, die nicht bloss in dem Grade der Erlenchtung bestand; oft war das Deckungsfeld gefleckt wie blaue Wölkchen auf hellem Grunde. Eben so, wenn die Gläser zur Hälfte übereinander geschoben wurden, während die anderen Hälften frei blieben, und man nun mit einem Auge eine helle Wand durch sie betrachtete, welche alsdann mitten in der Mischfarbe zwischen den zwei Einzelfarben erschien, war erste ungleich bestimmter, der Abstlich zwischen den drei Feldern schärfer als beim: Dop- peltsehen durch die sich berührenden Gläser. Werden zwei farbige Gläser, z. B. ein rolles und blaues, einander berührend einen halben Fuss vom Auge vor einer, zwei Fuss entfernlen leuchtenden Fläche, z. B. dem Milchschirm, gehalten, und der Rand zwischen ihnen fizirt, so dass die Fläche doppelt in bei- EEE LxV n. Farben B uchäinf, und alsdann die Axenconvergenz mehr d mehr der Fläche genähert, so sieht man, indem die ver- -Jschiedenfarbigen Bilder in einander bis zur Deckung übergehen, eht die Mischfarbe entstehen, sondern nur eine innige Durch- zung beider Karben. Ref. hat bei dieser Gelegenheit noch ‚ende Erscheinungen beobachtet. Wurde beim Sehen auf eine breite Flamme oder das Glas der Lampe ein dickes dun- elgefärbtes Glas, z. B. ein blaues oder grünes, von der Seite gsam vor das Auge geschoben, so entstand, indem der Rand „sich der Richtungslinie des Hellen näherte, an derselben Seite aufänglich ein blaues,oder grünes Doppelbild, dessen Abstand von der Flamme um so grösser war, je weiter die Flamme _ über die Gränze des deutlichen Sehens hinausstand. Trat von Ai anderen Seite ein rothes Glas entgegen, so wurde die Flamme u 78 wischen einer’rothen und blauen gesehen. Das Nebenbild ist e der Lichtbrechung im Glase, daher wird es bei dünnem Glase kaum wahrgenommen, seine Trennung vom wahren Bilde aber entsteht auch grösstentheils daher, dass das dunkle Glas + «zugleich als beschatlender Körper wirkt, und daher der Rand ‚desselben das wahre Bild-zur Seite bewegt, welches durch Be- schränkung der Zerstreuungskreise bei unpassender Distanz der amme bewirkt wird, gleich wie beim Vorschieben eines schwar- zen Papiers; daber sieht man das Nebenbild kaum, wenn das ‚Glas ‚hell und die Flamme in der Klarweite ist. Die zweite hier anzugebende Erscheinung, welche anderswo näher beleuch- tet werden soll, ist: dass, wenn ein gelbes und blaues Qua- drat auf weissem Papiere in einem Abstande von 1—2 Linien neben einander nahe dem Auge so betrachtet werden, als werde ein ferner Punkt fixirt, das Doppelbild des weissen Streifens, welches das Deckungsfeld einschliesst, häufig gefärbt erscheint, und zwar nicht allein in der Farbe des einen und andern Qua- drats, wie sich nach der Verschiebung eines jeden Quadrats über das eine der beiden Bilder erwarten liesse, sondern oft in einer der Complementärfarben, bald orange, bald violeit, bald das eine der Bilder orange, das andere violett und wech- selweise, welches grösstentheils von der Richtung des Blickes abhängt. Diese Farben, welche bald matt, bald lebhaft auf- tauchen, gehen auch über die Gränzen des Streifens in die Qua- drate über und verschmelzen mit den objecliven zu wahren littelfarben. Liegen die Quadrate unmittelbar aneinander, so heben sich, wenn ihre Farben einander entgegengesetzt oder doeh nicht zu nahe verwandt sind, ihre Ränder wechselseitig und treten leuchtend auf, doch olıne die polare Farbe an der anderen Seile des Randes hervorzurufen. Beim Sehen durch farbige Gläser werden die Gegenfarben nicht wahrgenommen, selbst dann. nicht, wenn sie in einiger Entfernung vom Auge Müller's Archiv, 1840, E LxVI . r2 mit einem schmalen Zwischenraume vor ‚eine helle Fläche halten werden, das Doppelbild des Zwischenraumes hat als- daon nur die Deckungsfarben. Ref. muss Obigem gr a von Müller gelehrte Nichtidentität der Netzhäute in Be: das Qualitative der Gesichtsempfiodung bei vorhandener Id tät für die Räumlichkeit bestätigen. Die Einigung der Farben- he qualitäten räumlich identischer Netzhautstellen erfolgt ‘wie die Verschmelzung der Töne in einem Accorde, oder, um den Ge schmackssinn als Beispiel zu nehmen, nicht wie die. der Säure mit dem Alkali, welche im Geschmack des Salzes untergehen,, sondern wie etwa des Bilteren und Süssen in e er Flüssigkeit, welche einander durchdringend und doch nicht‘ aufhebend ge- schmeckt werden. j N v * Die Mittheilungen Völckers’ haben Volkmann zu neu Versuchen veranlasst, deren Zweck war, die Empfindung klar + zu machen, welche entsteht, wenn verschiedenfarbige Licht- strahlen auf identische Netzhautstellen fallen (Müller’s Archiv S. 372.). Derselbe hat, um einen Vergleichungspunkt zu er- langen, verschiedenfarbiges Licht in ein und dasselbe Auge, und in diesem auf Eine Stelle fallen lassen, welches durch Auf- stellung farbiger Papierstreifen erreicht wurde, deren vorderer schmaler als der Durchmesser der Pupille und dem Auge sehr nahe, der hintere breitere in der passenden Sehweite und in derselben Fixationslivie sich befand, es wurde alsdann bei Fi= xirung des hinteren Streifens das Bild desselben deutlich durch das Zerstreuungsbild des vorderen, und bei Fixirung des vor- deren dasselbe weniger und nur an den Rändern zerstreut in der ausgedehnteren Zersireuung des hinteren schwebend gesehn, und in beiden Fällen fielen die Bilder auf dieselbe Stelle der Netzhaut. Volkmann hat den Versuch in vierzehn Weisen variirt, theils durch Wahl verschiedener Farben, als Guttigelb und Berlinerblau, Zinnoberroth und Blau, Roth und Weiss, theils durch Abtheilung des hinteren Streifens in verschieden- farbige Felder, worunter auch Weiss und Schwarz, wiederum durch verschiedene Grade der Erhellung des einen oder andern Streifens. als durch helles Sonnenlicht, gewöhnliches Tages- licht, Schlagschatten, endlich durch abwechselndes Fixiren des einen und des andern in jedem dieser Fälle. Aus der sehr genauen Beschreibung dessen, was unter diesen verschiedenen Verhältnissen gesehen wird. haben sich nachstehende Folgerun- gen ergeben, deren nahe Uebereinstimmung mit den vom Ref. bei Wiederholung der Völckers’schen Versuche empfundenen Combinationen nicht zu verkennen ist: erstens, dass oft nur die eine der beiden Farben zur Anschauung kommt, ohne allen Uebergang in eine Miltelfarbe; zweitens, dass selbst, wenn eine gewisse Mischung beider Farben eintritt, doch nie eine gesät- ’ LXVIIL tigte Mittelfarbe wie dnpaj Mischung von Malerfarben erzeugt wird, sondern die eine der beiden Farben mit Hinneigung in die Mittelfarbe und dem Anstrich des Schmutzigen gesehen wird, drittens, dass, wenn man nur eine der beiden Farben sieht, diese, selbst wenn sie rein auftritt, doch nicht so beschaffen ist als sie sein würde, wenn keine andere Farbe gleichzeitig zur Wahrnehmung käme, sondern dass sie entweder heller er- scheint oder dunkler, und in beiden Fällen weniger intensiv; dass endlich viertens die allein erscheinende Farbe dann ent- weder die hellere ist, besonders wenn die Helligkeit sich mit Glanzlicht verbindet, oder die Farbe des fixirten Objectes oder auch diejenige, auf welche die Aufmerksamkeit gerichtet wird. Es hat sich zugleich gezeigt, dass die Erscheinungen unter dem influsse der subjecliven Selbstthäligkeit stehen. Denn ausser- em, dass die Empfindung der reinen Mittelfarbe. welche nach der relativen Intensität der einen und anderen Farbe objectiv zu erwarten stand, nie erzeugt wird, tritt auch unter übrigens gleichen Bedingungen nicht derselbe der aufgeführten Fälle ein, "wenn die Farben andere sind, so erscheint das Blaue vor dem Gelben rein blau, vor dem Rothen carmoisin, und die aus- ‚schliesslich empfundene Farbe erscheint schwach, wenn die nicht wahrgenommene stark erleuchtet ist, hingegen lebendiger, wenn sie dunkel ist, welches sich aus der durch das Weiss- licht in Anspruch genommenen Receptivität der Netzhaut er- klärt. Eben dahin deutet auch der zulänglich erwiesene Ein- fluss der Aufmerksamkeit und Anstrengung auf das Erscheinen der einen oder anderen Farbe, wie auf das Auftauchen der Ne- benfarbe, denn es geht daraus hervor, dass der Wille, wenig- stens für kurze Zeit, auf die Perceptionsfähigkeit der Netzhaut also einwirken kann, dass die Empfindung der einen oder an- dern begünstigt wird. Das Hindurchscheinen der einen Farbe, welches Volkmann ganz entsprechend den Wahrnehmungen des Ref. dem Anblicke eines farbiges Stoffes durch einen an- ders gefärbten Flor vergleicht, zeigt, dass eine vollständige Ei- nigung der Farbenqualitäten im Auge nicht zu Stande kommt, wie solche beim Betrachten farbiger Flächen durch ein farbiges Glas stattfindet, denn man sieht alsdann nur eine einzige un- unterscheidbare Farbe, welche aber nicht die Mischung beider ist, so erscheinen z. B. bei dem mit einem blauen Glase und verschiedenfarbigen wollenen Zeugen angestellten Versuche Stroh- gelb und Rosa weiss, Citronengelb hellschwefelgelb ohne Bei- mi on Grüneın, Maigrün unverändert, nur etwas matter. Erkennen der einen Farbe durch die andere eine eitige Wahrnehmung zweier Farben als unterscheid- barer Qualitäten statlfinde, wird für unwahrscheinlich, aber doch für möglich gehalten, sofern verschiedene Nervenfasern er gleichzeiti; LXVIH synchronisch verschiedene. Farben ipiren können. * Volk- mann’s Ermittelungen sind ändurehfwichtig, dass sie auf das ganz ähnliche Verhältniss der Farbensensationen beider gleich- zeitig wirkender Netzhäute Licht werfen, denn dadurch‘; dass die Netzhaut eines Auges sich selbst in der Weise nicht iden- tisch ist, dass sie heterogenes Licht zur Hervorbringung der Mischfarbe zu neutralisiren vermöchte, wird die in gleicher Weise bestehende Differenz beider Netzhäute an räumlich iden- iischen, Stellen begreiflich, und der aus der Nichteinigung der Farbenqualitäten wider die Lehre von der Identität der ‚Netz- häule für die Raumbeziehung hergeleitele Eiuwurf gehoben. Ref. hat den Versuch, heterogenes Licht auf dieselbe Stelle der Netzhaut fallen zu lassen, so a Me. dass Gränzlinien sich berührender Farbenflächen mit unpassendem Brechungs- stande des Auges betrachtet wurden, während das andere Auge zur Vermeidung von Doppelbildern und zur Erhaltung eines grösseren Pupillendurchmessers geschlossen wurde. Näherte sich das Auge auf drei Zoll einem himmelblauen Quadrate ne- ben einem hellgelben, so schien das Gelbe sich bloss über das Blau zu verbreiten, und der Rand wurde als ein duflig matt- gelber, schwach verdunkelter Strich ohne Spur von Grün ge- sehen. Ein mit blauem Papiere überzogenes Stück ‚Pappe wurde mit 1“ breiten gelben Papierstreifen parallel und in Ab- ständen von ebenfalls einer Linie belegt, Auf dieselbe Weise angesehen zeigte es breite gelbe Streifen, deren Gränzen fahl, wolkig und mit mattem Anfluge von Blau die schmalen blauen Streifen zum Theil überdeckten. Bei sehr hellem Liehte trat in dem verschmälerten Blauen Violett als die Gegenfarbe des Gelben auf. Wurde die gestreifte Fläche in richliger Entfer- nung so gehalten, dass sie mit der Ebne der Sehaxen einen sehr kleinen Winkel bildete, und die Bilder der Streifen fast in einander flossen, so kam ein unreines, ins Grünliche' spie- lendes Gelb zur Empfindung. Dann in die senkrechte Stellung zurückgebracht und durch eine dem Auge nahe vorgehaltene Linse angesehen, umzogen die Streifen beider Farben sich wie mit einem Nebel, wodurch der Abstich geschwächt wurde, mit Vorherrschen des Gelben, und es halte das Ansehn, als seien beide Farben mit Grau gemischt, ohne dass es zu einer Einigung kam. Durch ein stark brechendes concaves Glas kam es, nachdem anfangs bloss eine wolkige Ausbreitung der gelben Streifen über die blauen stattgefunden, bei zunehmender Zerstrenung zur Ver- wandlung der ersten in mattes Gelbgrün, und der letzten in Mattviolelt; durch Verkürzung. des Refractionsstandes wie durch Verengung der Augenlidspalte liess sich die Erscheinung in ihr früheres Stadium zurückführen. Diese Farben entstehen aus der Dispersion des mit dem Gelben verbundenen Weisslichtes EXIX in farbige Strahlen ‚ deren Extreme Blau und Roth sind, erstes vereinigt sich mit dem Gelben zum Grünlichen, das andere mit dem Blauen zum Violeiten. Man sieht die rothgelben und blauen arb Deu h, wenn man abwechselnd schwarze und weisse treifen durch. das concave Glas betrachtet. Es findet also un- ter der Bediogung der Farbenspaltung durch /ein brechendes Mittel eine Einigung von Farben zur Mittelfarbe statt, welche j gpuer ‚diesem Falle bei blosser-Lichtzerstreuung ohne merkli-. ches Auseinandertreten der farbigen Strahlen nicht vorkommt; aber hier war ‚das; Weisslicht, durch dessen Differenzirung die neuen Farben enistanden, schon mit der objectiven Farbe ge- mischt. Aus einer Entfernung von sechs Schrillen konnten au der gestreiften Fläche weder die Streifen noch eine Farbe mehr erkannt werden, wurde aber jetzt durch das Hohlglas gesehen, wobei es natürlich zu einer Farbenzerstreuung auf der Netzhaut nicht kam, so waren die Bilder der Streifen ihrer Kleinheit wegen ununterscheidbar, und das Ganze erschien als ein schmulzi- ges Gelb mit schwacher. Hinneigung zum Grünen. Wurden über die Streifen senkrecht gleich breite gelbe Streifen in glei- chen Abständen aufgeklebt, se dass blaue Quadrate, eine Linie gross, auf gelbem Grunde ‚entstanden, und diese zu nahe oder gegentheils in der Klarweite, aber mit Fixirung eines nahe dem A uge gehaltenen Bleistifts betrachtet, so entstand eine ähnliche "Vermischung mit vorwaltendem Gelben; im ersten Falle wur- ‚den die übereinandertretenden Farbengränzen durch Blinzeln sehr verdeutlicht, indem alsdann die obere und untere Zerstreuung schwand, nur die an den Seiten blieb und stellte sich als a schallirtes Gelb mit scharfen Rändern, gleichfalls ohne Grün, dar. Diese Versuche mit dunkelrothen _Quadrätchen auf aubgrünem Grunde wiederholt, hatten den gleichen Erfolg, es blieb das Grün als die hellere Farbe vorherrschend. Die Zer- streuung erschien wie Grün durch einen schwarzen Flor be- trachtet, bei Anstrengung des Auges mit durchschimmerndem olh, ohne dass Grau oder Weiss wahrgenammen wurde. Diese ar an Zahl geringen aber bestimmten Ergebnisse, welche andere Farbenqualitäten und Nüancen leicht vervielfältigt werden können, stehen mit dem, was Volkmann wahırge- nommen hat, im Einklange, und sind von Referenten auch in vollkommener Uebereinstimmung mit denjenigen Erscheinungen Banden worden, welche durch die Deckung verschiedener Far- en in den Doppelbildern entstehen. Eine Fläche, welche durch zerstreuende Reflexion gleich- zeitig helerogenes Licht ins Auge sendet, erscheint in der Mit- telfarbe. Bekanntlich entsteht Grün, wenn auf einer weissen Wand von zwei prismatischen Spectris Gelb und Blau zusam- meofallen, und dieses gräne Lieht ist durch ein drittes Prisma LXX wiederum zersetzbar. Ref, liess durch zwei grosse Oeflaungen in einem Fensterladen; in welchem ein ‘gelbes undsein blaues Glas angebracht waren, das Tageslieht auf eine weisse Waud fallen. Der objeeliv blaue und gelbe Schatten ‚eines Lineales auf der Wand bildeten ein lebhaftes Grün, wenn sie bei Annä- herung des Lineales in theilweise Deckung traten. Also ver- schiedenfarbige Strahlen, welche von demselben Objectpunkte nach gleicher Richtung ausgehn, erwecken, indem sie in ein Punkte der Netzhaut und in derselben Richtung vereinigt e die Empfindung der Mittelfarbe; wenn sie aber von verschiede- nen Punkten, also aus verschiedenen Richtungen kommend, sich auf der Netzhaut begegnen, wie in -Volkmann’s und Ref.’s Versuchen, so erfolgt keine oder nur eine sehr unvollkommene Ausgleichung der Empfindungen. In dem letzten Falle treten bei der durchscheinenden Beschaflenheit der Netzhaut die in einem Punkte ihrer Innenfläche zusammentreflenden Strahlen sofort wieder auseinander, und nehmen innerhalb der Dicke der Netzhaut einen getrennten Verlauf, während sie in dem ersten beisammen blieben. Ref. vermuthet hierin den Grund des verschiedenen Verhaltens der Empfindungen, sofern zur Ein- heit derselben ein Vereinigtsein der heterogenen Lichtstrahlea nicht allein in den Papillen der stabförmigen Körper, sondern zugleich in den Nervenübrillen der folgenden Schicht, vielleicht auch in den Körnern der äussern Schicht erfordert werden mag. Die Farbendispersion bei Betrachtung von Farbengränzen durch ein concaves Glas kann heterogene Strahlen in einerlei Rich- tung auf dieselbe Netzhautpapille leiten, wodurch die hierbei bemerkte Farbeneinigung im Auge begreiflich wird. Letzte ent- steht aus gleichem Grunde auch dann, wenn durch das an die Nasenwurzel gesetzte Prisma zwei nahe übereinander liegende dunkle Felder auf hellem Grunde angesehen werden, und die entgegengesetzlen Farbensäume ineinandergreifen. 9. Subjeetive Licht- und Farbenerscheinungen. a. Complementärfarben vermittelt durch Reflexion. Eine treflliche Abhandlung über das Erscheinen der Com- plementärfarben, in welcher diese vielseiligen Controversen un- terliegende Lehre in ihren Prineipien beleuchtet wird, verdan- ken wir Fechner (Poggend. Ann. Bd. AXXXIV. S, 221, und 513.). Ref. hat die Mehrzahl der darin enthaltenen Ver- suche wiederholt, und hält sich durch die Wichtigkeit des Ge- LXXI des verpflichtet, die wesentlichen nebst den daraus ge- zogenen Folgerungen unter Beifügung eigener Bemerkungen hier mitzutheilen,. denn er ist ebenfalls der Ansicht, dass durch Feehner’s Untersuchung der in den letzten’ Jabren verlorene richtige Gesichtspunkt für eine Theorie dieser Erscheinungen 'wiedergewonnen worden ist. Zuerst wird von Neuem die Frage rgenommen, ob die sogenannten Farben durch Contrast, näm- die Ergänzungsfarben, welche. in der Nebenlage zu anderen arben gesehen werden, subjeetiven oder objeeliven Ursprungs sind, welches letzte wider die früher herrschende erste Mei- "nung bekanntlich Osann sowohl von den durch Spiegelung tstehenden Complementärfarben als.von den farbigen Schatten * behauptet bat. Was zuerst jene beiriflt, so würde der von " Osann im 27ten Bande derselben Aunalen S. 694. angegebene Versuch, in welchem ein auf farbigem Papiere liegendes Stück- a weissen Papiers in dem Spiegel einer schief dagegen ge- neigten Tafel von Fensterglas bei Sonnenlicht, mit der Comple- mentärfarbe der Unterlage nüaneirt erscheint, nur insofern die objective Natur dieser Farbe beweisen, als dieselbe in gleicher Weise durch däs Loch eines schwarzen Pappschirmes, welcher das Rellexbild des untergelesten Papiers dem Auge entzieht, esehen werden sollte, welches nach ‘Osann’s Angabe der ist. Fechner hingegen sah durch den Schirm immer nur arbe des Spiegelbildes grünlich und rölhlich gemengt, und ar ganz unabhängig von der Farbe der Unterlage, und er- ärt diese Erscheinung aus der grünlichen Farbe des Glases, welches von seiner hinteren Fläche ein grünliches, und von der "Vorderfläche ein an sich weisses Bild reflectirt, das durch den Jontrast mit jenem röthlich wird und sich wegen der Schat- tenstellen des Papiers mit dem anderen nicht ganz gleichförmig mischt. h Ref. bediente sich, um eine einfache Thatsache zu erlan- en, eines ganz farblosen Glases. und sah, wenn durch. den Bahin zugleich ein Theil des Reflexbildes der farbigen Unter- zu sehen war, eben so wie ohne den Schirm das Spiegel- bild des weissen Papiers complementär gefärbt; wurde aber das von der Unterlage reflectirte Licht gänzlich abgeschnitten, nur maltweiss. War hingegen das Glas grünlich, so stellte sich die von Fechner beschriebene Erscheinung ein, sowohl: bei freiem "Auge als bei der Durehsicht durch den Schirm, wobei die Farbe der Unterlage keinen Unterschied machte. Eine Modification des Versuchs mit dem weissen Glase ist diese, dass man nach Osann’s zweiter Angabe (Annalen Bd, 37. S. 294.). ein grü- nes Papier mit schwarzem zusammenlegt, und auf den gemein- samen Rand das Glas vertical stellt; wird hierbei aber das weisse Viereck so unter das Glas gelegt, dass ein Driltkeil a LXxXU dem Grünen und zwei Drittheile‘ auf dem schwarzen sich befinden, so erscheint bei herabgeneigtem Glase e- ilexbild des vorderen Abschnittes roth, und den durch das Glas sichtbaren hinteren Abschnitt des Papiers zum Theil dk, der das Reflexbild überragende Endtheil des hinteren Abschnittes‘ aber grün. Eine 4" im Lichten haltende geschwärzte Röhre, auf diesen hinteren Theil gerichtet, liess denselben: ebenfa grünlich erscheinen, und, trat die Durchsicht über die Grän des Reflexbildes hinaus, letztes zugleich röthlich, welches Phä- nomen anfangs für die Objectivität beider Farben zu sprechen schien; allein wurde nach einigen Minuten bloss das Reflexbild ' durch die Röhre gesehen, ohne dass vop dem ungedeckten Theile des hinteren Abschniltes etwas mitgefasst wurde, so * wär es weisslich, nahm aber sofort wieder die röthliche Farbe " an, wenn .daneben etwas vom unbedeckten Theile erschien. Die röthliche Nüance beim Uebertritt der Röhre über die Gränze rührte mithin nur von dem Contraste des an sich weissen Re- flexbildes zur grünlichen Farbe des überragenden Endes her, -und- letzte war objectiven Ursprungs, wie daraus hervorgeht, dass, wenn das weisse Papier ganz auf das schwarze und an den Rand zwischen diesem und dem grünen Papiere gelegt wurde, durch das schräg aufgestellte Glas erstes schwach grün- lich erschien. Das von dem Glase reflectirte Licht des grüne Papiers vermischte sich nämlieh mit dem dürchfallenden Lie des weissen. Wurde jener Versuch ohne Röhre wiederholt, so erschien das Roth des Reflexbildes lebhafter, weil es ausserdem noch in Contrast zu dem Spiegelbilde der grünen Unterlage ne- ben dem hinter dem Glase befindlichen Theile des weissen Pa- piers trat. Bei anders 'gefärbter Unterlage erschien jedesmal das Reflexbild complementär auf dem der Unterlage gleichgefärbten hinteren Ende des weissen Papiers, so dass die Gränze der Ge- genfarben scharf gezeichnet war. Ref. hat ausserdem gefunden, dass, wie durch Spiegelung, so auch mittelst durchfallenden Lichtes vor farbigem und weissem Papiere eine Complementär- farbe’ erzeugt werden kann. Legt man, das Fenster zur Lin- ken, das weisse Viereck und darüber die farblose Glastafel so auf das farbige Papier, dass alle drei mit dem linken Rande sich decken, und hebt alsdann das Glas an seinem rechten Rande langsam in die verticale und demnächst nach links herabnei- gende Stellung, so sieht man von links durch die Scheibe den farbigen Grund an Intensität allmählig zunehmen, und in glei- chem Maasse das weisse Papier in die Ergänzungsfarbe über- gehen. Zur Aufhellung der physicalischen Bedingungen für die Bildung der Centralfarben mag es dienlich sein zu bemerken, dass hierzu erforderlich ist, dass der Grund und das weisse Feld auf ihm entweder beide durch Spiegelung oder beide in LXXTU durchfallendem Lichte erscheinen, und dass die Spiegelung des einen Theiles,_wenn zugleich der andere durch die Glasscheibe hindurchgesehen wird, kein Erscheinen des Weissen in der Com- plementärfarbe; sondern nur’in schwarzer Nüance des Farbigen zur Folge hat. Den-Fall, in welchem der farbige Grund sich spiegelt, und das’ weisse Papierstückchen durch die Glasscheibe - in dem Anstrich derselben Farbe erscheint, hat Ref. oben ange- führt, und derselbe Erfolg tritt ein, wenn das farbige Papier „hinter dem Glase, und das weisse vor demselben sich befindet. ‘ „ Fechner erwähnt ferner in Uebereinstimmung mit seinem ersten‘ Versuche der bekannten Beobachtung, dass ein Streifen weisses Papier. gegen ein buntes Glas gehalten, ein doppelles Spiegelbild, nämlich von der vorderen und hinteren Fläche des Glases giebt, und dass die Ränder beider Bilder, wo sie über- einander vorgreifen, farbig erscheinen, und zwar der des hinte- ren Bildes in der Farbe des Glases, der des vorderen in der eomplementären Farbe. Ein dunkles Feld auf hellem Grunde, auch die schattigen Stellen eines hellen Bildes liefern umgekehrt ein vorderes gleichartiges und ein hinteres complementäres Bild. Diese Erscheinungen gewinnen sehr an Schönheit und Deut- lichkeit, wenn man das hellfarbige Glas hinten’ mit Spiegelfolie belegen lässt, wodurch man gleichsam einen Doppelspath für Complementärfarben erhält. Osann nahm nun an, dass die Gläser von ihrer vorderen Fläche die Gegenfarbe des Lichts rellecliren, welches sie hindurchlassen, wie man daraus ersehe, dass, wenn sie an der Rückfläche geschwärzt worden sind, sie von vorn in der Gegenfarbe erscheinen sollen. Letztes ist nach Fechner aber nur dann der fall, wenn die Schwärzung bloss über einen Theil der Rückfläche sich verbreitet und ein helles, z. B. das weisse Licht eines bedeckten Himmels von der gan- zen Vorderlläche reflectirt wird; alsdann sieht man die ge- schwärzte Stelle und denjenigen Theil des Bildes, welcher durch Spiegelung von ihrer vordern Fläche entsteht, allerdings in der Complementärfarbe des Glases, weil hier der Contrast zur Farbe des ungeschwärzten Theiles und ihres Reflexbildes eintritt. Wird nun die eine Hälfte eines hellfarbigen Glases geschwärzt, so vereinfacht, sich das doppelfarbige Spiegelbild eines schwar- zen Papierstreifens an einer Fensterscheibe von der freien Hälfte des Glases sofort, wenn es durch eine Neigung des Glases in die geschwärzte Hälfte übertritt, und erscheint ohne Farbensäume und als reines Schwarz auf rein weissem Grunde. Eben so ver- hält es sich, wenn die ganze Hinteräche geschwärzt wird, und Farbe des Glases selbst erscheint alsdann schwarz mit schwa- cher Nüance der Farbe des durchgelassenen Lichts. Da demnach Vorderflächen farbiger Gläser nicht die Ergänzungsfarbe re- r ; LXXIV Slectiren, so ist die subjeclive Natur dieser ‚Farbe ihres Spiegel- bildes einleuchtend. . M i Referent hat farbige Gläser an der einen Fläche zur Hälfte und auch ganz mit schwarzem Firniss bestrichen, andere mit Spiegelfolie belegen lassen, und muss zufolge seiner damit an- gestellten Versuche. wobei er sich als heller Fläche des Bein- glases einer brennenden Lampe, als dunklen Feldes eines daran befestigten schwarzen Papierstreifens, auch als hellen Gegen- standes eines weissen Papierstreifens bediente, die Angaben Fech-_ ner’s in allen Punkten bestätigen. Das Spiegelbild der hellen Fläche in dem geschwärzten Theile erschien weiss, nahm aber augenblicklich die Complementärfarbe an, als ein anderer Theil desselben in die freigebliebene Hälfte hinaustrat und in der Farbe des Glases erschien, Wurde der weisse Papierstreifen, in dem hellen Theile des Glases sich spiegelnd, nach der Seile des vor- greifenden Randes des hinteren Bildes gegen die geschwärzte Hälfte hinbewegt, so verschwand beim Uebertritt über die Gräoze dieser Rand und das übrigbleibende Vorderbild nahm die Com- plementärfarbe an, welche sich weiter und weiter bis zum Com- plementärsaume hindurch erstreckte; machte man nahe dem Com- plementärsaume Halt, so sah man den diesseit der Gränze be- findlichen Theil des Deckungsbildes in. der Farbe des Glases, zu beiden Seiten von der Complementärfarbe eingeschlossen; ganz im Schwarzen erschien das Reflexbild der vorderen Fläche weiss, mit anfänglicher Neigung in die Gegenfarbe, welche aber all- mählig verschwand. Um die Complementärfarben bei doppel- ter Spiegelung recht deutlich zu erhalten, muss man hellfarbige und möglichst dicke Gläser anwenden, und den Gegenstand et- was schräg ihnen gegenüber hallen, wodurch die Reflexbilder sich mehr von einander entfernen. Die Subjectivität der Com- lementärfarben lässt sich hier auch direet darthun. Ist bei nicht belegtem Glase der, vorgehaltene Körper schmal, und fizirt man den dem Glase gleichfarbigen Saum, so tritt die Gegen- farbe des anderen Saumes lebhafter hervor. Lässt man einen weissen Papierstreifen sich spiegeln und führt, nachdem man das eine Auge verdeckt hat, von der Seite des vorgreifenden Reflexbildes der hinteren Glasfläche ein schwarzes Papier un- mittelbar an dem Glase dem Complementärsaume langsam ent- gegen, so dass dieses Bild verdeckt wird, so ermattet der Com- plemenlärsaum und erscheint nunmehr sehr schwach gefärbt, indem sein Rand erreicht und das hintere Bild dem Auge gänz- lich @ntzogen wird. Dies Phänomen erhält man noch deutli- cher, wenn gleich anfangs das hintere Bild bis auf den vorgrei- fenden Rand des vorderen verdeckt, und demnächst durch Sei- tenbewegung des weissen oder schwarzen Papierslreifens ent- hüllt wird, wobei die anfangs kaum erkennbare Gegenfarbe des LXXV' Saumes Leben erhält; in diesem Falle wird nämlich nicht, wie bei der ersten Weise des Experiments, der Erfolg durch den zurückbleibenden Eindruck der Gegenfarbe geschwächt. Hält ss das farbige Glas der Tageshelle gegenüber, und legt einen ierstreifen auf, so sieht man das von der Hinterfläche ge- sigelte Schattenbild desselben als einen Saum über den Rand des Streifens vortreten, welcher nur sehr schwach die Gegen- farbe des Glases darbietet, diese wird aber ganz lebendig und deutlich, wenn man den Streifen nur um ein Geringes vom Glase entfernt, wobei das Reflexbild der vorderen Fläche zum Vorschein kommt. Dove (Poggend. Ann. Bd. XXXXV. S. 158.) hat die subjective Natur des Complementärsaums durch einen andern Versuch nachgewiesen. Betrachtete er das grüne und rothe Spiegelbild eines grünen Glases durch ein rothes Glas, so wurde das grüne farblos dunkel und das rothe verschwand vollkommen. Es wurde nämlich die Farbe des grünen Bildes absorbirt, und hierdurch das Roth als Contrastfarbe zugleich ausgelöscht; ebenso verschwindet auf orangefarbigem: Glase das blaue Bild durch Dazwischenkunft eines blauen Glases u. s. w. Ref. hat dieselbe Erfahrung gemacht, im Falle die Farbe des zweiten Glases intensiv genug ist, um die entgegengesetzte des einen Spiegelbildes zu vernichten; ist sie zu schwach, so er- folgt bloss eine Ermattung beider Farbensäume, letzte werden auch dann nur matt gesehen, wenn bei Kerzenlichte die Spie- gelung von einem gelben Glase geschieht. Wäre der Comple- mentärsaum ein objectiver, so müsste er durch ein gleichfarbi- ges Glas oder Licht gegentheils an Leben gewinnen, wie z. B. eine blaue Fläche durch ein blaues Glas, eine grüne durch ein grünes angesehen es Ihut. Dass bei einem dunklen Felde oder beschatteten Körper die Säume des hinteren und vorderen Spie- gelbildes sich entgegengeselzt wie beim hellen verhalten, erklärt sich daher, weil diese Bilder hier nicht eigentlich Reflexbilder sind, sondern nur die Unterbrechung der Reflexion des lichten Grundes bezeichnen, wie denn auch das Deckungsbild in diesem Falle ein schwarzes, nur mit Hinneigung zur Farbe des Glases, hingegen bei Spiegelung eines weissen Feldes ein weisses mit eben dieser Nüance ist; in beiden Fällen hat die objective Farbe ' die Oberhand über die Ergänzungsfarbe. Stellt man den oben erwähnten Bewegungsversuch vor dem halbgeschwärzten farbi- n Glase mit einem schwarzen Felde an, so sieht man beim tritt der Reflexbilder über die Gränze die dunkle Farbe Deckungsbildes durch den Contrast mit dem übrig bleiben- schwarzen Bilde sich aufhellen. Eine andere vom Ref. wahr- mmene Erscheinung, welche eben dadurch begreiflich wird, t diese, dass, wenn zwei helle Streifen schräg hinter einander dem Glase sich spiegeln, und man beide seitlich einander nahe LXXVI bringt, dass die sich zugewandten entgegengeselzt gei rbten Säume der Doppelreflexe ineinander greifen, A er- einigung Weiss, hingegen durch ‘ein gleiches Verfahren bei dunklen Feldern Schwarz entsteht. Von einem dunklen a minder dunklem Grunde, z. B. einem schwarzen Papierstreifen vor dem Fensterkreuze, verhalten sich die Reflexbilder wie von dunklem auf hellem, nur mit geringer Intensität der Säume. b. Farbige Schatten. Unser Verfasser widerlegt ferner auch die von Osann aufgestellte Meinung von der objectiven Natur der complemen- tären Schatten durch schlagende Experimente. Wirft ein Kör- per von zwei Kerzenlichtern, deren eines durch ein Farbenglas fällt, zwei Schatten, so hat bekanntlich der von dem freien Lichte beschienene Schatten die complementäre Farbe des Gla- ses, der andere die Farbe des Glases selbst, und über die ob- jeetive Natur des letzten ist man einverstanden; die des ersten wird von Osann aus dem Grunde behauptet, weil er beim Durchsehen durch eine inwendig geschwärzte Röhre seine Farbe behalte. Fechner zeigt nun, dass diese Permauenz nur Folge des bleibenden Eindrucks der Complementärfarbe im Auge ist, dass sie auch dann nicht gestört wird, wenn beim Hinblick durch die Röhre ein.Anderer das Farbenglas wegnimmt, oder mit einem anders farbigen vertauscht, und dass man die Em- pfindung der Complementärfarbe gar nicht erhält, wenn man die Röhre anlegt bevor das Farbenglas vorgeschoben ist, und dieses demnächst geschieht. Sieht man hingegen durch die Röhre auf den objecliven Schatten, so verwandelt sieh seine Farbe beim Tausch der Gläser in die des letztvorgehaltenen, und bei Wegnahme des Glases geht sie aus subjeclivem Grunde in die complementäre über. Es wird auch anerkannt, dass nicht, wie Göthe und Pohlmann behaupteten, zur Bildung eines complementären Schattens zwei verschiedenfarbige Lich- ier gehören, sondern dass ein farbiges Licht allein hierzu hin- reicht, obgleich die Gegenfarbe des Sehaltens alsdann sehr dun- kel und schwerer zu erkennen ist, als beim Zutritt eines freien Lichtes. Dasselbe hat bereits im Jahre 1830 Ref. in seiner Schrift „‚über die Erscheinung des Schattens und ihre plysio- logische Bedingung, Berlin bei Enslin,“ bemerkt, und damals zuerst von der Röhre Anwendung. zur Entscheidung jener Frage gemacht, die übereinstimmend mit derjenigen Fechner’s aus-' gefallen ist. Der Complementschatlten unter der gehörigen Vor- 2 sicht durch die Röhre betrachtet, zeigte damals ein unbestimm- tes Grau mit der Nüance in der Farbe des Glases, welches aber sofort sich in die Gegenfarbe verwandelte, wie die Durch- LAXVIK sicht über die Gränze- des Schattens hinaustrat. Es wird fer- ner bemerkt, dass selbst zwei gleichfarbige Lichter von ver- schiedener Helligkeit einen Complemenischatten erzeugen kön- nen. Fechner bediente sich zu seinen Versuchen meistens zweier quadralischer Oefloungen im Fensterladen eines finstern Zimmers, deren jede durch einen Schieber verdeckt werden, und in die man: Farbengläser einschieben konnte. Fiel durch die eine Oefluung Tageslicht ein, während vor der andern ein farbiges Glas war, so nalım der vom Tageslichte beschienene, also complementäre Schatten, durch die Röhre angeschauet, die dunkle Farbe des Glases an, wenn die Oeflnung für das Ta- geslicht geschlossen ‘wurde ( übereinstimmend mit Referents Ver- suchen) vermöge des von der Umgebung einfallenden Lichtes. Wurde die eine Oeflaung mit dem Farbenglase bedeckt, die andere ganz geschlossen, so nahm die Gegenfarbe des Schat- tens darch die Röhre angesehen die Tinte.des Farbenglases an. Pohlmann hat in seiner Theorie der farbigen Schatten (Poggend. Ann. Bd. 37. S. 319.) von der Farbe des blauen Sehbattens, welcher durch Zusammentreffen von Tages- und Kerzenlicht entsteht, behauptet, dass sie nicht subjectiven Ur- sprungs sei, sondern durch die Erhellung des vom Kerzenlichte geworfenen Schattens vom blauen Himmelslichte bewirkt werde. Durch Wiederholung der von P. zur Stütze dieses Satzes an- gestelllen Versuche, und Hinzufügung neuer ist Fechner zu dem Resultate gelangt, dass unter dem Einflusse des Kerzen. oder anderen rothgelben Lichtes es der Mitwirkung eines ob, jeetiv blauen Lichtes gar nicht bedarf, um einen blauen und gelben Schalten hervorzubringen, dass aber umgekehrt bei Ge- genwart objecliv blauen Himmelslichts dazu auch ein rothgelbes Licht nicht erforderlich ist. Es entsteht nämlich ein blauer Schatten beim Kerzenlichte auch dann, wenn das hinzutretende Tageslicht grau ist und vom bedeckten Himmel, selbst bei Schneegestöber einfällt. Dass nach P. der blaue Schatten durch die Röhre betrachtet blau bleibt, beruht auf der Nachwirkung der Gegenfarbe; wurde aber, während das Kerzenlicht verdeckt war, die Röhre auf die Stelle dieses Schattens gerichtet, so nalım derselbe nach enthülltem Lichte statt einer blauen viel- "mehr eine rothgelbe Nüance vom zurückgeworfenen Lichte an, die erst, wenn die Röhre auf die Gränze des Schaltens gerich- iet wurde, sich in Blau verwandelte, ein Beweis, dass das elblau hier keinen Antheil, an der Erscheinung hatte. . hat ferner die an sich ganz richlige Thatsache angeführt, nd ‚; wenn man die Röhre auf die Gränze des blauen Schat- - tens leitet und derselbe blau neben Gelbem gesehen wird, durch Auslöschen des Kerzenlichts die ganze Fläche blau, durch Ab- schneiden des Tageslichts dieselbe gelb wird. Dieses erklärt LXXVII Fechner richlig daher, dass im ersten Falle der gelbe Theil der Fläche in das Complement übergeht, der blaue durch Nach- empfindung beharrt, im andern die blaue Hälfte durch Zurück- werfung gelbes Licht erhält; ganz analoge Erscheinungen tre= ten nämlich ein, wenn man in dem finstern Zimmer Tageslieht mit einem durch grünes Glas scheinenden Kerzenlichte zusam- menbringt, wodurch ein rother und grüner Schatten entstehen, Dass der Schatten, welchen brennender Phosphor wirft, bei Erleuchtung durch das Tageslicht blau erscheint, rührt von dem Antheil rotbgelben Lichtes her, das von dem Phosphor entbun- den wird und so stark ist, dass bei Concurrenz dieses Lichtes mit einer brennenden Wachskerze der Schatten von jenem ent- schieden blaulich, der von diesem gelblich erscheint. Es ist demnach die blaue Farbe des Schattens als das Complement des rothgelben Kerzenlichtes und als subjectiver Natur zulänglich erwiesen, und es war Referenten doppelt erfreulich, den von ihm ausgeführten, nachgehends angefochtenen physiologischen Gesichtspunkt hier durch einen ausgezeichneten Physiker in sein Recht restituirt zu seben. Pohlmann hat übrigens ganz rich- tig gezeigt, dass, wo kein überwiegendes gelbes Licht vorhan- den ist, das Blau des Himmels selbst Anlass zur Erzeugung complementärer Schatten werden kann, denn es können durch Beleuchtung von verschiedenen Himmelsgegenden aus auch gelbe und blaue Schatten entstehen, wenn z. B. die eine Seite des Himmels blau, die.andere mit weisslichen Wolken bedeckt ist, zu deren Beobachtung das verfinsterte Zimmer Gelegenheit giebt, und auf welche vielleicht ein Cyanometer sich wird gründen lassen; eben so, wenn durch eine einzige Oeflnung mit dem blauen Himmelslichte zugleich directe Sonnenstrahlen einfallen, wie Fechner erfahren hat. (Ref. hat F’s. Methode, durch Oeflnungen im Fensterladen Complementärschatten zu produ- eiren, welche den Vorzug der leicht ausführbaren Mehrung und Minderung jedes der concurrirenden Lichter hat, ebenfalls ins Werk gesetzt, und dadurch bei angemessenem und für verschie- dene Farben der Gläser verschiedenem Verhältnisse der Lichter zu einander, vornehmlich bei hellem Himmel, wahrhaft über- raschende und ungleich schönere Schatten- und Halbschatten- Tinten erhalten, als nach seiner früheren Weise mittelst hin- durchfallenden Lampenlichtes.) ec. Nach- und Blendungsbilder. Fechner geht demnächst zu den complementären Nachbildern über und untersucht, ob dieselben gemäss der Göthe?schen Ansicht durch Subtraction der empfundenen ob- jeetiven Farbe, für welche-das Auge die Empfänglichkeit ver- » LXXIX loren habe, aus.dem Weisslichte, oder gegentheils, wie neuer- dings Lehot; und Plateau aufgestellt haben, durch ein frei. williges Uebertreten der Netzhaut in einen enlgegengesetzten Reactionszustand nach dem Aufhören des directen Eindruckes entstehen? Er entscheidet sich für die ältere Annahme und sucht die Versuche der letztgenannten Beobachter aus Jieser zu erklären. Das Erscheinen des Nachbildes auf schwarzem Grunde und “in vollkommener Dunkelheit wird darauf zurückgeführt, dass jeder, schwarze Körper noch einen Antheil Weisslicht zu- rückwerfe, und dass die in der Netzhaut unabhängig von auf- fallendem Lichte subjectiv sich entwickelnde Lichtempfindung, welche sich z. B. bei geschlossenen und bedeckten Augen als weissliche Nebel darstellt, eben sowohl als die objeclive Farbe in Gegenfarbe zerlegt würde. Der Verf. führt einen interessan- ten Versuch an, bei welchem in einem Zimmer, welches nur von gelbem Lichte erhellt war, dennoch ein violettes Nachbild zu Stande kam. Dass nach dem Hinstarren auf ein rothes Feld und demnächst auf einen gelben Grund ein gelblichgrünes Nach- bild auftritt, rühre wiederum von dem im Gelben enthaltenen Weisslichte her. Dass ein rothes und grünes Feld neben ein- ander auf schwarzem Grunde betrachtet beim Schliessen der Augen ein schwarzes Nachbild geben, und eben so ein Stück- chen rothen Papiers auf schwarzem Grunde, wenn das Auge nachher auf ein grosses Stück desselben rothen Papiers gerich- tet wird, vereinigen sich eben sowohl mit der älteren Lehre, weil, weon in diesen Versuchen der Grund der objectiven Farbe ein weisser war, das Nachbild umgekehrt ein helles sei, und die von Plateau daraus gezogene Folgerung, dass zwei sub- jeetive Complementärfarben zuzammen Schwarz geben, sei un- richtig. Die Beobachtung Lehot’s, dass ein rothes Feld auf weissem Grunde zuerst mit entfernterem, dann mit plötzlich genähertem Auge betrachtet, nun einen kleinen dunklen Flecken auf einem grösseren hellrothen erscheinen lasse, liefere, wenn ein schwarzer Grund gewählt werde, ebenfalls das entgegen- geselzte Resultat, welches nur eine directe Folgerung der äl- teren Ansicht sei. Es wird hinzugefügt, dass nach Plateau’s hre ein farbiger Gegenstand auf schwarzem Grunde, im ge- schlossenen Auge ein helles Nachbild auf dem dunkelbleibenden Grunde des Auges liefern müsse, da doch dasselbe der Erfah- rung zufolge dunkler als dieser Grund erscheine, und dass das achbild des Weissen nicht schwarz, sondern wiederum weiss sein müsste, weil jenes aus zwei Gegenfarben zusammengesetzt werde und diese die Zusammensetzung derselben Gegenfarben als Nachbild erzeugen müssten. b Ref. hat alle diese Versuche mit grösster Sorgfalt und wie- derholt angestellt, auch die bezügliche Abhandlung Platcau’s LXNX von Fechner angeführten Erscheinungen im Factisc urch- aus richtig gefunden. Dessenungeachtet ‚haben die Gı . des leizten ihn nicht überzeugen können, und er neigl sich, viel- mehr zuPlateau’s Ansicht, Denn erstens hat, wenn ein far- biges Feld auf weissem oder schwarzem Grunde betrachtet wird, nicht bloss jenes, sondern auch der Grund sein Nachbild zur Folge, welches im ersten Falle dunkel, im anderen hell ‚ist, weil zugleich der Contrast zwischen dem Hellen der. Farbe und dem Dunkeln des Grundes oder umgekehrt wahrgenommen wird, die Complementärfarbe muss daher auch nach Plateau ent- gegengeselzt auf dem Complementärgrunde erscheinen, "worauf sich eine Menge Thatsachen reduciren. Zweitens ist die Ver- einigung zweier Gegenfarben nicht weiss, sondern‘ Grau, dieses steht zwisehen Roth und Grün, wie zwischen Schwarz und Weiss, lelzte siod sich in eben der Weise entgegengeselzt wie erste, und die Empfindung des Grünen als Netzhautzustand ist so gut Gegensalz von der des Rothen, wie die Empfindungen von Hell und Dunkel es sind; darum erweckt ein weisses Feld auf schwarzem Grunde das Nachbild eines schwarzen auf weis- sem, und eben darum liefern Grün und Roth abwechselnd. be- trachtet als gemeinsames Nachbild Grau, welches, wenn der Grund jener nebeneinander liegenden Farbenflächen weiss war, mithin im Nachbilde schwarz wird, im Contraste mit diesem Schwarzen hell erscheinen muss, im Gegenfalle dunkel. Weil ferner die Farbe des Nachbildes mit derjenigen des Grundes, auf welchem es erscheint, sich wie zwei objective Farben: ver- mischt, so erzeugt das grüne Nachbild des Rothen auf Roth geworfen Grau, welches als Helles wahrgenommen werden muss, wenn der Grund des rolhen Feldes ein weisser war, als Dun- kles; wenn ein schwarzer. Durch diese Voraussetzung erklären sich sämmtliche Beobachtungen Fechner’s auch ungezwungen nach Plateau. (Plateau’s Meinung, dass zwei subjective Complementärfarben sich ia Schwarz vereinigen, welche übri- gens seiner Grundansicht keinen Eintrag thut, ist allerdings falsch und beruht auf einem einseitigen Experimente, in wel- chem das aus dieser Einigung entstandene Grau dunkel erschien.) Drittens kommt der Satz, dass das bei fehlendem objeetivem Lichte dennoch entstehende Nachbild des Farbigen ein Rest der inzeren Lichtempfindung der Netzhaut sei, der Plateau’schen Lehre schon sehr nahe, indem durch ihn das Nachbild als rein subjeetive Entwickelung wenigstens unter der erwähnten Be- dingung zugegeben wird. Viertens wird auch die wichtigste Thatsache, welche Plateau für sich gellend macht und aus der er ein oscillatorisches Verhalten der Netzhaulreaction nach Betrachtung einer objeeliven Farbe folgert, dass nämlich die Em- und Osann’s studirt, und. sowohl die von Plateam,als ‚die r in m—— LXXXI pfindung derselben zuerst eine Weile fortbesteht, dann in die complementäre übergeht, und diese erst nach abwechselnder Schwächung und Wiederbelebung verschwindet, von Fechner wohl nicht völlig genügend dadurch erklärt, dass dieses Ver- schwinden und Wiedererscheinen durch unmerkliche Bewegun- gen des Auges, der Augenlider, des Kopfes, oder ein mehr oder minder starkes Andrängen von Blutwellen zur Netzhaut verur- sacht werde. Wahr ist, dass durch solche Bewegungen, selbst die leisesten, das Nachbild geschwächt und zum Verschwinden gebracht werden kann, doch hat Ref, auch bei durchaus ruhi- gem Auge und unbewegtem Nachbilde diesen Wechsel wahr- genommen; wenn er bei mässigem Lichte eine hochrothe Flä- che eine Zeitlang durch die geschwärzte Röhre betrachtete, und dann den Blick auf die Decke des Zimmers richtete, so wurde anfänglich das Weiss der Decke gesehen, dann erschien das grüne Nachbild, welches dreimal in regelmässigen Pausen dem Weissen Platz machte und wiederkehrte. Wurde der Versuch bei sehr hellem Tageslichte angestellt, so erschienen abwech- selnd Grün und Roth. Ref. hat bei dieser Gelegenheit noch folgende Phänomene wahrgenommen, welche den Licht- und Farbencontrast im Raume, ‘wie die Nachbilder in der Zeit darstellen und aus bei- den Theorien, wenngleich, wie ihm dünkt, nngezwungener aus der des sensiliven Gegensalzes, begreiflich werden. Bei Beirachtung einer rothen Fläche durch die Röhre oder einer kleinen rotlıen Fläche auf schwarzem Tuche wird allmählig die Mitte der Farbe dunkler, der Rand heller, hingegen beim An- schauen einer dunkelfarbigen Scheibe auf weissem Grunde hellt sich die Mitte auf, während der Rand sich verdunkelt. Wird ein lebhaftfarbiges Quadrat auf weissem Papiere einige Minuten lang angestarrt, so taucht um den Rand die Gegenfarbe auf, welche. etwas Schimmerndes, gleichsam Leuchtendes hat, sie zeigt sich um so ‚lebendiger, je weniger bestimmt das objective Bild ist, daher an der gegenüberstehenden Seile eines fixirlen Randpunktes am deutlichsten, ferner wenn bei weiter Popille und einem Refractionsstande des Auges für die Ferne die Grän- zen sich verwischen. Wird die Fixalion nachdem Gegenbilde selbst verlegt, oder die Refraclion der Distanz des Quadrates adäquat gemacht, so verschwindet es. Wenn mit der Sehaxe das Quadrat langsam: umschrieben wird, so zieht sich der Schimmer in entgegengeseizter Richtung an der andern Seite des Randes herum. Wird die Mitte des Quadrals fixirt, so erscheint er gleichmässig um den Rand vertheilt. Befindet sich an der einen Seite zwischen der Gränze des Farbigen und dem weissen Grunde ein schmaler schwarzer Streif oder ein Schat- ten von nicht genauem Aufliegen ‚des Farbigen, so erscheint Müller’s Archiv. 1840. F LXXXI dieser sehr lebhaft complementär, und der gegenfarbige Schim- mer zieht sich gleichsam nach dieser Stelle hin zusammen. Dieser Complementärsaum ist durchaus verschieden von dem objectiven blaurothen Farbensaume, welcher als Folge der Chro- masie des Auges auftritt, wenn ein Dunkles auf Hellem oder dieses auf jenem dem Auge zu nahe gehalten wird, nämlich Blau an der Seite des Weissen, Roth an der des Schwarzen, die letzte Erscheinung ist nicht flüchtig, sondern bei den Be- wegungen des Auges um die Gränze stabil, auch nicht leuch- tend und von dem Brechungsstande des Auges abhängig. Unser Verf. bemerkt ferner, dass auch die Blendungsbilder durch sanfte unwillkürliche Bewegungen des Auges verschwin- den, nachdem sie anfänglich sich bewegt haben, nicht aber in Folge starker willkürlicher Bewegungen, wodurch sie sich von den Nachbildern unterscheiden. Das Blendungsbild des Fenster- kreuzes ermattet oder verschwindet gar beim Zusammenkneipen der Augenlider, und tritt beim Nachlass desselben neubelebt hervor, letztes selbst lange nach seinem endlichen Auft hören, welche Erscheinung indess von verändertem Lichtein- flusse herrührt, indem sie in einem völlig finstern Zimmer nich- Stalt findet, wohl aber wenn ohne Bewegung der Augenlider - ein Loch im Fensterladen abwechselnd geschlossen und geöffnet wird. Hiernächst folgen Versuche über die Abänderungen des Nachbildes nach Verschiedenheit des Grundes, auf welchem das Object betrachtet wird, welche mit farbigen Papierstückchen im verbreiteten Tageslichte angestellt wurden. Es wurden ein grünes Feld auf weissem, schwarzem und rolhem Grunde, fer- ner ein weisses und .ein schwarzes auf grünem Grunde ange- schauet, und den Nachbildern wiederum ein verschiedener, theils schwarzer und weisser, theils rother und grüner Grund gege- ben. Die hierbei wahrgenommenen Erscheinungen führten zu dem Resultate, dass allgemein das Naehbild heller oder dunkler ist als der Grund, auf dem man es betrachtet, je nachdem um- gekehrt das Object dunkler oder heller als sein Grund wear, und dass um das Nachbild jederzeit die Complementärfarbe des Nachbildes, also die ursprünglich angeschaute sich entwickelt ausserdem erscheint auch der Grund des Nachbildes mit de Gegenfarbe des objectiven Grundes tingirt. Fechner hat auch entdeckt, dass durch Drehen einer schwarz und weiss bestrichenen Scheibe Farbenerscheinungen producirt werden (dieselben Annalen S. 227.). Die Scheibe war, ähnlich der Talbot’schen, in concentrische Ringe abge- theilt, deren innerster ganz schwarz war, der nächstfolgende 20 Grade, der dritte 30 Grade weisser Fläche enthielt und so fort bis zum äussersten Ringe, welcher ganz weiss war, so dass der Umriss der schwarzen Figur einer Archimedischen LXXXIL Spirale glich. Durch rasches Drelien derselben entwickelten sich schwache, von der Mitte nach dem Umkreise hin sich än- dernde Farben, durch laugsames Farbensäume an den Rändern der Zacken, und zwar mit vorwaltendem Blaugrün, wenn der schwarze Anstrich den weissen verdrängte, mit vorwaltendem Rothgelb aber, wenn die Drehung in der entgegengeselzten Richtung geschah. Eine gleiche weisse Figur auf schwarzem Grunde gab die Farbensäume umgekehrt. Das Phänomen wird dadurch erklärt, dass die Empfindungen der in dem Weissen enthaltenen Farben erst nach einander im Auge erlöschen und auftreten. (Es würde hiernach das geringste refrangible Licht, Roth und Gelb am schnellsten empfunden werden, und das am stärksten refrangible Blau am spätesten erlüschen. Ref.). Wird eine halb schwarze halb weisse, oder in abwechselnd schwarze und weisse Secloren gelheilte Scheibe rasch umgedreht, so ent- faltet sich, ehe es zur Erscheinung von Grau kommt, ein ta- pelenartiges Muster von mehrfarbigen Maschen oder Zellen mit eingestreuten grösseren Flecken. Diese Beobachtungen sind von physiologischem Interesse und versprechen, weiter verfolgt, fruchtbringend zu werden. d. Photopsieen. Savigny (Fror. Not. No. 166.) hat subjective Licht- und Farbenerscheinungen beschrieben, welche ihm die Nacht einer vierzehnjährigen vollkommenen Blindheit erhellen. Sie treten in drei wiederum mannigfaltig sich abändernden Hauptgestalten auf, nämlich als leuchtende und farbige Kreise von lebhaftem Glanze und eleganter Zeichnung, oder als eine um den Rand der Augenhöble laufende Lichteurve oder als ein zusammenhän- gendes Tuch. Diese Erscheinungen können durch Druck auf das Auge wahrgenommen werden, finden aber auch ohne den- selben Statt und werden alsdann durch Druck lebhafter und zusammengesetzter. Bei bewegten Drucke bewegen sie sich gleich den Druckbildern des gesunden Auges in der entgegen- geselzten Richtung. (Sie scheinen ihrem Grund in einem chro- nisch entzündlichen Zustande der Retina zu haben. Ref. kennt eine bejahrte Dame, welche einen Linsenstaar auf beiden Au- gen hatte und jeden Abend grosse Dosen Opium zu nehmen ‚gewohnt ist. Mit der Entwickelung der Cataracle stellten sich sesichtserscheinungen ein, welche einen viertägigen Typus an- nahmen. Den ersten Tag sah sie sich in einer Ällee, an wel- eher rechis und links Gärten lagen, sie unterschied jeden Baum, er, Beet, und das mit objectiver Bestimmtheit ihr vorschwe- e Bild trat am vierten Tage genau mit denselben Zügen wieder vor das Auge Am zweiten Tage fand sie sich von Fr?’ LXXXIV _ einem schimmernden Nebel dicht umgeben, in welchem sie we- der äussere noch durch die Einbildungskraft gezeichnete Gegen- stände wahrnahm; höchstens drangen nahe vor das Auge ge- haltene lebhafte Farben, als Roth und Gelb, aber ohne sicht- bare Gestalt hindurch. Am Morgen des dritten Tages fiel es wie ein schwarzer Vorhang von oben in das Gesichtsfeld herab, und sie sah diesen Tag über nichts als ein tiefes Dunkel in wolkigen Gruppen, welches fleckenweise schwach erhellt war. Dieser Sinnenwechsel wiederholte sich ganz regelmässig, so dass sie jedesmal die Erscheinung des folgenden Tages mit Ge- wissheit vorherbestimmen konnte. Nach Verlauf von drei Mo- nalen. verlor sich das Panorama des ersten Tages, und das zweite und dritte Bild wechselten von nun an um den andern Tag. Dieser Tertiantypus hat wunderbarer Weise bis jetzt funf- zehn Jahre lang durchaus gleichförmig fortgedauert, und die inzwischen unternommene Zerstückelung der Cataracte, durch welche das Sehvermögen theilweise hergestellt worden ist, hat nur insofern Einfluss gehabt, als der Nebel und die Finsterniss jetzt weniger dicht sind, und sie durch jenen wie durch diese grössere Gegenstände unterscheidet, die vormals minder dun- klen Flecken des schwarzen Sehfeldes sind auch jetzt noch die hellsten Stellen desselben, Die Cataracte ist übrigens auf bei- den Augen gänzlich resorbirt, und die Augenmedien sind klar, nur auf den Hornhäuten sieht man Wölkchen in verschiedenen Graden der Trübung, von welchen das Fleckige in der finstern Erscheinung herrühren mag. Diese Frau ist nichts weniger als phantaslisch, vielmehr von hellem und nüchternem Verstande, und ausser gichtischen Beschwerden und vorwaltendem Nerven- erethismus ‚gesund, an Intermittens irgend einer andern Form hat sie nie gelitten, auch fehlen alle Symptome eines larvirten Wechselfiebers, gleiehwohl sieht Ref. hier keine andere Erklä- rung als die Annahme einer Intermiltens des Sehuerven oder überhaupt des sensoriellen Sehantheiles. Die versuchte Be- schränkung des Opiumgenusses und des schwefelsauren Chi- nin blieben bisher ohne alle Wirkung auf den Wechsel der‘ Erscheinungen, welche ihr gleichsam zum Lebensbedürfnisse geworden sind,) - 10. Gedächtniss in den Sinnen. Ueber das Gedächtniss in den Sinnen hat Henle (Cas- per’s Wochenschrift No. 18.) wichtige Erfahrungen mitgetheilt und Originalansichten entwickelt, welche geeignet sind, eine Umgestaltung der Lehre von der Reproduction der Sinnesem- LXXXV pfindungen vorzubereiten. Er begreift unter Sinnengedächtniss überhaupt die Reproduction sinnlicher Eindrücke, und geht in Erklärung derselben von dem, vornehmlich von J. Müller festgestellten Fundamentalsätze aus, dass alle Nerven, empfin- dende, bewegende und organische, durch jeden Reiz zu der jedem eigenthümlichen Thätigkeit angeregt werden, in ihrer specifischen Energie reagiren. Dieser Salz wird nun dahin er- weitert, dass der äussere Reiz die Nerventhätigkeit nicht her- vorrufe, sondern nur verstärke und modificire, indem der Nerv schon durch die lebendige Wechselwirkung der Theile des Or- ganismus in steler Thätigkeit erhalten werde. Für die organi- schen Nerven ist dies anerkannt, für die motorischen geht es aus den beharrenden Contractionsverhältnissen der animalischen Muskeln des Gesichts, Rumpfes und der Extremitäten im Schlafe, aus dem Uebergewichte eines Muskels nach Durchschneidung des Antagonisten, einer Muskelgruppe durch Lähmung des Ner- ven der gegenwirkenden Gruppe, wie aus der anhaltenden Wir- kung der Sphincteren hervor. Eben so gewiss ist, dass auch die sensiblen Nerven in ihrer speeifischen Thätigkeit wirken, d. i. empfinden, ohne dass die Empfindung zum Bewusstsein gelangt, im Falle nämlich die Intention der Seele ihr nicht zu- gewendet ist; dies beweisen die häufig nachfolgenden Repro- ductionen solcher früher unbewussten Empfirdungen, das Ent: " stehen der Nachbilder im Auge nach bewussilosem Hinstarren auf einen hellen oder farbigen Gegenstand, die Störung des Schlafes durch allmählig verstärkte äussere Eindrücke, welches durch Beispiele erläutert wird. Durch die Gleichgültigkeit des Bewusstseins gegen anhaltende äussere Eindrücke begreift es sich auch, warum der Luftdruck auf die Gefühlsnerven, der alkalisch schmeckende Speichel, Riechstofle in einer Almosphäre, in welcher wir uns lange aufhalten, nieht wahrgenommen wer- den; bei veränderter Reaction oder plötzlichem Aufhören des Eindrucks wendet die Aufmerksamkeit sich der Sinnesempfin- dung wieder zu, und so gewahren wir die Hemmung der Müble, das Halten des Wagens u.s. w. Auch bei gänzlicher Abwesenheit äusserer Sinnesanregung; wie bei gesehlossenen Augen, finden noch positive Empfindungen Statt, wie die der Dunkelheit, der wallen- den Nebel und Streifen. (Die mannigfaltigen krankhaften Empfin- dungen des Gemeiogefühls und der Sinne, an denen :hypochon- drische und hysterische Personen leiden, als Kriebeln, Jucken, Ste- "ehen, Ameisenlaufen, Hautschauder, Ohrensausen und Klingen, Wo- gen und Flimmern vor den Augen. allerhand Geruchs- und Ge- schmacksempfindungen, beruhen theilsaufgeschärfter Aufmerksam- keit, theils auf gesteigerter Empfänglichkeit der Sinnesnerven für die sogenannten inneren oder organischen Reize, indem hier die fortwährende sensilive Thätigkeit der Nerven, welche der gesunde LXXXVI Mensch nicht wahrnimmt, zum Beyvusstsein gelangt. Ref.) Man pflegt solche Sinnesempfindungen subjeclive zu nennen, obwohl dieses Attribut eigentlich allen Empfindungen zukommt, insofern ihre Qualität durch die Lebensenergie des Organs be- etimmt, und nur dem Subjecte bewusst und erkennbar wird. Der Sprachgebrauch bezeichnet aber als objecliv diejenigen Sin- nesempfindungen, ‘welche durch adäquate oder ausschliesslich dieses eine Organ in Reaclion verseizende äussere Reize veran- lasst werden, als subjeeliv hingegen die durch nicht adäquate Reize oder die lebendige Thätigkeit: des Organs allein hervorge- brachten. Ob eine gegebene Empfindung subjectiv oder objectiv sei, ist die-Frage nach ihrem Ursprunge, welche nicht der af- fieirte Sion, sondern das Urtheil entscheidet, indem es das Zeug- niss der anderen Sinne zu Hülfe nimmt, es kommen indess hierin sowohl für gegenwärtige als für früher vorhanden gewe- sene Empfindungen Irrungen vor, in letzter Beziehung glauben wir wohl Geträumtes erlebt, Erlebtes geträumt zu haben. Der Inhalt der ursprünglichen subjectiven Empfindungen, welche nämlich ohne je Statt gehabte Anregung durch adäquale Reize sich bilden würden, ist für die eigentlichen Sinnesorgane viel- leicht unbestimmbar, im Gefühlssinne lassen sich aber solche primitive Formen erkennen, zu denen die vielerlei Hautgefühle gehören, die keinen äusseren Gegenständen entsprechen. Das Gemeingefühl ist nicht so unbestimmt wie gemeinhin angenom- men wird, zwar wohl der Oertlichkeit nach, aber keinesweges hinsiehtlich der Qualität seiner Empfindungen, zu deren Bezeich- nung nur die Sprache nicht reich genug ist. Der Einfluss einer dauernden Einwirkung adäquater Sinnesreize hängt von dem allgemeinen Erregungsgesetze ab: dass jeder Reizung des Ner- ven Erschöpfung folgt, dass aber durch eine nachherige, ihrem Grade angemessene Ruhe der Nerv eine grössere Kraft wieder erlangt, als er vor der Reizung besass. Eine praclische Au- wendung dieses Gesetzes für die motorischen Nerven ist die Uebung derselben, aus welcher dadurch, dass auch in der Ruhe die Muskeln sich in einem mittleren Grade der Zusammenzie- hung befinden, die Gewohnheit oder ein anhaltendes Thätigsein der geübten Muskeln sich entwickelt, wodurch die durch sie. bewegten Organe und der ganze Körper eine gewisse Haltung annehmen. Das Geseiz der Uebung erstreckt sich auch auf die sensiliven Nerven, diese erlangen dadurch eine grössere Energie und Dauer der Empfindung, und zwar wenn die wiederholte” Beihätigung eine einseitige, nur eine bestimmte Reactionsweise in Anspruch nehmende. ist, nicht allgemein, sondern für. die besondere Empfindung, in welcher sie geübt worden sind. Da demnach der Sion in der gewohnten Weise leichter und wirk- samer reagirt als in jeder anderen, so entstehen später auch LXXXVI ohne die entsprechende Einwirkung durch die inneren Lebens- bedingungen des Sinnesnerven subjeclive Empfindungen als Re- miniscenzen objectiver. Die unwillkürliche Production solcher Gewohnheitsbilder wird von unserm Verfasser das Gedächtniss des Sinnes genannt, und führt derselbe hiervon frappante Bei- spiele aus seinem Leben an. So sah er in der Dunkelheit des Abends plötzlich das leuchtende Bild eines anatomischen Prä- parates, und wie durch das Mikroskop die flimmernden Schläu- che der Branchiobdella vor sich, mit welchen am Morgen das Auge stundenlang beschäftigt gewesen war; so erhellte sich ihm Nachts das Sebfeld und er sah sein Studirzimmer mit allen Ge- genständen deutlich und leuchtend vor Augen. Worte und Laute einer fremden Sprache, welche man ehedem studirt hat, bekannte Melodien, tönen vor dem Ohre; Gehörs- und Ge- fühlseindrücke, unter denen wir aufgewachsen sind, tauchen beim freien Phantasiren der Sinne selbst im Wachen wieder auf. Das Sinnengedächtniss ist mithin kein Aufbewahren der Eindrücke, sondern nur eine erworbene Neigung der Organe zu bestimmten Formen ihrer Thätigkeit, die Bilder sind im Ge- dächtnisse nicht wirklich, sondern nur der Möglichkeit nach vorhanden, und der Wechsel der sich folgenden Sinnesphan- tasmen begreift sich dadurch, dass die Ermüdung des Organs in einer gewissen Form eine Schwächung dieses Bildes nach sich zieht, welches nunmehr einem relativ stärkeren weichen muss. Die Gedächtnissbilder unterscheiden sich nämlich von den Nachbildern und anderen Nachempfindungen dadurch, dass letztere eine Fortdauer der ursprünglichen Empfindung in glei- cher oder gesetzlich sich verändernder Qualität sind, und durch die allmählige Rückkehr des affieirten Nerven zur Ruhe bedingt werden, dass sie sich durch objective Eindrücke nicht verdrän- gen lassen, und vom ersten Augenblicke anhaltend oder mit Intermissionen abnehmen, und einmal verschwunden nicht wie- der zurückkehren (nach Fechner’s Erfahrungen kann indess das Blendungsbild zum Gedächtnissbilde werden, indem es zu- weilen noch längere Zeit nach dem Aufhören durch Bewegung der Augenlider oder plötzliche Lichtänderung sich reprodueirt, Ref.); die Gedächtnissbilder hingegen nach längerem Zeilinter- valle und mit vermehrter Intensität auftreten können. (Nach Ref.’s Urtheile kommt die von Henle versuchte Zurückführung eek einen auf allgemeine Lebensgesetze der Wahr- it näher als die materielle Lehre von zurückbleibenden Spu- ren der Eindrücke im Sensorio, und wird ohne Zweifel für eine Dynamik des Sinnen- wie des psychischen Lebens erfolg- reich werden.) Diesem Gegenstande nahe stehen die Träume der Blinden, welche ebenfalls Kundgebungen des Sinnengedächtnisses, zwar LXXXVIU x nicht des Gedächtnisses für Sinnesempfindungen, aber des für Sinnesvorstellungen sind. Das Verhalten der Träume Blinder in Bezug auf die Gesichtsvorstellung ist durch Heermann’s mühsame und verdienstliche Forschungen (v. Ammon’s Mo- natsschrift S. 116.) näher aufgeklärt worden. Derselbe beginnt mit Zusammenstellung einiger Erfahrungen, welche für die un- unterbrochene, nicht auf diein der Erinnerung bleibenden Träume beschränkte Thätigkeit der Seele im gesunden Schlafe sprechen, als: dass wir zuweilen Morgens beim Erwachen gleich bein ersten Aufmerken einen Gedanken ausgebildet finden, welchen wir am Abend vorher selbst mit Anstrengung nicht erreichen konnten, oder eine Reihe von Vorstellungen, welche mit den erweckenden Sinneseindrückeu gar keinen Zusammenhang .ha- ben, das Erwachen beim Aufhören eines anhaltenden leisen: Ge- räusches, bei lauter Nennung des Namens, das Abbringen der Kinder durch Strafandrohung von Unarten im Schlafe und die Erscheinungen des Nachtwandelns. Es folgen hierauf hundert und ein in verschiedenen Blindeninstituten gesammelte Beispiele von theils Blindgebornen , theils solehen, welche in verschiede- nen Lebensaltern und seit kürzerer oder längerer Zeit erblindet waren, von vollkommen Blinden, welche wegen Leidens der Markhaut nicht mehr Licht von Schatten unterscheiden konn- ten, wie von solchen, welche noch Lichtempfindung in ver- schiedenen Graden besassen, weil bloss die Augenmedien getrübt waren. Sie alle wurden über die Art ihrer Träume vom Ver- fasser sorgfältig befragt, und es ergab sich hierbei zuvörderst, dass der Sitz einer erworbenen Blindheit hinsichtlich der zu- rückbleibenden Gesichtsvorstellungen keinen Unterschied machte, indem diese bei Amaurose und gänzlicher Zerstörung des Aug- apfels so gut wie bei anderen Ursachen der Blindheit sich er- hielten. Dies spricht wider den von Darwin, Gruithuisen, Reil und Hartmann aufgestellten Salz, dass zu den Traum- vorstellungen die Mitthäligkeit des peripherischen Sinnesorganes erfordert werde, daher durch Verlust oder Erkranken des letz- ten auch die Reproduction von Vorslellungen dieses Sinnes durch die Einbildungskraft aufhöre. Auch Rudolphi hat gemeint, dass einige Zeit nach dem Verluste der Augen die Bilder aus den Träumen verschwinden, obgleich der blinde Baczko_ das Gegentheil von sich ausgesagt hatte, H. hat unter jenen Beob- achtungen zehn Individuen aufgeführt, die seit einer Reihe von Jahren an vollständiger Blindheit, also mit Erkranktsein der 'Markhaut, litten und dennoch Gesichtsvorstellungen in ihren _ Träumen halten, woraus erhellt, dass die Integrität der Mark- haut zur Vollziehung derselben nicht nothwendig ist. Dieser Satz lässt sich aueh auf die Sehnerven selbst ausdehnen, denn wo Blindheit, gleichviel aus welcher Ursache, lange Zeit hin- LXXXIX durch bestanden hat, versinkt dieser io Atrophie, welches nicht der Fall sein würde, wenn er durch die von innen aus: ent- wiekelten Gesichtsvorstellungen in reger Thäligkeit erhalten würde. ‘ Ausserdem muss bei mehreren der untersuchten Blin- den wegen der langen Dauer ihrer Blindheit bereits dieser. Zu- stand der Sehnerven vorausgesetzt werden, und dennoch sahen sie in ihren Träumen. ‘So hat auch Esquirol den Fall einer wahnsinnigen Blinden mitgetheilt, welche in ihren Delirien leb- lose Gegenstände und Personen zu sehen glaubte, und in deren Leiehnam beide Sehnerven zwischen Augapfel und Chiasma atrophisch gefunden wurden. Bei Amputirten findet sich eia Aechnliches, sie träumen sich im vollen Besitze ihrer Gliedmas- sen, auf beiden Beinen gehend u. s. w. H. erzählt zwei von ihm gemachte Leichenöffnungen an Personen, welche, die eine seit. vierzig, die ‚andere seit sieben Jahren, auf, einem Auge durch Atrophie des Bulbus und Cirsophthalmie blind waren, und wo sich das Augenstück des Sehnerven dieser Seite ver- dünnt, trocken und verhärtet fand, ohne dass man einen deut- lichen Unterschied ia den Hirnstücken beider Sehnerven erken- nen konnte, und da die bekannten bisherigen Beobachtungen an Einäugigblinden über das Verhalten der Sehnerven hinter dem Oliasma sich widersprechen, indem das Hirnstück bald auf der gleichen, bald auf der entgegengeselzten Seite verdünnt unden sein soll: so mag überhaupt wohl ein erheblicher Un- terschied ‘derselben jenseit des Chiasma nicht bestanden haben. Die Bliodgebornen träumten sämmtlich nicht in Gesichtsvorstel- Jungen. - Unter den Blindgewordenen, welche vollkommen blind waren, haben sich bei keinem, der es vor dem fünften Jahre worden war, Traumbilder erhalten, es ist aber die Gränze der Lebenszeit, wo bei eintretender Blindheit Gesichtsvorstel- lungen in den Träumen fortbestehen und erlöschen, nicht über- all sich gleich, wie überhaupt die Erinnerung an sinnliche Ein- drücke bei verschiedenen Individuen in verschiedene Zeit zu- rückgeht. Im Ganzen ist aber die Zeit zwischen dem fünften und siebenten Lebensjahre für die Erhaltung der Traumbilder entscheidend, und der Grad der Blindheit hat insofern Einfluss, als unter den nicht völlig Erblindeten eich Mehrere fanden, wel- che, obgleich schon früher des Gesichts verlustig, doch noch sehend Sortträumten. Diese Zeit stimmt ungefähr mit der Gränze des in die Kindheit zurückgehenden Gedächtnisses überhaupt, und nach des Verf. gesammelten Erfahrungen merkwürdiger Weise auch mit dem Lebensalter überein, welches bei Taub- ggrrordenen das Vergessen und Behalten der Sprache scheidet. s Fortbestehen der Gesichtsvorstellungen bei denjenigen Blin- den, wo wegen der langen Dauer der Blindheit eine Untaug- lielikeit der Netzhaut und des Sehnerven bis zum Chiasına an- AL be genommen werden muss, erklärt sich nur durch die Thätigkeit des dem Sehorgane gewidmeten Hirntheiles und des Central- endes des Sehnerven selbst (wofern man, was freilich unwahr- scheinlich, nieht eine blosse Fortdauer der Vorstellungen, »ur& Sövawv, in der Seele selbst ohne Theilnahme des Sensorii an ihrer Wiedererweckung statuiren will. Ref.) Aus der Abwesenheit der Gesichtsvorstellungen bei den Blindgebornen und den vor dem fünften Lebensjahre Erblinde- ten wird der wichtige Schluss gezogen, dass den Sinnesnerven die Eigenschaft, auf jeden beliebigen Reiz in der specifischen Weise ihrer Wahrnehmungen zu -reagiren und dadurch Em- pfindung zu erregen, ursprünglich nicht zukomme, sondern dass es der längere Zeit hindurch wiederholten Anregung durch den dem Sinnorgan entsprechenden äusseren Reiz, wle für das Auge durch das’ Licht, bedürfe, um Gehirn und Nerven so zu stimmen, dass später jeder beliebige, auch innere Reiz die glei- che Empfindung hervorbringe. Ref. kann diesen Beweis, durch welchen eins der‘ obersten Prineipien der Sinnenlehre umgestos- sen werden soll, nicht für zulänglich halten, denn sofern aus Mittheilung der Beobachtungen des Verf, ersichtlich, hat der- selbe bei seinen Blinden überall nur nach der Ab- oder Anwe- senheit von Gesichtsvorstellungen oder in räumliche Formen gekleideter Gesichtsempfindungen, wie sie den äusseren. Gegen- ständen entspreehen, nicht aber nach den blossen Empfindun- gen von Licht und Farben geforscht. Niemand wird bestreiten, dass Vorstellungen räumlicher Objeete nicht durch blossen psy- chischen Antrieb geschaffen werden können, wenn sie nicht schon früher durch die Lichtbilder der Netzhaut angeregt wor- den sind, und dasselbe gilt von den einfachen Gesichtsempfia- dungen, die zu ihrem Entstehen freilich nicht des Lichtbildes, aber doch wenigstens einer materiellen Einwirkung bedürfen, denn die Thätigkeit der Psyche in Erweckung derselben ohne körperlichen Anreiz ist nur reproducirend, nicht producirend, und die aus psychischer Veranlassung entstehenden Gesichts- vorstellungen unterliegen den Gesetzen der Reproduction, nach welchen auch ihr Ausbleiben in Folge frühen Erblindens voll- kommen erklärlich ist. Eben so wenig vermögen die allgemei- nen, dem Sinne nicht adäquaten und die organischen Reize, als Druck, Galvanismus, vermehrte Blutströmung, wenn sie das Sehorgan ansprechen, räumlich gestaltete Gesichtsbilder pri- mär zu erzeugen. Daraus folgt aber nicht, dass dieselben, auf die Netzhaut, den Sehnerven und dessen Centralende wirkend, Gesichtsempfindungen zu erwecken unfähig seien; um dies zu behaupten wird erst darzulhun sein, dass die Blindgebornen und früh Erblindeten in Folge solcher Reizung, wie nach ge- nommenem Kampher, Digitalis, Balladonna und ähnlichen Sub- xXcI stanzen ohne alle Empfindung von Licht und Farben: bleiben, welches von vorn herein nicht wahrscheinlich ist, sofern noch die Integrität des sensoriellen Theiles des Sinnesorgans als be- stehend angenommen werden muss, worüber wir freilich noch 80 gut wie nichts wissen. Jedenfalls würden Versuche hier- über, bei welchen aber berücksichtigt, werden müsste, dass Druckbilder bei unentwickelter oder verkümmerter Netzhaut natürlich nicht entstehen können, für die Physiologie der Sinne fruchtbringend sein. Der Verf. untersucht ferner die vielfach besprochene Frage: ob die Sinneseindrücke erst nachdem sie zum Gehirne fortge- gepflanzt worden, in diesem psychisch aufgenommen, in Em- pfndungen verwandelt und nach der Peripherie übertragen wer- den, oder ob die Aclion der Psyche durch den leitenden Ner- ven bis zu dessen peripherischer Ausbreitung sich erstrecke und bier den Eindruck empfange, wobei er sich für den letzten Satz entscheidet, und die bei Amputirten: bleibende Relalion nach den weggenommenen peripherischen Nervenenden des Gliedes durch Uebertragung derselben von den Perceplionen dieser, En- den auf die der Centralenden durch Associalion zu erklären sucht. Es wird für diese Ansicht wieder der Mangel der Traum- bilder nach angeborner oder in erster Kindheit entstandener Blindheit angeführt, allein Ref. sieht nicht, wie dieser bewei- send sein soll, da, wie gesagt, die Seelenaction nur zu secun- dären Gesichtsvorstellungen anregen kann, und über die Ab- wesenlfeit subjectiver Sehempfindungen dureh dem Lichte fremde Anregungen bei diesen Blinden es zur Zeit noch an genauen Erfahrungen fehlt; im Gegentheil schreibt Valentin denjenigen Blindgebornen, in welchen der zum Sehen nötbige Neryentheil tauglich sei, immanente Lichterscheinungen zu. Es wird ferner auf ein fünfundzwanzigjähriges, mit sehr mangelhaften Brust- und Bauchgliedern gebornes Individuum Bezug genommen, wel- ches auch in seinen Träumen sich nie vollständige Glieder be- sitzend oder nie auf wohlgebildeten Beinen einhergehend, son- dern nur in den krüppelhaften Bewegungen der Wirklichkeit empfindet, da doch, wenn die Beziehung der Sensation auf die Peripherie allein von der Afleetion der Centralenden der Ner- ven abhinge, dieser Unglückliche so gut wie ein Ampulirter in den ihm fehlenden Händen und Füssen zu empfinden, und dieselben zu gebrauchen träumen müsste. Hiergegen ist aber za erinnern, dass beim Mangel grösserer Abtheilungen, wie bei ildung der Knochen und Muskeln einer Extremität über- upt, auch die Nervenäste und Stämme, welche normal in die fehlenden Theile sich verzweigen, ebenso wie die entspre- chenden Blutgefässe, immer mangelhaft entwickelt und ganze dahin gehende Nerven ebenfalls fehlend gefunden worden sind xXcHu So hat Ref. an einem Beine, wo der Unterschenkel nur in hal- ber Länge vorhanden und der Fuss sehr verkrüppelt war, den Nervum ischiadicum, tibialem und peronaeum sehr dünne ge- sehen; ähnlich haben es Dumeril, Serlo und Otto in einer grossen Zahl von Fällen beobachtet, der Mangel der Nerven und die Kleinheit ihrer Stämme steht jedesmal in genäuem Ver- hältniss zu dem Mangel der Theile selbst. Bei der Cyclopie ist auch nur ein Sehnerv, und bei der meistens damit verbun- denen Abwesenheit einer Nasenhöhle ebenfalls kein Riechnerv vorhanden, und Ref. hat vor Kurzem eine reife Frucht mit gänzlichem Mangel der Augäpfel und Augenmuskeln untersucht, in welcher zugleich beide Sehnerven und die Nervi oculomo- torii, Irochleares und, abducentes fehlten, wie es auch Vieq d’Azyr, Weidele, Malacarne u, A. gefunden haben. Die- semnach ist als höchst wahrscheinlich anzunehmen, dass in den Nerven eines mangelhaft entwickelten Gliedes auch diejenigen Primitivfasern, welche zu den fehlenden Theilen gehen würden, bis zu den Centralenden hinauf gar nicht gebildet sind, daher dieser Fall von denjenigen Amputirten, in welchen die Nerven- fibrillen des entfernten Theiles nach den Ursprüngen hinauf zu- rückbleiben, wesentlich verschieden ist, und die Möglichkeit von Empfindungen, die auf die Oertlichkeit des fehlenden Thei- les bezogen würden, gänzlich ausschliesst. Es darf mithin aus dem Nichtempfioden der fehlenden Gliedmassentheile nicht ge- folgert werden, dass die peripherischen Eindrücke an Ort und Stelle selbst mit der Psyche in Wechselwirkung treten. ”Wich- tiger für diese Behauptung scheint allerdings das Verhalten des Schmerzes in Neuralgieen zu sein, welcher genau dem Ver- laufe der Nerven folgt, da er doch nach den Lehrsälzen der neueren Nervenphysik in den Hauttheilen empfunden werden müsste, denen der erkrankte Nerv Zweige sendet. Dass letztes in der That zuweilen der Fall ist, hat J. Müller durch Er- fragen an Anderen und Ref. an sich selbst bei einer Neurose der sensitiven Aesie des Ramus maxillaris inferior nervi trige- mini erfahren, indem der Schmerz sich nicht nach der Länge . des N. temporalis superfieialis und alveolaris inferior erstreckte, ‚sondern nur die Endigungen derselben, nämlich die Haut vor dem Ohre und in den Schläfen, dem Gehörgange, einige Zähne der unteren Reihe einnahm, und es fragt sich ob da, wo es sich anders verhält, nicht mehr das Neurilem als das Nerven- mark selbst der Sitz der Krankheit sei. Jedenfalls aber befin- den wir uns hinsichtlich des Wesens der Neuralgieen noch zu sehr im Dunkeln, als dass bei der Anzalıl von Thatsachen, welche der Relalion von den Centralenden nach den ‚periphe- rischen das Wort reden, aus jener Erscheinung allein der ent- gegengesetzte Schluss zulässig wäre. XCIU Die Dauer der Traumbilder nach dem Verluste des Ge- siehts erstreckt sich selbst bei vollkommenem. Blindsein nach 1W’s Erfahrungen durch eine lange Reilie von Jahren, denn es kommen in. denselben Beispiele eines zehn- bis fünf und dreis- sigjährigen Fortbestehens, und zwei des endlichen Erlöschens nach zwei und funfzig bis vier und funfzig Jahren vor; nicht immer aber dauern sie so lange, namentlich nicht, wenn in oder bald nach der bezeichneten Uebergangsperiode das Gesicht verloren ging. . Bei Einigen kommen nur solche Gegenstände in den Träumen vor, welche sie zur Zeit ihrer gesunden Au- gen wirklich gesehen haben, bei früher Erblindeten und jugend- lichen Individuen zugleich nie gesehene Dinge, welche sie mit den. übrigen Sinnen aufgefasst haben und träumend mit den Attributen der Gesichtswahrnehmungen bekleiden. Gesichtshal- lueinationen bei Blinden sind ausser von anderen Aerzten auch vom: Verf. beobachtet worden. Bei den Blindgebornen bewegen sich die Träume im Gebiele der übrigen Sinne, und scheint hier das Gehör der überwiegende zu sein. Am Schlusse der Abhandlung wird ein merkwürdiger Fall von Halbsehen mit Hemiplegie der linken Körperhälfte erzählt, in welchem (die Kranke. vor dem Tode nur die rechte Hälfte des Gesiclitsfeldes salı, und zugleich ein Strabismus parallelus in der Art vorhanden war, dass sie die Augen gleichmässig bis in den rechten Augenwinkel und zurück bis zur Mitte der Au- genlidspalte, aber nicht über diese hinaus nach .der linken Seite bewegen konnte; in den letzten Tagen blieb ausserdem beim Versuche abwärts zu sehen das linke Auge höher stehen. Bei der ‚Section fand sich die rechte Hirnhemisphäre bis auf den Seitenventrikel mit Einschluss des gestreiften Körpers, der aus- wärts daran befindlichen Hirnsubstanz und der äusseren vor- dern Seite des Sehhügels, ockerfarbig erweicht, die übrigen Gehirntheile, die Basis und Nervenwurzeln unversehrt. _Ob- gleich diese Beobachtung, welche sich der Wollaston’schen ‚anreihet, auch in der Erklärung nach der von J. Müller auf gestellten Bedeutung des Sehnervenchiasma, vollkommen mit ihr übereinstimmt, so wird dennoch aus dem beschriebenen Bewe- gungsmangel der Augen, welcher auf gleichzeitiges Leiden des inneren Lweiges vom untern Aste des N. oculomotorius im rechten Auge und des N, abducens im linken hinweist, ein Be- weisgrund wider diese Lehre hergeleitet, sofern aus dem Man- einer Verbindung zwischen diesen Nerven hervorgehen dass die Aufhebung der Funclion eines Theiles zu- ein Unthäligsein eines anderen, im Leben gleichzeitig und ihm entsprechend füngirenden Theiles sympathisch zur Folge haben könne. Das blosse Können macht inzwischen die Sache noch nicht begreiflich, “vielmehr gehört zur Nachweisung der xXcIV Ursache ein Müssen,. welches hier um so weniger beobachtet werden kann, als zahlreiche Beispiele von Nichtergriffensein mit- fungirender Organe sich aufstelien liessen; überdies deutete die Unfähigkeit, das linke Auge zu senken, zugleich auf eine Af- fection des linken augenbewegenden Nerven hin, und es ist daraus zu vermuthen, dass die Alteration oder wenigstens die Untauglichkeit der Hirnsubstanz zur Aufnahme und Leitung der psychischen Eindrücke sich weiter erstreckt haben mag, als bei der Zergliederung die Sinne entdecken konnten. Daraus, dass der rechte augenbewegende Nerv an seinem Abtreten vom Hirn- schenkel gleich diesem gesund befunden wurde, folgt nicht die Integrität seines Ursprunges, weil die Wurzel sich höher, nach Sömmerring sogar bis zur Wand der dritten Hirnhöhle, nach Malacarne zum Theil bis zum Schenkel des kleinen Gehirns, zu den Vierhügeln und dem vorderen Marksegel verfolgen lässt. Wird eine Läsion des Ursprungs dieses Nerven allein voraus- geselzt, wie auch in H’s Erklärung des fraglichen Phänomens geschieht, so lässt sich schon eine andere, Müller’s Ansicht von den Verrichtungen der Augenmuskelnerven congruente und mit der Theorie des Chiasma vereinbare leicht geben. Nehmen wir nämlich den Parallelismus der Sehaxen zur Medianebne beiläufig als ihre willenlose Stellung an, so erfordert die Rich- tung des Blickes nach links zunächst Contraetfion des Rectus internus des rechten Auges, welche aber wegen Erkranktsein seines leitenden Nerven unausführbar ist. Diese Bewegung würde consensuell auch die Einwärtsrichtung des linken Auges zur Folge haben, und zur Ueberwindung dieser würde der äus- sere gerade Muskel desselben Auges durch seinen Nerven be- ihätigt werden. Da es aber zu jener ersten Bewegung nicht kommt, so fehlt auch die Veranlassung für die Action des lin- ken N. abducens, und dieser bleibt gleichfalls unthätig., Ein anderer Einwurf wider die Theorie der ursprünglichen Identität der Netzhäute und zugleich ein Beweis für die vom Verf, be- hauptete Entstehung derselben durch Angewöhnung mittelst der Vorstellungen des Gefühlssirnes wird darin gesucht, dass beim Schielen, welches durch Krankheit eintritt, zwar anfänglich ein Doppeltsehen Statt findet, aber später aufhört. Es ist inzwi- schen die Vorfrage noch nicht gelöset, ob hierbei auch die Em- pfindungen beider Augen gleichzeitig zum Bewusstsein gelangen und nicht vielmehr von denen des schräg zum Objecte gerich- teten abstrahirt wird, welches wenigstens in einigen Fällen er- worbenen Schielens unzweifelhaft der Fall ist. — Nach Ref. Meinung enthalten des Verf. vielseitige Beobachtungen und ihre nächsten Ergebnisse einen schätzbaren Beitrag zur Psychologie des Gesichtssinnes, wenngleich seinen weiteren Folgerungen nicht beigepflichtet werden kann. —— 2 A b; s . a - 4 hr h Pr ee ” ’ ’ . " - .“ BB: > a p SPA, Ban £ 3 ß ei y Per 5 n P- ‚ f 4 ar . > .- > Be " DE ee . h ö Hi» i iur * y Bi ‘ . = ’ re t Page Y ' 1 2 e » B 5 4,7 er 4 4 x EL NE Pr} 2 hd * u ? d + u ER TC 1 = ur Mt 4 ECT Air pe i 0 MORE DERERENT 2. ea er 1 Pi ; y. ar, E“ Pu BR - BERICHT über die Fortschritteder Physiologie im Jahre 1839. Von Dr. Tueonp. Lupw. Wırn. Bıscnorr, ' Professor in Heidelberg, I. Allgemeine Physiologie. Lehrbücher. — Theorieen. — Hülfsmittel. — Infusorienbildung. — Entwickelung von Imponderabilien etc. Auch dieses Jahr hat uns den Anfang eines Lehrbuches über die Physiologie gebracht, und zwar von R. Wagner. Das- selbe soll nach des Herrn Verfassers eigner Aeusserung sich als einleitendes, an die grösseren und selbstständigen Werke von Job. Müller und Burdach anschliessen. Diese erste der vier beabsichtigten Abtheilungen enthält die Lehren von der Zeugung und Entwickelung. Von ersteren ist namentlich das Kapitel der Analyse der keimbereitenden Geschlechtstheile mit Vorliebe bearbeitet, und nicht leicht möchten wir bis jetzt irgendwo eine gründlichere, durch ausgedehnte eigene Arbei- ten gewonnenere Lehre. von dem Saamen finden können. Von der Entwickelungsgeschichte ist die des Hühnchens, der be- kannteren Säugethiere und des Menschen gegeben, und scheint De die Darstellung derselben ganz vorzüglich dem Bedürf- des Studirenden zu entsprechen, während auch der Ken- ner Vieles Neue und Eigene finden wird. Die technische An- ordnung eines Haupitextes und Anmerkungen hat Manchem nicht behagen wollen, wurde aber wohl der grösseren Kürze wegen gewählt, Müller’s Archir. 1840. G XCVI ® “Vielleicht noch wichtiger für das Studium der Physiologie erachlet Ref. die von demselben Herrn Verf. herausgegebenen Teones physiologicae, welche jetzt bereits in 3 Heften been- det vorliegen. Indem unsere physiologischen Ansichlen immer enger mit den erkannten Structur- Verhältnissen, und nament- lich mit den feineren verknüpft werden, die Anschauung der- selben in der Natur aber dem Anfänger meistens unmöglich, und die Kenntniss aus den einzelnen Original- und Special- Werken nur sehr wenig zugänglich ist, so hat ein Werk, wel- ches dieselben Jedem leicht darbietet, einen sehr hohen Werth, und wird gewiss die schönsten Früchte tragen. Die Ausfüh- rung dieser Idee durch den Verf. kann aber von Jedem nur äusserst gelungen genannt werden. Correetheit und Sauber- keit sind überall vorzüglich erstrebt, ohne durch eine zu grosse Ausführung der Zeichnungen den Preis des Werkes zu selır zu erhöhen. Auch die Auswahl des Gegebenen ist meist sehr glücklich, und vielleicht nur das vergleichend anatomische Ma- terial zuweilen entweder etwas zu ausführlich, oder nicht aus- führlich genug benutzt. Ein sehr grosser Theil der Zeichnun- gen ist Original, ' P. M. Roget: Outlines of physiology, with an appendix on phrenology, American edition, revis, will numerous notes by Dunglison, Philadelphia 1839, wird in einer Anzeige in Frikes Zeitschrift XV. 1., Sept. 1840. p. 12., als sehr zeit- gemäss gerühmt. A. C. Pelletier Trait€ de Physiologie m&d. et phylos. Paris 1839. 4 Vol. 8. Ist Ref. nur dem Titel nach bekannt geworden- Der immer weiter um sich greifende Gebrauch: des Mi- kroskopes hat mehrere Schriften zur Anleitung in demselben hervorgerufen, die, wenn sie auch nie die eigene Erfahrung ersetzen können, dennoch dem Anfänger manchen Missgriff ersparen, und manchen Vortheil gewähren können, Es gehö- ren hierhin: Mandl Trait@ pratique du mieroscope et de son emploi dans l’etude des Corps organises etc. Paris 1839. 8to. Chevalier Des microscopes et de leur usage. Paris 1839. _Sto. Martius Du microscope et de son applicalion a Petude des £tres organises et particulier. a celle de l’utricule vegetale et des globules du sang. Paris 1839. Moser Anleitung zum Gebrauche des Mikroskopes. Ber- lin 1839. Sto. L. Moser. Die Gesetze der Lebensdauer, nebst Untersu- chungen über Dauer, Fruchtbarkeit der Ehen, Tödtlichkeit der Krankheiten, Verhältniss der Geschlechter bei der Geburt, XCcva Einfluss der Witterung ete., und einen Anhang, enthaltend die Berechnung der Leibrenten, Lebensversicherungen, Wittwen- pensionen und Tantiene. Berlin 1839. Sto. \ In einer Infusion von Käse, zu welcher nur bis zu 350 bis 400° erhitzte, und dann abgekühlte Luft Zutritt hatte, sah Gaultier de Claubry keine Infusionsthierchen entstehen. (L’institut Nro. 313. p. 456.) Laurent hat die Beobachtung gemacht, dass sich zuwei- len im Innern der Eier von Limax agrestis von der innern Seite der Schaalenhaut oder von der Oberfläche des Embryo, Cryptogamen, die zu den Mucedineen gehören, entwickeln. Sie tödten entweder den Embryo, oder dieser überwindet jene. Im Wasser dringen sie auch durch die Schaale nach aussen. (L’institut Nro. 288. p. 229.) In Beziehung auf Nothwendigkeit äusserer Lebensbedin- gungen und die bekannten Erzählungen von in Felsblöcken eingeschlossenen Kröten, ist eine Beobachtung von John Brown interessant, der eine in eine Kiesschichte eingegrabene, und mit einem Blumentopfe bedeckte Kröte, nach 3 Jahren noch ganz lebendig und kräftig fand. (Mag. of Nat. Hist. Vol. IX, p- 316. Fror. N. Not. Nro. 249.) Schaafhausen Diss. de vitae viribus. Berol. 1839. Wetter Abhandlungen und Untersuchungen aus dem Ge- biete der Naturwissenschaft, insbesondere der Biologie., Giesen 1839. 8. Enthält zwei speculative Betrachtungen: 1) Von der Natur überhaupt und ihrem Urgrunde, und 2) von dem wesentlichen Inhalte des Lebens in der Natur, und verschie- denen damit in Verbindung stehenden Lebenserscheinungen, namentlich von der Freiheit, der Selbsterhaltungs- und Natur- heilkraft, der Sensibilität, Irritabilität und dem Instincte der Thiere und besonders der Pflanzen. Nach Mirbel treiben die Gemmae der Marchantia poly- morpha immer an der Seite, wo sie dem Lichte ausgesetzt sind, Stomata, an der unteren Fläche Würzelchen, wie man sie auch drehen mag. Sind beide aber einmal hervorgebro- chen, so vermag keine Drehung diese einmal gegebene Bil- dungsrichlung zu ändern, indem die Pflanze durch drehendes Wachsthum stets in ihre ursprüngliche Stellung zurückzukeh- ren sucht. Den Einfluss des Lichtes auf das Keimen fand er verzögernd, weil dasselbe das Freiwerden des Kohlenstoffes begünstigt, während es bei dem Keimen darauf ankommt, ihn zu fixiren. (Fror. N. Not. Nro.. 242.) Dutrochet hat Untersuchungen über die Temperatur der Pflanzen angestellt, aus welchen sich ergiebt, dass dieselben im natürlichen Zustande stets eine niedrigere Temperatur als die Atmosphäre besitzen. Dieses wird aber nur durch die G XCVvIn Verdunsiung und Gasbildung hervorgebracht. Hebt man jene anf, indem man die Pflanzen in eine mit Wesserdunst gesät- ligte Atmosphäre bringt, so kann man sich überzeugen, dass die Pflanzen eine eigenthümliche Wärme erzeugen, welche 75 — 4°C, beträgt (L’institut Nro. 285. p. 198. Fror. N. Not. Nro. 221.). Rücksichtlich Arum maculatum fand er, dass dasselbe zur Zeit der Eröffnung seiner Spatha eine um 41—12° C. höhere Temperatur besitzt, als die Atmosphäre (L’institut Nro. 280. p. 151.), und ebenso die männlichen und weiplichen Blüthen, obgleich deren Temperatur nicht so bedeu- tend ist (ibid. Nro. 181. p. 158. und Nro. 312. p. 446.). Er fand ferner, dass Euphorbia lathyris die höchste Eigenwärme besitzt. . Dieselbe tritt bei derselben Pflanze immer zu dersel- ben Stunde zwischen 10 und 3 Uhr ein. In vollkommener Dunkelheit hört die Wärmeerzeugung allmälig auf (ibid. Nro. 308. p- 405.). Vrolik und van Vrise haben ihre früheren Versuche über die Wärme-Entwickelung in dem Kolben von Arum italieum fortgesetzt, und eine Erhöhung der Temperatur bei der in einem Treibhause stehenden, nicht aber bei der im Freien befindlichen Pflanze bemerkt. Bei Colocasia odora trat die Erhöhung der Temperatur von Mittag bis 3 Uhr 45 Min. ein. Das Abschneiden der Spatha hatte keinen nachtheiligen Einfluss. In Sauerstoff war die Wärme-Entwickelung bedeu- tender und der Geruch stärker, in Stickgas beide geringer. (Ann. des sc. nat. Tom XI. p. 65.). Auch van Reik und Bergema haben mit dem Bec- querel-Breschet’schen thermoelectrischen Apparat an Co- locasia odora Wärmemessungen unternommen. Sie beobachteten am 5. September 1838 an dem Spadix dieser Pflanze eine Er- höhung von 22° Cent. gegen die äussere Temperatur. Die Wärmeentbindung war an verschiedenen Stellen der Blüthe und zu verschiedenen Zeiten verschieden (L’institut No. 275. p- 111.). Dieselben haben auch die Angaben Dutrochet’s bestätigt, dass die Ausdünstung der Pflanzen die Ursache ihrer die Temperatur der Atmosphäre nicht überschreitenden Eigen- wärme ist. Denn sie fanden, dass bei einer im Wasser ste- henden IHyacinthe, wenn man das Wasser erwärmte, die Tem- peratur derselben nicht stieg, sondern fiel, was sie von der vermehrten Ausdünstungsthätigkeit der Pflanze ableiten. Bei Verhinderung der Ausdünstung stieg dieselbe um einen Grad über die äussere Temperatur (ibid. No. 297. p. 306.) Fror. N. Not. No. 235. Ueber die Eigenwärme von 17 Arten wirbelloser Seethiere des Mittelmeeres, nämlich Polypen, Medusen, Echinodermen, Schnecken, Cephalopoden und Crustaceen haben Valentin KCIX und Will Beobachtungen angestellt. Sie fanden, dass auch diese alle eine zwar mit der äussern Temperatur variirende, dieselbe aber immer um etwas übertreffende Eigenwärme, näm- lich im Mittel 0,38° C. besitzen. Die grösste Differenz be- trug 1°, die kleinste 0,1°; jene bei Pelagia dentieulala, diese bei Aplysia leporina. In Betreff der einzelnen Thierklassen zeigten die Polypen im Medium 0.205 Medusen +0,27 Eehinodermen -+ 0.40 Schnecken +0,46 Cephalopoden +0,57 Crustaceen +0,60. was ein Steigen mit der höheren Stellung in der Thierreilie anzeigt. Valentin Repertorium. IV. p. 359. Dass die Scheide und der Muttermund während der Ge- burtswehen eine bedeutend höhere Temperatur, nach Gran- ville 120° F., zeigen sollten, ist in drei Beobachtungen von Dunglisson nicht bestätigt worden, welcher dieselbe 100, 102 und 106° F. fand. (American. med. Intelligencer. ‚Febr. 1839. Archives gener. Tom V. p. 486.) Nach Gavarret ist die Temperatur des Körpers im Wech- selfieber im Kältestadium 1—4° Cent., im Hitzestadium nie mehr als 1° höher als im normalen Zustande. Ebenso fand er in dem Frostanfalle, welcher ein typhoidisches: Fieber be- gleitet, die Temperatur 1—4° höher, als vorher und nachher. (Lesperience 1839. 11. Juli. Fror. N. Not. N0.229.) Boul- liaud fand dagegen bei heftigem Fieber die Temperatur: 33 bis 26 bis 41° C©., welche mit Abnahme der Krankheit abnimmt. (Ibid. No. 187.) Hi Nachdem Dr. Winn die Bemerkung gemacht, dass Kaut- schouk die Eigenschaft besitzt, bei rascher Ausdehnung Wärme zu enibinden, so kam er auf den Gedänken, diese Eigenschaft auch bei der mitlleren Arterienhaut zu vermuthen. Und in der That zeigte es sich, als er ein ohngefähr einen Zoll ‚langes Stück der Aorta eines Ochsen etwa zwei Minuten lang ab- wechselnd ausgedehnt hatte, nach Art der Systole und Dia- stole der Arlerien, dass das Thermometer, als dessen Kugel mit dem Arterienstücke bedeckt wurde, um zwei Grade stieg. Der Verf. zieht aus diesen (übrigens wohl nicht mit der nö- thigen Genauigkeit angestellten) Versuchen den Schluss, dass die tierische Wärme zum Theil von dieser Quelle der Aus- dehnung und Zusammenziehung der elastischen Arterienhaut, die er für eine Art Moleeularfrielion hält, abzuleiten sei. (Lond. and Edinb. phil. Mag. 1839. No. 88. March, p. 474.) c Um den Einfluss des Nervensystems auf die thierische Wärmeerzeugung noch auf anderem als dem bisherigen Wege zu prüfen, hat Nasse d. Aelt. das Mittel gewählt, einige Mi- nuten nach Erstickung der Thiere, nachdem das Thermometer bereits einige Grade zu sinken angefangen, heftige eleetrische und mechanische Reize auf das Nervensystem anzuwenden. Es wurde jedesmal danach ein Steigen der Temperatur um ein und mehrere Grade bemerkt. (Ref. hat diese Versuche mit mechanischer Reizung einige Male nicht mit gleichem Er- folge wiederholt. Sie wollten ihm schon deshalb nicht gelin- gen, weil sich die erstickten Thiere, selbst bei einer äusseren, nicht sehr hohen Temperatur, zu langsam, in 20—25 Minu- ten noch nicht um einen Grad abkühlten, worauf dann von der Reizung des Nervensystems gar kein Erfolg ‘mehr zu er- warten war, auch z. B. keine Muskelzuckungen mehr eintra- ten.) Untersuchungen zur Physiologie und Pathologie II. 1., . 115 : Auch Nasse d. J. hat Versuche über die Abhängigkeit der Thierischen Wärme vom Gehirn und Rückenmark ange- stellt. Dieselben zeichnen sich durch ihre Zahl und durch die grosse Umsicht aus, mit welcher sie geführt sind. Alle Um- stände sind berücksichtigt worden, um Fehlschlüsse zu ver- meiden, und die vielfachsten Vergleiche angestellt, um das Resultat zu sichern. Aber gerade diese grosse Umsicht hat auch dahin geführt, kaum irgend ein sicheres Hauptresultat Een zu lassen. Wir erfahren viele einzelne interessante hatsachen, die zur einsligen Lösung der Frage, wenn sie auf diesem Wege gewonnen werden kann, wichtig sein werden; Aber man muss erkennen, dass diese Frage eine der compli- eirtesten der ganzen Physiologie ist, zu deren Lösung die Vor- arbeiten noch lange nicht weit genug gediehen sind. Darin liegt wohl die Hauptursache, dass auch diese Arbeit unbefrie- digt lässt. Es lässt sich daher auch kaum Etwas als beson- ders Wichtiges und Neues und zugleich Ausgemachtes heraus- heben. Als solches möchte zu betrachten sein: dass bei allen zu den Versuchen benutzten Thieren unmittelbar nach der Durchschneidung oder Zerstörung des Lendenmarks ein Sinken der allgemeinen Wärme des ganzen Körpers eintrat, dem über- all nach einigen Stunden ein Steigen folgte, wobei der vor der Verletzung vorhanden gewesene Wärmegrad meist über- schritten ward. Blieb das Thier darauf noch mehrere Tage am Leben, so nahm der mittlere Wärmegrad wieder etwas ab. Diese Erscheinungen entwickeln sich aber verschieden in den vorderen nicht gelähmten, und in den hinteren gelähmten Körpertheilen, und wieder anders in den oberen als unteren Hälften der Extremitäten. Die Untersuchungen, wie und wo- cı durch aber diese Erscheinungen bedingt werden, und in wie- fern namentlich die Veränderungen der Blutbewegung und die Beziehung der Nerven zu dieser dabei beiheiligt sind, haben zu keiner Entscheidung geführt, und auch wohl nicht führen können, weil eben die Vorfragen noch nicht beantwortet sind, Ebendas. Il. 2. p. 190. Dass der Gymnotus eleetricus durch seine elecetrischen Ent- ladungen Wärme erzeuge, davon hat sich Gassiot mit einem Harri’schen Thermo-Eleetrometer überzeugt (Fror. N. Not. No. 219.) Faradey aber fand, dass überhaupt die Erschei- nungen, welche dieser Fisch darbietet, vollkommen mit sonsti- gen electrischen Erscheinungen übereinstimmen, dass namentlich seine Entladungen das Galvanometer aflieiren, Eisen magnetisch machen, Wärme erzeugen, Wasser zersetzen und Funken geben. _ (L’institut No. 180. p. 154.) Die ausführliche Mittheilung der Versuche von Faraday findet sich in den Philosoph. Trans- actions 1839. Part. I. p. 1. Hierbei hat es mich besonders interessirt, dass dieser treflliche Physiker keinesweges wie viele seiner Vorgänger die Nervenkraft für identisch mit Ele- etrieität hält, wohl aber den Gedanken äussert, ob nicht so wie durch die Nervenkraft electrische Erscheinungen, so auch umgekehrt durch Electrieität, nervöse Erscheinungen hervor- _ gerufen werden könnten, nach Analogie der Wärme, der Ele- ‚etrieität und des Magnetismus unter einander. Er giebt auch \ inige Ideen zu Versuchen hierüber an, und gewiss verdient Mi Frage weiter erforscht zu werden. (Fror. N. Not. + Be 259. — _M.Yarrel hat der entomologischen Gesellschaft zu London einen grossen Schmetterling aus dem mittäglichen Amerika über- geben, welcher eleelrische Eigenschaften wie der Zitterrochen und Gymnotus besitzen soll. (L’institut No. 297. p. 312.) z Ueber Matteuci’s Untersuchungen über den Zitterrochen - enthalten Fror. N. Not. No. 185 auch noch in diesem Jahre eine Nachricht, Sie betreffen die Verbreitung einer electri- schen Entladung im Wasser, die auf Frösche noeh in einer Entfernung von 3 Fuss wirkte; den Einfluss der Kälte, wel- che die electrische Kraft oder die Entladungsfähigkeit zerslört, und den Einfluss der Bluteirculation, der für die nächste Zeit nicht bedeutend ist. Ferner untersuchte er die Wirkung künst- lich erregter Electricität auf das electrische Organ und seine Nerven, und findet darin, obgleich er sich selbst überzeugte, dass sich ein Muskelnerve und Muskel ebenso zur Eleetricität verhalten, selır viel Wichtiges, und neue Veranlassung zu sei- ner Ansicht über die Analogie der Nerventhätigkeit und der Eleetrieität. Dennoch zeigen seine Versuche nichts weiter, als dass die Electrieität das kräftigste Erregungsmiltel für die cı Nerventhätigkeit ist, ja sie sind in mehreren Punkten ge- rade sehr geeignet, den Unterschied zwischen beiden dar- zuthun. R } Die im vorigen Jahresbericht p. OXXX, erwähnten Un- tersuchungen Linari’s über den Zitterrochen finden sich auch ausführlich in Fror. N. Not. No. 191. Dr. Heidenreich weiset nach. dass die bisher ziemlich allgemeine Annahme, dass der electrische Zustand der Haut im Rheumatismus gleich O sei, auf durchaus keinen sichern Beob- achtungen beruht, nach seinen Versuchen dagegen überein- stimmend mit Buzzorini im Anfange des Rheumatismus po- sitiv ist, und erst später, wenn derselbe sich durch Schweisse entscheidet, die Electricität verschwindet.: (Fror. N. Not. No. 240. F. Capitaine. These: De P’influence des eourrants ele- etriques sur les corps organises et leur production spontanee pendant la vie. Paris 1839, Enthält eine sorgfältige Zusam- menstellung und klare Kritik des über diesen Gegenstand Be- kannten. Dem Verf. eigenthümlich ist nur seine Hypothese über die Entwickelung der Eleetrieität bei den elecirischen Fischen, die er von einem in denselben Statt findenden Seere- tionsprocesse ableitet. Der eigenthümliche Bau derselben be- zweckt diese Electrieität zu sammeln und zu concentriren. Den Nerven ertheilt er mit Recht nur dieselbe Rolle, die sie auch in Beziehung auf die Functionen anderer Organe spielen. PR IL Vegetative Processe. Mischung. — Verdauung. — Blut. — Wirkung verschiedener in den Kreislauf gebrachter Agentien. ” Kreislauf. — Athmung. — Abson- erung. Nach Fremy stellt die Gehirnsubstanz eine wahre Seife aus Natron und zwei neuen Fettsäuren dar. Ausserdem fand er auch Choleostearine, der Schwefel aber ist nur in dem Ei- weiss des Gehirns enthalten. (Journ. de Chimie med. 1840. I. p. 53. Journ. de Pharmacie. 1840. Febr. p. 125. L’institut No. 311. p. 435.) Mulder hat eine grössere Arbeit über die Zusammen- setzung einiger thierischer Substanzen bekannt gemacht. Sie betrifft die Menge des Schwefels und Phosphors im Faser- und Eiweissstoff, die Elementaranalyse derselben Substanzen, die Bestimmung des Atomengewichtes derselben, die Untersuchung derselben ohne Schwefel und Phosphor, den Pflanzeneiweiss- stoff, die Verbindung des Eiweiss- und Faserstofles mit schwe- cut ibrate, und die Proteinschwefelsäure; Auszüge lassen ch nicht geben. (Bullet. de Neerlande. 1839. p. 104. Erd- mann’s Journal Bd. XVI. p. 129.) Marchand maclıt darauf aufmerksam, dass die Verbrei- tung des Choleostearins eine sehr allgemeine in den festen und flüssigen normalen und pathologischen Theilen des menschli- chen Körpers sei, was wohl damit in Zusammenhang steht, dass dasselbe ein Theil des Blutes ist, in welchem dasselbe Denis, Felin Boudet, Lanson, Lecanu und Marchand selbst aufgefunden. Er theilt sodann sieben quantitative Ana- lysen des Choleostearins aus Gallensteinen, Ochsengalle, aus einer Hydrocele, aus dem Gehirne des Menschen und aus ei- ner hydrocephalischen Flüssigkeit mit, welche so genau mit einander übereinstimmen, dass er mit Recht annehmen zu kön- nen glaubt, dass man in allen jenen Fällen wirklich Choleo- stearin, und nicht einen demselben nur ähnlichen Körper auf- gefunden und ausgeschieden habe. (Erdmann’s Journal für pract. Chemie. Bd. XVI. p. 37.) ' Sehr interessant sind die Untersuchungen über das Vor- handensein des Arseniks in der normalen Zusammensetzung des menschlichen und thierischen Körpers. Nachdem Cou- erbe dasselbe zuerst in Cadavern, die bereits in Fäulniss übergegangen waren, aufgefunden, hat Orfila diese Entdeckun- gen in den Knochen des Menschen, des Hundes, des Schaafes und Ochsen bestätigt. Doch findet es sich hier nur in sehr geringer Menge, aber auch schon im frischen Zustande. In den Eingeweiden des Menschen so wie in den Muskeln konnte er kein Arsenik entdecken, obgleich er es durch vielleicht neue Verfahren für möglich hält. Es ist daher wohl unge- gründet auf diese Entdeckung, auch wenn sie sich ferner be- stäligt, in medieinisch-forensischer Hinsicht ein grosses Ge- wicht zu legen. (Arch. gen. Tom V. p. 375. Journ. de chi- mie med. 1839. Tom V. p. 632.) Die Auffindung von Kupfer und Blei als normale Bestand- theile des menschlichen Körpers ist von Caventou, Pelle- tier, Dumeril und Dumas als Berichterstattern nicht bestä- tigt worden. (Ibid. 26. Avril 1839.) — Auch COattanei und Platner konnten dieselben in den Eingeweiden neuge- borner Kinder nicht finden (Annali universali di medieinali. Avril 1840. Journ. de Chimie med. 1840. Julliet. p. 394.) Ein von Prof. Burdach mit grösster Genauigkeit ange- Versuch mit drei Kaninchen ergab die Richtigkeit der Magendie’s, dass diese Thiere mit ein und dersel- ben 8 z fortwährend gefüttert, ihr Leben nicht erhalten könn Das erste Kaninchen, welches nur rohe Kartofleln FH und phosphorsauren Alkalien, oder die Albuminate cv erhielt, starb am 13ten Tage; das zweite nur mit Gerste ge- fütterte am 34sten; das dritte abwechselnd einen Tag mit Kar- toffeln, den andern mit Gerste, und dann mit beiden gleich- zeilig gefüttert, blieb ganz gesund und nahm zu. (Fror. N. Not. Nr. 245.) Wassmann hat eine interessante Dissertation über die Verdauung geliefert. Er beschreibt zuerst den Bau des Schwei- nemagens, dessen sogenannte Schleimhaut er übereinstimmend mit Purkinje und des Ref. Untersuchungen aus senkrecht nebeneinander stehenden Drüsen Säckchen bestehend fand. Das Secret derselben, also der sogenannte Magensaft, besteht wesenllich aus Zellen und deren Inhalt. Er bereitet daher einen künstlichen Magensaft durch blosse Digestion der Ma- genschleimhaut in Wasser. Das wirksame Prineip in demsel- ben ist das Pepsin, ein dem Eiweisse verwandter Stoff, der sich von demselben nur dadurch unterscheidet, dass er aus seiner sauren Auflösung durch Cyaneisenkalium nicht gefällt wird. Hitze und grosse Menge von Säuren zerstören seine verdauende Kraft; Alkohol vermindert sie. Seine auflösende Kraft ist sehr gross, denn noch 0,0017 P. C. säuerliche Lö- sung des Pepsin lösete ein dünnes Stückchen Eiweiss in zwei Stunden. Doch hat dieselbe gewisse Grenzen, wonach nur, wenn neue Säure zugesetzt wird, aufs Neue Eiweiss gelöset. wird. In Beziehung auf die Säuren fand Wassmann, dass dieselben sehr verdünnt, Eiweiss bei längerer Digestion lösen, wie auch Valentin angab. Durch Kochen lösen sie sogar Eiweiss in sehr kurzer Zeit. Er glaubt daher, dass die auf- lösende Kraft des Magensaftes doch eigentlich den Säuren zu- zuschreiben sei, das Pepsin aber deren auflösende Kraft auch bei einer niedrigeren Temperatur unterstütze und beschleunige. Ausser mit Eiweiss hat Wassmann auch noch mit Blutfaser- stoff und Muskeln, Käsestoff, Bulter und leimgebenden Ge- weben, Schnen, Knorpel und der Hornhaut experimentirt. Sie sind im Magensafte löslich. Die Epidermis dagegen so wie das Horngewebe und elastische Gewebe sind unlöslich. Endlich behauptet Wassmann, dass der Magensaft säugender Thiere die Milch gerinnen mache. (De Digestione nonnulla. Diss. inaug. Berol. 1839.) In Beziehung auf den Bau des Magens hat Henle in seiner Anzeige dieser Dissertation in Schmidt’s Jahrbüchern Bd. XXVI. No, VI. p. 384. einige Bemerkungen hinzugefügt. — Findet sich auch im Auszuge in Fror.N.Not. No. 206. ” Einen Fall von 74tägigem Hungern bei einem Schwach- sinnigen, so wie mehrere andere Fälle von freiwilligem Hun- gertode theilt Thomson mit. (Lancet 1839. 22. June. Fror. N. Not. No. 229.) 7 [7 Von Pappenheim sind Beiträge: Zur Kenntniss der Ver- dauung im gesunden und kranken Zustande, Breslau 1839, mit 4 lith. Tafel gegeben worden. Der kurzen Inhalts- Anzeige nach enthält das Buch Untersuchungen: Ueber die Structur der Magendrüsen; über die chemische Eigenschaft des Magen- saftes und des verd. Principes, Entwickl. Gesch. d. Magen- Drüsen, Methode der chem. Analyse der Schleimhaut, Chem. Veränderung des Eiweisses, Mikroskopische Veränderung der verd. Stoffe, Wesen des Verdauungsprocesses, Verlauf, Notizen zur pathol. Physiol. Der Verf. möge es Ref. nicht verübeln, wenn er nichts Genaueres über den Inhalt seines sehr Vie- les enthaltenden Buches mittheilen kann. Es fehlt demselben so sehr alle Uebersichtlichkeit, dass dieses für diesen Ort un- möglich ist. Ref. erlaubt sich den Verf. zu bitten, seine Un- tersnchungen mehr zu ordnen, dann wird er auch selbst eine grössere Frucht davon erblicken, denn es ist fast unmöglich zu wissen, was in seinen Schriften Alles steht, wenn man sie nicht auswendig kann. Dadurch wird Vieles von seinen fleis- sigen Untersuchungen verloren gehen. Fremy hat die Beobachtung von Berzelius bestäligf, dass der Laabmagen der Kuh Zuckerwasser in Milchsäure um- wandelt (L’institut No. 286. p. 206.). Dieses wird auch von Gay-Lussac bestätigt, der den Vorgang nicht für einen or- ganischen, sondern rein chemischen hält (ibid. No. 288. p. 226.). Ferner will Fremy gefunden haben, dass gewisse Stoffe, wie Manna, Milchzucker, sich bei Berührung mit einer Membran bei 40° in Milchsäure verwandeln (ibid. No. 292. p. 262.). Nachdem F. Simon gefunden, dass der Magen eines neugebornen Kindes Kuhmilch nieht, wohl aber Colostrum einer Frau, Kälbermagen umgekehrt, Colostrum nur unvollstän- dig, Kuhmilch aber vollständig coagulirt hatte, so zieht er daraus den Schluss, dass der Magen eines Säugelhieres nur für die Milch der eigenen Gattung geeignet ist, und dieselbe coa- ulirt. Er fand dann ferner, dass ebenso auch der geronnene äsestoff nur von der gesäuerten Magenschleimhaut derselben Gattung, von welcher der Käsestoff herrührt, schnell und völ- lig gelöset wird, was für die Ernährung des Kindes von glei- cher Wichtigkeit ist. In dem künstlich verdauten Käsestoff ergab sich ferner eine Umänderung der Grundmischung, indem sich in der Flüssigkeit Eiweiss zeigte, die nach Gegenversu- chen nicht von der Magenschleimhaut herrührte. Unter dem Mikroskope > sich sparsame Fettkügelchen in der Flüs- igkeit. Der bei der Verdauung Statt findende organische Chemismus schien ferner den anorganischen Chemismus zu ver- lindern, da Kälbermagen mit Käsestofl digerirt keinen fauli- gen Geruch annahm, wohl aber Kälbermagen mit blossem cvI Wasser digerirt. Ob endlich Kohlensäure sich bei der künstlichen Verdauung entwickelt, blieb ungewiss. (Dies. Arch. 1839. p. 1.) Aus ihren anatomischen Untersuchungen über den feine- ren Bau der Leber ziehen Dujardin und Vergers den auch von Anderen schon aufgestellten Schluss, dass die Art: hepat. höchst wahrscheinlich die zur Verdauung dienenden Theile der Galle, die Pfortader die exerementiellen liefere, demnach die Leber zu 5 ihrer Masse zur abdominalen Hämatose oder Re- spiralion, zu + zur Seerelion von Verdauungssäften diene. (Fror. N. Not. No. 179.) In einem Anhange zu seiner Ausgabe des VI. Bandes von Cuvier’s vergleichender Anatomie giebt Duvernoy eine vor- züglich nach den Daten der vergleichenden Anatomie entworfene interessante Uebersicht über Blnt und Lymphe, ihre Behälter und ihre Bewegung, welche auch in den Ann. des sc. nat. Tom X. p- 300. aufgenommen ist. Ohne gerade absolut neue Thatsa- chen zu enthalten, dient diese Arbeit dennoch zu einer sehr lehrreichen Uebersicht der Resultate, welche eben die verglei- chende Anatomie für die Lehre von dem Blute und dem Kreis- laufe darbietet, und verdient deshalb als eine Bereicherung un- serer physiologischen Litteratur betrachtet zu werden. Von H. Nasse haben wir abermals ausgedehnte Untersu- chungen über die Structur, Bildung und Veränderungen der Chylus-, Lymph- und Blutkörperchen, mit sehr vielen bis zu Hunderltausendsteln eines Zolles getriebenen mikrometrischen Messungen erhalten. Den Chylus hat sich der Verf. meist durch einen Einschnitt in eine Mesenterialdrüse verschafll, eine Methode, die Ref. nicht billigen möchte, obgleich Nasse sagt, dass der Chylus, welchen er aus den Milchgefässen eines Kal- bes aufgefangen, wesentlich mit dem aus den Mesenterialdrü- sen eninommenen gleich gewesen sei. Allein nothwendig mussten bei dieser letzteren Methode Blutkörperchen, sowie Zellen und Zellenkerne der Substanz der Drüse mit zur Un- tersuchung kommen, was die gewonnenen Resultate über die Chyluskügelchen nur zweifelhaft machen kann. Sie sind übri- gens vom Ochsen, Kalb, Katze, Schwein, Hammel, Kaninchen, Hunde und Menschen untersucht, und ihr Verhalten zu ver- schiedenen Reagentien geprüft worden. Nasse unterscheidet vorzüglich zwei Arten, dunklere und hellere; die feinkörnige Grundmasse, welche Ref, vom Chylus des Menschen, Hundes d Kaninchens beschrieben, hat derselbe leider keiner beson- eren Beachtung unterworfen, denn die feinkörnige Masse, welche er p. 8. und p. 18. erwähnt, muss elwas Anderes sein, da Nasse sie für Faserstoff hält, und sie sich im geronnenen Chylus deshalb nicht finden soll. Von den Reactionen auf Aelher ist nur bemerkt, dass die Chyluskörperchen dadurch - cv blasser und kleiner werden, und in Wasser leichter zerfallen, nicht wie es sich dabei mit der weissen Farbe des Chylus verhält. Doch zieht auch N. den Schluss, dass die Chylus- körperchen nicht blosse. Fettkügelchen sein können. Die Lymphe gewann Nasse auf gleiche Weise durch Anschnei- den der Hals-, Achsel- und Bronchialdrüsen, und erhielt des- halb auch eine seinem Chylus sehr ähnliche Flüssigkeit mit denselben dunkleren und blasseren Körperchen. Nur die Lymphe der Milz eines Kalbes, welches einige Stunden vor- her Milch getrunken hatte, wurde aus den Lymphgefässen selbst aufgefangen. Sie war farblos, gerann an der Luft ohne sich dabei mehr als ganz unbeträchtlich zu röthen, enthielt theils grössere blassere, theils schärfer umschriebene kleinere Lymphkügelchen und viele Blutkörperchen, welche letztere Nasse der Lymphe ursprünglich beigemengt erachten zu müs- sen glaubt. Bei einem Kalbe, welches 24 Stnnden gehungert e, war die Flüssigkeit röthlich, enthielt nur wenige grosse mphkügelchen, hingegen lauter vollkommene Blulkörperchen. yischenstufen zwischen Blut- und Lymphkügelchen waren en nicht vorhanden. Nasse glaubt daher, dass 1) Ein mmenhang zwischen Lymph- und Blutgefässen in der exzistire; 2) dass die Milz- kein die Blutkörperchen bil- dendes Organ im Sinne Hewson’s sei, weil man sonst Mit- telstufen finden müsse; 3) dass der Unterschied, ob der Chy- lus ein farbloses oder röthliches Gerinnsel abgebe, von dem ver- schiedenen Gehalte des Chylus an vollendeten Blutkörperchen abhange. (Ref. erlaubt sich hier eine oft wiederholte Erfahrung mitzutheilen, die für die Lehre vom Chylus und der Bildung Blutkörperchen, wie sie nach den Beobachtungen der mei- sten Schriftsteller gelehrt wird, von Wichtigkeit erschsint. ‘öhnlich wählt man den Ductus thoracicus, um den Chy- lus aufzufangen. Hierbei geschieht es nun schon ausserordent- lich leicht, dass etwas Blut mit in das auffangende Gläschen geräth, und es ist erstaunlich, wie wenig Blut hinreicht, dem weissen Chylus eine röthliche Färbung zu geben. Allein sehr bald fliesst meistens nicht mehr viel Chylus von selbst aus. Man wendet dann gewöhnlich einen gelinden Druck auf die Eingeweide des Unterleibes an, wodurch man alsbald wieder reichlich Chylus erhält. Hierbei habe ich mich nun überzeugt, dass selbst schon bei sehr mässigem Drucke alsbald ein Ueber- von Blut in den Chylus, wahrscheinlich in den Mesen- terialdrüsen, vielleicht auch in der Milz erfolgt, und nun ein röthlicher, deutliche Blutkörperchen enthaltender Chylus aus- fliesst, der beim Gerinnen ein noch röthlicheres Coagulum giebt, während der erste. von selbst und frei ausfliessende ganz weiss ist und kein Blutkörperchen enthält. Je nach dem CVII Grade des angewendeten Druckes kann man alle Modificatio- nen des Blutreichthums und der damit parallelen rothen Fär- bung des Chylus hervorrufen. Dieses beweiset, durch wie zarte Grenzen die Blut- und Lymph- wie Chylusbahnen von einander gelrennt sind, wie leicht sie, namentlich auch bei Injectionen, überschritten werden, und daraus Fehlschlüsse entstehen können,) Eine von Nasse gezogene Parallele zwi- schen Cbylus und Lymphkörnchen scheint der Untersuchungs- methode wegen nicht sehr sicher. Nasse hat ferner die für Chylus und Lymphkügelchen gehaltenen Körperchen im Blute genau untersucht, und zwar beim Menschen, Hunde, Katze, Schaafe, Kaninchen, Igel, Maulwurf, Ziege, Schwein, Fleder- maus, Ochs, Kalbe, Taube, Huhn, Feuerkröte, Grasfrosch, Wasserfrosch, Natter und Hechte. Sie finden sich überall, wenngleich verschieden zahlreich, und ihr Vorkommen ist da- her für normal zu halten. Ihre Grösse, ihre Structur und Verhalten gegen Reagentien sind ausführlich angegeben, und endlich ein Vergleich zwischen ihnen und den Chylus- und Lymphkügelchen aus den Lymphdrüsen angestellt, der wich- tig sein würde, wenn die Untersuchung der letzteren zuver- lässiger wäre. Nasse hat hierauf auch die Blutkörperchen, und zwar zuerst die frischen normalen im Blutserum suspendirten von Tbieren aller 4 Wirbelthierklassen aufs Neue genau untersucht und namentlich gemessen. Was die Grössenverhältnisse be- trifft, so ergiebt sich bei den Säugethieren ein interessanter Unterschied zwischen Fleisch- und Pflanzenfressern, indem die Blutkörperchen jener im Mittel 0,000237, dieser 0,000218” messen, also ein Verhältniss von 12:11. Berücksichligt man nur Hund und Katze einerseits, und Ziege und Schaaf ande- rerseits, so ist das Verhältniss sogar 5:4. Die Blutkörper- chen des Menschen verhalten sich zu denen der Pflanzenfres- ser wie 9:7. Bei Natterembryonen sollen die Blutkörperchen kleiner gewesen sein als bei dem erwachsenen Thiere. End- lich folgen auch noch genaue Untersuchungen der Reactionen der Blutkörperchen gegen Wasser (besonders ausführlich), Es- sigsäure, Schwefelsäure, kaustisches Ammonium, Kochsalz, Zuckerwasser, Kochsalz in Verbindung mit kaustischem Am- monium, Aether, Sauerstoff und Kohlensäure, und Betrachtun- gen über die Zersetzung des Blutes innerhalb und ausserhalb des Körpers. Den Beschluss machen noch mehrere andere Betrachtungen über die Natur und Structur der Blutkörper- chen, von denen Ref. nur hervorhebt, dass nach Nasse die Hülle der Blutkörperchen nicht bloss aus einem Bläschen be- steht, sondern substanzhallig ist, Sie muss nach ihm aus Fa- cIX serstoff bestehen. (Untersuch. zur Physiologie und Pathologie. IL 4. p. 1— 114.) Hamburger theilt in seiner Diss. Experimentorum eirca sanguinis coagulalionem specimen primüm. Berol. 1839. zahl- “ reiche Beobachtungen über die Einwirkung chemischer Agen- tien auf frisch aus der Ader.gelassenes Blut, namentlich in Beziehung auf den Gerinnungsprocess und Farbenveränderung mit. Er wandte Säuren, Alkalien und alkalische Salze, Me- tallsalze, Narcotica, Adstringentia, Jod, Coloquinthen, Jalappe, Rad. Colchiei, Ipecacuanha, gebrannten Kaffee, Amylum, Gummi arabieum, Zucker und Urin an. Von der Wirkung er Säuren und Salze, die auch früher schon bekannt waren, hiebe ich hervor, dass Säuren auch das geschlagene faserstofl- freie Blut in eine klebrige, schmierige, braunschwarze, bald Oel, bald Syrup ähnliche Masse verwandelten. Morphium acelicum und Strychninum nitricum brachten schnell ein braun- schwarzes Coagulum hervor, Opium und Decoct, Nueis Vo- micae dagegen keine Veränderung. Decoct. Digit. purp. und Herb. nicotian. hatten dieselbe Wirkung wie Strychnin und Morphium. Die Adstringentia bewirkten ebenfalls ein festes braunschwarzes Coagulum. Die Coloquinthen ete. keine Ver- änderung; das Jod erzeugt sogleich ein schwarzbraunes Coa- gulum. Amylum, Gummi arab. und Zucker verhinderten die Gerinnung nicht, und brachten eine braunrothe Farbe hervor; Urin ebenso. Frische Galle bewirkte eine hellrothe Verflüssi- gung. (Fror. N. Not. No. 258.) Ueber die Gerinnung des Blutes hat Prevost mikrosko- pische Beobachtungen angestellt, welche nichts Neues ent- halten, sondern nur darthun, dass der vorher aufgelösete Fa- serstof dabei fest wird, und die Blutkörperchen mechanisch einschliesst. (Bibl. univ. de Geneve. Mars 1839, Fror. N. Not. No. 220.) Auch Letellier hat Untersuchungen über das Blut an- gestellt, welche meistens nur Bekanntes ergaben. Er schlägt die Menge der Blutkörperchen auf 0,083—0,155 an. Le Temps 1839. 11. Avril. L’institut No. 276. p. 118. Henri Lambotte hat einige Beobachtungen über die Blutkörperchen bekannt gemacht, die keine grosse Vertraulich- keit mit diesem Gegenstande beweisen. Bei dem Gebrauche einfacher Linsen glaubt er sich überzeugt zu haben, dass der Kern der Blutkörperchen eine optische Täuschung sei. Auch behauptet er die Auflöslichkeit der Blutkörperchen nicht nur in Wasser, sondern auch in Athemdunst. (Bullet. scientif, de Acad. royal de Bruxelles 1839. 2me Partie. p. 130.) Bemerkungen zum Status quo der Kenntniss des Blutes hat Prof. Mayer gegeben. (Fror. N. Not. No. 190) Er ex fand beim Dromedar runde und ovale Blutkörperchen, salı aber auch bei anderen Säugethieren und beim Menschen unter den vielen runden einige ovale. Beim Frosche sah er öfter, dass die ovalen Blulkörperehen sich in runde, und diese wie- der in ovale umgestalten, in Folge vitaler Wallungen. Bei den Säugethieren und dem Menschen sind die Blutkörperchen anfangs concav, halboval und dann biconcav ete. Der Kern der Menschenblutkörperchen scheint aus 6, der des Frosch- blutes aus 21—22 Körnchen zusammengesetzt zu sein. Die Lymphkügelehen im Blute haben alle eine Hülle und sind identisch mit den Kernen der Blutkörperchen. Die Blutkör- perehen bilden sich so, dass kleine Kügelchen sich zu 3 bis 4 Mal grösseren Massen als die Blutkörperchen vereinigen, und dann durch das Eisenoxyd des Farbestofles coagulirt und ad- stringirt werden, wobei der ausgepresste Faserstoff als klare Hülle oder Blase erscheint. (Unter ähnlichen Erscheinungen hat Ref. sich auch Zellen bei seinen Untersuchungen über die Entwieckelungsgeschichte bilden sehen. Wenn z. B. bei dem Froscheie ‚der Dotter durch die bekannten Furchungen in eine sehr grosse Zahl von schwarzen und grauen Kugeln zerlegt ist, so sieht man an ihnen Anfangs keine Zellenmembran. Setzt man nun aber Wasser zu, so sieht man von dem Um- fange der Kugel sich mehrere wasserhelle Blasen erheben, die sich vereinigen und endlich eine helle Zone um die Kugel bilden. ‘Nach einiger Zeit füllen die Molecule der Kugel die- sen ganzen Raum wieder aus. Es fragt sich, ob sich dabei bei Berührung des Wassers mit den Kugeln die Zellenmem- bran bildet, oder ob dieselbe schon früher verhanden war, aber wie bei allen dicht angefüllten Zellen nicht zu erkennen war, dann aber das Wasser eindrang, die Zellenmembran er- hob, so dass sie sichtbar wurde, darauf aber die Dottermole- eule sich wieder gleichmässig in der Zelle verhalten. Doch ist mir ersteres wahrscheinlicher, und den von Ascherson beobachteten Erscheinungen analoger.) Der Faserstoff besteht aus den in. die Länge gezogenen Hüllen der Blutkügelehen, und vorzüglich der Lymphkügelchen. Die Eiterkügelchen sind Modificationen jener primitiven Blutkügelchen. Die Hülle der Blutkügelchen ist eine aussen platte, innen weiche halbflüssige Haut; zwischen ihr und dem Kern ist seröser Dunst. Das Serum ist die Quelle der Elemente der Blutixerne, oder ent- hält die Primitivkügelchen in sich. Dann folgen noch einige Worte über die Flimmerbewegungen, als hervorgebracht durch Urmonaden. Carus hat auf die grosse Aehnlichkeit der Gährung mit der Blutbildung aufmerksam gemacht. So wie sich nämlich dort unter Aufnahme von Sauerstofl, Ausstossen von Kohlen- cxI säure und Entwickelung von Wärme in wässrigem Pflanzen- schleim oder Traubensaft die bekannten Bläschen oder Zellen entwickeln, so sehen wir unter den vollkommen analogen Er- scheinungen bei dem Athemprocesse aus dem Eistoffe die. Bil- dung der jenen Bläschen gleichfalls sehr ähnlichen Blutbläschen erfolgen. In der Leber aber scheinen diese Blutbläschen unter Bildung der Galle wieder unterzugehen, wofür schon Schultz Thatsachen beigebracht hat. In letzterer Bezieliung erinnert Carus an das Grünwerden des in den Gelässen eines todten thierischen Körpers stockenden Blutes, wobei sich endlich die Blutbläschen ganz in eine grünliche Flüssigkeit auflösen. End- lich erwähnt Carus auch der grossen Aehnlichkeit der Bläs- chen einer gährenden Flüssigkeit und der Blutbläschen mit dem Eibläschen. v. Ammon’s Zeitschrift. 1839. I. p. 51. Zu der schon im vorigen Jahresbericht p. CXLIII. mitge- theilten Beobachtung von Mandl, dass das Dromedar und der Alpaca elliptische Blutkörperchen besitzen, ist noch hinzu- zufügen, dass dieses nach ilım auch beim Kamele der Fall ist. (Linstitut No. 310. p- 427.) Dagegen fand er und die Com- missarien Milne Edwards und Geoffroy St. Hilaire bei anderen seltenen Säugethieren, dem Pavian, Gouennou, Najou, Coati, Kinkajou, Elephanten, Tapir, Yigpetai, Antilope, Hirsch, Känguruh diese Ausnahme nicht. Ebenso zeigten auch der Strauss und Kasuar die gewöhnlichen elliptischen Vogelblut- körperchen. Ann. des sc. nat. XI. p. 46. Fror. N. Not. No. 184. Bei Crocodilus Iueius fand Mandl die Blutkörperchen sehr schmal, z;—;%5 Millim. lang und +4, — +; breit; die vom Proteus bestimmte er zu „;— 7% Millim. lang und +; breit. Ann, des se. nat. XII. p. 189. institut No, 313. p. 454. Gulliver hat auch die Blutkörperchen von Auchenia vi- eugna; Paco und Llama deutlich elliptisch gefunden, bei A. vicugna etwas kleiner als bei den anderen Arten. Bei Pera- meles Lagotis, Petaurus seiurus, Macropus Bennetii, Dasyu- zus ursinus und viverrinus fand er dagegen die gewöhnliche runde Scheibenform. Dem Moschusthiere (Tragalus Javanicus) schreibt er die kleinsten Blutkörperchen aller bis jetzt unter- suchten Säugethiere zu, nämlich im Durchschnitt „4455 Zoll als Mittel zwischen 45 — 17455: (Annals of nat. hist. Dec. 4839. Lond. and Edinb. philosoph. Magaz. XV. p.495. Fror. N. Not. No. 268.) } Auch Owen hat in Beziehung auf die Blutkörperchen mehrere seltene Thiere des zoologischen Gartens untersucht. Die Blutkörperchen des Elephanten waren gewöhnlich runde, biconcave Scheibehen, allein sie wichen in Beziehung auf ihre Grösse mehr voneinander ab, als gewöhnlich. Die grössten Müller's Archiv, 1840. u CX1 waren noch einmal so gross als beim Menschen, die kleinsten hatten denselben Durchmesser wie bei diesem, welchen Owen nach Messungen von Bowerbank auf z.55 Engl. Zoll an- nimmt. Dagegen komnte er keine der Formyarietäten bemer- ken, welche Schultz in Berlin bei dem Elephanten 'beobach- tete. Zwischen den Blutkörperchen fanden sich auch einige Lymph- und Chyluskügelchen. ‘Das Rhinoceros zeigte eben- falls runde, biconcave Blutkörperchen von nicht so abweichen- der Grösse, doch im Durchschnitt um ein Sechstel kleiner als beim Menschen, nämlich zwischen „s—r:;r E. Z. Beim Eintrocknen zeigten sie eine körnigere Beschaffenheit als die Blutkörperchen anderer Thierarten. Bei dem Dromedar fan- den sich elliptische Blutscheiben, 37, Z. lang und 737 breit, dazwischen auch einige runde. Die Giraffe besass runde bi- concave Blutscheiben, 4 kleiner als beim Menschen, nämlich us bis 70 Z., das Gürtelthier ebenfalls runde biconcave, 755 E: Z. im Durchmesser haltend. (Lond. med. gaz. 1839. “45len Nov. Fror. N. Not. No. 268.) Schultz hat ebenfalls Blutkörperchen des Venenblutes ‚eines durch Blausäure vergifteten Elephanten untersucht. Er fand sie äusserst verschieden in Form und Gestalt, und alle Entwickelungsstadien darbietend, welche sie sowohl bei Em- ’bryonen als auch in .den verschiedenen Thierklassen zeigen; ‚also sowohl grosse runde farblose Bläschen mit einem Kerne, als auch gewöhnliche abgeplattete farbige, und alle Uebergangs- formen; ferner runde und elliptische. Letztere Form hält ‘er ausserdem für eine ‚allgemeine Entwickelungs - Stufe 'bei den Säugethieren, und sie soll sich namentlich auch bei andern Herbivoren finden. Dieses Archiv 4839. p 252. Hierzu erlaubt sich Ref. nur zu bemerken, dass er nie bei Säugethier- Embryonen diese elliptische Form bemerkte, während hier die Zellennatur in früher Zeit sehr deutlich ist. Dagegen kann er Donn& nicht beistimmen, welcher behauptet, dass die Blut- körperchen des Hühnchens im Eie nicht Anfangs rund, son- dern zu jeder Zeit elliplisch seien,; und nur die Anwendung des Wassers zu dieser Angabe veranlasst habe. (Linstitut No. 300. p. 322.). Denn auch hier finden sich Anfangs ganz deutlich runde Zellen mit einem Kerne. Doch muss man sich hier, und überhaupt bei Embryonen, in Acht nehmen; denn die ‚Zellenmembranen sind äusserst zart und fallen leicht zu- sammen, so dass leicht elliptische und andere Formen ent- stehen. Iünefeld hat das Blut des Regenwurmes untersucht. Im Widerspruch mit Carus und .R. Wagner fand er und Creplin keine Blutkörperchen in-demselben. Es gerann nicht, schien aber dennoch Faserstoff zu enthalten (?). Es reagirte exın schwach alkalisch, enthielt bestimmt Eisen; coagulirte durch -Sieden schwach, wurde dabei Anfangs ‚schmutzig weiss, nach- her wieder klar. Zu den Säuren und übrigen chemischen Reagenzien verhielt es sich wie anderes Blut. Weingeist coa- gulirt es; Aetzammoniakflüssigkeit: färbte es bräunlich gelb, nachher schmutzig-gelbweiss. Die atmosphärische Luft färbte es hoch kirschenroth. Erdmann’s Journ. Bd. XVI. p. 152: Wiegmann fand die Blutkörperchen bei einer kleinen Leptomera, von länglicher Gestalt, an beiden Enden verdünnt, spindelföürmig. Dessen Archiv. 1859. p. 111. m vorigen Jahresbericht haben wir des Werkes von Denis über das Blut erwähnt. Von demselben hat Lecanu einen ausführlichen Bericht erstattet. Journ. de pharmacie 4839. Tom XXV p. 224. Was die wesentlichsten und ab- weichenden Punkte jenes Werkes betrifft, so besteht Lecanu auf dem Vorhandensein der freien Kohlensäure, des Sauerstof- fes und Stickstoffes, des salzsauren Kalis und milchsauren Al- kalis in dem Blute, welche Denis bestritten. Dagegen giebt er eine blaue färbende Materie, welche Chevreul und er selbst in dem Blute ieterischer gefunden, als normalen Be- standtheil zu, bestreitet aber die Ansicht, dass das Eisen als Oxyd im Blute sei, während er der Meinung von Berzelius beitritt. Den Hauptpunkt des ganzen Werkes aber, nämlich die behauptete Identität des Faserstoffes und Eiweisses, be- trachtet Lecanu bis jetzt nur noch als eine Hypothese, und erhebt dagegen gewichtige Zweifel. Da mehrere Chemiker die Umwandlung des Faserstofls in Eiweiss bezweifeln, so giebt Denis die Quantitäten ‘der Salze an, welche dazu verwandt werden müssen, nämlich: Wasser 580, Aetznatron 0,7, schwefels. Kali 0,8, schwefels. Natron 30,8, phosphors. Natron 0,4. Chlornatrium 40 Theile. Nach 1, 2, 3 Tagen soll darin der Faserstofl ganz aufgelöset und die Solution dem Blutserum mit Ausnahme der neutralen, fet- ten und färbenden "Theile ganz gleich sein. (Gaz. med. 1839. No, 15. | Mulder hat den nach Lecanu’s Verfahren rein für sich abgeschiedenen Farbestoff des Blutes untersucht. Das Blut wird in einer drei- bis viermal grösseren Quantität einer Auf- lösung von schwefelsaurem Natron aufgefangen, als die ange- wandte Blutmenge. Nach einigen Stunden theilt es sich dann in eine obere durchsichtige, und ‚eine untere rolhe, aus den Blutkörperchen bestehende Schicht. Dann wird Schwefel- säure zugetröpfelt, durch welche ein Gemenge von Doppelpro- teinschwefelsäure und Karbestoff gefällt wird. Der Nieder. schlag, auf einem Filtrum gesammelt, wird mit dureh einige Tropfen Schwefelsäure gesäuertem Alkohol behandelt, in wel- SXIV ‚chem sich der Farbestoff auflöset, während die Doppelpröfein- schwefelsäure weiss zurückbleibt. Nun wird filteirt, Ammo- niak zugesetzt, von Neuem filtrirt, abgelampft und der Rück- stand mit Wasser, Alkohol und Schwefel behandelt. Endlich wird der Rückstand in mit Ammoniak alkalisch gemachtem Alkohol aufgelöset, filtrirt, abgedampft, mit Wasser behandelt, getrocknet, und so erhält man den reinen Farbestoff. Derselbe zeigt sich zusammengeselzt nach sechs Versuchen aus Kohlen- stoff 44, Wasserstoff 44, Stickstof! 6, Sauerstoff 6, Eisen 6. Seine sonsligen Eigenschaften und Reactionen werden ausführ- lich beschrieben. Während Lecanu im Menschenblute 10, im Rindsblute 12,85 bis 12.67 Proe. Eisenosyd fand, erhielt Mulder im Rinds- und Schöpsenblut constant 9,6 Proc. Ein Unierschied des arteriellen und venösen Farbestoffes blieb un- entschieden. Mulder vermuthet, dass er in dem Zustande ‘des Eisens zu suchen sei. — Mulder hat ferner die Blutkör- perehen, denen der Farbestoff auf obige Weise entzogen ist, untersucht. Sie bestanden aus Kohlensäure 54,11, Wasserstoff 7.47, Stickstoff 15,70, Sauerstoff 20,52; Schwefel 2,50, also sehr ähnlich dem Eiweiss und Faserstoff. (Ref. gesteht, die- ses nicht zu verstehen. Die ihres Farbestoffs beraubten Blut- körperchen, also vorzüglich die Kerne, des Säugelhierblutes für sich isolirt darzustellen, ist, so viel er weiss, noch Nie- mandem geglückt.) Der Blutkuchen, dem der Farbestoff ent- zogen war, zeigte sich zusammengesetzt aus Kolılenstoff 53,77, Wasserstoff 7,19, Stickstoff 15.63, Sauerstoff 19,48, Schwe- felsäure 3,95. Bullelin de Neerlande. Jan. 1839. p. 76. Erdmann’s Journal Bd. 17. p. 318. Ein Beitrag zur Chemie des Blutes hat F. Simon gelie- fert, in welchem er nachweiset, dass das Blutroth aus Häma- tosin und Käsestoff besteht, welchen letzteren Mulder und Berzelius vorläufig als einen besonderen Stoff, Globulin, be- zeichnet hatten. Auch giebt Simon ebendaselbst quantitative und qualitative Analysen von sieben verschiedenen Blutarten. Archiv für Pharmacie. 1839. XVII. p. 35. Diese Analysen finden sich fortgesetzt und durch 10 an- dere vermehrt, ebendas. 1840. XXI. 3. p. 269. Es findet sich darunter die Analyse des Blutes eines 34 jährigen Mädchens, einer Schwangeren, eines Menstrualblutes, vier Analysen des Blutes eines rotzigen Pferdes, des Blutes von Cyprinus carpio und Tinca, und von Bufo variabilis. Derselbe hat die Beobachtung gemacht, dass, wenn man Kalbsblut mit Provenceröl schüttelt, die Blutkörperchen in verschieden langer Zeit verschwinden. (Pharmaceut, Central- blatt, 1839. p. 43. CKV %-Gulliver hat beobachtet, dass Faserstof, der Blutwärme. ausgeselzt, in ungefähr 40 Stunden ‚sich erweicht, und die sistenz und Farbe des Eiters annimmt, von welchem er h leicht durch das Mikroskop zu unterscheiden ist. r.hat hierauf gefunden, dass sehr oft eiterähnliche Coagula, die man in dem Herzen, Arterien und Venen findet, und für Eiter gehalten hat, von diesem wesentlich verschieden, und wahrscheinlieh nur erweiehter Faserstoff sind, so dass Erwei- chung des geronnenen Faserstofles ein häufiger pathologischer Process zu sein scheint, den man oft mit suppurativer Phle- bilis verwechselt. Lond. med. chirurg. Transact, 1839. XXI. . 136. (Sellte dieses nicht auch oft blosse Leichenerschei- ung sein? Ref.) Eine Abhandlung von Chevallier über das Blut, in dem Journ. de Chimie med. Tom. V. p. 427. und 490., 1839, hat mehr medicinisch-forensisches als physiologisches Interesse. James Blake hat Versuche über die physiologische Wir- kung verschiedener in den Kreislauf gebrachter Agentien an- gestellt, die weniger die Wirkungsweise dieser Agentien über- haupt, als durch die Anwendung des Hämatodynamometers ihre Beziehung zu dem Kreislaufe erläutern. ‚Blake überzeugte sich zunächst durch dieses Instrument von der grossen Abhän- gigkeit der Herzthätigkeit von dem Athemproeesse, indem mit der Unterbrechung und Wiederunterhaltung desselben der Blut- druck in dem Instrumente als Ausdruek der Herzthätigkeit so- ga fiel und stieg. Magendie’s. Angaben über die Wir- ung der Bluttransfusion in dieser Beziehung nimmt er als richtig an; bei Einspritzung von Wasser fand er aber nicht eine Verminderung, sondern eine Vermehrung des Blutdruckes. Die übrigen von ihm infundirten Substänzen bringt er in vier Klassen, die vorzüglich nach den Resultaten des durch sie ver- änderten Blutdruckes gemacht worden sind. Die Stoffe der ersten Klasse, salpetersaures, arseniksaures, kohlensaures Kali, kolilensaures Natron, Ammonium, Jodarsenik, Oxalsäure und Galläpfelaufguss, wirken nach ihm direct auf das Herz, und bewirken in hireiehender Gabe den Tod, durch directe Sus pension der Herzthätigkeit, wahrscheinlieh durch ihren chemi- schen Einfluss auf das Blut. Stryehnin. dagegen, Conin a säure, die Stofle der zweiten Klasse, wirken nicht so di-. reet auf das Herz, sondern auf das Nervensystem, und tödten von diesem aus, während das Herz noch sehlägt und reizbar in In die dritte Klasse bringt er Stofle, Tabak, Euphorbium, igitalis, von denen er aunimmt, dass sie direct auf die Ca- vilgelie, und von hier aus auf das Herz wirken, weil sich weder auf das Herz noch auf das Nervensystem eine solche diveete Wirkung herausstellte, und dennöch- der Blutdruck CXVI grosse "Veränderungen" erfuhr. » Die vierte Klasse’endlich win- fasst Stoffe, Morphium, Canthariden, Salpetersäure,-deren Wir- kung sich nicht in einer der obigen Arten äusserte, sondern die verschiedene Wirkungen hervorbrachten. Edinb. me and surg. Journ. 1839. April. Fror. N. Not. No. 236. » Ar- chives ‘gen. Tom. V. p. 289. Lond. med. gaz. 1839. June. p- 510. Se Waterton hat interessante Versuche mit dem Wunali- Gifte ‚angestellt, in welchen durch künstliche Respiration bis zu dem Zeitpunkte, wo die Wirkung des Giftes aufgehört hatte, das Leben erhalten wurde. The Lancet. 1839. d. 48. May. Fror. N. Not. No. 220. Dabei wird an zwei Fälle von Lebensrettung durch künstliche Respiration bei narcot. Vergiftungen erinnert. (Fror. Not, Bd. XIX. p.176., und N. Not. Bd. II. p. 222. ‚In einem einzigen Versuche will Wells gefunden haben, dass, wenn man bei einem Kaninchen beide Sympathiei in der Lendengegend durchschneidet, und nun in eine Wunde des Oberschenkels Blausäure bringt, dieselbe viel später als sonst, erst nash 16 Minuten, den Tod veranlasste. Eine Discussion, welche sich darüber zwischen ihm und Allnatt entsponnen, indem derselbe mit Recht bezweifelt. ob aus einer solchen iso- lirten Beobachtung irgend ein Resultat zu entnehmen sei, ent- hält sonst keine neue Belehrung. Die im nächsten Jahresbe- richt. zu erwähnenden Versuche von Blake werden wahr- scheinlich geeignet sein, Well’s Ansichten zu berichligen. Lond. med. Gaz. 1839. Juli. p. 656., August 724. und 803 und Sept. 889. ‚John Percy hat Versuche über das Vorhandensein des Alkohols in dem Gehirne von Tbieren und Menschen ange- stellt, welche durch den übermässigen Genuss desselben ge- tödtet waren. Er will denselben durch Destillation der Ge- hirnsubstanz dargestellt haben. Er fand ihn ausserdem im Blute, im Urin, der Galle und der Leber, und nimmt neben seiner allgemeinen Wirkung nach Absorption auch noch eine locale auf die Nerven des Magens an. An experimental In- uiry. on the presence of Alcohol in the Brain. Lond. 1839. b. med. a. surg. Journ. No. 65. p. 253. a -- @. €. Mitscherlich hat seine Versuche über die Ein- erahıe chemischer Agentien auf den thierischen Organismus. Ki EN dem Silber und den Verbindungen desselben fortgesetzt, Med. Vereins Zeit. 1839. No. 27. Er stellte zunächst Versuche über das Verhalten ‘der. Silbersalze, namentlich des salpeter- sauı Silberoxyds zu Eiweissstoff und demselben ähnlichen organischen Substanzen an, und fand, dass dieselben dabei ähnliche. Eigenschaften haben, wie schwefelsaures Kupferoxyd, CXvu Eisenoxyd und Thonerde. Sie gehen mit dem Eiweissstoffe. eine Verbindung ein, ‘die in Wasser unlöslich ist, in -Essig- säure, kaustischem Ammoniak und Kali sich .auflösel, das Sil- reroxyd kann aber in diesen Verbindungen und nach Zerstö- bung der organischen Substanz nachgewiesen werden: Die Einwirkung des salpetersauren Silberoxyds auf den thierisehen Organismus beruht auf der Bildung solcher Verbindungen; die Anfangs eine weisse Farbe haben, durch das Licht aber nach und nach braun, fast schwarz werden. ‘Im: angefüllten‘ Mag verbindet es sich mit. den Bestandtheilen des Mageninhaltes, ohne die Magenwände anzugreifen, und insofern dabei lösliche Verbindungen entstehen, kann eine Resorption derselben ‚Statt finden. Die örtliche Application dieses Salzes scheint nach Versuchen an Kaninchen keine durch Resorption bedingte all- gemeine Wirkung nach sich zu ziehen. Da sich bei ilır so- gleich unlösliche Verbindungen bilden, die das weitere: Ein- dringen in die Tiefe hindern, so eignet sich dieses Salz auch nur zur oberflächlicher Aetzung, während z. B. das Kali cau- stieum in die Tiefe dringt. Ueber die Wirkung des salpeter- sauren Silberoxyds beim innern Gebrauche werden später-Un- lersuchungen bekannt gemacht werden: ya are Dr. Knaffl stellte bei einem durch drei Schläge auf den Kopf getödteten einjährigen Kalbe. Beobachtungen über die Herzbewegungen an. Er unterschied folgende drei distincte Bewegungs-Momente. Erstens: Nach der letzten Coutraclion wurde das Herz schlaf, füllte sieh mit Blut und legte sich nach links, Zweitens: Hierauf richtele es sich mit Kraft: ver- tical auf, nahm eine cylindrische, wurstähnliche Geslalt an, so dass die Spitze die Brustbeingegend fast erreichte. Drit- tens zog sich nun das Herz von der Spitze gegen den’ Grund zusammen, wobei es breit wie ein Kuchen wurde. ‘ Hieran schliesst er folgende Reflexionen. Zuvörderst die Relaxation desHerzens ist ein passiver Zustand, und das Herz wirkt nicht als Saugapparat auf die Blutmasse. Die Contraction der Herz- kammern ist ferner aus zwei Momenten zusammengeselzt. ‚In dem ersten wirken ihre()uerfibern. Dadurch werdeu sie selbst und auch die in ihnen enthaltenen Blutmassen eylindrisch ge- formt, und letztere dadurch geeigneter, in den cylindrischen- Raum der Arterien hinein geschoben zu werden; auch tritt schon ein Theil desselben durch die Arterienklappen hindurch. Dabei entsteht das erste Herzgeräusch und der Herzschlag, je- nes durch die Ueberwindung der Aortenklappen. dieser durch. den Anstoss. der Herzspilze an die Brustwände, In dem zwei- ien Momenle contrahiren sich die Längsfibern des Herzens. urch wird dasselbe glalt,; und die in An I enthaltene Blutsäule vollends in die Aorten. hineingelrieben; dabei stossen cvuI die Herzkammern an die Vorkammern; an den Herzbeutel und andere benachbarte Theile an, und hierdurch entsteht das ‚zweite Geräusch. Der Verf. erklärt dann noch den Pulsus dierotus und den Venenpuls nach seiner Ansicht. Ersterer wird durch eine stärkere Sonderung des Axen- und Basilar- stosses der Kammern, die sonst in einander übergehen, be- wirkt, und dadurch dem Blut ein doppelter Stoss ertheilt. Letzteren leitet er von der Wirkung des (ueerstosses der Kammern auf das in den Vorkammern enthaltene Blut ab. Med. Jahrb. des östr. Staates. Bd. XX. St. 1. p. 98. In einem Aufsatze von .Nevermann: Physiologische Er- örterungen über die Vitalität des Herzens, v. Ammon’s Zeit- schrift. 1839. May. p. 294., welcher vorzüglich die Abhängig- keit desselben von dem Nervensysteme beleuchtet, findet sich nichts Neues über diesen Gegenstand. - In seiner Schrift: Ueber Auscultation und Percussion. Wien. 1839., vertheidigt Skoda Gutbrods und seine An- sicht, dass der Herzstoss durch den Druck, den das Blut auf die der Ausflussmündung gegenüber stehende Wandung des Herzens ausübe, und dasselbe in entgegengesetzter Richtung gegen die Brustwand antreibe, hervorgebracht werde, gegen die von J. Müller (Jahresbericht 1836. p- 120.) erhobenen Einwürfe. Fror. N. Not. No. 245. Poisseuille hat Beobachtungen über den Einfluss der Kälte auf die Capillar-Gefässe angestellt. Er glaubt bemerkt zu haben, dass, nachdem dieselbe den Blutlauf in den Capil- largefässen gänzlich aufgehoben, ohne dass sich der Durchmes- ser verändert, nach und nach der Kreislauf sich wieder unter einer bedeutenden Erweiterung des Durchmessers, nämlich von 0,018 bis zu 0,034 Millimeter herstelle. Entfernt man die Kälte, so kehrt Alles bald in seinen früheren Zustand zurück. Bei jungen Ratten hebt eine Temperatur unter O0 während einiger Minuten den Kreislauf für immer auf, Bei Anwendung einer Temperatur von 10—12° stellt sich die Blutbewegung ebenfalls unter Erweiterung der Capillargefässe wieder her. Poisseuille glaubt aus dieser Beobachtung schliessen zu kön- nen, dass die Capillargefässe der Theile der Haut, welche ge- wöhnlieh. entblösst sind, weiter sind als solcher Theile, die bedeckt werden, Arch. gener. Tom V, p, 244. 1839. D’in- slitut No. 297. p. 306. Fror. N. Not. No. 245. ‚ A Nachdem Poisseuille gefunden, dass bei Röhren von way aber ziemlich engem Durchmesser, binnen ziemlich gen Grenzen der Länge, unter einem gleichen Drucke, die Tee der Röhre einen solehen Einfluss ausübt, dass die durch- Ra Flüssigkeitsquantitäten sich umgekehrt verhalten wie die Längen,.so zieht er daraus den Schluss, dass man rück- cXIX sichtlich der innern Organen zugeführten Blutmenge keineswe- ‚nur den Durchmesser der Arterie, sondern auch die Länge derselben berücksichtigen muss, wofür man z. B. als Beispiele die Saamen- und Nierenarterien berücksichtigen kann. Dieses Ei vorzäglich aber auch für das Capillargefässsystem, in wel- chem daher je nach seiner Ausdehnung das Blut mit sehr ver- schiedener Geschwindigkeit und sehr verschiedener Menge flies- sen wird, was natürlich für Secretion und Ernährung nicht anders als von der grössten Wichtigkeit sein kann. Pois- seuille hat diesen Einfluss der Länge der Capillargefässe auf die Geschwindigkeit des Blutstromes dann auch durch die di- zeete Beobachtang, bei Ratten und Fröschen begünstigt ge- funden. Liinstitut. No. 234. Fror. N. Not. No. 218. Donn& und Waller wollen bei der Untersuchung des Kreislaufes in der Zunge des Frosches verschiedene besondere Verhältnisse desselben, namentlich ein eigenthümliches Drehen und Kreisen der Blutkörperchen um die Drüsen der Zunge herum bemerkt haben. Allein Poisseuille weiset sogleich nach, dass alle diese Eigenthümlichkeiten nur durch die von Organe bedingte Untersuchungsweise herbeigeführt wurde: L’iastitut. No. 298. p. 317. Die schon längst bekannten selbstständigen rhytmischen Zusammenziehungen der Venae cavae und Pulmonarvenen bei dem Frosche sind von Allison nicht nur bei diesem Thiere, sondern auch, wie er sagt. bei einigen hundert andern, Hun- den, Katzen, Vögeln, Reptilien, Fischen, und auch bei dem Ochsen beobachtet, und durch Versuche nachgewiesen wor- den. American. Journ. of med. Science. 1839. Febr. Edinb. med. and surg. Journ. No. 140. p. 281. Arch. gen. Tom. V. p-.477. 1839. Fror. N. Not. No. 226. Carson hat seine bekannte Ansicht von der anzichenden Wirkung der Elastieität der Lungen als Unterstützungskraft für die saugende Wirkung des Herzens auf das Blut in den Venen, gegen die ihm gemachten Einwürfe zu vertheidigen esucht. Namentlich dass die Venen bei einer solchen saugen- den Wirkung nicht zusammenfallen, glaubt er verhütet 1) durch ihre Lagerung, 2) durch die Eintauchung des venösen Blutes in ein Medium von mindest gleichem speeifischen Gewicht, als sein eigenes (?), 3) durch den immer neuen Zufluss von Seiten der Capillargefässe, und 4) durch die eigene Schwere des Blutes. Lond. and Edinb. philosoph. Mag. 1839. XIV. . 496. - . Steifensand erklärt die Leerheit der Arterien nach dem, ode einestheils aus dem mit der auflörenden- Lebens- raft immer geringer werdenden Blutzuflusse, bei fortbestehen- em slärkeren Abilusse, indem die Arterien sich dabei sowohl ‚CXK acliv zusammenziehen, als auch passiv zusammengedrückt wer- den, und anderntheils aus den physicalischen Gesetzen.der Schwere und Senkung des Blutes in tiefer gelegene Verzwei- gungen der Arterien. Fror. N. Not. No. 200. : Derselbe hat die in dem vorigen Jahresber. p. CXLVIL. erwähnten Untersuchungen von Albers über den Pulsus dif- ferens einer genaueren Kritik unterworfen, und allerdings ge- zeigt, dass dieselben rücksichtlich ihrer Genauigkeit, noch fü niges zu wünschen übrig lassen. Doch gesteht Ref., dass, er jene Mittheilung von Albers nicht in dem Sinne aufgefasst hat, dass derselbe dadurch die absolute Abhängigkeit des Pul- ses vom Herzschlage bezweifeln, sondern nur die Wirklichkeit der Thatsache mit einer mit der feststehenden Lehre vom Pulse vereinbaren Erklärung geben wollte. Casper’s Wochenschr. 1839. p. 545. j Heidler, das Blut in seiner heilthätigen Beziehung’zum Schmerz, Prag 1839. Ein sonderbares Büchelchen, in wel- chem die Thesis aufgestellt wird, dass eine relativ übermässige Anhäufung des Blutes in den kleinsten Gefässen als nähere oder nächste heillhätige Veranlassung derjenigen körperlichen Metamorphose zu betrachten sei, die uns vermittelst der Ner- ven als Schmerz zum Bewusstsein kommt. Diese Thesis wird hier einstweilen nur aufgestellt, der Beweis ist später zu er- warten. h Hier mag auch genannt werden: Ribbentrop. Diss. de physiologia doloris. Berol. 1839. Sto. " Nach €. Hooper ist das Verhältniss der Athemzüge zu dem Herzschlage mit Ausnahme der ersten Kindheit immer gleich 1:4%, sodass jede beträchtliche Abweichung davon ein sicheres Zeichen einer Abweichung vom Normalzustand ist. British and Foreign Review. Jan. 1839. Rameaux, Professor in Strassburg, hat den Einfluss un- iersucht, welchen die Körpergrösse auf die Anzahl der Herz- oder Pulsschläge oder Athemzüge in einer bestimmten Zeit ausübt. Er glaubt hier gefunden zu haben, dass dieselbe bei Menschen, die sich übrigens unter gleichen Umständen befin- _ den, die einzige Ursache von Verschiedenheiten in der An- zahl derselben ist. Im Verein mit Prof. Larrus von Strass- burg fand er, dass, wenn man die Anzahl der Pulsschläge eines Individuums n nennt, und die eines anderen r*, und die Grösse des einen d, und die des andern d!, dass daaonn=n“ ist. Uuter der Anwendung der von Guetelet ge- gebenen Grössentafeln in den verschiedenen Lebensaltern hat sodann Rameaux die Anzahl der Pulsschläge in demselbe mach dieser Formel berechnet, und diese Resultate stimme ie EXXI 5 ‚genau mit der Beobachtung überein. (Bulletins de l’acad. roy. de Bruxelles. 1839. Zme Part. p. 121.) Charles Coathupe hat neue Versuche über die zu ver- schiedenen Tageszeiten ausgeathmete Menge Kohlensäure mit einem neuen Apparate angestellt. Das Resultat derselben giebt folgende Tabelle: Von 8.Uhr Morg. bis 94 fand er in 32 Versuchen 4,37 Proc. Kohlensäureg. 7 u uBimnkhesn- Alorinzandh 9 - Abends bis Mittern. 24 . 4,12 Die also zu den verschiedenen Tageszeiten verschiedene Menge Kohlensäure ist am geringsten während der Verdauung, und nimmt mit der Enthaltung von Nahrung zu. Sie ist ferner an verschiedenen Tagen zu derselben Zeit bei demselben Subjecle verschieden. Aufregungen irgend einer Art bewirken immer eine Verminderung der Kohlensäure. Das Maximum der aus- ealhmeten Kohlensäure war 7,98, das Minimum 1,91, das Mittel 4,09 Proc. Nun ist es bekannt, dass Allen und Pe- pys in ihren Versuchen ein hiervon sehr verschiedenes Resul- tat, nämlich 8 Proc. als Mittel der ausgeatlimeten Kohlensäure erhielten, Indem nun der Verf. diesen Widerspruch zu lösen suchte, fand er den Hauptgrund desselben darin, dass jene icht auf die natürliche gewöhnliche Art geathmet halten, son- ern nur 5 Athemzüge in der Minute gethan, wodurch die Kohlensäuremenge um ein Viertel zunimmt. Hierdurch redu- eirt sich ihr Resullat von 8 Proc. sogleich auf 6,4. Ausser- dem aber stellten sie ihre Versuche immer zu der Zeit an, wo die ausgealhmete Kohlensäuremenge am grössten ist, nämlich vor dem Frühstück und vor dem Mittagessen, wodurch sich dann die Widersprüche lösen. — Ausserdem geht noch aus des Verf. Versuchen hervor: 1) dass ein gesunder erwachse- ner Mensch in einer Minute ohngefähr 20 Athemzüge thut; 2) dass bei jedem Atlıemzuge ohngefähr 16 Kubikzoll Luft eingeathmet werden; 3) dass daher in 24 Stunden 266.66 Ku- bikfuss Luft durch die Lungen passiren, von denen 10,666 Kub. F. in Kohlensäuregas umgewandelt werden, welche 07 Gr. oder 5.45 Unzen Kohlenstofl geben. Die Bevöl- v Bujo), aa ao. 45; Hlunlang,gon - FED all nee ie und 3,9204 = 2 - Nachm. 5 - - 239 - 417 - 53 von Grossbrittannien und Irland liefert danach in ei- nem Jahre 140,070 Tonnen Kohlenstoff durch den Athempro- . Lond. and Edinb. Phil. Mag. S. 3. Vol. 14. No. 9ı. 1839. p. 401. Bibl. univ. July 1839. p. 190 im szuge. "Nach Versuchen von Colin und Edwards hauchen un- ter ‚dem, Wasser keimende Saamen, z. B. Sumpfbohnen, eine » CXXU ” Gasart aus, die grösstentheils aus Kohlensäure, etwas, iger. Sauerstoffgas und Stiekgas bestand, welche sie von einer Zer- setzung des Wassers ableiten. Eine unter Wasser lebende Pilanze, Polygonum tinetorium, lieferte, dem blossen: Tages- lichte ausgesetzt, eine Gasart, die ausser schr wenig Kohlen- säure, fast nur aus Wasserstoflgas bestand. L’inslitut No. 219. Fror. N. Not. No. 184. p. 114. Nasse d, Aeit. erläutert an einem Falle, wo ein Kind, bei welchem die Art. pulmonal. aus dem linken, die Aorta aus dem rechten Ventrikel entsprang, die Kammern völlig ge- trennt, und der Ductus arleriosus geschlossen waren, 18 Mo- nate lebte, das geringere Athembedürfniss des Kindes gegen das des Erwachsenen, und macht auf die Wichtigkeit dieses Verhältnisses bei den Lungenkrankheiten der Kinder aufmerk- sam. Untersuchungen zur Physiologie und Pathologie U. 4. . 123. - Die Preisaufgabe der Soc. med. de Bordeaux. 1836: Ueber die Absonderung von Gasarten, hat drei Bearbeiter gefunden. Henry Lagrande von Confolens, dessen Arbeit am meisten gefiel, ohne den Preis zu erhalten, glaubt, dass die Quelle der Gasarten Absorption sei, die an anderen Stellen wieder aus- geschieden würden. Revue med. 1839. Mars. p. 456. Ueber Secrelion und Resorption theilt Steifensand ei- nige Reflexionen in der Med. Vereinszeitung 1839. No. 30. mit. Ausgehend von der von J. Müller angeregten Frage, warum die Secrete nur im Innern, nicht auch nach Aussen von den secernirenden Kanälen auftreten, stellt er dagegen die andere auf, ob dies nicht wirklich der Fall sei, nur aber das ausserhalb dieser Kanäle Ausgeschiedene im Momente des Ent- stehens wieder resorbirt und entfernt werde. Da es erwiesen ist, dass die specifischen Bestandtheile der Secrete nicht erst im Augenblicke des Ueberganges aus dem Blute in die secer- nirenden Kanäle entstehen, sondern schon in dem Blute ge- bildet vorhanden sind, so scheint die Seeretion bloss in einem auf der Permeabilität der organischen Gewebe gegründeten Austreten der aufgelöseten Bestandtheile des Blntes aus den Capillargefässen zu beruhen. Der Theil, der in die secerni- renden Kanäle tritt, ist das Secret, der andere wird wieder resorbirt und abgeführt; wo keine solche Vorriehtungen sind, tritt nur soviel aus, als auch sogleich wieder entfernt wird. Die Ursache der speeifischen Verschiedenheit des Secrets glaubt der Verf theils aus der Verschiedenartigkeit des Blutes, na- mentlich des Pfortaderblutes für dieLeber, Theils aus der sehr verschiedenen Menge des Blutes in den verschiedenen Drüsen, theils aus der Verschiedenheit der den Secrelen beigemengten Epithelien ‘der Secrelionskanäle erklären zu können. ‚Den « CXXIH von anderen Secrelionsstoffen dadurch, dass sein eigenthümli- ches Prineip nicht aus dem Blute secernirt, sondern ein prä- formirtes Urgebilde sei, welches in dem Hoden als ein beson- ders Belebtes sich aus sich selbst wiedererzeuge; nur sein schleimiges Vehikel sei wirklicher Secretionsstoff; die Erschei- nung der Thierchen in ihm sei etwas Zulälliges, dem längern Verweilen des Saamens in den Ausscheidungskanälen zuzu- schreiben. An ihm sehe man vorzüglich die Wichtigkeit der Resorption der Secrete für den Organismus. (Ref. gesteht, dass er diesen ‚Ansichten nicht beitreten kann. So wiehtig unzweifelhaft die Permeabilität organischer Gewebe, die Art des Blutes, der Reichthum und die Art der Verzweigung der Blutgefässe für die Seeretion und deren Besonderheit sein mö- gen. so glaube ich nicht, dass durch sie, nach Allem was wir in diesen Beziehungen über die verschiedenen Drüsen wissen, die Verschiedenheit des Secrets erklärt werden kann. Die absondernden Kanäle und ihre mannigfachen Verschiedenheiten müssen doch auch wohl für Etwas dasein; nach dem Verfasser könnten und würden sie überall einerlei Anordnung zeigen. Wenn ferner auch das Blut die Materialien zu den Secreten, und selbst mehrere specifische Stoffe derselben enthält, so zei- gen diese doch wieder so mancherlei*specielle Modalitäten die- ser Materialien, verschiedene Arten von Eiweiss, Fett u. dgl., dass auch hierin eine besondere Modification des Blutes bei der Seerelion wohl kaum zu läugnen ist. Es sind auch fast nur die Excrete, für die sich die Präformation ihrer Bestand- theile im Blute geltend machen lässt, was nicht zu verwun- dern, wenn dieselben entweder von aussen in den Organismus eingedrungene fremde Materien, oder zersetzte Residuen der organischen Substanz sind. Alles scheint mir vielmehr für die wichtige Wahrheit der von Henle ausgesprochenen Ansicht über die Seeretion zu sprechen, auf welche ich besonders auf- merksam mache, da sie an ihrem versteckten Orte leicht von Manchem übersehen sein könnte. $. dieses Arch. 1839. p. XLV. Anmerk. Er bringt die Secretion mit der Bildung der Drüse, namentlich ihrer Absonderungskanäle, durch den Zellenprocess in Zusammenliang. Dass dieselben, namentlich auch die soge- nannten Acini aus Zellen bestehen, ist erwiesen. Alle That- sachen lassen sich mit der Hypothese in Vereinigung bringen, dass das Secret Zelleninhalt oder geplalzte, aufgelösete Zellen sind. Für ihre Bildung wird Blutbeschaflenheit und Blutzu- fuhr von der grössten Wichtigkeit sein, und doch wird sich die Beschaffenheit des Seerets wieder ganz nach der innerlich: sten Modalität der Drüse richten. Was den Saamen noch spe- ciell bestrifft, so verstehe ich nicht, was der Verf. für dessen Yan ar Saamen hält der Verf. für wesentlich verschieden CXXIV eigenthümlichstes Prineip hält. Ich glaube, die Wichtigkeit der Saamenthierchen ist durch frühere und meine Beobaclt - gen über die Befruchtung erwiesen, sie sind sicherlich nicht zufällig. Aber auch sie entwickeln sich aus Zellen. & Bei Gelegenheit der Frage: ob abgestorbene Knochen re- sorbirt werden, diseutirt ein Ungenaunter: Pathologieus in d. Lond. med. Gaz. 1839. Febr. p. 756., die allgemeinere Frage: ob überhaupt feste, leblose Körper resorbirt werden, und glaubt dieselbe nach den vorliegenden Erfahrungen verneinen zu müs- sen. (Ohne sich gerade auf besondere Erfahrungen stützen zu können, sollte Ref. doch glauben, dass feste, in organischen Flüssigkeiten auflösliche Stoffe, nach ihrer Auflösung resorbirk werden könnten. Im Darmkanal geschieht dieses wenigstens bestimmt. Sollten nicht auch bei Extrauterinal- Schwan- gerchaften, und auch im Uterus solche Resorptionen vor- kommen?) Donne hat sich überzeugt, dass der Urin sehr oft ku- bische Krystalle von oxalsaurem Kalke enthält, so wie, dass stickstoffhaltige und das Nervensystem erregende Mittel den Einfluss äussern, dass der Urin sogleich Harnsäure in der Form rhomboidaler Blättchen enthält. Wenn dieselbe zu Bildungen von Concretionen Veranlassung giebt, so findet man immer etwas Schleim oder ein Epithelealblättehen, auf welchem sie sich niedergeschlagen. (L’institut. No. 281. p. 161.) Derselbe bestäligt ferner die Erfahrung von Magendie, dass der Ge- nuss von Sauerampfer in weniger als zwei Stunden Krystalle von oxalsaurem Kalk in dem Urine heryorbringt. (Ibidem No. 282. p. 171.) Nach Untersuchungen von Lecanu ist die Menge des im Urin abgesonderten Harnstoffes und der Harnsäure bei demsel- ben Individuum in gleichen Zeiten sich gleich, bei verschiede- nen Individuen verschieden. Diese Verschiedenheit steht mit dem Geschlecht und Alter in Beziehung; Männer sondern mehr ab als Weiber, im Mannesalter mehr als bei Greisen und Kin- dern. Die Mengen der Salze des Urins sind auch bei demsel- ben Individuum wechselnd. Hierzu fügt Dumas hinzu, dass die Menge des Kochsalzes im Urine des Mannes beträchtlich grösser ist, als im Urine.des Weibes. (L’institut No. 289, p. 235. Journ, de ehimie med. 1839. Tom. V. p.413.. Journ. de Pharmacie. 1839. Tom XXV. p. 681, u, 746. Ann. des sc. nat. T. XII. p. 92.) Cap und Henry haben eine Arbeit über den Zustand des Harnstoffes im Urine des Menschen und mehrerer Thiere gegeben. Journ. de Pharmacie. 1839. Tom. XXV. p. 133. Sie ziehen daraus die Folgerungen: dass der Harnstoff sich vicht im freien Zustande im Urine befindet, sondern beim CXXV Menschen mit Milchsäure, bei den Wiederkäuern mit Hippur- säure, bei den Vögeln und Reptilien mit Harnsäure verbunden ist. Sie haben ferner milchsauren Harnstoff künstlich darge- stellt, welcher mit dem aus dem Urin gewonnenen natürli- chen ganz identisch war, und versprechen der Therapie von dessen Anwendung vielen Nutzen. Harry Rainy will in dem Blute einer Choleraleiche, wo während der 11 Tage der Krankheit nur 36 Unzen Urin ge- lassen worden waren, und dieser sich noch ausserdem sehr arım Harnstof! zeigte, von letzterem über einen Gran iu - Mi ne Dit gefunden haben. Lond. med. gaz. 1839. p. 518. ol. XXI. . IH, Irritable Processe. an 4 Stimme. - Goureau hat Untersuchungen über die von mehreren Inseeten, namentlich aus der Ordnung der Orthopteren her- vorgebrachten Geräusche oder Töne angestellt, von denen be- sonders zu bemerken ist, dass bei dem Genus Ephippigera auch das Weibchen das hierzu dienende Stimmorgan besitzt (L’in- stitat No, 264. p. 23.). Rücksichtlich der: Dipteren glaubt Goureau, dass sie ihr Gesumme theils mit den Flügeln, theils mit den Ringen des Thorax, theils durch Ausstossen von Luft aus den vordersten Stigmaten hervorbringen. Auch will er bemerkt haben, dass sie dasselbe nicht nur im Fliegen, son- dern auch in andern Zuständen, namentlich zur Begattungs- zeit, hören lassen (ibid No. 266. p. 31.). — Lolier hat auch die Tonerzeugung bei den Cicaden untersucht, ohne zu einem neuen Resultate gekommen zu sein (ibid p. 30.). Als Bestätigung seiner ‚Ansicht über die Stimmerzeugung im Kehlkopfe, nach welcher dieLuft durch die unteren Stimm- bänder eine solche Modificalion erleiden soll, dass sie die obe- ren Stimmbänder in Schwingungen versetzt, theilt Cagniard Latour einen Apparat mit, in welchem er auch nicht mem- branöse Zungen auf ähnliche Weise in tönende Schwingun- en verselzt. Auch die Verbindung der Sirene mit feineren utchouc-Membranen als Trommelfelle schien ihm zu bewei- sen, dass die menschliche Stimme ihr eigenthümliches Timbre den oberen Stimmbändern verdankt (L’institut No. 274. p: 105.). Neue Belege hierzu theilt derselbe ibid No. 280. p. 152. und No. 283. p. 180. mit. Ferner No.296. p. 302., N. 290. p. 317. No. 307. p. 402., einige neue Sirenen. Ferner No. 309. p. 421., No. 311» p. 435. CXXVI Derselbe hat auch ein Instrament ausgesonnen, um den Flug der Vögel zu sindiren. L/institut No, 289. p. 238. Dutenhofer Untersuchungen über die menschlicheStimme. Stuttgard. 1839. 8. VI. Sensilive Processe. Specialwerke über die Physiologie des Nervensystems. — Reizbarkeit in Pflanzen und Muskeln. — Reflexions -Erscheinungen. — Verschie- dene Leitung der vorderen und hinteren Wurzeln und Stränge des Rückenmarkes. — Verrichtungen des Gehirns. Ueber die Physiologie des Nervensystems mit Ausnahme der Sinnesorgane sind in diesem Jahre zwei ausführliche Werke erschienen. Das Eine ist von .Magendie: Lecons sur les fonctions et les maladies du Systeme nerveux. Paris 1839. 2 Vol. 8to. Dasselbe ist in der nämlichen Form gehalten wie die bereits bekannten Legons sur les phenomenes physiques de la vie, und ebenso von einem Schüler Magendie’s her- ausgegeben. Unter Berücksichtigung der nothwendigsten Struc- turverhältnisse, wie dieselben namentlich auch von Deutschen in neuerer Zeit erforscht worden sind, handelt der erste Band von dem Rückenmarke und Gehirne, besonders auch ausführ- lich von der Flüssigkeit der Arachnoidea (Liquide cephale ra- chidien), der zweite von den einzelnen Nerven, namentlich des Gehirns, nicht aber von den sogenannten sympathischen Nerven, mit Ausnahme einzelner Theile des Kopftheiles der- selben. Man findet hier die bekaunten Lehren Magendie’s im Zusammenhange dargestellt, und glaubt sich Ref. deswegen nicht ausführlicher an diesem Orte über dieses Werk auslassen zu können, obgleich sich ohne Zweifel in demselben vieles Ausgezeichnete und Interessante, und von den in Deutschland jetzt vorherrschenden Lehren Abweichende vorfindet. Auf allgemeinere Reflexionen über die Gesetze der Nervenwirkun- gen, zu deren Erforschung wir das Material bereits hinläng- lich erachten, lässt sich Magendie nicht viel ein, indem er hier wie überall dem ganz rein empirisch- experimentellen Wege zur Erforschung der Function: eines jeden einzelnen Thei- les folgt. | * dieser Bezieliung unterscheidet sich von Magendie’s Werk sehr wesentlich das von Valentin: De functionibus nervorum cerebralium et nervi sympathici. Bernae et Sangalli. 1839. 4lo. Auch Valentin hat die experimentelle Forschung keinesweges vernachlässigt, vielmehr in den meisten Bezie- CXXVll ’ hungen eigeue und neue Versuche angestellt. Doch hat der- selbe, gestützt auch vorzüglich auf seine mikroskopischen Un- tersuchungen, in welchen wir ihn noch immer für den Meister anerkennen müssen, sich auch auf die Erforschung der allge- meinen Gesetze der Nerventhätigkeit und ihrer Beziehung zu den übrigen Lebens-Erscheinungen eingelassen, und vorzugs- weise diesen Untersuchungen die zwei letzten Bücher seines Werkes gewidmet. Der Titel zeigt, dass auch der sympathi- sche Nerve nicht ausgeschlossen ist, und möchte dieser Theil besonders die Aufmerksamkeit verdienen, weil, wie schon an- derweitig bekannt ist, Valentin ganz abweichender Ansicht von derjenigen ist, welche besonders durch J. Müller in neue- ster Zeit so viel Gewicht erhalten hat. Ref. zieht es aber auch hier vor, sich nicht ins Einzelne einzulassen, weil er die- ses an diesem Orte nicht auf eine einem ausführlicheren Werke gebührende, und alle Seiten desselben behandelnde Weise zu _ thun für möglich hält. Doch kann ich den Wunsch nicht unterdrücken, man möge solche Werke nicht lateinisch schrei- ben. Soll dieses auf eine einigermassen den Anforderungen an eine reine, angenehme und verständliche Latinität entspre- chende Weise geschehen, so erfordert dieses bei den Schwie- rigkeiten, die der Stoff darbietet, eine Sorgfalt und Mühe, welche die Verf. selten auf die äussere Form zu verwenden geneigt sind. Ferner ist erschienen: W. Ch. Henry, Report on the Phy- siology of the nervous System. Lond. 1839, welches nach dem Ref. allein bekannten kurzen Auszuge in Fricke’s Zeitschr. XV. 4. Sept. 1840. p. 41. nichts Neues zu enthalten scheint. inter; Dissertation on the physiological inferences, to be deduced from the structure of Ihe nervous system in ihe invertebraled classes of animals. Edinburgh 1838. 8. 83 S. und 2 Tafeln. Nach der Ref. allein bekannten Anzeige in- Fricke’s Zeitschrift XV. 1. p. 64. Sept. 14840. scheint sich dieses Schrifichen an die Untersuchungen von Newport anzu- schliessen, uud namentlich für sogenannte organische Wirkun- gen des Nervensystenis, wie dieselben bei den niederen Thie- ren vor den animalen vorherrschend wirksam sind, von Inte- resse zu sein. In den Bulletins de l’acad. roy. de Bruxelles. 1839. 2me Parlie p. 68. findet sich ein interessanter Aufsatz von Mor- ren über die Reizbarkeit und Bewegungen der Blätter ver- ie Oxalis- Arten, welche zuerst von Brignoli zu dena an Oxalis strieta, und hierauf von Morren an © acelosella, corniculala, carnosa, tortuosa und Deppei beobachtet wurden. Auch giebt derselbe eine genaue anatomische Beschrei- bung der sich bewegenden Theile, namentlich bei ©. Deppei, Müller's Archir, 1810, 1 CXXVvIn Interessante Versuche über die Reizbarkeit der Blätter der Mimosa pudica, besonders ihre Abhängigkeit von einigen nar- cotischen Giften, und über die bewegende Ursache, nament- lich mit Rücksicht auf Dutrochet’s Untersuchungen hier- über, sind von Miguel angestellt und mitgetheilt* worden. Tijdschrift voor natuurlijke Geschiedenis ete. door van der Hoeven en de Vriese. V. 1.2. Froriep’s N. Not. No. 207. und 208. In diesem Archiv 1839. p. 200. findet sich ein Aufsatz von Marshall Hall über „den Zustand der Irritabilität in den Musken gelähmter Glieder.* Indem derselbe davon aus- eht, (die scheinbar einander widersprechenden Resultate der Frfahrungen Prochaska’s, Nysten’s und Legallois, und deren von J. Müller und Sticker über die erwähnte Frage miteinander auszugleichen, setzt Marshall Hall die Bedin- gung der Erhaltung der Irvitabilität in den Muskeln gelähmter Glieder darin, ob die Lähmung ihre Ursache in dem Gehirn oder in dem Rückenmarke und den Nerven habe. Im erste- ren Falle sei die Irritabilität nicht nur erhalten,- sondern so- gar gesteigert, weil der vom Gehirn aus wirkende Wille als - eine denselben beschränkende Ursache unwirksam sei; im zwei- ten Falle gehe sie dagegen verloren. Diese Ansicht wird durch Mittheilung mehrerer pathölogischer Fälle und durch einige Experimente unterstützt, welche nach ihr erklärt werden. So sehr Ref. das Interesse der mitgelheilten Beobachtungen und Versuche und ihre geistreiche Interpretation anerkennt, kann er dennoch nicht umhin, in dem Ganzen eine Verkennung der Hauplfrage und einen neuen Beweis der alten Thatsache zu erblicken, dass die Gleichheit der äusseren Erscheinung bei der grössten Verschiedenheit der. bedingenden inneren Ursa- chen gar zu oft scheinbar genügende, in der That aber vor- eilige Erklärungen veranlasst. Die ganze Frage zerfällt meines Erachtens sehr wesentlich in zwei ganz verschiedene, die so wie früher, so auch hier nicht von einander unterschieden sind. Es fragt sich nämlich: 1) Können die von: ihren Cen- traltheilen getrennten Nerven ihre ihnen eigenthümlichen, uns aber an und für sich unbekannten Kräfte erhalten? und 2) kön- nen die Muskeln, auch wenn sie des Nerveneinflusses beraubt sind, die ihnen eigenthümliche Kraft, nämlich ihre Zusam- menziehungsfähigkeit, ihre eigentliche Irritabilität, erhalten? Aus dem Titel scheint es, als wenn Marshall Hall die letzte Frage habe beantworten wollen, allein in der That betreffen seine Beobachtungen und deren Interpretation nur die erste, und wir haben hier wieder eine jener Verwechselungen des -unglücklichen Wortes Irritabilität mit der in den Nerven wirk- samen Kraft. Nun lassen sich aber beide Fragen nicht eher CXXIK entscheiden, als bis die Vorfrage entschieden ist: ob man die Muskeln überhaupt zu einer Aeusserung ihrer Kraft, zu einer Zusammenziehung veranlassen kann, ausser durch das Nerven- agens. Diese ist aber bis jetzt noch nicht entschieden, und so lassen alle jene Beobachtungen die verschiedensten Inter- pvetalionen zu. Auch Müller hat durch seine Versuche bald die eine, bald die andere dieser Fragen enischeiden zu können geglaubt, namentlich auch die, dass die Muskelkraft eine von der Nervenkraft abgeleitete sei. Und doch thuen seine Ver- suche dieses so wenig dar, dass sie nicht einmal beweisen, dass die Muskeln nur durch die Nervenkraft zu ihrer Lebens- thäligkeit, zu ihrer Zusammenziehung veranlasst werden kön- nen. Denn wenn auch die Muskelkraft eine ganz unabhängig dem Muskel immanente ist, und wenn auch der Maskel durch andere Einflüsse als durch die Nervenkraft zu seiner Zusam- menziehung veranlasst werden kann, so würde ‚es doch sehr zu verwundern sein, wenn dieses längere Zeit nach der Durch- schneidung seines Nerven noch möglich wäre. Denn unzwei- felhaft kann auch der Muskel sich nicht in seiner ihm eigen- thümlichen Integrität erhalten, von welcher seine Lebensäus- serungen abhängig sind, wenn er dem Nerveneinfluss entzogen ist, obgleich ihm dieser weder seine Zusammenziehbarkeit, noch seine Reizbarkeit an und für sich mittheilt. Der Muskel ver- hält sich hier, wie auch die Drüse, und der Nerve wie das Blut. Wir haben es aber mit einem Organismus, mit einer Zusammenwirkung, nicht aber mit einer Ableitung von Kräf- ten zu thun. Manchmal scheint es aber, als wenn wir wieder auf dem besien Wege zu einer Nervenphysiologie und Patho- logie wären. Ich für mein Theil zweille nicht, dass dem Muskel seine Bewegungsthätigkeit unabhängig von dem Ner- ven zukommt. Ob er auch durch einen andern Einfluss als den von den Nerven ausgehenden zur Aeusserung dieser sei- ner Thätligkeit veranlasst werden könne, halte ich empirisch noch immer für unausgemacht, aber für sehr wahrscheinlich, Docli ist es unmöglich, hier diesen alten Streit zu erledigen; aber so alt und bekannt er ist, so wenig hütet man sich doch häufig vor Consequenzen, als wenn er entschieden wäre. ‘Zu diesen Conseyuenzen scheint mir auch Marshall Hall’s De- ıclion zu gehören, welche daher, wie es hier geschieht, un- telbar in die Praxis einzuführen gefährlich sein möchte. In Beziehung auf diese Fragen enthält auch ein Aufsatz H. Nasse: Ueber die Veränderungen der Nervenfasern ihrer Durchschneidung, neben dem anatomischen manches physiologisch Interessante. Derselbe fand bei mehreren Frö- s und zwei Kaninchen Empfindung und Bewegung in dem Schenkel, dessen Nerven durchschnitten waren, nie zurück- CXXX gekehrt, obgleich bei ersteren eine wirkliche Regeneration und Wiedervereinigung durch Nervenprimitiveylinder eingetreten war. Bei den Kaninchen waren nach 5 und 54 Monaten die Muskeln, so wie auch das peripherische Stück des Nerven in einem höchst atrophischen Zustande, zum Beweis der Abhän- gigkeit ihrer Integrität von dem Zusamimenhange mit den Cen- traltheilen des Nervensystems. Auffallend ist auch die, wenn- gleich nur im Vorbeigehen p. 419. gemachte Angabe, dass ein queerdurchschnittener Nerve bei Reizung seines peripherischen Theiles durch einen der Queere oder der Länge nach durch ihn geleiteten galvanischen Strom sehr bald keine Zuekungen in den Muskeln mehr veranlasse, während die Muskeln selbst noch sehr lange nach der Aufhebung des vom Rückenmarke auf sie wirkenden Einflusses einen beträchtlichen Grad von Reizbarkeit (?) behalten. Dieses Arch. 1839. p. 405. Nasse d. Aelt. ist als Gegner der Lehre von den Re- flexionserscheinungen des Nervensystems aufgetreten, insofern bei ihnen bloss das Rückenmark mitwirken, die Empfindung aber und die psychische Thätigkeit überhaupt keinen Antheil haben soll. Zu diesem Zwecke hält derselbe sich vorzüglich an den von Marshall Hall und Grainger mitgetheilten Ver- suchen, und denen daraus von ihnen gezogenen Folgerungen, und glaubt nachweisen zu können, dass dieselben keinesweges ausreichen, um zu beweisen, dass das Rückenmark nicht auch Antheil an Empfindungen besitze, vielmehr werde durch sie und durch mannigfache Versuche früherer Beobachter auch dem Rückenmarke ein Antheil an dem Bewusstsein zugeschrie- ben. Denn es werden 1) Bei den des Gehirns oder auch des Kopfes beraubten Thieren Bewegungen beobachtet, die den Ausdruck der Zweckmässigkeit haben. 2) Diese Bewegungen treten nicht bloss auf eine von aussen kommende Reizung, sondern auch von selbst ein. 3) Sie erfolgen, wenn sie von aussen angeregt wrerden, am leichtesten auf solche Reize, wel- che auch bei nicht geköpften Thieren gleiche oder ähnliche Bewegungen anzuregen geeignet sind. 4) Sie treten am er- sten auf Reizung solcher Stellen der äussern Haut oder der Uebergangshäute ein, welche bei nicht verletzten Thieren be- sonders empfindlich sind. Wenn aber diese Erfahrungen dem Rückenmarke geradezu Bewusstsein und Empfindung vindici- ren, so lassen sich die angegebenen Erfahrungen, welche das Gegentheil darthun sollen, mannigfach anders erklären, oder sind nicht ganz richtig und einseitig aufgefasst, Dahin gehört namentlich die Behauptung, dass die vom Gehirn getrennten Theile sich nicht mehr willkürlich bewegen können. Denn wenn schon Fontana an einem geköpften Frosche sah, dass der Rumpf sich mit dem Kopfe willkürlich bewegle, so hat CXXXI noch mehr Bedeutung der von Desault beobachtete Fall, wo nach einer vollständigen Trennung des Zusammenhanges des Rückenmarkes am zehnten Brustwirbel willkürliche Bewegun- gen der unterhalb der verlelzten Stelle gelegenen Theile be- obachtet wurden. Wenn dieses bei der Mehrzahl ähnlicher Fälle nicht vorkam, so ist zu bedenken, dass bei ihnen das Rückenmark meistens mit leidend war. Das Argument, dass Empfindung und Bewusstsein nicht in zwei voneinander ge- trennten Theilen des Körpers zugleich Statt finden könne, ist bis jetzt nur theoretisch, nicht aber durch Thatsachen erwie- sen, im Gegentheil es giebt demselben selbst widerspre- chende Thatsachen. Zum Schlusse giebt Nasse noch eine Characteristik der psychischen Thäligkeit des Rückenmarkes, getrennt von dem Gehirn, welche sich am meisten mit einem Schlafzustande vergleichen lässt, und derselben vereinigt mit dem Gehirne, in welcher Beziehung es ganz unter der Herr- schaft des Gehirns steht. (Untersuchungen zur Physiologie und Pathologie. Bd. II. 2. p. 246.) Einen nielt minder bedeutenden Gegner hat die, Lehre von der refleclirenden Thätigkeit der Nerven und des Rücken- marks in England an Dr. Griffin gefunden (Lond. med. gaz. 1839. April. p. 73. 108. 133. Mai. p. 188.). Derselbe geht davon aus, dass die älteren und neueren Versuche von Flou- rens, Magendie, Marshall Hall, Grainger, Volkmann u. A. mit enthauptelen ‚oder des Gehirns beraubten Thieren, ferner die Beobachtungen an acephalen Missgeburten und pa- thologische Fälle von Gehirnverletzungen, so wie die Erschei- nungen des Schlafes, der Ohnmacht ete., zu der Annahme nöthigen, dass nach Aufhebung der Gehirnthätigkeit noch Em- pfindung und Gefühl (sensalion) in dem Rumpfe vorhanden seien. Die Zweckmässigkeit und der mit dem bei ganz un- verletzten Thieren und Menschen zu beobachtende, überein- stimmende Character der in jenen Zuständen vorkommenden Bewegungen lässt nach ihm keine andere Erklärung zu. Um nun den hieraus hervorgehenden Widerspruch mit der allge- mein verbreitelen Ansicht, dass das Gehirn das Organ der Seelenthätigkeiten sei, zu lösen, gelıt er darauf aus, scwohl aus metaplıysischen Gründen als aus Thatsachen der Beobach- tung zu beweisen, dass Empfindung nicht nothwendig mit Be- wussisein (coneiousness, perception), d.h, mit dem Wissen um unsere Empfindongen und unsere Existenz, als Subject dieser Empfindungen, verknüpft ist, sondern getrennt von dem- selben auftrelen kann. Bewusstsein betrachtet er als eine Thä- tigkeit des Gehirus, dasselbe ist untheilbar und unabänderlich an die Integrität des Gehirns geknüpft. Empfinden dagegen hut das Kückenmark, und Empfindung findet sich überall, EXXKIU wo ein solches und so lange es theilweise oder ganz vorhan- den ist. Bei niedrigen Thieren, die aber nur Gangliennerven besitzen, fehlt auch noch die Empfindung. Die Bewegungen ferner, welche in jenen Beobachtungen bemerkt werden, will Griffin nicht willkürlich genannt haben, denn der Wille sei auch eine Thäligkeitsäusserung des Gehirns, sondern er nennt sie Empfindungsbewegungen (Sentient not volunlary action), und reiht sie den Athem-, Husten-, Niesen-, Saug-, Gähn- und Brechbewegungen an, die auch keine willkürlichen, son-» dern durch Empfindungen veranlasste seien, gerade so wie auch durch Vorstellungen, Gemüthsbewegungen und Leiden- schaften Bewegungen entstelen. In diesen wenigen Worten hofft Ref. das Thema dieses ausführlichen Aufsatzes deutlich ausgesprochen zu haben, dessen Ausführung sich nicht in Kur- zem wiedergeben lässt. Eben so kurz kann Ref. dagegen auch nur bemerken, dass er diese Trennung der Empfindung vom Bewusstsein für unmöglich hält. Empfindung ist doch wohl immer ein Wissen um einen veränderten Zustand des Kör- pers, und zunächst des Nervensystems. Trennt man dieses Wissen von der Empfindung. wenn ich so sagen darf, so ver- wechselt man die blosse Thätigkeit oder Reaclion des Nerven mit der durch diese angeregten Seelenthätigkeit, und dieses scheint Griffin wie so vielen Anderen widerfahren zu sein. Andererseits hat er aber auch wieder die Empfindung in dem Sinne eines Wissens nicht von der zu ihr hinzutreienden Vor- stellung als einer höheren Entwickelung dieses Wissens gehö- rig getrennt, obwohl ihm dieses unter dem, was er Concious- ness und Perceplion nennt, vorgeschwebt zu haben scheint, Es giebt daher allerdings grosse Unterschiede in den Empfin- dungen, allein immer nur dem Grade nach; jede, auch die „undeutlichste und’ unbestimmteste, wie sie in niedrigen Thie- ren vorkommen mag, setzt einen gewissen Grad des Wissens, also ‚eine Aeusserung des Bewussiseins voraus. Betrachten wir, wie Griffin dieses zugiebt, das Gehirn als ausschliessliches Organ des Bewusstseins, so kann ohne Geliirn von keiner Em- pfindung die Rede sein, Danach werden freilich die Erschei- nungen bei niederen Thieren, und besonders auch deren Theil- barkeit, schwieriger und ganz anders zu beurtlieilen sein, wie dieses gewöhnlich geschieht, wozu man aber auch sehon bei Berücksichtigung der Pflanzen genöthigt wurde. Wie ferner durch Empfindungen, unabhängig vom Willen, Bewegungen erregt werden sollen, ist mir auch unklar geblieben, Falls man nicht wieder Empfindung mit der blossen Reaction der Nerven verwechselt. Endlich hat mich auch Griffin’s Be- leuchtung der als Belege der Reflexionstheorie beigebrachten Erscheinungen nicht überzeugt, dass es nothwendig sei von CXXXIU einer derselben wirkliche Empfindung, d. h. ein Wissen um den die Bewegung veranlassenden Zustand anzunehmen. Die Reflexionstheorie selbst hat jetzt ziemlich allgemeine Ausbrei- tung gewonnen. Es scheint an der Zeit zu sein, auch das ge- n sie vorgebrachte Material zu sammeln und kritisch zu be- uchten, falls sie sicher bleiben soll. Blandin glaubt den Bell’schen Lehrsatz über die Ver- schiedenheit der vorderen und hinteren Rückenmarksnerven- waurzeln durch die anatomische Beobachtung unterstützen zu können, dass die hinteren Wurzeln der 4 letzten Cervical- und des ersten Dorsalnerven, welche zu den sehr empfindli- chen Theilen des Thorax und den obern Extremitäten gehen, 3—4 Mal stärker sind, als die vorderen, während bei den übrigen Dorsalnerven das Verhältniss fast gleich, und bei den Lumbar- und Sacral- und den drei ersten Halsnerven die hin- teren Wurzeln nur ungefähr noch einmal so stark als die vor- deren sind, wie dieses ganz der Empfindlichkeit der Theile angemessen sei, zu welchen sie sich begeben. Bei Thieren, bei welchen die Empfindlichkeit und der Tastsinn der Haut nicht so entwickelt ist, wie z. B. bei Hunden, findet sich kein soleher Unterschied, und hintere und vordere Wurzeln ind fast gleich stark. Der erste Halsnerve, dessen hintere /urzel meist sehr schwach ist, ja zuweilen fehlt, bestätigt diese Ansicht ebenfalls, indem er fast nur zu Muskeln geht. - (Liinstitut No. 275. p. 112. Ann. d. sc. nat. XI. p. 311.) - Peltier sucht denselben Unterschied der Nerven auch durch ihre mikroskopische Untersuchung geltend zu machen, indem die Muskelnervenprimitiveylinder dicker seien, und eine andere Art ihrer Verbreitung zeigten, als die empfindlichen Theilen angehörigen (Linstitut p. 113: Ann. des sc, nat. XV. p- 313.). Endlich unterstützt Poiseuille dieselbe Lehre dureh seine experimentellen Erfahrungen gegen Donne, welcher die- sen Satz noch nicht für allgemein erwiesen hält (ibid.). Da- gegen will Magendie selbst in der neueren Zeit durch seine 'ersuche zu einem von seiner früheren Ansicht einigermassen abweichenden Resultate gekommen sein. Er behauptet näm- lieh, vordere wie hintere Wurzeln veranlassten bei ihrer Rei. zung Empfindungen, und zwar wenn man sie durchschneide, von der vorderen noch das peripherische, nieht aber das een- trale Ende, und von den hinteren. umgekehrt nur das cen- -Arale, nicht das peripherische, Er glaubt, dass dieses durch Fäden der hinteren Wurzeln veranlasst werde, welche durch das Gang. intervert. und die vordere Wurzel zu dem Rücken- marke zurückkelhrten, welchen auch die vorderen Rücken- marksstränge ihren geringen Grad von Sensibilität verdankten. (Linstitut No, 282. p. 171. No. 284. p. 185.) Fror. N. Not, CKXXIV No. 220. Die Priorität dieser Entdeckung der Ursache der Sensibilität der vorderen Wurzeln nimmt auch ein Dr. Lon- get in Anspruch. Diese Versuche sind auch von Kronen- berg wiederholt und vollkommen bestätigt worden. Er fand namentlich, dass die vorderen Wurzeln keine Empfindungen mehr veranlassten, wenn er in den Vereinigungswinkel zwi- schen vorderer und hinterer Wurzel einen kleinen 4 L. gros- sen Einschnitt machte. Dieses beweiset, dass die Fasern der hinteren Wurzeln sehr nahe am Vereinigungspunkt beider Wurzeln in die vordere Wurzel und durch diese in das Rük- kenmark wieder zurücktreten. _ Ausserdem bestäligte Kro- nenberg auch die Erfahrung Magendie’s, welche aber auch schon längst bekannt war, dass die Fäden des Facialis solche vom Quintus beigelegt besilzen, durch welche bei Rei- zung des ersteren Schmerzen veranlasst werden. , Denn das centrale Ende eines durchscehnittenen Zweiges des Facialis er- regt keine Schmerzen mehr. Dieses Arch. 1839. p. 360. Mit grossem Vergnügen hat Ref. die wenigen Worte ge- lesen, welche Carus in diesem Archive p. 366. über einige wichtige Punkte der Nervenphysiologie ausspricht. Wenn nun eine so bedeutende Autorität darauf dringt, dass man die Be- zeichnung sensible und motorische Nervenfasern als we- der logisch richtig noch naturgemäss aufgeben, und $talt des- sen central und peripherisch leitende Nerven unterscheiden müsse, und wenn Carus darauf die einfache aber nach allen vorliegenden Erfahrungen allein richtige Lehre einer doppelten Strömung der Nerventhätigkeit aufstellt, so ist zu hoffen, dass diese Stimme endlich durchdringen, und dadurch sehr viel Unklarheit und Verwirrung aus der Nervenlehre weichen wird. Diese Lehre hat Ref. auch schon in dem vorigen Jahresbe- richte ausgesprochen, und wird sie in allen seinen Referaten festhalten, wenn es auch oft nicht ohne schwierige Umschrei- bung der eingewurzelten Bezeichnungen, sensibel und moto- risch, Empfindungs- und Bewegungsnerven angeht. Die Hy- pothese einer Kreisströmung in einer continuirlichen Faser, deren eine Umbiegungsschlinge in dem Centrum, die andere in der Peripherie liegt, möchle sich indessen nach den vor- liegenden Thalsachen, namentlich nach den Ergebnissen der Versuche von Volkmann, und der gleich zu erwähnenden von van Deen, nicht vertheidigen lassen. Es scheint un- läugbar, dass in den Centraltheilen die graue Substanz. die Uebertragung der Erregung einer Faser auf eine andere ver- mittelt. Van Deen hat neue Untersuchungen über die. Verbin- dung zwischen den central und peripherisch leitenden Nerven mitgetheilt, die Ref. bis jetzt aber nur in dem ihm unver- CXXXYV ständlichen holländischen Originale kennt. Tijdschrift‘ voor natuurlijke Geschiedenis en Physiologie. 1839. p. 275. ‘Von demselben ist erschienen: Nädere Ontdekkingen over de Eigenschappen van het Ruggemerg, bijzonder over den daarin gevondenen Zenuw-omloop (cireulalio nervea) door J. van Deen. Leiden 1839. 8. IV. u. 128. p., welches Ref. im Originale gar nicht, aber aus einem ziemlich ausführlichen Auszuge in Fricke’s Zeitschr. Bd. XV. Heft 1. September 4840. p. 15. kennt. Sehr zahlreiche Versuche bei Fröschen bezwecken zunächst abermals die Richtigkeit des Bell’schen Lehrsatzes für hintere und vordere Rückenmarksstränge dar- zulhun. Dieselben, wie aber auch noch besonders in dieser Absicht angestellte, sollen ferner auch noch den Beweis lie- fern, dass eine Art Cireulation der Nervenwirkungen Statt findet, aber nicht in der Art der so eben von Carus milge- theilten Ansicht, als einer Kreisströmung in den isolirten Ner- venprimitiveylindern, welche namentlich ‚auf die Untersuchun- gen von Valentin begründet ist, sondern eine Kreisströmung bei den peripherisch und central leitenden Primitiveylindern, deren Centrum die graue Substanz des Rückenmarkes ist. In der That vergleicht van Deen das Rückenmark mit seinen vier Strängen und den zu ihnen. gehörigen Nerven und das Gehirn, mit dem Herzen, Gefässapparat und den Lungen. Das Hirn verhalte sich zum Rückenmarke, wie die Lungen zum Herzen; so wie in den Lungen das Blut umgewandelt werde, so verändern sich durch Denken die Gefühlseindrücke in Wil- lenswirkungen. Die Reflexbewegung sei dagegen der Blut- eirculation beim Fötus gleichzustellen. Auch. auf die Ganglien wendet van Deen seine Theorie an, was in Beziehung auf die Uebertragung der Reizung in denselben von einer Nerven- faser auf die andern gewiss Vieles für sich hat. Schwerlich aber passt der Vergleich der Cireulalion in den Haargefässen mit der Nervenwirkung in den Ganglien und deren Nerven, in sofern dabei angenommen wird, dass auf eine ähnliche Weise die Blulbewegung in den Haargefässen noch einige Zeit ohne den Einfluss des Herzens forldauere, wie die Funclion jener Nerven nach Zerstörung von Hirn und Rückenmark. n Beziehung auf die Bewegungen der Iris unlerstülzt van Deen seine frühere Ansicht, dass dieselben von dem N. cen- tralis relinae abhängen, durch Versuche an Tauben und Ka- ninchen, bei denen nach. Durchschneidung eines’ oder beider tiei oder der Oculomotorii sich dennoch die Iris noch zu- enzog; war aber zugleich der Stamm des Trigeminus chnilten, so gelang dieses nicht. Es wäre sehr zu wün- ; dass dieses für die Kenntniss der Gesetze der Nerven- » OXXXVI thätigkeit gewiss höchst wichtige Schriftchen ins Deutsche übersetzt würde. Ö Gegen die Ansicht einer unmittelbaren Uebertragung der Reizung einer Nervenfaser auf eine andere scheint sich auch Laymann in einem kleinen Schriftchen: Physiologische Un- tersuchungen. Anwendung der Induction auf die Nervenphy- sik, Coblenz 1839., haben erklären zu wollen. Die Anregung der Idee, dass die Nerven vielleicht auf ähnliche Weise auf- einander wirken könnten, wie eleetrische Ströme, ohne dass eine Zwischensubstanz als Vermittlerin dieser Wirkung auf- träte, nämlich durch Induction, scheint Ref. allerdings ganz verdienstlich. Allein der Art und Weise, wie dieses hier in dieser Schrift geschehen, kann derselbe seinen Beifall nicht schenken. Es fehlt derselben alle Klarheit, selbst nur in dem Aussprechen, geschweige denn in der Entwickelung dieses Gedankens. Der Verf., wie es scheint, vertraut mit der neue- ren Entwickelung der Physik und Physiologie wie Pathologie, hat eine Masse von Faclis zusammengehäuft, deren Verbindung durch einen klaren durchgehenden Gedanken keinesweges ein- leuchtend ist. Auch möchte ich sehr zweifeln, ob seine in der Einleitung geäusserten Ansichten über plıysikalische Kräfte im Stande sein werden, die durch die glänzendsten Resultate bestätigten Theorieen unserer ausgezeichnetsten Physiker um- zustossen. In Beziehung auf die organischen Körper möchte es aber um so melır gewagt sein, durch diese Ansichten jede Wirkung eigenthümlicher Kräfte in ihnen bestreiten, und die von ihnen dargebotenen Erscheinungen allein aus diesen phy- sikalischen Kräften erklären zu wollen, So gerne wir densel- gen auch bei den organischen Körpern ihre Geltung einräu- men müssen, so sehr es anzuerkennen ist, dass wir dieser Geltendmachung die ausserordentlichsten Fortschritte in der Erkenntniss der Erscheinungen organischer Körper verdanken, seheint doch bis jetzt noch gar keine Aussicht vorhanden zu sein, hierzu der Annahme noch besonderer Kräfte entbehren zu können. Abgesehen von den verwickelten Erscheinungen ausgebildeter Organismen, versuche man dieses nur einmal bei der Entwickelungsgeschichte, wo wir Materien und Kräfte in weit grosserer Einfachheit aufeinander wirken sehen, und man sehe, wie weit man mit den chemisch- physikalischen Kräften komme. ‘In Beziehung auf die Nerven scheint aber die An- nahme einer Induction deshalb nicht gerechtfertigt, weil wir ‘ bei der bewiesenen Isolalion der Reizung auf die einzelnen Nerveuprimitiveylinder, die Uebertragung durch Zwischenma- terien, die graue Substanz des Gehirnes, Rückenmarkes und der Ganglien vermittelt sehen, was dem Begriff der Induction widerspricht, CXXXVIT + Schon bei seinen früheren Versuchen über den Vagus hatte John Reid bemerkt, dass dessen Durchschneidung bei Hunden, bei welchen der Sympathieus mit dem Vagus am Halse eng vereinigt ist, mit Entzündung der Conjuneliva, Ver- engerung der Pupille und theilweisem Schliessen der Augen- lider begleitet war. Er hat nun eine Reihe von besonderen Versuchen über diesen Erfolg angestellt und sich überzeugt, dass die Reizung oder Durchschneidung des Sympathicus, oder das Ausschneiden des Ganglion cervicale supremum bei Hun- den und Katzen mit einer augenblicklich eintretenden Veren- gerung der Pupille und einem theilweisen Verschliessen des Auges durch das dritte Augenlid begleitet ist. Die Entzüns dung der Conjunctiva, die selbst in Blennorrhöe und Trübung der Cornea überging, schien mehr von der Verletzung des Vagus abzuhängen, und war weit geringer, wo dieser verschont wurde. Bei Kaninchen hatte dieselbe Operation weder diesen noch einen andern bemerkbaren Erfolg. Da das dritte Augen- lid bei Hunden und Katzen keinen besonderen Muskel hat, so musste sein Herüberziehen über die Cornea von einem anderen Umstande abhängen, und es zeigte sich, dass dieses dadurch herbeigeführt wurde, dass der ganze Augapfel durch den Re- trahens bulbi mehr in die Orbita zurückgezogen, und durch das dadurch verdrängte Fett das dritte Augenlid verschoben wurde. Wie diese Erscheinungen mit der Verletzung des Sym- palhieus zusammenhängen, getraut sich John Reid nieht für den Augenblick zu entscheiden. Doch denkt er mit Recht sehon an den Oculomotorius und die Ciliarnerven und ihre Verbindung mit dem Sympathieus, von denen auch die Ver- engerung der Papille und die Zurückziehung des Auges leicht abzuleiten sein möchten. Warum die Kaninchen eine Aus- nalıme machen, muss eine genaue anatomische Untersuchung lehren. Die lilterarischen Nachweise über ähnliche Beobach- tungen von Cruiekshank, Arnemann, Molinelli, Petit, Dupuy, Brachet und Mayer fehlen in dieser Arbeit John Reid’s nicht, die sich wie seine früheren durch Genauigkeit und Umsicht auszeichnet. Edinb. med. and surg. Journ. No. 440. p. 36. Fror. N. Not. No. 248. Guyot und Cazalis haben abermals Versuche über den Glossopharyngeus, Lingualis und Hypoglossus angestellt, die zu dem Resultat führten, dass der erstere sowohl allgemeiner Ge- füllsnerve, als Geschmacksnerve, namentlich für bestimmte Gesehmackseindrücke ist, als auch Bewegungen bei seiner Rei- zung veranlasst. Der Lingualis ist vorzüglich Gefühlsnerve und Geschmaeksnerve für die Spitze der Zunge; der Hypo- glossus zeigte wenig Empfindlichkeit; seine Durchschneidung paralysirte aber die Bewegungen der Zunge, nicht aber die CXXXVII Schlingbewegungen. (L’institut No. 265. p. 27.) Revue med. 4839. Febr. p: 269. Fror. N. Not. No. 189. Ein für die Physiologie des dritten und fünften Nerven- paares interessanter Fall (freilich ohne Section) wird mitge- theilt von Stanski. Arch. gen. Jan. 1839. Fror. N. Not, No. 199. : Zahlreiche neurologische Versuche, die durch ihre glück- lichen Resultate frappiren, hat Budge mitgetheilt in diesem Archiv 1839. p. 389. Er fand 1) Dass das kleine Gehirn die Stelle ist, an welcher die Nerven der Hoden ihren Endpunkt haben. Reizung des rechten Lappens des kleinen Gehirns brachte Bewegung des linken und Reizung des linken Lap- ens des rechten Hodens hervor. Hierdurch erklären sich die ka veränderten Geschlechtstriebes bei Krankheiten des kleinen Gehirns, und so manche räthselhafte Sympathie zwischen Genitalien und andern Organen, z. B. der Parotis. 2) Zahlreiche mannigfach abgeänderte Versuche zeigten, dass die Darmbewegungen von dem Rückenmarke, und noch höher hinauf von den Vierhügeln und den gestreiften Körpern ab- hängig sind; denn Reizung dieser Theile verursacht jedesmal lebhaftere peristaltische Bewegungen, und Lähmung derselben auch Lähmung des Darmes. Auch hieraus lassen sich die in- teressantesten Erklärungen der Sympathien zwischen dem Darme und andern Organen geben. 3) Bewiesen Versuche mit Durch- schneidung des Rückenmarkes den Einfluss desselben auf Nu- trition, indem Wunden unterhalb der Durchschnittsstelle sich nicht ‘mehr entzündeten und nicht eiterlen, die Schleimseere- tion der Darmschleimhaut aufhörte, und der Urin seine Qua- litäten änderle. Ref. erklärt, dass er keine Ursache findet die Richtigkeit dieser Versuche zu bezweifeln, vielmehr glaubt, dass sie im Allgemeinen auch schon früher zu folgernde Wahr- heilen auf interessante Weise bestätigen. Dennoch kann er nicht umhin zu erinnern, dass Versuche über peristaltische Be- wegungen sogenannt organischer Muskeln sehr diffieil sind; wegen des: Post hoc ergo propter hoc. Wartet man bis die- selben, angeregt durch Verwundungen, Blosslegen u. dgl., hier aufgehört haben, so hilft keine Reizung mehr. Früher aber ist der Erfolg zweifelhaft. Ist Budge hierin scrupulös verfah- ren, so wundert es mich um so mehr, dass er bei Reizung des N. vagus nie Bewegung des Magens sah, worauf er zum Theil sein neueres Werk über das Brechen basirt hat. Und doch habe ich dieselben in Uebereinstimmung mit früheren Beob- achtern, bei jeder angewandten Kritik, nicht nur selbst sehr oft gesehen, sondern vielen meiner Zuhörer seit 5 Jahren bei jeder Gelegenheit, ferner Hr. Prof. Henle, Hr. Dr. Bidder und Krohn gezeigt, und deren Zweifel beseitigt. Statt dessen CXXKXIX hat Budge bei Reizung des Rückenmarkes und des Vagus Erweiterungen des Magens gesehen, die ich nie salı. Fer- ner kann Ref. auch hier wieder nicht umhin, die in diesen Versuchen überall ausgesprochene und zu Grunde gelegte An- sicht zu bekämpfen, dass irgend ein Nerve, das Ganglion coe- liacum, das Rückenmark, das Gehirn etc. eine bewegende Kraft besitzen, die eines dem andern mittheilen kann. Besitzt denn nicht der Muskel die bewegende Krafl? Die Kraft des Ner- ven regt sie an, ruft sie hervor, und da ist es gleichgültig ob wir diese in seiner peripherischen Ausbreitung, in einem Gan- glion, im Rückenmarke oder endlich im Gehirne aufregen. Diese Versuche zeigen uns nur den Verlauf und die centrale und peripherische Ausbreilung desselben Nerven, was aller- dings interessaut genug ist. So z. B. zeigen diese Versuche von Budge, wie richtig die alte und neue Lehre ist, dass auch die Fäden des sogenannten sympathischen Syslemes, wie alle anderen Nerven unmittelbar mit dem Rückenmarke und Gehirn zusammenhängen, also Hirn- und Rückenmarksnerven sind, wie die anderen, nur modificirte, _ Remack trägt aufs Neue seine Beobachtungen über die organischen Herzuerven und deren Ganglien, und seine darauf gestülzte Theorie der Herzbewegungen vor. Leider vereinigen sich immer mehr Stimmen und Beweise, dass es mit den or- ganischen Nerven Nichts ist. Casper’s Wochenschrift 4839. . 149. j Auch für die Physiologie des Nervensystems ist ein Frag- ment aus dem Manuseripte seines Lehrbuches der Nervenkrank- heiten über Anästhesie von Romberg wichtig. So wie diese Untersuchungen grösstentheils aus den neueren physiologischen Untersuchungen über Gesetze der Nervenwirkungen hervorge- gangen sind, so dienen sie denselben, namentlich durch ihre Bestätigung bei dem Menschen, wieder zu der erwünschtesten Stütze. Sie sind dem Ref. auclı noch besonders aus dem Grunde interessant gewesen, weil sie nicht nur auf die Ab- hängigkeit des allgemeinen Hautgefühles und den Verlust von Empfindung der Wärme und Kälte, als Erscheinungen centra- ler Leitungen, sondern auch auf die veränderten vegelativen Functionen, veränderte Wärmeentwieckelung, Verlust der Fä- higkeit des affieirten Theiles, seine eigene Wärme gegen die äussere Temperatur zu erhalten, als Erscheinungen peripheri- scher Leitung, in sogenannt sensibeln Nerven und in der Anae- sthesia muscularis, auf die centralen Leitungen in sogenannt motorischen Nerven aufmerksam machen. Sie zeigen dadurch, wie unpassend letztere Bezeichnungen sind. Bei Experimen- ten an Thieren können wir diese Arten der Leitungen und Wirkungen der Nerven meistens nicht untersuchen und erken- CXL nen, wir sehen nur die momentan hervortreienden Erschei- nungen veränderter Bewegung und Empfindung, und. vernach- lässigen meistens die von veränderter Ernährung und Abson- derung, oder soleher Empfindungen, von welchen wir. durch die Thiere keinen Aufschluss erhalten. Diese Arbeiten von Romberg verdienen daher alle Aufmerksamkeit des Physio- logen, erfordern aber auch eine vollkommene Bewandertheit mit allen neueren Untersuchungen über die Gesetze der Ner- venthätigkeit, Casper’s Wochenschrift 1839. p. 165. 293 und 309. Einen auch. für die Physiologie des Glossopharyngens in- teressanten, obgleich nicht rein auf diesen bezüglichen patho- logischen Fall, wo dieser Nerve durch eine geschwollene und entartete Drüse affieirt war, theilt Cruse mit. Der Geschmack war verloren, ebenso die Esslust, es stellten sich Schlingbe- schwerden und eine Verziehung der Zunge nach einer Seite ein. Ueber die Empfindliehkeit der Zunge ist nichts bemerkt. Casper’s Wochenschr. 1839. p. 695. Aus Cuvier’s grossem Werke über die Naturgeschichte der Säugethiere theilt Flourens die Unlersuchungen dieses berühmten Naturforschers über den Instinet und die Intelli- genz dieser Thiere mit, welche grösstentheils auf 30jährige Beobachtungen in der Menagerie des Jardin des plantes gegrün- det sind. Keines kürzeren Auszuges fähig, werden sie ge- wiss für Jeden ein grosses physiologisches Interesse haben. Journal des savants. Aout 1839. Ann. des sc. nat. Tom, XII. p- 235. Fror. N. Not. No. 255. 56 und 57, Untersuchungen von Ribes über die Function verschie- dener Theile des Gehirns in der Gaz. med. Mars 1839. haben diesen dunklen Gegenstand keinesweges aufzuklären vermocht. Sein Hauptresullat ist, dass die in der Umgebung der Ventri- kel befindlichen Theile die Organe der intellectuellen Fähig- keiten seien, die übrigen Theile aber die der allgemeinen Em- pfindungen. Auch hier fehlt es wieder an beslimmten Aus- gangspunkten und festen Wortbestimmungen, und ohne es zu wollen wird der Verf zu dem ärgsten Materialismus geführt. Nach Nonat besitzen die Hemisphären, das Corpus callo- sum, der Fornix, die Corpora striata und Collieuli optiei, das kleine Gehirn und die Crura cerebri keine Empfindlichkeit. Der eigentliche Sitz derselben ist, wie schon Magendie und Desmoulins gezeigt, der 4te Ventrikel. In Beziehung des Einflusses, welchen das kleine Gehirn auf die Bewegungen ausübt, setzt er Folgendes fest. Die Hemisphären des grossen Gehirns haben keinen Einfluss auf die Bewegungen selbst, aber sie bestimmen die Direciion derselben; die Corpora striata re- guliren die Bewegungen rückwärts. Die Thalami optiei regu- CXLE liren das Vermögen aufrecht zu stehen, und haben einen gros- sen Einfluss auf die Energie der Muskelbewegungen; das kleine Gehirn überwacht die Regelmässigkeit der Vorwärtsbewegun- gen, und hat wahrscheinlich auch Einfluss auf das Gleichge- wicht in den Bewegungen; der Kreis, welchen das kleine Ge- hirn mit seinen Schenkeln und dem Pons Varolii bildet, regu- lirt die Bewegungen im Kreise. Verletzung der Corp. quadri- gemina stört die zum Stehen und Gehen nölhige Harmonie der Bewegungeu; der 4te Ventrikel endlich übt noch einen grossen Einfluss auf die Athem-, Sprach- und Brechbewegun- en aus, und ausserdem hängt von ihm die Tast- und Gehör- mpfindung ab. (Gaz. med. 1839. 19. Oct.) Bouillaud hat in mehreren Sitzungen der Academie ro- ale de medecine seine frühere Ansicht, dass die vorderen appen des Gehirns die Organe des Sprechvermögens seien, aufs Neue zu vertheidigen gesucht. Indem er die von Cru- veilhier, Andral, Lallemand mitgetheilten Beobachtun- gen gegen diese Ansicht zu entkräften sucht, theilt er, ausser seinen früheren 64 Fällen, noch 44 neue zur Unterstützung derselben mit. Cruveillhier, Rochoux und Geody erklä- ren sich dennoch dagegen, während Blandin theilweise bei- art Arch. gen. Tom V. p. 507. Revue med. 1839. Dec. p- 420. Ein neuer Vertheidiger des Gall’schen Systems, oder bes- ser gesagt der Localisalion der geistigen Vermögen im Gehirne ist hier in Heidelberg in einem gewissen Scheve aufgetreten. (Ein Wort über Gall’s Schädellehre. An die hochgeehrte Versammlung deulscher Naturforscher zu Pyrmont. 1839.) Am wichtigsten wäre dessen neu aufgefundenes Beweismiltel für diese Localisation, nämlich dass man durch äusseren Druck auf gewisse Stellen des Kopfes bestimmte Träume hervorrufen kann. Allein Ref. fürchtet, dass Viele dazu zu „harte Köpfe* haben möchten. Ueber die Beziehung des kleinen Gehirns zu den Genita- lien hat Rumpelt einen ausführlichen Aufsatz in v. Ant- mon?’s Zeitschrift 1839. Sept. 385. geschrieben. Er erklärt sich darin als ein Anhänger der Gall’schen Lehre überhaupt und auch in Beziehung auf das kleine Gehirn, ohne indessen selbst durch eine sehr lange Krankengeschichte mehr darzu- ihun, als bisher schon bekannt war, nämlich, dass sich in der That häufig eine Sympathie zwischen beiden findet. Warum diese aber auch oft fehlt, erklärt auch die lange Kritik des bekannten Aufsatzes von Cruveilbier nicht. Zwei Fälle von Miebeeiligre rudimentärer Eutwickelung der Genitalien und kleinen Gehirns theilt auch Snellaert mit. (Ann. de la OXLI soc. de med. de Gent. 1838. Vol. IV. p. 350. Schmidt’s Jahrb. Bd. 24. p. 284. iK- Ebenso berichtet Dr. Fischer zu Boston 3 Fälle mit den Sectionen, welche den Zusammenhang des kleinen Gehirns mit dem Geschlechtstrieb darthun sollen. Edinb. med. and surg. Journ. No. 140. 283. Arch. gen. Tom V. p. 477, Fror. N. Not. No. 257. V. Productive Processe. Geschlechtliche Functionen. — Gelbe Körper. — Saamen. — Eier. — Entwickelungsgeschichte. — Milch. Bellingieri hat der Pariser Akademie zwei Abhandlungen über die Fruchtbarkeit der Säugethiere, und über das Verhält- niss der Geschlechter zu den Geburten eingesandt. Die Re- sullate der ersten Untersuchung sind in einer Tabelle zusam- mengestellt, welche 188 Arten von Säugelhieren umfasst, und in 13 Spalten alle Umstände umfasst, welche bei einer richti- gen Beurtheilung der Fruchtbarkeit in Betracht kommen. Die zweite Frage entscheidet Bellingieri dahin, dass das Ver- hältniss der Geschlechter sich nach den Nahrungsmitteln richte, und bei pflanzenfressenden Thieren mehr Männclıen, hei fleisch- fressenden mehr Weibchen geboren werden. Dieses Resultat ist indessen nur schwach unterstützt, indem für die pflanzen- fressenden mehrere Ausnahmen Statt finden, und von den Neischfressenden nur zwei Arten berücksichtigt sind, von de- nen für die Hunde auch der Satz nicht gilt, was Bellin- gieri freilich darauf schiebt, dass sie im gezähmten Zustande auch Pflanzenkost zu sich nähmen. Fror. N. Not. No. 239. Ann. des sc. nat. Tom XII. p. 165. L’institut No. 298. p. 314. In Beziehung auf diese Frage ist eine Bemerkung von Geof- froy St. Hilaire interessant, dass nämlich in Menagerieen die Erhaltung der Racen durch Fortpflanzung schon deswegen unmöglich ist, weil nach einiger Zeit fast nur Männchen ge- boren werden, welches er dem Einfluss der Domesticirung zu- schreibt, der sich gewiss auch auf mehrere unserer Hausthiere erstreckt. Winstitut No, 300. p. 331. Ueber die physiologische und pathologische Bedeutung der Menstruation hat Naumann in einem Aufsalze in v. Am- mon’s Monatsschrift 1839. I. 18. eine neue Ansicht aufge- stellt. Nächst den übrigen diese Blutung begleitenden Er- scheinungen ist diese Theorie ganz vorzüglich auf die Beob- achtung von Retzius gebaut, dass das Menstrualblut freie ET CXLII Phosphor und Milchsäure enthält, dessen saure Reaction auch von nn bestätigt wird. In dieser Säurung des Blutes, welche der Verf. von der Wirkung der Nerven auf das Blut ableitet, erblickt der Verf. den Grund seiner Ausscheidung; sie ist eine Reinigung, Entsäurung des Blutes, und bezweckt die Entfernung dieser Säure. Dieselbe steht aber im geraden Gegensatze mit der alkalischen Natur des Sperma, und deshalb die Menstruation selbst mit der Befruchtung. Es ist daher, wie der Verf. sich ausdrückt: vermöge der im weiblichen Blute Statt findenden Tendenz zur Säurebildung dem weiblichen Or- ‚ganismus die Befähigung entzogen, selbstbefruchtend auf die in den Övarien befindlichen Keime einzuwirken; diese Idee wird namentlich auch durch Vergleichung der Menstruation des Weibes mit der Brunst der T'hiere durchgeführt, deren Identität bestritten wird. Als ein neuer Vertreter der Lehre von dem Versehen, und mit- einem Versuche dasselbe physiologisch zu erklären, tritt Nevermann auf in v. Ammon’s Zeitschrift 1839. Mai, p- 290., ohne dass indessen Ref. neue Materialien zur Ent- scheidung dieser Frage in dem Vorgetragenen hätte finden können. _ Während man sich bis auf unsere Tage darüber gestritten, ob jemals, ausser bei einem fruchtbaren Beischlafe, ein Graaf- sches Bläschen des Eierstocks platze, tritt neuerdings Wil- liam Jones mit der Ansicht auf, dass die Menstruation von der Anschwellung und Entleerung eines Graaf’schen Bläs- chens abhängig, und bei jeder Wiederkehr derselben auf glei- che Weise bedingt sei. (Praetical observat. on diseases of Women. Lond. 1839, p. 226. Arch. gen. Tom V. p. 486) Obgleich diese Ansicht durch einige Beobachtungen von wäh- rend der Menstruation secirten Weibern, bei denen man ein Graaf’sches Bläschen geplatzt fand, unterstützt wird, und Ref. selbst eine solche Beobachtnng hinzufügen könnte, wird man doch wohl schwerlich der darauf gebauten Theorie bei- slimmen können. Man würde danach wohl bei allen wäh- rend der zeugungsfähigen Jahre und bei nicht unterdrückter enstrualion gestorbenen Weibern Corp. lutea finden müssen, die so schnell nicht in der Zwischenzeit zwischen zwei Men- strualionen verschwinden, Nach Robert Lee soll sich der gelbe Körper äusserlich die Hülle des Graaf’schen Bläschens bilden, und keine el besitzen, so dass die Substanz desselben unmittelbar mil dem Stroma des Eierstocks in Zusammenhang steht. Er verschwindet immer drei Monate nach der Niederkunft. Auch pet Personen, die nie schwanger waren, können sich den gel- u Körpern ähnliche Massen durch krankhäfte Veränderungen Müller's Archir, 1840, K ICXLIV der Graaf’schen Bläschen erzeugen, die aber dann immer in den Bläschen, nicht um sie herum, befindlich sind. Auch er fand bei zwei Personen, die während der Menstruation gestor- ben, den gelben Körpern ähnliche Massen in den Eierstöcken. Lond med. chirurg. Transact. 1839. XXI. p. 329. Hieran fügt Ref. auch noch die Untersuchungen von Paterson, ob- gleich sie in das nächste Jahr fallen. 8) Derselbe hat nämlich ebenfalls die Bildungsweise und Be- schaffenheit der wahren Corpora lutea des Eierstockes, die nach: Austritt eines Eichens aus dem Graaf’schen Bläschen entstehen, und ihre Unterschiede von falschen Körpern der Art, welche ihren Ursprung anderen Ursachen verdanken: ger nau untersucht. Nach ihm entstehen die ersteren durch | luter- guss zwischen den beiden Blättern oder Membranen der af. schen Bläschen noch vor dem Platzen derselben. Na dem: sie sich dann eines mehr oder weniger grossen Antheils ihres Inhalts entledigt haben, fällt die innere Membran des Graaf- schen Bläschens in Falten zusammen, und nachdem sich dann das Blut organisirt hat, so hat ein wahres Corp. luteum auf einem Durchschnitte immer eine sternförmige Anordnung sei- nes Gefüges, und enthält in seinem Innern eine Höhle, als Ueberrest der ursprünglichen Höhle des Graaf’schen Bläs- chens; es hat ferner immer eine regelmässige Gestalt, und an- fangs eine centrale Oellnung oder Narbe. Bekanntlich wird dasselbe von der ersten Zeit seines Entstehens an immer klei- ner, und verschwindet bald nach der Niederkunft, zu einer nicht näher, bestimmten Zeit, meistens aber sicher vor dem dritten Monate nach derselben, durch Resorplion der ergosse- nen Materie. In Beziehung auf falsche Corp. Jutea geht der Verf. zuerst in eine Parallele der Bıunst der Thiere und der. leitet, hält er beide auch ihrem Wesen nach für identisch SEELEN DC \ i ce ın es sich dann auch ereignen, wie Beobachtungen Aenı neh, CXLV ; sie 1) eine unregelmässige Form, 2) keine innere, durch in Mem bran begrenzte Höhle und centrale Narbe, 3) keine strahlige Anordnung ihres Gewebes besitzen, und 4) häufig in grösserer Zahl in beiden Ovarien sich finden. Edinb. med. and surg. Journ. Vol. LI, No. 142. 1840. p. 1. — (Eigene tersuchungen über die Bildung der Corp. lutea bei Hunden d Kaninchen lassen Ref. weder mit dieser noch mit Lee’s ellung derselben, wohl aber mit der von v. Baer, Va- “und R. Wagner übereinstimmen. Sie werden hier- urch die stärkere Entwickelung der innersten zar- len — oder Körnermembran (Membrana granulosa) der hen Bläschen erzeugt, welche Lee und Paterson, v. Baer’s Ansicht bestreiten, gar nicht gekannt zu -heinen. Die stärkere Entwickelung dieser Zellen tritt or dem Platzen der Graaf’schen Bläschen ein, ja be- asselbe nächst der stärkeren Absonderung ihres Inhal- it. Wie Ref. gefunden, nahmen dabei die früher runden dieser Membr. granulosa eine Spindelform an, d. h. sie zur Faserbildung über. Hierzu tritt später auch Exsu- plastischer Stoffe im Innern des entleerten Follikels welche die Form von dunkelkörnigen, grossen, meist Zellen oder Exsudatkugeln annimmt, wie sie R. Wag- cones physiol. I. Tab. XI, Fig. 10. abbildet. Bei den genan Thieren fand Ref. einen Bluterguss in den frisch geplat: na Follike lcher erst später, wenn die Exsudat- isiren, d. h. Gefässe zu entwickeln be- grösseren Thieren, eintritt, jt melırere ungewöhnliche Formen mensch- n, die er für anomal hält (Rinstitut No. 275. es nicht Entwickelungsstufen der Sperma- . Bine ausführliche Untersuchung über den animalischen Saa- Verhalten zu verschiedenen Flüssigkeiten und seine ss unter verschiedenen Umständen lieferte Bayard ique ‚du sperme desseche sur le ligne de Paris. 1839. iere. Kurz ausgezogen in Fricke’s Zeitschrift. 1839: E) Er; F Joe liegt die Ursache der Unfruchtbarkeit pflanzen in der mangelhaften Entwiekelung des as der Parallele mit dem männlichen Saamen we- t ist). Fror. N. Not. No, 232. K*® CXLVI i R. Wagner theilt seine interessanten Untersuehungen über die Spermatozoen, namentlich über deren Animalität, specifische Verschiedene bei verschiedenen Thierarten, und besonders eyclische Entwickelung, die sich in der sten Ab- theilung seines Lehrbuches der Physiologie finde ancifin Wiegmann’s Archiv. 1839. p. 41. mit. R REN v. Siebold fand die Spermatozoen in dem Reeeptaceulum seminis dreier Weibehen von Vespa rufa noch am 8. Jan. leb- haft lebendig, also gewiss mehrere Monate nach der Begattung, und selbst dieses damit in Verbindung, dass nur die Wespen- weibehen überwintern, und dennoch aus den im Frühjahre ge- legten Eiern im Spätsommer Männchen ausktiechen. Wieg- mann’s Archiv. 1839. p. 107. N 5, Während R. Wagner die Frage, ob die Spermatozoen eine thierische Organisation besitzen, zur Zeit noch für un: möglich zu beantworten hält, scheinen die Untersuchungen von Valentin über die Spermatozoen eines alten Bären die- selbe einer Bejahung näher zu bringen. Während die allge- meine Form derselben denen anderer Säugethiere ähnlich : ar, namentlich denen des Hundes, wie sie Wagner abbildet, er- kannte Valentin auf der unteren, elwas concaven Seite des Körpers, an beiden Enden des Längendurchmessers zwei sehr dunkle kreisrunde Flecke, die in ihrem Centram sehr dunkel waren, und immer heller wurden, je ıchr sie sich ihrer Pe- ripherie näherten. Sie könnten vielleicht Mund und Alfter sein. Zwischen beiden befanden sich eine Menge heller und nern durchsichtig und sehr fein begrenzt Magenblasen oder ein leberartiges Organ, am wahrschein- lichsten mikroskopische Darstellung eines inneren gewundenen Darmkanals sein, dessen Biegungsstellen von oben gesehen als Kreise erscheinen müssen. Valentin beschreibt auch noch die Bewegungen dieser noch nach 36—40 Stunden lebenden Spermatozoen. Wasser tödtete sie bald, Speichel augenblick- lich. In dem Nebenhoden fanden sich ausser sparsameren und kleineren Spermätozoen noch Epithelialblättchen, kleine, im Ganzen runde, oft auch polygone Körperchen, 14 Mal so gross als die Blutkörperchen, und ganz kleine unmessbare Körn N, Im Hoden sah Valentin die von Wagner beschriebenen Ku- geln oder Zellen, welche selbst wieder solche und eine Aggre- gation geschwänzter Körperchen, wahrscheinlich Embryonen von Saamenthierchen, enthielten. Von den Spermatozoen der Ratte bemerkt Valentin, dass sie auch nach vorsichtigem Glühen auf einer Glasplatte ihre Form behalten. Acta nat. Curiosor. Vol. XIX. T. I. p. 239, r ER am schwersten en elche in ihrem In- mn ren. Sie könnten OHERE* CXLVUI Pouchet hat die (schon von Schwann gemachte) Be- obachtung bestätigt, dass der Dotter des Vogeleies keine un- organisirte Flüssigkeit ist, sondern aus lauter Zellen, 2— 7% Millim. im Durchmesser, mit einem körnigen Inhalte besteht (Pinstitut No. 264. p. 20.). Er glaubt ferner, dass auch die Doiterkörnchen des Säugethiereies Zellen seien, nur viel klei- ner als die des Vogeleies (Ibid. No. 279. p. 143.). “ Reinsch hat die Eier von Papilio erataegi chemisch un- tersucht. Sie bestehen aus 25 festen und 75 flüssigen Thei- len. Die einzelnen Bestandtheile sind: Verhärtetes Eiweiss 2.14; kohlens. Kalk 0,22; Eiweiss 8,32; feltes Oel mit einer Spur von ätherischem Oel 8,22; Wachs mit einer Spur Schwe- fel 0,88; phosphors. Kalk 0,57; Spur von Eisen - Ammoniak mit Leim 4,65, Wasser 75.00. Sie sind daher den Eiern der Vögel älinlich zusammengesetzt, doch enthält ihre Schaale nur wenig kohlens. Kalk, und gleicht daher mehr der Schaalen- t des Vogeleies. Erdmann’s Journal Bd. XVI. p. 113. le 114. beschreibt Reinsch das Ansehn der Eier unter Mikroskope gleich nachdem sie gelegt sind, welches Ref. ie ähnliche Furchenbildung zu zeigen scheint, wie bei den Eiern vieler, wahrscheinlich aller: Thiere. Joseph Town, Wachsbossirer des Guy-Hospitals, hat einige interessante Bemerkungen über die Entwickelung des Vogels im Ei gemacht, Nachdem er nämlich die Bemerkung emacht, dass die Schaalenhaut des Eies sich während der Sntwickelung beträchtlich verdickt, schien ihm dieses nicht mit der Ansicht übereinzustimmen, dass der Athemprocess des Fötus durch die Kalkschaale und Schaalenhaut hindurch er- folgt. Er überzog deshalb Eier mit eingedicktem Eiweiss und Kartenblättern vierfach, so dass alle Luft abgehalten war, und fand, dass dennoch die Entwickelung des Embryo ungestört forlging. Er glaubt, dass, wenn frühere Beobachter das Ge- gentheil fanden, dieses durch nachtheilige Eigenschaften des angewendelen Firnisses bedingt war. Oecflnete er ein Ei, so salı er, dass das Blut mit seiner dunkelrolhen venösen Farbe aus dem Embryo austrat, und während seines Verlaufes durch das Chorion hellroth wurde, so lange der Embryo lebte. Nach dessen Absterben wurden beide Blutarten hellrolh. Den Nutzen dem stumpfen Ende des Eies befindlichen Luftraumes Town in Unterhaltung des Atlımens vom 18ten Tage „an welchem er die Schaalenhaut an dieser Stelle durch- en fand, und der Embryo im Stande ist, eine Stimme zu lassen, die Gefässe des Chorion aber anfangen zu obliteriren. Die Membr. albuminis (Schaalenhaut) besteht nach ihm aus zwei Blättern, welche der Kalkschaale überall dicht CXLVIN anliegen. Auch an dem Luftraume trennt sie sich nicht von der Schaale, sondern eine besondere Membran, dic "sich während der Bebrütung von der Membr. album. ablöset. Die Chalazen sollen ferner einen elastischen Spiralfaden einschliessen, der durch seine Elastieität den Dotter, wenn er in dem Eiweisse in die Höhe steigt, immer so viel nach abwärts zieht, dass seine Oberfläche und der Raum noch immer von Eiweiss be- deckt sind. Rücksichtlich des Ueberganges des Eiweisses in den Doiter behauptet Town, dass am dritten und vierten Tage der Bebrütung der Dotter an der dem Embryo entgegen- gesetzten Seite eine Oeflnung erhalte, durch welche zuerst der dünnere Theil des Eiweisses in ihn eindringe, während der dichtere zu Boden sinke und die Oefinung verschliesse. Nach und nach bis zum 13ten und 414ten Tage dringt auch dieser dickere Theil in den Dotter ein, und die Oeffnung ver- schliesst sich durch ein Gefäss, welches sie umgiebt und zu- sammenschoürt. Diesen diekeren Theil des Eiweisses hält Town auch für die Ursache, dass der Embryo immer nach oben liegt, weil ersteres sich immer an der entgegengesetzten id Seite befindet. Guy’s Hospital Reports October 1839. Edinb. med. and surg. Journ. No. CXLIV. 1840. p. 245. Froriep’s N. Not. No. 287. p. 2. y Nach Macartney wird die weitere Entwickelung eines bebrüteten Eies sogleich unterbrochen, wenn man die Bebrü- tung in Kohlensäure fortzusetzen sucht. Froriep’s N. N No, 243. „BRBR, Von Barry ist ein Auszug seiner Untersuchungen über die Entwickelung des Kanincheneies gegeben worden. Lond. and Edinb. philosoph. Magaz. Series IH. Vol. 14. No. 92. Supplem. July 1839. p. 494. — Edinb. philos. Journ. — L’in- stitut No. 311. u. 437. — Froriep’s N. Not, No. 228. — Dieselben sind bei der grossen Genauigkeit des Beobachters und der sehr bedeutenden Zahl der von ihm untersuchten Thiere und Eier der ersten Zeit, von Wichtigkeit und vielem Inte- vesse. Da dieselben indessen vor Kurzem vollständig und mit den Abbildungen in den Philosoph. Transactions erschienen sind, so werde ich-ihr Referat für das nächste Jahr aufspa- ren. Ich erwähne hier nur, dass des Verf. Resultate sehr vielfach von den meinigen bei dem Hunde erlangten abwei- chen; und wenn dieses auch zum Theil, wie ich mieh durch seit einem Jahre verfolgte Beobachtungen ven Rabitichen über- zeugt habe, unerwarteter Weise durch die Verschiedenheit bei- der Thiere erzeugt ist, so glaube ieh doch schon jetzt äussern zu dürfen, dass Barry oft zu viel gesehen Kae Sue m Allen Thomson giebl eine Uebersicht der ilım bekannt i» CXLIKX gewordenen menschlichen Eier aus den drei ersten Schwan- gerschaftswochen. Sie sind: N - 4) v. Baer’s Fall. v. Siebold’s Journal Vol. XIV. Heft 3., und Entwickelungsgesch. I. 8 Tage nach dem Coi- us, wo kein Ei gefunden wurde, aber ein Corpus luteum und die Decidua, 2) Eduard Weber’s Fall in seiner Dissert., in Hilde- brandt’s Anatomie und in der Salzb. med. Zeitung 1832. Vol. III. p. 10. An letzterem Orte ist das Ei beschrieben. u Home und Bauer’s Fall. Philosoph. Transaet. 1817. p- 252. _ 4) Ein von Thomson beobachteter Fall, wo sich ein Corp. Iuteuin, eine Decidua und ein wasserhelles Bläschen in derselben eingebettet an der Seite des Corp. lut. fand, wel- ches mir ganz ein Ei gewesen zu sein scheint, obgleich er selbst es nicht dafür hält, weil es so zart gewesen, dass es bei der Berührung geplatzt. - 5) EinEi von Wharton Jones in den Philosoph. Trans- act. 1837. p. 339. beschrieben. Das Ei hatle die Grösse einer Erbse, und bestand aus zwei Bläschen, ohne Spur des Eimbryo. 5 6) Die Fälle von Pockels, auf die Thomson mit Recht Dichts giebt. 7) Ein von Coste beschriebenes Ei, so gross wie eine eine Haselnuss, wo sich ein zotliges Chorion, ein 14 Linien iger Embryo mit einer Nabelblase und einer Allantois fand, omson erklärt sich hier sehr bestimmt gegen Coste’s sicht, dass das Amnion eine Epidermoidalbildung des Em- bryo sei, und behauptet bei Katzen, Schaafen und Kaninchen die Bildung des Amnion gerade, wie bei den Vögeln, aus dem ‘ serösen Blatte der Kopf- und Schwanzkappe, beobachtet zu - haben; nämlich ehe sich die beiden Fallen noch auf dem Rük- ken vereinigt. - 8) Ein von Velpeau, aber schlecht beschriebenes und sebildetes Ei, wahrscheinl. 43 Tage alt. Embryol. p. 77. 9) Ein von einem gewissen Miller beobachtetes, aber echt beschriebenes und abgebildetes, 5 Linien im Durch- "messer grosses Ei. The Lancet 1837. Vol. I. p. 258. 40) J. €. Mayer’s + Zoll grosses Ei. Icones seleclae. Tab. VI. Fig. 3. u. 4. )- an Das von J. Müller, Archiv 1834. p. 8., erwähnte ,„7—-8Linien im Durchmesser. (Jetzt abgebildet in dessen ‚siologie Bd. II.) 2) Beschreibt Thomson ein von ihm beobachtetes Ei, welches er für 12—14 Tage alt hält. Es hatte, nachdem es in Essigsäure und Weingeist gelegen, 75 Zoll im Durch- eL u 2 Das Chorion mit zarten Flocke ep De war der Dottersack oder a le le og Höhle des ch orion nicht ganz ausfü ner Stelle lag a auf der Nabelblase auf der an eine Linie lang. _ Der Bauch desselben war nocl anz. au noch kein Darm gebildet, sondern die Bauchpla ing, unmittelbar in „ie Nabellne über. Mit dem Rück r der Embryo an das Chorion angeheftet. Von dem Annagent der ich rk ist nicht die Rede. Das W deutlich erkannt, ebenso nicht die Blutg belbla 13) Ein eites Ei schälzt Thomson n 15 Tage Corp. Re hatte keine Oeffnung ne ee i schon zu erkennen, so wie ihre v den Blutgefässe. In ihre Höhle h überzogen, ragte das Ei, dessen Chor breit war. Die Zotten waren vorzi eraeT: Innerhalb ar wieder der Bil eine Kopflalte gesehn zu el was ne Amnion A: en ” en N 44) Das dritte Ei mochte 5- 6' der Grösse des Chorion, welches es ung zefähr a 1 messer halte ı und stark mib Zolien Deelıt war. Der E schien aber in der En ickelung. stehen ‚geblieben zu denn er war u Linie ang und zeigte noch keine Spur de ‚mitäten. Das Herz stellte noch ı einen einfach geboge Id der Darmkanal war noch ganz gerade, der Mı Alter zu bemerken. Dei E m ging m mit ei wa en Oeflnung i in die Nabelblase ü v dem on o abstand. Aus ‚dem kam ein Jr anhef! tete, 0 hervor, welches de ‚bar die Allantois. A menspalten z zu bemerken. Ein A nicht, iı indem er eine Membran, die die t , und die er früher für das Annion mehr dafür hält. Er versic) ert nochmals gelhieren und Menschen das ; Amnion wickele. Edinb. med. and ‚surg. J Kupfer sind schlecht.) Auch Volkmann heschreibt c frühesten Periode ‚der Schwanz wurde nicht unterschieden , wol cL1 reflexa. Erstere schien nur erst durch einen halbflüssigen Stoff gebildet, der den Uterus an seiner Innenseite überzog. Das Chorion zeigte an einzelnen Stellen Flocken, und hatie 42 P. L. im Durchmesser. Im Innern fand sich. eine röthli- che Substanz in Form eines Sackes, welcher das Chorion ganz ausfüllte, und von einer äusserst dünnen Membran überzo- gen schien. Hiernach glaubt der Verf., dass erstens dieser Fall nicht für die gewöhnliche Einstülpungs- Theorie der De- eidua spreche, und zweitens dass das Ei so jung gewesen sei, dass sich der Embryo noch nicht gebildet, und von der Keim- blase abgeschnürt habe. Dieses Archiv 1839. p. 248. Es ist gewiss schwierig, gegen die von einem so genauen Beobach- ter, wie Volkmann, aus einer Beobachtung gezogenen Fol- gerungen etwas zu sagen, welche man nicht selbst mit ange- stellt hat. Doch möge mir derselbe erlauben, einige Zweifel aufzuwerfen. Was die Decidua betrifft, so glaubt: der Verf. die von ihm beobachteten Erscheinungen nach der bekannten Weber’schen Beobachtung über deren Bildung erklären zu können. Ich halte es nun zwar auch für ganz gleichgültig, ob man annimmt, dass das wahrscheinlich höchstens „5 Linie sse Eichen bei seinem Eintritie in den Uterus, die gewiss noch sehr zarte und weiche Decidua vor sich hertreibt, also wirklich einstülpt, oder ob es sich nur in das für die Deeidua bestimmte Bildungs-Exsudat einsenkt, von demselben umgeben und so die Reflexa gebildet wird. Immer aber glaube ich, dass beide, Decidua vera und reflexa, doch einen gleichen Gang in ihrer Entwickelung haben, und wenn eine voraus- geht, eher die vera als die reflexa. Wenn daher hier die Re- flexa schon ziemlich fest und derb erschien, die Vera aber noch als ein halbflüssiger Stoff, so möchte ich glauben, dass letztere entweder pathologisch, oder durch die Zersetzung (denn die Leiche war über 12 Tage gefroren gewesen) vey- ändert war. Auclı das Eichen scheint mir pathologisch zu sein, obgleich die Frau verunglückt war. Ich glaube sicher, dass Volkmann die Keimblase, wenn sie wirklich normal ‚gebildet war, bestimmt erkannt haben würde. Auch ist es ebildet war, die inneren Theile aber abortiv (Um die Liste bekannter schr junger mensch- cu uSerres verlheidigl aufs Neue die einst von Döllinger und Oken, und dann besonders von Pockels aufgestellte Ansicht, dass der Embryo ansserhalb des Amnion, dieses sich unabhängig von jenem entwickle, und der Embryo sich daun in das Amnion hineinsenke. Ann. des sc. nat. Al. p: 234. Ref. kann zu diesem Unternehmen nur sagen, dass, wenn auch die Bildung des Amnion noch nicht von allen Sei- teu aufgeklärt sein sollte, er doch überzeugt ist, dass Nie- mand, der selbst frühe Embryonen von Vögeln und Säuge- ihieren, und nicht bloss so leicht und meistens pathologische aborlirte menschliche Oyula untersucht hat, diese Ausicht ir- gend vertheidigen kann. Auch sind darin v. Baer, Rathke, Thomson, Reichert u. A. einstimmig. ; Dennoch theile ich die Gründe mit, worauf Serres seine Ansicht stützt, und will sie kurz beleuchten. Es sind dieselben aber Fälle, wo man 14) den Embryo ohne Amnion, 2) den Embryo auf dem Amnion, 3) das Amnion ohne Embryo gefunden haben will. Ad 4. könnte es wirklich Fälle geben, wo das Amnion sich nicht entwickelt hat, oder nach seiner Entwickelung zerstört wurde; sie wären jeden Falls pathologisch. Allein ich halte sie für sehr selten. Viel häufiger entstehen solche Angaben dadurch, dass bei der sehr schnellen Entwickelung des mensch- lichen Eies in frühester Zeit das Amnion sich, ae Ale Ei und der Embryo auch noch sehr klein sind, oft so dieht an das Chorion anlegt, ju.abnorm selbst mit demselben vereinigt, -dass bei der ausserordentlichen Feinheit beider Hüllen beide sehr schwer voneinander zu trennen und zu erkennen sind. ‚Ich habe Fälle der Art genug gesehen, wo man glaubte, das Amnion fehle, und bei recht genauer Untersuchung fand es sich doch. Ad 2. ist es erwiesen und deutlich, dass das Ei von Pockels, auf welches sich Serres beruft, ein patholo- gisches war. Die Aussage Burdach’s, dass auch er Fälle, der Art gesehen, und von Weber, Breschet und Velpeau sol- che erfahren habe, ist sicher zu unbestimmt, um darauf einen Beweis zu bauen, besonders da Burdach sonst rücksichtlich der Bildung des Amnion der Ansicht v. Baer’s folgt. In Serres eigenem Falle soll der Embryo kein Amnion besessen, und Statt dessen an seinem Nabelstrang ein abgeplatletes, a das Chorion angeheftetes Bläschen gesessen hab n, welches ‚Serres ohne Weileres für das Amnion erklärt Vielmehr könnte man der Beschreibung nach dasselbe für Allantois hal- ten, wie sie besonders die beiden neueren Fälle von R. Wag- ner und J. Müller zeigen. Die anderen von Serres. wälnten Fälle besitzen noch weniger Beweiskraft. Es väre aber auch möglich, dass man in ihnen die Zeit vor sie h halte, wo der Embryo sich noch von der Keimblase abschnürle, und CLIU de Keimblase mit, dem Amnion verwechselt wurde, obgleich dieses nicht sehr wahrscheinlich ist, da diese kostbaren Eichen noch sehr zart und klein gewesen sein müssten. Ad 3. könnte es ebenfalls sein, dass jene Verwechselung mit der Keimblase geschehen, und man ein Ei vor sich gehabt hätte, aus Chorion und Keimblase bestehend, ehe auf letzterer der Embryo erscheint. Allein Fälle der Art sind nicht gemeint, die Eier waren alle grösser. Unzweifelhaft waren es aber solche, gar nicht ‚seltene, wo der Embryo abgestorben war und sich aufgelöset hatte. Ich stehe daher nicht an, alle Be- obachtungen, welche man zur Stütze für jene Theorie bei- ‚gebracht it, entweder für pathologisch oder für falsch inter- pretirt und beobachtet zu halten. Dazu berechtigt das, was wir über die Entstehung des Amnion durch direcle Beob- achtung wissen. ”° Nach Hugh Carmichael hat die Placenta in der Regel Dies ber am untern Theile der hintern Wand des Uterus. es beweisen 1) direcle Beobachtungen, 2) die Ausculta- tion, welche das sogenannte Placentargeräusch immer nach n zu, niemals am Fundus uteri hört; 3) der Umstand; s die Eihäute gewöhnlich an der Seite, nie im Mittelpunkte en sind; 4) die Stellung der Falloppischen Röhren, wel- ‚che beim schwangern Uterus nicht wie bei dem nicht schwan- A Fundus, sondern mehr nach hinten und unten sich eriren, Dieses zeigt, dass sich diese Stelle verhältnissmässig nig, sdehnt als andere, so dass der Sitz der Placenta zwar allerdings anfangs im Fundus der Inserlion einer der en entsprechend ist, nachher aber durch diese Verschie- s Wachsthums nach hinten und unten kommt. Dubl. 1839. Fror. N. Not. No. 195. } : hat einige Beobachtungen über die Entwickelung Igaris milgelbeilt. Dieselben zeigen, dass auch diese ihrer Entwickelung dem allgemeinen Plan oder welchen der ‚Verf. für diese ganze ‚Klasse von seı Thieren aufstellen zu können glaubt, wonach sich Be Plan nicht sowohl in der Form, in welcher die den« Arten auftreten, sondern in der Zusammen- wesentlicher Strueturtheile zu erkennen giebt. ine mit der Bauchwand verbundene Gan- d mehrere mit dieser Wandung verbundene Ex- ‚ bei einem Mangel an eiugeweidigen Athemwerk- „Dabei schliesst sich ‚Mysis i in der Form der Leibes- und des ganzen Schleimblattes der Keimhaut, so wie durch bedingten Lagerungsverhältniss der einzelnen den Isopoden, Amphipoden und Lophyropoden, der einzelnen Orgaue mehr den Decapoden an. CLIV Wenn dann späterhin, nachdem der Dotter verschwunden, die Lagerungsverhältnisse der einzelnen schon vorhandenen Organe sich ändern, und dadurch bei allen Crustaceen einan- der gleich werden, wie verschieden sie auch ursprünglich sein mochten, so werden die Mysis-Arten im Zustande der Reife den Decapoden, denen sie ursprünglich im Ganzen genommen sehr unähnlich sind. weit ähnlicher, als irgend welchen ande- ren Crustaceen, Wiegmann’s Archiv p. 195. 1839. Von Rathke haben wir ferner noch zwei höchst schätz- bare und wichtige Beiträge zur Entwickelungsgeschichte er- halten. Der eine ist seine Entwickelungsgeschichte der Nat- ter, Königsberg 1839, ein Werk, welches sich allen monogra- phischen Bearbeitungen der Entwickelungsgeschichte kühn a die Seite stellen kann, und durch vortreflliche Zeichnungen und Kupfer auf eine sehr erwünschte Weise dem Verständ- niss zu Hülfe kommt. Man wird in demselben über kein wichtigeren Fragepunkt der Entwickelungsgeschichte vergebens Auskunft suchen, und oft finden sich auch die lehrreichsien Exscurse über die Entwickelung anderer Thierklassen. re'chlich Neues sich daher auch in diesem Werke findet so ist es doch eben dieses Reichthums wegen nicht möglie einen irgend genügenderen, diesem Orte angemessenen Aus- zug zu geben. Solche Werke müssen durchaus selbst stu werden. Der histologische Theil der Arbeit ist iger be- rücksichtigt worden, doch gehören diese Untersu en in der That auch einem eigenen Gebiete an. nr u Der zweite Beitrag ist eine gleich coneinne und gedie- gene Abhandlung über die Entwickelung des Schädels der Wirbelthiere, wie im vorigen Jahre über die Eaßeklelupe des Nervensystems. (Vierter Bericht über das n wisser schaftliche Seminar in Königsberg. 1839.) Wenige { halten hier, was wir anderwärts mühsam aus dicken, wo reichen Bänden heraussuchen müssen; sie beweisen, wie viel man in Wenigem geben kann. Hier würde Bene ein Summarium geben, wenn der Verf. dasselbe nicht selbst am: Ende seiner Abhandlung in 12 Sätzen gegeben hätle, die nur ‚abzudrucken wären. Doch will ich erwähnen, dass in Be- ziehung auf die Wirbeltheorie des Schädelbaues aus diesen Untersuchungen hervorgeht, dass eigentlich nur noch das Hin-- terhauptsbein nach dem Typus der Wirbel gebildet wird, die BAGEK ek: ner enger aber schon nicht mehr mit den irbelbeinen in ihrer Entstehung überein, und zwar der vor- dere noch weniger als der hintere, doch haben sie noch im- Ki ige Aehnlichkeit. Noch weniger ist dieses mit dem Riechbein der Fall. Da es indessen noch immer aus der Be- legungsmasse der Wirbelsaile seinen Ursprung nimmt, so darf CLV Nine und der Wirbelsäule betrachten. man es als da wischenkiefer, nbeine und Pflugschar entstehen ganz un- tängig von dieser Belegungsmasse der Wirbelsaite, und kön- nen gar nicht mehr als Theile eines Wirbels angesehen wer- den. Gaumenbeine und Flügelbeine zeigen in Hinsicht ihrer ursprünglie) orm, Lagerung und Verbindung ein ähnliches Verhältniss, wie die Rippen, sind Schädelrippen. Sie entste- hen in Ausstrahlungen, die von dem mittleren Theile der Grundfläche des Schädels hervorgewachsen sind, in welchen sich auch bei Säugethieren die Hammer des Ohres, und bei ‚anderen Wirbelthieren die Quadratbeine, und um welchen En ane Belegung von Knochenplatten zu den Unter- kiefern bildet. An Fortsätzen dieser Ausstrahlungen- enssteht eine Belegung von einer Subslanz, die für die Entwickelung der Oberkiefer und Jochbeine bestimmt ist. Sie können eini- aassen als rippenarlige ochen, aber nicht als Theile irbels betrachtet werden. Thränenbeine und Felsen- Schaltknochen, und keine Wirbel oder Theile der- bhandlung von Serre: den Kiemen- und Re- at des Embryo enthält für den deutschen Em- Neues. Zuerst erklärt sich Serres sehr sen, dass die bekannten Kiemenspalten der m frühen Zustande kein wirklicher Respirations- „ was ja auch Niemand bisher behauptet halte. er darzuthun, dass, bis die Placentarrespiration ausgebildet sei, die Zotten des Chorions des Eies schel fungirten, indem sie miltelbar durch die und unmittelbar mit der zwischen Decidua era befindlichen Flüssigkeit (Hydropernione) in Be- Vechselwirkung träten. Zu diesem Eude be- genau den Bau der Decidua refl, und die Art CLvI ihrem Blute in Wechselwirkung tritt, Dieses geschieht in der allerfrühesten Zeit durch die Nabelblasengefässe; später, so wie sich die Allantois entwickelt, durch die Nabelgefässe, welehe sich in die unterdessen gebildet habenden Zotten des Chorion hineinbilden. Wo dieses überall geschieht, da sind die Zotten überall gefässreich, wo es nur partiell geschieht, da enthalten auch nur an dieser Stelle die Zolten Gefässe, und nur hier sind sie daher zugleich Respirations- und Ernährungsapparate. Bei dem Menschen erfolgt dieses nur an einer Stelle der Cir- cumferenz des Eies, an der Placentarstelle, die sich immer mehr und mehr als solche ausbildet. Hier findet gar kein Wechsel von einer früheren Zotten-Kiemenrespiration und spä- teren Placentar-Respiration Statt, sondern der Theil der Zot- ten, in den sich die Nabelgefässe hereinbilden, vermittelt con- tinuirlich den Athemprocess, indem er sich nach und nach, immer mehr zur Placenta entwickelt. Auch auf die Hydro- pernione ist dabei gar kein besonderes Gewicht zu legen, ob- gleich es gar nicht bestritten zu werden braucht, dass au sie Bildungs-, und damit auch Respirations-Material ‚für d Ei abgiebt, aus welchem es sich vermittelst Imbibition « die Flocken entwickelt. , i N In einer anderen, mit der genannten zusammenhängenden Arbeit beweiset Serres, dass diese sogenannten Kiemenboge die Rudimente der Kiefer und sogar der Rippen, die Kiemen- spalten die Intercostal- und Intermaxillarspalten seien: Die Batrachier, welche keine Rippen haben, haben auch keine Kiemenbogen für diese Rippen, sondern nur solche ‚für die Kiefer etc. Ann. des sc. nat. T. XII. p. 129. re Ein Fall von verspäteler erster Dentition im 47ten Jahre, bei sonst normaler Entwickelung findet sich in den Annali universali di medicine 1838. sr a Die Untersuchungen über die Milch dauern auch noch in diesem Jahre fort. So findet sich wieder eine ausführliche Abhandlung über die chemische und mikroskopische Beschaf- ' fenheit derselben, über die Veränderungen, welche sie durch veränderte Zustände der Mutter erfährt, über die Mittel zur Prüfung der Milch ete. von Herberger im Archiv für Phar- macie 1840. Bd. XXI. 1. p. 36., und 2. p. 188. Es mag hier genügen zu erwähnen, dass derselbe den bestimmt verändern- den Einfluss von Krankheitszustäunden und Gemüthsafleeten der Mutter auf die Milch ia mehreren Fällen nachweiset. Von arzneilichen Stoffen fand er doppelt kohlensaures Kali, die lös- liehen Verbindungen des Zinns und Antimons, und die Chlo- ride des Caleiums und Baryums in die Milch übergegangen, nachdem die Multer sie durch den Mund aufgenommen. CLYI - Donn& hat seine Untersuchungen über die Milch fortge- selzt. Sie ist nach ihm eine Flüssigkeit, welche den Käse- stoff aufgelöst enthält, wie das Blut den Faserstoff, einen ei- genthümlichen Zucker, Salze und die Milchkügelchen aus einer fetten Substanz in Suspension hält. Die Auflöslichkeit der Milchkügelchen in Aether und Alkohol, und dass sie von Jod’ nicht gefärbt werden, beweiset, dass sie keinen Käsestoff ent- halten, sondern derselbe in der Milch aufgelöset ist. Man kann auch die Milch filtriren, wo dann die Kügelchen zurückblei- n, und aus der durchgelaufenen klaren Flüssigkeit der Käse- durch Säuren gefällt wird. Die weisse Farbe der Milch hängt also auch von ihren Kügelehen ab. Die Bildung des Rahms besteht allein in der Ansammlung der speeifisch leich- teren Milchkügelchen auf der Oberfläche der Flüssigkeit. Hier- auf wird die Milch sauer, der KäsestofF gerinnt, und unter wickelung von Gasarten bilden sich infusorielle Pflanzen l Thiere. Scheidet man durch das Filtrum die Milchkügel- hen don der übrigen Flüssigkeit, so sieht man, dass nur jene geworden, diese dagegen in eine alkalische Gährung eht. Infusorien bilden sich aber in beiden Partieen, in rsteren indessen erst lange Zeit, nachdem sie, sauer ge- ‚so dass man sie daher nicht .als die Ursache der sau- b Rn betrachten kann. Die mikroskopischen Vegeta- he Turpin gesehen und abgebildet, entwickeln in mit Aether behandelter Milch, als in der fil- _ man durch Filtriren wirklich die Milchkörper- chen von der Milch abscheiden könne, bewies Donn& gegen pin (L’institut No. 311. p. 433.) in einem von der Aka- angestellten Versuch (ibid. No. 312. p. 447.). der Anwendung seiner Untersuchungen über die Milch onne endlich zu dem Resultate gekommen sein, dass d der WR sondere während der Schwan- aan der Entbindung genau mit dem nach der Ent- og übereinstimmt, und reichlich oder spärlich, reich oder Binde CLVIN arm au nährenden Substanzen ist, wie sie sich schon vorher gezeigt (L’institut No. 262. p. 2.). - j Chevallier und Henry haben eine andere ausführliche Arbeit über die Milch geliefert, in welcher sie sowohl die des Weibes, als verschiedener Hausthiere chemisch untersuchten, und den Einfluss, welchen Nahrungsmittel, Anstrengungen, Krankheiten, Zeit der Absonderung nach der _Niederkunft, und die Aufnahme verschiedener Arzneimittel auf die Qualität der Milch ausüben, bestimmten. In letzterer Beziehung fanden sie Kali, Natron, Zink, Eisen, Wismuth, Salze in der Milch wie- der, Quecksilbersalze aber nicht, ebensowenig wie schwelfels. China. Endlich behandeln sie auch noch ausführlich die Mit- tel, die Güte oder Verunreinigung der Milch durch beigemischte Stoffe zu prüfen. Journ. de chimie med. Tom V. 1839. p. 145. und 193. Journ. de Pharmacie. 1839. Tom. XXV. p. 333 und 401. j ta - F. Simon hat ein Mittel ausgesonnen, die von Henle schon beobachtelen Hüllen der Fettkügelchen der Milch ‚noch bestimmter nachzuweisen. Er dampft Frauenmilch ab, wobei die Hüllen platzen und die Butter frei wird, behandelt dann den Rückstand mit Aether, bis die Butter ausgezogen ist, und betrachtet dann das Uebrigbleibende, mit Wasser angerührt, uuter dem Mikroskop. Dann sind zwar viele Hüllen ganz zerstört, viele sind aber auch nur geöffnet, haben allein das Felt austreten lassen, und sind so leicht zu erkennen. In Es- sigsäure lösen sie sich leicht auf, und bestehen daher wahr- scheinlich aus Kasein. Dieses wie alle Protein- Verbindungen "haben wahrscheinlich die Eigenschaft, wenn sie mit Oel zu- _ sammenkommen, zu coaguliren, und die einzelnen Oeltröpf- chen mit Hüllen zn umgeben. (Pharmaceut. Centralblatt. 1839. "No. 43.) Fror. N. Not, No. 249. oe } ß mr (Ref. erlaubt sich am Schlusse dieses Berichtes die Bitte, dass die Herren Verf. von Monographieen ihre respectiven Buch- händler veranlassen möchten, dieselben doch auch hierher nach Heidelberg zu versenden. Dadurch würde es ihm möglich wer- den, den Bericht früher zu liefern, was Manchem angenehm ‚sein möchte.) kn BERICHT Be über die Fortschritte der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere im Jahre 18339. Vom HERAUSGEBER. A v Unter den vergleichend anatomischen Arbeiten, über welche wir diesmal berichten, nehmen diejenigen über die Anatomie der Fische den unverhältnissmässig grössern Theil ein; in der That war dieser Theil der Anatomie bisher am wenigsten an- gebaut; die vielen Abweichungen von dem Bau derjenigen Kno- chen- und Knorpelfische, an denen die Anatomie der Fische bisher studiert worden, waren wenig gekannt; dieser Mangel wird besonders fühlbar zu einer Zeit, wo es gilt, die Ver- wandtschaften eines Thieres, wie Lepidosiren, zu den Fi- Hi und Amphibien festzustellen. Denn wenn die Basis der Vergleichung bei den Amphibien auch hinreichend gekannt ist, so reicht hingegen das von der Anatomie der Fische Bekannte bis jetzt nicht aus, um einen sichern Anhaltspunkt für Ver- gleichungen mit einem so eigenthümlich gebauten Thiere dar- zubieten, Die Untersuchungen von Alessandrini und Duvernoy haben uns mit gewissen kleinen Muskeln bekannt gemacht, welche die doppelten Reihen der Kiemenblätter gegeneinander wegen, Die Sehrift von Alessandrini, de piscium appa- atu respirationis. Bonon. 1838, ist uns leider noch nicht zugekommen. Aus der Abhandlung von Duvernoy über denselben Gegenstand (annales des sciences naturelles. 1839. Aout,) entnehmen wir, dass Alessandrini jene Muskeln zu- Mäller’« Archir, 1840. L CLX erst bei einem Knochenlische, Orthagoriscus mola, beschrie- ben. Es sind offenbar dieselben Muskelbündel, welche bei dem Pe- tromyzon von den Scheidewänden zwischen den Kiemensäcken reihenförmig an die lelzteren gehen, und die Kiemensackwände gegen die Scheidewände anziehen, oder die Kiemensäcke er- weitern. Diese Muskelbündel sind bereits von Rathke (in seiner Schrift über die Pricke p. 45.) beobachtet. Bei den Knochenfischen ziehen die aualogen Muskeln, welche versteckt zwischen den beiden Reihen der Kiemenblätter liegen, die Ba- sen der letztern aneinander, und nähern die Blätter der ent- gegengesetzten Reihen einander. Duvernoy hat diese Mus- keln bei Aalen, Salmen, Stören, Chimaeren, Plagiostomen und Petromyzon genau beschrieben, und die allgemeine Ueberein- slimmung, so wie die speciellen Verschiedenheiten der Anord- nung nachgewiesen. Bei den Myxinoiden giebt es nach einer Beobachtung von mir eine andere Art Muskeln, welche bei anderen Fischen nieht vorkommen, und vielmehr die Zusam- menziehung der Kiemensäcke bewirken, Sie sind von den eigenthümlichen museulösen Schleifen, welche den gauzen Kie- menapparat mit der Speiseröhre und Aorta umfassen, und die ich bei einer andern Gelegenheit beschrieben, zu unterschei- den. Sie liegen vielmehr auf den Kiemensäcken selbst unter ihrer serösen Haut, und bilden eine Schichte von concentri- schen Ringen. Monatsbericht der Akad. d. Wissensch. zu Ber- lin. 1839. Nov. Diese Muskelschicht gehört auch dem anima- lischen System an, und ist queergestreift. „ Eine Untersuchung von Treviranus über gewisse an den Kiemen ausser den Kiemenarterien und Kiemenvenen vorkom- mende Gefässe, veranlasst mich, eine Auseinandersetzung die- ses verwickelten Gegenstandes aus der bald erscheinenden Fort- setzung der Myxinoiden mitzutheilen. 2 Duverney entdeekte im Jahre 1699 eine doppelte Art von Kiemenvenen beim Karpfen, wovon die einen die Wur- zeln der Körperarterien sind, die anderen sich mit den Kör- ervenen vereinigen. Die letzteren sammeln sich in einen tamm an der Bauchseite der Kienıen über der Kiemenarterie, und dieser Stamm vereinigt sich mit dem Sinus der Körper- 3 venen. Duverney hat sich darin geirrt, dass er glaubt, eine und dieselbe Vene des Kiemenbogens, welche das arteriell ge- wordene Blut aus den Kiemenblättchen empfange, führe mit ihrem obern Ende in die Aorta, mit ihrem untern Ende in die Kehlvene des Körpervenensystems. Die in die Aorta und die in die Körpervenen führenden Venen der Kiemen haben in der That keinen Zusammenhang; das arteriell gewordene Blut der Kiemen gelangt nur zu ‚den Körperarterien. Monro hingegen hatte bei den Rochen zweierlei Arterien der Kiemen _ CLXI beschrieben, wovon. die grösseren dunkelrothes Blut führen, und der Arteria pulmonalis vergleichbar sind, die kleineren aber 'hellrothes- Blut aus dem Körperarteriensystem den Kie- men zuführen, und nach Monro’s Deutung den Bronchial- arterien ‚gleichen. Aus den ventralen Enden der Kiemenvenen entstehen nämlich aueh Arterien, wie aus den dorsalen Enden derselben. Die ersteren fliessen jederseits zu einem Längs- stamme zusammen, welcher nach hinten mit der aus der dor- salen Aorta kommenden Arteria subelavia anastomosirt, nach vorn und nach den Seiten aber sich verzweigt. Das vordere Ende gibt der Unterseite des Kopfes Zweige, das Stämmchen selbst giebt nach innen gegen die Arteria branchialis hin die Kranzarterie des Herzens, nach aussen aber gehen einige Zweige von ihm ab, welche sich wieder in den er ver- ästeln. Wären diese Beobachtungen richtig, so Würden diese Arterien unstreitig den von Duverney entdeckten Venen entsprechen, und beide das System der Bronchialgefässe der Kiemen 'repräsentiren. Die Erfahrung von Monro hat sich aber bis ‘jetzt nicht bestätigt: Ich habe eine grosse Raja cla- vata darauf untersucht. Aus dem ventralen Ende der Vene des zweiten Kiemenbogens entspringt allerdings eine nach vor- wärls, seilwärts und rückwärts sich verzweigende Arterie; aber ihre seitlichen Zweige habe ich. nur in die Bedeckungen der Kiemen, nicht in die Kiemenblätter. verfolgen können, Auclı bei den Knochenfischen fanden sich bei wohlgelungenen Injeetionen der aus den Kiemenvenen sich fortsetzenden Ar- terien Keine solche Kiemenzweige- zu den Kiemenblättchen selbst Cuvier kannte die von Duverney entdeckte Vene, und führt sie unter den Hauptstämmen der Körpervenen auf. Nach ilm bringt sie das Blut aus den Kiemen und den be- nachbarten Theilen, und steigt zwischen den beiden vorderen Hollvenen in die Brust. * Ueber das Verhältniss der Kehlvene zu den Kiemenvenen hat sich Cuvier nicht erklärt. ı. Diese Vene war ferner vor einiger Zeit der Gegenstand der Untersuchungen von Fohmann, insbesondere beim Aal wesen. Fohmann hielt die Kiemenzweige der Vene für ymplıgefässe, und'nahm, da er auch aus den dorsalen Enden der Kiemen Zweige zu den Wirbelstämmen der Lymphgefässe Kagoreche salı, Venae Iymphaticae advehentes und revehen- der Kiemen an. Die erstere giebt Zweige an die Kiemen- blättchen, welche längs dem innern Rande derselben bis zur Spitze verlaufen, dort umbiegen und am ‘äussern Rande ge- gen die Basis hingehen, am Kiemenbogen in die Tiefe drin- gen und ein ‚Gefäss erzeugen, welches oberhalb der Kie- menarlerie hervortritt; diese Gelässe gehen von den Kiemei _ n* CLXU zur Kehlvene. Beiderlei Gefässe stellte er, im Zusammenhange mit den Lymphgefässen der Kiemenblättchen injieirt, dar. Zu dieser Ansicht trug der von Fohmann beim Aal beobachtete Lymphsack über den dorsalen Enden der Kiemenbogen das meiste bei, welcher einestheils mit dem vertebralen Lymph- stamm seiner Seite anastomosirt, während er andererseits ein Lymphgefäss abgiebt, welches die Zweige für den dorsalen Theil der Kiemen liefert. Das Lymphgefässstämmechen der Kiemen hängt aber durch Queeranastomosen mit dem verte- bralen Lymphgefässstamm zusammen. Ist nun gleich dieser Lymphsack durch die Bewegung der Muskeln der Kiemenbo- gen, und durch die Athembewegungen der museulösen Be deckung der Kiemenhöhle, welche sich am lebenden Aal wie sonst der Kiemendeckel rhythmisch bewegt, einigem Drucke ausgeseizt, so ist es doch schon wegen der Anastomose des Stämmchens der Kiemenlymphgefässe mit den vertebralen ILympbgefässstämmen unwahrscheinlieh, dass die Lymphe von solchem Druck eher in die Kiemen, als in den vertebralen Lymphgefässstamm überfliessen sollte. Und selbst wenn sich dieser Sack selbstständig zusammenziehen könnte, was er zu- folge meiner Beobachtungen an lebenden Aalen platterdings nicht kann, so würde die Sache ganz dieselbe bleiben. Die Bedeutung der in die Keklvene übergehenden Kiemengefässe ist jedoch keinesweges als Iymphatische festgestellt. Ueber- gänge: in Folge von Quecksilberinjeclionen können in so zar- ten Fragen, wie der Zusammenhang des capillaren Theils, der Blutgefässe, nie. vollkommen entscheidend sein, und haben schon zu manchen Missverständnissen veranlasst, wie bei der Annahme des Zusammenhanges der Venen und Lymphgefässe im Innern der Lymphdrüsen. ‘Jener berühmte Anatom sah den Einwurf voraus, es seien die in die Kehlvene führenden Kiemengefässe die Bronchialvenen der Kiemen. Hierauf wurde von ihm bemerkt, dass die in die Kehlvene übergehenden Kie- mengefässe im Allgemeinen als Venen der Kiemen zu gross seien, und in keinem entsprechenden Verhältniss zu den klei- nen Arterienzweigen stehen, welche Fohmann von den Aesten der Aorta in die Kiemen treten sah. Zugegeben, dass die ersteren dadurch zu einer bedeutenden Grösse angewach- sen, dass in den Kiemen viele Saugadern in sie einmünden, so sei die Meinung von der Respiration der Lymphe in den Kie- men nicht umgestossen, da beim Verschlingen und bei der Be- wegung der auf die Schlundknochen wirkenden Muskeln ein Theil der Lymphe in die Kiemenblättchen getrieben vwverde. Weitere Beiträge zur Auflösung dieser verwickelten Frage lieferten die in einem frühern Bericht erwähnten schönen Un- tersuchungen von Hyrtl über das Arteriensystem der Fische, v- CLXI Hyrtl nahm eine jederseits der Kiemenvene am Kiemenbogen liegende Vene, welche ohne Zweifel das in die Kehlven® über- gehende Gefäss ist, für eine Vena bronchialis. Als Bronchial. arterien sah Hyrtl kleine Gefüsse an, welche aus dem am Kiemenbogen liegenden Theil der Kiemenvene entspringen, und sielı nach Art der Arterien im Zellgewebe der Kiemen: ver: zweigen. Einige dieser Gefässchen sah er in den Knochen eindringen oder um den Kiemennerven Schlingen bilden. Beim Barsch entsprang aus der ventralen Verlängerung der Kiemen- vene ein zartes Gefäss, welches sich in dem Zellgewebe ver- zweigte, das die Basen der Kiemenblättehen an den Rand der Knochenrinne befestigt, und die in ihr verlaufenden Hauptge- fässe untereinander vereinigt. Bronchialarterien von der Aorta za den Kiemen erwähnt Hyrtl nicht, auch von den Kiemen- venen der Kiemenblättehen sind keine arteriöseu Zweigelchen für die Kiemenblättehen erwähnt. , + Die fragliche Untersuchung von G. R. Treviranus*) beschreibt die Ursprünge der zu den Körpervenen übergehen- den Kiemengefässe in den Kiemenblättchen. Die Gräthe des Zaeckens soll nach Treviranus bei den Cyprinusarten hohl sein, und in ihrem Kanal soll ein Gefäss liegen. Dieses öffnet sich an der Basis der Gräthe in einen Stamm, der am Kie- menbogen an der Seite der Kiemenarterie und der zur Aorta henden Kiemenvene verläuft. Jede Reihe der Kiemenzäcken at ihren eigenen Stamm. Diese treten vereinigt aus dem hintern Ende des Kiemenbogens hervor und gehen zur obern Hohlader. Dies seien die Duverney’schen Venen. Nach Injeelion der Kiemenarterie werden die Gefässe nicht gefüllt. Treviranus hält sie für Lymphgefässe, er fand aber bei Cyprinen und bei der Quappe nur eine Art dieser Gefässe, nämlich die zu den Körpervenen führen, nicht die zweite von Fohmann beim Aaal angegebene oder seine Vasa Iymphatica adferentia der Kiemen. Bei der Quäppe nehmen die gleichen Gefässe keine in den Gräthen der Kiemenzacken enthaltene Gefässe, sondern Saugadern auf, die auf der Oberfläche der Kiemenzacken liegen, und wurden die Arterien von ihren Stäm- men aus gefüllt, so ergoss sich die Injeetionsmasse immer auch in einzelne Zweige dieser fragliclien Lymphgefässe, ' Was ich an eigenen Beobachtungen zur Entscheidung der ebenden Frage beitragen kann, besteht in Folgendem. ‚Dass die zur untern Kehlvene gehenden Kiemengefässe Venen, und also die Bronchialvenen seien, ist mir schon daraus walır- — *) Beobachtungen aus der Zootomie u. Physiol: I. H. Bremen. 1839, p. 8. CLXIV scheinlich geworden, dass ich beim Wels, Hecht und Zander diese Kiemengefässe wie am Bauch in die Kehlvenen, so an der Rückseite aus den obern Enden der Kiemenvenen zu den obern Jugularvenen oder subvertebralen Venenstämmen’ gehen sah, da vielmehr (die Lymphgefässe der Kiemen von Fohmann bisin die Ductus thoraciei verfolgt sind. Die aus der grossen Kiemenvene des Kiemenbogens entspringenden zarten ‚Zweige zu den Kiemenbogen sah ich nicht zu den Kiemenblättern selbst gehen. Aus den ventralen und dorsalen Verlängerungen der Kiemenvenen und aus der Aorta sah ich eben so wenig Zweige zu den Kiemenblättern gehen, vielmehr waren die aus den dorsalen Verlängerungen der Kiemenvenen kommenden Zweige zu ‘dem Kiemenapparat auch wieder nur den Kiemenbogen und ihrer Schleimhaut. bestimmt. Sind:auch diese Art Ge- Jässe den Bronchialarterien analog, so sind sie doch nicht das, worauf es ankommt, Bronchialarterien des athmenden- Theils des Kiemenapparais oder der Kiemenblätter. Ich sah vielmehr, dass die letzteren aus den am Rande der Kiemenzacke verlau- fenden Kiemenvenen dieser Zacken entspringen, und sogleich als ernährende Gefässe der Kiemenblätter sich in ihnen ver- zweigen, und ein eigenes Bronchialgefässnetz der Kiemenblät- ter bilden, welches von dem respivatorischen Gefässnetz der Kiemenblätter verschieden is. Das Rele capillare bronchiale der Kiemenblätter der Knochenfische liegt an jedem: Kiemen- zacken in ganzer Länge desselben im Innern des Kiemenblatts zwischen den oberflächlichen, der gefalteten Schleimhaut des Kiemenblattes angehörenden Capillargefässnetzen der einen und andern Seite. Beide Netze verhalten sich ganz verschieden. Das respiratorische Nelz ist äusserst dieht, gehört den kleinen Fältchen des Kiemenblattes an, und hat jederseits so viele queere Wurzelgefässe, als queere Fältchen da sind. Das Bron- chial- oder nutrilive Capillarnetz ist wenig dicht, und seine Wurzeln sind nicht parallele Queergefässe, sondern baumartige Zweigelchen. Man legt das nutritive Netz bloss, wenn man die Schleimhaut der Kiemenfältchen einer injieirten Kieme vorsichtig von einer Kiemenzacke ablöst, dann sieht man von dem Kiemenvenenstämmehen des Zackens an verschiedenen Stellen einige baumartige feine Arterien abgehen, welche sich im Innern des Kiemenzackens verzweigen. Die kleinen Mus- keln der Kiemenzacken bekommen nicht auf diese Weise, son- dern aus der grossen Kiemenvene des Kiemenbogens ihre Zweige. Die Bronchialvenen der Kiemenblätter liegen theils am äussern, theils am innern Rande eines jeden Kiemenblat- tes; an der Basis der Kiemenblälter hängen sie durch bogen- | förmige Verbindungen zusammen. Am äussern Rande liegen die Bronchialvenen dicht bei der Kiemenvene des Kiemenblat- CLXV, tes, meist doppelt, und die viel grössere Kiemenvene zwi- schen sich nehmend.. Sie geben Aeste, theils queere, theils unregelmässige. Treviranus lässt in der Abbildung. die Lympbhgefässe parallel zwischen den gleichen Capillaren der Kiemenarterie und Kiemenyene hingehen; aber solche queeren Capillaren giebt es an dem respiratorischen Netz nicht, Dass die Bronchialvenen der, Kiemenblättchen Blut und keine Lym- phe führen, davon kann man sich direct an frischen, nicht inji- . eirten, Kiemen von sehr grossen Hechten überzeugen. Wenn man das Blut des respiratorischen Nelzes durch Zerschneiden der Kiemenarterie entleert, so werden die Kiemenblätter blass und durchscheinend, und man unterscheidet dann mit einer Lupe am äussern Rande des Kiemenblattes von der oberfläch-' lichen Kiemenvene die sie begleitenden, mit Blut gefüllten Bronchialvenen des Kiemenblattes, ihre Fortsetzung zum Kie- menbogen, und oft sind auch die Arkaden, welche die Venen der verschiedenen Kiemenblätter an der Basis derselben. bilden, mit Blut gefüllt. Die nahe und unmittelbare Begrenzung des respiratorischen äussern und ernährenden innern Capillarnetzes der Kiemenblätter, woyon das eine hellrothes, das andere dun- kelrothes Blut aus dem Kiemenblätichen zurückgiebt, ist- sehr -instrucliv, und um so wichliger, als man von den Lungen keine so weit gediehene-Kenntniss der beiden Capillarsysteme und ihres Verhältnisses hat. Aus einer Untersuchung ‚von mir über die Natur der kie- ‚menarligen Nebenkiemen oder Pseudobranchien der Knochen- fische ergiebt sich, dass diese dem Athmen fremden Organe Wundernetze sind, und dass ihre Vene die Pfortader der Cho- roidaldrüse im Fischauge wird.. Monatsbericht der Akad. der Wissensch. 1839. Nov., und Müll. Arch. 1840. U. 4. . Bei nicht wenigen Fischen sind diese Organe von der Schleimhaut ‚der Kiemenhöhle bedeckt, und wie drüsenartig, haben aber im innern Bau doch die gefiederte Bildung der gewöhnlichen Nebenkiemen; bei einigen Fischen sind sie sogar von Muskeln bedeckt, und liegen ganz in der Tiefe am Gaumen. Sie er- halten immer hellrothes Blut aus der Kiemendeckelarlerie, und geben dunkelrothes Blut ab, ihre Vene geht zum Auge, und ist dort die grosse Arlterie der Choroidaldrüse,. deren Vene zur obern Jujularvene geht. Mas Blut der Augenmuskeln und ‚der Iris kömmt nicht aus diesem System, sondern aus Arte- zien, die. dem Circulus cephalicus angehören. Der Verf. hat die Pseudobranchien seitdem auch bei den Knorpelfischen gc- funden, bei den -Stören ist die Pseudobranchie nicht die Kie- mendeckelkieme, welche respiratorisch ist, sondern die Spritz- lochnebenkieme. Dieselbe Lage hat die Pseudobranchie bei den Plagiostomen im Spritzloch. Die Carchariae haben im u CLXVI Fleisch liegende Pseudobranchien ohne Spritzlöcher. Die Pseu: dobranchie der Knochenfische mit einer Glandula choroidalis ist ein Rete mirabile ophthalmicum, welches nur auf die Glan- dula choroidalis berechnet ist. Die Pseudobranchie der Knor- pelfische ohne Glandula choroidalis enthält ein Rete mirabile caroticum, indem es sich in eine Arterie fortsetzt, welche sich am Auge, Hirn und äussern Kopf verzweigt, und mit der Ca+ rotis cerebralis posterior zusammenhängt. Die feinere Blutgefässvertheilung in der Choroidaldrüse ist mehrfach untersucht. Albers, Eichwald und W.Jones hatten von der Choroidaldrüse die richtige Ansicht als Wun- dernetz aufgestellt, und Wh. Jones hatte eine ganz genaue Beschreibung und Abbildung des arteriösen Gefässsystems die- ses Wunderneizes gegeben, welches sich in die Arterien der Choroidea fortsetzt. Siehe den vorigen Bericht. Dieses Or- gan war auch in dem Jahre, über welches wir berichten, der Gegenstand mehrerer Untersuchungen yon @. R. Treviranus (a. a. O.), von Erdl*) und von mir (Monatsbericht d. Akad. der Wissenschaften 1839. Dec. und Archiv 1840. H. 1.): Treviranus (a. a. O.) lieferle eine Abbildung der büschel- förmigen Blutgefäss- Verbreitung in der Choroidaldrüse, ohne jedoch das Verhalten der Blutgefässe dieses Körpers zu der Choroidea und die Natur des Organs zu erkennen. Erdl gab eine Reihe schöner Abbildungen des Organes bei ver- schiedenen Fischen, beschrieb vollkommen naturgemäss die büschelarlige Verzweigung der Arterie und Vene in den hinteren Umfang der Choroidaldrüse und die Arterien, welche aus der vordern Fläche derselben zur Gefässschicht der Cho- roidea gehen, und Venen, welche daraus in die Drüse zu- rückkehren. In dem anatomischen Resultat über den feineren Bau des Körpers stimmen Erdl’s und meine Beobachtungen überein; aber Erdl glaubt, dass die aus der Drüse enistehen- den Gefässe der Choroidea nicht Blut, sondern eine andere Materie enthalten, ein Secret, welches den durchsichtigen Theilen ihre Integrität erhalte, daher wurden die Organe nicht als Wundernetze aufgefasst. Nach meinen Beobachtungen ist die Choroidaldrüse ein amphicentrisches Wundernetz mit dop- pelten arteriösen und doppelten venösen Wirbeln. Der erste arteriöse Wirbel liegt am Eintritt der vorher beschriebenen Vena arteriosa oder Pfortader von der Nebenkieme, der zweite an dem vordern Umfang des Choroidalkörpers, wo das Blut *) Disquisitiones de piscium glandula choroidali. Diss. inaug. Monachii 1839. 4. CLXVU sich wieder in viele stärkere Arterien für die Choroidea sam- melt; der eine venöse Wirbel liegt am vordern Umfange des Organes, wo die Venen der Choroidea sich in den venösen Theil des Wundernetzes büschelförmig auflösen; der zweite, wo sie sich wieder zu der aus dem Auge abgehenden grössern Vene sammeln. Die Röhren der arteriösen und venösen Bü- schel des Wundernetzes sind gemischt und capillar. Die Si- lurus, Pimelodus, Synodontis, Aale und Cobilis ohne Neben- kieme haben auch keine Choroidaldrüse. Aus der eben er- wähnten Erklärung ergab sich auch, dass der Choroidalkör- per des Fischauges keine isolirte Erscheinung ist. Denn die Choroidea aller übrigen Wirbelthiere enthält auch Wunder- Netze, aber keine amphicentrischen, sondern monocentrische mit diffuser Vertheilung der Arterien, und gleicher Verthei- lung der Venen. Treviranus bezeichnet als analoges Prineip mehrerer Bil- dungen, wie der Choroidaldrüse des Fischauges, der rothen Körper der Schwimmblase und der Vertheilung der Blutge- fässe im Magen der Cobilis, büschelartige Vertheilung der Blutgefässe. Die beiden ersteren sind allerdings durchaus ver- wandt, aber ihre Organisation beruht gerade hier auf mehr als einer blossen büschelartigen Vertheilung der Blutgefässe; dagegen hat die Verbreitung der Blutgefässe im Darmkanal der Cobitis nichts mit den Choroidalkörpern in dem Auge, in der Schwimmblase der Fische gemein. Von einer Verglei- chung jener Organe mit den Wundernetzen kömmt in Tre- viranus Schrift nichts vor. Die Choroidalkörper der Schwimmblase gleichen zufolge einer Untersuchung von mir (Monatsbericht d. Akad. d. Wis- sensch. Dec. 1839. Müll. Arch. 1840. H. 1.) in allen Be- ziehungen den Wundernetzen anderer Thiere, und es giebt davon analoge Formen, wie von den Wundernetzen der Cho- roidea, Sie sind entweder diffuse Wedel, wie die Verthei- lung der Blutgefässe an der hintern Schwimmblase der Cy- prinen, und die rothen Wedel in der Schwimmblase des Hech- tes, oder ampbicentrische Wundernetze der Arterien, und eben solche der Venen, wie bei den Percoiden, Gaden, Aalen; im letztern Falle verbreiten sich die aus den Choroidalkörpern hervorgehenden Arterien und Venen entweder in einem be- sondern drüsigen Saum der Choroidalkörper, wie bei den Per- eoiden, Gaden u. a., oder in der ganzen Schwimmblase, wie bei ‚den Aalen, an deren hinterer Schwimmblase, Die diffusen "Wundernetze gleichen den diffusen Wundernetzen der Cho- ea, die amphicentrischen dem Choroidalkörper im Auge der Knochenfische, CLXVIL "Die Neurologie der Fische ist durch eine sehr genaue Arbeit: über die Nerven des Störs von Stannius *). be- reichert worden. Die Geruchsnerven entspringen aus drei Paar Geruchslappen. Die dünnen Optici verfolgte Verf. iu den Lobi optiei bis zur Grenze des kleinen Gehirns; an der Basis cerebri sind sie durch eine Commissur verbun- den, und geben einige Fädchen aneinander ab, aber es findet keine vollkommene Kreuzung Statt. Der Oculomotorius ent- spriugt nahe bei der Hypophysis, und theilt sich in der Or- bita in zwei Zweige, deren kürzerer an den Muse. rect. sup. geht; der längere versieht den M. rect. inf., giebt einen kur- zen Ast zum M. reetus internus, und endet mit zwei Aesten im M. obliquus inferior. Ein Ciliarzweig wurde vergeblich gesucht. : Der Nerv. patheticus, zwischen den Lob. opt. und cerebellum entspringend, geht durch einen Knorpelkanal;in die Orbita zum M. trochlearis. Der Nerv. abducens kommt aus der Basis med. oblong. neben dem Quintus und Acausticus mit zwei, seltener einer Wurzel hervor. Er geht mit dem 4sten Aste des Quintus in die Augenhöhle, um den .M. rect. est. mit Zweigen zu versehen. $ Verf. betrachtet die 3 Augenmuskelnerven als accessori- sche Zweige des Ram. I. des Trigeminus, den. er Einmal auch, getrennt von den andern Zweigen verlaufend, ein besonderes Ganglion bilden sah. i } Das 5te Nervenpaar hat 5 Wurzeln. Die erste, aus ‚der Fortselzung der hintern Pyramide entspringend, bildet ‚ein 4stes Nervenbündel. Eine zweite Wurzel entspringt aus der hintern Pyramide, und vereinigt sich mit der 3ten Wurzel, welche aus der Basis med. obl. hervorkommt, zu einem zwei- ten Nervenfascikel. Die vierte Wurzel nimmt ihren Ursprung aus der hintern Pyramide, wo sie den Bulbus med. oblong. bildet, und die leizte Wurzel kommt aus der Basis med. oblong. Das 1ste Nervenbündel geht entweder allein in einen Knorpelkanal, um ein besonderes Ganglion zu bilden, oder es tritt zu diesem Ende mit den Fäden der 2ten und 4ten Wur- zel zusammen; die Nervenfascikel der ten und 5ten Wurzel tragen nichts zur Bildung des Ganglion bei, so dass man auch ‚beim Stör eine Portio major und minor unterscheiden kann. Was den: Ursprung der verschiedenen Nerven ‚betrifft, so ent- springt der grosse Schläfenmuskelnerv bloss aus der 4ten Wur- zel; den Nerv. opercularis bilden grösstentheils Fäden der 2ten ‘Wurzel, die übrigen kommen aus der Portio major. E) Den Nerv. maxill. inf. setzen Fasern der 2ten und Aten *) Symbolae ad anatomiam piscium. KRostochii. 1839. 4. Ps CLXIX Wurzel nebst einigen Fäden vom Ganglion zusammen. Der Nerv. ophth. Willisii ist eine Fortsetzung der 1sten Wurzel, welche zweimal ein eignes Ganglion bildete. Die Nerven der Schnauze entspringen bloss aus Fäden des. Ganglions, und ebenso verhielt es sich mit den übrigen Nervenzweigen. Was die einzelnen Nervenstämme betrifft, so versieht der 1ste, Nerv. ophthalmico-nasalis, die Iris, Orbita und das: Geruchsorgan mit Zweigen, und entsprieht ganz dem Ram, ophth. trig. der höhern Thiere. Der Nery. maxill. inferior verzweigt sich 'un- ter der Haut der Kiefer und geht in die Mundmuskeln. Diese Zweige entsprechen einem Theil des 3ten Astes des Trig. der höhern Thiere. Seine übrigen Aeste, die Nerv. temporales, gehen durch eine besondere Knorpelkapsel' aus der Gehirn- höhle. Der Nerv, externus rostri giebt einige Zweige an die Orbita und vertheilt sich dann in der Schnanze, besonders in der oberflächlichen Schicht der äussern Haut derselben. Zu ihm tritt der Nerv. internus rostri, und bildet mit einigen'seiner Zweige an: der Basis der Schnauze Nervenplexus. Dieser Nerve geht vorzüglich an die mittlere Hautschicht der Schnauze, und entspricht dem N. infraorbitalis der höhern 'Thiere, während ‚der andere nach des Verf. Ansicht dem N. alveolaris, inferior zu vergleichen wäre. Der Nerv. maxill. superior geht in die Haut des Mundes, der Lippen und des Gaumens. Er liegt anfangs nach aussen und hinlen vom Nerv. max. inf., und geht wie dieser an der Oberfläche der unpaarigen Gaumenplatte hin, wo er sich in 4 Zweige theilt. Jene Gaumenplatte besteht aus zahlreichen kleinen, durch Ligamente verbundenen Knorpeln. Der Ramus recurrens ad n. glossopharyngeum entspringt ent- weder aus dem Plexus, den der innere Schoauzennerv, der Maxill. sup. und andere Fäden des Ganglions bilden, oder bloss aus Fäden des Maxill. sup. Er geht an der innern Seite des Schläfenmuskels und der Basis eranii zurück zum Gan- glion n. glossopharyngei. Der Nerv. palalinus entspringt, aus dem Ganglion n. quint., und steigt in ‚einem knorpeligen Ka- nal zur-innern Fläche des Gaumens herab. Die 3 Schläfennerven gehen jeder durch einen eigenen Kanal zu ihrem Muskel. Der tiefe Schläfennerv entsteht bloss aus Fasern der Portio minor. Der Nerv. opereularis erhält Fasern aus beiden Portionen. Er geht in den Canalis caro- tieus, und nimmt dann an der Basis des Opereulum zwei ‚feine Zweige von dem Gangl. glossoph. nebst einem langen ‚Ast vom Vagus auf. Dieser letzie Ast, verbindet sich mit dem N. opereularis an zwei Stellen, und letzterer scheint sowohl Nervenfäden abzusenden als aufzunelimen. Einen Faden, der mit einem andern aus dem Vagus entsprungenen verbunden ist, sendet er an die Oberfläche des M, levator opereuli, und CLXX » giebt dadurch Zweige an die Haut, den Muskel selbst, und in die Nachbarschaft bis zu den Nebenkiemen. An einer zweiten Stelle einen ähnlich zusammengesetzten Faden an dieselben Muskeln und die innere Haut des Operculum. Andere Zweige gehen in die innere Haut des Operculum, der Lippen und des Mauls, und das Ende verliert sich in die Muskeln, welche zwischen dem Zungenbeinbogen, dem Unterkiefer und der Schnauze liegen. Er entspricht bekanntlich dem N. facialis, und scheint der Nervus accessorius des 2ten Astes des Trige- minus zu sein. Der N. acuslicus entspriogt aus den Seiten der Medulla obl., nahe unter den Wurzeln des Trigeminus, und erhält ei- nen kleinen Zweig von dessen 5ter Wurzel. Er theilt sich oben über der Basis in zwei Zweige, welche dann sich fer- ner vertlieilen. Der N. glossoph. entspringt seitlich vom N. vagus aus der hintern Pyramide der Med. oblongata, und erhält sogleich 3 oder 4 Veıbindungszweige von letzterem Nerven: Er geht mehr nach aussen und vorn durch den Schädel, als der Va- gus; ‚verbindet sich dann mit den Ram. recurrens und oper- cularis n. quinti, giebt dann Zweige an die Kiemen, deren einer sich mit dem Sympathicus verbindet; darauf vertheilt er sich in die Schleimhaut des Rachens. Zur Bildung des Gan- glion in dem Knorpelkanal scheinen alle Fasern beizutragen. Dann folgt die nähere Angabe der Vertheilung der Zweige an den Schlund, die Kiemenbogenmuskeln, den Asten Kie- menbogen selbst, an die Schleimhaut des Mundes und Gau- mens, und der Verbindungszweige mit dem N. opereularis und sympathicus. Der hintere Rand der convexen Seite des Kie- menbogens erhält einen Zweig aus dem Ganglion des Nervus vagus. 5 Der N. vagus ist sehr dick und entspringt mit 5 Fasci- keln aus dem Lappen der hintern Pyramide der Med.‘ obl., seitwärls vom Ventric. quartus, wozu noch 2 oder 3 sehr feine Wurzeln aus den hintern Strängen der Med. oblong. hinzukommen. Meistens sendet der Vagus schon innerhalb des Schädels ein dünnes Fädchen ab, welches zu der Fetthaut des Centralnervensystems zurückgeht. Seltener geht noch ein Zweig zum N. accessorius, und dann geht der Vagus zum Foramen magnum aus dem Schädel heraus, nachdem zuvor noch alle seine Fäden ein Ganglion formirt haben. Der N. vagus verbindet sich mit dem N. opercularis durch zwei Fä- den, und ebenso vereinigen sich seine Zweige zum 2tem und 4ten Kiemenbogen mit mehreren Nervenfäden. Ferner ver- bindet der Vagus sich mit dem N. accessorius zum N. late- ralis; ‘Die Zweige des N. vagus gehen an die Schleimhaut der CLXXI Kiemenbogen und des Kiemengerüstes, in die Kiemenmuskeln, unter die Haut des Schlundbogens und die innere Fläche des Kiemendeckels, in das Periecardium, den Oesophagus, die Schwimmblase. Den N. lateralis fand Verf. auch bei Cyclopterus lum- pus, wo Desmoulins ihn leugnet; es finden sich hier wie auch bei Gadus Callarias zwei N. laterales, einen vom Vagus, den andern vom Trigeminus. Den N. lateralis möchte Verf. nieht dem Ram. aurieularis n. vagi vergleichen, da diesem in Zweig entspricht, welcher zum Nervus opereularis abgeht, ; Nervus hypoglossus. Zwei Wurzeln entspringen aus der Med. obl. neben dem Vagus, und vereinigen sich, nachdem sie jeder einen besondern Knorpelkanal passirt haben. Nachdem er aus seinem Kanal herausgetreten, kreuzt er sich mit einem starken Aste des Accessorius, und vertheilt sich in den Musc. sternohyoideus. N. accessorius Willisii. Dieser Nerve wird aus 2 Wur- - zeln zusammengesetzt, einer aus dem vordern und einer aus ‚dem hintern Bündel der Med. oblong. Sie treten zusammen, nachdem die hintere Wurzel ein Ganglion gebildet hat. Er theilt sich innerhalb des Kanals in zwei Zweige, von denen der eine sich später mit dem N. lateralis des Vagus verbindet; der andere endigt, verbunden mit dem ersten Spinalnerven, in den äussern Muskeln der vordern Extremität. Aus der Verbreitung, der Verbindung und dem Ursprunge dieser beiden letzten Nerven glaubt Verf. die Benennung der- selben rechtfertigen zu können. Seiner Ansicht nach fehlt _ auch der N. accessorius bei den Fischen nicht, sondern ist in dem N. hypoglossus mit enthalten. Nur bei dem Störe sind beide getrennt vorhanden. + Zur vordern Extremität gehen ausser dem N. accessorius mit dem 1sten Spinalnerven noch Zweige des 2ten, 3ten, und zum Theil auch des Alten Spinalnerven. Der N. sympathicus giebt ausser dem Ramus intestinalis der rechten Niere noch einen doppelten Stamm von der lin- ken Niere ab, der mit der A. mesenterica posterior zum Co- lon ana Fünf bis sechs Zweige steigen über der Niere in die Höhe, und gehen in die Intestinalzweige des Vagus über. Einer dieser Nerven geht zum 4ten Kiemenbogen, und bildet Verbindungen mit dem Vagus; an einer Verbindungsstelle war ein Ganglion vorhanden. Ebenso finden sieh Vereinigungen mit demselben Nerven für den zweiten Kiemenbogen, so wie it dem Glossopharyngeus für den 4sten Kiemenbogen. Mit dem Trigeminus liess sich keine Verbindung nachweisen. Das gament in der Höhle der Aorta, von Meckel für den CLXXU Stamm‘'des Sympathicus genommen, ist ein wahres fibröses Ligament. Wir erwähnen ferner: Müller’s vergleichende Neurologie .der Myxinoiden in den Abhandl. der Akad. d. Wissensch. zu Berlin a. d. J. 1838. Berlin 1839, und besonders abgedruckt 4840. Schon bei andern Gelegenheiten ist auf den Inhalt die- ser Arbeit Bezug genommen, daher wir sie hier nur anzeigen, Nach Hollard’s Angabe gegen Desmoulin’s Beobach- tung entspringt bei Trigla das 4te Spinal- Nervenpaar mit 2 Wurzeln, von denen die untere einen Zweig in die Haut des ersten Flossenstrahls, und zugleich einen anderen zu den Muskeln des Gliedes abgiebt. Das 5te Spinalnervenpaar ent- springt ebenfalls mit zwei Wurzeln, geht aber bloss zu Mus- keln. (Fror. N. Not. No. 263.) In der echon erwähnten Schrift von Stannius sind die bisher übersehenen Drüsenbälge am hintern Umfange der Kie- menhöhle beschrieben, die er Follieuli branchiales nennt; sie sind bei vielen Knochenfischen vorhanden, und sind offenbar zur Absonderung des Schleims bestimmt, den man, wenn sie stark sind, aus ihnen ausdrücken kann. Endlich beobachtete Stannius bei mehreren Fischen über der Milz ein kleines Körperchen, ohne Ausführungsgang, bestehend aus einer äus- sern Membran und einem milchfarbigen flüssigen Inhaltı Letz- terer besteht aus kleinen rundlichen (Cyclopterus lumpus, Scomber seomber) oder länglichten und zugespitzten (Trigla gurnardus) Kügelchen. Es ist mit vielen Gefässen versehen. Ausser den genannten Fischen fand es sich auch bei ‚Belone und Trachinus draco. Andere Körperchen an der Leber und Milz bei Belone, Trigla, Trachinus draco, möchte Verf. mit den Residuen des Dottersacks vergleichen. Wir reihen hier eine Beobachtung von uns über ein drü- siges Pancreas mit Ausführungsgang bei Coexistenz der Appendi- ces pyloricae an. Es findet sich, von Fettlappen und Fettzipfeln unkenntlich gemacht, bei Lota vulgaris, seine Ausführungsgänge münden mit dem Ductus Choledochus in den Darm ein. Von Stannius (Müll. Arch. 1839. 97.) wurden bei ei- nigen Knochenfischen Nebennieren beobachtet. Gewöhnlich finden sich zwei, seltener 3 oder 4 solcher Körperchen von der Grösse eines Stecknadelknopfes (Pleuronectes flesus und maximus, «und Trigl. gurnardus) bis zur Grösse einer Erbse (Schlei, Cypr. erythrophthalmus und Carassius u. a.) meistens hinter, ‘seltener: vor oder nach innen von den Nieren liegend. Sie sind zundlich, beim Hechte lappig, und bestehen aus einer äussern, serös-fibrösen Haut, und einem sehr feinkörnigen In- halt, in welchem sich zuweilen Oeltröpfehen (Aal). vorfinden, Beim Stör' und der Pricke fehlen: sie. nt CLXXII Steenstra Toussaint (Tijdschrift voor 'natuurl. Ge> schied. 7. 3.) hat die Harnwerkzeuge der Haien beschrieben. Die Nieren bei Squalus glaucus, welche längs der Wirbel- säule die ganze Bauchhöhle hinabsteigen, bilden jederseist eine vordere und eine hintere Abtheilung; letztere ist mehr in eine Masse verschmolzen und von braungrauer Farbe, erstere dagegen mehr bräunlich-gelb gefärbt. Sehr viele venöse Ge- fässe kommen zusammen, um sich in den grossen Sinus ve- nosus am vordern Nierenrande zu ergiessen, und eine kleine Arterie verläuft an der innern Seite jeder Niere zwischen zwei Ureteren. Denn jede Niere hat zwei Ureteren, einen grösseren, geraden des vorderen Nierentheils, und einen klei- neren, geschlängelten, der den Urin aus dem hintern Theile der Niere empfängt, und dann über der Blase mit dem grös- seren verwächst, doch so, dass beide getrennt den Urin in die Blase ergiessen. Der Urin selbst. ist gelblich weiss und an Farbe und Consistenz dem menschlichen Samen ähnlich. Die ovale Harnblase liegt über dem Mastdarm, und an ihre obere Wand befestigen sich zwei dünne Membranen, welche zwei Höhlen für die Ureteren bilden. Die Urethra ist sehr kurz, und ‚die Papille, durch welche der Harn in den Mastdarm fliesst, scheint fast mehr der Blase selbst anzugehören. Die männlichen und weiblichen Haifische und Rochen ha- ben bekanntlich eine doppelte Oefinung der Bauchhöhle neben dem After, und ich vermuthete daher früher, dass diese bei den Männchen zur Ausführung des Samens aus der. Bauch- höhle dienen, weil Treviranus und ich keinen Zusammen- hang durch Saamenkanälchen zwischen dem zelligen Hoden und dem Nebenhoden, dessen Ausführungsgang nach aussen mün- det, finden konnten, dass aber der Nebenhoden eine beson- dere Drüse sei. Ich hatte jedoch später diese Verbindung der Hoden und Nebenhoden durch Vasa efferentia an manchen sehr wohl erhaltenen Zitterrochen und Haifischen gefunden. Müll. Archiv. 1836. Jahresber. 89. Diese Verbindung ist auch von J. Davy bei Rochen und Haien beobachtet, und die Thatsa- che auch auf einem andern Wege durch Beobachtung der Sper- matozoen des Hodens, der Vasa efferentia und des Nebenho- dens ermittelt. Philos. Transact. 1839, und J. Davy, physio- logieal and anatomical researches. London 1839. Vol. II. p. 436, Die Spermatozoen in den kleinen, wie Körnchen .ausse- henden Zellen des Hodens, und im Nebenhoden der Pla- ga sind ferner von Stannius (Müll. Arch. 1839. p. 41.), . Wagner (Fror. Not. 1839. No. 249.) und Hallmann (Müll. Arch, 1840. 467.) beobachtet. Nach Hallmann’s Be- obachtungen sind die gestielten Hodenbläschen inwendig von CLAXKIV einer Schichte von Epitheliumzellen bedeckt. Der Inhalt der Bläschen besteht aus einer geringen Menge Flüssigkeit und ei- ner Anzahl: von Körnern, Zellenkernen, Zellen mit Kernen und Zellen ohne Kerne. An einigen dieser Kerne erkannte er Zellen, die in der Bildung begriffen waren, gauz in dersel- ben Art wie sie nach Schleiden bei den Pflanzen entstehen, indem sich die Zellenwand an der Seite des Kernes wie ein Uhrglas an der Uhr hervorhebt. Andere Zellen sind ohne Kern und viel grösser, wahrscheinlich diejenigen, in denen sich die Saamenthierchen bilden. Viele sind helle Blasen, welche eine oder mehrere kleinere Blasen enthalten. In andern grossen Blasen sind die kleineren mit einer körnigen Masse gefüllt. Viele der gestielten Hodenbläschen enthalten Zellen, deren jede ein Bündel Saamenthierchen einschliesst. Zweimal wurde an Zellen letzterer Art ein mit 2 Kernkörperchen versehener Kern gesehen. Die hier erwähnten Blasen scheinen eine Reihe der Entwieckelungsstufen der Zellen darzustellen, in welchen sich Saamenthierchen bilden. J. Davy (a. a. ©.) beschreibt den Bau der eigenthüm- lichen Drüse der äussern accessorisehen Geschlechtsorgane bei den Rochen und Zitterrochen. Die Drüse ist bei den Raja oval, und auf einer Seite durch eine Furche in 2 Columnen getheilt, in welcher 2 Reihen von feinen Röhrchen der Drüse zum Vorschein kommen. Die Substanz der Drüse ist von einer Muskelnant eingehüllt. Die Drüse selbst ist in einem Sack von 3 Häuten enthalten, einer innern fibrösen, einer mittlern museulösen, einer äussern zelligen. Am untern Ende des Sacks, dicht an seinem, [Ausgang, befindet sich eine deutliche Höhle, gebildet von museulösen Wänden, und durch. zogen von zarten sehnigen Fasern. Bei einem noch leben- den Individuum pulsirte dieser Theil regelmässig. Er ent- hielt Blut, und Davy hält ihn für ein accessorisches Herz, bestimmt zur Unterstützung der Bluteireulation in den acces- sorischen männlichen Geschleelitsorganen. Die Drüse sondert eine rahmartige.indifferente Flüssigkeit ab, diese zeigt unter dem Mikroskop viele Kügelehen, von denen gegen 20 zusam- men so viel Masse als ein Blutkörperchen des Menschen aus- machen. ‚In seinen Researches II. p. 427. hat Davy auch eine klappenartige Structur im Intestinalende des Duetus chöledo- ehus und pancreaticus des Menschen und der Säugethiere und des Gallenganges der Rochen beschrieben, welche bestimmt ist, den Rückfluss der Darmcontenta in jene Canäle zu verhindern, den Lauf des Inhaltes der Kanäle aber zuzulassen. Ein von Pallas in den Speeilegia als Limax lanceolaris beschriebenes und abgebildetes Thierchen, welches die europäi- schen Meere bewohnt, ist im Jahre 1834 von Costa wieder- CLXXV gefunden, als Fisch erkannt und unter dem Namen Bran- ehiostoma lubrieum zu den Knorpelfischen gebracht wor- den. Yarrell beschrieb es 1836 in seiner british Ichthyo- logy als neuen Cyelostomen unter dem Namen Amphioxus lanceolatus. Beiträge zu seiner Anatomie lieferten Costa in seiner Fauna del Regno di Napoli, Retzius und ich im Monatsbericht der K. Akademie d. Wiss. zu Berlin 1839. Nov. Eine genaue und ausführliche anatomische Monographie hat darüber kürzlich Rathke geliefert. Bemerkungen über den Bau des Amphioxus lanceolatus. Königsb. 1841. 4. Dieses Thierchen nimmt nach seiner Organisation den untersten Rang unter den Wirbelthieren ein; wir erwähnen bloss einiger der auffallendsten Eigenthümlichkeiten. Die seitlichen Mundränder sind mit zahlreichen Fühlfäden besetzt, über den ganzen Rük- ken geht eine sehr niedrige Flosse, von weichen Strahlen ge- stützt, welche vorn bis über den Kopf, und strahlenlos über das vorderste spitze Ende. des Körpers reicht, während an der untern Seite nur das hintere Drittel eine unpaarige Flosse hat, die mit der Rückenflosse am spitzen Schwanzende zusammen- hängt. Von der Gegend des Mauls bis zum letzten Drittel zeigt der Bauch 2 parallele, etwas von einander entfernte Haut- säume, welche Pallas bestimmten, diesem Thiere eine Art Fuss zuzuschreiben, und es unter die Schnecken zu versetzen; indess die fischarligen Zeichnungen der Seitenmuskeln schon Pallas auffielen, und das Bild eines abgeschälten Fischehens bei ihm hervorriefen. Augen und Nase scheinen zu fehlen. Die Chorda dorsalis reieht bis in die äusserste Spitze des Ko- pfes oder der Schnauze. Das Rückenmark endigt ein gutes Stück hinter der Spitze der Chorda in ein Gehirn, welches kaum einige Anschwellungen zeigt, oder nach Rathke sogar ar nicht vom Rückenmark verschieden ist, und nach vorne ein, wie das Rückenmark nach hinten, ausläuft. Zunge und Kiefer fehlen. Kiemenöffnungen sind ‘nicht vorhanden. Die Kiemenhöhle beginnt gleich hinter dem Mund und reicht bis in die Hälfte des Thiers, ohne Abtheilungen, als die an den Wänden angebrachten äusserst zahlreichen Kiemenrippchen, niedrige Leistchen, der Falıne einer Feder gleichend. Nach hinten setzt sich der Kiemenschlauch verengert in den Darm fort, Der Darm ist ein gerader Kanal; sein vorderer, blind- sackig endigender Theil liegt neben der hintern Hälfte des Kiemenschlauchs, rechts. Der. After liegt weit hinten, und der eigentliche Schwanz ist schr kurz. Die untere Flosse geht am A vorbei, und dieser liegt seitlich, wie bei Lepidosiren. Diese Flosse reicht nach vorn bis in die Gegend, wo der Bauch eine zweite Oeflnung hat. Eine Leber im gewöhnlichen Sinne fehlt, sie scheint durch drüsige Streifen des grossen: vordern Müller's Archiv, 1810, M CLXXVI Blindsacks des Darms ersetzt. Die letzigenannte Bauchöffnung gehört nicht der Kiemenhöhle, sondern der Bauchhöhle an, liegt beträchtlich weiter zurück als das Ende des Kiemen- schlauchs, da wo die 2 Hautsäume, welche von vorn an die Bauchseite begleiten, sich annähernd verschwinden. Wahr- scheinlich dient sie zur Ausführung der Producte der Genita- lien; dann ist ihre Lage so weit vor dem After um so merk- würdiger. Die Geschlechtsorgane sind wahrscheinlich 2 Rei- hen von Organen; an der Bauchseite der Bauchhöhle befestigt. Es sind traubige Haufen von Zellen, in deren jeder ein eiar- tiger Körper liegt. Bei den Fischen befindet sich die Alter- öffnung sonst allgemein vor der Urogenitalöffnung, und bei dem Männchen der Anableps liegt die ihm eigene penisartige Röhre sehr weit hinter dem After. Bei einigen Fischen gehen die Geschlechtsprodukte auch durch eine Bauchhöhlenöffnung aus, wie bei den Petromyzon, den Myxinoiden, Aalen, und die Harnleiter münden in diesen Hiatus aus. Aber diese Bauch- höhlenöffnung liegt doch immer hinter dem After. Das Bran- chiostoma würde daher eine Ausnahme von der allgemeinen Regel bilden, dass die Genitalöffnung der Fische hinter dem After liegt. Indessen giebt es freilich ausser dem After und der Urogenitalöffnung noch eine besondere Oeffnung der Bauch- höhle, welche doppelt auf jeder Seite der Cloake der Plagio- stomen vorhanden ist. Eine Fusion dieser beiden Oeffnungen in eine einzige, von der Urogenitalöffnung verschiedene, und ausser ihr vorhandene, findet sich bei dem räthselhaften Lepi- dosiren vor. Bei Lepidosiren anneetens fand O wen primo loco die gemeinschaftliche Oeffnung der Peritonealkanälb; darauf folgt der After, dann die Harnblasenmündung, die Oeffnungen der Eiergänge mit den in sie einmündenden Harnleitern. Eine Fusion der Bauchhöhlenspalten kömmt also noch bei einem andern Thiere vor dem Alter liegend vor. Das Herz des Am- phioxus scheint auf seine primitive gefässartige Form redueirt zu sein. In Hinsicht dessen, was von dem Gefässsystem be- kannt geworden, verweise ich auf Rathke’s Schrift. Derselbe hat in den 2 Hautsäumen am Bauche noch einen Kanal gefun- den, der sich am vordern oder Kopfende und am hintern Ende derselben durch Schlitze öffnet. Seine Bedeutung ist räthsel- haft (wenn er nicht doch einen verborgenen Zusammenhang mit der Kiemenhöhle haben sollte?). Von Owen und Bischoff erhielten wir wichtige Mit- theilungen über die Anatomie der Gattung Lepidosiren. Owen lieferte die Anatomie einer neuen Art von Lepi- dosiren aus dem Gambia, Lepidosiren annectens. Proceedings - of the Linnean Transactions. 1839. April. Das Skelet dieses Thieres ist theils knöchern, theils knorpelig, und die knöcher- CLXXVII nen Theile sind grün gefärbt wie bei Belone. Die Wirbel- säule bildet eine continuirliche Chorda dorsalis, aus einer äus- sern ligamentösen Kapsel und einer halb gallertigen Substanz, wie bei den Cyelostomen bestehend. Nur in der Schwanz- gegend ist sie knorpelartig, und zeigt hier unvollkommene Ab- theilungen, in Zalıl den obern und untern Wirbeltheilen ent- sprechend. Diese leiztern werden oben durch Proc. spinosi verbunden, an die sich dann wiederum die überzähligen Dorn- fortsätze, wie bei den übrigen Fischen, anheften. Die Basis des Hinterhaupts und der Keilbeine wird durch ein einziges Knochenstück repräsentirt, welches an seinem hintern Ende eine Vertiefung zur Aufnahme des vordern zugespitzten Theils der Chorda enthält. Die Oeceipitalia lateralia (exoceipita- lia Ow.) ireten oben über dem Foramen magnum zusammen, indem zugleich eine besondere Hinterhauptsschuppe fehlt. Die Keilbeinflügel, die Felsen- und Schläfentheile sind knorpelig. Das Stirnbein ist mit dem sehr grossen einfachen Parielalkno- ehen anchylosirt. Besondere Frontalia anteriora sind nicht vorhanden, dagegen sehr ausgedehnte, mit ihren hintern freien Enden über das Hinterhaupt ragende Front. posterior. Nasen- beine und Zwischenkiefer bilden ein einziges dreieckiges Kno- chenstück, welches zwei scharfe Intermaxillarzähne trägt, und nach hinten mit dem Os frontale und maxillare durch Liga- mente verbunden ist. Oberkiefer, Gaumen und Flügelbeine sind jederseits durch ein einziges Knochenstück repräsentirt, an denen sieh vorn drei nach unten gerichtete keilförmige Fortsätze finden, welche mit Zahnsubstanz überzogen sind. Das Unterkiefergelenk ist knorpelig, und wird oben von der Fortselzung des Schläfenknorpels und Os tympanieum gebil- bildet. Jede Hälfte des Unterkiefers besteht aus einem Gelenk- und einem Zabntheil, welcher letztere dem Oberkiefer entspre- ehend mit 3 bezahnten Fortsätzen versehen ist. Hinter und parallel dem Os tympanicum findet sich ein schmaler Kno- chen, den der Verf. als Praeopereulum betrachtet. Vom knor- peligen Felsentheil entspringt ein Os styloideum, und dient zur Befestigung des aus zwei einfachen Hälften bestehenden Zungenbeins. Die Schulterknochen bestehen aus zwei verbun- nen knöchernen Hälften, an die sich jederseits in eine knor- ige Grube die einfache, fadenförmige vordere Extremität hineinfügt, 36 Paar knöcherne Rippen setzen sich unmittelbar an den untern seitlichen Theil.der Chorda dorsalis an. Das Becken besteht aus einem einzigen Knochenstück mit einem Fortsatze jederseits, und der Grube zur, Aufnahme der hintern Extremität, welche der vordern ganz analog gebildet ist, ' Das Gehirn besteht aus zwei vordern Hemisphären, einem Sehlappen, einer queeren, über dem vordern Theile des weit m" CLXXVII offenstehenden Aten Ventrikels liegenden Markfalle — Cere- bellum, einer sehr entwickelten Glandula pinealis zwischen Vierhügeln und Hemisphären liegend, und Medulla oblongata, Der Boden des 3ten Ventrikels wird durch eine zweilappige Glandula pituitaria verschlossen; hinter dieser liegt ein einfa- ches Corp. mammillare. Die Nerven, welche vom Gehirn ent- springen, sind die Geruchsnerven, die Optici, das fünfte Paar, dessen 4ster Ast fehlt, die Gehörnerven und das 8te Nerven- paar (N. vagus und Glossopharyngeus). Der N. olfaclo- rius geht durch die Löcher der knorpeligen Siebplatte zum Geruchsorgan. Letzteres besteht jederseits aus einem Sacke, dessen Schleimhaut zwei Reihen kleiner Queerfalten formirt; es mündet nach aussen unter der Oberlippe, nach innen da- gegen findet sich kein Ausführungsgang. Die Sehnerven ent- springen nahe nebeneinander von der Mittellinie und gehen unter der Gland. pituitaria fort, ohne sich zu kreuzen. Sie sind den kleinen Augen entsprechend sehr dünn. Augenmus- keln sind nicht vorhanden, daher fehlen auch das 3te, 4te und 6te Nervenpaar. Der Bulbus oculi hängt mit der äussern Haut zusammen, und die flache Cornea liegt mit letzterer in gleichem Niveau. Eine kleine sphärische Krystalllinse ist vor- handen, dagegen fehlt die Glandula choroidalis. Das Gehör- organ besteht aus drei kleinen, halbeirkelförmigen Kanälen, ünd zwei grossen otolithischen Säcken. Paukenhöhle und Tuba Eustachii fehlen. Das Ste Nervenpaar (N. vagus, glossopharyngeus) giebt Aeste an den Kiemenapparat, einen Zweig an den Pharynx, den Darmkanal und die Luftsäcke, und endet in einen grossen Seitennerven. Was die Ver- dauungsorgane anbetriflt, so findet sich eine doppellappige Zunge, deren hinterer Theil papillös und drüsig ist. Die sehr verengte Schlundöffnung wird unten durch einen klappenartigen Fortsatz verschlossen, und geht durch einen kurzen, längsge- falteten Oesophagus in einen einfachen Magen, der sich von aussen kaum vom Darm unterscheidet. Der Pförtner öffnet sich mit einer klappenförmigen, am Rande gezähnten Schleim- hautfalte, und der Darm enthält eine Spiralklappe mit sechs Windungen. Pankreas, Pförtneranhänge und Milz fehlen. Die Leber ist ungelappt und, so wie der Magen und Darm, vom Peritonäum überzogen. Die Gallenblase liegt vorn auf der linken Seite der Leber, und empfängt die Galle durch zwei Ducti hepatico-cystiei, welche in ihren Hals münden. Ein Duetus eysticus öffnet sich sodann im Darm dicht unter dem Pylorus. Die Kiemen des Lepidosiren bestehen aus Fäden, welche unmittelbar an die Kiemenbögen befestigt sind, und zwar so, dass sie am 4sten und 6ten Kiemenbogen eine ein- fache Reihe, am 4ten und 5ten eine doppelte Reihe bilden, CLXXIX am 2ten und 3ten Bogen aber ganz fehlen; Diese Fäden sind eirca 4 Linie lang und 4“ breit, und zeigen sich, mit der Loupe betrachtet, dreifach 'gefiedert. Ganz nahe an der vordern Extremität findet sich die einfache Kiemenspalte. Die knorpeligen Kiemenbogen hängen frei in dem mucösen Gewebe, ohne mit dem Schädel oder dem Zungenbein ver- bunden zu sein. Ausser den Kiemen findet sich noch ein ei- genthümliches Respirationsorgan, welches hinter den Nieren nahe an den Rippen gelegen ist. Es besteht jederseits aus einem Sack, der in 4—5 Lappen getheilt ist. Die Wände dieser Lungen sind von mässiger Dicke, und die ganze innere Fläche ist zellig, ähnlich den Lungen der Schlangen. Nach vorn münden sie in eine kurze, häutige Luftröhre, - welche mit einem schmalen Schlitz in den Oesophagus sich öffnet, durch eine Knorpelplatte gegen das Zusammenfallen geschützt. Das Herz liegt in einem Pericardium, besteht aus einer einzigen Vorkammer, einem Ventrikel und dem Bulbus arte- riosus. Die Vena cava inferior im Verein mit zwei obern Hohlvenen, ergiesst sich in den Vorhof; die Vena pulmonalis dringt auch hier hinein, setzt sich innerhalb der Vena cava fort, und ergiesst das Blut in den Ventrikel. An der Mün- dung der Aorta finden sich zwei klappenartige Vorsprünge. Die Aorta giebt jederseits 6 Gefässe an die 6 Kiemenbögen ab; diejenigen, welche zum 2ten und 3ten (kiemenlosen) Bogen ‘gehen, schlagen sich nm dieselben herum, ohne sich hier zu verzweigen, nahe ihrem Ende aber geben sie jederseits die Zweige ab, welche die einfache Art. pulmonalis zusammen- setzen, von der dann jede Lunge ‘einen Zweig erhält. Die Nieren sind dreiseitig, lang und schmal, und vollständig. von einander getrennt; die Ureteren verlaufen an ihrem hintern Winkel. Die Oviduete sind gewundene Kanäle, welche auf dem grössten Theil ihres Weges den langen, platten Ovarien anliegen, oben mit einem Schlitz beginnen, sich gegen ihr Ende vereinigen, einen Kanal zwischen den Ureteren und Urinblase bilden, und gemeinschaftlich mit diesen Organen hin- ten in die Kloake münden. Nach Owen gehört die Gattung Lepidosiren zu den Fischen, und zwar zu den Malacopterygiern, unter wel- en diejenigen mit zelligen. Schwimmblasen : Lepisosteus, ia, eine Annäherung zu den Lungen der Lepidosiren dar- zubieten scheinen. Die ausführliche Abhandlung. ist seither im XVII. Bde. der Liunean Transaclions erschienen. - Bischoff *) lieferte die Anatomie von Lepidosiren ‚para- *) Lepidosiren paradoxa, anatomisch untersucht und beschrieben durch eh. he, Wilh. Bischoff, Leipzig, 1840. gr. 4, CLXXX doxa, welche in mehreren wichtigen Punkten abweicht. Es finden sich hier, was zunächst das Skelet anbetrifft; 55 Paar Rippen statt 26, im Uebrigen stimmt ‚der Bau der Wirbel- säule wie der Extremitäten mit L. annectens überein. Die Oc- cipitalia lateralia stossen aber nicht zusammen, sondern wer- den durch Knorpel getrennt. Scheitel- und Stirnbeine sind zu einem einzigen Knochen vereinigt. Den von Owen als vereinte Oberkiefer, Gaumen und Flügelbeine gedeuteten Kno- chen, deutet Verf. als Gaumenbeine. Kiemendeckelstücke sind ebenfalls, und zwar hier jederseits zwei vorhanden, von denen das obere einen vom Uhnterkiefergelerk ausgehenden Muskel besitzt. "Ein von dem Verf. als Suspensorium des Schultergür- tels belrachtetes Stück hängt vom hintern untern Theile des Schädels frei herab. Zu beiden Seiten des Zwischenkie- fers befindet sich das Knorpelgerüst der Nase. An der Basis Cranii vor dem Os sphenoideum findet sich ein Knorpel, den Verf. mit dem Vomer vergleicht. Die von Owen als Front. posteriora bezeichneten Knochen nennt Verf. Joch- beine, "Jederseits zwischen dem vereinten Scheitel-- und Stirn- bein und dem Oberkiefer (Gaumenbein Vf.) verläuft ein eigen- thümlicher Knorpel, der sich vorn in zwei Branchen theilt, eine äussere, welche frei nach aussen ragt, und eine innere, welche bis vor den Nasenknorpeln verläuft, und den Verf. als Lippenknorpel deutet. Am Unterkiefer findet sich eben- Talls ein mit demselben verwachsener Knorpel, der mit dem der andern Seite vor den Zähnen sich vereinigt, und welchen Verf. als untern Lippenknorpel deutet. Das Gerüchsorgan hat hier ebenfalls eine doppelt queergefaltete Schleimhaut; “ausser der vorderen Oeffuung findet sich hier aber noch eine hin- tere, welche sich an der innern Seite des Mundwinkels mün- det, Die Zahl der Kiemenbogen ist hier nur 5, welche nach hinten zu an Grösse abnehmen; die kleinen büschelförmi- gen Kiemen befestigen sich an die untere Fläche dieser Knor- pelstreifchen mit Ausnalıme des 1sten und 2ten, vor denen aber noch eine häutige Nebenkieme vorhanden ist. Die Lun- gen verhalten sich hinsichtlich ihres Baues und ihres Aus- führungsganges ganz wie bei L. annectens, liegen aber nicht hinter den Nieren angeheftet, wie bei dieser Art, sondern ra» gen frei in die Bauchhöhle hinein. Was das Herz betrifft, so findet sich hier eine (unvollkommen) getrennte linke und rechte Vorkammer, erstere für die Vena pulmonalis, letztere für die 3 Venae cayae.e Der Bulbus arteriosus verhält sich wie bei Owen’s Art. Dagegen gehen hier jederseits nur drei Aorten- bogen ab, und zwar die beiden vordern mit einem gemein- schaftlichen Stamme, die hintern einzeln. Es gehen nur un- bedeutende Aestchen von ihnen an die Kiemenbogen ab, und CLXXKXI die vordern: vereinigen sich sodann zur Aorta abdominalis,' die hintern wahrscheinlich zur Arteria pulmonalis. Am hintern Rande der Zungenbeinhörner finden sich zwei drüsigte Kör- per, die vielleicht Speicheldrüsen sind; sie zeigen jedoch bei genauerer Untersuchung keinen bestimmten Drüsenbau. Der Darm hat bier ebenfalls eine Spiralklappe, und mündet seit- lich von der Mittellinie des Körpers. Die Eileiter öffnen sich zusammen, und neben ihnen jederseits der Ureter, auch hat hier eine Harnblase das Ende ihres Ausführungsganges. Bischoff ist geneigt, Lepidosiren : unter die Amphi- bien zu verseizen, indem die sonst für die Fische entschei- denden Gründe, Imperforation der Nase, einfache Vorkammer des Herzens, und die Schwimmblasennatur der Lungen bei Lepidosiren paradoxa geradezu fehlen; er verkennt jedoch an- dererseits nicht die Beziehungen zu den Fischen, sollte sie zu denselben gezählt werden müssen, so würde sie Bischoff zwischen die Cyclostomen und Sturionen versetzen. Trotz einzelner Verschiedenheiten zwischen Lepidosiren paradoxa und annectens sind beide Thiere oflenbar ganz nahe verwandt, un- verkennbar Arien eines Genus; ich theile nicht im Mindesten die Ansicht derjenigen, welche sie in verschiedene Klassen bringen wollen. Unter den Amphibien würde Lepidosiren of- fenbar eine ganz neue Ordnung begründen, indem sie weder zu den beschuppten noch zu den nackten passt; unter den Fi- schen würde sie weniger anomal, aber die) Anomalien wür- den jedenfalls so gross sein, dass man sie in keine der beste- henden Gruppen einordnen könnte, die Stelle, die ihr für, diesen Fall Bischoff anweist, würde ganz naturgemäss sein. Die einzigen Charactere, welche bei dergleichen Fragen über die Stellung eines Thieres unter den Fischen entscheiden, sind: die Lage der Urogenitalöffnung, der Zustand des Herzens und die Osteogenesis der Wirbelsäule. Alles Uebrige ist von un- tergeordneter Wichtigkeit. Die Beschaffenheit der Nase ist nur dann entscheidend, wenn sie undurchbohrt ist, denn dann hat man es mit einem Fisch zu thun. Wenn sie aber durch- bolırt ist, so kann es sowohl ein Fisch als ein Amphibium sein. Denn die Myxinoiden haben eine den Gaumen durch- bolrende Nase. Die Existenz einer Lunge entscheidet nicht ab- solut zu Gunsten der Amphibien, denn es giebt auch einzelne Fische mit lungenartigen accessorischen Athemorganen (wie un- ter den Amphibien die Proteiden mit Lungen und Kiemen). Da- hin gehören der Silurus fossilis Bloch (Silurus singio Buchanan, Heteropneustes fossilis Nob., Saccobranchus singio Val.), dessen von Taylor entdeckte Kiemenhöhleulungen dunkelrothes Blut von der Kiemenarterie empfangen. Taylor in Edinb. Journ, of sciences Jul. 1831. Vergl. Müller im Archiv 1840, H. 1. p. 114. CLXXXU "Valenciennes in Hist. nat- d. poiss. T. XV. Paris 1840. p. 339. Ebendahin gehört aus der Familie der aalarligen Fische der Symbranchus euchia Buch., Amphipnous cuchia Nob., welcher nach Taylor’s Entdeckung auch Kiemenhöhlenlungen besitzt, welche dunkelrothes Blut von der Kiemenarterie erhalten, und hellrothes in das Körperarteriensystem abgeben. Taylor glaubte, dass dieses Thier zwischen Fischen und Amphibien stehe. Seine von Taylor gelieferte Anatomie finde ich “ber, abgesehen von den Lungen, welche den Symbranchus feh len, in allen Punkten mit dem letzteren übereinstimmend. Was die Vergleichung der Lungen und Schwimmblasen be- trifft, so liegt es für zweifelhafte Fälle nahe, anzunehmen, dass eine Lunge eine Glottis ventralis, eine in den Schlund mündende zellige oder nicht zellige Schwimmblase, eine Glot- tis dorsalis haben müsse, und dass, wo das Erstere, man es mit einem Amphibium, wo das Letztere, man es mit einem Fisch zu thun habe. Allein dem ist keinesweges so. Ob- gleich die Schwimmblase des Polypterus bichir schon von Geoffroy St. Hilaire beschrieben worden, so hat man doch den merkwürdigen Umstand übersehen, dass ihre Oeflnung in den Schlund ventral ist, und ausserdem habe ich auch die seit- liche Einmündung bei der Gattung Erythrinus beobachtet. Die Einmündung der Schwimmblase in den Schlund kann also rund herum wandern. Die Schwimmblasen des Polypterus sind übrigens wahre Schwimmblasen auch in Hinsicht des Ur- sprungs ihrer Blutgefässe. Denn ihre Arterie entspringt aus der letzten Kiemenvene, und ihre Venen gehen zu den Kör- pervenen. Aber auch die zelligen Schwimmblasen einiger Fi- sche sind in Hinsicht des Ursprungs ihrer Blutgefässe wahre Schwimmblasen, und keine Lungen. Denn bei der Gattung Erythrinus, dessen Schwimmblase nach unsern Beobachtungen in einem Theil ihrer Länge so zellig wie eine Amphibienlunge ist, bekömmt dieser Theil wie die ganze Schwimmblase sein Blut aus dem Körperarteriensysiem, und giebt sein Blut in das Kör- pervenensystem ab. Zellige Schwimmblasen sind daher keine Lungen, ihre zellige Beschaffenheit dient offenbar zur Seeretion. Daher können auch Lepisosteus und andere Fische mit zelliger Schwimmblase nicht als verwandt mit Lepidosiren angesehen werden. Bei der Vergleichung der Lungen und Schwimmblasen kann nur das Verhalten der Blutgefässe entscheidend sein. Jede auch noch so einfache Blase, welche dunkelrothes Blut empfängt und hellrothes abgiebt, ist eine Lunge, und jeder noch so zel- lige Luftsack, welcher hellrothes Blut empfängt und dunkel- rothes abgiebt, ist einer Lunge völlig fremd. Lungen und Schwimmblase, beide vom Schlund abgehende Säcke verhal- ten sich zu einander in Hinsicht des Atlımens und Nichtath- CLXXXIU mens wie die Lungen und die bei einigen Säugethieren vom Kehlkopf abgehenden Luftsäcke. So wenig als die letzteren kann man die Schwimmblase eine Lunge nennen. Es giebt indessen, trotz der gänzlichen functionellen Verschiedenheit, an’ den Athemorganen der Luftthiere eine den Schwimmblasen vergleichbare, aber nicht athmende Region, deren Blutgefässe aus hellrothes Blut führenden Arterien, und dunkelrothes Blut führenden Venen bestehen. Dies ist eben die Luftröhre, und in der Lunge selbst sind diese Gefässe auch durch die Vasa bronchialia vorhanden. Bei den Vögeln erstreckt sich der nicht atlımende Theil des Atliemorgans über die Lungen hin- aus in die Luftzellen der Brust, des Bauches und in die Kno- chen, deren Blutgefässe sämmtlich dem athmenden System der Lungen fremd, und den Vasa bronchialia analog sind, d. h. aus hellrothes Blut führenden Arterien, und dunkelrothes Blut führenden Venen bestehen. Man denke sich den athmenden Theil der Athemorgane der Luftthiere auf ein Minimum, auf 0 reducirt, so ist ein der Schwimmblase analoger Lufthälter übrig. Daher liegt den Ansichten der Schriftsteller über den Zusammenhang zwischen Lungen und Schwimmblase ein ge- wisses, aber vielseitig missverstandenes und nicht klar aufge- fasstes Recht zu Grunde. Niemals aber kann im Ernste an eine functionelle Aehnlichkeit beider Organe gedacht werden. Von grosser Wichtigkeit ist-für die Bestimmung der Stel- lung eines zweifelhaften Amphibiums oder Fisches die Lage der Urogenitalöffnung vor oder hinter dem After. Ihre Lage kann in verschiedenen Wirbelthieren eine sehr verschiedene sein, aber wir kennen kein Amphibium, wo die Urogenital- öffoung hinter dem After wäre, wie es bei den Fischen all- gemein ist, und wenn eine Urinblase vorhanden ist, so liegt sie bei den Amphibien immer vor, bei den Fischen immer hinter dem Mastdarm. Amphioxus scheint zwar in dieser Hin- sicht eine Ausnahme zu machen, indem wenigstens die Ge- schlechtsproduete durch eine Bauchhöhlenöffnung ausgeleert zu werden scheinen, welche weit vor dem After liegt; indessen ‚ist oben schon wahrscheinlich gemacht. worden, dass diese ‚Bauchhöhlenöffnung wahrscheinlich den Bauchhöhlenöffnungeu entspricht, welche bei einigen Fischen noch ausser der Aus- mündung des Afters und der Urogenitalorgane vorhanden ist. Als den wichtigsten und fundamentalen Unterschied der bhibien und Fische betrachte ich die gänzlich verschiedene Osteogenese der Wirbelsäule in beiden Klassen. An der Chorda Embryonen entstehen paarige Stücke, welche die Ele- enle für die eigentlichen. Wirbel werden. Diese sind am Rumpfstück bei den Fischen zwei obere! und zwei un- tere, aus welchen letztern die Wirbelkörper-Queerfortsätze CLAXXIV für den Ansatz der Rippen hervorwachsen. Beir den-Amphi- bien giebt es am Rumpfstück der Wirbelsäule in der Osteoge- nese nie untere Wirbelstücke; solche kommen bei ihnen und den höheren Thieren nur am Schwanze vor, wo sie wie bei den Fischen einen unteren Dorn bilden können. Siehe die vergleichende Osteologie der Myxinoiden. Bin; Endlich ist auch die Beschaffenheit des Herzens entschei- dend. Denn kein Fisch ist bis jetzt mit 2 Vorhöfen beob- achtet. Nach dem Vorhergehenden sprechen allerdings einige wich- tige Gründe für die Fischnatnr der Lepidosiren, vorzüglich die Lage der Harnblase und der Urogenitalöffnung, und die Be- schaffenheit der Wirbelsäule. Diese Gründe werden aber für jetzt noch gehemmt durch Bischoff’s Beobachtung über die beiden Vorhöfe der Lepidosiren paradoxa. Dieser Gegenstand würde seiner definiliven Entscheidung näher gebracht werden, wenn Bischoff Gelegenheit haben würde, Lepidosiren an- nectens, und Owen hingegen Lepidosiren paradoxa auf die- sen Punkt zu untersuchen, und beide sich selbst zunächst zu. verständigen. “Beiträge zur Anatomie der Hirnnerven der Schlangen lie- ferte C. Vogt (Müll. Arch. 1839. p. 39.), bei welcher Ge- legenheit zugleich der Herausgeber seine Untersuchungen über den Neryus sympathicus der Schlangen und Eideehsen mit- theilte (ebendas. p. 59.). Die Abbildungen dazu siehe in der vergleichenden Neurologie der Myxinoiden, auf welche ich Statt specieller Auszüge verweise. Fernere Beiträge zur Ana- tomie der Hirnnerven der Schlangen enthält die Abhandlung von Vogt: Beiträge zur Anatomie der Amphibien, Bern 1839., desgleichen zur Anatomie des Nervensystems der - Amphibien, die Schrift desselben: Beiträge zur Neurolo- gie der Reptilien. Neuchatel 1840, aus welchen wir Fol- gendes hervorheben. Das Ganglion Gasseri der Schlangen wird aus dem 2ten und 3ten Aste des Trigeminus gebildet. Ein Ganglion des Ra- mus ophthalmieus fand sich dagegen nicht. (Es ist nach un- seren Beobachtungen immer bei Schlangen und Eidechsen ein Fa 3 Knoten am ersten Ast des Trigemirus vorhan- en. M.) Der Facialis geht bei Schildkröten, Krokodilen und Ei- dechsen durch einen besondern Kanal des Os petrosum; er theilt sich in zwei Aeste, einen vorderen, der sich mit dem Abducens verbindet und dann in zwei Zweige theilt, einen für das Ganglion sphenopalatinum, und einen in den Canalis vidianus, als Wurzel des Sympathicus. Der hintere Ast geht über den Paukenring, giebi Muskeläste ab, verbindet sich mit CLXXXV einem Ast des Glossopharyngeus, und verbreitet sich in dem Musc. cucullaris. Der Facialis endet dann als Hauptwurzel des Sympalhicus, indem er entweder in ein Gangl. cerv. primum (Chamaeleon. Krokodil), oder unmittelbar in den Stamm des Sympathieus übergeht, wie es bei andern Eidech- sen und den Schildkröten der Fall ist. Der Glossopharyngeus entspringt von dem Vagus, schickt einen Ast zum Facialis, tritt in das Gangl. cerv. supremum oder in .den nach unsern Beobachtuugen bei den Eidechsen vorkommenden Stamm des Vagus und Sympathicus (Monitor), und geht dann zur Zunge, Glotiis und Pharynx. er Vagus nimmt eine hintere, dem Accessorius entspre- chende Wurzel auf, sendet aber bei Chelonia keinen derselben entsprechenden Muskelast ab. Ein äusserer Ast ist nicht vor- handen. Bei Python, Crocodilus, Champza, Crolalus, Naja, ist ein Ganglion mit dem Sympathicus gleich oben am Schä- del vorhanden ; dieses Ganglion fehlt bei Monitor, Platy- dactylus, Gecko und Lacerta, welche das untere Ganglion vor der Spitze der Lunge haben, welches jenen wiederum mangelt. Zwei Gänglien fanden sich bei Chameleo africanus, 4 an der Basis eranii, und 1, wo der Vagus unter den Schul- tergürtel tritt. Chelonia, Varanus, Coluber, Vipera und Am- phibaena hatten gar kein Ganglion. Der Hypoglossus hat stets zwei Wurzeln, indem noch eine vom A4sten Cervicalnerven, zuweilen selbst auch noch eine vom 2ten Halsnerven hinzuttritt. Der Sympathicus entsteht bei Chelonia aus dem Abdu- cens, Facialis und Trigeminus, zu diesem Stamm tritt ein an- derer aus dem vereinigten Ramus tympanicus n. facialis und einem Ast des Glossopharyngeus; nach der Verbindung beider Stämme erhält der Sympath. dann noch Zweige vom Hypo- lossus und Vagus. Das iste Ganglion liegt hier vor dem intritt in den Brustgürtel, und geht in einen Nervenstamm über, der drei gleich aufeinander folgende Ganglien zeigt. Das Ganglion cervicale supr. ist bei Python, Ürotalus, Naja, mit dem Ganglion vagi verschmolzen, bei Amphisbaena liegt es vor dem Vagus über dem Schlunde, und nimmt einen Ast vom Ganglion sphenopalat., dann einen vom Faeialis, den Stamm des Glossopharyngeus, und einen Ast des vereinigten Vagus und Hypoglossus auf. Bei Vipera prester liegt es hin- ter dem Vagus, auf dem Schlunde, und erhält einen Ast von dem gemeinschaftlichen Nervenstamm des Glossoph., Vagus, oglossus, und eines Astes des Vagus, und der Sympatli- eus bildet hier zwei Stämme. . Bei Crotalus, Naja und Python geht vom Ganglion supr. ein Ast nach hinten zum 1sten Halsnerven; bei Vipera kommt CLXXXVI ein Ast aus demselben nach oben zu den Halsnerven als Ra- mus profundus, und ein anderer Ast geht auf dem Schlund nach hinten. R Bei Amphisbaena geht aus dem Ganglion cerv. sup. nur 4 Ast nach hinten in den Vagus über, und es sind keine Schlingen mit dem Halsnerven vorhanden. Das Chamäleon besitzt ein Ganglion cerv. supr. mit dem Gangl. vagi verei- nigt, und sendet aus demselben zwei Zungennerven ab. Monitor, Varanus, Platydactylus, Iguana, Gecko und La- certa haben kein erstes Halsganglion. Hier geht aus dem Vi- dianus, Facialis, Glossoph., Hypoglossus, und einem Ast des Vagus ein Stamm hervor, der dann mit dem Stamm des Vagus ein Gangl. cervic. infimum bildet; ähnlich wie bei Chelonia. Von besonderem Interesse ist, was Verf. über die Stränge des Sympathicus beim Krokodil, und über einen dort vorkom- menden unpaarigen Strang mittheilt. Das Krokodil hat 5 Stämme, jederseits einen tieferen und superficiellen, und dann einen mittleren unpaarigen, Der ober- flächliche Ast entspringt aus dem Gangl. cerv. supr. Der von Anderen sogenannte Zungenast geht nicht zur Zunge, son- dern trägt mit bei zur Bildung eines Plexus mit den Glosso- pharyngeus. - Der tiefe Halstheil entspringt von der innern Fläche des Ganglion, und steht mit allen elmeryine ausser dem 4sten und 3ten, in Verbindung; an der Verbindungsstelle finden sich Anschwellungen, aber keine Ganglien. Zum unpaarigen mitt- leren Stamme giebt jedes Ganglion einen Zweig ab, die sich an dem Processus spinosus des 3ten Halswirbels verbinden; er geht nach unten über die Körper und untern Dornfortsätze der Halswirbel, feine Zweige an die Halsnerven gebend. Ueber das Herz von Python tigris, C. Vogt a. a. ©. Hopkinson und Pancoast Anatomie der Eingeweide von Python, in Transaclions of the american philosophical sociely. Vol. V. new series. Philadelphia 1837. p. 121. Nach Van der Hoeven beruht die verschiedene Angabe über den Verlauf der oberen Gefässe beim Krokodil auf der Verschiedenheit der Arten. So fand er bei dem Crocodilus ‚biporcatus, einem eigentlichen Krokodil, zwei Carotiden, aus dem linken Schlagaderstamme entspringend, welche anfangs dicht nebeneinander liegen, und dann auseinander , gehen. Der Stamm beider Carotiden ist dünner als eine. der Sub- clavialarterien. Das Nilkrokodil, welehes nach Cuvien zwei Trunei anonymi- hat, konnte Verf. nicht untersuchen. Dagegen haben die von Meckel und Hentz untersuchten Crocod. Iueius und Croc, sclerops, die zu den Alligatoren ge- hören, eine Carolis communis, welche gemeinschaftlich mit CLXXXVU der Subelavia sinistra entspringt, und sich erst an der Basir des Schädels in die beiden Carotiden theilt, Hier formirt der rechte Stamm die Subeclavia dextra allein. Derselbe macht darauf aufmerksam, dass Hentz zuerst im Jahre 1825 in den Transactions of the Americ. Philos. So- eiety Vol. II. die Trennung der Herzkammer bei dem Kroko- dil erwähnt, und ebenfalls die Oeffnung im Septum zwi- schen der linken und rechten Aorta beschrieben habe. (Tijd- schrift voor natuurl. Geschied. en Physiol: Zesde deel le en 2e Stuk.) Eine wichtige comparative Arbeit über den Kehlkopf der Amphibien lieferte Henle*)- Bei dem Reichthum an Details, welche sich nicht zum Auszug eignen, beschränken wir uns auf die Anführung der allgemeinen Resullate, wie sie der Verf. selbst aufgestellt hat: ® In dem häutigen unpaaren Ausführungsgang der Lungen (Lepidosiren) entwickelt sich jederseits ein longitudinaler Knor- pelstreif (Proteus). Dieser zerfällt in einen obern, die Stimmritze begrenzen- den Theil, die Cartilago arytaenoidea, und einen absteigen- den ‘Theil. Von der Spitze der Cartilago arytaenoidea löst sich ein Knorpelchen ab, die C. Santorini (Frosch, Säugethiere.). Der absteigende Theil schickt Queeräste aus, welche sich vorn oder hinten oder an beiden Flächen verbinden, und da- durch zu mehr oder minder. vollständigen Ringen werden. Die untern Queeräste sondern sich durch Resorption des ur- sprünglichen, absteigenden Theils zu einzelnen. Ringen, da- durch Zerfallen des unpaarigen Respirationskanals in Larynx und Trachea. Die Laryngealknorpelringe verschmelzen, indem die In- terslilien vorn und hinten ausgefüllt werden, zu Einem breiten Ringe, dem Schildringknorpel. Die vordere Spitze des Schildringknorpels erhebt sich und breitet sich aus zu einem blattförmigen Fortsatz, dem Proces- sus epiglotticus, und wird endlich selbstständig als Epiglottis. urch eine Naht wird aus dem hintern obern Theil des Schildknorpels ein plattes Stück, die hintere Spitze, abgegrenzt (ip; Chelonia), und zum Körper eines eigenen Knorpels, welcher die Giesbeckenknorpel trägt. Der Schildringknorpel ist in Schildknorpel und Ringknorpel zerfallen. Der Schildknorpel theilt sich in der Mitte der hintern Rläche durch eine longitudivale Naht; die Seitenstücke, wel- *) Vergleichend- anatomische Beschreibun des Kehlkopfs mit be- sonderer Berücksichtigung des Kehlkopis der keptilien, Leipz. 1839. CLXXXVII che diese Naht begrenzen, lösen sich vom Schildknörpel ab und bilden an dem Ringe Knorpel, als Bogenstücke desselben (Singyögel). Der Körper des Ringknorpels verschmilzt mit den Bogen- stücken, wächst unter dem Schildknorpel nach vorn herum; er bleibt nach vorn geöffnet bei den Cetaceen und einigen Raubthieren, und schliesst sich zuletzt vollständig zur Cart, ericoidea der meisten Säugethiere und des Menschen. In G.R. Treviranus Anatomie des Chamäleons (a. a. ©.) ist der Mechanismus der zwischen dem Kehlkopfe und der Luftröhre befindlichen Luftblase beschrieben. Die Ränder der in dieselbe führenden Spalte sind oben und unten mit einem langen, knorpeligen Fortsatz versehen, die mit ihren einander zugekehrten Flächen genau aufeinander passen, und so die Spalte verschliessen können. Die Fortsätze entfernen sich von- einander, wenn der Kehlkopf sich nach vorn und oben be- wegt, wie es beim Fressen geschieht. Das Thier athmet dann, seiner Ansicht nach, aus der mit Luft angefüllten Blase, wenn die Stimmritze durch das Hinunterschlucken der Nahrung ver- schlossen wird. Die Luflröhre geht ohne Verzweigung un- mittelbar in die rechte Lunge über, während die linke Lunge durch eine Oeflnung der Scheidewand von der rechten aus mit Luft versehen wird. Hinter der Luftblase liegen unten an der Luftröhre zwei durch ein Mittelstück verbundene halb- mondförmige Körperchen, welche der Schilddrüse entsprechen. Die Nasenklappen, welche den durch Verschlucken der Luft athmenden Amphibien nöthig sind, fehlen dem Chamä- leon, dagegen besitzen die Rippen ausser den Intercostalmus- keln an ihrer innern Fläche noch besondere Muskeln zum Er- weitern der Brust und Bauchhöhle, denen noch zwei lange, längs der Rückenwirbelsäule inwendig verlaufende Muskeln zu Hülfe kommen. Die Aorta entspringt unmittelbar aus dem Herzventrikel, und ohne durch die Vereinigung zweier Bogen zu entstehen, krümmt sie sich nach der Wirbelsäule, und verläuft bis zum Schwanz. Der dünne Darm, der vom Magen durch eine starke, ringförmige Klappe getrennt ist, besitzt keine Muskelhaut (?), indem auf den Peritonäalüberzug sogleich die Gefässhaut folgt, welche unmittelbar der Schleimhaut anliegt. Die Schleimhaut des Mastdarms bildet spiralförmige Verdoppelungen, wie im Darmkanal der Haien und Rochen. — In der Mitte der Kloake befindet sich die gemeinschaftliche Oeflnung der Saamengänge, und zu beiden Seiten öffnen sich die Ausführungsgänge zweier muskulöser Säcke, der Harnblasen, die nach Treviranus fälschlich als äussere männliche Geschlechtstheile betrachtet wurden, welche dem Chamäleon gänzlich fehlen. (Was hier CLXXXIX für 2 Harnblasen genommen wird, ist nichts anderes als die beideu Penes, die sich ganz so verhalten wie bei allen Ei- dechsen. M.) Am Gehirn sind die hintern Hemisphären (Lobi optiei) nebst den von ihnen entspringenden Sehnerven im Gegensatz zu den sehr feinen Geruchsnerven stark entwickelt. Das Ver- hältniss der medulla oblongata zum Gehirn ist wie 10:25, während es bei Crocodilus lucius nur wie 10:17, bei der Te- studo mydas wie 10:13 ist. Was das Auge anbetrifft, so rührt die Fähigkeit, den Axen beider Augen eine ganz verschiedene Richtung zu geben, von der Verwachsung desselben mit dem Augenlide her, da letzteres, fest verbunden mit der Nickhaut, der Wirkung des Nickhautmuskels folgen muss. Der Augapfel ist vorn kegel-, hinten halbkugelförmig gestaltet, und die eben- falls kegelförmige Linse nimmt fast den ganzen Raum zwischen einem an dem vordern Theile des Augapfels befindlichen knor- eligen Ring ein. Die Retina ist durch ein fast 4“ weites ?oramen centrale ausgezeichnet, woselbst die an beideu Seiten - mit einer schwarzen Pigmentschicht versehene Choroidea ganz bloss liegt. Als Geschmacksorgan betrachtet der Verf. eine wulstige Lefze, die jederseits an der unteren Kinnlade ge- legen ist. Von Peters Abhandlung über die Hydromedusa Maximi- liani, und über die Bildung des Schildkrötenskelets (Archiv 1839, p. 280. 290.) ist schon im Archiv 1839 Jahresbericht p- 214. berichtet: F. Platner *) lieferte eine Arbeit über das Quadratbein der Vögel, welche über diesen in comparativer Hinsicht wich- tigen Gegenstand manehe willkommene Aufklärung enthält. Am Quadratbein sind folgende Fortsätze zu bemerken: 1) Der Gelenkfortsatz des Unterkiefers, mit einer Gelenkerhabenheit für den Flügelknochen, hinten mit einer Gelenkvertiefung fürs Jochbein versehen; 2) der nach der Augenhöhle gerichtete Muskelfortsatz; 3) nach hinten und oben der Schup- penfortsatz zur beweglichen Verbindung mit der Schläfen- schuppe; 4) seitwärts und nach innen von letzterem der Paukenhöhlenfortsatz, der in die Paukenhöhle tritt und zur Bildung ihrer hintern Wand beiträgt. Dieser Fortsatz ist bei den meisten Vögeln sehr entwickelt, und dann ist der knö- eherne Paukenring durch das Quadratbein unterbrochen, indem das Paukenfell sich hier an eine schmale, über jenen Fortsatz weggehende Knorpelbrücke anheftet, Dagegen ist bei den DE über das Quadratbein u. die Paukenhöhle der Vögel. Von Dr. Th. Platner. Dresden u, Leipz. gr. 8. CcxXC hühnerarligen Vögeln, mit Ausnahme der Tauben, der Pau- kenhöhlenfortsatz nur wenig entwickelt, oder auf eine blosse Gelenkfläche redueirt, und dem entsprechend trägt das Qua- dratbein hier nur sehr wenig oder gar nichls zur Ausfüllung des Paukenringes bei. So findet sich beim Haushahn und Fasan ein vollständiger Paukenring, während bei dem Trut- und Auerhahn, wo jener Fartsatz etwas mehr entwickelt ist, nur eine ganz kleine Stelle des Ringes von Knorpel unterbro- chen ist. Die Schwimmvögel nähern sich in dieser Beziehung den hühnerartigen Vögeln; die Eulen dagegen bieten das ent- gegengesetzte Extrem dar. indem bei ihnen der Paukenhöhlen- fortsatz am meisten entwickelt ist. Dieselben besitzen auch keinen vollständigen Paukenring.: Bei den Papagaien ist die Verbindung des Quadratbeins mit dem Schädel, dem Pau- kentheile des Keilbeingrundstücks durch ein eigenes Knöchel- chen bemerkenswerth. Die Tagraubvögel und sperlingsarti- gen Vögel haben einen entwickelten Paukenhöhlenfortsatz, doch finden bei der letztern Ordnung unter den verschie- denen Abtheilungen bedeutende Abweichungen Statt. Es wird dann gezeigt, wie die Beweglichkeit des Oberkiefers mit der grössern oder geringern Ausbildung des Schuppenfort- satzes und des Paukenhöhlenfortsatzes in geradem Verhältnisse stehe, und wie dies mit der Kraft des Schnabels und der Or- ganisation der einzelnen Ordnungen überhaupt in Zusammen- hang stehe. Verf. macht auch auf eine dem Paukenfellspanner antagonistische Wirkung des Quadratbeins vermittelst eines von der Columella ausgehenden elastischen Bändchens auf- merksam. . Was die Bedeutung des Quadratbeins betrifft, so erklärt sich Verf. für die Ansicht, es als getrenntes Gelenkstück der Schläfenschuppe zu betrachten, indem er zuerst gegen die Be- deutung desselben als Pauke anführt: 1) Dass dieselbe sich nur bei Thieren mit vollständigem äussern Ohr als knöcher- ner Gehörgang vorfinde, der nur nebenbei dem Paukenfell zur Anheftung diene, während bei den Vögeln diese Function durch die vereinigte Theilnahme der Pars basilaris des Keil- beins, eines in früherer Zeit ein besonderes Stück bildenden Theils des Gelenkstücks des Hinterhauptbeins, des untern hin« tern Theils der Schläfenschuppe, und, mit Ausnahme der hüh- nerartigen Vögel, des Quadratbeins ausgeführt werde; 2) dass, selbst wenn man der Pauke den Zweck, zur Anheftung des Paukenfells zu dienen, beilege, jene Ausnahme bei den Hüh- nern eine Vergleichung des Quadratbeins mit der Pauke -der Säugethiere nicht zulässig mache. Für die angenommene Ansicht führt Verf. an: 4) Dass bei den Fröschen, wie bei den Säugethieren, CXCI Schuppe und Gelenkstück ein Stück bilden, letzteres hinter dem Paukenfell liege, und demselben zur Anheftung diene, so dass es, wenn es geirennt wäre, eher für die Pauke gehalten werden könne, als das Quadratbein der Vögel. 2) Da das Quadratjochbein als Jochforisatz des Schläfen- beins zu deuten wäre, so folge daraus die Deutung des damit verbundenen Quadraibeins als Gelenkstück. 3) Endlich führt der Verf. an, dass auch bei den Säugethie- ren und dem menschlichen Embryo ein ganz analoger Theil der Schläfenschuppe zur Schliessung einer in dem obern Theile des Paukenringes vorhandenen Lücke beilrage.e Auch ver- weist er auf eine Beobachtung Duvernoy’s an dem Schädel eines Capybara, wo sich ein vollkommen getrenntes Gelenk- stück vorland. Derselbe Verf. verfolgte den Verlauf der Chorda tympani bei Coryus corone; sie geht in der Paukenhöhle parallel mit dem zwischen Columella und Quadratbein liegenden clasli- schen Bändchen nach unten und vorn vor dem Paukenhöh- lenfortsatz, und dann in der Richtung des Quadralbeins an die innere Seite des Unterkiefergelenks. Dann die Richtung des Unterkiefers verfolgend, geht sie durch ein kleines Loch desselben in einen engen Kanal, welchen sie wieder verlässt, um sich mit dem Nerv. max. inf. des Trigeminus zu ver- binden, Bergmann handelte von der Bewegung des Radius und der Ulna bei den Vögeln. Müll. Archiv. 1839. p. 296. Die Achsen der beiden Gelenkrollen des Humerus sind bei den Vögeln verschieden, und daher müssen sich Radius und Ulna bei der Flexion und Extension an einander verschieben. U. Schlegel fand, dass die von Nitsch bei Sula alba Bekmenaien Nasenlöcher ebenso wie bei Sula melanura vor- den, obgleich von einer dieken Haut bedeckt sind, welche in getrockneten Exemplaren fest anliegt. Dagegen fehlen die Nasenlöcher bei Sula piscatrix und parva gänzlich, ja es fin- det sich selbst in dem knöchernen Skelet des Schnabels keine Spur einer Durchbohrung. (Tijdschrift voor naluurlijke ge- sehiedenis en Plıysiologie v. d. Hoeven. Zesde Deel, 1e u. 2e Stuk. Von Lherminier haben wir wichtige Mittheilungen über die Anatomie des Opisthocomus ceristalus erhalten. Am Ske- let des Opisthocomus erislalus ist besonders das. Sternum merkwürdig. Es ist länglich, hinten erweitert und flach; die Gräthe ist am vordern Rande sehr niedrig, ragt mit ihrem untern Rande gerade nach hinten, und bildet hier eine carti- laginöse Callosität. Die Ossa coraeoidea nehmen den ganzen vordern Rand ein, und seitlich befestigen sich 5 erweiterte Müller's Archir, 1640. N CXCU Rippen: ‘Derv'hintere Rand hat 4 Ausschhitle,' von ‘denen die äussern oft ia ‚Löcher: verwandelt oder auch ganz obliterirt sind. — Was! die Eingeweide betrifft, so ist der Darm im Verhältniss zum Körper sehr lang, wie 34:1, die Zunge oben weich. und fleischig, unten hornig, hat eine knöcherne, mit scharfen Spitzen versehene Basis. Glottis, Larynz und Pha- rynx sind mit Papillen besetzt. Der Oesophagus bildet eine Schlinge, welche einen ungeheuren ‘Sack formirt, der aussen die Pectoralmuskeln bedeckt, und so den ganzen ‚Raum! vor den Ossa coracoidea, der Clavicula und # des Sternums ein- nimmt. ‘Auf diesen Theil folgt ein erweiterter Darmiheil. der von aussen durch Bänder gefaltet ist, wie das menschliche Colon. Dann folgt ein eylindrischer, dünnhäutiger, Drüsen- magen. Der eigentliche Magen ist nicht grösser als eine Olive, und seine Wände wenig dick. ‘Der untere Darmtheil besitzt zwei zolllange Blinddärme. Was das Innere des Darms be- triflt, so findet man 3 des Oesophagus längsgefaltet und mit parallelen‘ Drüsenreihen besetzt. Die Falten nehmen zu und die Drüsen ab, je mehr man sich dem Sack nähert: Oeffnet man diesen in seiner Circumferenz, so sieht'man oben eine bogenförmigen Scheidewand, die, obgleich nicht vollkommen, seine Höhle in zwei miteinander communicirende Hälften theilt, Grosse Faltenvorsprünge von der innern Fläche drängen sich gegen die Scheidewand zusammen. Der gefaltete Darmtheil zwischen diesem Sack und dem Magen besitzt inwendig lon- gitudinelle Falten, welche vor dem Drüsenmagen enden. Verf. vergleicht den Sack mit dem Panzen und Netzmagen, den folgenden Theil und Drüsenmagen mit‘ dem Blätter- und Lab- magen der Wiederkäuer. | Wir haben’ neulich Gelegenheit gehabt, ein von. Herrn Lherminier an Herrn v. Humboldt gesandtes Exemplar des Opisihocomus eristalus zu untersuchen. ‘Am Kehlkopf befin- den sich gar keine Singmuskeln; die Carotiden sind doppelt. Nitzsch hat sich. in der Stellung dieses Vogels, und über- haupt hinsichtlich seiner Amphibolae 'geirrt. Colius ist ein wahrer Singvogel mit Singmuskeln und. einer Carotis, und Musophaga mit einfachem Muskel am Kehlkopf und 2 Caro» tiden, passt zu keinem von beiden. ie Lherminier hat ferner Bemerkungen über Palamedia eornuta mitgetheilt. Osteologisch ist die ellipsoidische Gestalt der Clavicula, und der ungeheure Einschnitt am hintern Rande des Sternums zu bemerken. Am Darmkanal ist die Gegen- wrart eines innern. Kropfes bemerkenswerth ; derselbe liegt in der Brusthöhle zwischen dem Drüsen- und Muskelmagen. Ferner sind der ausserordentliche Umfang des Dickdarms und der cxcım Blinddärme, ‘so wie die'Auftreibungen (bosselures)’ der letz- tern, bemerkenswerlh. suıla " Endlich istauch Hemipodius tachydromus von Lher- minier untersueht. Das Sternum hat 2’ tiefe, winklichte Aus- schnilte, äussere, getrennte, schlanke Apophysen, und ein drei- eckiges Mittelstück. Sein vorderer Rand, den die Ossa eoracoidea einnehmen, ist mit 3 Fortsätzen versehen, zwei seitlichen für die Aufnahme von je 3 Rippen und der mittlern Gräthe. Die Clavieula ist lang, gebogen, schlank, und endigt mit einer klei- nen Rolle (Molette), welche dem Winkel der Sternalgräthe- entspricht. Die Scapula ist lang, gebogen und am Ende abge- rundet. Die Ossa coracoidea unregelmässig prismatisch, fast eben so lang wie das Brustbein, auf ihrer obern Fläche durch eine breite Rinne ausgehöhlt.. Der Oesophagus ohne Kropf, der Muskelmagen kugelförmig, mit zwei äussern, 8förmigen Sehnen. Zwei Coeca fanden sich 1 Zoll vom After. Ann. des sc. nat. Tom VIII. 1837. p. 96 sqq- -R. Owen verdanken wir eine Anatomie des Apteryx australis Shaw. Die Zunge hat an der Spitze eine horn- arlige Platte, und ist sodann mit einer Schleimhaut über- zogen; Papillen fehlen jedoch. Hinter der Gloltis ragt die Schleimhaut mit zwei drüsigen 'Zipfeln in den Schlund hinein. Der Vormagen bildet die unmittelbare Fortsetzung der Speise- röhre, und der kleine Magen ‘hat mehr die oval-rundliche Form eines häutigen Magens, ‚als die eines Muskelmagens: Hinten am Magen findet sich oben und unten in seinem In- nern eine Hervorragung. Sphincter und Pförtnertasche, wie beim Strauss, ist hier nieht vorhanden. Zwischen dem Duo- denum liegt ein langes Pankreas. Die Coeca sind 5 Zoll lang: Der Mastdarm communieirt durch eine halbmondförmige Oeff- nung mit der Erweiterung für den Harn. Die Kloake ist nicht so weit wie beim Strauss, enthält eine grosse einfache, spi- ralig retrahirte Ruthe, und am hiutern Theile eine kleine Bursa. Wir vermissen die Angabe, ob die Ruthe nach dem Typus des afritan. Sirausses, oder wie bei den dreizehigen Straussen, den Enten und Gänsen (mit einem ein- und aus- zustülpenden Rohr) gebildet ist. Die Gallenblase communieirt mit dem rechten Leberlappen durch zwei Gänge. Der Duetus eyslicus und hepaticus münden jeder besonders in das Duode- num, Das zweilappige Pankreas öffnet sich mit beiden Aus- führungsgängen neben den Gallengängen. Was die Respirations- organe betrifft, so findet sich keine Spur von Luftzellen in der Bauchhöhle, und das Diaphragma ist nur für den Oesopbagus und die grossen Blutgefässe durchbohrt, wie bei den Säugethie- ren. Die Schenkel des Diaphragma sind sehr entwickelt, und seine Aponeurose setzt sich über das Pericardium fort, Unten OXCIV legt sieht die eonvexe Fläche der Leber gegen das Diaphragma, oben legt sich eine Reihe Luftzellen zwischen dasselbe und die Lungen. Die, Luftröhre ist einfach, ohne, Erweiterung und ohne ‚untern Larynx, und unten durch eine Membran geschlos- sen. Die Knochen sind nicht pneumatisch, und gleichen in ihrem Bau ‚denen der Saurer. Die Queerfortsätze der Wirbel sind unverbunden, wie bei den Straussen. Das Brustbein klein, ohne Manubrialfortsatz und ‚ohne Kiel, jederseits mit 'zwei runden Löchern und sehr grossen hinteren Fissuren. Die obere Extremität ist sehr kurz, und das Ende besteht aus einem Handwurzelknochen, zwei Mittelhandknochen, und zuletzt ei- ner einzigen Phalanx. Die Darmbeine tragen den Character der Strausse, mit denen überhaupt das Skelet am meisten über- einstimmt, (Proceedings of the Zool. Society. 1838. 48. 71. 105. Wiegmann’s Arch. V. Bd. 1. pag. 90 sqq. u. 364sqq.) Die ausführliche Abhandlung ist unterdess erschienen. Trans- act. of'the zool. soc. of London. T.:II, p. 4. Lond. 1840, Die Osteologie der Säugelhiere ist durch ein kostbares Kupferwerk von De Blainville bereichert, welches sich über alle Klassen der Wirbelthiere ausdehnen wird. Osteogra- phie ou description iconographique comparede du squelelle et du systeme des cing elasses d’animaux vertebr&s r&ecents et Sossils. Paris. Es sind davon bis jetzt 10 Lieferungen erschienen, Dieses Werk ist weniger dem philosophischen Theil der comparativen Osteologie, als der ‚osteologischen Erläuterung der Gatlungen und Arten be- stimmt, und wird besonders für die osteologischen Samm- lungen ein schätzbares, erwünschtes und unentbehrliches Hülts- millel sein. Owen hal die Osleologie der Beutelthiere abgehandelt. Wir verweisen auf die Abhandlung, die keines kürzeren Aus- zugs fähig ist. Proceedings of the zool. soc. 1838. 120. Annals of nat. hist. Lond. 1839. 446. De Blainville hat gegen Th. Bell die Ansicht verthei- digt, dass die letzten der 9 Halswirbel der Faulihiere in der That den letzten Halswirbeln der übrigen Säugethiere entspre- eben, und nicht als erste Brustwirbel anzusehen sind. An- nales frangaises et eirangeres d’anatomie et de physiologie. 1839. p. 257. Wir haben dies schon vor längerer Zeit in der vergleichenden Osteologie der Myxinoiden dadurch bewiesen, dass die aborliven Rippenrudimente der letzten Halswirbel der Faulthiere, an den letzten Halswirbeln aller jungen Säu- gethiere und auch des Menschen vorkommen. Der Processus xiphoideus ist nach Otto bei Manis ma- eroura s. teiradactyla sehr lang (3"); er theilt sich in zwei lange, durch Bänder verbundene Fortsätze, und erstreckt cXcVv sich nach der rechten Seite zu den falschen Rippen hin, wo er sieh in einem Winkel umbiegt. An seiner hintern Fläche. be- ginnt der Musc. retrahens linguae, welcher hinter dem Sternum und den Musculis sternohyoideis hergehend, in die "Zunge übergeht °). Eine genaue und dankenswerthe Arbeit über das äussere Ohr lieferte Hannover **). Die Untersuchungen des Verf. erstrecken sich auf das Schaf, Pferd, Hund, Katze, Hase; Kaninchen, Fledermaus (V. murinus), Maulwurf. In‘ Bezug auf die Details müssen wir auf die Abhandlung selbst ver- weisen; wir heben hier nur einige Punkte aus der Neuro- logie hervor, die Verbindung des Vagus und Facialis betref- fend. Das Ganglion sup. nervi vagi beim Schaf empfängt einen Zweig vom @Ganglion cervicale sup., und sendet einen andern zum Glossopharyngeus; der Glossophar, schickt wie- derum einen Zweig zum hintern Theile der Bulla an den N, auricularis n. vagi, indem dieser sich zum Facialis mit zwei „Fäden begiebt, welche jeder durch ein besonderes. Knochen- kanälchen in den Canalis Fallopiae gehen. Hier verbindet sich der eine Faden nahe vor dem Foramen stylomastoid. mit dem Facialis, während der andere nur in die Scheide desselben Nerven tritt, und mit vielen Fäden in den N. auricularis lon- gus, mit einigen in den N. auricularis brevis übergeht. Beim Hunde erhält das Ganglion n. vagi einen Zweig vom Gang. cerv. supr., einen andern vom Glossopharyngeus, und sendet einen Zweig ab, der, nach aussen gehend, durch das Foraımen stylomastoideum in den Canalis Fallopiae zum Facialis tritt, und sich in zwei Fäden theilt, deren einer, ‘der grössere, den N. auricularis longus und medius bildet, der klei- nere zum N. aurieularis brevis geht. Es fand sich hier kein zum Canalis Fallopiae aufsteigender Ast. Bei der Katze erhält das Ganglion nur einen Zweig vom Gangl. cerv. supr., sendet den Ram. auricularis ab, der nach aussen zwischen Proc, mastoideus und der Bulla fortgeht, und in die Scheide des Facialis nahe vor seinem Austritte aus dem Canalis Fallopiae hineingeht; er sendet einen Faden nach iu- nen in den Canalis Fallopiae, während ein anderer Faden, ohne sich mit dem Faeialis zu. verbinden, in den N. auricula- ris longus, vielleicht auch in den N. aurieularis brevis und medius übergeht. , .*) Otto, de rarioribus quibusdam sceleli humani cum auima- lium sceleto analogiis. Vratislaviae. A. **) De cartilaginibus, musculis, nervis auris exlernae atque de nexa neryi vagi et neryi lacialis. Diss. inaug. auct. Adolph Han nover. Hauniae, A CcÄcvt Hase und Kaninchen., Hier erhält das Ganglion vagi sup. einen Zweig vom N. glossopharyngeus, und sendet einen Zweig zum Canalis Fallöpiae, der sich in zwei Fäden theilt, von denen der eine sich in den N. auric. longus fortsetzt, der andere, in die Scheide des Facialis tretend, mit .diesem den Canalis Fallopiae verlässt, und den N. aurieul. brevis bildet. Im Kaninchen entstand 1 Mal der N. tympanicus vom Ra- mus aurieularis nerv. vagi. . yo Beim Maulwurf ‚liess sich kein Gangl. n. vagi finden, aber es ging von dem Nerven selbst ein sehr feiner Faden ab, der die Bulla tympani durchbohrt, und sich mit dem Facialis nahe vor seinem Austritt aus dem Foramen stylomastoideum verbindet. Bei diesem Thiere ist auch die Bildung des äus- sern Ohrs merkwürdig; ‘es besteht in einem in drei Spiralen gevwrundenen knorpeligen Gehörgang, der eine innere Membran unischliesst. N { Theile giebt in Müll; Arch. p. 102. seine Untersuchun- gen über gewisse Muskelpartieen; welche sich vom Queerfort- satz eines Wirbels an den Bogen des vorhergehenden befesti- gen, und die dazu dienen, die Axendrehung zu bewirken. Sie fehlen bei den Pachydermen, Kalb und Fledermaus. Bei dem Maulwurf ist der Rippentheil der Queerfortsätze der Rückens wirbel von dem Muskelfortsatze derselben vollkommen getrennt. Bei der Ratte, wo den untern Halswirbeln und dem Asten Rük- kenwirbel die Proc. spinosi fehlen, findet sich vorn an dem sehr starken Dornfortsatze des 2len Rückenwirbels ein besonderes Knöchelehen, welches mit den: beiden ‘vorhergehenden Wir- beln durch 2 starke Sehnenstreifen verbunden ist.‘ Merkwür: dig ist auch bei diesem‘ Thiere die von den Queerfortsätzen des 7ten Hals- und 1sten Rückenwirbels gemeinschaftlich: ge- bildete Gelenkgrube für das Tuberculum der 1sten Rippe. Die Typen in der Bildung der Mandeln bei Säugethieren sind nach Rapp’s Untersuchungen (Müll. Archiv p. 189.) folgende: 4) Ein einfacher, mehr oder minder geräumiger Sack, der mit einer einfachen Oefinung sich mündet, und dessen blindes Ende vorwärts gegen die Mundhöhle oder abwärts gerichtet ist. Affen, Löwe, Jaguar, Oryeteropus, Hyrax. 2) Dicke, horizontale Blätter mit sehr kleinen Oeffnun- gen, Bär, Hyäne; letztere macht jedoch den Uebergang zur vorhergehenden Formation. 3) Die Tonsillen stellen eine einfache, längliche Hervor- ragung dar; Procyon lotor, Marder, Herpestes, Fledermäuse z. Th., Maulwurf, Igel, Didelphis. ; 4) Viele verästete, kurze, Kanäle öffnen sich in mehrere elliptische Platten (Didelphis), oder mit zerstreuten Löchern: cxcovu Cystophora);» Wallross,. Wiederkäuer ;; «Schwein, .Dicotyles, Pierd. Das’ Stachelschwein hat keine Mandeln; .aber:' eine körnige Drüse mit feinen Ausführungsgängen äm Zungenrande. Beii\der Ratte fehlen: die‘ Tonsillen: ebenfalls. = un nluul! „Beim 'Hirsche ‘findet ‚sich‘ nach ‘Rapp’s' Untersuchung (Müll. Arch. 'p.:366,) unmittelbar unter derHäut sein drüsen- ähnliches Organ, welches (die 8 letzten »Schwanzwirbel um- giebt, und sich nach’ vorn in»zweiseitliche Lappen theilt; aber ohne -Ausführungsgang ist“: :Von der Hautıgehen viele:'zellge- webige Fortsätze in dasselbe; es besteht’aus kleinen; Läpp- chen, ‚und enthält eine gelbbraune Flüssigkeit. » Zu jedem Korn oder Läppchen geht ein Arterienzweigelchen, und (ausser der in..der Mitte neben der ‚Arterie zurücklaufenden.Vene fin- det sich noch jederseits eine grössere Blutader. »In'‚einem Fall kamen Lymphgefässe mit einer gelbbraunen Flüssigkeit gefüllt aus dem Organe: hervor. “Die in dem | Organe»ienthaltene Flüssigkeit zeigt, mikrosköpisch untersucht, runde; -hellgelbe Körnchen. . Ausserdem finden sich noch unter der'Häut ‚des Schwanzes Folliculi sebaeei, ‘welche. eine dicke, fette Materie aus sich herausdrücken lassen. Jenes Organ fehlt beim Damm- hirsch, Reh und: Ceryus virginianus: ö Der Fölus dermännlichen Didelphis virginiana-hatınach Laurent am. Bauche' Hautfalten, "welche einen rudimentären Beutel, analog ‚dem ‚Beutel der Weibchen, bilden. In dieserh ‚Raume. liegen beim Männchen: 2, :beim' Weibchen :43::Papillen, 6 auf, jeder ‚Seite, ‚eine in’ der Mitte.! +Amnnales frangaises ‚et eirangeves‘ d’anatomie. et de plysiologie. . Paris 1839 ıp. 231: Ebendaselbst befinden sich “Bemerkungen über.'die Natur der Benialknsklicbi als iSehnenknochen ‚des Musculus obliquus ex- ernus. GR i lo. +2ibs Ö « Ueber die männlichen Zeugungstheile des:virginischen Beu- telthiers. (Didelphis virginiana)) erhielten: wir-Bemerkungen von G. R. Treviranus (a. a. O.). Nach. einer: genauen Beschrei- bung‘ des Penis folgt eine ‚Darstellung der .birnförmigen Ab- sondelungsorgane,. von ‚denen: sich:'jederseits der. Harnröhre 3, vorfiuden,- während Cowper nur zwei solcher "Organe an! gab, Die beiden ersten Paare: sind: häulig, und haben-au:ihrer innern Seile elastische. ‚Röhren, ‘welehe dicht nebeneinander liegend nach dem musculösen Ausführungsgange hin convergiren, um zu einer gemeinschaftlichen Röhre sich zu vereinigen. Das dritte Paar hat dicke, musculöse Wandungen, in deren Mitte ein zelliges Gewebe liegt. Verf. vergleicht die beiden ersten Paare mit den accessorischen Samenbläschen des Igels etc., das lelzte dagegen mit den Cowper’schen Drüsen, Die Samenausführungsgänge öffnen sich in die sehr weite Harn- röhre gleich unter dem Blasenhalse. OXCVIN G. R. Treviranus: Männliche Zeuguigstheile des Igels. Zeichnungen über die mäunlichen Geschlechtstheile des Igels. Weibliche Zeugungstheile des Maulwurfs. : Die Bierstöcke des Maulwurfs sind durch eine Einschnürung in zwei Hälften getheilt, wovon die grössere sehr gefässreich ist; die kleinere, welche den Fimbrien zunächst liegt, zeigt unter der Loupe drüsenähnliche Körper, und ist von blässerer Färbung. Ebend. Eihäute und Mutterkuchen der Frucht des Meerschweins, Zwischen dem Fötaltheil und dem mütterlichen Theil der Pla- centa des Meerschweins befindet sich noch eine dritte mittlere Schicht, die aus Fasern besteht, welche divergirend von dem erstern zum letztern übergehen. Ebend. 6. R. Treviranus giebt ebenfalls Abbildungen vom Auge des Narwals und des Wallrosses. Letzteres steht in der Bil- dung seines Auges durch die Abplattung des vordern Theils, und die mehr kugelförmige Gestalt der hintern Hälfte des Aug- apfels zwischen den Cetaceen und Pachydermen. Der Mus- eulus bulbosus fehlt, und die übrigen Augenmuskeln sind sehr klein und auf eine ungewöhnliche Art befestigt. Eine grössere Arbeit über die vergleichende Anatomie des Nervensystems lieferte Leuret: Anatomie comparee du’ sy- steme nerveux. Paris 1839. 8. Wir verweisen auf dasselbe, da es ausser der Aufgabe dieses Berichtes liegt, Auszüge aus den grösseren systematischen Werken zu liefern. Verglei- chende neurologische Bemerkungen, insbesondere über das Verhalten des Nervus facialis bei. Vögeln und Amphibien, sind : von Bazin geliefert. ‘Annales frangaises et &trangeres d’ana- tomie et de physiologie. 1839. 122- Anatomie das Biscacha (Lagostomus trichodaetylus) durch Owen. Proceedings of the zool. soc. 1839. 175. Einige anatomische Bemerkungen über den Delphino- rhynchus miecropterus sind von Dumortier in seiner Schrift: Memoire sur le Delphinorhynque, gegeben. Eine Zusammenstellung der Fortschritte in der Naturge- schichte und vergleichenden Anatomie der neuern Zeit lieferte Duvernoy in seinen Lecons sur Phistoire naturelle des corps organises. 1 fasc. comprenant une esquisse des derniers pro- gres de la science et de son etat acluel. Paris 1839. 8. CXCIK Nachtrag. -Lambottle observations anatomiques et physio- logiques sur les appareils sanguins et respiratoires des batracicas anouresin Memoires couronnes de l’academie des sciences et belles lettres de Bru- xelles. Bruxelles 1838. Genaue Beschreibung der Blut- gefässe von Larven der Batrachier. Der Verf. sagt, dass er seine Untersuchungen an verschiedenen Arten von Fröschen und Kröten angestellt, und nennt Rana esculenta, temporaria, bufo, arborea; alle diese Arten hätten zu fast identischen Re- sultaten geführt. In Hinsicht der Blutgefässe werden auch schwerlich Unterschiede ‚Statt. finden, . aber in Hinsicht der Conformation der Athemorgane jedenfalls. So kann sich des Verfassers Beschreibung von der unpaaren mittlern Kiemen- öffnung der Larven nicht auf einen Frosch, sondern nur auf eine Krötenlarve beziehen, denn die Froschlarven haben anfangs 2 seitliche Kiemenöffnungen, und hernach eine seitliche, näm- lich die linke. Nach dem Verf. sollen die Kiemenhöhle und die Bauchhöhle durch Schlitze zusammenhäugen. & fi < N ha jirzı i 1 Pr f ol Inn re über dies... Leistungen im ‚Gebiete der Anatomie, und, Phy- ‚siologie der wirbellosen Thiere al: im Jahre 1838. ee Von Cirt Tupovor Vox SıeBoid. IH BETTEN" ee ee Kot, a; BERN ‚ In den Artikeln Organsofgenerationund Generation der Cyclopaedia of anatomy and Physiology haben Rymer Jones und Allen Thomson die wirbellosen Thiere im Allgemeinen besprochen *), ohne dass jedoch die neuesten, besonders in Deutschland angestellten Entdeckungen und Untersuchungen über diesen Gegenstand berücksichtigt wurden. In den Artikeln gland und organs of hearing sind die wirbellosen Thiere von Grainger und Wharton Jones ebenlalls in Betracht gezogen worden **). Den Gesichtssinn der niedern Thiere er- örterte Brants ***); derselbe weist nach, dass die einfachen Augen bei Scorpio und Mygale nach demselben Plane, wie die zusammengeselzten Augen der Insekten, gebaut sind. Milne Edwards gab eine Abhandlung über den Mecha- nismus des Athemholens bei den Crustaceen +), in welcher gezeigt wird, dass die niederen Krustenthiere mittelst der gan- zen Oberfläche ihres Körpers atımen, während bei den höhern *) The Cyclopaedia. Vol. II. p. 406. und 424. **) Ebend. p. 480. und 529. ***) Annales des sciences nalurelles. T. IX. p. 308. Auch Fro- riep’s neue Notizen. No. 129, +) Ann. des sc. nat. T. XI. p. 129, Froriep’e neue Notizen. No. 167. Auch L’institut. No. 329. cc Crustaceen das: Athmen durch ' verborgene Kiemen: uäterhalten wird; bei den Branchiopoden und 'Edriophthalmen sind. die Füsse iin ‚ihrer Structur so modifieirt, dass sie zugleich' auch als Respirations- Werkzeuge dienen. Die: Kiemen der höhern Krustenthiere, welehe in einer Höhle‘ eingeschlossen liegen, werden mit Hülfe eines Klappenapparats ununterbrochen von frischem Wasser bespült, indem eine Reihe von beweglichen Klappen das nölhige Wasser durch eine an’ der Basis den Vor- derfüsse befindliche Ocffnung den Kiemen zuführt,. und das- selbe durch einen zu jeder Seite des Mundes ‚liegenden Kanal wieder abführt. Dieser Klappenapparat wurde früher Kiefer des zweiten Paares genannt. . Die fächerförmigen Anhängsel, welche an den Kieferfüssen der Krabben sitzen, oder zwischen den Kiemenbündeln der Krebse stehen, ‚können fast nur zur Bewegung des in der Kiemenhöhle befindlichen Wassers, aber nicht zum eigentlichen "Wechsel desselben dienen. ' Duvernoy giebt einen Versuch,’ die Crustaceen nach dem Baue ihrer Kespirationsorgane einzutheilen, wobei der- selbe jedoch bei den einzelnen Abtheilungen viele’ Ausnahmen gelten lassen muss *). Er stellt zunächst drei Hauptverschie- denheiten der Kiemen.auf: 1) die scheibenförmigen Kiemen) 2) die röhrenförmigen. (gefranzten) Kiemen, und 3) die (baum- arlig, federnartig oder kammartig) zerästelten Kiemen.. Die scheibenkiemigen Crustaceen können auf dem Lande, leben und unmittelbar Luft athmen; diese Gruppe theilt D.) in,zwei Seclionen, von denen die erste Seclion. ‚die Decapoda bra- chyura und Macroura ’anomala Latr., und die: Gattung Porcel- lana der langschwänzigen Langusten: Latr.; begreift, während die zweite Seclion von den mit Kiemendeckeln versehenen Scheibenkiemern umfassen soll, nämlich die Familie a) Isopoda, die Familie b) Heteropoda oder Xiphosuren, und ce) die Gat- tung Apus. Die, mit zerästelten Kiemen versehenen Krebse leben ausschliesslich im Wasser, ebenso die Franzen-Kiemer, jedoch weniger ausschliesslich. Dieser Abhandlung schickt uvernoy eine. Beschreibung des Kiemenapparats von Li- mulus voraus **). Es sind bei den Limulus- Arten zwei Grup- pen von Anhängsel vorhanden, nämlich‘, die Anliängsel .des ersten und die Anhängsel des zweiten Schildes. Die ersteren dienen zum Kauen, Ergreifen und Gehen, iadem das erste Glied der fünf Paare gegliederter Anhängsel die Stelle einer Kinnlade vertritt; die zweite Gruppe, die Anhängsel des 2len Schildes, bestehend aus 6 Paaren, sind scheibenförmig, und die- *) Fror. neue Not. No, 471: p. 262; nd. p. 257, ccı nen theils zum Schwimmen, theils zur Stüfze für die Gene- rationsorgane, und zu gleicher Zeit zum Tragen: und ‘Schutze . der Kiemen. ‘Das erste Scheibenpaar bedeckt die übrigen Scheiben, welche auf ihrer oberen, dem Rücken zugekehrten Fläche die Kiemenplättchen tragen, diese stehen in 150 bis 160 Reihen auf jeder Scheibe geordnet. Das Herz nimmt fünf Kiemenvenen auf jeder Seite auf. Eine vortrefliche Arbeit über dieselbe Krebsgattung lie- ferte Van der Hoeven*), aus der wir mit dem innern Baue des Limulus rotundicauda Latr. genau bekannt werden. Vom Maule erstreckt sich ein verhältnissmässig langer und fleischi- ger Oesophagus nach vorn, hier krümmt sich der ebenfalls sehr fleischige Magen nach oben und hinten, und mündet mit einer eonischen Hervorragung in den Darmkanal ein; die in- nere Fläche des Magens ist mit 15 Längsreihen Tuberkeln aus- gekleidet. Der weite Darmkanal läuft gerade nach hinten, dessen Anfang parallele Queerfalten besitzt, und dessen hinte- rer Theil hingegen mit Längsfalten auf der inneren Fläche versehen ist; eine kurze, verengerte Stelle des Darms lässt sich für das Reetum nehmen. Die Leber besteht aus einer . Portion verschlungener Blindkanälchen, welche den Raum im Cephalothorax zwischen Darm und Fussmuskeln ausfüllen, und auf beiden Seiten des Vorderarms durch einen gepaarten Gal- lengang in ersteren einmünden. Das Herz wird von einem wei- ten, an beiden Enden verschmächtigten Rückengefäss gebildet, dessen Wände ziemlich stark sind. Auf jeder Seite dieses Gefässes befinden sich 7 Oeffnungen, welche mit einem Val- veln-Paare versehen sind, und auf dem Rücken des Gefässes zeigen sich eben so viele gepaarte Oeflnungen, ausserdem ge- hen noch beide Enden des Herzens in ein Blutgefäss über. Der Zusammenhang dieses Herzens mit dem arteriellen und venösen Blutgefässsystem ist dem Verf. nicht deutlich gewor- den. Auf den zarten Plättehen der Kiemen wurden mit dem Mikroskope durchsichtige, vielfach verästelte und anastomosi- rende Streifen (Blutgefässe) entdeckt. Die Geschlechtstheile münden hei beiden Geschlechtern an derselben Stelle nach aus- sen, nämlich auf der Rückenfläche des ersten Bauchplatten- Paares.: Die inneren männlichen Zeugungstheile wurden nicht deutlich erkannt, auf ihre Anwesenheit konnte nur durch die Auffindung eines gepaarten Penis geschlossen werden, der in einer conischen Hervorragung der allgenıeinen Hautbedeckung am Grunde der Bauchplatten verborgen lag. Die inneren weibli- . *) Recherches sur P’histoire natürelle et Panatomie des Limules. Leyde. 1838. Fol. avec 7 planches. ’ cc chen Geschlechtstheile gaben sich durch einen Eierstsck zu erkennen, der aus einem vielfach verästelten blinddarmartigen Schlauch bestand, und den noch übrigen Raum des Cephalo- ihorax ausfüllte; die Aeste dieses’ Ovariums vereinigen sich zu zweien grösseren ‚Aesten, welche zuletzt als ein gemeinschaft- licher Oviduet zu der’ gepaarten Vulva herablaufen, diese. be- steht aus einer zweilippigen Queerspalte, und zeigt in ihrer Höhle viele,Qucerfallen. Die Eier. sind rund, haben eine roth- braune Farbe, und füllen zur Brunstzeit die beiden Ovarien und Oviducte in strotzender Menge aus. Das Nervensystem ist sehr genau beschrieben. Ein grosser Nervenring umgiebt den Mund, und schickt sechs Paar starke Nerven für die sechs Fusspaare aus; von den übrigen feineren Nerven, welche aus dem grossen Nervenringe hervortreten, zeichnet sich das unge- mein lange Sehnervenpaar aus, auch sind drei Nervenbündel merkwürdig, welche als drei verschiedene, hintereinander lie- gende Commissuren am hinteren Bogen des Nervenringes her- überlaufen,. Vom hinteren Theile des Nervenringes läuft ein s r, aus zwei Bündeln vereinigter Nervenstrang herab, aus dessen hinterem Theile viele Nervenpaare hervortreten; weiter inten theilen sich die beiden Nervenbündel, und laufen nebeneinander zum Schwanzende herab, vor diesem schwellen beide zu einem Ganglion an, welches die benachbarten Theile mit Nervenfäden versieht, und zwei lange Fäden in den Schwanz- stachel hineinschickt. Die beiden zusammengesetzten Augen besitzen für jeden Kegel eine Cornea, ein Corpus vitreum, eine Pigmentschicht und einen Nervenfaden, während die einfachen Augen, deren der Verf. nur 2 annimmt, nur eine Cornea und einen von Pigment umgebenen Nervenbulbus enthalten. Kine vollständige Beschreibung des Muskelsystems schliesst den ana- tomischen Theil dieser ausgezeichneten Abhandlung. Mit dem innern Baue der Evadne Nordmanni, eines neuen Entomostrakon, hat uns Lov&n bekannt gemacht *). Es ist darüber schon im Archiv Jahrg. 1836. p.) CIII. berichtet, Bemerkungen über den Häutungsprocess der Krebse und Krabben giebt Couch **). Duncane bestätigt die von Thompson nachgewiesene ‚Metamorphose mehrerer Krebsarten **). Nach Milne Ed- wards haben die Jungen von Limulus f), welche eben aus dem Eie schlüpfen wollen, im Allgemeinen mit den erwach- een *) Wiegmann’s Archiv. Ater Jahrg. I. p. 143. **) Ebend. p. 337. **) Liinstitut, 1838, p. 296. +) Ebend. p. 397. ccıv senen Thieren Aehnlichkeit, der Abdominaltheil des Thieres trägt jedoch nur ‘drei Paar Bauchplatten, und der Schwanz: stachel ist kurz. ae 1 j Aus Audouin’s Versuchen geht hervor *), dass die Lar- ven von Pyralis und Scarabaeus bis 6 Mal gefrieren können, ohne darunler zu leiden, und dass 17° R. Kälte keine einzige Raupe tödte. 9 ‘Leon Dufour stellte über Tridactylus variegatus Latr. einige anatomische Untersuchungen an **), aus denen hervor- geht, ‚dass diese Heuschrecke wenig entwickelte Speicheldrüsen und einen geraden Darmkanal besitzt. Bei den Libellulinen hat Ref. beobachtet ***), dass der Pe- nis und die Samenblase von der Mündung der Samen- Ausfüh- rungsgänge ganz getrennt hinter der Brust liegen, und vor dem Coitus durch Umbiegen des Hinterleibes nach der Brust hin mit Samenflüssigkeit gefüllt werden. Nach Doyere’s Untersuchungen +) macht der Dünn- darm der Tettigonia in den Wandungen des Magens mehrere Windungen, 'was die beiden Gallengefässe nachahmen. Ueber die weiblichen Geschlechtstheile der Tachinen machte Ref. einen Aufsatz bekannt ++), in welchem nachgewiesen wird, dass dort diese Organe nach zwei verschiedenen Typen angeordnet sind; in der einen Grappe ist die Vagina sehr lang und ge- wunden; sie lässt an ihrem hintersten Ende die Mündung der Samenkapsel und Eierleiter erkennen, bei. der zweiten Gruppe hat: die Scheide eine rundliche, kurze Gestalt, in deren Grunde gleichfalls Samenkapsel und Eileiter einmünden, die Weibchen der ersten Gruppe sind sämmtlich lebendig gebärende Thiere. Ueber das Stimmorgan von Sph. Atropos äussert Nord- mannn frf), dass das Geräusch durch die beiden Luftblasen des Hinterleibes hervorgebracht werde. Van der Hoeven untersuchte eine 204 Millimeter lange Sceolopendra (deren Vaterland unbekannt war), und machte darauf aufmerksam (*),. dass nicht ein jeder Ring Stigmata trüge, wie sich dies bei andern Scolopendern verfände, sondern dass die Stigmata hier auf dem 3ten, 5ten, 8ten, 10ten, 12ten, 44ten, 16ten, 48ten und 20ten Ringe angebracht waren. *) L’institut 4839. p. 110. **) Annales des sc. nat. T. IX. p. 321. ”*) Wiegmann’s Archiv. a. a. O. p. 375. +) L’inslitut. 1838. Nr. 257. p. 389., auch Ann. des sc. nat. T. XI. p. 81. ß j +r) Wiegmann’s Archiv, a. a. ©. p: 191. +++) D’institat. 1838. p. 351. De un (6) ai voor nalurlijke Geschiedenis en physiologie. door Van der Hoeven. 1838. cv Lord bestätigt im Allgemeinen die Beschreibung *), wel- ehe Strauss von’den Circulations-Organen der Scolopendra gegeben; hat; er weist ausserdem noch die Verbindung des Rückengefässes mit dem grossen Bauchgefässe nach, es ent- springen nämlich aus dem obern Ende des Herzens zwei grosse Gefässe, welche sich nach unten begeben und hier zu einem einzigen Stamme vereinigen; der Oesophagus nebst den beiden zurücklaufenden Nerven treten, milten durch‘ diese 'Gefäss- schlinge ‚hindurch. Aus den beiden oben erwähnten grossen Gelässen entspringen 2 Gefässe, welche zu den Muskeln der Masillen treten, das Bauchgeläss läuft, nach beiden Seiten kleine Gefässe abgebend, neben dem Bauchnervenstrange herab, und vertheilt sich hinter.dem letzten Nervenganglion in viele kleine Gelässe. Dieses Bauchgefäss soll die Veranlassung ge- geben haben, dass Treviranus' (vermischte Schriften Bd. 2. pag. 32.) und Newport (philosophical Transaet. 1834. Part. I.) der Scolopendra drei Bauch-Nervenstränge zugeschrieben ha- ben, auch möchte Lord das Band, welches Müller (Mek- el’s Archiv. 1828.) aus dem Scorpion beschrieben, für ein em Bauchgefäss-Systeme analoges Gefäss halten. ' Newport ergänzte Lord’s Untersuchungen .noch da- hin *), dass er die Fortsetzung des Rückengefässes verfolgte. Dasselbe giebt unmiltelbar hinter dem Gehirne zwei Seitenäste ab, und aus den beiden grossen, sich. nachher vereinigenden Seilengefässen entspringen zwei Gefässe, ‘welche sich nach vorne zu den Kauorganen und Fühlern begeben; aus dem hinteren Theile der beiden grossen Seitengefässe entspringt ein Ast, der als‘ der Anfang eines seitlichen Venenstammes zu be- trachten ist. Derselbe überzeugte sich auch, dass bei Scorpio afer und europaens ein Gefässsystem auf dem Hauptnervenstrange siege, welches früher als zum Nerven selbst gehörig ‚angese+ hen würde, Bei dem Scorpion geht das Herz aus dem Rük- kengefässe des Sehwanzes hervor, letzteres anastomosirt in je+ dem Schwanzgliede durch 2° Seitengefässe, mit. einem un- ter dem Haupt-Nervenstrange verborgen liegenden Subspinal- Läugsgefässe. Das Herz ist mit durch Klappen voneinander ennten Kammern versehen, und erstreckt sich bis zur Ba- sis des Cephalothorax, hier begiebt sich dasselbe plötzlich zum Oesophagus, und verzweigt sich alsdann nach vorne in ver- f #) London medical gazette. Part VI. Vol. I. pag. 892. Obser- ka on {he anatomy of the organs of cireulation in the Scolo- endra. *) Ebendas; On the anatomy of certain structures in myria- poda and arachnida, which have been thought to have belonged to the nervous system. 1.4 ecvi schiedene Aeste; ein Paar: dieser Aeste schlägt sich um den -Oesophagus herum, und vereinigt sich unter ihm, gerade hin- ter dem grossen Nervenganglion zu einer Art Sinus, von dem alsdann das grosse Bauchgefäss (Supraspinalgefäss) ausgeht, welches über die Bauchganglien herabläuft, sich allmählig ver- kleinert, und am letzten Schwanzganglion in zwei kleinen Ge- fässen endel; während seines Verlaufes vereinigt sich dieses Gefäss durch einen Ast, welcher vor und hinter jedem Gan- glion aus der unteren Fläche desselben entspringt, und zwi- schen den beiden Nervenfäden der Baucbganglien hindurch- geht, mit dem Subspinal-Längsgefässe. Unterhalb des ersten Bauchganglions tritt aus dem Supraspinalgefäss ein sich ver- zweigender Ast hervor; aus dem Subspinalgefässe entsprin- gen unterhalb der drei ersten Bauchganglien drei Gelässe, welche sich nach beiden Seiten zu den Athemsäcken begeben: Newport ist geneigt, das’Subspinalgefäss wegen seines eigen- ihümlichen Verhaltens zu den Athemsäcken, für einen Venen- stamm anzusehen, und: das Supraspinalgefäss, wegen seines Ur- sprungs aus dem Herzen und wegeu seines Verlaufs für einen Aortenstamm zu betrachten. Das erfrischte Blut wird durch 4 Gefässe, welche aus den kleinen Gefässverzweigungen der Athemsäcke hervorgehen, und ‚sich nach dem Herzen begeben, zu diesem zurückgeführt. Ein analoges Subspinalgefäss besitzen auch die Lepidoptera, auch habe Duges ein ähnliches Ge- fäss bei den Blutegeln nachgewiesen, durch welche Thatsa- chen Newport zu beweisen sucht, dass diese Organe der Myriapoden und Anneliden wirklich zum Gefässszstenie gehö- ren, und nicht, wie Grant meint, als motorische Portion des Nervensystems zu betrachten seien: X Lambotte beschreibt den Giftapparat von Theridion (Aranea guttata Ros.) *). Die birnförmige Giftdrüse liegt in der Rückenhöhle, und ist mit einer fibrösen äussern ‚Schicht umgeben, welche kremasterartig zu wirken seheint. Van Beneden giebt eine Anatomie der Argonaula **), und neigt sich ebenfalls zu der Meinung, dass dies Thier, wel- ches die Schaale ausbessere, zu der Schaale gehöre, wie an den vor ihm liegenden Schaalen der Argonauta Argo zu sehen wäre. Derselbe stellte das Nervensystem sehr schön dar, und zeigt, dass die Nerven dieses Cephalopoden eine grosse Nei- gung zur Ganglionbildung haben. Das eingekapselte Gehirn zerfällt in drei Theile, eine über dem Oesophagus liegende *) L'institat. 1838.'No. 229. .p. 163. x »*) Nouveaux Memoirs de ’Academie royale des sciences et belles- lettres de Bruxelles. T. XI. 1838 ccvı Pörtion,' eine unter demselben liegende undveine Seitenpor- tion, ‘welche die Kommunikation der beiden vorigen Portio- nen vermittelt. ‘Die erste Portion giebt sechs Nerven für die ‘Mundhöhle ab, ‘welche aus einer vorderen Abtheilung entsprin- gen; nach hinten giebt ‘diese Portion zwei Nerven für den Natken ab; die zweite, unter dem Oesophagus liegende Por- tion lässt sich in drei Abtheilungen unterscheiden. Aus ‘der Rn Abtheilung entspringen die acht grossen Nerven für die Füsse. Ueber dieser ersten grossen Abtheilung liegt eine zweite Abtheilung, ein anscheinend für sich‘ bestehendes Ganglion; aus der dritten grossen Abtheilung treten. 'die Gehörorgane, ga weiter nach hinten die Bronchialnerven hervor. ‘Aus der . entspringen die Sehnerven, welche zu einem grossen Ganglion anschwellen. In den Füssen besteht der Ner- venstrang aus zweierlei Nerven: 1) der eine Nerv ist mit vie- len Ganglien-Anschwellungen versehen, 2) der andere besitzt eylindrische Fasern; letzterer kommt direkt vom Gelirne her, erslerer scheint ein System für sich zu bilden, beginnt mit ‚dem ersten Saugnapf, und verliert sich: allmählig wie.die Saug- fe. Vom ersten’ Ganglion eines jeden Fusses geht ein ver- ‘bindender Nervenfaden zu dem ersten Ganglion des‘ benach- barten Fusses. „Von jedem Ganglion verzweigen sich’ mehrere Fäden für die zunächst liegenden Näpfe. Zu diesem eben 'be- schriebenen Nervensysteme bildet ein anderes Nervensystem {stomato-gastrique) den Gegensatz; es besteht aus’ zwei‘'gros- sen Ganglien, von welchen das eine’ unter der Mundhöhle,’ das andere auf dem Magen liegt,.beide sind: durch einen’ doppelten Nervenstrang vereinigt; das‘ erste 'Ganglion steht durch zwei Commissuren mit dem Gehirn in Verbindung. Alle untersuch- wieikähleidnen waren Weibchen, deren Eierstöcke eine: trau- benförmige Gestalt hatten; die beiden Oviducte enthielten Eier, in deren Innerem man ein sehr langes, vielfach 'gewundenes Gefäss erkannte. Muoıh lu. DIR "s Charlesworth *) zeigt an einer Reihe von Gehäusen des Papier-Nautilus, welche gut ausgebessert waren, dassı das Thier, welches’ das Gehäuse reparire, auch im Stande wäre, dasselbe anzufertigen. Leclencher *°) beschreibt das Schwim- en des Papier-Nautilus.. Owen giebt die Beschreibung eini- ger neuen lehaloundin u), "Von Clione borealis hat Eschricht eine ausgezeichnete jarit # A; | „ *) L’institut, 1838. p. 312. **) Ebend. p. 393. #9) Transäctions of the zoological society /of London. II. p. 2. 1838, p. 103. Auch Isis. 1838. p. 831. Müller's Archiv. 1840, o CeyH Beschreibung geliefert *), Die; schöne rothe Farbe’ dieses 'Pte- ropoden rührt von einer Menge in der Haut verborgener Pig- mentsäckchen her, ‚welche auf der Oberfläche des T'hiers aus- münden. . Die Haut ist mit eigenen Queermuskeln und Nerven versehen, von den letzteren fallen besonders zwei. Nerven ins Auge, ‘welche aus: den Achselhöhlen hervortreien. . Von den Muskeln: zeichnet sich am Hinterleibe ein museulöser Sack aus; der sieh nach dem Halse und Kopfe hin in verschiedene Muskelbündel auflöst; diese lassen zu beiden Seiten einen gros- sen Raum frei, aus dem die Flossen. oder Flügel hervortreten; die beiden Flügel, aus einem ungemein starken Muskelapparat enistehend, verbinden sich durch ein breites Queerband, wel- ches sich durch das Thier hindurch erstreckt. Der Schlund- ring des Nervensystems besteht. aus acht grossen und zwei kleinen Knoten. Von. dem vorderen Ganglienknoten werden alle Theile des Kopfes und die Augen mit Nerven versehen, von den seitlichen Paaren vorzüglich die Flossen, und von den hinteren Paaren der ganze Hinterleib, Die in der Tiefe der Nackengrube verborgenen beiden Augen haben die Form eines etwas gebogenen Cylinders mit kugeligen Endflächen; es lassen sich an den Augen die Hornhaut, die Linse und eine schwarze Pigmentschicht unterscheiden; jedes Auge erhält zwei Nerven, von denen .der eine zu einem kleinen Ganglion an- schwillt, ehe er zum Auge selbst: tritt. Ausser ‚den beiden Fühlern besitzt das Thier noclı ‚sechs kugelförmige :Fleisch- tentakel, welche mit einer zahllosen Menge Saugplatten besetzt sind, so dass Eschricht glaubt, 'diese Fleischtentakel könn- ten zum Forikriechen und Ansaugen. auf dem Meeresgrunde dienen. In der Mundhöhle befindet sich zu jeder Seite ein grosses rundes Loch, in welchem Bündel von ohngefähr 30 spitzen Haken als Seitenzähne verborgen liegen, in der Mittellinie der Mundhöhle befindet sich eine dicke, zungenför- mige Hervorragung- Auf die Mundhöhle folgt ein sehr mus- eulöser Schlundkopf, welcher seine Nerven aus zwei Gan- glien erhält, die der hinteren Fläche ansitzen, und mit den vorderen Ganglien des Schlundringes, und unter sich durch stärke Verbindungszweige verbunden sind. Die dünnen Aus führungsgänge der Speicheldrüsen, welche als einfache blinde Röhren sich längs der Speiseröhre bis zur Leber herab er- strecken, münden dicht über den vorhin erwähnten. beiden "Ganglien, neben der Zunge in die Mundhöhle ein. Die Spei- seröhre geht in einen sehr geräumigen Magen über, welcher ‘*). Anatomische Untersuchungen über die Clione borealis.. 'Copen- hagen, 1838. ü 4.8 CCcK in der Leber durchaus eingebettet liegt. Die Leber besteht aus einer Menge Acini, die eine blinde: Höhle enthalten ; die Ma- genhöhle ist überall von grossen Oeflaungen besetzt, “welche in die eben erwähnten blinden Höhlen führen. Der Darm verläuft als einfache Röhre bis zur rechten Flosse, wo er hin- ter derselben in den After einmündet. Der Eierstock liegt dieht an der‘ Leber nach dem Rücken hin, der grosse Hode hingegen nach der Bauchfläche zugewencet. Ersterer hat an frischen Thieren eine blassröthliche Farbe, und mündet mit einem sehr stark gewundenen Ausführungsgange in die dem Hoden anliegende Blase, nachdem derselbe vorher blasenförmig angeschwollen war. Der Zusammenhang des Hodens, welcher den grössten Theil der Leibeshöhle einnimmt, mit der ihm an- liegenden Blase, liess sich an den Weingeistexemplaren selır schwer darthun. Der gemeinschaftliche Ausführungsgang des Eierstocks, der Blase und des Hodens ist nur kurz und dick, und mündet dicht hinter der rechten Flosse aus. "Cuvier nahm eine andere längliche, in der Tiefe zwischen der rechten Flosse, dem Kopfe und dem rechten Seitenlappen‘ des Hals- Ken gelegene Oeffnung für die gemeinschaftliche Geschlechts- nung an; diese Oeflinung führt aber durch einen ‘kurzen Gang zu einer rothen Blase und einer langen, verschlungenen Blindröhre, welche beide Organe einen grossen Theil der Kopf- höhle ausfüllen. Eschricht nimmt nicht Anstand, diese Blind- röhre, ‘welche zuweilen sehr weit aus dem Thiere hervorge- treten war, als Ruthe zu betrachten. Die zwei dreieckigen Sellaarpei des Halskragens schliessen ‘einen Raum ein, der mit Zotten besetzt ist und für Kiemen'angeschen werden könn- ten. Das von einem Herzbeutel umgebene Herz liegt an der rechten Seite des hintersten Endes der Leibeshöhle; aus der Spitze desselben entspringt ein starkes Gefäss, welches an die Leber und die inneren Geschlechtstheile Zweige schickt, dar- auf nach vorne steigt und an die Theile des Halses und an die Flossen Zweige verschickt, so dass dieses Gefäss für die Aorta erklärt werden dürfte. Das Herz ist verhältnissmässig diekwandig, und zeigt an seiner inneren Wand das gewöhn- ‚Muskelfasergellecht. Es finden sich im Hinterleibe noch vier Höhlen, welche aber einer genaueren Untersuchung an frischen Exemplaren bedürfen, den einen Sack, in welchem Eschricht bei einigen Individuen eine Flüssigkeit mit kalki- gen Conerementen vorgefunden, nannte derselbe Marnsack. ‚Von einem anderen Pleropoden, dem Pneumodermon vio- laceum, gab Van Beneden in diesem Archive °) eine anato- u Dieses Archiv. 1838. p. 296,, auch Ann. des sc. nat. T. IX. p- 191, o* CH mische' Beschreibung, welche: sich besonders auf das ing system; und den Verdauungs-Apparat bezieht. Ueber \.die' Entwiekelung ' von:Limax agrestis theilen Yılm Beneden und Win dischmann merkwürdige Beobachtüngen mit *). « Es. ist darüber Eclien im Agukir 1838. p. CXCII. berichtet!» Eine genaue Abkiomie von ie glutinosus hat: Yan Beneden *) gegeben, und das Nervensystem: dieser Schnecke genau beschrieben. Pouchet beschreibt die Veränderungen des: Dotters ***), welche bei der Sakielelung von Lymnaeus- Eiern’ vor sich 'gehen. ‘Ref. hat in diesem Archive bei verschiedenen Bivalven ein eigenthümliches, mit :Nervenfäden versehenes paariges Organ beschrieben +), welches aus einem in’ einer Kapsel eingeschlos- senen, und von einer Feuchtigkeit umgebenen‘ glashellen und beweglichen Kugel besteht. Es dürften diese: Arge höchst wahrscheinlich Sinneswerkzeuge sein; ein‘ ähnliches‘ Organ, welches von Eydoux und Souleyet' hinter den: Augen’ eini- ger Pteropoden und, Gasterpoden entdeckt wurde, wird von diesen für ein Gehörorgan angesehen +7); Garner liefert einen Aufsatz ‚über die , Anatomie ‘der Schalthiere mit: Blattkie- men if): Derselbe hat viele verschiedene, in diese Ordnung gehörige Mollusken untersucht, und in’ Bezug auf: das Nerven- system‘ eine grosse Uebereinstimmung angelroffen. Ist ein Fuss vorhanden, so finden; sich drei Nervenganglien, fehlt der Fuss, so sind’ nur zwei Paar Ganglien vorhanden. Ueber künstliche Erzeugung der Perlen {heilt Waltl seine missgeglückten Ver- suche mit (*). Gray macht über Wachsthum, Färbung. und Siruetur. der, Schneckengehäuse folgende Bemerkungen (9°): Die Schale wird von der Schnecke aus dem Rande des Man- tels ‚secernirt;, die schönen und; mannvigfaltigen Farben. und Zeichnungen. der Gehäuse rühren von einer Menge von Drüsen her, welehe den‘ Färbestof! absondern, und welche am’ br *) Bulletins de l’Academie royale de Beszallen Ey Ne. 8. pag: 286.. auch Ann. des sc. nat. T. IX. p. 366 °*) Nouv. M&moires de l’Acad. roy. des sciences de Brunel, T. Xl1. 1838. ”*>) institut. 41838, P, 2a auch Ann. d, sc, nab T. x. pP 63, auch Fror. neue Not. No. 138, i 36) Dieses Archiv. 1838. p. 49., auch Ann. des sc. nat. T. X, p- 319 ++) L’institut. 1838; p. 376., auch Fror. neue Not. No. 4m. +7) Isis. 1838. p. 820. (*) Ebend. p. 384. (@*) London medical: Gazette, Part V. 4837 —38.! Vol 1. Pag. 830. if 1 ccxI telrande herumsitzen. : Wenn: diese Drüsen ununterbrochen ab- sondern, so entstehen bandförmige Zeichnungen auf dem :Ge- häuse. wenn sie mit Unterbrechung absondern, so giebt es Nleckigte Zeichnungen, und auf ähnliche Weise lassen sich die übrigen: Arten der Färbung und Zeichnung erklären.‘ Bei ge- nauerer Betrachtung der Structur der Schalen erkennt man, dass die Masse derselben nicht in parallelen ‘Schichten abge- setzt ist, was die Stärke der Schalen um vieles vermahrt: "Einige Schaalen besitzen einen häutigen Ueberzug, welcher dem Peritonäum. analog als Periostraeum betrachtet werden könnte. | 5 # ‚Die Ordnung Gasteropoda findet sich von Rymer:Jones für Todd’s Encyelopädie bearbeitet *). } = Nach Milne Edward’s Untersuchungen: **) :haben ausser Aphrodite aculeata noch viele andere Anneliden kein rothes Blut. : Immer roth ist das Blut ‘bei Eunice, Euphrosine, Nereis und Nephtys, ferner bei den Glyceren, Oenonen, Hermellen, Terebellen, Serpulen; Arenicolen, Tumbricen' und.'den meisten Hirudinen; farblos ‚oder gelblich hingegen: zeigt: es: sich bei Polyno&, Sigolion und .Phyllodoce., Eine grosse Species: von Sabella hat ein schön grünes Blut, ebenso eine neue Art von Siphonostoma, Ein planarienartiger Schmarotzer von Terebra: tula marginata Bl. soll rothes Blut''haben. "Das ‚Gefässsystem der Anneliden varürt, bald sind wahre Herzen (eine: Menge von eontractiler Bulbi) vorhanden, bald wird der Impuls’ von einem Kapillargefässnetz aus 'bewirkt, wobei die Funktion der Gefässe wechselt, indem dieselben bald Venen, bald: Arterien darstellen. Im Allgemeinen lassen sich zwei Systeme unter: scheiden, ein Rücken- und ein Bauchgefässsystem. Jedes die: ser Systeme hat einen gepaarten Hauptstamm;. doch ist bei "einigen Anneliden dieser gepäarte Hauptstamm zum Theil oder Bee Bar: unpaarig und :median. : Der‘.Kreislauf geht'vom ngelässe aus vom hinten nach vorne, im: Bauchgefässe dagegen umgekehrt, wobei einzelne Stellen des Gefässsystems als Herzen fungiren. Bei den Terebellen verrichten die Kie- mengefässe zugleich die Function von Aortenherzen, während m vorderen Theile des Körpers ein dickes, kurzes, contracli- Gefäss als Pulmonalherz wirkt, und das Bauchgelässsystem ‚arlerielles Blut führt. In Arenicola tritt das Blut aus den zur Seite des Magens gelegenen- contraelilen Behältern zu den Kie- men, und diese treiben das Arlerienblut in das Rückengefäss- system. Die Nereiden besitzen nur ein einfaches Rückengefäss *) The Cyelopaedie of anatomy and physiologie.: Vol, IL p: 377. *") L’institut, No. 248, p. 313., auch en neue Not, No. 163. cckU als Aorta. Eunice besitzt mehrere hundert contractile Bläs- chen zu beiden‘ Seiten des Bauchgefässes, welche als Kiemen- arterien betrachtet werden können, ‚und zugleich als eben so viele Lungenherzen wirken. Die sogenannten Kiemen der Ne- reiden erhalten kein Blut, dagegen existirt an der Basis der Füsse ein: starkes, oberflächliches Gefässnetz, welches die Stelle der Kiemen vertreten dürfte. Bei den Hermellen sind die un- ter dem Namen Cirrhen bekannten Anhänge der Füsse wirk- liche Kiemen. © i wi ' Von'Grube:‘'sind veschiedene ‘Anneliden‘ anatomisch un- tersucht worden *): 1) Arenicola piscatorum besitzt, einen fast ganz geräden Darmkanal, zwischen. dem 4ten und öten Borsteubündel mündet in dem hier etwas verengten Darmka-+ nal jederseits eine längliche ‘gelbe ‚Blase ein, vielleicht dient die von ihr abgesonderte: Flüssigkeit zur Beförderung, der Ver- dauung. Auf der Innenfläche des Darms bemerkt man eine Menge: kleiner Säckchen, welche in’ ‚die Höhle ides Darms hin- einragen, und: vielleicht Darmzotten: sind.‘ Die hinter -den obern Borstenbündeln ‚liegenden Kiemenbüschel, deren 13 Paare vorhanden sind; erhalten eine Arterie, die unteren Kiemenar- terien sind sämmtlich Aeste. eines Bauchgefässstammes, die obe- ren hingegen enstehen aus vier. Stämmen; die sechs vorderen Paare aus zwei an .die untere Fläche des Darms gehefleten Längsgefässen, die 7 hinteren Paare‘ der oberen Kiemenadern kommen aus zwei Rückenstämmen, von denen der eine der Rüchenfläche des Darms angehört, und der andere das starke Rückengefäss bildet, An den Seitenflächen des Darms treten nach vorne zwei nene Gefässstämme auf, welche rechtwink- liche Zweige nach oben abserden, und durch einen grossen Blutbehälter mit dem Hauptbauchgefässe verbunden sind. Der Nervenstrang.. wird auf beiden Seiten von feinen Aederchen begleitet, welche “aus den zu‘den Borstenbündeln gehenden Aesten des Haupibauchgefässes entstehen.. Was die Riehlung des Blutstromes in dem Gefässsysteme der Arenicola betriflt, so bält Grube die Richtung im Vas dorsale und Vas ventrale inferius für durchaus umgekehrter Art, wobei das Hauptbauch- geläss als Vene, und das Rückengefäss als Arterie zu betrach- ten ist. Grube zählte sechs Paar an der Seitenwandung des Körpers gelegene, nach aussen mündende Säcke, in welchen er Eierchen entdeckte; die Eier scheinen aber in der Bauch- höhle zu entstehen, da sie Grube hier den Raum zwischen Darm und Muskelschicht ausfüllen sah, und jene vom 4ten *) Grube: Zur Anatomie und Physiologie der Kiemenwürmer. Königsberg. 1838. cecxXHt bis zehnten Borstenbündel ‘sich erstreckenden sechs Säcke dürften vielleicht die Hoden sein. ‘Am Hauptnervenstamme, der aus zwei durch eine elastische Scheide verbundenen Strän- gen besteht, sah Grube nirgends Ganglien; beide Stränge lau- fen vorne 'auseinander, um den sogenannten Schlundring zu bilden. 2) Terebella multisetosa Grub. stimmt in ihrem Baue sehr mit T. medusa Savign. überein. "Grube konnte die in dem Darm einmündenden zwei Blasen nicht auffinden. Die drei Kiemenpaare sind baumförmig. In der Nähe des Schlun- des steigt jederseits ein halbringförmiger Gefässbogen von un- ten über das Rückengefäss hinauf; beide Bogen vereinigen sich zu einem kurzen dicken Kanal, der sich in zwei Aeste spal- tet, aus denen hintereinander drei Gefässe für die Kiemen her- vorireten. Der aus zwei eng verbundenen Strängen beste= hende Hauptnervenstamm verhält sich wie bei Arenicola. Auch hier füllen eine Menge Eierchen den Raum zwischen Darm und Wandung des Körpers aus; diese Eier finden ihre Entstehung in 'einem flachen, auf den Bauchbinden aufliegenden, nach hin- tem zweischenkeligen Organe. "Als wahrscheinlich‘ befrach- tende Organe 1rifft man hier nur drei Paar nach aussen mün- dende Blasen an. 3) Sabella unispira besitzt vom achten Kör- persegment an einen spiralig gewundenen Darmkanal, welcher zugleich von der Anzahl der Körperringe entsprechenden Dis- sepimenten umfasst wird. Von der Basis des Ringkragens; welehen dieser Wurm besitzt, treten zwei prächtige lange Bü- schel als Kiemen hervor, an ‘deren Basis ein starkes Gefäss liegt, welches eine Reihe kammförmiger Zweige für die flim- mernden Kiemenfäden absehickt. Auf der inmeren Seite der Wandung des Körpers läuft jederseits ein ziekzacklörmiges Längsgefäss, welches aus jedem Winkel des Zickzacks einen Querast nach oben und unten abschickt; da wo diese Seiten- gelässe in die Kiemen übertreten, geht eine Vereinigung jener sefässe mit dem Hauptrückengefässe vor sich. Die beiden anz gelrennten Stränge des Hauptnerven sind in jedem Seg- ate durch einen doppelten Querast verbunden. Zu beiden Seiten des Schlundes bemerkt man zwei grosse, durch die Dis- sepimente eingeschnürte Säcke, welche im 8ten Körperringe bi ufhören, und vielleicht befruchtende Organe vorstellen. In Cirratulus Lamarckii ist der ganze innere Raum der höhle mit einer eigenen Membran ausgekleidet, welche eine Reihe von Fächern bilden, an diesen Scheidewänden liegt die Bildangsstätte der Eier. Auch Cirratulus hat einen spiral- förmig gewundenen Darm. Der Hauptnervenstamm verhält sich wie bei Sabella. 5) Bei Eunice Harrosii besitzt der Darın abwechselnd Erweiterungen ‘und Verengerungen. Aus einem deu Schlund umgebenden Gefässringe entstehen drei Längs- ECKIV stämme, die Aorta und die beiden Kiemenarterienstänme, diese treten mit einem von. der Vena cava hervorkommenden Aste zu den Kiemen, welche auf dem vierten Körperringe- beginnen. Der Hauptnervenstamm, aus zwei durch eine Scheide I!verbun- denen Schnüren .besteheud, zeigt. länglich runde ‚Anschwellun- gen; kurz nachdem die beiden Stränge sich 'getheilt haben; um den Schlundring zu bilden, werden sie noch: einmal: durch eine Brücke verbunden.‘ ‚Grube 'sah aus dem mittleren Theile des! Gehirnganglions zwei zum Schlunde laufende: Fäden, wel- che sich bald zu einem gemeinschaftlichen Knoten ‘vereinigen, sich dann wieder trenuen, um zu beiden Seiten. des; Oesopha+ gus herabzulaufen, , Ein. grosser "Theil der‘ ‚Fächer‘ war‘ ,mit- losen Eierchen. angefüllt , welche wahrscheinlich von weis+ sen gelappten, unterhalb der Basis der Borstenbüschel gelege- nen Körpern (Ovarien) ‚herrührten; ‚als männliche Geschlechts- organe lassen sich. vielleicht die länglichen Blasen. betrachten; welehe über den. Borstenstielen, seitlich an’ der. ‘Grenze. der Längsmuskelschicht des Rückens liegen; 6) Onuphis‘tubicola besitzt in. seinem. hintern: heile. zwei ’Rückengefässe;; welche am zehnten Ringe zusanımenzuslossen scheinen. -Das einfäche Bauchgefäss trägt an. der ‚Basis seiner Kiemenäste sehr 'ansehn- liche blasige. Erweiterungen... ‚Zu beiden Seiten: des; Darms sitzen nach! vorne. knospig aufgetriebene Körper ‚von kreide- weisser. Farbe, und sind dies vielleicht die Ovarien; die männ- lihcen Geschlechtsorgane. wie bei Eunice... 7) Bei der .Aphro- dite, hystrix mündet in dem gerade verlaufenden Darm eine doppelte Reihe von 21. bis 22. sehr /ansehnlicher blinder Säcke, welche mit: dem Alter sich in Lappen theilen; dass diese Säcke innere Kiemen seien, will Grube nicht zugeben. '; Mitten auf dem Darme verläuft ein Gefässstamm, welcher in jedem. Seg- mente ein Paar Zweige für die Warmanhänge und ‚Körpersei- ten abgiebl; auf der unleren Seite des Darms liegt ein ähnli- cher. Gefässstamm.- Der Hauptnervenstrang besteht ER @- wöhnlich aus zwei Slrängen, welche in eine breite ‘Schei eingeschlossen. sind, und. ‚sieh in jedem Segmente: ‚zu -einer länglichen Anschwellung verdicken. , Die Schenkel des Schlund- vringes ‚werden, bevor sie den Schlund umgeben, durch eine Brücke verbunden. Die Ovarien bilden sehr ansehnliche und zahlreiche Trauben, welche den Darm umgeben und'sich so- gleich tief in die Borstenbündel hineinerstrecken.. In anderen Individuen fand. Grube statt der Ovarien schlaucharlige und wie Hufeisen gekrümmte Organe, welche für die beftuchten- den Organe gehalten ‚werden konnten. 8) In Polynoe: squa- mata verhält sich, der. Nervenstrang wie bei Aphrodite, Der Magen ist an der Cardia, mit. zwei Kiefern bewallnet: Der ‚CCXV Darm: besitzt 16 einfache Anhänge. . Das Gefässsystem kömmt dem.der Aphrodite gleich. - ae! “ Dujardin giebt einige Beobachtungen über den Wasser- bär und .das Eichhorn *). ) Von’ Berthold wurde eine Anatomie des: Gordius aqua- tieus ‚gegeben *?). : Nach‘ seinen Untersuchungen besteht die Haut dieses Wurms aus zwei ‚Schichten. ‘von denen die äus: sere derbe und sehr elastisch: ist, ‘während die innere ein sehr in die Länge 'gezogenes maschiges Gewebe zeigt; unter. dieser Schieht!'befindet sich ein weisser, 'sehr dicker Muskelcylinder; in welchem die Längenfasern gegen ‘die Cirkelfasern sehr'vor- walten; für Nervenstränge hält Berthold zwei zarte, unter dem Darmkanale parallel nebeneinander laufende Fädchen; zwei in der Bauchbinde verlaufende dünne und dunkelgefärbte Fäd- chen sind ihm Vene und Arterie. Den Mund fand Berthold nicht im Centrum, sondern: ein wenig nach unten auf dem nicht ‚gegabelten Körperende. Der Darm erscheint als ein fei- ner, vom Mund bis After‘ spiralförmig verlaufender- Kanal, er liegt an der Bauchseite der Leibeswand, und ist mittelst eines zarten’ Fadengewebes mit der inneren Fläche derselben: ver- bunden; nach hinten endet der Darm in eine ganz kurze, die Mündung der weiblichen Geschlechtstheile mit aufnehmende Kloake. Als männliches Geschlechtsorgan: dürfte ein ‚langer Kanal zu betrachten: sein; welcher am Darme 'herabläuft und in das Ende der weiblichen Geschlechtsröhren ausmündet. Die weiblichen Geschleelitsorgane sind sehr entwickelt, und :beste- hen aus zwei längs des ganzen Leibes verlaufenden, weiten Röhren. : Beide Röhren vereinigen sich‘ vor dem After zu ei- nem gemeinschaftlichen Kanale; die innere Fläche .dieser-Röh- ‚ren. bestelit aus einem spinnenwebearligen Mäschengewebe. Die weissen Eier sind vollkommen rund, besitzen äusserlich eine zarte Haut, und enthalten: eine sehr. feinkörnige Dottermasse, ; 05 Veber die Begattung :des ‚Blutegels und: über das Legen der Blutegeleier theilt Charpentier veinige -Beobachtun- gen mit *'”). isn ur Rudolph Wagner untersuchte zwei ‚weibliche -Indivi- duen von Filaria medinensis, und’ fand in ihrem Leibe eine 4 le weisse Röhre, welche sehr zarte Fäden, wahrscheinlich die Brut der Thiere, enthielt 7). Nach Morrenff) besteht der ei Cr von Ascaris Jumbricoides aus Queerfibern, die *) Ann. des sc. nat. T..X. p. 181. Kor **) Götlingische gelehrte Anzeigen, 130. 131. ***) L’institat. 1838. p. 261. 7) De Filaria medinensi commentatio. Auctore Birkmeyer.. Aun. des sc, nat, T. IX. p. 314. ui CcXVvI Wände (des Magens hingegen aus einem Netze kreisförmiger kernloser Zellen. Die beiden weisslichen Bänder; welche'an der inmeren Wand der Cutis herablaufen, hält Morren für Leber und Gefässsystem, die birnförmigen Bläschen, ‘welche auf der inneren Fläche ‚der Cutis aufsitzen, erklärt‘ derselbe für die Respirationsorgane. Ref. beschrieb zwei geschleehts- lese Nematoideen *), von denen die eine Art bisher als Filaria piscium bekannt war. Dieselbe lebt in eigenthümlichen Schläu- chen,’ welche ‘in der: Leber des Dorsch sehr häufig angetroffen werden.‘ Die andere Nematoidee ist ein mikröskopischer, der Trichina’ spiralis verwandter Wurm, der in’ kleinen Hydatiden verborgen steckt: "Diese ‚Hydatiden liegen: unter dem Perito- näum: verschiedener 'Säugethiere und Vögel, »Miescher be schreibt! das Mdnostomum Fab& Brems. alsı einen neuen Schma- rotzer'**),! welchen: derselbe bei Fringilla 'spinus, canariensis und) domestica' inhäutigeny unter"der: Haut: gelegenen Bälgen stels('paarweise (angetroffen hatte. -»Derselbe deutet die inneren Organe des:Wurms richtiger als Schmalz, welcher das ganze Thier umgekelirt betrachtet’ halte. ‘Die beiden aneinander 'lie- genden’ Thiere wurden fast‘ immer: in der Copulation;' welche zuweilen sogar gegenseilig‘ war, angetroffen. Ueber Axine Be lones'theiltCreplin einige "Beobachtungen mit **), durch welche mehrere von Diesing begangene Irrthümer beriehtigt werden. Platner: hat bei Taenia solium in den einzelnen Gliedern 'gefässartige Lähgen- und Querkanäle aufgefunden 7), welche mit. Klappen versehen sind, und für den Darmkanal des Wurms angesehen werden können. ' Die Gattungen Echi- norrhynchus und Echinococeus sind von Creplin bearbeitet worden ff). Die Jungen ‘der Medusa aurita beschrieb Ref. 777), und beobachtete an denselben eine Art Metamorphose, indem sie von dem ersten, leucophrysartigen Zustand in einen zweiten, polypenartigen übergingen, wobei sie festsitzend wurden, und acht‘ sehr contractile Arme: erhielten.‘ Eine Uebersicht über den anatomischen Bau der Schirmquallen gab Brandt (*): Bennet untersuchte Physalia pelagica, und konnte an dem Laftsacke derselben keine Oeffnung finden (**). eu ru '*) Wiegmann’s Archiv. 1838. I. p. 302, ) j ©» **)-Beschreib. u. Untersuch. des Monostoma bijugum.. Basel. 1838; **°) Fror. neue Not, Bd. VII. p. 83. \ 7) Dieses Archiv. 1838. p. 572. Tr) Eneyelop. von Ersch u. Grube. Tb,30. 1838. p:373.u.368. {rTr) Fror. neue Not. No. 166. (*) Memoires de l’acad. des sciences de St. Pötersbourg. VIme Serie,‘ T. 4me. 1838. (**) Diinstitut, 1838. p. 279. , ed ccXvu Ueber die: knospenförmigen Körper und ‚wurmförmigen Faden der Aktinien sind von Tieale Untersuchungen angestellt worden *); die knospenarligen Körper sind etwa 200 an:der Zahl, von welchen: ein jeder aus mehreren horizontalen Falten und Säunien zusammengesetzt ist. Diese Falten hüllen die-Knos- pen ein, «Die wurmförmigen Filamente sind durch ein zartes Gekröse an den innern Rand jedes knospentragenden Körpers befestigt. . ‚Sie ‚bestehen aus zahlreichen Windungen: von milch- weisser Farbe; wälırend des Lebens zeigen sie eine wurmartige Bewegung, selbst wenn sie aus dem TFhiere fortgenommen wer: den. « Teale vermuthet, dass ‘diese: wurmförmigen: Filamente salivarische, pankreatische oder hepatische Drüsen vorstellen.» Gervais liefert eine Arbeit über'Süsswässerpolypen.*%)% Die: Eier dieser Thiere. werden'nach 'Gerväis’ Beobachtung, bevor sie reif sind, in den gemeinschaftlichen Sack gelegt, ‘und haben dann weder einen Wulst; noeh Stacheln und Haken..: 'i »Nach"Milne Edward’s sind die Polypen der Tubalipo+ _ rem 'mit!Maul'und After’verschen, besitzen Cilien anı den Ten- takeln, aber kein Operculum wie ‚Eschara' und Flusträ "t); Derselbe: theilte auch Bemerkungen über (die Bildung ‚der Po-+ Iypenstöcke mit. : Ehrenberg hält die am vorderen‘ Körper: theile der Armpolypen sich ausbildenden Knollen für die männ+ lichen Sexualorganef), welche im Innern bewegliche geschwänzte Körperchen (Spermatozoen) erkennen lassen, die weiblichen Geschlechtstheile entwickeln sich mehr nach hinten; nach Eh- renberg giebt es scheinbar rein männliche, «und scheinbar rein weibliche Hydren. ß | - 'Dujardin macht mehrere Beobachtungen über Volvox vegetans und andere Infusorien bekannt FF), und tritt‘gegen Ehrenberg auf, indem er zeigt 7), dass die Infusorien nicht in der Art organisirt, und besonders nicht mit vielen Mägen begabt sein, wie Ehrenberg behaupte. Peltier macht eine neue Art von Floscularia bekannt (*). . Eine sehr wichtige Abhandlung lieferte Ehrenberg über die mikroskopischen Polythalamien **), aus welchen wahrschein- + Bs% i | { i 6 °) Fror. neue Not. N. 158. *°) L’institut. 1838, No. 258. p. 398.. .."*) Ebend. p. 75, diem | ) A ellıgen aus den Verhandlungen. der Gesellschaft natur; ender Freunde zu Berlin. 1838, p. 14. Tr) Ann. des sc. nat, T. X. p. 13., p. 17., p. 175. (*) Ebend. p. 41. (@) Abhändlungen der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlio, aus dem Jahre 1838, gedruckt 1839. p. 59. = COXVIN lich‘ sämmtliche europäische Kreidefelsen bestehen.: Die Thiere, welche die Kalkgehäuse bewohnen, rechnet Ehrenberg, da er ‘acht Fühlfäden an ihnen entdeckte, zu den’ gepanzerten Bryozoen, welche mit einfach sackförmigem Ernährungskanale versehen’ sind, und’ sich wahrscheinlich durch Eibildung fort- pflanzen. : Die Panzer-Infusorien, welche derselbe in den Zel- len von Sorites orbiculus gefunden, dürften vielleicht: von den Thieren verschluckt: worden sein; eigenthümliche kugelförmige Körper, welche in anderen: Zellen enthalten waren, werden für die Eier der :Thiere erklärt. Die Meeresdünen vieler Kü- sten bauen sich durch die jetzt lebenden Bryozoen noch fort; welche Sandkörnchen ähnlich, aber: doch meist grösser als; die ausgestorbenen Kreidethierchen sind. BEER SE Unter allen Arbeiten, welche im Jahre 1838: über ‘die wir- bellosen Thiere erschienen 'sind, steht das grosse, ausgezeich- nete Werk Ehrenberg?s über (die Infusorien als das wich- tigste obenan *). Die Masse des Neuen in diesem Werke ist so“ gross und reichhaltig, dass Ref. in Verlegenheit geräth,'einen gedrängten Berichtüber das allgemein Physiologische ‚und Ana: tomische ‚daraus zu!erstatten. Zuerst führt Ehrenberg 21:Ei! genschaften auf, welche bisher den Infusorien angedichtet wur: den, von denen nur wenige dieser höchst: wunderbaren Eigen: . schaften schon früher als ungegründet erwiesen ‘wurden. ı Da- gegen stellte derselbe 30 andere, durch-Beobachtung bestätigte Eigenschaften und Verhältnisse der Infusorien fest, von denen folgende als besonders interessant ‘hervorzuheben sind. » “Alle Infusorien sind organisirte Thiere. Die meisten Infusorien, ‘so wie die Organisation aller sind dem blössen ‘Auge unsichtbar; sie färben durch ihre zahllosen Mengen ausgedehnte Wasser- massen, ‘und können eine Art Meeresleuchten erzeugen;: sie bilden durch dicht 'gedrängte Massen eine Art der Dammerde; sie bilden die -Hauptzahl, vielleicht «die Hauptmasse «der thieri- schen belebten Organismen auf: der Erde.‘ Bei ihnen ist: die grösste bis jetzt bekannte zeugende Kraft zu‘ finden, wodurch die'Möglichkeit: zur Vervielfältigung ausserordentlicherhöht ist; auch Knospenpaarung kommt bei den Spindelthierchen noch hinzu. Viele Infusorien bilden durch ihre unzerstörbaren Kie- selschaalen Erden- und Felsmassen;' sie sind, so: weit: die Beob- achtung reicht, schlaflos, und zerfliessen .theilweise beim Eier- legen, wobei sie passiv mannigfach die Form'verändern. Sie bilden unsichtbare Eingeweidewürmer vieler Thiere uud’ des Menschen. Sie besitzen selbst Läuse und Eingeweidewürmer, und ihre Läuse haben wiederum erkennbare Läuse. .... *) Die Infusions- Thierchen als vollkommene Organismen.‘ Leip- zig. 1838. » et, His CCXIX «Sie besitzen‘ ein verhälfnissmässig langes Leben, und mö- gen‘ oft: einen Winterschlaf durch‘ Trockniss aus Frost, ‘und einen Sommerschlaf dureh Trockniss aus Wärme: halten. "Viele kleinere Infusorien’ scheinen mit: dem Wasserdunsfe passiv. ge: hoben zu werden, und in der Atmosphäre lebend und unsichtbar schweben zu 'können. "Die Infusorien verzehren starke: Gifte oline raschen Nachtheil, ‘jedoch aber mit allmähligem ‚schädli- ‚ehien Einflusse." Sie ertragen hohe Hitze- und Kältegrade, und leben‘ mit und ohne Licht. Ehrenberg möchte (dem-Lin- n&’schen «Satze:' omnis »calx ‘e vermibus, noch hinzufügen: omnis silex, omne ferrum e vermibus. Die direkten bisheri- ‚gen: Beobachtungen für Generatio aequivoca (primitiva) erman- geln, wie es nun scheint; sämmtlich der: nöthigen' Schärfe. Die ‘wunderbare ‘stete Formveränderung mancher Infusorien hat sich auf ‚Grenzen und organische Gesetze zurückführen lassen. Die Kraft der Infusorien- Organisation ist durch einen starken Kauapparat dargethan, auch haben die Infusorien, wie ‚andere Thiere,; völlig deutliche Geistesfähigkeiten. ‚Durch die Infusorienbeobachtung ist man zu einer schärferen Begrifisbe- slimmung des Thieres gelangt, wonach sich alle Pflanzen und Mineralien durch Mangel der thierisch-organischen ‘Systeme scharf und streng scheiden lassen. Bei den Gattungen Monas, Vibrio, Bacterium und Bodo stösst man auf eine Unergründ- lichkeit der organischen.‘Schöpfung im kleinsten Raume, wie bei der :Milchstrasse, der Schöpfung; im grössten Raume. In den meisterhaften Beschreibungen‘ der einzelnen Familien, Gat- Aungen und Arten, sowie in den vortrefllichen Abbildungen, finden wir die Belege zu den Sätzen, welche eben ausgespro- chen‘ wurden. In der Klasse der Magenthiere, welche in 22 Familien zerfällt, ist noch nicht bei allen einzelnen Thierchen eine ‘vollkommene thierische Organisation direct beobachtet, allein 'in allen Familien sind einzelne, auch viele, 'oft ‘sogar älle Atten als mit'einer'sehr grossen Organisation begabt er- kannt worden. ‘Die beobachteten Mündungen des Speisekanals lassen ‘ein Vorne und Hinten, die beobachteten‘ Augen ‘ein Oben und Unten ausser Zweifel. Die Bewegungsorgane 'wer- den von äusseren Wimpern ‘und Haken 'gebildet,: auch kom- nen: Scheinfüsse, willkürliche Körperfortsätze (bei‘' Proteus) vor. ‚Einige Bacillarien sind, »wie ' Austern, wohl nicht ‘zur Bewegung geschaflen; bei: den ‚meisten 'ist der: polygastrische Darmkanal erkannt worden. Einen’doppelten Geschlechtsor- nismus willEhrenberg bei allen Individuen erkannt haben. die periodisch dicht gedrängten,’ meist farblosen, 'oft farbigen Körnchen, welche zuweilen netzartige Schnüre durch den gan- zen Kpeechiläeg, erklärt Ehrenberg. für die, weiblichen Geschlechtsorgane, Für die männlichen Geschlechtsorgane wer» CcXK den gewisse kugelförmige,, ‚eiförmige, stabförmige, ringförmige oder perlschnurförmige Körper und contractile, zuweilen’stern- artige Blasen erklärt! Nur-Monas vivipara wurde als allein le- bendig gebärend beobachtet, auch Selbsttheilungz Knospenbil- dung. und 'Knospenpaarung kommt: in:'dieser‘ Klasse ‚der Infu- sorien‘ vor, die: Monasstöcke entstehen ‚dureh ‚unvollkommene Teilung. Bei keiner ‚hieher gehörigen »Iufusorienform.ist-bis jetzt noch ein Gefässsystem beobachtet worden; dagegen sind bei.'vielen ‘Arten: Augen: und. bei. Amblyophyäa ‘und Euglena auch Nervenmarkganglien als «Unterlagen der: Augen :beobach- teb: worden. N ' «Die zweite Klasse der Infasorien enthält: die: Räderthiere, welche in ilirer Organisation sehr miteinander übereinstimmen, bei: den meisten lassen sich‘ deutliche innere Muskeln für ‘alle einzelne mannigfachen Bewegungen erkennen. Das‘ wichtigste Bewegungsorgan sind bei ihnen die in einem Kranze geordne- ten Wimpern, die sogenannten: Räderorgane; der Darm besitzt zuweilen einen abgeschnürten Magen und mehrere Blinddärme, eine grosse Mehrzahl der'Räderthiere ist hinter (dem Schlunde mit zwei: grossen, meist eiförmigen, selten cylindrischen,: dem - Pankreas vergleichbaren Drüsen versehen. Inden meisten: ist ein bald‘ längerer, bald kürzerer bandartiger ‚Eierstock. mit deutlichen Eiern zu erkennen, und sind zwei fadenärtige, und vorne keulenförmige Hoden zu sehen. Einige sind: periodisch lebendig gebärend, Knospenbildung und Selbsttheilen ‘kommt ziicht. vor. Als Gefässsystem: lassen sich parallele Queerkanäle ansehen, welche mit einzelnen Längskanälen in Verbindung stehen. Eigenthümliche,; in. zwei Reihen gestellte zitternde ovale Körperchen (bei Notommata und Conochilus) scheinen mit inneren -Kiemen vergleichbar zu sein. Eine Oeffnung im Nacken, welche bei sehr vielen Arten in eine oder zwei’sporn- artige Röhren verlängert, und mit'Wimpern versehen ist, könnte als Respirationsröhre dienen. Vorherrschend sind: 4, 2, 35 4, - selten mehr rothfarbige Augenpunkte als «Empfindungsorgane, denen ‚oft ein drüsiges Knöfchen (als Hirn oder Augenganglion) anhängt, auch sind noch andere Organe da, welche sich mit Nervenfäden oder Nervenganglien vergleichen. lassen. Nachträglich ist noch ‘hinzuzufügen, dass Treviranus mehrere Abbildungen 'hinterlassen ‚hat, :welche.sich ‚auf die or- ganischen Elemente der: wirbellosen Thiere beziehen *); auch sind zwei grössere Werke 1838 erschienen, in welchen der innere Bau der Arachniden, Crustaceen, ‘Anneliden 'und'ln- sekten: vielfältig-besprochen: wird, nämlich: hunag © ©) Beiträge zur Aufklärımg ‘der Erscheinungeu und! Gesetze des organischen Lebens. ' Bd. I;.Helt 4, URZIDE i9a F CCXXI 4) Lamarck: Histoire naturelle des animaux sans ver- tebres. T. V. deuxieme &dilion. 2) Lacordaire: Introduction & l’entomologie. T. I. - Ueber die neuern Leistungen der mikroskopischen Anato- mie wird ein besonderer Bericht im Jahrgang 1841 des Archivs geliefert, desgleichen ein Bericht über die Fortschritte der menschlichen Anatomie mehrere Jahre zugleich umfassen. Berichtigungen. Seite CXVIN. Zeile 17. von oben streiche und - CCAXU. - 3. von unten lies Harrassii statt Harrosii Verzeichniss der Schriftsteller, deren Werke oder Abhandlungen im Jahresberichte genannt werden. (Die arabischen Zahlen des Registers heziehen sich auf die römischen des Textes.) Alessandrini. 159. Cazalis. 137. Alison. 5. 119, Charlesworth. 207. ‚Allnatt. 116. Charpentier. 215, Audouin. 204, Chevalier. 96. 115. 158. Barry. 148. Chevreul. 113. j Bayard. 145. Claubry, Gaultier de. 97. Bazin. 198, Coathupe. 121. Bellingeri. 142. Colin. 121. Van Beneden. 206. 209. 210. Costa. 174. Bennet. 216. Couch. 203. Bergema. 98. Couerbe. 103. : Bergmann. 191. Creplin. 112. 216. Berthold. 215. Cruse. 140, Birkmeyer. 215. Cruveilbier. 141. Bischoff. 176. 179. Cuvier. 140. De Blainville. 194. J. Davy. 173. 174. Blake. 115. van Deen. 134. 135. Blandin. 14. 133. Denis. 113. , Bonillaud. 99. 141. « Donne. 112. 119. 124. 157; Brandt. 216. Dove. 75. Brants. 200. Doyere. 204, Brignoli. 127. Dufour, Leon. 204. Brown. 97. | Dajardin. 106. 215. 217. Budge. 138. i Dumas. 103. 124. Burdach. 103. Dumeril, 103. Cagniard Latour, 125. 126. Dumortier. 198, Cap. 124. Duncane. 203. Copitaine. 102, Dunglisson. 99. Carmichael. 153. Dutenhofer. 126. Carpenter. 127. Dutrochet. 97. Carson. 119. Duvernoy. 106. 159. 198. 201. Carus, 110, 134. M. Edwards, 111. 121,200. 203. Cattanei. 103. 211.:217. Caventou, 103. Ehrenberg. 217, 218; Müller’s Archiv, 1810, p CCXXIV Erdl. 166. Eschricht. 207. Eydoux. 210. Faraday. 101. Fechner. 70. 78. 82. Fischer, 142, Flourens. 140, Fremy. 102. 105. Garner. 210. Gassiot. 101. Gavarret. 99. Gay - Lussac. 105. Geody. 141. Geryais. 217. Goureau. 125. Grainger. 200. Granville. 99, Gray. 210. Griffin. 2. 36. 131. Grube. 212. Gulliver. 111. 115. Gutbrods. 118. Guyot. 137. M. Hall. 128. Hallmann, 173. Hamburger. 109, Hannover. 195. Heermann. 88. Heidenreich. 102. Heidler. 120. Henle. 84. 104. 158. 187. Henry. 124. 127. 158. Hentz. 187. Herberger. 156. Geoffroy St. Hilaire. 111. 142. _v. d. Hoeven. 186. 202. 204. Hollard. 172. Hooper. 120. Hopkinson. 186. Hueck. 52. 61. Hünefeld. 112. Hyrtl. 162. R. Jones. 200. 211. Wh. Jones. 143, 200. Koafll. 117. Kronenberg. 134. Lacordaire. 221. Lagrande. 122. Lamarck. 221. Lambotte 109. 199. 206. Laurent. 97. 197. Laymann, 136. Lecanu. 113. 124, Löclencher. 207. . Lee. 143. Letellier. 109. Leuret. 198. Lherminier, 191, 192. Linari. 102. Lolier. 125. Longet. 134. Lord. 205. Loven. 203. Macartney. 148. Magendie. 126. 133. Mandl. 96. 111. 145. Marchand. 103. Martius. 96. Matteuei. 101. Mayer. 109. Miescher. 216. Miguel. 128, Mile. 12. 24, Pr Mirbel. 97. Mitscherlich. 116. Morren. 127. 215. Moser. 96. Mulder, 102. 113. J. Müller. 165. 167. 172. 175.181, Nasse. 100. 106, 122. 129. 130. Naumann. 142. Nevermann. 118, 143, Newport. 205. Nordmann. 204, Orfila. 103, Osann, 71. Otto. 194, Owen, 111. 176. 193. 194.198.207. Pancoast, 186, Pappenheim 105. Paterson, 144. Pelletier. 96. 103, Peltier. 133, 217. Percy. 116. Peters. 189. Platner. 103. 189. 216, Pohlmann. 77. Poiseuille, 118. 133. Pouchet. 147. 210. Prevost. 109. H. Rainey. 125. Rameaux. 120. Rapp. 196. 197. Rathke. 153. 154. 175. | Reid. 137. van Reik. 98. Reinsch. 147. Remak. 139, Retzius. 175. Ribbentrop. 120. Ribes. 140. Rochoux. 141. Roget. 96. Romberg. 139. Rumpelt. 141. Sayigoy. 83. Schaafhausen. 97. Scheve, 141. Schlegel. 191. Schultz. 112. Serres. 152. 155. 156. Simon. 105. 114. 158. v. Siebold. 146. 204. 210. 216. Snellaert. 141. Souleyet. 210. Stannius. 168. 172, 173. Stanski. 138. Steifensand. 41. 119, 120, 122, Teale. 217 Theile. 196. COXXV Thomson. 104. 148, 200. Tourtual. 38, 47. Toussaint, Steenstra, 173, J. Town. 147. Treviranus. 160. 163. 166. 188, 198. 220. Turpin. 157. i Valentin. 98. 126, 146. Vergers, 106. Völckers .62. Vogt. 184. " Volkmann. 19. 34. 66. 150, van Vrise, 98. Vrolik. 98. R. Wagner. 95. 146. 173. 215. Waller. 119. Waltl. 210. Wasmann. 404. ' Waterton. 116. Wells. 116. Wetter. 97. Wiegmann. 113. 145; Will. 99. Windischmann. 210. Wian. 99. Yarrel. 101. 175. N on Fe Ueber die Lymphherzen der Schildkröten. Von J. MuELLeEr. (Gelesen in der Künigl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin - am 14. October 1839.) In seinen beiden ersten Mittheilungen über die Lymphherzen der Amphibien in Poggendorf’s Annalen, 1832 Augustheft, und in Philos. Transact. 1833 p. 1., handelte der Verfasser von der Existenz dieser Organe bei den Fröschen, Kröten, Salamandern und Eidechsen nach Beobachtungen an lebenden Tbieren. Die gegenwärtige Mittheilung betrifft die einzige Ordnung der Amphibien, in welcher sie bis jetzt noch unent- deckt geblieben sind, obgleich die Schildkröten unter den Am- phibien am häufigsten in Beziehung auf das Iymphatische Ge- fässsystem untersucht worden sind. Der Verfasser fand sie zuerst bei einer frisch untersuchten Landschildkröte unter dem hintern sehr vorsichtig abgenommenen Theil der Schale, ein wenig entfernt vom obern Ende des Darmbeins nach hinten. An denselben Stellen liegen sie bei den Flussschildkrölen, und der Verf. sah sie bei 2 lebenden Individuen der Emys euro- paea pulsiren. Kürzlich untersuchte er sie bei einer lebenden sehr grossen Seeschildkröte, Chelonia mydas, von 140 Pfund Gewicht. Die Lymphherzen sind bei den Seeschildkröten am Müllers Archiv 4540, 1 2 leichtesten zu finden, theils wegen ihrer sehr bedeutenden Grösse, theils wegen der geringen Entfernung des Darmbeins vom hintern Rand der Schale, was einen geringern Umfang der Verletzung erfordert. Man kann sich hier folgendermaassen orientiren. Die beiden Organe liegen unter dem hintersten grossen Medianschild der Schale. Theilt man die Mittellinie dieses Hornschildes in 3 gleiche Theile, und zieht durch diese Theilungspunkte Linien senkrecht auf die Mittellinie, so be- zeichnet die zweite Querlinie, welche das zweite und dritte Viertel von einander trennt, die Lage der beiden Lymphher- zen. Sie liegen nämlich in der Direction dieser Linie dicht unter der Knochenschale und nur von Zellgewebe und etwas Fett bedeckt. Die genannte Linie bezeichnet bloss ihre Ent- fernung vom hintern Ende der Schale. Ihre Lage wird noch weiter folgendermaassen bestimmt. Theilt man die bestimmte Querlinie des hintersten Medianschildes in 3 gleiche Theile, so bezeichnen die Theilungspunkte wieder genau die Lage der bei- den Herzen und ihre Entfernung von einander. Um sie bloss- zu legen braucht man nur jederseits ein viereckiges Stück aus dem hintersten Theil der Schale auszuschneiden, welches den genannten Punkt enthält und sehr vorsichtig abzulösen. Das Lymphherz liegt jederseits dicht hinter dem obern Ende des Darmbeins. Seine untere Wand ruht auf dem Ursprunge des Musculus semitendinosus und semimembranosus. Sein äusserer Rand grenzt an den innern Rand vom Ursprunge des Muscu- lus biceps, Das Organ ist unregelmässig rundlich, von oben nach unten etwas abgeplattet, und hat bei der Seeschildkröte von 140 Pfund einen Durchmesser von 4 Zoll. Vom äussern hintern Theil her nimmt es ein Fascikel sehr starker Lymphge- fässstämme von der Dicke einer Federspule auf, welche die Lymphe von der hintern Extremität beibringen; am hintern Theil treten Stränge ein, welche die Lymphe von der hintern Wand des Bauches zuführen. Das Organ zog sich regelmässig 3—4Mal in der Minute kräftig zusammen, beide Organe stimm- ten in ihren Bewegungen bisweilen überein, bisweilen nicht. 3 Als das eine Herz angeschnitten worden, floss bei jeder Con- traction eine grosse Menge Lymphe aus. Diese verhielt sich wie Froschlymphe, ihre Lymplıkörperchen sind 3—4 Mal klei- ner als der Längsdurchmesser der Blutkörperchen. Nachdem die Erscheinung der regelmässigen Contraction an Organen, welche die Grösse des Blutherzens vieler kleineren Wirbelthiere übertreffen, mehrere Stunden hintereinander und im Verlauf des Tages wiederholt beobachtet worden, wurde der Schildkröte der Kopf abgenommen, Die Bewegungen der Lymphherzen dauerten fort. An nächsten Tage schritt man zum Heraus- nehmen der Eingeweide, mit Ausnahme der mit dem Becken verbundenen Geschlechtstheile und Harnwerkzeuge. Die Schale wurde dann in der Quere getheilt. Am dem hintern Stück dauerten die Bewegungen der Lymphherzen im geschwächten Zustande noch lange fort, und wenn man mit einem Instry- ment die Hinterbeine drückte oder ritzte, so entstanden nicht bloss die gewöhnlichen Reflexbewegungen der änimalischen Muskeln; sondern das Lymphherz der entsprechenden Seite zog sich zusammen. Die innere Wand dieser Organe ist im Allgemeinen glatt, ohne durchsetzende Fortsätze. Die denLymph- gefässstämmen entsprechenden Löcher unterbrechen die Wan- dung vielfältig. An den Eintrittsstellen liegen Klappen, und das Herz lässtin keiner Weise seinen Inhalt nach den Lymphgefäss- stämmen zurück, sondern nur durch abführende Lymphgänge abgehen. An der innern Seite des Lymphherzens liegt eind Vene, welche aus dem Zusammenfluss mehrerer kleinern aus dem hintersten Theil des-Körpers entstanden ist. In diese ge- hen die ganz kurzen abführenden Lymphgänge, ein vorderer und ein hinterer, aus dem vordern und innern Umfange des Organs kommend, über. Die Vene begiebt sich unter der Ver- bindung des Beckens mit der Wirbelsäule vorwärts, und verbin: det sich mit mehreren andern Venen aus den Muskeln des Ober- schenkels zu einem ansehnlichen Stamme, der zur vena renalis advehens wird und auch mit der vena umbilicalis zusammenhängt: In Hinsicht der Lympliherzen der Crocodile, die der Verfasser 4° 4 kürzlich zu untersuchen Gelegenheit hatte, stimmen des Verfas- sers Untersuchungen mit denjenigen von Panizza überein, Man hat sie im lebenden Zustand noch nicht beobachtet. Aber dass es Lymphherzen sind, beweist die Uebereinstimmung der Lage mit den Eidechsen, und dass ihre Wände nach des Verfassers Beobachtung Muskelbündel mit Querstreifen enthalten, wie sie Valentin bereits an den I,ymphherzen der Schlangen beob- achtet hat. Der Verfasser hat seine Untersuchungen auch auf die Fische ausgedehnt, alle seine Bemühungen sind indess bis jetzt erfolglos geblieben, obgleich es nicht zweifelhaft sein kann, dass es vereinten Bemühungen auch hier noch gelingen wird, die Lymphherzen zu finden. Erklärung der Kupfertafel I., das Nervensystem der Lamprete betreffend. (Zu der Abhandl. S. 262. des Jahrgangs 1838 dieses Archivs.) Von d’ALrtom. Die Figuren, welche ich hier erläutern will, sind nach eini- gen Skizzen und den Präparaten entworfen, deren ich mich mit meinem Freund Schlemm zur Ausarbeitung der oben ge- dachten Preisschrift bedient. Diese Figuren genügen freilich nicht ganz den Ansprüchen, die ich sonst selbst an meine Ab- bildungen zu machen pflege; allein die Schuld davon ist theils die Beschaffenheit der Präparate, die ebensowohl durch die Zeit gelitten haben, wie sie auch im Verlauf der weiteren Un- tersuchung stellenweis zerstört werden mussten, theils ist mir die ganze Arbeit während eines Zeitraums von zehn Jahren, die ich auf andere Studien verwendet, entfremdet worden, und entspricht dem gegenwärtigen Standpunkt unserer Kenntnisse von der vergleichenden Neurologie, den sie bei früherer Be- kanntmachung vielleicht vorbereitet haben würde, nicht mehr 50, wie wir es wünschen. Gern hätte ich die Anregung, die Müller’s schöne Abhandlung über die Myxinoiden gegeben, zu neuen Untersuchungen über die Lamprete benutzt; allein ich habe nur einige alte Exemplare zur Hand, woran bereils MeckelManches präparirt, und mir nur wenig von den Nerven 6 zu sehen übrig blieb. Wie demnach diese Tafel auch sein möge, wird sie sich doch zur Erläuterung der varausgeschick- ten Abhandlung eignen, Fig. 1. 2 und 3. Das Gehirn der Lamprete mit seinen Nerven, von oben, unten und der Seite, etwa 4 Mal vergrös- sert. a vordere grössere, 5 hintere kleinere Geruchnervenkno- ten. c der kleine scheibenförmige Körper zwischen den vor- deren Knoten, dde vordere Hälfte der mittleren Abtheilung des Hirns, nämlich dd die seitlichen Partien mit e, der zwi- schen ihnen gelegenen, aus grauer Substanz hestehenden, mitt- lern. / die Vierhügel, g Vielleicht die Zirbel oder das vor- dere Paar der Vierhügel. Ak Sehhügel, deren vorderste Partie dem Chiasma entspricht, während wir die hintere mit den corp. eandicant. verglichen haben. i das Gefässgeflecht. % Das kleine Hirn. 2 das Markblatt, welches die 4te Hirnhöhle bedeckt. m das verlängerte Mark mit n seiner unteren Mittelfurche, Die Hirmnervenpaare sind der Ordnung nach mit römischen Zahlen bezeichnet. « und % sind die beiden Portionen des Quintus. Fig. 4, a und 2 stellen die beiden letzten Hirmerven noch mehr vergrössert dar, damit man ihre Ursprünge und Verbindungen deutlich erkenne. In Fig. 45 sind die Ausbrei- tungen der obern Aeste abgeschnitten, damit man die unteren desto besser sehe. Fig. 3— 10. sind verschiedene Stücke des Kopfes und Rumpfes in natürlicher Grösse; die Bezeichnung derselben, so- fern sie dieselben Theile, als Knorpel, Sehnen, Muskeln und - Nerven betrifft, ist durch die nämlichen Buchstaben und 'Zah- len ausgedrückt, Es ist daher hinreichend diese gemeinschaft- lichen Zeichen einmal zu erklären. Knorpel am Kopf. A. Ringknorpel der Lippen mit‘ seinem Griffelfortsatz durch ein Gelenk verbunden. Den Ring- knorpel vergleicht Mayer, zoot. Analecten, mit dem Zwischen- und Unterkiefer. C. Vordere Deckplatte des Mundes, nach Carus und Mayer der Oberkiefer. D. die hintere Deckplatte 7 des Mundes (bei Müller), bei Mayer der Stirnknorpel, bei Carus das Nasenbein, bei Rathke und Spix das Thränen- bein. E. Der hintere an seiner Wurzel schief durchschuittene Schenkel des unter dem Auge befindlichen knorpeligen Halb- ringes. (Mayer’s Schläfenbeinknorpel) F. Der mit diesem Schenkel zusammenhängende absteigende Fortsatz der Schädel- basis (Mayer’s Schulterblattknorpel). .@. Der vordere Schen- kel des Knorpelbogens (Mayer’s Jochbeinknorpel) von unten angesehen. H. Hintere Seitenleiste des Mundes, bei Mayer der Gaumenbeinknorpel. J. Knorpel, der.am.absteigenden Fort- salz der Schädelbasis befestigt ist; Mayer nennt ihn Schlüs- selbein. X. Die Nasenkapsel. L.Die Gehörkapsel. M. Wand des Rückenmarkkanals. I. Stückchen von der Seitenwand des ‚Schädels. 4+ Nasenöffnung. Knorpel am Respirationsapparat. ‚0.00. Knor- pelbogen des sogenannten Brustkorbes, die oben an die Wir- belsäule stossen und sich hinten mit P der knorpligen Herz- kapsel vereinigen. @. Das vordere Ende des sogenannten Brust- beines oder der untere mittlere Brustknorpel, Die Knorpel desZungenbeins und der Zunge sind: R. Der grosse schwertförmige Knorpel. S. Der kleine unpaarige Zungenknorpel. T. Die Zunge mit ihren beiden seillichen und dem hintern Lappen nebst den Zähnen. Von den Muskeln sind folgende ganz oder theilweis sichtbar. y A. Der aus Längsfasern bestehende, den Ringknorpel be- deckende Muskel. Unter diesem befindet sich B eine Schicht von Muskelfasern, die senkrecht auf die Mundhant gestellt sind. r. Der obere seitliche Rumpf- oder Mayer’s Rücken-Nacken- muskel. A. Der untere seitliche Rumpfmuskel, Mayer’s tho- racomaxillaris. * Seine Sehne, die sich an den Ringknorpel selzt. E. M. hyomaxillaris M., Ringknorpel - Zungenbeinm., Müller’s äusserer langer Vorwärtszieher des Zungensliels. z. M. chondroglossus M., Müller’s Vorwärtszieher der Zunge. H#. Innerer Vorzieher des Zungenstiels, M. chondrohyoid..May-. 8 Muskel zwischen dem dolch- und stielförmigen Zungenknor- pel. ©. Muskel, welcher von der Knorpelplatte am absteigen- den Fortsatz der Schädelbasis zum Ende des schwert- oder stielförmigen Knorpels der Zunge geht. Müller’s kurzer Vor- zieher des Zungenstiels, Mayer’s M. cleidohyoideus. K. Paa- iger langer Zurückzieher der Zunge, der sich vom Griffel- fortsatz der Schädelbasis zur Sehne des folgenden Muskels be- giebt. M.omohyoid.May. A. Langer unpaariger Zurückzieher der Zunge, M. sternohyoid. M. £ Seine Sehne, wo sie sich in die beiden Schenkel für die zwei Knorpel der Zungenlappen theilt. M. Aeussere Portion des M. sternohyoid. May. oder muskulöse Scheide des grossen Zungenmuskels, die von einer Knorpelplatte J zu der von der andern Seite geht. N. Vor- zieher der muskulösen Scheide (Müller’s Myxinoiden $. 273. ö.). =. Muse. biventer, $' sein äusserer Theil; zwischen beiden be- üindet sich die Mündung des Speichelganges. ©. Aeussere Hälfte des M. biventer (?). ©‘ Seine untere innere Fläche, die zum Theil als Gaumendecke dient. Der M. biventer ist bekanntlich von Home zuerst für eine Speicheldrüse gehalten worden, als man aber seine wahre Natur erkannt hatte, glaubte man er diene den in ihm eingeschlossenen Speichelsack zusammen- zudrücken und sein Secret zu entleeren. Die grosse Stärke des fraglichen Muskels deutet aber darauf, dass er noch eine andere wichtige Wirkung habe; es wollte mir jedoch nicht gleich klar werden, worin sie bestehen mochte. Jetzt glaube ich dieselbe aber aus der Analogie der Bdellostoma erkannt zu haben, und in einer energischen Befestigung des zurückge- zogenen Zungen- und Zungenbein- Apparates suchen zu müssen. Es sind nämlich die beiden zweibäuchigen Muskeln durch eine Aponeurose mit einander verwachsen und bilden eine Scheide, worin der grosse schwertförmige Zungenbeinknorpel steckt. (Vergl. Mayer’s Analecten. Tab. I. Fig. IV., wo man dies an einem Durchschnitt sehr gut sieht.) Diese Scheide ist gleich dem Knorpel selbst etwas nach unten gekrümmt und hinten höher als vorn. Dies sieht man auch in unserer 6ten Figur, 9 wo die innere freie Fläche des Muskels, welche eine Wand der Scheide bildet, zu Tag liegt. Vermöge dieser Einrichtung und der besondern Direction der Muskelfasern wird durch die Contraction der zweibäuchigen Muskeln die Scheide im senk- rechten Durchmesser verengt und der in ihr enthaltene Knor- pel fisirt. Diese Wirkung der gedachten Muskeln scheint bei der Lamprete deshalb besonders wichtig zu sein, weil bei ihr in Vergleichung mit Bdellostoma der lange unpaarige Zurück- zieher der Zunge und seine Muskelscheide nur von geringer Stärke sind, und der Knorpel und eigenthümliche senkrechte Muskel zur Befestigung des oben genannten langen Zurück- ziehers, wodurch sich dieser Fisch auszeichnet, bei der Lam- prete ganz fehlen. Die oben beschriebene Wirkung des M. biventer wird ohne Zweifel noch unterstützt von den mit T, X und © bezeichneten Muskeln, die noch nicht so genau un- tersucht und dargestellt sind, wie sie wohl verdienen. U. Der Schlundschnürer. P. Muskelfasern, die von der Schädelbasis kommen und sich mit ihm vermischen. =. Zusammenschnürer des Mundes (Müller). T. Der untere Muskel zwischen den Griffelfortsätzen, der sich durch seine mittlere Aponeurose an den Zungenknorpel (S) heftet. X. Der obere Muskel des Grif- felfortsatzes. ©. Ein Muskel vor dem Auge, der sich an die hintere Deckplatte des Mundes ansetzt. X und xx. Zwei Muskelbündel, die hinter dem Auge liegen, und den obern und untern seitlichen Rumpfmuskel mit einander verbinden. wur. Acussere Muskeln der Kiemensäcke. 2. Muskulöse Scheidewand zwischen je zwei Kiemensäcken. 2 u, Aecussere Fläche des Kiemensackes selbst. Uebersicht der Nerven und ihrer Verästelung. I. Geruchsnerv, II. Sehneryv. III. Gemeinschaftlicher Augenmuskelnerv. a SeinZweig zum oberen geraden Augen- muskel; denjenigen, welcher zum innern geraden Muskel geht, kann man nicht sehen. IV. Der Rollmuskelnerv zum vorderen schiefen Augenmuskel. B V. Der dreigetheilte Nerv. 1, Sein erster oder Augenast. 10 a, db, c Die Zweige desselben zum untern schiefen, unteren und äusseren geraden Augenmuskel. d Der dünne Zweig zur äussern Nase. e Drei Zweige zum ‘oberen seitlichen Rumpf- muskel und der äusseren Haut. g Das peripherische Ende, zu der Lippe und den Bartfäden sich verbreitend. 92. Der zweite Ast, ‚sonst der Oberkiefernerv, ist weit dicker als der erste und verzweigt sich A, A, A unter diesem an denselben Theilen. V3. Der dritte Ast zerfällt in ein inneres stärkeres und äus- seres schwächeres Bündel. Das innere Bündel, i, sendet drei kleine Zweige, I, zum Schlund, und einen langen Zweig, m, zur Seite der Zunge, sowie noch einen Nerven, der sich in 2 Fäden spaltet, n, zum vorderen Theil:des Schlundes. Das Ende ‚dieses Bündels geht zu demjenigen Theil der Haut der Mundhöhle, welcher die Zähne trägt. Das äussere Bündel sendet einen Nerven, p, zur sogen. Speicheldrüse oder richüi- ger zum ‚zweibäuchigen Muskel; der andere Nerve, g, dringt zwischen dem zweibäuchigen und den benachbarten Muskeln durch und theilt sich in den Nerven r, für den Muskel, der die Zunge vorwärts zieht (irrig heisst.es in unserer Beschrei- bung M. retractor cart. semiannularis), und s zwei Reiser für die beiden Griffelfortsatzmuskeln. VII. Der Antlitznery sendet ein Fädchen, i, zum häutigen Säckchen der Gehörkapsel, und bildet .diesseits derselben einen Knoten (#£). Dann theilt er sich in den vorderen Ast « und den hinteren v. Der vordere Ast bildet unter dem Auge ein Geflecht (wovon die rechte Seite des Kopfs in der 9ten Figur eine schematische Abbildung giebt), und erstreckt sich unter den Ausbreitungen des Augenastes vom Quintus bis zum obern vordern Theil der Lippe. Der hintere Ast schickt ein Fädchen zum obern Seitenmuskel des Rumpfs, w, und bildet mit dem vagus eine weite, die Gehörkapsel .einschliessende Schlinge, x. X. Der Lungenmagennery entsteht aus einer vorderen und hinteren Wurzel (1.2), die sich beide in einen obern und un- tern Ast spalten, 4’. 1”. 2‘. 2”. Die beiden oberen Aeste, 1‘. 2‘, verbinden sich mit einander und mit der Schlinge des N. 11 faeialis (x), sowie mit dem obern Ast des N. hypoglossus (XII), und stellen gemeinschaftlich den Seitermerven, 9, dar. Der untere Ast der hintern Wurzel des vagus zerfällt aber mals in zwei Zweige, von denen der obere, 2”*, sich mit dem unteren Ast des hypoglossus, XII?, vereinigt und den N. bran- chialis primus oder glossopharyngeus nach Born, 2, zusam- menselzt. Auch der untere Ast der vorderen Wurzel des vagus theilt sich in zwei Nerven; der vordere, «, ist der zweite Branchialnerv 9, der ‘hintere dagegen (3) verbindet sich mit dem hinteren Zweig des unteren Asies von der 2ten Wurzel, 2""* zum gemeinschaftlichen Stamm für die übrigen sechs Bran- chialnerven, 81.2.3.4. 5.6. und’den Magennerven 3. Die Ver- breitung des 1sten Branchialnerven, welche in der ten Figur dargestellt ist, geschieht ‘so, dass er erst einen kleinen Zweig, yy, zur Scheidewand der Kiemensäcke abgiebt und sich dann in einen vordern und hintern Zweig y‘ „” unter und hinter dem 'Kiemenloch 'endigt. (Seite 271. der Beschreibung, Zeile 9, ist ein Druckfeh- ler zu ändern, es muss nämlich verbindet statt verbreitet heissen.) Fig. 5. stellt die Kopfnerven von der Seite dar, so wie sie erscheinen, wenn man nur die Haut vorsichtig abpräparirt. Fig. 6. Ansicht des Kopfes von unten, in der Mitte auf. geschnitten. Die Lippe und ihr Knorpel sind :getheilt, aber in der Zeichnung nicht ganz ausgeführt. Vom seitlichen untern Rumpfmuskel sieht man nur die vordere Anheftung. Der Brust- beinknorpel, so wie die muskulöse Scheide ‚des grossen Zun- genmuskels und ihr Vorwärtszieher sind gleichfalls in der Mitte getheilt, der dolehförmige Zungenknorpel und derihintere Schen- kel des Knorpelbogens unter dem Auge nebst dem’Fortsatz der Schädelbasis sind auch durchschnitten um die Theile zur'Seite legen zu können. Nachdem die Muskeln #. © und z. vom dolch- und schwertförmigen Knorpel abgelöst, und die zwei- bänehigen Muskeln da, wo sie eine Scheide bilden, getrennt sind, ist der Schlund an seinem untern Umfang gespalten, und 12 man sieht seine innere Haut über den Schnürmuskel vorragen. Vorher musste natürlich auch die Aponeurose ‚zwischen den beiden untern Griffelfortsatzmuskeln durchschnitten werden. Fig. 7. Die rechte Hälfte der Lippe oben angesehen. Man bemerkt noch die Anheftung der Sehnen des untern seitlichen Rumpfmuskels und des Vorwärtsziehers des Zungenknorpels an ihrem Ringknorpel, sowie den Eintritt des Nerven, Fig. 8. Der: erste Kiemensack zum Theil entblösst, indem der Knorpelbogen an mehreren Stellen zerschnitten ist (die einander ‘entsprechenden Schnittflächen sind mit den gleichen Zeichen versehen) und die äusseren Kiemenmuskeln zum Theil zurückgeschoben sind. Man sieht auch ein Stück von der mus- kulösen Scheidewand zwischen je 2 Kiemensäcken. Fig. 9. Kopf und vorderer Theil des Rumpfs von oben, die Schädelhöhle, der Rückenmarkkanal und die Gehörkapsel sind geöffnet, wodurch das Hirn, Rückenmark, das Gehör- säckchen und die Nasenhöhle mit den entsprechenden Nerven sichtbar werden. Auf der linken Seite ist der obere Rumpf- muskel grösstentheils entfernt, und dadurch sind die Muskeln und Nerven der Augenhöhle, so wie die Knorpel und äusseren Muskeln der Kiemen nebst den Ausbreitungen des N. vagus aufgedeckt. Fig. 10. Ein Stück der sogenannten Wirbelsäule mit den obern und untern Aesten der Spinalnerven und dem Seitenner- ven vom vagus. Wir lassen es jedoch dahin gestellt sein, ob diese Figur rücksichtlich des Zahlenverhältnisses zwischen den Spinalnerven und den knorpligen Schenkeln des Rückenmark- kanals ganz richtig ist, indem wir zur Zeit, als dieselbe ent- worfen wurde, die von Müller (Myxinoid. S. 88,) beschrie- bene Anordnung, dass bei Petromyzon die Zahl der N, spi- nales wohl jener der Lig. intermuscularia, aber nicht jener der kuorpeligen Bogenschenkel entspricht, noch nicht ins Auge ge- fasst hatten. Werfen wir nun noch einen vergleichenden Blick auf das, was Müller, den N. quintus der Bdellostomen betreffend, ge- ee 13 legentlich (S. 209. Kupfererklärung) bemerkt hat, und die von uns bei der Lamprete aufgefundene Beschaffenheit dieses Ner- ven, so finden wir mehr Abvreichungen als Uebereinstimmun- gen zwischen diesen Thieren. Abgesehen davon, dass es Mül- ler nicht gelungen ist, bei den Bdellostomen deutliche Augen- muskeln darzustellen, erscheint es merkwürdig, dass der Stamm des 5ten Nerven bei der Lampreie dem untern schiefen und geraden, so wie dem äusseren geraden Augenmuskel Zweige giebt, und also zum Theil die Stelle des Sten und 6ten Hirn- nerven einnimmt, wir haben aber keine anderen Muskelzwreige des ersten Astes auffinden können, als diejenigen, welche zum oberen seitlichen Rumpfmuskel gehen. Bei Bdellostoma sah Müller vom ersten Ast des Quintus Nerven zu folgenden Mus- keln gehen: nämlich zu dem Rückzieher der Nasenöffnung und der Schnautze, sowie den kleinen obern Mundmuskeln. Der zweite Ast des Quintus scheint bei der Lamprete blos Empfin- dungsnery zu sein, wenn er nicht vielleicht Fäden zu den Lip- penmuskeln sendet; bei Bdellostoma versorgt dagegen der Ober- kiefernervy den Hebemuskel des Zungenbeins mit Zweigen, fer- ner den Zurückzieher des Mundknorpels, den pyramidalen Muskel des Schnautzenknochen, den zweiköpfigen Herabzieher des Mundes und die anderen tiefen Mundmuskeln. Der dritte Ast des 8ten Nerven entsendet bei der Lamprete folgende Muskel- zweige, nämlich zum Schlundschnürer, den kleinen Muskeln seitlich an der Zunge, den zweibäuchigen und den beiden Grif- felfortsatzmuskeln, sowie dem Muskel, der die Zunge vorwärts zieht, Müller fand bei Bdellostoma hinter dem 2ten Ast kurze Zweige zu den Muskeln des Gaumens, zum Anzieher des Schlund- korbes und Schlundsegels; ferner Zweige vom dritten Ast zum Zurückzieher und Beuger des Zungenbeins, zu den Vorziehern der Zunge, zu dem hohlen, Längs- und senkrechten Muskel der Zunge. Diese Vergleichung beweiset, dass der 5te Nerv bei Bdellostoma weit mehr den Muskeln angehört, als bei Petromyzon. Ziemlich übereinstimmend sind bei beiden Fischen die Nerven vom ö5ten Paar, welche zur äussern Nase, den 14 Tentakeln und der Haut gehn, die mit Zähnen besetzt ist, nur befinden sich bei der Lamprete die meisten Zähne an der in- nern Fläche der Lippen, bei Bdellostoma dagegen auf der Zunge. Man sieht ausserdem, dass unsere Untersuchungen über die Nerven der Lampreie nicht abgeschlossen sein können, weil noch viele Muskeln am Kopf und Zungenapparat übrig sind, deren Nerven wir noch nicht nachgewiesen. Ein Theil der- selben sollte, wenn wir von der Analogie der Bdellostomen ausgehen, vom Quintus kommen, was freilich schon an sich merkwürdig genug ist, doch verzweifeln wir auch nicht daran, einige Muskelzweige vom hypoglossus aufzufinden. In der That haben wir auch bei späteren Untersuchungen an einigen andern Muskeln, ausser den beschriebenen, Nerven erkannt, aber nicht bis zu ihrem Ursprung verfolgen können, weil die Lampreten bereits anderweitig zerschnilten waren. Erst wenn diese Ma- terie ins Reine gebracht ist, wird sich der Bereich des Quin- tus als Bewegungsnerve und sein Verhältniss zum facialis, glos- sopharyngeus und hypoglossus übersehen lassen. Es sei noch zum Schluss die Bemerkung erlaubt, dass es uns überrascht hat, vom N. facialis keine andern Muskelnerven abgehn zu sehen, als die zu den Seitenmuskeln des Rumpfs; da dieser Nery doch gewöhnlich vorwiegend motorisch ist, so vermuthen wir, dass sein peripherisches Ende sich vielleicht bei Untersu- chung frischer Fische in den Muskeln der Lippe wird erken: nen lassen. Ueber die Hautdrüsen der Frösche. Von Dr. Ascuerson. (Hierzu Taf. II.) Die Haut der Frösche ist mit einfachen Drüsen, Follikeln, besetzt, die an manchen Stellen so dicht stehen, dass sie sich fast berühren. Häufig ist kaum so viel Zwischenraum, als ihr Durchmesser beträgt, und nur an wenigen Stellen stehn sie so entfernt, dass zwei oder mehr dazwischen Raum hätten. Man erkennt sie schon bei einer 8$—10fachen Vergrösserung an vie- len Stellen wegen ihres eigenthümlichen Verhaltens zu dem Hautpigment. Die Färbung der Haut ist nämlich bei den Frö- schen durch verästelte Pigmentzellen bedingt, die man an jun- gen (diesjährigen) Thieren in allen Entwickelungsstufen findet, von der Kugelform bis zum höchsten Grade der Verästelung. Sowohl die braune Färbung des Rückens bei jungen Exem- plaren von R.temporaria und esculenta als selbst die blendend weisse, zuweilen bei schwacher Vergrösserung metallisch glän- zende Farbe der Bauchseite, wird durch Pigmentzellen hervor- gebracht, zwischen denen sich die bekannteren schwarzen ver- einzelt finden. Die Verschiedenheit zwischen den weissen und braunen Pigmentzellen ist, wenigstens bei jungen Thieren, viel geringer als man auf den ersten Anblick glauben sollte. Beide Arten 16 zeigen bei durchgehendem Lichte dieselbe körnige Beschaffen- heit und dieselbe bräunliche Farbe, nur scheinen die weissen mehr und dünner verästelt. Beide Arten von Zellen. werden von den Hautdrüsen verdrängt, oder vielmehr sie vermeiden bei ihren Verästelungen die Stellen, wo diese liegen, und daher machen sich die Drüsen bei abgezogener Haut als durchschei- nende Flecken leicht bemerklich. Bei auffallendem Lichte da- gegen sehen sie auf den weissen gefärbten Flächen dunkler aus. Betrachtet man die Bauchseite eines Frosches mit der Lupe, so sieht man sie dicht mit kleinen Erhöhungen besetzt, von denen jede in ihrer Mitte einen schwärzlichen Punkt zeigt. Diese Punkte sind pigmentfreie und daher durchscheinende Stellen, durch welche man wie durch die Pupille des Auges in einen dunklen Raum hineinsieht. Zieht man die Haut ab und bringt sie unter das Mikroskop, so erscheinen dieselben Stellen bei durchgehendem Lichte als helle kreisrunde oder ovale Flecken auf einem dunklen braungefärbten Grunde. Klebt man die Bauch- und Rückenhaut neben einander auf eine Glas- platte, so zeigt sich der Unterschied zwischen beiden, wie schon erwähnt, bei durchgehendem Lichte sehr unbedeutend, und fast allein durch das schwarze Pigment bedingt, dessen Zellen auf dem Rücken häufig vorkommen und ziemlich nahe stehen, während sie auf der Bauchseite an vielen Stellen ganz fehlen und an andern sehr vereinzelt sind. Nur da, wo die obern Extremitäten an den Rumpf gefügt sind, findet man eine Gruppe dichtstehender schwarzer Pigmentzellen in Gestalt eines Andreaskreuzes. Der einzige merkliche Unterschied in den Drüsen selbst ist der, dass die hellen Flecken auf dem Rücken sich kleiner und von mehr kreisförmiger Gestalt zeigen, dies scheint mir jedoch hauptsächlich daher zu rühren, dass ihr Rand mehr von den Pigmentzellen bedeckt ist, als bei den Drüsen der Bauchseite. Bei den jüngern Pigmentzellen kann man wahrnehmen, wie die Verästelungen derselben dem Um- kreis der Hautdrüsen folgen (Fig. 1.). An manchen durchsichtigen Stellen der Haut, wo die Um- 17 risse der Drüsen deutlich wahrgenommen werden können, findet man kleine kreisrunde und grössere ovale Drüsen neben einander, so dass man glauben möchte, die erstern seien noch in der Entwicklung begriffen. Die grössten, die bis zu 0,006 P. Z. lang und 0,0045“ breit sind, während die Mittelgrösse etwa die Hälfte beträgt, finden sich in Gruppen von 6—8 und mehr Stück vereinigt an der bei jungen Individuen pigment- freien Bauchseite der Schenkel in der Nähe des Afters, wo diese durch tiefe Furchen getrennten Gruppen den unbewaf- neten Augen als Warzen erscheinen, und wo sich auch eine sehr entwickelte Gefässverzweigung vorfindet, die dieser Stelle eine röthliche Färbung giebt. Wenn ein ziemlich gelungener Durchschnitt mich nicht täuscht, so liegen die Drüsen an dieser Stelle alternirend übereinander, so: ?,%. So weit ich es bis jetzt ermitteln konnte sind die Hautwarzen, die den ganzen Körper der Krö- tenarten bedecken, nichts als solche Drüsenhaufen. Die Durch- schnitte der Haut, die mir an andern Stellen als der oben be- schriebenen ziemlich häufig gelangen, wurden so erhalten, dass ich die frisch abgezogene Haut auf ein Stäbchen von weichem Holze aufrollte, und nach dem Trocknen feine Scheibchen von dem Holze abschnitt. Das Verhältniss der Drüsen zu der übri- gen Haut fand ich constant wie folgt. Zu oberst liegt eine ziemlich dicke, mit regelmässig angeordneten Zellenkernen ver- sehene Schicht, die Epidermis (Fig. 7a,a.). Ihre Dicke be- trägt 0,0015— 0,0024 P. Z. Die ovalen Kerne ihrer Zellen liegen wie bekannt horizontal, mit Ausnahme der untersten Schichten, deren Richtung ich immer schräg aufsteigend fand. Unter der Epidermis befindet sich eine undurchsichlige Schicht von so unregelmässiger Dicke, dass sie nicht wohl messbar ist, sie schien mir jedoch nirgends die halbe Dicke der Epidermis zu erreichen (Fig 7,2.). Diese Schicht ist offenbar die der Pigmentzellen. Unmittelbar darunter sieht man die ovalen Durchsehnitte der Hautdrüsen, die eine mittlere Höhe von 0,0020 — 0.0025 P. Z. haben (Fig. 7c,c.). Unter den Drüsen Müllers Archir. 1840. D) - 48 fand ich eine 0.004— 0,005” dicke Schicht einer durchsichtigen Substanz, welche in ziemlich regelmässigen Zwischenräumen von horizontal liegenden länglichen, den Knorpelkörperchen ähnlichen, doch weniger scharf umschriebenen Körperchen durch- setzt ist. Stellenweise befinden sich senkrecht laufende Faser- bündel zwischen der beschriebenen Substanz, die sich nach oben und unten ausbreiten, und dadurch grosse vierseitige Fel- der mit abgerundeten Ecken bilden (Fig 7 d.), welche man für hohle Räume halten könnte, wenn nicht die Färbung mit Jod das Gegentheil zeigte. Nie gelang es mir in den Durchschnit- ten eine Spur eines Ausführungsganges der Drüsen zu finden; dagegen sieht man sehr häufig eine Oeflnung, sowohl beim lebenden Thiere als bei abgezogener Haut, wenn man die Drü- sen von oben betrachtet. Sie liegt im Niveau der obersten Epidermiszellen oder dicht darunter, ist gewöhnlich geschlos- sen und in diesem Zustande von eckiger, meistens dreieckiger Gestalt und ganz dunkel (Fig. 2, 4, 5c.). Sie ist fast immer von einem Kreise von 0.0009 — 0.0010“ Durchmesser, der wie der Durchschnitt einer Zelle aussieht, umgeben (Fig. 4, 5 d.). Geöffnet erscheint sie heller als die Umgebung, aber gleichfalls eckig, und von den Ecken ziehen sich Linien, die wie Falten aussehen gegen den Rand der Drüse, ohne ihn zu erreichen (Fig. 32,c.). Auf der abgezogenen Epidermis zeigen sich die Oefinungen der Drüsen immer rund oder oval und von einem Doppelrande umgeben (Fig. 8,9 c.). Man kann sich von ihrer Existenz am leichtesten überzeugen, wenn man die abgezogene Epidermis mit Jod färbt, wo sich bei hinreichender Vergrösse- rung die Oefinungen der Drüsen als ungefärbte ‘Stellen sehr bemerklich machen. Ihr Verhältniss zu den Zellen der Epi- dermis ist verschieden. Zuweilen sieht man 'sie innerhalb des Umrisses einer einzigen Zelle neben dem Zellenkern (Fig. 8.). Meistens jedoch kommen sie da vor, wo zwei oder mehrere Zellen zusammenkommen «Fig. 9.), was sich auch besser be- greifen lässt. Bei weitem der interessanteste Umstand, diese Drüsen 19 betreffend, scheint mir jedoch der zu sein, dass sie auch in der Schwimmhaut in nicht geringer Anzahl vorkommen, und dass man daher nicht nur ihre Structur, sondern ihre vitalen Veränderungen eben so leicht beobachten kann, als dies z. B. bei den Blutgefässen der Fall ist. Ich glaube dass die Gelegenheit, die hierdurch den Physiologen, meines Wissens zum ersten Male, geboten wird, die Drüsen beim lebenden Thiere mikroskopisch zu beobachten, nicht ohne einigen Ein- Jluss auf die Lehre von der Secretion bleiben wird, und beeile mich deshalb meine noch unvollständigen Beobachtungen zu anderweitiger Bearbeitung mitzutheilen, da mich mehrere Ur- sachen verhindern, den Gegenstand weiter zu verfolgen. Am deutlichsten sieht man die Hautdrüsen der Schwimm- haut bei jungen (diesjährigen) Fröschen, bei älteren verhindern die schwarzen Pigmentzellen sie aufzufinden, wenn man sie nieht schon früher gesehen hat, während man sie im enige- gengesetzten Falle auch hier leicht bemerkt. Einigemal gelang es mir, sie bei ausgewachsenen Thieren eben so deutlich zu sehen. Schneidet man nämlich einem Frosche, der in Wasser gehalten wird, ein dreieckiges Stück der Schwimmhaut aus so erzeugt es sich binnen wenigen Tagen wieder, aber ohne Pigment, und folglich zu der in Rede stehenden Beobachtung viel geeigneter. Es dürfte vielleicht nicht überflüssig sein, die etwas abweichende Art zu beschreiben, wie ich die Frosch- pfoten unter dem Mikroskop zu befestigen pflege. Das Thier wird, mit Ausnalıme des untern Theils der zu beobachtenden Extremität, in Leinwand gewickelt, und wie eine Mumie mit einem Faden umschnürt; einige Umwicklungen mit demselben Faden dienen dazu, das ganze Thier auf einer Glasplatte zu befestigen. Dann werden kleine aus Insektennadeln angefer- tigte Häkchen, etwa von der Grösse wie sie zur Bildung der künstlichen Pupille gebraucht werden, von oben um zwei oder mehrere Zehen gelegt, so lange angezogen, bis die Schwimm- haut den gehörigen Grad der Spannung hat, und in dieser Lage mit etwas Wachs-auf der Glasplatte befestigt. Mit vier 9% - 20 dergleichen Häkchen lässt sich die Pfote ohne sonderliche Ir- ritalion dergestalt fixiren, dass es vorkommen kann, wenn man den Körper des Thiers nicht hinreichend befestigt hat, dass dieser von der Glastafel bei heftigen Bewegungen herab- fällt, ohne dass man die Stelle der Pfote, die man eben beob- achtet, aus dem Felde des Mikroskops verliert. Die Hautdrüsen erscheinen in der Schwimmhaut als kreis- runde oder ovale von einem Doppelrande umgebene Stellen, die immer etwas heller gefärbt sind als die nächste Umgebung. Die Entfernung der beiden concentrischen Umfangslinien, wo- durch die Dicke der Drüsenwandung bezeichnet wird, ist ver- änderlich, sie mag im Durchschnitt etwa 0,00030 — 0,00035 P. Z. betragen. Ueber der Drüse findet sich in der Regel die oben beschriebene Oeffnung derselben, bald mehr der Mitte ent- sprechend, bald mehr dem’Umfange sich nähernd. Nur selten sah ich statt einer einfachen Oeflnung zwei kleine schief über einander liegende Kreise, die einen kurzen cylindrischen Gang anzudeuten schienen. Es ist mir immer so vorgekommen, als wenn in der Schwimmhaut die meisten Drüsenöffnungen nach der untern oder Plantarfläche gerichtet, und die Drüsen selbst von dieser Seite her leichter zu beobachten wären. Als Inhalt der Drüsen zeigt sich eine bald mehr bald minder deutlich zu erkennende körnige Substanz, in welcher jedoch gewöhnlich einige den sogenannten Lymphkörperchen (nach Weber in rückschreitender Metamorphose begriffene Blutkörperchen) völ- lig ähnliche granulirte Körperehen, mit Bestimmtheit wahrzu- nehmen sind (Fig. 4, 52.). Aus ähnlichen Bestandtheilen ist auch der Schleim zusammengesetzt, der die Haut der Frösche überzieht. Die granulirten Körperchen, welche ohne Zweifel Epitheliumzellen oder deren Kerne sind, zeigen sich ‚entweder frei im Innern der Drüse oder an den Wänden derselben haf- tend. Nach Anwendung chemischer Reagentien treten sie schär- fer hervor, so dass die Drüsenwandungen dann oft ganz oder grösstentheils aus ihnen zu bestehen scheinen. Wird die fri- sche Haut mit Essig befeuchlet, oder die getrocknete darin 21 aufgeweicht, so sieht man in den meisten Drüsen sechs bis zehn solche Körperchen, die grösser sind als sie ohne diese Procedur erscheinen, und regelmässig, gewöhnlich paarweise; neben einander liegend, den innern Raum der Drüse grössten- theils ausfüllen (Fig. 11.). Sie sind meistens oval, 0,0007 bis 0.0009“ lang und 0,00045 — 0,00060” breit. Durch Maceration in scharfem Essig oder besser in mässig verdünnter Essigsäure kann man die Drüse vollständig isoliren. Man bemerkt dann in ihr viel mehr aber kleinere granulirte Körperchen, und ge- wöhnlich zeigt sich ihre Oberfläche dergestält damit bedeckt, dass die Drüsenwand ganz oder grösstentheils aus ihnen zu bestehen scheint (Fig. 10.). Auch bei der in Wasser aufge- weichten getrocknet gewesenen Haut zeigt sich häufig die par- tielle Zusammensetzung der Drüsenwand aus den beschriebe- nen Körperchen, doch sieht man hier immer noch eine äussere Membran, wiewohl viel dünner als die ganze Drüsenwand beim lebenden Thiere erscheint (Fig. 7 c.). Ein anderes Verfahren, um die Hautdrüsen isolirt darzustellen, besteht darin, dass man einen Frosch oder eine Kröte erst in Essig und dann in Was- ser legt. Die Epidermis löst sich dann in grossen Stücken ab und nimmt immer einzelne Drüsen mit, die sich leicht abstrei- fen und untersuchen lassen. Die Drüsen sind beim lebenden Thiere mit einem hohen Grade von Contractilität begabt, die sich durch sehr merkliche Veränderungen ihrer Form und Grösse zu erkennen giebt. In dem Zustande, der der gewöhnliche zu sein scheint, ist die Gestalt der Drüsen regelmässig, entweder rund oder oval, man findet aber häufig einzelne die kleiner sind und dabei eine eckige verzogene Form haben (Fig. 2, 4, 5, 6.). Beobachtet man die Drüsen eine Zeit lang, so gelingt es nicht selten wahr- zunehmen, dass dieselbe Drüse ihre Gestalt unter den Augen des Beobachters verändert, entweder aus der regelmässigen in die contrahirte oder umgekehrt, und sich dabei verkleinert oder vergrössert, Eben so verändern sich die Oeffüungen, indem sie sich öffnen oder schliessen. Dass beide Veränderungen mit 22 einander verbunden sind, habe ich mit Bestimmtheit nicht wahr- nehmen können; ich habe sowohl espandirte als contrahirte Drüsen mit offenen und geschlossenen Mündungen gesehen. Auch der Inhalt scheint sichtbaren Veränderungen unterwor- fen zu sein, man. sieht einzelne Kügelchen oder formlose Klümp- chen erscheinen und verschwinden, doch ist hierbei eine Täu- schung eher möglich als bei den Zusammenziehungen der Wan- dungen. Bei ganz jungen Fröschen, die leicht unter dem Mi- kroskop absterben, sieht man die Zahl der contrahirten Drü- sen während des Todeskampfes zunehmen, bis zuletzt keine expandirte mehr zu schen ist. Da diese Contractionen doch wahrscheinlich eine Entleerung des Secrets bewirken, so wird man hierdurch unwillkürlich an die mit Schweiss bedeckte Haut der meisten Sterbenden erinnert. Man kann die Contractionen der Hautdrüsen ganz willkürlich hervorrufen, wenn man die Stelle mit einer Salmiaklösung befeuchtet. Sehr bald nachher verlieren die Drüsen ihre regelmässige Gestalt, die Wandungen yerdünnen sich merklich und die Oefinungen erweitern sich in. der Regel. Gewöhnlich verdickt sich die Wandung bald wieder und man bemerkt mehr oder weniger deutlich, dass sie wie ein’ Rosenkranz sich an: einzelnen Stellen auftreibt, und an andern einschnürt (Fig. 12.). Zuweilen ist es mir in- dessen vorgekommen, als wenn ein solches rosenkranzförmiges Gebilde nur an die Stelle des dem Auge ganz enischwundenen Umkreises der Drüse getreten wäre. Bei den spontanen Con- tractionen der Drüsen fehlt die Verdünnung der Drüsenwand, sie scheint sich vielmehr durch partielle Auftreibungen zu ver- dicken (Fig. 22. Fig. 4, 5.). Eine Beziehung der Blulgefässe zu den Drüsen habe ich bis jetzt nicht ermitteln können. Wie unvollständig diese Untersuchung ist, und wie man- che interessante Frage sie unbeantwortet lässt, fühle ich sehr wohl. Da indessen das Augenübel, welches mich genöthigt hat meine mikroskopischen Beschäftigungen zu unterbrechen, mir noch lange die Fortsetzung derselben verbieten dürfte, so wollte ich die Bekanntmachung des Vorstehenden nicht länger 23 verschieben, und es würde mich freuen, wenn ich bald und vielleicht selbst in dieser Zeitschrift eine Bestätigung und Er- weilerung dieser wenigen Bemerkungen finden sollte, Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Eine Hautdrüse, die theilweise von einer Pigmentzello umgeben wird. a, die Drüse, 5, die Zelle. Fig. 2. Eine schwach zusammengezogene Drüse. a, die Wand der Drüse, 5, verdickte Stellen derselben, c, die Mündung der Drüse, d, der Kreis der die Mündung umgiebt. Fig. 3. Eine Drüse im expandirten Zustande. a, die Drüsen- membran, 5, die geöffnete Mündung, ec, die Falten die von ihr aus- Fig. A. und 5. Contrahirte Drüsen. a, die Drüsenmembran, &, die granulirten Körperchen, c, die Mündung, d, der Hof um dieselbe. Fig. 6. Eine durch Anwendung von Salmiak veränderte Drüse im Beginnen der Contraction; die Mündung halb geöffnet. a, o, d, wie bei Fig. 4. und 5. Fig. 7. Durchschnitt der Haut eines Frosches. a, a, Epider- mis, Be 5, Hautpigment, e, c, Drüsen, d, d, eigenthümliches Haut- ewebe. , ’ : Fig. 8. und 9, Stücken der abgezogenen Epidermis. mit den Oefinungen der Drüsen, a, a, a, Epidermiszellen, 6, 2, 2, Kerne derselben, ec, die Oeffaung der Drüse, die in Fig. 8. sich innerhalb einer Zelle, in Fig. 9. zwischen den Epidermiszellen zeigt. Fig. 10. Durch Maceration in Essig isolirte Drüse. a, die Drüse, 6, die Oeffnung, c, der Hof um dieselbe, der hier doppelt erscheint. Fig. 11. Mit Essig befeuchtete Drüse, in welcher paarweise ge- reihte granulirte Körperchen zu sehen sind. ig. 12. Rosenkranzförmig eingeschnürte Drüsenmembran, Ueber Augen bei Muscheln. Von Dr. Gruse, Privat-Docent zu Königsberg. (Hierzu Taf. III. Fig. 1-3.) Durch die Beobachtungen neuerer Zeit und namentlich Eh- renberg’s, v. Nordmann’s, Burmeister’s ist mehr und mehr das Gesetz auch für die Evertebraten bestätigt, dass Thieren mit freierer Ortsveränderung in Luft oder Wasser Augen gegeben sind, um ihre Umgebungen zu erkennen und darnach ihre Bewegungen einzurichten. Dieses Gesetz hat sich bisher am besten in der Reihe der Wirbelthiere verfolgen lassen. Unter allen Vögeln giebt es keinen, der blind wäre, ja ihr Auge ist oft vorzüglich scharf für die Ferne organisirt, weil ihnen die freiste und schnellste Bewegung verliehen ist, und unter den übrigen Wirbelthieren be- gegnen wirnur einzelnen Gattungen und Arten mit schwachem oder undeutlichem Sehvermögen; es sind solche, die in der Erde hausen und in ihr, also im Dunkeln, ihre Nahrung fin- den, wie die Maulwürfe, Chrysochloris und Spalax typhlus, oder die in unterirdischen Höhlen leben, wie Proteus anguinus. Ueber die Lebensweise von Typhlops, besonders der Species, die gänzlich blind sein soll, von Apterichlus coecus und Silurus 25 coecutiens sind mir nähere Beschreibungen unbekannt; wie ich aber so eben aus J.Müller’s neuestem Beitrag zur Anatomie der Myxinoiden entnehme, hat man bei diesen Fischen mit Unrecht die Augen geleugnel; sie sind nur wenig entwickelt, und merkwürdiger Weise stimmt damit aufs Beste der Um- stand, dass diese Thiere mitunter wirklich schmarotzen und sich in der Bauchhöhle anderer Fische aufhalten. Mit Ausnahme der Käfer Claviger und Braula, von denen letzterer parasitisch auf Bienen, ersterer in Gesellschaft der Ameisen lebt, vermisst man nirgends Augen bei Insecten im vollkommenen Zustande, wohl aber fehlen sie Maden und En- gerlingen, Geschöpfen, deren Aufenthalt auf das Innere der Gewächse und Hölzer oder künstlicher Substanzen, oder die Erde selbst beschränkt ist, wogegen Larven, welche ihre Beute erjagen, oder nach ihrer Nahrung wohl weite Strecken wan- dern müssen, mit dem Sehvermögen begabt sind. Auch unter den Arachnoiden finden wir nur die schmarotzenden Acarus, Sarcoptes, Gammasus, Ixodes gänzlich blind. Am auffallendsten leuchtet das oben ausgesprochene Gesetz an den Thieren hervor, die ihre Jugend frei und ungebunden verleben und deren reiferes Alter an eine Stelle gebannt ist, an den Weibchen des Bopyrus, den Cirrhipeden und so vielen parasitischen Entomostraca. In den ersten Abschnitten ihres Daseins, wo sie hastig mit ihren Ruderfüssen das Wasser durchkreuzen, tragen sie, wenn auch wenig entwickelte, so doch als solehe anerkannte Augen, später, sobald sie den Ort ihres dauernden Aufenthalts gefunden haben und sich festsetzen, verschwindet mit der freien Bewegung auch das Vermögen zu sehen. Von den Anneliden ist es bekannt, dass denjenigen, welche nieht in Röhren oder Erdlöchern wohnen, die Natur Augen verliehen hat, und sollten sie an mehreren Tubicolen entdeckt werden — von einigen sleht es fest — so spräche dies nicht geradezu gegen meine Behauptung, dass mit freierer Bewegung in Luft oder Wasser auch Lichtempfindung verbunden sei. 26 Solche Entdeckungen. lassen sich übrigens vermuthen, weil auch Vermelus, eine Schnecke mit festgewachsenem Gehäuse, ein paar Augen. besitzt. Nur Gordius, Anguillula, Nemerles und seine Verwandte bilden eine Ausnahme; vielleicht lieben die Nemertes ein ruhiges Leben, mindestens lagen die von mir gefundenen immer zusammengeknäuelt zwischen Moorpflanzen, und die Anguillulen stehen den Infusorien nahe, gehören zu jeuen mikroskopischen Geschöpfen, von. welchen die Anwen- dung unseres Gesetzes durchgängig ausgeschlossen bleibt. Betrachten wir sogar die Eingeweidewürmer, so bedürfen sie gar keines Lichteindruckes, und wenn man bei manchen ihnen angereihten Thieren, deren Wohnsitz die Kiemen von Fischen sind, Augenpunkte antriflt, so bietet diese Erscheinung gerade nichts Befremdendes dar. Als einen durchgreifenden Unterschied zwischen Schnecken im weitesten Sinne und Acephalen konnte man bisher den Mangel der Augen bei letzteren anführen. Nur Bulla lignaria und vielleicht den Neriten, wenigstens N. glaeina und caurena sollen sie nach Delle Chiaje abgehen, und von den Ueber- gangsgattungen schliessen sich die Chitonen insofern den Mu- scheln an; dagegen haben die Patellen vor ihren Verwandten das Gesicht voraus. — In der That muss man sich bei den Acephalen — die Salpen ausgenommen — Geschöpfe denken mit gar keiner oder doch sehr beschränkter Ortsveränderung. Alle Ascidien zuvörderst, sowohl einfache als zusammengesetzte, haften andern Körpern an, und was die Muscheln betrifft, so ist bei einigen die Schale selbst an Felsen, Corallen oder Con- chilien gekittet, andere bohren sich gar in harte Körper hinein, und verlassen nicht mehr ihren Aufenthalt, wieder andere be- festigen sich mittelst ihres Byssus, endlich aber giebt es eine Menge, die meistens im Sand und Schlamm stecken und de- nen ihr Fuss langsam fortzukriechen gestattet. Nur zwei Genera stehen einzeln da: Lima und Pecten. Die Naturforscher, von denen diese Muscheln lebend beobach- tet sind, führen ausdrücklich an, dass sie durch wiederholtes 27 rasches Oeffnen und Schliessen der Schalen frei umherschwim- men. Einige Arten von Pecten sollen sich auch mittelst eines Byssus anheften. Jener Umstand schon kann die Vermuthung erwecken, dass sie ein Vermögen besitzen, sich über ihre Um- gebungen zu orientiren, zumal da wir in den noch, tiefer ste- henden Strahlthieren etwas Achnliches bemerken. Die Natur wendet hier zwei Mittel an, Fühlfäden und Augen. Fühlfäden zeigt der Scheibenrand der Acalephen, der Körper der Seeigel und meisten Echinodermen. Augen entdeckte Ehrenberg an Seesternen und Medusen — mir selber sind an manchen Me- dusen des Mittelmeers jene brennend rothen Punkte aufgefallen, die Ehrenberg bei M. aurita als Augen deutete — nur sind die Untersuchungen in diesem Felde bisher, wenig ausgedehnt worden. Doch wir kehren zu unsern Muscheln zurück. Sobald überhaupt ein eigentlicher Kopf nicht mehr ausge- bildet ist, pflegen sich die Fühler, wo ‚sie vorkommen, über den Umfang des ganzen Körpers zu verbreiten, oder es blei- ben noch einige vorzugsweise für den Umkreis des Mundes bestimmt. Letztere kommen wohl bei allen Muscheln als so- genannte Tentakelblältchen oder Nebenkiemen vor, eine grosse Anzahl hat an der After- und Kiementrachea und dem be- nachbarten Mantelsaum Fühlfäden, und bei Lima und Pecten ist in der That der ganze Mantelrand mit solchen Organen besetzt. Die Tentakeln der Lima stehen in vielfachen dichtgedräng- ten Reihen und fallen vorzüglich durch ihre Länge auf, denn sie hängen weit über den Bord der Schalen hinaus, sind da- bei äusserst contractil und beweglich, und erinnern in dieser Hinsicht an die Fühler mancher Actinien, z.B. A. viridis Gmel. Bei einem Exemplar einer Lima von 1,5 Cenlimeter Länge massen die Fühlfäden 0,5 Centim. Verhälinissmässig kürzer, auch nicht so gedrängt, stehen freilich die Fühler 'bei Peclen, dafür erfreuen sich jedoch diese Muscheln eines andern Vorzugs, nämlich wirklicher Augen, deren Organisation. mit den Schwerkzeugen der Schnecken 28 - übereinstimmt und denen ihr Platz zwischen den Fühlern an- gewiesen ist. Als ich zum ersten Mal, in Venedig, einen le- benden Pecten sah, fielen mir sogleich und am meisten die glänzenden Punkte auf, welche durch Zwischenräume getrennt, längs dem Mantelrand hervorblickten und wie kleine Glas- perlen aussahen. Ich nahm davon eine Zeichnung, verabsäumte aber damals die weitere Untersuchung des Gegenstandes, um sie ungestörter in der Heimath fortzusetzen. Ich löste nun an meinen Weingeistexemplaren den Man- tel sammt dem grossen Schalenschliesser von der Schale ab, machte auf der der Schale anhaftenden Fläche unmittelbar ne- ben dem mit den zahlreichen Fühlern besetzten Rande einen feinen Längsschnitt, und gelangte so in einen ziemlich weiten Kanal, welcher parallel demselben fortging, und in welchem ein weisser Faden verlief (Fig. 2. m). Um etwaigen Miss- verständnissen beim Gebrauch des Ausdrucks Mantelrand vorzubeugen, will ich hier gleich etwas Näheres über die Be- schaffenheit des Mantels sagen. Er ist nämlich in seinem gan- zen Umfang aufgeschlitzt: jede Hälfte heftet sich jedoch nicht in ihrer ganzen Ausdehnung an die Schale an, sondern die Anheftung hört nahe dem Rande auf, und es bleibt ein an- schnlicher Raum übrig, welcher frei herabhängt und nach innen umgeschlagen wird. Längs der Linie jenes Umschlages nun, am Mantelrande, erblickt man die glänzenden Punkte unter einer Menge von grössern und kleinern Fühlern, wäh- rend der äusserste Mantelsaum, d. h. die am weitesten nach innen sehende Partie, bloss eine oder zwei Reihen Fühler trägt. In Fig. 2. ist ein Kreisausschnitt des Mantels von Pecten oper- eularis dargestellt: die punktirte Linie (p) bezeichnet den Rand des Mantels, (r) den Mantelsaum, das nach innen umgeschla- gene, hier ausgebreitete Stück, und (g) die Linie seiner hier winzigen Fühler. Doch ich kehre zu dem oben beschriebenen Kanal (s) zu- rück: der in ihm liegende Faden (m) sendet viele Zweige nach aussen ab (n), und die genauere Untersuchung lehrt, dass sie 29 theils zu den Fühlern, theils zu den glasartigen Körperchen treten; er empfängt aber auch auf der andern Seite eine Reihe von Zweigen (2) vom Mantel her, welche, wenn man sie 'auf- - wärts verfolgt, sich zu Stämmchen verbinden, und endlich in dem grossen Ganglion (Fig. 3. k) am Schalenschliesser enden. Wir haben es hier also mit Nerven zu thun. Der Faden (m) ist ein Randnery des Mantels, gebildet von den leicht ins Auge fallenden Nerven der Mantelfläche, und jene Kügelchen (0) sind eben so gut peripherische Endpunkte einer nervösen Thä- tigkeit als die Fühler. Ihr ganzer Bau spricht dafür, dass sie zur Lichtempfin- dung organisirt sind;. schon mit Hülfe einer schwach vergrös- sernden Loupe erkennt man, dass die nach aussen gekehrte Oberfläche dieser Körper kugelig-convex ist, der am meisten hervorragende Kugelabschnitt ist klar wie Krystall und bei Pecten opereularis umgeben von einer schwarzen Zone. Diese stellt die Pigmentschicht, jener die Linse vor, beide sind von der durchsichtigen äussern Haut überzogen und bilden die End- fläche eines fleischig-häutigen Cylinders, welcher sich von den grössern Fühlern nur durch seine bei weitem geringere Länge unterscheidet. In das andere Ende des Cylinders, mit welchem er auf der Dicke des Mantelrandes aufsitzt und in ihn über- geht, tritt ein äusserst zarter Nervenfaden, er breitet sich zu einem Becher aus, der Retina, und umfasst einen durchsichti- gen Kern, vermuthlich Glaskörper und Linse zusammen, des- sen äusserster Theil eben kugelig hervortritt. Je nach den Arten scheinen hier kleine Verschiedenheiten zu existiren, so bemerke ich an meinen Weingeistexemplaren von Pecten yarius durchaus kein dunkles, sondern merkwür- diger Weise ein ganz helles Pigment, welches beinahe die Farbe der Muskeln hat, auch nicht wie eine Zone, sondern wie ein Kugelmantel die Retina umhüllt,; in P. opercularis da- gegen sehe ich in der That nur vorn eine Pupillenzone von dunkeler Färbung und vermisse am hintern Theil der Kugel das Pigment gänzlich. 30 So finden wir bei diesen Muscheln alle wesentlichen Rle- mente des Schneckenauges wieder; es sitzt auch auf einem wenn 'gleich kurzen Stiel, wie bei so vielen Geschöpfen des Meeres, ‘und, was die Aehnlichkeit mit der Organisation der Schnecken vermehrt, ich habe zuweilen bemerkt, dass der Augennery ein Zweig des benachbarten Fühlernerven ist; häu- figer freilich entsteht er einzeln für sich aus dem Randnerven. Mir bleibt nun noch einiges über die sonstigen Verhält- nisse dieser Augen mitzutheilen übrig, Zunächst fällt wohl ihre Anzahl auf, denn ich fand bei einigen Pectines über 20 an jeder Mantelhälfte, bei P. opercularis bis 38, und bei P. varius 41. Die grösste Menge einzeln stehender Augen, die man bisher in dem Thierreiche kannte. Sie umgeben in der That ringsum den Mantel, man findet sie sogar in dem Theil desselben, der die Ohren der Schale auskleidet, und nur eine kleine Strecke zwischen diesen Abschnitten und dem mittleren Bogen beiderseits ist davon entblösst; indessen trifft man die meisten Augen immer in der mittleren Krümmung des Man- telrandes. So zählte ich bei P. varius am vordern Ohr 4, am hintern ebenfalls 4 und längs der Mitte 33. Im Allgemeinen also kann dies Muschelthier ziemlich nach allen Seiten umher- schauen, am wenigsten freilich unmittelbar nach der Richtung des Rückens, in der es auch fortschwimmt. Die Grösse der Augen variirt nach den Arten, aber auch in 'einzelnen Exemplaren; die an dem Rande der Ohren ste- henden pflegen kleiner zu sein, als die am Mittelrande, doch selbst hier sah ich, namentlich bei P. varius, grössere mit klei- neren abwechseln. Die ansehnlichsten bei P. Jacobaeus er- reichten die Dicke eines starken Stecknadelknopfes, ihr Pig- ment,sah hier dunkelblaugrün aus, die kleinsten messen wohl kaum die Hälfte der andern. Ihre Stiele können im Leben wahrscheinlich etwas aus- gestreckt und bewegt werden, wie die Fühler, und zum Schutz der Augen dient theils die Schale selbst, die gleich‘ einem Au- genschirm, und besonders weit in manchen Arten, hinüberragt, 31 theils die Menge der Fühler, zwischen denen die Sehorgane eingestreut sind, theils die Wülste und Falten, welche sich am Mantelrande in der Richtung von aussen nach innen und von oben nach unten bilden. Denfi wenn schon der grössere Theil des Mantels, so weit er die Schale auskleidet, dünnhäu- tig ist, so ireten doch gegen seinen Rand d. h. gegen seinen Umschlag hin deutliche Muskelfasern auf; sie nehmen ringsum eine breite Zone ein, laufen aber selbst in die Länge oder rich- tiger senkrecht auf die Peripherie; in manchen Species, wie P. opereularis verweben sie sich mehr durch einander, in man- chen stellen sie mehr neben einander liegende ansehnliche Bün- del dar, immer hält es schwer, die zwischen diesen Mnskeln sich spaltenden äusserst zarten, in meinen Weingeistexempla- ren geschlängelten Mantelnerven herauszupräpariren, und un- verletzt bis zu ihrem Eintritt in den Randnerven zu verfol- gen. In dem nach innen umgeschlagenen Saum des Mantels walten dagegen gleichmässige Quer- und Kreisfasern vor, und durch ihre Wirkung mit entstehen jene Runzeln am Mantel- rande, welche ich eben erwähnte, und in deren Nähe häufig die Augen sitzen. Die ganze Stellung der Augen erinnert an die von Eh- renberg bei Medusa aurita beschriebene. Die bei manchen Arten von Pecten grünen glänzenden Augenkügelchen, welchePoli Smaragden vergleicht, haben die Aufmerksamkeit der Naturforscher schon lange erregt, ohne die rechte Bedeutung zu erhalten. Cuvier beschreibt: le manteau est entour& de deux ran- ges de filels, dont l’exlerieure en a plusieurs terminds par un globule verdätre (Regne anim. 1830. II. p. 122.), und La- marck sagt ausdrücklich: les lobes du manteau tres minces, epaissis sur les bords et garnis dans toute cetle parlie de plu- sieurs rangs de cils charnus, entre lesquels se trouvent dis- posts r&gulierement une rangee de tubereules lisses oculi- formes. Sander Rang nennt diese Organe schlechtweg globules perles, und Blainville: disques oculiformes, perles. 32 Aber in keinem deutschen Handbuch der vergleichenden Ana- tomie habe ich eine Nachricht oder auch nur eine Andeutung über die Augen der Kammuscheln aufzuspüren vermocht; um so mehr wunderte ich mi®ıh, in den Umrissen der vergleichen- den Anatomie von Grant diesen Gegenstand wie einen sehr bekannten abgehandelt zu selien. Ich weiss nicht, ob Grant diese Beobachtungen selber gemacht, oder sie aus Poli ge- schöpft hat, den er dabei eitirt, und dessen grosses Werk lei- der nicht in unsern Bibliotheken existirt; aber Poli hat, Grant zufolge, jedenfalls das Verdienst, Abbildungen der Struciur geliefert zu haben. Sollte von den genannten Anatomen Nie- mand darauf geachtet haben? — Vor einigen Tagen noch las ich einen Auszug aus Garner’s Anatomie der Schalthiere mit Blattkiemen, in der Isis 1838 p. 821.; hier ist eben so wenig von Augen die Rede; den genaueren Verlauf der Nerven hat aber auch Grant nicht verfolgt. D Ich will noch einiges über die Anlage des Nervensystems der Pectines im Allgemeinen hinzufügen. Man muss als seine Hauptiheile 3 Paar Ganglien ansehen, welche theils in der Längs-Mittellinie des Körpers selbst, theils symmetrisch zu ihr liegen, und von denen manche Paare verschmolzen sind. — Das grösste Ganglion, ich will es G. principale nennen, liegt auf dem Schalenschliesser (Fig. 3. %), besteht aus zwei an- einander gerückten Hälften, welche in P. opereularis ein be- sonderer Mittelkörper verbindet und strahlt nach drei Rich- tungen aus; nach hinten laufen über den genannten Muskel zwei Stränge, welche sich theils in seine Substanz, theils an die hintere Gegend des Mantels vertheilen (!*), seitlich kommt ein eben so starker, oder fast stärkerer Schweif von Nerven hervor (1), ein Zweig davon (7) tritt in die Basis der Kie- men, die Masse aber (2) streicht unterhalb des Bandes fort, an welchem die Kiemen aufgehängt sind, und verbreitet sich strahlig in: den Mantel; aus diesen Nerven wird der Randnerv zusammengesetzt, von welchem wiederum die Augen, die neben ihnen angehäuften Fühler und auch die Fühlerchen des äusser- en . 35 sten Mantelsaums (Fig. 2.4) ihre Zweige erhalten. Bei P. opereularis schien mir der Randnery selbst an den Ein- und Austritisstellen seiner Zweige schwache Anschwellungen zu bilden. Nach vorn endlich entstehen aus dem Ganglion prin- eipale zwei starke Fäden (i), welche mit einer Schlinge die Basis des Eingeweidesackes und Fusses umgeben, und sich da, wo die Nebenkiemen oder Tentakelblätter liegen, verdicken (A), ich betrachte diese Stellen als das zweite Paar der Knoten; sie senden mehrere Zweige auswärts ab, sowohl nach den Tentakelblättchen als nach dem vordern Abschnitt des Man- tels und ihrer sonstigen Umgebung (A‘), namentlich aber ein Paar (A“) um die Mundöffnung herum; dieser Schlundring scheint besonders bestimmt, die vielfach geschlitzten Lippen- oder Mundfühler zu versorgen und lässt keine Ganglien wei- ter erkennen. Das dritte Paar, ein zweihälftiger Nervenknoten, befindel: sich nach innen wie das oben beschriebene (g), mit dem er durch einen kurzen Faden jederseils zusammenhängt; er liegt gerade vor dem Fusse und ist überhaupt den Eingeweiden zu- geordnet, ist der Mangili’sche Knoten. Da alle Mantelnerven an dem Randnerven Theil haben, so bekommt er also seinen _ Zweig von 2 verschiedenen Ganglien, dem Ganglion prinei- pale und denen hinter dem Munde, Vergleichen wir diese Anlagen des Nervensystems mit der von Brandt gegebenen Beschreibung der Auster, einem Genus, welches die Zoologen unmittelbar neben Pecten stellen, so fal- len sogleich einige sehr bedeutende Abweichungen auf, denn wir können hier weder ein Kiemengeflecht unterscheiden, viel- mehr werden die Kiemen vom Ganglion des Schalenschliessers versorgt, noch die Menge kleinerer Nervenknolen; im Gegen- theil hat sich das Nervensystem mehr eoncentrirt, und ähnelt durchaus dem von Anodonta cygnea, das Mangili dargestellt (Reil’s Archiv IX. Fig. 2. tab. X.) Diese Eigenschaft des Nervensystems, so wie die Gegen- wart der Augen and der Reichthum au Fühlern, das Vermögen Müllers Archiv, 1940, 3 34 sich frei im Meere zu bewegen, die Gestalt der Kiemen, wel- che an die Ctenobranchier erinnert, berechtigen uns wohl, den Pectines eine der höchsten, vielleicht die höchste Stelle in der Reihe der Muscheln anzuweisen, Auf sie würden die Galtun- gen Lima, ebenfalls mit freier Bewegung, jedoch ohne Augen, dann Spondylus und Pedum folgen, beide mit Augen, aber ohne freie Bewegung. Ueber die Lebensweise der Spondyli sind wir wenig unterrichtet. Poli zufolge besitzen auch sie Sehorgane, ganz ähnlich den Pecten, allein ihre Schalen: sind festgekittet und die Thiere also in demselben Falle wie Ver- metus. Die übrige Organisation, der Bau: der Kiemen, des Mantels, die Anordnung der Fühler an seinem Rande, der Lip- pen und des Fusses stimmt mit Peeten überein, Ebenso würde, nach der Beschreibung in der zweiten Ausgabe von Lamarck zu urtheilen, das Genus Pedum, wel- ches mit einem Byssus versehen ist, Augen tragen; die Aelın- lichkeit der andern Verhältnisse würde uns berechligen, es zwischen Peeten, von denen bei einigen ja auch ein Byssus angeführt wird, und die Spondylus zu: stellen. Erklärung der Kupfertafel. Taf. III. Fig. 4. Ein Pecten opercularis, nach fortgenommener Schale seitlich, auseinander geklappt. a. Dem von zerschlitzten Lip- pen umgebene Mund. 2. Die Tentakelblätichen (palpes. labiales). c. Der zwischen die Kiemen hervortretende Eingeweidesack. d. Der kleine Fuss, auf der einen Seite mit einer Furche versehen. e Die Kiemen der linken Hälfte, e’ die der rechten, nahe der Basis abge- schnitten. /. Der Mastdarm, welcher frei hervorragt, f. Der grosse Muskel, welcher die Schalen schliesst, auf ihm liegt das: Ganglion paineipale, aus welchem die Kiemen- und Mantelnerven, und nach hinten die Nerven für den Schalenschliesser ausstrallen. 7. Die Man- telnerven. 0,0,0. Die Augen am Umschlag oder Rand des Mantels, zwischen den Fühlern. Fig. 2. Ein Kreisausschnitt des Mantels, der eingeschlagene Theil desselben ist horizontal ausgebreitet. 7. Die Mantelnerven, wel- che sich zwischen den Längsmuskeln in dieser Gegend des Mantels in mehrere Zweige auflösen. m. Der Randnerv, der aus diesen Zwei- gen entsteht, n. Die Nervenfäden, die aus ihm- wieder heraustreten, 35 und sich zu den Augen nnd Fühlern begeben. o. Die Augen aufihren kurzen Stielen. p. Die Fühler des Mantelumschlags, einige bedeutend vösser als die andern. g. Die Fühlerchen des Mantelsaumes. s. Der Bei. in dem der Randnery verläuft. x. Die Längsmuskeln, welche nahe dem Mantelumschlag sich bilden, während der obere Theil des Mantels häulig ist. v Die Quermuskeln im Mantelsaum. Fig. 3. Allgemeine Uebersicht des Nervensystems. g. Der zwei- hälftige Mangili’sche Knoten, er lieg! zwischen Mund und Fuss, an der Basis des letzteren, und ist für die Eingeweide bestimmt. A. Das Ganglion an der Basis der Tentakelblättchen, aus welchem entspringen: A‘. Nervenfäden für die Tentakelblättchen und den vor- dern Theil des Mantels. A. Der Schlundring. i. Zwei lange Ver- bindungsläden, welche den Fuss und Eingeweidesack wie eine Schlinge umgeben und die Ganglien A mit dem Ganglion principale in Ver- bindung setzen. k. Das grosse Ganglion principale mitten auf dem Schalenschliesser gelegen und dreitheilig. /. Seitlich heraustretende Mantelnerven. 7. Nery für die Kiemen. /. Nerven die nach hinten über den genannten Muskel zum After und der hintern Mantelpartie herabsteigen und besonders den Muskel versorgen. Ueber das Menstrualblut. Von Dr. Gruze, Privat-Docenten in Königsberg. Vor Kurzem hatte ich Gelegenheit Menstrualblut zu unter- suchen, welches bei Atresie des Hymens lange Zeit im Orga- nismus zurückgehalten war. Die Quantität, die mir zugesen- det wurde und die ich unmittelbar nach der Operation der mikroskopischen Untersuchung unterwarf, betrug etwa 12 bis 44 Unzen. Es hatte das Blut eine schmutzig braunrothe Farbe und Syrups-Consistenz, haftete am Finger, zog lange Faden und war vollkommen geruchlos. Unter dem Mikroskope zeig- ten sich die Blutkörperchen fast sämmtlich in ihrer Gestalt zerstört, wie zerbröckelt, nicht unähnlieh den Körnchen, wel- che sich im Eiter finden, der längere Zeit der atmosphärischen Luft ausgesetzt, oder in Abscess-Höhlen zurückgehalten gewe- sen; nur an einzelnen wenigen erkannte man noch die An- deutung der ursprünglichen Form. Die Flüssigkeit, in der sie schwammen, war vollkommen gleichmässig durchsichtig, gleich- viel ob der unter das Mikroskop gebrachte Tropfen mit Zuk- kerauflösung verdünnt war oder nicht. Es wurde nun ein Theil des Bluts anhaltend mit einem rauhen Filzstäbchen ge- schlagen, wodurch keine dem unbewaflneten Auge sichtbare 37 Veränderung desselben eintrat; eben so wenig haftete an dem Stäbehen auch nur eine Spur von Faserstoff. Unter dem Mi- kroskope aber zeigte das geschlagene Blut insofern sich ver- ändert, als in dem Blutserum durchsichtige zarte Lamellen in grosser Menge erkannt werden konnten, die ich für die ge- ringe Quantität im Menstrualblute enthaltenen und durch das Schlagen coagulirten Faserstofls halten zu müssen glaubte. Selbst mit einer grösseren Quantität Wasser versetzt und erhitzt, zeigte das Blut seinen überaus grossen Gehalt an Ei- weisstoff. Beides, sowohl das geschlagene als auch das nicht geschlagene Blut wurden bei einer Temperatur von +18°R. aufbewahrt. Nach 44 Tagen zeigte sich noch nicht die ge- ringste Veränderung; es war weder coagulirt, noch entdeckte man durch den Geruch Spuren der beginnenden Fäulniss, die sich erst gegen den 18ten Tag hin einstellte, nachdem das Blut 4 Tage lang in offenem Gefässe den Sonnenstrahlen ausgesetzt worden war. Ueber den Bau der Macula lutea des menschlichen Auges. Von Dr. Gruze, Privat-Docent in Königsberg. (Hierzu Taf. III. Fig. 4.) Der gelbe Fleck liegt im menschlichen Auge an derjenigen Stelle der Netzhaut, welche dem hintersten Punkte der Augen- axe entspricht, ist also der einzige Ort der Netzhaut, an wel- chem das Auge vollkommen deutlich (bei directem Sehen) die auf ihr sich darstellenden Bildchen pereipirt, während die übri- ge Fläche der Retina dem bekanntlich nur sehr unvollkomme- nen indirecten Sehen dient. Ueber die Structur des gelben Flecks, der so sehr viel zarter ist als die übrige Netzhaut, dass man ihn wegen seiner leichten Verletzbarkeit lange Zeit für durchbohrt hielt, ist mir nichts Ausführliches bekannt. Ich habe ihn zum öfteren und zwar an möglichst frischen Au- gen mikroskopisch bei einer Vergrösserung von 300 Malen untersucht, konnte aber nicht zu einem entschiedenen Resul- tat kommen, und fand überhaupt die Structur der Netzhaut beim menschlichen Auge viel undeutlicher erkennbar, als die der Augen frisch getödteter Thiere. Diese Unbestimmtheit des Objeets glaubte ich auf die frühe im Auge eintretende Ver- wesung schieben zu dürfen, da auch bei Thieren, die schon 39 zwei Tage todt gewesen, die Bildung der Netzhaut sich nicht mehr mit Deutlichkeit erkennen liess. Es ist das Auge ent- schieden derjenige Theil des Körpers, an dem sich zuerst Spu- ren der beginnenden Verwesung zeigen, die Hornhaut bekommt wenige Stunden nach dem Tode ein gefälteltes Ansehen und das Auge sieht aus, als ob es einen grossen Theil seiner Feuch- tigkeiten eingebüsst hälte. Vor Kurzem hatte ich durch die Güte des Herrn Medi- zinal-Rath v. Treyden Gelegenheit, das Auge eines Men- schen zu untersuchen, der an einer Ruptur der Milz vor we- nigen Stunden erst gestorben war; die Resultate dieser Un- tersuchung waren so entscheidend, dass ich selbst aufs höchste dadurch überrascht wurde. Die Netzhaut adhärirte so fest am Glaskörper, dass der letzte nur durch vorsichtige Schnitte mit der Scheere zum grösseren Theile wenigstens entfernt werden konnte, während sich bekanntlich bald nach dem Tode zwischen Retina und Hyaloidea eine Flüssigkeit ansammelt, die die Entfernung des Glaskörpers von der Netzhaut aufs leichteste möglich macht. Schon dem blossen Auge war es leicht erkennbar, dass die Stelle des gelben Flecks sich nicht unbedeutend über der Ober- fläche der Netzhaut kegelförmig erhob. Die Grösse dieser Er- hebung konnte ich nicht genau messen, indessen musste ich bei einer Vergrösserung von 300 Mal in der Linie etwa einen ganzen Schraubengang an der Mikrometer Schraube meines Mi- kroskops machen, um abwechselnd den höchsten Punkt des gelben Flecks und die darunter liegende Fläche der Retina in den Focus zu bringen. Um das Objeet so wenig als möglich in seiner Integrität zu verletzen, comprimirte ich es nicht stark, sondern legte nur ein etwa 4[]” grosses, überaus dünnes Glastäfelchen auf das- selbe, um die kegelförmige Erhöhung zu ebenen. Das Ansc- hen, das der gelbe Fleck nun zeigte, liess sich am ehesten mit dem Chagrin vergleichen, dessen man sich als Ueberzug von Futteral- Arbeiten früher häufig bediente, Länglich runde 40 Körperchen, die nach der Mitte hin immer kleiner werden, und hier etwa nur +—+ der Grösse von den Markkörperchen auf der übrigen Fläche der Netzhaut hatten, setzen mit einer grossen Regelmässigkeit angeordnet sie zusammen. Sie gehen wie Radien nach der Peripherie des gelben Flecks hin, wer- den hier grösser, zugleich aber auch in ihren Umrissen we- niger deutlich bestimmt und an sie reihen sich die Markkü- gelchen der übrigen Netzhaut in einem allmähligen Uebergange an. Diese Uebergangsstelle (der Umfang des gelben Flecks) ist nicht kreisrund, vielmehr strahlen die Markkügelchen der letzten wie sternförmig an einzelnen Stellen weiter aus, die nicht in regelmässig wiederkehrenden Entfernungen von ein- ander liegen. Eine genaue Messung konnte ich nicht an- stellen. Ich hatte Gelegenheit diese Beobachtung dem Herrn Ge- neral-Arzt Dr. Linden zu zeigen, der sich von der beschrie- benen Bildung aufs vollkommenste überzeugt zu haben versi- chert, — sie scheint mir insofern von einiger Wichtigkeit, als sie uns den Weg zu einer einfachen, mechanischen Erklärung des Phänomens zeigt, dass nur eine Stelle der Netzhaut, die nämlich, welche dem hintersten Ende der Augenaxe ent- spricht, deutlich zu sehen vermöge. Die beigefügte Figur zeigt den grössten Theil des gelben Flecks; bei a liegt seine Mitte, 85 sind Stellen des Umfangs, e zeigt die Struelur der Markkörperchen an den übrigen Stel- len der Netzhaut. Ucber die männlichen Geschlechtstheile der Rochen und Haien. Von Dr. Hermanns Srannıus, Professor zu Rostock. UÜever den Bau der männlichen Geschlechtstheile der Rochen und Haien haben Cuvier (Vgl. Anatomie übers. von J. F. Meckel. Th. 4. S. 414.), G. R. Tiedemann (in Tiedemann u. Treviranus Zeitschr. für Physiologie Th. 2. Heft1. S. 6.) und J. Müller (Tiedemann u. Treviranus Zeitschr. Bd. 4. 5..106.) Beobachtungen mitgetheilt. In letztgenannter Abhandlung erklärte sich Müller dahin, dass bei den Rochen und bei den Haien der bisher sogenannte Nebenhode, an dem noch Niemand eine Verbindung mit dem eigentlichen Hoden nachweisen konnte, eine Drüse eigenthüm- licher Art sei. Spätere Untersuchungen haben diesen Forscher zu einem anderen Resultate geführt: „Die Verbindung der Hoden und sogenannten Nebenhoden der Plagiostomen durch Vasa eflerentia der Hoden hat bis jetzt nicht ermiltelt werden können. Weder Treviranus noch ich selbst konnten bei Haifischen und Rochen Verbindungskanäle zwischen den Ho- denkörnchen und den gewundenen Kanälen des Nebenhodens aufinden. Unter diesen Umständen blieb es zweifelhaft, ob der Saame aus dem Hoden in die sogenannten Nebenhoden 42 übergehe, oder, wie Rathke bei Petromyzon und dem Aal zeigte, in die Bauchhöhle zunächst gelangt und durch die Bauch- öffnungen ausgeleert wird, der sogenannte Nebenhode der Pla- giostomen aber eine besondere Drüse ist. Durch neuere Un- tersuchungen an manchen sehr wohl erhaltenen Zitterrochen und Haifischen bin ich endlich so glücklich gewesen, sehr feine Vasa efferentia aus dem Hoden in den Nebenhoden zu finden, welche sich dort unzweifelhaft mit dem feinen Theil der ge- wundenen Kanäle des Nebenhodens verbinden; indess mag wohl in den vielen Windungen des Nebenhodens auch ein eigener Saft abgesondert werden (s. dieses Archiv. Jahrgang 1836. LXXAIX.).* Wird nun schon hierdurch die Bedeutung der beiden zum männlichen Geschlechtsapparate gehörigen Drüsen aufgeklärt, so wird sie es eben so sehr durch eine von mir im Monate Juli des Jahres 1838 angestellte Beobachtung über ihr Con- tentum. Bekanntlich besteht die Substanz der Hoden bei den Ro- chen und Haien aus lauter beerenförmigen, theils locker, theils enger, mittelst einer weissen Zwischenmasse verbundenen Kör- perchen von graulicher Farbe. Diese beerenförmigen Körper- chen haben die Grösse kleinerer Johannisbeeren. Jedes besitzt einen mittleren nabelförmigen Eindruck. Auf diesen Körper- chen verzweigen sich die Gefässe gitterförmig, so dass sie schon äusserlich in einer Menge kleinerer, mehr oder minder rund- licher Abtheilungen zerfallen. Jeder beerenförmige Körper be- steht nur aus einer äusseren Haut und einem körnigen Inhalte. Alle diese Verhältnisse sind schon sehr schön erläutert in einer von Müller gegebenen Abbildung (s. De glandularum secer- nentium structura penitiori. Lips. 1830. Fol. Tab. XV. Fig. 8.). Bei mikroskopischer Untersuchung zeigten sich mir die Körner als kleine runde Kügelchen oder vielmehr Capseln. Diese Capseln enthalten radienartig gelagerte Massen von Spermato- zoen. Im Centrum der Kugel sind die einzelnen Faden spi-- valförmig oder schraubenförmig aufgerollt, zerfallen aber nach 43 der Peripherie der Kugel hin in Büschel. Ich konnte mit Leichtigkeit diese fadenförmigen Spermatozoen aus der leer zurückbleibenden durchscheinenden Kapsel entfernen, habe aber nie eine Bewegung an ihnen beobachtet. Dieselben Spermatozoen finden sich nun frei und beweg- lich in den gewundenen Kanälen und in der blasenförmigen Anschwellung des Nebenhodens wieder. Das Contentum meh- rerer Stellen dieses Organs ist von mir untersucht worden. Die blasenförmige Anschwellung enthielt einen grünlichen, dieken, schleimigen Saft, weiter aufwärts war er graulich- weiss oder weisslich. In diesem Safte fanden sich 1) sehr viele kleine runde Körnchen mit lebhafter Molecularbewegung, und 2) sehr feine und dünne, haar- oder fadenförmige Sper- matozoen. Jedes dieser fadenförmigen Körperchen bildete, bald in der Nähe seiner Endspitze, bald mehr nach der Mitte zu eine Oese oder Schlinge. Seine Bewegungen bestanden fast nur in seitlichen Oscillationen. So verhielt es sich bei einem Männchen von Squalus acanthias und einem von Raja aquila. Genügende Abbildungen und Messungen kann ich nicht beibringen, da ich im Juli 1838 nur einmal, als mir gegen Abend jene lebenden Thiere gebracht wurden, zu ihrer Un- tersuchung Gelegenheit halte. Da die Hoffnung, im Laufe dieses Sommers lebende Rochen und Haien zur Zergliederung zu erhalten, nicht in Erfüllung gegangen ist, übergebe ich.diese Notiz als Anhaltspunkt für fernere Beobachtungen der Ocf- fentlichkeit °). *) Aehnliche Beobachtungen von John Davy sind in dessen Werk: Researches’physiological and anatomical. London. 1839, Vol. Il. p- 436. mitgetheilt. Anmerk. d. Herausgebers. Ueber den physiologischen Nutzen der Fettstoffe und über eine neue auf deren Mitwirkung begründete und durch mehrere neue Thatsachen unterstützte Theorie der Zellenbildung *). Von Dr. Ascuerson. Indem ich vorliegende Abhandlung der Akademie: überreiche, fühle ich wohl, welche Vorurtheile die Ankündigung einer neuen Theorie durch einen Unbekannten hervorzurufen geeig- net ist, Ich hoffe indessen dass die Wahl meines Gegenstandes sie neutralisiren und mir eine unbefangene Prüfung verschaffen wird. Schon seit langer Zeit sind unsere allgemeinen physio- logischen Kenntnisse in Beziehung auf das Feit nur wenig vor- geschritten, obgleich in chemischer und anatomischer Hinsicht schöne Entdeckungen gemacht worden sind, und durch einen jener bekannten Scherze des Zufalls scheint ein Körper, der im lebenden Organismus der treue Gefährte der Unthätigkeit zu sein pflegt, sich fast allein der grossen Thäligkeit entzogen zu haben, die die neuere Physiologie zu so einem hohen Grade von Vollkommenheit geführt hat. Meiner Meinung nach ist es immer ein kleines Verdienst, eine solche Stockung zu heben, *) Wörtliche Uebersetzung einer am 12. November 1838 der Pa- siser Akademie der Wissenschaften überreichten Abhandlung. 45 und sollte ich auch in dem Folgenden wesentliche Irrthümer mittheilen, so hofle ich dass selbst ihre Widerlegung zu nütz- lichen Forschungen führen wird. Die Fetistoffe haben durch ihre constante Gegenwart in den Eiern der Thiere und Pflanzen schon lange. meine Auf- ‚merksamkeit auf sich gezogen. Ich konnte mich des Gedan- kens nicht erwehren, dass unsere physiologischen Handbücher, die ihnen höchstens den Nutzen beilegen, durch ihre Rück- kehr in den Kreislauf als ein Nährstoff zu dienen, keinen be- friedigenden Aufschluss über den Zweck geben, zu welchem wohl die Keime vielleicht aller Organismen mit einer Sub- stanz ausgestattet sind, die, stickstoflfrei und nicht gerinnbar, nicht in ihre Structur eingehen zu können scheint, ohne wich- tige Veränderungen zu erleiden. Warum, sagte ich mir, hat die Natur, die mit so vieler Sorgfalt jedem werdenden Ge- schöpfe seine erste Nahrung bereitet und die immer auf die einfachste Weise zu Werke gehet, wenn die Feltstofle nur dazu bestimmt sind in Eiweiss- oder Faserstoff u. dgl. umge- wandelt zu werden, es nicht vorgezogen diese Stoffe fertig gebildet von dem mütterlichen Organismus hergeben zu lassen? Diese und ähnliche Gedanken veranlassten mich zunächst die Art und Weise zu untersuchen, wie sich das Fett in dem Organismus verhält. Durch die mikroskopische Untersuchung von kleinen durchsichtigen Thieren, von grösseren thierischen Feltmassen und von Pflanzensaamen fand ich, dass das Felt sich überall im Zustande einer Emulsion vorfindet, d. h. in kleinen Tröpfehen von 75— »!, Millim. und noch kleiner, die in einer durchsichtigen wässrigen Flüssigkeit suspendirt sind. Die kleinsten dieser Tröpfchen erreichen die Dimensionen der Brown’schen Moleculen. Sie haben auch Moleeularbewegung und lassen so wenig Licht durch, dass die aus ihnen gebil- deten Massen, wie z. B. der Fettkörper der Insecten, fast un- durchsichtig erscheinen. In den kleinen mikroskopischen Crustaccen gewährt das Felt durch die Kugelform seiner Tröpfchen und durch seine 46: oft sehr lebhafte Färbung, einen sehr zierlichen Anblick. So ist es in den Daphnien, Cyelopen u. s. w. oft scharlachroth, und Swammerdam, der diese Fetiropfen für die Eier ge- halten hat, schreibt diesen nicht mit Unrecht die rothe Farbe dieser Thiere zu, welche bekanntlich öfter zu der Sage von einem Blutregen Veranlassung gegeben hat. Bei den blassen Individuen, wie sie z.B. Strauss beobachtet zu haben scheint (Mem. du Musee T. V. et. VI.), ist das Fett fast farblos. In einzelnen Exemplaren von Cyelops quadricornis fand ich drei- farbiges Fett, nämlich wasserhelles, tief orangenfarbenes fast rothes, und dunkel berlinerblaues. Da die beiden letztern Far- ben complementär sind, so halte ich es nicht für überflüssig zu bemerken, dass hier ganz gewiss keine optische Täuschung stattfand. Auffallend ist es, dass diese Felttropfen, die doch frei in einer durchsichtigen Flüssigkeit schwimmen, während der heftigsten Bewegungen des Thiers und seiner Organe ihre Stelle nur wenig ändern, was zu der Vermuthung führt, dass sie in durchsichtige Behälter noch besonders eingeschlossen sind. In der sehr durchsichtigen Larve eines Chironomus, die ich unter Wasser hielt, und die sich kleine Zellen aus den Wurzeln von Lenma bauet, salı ich das Fett unter der Haut‘ in grosse flache unregelmässige Zellen, die wie die Länder- gränzen auf einer Karte aussehen, eingeschlossen. Die Tro- pfen waren einzeln und durch grosse, ziemlich gleiche Zwi- schenräume von einander gesondert. Es fanden sich immer einige Zellen, in denen sie sehr zierlich in Gruppen von drei bis fünf Tröpfchen geordnet waren. So lange das Thier un- verletzt ist, bleiben die Fetttröpfchen völlig unbeweglich, so wie aber die Fettzelle durch einen Druck auf das Thier zer- vissen wird; so setzen sie sich sogleich in Bewegung (‘wie bei den Crustaceen) und schwimmen fort, indem immer einige ihre Kugelform verlieren und sich abplalten. Wenn ich die Feitmassen von grösseren wirbellosen und Wirbelthieren mit dem Compressorium behandelte, erhielt ich immer Oeltröpfehen, die sich dem beschriebenen völlig ähnlich zeigten. Ich meine 47 sie auch, wie Leeuwenhoek und Raspail, im Innern der bekannten Feitzellen der Wirbelthiere wahrgenommen zu ha- ben, doch habe ich über diesen Punkt noch nicht zur Ge- wissheit kommen können. Unter besonderen Bedingungen, die ich jedoch noch nicht ermitteln konnte, verwandelt sich das Fett der Wirbelthiere oft in weniger als 24 Stunden durch Maceralion in. eine kry- stallinische Masse, vermuthlieh in Leichenfett. Vor Kurzem fand ieh, dass. die Sporidiolen der Pilze, kleine Kügelchen, die man: schon lange in den Sporen der Hellvellaceen kennt, und die ich so wie mehrere andere Be- obachter in den Sporen der Mehrzahl der Pilze gefunden habe, nichts als Oeltropfen sind (s. Poggendorff’s Annalen Bd. 44. S. 639 ff). Wenn man die Sporen einer Peziza, z. B. von P. Macropus, zwischen zwei Glasplatten comprimirt, so sieht man die Sporidiolen in: kleinere Kügelchen zertheilt darcl eine Spalte ohne Rückstand entweichen, was offenbar beweist, dass es Tropfen einer frei schwimmenden Flüssigkeit sind. Da ich: mich: selion seit einigen’ Jahren damit beschäftigt habe, die Entwiekelung mehrerer Pilzarten zu beobachten, so habe ich öfters wahrgenommen, dass sowohl: die Sporidiolen als die Sporen selbst durch Verschmelzung von: kleineren: Kügelchen oder Tröpfehen entstehen, mit denen die Schläuche in einem frühen Zeitraume angefüllt sind. Mehreremale habe ich selbst gesehen, dass die Sporidiolen oder Oeltropfen sich schon in regelmässigen Gruppen ordnen, ehe man eine-Spur‘ der-Sporen selbst bemerken kann. Diese Beobaehtungen und andere, die ich aus Mangel an Raum übergehe, haben mir die Ueberzeu- gung verschaflt, dass das Oel oder Fett, olıne einer Zersetzung unterworfew zu sein, dennoch eine bedeutende Rolle in der “ Entwickelumgsgeschichte' der Pilze spielen: muss, einer: Pflan- zenfamilie, deren chemische Zusammensetzung bekanntlieh sie den Thieren schr nahe stellt. Ein solches Resultat veranlasste mich, meine Untersuchun- gen weiler auszudehnen und zu versuchen, ob es mir gelingen 48 würde, dem Fette einen ähnlichen Antheil bei der ersten Ent- wickelung der Thiere zu vindieiren. Eine neue und wichlige Entdeckung hatte eben das Interesse für diese Untersuchung wo möglich erhöhet. Während die berühmtesten Physiologen darüber einverstanden zu sein schienen, dass das Urgewebe der Thiere aus kleinen Körnchen oder soliden Kügelchen bestehe, eine Meinung, die u. A. auch Valentin in seiner Preisschrift vertheidigt zu haben scheint (s. dessen Handbuch. d. Entwicke- lungsgesch.), hatte es Schwann, einer der ausgezeichnetsten Beobachter unserer Wissenschaft, geradezu ausgesprochen, dass die verschiedenen Lagen der Keimhaut aus Zellen bestehen, und dass die Zellgewebefasern, die Muskeln, die Nerven, die Gefässe, mit einem Worte alle Gewebe des thierischen Kör- pers, nichts als metamorphosirte Zellen sind. Von der Voraussetzung ausgehend, dass die Thatsachen es nie sind, die sich wiedersprechen, sondern alle Discussion von der unvollständigen Wahrnehmung und der abweichenden Deutung derselben herrührt, bemühte ich mich neue Facta aufzufinden, die im Stande wären, die Beziehungen zwischen den Kügelchen, die v. Baer, Carus, Valentin u. A. beob- achtet haben, und zwischen den Zellen Schwann’s aufzu- klären. Valentin erwähnt in dem citirten Buche mehrere Arten von Kügelchen, jedoch ohne eine genauere Beschreibung zu geben, die auch vielleicht ohne Abbildungen doch nicht hin- reichend gewesen sein würde. Um daher von einer beslimm- ten Grundlage auszugehen, habe ich die Kügelchen des Eis untersucht, die von Valentin genau genug bezeichnet sind, und die mir auch hinreichende Diflerenzen darzubieten schie- nen, um die Frage zu entscheiden. Ich glaubte mir die schwie- rige und mühsame Untersuchung des Embryos ersparen zu können, wenn es mir gelänge, schon in dem unbefruchteten Eie sowohl Zellen als die Gebilde oder Stoffe, aus denen sie entstehen, aufzufinden. In den Eiern der Haupiklassen des Thierreichs konnte ich folgende Arten von Kügelchen unterscheiden. 49 4) deutlich erkennbare, oft gefärbte Oeltropfen, die sich in grosser Menge in ‚dem Dotter der eierlegenden Thiere, ein- zeln in der Flüssigkeit des Graaf”’schen Bläschens vorfinden. Eine Entdeckung, die ich später am gehörigen Orte mittheilen werde, gab mir erst über das ‘seltsame Aussehen Rechenschaft, welches einige von diesen Tropfen darbieten. Sie sind keines- weges immer sphärisch geformt, man findet sie oval, birnför- mig u. s. w., so z. B. in dem Dotter der Hühnereier, und ihre matte Oberfläche, die zuweilen sogar mit einigen Fältchen besetzt ist, beweist, dass sie von einer Haut umgeben sind. Mitunter bemerkt man in ihnen blasse schattirte Kreise, die wie Höhlungen aussehen, was ihnen eine auflallende Achn- lichkeit mit den polygastrischen Infusorien giebt. In andern Fällen sieht man sie so dicht mit ganz kleinen Kügelchen be- setzt, dass sie davon fast undurchsichtig werden. 2) Körperchen, die mit sehr kleinen Körnchen besetzt sind und die grösste Aehnlichkeit mit den Eiterkügelchen ha- ben. Sie sind wie diese von einer eiwas unregelmässigen, der Kugelform sich nähernden Gestalt. Diese Körperchen bilden unter andern die Keimscheibe des Säugethiereies, und scheinen die innere Fläche des Follieulus zu überziehen, Ich habe sie beim Menschen, dem Rinde und dem Schafe gefunden. Wenn man die unregelmässigen aus diesen Körperchen bestehenden Lap- pen, die in der Flüssigkeit des Follikels frei umherschwimmen, slark comprimirt, so tritt eine beträchtliche Menge flüssigen Fettes daraus hervor. Ich finde nicht, dass schon Jemand die Bemerkung gemacht hätte, dass die Ovarien der jungen Vögel und Säugethiere so viele von diesen Körperchen enthalten, dass sie fast ganz daraus zu bestehen scheinen, und dass sie sich unter dem Compressorium wie ein mit Felt getränkter Schwamm verhalten. Diese granulirten Körperchen sind offenbar Zellen, wie die Körperchen des Eiters, des Schleims u. s. w. (Pri- mitivzellen nach Henle), und werden wie diese meistens von verdünnter Essigsäure mit Hinterlassung eines oder mehrerer Blüller's Arehir. 1840. 4 50 Kerne aufgelöst. Ohne Zwafel sind dies die Zellen, die Schwann in den Schichten der Keimhaut gefunden hat. 3) Die kleinsten Kügelchen im Ei sind, so weit ihre Ge- stalt noch durchs Mikroskop erkannt werden kann, vollkom- men kugelförmig. Sie zeigen einen scharfen schwarzen Rand und eine durchsichtige Scheibe, mit einem Worte die voll- kommenste Achnliehkeit mit den Oeltröpfehen von Moleeulär- grösse, die man beobachtet, wenn man eine kleine Spinne oder eine kleine Raupe u. d. m. unter dem Mikroskop eomprimirt. Sie erscheinen immer früher im Ei als die früher beschriebe- nen Kügelchen. Die Eier der wirbellosen Thiere und die Vo- geleier im Anfange ihrer Entwicklung sind bis zur Undurch- sichtigkeit mit ihnen angefüllt. Sie finden sich auch in den jungen Eiern (oder Follikeln?) der Säugethiere, und ich glaube sie auch im Innern völlig ausgebildeter Eier des Menschen und anderer Sängeihiere wahrgenommen zu haben. Der Dotter des Hühnereis besteht zum grossen Theile aus diesen Kügel- chen. (Man findet in den Eiern noch eine vierte Art von Körperchen, die selbst bei starker Vergrösserung kaum sicht- bar sind, und die besonders durch ihre blassen Umrisse sich von den eben beschriebenen Körperchen zu unterscheiden scheinen. Ich werde sie noch an einem andern Orte er- wähnen,) Es ist unbegreiflich, weshalb wohl die Physiologen fast einstimmig diesen moleeulären Kügelehen und den Feltropfen, die man in den Eiern findet, eine ganz verschiedene Natur zuschreiben. Coste scheint der Einzige zu sein, der eine ge- wisse Aehnlichkeit zwischen den moleeulären Kügelchen im Säugethiere und den Fetitropfen des Dotters geahnt hat, auch tadelt ihn Valentin deshalb (Handb. der Entwickelungsgesch. S. 4.). Und gleichwohl scheint es die natürlichste und ein- fachste Vorausseizung zu sein, sie für Oeltropfen zu halten. Ihre vollkommne Kugelgestalt, die natürliche Form eines Tro- pfens der von einer heterogenen Flüssigkeit umgeben ist, ihre vollkommene Achnlichkeit mit den kleinsten Fetttröpfcehen der 5i Thiere und Pflanzen und mit den Sporidiolen der Pilze, die Uebergänge an Grösse und Färbung, die man, besonders in den Eiern wirbelloser Thiere, leicht zwischen den unverkenn- baren Oeliropfen und diesen Moleculen wahrnimmt, alles trägt dazu bei die oben ausgesprochene Meinung zu bestätigen, die m.E. durch die nachfolgenden Versuche bewiesen wird. Ich habe sie an den Eiern ganz junger Hühner angestellt, um die Moleeulen mehr isolirt zu haben. 41) Der Alkohol bringt den Eiweissstoff der Eier zum Ge- rinnen, lässt aber die Moleculen völlig flüssig, so dass sie bei starkem Drucke fast vollständig eniweichen. 2) Diese ausgepressten Kügelehen verschwinden im Schwe- feläther ganz oder doch fast vollständig. 3) Die abwechselnde Maceration und Compression scheint die Kügelchen zu grössern zu vereinigen, doch ist dieser Versuch nicht ganz zuverlässig, da diese grösseren Tro- pfen auch von der Substanz des Eierstocks herkommen könnten, die, wie eben angegeben, sehr von Fett durch- drungen ist. Durch die mitgetheilten Thatsachen scheint mir der Be- weis geführt, dass die Moleculen im Eie Oeltröpfchen sind und da ihre Entstehung der Bildung der übrigen Körperchen im Eie, und namentlich der der Zellen vorhergehet, so ist die Voraussetzung nicht unwahrscheinlich, dass das Oel bei der Bildung der Zellen eine eben so wesentliche Bedingung sei, als nach meinen Beobachtungen die Oeltropfen, die man bis- her Sporidiolen genannt hat, zur Bildung der Pilzsporen, die auch einfache Zellen sind, wesentlich beizutragen scheinen. Indem ich darüber nachsann, auf welche Weise die ge- nannte Flüssigkeit wohl wirken könnte, fand ich es nöthig, die Theorieen der Zellenbildung einer Prüfung zu unterwerfen. Ich war dabei gezwungen, mich an die Theorie der Pflanzen- zellen zu halten, da die thierischen Zellen erst kürzlich ent- deckt worden sind, und daher noch einer Theorie ihrer Bildung entbehren. 4° 52 Es giebt eigentlich nur zwei Theorieen, um die Entwicke- lung von Zellen oder Bläschen aus einer Flüssigkeit zu erklären. Die eine nimmt an, dass feste Kügelchen hohl wer- den und sich ausdehnen. Dies ist wohl begreiflich, allein es bleibt dann immer noch die Bildung dieser elementaren Kü- gelchen zu erklären. Die zweite Theorie nimmt an, dass die gerinnbare Substanz, die im Innern eines kugelförmigen Tropfens enthalten ist, indem sie an der Oberfläche desselben gerinnt, eine blasenförmige Membran bildet, welche die übri- gen Flüssigkeiten einschliesst. Diese Theorie würde völlig be- friedigend sein, wenn sie nur begreiflich machte, auf welche Art ohne eine vis occulta ein Tropfen sich mitten in einer homogenen Flüssigkeit, oder in Berührung mit festen Körpern, die von derselben Flüssigkeit getränkt sind, hinlänglich isoliren kann, um die Kugelgestalt anzunehmen. Diese Theorie gab mir eine dritte ein, die alle Schwierig- keiten zu heben scheint. Denkt man sich mitten in einer ge- rinnbaren Flüssigkeit, z. B. in flüssigem Eiweissstoff, einen Tropfen einer heterogenen Flüssigkeit, z. B. einen Oeltropfen, und dass der Eiweisstoff aus irgend einer Ursache an der Be- rührungsstelle gerinnt, so muss sich nolhwendig um diesen kugelförmigen Kern ein Bläschen bilden, welches einmal ge- bildet dann seinen Inhalt durch Exosmose und Endosmose leicht verändern kann. (Es kömmt natürlich hier nur darauf an, die erste Bildung einer Zelle zu begreifen, um die fernere Metamorphose derselben zu erklären, kann man wohl zu jenen Bildungskräften seine Zuflucht nehmen, welche bei der Erklä- rung organischer Vorgänge ganz entbehren zu wollen, keinem Vernünftigen beifallen wird.) Ich war überrascht von der Einfachheit einer Theorie, die die Bildung der Zellen mit Hülfe zweier Substanzen, die sich überall vorfinden, nach physicalischen Gesetzen genügend erklärt, und zugleich den Fetistoffen eine unentbehrliche Fun- clion zuschreibt, die sehr wohl geeignet ist ihre constante An- wesenheit in den Keimen organischer Wesen begreiflich zu 53 machen. Um diese Theorie durch den Versuch zu bestätigen, bemühte ich mich ein Mittel aufzufinden, um die vorausge- seizte Gerinnung des Eiweissstofles wirklich hervorzurufen, und machte, mit einem Vergnügen das man sich leicht denken kann, die wichtige Entdeckung: dass eine Gerinnung in Form einerMembran unvermeidlich und augenblick- lich erfolgt, sobald Eiweissstoff mit einem flüssigen Fette in Berührung tritt, und dass folglich ein Oeltro- pfen nicht einen Augenblick von einer eiweisshaltigen Flüssig- keit umgeben sein kann, ohne dass sich um denselben eine bläschenförmige Membran oder eine Zelle bildet. Ich werde fortan der Kürze wegen diese Eigenschaft, Membranen durch Berührung zu bilden, Hymenogonie, und die so entstandene Membran Haptogen-Membran nennen. Die einfachste Art diese interessante Erscheinung hervor- zubringen ist, dass man einen Tropfen frisches Hühnereiweiss und einen Tropfen Olivenöl dicht neben einander auf eine Glasplatte bringt und ihre Ränder vereinigt. Nach hydrosta- tischen Geselzen überzieht das Oel das Eiweiss mit einer dün- nen Schicht, und die Folge ist die fast augenblickliche Bildung einer zarten und elastischen Haut, die sich durch eine Art von Contraetion sehr bald in zahlreiche, oft sehr zierliche Fal- ten legt. Oder man bedeckt Eiweiss, welches mit dem glei- ehen oder doppelten Volumen destillirten Wassers verdünnt ist, mit einer Schicht eines beliebigen thierischen oder pflanz- lichen Oels, und sucht, indem man mit der flachen Hand auf den Rand des Gefässes schlägt, einen Theil des Oels in kleine Tropfen zertheilt, bis auf eine gewisse Tiefe in das Eiweiss einzudrängen. Die absteigende Bewegung der Oeltropfen dauert nur einen Augenblick, aber auch dieser Augenblick ist schon hinreichend, sie mit einer Membran zu umgeben und wahre Zellen zu bilden. Die Existenz der Membran wird durclı die oft sehr seltsame Form der künstlichen Zellen nachgewiesen, denn sie verhindert die Oeltropfen die Kugelform wieder an- zunehmen, die sie verloren haben, indem sie sich gewallsam 54 in eine zähe Flüssigkeit eindrängten, und sie sind um so un- regelmässiger gestaltet, je consistenter die Flüssigkeit und je dieker die Haptogen-Membran ist. Sie haben die Form einer Wurst, einer Birne, Spindel, Keule u. s. w., und es ist eine seltsame Thatsache, die ich nicht zu erklären weiss, dass die Zellen oft zu weit sind, so dass man ihre Falten mit unbe- waffnetem Auge, oder wenigstens mit Hülfe einer. schwachen Lupz sehen kann. Ich habe oben bereits angegeben, dass ieh in dem Dotter des Vogeleis und in dem Graaf’schen Follikel ölgefüllte Zellen gefunden habe, die dieselben Anomalien der Form darboten. ' Um die Eigenschaften der Haptogen-Membran zu unter- suchen, muss man einige Tropfen Oel mit verdünntem Ei- weiss oder Blutserum schütteln und einen kleinen Tropfen die- ser Flüssigkeit, erst unbedeckt und dann zwischen zwei Glas- platten, unter dem Mikroskop beobachten. Der grösseren Deut- lichkeit wegen kann man sich eines gefärbten Oels bedienen, z.B. eines mit Alcanna digerirten. Die durch Berührung von Oel und Eiweiss gebildete Membran ist von einer überraschen- den Zähigkeit und Elastieität. Man kann oft die künstlichen Zellen so ‘stark pressen, dass ihr Umfang um das Vierfache zunimmt, gerade wie dies Fontana und Della Torre an den Blutkügelchen beobachtet haben, die überhaupt eine auf- fallende Aehnlichkeit mit den künstlichen Zellen zeigen. Man kann auch, indem man die obere Glasplatte fortschiebt, die grossen plattgedrückten Zellen, ohne sie zu zerreissen, drei bis vier Mal um ihre Axe umwälzen, und die Membran ver- hindert das enthaltene Fluidum nicht, sieh fast eben so leicht nach allen begegnenden Hindernissen zu formen, als wenn es ganz frei wäre. Oefters gelang es eine Zelle zu theilen, un- gefähr so wie man eine Glasröhre vor der Lampe theilt, und die in eine dünne Röhre ausgezogene Membran schloss sich an der Trennungsstelle in einer Spitze, ohne das Geringste der Flüssigkeit austreten zu lassen. Diese Art der Theilung muss beim Schütteln der Zellen in einer Flüssigkeit oft stattfinden, 35 da man immer eine Anzalıl künstlicher Zellen findel, die in eine Spitze enden. Es lässt sich wohl nicht bezweifeln, dass die Hymenogo- vie eben so unter dem Einflusse des Lebens wirkt, als in dem Probirglase des Chemikers. Die unregelmässigen Zellen, die ich in den Eiern gefunden und die matte Oberfläche und die kleinen Unebenheiten, die ein geübtes Auge oft recht leicht an den Milch- und Dotterkügelchen entdeckt, die grösser als ;; Millim. sind, beweisen die Existenz einer im lebenden Thiere gebildeten Haptogen-Membran. Diese Hant scheint die einzige Ursache der Isolation und sphärischen Gestalt zu sein, welche die Fetttropfen nach meinen Beobachtungen in den Pflanzen und T'hieren zeigen, ferner in der Milch, wo Raspail schon die Existenz einer häutigen, Hülle der Kügel- chen vermuthet hat, und in der künstlichen Milch, den Saa- menemulsionen, Ich habe Oel mit destillirtem Wasser ge- schüttelt und gefunden, dass alle Tropfen, die den hydrosta- tischen Geselzen gehorchen können, die Gestalt einer Linse mit dünnen, sehr durchsichtigen Rändern annehmen, während sie ihre Kugelgestalt und ihre schwarzen Ränder selbst in der grössten Menge Wasser beibehalten, wenn sie vorher Gelegen- heit gehabt haben, sich mit Hülfe von ein wenig Schleim oder Eiweiss mit einer Haptogen-Membran zu umgeben. Man kann diesen sehr bestimmten Unterschied am leichtesten wahrneh- men, wenn man einige Tropfen Oel mit Wasser schüttelt, wel- ches nur wenig Eiweiss enthält. Man kann alsdann noch un- ter den Tröpfehen, deren Durchmesser „ı; Millim. nicht über- steigt, diejenigen, die von einer Membran umgeben sind, und deren Verhältniss mit dem Eiweissgehalt der Flüssigkeit zu- nimmt, von denen, die frei geblieben sind, leicht unterschei- den. Man findet die letzteren am busten, wenn man die Ober- fläche der Flüssigkeit genau in die Brennweite des Mikroskops bringt und das Licht von der Seite einfallen lässt. Die Bil- dung einiger Kügelchen, die sich nicht wieder abplalten, ist vielleicht das feinste Reagens, um im destillirten Wasser die 56 geringste Spur einer organischen Substanz zu entdecken, und ich muss sagen, dass ich bis jetzt noch keines gefunden habe, welches diese Probe vollkommen bestanden hätte. Ich habe sogar Veranlassung zu glauben, dass die geringe organische Beimischung, die das aus den Lungen ausgehauchte Wasser haben mag, schon hinreicht um einige Oelkugeln zu bilden. Die Haptogen-Membran bildet sich natürlich eben sowohl um einen Eiweisstropfen, der von Oel umgeben ist, aber das - Ansehn ist ganz verschieden. Die geringere Brechbarkeit des Eiweisses macht nämlich dass die Stellen, die es einnimmt, leer zu sein scheinen, und deshalb sieht ein Oeltropfen, der kleinere Eiweisstropfen enthält, völlig wie ein polygastrisches Infusionsthier, z. B. eine Vortlicelle, aus. Ich habe schon an- gegeben, dass ich ähnliche Bildungen unter den Dotterkügel- chen beobachtet habe, deren Entstehung sich durch Vorste- hendes leicht erklären lässt, eben so wie die scheinbar leeren Räume in der Substanz, die Dujardin Glu animale genannt, und in dem Leberegel und mehreren Infusorien gefunden hat, und die ich in mehreren mikroskopischen Crustaceen gese- hen. (Bei dieser Gelegenheit sei mir gestattet zu erwähnen, dass ich aus den comprimirten Ovarien der Vögel und Säuge- ihiere eine seltsame Substanz habe austreten sehen, die im Ei selbst völlig flüssig und durchsichtig zu sein scheint, die aber bei ihrem Austreten, besonders in Eiweiss, plötzlich fest und trübe wird, und dadurch Cylinder bildet, die, obgleich viel kürzer, doch eine merkwürdige Achnlichkeit mit jenen darm- ähnlichen Bildungen haben, die Mirbel aus den Pollenkör- nern der Cucurbitaceen beschrieben hat. Mem. de l’Acad. T. XIO. Pl. IX, Fig. 96 a.) Die Hymenogonie scheint einigermassen zwischen allen heterogenen Flüssigkeiten stattzufinden, aber von denen, die ich untersucht habe, sind nur das Eiweiss, das Oel und der Perubalsam im Stande, jedes mit den beiden andern eine deut- liche mit Falten besetzte Membran zu bilden. Es giebt ein sehr leichtes Mittel die Zähigkeit der Haptogen-Membran zu 57 prüfen. Man darf nur die beiden zu untersuchenden Flüssig- keiten auf einer Glasplatte in Berührung bringen, und die Spitze einer Nadel aus der einen Flüssigkeit in die andere fortbewe- gen. Wenn die beiden Flüssigkeiten die Eigenschaft der Hy- menogonie in einem ausgezeichneten Grade besitzen, so lösen sich die kleinen Tropfen, die man auf diese Weise aus der einen Flüssigkeit in die andere bringt, schwer oder gar nicht los und nehmen eine verlängerte und unregelmässige Gestalt an, ist aber die hymenoplastische Beziehung unter ihnen nur schwach, so lösen sich die Tröpfchen leicht und nehmen eine vollkommne Kugelgestalt an. Dies findet z. B. statt, wenn man Gummischleim und Oel anwendet, und beweist zugleich, dass die Zähigkeit der Flüssigkeiten nicht die Ursache der Er- scheinung ist. Im Allgemeinen fordert die Bildung einer deut- lichen Haut auf der Oberfläche zweier in Berührung gesetzter Tropfen einen hohen Grad von Hymenogonie, und es giebt mehrere eiweisshaltige Flüssigkeiten, die sehr schnell und oft selbst ganz unregelmässige Zellen bilden, wenn sie mit Oel vermischt werden, und die gleichwohl nur eine sehr dünne, fast unbemerkbare Membran hervorbringen, deren Bildung über- dies sehr lange dauert. Diese Eigenthümlichkeit, die sich un- ter andern auch bei dem Serum des Menschenblutes vorfindet, hat mir die willknmmene Gelegenheit gegeben, die Entstehung der Haptogen-Membran mit dem Mikroskop zu verfolgen. Nachdem ein Tropfen Serum und ein Tropfen Mandelöl in Berührung gebracht worden waren, sah ich an der Con- tactstelle kleine blasse, kaum sichtbare Partikeln erscheinen, wie man sie überall sieht, wo Infusorien entstehen, oder sonst organische Substanzen sich zersetzen, und wie ich sie auch in den Eiern wahrgenommen habe. Diese Partikeln näherten sich einander und bildeten erst kleine unregelmässige Häufchen, die aber durch Hinzufügung neuer Partikeln häufig eine kuglige oder scheibenförmige Gestalt annahmen und einige Achnlich- keit mit den Eiterkügelchen zeigten. Diese Scheibehen ver- einigten sich ebenfalls, indem sie ihren Umfang vergrösserlen, 58 und dabei ‘gewöhnlich ihre regelmässige Gestalt wieder ein- büssten, und bildeten so häutige Lappen, die an ihrer Ober- fläche auf eine fast unmerkliche Weise granulirt waren. (Diese Lappen sahen dem sogenannten primitiven Eierstoek der Infu- sorien höchst ähnlich.) Durch die Vereinigung dieser Lappen entstand endlich die Haptogen-Membran, aber dann verschwand die oben beschriebene Granulation allmählig und machte oft einer mit kleinen unregelmässigen Tröpfehen wie eine ange- hauchte Fensterscheibe bedeckten Fläche Platz. Oft verschwand später jeder Schein einer Textur und die Membran war nur noch an ihren schwachen Fältchen zu erkennen. Einige Versuche die chemischen Reactionen der aus Oel und Eiweiss gebildeten Haptogen-Membran zu bestimmen über- gehe ich, weil ich später gefunden habe, dass die Reagentien ganz anders auf die Membran wirken, die durch Berührung zweier Tropfen und auf die, welche durch Schütteln entstan- den, und folglich rings geschlossen ist. So löset, um ein Bei- spiel anzuführen, die verdünnte Essigsäure die erstere Art der Membran augenblicklich auf, während sie ins Innere der künst- lichen Zellen segar einzudringon scheint, ohne sie zu zerstören. Dies ist einer von den vielen Gründen die mich veranlassen, die Homogonie für eine physicalische Eigenschaft zu halten, für eine Art von capillarer Verdiehtung, die an der Oberfläche sich berührender heterogener Flüssigkeiten vor sich gehet, doch muss ich den Physikern überlassen diese nieht, unwichtige Frage zu entscheiden. Nach allem, was hier mitgetheilt worden, kann man, glaube ich, nieht mehr zweifeln, dass sich wirklich im thie- rischen Organismus Zellen aus Feit und Eiweiss bilden, wie es die Theorie vermuthen lässt und der Versuch bestätigt. Ich schlage vor, diese Zellen Elementarzellen zu nennen, weil ich glaube, dass alle Zellen des thierischen Organismus nur Metamorphosen der ursprünglichen ölgefüllten Zellen sind, und kein Grund vorhanden ist noch eine andere unbekannte Bil- dungsweise anzunehmen. Ich glaube sogar mehreremale, be- 59 sonders in den Ovarien, Uebergangsformen gesehen zu haben; ich überlasse es jedoeh unbefangenen Beobachtern diese That- sache festzustellen. Man kennt schon seit einiger Zeit Zellen, die, obgleich sonst den Elementarzellen unähnlich, doch wie sie flüssiges Fett enthalten und dadurch ihre Entstehungsweise zu verralhen scheinen. Henle hat sie in dem Pareuchym der Leber, in den Meibom’schen Drüsen und an andern Orten gefunden. Es macht auch keine Schwierigkeit die beobachte- ten Formen der Zellen theoretisch aus den: Elementarzellen herzuleiten, so wie umgekehrt die Beobachtung die Verände- rungen wirklich nachweist, welche die Theorie vorhersagen lässt. Die Vermehrung der Elementarzellen ist Sache eines Augenblicks. Da fast alle Flüssigkeiten des thierischen Kör- pers eiweisshaltig sind, so kann ein Oeltropfen nicht einen Augenblick darin verweilen, ohne sich mit einer Zelle zu um- geben, und sich eben so nicht in mehrere theilen, es seien nun zwei oder hundert, ohne zur Bildung eben so vieler neuen Zellen Veranlassung zu geben. Ich habe oben die Vermuthung ausgesprochen, dass die Elementarzellen ihr Contentum durch die Endosmose und Exos- mose umändern könnten, etwas Achnliches lässt sich an den künstlichen Zellen wahrnehmen. Eine Quantität dieser letz- tern wurde durch Schütteln von Oel und Eiweiss gebildet, sie waren fast alle länglich und runzlig. Dann wurde ein kleiner Tropfen dieser Emulsion mit einer Drachme Wasser verdünnt. Die Zellen wurden gespannter und nahmen eine mehr sphärische Form an, gerade wie es die Blutkörperchen im Wasser machen. Obgleich die Falten der grösseren Zellen verschwanden, so sah ihre Hülle doch dunkler aus und man sahı mit Hülfe einer starken Vergrösserung, dass sie mit einer Unzahl kleiner Oeltropfen besetzt war. Es ist bekanntlich schwer zu entscheiden, ob sich ein so kleiner Körper an der äussern oder innern Fläche einer zarten Membran befindet, indessen glaube ich dennoch, dass diese Tröpfchen sich an der Aussenfläche befanden und durch die Exosmose dahin befördert 60 waren, da ich in einigen Fällen statt vieler kleinen Tropfen (oder Zellen) einige grössere erscheinen sah, die sich deutlich an der Aussenfläche der Mutterzellen befanden. Indem ich zu dem Wasser Essigsäure hinzufügte, sah ich die Zellen sich so wölben, dass die Mehrzahl derselben barst, einige schienen sich dadurch zu retten, dass sie ziemlich grosse Oeltropfen ausstiessen. Die ölgefüllten Zellen sind im Gegen- theil einer sehr merklichen Zusammenschrumpfung unterwor- fen, wenn sie in dieselbe Flüssigkeit eingetaucht werden, die sie enthalten. Ihre Falten vermehren sich, die Haptogen-Mem- bran scheint ihre Elastieität zu verlieren, und dies ist selbst das beste Mittel ihre Existenz auf eine unzweifelhafte Weise nachzuweisen, denn unter den angegebenen Umständen können die künstlichen Zellen durch einen mässigen Druck ihren In- halt entleeren, ohne viel von ihrer frühern Grösse und Form einzubüssen. . (Ich habe gefunden, dass auch die Blutkörper- chen sich im Oel runzeln, es ist aber ziemlich schwierig sie hinreichend vom Serum frei zu machen, um sich davon zu überzeugen.) Die lebenden Elemenlarzellen, die die Fähigkeit haben in einem ungeheuren Verhältniss zu wachsen, brauchen den Oel- tropfen nieht auszustossen, wenn sie Serum einnehmen; er wird sich daher, wenn sich die Zelle mit einer andern Flüs- sigkeit füllt und zugleich vergrössert, mit der innern Fläche der Zellenwand in Berührung setzen, und hier, da die Flüs- sigkeit meist eiweisshaltig sein wird, eine neue Zellenwand durch Hymenogenie um sich bilden. Auf gleiche Weise kann, wenn sich diese zweite Zelle wieder vergrössert und mit Se- rum füllt, sich in ihr eine dritte, eine vierte bilden u. s. w. Offenbar bildet diese secundäre Zelle, die nach hydrostatischen Gesetzen immer mit der Innenfläche der erstern in Berührung sein muss, den Kern, den Raspail in den Zellen der Epi- dermis entdeckt und den Henle in allen den Zellen gefun- den, die er auf den Schleimhäuten, serösen Membranen, der in- uern Gefässhaut u. s. w. beobachtet hat. Alle diese Zellen cl haben noch im Innern des Kerns einen oder zwei Punkte, die wahrscheinlich die Ueberreste des primiliven Oeltropfens sind. Es ist begreiflich, dass dieser Tropfen sich leicht in mehrere kleinere iheilen kann, und daher rührt wohl die Mehrzahl der Kerne, die man in den Eiterkügelchen u. s. w. findet, wenn man nach Güterbock ihre äussere Hülle mit Essigsäure auf- löset. Henle, dieser treflliche Beobachter, hat sogar schon entdeckt, dass diese Kerne durch Theilung eines einzigen ent- stehen. Die Theilung des primitiven Oeltropfens ist auch geeignet ein sehr interessantes Phänomen zu erklären, jenen Haufen kleiner Kügelchen, die man beständig an der Innenseite des Keimbläschens findet, welchen Wagner, der ihn bei allen Thierklassen so sorgfältig untersucht hat, Keimfleck oder Keim- schicht genannt hat und der nach diesem ausgezeichneten Physiologen den ersten Keim des werdenden Thieres ausmacht. Die schönen Zeichnungen Wagner’s (s. dessen Prodromus historiae generationis. Lipsiae 1836) geben die völlige Bestä- tigung meiner Vorausseizung. Man sieht nach Fig. 1—3. (l. e,) die Keimschicht in Gestalt eines Tropfens, zuweilen mit klei- neren beseizt (Fig. 22. und 30.). Die Fig 22. ist bestimmt zu zeigen, dass der Keimfleck (wie eine Haptogenzelle) seine Form durch Druck verändern kann, ohne zerstört zu werden. Die Fig. 5., 19., 24. u. s. w. zeigen den Primitivtropfen in mehrere grosse getheilt und die Fig. 4., 11.,18. in viele kleine, Es ist einleuchtend, dass diese grosse Vermehrung der Tropfen oder Zellen unerlässlich ist, wenn die Keimschicht wirklich bestimmt ist, den ersten Anfang eines aus einer Unzahl von Zellen gebildeten Wesens darzustellen. Ich glaube durch Thatsachen, die ein unbefangener Zeuge beobachtet hat, bewiesen zu haben, dass das Keimbläschen im Anfange eine mit Oel gefüllte Zelle ist, deren ursprüngliche Grösse zu beurtheilen uns der Keimfleck in den Stand setzt. Es ist eine seltsame aber nolhwendige Consequenz meiner Theo- rie, dass dieses Bläschen eigentlich keine primäre, sondern eine 62 tertiäre oder qualernäre Bildung ist, denn wer hat schon auf eine zuverlässige Weise die Membranen gezählt, die es in den verschiedenen Thierklassen umgeben? Ich habe mich bemüht das Ei in diesem primitiven Zu- stande einer Elementarzelle zu finden, die mit dem Keimfleck desselben Thiers an Grösse übereinstimmte; auch fand ich in den Ovarien der Vögel und Säugethiere einfache Bläschen von dieser Grösse, und noch kleinere, die nichts als ein durch- sichtiges Fluidum enthielten; doch gelang es mir nicht die Natur desselben zu ermitteln, weil jede Compression der Ova- rien immer eine bedeutende Menge flüssiges Feit zu Tage för- dert. Bei Gelegenheit dieser Nachforschung fand ich in den Ovarien einen seltsamen Körper, der zwar offenbar durch Lei- ehenzersetzung entstanden war, aber eine merkwürdige Stru- elur und eine überraschende Regelmässigkeit zeigte. Es war eine gelbe Kugel oder Zelle, die sich nahe an der Oberfläche der Ovarien in grosser Menge vorfand, so dass ich bald mehr als hundert in einem kleinen Theile des Ovariums zählen konnte. Der Durchmesser war constant -;—'z Millim., nur die äussere ziemlich starke Haut ungefähr +; Millim. dick. Diese Haut theilte sich bei starkem Drucke (wie die Krystall- linse) durch drei ziemlich gleich weit entfernte Spalten und oft sah ich aus diesen Spalten einen halbrunden Körper her- vortreten, gleichsam als wenn eine Haut durch eine Flüssigkeit als Hernia hervorgetrieben würde. Indem ich diese Körper durch sehr starken Druck verbunden mit Reibung zerstörte, konnte ich mich überzeugen, dass der Inhalt ein Oeltropfen war, jedoch untermischt mit mehreren concentrischen membranösen Lagen. Melırmals fand ich (auch in menschlichen Ovarien) einen dreiseitigen farblosen Körper, der mit kleinen Erhabenheiten besetzt und mit drei Linien oder Furchen bezeichnet war, dievon den Ecken ausgehend in der Mitte zusammenliefen. Offenbar ist dieser Körper von derselben Beschaffenheit als die gelben Kugeln und ich habe keinen von beiden je anders gefunden, als min- destens 24 Stunden nach dem Tode und immer in Begleitung 63 grosser Krystalle von Stearin oder Leichenfeit. Hr. Dr. Böhm hat in den Choleraleichen in der Spitze der Darnzotten einen in eine Zelle eingeschlossenen Oelirepfen gefwden und be- merkt, dass dieser Tropfen sich durch die Maceraton in einem oder in mehreren Tagen in eine feste Masse umvandelt, die durch Druck ähnlich der Krystalllinse in coneentrsche Stücke zerbricht. Diese analoge Beobachtung, so wie de Regelmäs- sigkeit der Körper, die ich so eben beschrieben labe, lassen vermuthen, dass diese auch durch die Zerselzungs-Metamor- phose einer mit Oel gefüllten Zelle entstehn, und das diese Zelle, deren eonstante Dimensionen ziemlich genau mit Wag- ner’s Messungen des Keimflecks bei einem Vogel übereinstim- men (3. ]. c. Fig. XXX. 2.), nichts anders ist als der primi- tive Zustand des Keimflecks, des Keimbläschens, oder, wenn man will, des ganzen Eis. Ich muss indessen fürchten, dass der natürliche Wunsch eine Theorie annehmlich zu machen, die mir gleichzeitig viele Wahrscheinlichkeit und eine grosse Leichligkeit in der Erklä- rung mehrerer interessanter physiologischer Probleme darzu- bieten scheint, mich schon verleitet hat die Geduld meiner Leser zu missbrauchen. Ich werde mich deshalb darauf be- schränken die hauptsächlichsten Thatsachen, die durch diese Theorie erklärt werden können, nur anzudeuten. Aber ich werde mich, nachdem ich nachgewiesen zu haben glaube, dass das Fett eine conditio sine qua non bei der Bildung ler thie- rischen Gewebe ist, nicht der Mühe überheben können nachzu- weisen, wie diese elementare Substanz dahin geführt wird wo sie im Organismus nöthig ist. Nach Schwann’s Ansicht, die ich durch die hier vor- geiragene Theorie der Zellenbildung einigermassen unterstützt zu haben glaube, sind oder waren alle festen Theile und selbst die Körperchen in den Flüssigkeiten, z. B. die Blutkörperchen. Zellen. Es ist nicht zu bezweifeln, dass es das Blut ist, wel- ches alle Theile des Körpers mit den Stoffen versieht, aus denen neue Zellen gebildet werden, d. h. nach meiner Theorie 64 mit Felt usd Eiweiss- oder Faserstofl. Die chemische Ana- lyse weiset auch nach, dass diese Stoffe sich wirklich im Blute vorfinden uni wir wissen durch Müller?’s Entdeckung, dass nicht nur der Eiweissstoff, sondern auch der Faserstoff einen Theil des Plasma oder der durchsichtigen Blutflüssigkeit aus- macht. We aber befindet sich das Fett? Die mikroskopischen Beobachturgen des Kreislaufs, die uns das Plasma als eine völ- lig gleichatige Flüssigkeit zeigen und die pathologischen Fälle, wo freie‘ Fett in Blutserum dieses zu einer trüben milchweis- sen Flssigkeit macht, verbieten uns es im Plasma zu suchen. Es kann daher nur in den Blutkörperchen gesucht vrerden, und wenn man annimmt, dass es der Zweck derselben ist diesen unentbehrlichen Stoffim Körper zu vertheilen, so schreibt man ihnen m. E. eine Function zu, die nicht weniger wichtig und dabei vielleicht mehr auf Thatsachen und Analogien ge- gründet ist, als die, welche man ihnen bisher zugetheilt hat. Wenn man voraussetzt, dass der öiige Kern der Zellen von den Blutkörperchen geliefert wird und ihre Hülle von dem Plasma, so vereinigt man zwei entgegengesetzte Meinungen, die die ernährende Function des Blutes bald nur dem einen bald dem andern seiner beiden Bestandtheile zuschreiben, in eine dritte, die beide gleichviel beitragen lässt und die einfach ist — wie die Wahrheit. Die Entstehung der Blutbläschen aus einer fetthaltigen Flüssigkeit, dem Dotter und dem Chylus, die grosse Aehnlich- keit ihrer physischen Eigenthümlichkeiten mit denen der künst- lichen und Elementarzellen und ihre entschieden zellige Na- tur unterstützen diese Voraussetzung. Man braucht ihnen nur den Oeltropfen zn lassen, der der Theorie nach zu ihrer Bil- dung nöthig war, bis er zur Ernährung wieder gebraucht wird und jede Schwierigkeit ist gehoben. Die Blutbläschen können ihr Fett nur in dem Augenblicke vermittelst der Exosmose aus dem Kreislaufe treten lassen, wo sie mit den Wänden der Gefässe in Berührung sind, denn sonst würde der ausiretende Feitiropfen sich gleich wieder in eine 65 Zelle umwandeln. Diese Durehschwitzung durch die: Gefäss- wände ist wohl" die Ursache, dass die Kranzgefässe des Her- zens, die Mesenterialgefässe u. s. w. mit Fettstreifen eingefasst sind. Diese Erklärung stimmt wunderbar mit einer geistrei- chen Annahme, die Weber kürzlich bekannt gemacht‘ hat (Müller’s Arch. 1838. S:»456.), dass nämlich die Kügelchen, die schon Poiseuille sich langsam. längs der Wände der Blut- gefässe bewegen sah und die Weber selbst früher für Lymph- kügelehen hielt, nichts anderes sind als Blutkörperchen, die während ihres Contacts mit der Gefässwand ihre Form ver- ändert haben, indem sie sich zum Vortheil der Ernährung eines Theiles ihrer Substanz beraubten. Ich mache hier nicht ‚darauf Anspruch alle zum Theil sonderbaren Eigenthümlichkeiten der Blutkügelchen zu erklä- ren, es würde dies eine ganz besondere Beschäftigung mit dem Gegenstände fordern; aber ich kann mich nicht erwehren, noch einen einzigen Beweis von der Leichtigkeit zu geben, mit wel- cher meine Theorie sich zur Erklärung der verwickellsten Er- scheinungen benutzen lässt. ‚Schon Leeuwenhoek und zu- letzt noch Dujardin, hat bemerkt, dass die Form der Blut- bläschen durch den Eiufluss verschiedener Substanzen bedeu- tende Veränderungen erleidet. Ich habe auch gefunden, dass diese Formveränderuugen constant sind, und viele Zeit ver- wendet um die Ursachen derselben zu ermitteln, bis ich zu- letzt genöthigt war in einer Arbeit, die ich in Folge der Pu- blication des Hrn. Dujardin unterdrückt habe, zu vitalen Veränderungen meine Zuflucht zu nehmen. Besönders ist eine Verwandlung hervorzuheben, die man. oft sieht und die eben so zierlich ist, als es schwer hält sie durch die !Zusammen- ziehungen eines gleichartigen Körpers zu erklären. Die Blut- bläschen des Menschen bedecken sich nämlich am Rande oft mit ungefähr zwölf kleinen Perlen, die ich zuweilen sich-ganz ablösen und fortschwimmen salı.. Noch auffallender zeigt sich ein analoges Phänomen, wenn. man Froschblut mil Salmiak- lösung verdünnt, Es ist indessen sehr. leicht zu erklären Müllers Archir. 1840, 5 66 Die Randperlen- sind kleine Oeltropfen, die entweder durch die Zusammenziehung der Bläschenmembran oder durch die Endosmose einer andern Flüssigkeit ausgestossen werden. Die- jenigen die plötzlich hervortreten, lösen sich ab und verwan- deln sich in Elementarzellen, geschieht es ‚aber weniger schnell, so treten sie nur als Halbkugeln hervor, umgeben sich nur zur Hälfte mit 'einer'neuen Haptogen-Membran und bilden so die Perlen, die den Rand und oft auch die Flächen des Blutbläs- zieren. Um zum Schlusse zu gelangen, will ich nur einige von den physiologischen und pathologischen Problemen auswählen, die man leicht und befriedigend durch die Theorie der Zellen- bildung erklären könnte. Die Verwandlung der Leichen in eine Fettmasse, die wohl nichts weiter ist als der durch Ma- ceration blosgelegte und verseifte Fettinhalt der Zellen — das Fett, welches die chemische Analyse in allen Flüssigkei- ten nachweiset, die, wie z. B. der Eiter, Zellen enthalten — die grossen Fettvorräthe, die die Natur:in der Nähe derjeni- gen Organe niedergelegt hat, die ihr zelliges Oberhäutchen fortwährend erneuern, wie z. B. die Haut und der Darmka- nal — die Fettleibigkeit, die durch Ruhe 'und durch :alles erzeugt wird, was die Reproduction der Muskeln und ‘anderer aus Zellen gebildeter.Systeme vermindert — die Abmagerung, welche den Verlust zellenhaltiger Flüssigkeiten hervorbringt, wie 'Eiterungen ‘und Tuberkel-Phthisen, und die wenigstens palliative Hülfe, ‘welche die Fetteinreibungen und der Gebrauch des Thranes ‘in ‘diesen Krankheiten bringen — alle diese That- sachen tragen m.E. dazu bei zu beweisen, dass das Fett eine zur'Entwickelung der Zellen unentbehrliche Substanz sein muss. Mit Absicht ‘habe ich es bis jetzt unterlassen die Zellen der Pflanzen :zu ’erwähnen, weil mir hier, mit Ausnahme der Pilze, die Frage etwas complieirter erscheint. Es ist keines- weges der Mangel einer Substanz, die dem Schleim oder Ei- weiss der Pflanze heterogen und dadurch geeignet wäre, den Kern der Zellen zu bilden, sondern vielmehr der Ueberfluss derselben, der hier in Verlegenheit setzt. Bekanntlich findet 67 sich in den Pflanzen fettes und ätherisches Oel, Wachs, Harz und verschiedene Zusammensetzungen der genannten Substan- zen. Das fette Oel, das sich so”reichlich in dem Saamen, und zwar im emulsiven (zelligen) Zustande findet, die Tröpf- chen einer heterogenen durchsichtigen Flüssigkeit, die ich in den jungeu Zellen der eben entstandenen Blätter mehrerer Pflanzen, z. B. des Flieders gefunden habe, das fette Oel, welches Payen und Persoz aus dem Stärkemehl erhalten, alles dieses scheint mir vwrenigstens zu beweisen, ‚dass das felte Oel oft beiträgt die Pflanzenzelien zu bilden. Aber ich wage es nicht zu entscheiden, ob die übrigen heterogenen Flüssig- keiten auch zu demselben Zwecke dienen, oder ob sie ‚etwa nur Producte sind, die der Lebensprocess der Zellen aus den primitiven Oeltropfen der Zellen hervorbildet. Herr Dr. Schleiden hat die Aufmerksamkeit der Natur- forscher auf ein Organ ‚gelenkt, ‘welches Brown entdeckt und Zellenkern (nucleus ‚of ihe cell) genannt. hat, und für welches er den Namen Cytoblast vorschlägt, weil .er es für das Bildungsorgan der Zelle hält. ‚Obgleich Schleidens Theo- rie wesentlich von der meinigen abweicht, so können .doch die Thatsachen, die er angiebt, ganz wohl durch diese ‚erklärt werden, und ich bin ganz damit einverstanden die/Entstehung der Zellen von diesem kleinen Körper abzuleiten,. der die grösste Aehnlichkeit mit der secundären Zelle oder dem ‚Kern der thierischen Zellen trägt und nur zu bestätigen ‚scheint, dass die Theorie ‚der Bildung der Zellen mit ‚Hülfe ‚einer heteroge- nen Flüssigkeit ein allgemeines Prineip enthält, welches fähig ist auf die Entwickelung aller organischen Wesen angewen- det zu werden. Uebersicht der wichtigsten Thatsachen und Folge- rungen der vorstehenden Abhandlung. 4) Die Berührung des Eiweissstoffes mit einem flüssigen Fellstoffe hat immer die Bildung einer zähen und elastischen Membran zur Folge. * 5 68 2) Diese Membran entsteht durch die Zusammenfügung einer unendlichen Zahl kleiner Partikeln, wie man beobachten kann, wenn man die Bildung der Membran durch ein in der Abhandlung angegebenes Verfahren verzögert. 3) Ein Oeltropfen, der nur einen Augenblick von einer eiweisshaltigen Flüssigkeit umgeben ist, wird sogleich von einer Zellenmembran eingeschlossen, und man kann folglich nach Willkür künstliche Zellen bilden. 4) Man findet in den Eiern der Sängethiere und Vögel grosse mit Oel gefüllte Zellen, die durch ihr Ansehen und durch ihre physischen Eigenschaften den künstlichen Zellen vollkommen gleichen. 5) Alle Tropfen flüssigen Feltes, die man in den Pflanzen und Thieren findet, sind in Zellen eingeschlossen, die man Elementarzellen nennen kann. 6) Die Gewebe des thierischen Organismus bestehen aus Zellen, die man als eine Metamorphose von Oeltropfen oder Elementarzellen ansehen kann. 7) Die Blutkörperchen sind Zellen, die (ausser Farbestoff) flüssiges Fett enihalten, und es ist ihre Hauptfunelion dasselbe überall hinzubringen, wo eine Bildung neuer Zellen stalt- finden soll. 8) Der primitive Zustand des Ovulums der Thiere ist der eines Felttropfens, und Wagner’s Keimschicht ist der Ueberrest dieses Tropfens. 9) Die Zellen der Pflanzen werden auch mit Hülfe einer heterogenen Flüssigkeit gebildet, doch bleibt es noch zu er- mitteln, ob nur das fette Oel oder auch noch andere Flüssig- keiten dabei thälig sind. Beitrag zur Anatomie der Hirnnerven und des Sympathicus. Von F.-FaEseBeck in Braunschweig. (Aus brieflichen Mittheilungen an den Herausgeber. ) Ew. Wohlgeboren erlaube ich mir ein anatomisches Präparat zur gefälligen Ansicht zu übersenden, bei dessen Anfertigung ich den Hauptzweck hatte, sämmtliche Verbindungen der Pars cervicalis n. sympathici zwischen den hintern Cerebral- und Cervicalnerven, so wie sämmtliche Gefässnerven am Halse dar- zustellen. Ausserdem habe ich davon alles das erhalten und ausgearbeitet, was mir, so weit es gedachtem Zwecke nicht zuwiderlief, möglich war, so dass es jelzt ein umfassendes und ziemlich vollständiges Präparat ausmacht. Die Verbrei- tung des N. sympathicus ist, summarisch zusammengefasst, un- gelähr folgende: Von oben nach unten verfolgt erscheint: 1) Ein Ast zum Nervus Jacobsonii. 2) Der Ramus jugularis, welcher sich bald nach seinem Abgange vom obersten Halsknoten in mehrere Acste spallel, wovon der eine zum Ganglion pelrosum, der zweite hinter dem N. glossopharyngeus zum Ramus aurieularis n. vagi, der 70 dritte zum Ganglion jugulare n. vagi und der vierte zum N. accessorius Willisii geht. 3) Ein Ast zum N. hypoglossus. 4) Fünf Ganglien, an der Art. thyrioidea inferior befind« lich, die von dem N. sympathicus, dem Ramus cardiacus’su- perficialis, profundus, laryngeus superior und laryngeus inferior n. vagı gebildet werden, und woraus mehrere Aeste hervor- kommen, die sich theils zur Luft-, Speiseröhre und Glandula thyrioidea begeben und mit dem Ramus laryngeus superior und inferior in Verbindung treten, theils in die Brusthöhle ge- hen und den Plexus cardiacus bilden helfen. 5) Ein Ganglion, welches sich in dem Winkel der Art. subelavia und carolis communis befindet. 6) Der N. vertebralis, der sich mit der Art. vertebralis in den Canalis vertebralis begiebt und zu sämmtlichen Cervi- calnerven Verbindungsäste abgiebt und auch einige Ganglien bildet. 7) Der N. vagus, welcher den Ramus auricularis abgiebt, der sich mit dem Ramus Jacobsonii, mit dem N. sympathicus und N. facialis in Verbindung setzt, auch zwei Aestchen ab- giebt, welche mit dem Theil des vagus sich verbinden, der sich in den Ramus pharyngeus und Ramus laryngeus n. vagi fortsetzt. Zulelzt bemerke ich noch, dass ich auch an diesem Präparate das Gangliolum molle temporale gefunden und aus- gearbeitet habe, ich stelle es Ew. Wohlgeboren anheim, das- selbe herauszunehmen, und wenn es Ihnen Vergnügen macht damit mikroskopische Untersuchungen anzustellen. Schliesslich ergreife ich die Gelegenheit um auf ein hier lebendes Kind von sehr abnormer Structur aufmerksam zu machen. Es ist in Königslutter geboren, jetzt 12 Wochen alt, männlichen Geschlechts. Das Abnorme davon ist in aller Kürze Folgendes: An dem übrigens völlig ausgebildeten Kinde ist in der Gegend des Nabels etwas nach oben und links ein halbflechsigter Cylinder, ungefähr 14 Zoll dick und 1 Zoll lang hervorgewachsen, an dem ein zweites Becken mit 2 Extremi- 71 täten nebst Geschlechtstheilen sich befinden. Diese Theile sind dem Kinde quer über den Unterleib gelagert. Merkwürdig ist der Umstand, dass das Kind durch beide Penes urinirt, aus letzterem kommt jedoch nur eine dem Harne ähnliche, trübe, zuweilen aber auch eine weisse, milchichte Flüssigkeit, wel- che leiztere man nur nach eben geschehener Säugung be- merkt hat, Ucber die Function des Nervus lingualis und glosso- " pharyngeus. Von Dr. Carı Voer. (Aus brieflicher Mittheilung an den Herausgeber.) In No.3. des Jahrganges 1838 des Archivs hat Hr. Dr. Rom- berg einen sehr bemerkenswerthen Fall von Anästhesie des Quintus mitgetheilt. Erlauben Sie, dass ich diesem einen an- dern, im Laufe dieses Sommers in der Praxis meines Vaters beobachteten Fall an die Seite, und gewissermaassen entge- gensetzen darf. Eine sonst schr gesunde, blühende, corpulente Frau zwi- schen 30 und 40 Jahren ist der Gegenstand meiner Beobach- tung. Sie hatte sich durch unvorsichtiges Offenlassen eines Fensters während der Nacht die Affection der linken Gesichts- seite, weshalb sie ärztliche Hülfe nachsuchte, zugezogen. Ich würde den Raum unnütz zu vergeuden glauben, wollte ich die Erzählung der allmähligen Ausbildung der Lähmung wie- derholen, oder weitläufig alle Versuche wiederholen, welche uns die Ueberzeugung gaben, dass nicht nur der dritte Ast, sondern der ganze Trigeminus (die Muscularparthie vielleicht einzig ausgenommen) vollständig gelähmt waren. Nicht nur Kinn und Zungenhälfte, sondern die ganze linke Gesichtsseite 73 war‘ so völlig unempfindlich, dass Nadelstiche, Kratzen auf der Conjuneliva etc. nicht die mindeste Sensation erregten. Auffallend war es, dass die äussere Parthie der Ohrmuschel ihre Sensibilität vollkommen erhalten hatte (das Innere des Gehörganges ward leider nicht geprüft), während die Lähmung sich noch, obgleich an Intensität abnehmend, auf einen gros- sen Theil der Ilinterkopfhälfte erstreckte. In Hinsicht der Muscularportion konnten wir nicht genau auf’s Klare kommen. Die ziemlich fette, von Gesundheit strotzende Wange der Fran verhinderte sich eine Ueberzeu- gung von Erschlaffung des Masseter durch das Gefühl zu ver- schaffen; das Kauen gab eben so wenig geeigneten Aufschluss. Die Kranke selbst gab an, sie sei beim Kauen sehr genirt; sie könne zwar alle hiezu nöthigen Bewegungen eben so gut, als früher, ausführen, sobald aber ein Bissen auf die linke Mundseite falle, so fühle sie ihn nicht mehr, wisse ihn nicht unter.den Zähnen zu ‘behalten und im Anfange ihrer Krank- heit habe sie oft geglaubt, der Bissen sei ihr aus dem Munde gefallen. Da nun jedenfalls das Kauen ungeschickt ausgeführt werden musste, sobald ein Bissen unter die linken Zahnreilien gesteckt wurde, die ungelähmten Muskeln des Mundes aber gewiss hinreichten den Bewegungen die nölhige Kraft und Riehtung zu geben, so war es in diesem Falle und wird es in ähnlichen immer sehr schwierig sein, sich genauen Aul- schluss zu verschaffen. Ein fernerer, interessanter Punkt war der, dass das Kralzen der Conjunctiva durchaus keinen verstärkten Thränenzufluss im Auge erregte; — ein sicherer Beweis, dünkt mich, dass diese Erscheinung eine reine Reflexionserscheinung ist. So weit nichts, was nicht mit den von Dr. Romberg beobachteten Erscheinungen übereinstimmte. Allein die Zunge der, beiden Weiber giebt auch hier, wie so oft, Anlass zu Zwisligkeiten. Dr. Romberg’s Kranke fühlte nicht und schmeckte nicht, die meinige füllte nicht, schmeckte aber ebeu so vollkommey links wie rechts. Ich hatte nicht einmal nö- 74 thig dies durch Versuche aufzufinden; — die Frau, welche die Controverse über die Geschmacksnerven nicht kannte, erzählte mir unaufgefordert: Es sei doch sonderbar, dass das Gefühl in der linken Zungenseite verschwunden, der Geschmack aber erhalten sei ete. Wir bestätigten, dass der Geschmack linker- seits in voller Energie und Feinheit vorhandın sei. Dies der in Bern beobachtete Fall. Die Diagnose wurde auf Lähmung des Quintus gestellt, die Eleetrieität in Anwen- dung gebracht und nach 6wöchentlicher Behandlung die Frau geheilt entlassen. So wäre denn auch pathologisch die Sache auf’ dem alten Punkt; wenn wir auch von Valentin’s Schrift: De functio- nibus nerv.; welche sie wohl, meiner Ansicht nach, geendet hat, absehen.. Valentin war leider nicht zugegen, als sich der Fall darbot, und seine Schrift schon beendet. Er hat S. 44. seines Werkes mehrere Gründe angeführt, welche ihm gegen die Reinheit des Romberg?’schen Falls sprechen. Ich glaube noch einen, vielleicht den bedeutendsten, zufügen zu können. Die erweichte Stelle im grossen Hirn, welche im Sectionsberichte erwälnt ist, Man wird vielleicht lächeln, wenn ich einer beschränkten Erweichung am hintern Horn des Ventrikels eine Lähmung des glossopharyngeus zuschreibe. Allein kennen wir denn den Verlauf der Primitivfasern der Nerven im grossen Gehirn? Und, abgesehen hiervon, wird Jeder, welcher mit einiger Gewissenhaftigkeit Hirnaffectionen, und namentlich Erweichungen, studirt hat, mir zugestehen müssen, dass wir kaum mit Wahrscheinlichkeit, nie aber mit Gewissheit den Sitz einer erweichten Stelle aus den Symptomen während desLebens ermitteln können. Seitdem ich in der Berner Klinik einen Fall gesehen, wo nach mehrfachen Anfällen, wie sie meist die Malacie characterisiren, nur eine Lähmung des abducens zurückgeblieben war, so dass das eine Auge höchstens in die Schaxe, nicht aber nach aussen bewegt werden konnte und meist nach innen gedreht war, man mit- hin eine sehr beschränkte Erweichung am Ursprunge des ab- 73 ducens diagnostieirte und statt deren eine taubeneigrosse Stelle im Centrum semiovale fand; — seitdem habe ich einen zwei- ten Fall in derselben Klinik beobachtet, wo aus einer Gesichts- lähmung auf sehr beschränkte Erweichung der Facialis- Wur- zeln im Aten Ventrikel geschlossen wurde, und die Section einen ausgebreiteten Heerd am vorderen Horn des grossen Ven- irikels nachwies; — seit dieser Zeit schliesst auch die Annahme einer Funelionslähmung des glossopharyngeus durch Erweichung am hinteren Horne für mich keine Unwahrscheinlichkeit mehr in sich. Ueber die Täuschung des Fernrückens der Gesichts- objecte. Von Prof. A. Hueck in Dorpat. Dr. Fleischmann jun. hat (im Juli-Hefte des Hufeland’schen Journals für pr. H. 1833. S. 88.) eine in physiologischer Hin- sicht höchst interessante Gesichtstäuchung mit Detaillirung der einzelnen Umstände mitgetheilt. Da die in dieser Mittheilung i S.95. gegebene Erklärung nicht vollkommen genügt, so scheint hierin für Jeden, der sich mit der Physiologie des Gesichts- sinnes beschäftigt, eine Aufforderung zu liegen, nach Kräften zur Aufklärung der so räthselhaften Erscheinung des Fernrük- kens der Gesichtsobjecte beizutragen. Denn je leichter wir im Stande sind krankhafte Erscheinungen aus den bestehenden Ansichten über die Natur der Functionen im gesunden Orga- nismus zu erklären, um so mehr Gewissheit erhalten diese Ansichten selbst. Nach einem schweren Falle aufs Vorderhaupt war bei einem starken Landmanne eine Affeetion des linken Auges er- folgt, wobei dieses, sonst unverändert, mit der Pupille nach innen und oben gerichtet erschien. Offenbar war also die Tuhätigkeit des unlern wie des äussern geraden Augenmuskels 77 geschwächt. Es wurden dabei die Objecte von beiden Augen in richtiger Lage, Form, Farbe, Grösse gesehen; und zwar vollkommen richtig mit dem rechten Auge allein, etwas schwä- cher mit dem linken Auge allein, anders dagegen mit beiden Augen. Denn obwohl auch hierbei die übrigen Verhältnisse des gesehenen Objeets richtig erschienen, so trat doch in Be- zug auf die Entfernung die sonderbare Täuschung ein, als wäre das betrachtete Object ungleich entfernter, als es in der That sich befand. Dabei wurde es meist einfach, und nur in einer Entfernung von 6’ doppelt gesehen. Also konnte die Thätig- keit der Augenmuskeln so 'wie die der Netzhaut des linken Auges im Allgemeinen nicht sehr beträchtlich gestört sein. Bleiben die Augen länger oflen, so wird dem Patienten, wie er sich ausdrückt, ganz dumm im Kopfe, er sieht Würmer, Striche, wird wie betrunken. Macht er das linke Auge wie- der zu, so ist dieser Zustand wie weggezaubert. Offenbar ist demnach die gleichzeitige Benutzung beider Augen besonders beschwerlich und anstrengend. — Die näheren Umstände über- gehe ich, so wie das gleichzeitige Leiden des Geschmackssinnes. Da jeder Erklärung dieser sonderbaren Gesichtstäuschung (von welcher Fleischmann auch noch ein anderes Beispiel anführt) eine bestimmte Ansicht über die Art, wie das Auge überhaupt die Entfernungen misst, zum Grunde liegen muss, 60 erlaube ich mir, erst die meinige kürzlich anzudeuten. — ‘Die Entfernung zweier Punkte von einander wird nach der ‚Kraft abgemessen, die zum Durchschreiten des Zwischenraumes zwischen beiden Punkten in einer bestimmten Zeit angewandt wird, so dass, je grösser diese Anstrengung ist, um so grüs- ser auch jener Zwischenraum erscheint. Das Auge misst nun den Abstand zweier Punkte von einander nach der grösseren oder geringeren Thätigkeit seiner Muskeln, sobald es seine Achse von dem einen Punkte auf den andern richtet. Ebenso wird auch die Entfernung eines Punktes vom Auge selbst nur nach einer gewissen Anstrengung der Augenmuskeln abgemes- sen, die aber anderer Art ist als die vorige, und überhaupt 78 eine geringere Ausdehnung hat. Es wird nämlich der Um- fang der Bewegung, welche die Augen machen, um bald einen entfernten, bald einen nahen Punkt zu fixiren, nach dem Win- kel bestimmt, unter welchem die Achsen beider Augen auf dem Gegenstande zusammentreflen. Ist dieser parallaetische Winkel sehr klein, d. h. ist der betrachtete Punkt sehr weit, so sind die Augenaxen fast parallel mit einander. Dieser kann aber nur durch eine ‚überwiegende Thätigkeit der äusseren geraden Augenmuskeln bei geringerer Zusammenziehung der inneren zu Stande gebracht werden. Ist dagegen der paral- lactische Winkel grösser, d. h. convergiren die Augenachsen bedeutend, so überwiegt die Thätigkeit der inneren geraden Augenmuskeln, während die äusseren nachgeben. Das Be- wussisein, das wir über den parallactischen Winkel haben, redueirt sich also auf das Bewusstsein über die grössere oder geringere Thätigkeit dieser oder jener Muskeln. Uebung und Gewohnheit lehren uns nach der Energie dieser Muskelthätig- keit die Entfernung abschätzen. — Diese Weise des Auges den parallactischen Winkel zu messen, reicht aber bei grösse- ren Entfernungen nicht aus, daher bedienen wir ‚uns hierbei eines anderen Mittels, welches darin besteht, dass wir ‚den ganzen Kopf seitwärts bewegen, den Gegenstand aber. anhal- tend fixiren und während dieser Bewegung auf die dabei statt- findende grössere oder geringere Drehung des Augapfels,ach- ten. Dann giebt ‚uns die zu ‚dieser Drehung ‚nöthige Muskel- thätigkeit unmittelbar ‚das Maass des parallaclischen Winkels. — Während nun einerseits meist beide Augen zusammen den parallactischen Winkel messen, kann andererseits auch jedes Auge für sich den Grössenwinkel bestimmen, indem, wie.oben gesagt, die Augenachse von dem einen Ende des Objeets zum anderen geführt wird. So schätzen wir die Eutfernung von Gegenständen, deren ‘Grösse uns bekannt und in ‚der Nähe bereits mit dem eigenen Körper, mit dessen Fuss, Spanne, Elle ete. verglichen ist. ‘Ausserdem wird 'bekanntlieh die Ent- fernung auch nach der Deutlichkeit bestimmt, mit welcher 79 das Object gesehen wird, ferner nach der Menge und der Art zwischen liegender Gegenstände u. s. w. r Die mannichfaltigen Täuschungen über die Entfernung be- ruhen hiernach also theils auf Fehlern in der Schätzung,in der Aburtheilung der Hülfsmomente, theils .aber auch auf einem unrichtigen oder mangelnden Bewusstsein von den verschiede- nen Bewegungen des Augapfels, da die richtige Schätzung der Entfernung von einem klaren Bewusstsein über diese Bewe- gungsthätigkeit abhängt. So z. B. kommen wir nicht zum deutlichen Bewusstsein über den parallactischen Winkel eines seitwärts vom Auge rasch fortbewegten Gegenstandes. Wir halten eine Fliege, die uns umschwärmt, für einen draussen vorbeifliegenden Vogel, und umgekehrt. Wir täuschen uns aber auch dann über die Entfernung, wenn ein Object, des- sen Theile uns ihrer Grösse nach unbekannt sind, z. B. ein Thurm, unmittelbar, ohne ‚dass wir das Zwischenliegende be- merken, über eine Mauer, Zaun, Schiflsbord hervorragt, wäh- rend wir selbst unbewegt dasitzen oder uns in einer passiven Bewegung befinden. Wir täuschen uns im Puppentheater über die Entfernung und Grösse, indem wir das Maass des eigenen Körpers an die Puppen und die sie umgebenden Möbel etc. anlegen und sie für weiter und grösser halten. Umgekehrt erscheint uns bei verdunkeltem Zimmer ein grosser Kopf im Schattenspiele nah und von natürlicher Grösse. Bei diesen Täuschungen geht die Bewegungsthätigkeit ungestört von Stat- ten, es wird nur die Vorstellung ‘von der Energie, mit wel- cher wir die Muskeln anstrengen, undeutlich, wird durch Um- stände, durch ein anderweitiges falsches Urtheil gestört. — Es kann nun aber auch ein Leiden, eine Störung der Hirn- oder der Muskelthätigkeit selbst das Bewusstsein von den Be- wegungen mehr oder weniger aufheben, und dadurch Ursache von Augentäuschungen werden. So z. B. hat das scheinbare Schwanken aller Gegenstände im Rausche seinen Grund in dem mangelnden Bewussisein von der Bewegung der Augen. Das scheinbare Drehen aller Objecte nach raschem ‘Walzen 80 findet statt, weil wir, uns unbewusst, die Augen wiederholt seitwärts wenden. Das scheinbare Wanken, Tanzen, Nieder- stürzen der Gegenslände beim Schwindel, bei Ohnmachten, hat slinen Grund in einer plötzlichen Bewegung der Augen nach einer Richtung, deren sich der Ohnmächtige nicht be- wusst ist. Beim Augenschwindel sind wir uns nur gewisser Bewegungen des Auges nicht bewusst. So z. B. folgt das Auge, wenn man, über das Geländer der Brücke sich lehnend, aufmerksam in den Strom blickt, unwillkührlich und bald be- wusstlos der Strömung, daher es denn scheint, als stehe der Sirom und bewege sich die Brücke. In dem von Dr. Fleischmann erzählten Falle wird die Täuschung über die Bewegung dadurch hervorgebracht, dass die Intention nicht mit dem Erfolge übereinstimmt, etwa so wie wir zuweilen während des Einschlafens die Hand nach einem Gegenstande bewegt zu haben meinen, und doch kaum den Finger ausstrecken. Der Patient Fleischmann’s bestrebt sich beim Fixiren eines vor ihm befindlichen Objects mittelst einer ihm als hinreichend bekannten Intention beide äusseren Augenmuskeln anzuspannen, während doch nur der äussere Augenmuskel des rechten Auges allein wirkt, der linke aber gar nicht oder nur sehr wenig sich zusammenzieht. Während der Patient also eine Kraftanstrengung macht, die im norma- len Zustande beide Augenachsen auf 6‘ Entfernung richtete, stellen sich diese doch nur auf ein bloss 12 Zoll entferntes Object; dieses wird nun so empfunden (der Intention gemäss), als befinde sich’s 6° weit. Setzen wir nämlich im gesunden Auge die Thätigkeitsäusserung jedes der beiden Recti externi bei einer Entfernung des Gegenstandes vom Auge von 40, so muss, wenn das Object auf 22“ weit fortrückt, die Augen- achse einen Bogen von 12° beschreiben. Diese 12° können wir als Werth der Anstrengung jedes Rect. ext. ansehen, so dass wir also beider Anstrengung zusammen = 24° setzen, Dabei wäre es gleichgültig, ob von diesen 24° jeder. Rect. ext. die Hälfte, oder der eine etwa nur 5, der andere 19 — — 8 oder der eine 7, der andere 17 übernähme, Ist aber der Ge- genstand 6’ entfernt, so muss jeder Rect. ext. den Augapfel um 47° drehen, beide zusammen also um 34°. Indem diese grössere oder geringere Anstrengung empfunden wird, bestim- men wir hiernach die grössere oder geringere Entfernung des Punktes, in welchem die Augenachsen zusammentreffen. Wenn nun der Rect. ext. des einen Auges in seiner Zusammenzie- hungsfähigkeit durch ein Leiden gestört, wenn diese Fähigkeit verringert worden, während der andere Rect. ext. gesund ge- blieben, so muss, bei einer anf beide Recti externi einwirken- den gleichen Intention, der Erfolg ein verschiedener sein, in- dem der durch den erkrankten Rect. ext. bewegte Bulbus mit seiner Achse nur einen kleinen Bogen beschreibt. Setzen wir z. B., dass die Intention stattfindet, jeden Bulbus um 17° nach aussen zu wenden; der Rect. ext. des rechten Auges vollführt diese Bewegung, der des linken macht aber, weil er geschwächt ist, statt 17° nur 7° — so würde der Erfolg nur der sein, dass die Achsen beider Bulbi sich statt’ auf 6“ nur auf 12“ Ent- fernung kreuzen. Dieser Punkt scheint aber eben daher, weil seine Entfernung nach der Intention beurtheilt wird, 6' weit. Das Schiefsehen der Objecte, eine eben so seltene Ge- sichtstäuschung wie dieses eben betrachtete Fernrücken, habe ich einmal zu beobachten Gelegenheit gehabt, und in der Schrift: die Achsendrehung des Auges, Dorpat 1838, versucht, eine genügende Erklärung dieser Aflection zu geben, welche sich der eben betrachteten anschliesst, Mäller's Archir. 1840. „6 Von den Gränzen des Sehvermögens. Von Prof. A. Hveck in Dorpat. (Hierzu Taf. III. Fig. 5.) So schwierig es auch immer erscheinen mag an organische Kräfte einen Maassstab anzulegen, und die Lebensthätigkeit durch Zahlenwerthe zu bestimmen, so erfordert nichts desto weniger die genauere Untersuchung der Funetionen des Kör- pers eine wenigstens annähernde Bestimmung des Werthes der sich äussernden Kräfte. Indem wir durch vergleichende Messungen die höchste Entwicklung der Lebenskräfte kennen lernen, gelangen wir zu der Gränze, welche das Organ nicht mehr zu überschreiten im Stande ist, und können aus der Art der Beschränkung auf die Natur des Organs schliessen. Die Berichte der Nordfahrer über die ausserordentliche Wärmeent- wicklung, deren die Polarmenschen fähig sind, lehren uns die bedeutende Thätigkeit des Hautorgans ebensosehr kennen, wie Blagden’s Versuche, bei einer Lufttemperatur auszuhalten, welche der des siedenden Wassers gleichkömmt. Beide Beob- achtungen stellen dabei deutlich heraus, mit wie bedeutender Kraft der menschliche Organismus seine eigene Temperatur | sich unverändert zu erhalten im Stande ist. Die-Beobachtun- gen ausgezeichnet starker Personen lassen uns in dieser höch- 83 sten Entwicklung der Muskelkraft auch die Natur der leben- digen Contraclion genauer erkennen, welche die bloss mecha- nische Cohäsion so bedeutend übertrifft. Nicht minder wich- tig für die Muskellehre ist die Schnelligkeit, welche in ihren Bewegungen Tänzer und Clavierspieler entwickeln. Ich brau- che weiter nur an die berühmten Fresser zu erinnern, die die volle Kraft des Magens entwickelt haben, so wie an die meist weniger bewunderten Triuker, um anzudeuten, wie sich hier- aus wiederum der Grad der Thätigkeit ergiebt, deren die Drü- sen und Schleimhäute im normalen Zustande überhaupt fä- hig sind. Mit Recht ist man daher bemüht gewesen, auch die Grän- zen der Sinnesthätigkeit zu erforschen. Weber’s Beob- achtungen haben gezeigt, wie weit die Perceptionsfähigkeit des Tastsinnes reicht, und Savart suchte zu bestimmen, in wie weit das Ohr fähig ist, sehr hohe, sehr tiefe oder sehr rasch aufeinander folgende Töne zu percipiren. Es ist daher ohne Zweifel sehr zeitgemäss, nach den mannichfaltigen inte- ressanten Untersuchungen von J. Müller, Treviranus und Volkmann auch die Thätigkeit des Gesichtssinnes in dieser Beziehung einer Analyse zu unterwerfen und die Gränzen des Sehvermögens festzustellen. Beim Betrachten eines Gegenstandes richten wir auf den- selben die Achse des Augapfels, so dass sein umgekehrtes Bild im Centrum der Netzhaut abgebildet wird. Auf dieses von dem Auge fixirte Bild achten wir nun zwar vorzugsweise, in- dessen gleichzeitig auch auf die seitwärts neben dem Centrum so wie über oder unter demselben befindlichen. Wir beach- ten diese seitlichen Objeete im Gesichtsfelde um so eher, je mehr sie sich durch Helligkeit, Farbe, oder gar durch Bewe- gung kenntlich machen. Man sehe nur starr auf einen Fleck hin, so wird man nichts desto weniger die Bewegungen der Hand seitwärts, ober- und unterhalb leicht wahrnehmen. Die Gränze, bis zu welcher diese seitliche Wahrnehniung, diese visio obliqua reicht, ist natürlich auch die Grenze der Gesichts- 6 84 ebene. Um den Umfang dieser Ebene, dieses Hohlkugelseg- ments zu messen, stellte ich das Auge so, dass sich das Cen- traum des Bulbus (das nach Volkmann’s genauen Beobach- tungen seine Stellung bei den verschiedenen Bewegungen des Bulbus nicht ändert, daher von ihm Drehpunkt genannt wird) in dem Centrum eines Kreises befand, nach dessen Pe- ripherie hin in Abständen von 5 zu 5 Grad Radien gezogen und mit doppelten Stecknadeln bezeichnet waren. Indem ich nun in der Richtung einer dieser Radien den Blick fixirte, schob ich von der Seite her ein weisses Brettichen vor. Der Punkt an der Peripherie, wo dieses Brettchen bemerkt werden konnte, gab mir die Gränze des Gesichtsfeldes auf dieser Seite. Natürlich richtete ich den Blick dabei so, dass die Umgebun- gen der Augenhöhle nicht das Gesichtsfeld beengten. Ich fand nach aussen von der Sehachse einen Umfang von 410°, nach innen nur 70°, nach unten 95°, nach oben 85°. Wir über- sehen also, wenn wir den Blick in die Ferne richten, 220° des Horizontes. Der Halbkreis von 180°, den wir von oben nach unten übersehen, wird bei horizontal gerichtetem Blicke durch die Braune um 20—25° beschränkt. — Den Umfang der Bewegungen des Augapfels maass ich auf gleiche Weise und fand, dass ich im Stande war die Augenachse von der Centralrichtung aus nach jeder Seile genau um 45° abzulen- ken, um ebensoviel aufwärts oder abwärts. Durch eine solche Bewegung wird indess der Gesichtskreis nicht auf volle 310° erweitert, sondern wenn der äussere Orbitalrand die Erwei- terung hindert, nur auf 260°. Da sich nach Weber (Mek- kel’s Archiv. 1837. S. 263.) der Kopf nach jeder Seite um 75° drehen kann, so beherrscht der Blick 240°, d. h, mehr als der Gesichtskreis umfasst, während zugleich beim Umdre- hen des Kopfes nach rechts und links die äusseren Gränzen der Gesichtskreise beider Augen hinter dem Rücken des sich Umsehenden über einander greifen, und somit der ganze Ho- rizont in den Bereich des Gesichlsorganes tritt. Damit ein innerhalb des Gesichtskreises befindliches Object 85 genau geschen und beirachtet:werden könne, mass das Bild-, chen desselben auf der Netzhaut sehr präeise mit sehr schar- fen Umrissen entworfen werden. Es ist bekannt, dass die Ver- hältnisse der brechenden Medien zu einander sich nach der jedesmaligen Entfernung des betrachteten Objects dergestalt verändern, dass das Bild dieses Objects stels gleich deutlich ist, nur kleiner bei entferntem, grösser bei nahem Objecte. Eine gewisse bestimmte Entfernung vom Auge, in welcher man am deutlichsten sieht, d.h. in der von dem betrachteten Objecte das deutlichste Bild auf der Netzhaut entworfen wird, giebt es nicht. Das gesunde, normal gebildete, nicht kurz- sichtige Auge sieht daher alle Gegenstände, namentlich feine Striche und Punkte, in jeder Entfernung scharf begränzt und einfach. Der Sehwinkel, unter welchem ein kleines Pünkt- chen einem solchem Normalauge in der Nähe verschwindet, ist gleich dem Sehwinkel, unter welchem ein grösserer Fleck in der Ferne unsichtbar wird. Die Deutlichkeit hat indessen ihre Gränze. Man kann nämlich einen Gegenstand dem Auge nicht näher bringen als 4—5 Zoll, sonst erscheint. er undeutlich. Für den Fernsichtigen rückt diese Gränze weiter vom Auge ab, für den Kurzsichtigen aber rückt sie näher, und es bildet sich ausserdem für sein Auge noch eine zweile, 8, 40 oder 20—30 Zoll vom Auge entfernte Gränze. Ueber diese hinaus erscheint ihm Alles undeutlich, und wird erst durch die Brille betrachtet so, wie es dem Normalauge ohne Brille erscheint. Zwischen den beiden genannten Gränzen sielt aber der Kurzsichlige eben so deutlich als ein Normal- auge. (Das Weitere über diesen Gegenstand findet sich in meiner Schrift: Die Bewegung der Krystalllinse, Dorpat bei Kluge, Leipzig bei Otto Wigand. 1839.) Wird nun ein also deutlich gesehener Punkt von einem normal gebildeten Auge scharf fixirt und entfernt sich der Beobachter allmählig von dem Objecte, bis dieses verschwin- det und die Tafel, auf welcher sich der Punkt oder Strich befindet, durchaus rein erscheint, so ist die Gränze der Ge- 86 sichtsschärfe erreicht. Diese Gränze lässt sich als klein- ster Sehwinkel und, mit Hinzuziehung des Radius der Netz- hautkrümmung = 5,6“, als kleinstes Netzhautbildchen bezeich- nen. Aus mehreren Hundert von verschiedenen Individuen angestellten Beobachtungen ergab sich, dass ein weisser, nicht glänzender Punkt auf schwarzem Felde bei 10 Secunden Sehwinkel oder einem Netzhautbildchen von 0,00026" = 4,5" verschwindet. Dieses ist noch lange nicht die äusserste Gränze der Perceptibilität, indem ein weisser Strich auf schwarzem Felde unter 2“ S. W. oder 0,00008 Bild noch gesehen wird, glänzende Puhkte aber, wie z. B. Sterne in unendlicher Ent- fernung noch sichtbar sind *). Da nun weisse Punkte nur überhaupt als Reiz wirken, so schienen mir schwarze Punkte auf weissem Hintergrunde mit grösserer Sicherheit die Gränze der Gesichtsschärfe anzudeuten. Denn das schwarze Bildchen wird als Mangel des Lichtreizes wahrgenommen, muss also vor allen Dingen vollkommen genau entworfen sein, weil ein nur etwas schalliges Bild nicht mehr eine so isolirte Empfin- dung erzeugen kann, wie doch anzunehmen ist; ferner muss das Nerventheilchen, welches das schwarze Bildchen aufnimmt, seine Perception für sich und isolirt von den umgebenden Ner- ventheilchen dem Gehirn zuführen; endlich müssen im Cen- trum der Netzhaut mehrere eben so feine Nerventheilchen dicht nebeneinander sich befinden, da selbst die geringen Schwan- kungen der Augenachse seitwärts den Punkt nicht sogleich verschwinden lassen. Es fand sich nun der Sehwinkel, unter welchem schwarze Punkte auf weissem Felde verschwinden = 20", das Netzhautbildchen gleich 0,0008" = 1355". — Dieses wäre somit die anzunehmende grösste Dicke der Nervenenden im Centrum der Netzhaut (siehe das Weitere hierüber in der oben angeführten Schrift: die Bewegung der Krystalllinse S.14.). *) Volkmann (Neue Beiträge etc. Leipz. 1836. S. 202.) sah einen Spinnefaden von 0,0024 Durchm. auf 21’ Entk., was ein Netzhautbildehen von 0,00005% giebt. 87 — Nachdem nun die Gränze der Gesichtsschärfe festgestellt worden, wollen wir auch die Gränze der Unterscheid- barkeit zweier Gesichtsobjeete von einander zu bestimmen suchen. Auch hierzu wählte ich schwarze Punkte oder Striche auf weissem Hintergrunde, von welchen sich der Beobachter so lange entfernte, bis sie mit einander in eins verschmolzen erschienen. Zwei Punkte, die 0,45‘ von einander abstanden, verschmolzen mit einander auf 10‘ Entfernung, was einen Seh- winkel von 1'4“ und ein Netzhautbildchen von 0,0017' giebt. Dasselbe Resultat gaben Striche, die eben so weit von einan- der abstanden. Nach vielfacher Wiederholung dieser Versuche betrachtete ich die in gestrichelter Manier mittelst einer Ma- schine gestochenen Münzen, Medaillen und Gemmen in dem tresor de numismalique et de glyptique, Paris 1834. Hier konnte ich Intervallen von 0,0727“ auf 22“ 3 Entf. noch unterscheiden, also unter einem Winkel von 56,8“ oder einem Netzhautbildehen von 0,0015, ja manche recht sauber mit sehr scharfen Strichen auf recht reiner glatter weisser Fläche abgedruckte noch unter 44,3° Sehw. oder 0,0012 Bild. In etwas grösserer Entfernung erschien die gestrichelte Fläche grau. Volkmann erkannte zwei Spinnefäden, die 0,0624 auseinander slanden, auf 7° Entf. als doppelt, bei einem Netz- hautbildehen von 0,0041“, ein anderer Beobachter daselbst bei 41” Entf. und 0,0026 Bild. Weisse Striche auf schwarzer Fläche bedurften, um noch als getrennt erkannt zu werden, eines Zwischenraums von 0,0020” im Netzhautbilde, d. h. also eines grösseren Zwischenraumes als schwarze Swiche auf weisser Fläche. Das Verschmelzen der ganzen Fläche in ein Grau führte mich darauf, farbige Streifen neben einander zu betrachten, : und so erschienen denn gelbe Streifen auf rother Fläche orange bei einem Netzhautbilde von 0,001’, ebenso gelbe Streifen auf blauer Fläche grün. Ja, um überhaupt die Farbe eines klei- nen Objeets unterscheiden zu können, dazu bedarf es eines Netzhautbildes von 0,00155 oder eines Sehwiukels von 88 57", denn kleine farbige Quadrate von 1" Durchmesser auf schwarzem oder weissem Hintergrunde unterschied ich 'ihrer Farbe nach noch auf 25° Entfernung. — Es trifft also die Gränze der Unterscheidbarkeit mit der Gränze der Unterschei- dung der Farbe zusammen. Um nun aber weiter an einem kleinen Gesichtsobjecte auch die Form zu bestimmen, dazu reicht der bisherige Seh- winkel nicht hin. Ein Quadrat von 1,2“ Durchmesser wurde auf 11‘ noch erkannt, also unter einem Sehwinkel von 2'35" oder einem Netzhautbilde von 0,00424”. Eben so wurde ein schiefer Strich von 1,5‘ Länge auf 13’noch als schief erkannt, unter 2’ 45” Sehwinkel oder 0,0045“ Bild. Dieses scheint also in der That nach vielfacher Wiederholung der Versuche die Gränze der Formbestimmung zu sein, denn nur selten ge- lang es, die Form bei 0,0032" Bild zu bestimmen. Und hier- aus lässt sich nun auch die Gränze berechnen, bis zu welcher das Auge fähig ist, eine Druckschrift zu lesen. Ich las z. B. Doppelmittel (versteht sich für mein Auge mittelst einer pas- senden Brille) auf 13° Entfernung. Die Breite der Buchstaben beträgt hiebei 1,5“, was ein Netzhautbild von 0,0045" giebt, übereinstimmend mit der Gränze der Formbestimmung. Zu gleicher Zeit betragen aber die Zwischenräume innerhalb der Buchstaben 0,5“, was ein Netzhautbild von 0,0015" giebt, übereinstimmend mit der Gränze der Unterscheidbarkeit, und es scheint gerade in dem richtigen Verhältnisse dieser beiden Dimensionen der angenehme Eindruck zu beruhen, den eine solche Druckschrift auf das Auge macht. Stellen wir nun diese Beobachtungen zusammen, so ergiebt sich als Gränze der Gesichtsschärfe ein Sehw. von 20", ein Bild von 0,0008, als Gränze der Unterscheidbarkeit ein Sehw. von 57", ein Bild von 0,0015, als Gränze der Formbe- stimmung ein Sehw. von 2' 45", ein Bild von 0,0045". Dürften wir also, wie oben bemerkt, annehmen, dass die fein- sten Nervenenden der Netzhaut, die noch einer isolirten Lei- tung der Empfindung fähig sind, 0,0008“ Durchmesser haben, 89 so würde die Unterscheidung zweier Gesichtsobjeete darauf be- ruhen, dass ein zwischen liegendes Nervenende nicht affeirt würde. Ist dieser Schluss richtig, so entstände aus zwei Far- ben für die Empfindung eine Mittellinte, sobald zwei neben- einander liegende Nervenenden von verschiedenen Farben be- rührt würden. Dieses könnte indessen nur für das Sehen ge- färbter beleuchteter Flächen gelten, nicht für farbiges Licht, weil es, ungleich heller abstechend gegen den Hintergrund, auch bei unendlich kleinen Bildchen seine Farbe behält. Nach dem Obigen fände somit eine consensuelle Afleelion derjenigen Nervenfasern statt, die dem von den Bildehen be- rührten zunächst anliegen. Dieses könnte uns vielleicht dazu dienen, die Frage zu beantworten, weshalb es zur Wahrneh- mung der Form eines Objects oder, was dasselbe ist, der Richtung einer Linie, einer Affeetion von wenigstens 4—5 ne- ben einander liegenden Nervenfasern bedarf. Es ist nämlich erst dann die eonsensuelle Affeetion der benachbarten Nerven- fasern nach der einen Richtung überwiegend über die nach der andern Richtung. Stellen wir uns vor, dass das Netzhautbildchen nur die drei Nervenfasern a b c der ersten Figur berührt, so würden d e und A ö consensuell affieirt, und wir hätten einen Kreis, einen Fleck, somit also auch die Empfindung von einem Flek- ken. Lassen wir dagegen in der anderen Figur ? m n o af- fieirt werden, so würde bei der ceonsensuellen Affeetion der benachbarten Fasern p q r und s £ « doch noch immer ein lüngliches Bild empfunden werden. — Wie sehr das Erkennen der Form von der consensuellen Aflection benachbarter Ner- 90 venfasern abhängt, zeigt sich bei vergleichender Betrachtung eines schwarzen Quadrais auf weissem Grunde, das bei 0,0040“ bis 0,0045“ Bild noch erkannt wird — mit einem weissen Quadrate auf schwarzem Grunde, zu dessen genauerer Unter- scheidung es eines Netzhautbildes von 0,0058“ bedarf. Hierbei erlaube ich mir zu bemerken, dass die Gränze, bis zu welcher wir im Stande sind, die Abweichung in der Richtung der Au- genachse, oder, was dasselbe ist, die überwiegende Thätigkeit eines Augenmuskels über seinen Antagonisten noch wahrzu- nehmen, nach früheren von mir angestellten Beobachtungen (siehe die Achsendrehung des Auges, Dorpat bei Kluge, Leip- zig bei O. Wigand. 1838. S. 25.) — ebenfalls nur 0,005“ im Netzhautbilde beträgt. Die bisherigen Beobachtungen betrafen nur die Energie der Netzhaut im Centrum des Gesichtsfeldes, durch welches wir freilich vorzugsweise die Gegenstände betrachten. Es wurde indessen schon zuerst bemerkt, dass man, einen Punkt mit der Sehachse fixirend, nichts desto weniger auch, ohne das Auge hinzuwenden, auf Gegenstände zu achten vermag, die seitwärts im Bereiche des Gesichtsfeldes sich befinden. Verschiedene Versuche lassen auch in Bezug auf das Erkennen dieser seitlichen Objecte die Gränze des Sehvermögens bestim- men. Ehe wir jedoch diese betrachten, verdient erwähnt zu werden, dass uns seit Mariotte eine Gegend im Gesichtsfelde jedes Auges als nicht sehend bekannt ist. Nach wiederholten Messungen und Beobachtungen fand ich die Form dieses Flek- kens oder vielmehr dieser nicht sehenden Stelle für meine Augen, und gebe sie in beiliegender Zeichnung, Taf. I. Fig. 5., um die Hälfte verkleinert. Diese entwarf ich zu- erst so: ich richtete mein ‚Auge auf einen Punkt, und führte dann die markirte schwarze Spitze einer ganz weis- sen Bleifeder seitwärts nach aussen von dem fixirten Punkte an den Rändern der nicht sehenden Stelle hin. Sodann kehrte ich den ‘Versuch um, liess den Punkt seitwärls und blickte auf das weisse Papier, bis jener Punkt c aus dem Seh- 91 felde verschwand. Ich bezeichnete nun die Stelle wo der Punkt zu verschwinden anfing, 5, sodann die, wo er wieder siehtbar wurde, a, dann ging ich soweit herab mit der Au- genachse, bis bei g der Punkt wieder sichtbar wurde, endlich hinauf bis A. Da zeigte sich"dann eine ovale Figur mit aus- laufenden Verlängerungen. Die Breite dieser Figur beträgt im Netzhautbilde 0,4397“. Um den Umfang desselben und die Entfernung vom Centrum nach Graden zu bestimmen, benutzte ich die vorhin erwähnte in Graden eingetheilte Tafel, indem ich den Drehpunkt meines Auges in den Mittelpunkt des Krei- ses stellle. Auf diese Weise fand ich den Mariotte’schen Fleck auf dem rechten Auge 14 Grad oder 1,3678“ vom Centrum entfernt und 4; Grad breit, auf dem linken Auge 124 ° oder 4,221%°" vom Centrum entfernt. Mariotte (Oeuvres Leyd. 4771 p. 496.) sah einen fussgrossen Fleck auf 10 Fuss Ent- fernung 2 Fuss vom Centrum verschwinden. Brewster (Fror. Not. Bd. 36. S. 241.) fand den Fleck 14° seitwärts von dem Punkte des deutlichsten Sehens und 7° unter der Horizontalebene. Purkinje’s (Beiträge S. 89.) und Mül- ler’s (Physiologie Bd. 2.. $. 380.) Beobachtungen über die Aderfiguren im Auge bestätigen diesen Anfang der die Netz- haut durehziehenden Gefässe, so dass es also keinen Zweifel leidet, der nichtsehende Fleck entstehe durch das Eintreten der Gefässe. Obwohl nun selbst stark leuchtende Gegenstände im Bereiche der bezeichneten Stellen nicht gesehen werden, so erscheint die Stelle doch nicht als Fleck, wie dieses doch bei beginnender Amblyopie an einzelnen Stellen der Netzhaut der Fall ist, sondern eine weisse Tafel erscheint an der Stelle des Fleckens ebenfalls weiss, eine schwarze schwarz. Ja selbst Umrisse werden, wo sie durch die nicht sehende Stelle gehen, ergänzt, Beachtet man einen Strich, der seitwärts von der Sehachse durch jene Stelle geht, so erfordert es eine grosse Aufmerksamkeit zu bemerken, dass er daselbst unterbrochen sei. Ebenso glauben wir die Ecke eines Quadrats, die gerade auf jene Stelle fällt, zu schen, obwohl diese Ecke in der That 92 nicht empfunden wird. Es ist hier offenbar eine ergänzende Thätigkeit der Vorstellung rege. Diese Thätigkeit der Vor- stellung und der Umstand, dass beim Sehen mit zwei Augen, die dasselbe Bild auffangende Stelle im anderen Auge nach aussen vom Sehnerven liegt und sieht, sind der Grund, weshalb man für gewöhnlich den Mariotte’schen Fleck nicht bemerkt. Abgesehen also von der Eintrittsstelle der Vasa centralia relinae ist die Netzhaut im übrigen Gesichtsfelde überall em- pfänglich für die Bilder der Objecte. Wie nun diese Empfäng- lichkeit von dem Centralpunkte aus nach der Seite hin all- mählig abnimmt, beobachtete ich so: Ich stellte wieder den Drehpunkt meines Auges in das Centrum jenes mit Radien bezeichneten Kreises.. Indem ich nun eine Stecknadel fixirte, brachte ich seitwärts ein kleines Objeet (schwarze Flecke auf einer weissen Tafel) so an, dass ich es deutlich sehen konnte, Nun richtete ich das Auge so, dass der Gradbogen zwischen seiner Achse und der Richtungslinie des Objects grösser wurde, und rückte in dieser Ablenkung des Auges allmählig fort, bis der Gegenstand verschwand; dann maass ich wieder die Ent- fernung des Objects vom Auge so wie seinen Durchmesser, und berechnete daraus die Grösse des Netzhautbildes, — Bei etwas bedecktem Himmel erhielt ich folgende Resultate, Objecte im Durchmesser: 0,35 verschw. auf 1° seitl. Abweich. bei 10° 8“ Entf..0,0012 Bild. ee eteonaleip: ran - 0,0019 - de. u nr > - 0,0023 - > in ABO mai 2uinanng 0 DEE Eee di 4 m. na a AOLa nn Sn a8 720 02 PEN Eu ha ro rear - 0,0060 - RE RE Br ee Rh ge Tee N N." 490 aa eg ige Nibteolgnznle u en a zii oe Er = 0,0096 - 93 Objeete im Durchmesser: 2,5. verschw. auf 25° seitl. Abweich. bei 7 Entf. 0,0130 Bild. zu z 3.27% %e - ...6 - 0,0161 - ch = 290, ©. - - 5 34 . 00185 - Pr = - 30% - - - 4 6% - 00214 - er 2 - 330. - - 4 - 0,043 - er es - 40 - E . 31 6% - 00970 - z e 20500 - - 210” - 00340 - Stellen {wir nun neben diese Keihe verschwindender Ob- jeele einige Versuche über das Unterscheiden zweier Striche von einander seitwärts von dem Centrum: Striche die 0,75" v.einand.u.1?’ v.Auge standen auf #° seitw. 0,0024“ Netzhaulb. ae ng ers - - 20 -. 0,0039 - 1,5%. en zu le 5 - 6° - 0,0048 - a 2,94 _ IE ae = - 8° - 0,0094 - 1,24. 15 The 2 - 11° -. 0,0220 - 7,5 un 12% nik - - 14° - 0,0243 - 7,54. ginn 20 - 2 -.20° - 0,0357 - Heben wir aus diesen Versuchen den bei 14° und den bei 20° Abweichung heraus, so zeigt sich im Vergleich mit den Beobachtungen aus der ersten Reihe bei gleicher Abweichung, dass das Bild der beiden Striche viermal grösser sein muss als das des verschwindenden Objects, damit die Striche noch als getrennt wahrgenommen werden. Ueberhaupt aber ist es bei der Visio obliqua ungleich schwieriger als bei der Visio direeta zu bestimmen, wann der Moment des Vermischens der beiden Striche mit einander eintritt. Beobachten wir nun auch die Form der Objecte mittelst der Visio obliqua, so wurde ein Quadrat, das 1% im Durchm., auf 8/2 Entf. u. 10° seitl. Abweich. bei 0,055‘ Bild 40’ - - - HU. 140. - - 0,0694 ZW - - - 821 - .17 - - 0,0854 run. 2. - HUT. 220» - - 0,1034 - 3” - » NED! ® - 0,1710. BI I Ana? vis ab, Jun zugaozw - erkannt, 94 Wenn wir aus diesen Beobachtungen die bei 14° und bei 25° herausheben, so ist das zum Erkennen der Form nöthige Bild 10 Mal grösser als das, welches die Gränze der Sicht- barkeit bestimmte. / Da der Einfluss der Faserung der Netzhaut auf ihre Per- ceptibilität überhaupt noch ungewiss ist, so lässt sich um so weniger bei der Visio obliqua hierüber etwas feststellen, da diese keine hinreichend genauen Beobachtungen zulässt. Den- noeh kann ich nieht umhin, das Verhältniss, in welchem sich die Netzhaut vom Centrum nach der Peripherie zu ausbreitet, mit dem Verhältnisse, in welchem die Breite des Bildes eines noch sichtbaren Punktes zunimmt, hier zusammenzustellen. Nennen wir den zu berechnenden Breitegrad =ß und r den Radius der Netzhautlkrümmung, so ist rn Be der Breite eines Grades auf einem das Netzhauteentrum als Pol ge- dacht concentrisch umgebenden Kreise. Also bei 5° Entfer- nung vom Centrum (oder 85° der Breite vom Aequator) beträgt die Ausdehn. eines Grades 0,00085‘" das Bild n. d. Tab. 0,0024 bei14° - - - 00036 - - - 0,0060 - 25° - - - 00043 - - - 0,0130 - 50° - - - 0007458 - - < 0,0340 Es gehen also: beinahe 4 Grade des Kreises auf einen em- pfindungsfähigen Punkt, was freilich eine sehr geringe Percep- tibilität an den äussersten Gränzen der Netzhaut erwarten lässt. Diese geringere Empfänglichkeit der vom Centrum ent- fernten Theile der Netzhaut ist sich ringsum ziemlich gleich — doch fand ich den oberen so wie den inneren Theil der Netzhaut im Ganzen etwas empfänglicher als den unteren und inneren Theil, so dass also die nach aussen befindlichen Ob- jeete um ein Geringes besser gesehen werden; dennoch bleibt es immer sehr schwierig, wenn man die Aufmerksamkeit auch anhaltend auf einen solchen seitlichen Gegenstand richtet, ihn zu erkennen, zumal da auch die Farbe des Objecles je weiter vom Centrum, um so ungewisser wird. Ein grünes Quadrat 95 von 2” 4 Durchmesser wurde auf 12’ Entf. und 13° Abwei- chung nicht mehr für grün erkannt; ein blaues Quadrat von ‚gleicher Grösse auf 18° Abweichung, ein gelbes auf 25° — ein blauer Papierbogen konnte auf 40° Abweichung kaum als blau unterschieden werden, dagegen ein rother so wie ein gel- ber Papierbogen noch auf 70° Abweichung farbig erschienen — weiter hinaus war nur noch eine Unterscheidung von Hell und Dunkel möglich. — Es würde eine neue Reihe von Beob- achtungen erfordern, um zu ermitteln, in wie fern das Far- bensehen won dem geringeren Unterscheidungsvermögen der Netzhaut abhängt. So wenig wir aber auch im Stande sind, mittelst der Vi- sio obliqua unbekannte Objecte richtig zu erkennen, so leicht und rasch sehen wir bereits bekannte Gegenstände, die seit- wärts liegen. Ja es ist die Schnelligkeit, mit welcher das Auge die das Centrum zunächst umgebenden Bilder beachtet, so ausserordentlich, dass sie vorzugsweise auf die Natur des Sehprocesses ein helleres Licht zu werfen verspricht; es darf diese Thätigkeit „daher hier bei Betrachtung der Gränzen des Sehvermögens nicht ausser Acht gelassen werden. Sobald das Auge einen Gegenstand fixirt und sein Bild auf der Netzhaut entworfen ist, so haben wir in demselben Momente auch die Empfindung von diesem Bilde, das unbe- weglich auf der einmal eingenommenen Stelle der Netzhaut beharrt, und in dieser einen Eindruck hinterlässt, welcher, wie es aus der Beobachtung emer geschwungenen Kohle, einer gedrehten Scheibe, des Stroboscops u. s. w. bekannt ist, 4 Se- eunde dauert. Wenden wir nun den Blick von dem erst be- trachteten auf einen andern, so wird auch dieser eben so rasch empfunden, ohne dass der Eindruck des ersten Bildes, wenn dieses nicht etwa sehr hell erleuchtet war oder sehr lange fixirt wurde, den folgenden Eindruck stört. Es muss also in der Zwischenzeit von einem Blicke zum andern } Secunde verstrichen sein, in welcher Zeit der erste Eindruck verschwand. Diese Zwischenzeit ist die der Bewegung des Auges, während 96 welcher alle Bilder der zwischenliegenden Objecte rasch sich nach einander über die Netzhaut hinbewegen; so rasch, dass sie gar keine Empfindung hervorzubringen im Stande sind. Um zu bestimmen, wie viel Mal das Auge innerhalb einer Se- cunde seine Richtung verändern könne, zählte ich nach der Seeundenuhr eine Reihe kleiner Punkte mit den Augen, zu wiederholten Malen und so rasch, als ich’s nur irgend im Stande war, doch jeden Punkt einzeln fixirend.. Es kamen immer nur drei Punkte auf die Secunde. Da nun zuerst bemerkt wurde, dass nur 4 Secunde auf jede zwischen zwei Blicken stattfindende Bewegung des Auges gerechnet werden kann, so würde also bei dem möglichst schnellen Fisiren von einer Reihe von Objecten jedesmal das Bild auch nur 4 Secunde auf der Netzhaut zu verweilen Zeit haben. (Nach Plateau — Müller’s Physiol. Bd. I. S.363. — dauern die Gesichts- empfindungen 0,32— 0,35 Seeunden über den Gesichtseindruck; da hierbei die Bewegung nicht gerechnet worden, so trifft die- ses mit unserer Auseinanderselzung überein.) Es fragt sich nun, wieviel das Auge in jener Sechstelsecunde von den auf der Netzhaut entworfenen Bildern wahrzunehmen im Stande ist. Dieses lässt sich einigermassen aus der Schnelligkeit be- rechnen, mit der man liest. Ich konnte in 45 Seeunden 24 Zeilen lesen, die 1680 Buchstaben enthielten, also 37 Buchstaben in der Secundee Da in der Secunde nur 3 Blicke möglich sind, so kommen 12 Buchstaben auf jeden Blick. Diese 12 verschiedenen Formen werden nicht ganz gleichzeitig, sondern nur. sehr rasch nach einander in dem Zeitraume von 4 Sec. beachtet, es bleibt somit für jeden Buchstaben ;'z Sec. als Ma- ximum der Schnelligkeit des Sehens. Leidet indessen das Auge an einer zu grossen Reizbarkeit, so haftet der Eindruck länger als 4 Sec., wirkt daher störend beim raschen Fortbewegen des Blicks, und zwingt zu einer langsameren Bewegung, einem seltneren Wechsel. Dieses sind die Gränzen, welche dem Gesichtssinne durch die Nalur seines Organs gesteckt sind. Es zeigt sich nun seine 97 Energie in der Art, wie es sich innerhalb dieser gegebenen Gränzen bewegt, wie lange das Auge, ohne zu ermüden, an- haltend auf einem Objecte zu haften, wie rasch es sich von einem zum andern zu bewegen vermag — ob es also Aus- dauer, ob Schnelligkeit besitze — ob die Aufmerksamkeit rasch das Gesichtsfeld überfliegt, oder ob sie nur wenige Punkte bei einem Punkte aufzufassen im Stande ist. Diese Momente hän- gen mit der Natur des Auges, ja mit den Lebensäusserungen des ganzen Körpers auf das innigste zusammen, und sprechen sich auch objectiv im menschlichen Blicke aus. Müllers Archiv. 1840. 7 Ueber den Bau der Needham’schen Körper. Von Dr. W. Prrers. (Aus brieflicher Mittheilung an den Herausgeber. ) *) Es ist mir gelungen, den B>*der Needham’schen Körper zu beobachten, der wirklich sehr interessant ist; es sind, wie Wagner schon als Vermuthung aussprach, wirklich Saamen- thierchen darin. Es ist bekannt, wie schön und regelmässig diese stabföürmigen Körper neben einander in dem ihnen be- stimmten Sack gelagert sind, und man erkennt mit blossen Augen schon an ihnen einen weissen undurchsichtigen Theil, so wie ein durchsichtiges anderes Ende, an welchem letztern sie auch durch feine Fädchen untereinander zusammenhängen, Jeder einzelne dieser Körper bildet nun zunächst eine Röhre, die an beiden abgerundeten Enden blind geschlossen ist. Bei der leisesten Berührung verändern sie jedoch schon ihre Gestalt, indem aus dem vordern durchsichtigen Ende ein weisser wurmförmiger Körper hervortritt, während die Röhre nun ganz durchsichtig wird. Geschieht dies nun namentlich mit mehreren, so giebt *) Diese Beobachtungen sind in Folge der schönen Beobachtungen von C. v. Siebold über die Saamenkapseln der Cyclops angestellt. 99 dieses der Sache jenes merkwürdige Ansehen, welches man so oft bewundert hat, namentlich geschieht dies; wenn" man sie in Wasser bringt, denn alsdann zerreisst der hervorgelre- tene Körper und löst sich allmählig für’s blosse Auge zu einer formlosen weissen Masse auf, welche bei näherer Betrachtung aus lauter Saamenthierchen besteht, die sich auf’s schönste mit ihren Schwänzehen bewegen’und losreissen: Der Organismius ist'nun folgender: am vordern Ende liegt eine Röhre: in ‘Spi- ralen zusammengelegt, welche sich nach hinten in ein birn- oder flaschenförmiges Organ fortsetzt, welches am Ende etwas zagespitzt ist und hier eine feine Röhre abgiebt, wodurch es mit einem Sack zusammenhängt, der! unter dem Mikroskop schwarz erscheint, mit blossen Augen und ‘der Loupe angese- hen aber gerade jenen undurchsichtigen ‘weissen Theil aus- macht, von dem ich oben sprach. Diese drei Theile liegen nun in einem Cylinder jener Röhre, sind aber zunächst noch von mehreren zarten Membranen, 2—3, umgeben, welche sie in ihrer Lage erhalten. Durch einen Druck, oder wenn sie mit Wasser in Berührung gesetzt werden, zerreissen nun die Membranen, indem die in Spiralen gelegte Röhre, sich aus- dehnend, sie zersprengt. Diese Röhre ist blindsackförmig geendet, und bleibt nun entweder noch in weiteren Spiralen zusammen liegen, oder legt sich fast ganz frei; man sieht aber mit Leichtigkeit, dass in dieser Spirale wieder eine andere eingeschlossen ist. Die innere Spirale sprengt nun, indem sie gegen das blindsackige Ende der äussern Spirale sich anhäuft, am Ende die Wandung der letztern und tritt hervor. Da- durch wird nun das birnförmige Organ, und durch dieses der Saamenthiersack langsamer oder schneller hervorgezogen; das birnförmige Organ stälpt,sich entweder um, und so wird der Saamenthiersack durch dasselbe an’s Tageslicht gebracht, oder die Spiralröhre zerreisst an irgend einer Stelle und das birn- förmige Organ tritt in seiner primitiven Gestalt mit dem Sack hervor; letztere Procedur scheint jedoch nicht normal zu sein, und findet namentlich statt, wenn man die Spirale unzart mit 7 * 100 der Pincette angefasst hat etc. Ich habe übrigens einige Ab- bildungen gemacht, ‚welche ich Ihnen zeigen werde, wo man alle, diese Abweichungen sehen kann. Manchmal geht die Ent- wickelung mit: Blitzesschnelligkeit vor sich, andere Male sehr langsam, doch ist die letzte Art immer sehr rasch. Man kann nun den Saamenthiersack entweder bloss trocken zerreissen, oder man feuchtet ihn nur ein wenig mit Wasser an, so sieht man, wie die Thierchen oder diese Organismen zahllos her- vorströmen, indem ihre Hülle äusserst zart ist. Ich habe diese Beobachtungen übrigens an mehreren Sepien (denn nur.bei diesen fand ich bis jetzt diesen Bau, der wesentlich von dem der Octopus abweicht) gemacht, und mehrere hundert, Male stets dasselbe gesehen, ich kann daher nur wünschen und.hof- fen, dass bessere und ausgezeichnetere Beobachter diese Unter- suchungen bestätigen oder ihre Unrichtigkeit nachweisen mögen. Ueber Nebenkiemen und Wunderneize *). Von J. MuELter. L Von der Natur der Nebenkiemen bei den Knochenfischen. (Gelesen in der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin am 44. November 1839.) Unter Nebenkiemen versteht man bekanntlich gewisse blut- reiche, den wahren Kiemen täuschend ähnliche aber viel klei- nere Organe, welche bei den meisten Knochenfischen am Gau- mentheil der Kiemenhöhle, hinter dem queren Gaumenmuskel vor oder nach aussen von dem obern Ende der Kiemen liegen, und einen Kamm von Blättchen mit Knorpelstrahlen und fe- deriger Vertheilung der Blutgefässe darstellen. Man ist ‚erst spät auf sie aufmerksam geworden, doch ist wahrscheinlich hierher zu rechnen, was Aristoteles die äusserste einfache Kieme im Gegensatz der doppelten Kiemen nennt: 76 8'20xarov (Boayxıov) xeos 79 una xiavrumw axhouv. Hist. anim. 2. 413. Vergl. de part. anim. 4. 13. Broussonet beschrieb sie bei mehreren Fischen und sprach die jetzt ziemlich allgemein ver- *) Aus der dritten Fortsetzung der vergleichenden Anatomie der Myxinoiden. 102 breitete Meinung aus, dass diese Organe dieselbe Funclion wie die Kiemen haben. Nach ihm ist die Arterie der Pseudobranchie ein Zweig des Astes der Kiemenarterie zur äussersten Kieme. Ganz übereinstimmend ist die Angabe von Walbaum. Auch mehrere der besten Beobachter neuerer Zeit, wie Rathke und Meckel, sprachen sich, zufolge des den Nebenkiemen und Kiemen analogen Ursprungs der Gefässe, für die gleiche Bedeutung aus. Rathke beschrieb in seinem treffllichen Werk über den Kiemenapparat zuerst ihre Blutgefässe genauer. Nach ihm strömt das Blut den Nebenkiemen aus einigen: Venen des Kopfes zu, die vorzüglichste gehört zur untern Wand des Schädels, vielleicht zum Gehirn, und theilt sich auf der obern Fläche der hintern Hälfte vom Körper des Keilbeins in 2 di- vergirende Aeste, deren jeder in das obere Ende der Kieme eindringt und die meisten Blätichen mit Blut versorgt, die übrigen kleinen gehören dem Kiemendeckel an und dringen in das untere Ende der Kieme. Seinen Abzug nimmt das Blut aus der Nebenkieme durch eine 'Arlerie, die schräg nach unten und vorn zum Zungenbeinbögen geht, innerhalb dessel- ben bis zu der Stelle hinläuft, wo dieser Bogen sich’mit dem der andern Seite vereinigt, und endlich in das untere Ende oder den 'Anfang der Kiezienvene der Hauptkieme übergeht. Gegen diesen Fluss spricht (sie Vertheilung der. Kräfte ‚am Kreislauf, Denn das Blut, was aus den Körpervenen den Ne- benkiemen zufliessen könnte, steht unter dem Druck des Her- zens, abgezogen den Widerstand des Capillargefässsystems der Kiemen und des Körpers, durch welche beide es durchgegan- gen ist, Das Blut in den Kiemenvenen hingegen steht unter stärkerem Druck, nämlich dem Druck des Herzens, abgezogen den Widerstand des Capillargefässsystems der Kiemen; folglich kann ein mit den Körpervenen zusammenhängendes Gefäss der Nebenkieme das Blut nur den Körpervenen, nicht der Neben- kieme, das mit den wahren Kiemenvenen zusammenhängende Gefäss nur das Blut zur Nebenkieme führen. Hyrtl in seiner ausgezeichneten Arbeit über das Gefässsystem der Fische fand 103 jedoch den Ursprung. der Gefässe dieser Nebenkiemen abwei- chend von dem der Kiemen. ‘Nach ihm entspringen: die Ar- terien dieser Theile,’ wie die des Kiemendeckels, Zungenbeins aus der Verlängerung, der ersten Kiemenvene nach unten, wäh- rend die meisten Theile des Körpers aus der Verlängerung der Kiemenyvenen nach oben.oder aus dem Aortensystem ihre ‚Ar- terien erhalten. Hieraus. schliesst: derselbe, dass‘ die. Neben- kieme den Charakter einer Kieme: verliere. , Die Venen der Nebenkieme müssten, sagt derselbe, wenn sie eine wahre Kieme wäre, sich in die Kiemenvenen einmünden, dagegen sie nach Hyrtl| bei Salmo Hucho in. die Jugularvenen übergehen. Von ‚einer andern Seite; nämlich durch eine merkwürdige Abweichung der Nebenkiemen ‚bei Gadus callarias ist der Verfasser gegenwärliger Mittheilung auf diese Organe aufmerk- sam geworden. Hier sind sie so sonderbar gebildet, dass es längerer Untersuchungen bedurfte, ehe der Verfasser, ihre Iden- lität mit den Nebenkiemen ‚erkannte. Von diesem. Putikte aus wurde die weitere Untersuchung eröffnet, die allmählig erlangte speciellere Kenntniss ‚des Gefässsystems dieser Or- gane stiess auf so merkwürdige Structur- Verhältnisse, dass der Verfasser keinen 'Anstand nimmt, ‚den Bau der Nebeukie- men unter die merkwürdigsten Thatsachen der vergleichenden Anatomie zu rechnen. Zuerst dürfte die drüsige Form der Nebenkieme zu er- wähnen sein, d.i. diejenige Form, welche viel mehr einer Blut- gefässdrüse als einer wahren fächerigen Kieme gleicht. Sie mag hier vorläufig der Kürze wegen drüsige Pseudobranchie heissen. Da das Organ bei manchen Fischen, z. B. bei den Gadus, sehr gross und dick ist, so muss es ohne Zweifel auch von älteren Beobachtern gesehen worden sein, 'und es mag das, wäs Monro in der Erklärung der Tafel XXV. seiner Fisch- analomie beim Schellfisch der Mandel vergleicht, hierher zu ziehen sein. Die drüsigen Pseudobranchien sind Liefrolhe, sehr blutreiche, aus mehreren Läppehen bestehende Organe, wel- che an der Stelle der Nebenkieme liesen, sie können jede Lage 410% haben; welche‘ sonst die'Nebenkiemen selbst haben. "Von den Nebenkiemen unterscheiden sie sich, dass sie ganz von der Haut der Kiemenhöhle bedeckt sind, und: keine fächerige Be- schaffenheit nach Art der Kiemen besitzen. ‘Die feineren Ele- mente sind aber ganz dieselben wie bei den Nebenkiemen, näm- lich vdie Läppchen sind‘ Federchen, ‘mit einem unter dem’ Mi- kroskop‘ bei Compression' sichtbaren Kiel von zelligem Knör- pel, und dieser Kiel ist beiderseits dicht mit häutigen, aber hohen und breiten Blättchen besetzt. ‘Auf der einen Seite des Federehens verläuft die Arterie, auf der andern die Vene, welche sich in die Blättehen auf das regelmässigste wie in die Fahne einer Feder vertheilen und auf den Blättchen durch Capillaren anastomosiren. In den sogenannten Nebenkiemen sind die Federchen schmal, wie an den Kiemen, und sind sehr regelmässig zu einem Kamm oder Fächer geordnet. In der von der Haut oder selbst von Fett und Muskeln, ja zu- weilen von Knochen verhüllten drüsigen Pseudobranchie sind die Federchen ausserordentlich dick, breit und meist kurz; nur bei oberflächlicher Untersuchung erscheinen sie als massige Läppchen. Die’ Basen der Büsche sind 'nach der einen, die Enden nach der andern Seite gerichtet, in den meisten Fällen liegen die Büsche nebeneinander in einer Reihe, wenn ihrer wenige sind, und meist bilden diese Pseudobranchien um so weniger Büsche, als die Büsche selbst dick sind. In andern Fällen liegen die Federn haufenweise aufeinander und sind durch Krümmungen weniger sogleich erkennlich, wie in der ganz dicken Pseudobranchie des Esox lucius. Man kann hier 2 einander bedeckende Reihen von Federn unterscheiden. Bei manchen Fischen zeigen sich allmählige Uebergänge von der drüsigen Form in die kiemenartige Form. Drüsige, von der Schleimhaut bedeckte Pseudobranchien fand der Verfasser bei den Gattungen Gadus, Phycis, Merlu- eius, Lota, Raniceps, Motella, Belone, Stromateus niger (Siro- mateus fiatola und maculatus haben fächerige Nebenkiemen), Lampugus, Lichia, Hydrocyon Esox, Gasterosteus, Gastero- 105 peleeus, |Hemiramphus, Echeneis und einigen Cyprinen, wie bei iCyprinus auratus, Cyprinus tinca. “Die meisten Cypri- nen haben kiemenartige freie Pseudobranchien, wie Cyprinus ieses, barbus, leueiscus, rutilus, blieca, erythrophihalmus, brama, idus, gibelio, gobio. Bei Motella bildet die drüsige Pseudobranchie nur 4, bei Gadus (callarias) 5, bei Gastero- pelecus nur 2 dieke Büsche. Um so grösser ist dagegen die Zahl der Büsche bei Esox lucius, hier liegen sie zu einem dicken Haufen zusammen, zum Theil gekrümmt und unter- einander verschoben. Das Organ liegt beim Hecht ganz ver- versteckt unter einer Hautfalle nach aussen von der obern In- sertlion der Kiemen, und ist auch von den umgebenden Theilen grösstentheils eingeschlossen. Die verborgenste Lage hat das Organ bei Cyprinus carpio und carassius. Es ist nicht bloss von dem beweglichen dicken Gaumenorgan bedeckt, son- dern selbst von Knochen verhüllt. Man findet es nach Weg- nahme des contractilen Gaumenorgans zwischen dem hintern Einde des queren Gaumenmuskels und den obern Schlundkno chen, die es grösstentheils bedecken. Es nähert sich hier wie auch bei tinea und Exocoetus der Form der fächerigen Kieme. Bei Lota vulgaris ist das Organ sehr klein und unter der Schleimhaut versteckt, viel grösser bei Lota elongata. In man- chen Fällen theilen sich einige der Federn, dies kömmt so- wohl bei verwachsenen als freien Federn vor, wie bei Tinca und Chela. Zuweilen sind selbst die fächerigen Nebenkiemen von der Haut bedeckt, wie bei Exocoelus exsiliens, Ephippus faber, Atherina Lichtensteinii. Nicht selten besteht die Neben- kieme aus 2 Theilen, einem freien kammartigen, mit schmalen längern Federn und einem verborgenen, von der dieken Haut bedecekten, mit kürzern diekern Federn wie bei Caranx lwachu- rus.. Bei Salmo salar ist ein Theil der Nebenkieme frei, ein grosser Theil der Pseudobranehie ist beim Lachs von einer sehr dieken festen sehnigen Haut bedeckt. Zuweilen sind anch die ganz freien Federn diek, breit und kurz wie bei den Gobius. 106 Die drüsigen Pseudobranchien sind immer leicht an ihrem Blutreichthum, an ihren Blutgefässfederchen, an ihren zelligen Kielen und dem sehr regelmässigen Ursprung ihrer Blutgefässe zu erkennen. Sie sind nicht zu verwechseln mit den kürzlich von Stannius beobachteten Follieuli branchiales ‚am Schulter- gürtel oder zwischen diesem und dem Kiemendeckel innerhalb der Kiemenhöhle, welche währe Schleimdrüsen sind. . Diese sind schr gross bei’ den Serranus, Dentex, Corvina, Xiphias, Gadus, Lota, Pimelodes. Beim Dorsch hat man’ Gelegenheit zugleich die drüsige Pseudobranchie und. die Stannius’sche absondernde Drüse zu schen. Die'Arterien der drüsigen Pseudobranchien sind in allen Fäl- len. durchaus dieselben wie die der gewöhnlichen Nebenkiemen. nämlich entweder ein Ast der Arteria hyoidea, die dann ‚vom Kiemendeckel her zur Nebenkieme tritt, wie bei den meisten Fischen, oder ein Ast des von Hyrtl entdeckten Circulus ce- phalicus wie beim Hecht, oder sie entspringt von beiden Sei- ten her, wie bei den Gadus, Lucioperca u.a, Die Arteria hy- oidea entspringt aus dem Bauchende der ersten Kiemenvene, durchbohrt zuerst das untere Ende des Zungenbeins, Aeste an dasselbe, den Kiemendeckel und die Mundschleimhaut abge- bend, kömmt dann, am untern Rande des Os temporale das Suspensorium des Unterkiefers durchbohrend, an der innern Seite des Kiemendeckels zum Vorschein, und geht nach Ab- gabe einiger Zweige zur Haut der Innenseite des Kiemendek- kels, direct zum vordern Rande der Nebenkieme. Sie anaslo- mosirt bei ihrem Erscheinen am Kiemendeckel mit einem Kie- mendeckelzweig der Carotis posterior bei Lueioperca, oder in der Nähe der Nebenkieme mit einem Zweig aus dem vordern Stück des Circulus cephalicus, wie bei den Gadus, wodurch ein Cireulus cephalieus lateralis entsteht. Die Arterie derNebenkieme verzweigt sich auf der der Basis cranii zugekehrten Seite der Pseu- dobranchie, die Vene an der entgegengeselztenSeile, beide ver- theilen sich von der Basis der Nebenkieme aus. Beim Hecht ist die Vertheilung weniger regelmässig. Die aus dem Seilen- 107 theil des Cireulus cephalieus 'entspringende Arterie der Neben- kieme theilt sich. in: 2 Aeste, für die doppelte Reihe der Federn der Nebenkieme. Diese Zweige liegen an.der untern: Seite des Organs, von'‚ikmen 'gehen die Zweige der: Federchen ab. Die Beobachtungen ‚über die drüsigen ‚Pseudobranchien, ihre Bedeekung von der Haut, zuweilen selbst, von: Muskeln und‘ Knochen, | zeigen bereits, dass die Nebenkiemen weder zum Athmen noch zu'irgend einem, andern Stoffwechsel mit dem Wasser und zu ‚keiner Ausscheidung dienen können; es ist vielmehr offenbar, dass, wenn in’ diesen: Organen 'eine Veränderung des Blutes stalt hat, sie lediglich im Blute wäh- rend des Durchgangs durch das Capillargefässsystem dieser Theile vor sich geht, und auf das Blut beschränkt bleibt, so wie man es: von den Blutgefässdrüsen sich denken kann. Bei dieser allgemeinen Ansicht von der‘ Natur der Nebenkiemen dürfen wir aber nicht stehen bleiben. Der wichtigste Punkt in der Organisation der Nebenkiemen, mögen sie die eine oder die andere Form haben, ist ihr Verhältniss zum Auge, wel- ches so constant zu sein scheint, dass diese Nebenkiemen zwar nicht zum Athmen, aber zum Sehen der Fische im engsten Verhältniss stehen, Nicht alle Theile des Auges erhalten näm- lich bei den Fischen mit Nebenkiemen ihr Blut aus dem Ar- teriensystem des Circulus cephalieus. Dahin gehören nur die Iris, Sclerotiea, der Schnerv mit den von ihm abhängigen Thei- len und die Augenmuskeln, deren Arterien vom Arteriensy- stem gefüllt werden. Alles Blut hingegen, welches der Glan- dula choroidalis und der von ihr abhängigen Choroidea zuge- führt wird, kömmt nicht aus dem Arteriensystem zunächst, sondern durch die Arteria ophthalmica magna von der Neben- kieme, deren Vene sich in der Art einer Pfortader in eine Arlerie verwandelt, und keinen Theil mit Blut versieht als die Glandula choroidalis des Auges, aus welcher das Blut durch eine eben so grosse Vene, Vena ophihalmica magna, in die Jugularvene geführt wird. Die Vena ophthalmica magna nimmt 108 auch das Blut der Iris und der Augenmuskeln''auf, Sie ent- hält zuletzt das Blut, was'durch 2 ganz: verschiedene! Gefäss- systeme zu dem Auge und seiner Umgebung gebracht worden. Von diesem merkwürdigen Verhältniss hat sich der Verfasser durch Quecksilberinjection der Nebenkiemenvene, oder was dasselbe ist, der Arteria ophthalmica magna bei Gadus calla- rias, Cyprinus rutilus, C. erythrophthalmus, Salmo salar, Esox lucius überzeugt. ‘Ganz: ebenso ist es bei Lopliiuspiscatorius, Scomber scombrus, Lucioperca sandra, Perca fluviatilis. Bei der Injection der Nebenkiemenvene füllt sich nur die’ Arteria ophthalmica magna zur Choroidaldrüse oder zum Rete mira- bile choroideum, kein anderes Gefäss, und bei Injeetion des Circulus cephalicus füllen sich die Augenmuskelzweige ‚und die Arteria iridis; bei Injection der Vena ophthalmica magna gegen das Auge füllten sich die Augenmuskelvenen, die Irisvenen und hauptsächlich der venöse ‘Theil der Glandula choroidea. Die Injeetionen der Arteria ophthalmica magna und Vena ophthal- mica magna sind: leicht in der Richtung gegen das Auge und in entgegengesetzter Richtung auszuführen; es sind ausseror- dentlich starke Gefässe, die man bei allen Fischen mit Neben- kiemen neben dem Sehnerven findet, und welche, die Mitte des hintern Umfangs des Auges und die Scelerotica durchboh . rend, sich zum Rete mirabile choroideum begeben. Bei einer Injection des ganzen Arteriensystems mit feiner Masse füllt sich von der Arterie der Nebenkieme zuweilen durch das ganze Capillargefässsystem der Nebenkieme auch noch ihre sich in die Arteria ophthalmica magna fortsetzende Vene. Der Verlauf der Nebenkiemenvene zum Auge ist folgender. Alles Blut, was durch die Arterie der Nebenkieme in dieser auf der einen Seite verlheilt worden, sammelt sich auf der andern in den aus allen Federchen kommenden kleinen Venen, und gelangt aus diesen in das an der Basis der Nebenkieme sich herziehende Stämmehen, welches aus keinem andern Theil als der Nebenkieme Blut aufnimmt. Unier der Nebenkieme, wo diese aufliegt, verlaufen beim Salm Venen, die nicht der 109 Nebenkieme selbst, sondern dem sie hier umgebenden Felt und Zellgewebe angehören, und, sich mit Venen der Kiemen- deckelmuskeln verbindend, zur Jugularvene gehören. Das von der Nebenkieme kommende starke Gefäss wendet sich bei allen Fischen mit Nebenkiemen quer einwärts gegen das Keilbein, meist von einer Schicht des queren Gaumenmuskels bedeckt, und hängt durch einen unter dem Basilare sphenoideum durch- gelenden Zweig mit der Nebenkiemenvene der andern Seite zusammen. Der Stamm der Vene oder die Arteria ophthalmica magua biegt dann ohne Weiteres zur Augenhöhle um und tritt ins Auge ein, ohne irgend einen Ast abgegeben zu haben. An der Stelle, wo die Anastomose der beiden Arteriae ophthal- mieae magnae (Chiasma arteriosum) von dem Basilare sphe- noideum bedeckt ist, liegt auch bei den Cyprinen, Gaden und vielen andern das vordere bogenförmige Ende des Circulus ce- phalicus, welches hier Zweige zu. den Augenmuskeln, zur Nase und zum Gehirn giebt. Beiderlei Verbindungsbogen, zwei ver- schiedenen ‘Systemen angehörend, liegen dicht bei einander ohne irgend eine Gemeinschaft. Vom vordersten Theil des Cireulus cephalieus geht bei einigen Fischen, wie den Gaden, auch ein Verbindungszweig zur Arterie der Nebenkieme, wel- cher sich dieser Arterie, wo sie vom Kiemendeckel kommt, inoseulirt, ehe sie sich an die Nebenkieme vertheilt. Dieser anastomotische Zweig zwischen Arterien, die vom Bauchende der wahren Kiemenvenen und Arterien, die vom Rückenende der wahren Kiemenvenen abhängen, stellt bier den Circulus cephalicus lateralis her, der bei den Lucioperca zwischen der Arteria hyoideo-opereularis und einem Ramus opereularis der Carotis posterior in anderer Weise gebildet wird. Bei den Gadus liegt dieser 'anastomotische Zweig des Arteriensystems dicht neben dem von der Nebenkieme gekommenen Stamm der Nebenkiemenvene oder Arteria ophthalmica magna ohne irgend eine Gemeinschaft. Aus dem Vorhergehenden ergiebt sich, dass bei den vom Verfasser untersuchten Fischen alles Blut der Arteria ophthal- 110 mica zum Rele mirabile choroideum durch ‘das Capillargefäss- system der Nebenkiemen hindurch muss, dass es entweder hier chemisch verändert wird und venös der Choroidaldrüse zu- strömt, wie das Milzblat der Leber, oder dass die ganze Ne- benkieme als Wundernetz berechnet ist mit dem Widerstand ihrer Capillaren die Blutbewegung in der Choroidea zu ver- langsamen. Die Wundernetze können überhaupt die eine und die andere Bedeutung haben, d. h. qualitative oder mechani- sche Wirkungen hervorbringen, worüber früher gehandelt wor- den. Diese Wundernetze der Nebenkiemen zeichnen sieh vor allen andern durch ihre gefiederte kiemenartige Structur, durch die eapillare Feinheit der Kanälchen und durch ein aus zarten knorpeligen Kielen gebildetes Gerüste der Federchen aus. Eine andere Erklärung der gefundenen Thatsachen lässt sich. nicht einsehen. Von den zum Auge gehenden 2 'starken Gefässstämmen verbindet der eine mit dickern arteriösen Wän- den das Auge, und zwar zunächst die Choroidaldrüse mit der Nebenkieme, mit Ausschluss alles andern, der zweite das Auge mit der Jugularvene. Entweder geht also das arterielle, der Nebenkieme zugeführte Blut durch jenen Stamm zum Auge, und kehrt durch die Vena ophthalmica magna zur Jugularvene zurück, oder das Blut geht aus der Jugularvene durch die Vena ophthalmica magna zum Auge und durch das andere Gefäss zur Nebenkieme, und dann zum Kiemenvenenblut. Das letz- tere ist unmöglich, da das Blut aus den Körpervenenstämmen keine Bewegungskraft besitzt, um nachdem es schon das Ca- pillargefässsystem der Kiemen und dann des Körpers überwan- den, noch 2 Capillargefässysteme des Auges und der Neben- kiemen zu passiren, und obendrein den ganzen frischen Druck aus den Kiemenvenen gegen die Nebenkiemen überwinden müsste. Dass die gefundene Anordnung allgemein sei, kann, für jetzt noch nicht behauptet werden. Indess ist es sehr wahrscheinlich, da sie in so manchen Gattungen aus den ver- schiedensten Familien, den Gadus, Cyprinus, Lophius, Salmo, Perca, Lucioperea,Scomber, vom Verf. constatirt ist. Ob die baum- 411 artigen Nebenkiemen der Heterobrauchus hierher gehören, ist jedenfalls ungewiss. (Mit diesen bei’ Heterobranchus anguillaris und. H.' batrachus' gleichgebildeten Organen haben die zahlrei- ehen traubigen Zapfen an den Wänden der Kiemenhöhle, den Kie- menbogen, dem Gaumen und der Zunge des Gymnotus electri- eus’einige Achnlichkeit.) Die Störe haben bekanntlich zweierlei Nebenkiemen. Die grosse Nebenkieme am Kiemendeckel ist in der That eine wahre Kieme, da sie nach Rathke und Hyrtl dunkelrothes Blut aus der Kiemenarterie wie alle Kie- men erhält, und hinwieder mit den wahren Kiemenvenen zusam- menhängt. Die viel kleinere zweite Nebenkieme gleicht allein durch ihre Lage der Pseudobranchie der Knochenfische. In Betreff der Vergleichung der Knochenfische und Knor- pelfische zeigt sich jetzt als unstatthaft die Nebenkieme der Knochenfische als Analogon der ersten Kieme der Plagiostomen anzusehen. Dieser Kieme ist vielmehr nur die Kiemendeckel- Kieme der Sturionen (und anderer Knorpelfische mit freien Kie- men) zu vergleichen. Dieser Umstand ist für dieStellung derStöre im System wichtig, zeigt ihre Verwandtschaft mit den Plagiosto- men und ihre Entfernung von den Knochenfischen an, von denen kein einziger eine wahre Kiemendeckel-Kieme als Re- spiralionsorgan hat. Nach Rosenthal und Meckel fällt die Zahl der Blätter der Nebenkiemen nicht unter 9, es giebt indess viele Fische, die viel weniger haben, Gadus (5), Motella (4), Gasterope- leeus und Batrachus (porosissimus) (2). Die Pseudobranchien kommen den meisten Knochenfischen zu Nach Meckel sollen die Nebenkiemen fehlen bei Fistu- laria, Centriscus, Stromateus, Batrachus, Coryphaena, Ophice- phalus, Osphromenus, Muraena, Muraenophis, Ophidium, Sym- branchus, Carapus, Leptocephalus, Gadus, Lepadogaster, Eehe- neis, Carpio, Silurus, Callichthys, Loriearia, Cobitis, Anableps, Exocoetus, Mormyrus, Esox, Belone, Hemiramphus, Balistes, Syn- guathus, Pegasus. Die meisten von diesen Fischen haben jedoch die Nebenkiemen, und zwar Fistularia, Centriscus, Batrachus, Lo- 112 riearia, Ophidium, Balistes, Syngnathus (wahrscheinlich auch Pegasus), mehrere Stromateus in der gewöhnlichen kiemen- arligen: Form; Ophidium hat sehr wenige und überaus’ zarte, Batrachus hat nur 2 lange freie Federn, bei Exocoetus, Ana- bleps und Carpio ist das Organ bedeckt, und die Gattungen Gadus, Belone, Hemiramphus, Esox, Echeneis und einige Stro- mateus, ‚haben drüsige bedeekte Pseudobranchien. Die Syn- gnalhus und Hippocampus haben vor dem: ersten Kiemenbogen einige einzelne Federchen. Coryphaena wurde nicht unter- sucht, vieleicht sind die Nebenkiemen hier bedeckt; wie bei Lampugus. Der Verf. hat 165 Gattungen von. den Exemplaren von Fischen in Weingeist, die zu Gebote standen, auf die Ne- benkiemen untersucht. Unter 98 Gattungen von Stachelllos- sern fanden sich nur 9 ohne Nebenkiemen, Polynemus (Per- eoid), Agonus (Cataphr.), Mastacemblus, Notacanthus (?) (Scomberoid), Ophicephalus, Colisa (Labyrinthiform); (nach Meckel.auch Osphromenus), Gerres (Menid), Chromis (La- broid), Trypauchen (Gobioid), Platax ‚(Squamip.). Die Weichflosser mit Nebenkiemen verhalten sich zu denen ohne Nebenkiemen ohngefähr wie. 2:1, denn unter 62 Gattungen von Weichflossern fanden sich 22 ohne Pseudobranchien. Es sind Cobitis, Mormyrus, Silurus, Pimelodes, Schilbe, Bagre, Synodontis, Ageneiosus, Heterobranchus, Plotosus, Callichthys, Malacopterurus, Platystacus, Notopterus, Erythrinus, Gobiesox, Muraena, Ophisurus, Muraenophis, Sphagebranchus, Symbran- chus, Gymnotus °) (electricus), vielleicht auch Achirus und Plagusia. (Hierher gehören nach Meckel auch Carapus und Leptocephalus.) Unter den Lophobranchien und Plectogna- then scheinen keine Gattungen ohne Nebenkiemen’ zu sein. Die meisten Gattungen ohne Nebenkiemen finden sieh'.bei den Siluroiden und Anguilliformes. Unter den Welsen haben jedoch die Loricaria und Hypostoma, unter den Aalen die *) Meckel schreibt den Gymnotus Nebenkiemen zu, der electri- sche hat jedenfalls keine, 4 113 Ammodytes sehr deulliche, Ophidium eine Spur von Neben- kiemen. Viele Fische ohne Nebenkiemen haben sehr kleine Augen, audere nicht, wie die Erythrinus, mehrere Polynemus, Ophicephalus, Chromis und einige Siluroiden. Einige Fische ohne Nebenkiemen scheinen auch die Choroidaldrüse nicht zu besitzen, sie fehlt wenigstens den Silurus, Erythrinus und Mu- raena. Bei der grossen Verschiedenheit im Vorkommen, im Bau, in der Lage, in der Blattzahl der Nebenkiemen dürften diese Or- gane auch für die Definition der Galtungen und Arten wichtig sein. Sie lassen sich bei den meisten Fischen mindestens eben so leicht als die Kiemenhautstrallen untersuchen. Diese Organe liefern auch einen Anhaltpunkt für die Stelle des Aristoteles hist. anim. 2. 13.,. wo er Cichla, Perca, Glanis und Cyprinus als Beispiele von Fischen aufführt, die 4 doppelte Kiemen aus- ser der äussersten haben. Oi 68 rerraga ulv, dioroxa öf, av 100 2oxdrov, olov zigim al akgem mal yAawig xal wurgivog. Die Stelle ist freilich einer doppelten Auslegung fähig. Hätte er indess sagen wollen, dass die Kiemen doppelt seien mit Ausnahme der letzten, so würde es auf keinen bekannten Fisch passen, denn man kennt dies Verhalten nur von dem Ari- stoteles wohl bekannten Scarus. Bezieht sich aber die äussersie Kieme auf die Nebenkieme, wie hervorgeht aus der schon angeführten Stelle 2. 13., wo gesagt wird, dass die äusserste Kieme bei allen einfach sei, und de part. anim. 4. 13., wo es heisst, dass sie bei den meisten einfach sei, so kann der Glanis auf keinen Fall ein Silurus sein, wofür ihn Cuvier nimmt. Denn kein Silurus hat eine Nebenkieme, wie denn überhaupt bei Aristoteles nichts zur Bestimmung seines Gla- nis hinreichendes vorkommt. Was den auch als Flussfisch bezeichneten zuxelivos des Aristoteles betrifft, so ist es un- zweifelhaft, dass es ein Thier der jetzigen grossen Gallung Cyprinus ist, da ihm Aristoteles das so auflallende Gaumen- fleisch beilegt. Hist, anim. 4. 8. Aus obiger Stelle geht aber auch zugleich hervor, dass es auf keinen Fall Cyprinus carpio und earassius sein kann, da diese keine äusserlich sichtbare Müller’s Ascbir. 1840. 8 114 Nebenkieme haben. Der *vxcivos des Aristoteles würde da- her unter denjenigen andern Cyprinen zu suchen sein, die auch das merkwürdige contraclile Gaumenorgan besitzen. Erläuterungen zu der Abhandlung über die Nebenkiemen. I. Accessorische "Athemwerkzeuge bei einzelnen Knochenfischen. Zu den accessorischen. Athemwerkzeugen bei einzelnen Knochenfischen gehören : a. Die labyrinthförmigen Nebenkiemen der Osphromenus (entdeckt von Commerson), Anabas, Ophicephalus (entdeckt von Schneider), Polyacanihus, Colisa, Macropus, Helostoma, Trichopus, Spirobranchus (entdeckt von Cuvier). Nach Taylor geht der Ast der Kiemenarterie für einen Kiemenbo- gen, nachdem er den Blältehen der Kiemenbogen Zweige ge- geben, bei Ophicephalus eine Strecke in einem Kanal der Kno- chenplatte hin, welehe mit dem vordern Kiemenbogen verbuns den ist und dann auf seine Oberfläche, wo er sich fein ver- iheilt; die Venenzweige vereinigen sich zu einem Stämmchen, welches sich mit den Kiemenvenen verbindet, wo sie die Aorta zusammensetzen. b. Die baumförmigen Nebenkiemen der Heterobranchus (entdeckt von Geoffroy St. Hilaire). NachGeoffroy und Taylor ist die äussere Fläche derselben mit Zweigen der Kie- menarterie bedeckt, und das Blut scheint durch unzählige Röhr- chen in den Wänden des Organs in die innern Venen desselben zu gelangen, die sich mit den Kiemenvenen verbinden sollen. c. Die häutigen Nebenkiemenblätter an dem obern Ende der Kiemenbogen des Silurus fossilis Bloch (Silurus singio Bu- chanan), mit einem von der Kiemenhöhle ausgehenden, in den, Seitenmuskeln liegenden langen Luftsack (entdeckt von Tay- lor). Nach Taylor ist die Arterie dieses Luftsacks ein Zweig der Kiemenarterie, die Venen gehen in die Aorta. Bei Unter- 115 suchung dieses Fisches, dessen accessorische Kiemenblätter und Luftsack sehr deutlich sind. sehe ich, dass Silurus fossilis s. singio in der Conformation des ganz platten Kopfes und der freiliegenden harten Schädeldecke ganz den Heterobranchus gleicht und sich von den übrigen Siluren entfernt, denen er sonst durch die Stellung und Form seiner Rückenflosse gleicht, so dass er eine neue Untergattung der Silurus bildet, die den Heterobranchus sehr nahe steht, und für welche ich den Na- men Heteropneustes vorschlage. Die einzige Species ist Heteropneustes fossilis. Ich habe übrigens den Silurus fossi- lis in der Bloch’schen Sammlung mit einem zweiten Exem- plar im anatomischen Museum, das ich anatomirte, verglichen. Der Fisch, woran sich die Bildung findet, ist der Silurus fos- silis Bloch, daher ist der Name singio von Buchanan bloss synonym; bei andern Gattungen der Siluroiden finden sich keine accessorischen Athemorgane. Doras costalus soll nach Hancock auch aufs Land gehen; mit der Kiemenhöhle ver- bundene Luftsäcke hat er keinesfalls; an dem trocknen Exem- plar, das ich untersuchte, waren die Kiemen verdorben. Uebri- gens haben nicht alle Fische, die aufs Land gehen oder an der Luft längere Zeit leben, accessorische Athemorgane, wie Chi- ronecles und der Aal. d. Die mit der Kiemenhöhle des Cuchia zusammenhän- genden gefässreichen Säcke (von Taylor entdeckt). Nach Taylor besitzt nur der zweite Kiemenbogen Kiemenblättchen, und diese bestehen bloss aus wenigen langen Fäden, die an der Mitte des Bogens befestigt sind und nur eine sehr kleine Strecke seiner Oberfläche einnehmen. Der dritte Bogen trägt statt der Kiemenblättehen eine dicke, halbdarchscheinende häu- lige Kieme mit gefranztem Rande. Der erste und vierte Bo- gen sind kiemenlos. Die Hauptrespiralionsorgane sollen die Blasen sein, die das Thier mit atmosphärischer Luft füllt. Sie liegen hinter dem Kopf, jederseits des Nackens, über den obern Enden der Kiemenbogen, und ihre Oeflnung in der Kiemen- höhle ist zwischen dem ersten Kiemenbogen und dem Ende des g* 116 Zungenbeins. (Es wird wohl das obere Ende des Zangenbeins gemeint sein, denn hier sche ich bei Symbranchus eine blinde Vertiefung, jedoch ohne Sack, zwischen Zungenbein und dem obern Ende des ersten Kiemenbogens.) Die Blasen sollen äus- serst gefässreich und ohne blätterige Struetur der Wände sein. Die Kiemenarterie theilt sich nach Taylor in3 Zweige, Zwei (einer auf jeder Seite) gehen zwischen dem vierten Kiemen- bogen und dem Schlundknochen, und verbinden sich vor dem zehnten Wirbel zur Bildung der Aorla. Die Fortsetzung der Kiemenarterie giebt Zweige in den zweiten und drilten Kie- menbogen, geht weiter fort bis zum Zungenbein und vertheilt sich zuletzt auf den Blasen. Die kleinen Gefässzweige zum zweiten und dritten Kiemenbogen selzen sich, nachdem sie die Kiemenblätter des zweiten und die Haut des drilten Bogens verschen, auch zu den Blasen fort. Das Blut kehrt aus den Blasen zurück in 2 Stämme, welche sich zur Bildung der Aorta vereinigen. Dieser indische Fisch wurde von Buchanan zur Gatlung Uniapertura Lacep. Symbranchus, Bloch. gezogen, und dahin zieht ihn auch Cuvier, indem er ihn mit dem ebenfalls in- dischen Symbranchus immaculatus Bloch für identisch hält. Taylor hielt ihn für eine Uebergangsbildung von Fisch und Reptil. Dass er nicht zu Symbranchus gehört, folgt aus der Beschaffenheit des Kiemenlochs an der Kehle, welches wie bei Monopterus in der Mitte durch eine Scheidewand getheilt ist. Monopterus hat 3, Symbranchus hat 4 Kiemen. Eigenthüm- lich sind auch die spitzen, hakenförmigen Zähne an den Kiefern und die grössten am Gaumen, während Symbran- chus stumpfe Zähne hat. Der Cuchia hat auch keine Schwimm- blase. Sonst stimmt die Anatomie sehr gut mit Symbranchus, z. B. die Condyli oceipitales, die Lage der Naslöcher, die Bil- dung des Darms. Uebrigens habe ich Monopterus und den Cuchia nicht selbst untersucht, und vergleiche aus den Qucl- len mit der Autopsie des Symbranchus marmoratus Bloch und einer andern sichern Species von Symbranchus, die ich für den 117 Symbranchus immaenlatus von Bloch halte, obgleich ich nicht gewiss darüber bin, da die Nachweisung fehlt. Soviel ist gewiss, dass der Cuchia den Typus einer von Monopterus und Symbranchus verschiedenen Gallung, die zwi- schen ihnen steht, bildet. Ich schlage dafür den Namen Am- phipnous vor. Die einzige Species ist Amphipnous Cuchia. II. Verzeichniss der untersuchten Gattungen von Knochenfischen mit Pseudobranchien. (Diejenigen mit bedeckten Nebenkiemen sind mit einem versehen.) * Percoiden: Perca, Labrax, Grammistes, Acerina, Apogon, Lu- cioperca, Serranus, Anthias, Mesoprion, Polyprion, Tra- chinus, Pereis, Uranoscopus, Sphyraena, Mullus. Cataphracten: Trigla, Peristedion, Dactylopterus, Cottus, Scor- paena, Sebastes, Pterois, Agriopus, Synanceia, Gastero- steus*, Apistus. Sciaenoiden: Johnius, Corvina, Lonchurus, Diagramma, Am- phiprion, Glyphisodon (nach Meckel auch Seisena). Sparoiden: Sargus, Charax, Chrysophrys, Pagrus, Pagellus, Dentex, Boops, Maeniden: Smaris. Squamipennen: Chäetodon, Ephippus, Scatophagus, Brama, (nach Meckel auch Holacanthus). Scomberoiden: Seomber, Thynnus, Auxis, Xiphias, Naucra- tes, Lichia*, Seriola, Carans, Vomer, Argyreiosus, Zeus, Capros, Sromateus (einige bedeckt), Chorinemus, Porth- meus, Lampugus® (nach Meckel auch Equula). Taenioiden: Trichiurus, Cepola. Teuthyes: Acanthurus, Naseus, Amphacanthus. Mugiloiden: Mugil, Atherina °. Blennioiden: Blennius, Centronotus, Salarias, Clinus, Gunnellus, Toarces, Eleotris, Gobius, Gobioides, Periophthalmus, Tri- chonotus (nach Meckel auch Anarhichas und Callio- nymus). 418 Pedieulati: Lophius, Chironeetes, Malthe‘, Batrachus. Labroiden: Labrus, Julis, Anampses, Crenilabrus, Scarus (nach Meckel auch Xirichthys). Fistulariae: Fistularia, Centriscus. Cyprinoiden: Cyprius, Barbus, Gobio, Tinca°, Abramis, Leu- eiseus, Anableps *, Chela, Cyprinodon ®. Esoces: Esox ®, Belone °, Hemiramphus *, Exocoetus *. Siluroiden: Loricaria, Hypostoma. Salmones: Salmo, Osmerus, Coregonus, Mallotus, Hydro- eyon*, Saurus, Aulopus, Gasteropeleeus ®. Clupeen: Clupea. Gadoiden: Gadus*, Merlueius°, Lota*, Motella°, Phyeis*, Ra- niceps *. Pleuroneeten: Pleuronectes, Rhombus, Solea u. a. Cyclopteri: Cyelopterus, Echeneis (nach Meckel auch Li- paris). Anguilliformes: Ophidium, Ammodytes. Syngnathen: Syngnathus, Hippocampus. Pleetognathen: Diodon, Teirodon, Balistes (nach Meckel auch Osiracion und Orthagoriscus). Darunter befinden sich 44 von Meckel untersuchte Gattungen, welche, mit Ausnahme der besonders angezeigten, nochmals nachgesehen sind, IL Verzeichniss der Gattungen von Knochenfi- schen, bei welchen die Pseudobranchien fehlten. Percoiden: Polynemus. Cataphracten: Agonus. Scomberoiden: Mastacemblus, Notacanthus (?), nach Meckel Coryphaena (?). Maeniden: Gerres (? vielleicht bedeckt). Gobioiden: Trypauchen. Squamipennen: Platax. Labyrinthfische: Ophicephalus, Colisa (nach Meckel auch Osphromenus). 119 Labroiden: Chromis (surinamensis). Cyprinoiden: Cobitis, Mormyrus. Siluroiden: Silurus, Pimelodes, Heterobranchus, Callichthys, Malacopterurus, Platystaeus. Clupeen: Notopterus, Erythrinus. Pleuronecten: Achirus? Plagusia? Cyclopteriz: Gobiesox. Anguilliformes: Muraena, Ophisurus, Muraenophis, Sphage- branchus, Symbranchus, Gymnotus (electricus), Ich beschränkte mich hier vorläufig hauptsächlich auf den Vorrath von Fischen im anatomischen Museum, darf je- doch die freundschaftliche Unterstützung des Herrn Geh. Rath Lichtenstein für manche der wünschenswerthesien Deside- rala nicht unerwähnt lassen. Bald hofle ich Gelegenheit zu erhalten, das Verzeichniss nach Sendungen von Fischen des mittelländischen Meeres zu vervollständigen. IL. Ueber Wunderneize (Gelesen in der K. Akademie der Wissensch. am 9. Dechr. 1839.) Die Gefässlabyrinthe, welche man Wundernetze nennt, sind von zweifacher Art. Die eine besteht darin, dass ein Blutgefässstamm vor der Zertheilung in die ernährenden Zweige plötzlich in eine Menge anastomosirender oder nicht anastomo- sirender Kanäle zerfällt, in welehen das Blut mehr oder we- niger grosse Strecken zurücklegt, ehe die eigentliche Verzwei- gung zum Zweck der Nutrition beginnt. Die zweite Art be- steht darin, dass die auf diese Weise entstandene Zerlegung eines Blutgefässstammes durch Sammlung des ganzen Laby- rinthes in einen neuen Stamm wieder aufgehoben wird. Die älteren bekannten Wundernetze gehören beiden Formen an. In den berühmten Wundernelzen an den Exiremitälen ver- schiedener Säugelhiere bleibt es bei der Diflusion der Zweige; 120 ® in dem Wundernetz der Carotis der Wiederkäuer tritt die Wiedervereinigung ein. Die in neuerer Zeit bekannt gewor- denen grossen Wundernetze der Fische wiederholen diese bei- den Formen in viel mehr ausgebildetem Zustande. "Die dif- fuse Form beobachtet man an den Wundernetzen der Arteria eoeliaca und der Intestinalvenen des Alopias vulpes, Squalus vulpesL., und auch an den in der Substanz der Leber liegenden strahligen Wundernetzen der Lebervenen dieses Fisches und der Thunfische. Die andere Form mit neuer Sammlung des Labyrinthes nimmt man in den Wundernetzen der Arleria eoeliaca und in den Wundernetzen der Pfortader der Thun- fische, so wie in denjenigen der Arteria coeliaca und der Le- bervenen der Lamna cornubica, Squalus cornubieus L. wahr. Die diffuse Vertheilung kann in einer Fläche, und auch quast- arlig mit Bildung eines Gefässkuchens geschehen. Die Wun dernetze der Schwimmblase mehrerer Fische, ven denen her- nach gehandelt werden soll, sind diffus in einer Fläche aus- gebreitet, und stellen eine flächenhafte Radiation der feinen Gefässe dar, welche nach langen Zügen sich erst baumartig in die ernährenden Zweige für die innere Haut der Schwimm- blase vertheilen. Dagegen bilden die diffusen Wundernetze des Fuchshaies Gefässkuchen oder quastartige Labyrinthe. Bei andern Fischen bilden dagegen diese Wundernetze der Schwimm- blase Gefässkuchen. In den Wunderneizen mit Wiederverei- nigung der Gefässe zu neuen Stämmen erreichen die Gefäss- labyrinthe ihre grösste Ausbildung, theils durch die Menge der Gefässe, in welche die Stämme zerlegt werden, die in einigen Wunderneizen bis zu hunderten und tausenden reichen, theils durch die Feinheit der Röhren, welche in manchen Wunder- netzen die Feinheit der Capillaren erreicht. Bei der letzten Mittheilung wurden die Wundernetze der Nebenkiemen be- schrieben. Die Wundernetze der Choroidea und der Schwimm- blase sind der Gegenstand der gegenwärtigen Mittheilung. Wundernetze der Choroidea. Die vollkommenstie Form der Wunderneize der Choroidea bielet die sogenannte 121 Glandula choroidalis oder Blutdrüse des Auges der Knochen- fische dar. Albers deutete dieses Organ zuerst als Rete mirabile, und bemerkte, dass die Gefässe der Choroidea aus diesem Ple- xus entspringen. Dieser Ansicht folgte auch Eichwald. Eine sehr genaue Beschreibung und Abbildung des arteriösen Gefässsy- stems dieses Wundernetzes gab zuerst W. Jones. Die Choroi- daldrüse ist nach den Untersuchungen, welche gegenwärtiger Mittheilung zu Grunde liegen, »icht bei allen Knochenfischen vorhanden; sie scheint bei allen Fischen vorzukommen, die Ne- benkiemen besitzen, dagegen mehreren Fischen zu fehlen, denen auch die Nebeukiemen fehlen. Daher fehlt sie den Haien, Rochen, Chimären, Cyelostomen, dem Wels und Aal, den Erythrinus, Cobitis, aber sie kömmt doch bei Ophicepha- lus und Chromis vor. Das Organ ist ein Zwillingswunder- nelz, es besitzt nicht nur bloss die Vertheilung-und Sammlung in neue Stämme, sondern besitzt nach des Verfassers Unter- suchungen einen arteriösen und venösen Theil, in welchem die Vertheilung und Sammlung sich wiederholt. Der arteriöse Stamm ist die von der Nebenkieme kommende Pfortader, Vena advehens oder Arteria ophthalmica magna s. choroidalis, wel- che keinem Theil des Auges Zweige abgiebt ausser dem Wun dernetz. Aus dem arteriösen Theil des Wundernetzes ent- springen die arteriösen Gefässe der Choroidea. Die Arterie der Iris, Arteria ophthalmica minor, sehr viel dünner als der dieke bei dem Sehnerven liegende Gefässstamm von der Ne- benkieme zum Auge, kömmt von der in einem Knochenkanal an der Seite des Schädels verlaufenden Carolis posterior, (Salm) tritt im hintern Theile der Augenhöhle hervor, verläuft dann im hintern Raum der Augenhöhle nach aussen und vorwärls, Aeste an den M. rectus externus abgebend, und durchbohrt die Scelerotica in einiger Entfernung von der Cornea. Die Arlerien der Augenmuskelu kommen theils von dem vordern Theil des Cireulus Cephalieus, theils von der Carolis posterior (Salın). Auf dem Sehnerven gehen feine, vom arleriösen System abhängige und venöse Zweigelchen hin. Diese Arterien 122 = stehen eben so wie die Arterien der Iris und der Augenmuskeln in keinem Zusammenhange mit der Pfortader des Auges. Beim Salm sah der Verf. auch ein besonderes feineres Gefäss den Seh- nerven begleiten und neben ihm die Selerotica durchbohren. Wahrscheinlich hängen von den letztgenannten Arterien die Ge- fässe der Retina und die Haller’schen Gefässe der innern durch- sichtigen Theile des Auges, insbesondere des Glaskörpers ab. Die Choroidea erhält ihr Blut aus dem Wundernetz der Glandula choroidalis. Der venöse Theil des Wundernetzes besteht wieder aus tausenden von capillaren Röhren, die zwi- schen den arteriösen liegen; er nimmt das Blut aus der Choroidea wieder auf, und ergiesst es in ein weites venö- ses Becken an der Basis des Wundernetzes, dieses entleert sich in die Vena ophthalmica magna, welche die Sclerotica dicht bei der grossen Arterie neben dem Sehnerven durchbohrt. Die Vene nimmt noch innerhalb des Auges die innere Vene der Iris auf, welche aus den die Iris umfassenden Gefässschwei- fen entspringend, an der vordern Seite des Auges unter der Argentea fortgeht. Sie geht zwischen den Schenkeln des Huf- eisens der Glandula choroidalis durch (Gadus, Esox) ohne Zu- sammenhang mit demselben, um ihr Blut in das venöse Becken an der Basis der Choroidaldrüse zu ergiessen. Die äussere Vene der Iris durchbohrt die Selerotica mit der Arteria iridis und be- gleitet sie eine Strecke. Ausserhalb des Auges nimmt die Vena ophihalmiea magna auch Zweigelchen vom Sehnerven und viele Zweige aus den Augenmuskeln auf. — Die Iris erhält also, wie die Augenmuskeln, arterielles Blut aus dem Cireulus cephalicus, und zwar aus einem Zweig der Carotis posterior; das Rele mi- rabile choroideum erhält venöses Blut aus der Nebenkieme, die Choroidea wieder aus der Choroidaldrüse, und nachdem das Blut aus den Venen der Choroidea noch einmal durch die Cho- roidaldrüse durchgegangen, gelangt es zum übrigen Venenblut. Vom Herzen bis zum Herzen liegen hier 5 Capillargefässsy- steme, dasjenige der Kiemen, dasjenige der Nebenkiemen, das arleriöse Nelz der Choroidaldrüse, das Capillargefässnetz der 123 Choroidea,. das venöse Netz der Choroidaldrüse. Die Vena ophihalmica magna erhält das Blut aus dem venösen Theil des Wundernetzes, und zugleich das Blut der Iris, der innersten Theile des Auges und der Augenmuskeln. Zwischen den Augenmuskeln liegen bei den nicht fetten Fischen bedeutende Lymphräume, und immer dringt bei man- chen Fischen, z. B. dem lebenden Hecht, bei Eröffnung der Augenhöhle von unten eine grosse Menge Lymphe heraus. Auf diese Weise kann man sich am leichtesten und zu jeder Zeit von frischen Fischen Lymphe verschaflen, welche durchsichtig wie Wasser ist und in sehr kurzer Zeit nach dem Ausfliessen in Masse gerinnt. Die Wundernetze der Choroidea sind keine isolirte Er- scheinung und auf die sogenannte Choroidaldrüse beschränkt, sie kommen auch den Fischen zu, die dieses Organ nicht be- sitzen, sie sind allen Wirbelthieren ohne Ausnahme eigen, Der einzige und nicht wesentliche Unterschied der einen und andern Wundernetze der Choroidea besteht bloss darin, dass das Rete mirabile choroideum der Fische mit Nebenkiemen und Choroidaldrüse ein Rete mirabile der vollkommneren Art ist, mit Sammlung der diffundirten Röhrchen in neue Stämm- chen, oder ein amphicentrisches Wundernelz mit 2 Stellen für entgegengesetzte Wirbel ist, während die Wundernetze der Choroidea bei allen übrigen Thieren diffus sind, und jedesmal nur einen Pol oder Wirbel haben. Die Vertheilung der Ar- lerien und Venen in der äussern Schichte der Choroidea der Säugelhiere, Vögel, Amphibien, hat alle Eigenschaften der diffusen Wundernetze. Jedes Stämmehen der hinteren Ci- liararterien löst sich und spreizt sich sogleich in ungemein viele dicht neben einander liegende Röhrchen radienarlig aus, welche, in der äussern Schicht der Choroidea liegend, das ihnen angewiesene Feld der Choroidea mit oft bewunderter Regelmässigkeit durchmessen, während die eigentliche baum- fürmige Verzweigung an einer ganz andern Stelle, nämlich an der innern Seite der Gefässhaut, geschieht, wo die Verästelung 124 in Capillargefässnetze für den Zweck der Ernährung stattfindet. Die Wirbel der Venen wiederholen dieses Spiel. Die Wun- dernelze an der Schwimmblase der Cyprinoiden liefern hierzu die vollkommenste Parallele. Die diffuse wirbelartige, gleich wunderbare Vertheilung der feinen Arterien und Venen ge- schieht auf der äussern Oberfläche der Schwimmblase; der in- nern Haut der Schwimmblase, ist die baumartige, zu den Ca- pillargefässnetzen und der Absonderung angewiesene Verzwei- gung jener Röhren bestimmt, welche mit ihrer prächtigen Ra- dialionen und Schweifen weiteWege zurücklegen, che sie den zweiten Theil ihrer Aufgabe erreichen. Der Uebergang in die baumarlige Verzweigung und in die Capillaren kann auf dop- pelte Weise stattfinden, in den meisten diffusen Wundernetzen geschieht er am Ende der Röhren des Schweifes, so auch in den diffusen Wundernetzen der Schwimmblase. Bei den dif- fusen Wundernetzen der Choroidea treten auch in der ganzen Länge der Radien Zweigelchen zur baumartigen Verästelung und zu Capillarnetzen nach innen ab. Der Kamm der Vögel gehört nicht in die Categorie der Wundernetze, und bleibt so räthselhaft wie er bisher war. Wenn man, wie der Verfasser, längere Zeit mit den An- schauungen des so constanten Verhältnisses der Nebenkiemen zum Auge der Fische beschäftigt war, so bedarf es nur einer auch zufällig eingetretenen Vorstellung vom Vogelauge und Kamm desselben, dass auch sogleich die Einbildungskraft die Analogie beider Organe behauptet, und es liegt bei dem fächerigen Ansehen beider Organe ganz nahe, den Pecten für die im Auge selbst gelegene Nebenkieme des Vogelauges, die Nebenkieme für den ausser dem Auge gelegenen Pecten zu halten. Die verborgenen Nebenkiemen des Karpfen und der Karausche haben auf den ersten Blick die auffallendste Aclın- lielikeit mit dem Kamm des Vogelauges. Aber der Kamm ist kein Wundernetz. Die Analogie mit der Form der Neben- kieme verliert sich schon bei näherer Untersuchung der Stru- etur. Die Nebenkieme besteht aus Federn mit getrenntem Gefässsyslemen, und die Federn sind, wie dicht sie auch oft zu- sammenliegen, selbstständige Bildungen. Der Kamm hingegen ist ein einfaches häutiges Gebilüe, welches nur regelmässig wie eine Krause in Falten gelegt ist. Die Gefässslämme treten zwar von der Basis parallel in die Falten ein, aber ihre Aeste sind weder federig noch auf die einzelnen Falten isolirt, viel- mehr hängen sie untereinander zusammen. Die Arterien der Choroidea, welche in dieser ihre diffusen Wundernetze bilden, stehen mit den Kiemen in keiner Verbindung und entspringen von derselben Augenarterie, welche den Kamm besorgt. Eben so ist es mit den Venen der Choroidea. Die nech übrig bleibende Vermuthung, dass der Kamm ein Rete mirabile für die Gefässe der innersten Schicht der Häute, nämlich der Ge- fässschicht der Retina sei, wird auch bald durch die Unter- suchung der Arterien und Venen dieser Theile widerlegt. Bei feinen Injectionen der Venen des Körpers sah der Verfasser die Venen des Kamms gefüllt, das Blut des Kamms wird also sogleich in das Venensystem abgeführt, ohne zu andern Thei- len des Auges zu gelangen. Die Arterien des Kamms durch- bohren die Sclerotica an der Basis dieses Organs, mehrere Stämmehen breiten sich in die Falten aus, ein grösseres geht auch an einem Theile der Basis her, um sich in Aeste des Kamms aufzulösen. Eben so vertheilen sich die Venenslämm- chen des Kamms, deren es mehrere giebt, und welche an der Basis des Kamms zu einem Randgefäss sich ausbreiten, von welchem die gestreckten Venen in die Fallen des Kamms Ireten. Auch die Plexus choroidei des Gehirns ‘der Wirbelthiere haben wenig Aehnlichkeit mit einem wahren Wundernelz. Es giebt Formen dayon, welche dem Kamm sehr ähnlich sind. Die Verbreitungen der Arterien und Venen in denselben sind gewöhnliche Plexus, dem Reichtum der Blutgefässzweige des krausen, franzigen Theils der Plexus choroidei, worin sich die feinerenZweige verbreiten, angemessen. Bei mehreren Amphi- bien und Fischen kommt ein grosser blätteriger oder fächeriger 126 Plexus choroideus über dem vierten Ventrikel vor. Bei den See- schildkröten bildet diese Gefässhaut hinter dem kleinen Gehirn ein Gewölbe, was aus lauter regelmässigen, von vorn nach hinten gerichteten Falten einer zusammenhängenden Haut ge- bildet ist, wie der Kamm des Vogelauges. Diese Falten, de- ren freie Ränder von dem Gewölbe herabschen, sind hoch und zahlreich. Das Organ ist ausserordentlich gefässreich, aber die Blutgefässe ahmen nicht die eigentliche Form der Wundernetze nach. Die Arterien dieses faltigen Plexus cho- roideus steigen von den Stämmen der Hirnarterien jederseils über das kleine Gehirn hinauf, bilden vor dem Eintritt in den Plexus mehrere anastomosirende Arcaden, indem sie zugleich mit den dem verlängerten Mark und Rückenmark bestimmten Zweiger der Hirnarterien zusammenhängen. Die feinsten Zweige sind den kammarligen oder kiemenarligen Falten bestimmt. Dahin gehört auch der grosse Fächer auf dem Ventrieulus quartus der Petromyzon, eine in viele regelmässige Querfalten gelegte Gefässhaut, die in der untern und obern Mittellinie durch eine Längsrippe zusammengehalten werden. Obgleich diese Bildungen den diffusen Wundernetzen verwandt sind, so können sie doch auch dienen, gerade den Unterschied der Ge- fässhäute von den Wundernetzen bemerklich zu machen. Wunilernetze der Schwimmblase. Das Gefässsy- stem der Schwimmblase ist zuerst, und bereits sehr umfassend, durch die Untersuchungen von De la Roche aufgeklärt wor- den. Demselben, und in neuerer Zeit vorzüglich Ratlıke, verdankt man die Aufschlüsse über das eigenthümliche Ver- halten der Blutgefässe in den sogenannten rothen Körpern oder Blutdrüsen der Schwimmblase. Die deseriptive Anatomie die- ser Organe ist nur geringer weiterer Aufklärung fähig, wohl aber hat die Bedeutung derselben für die Schwimmblase, ihr Verhältniss zur Luftabsonderung und die Stellung dieser Kör- per in der ganzen Ithierischen Oeconomie viel Räthselhaftes behalten, indem die grosse Klasse der Bildungen, zu welchen sie gehören, und die Verwandtschaft zu ihres Gleichen an 127 andern Orten, nicht hioreichend gekannt war. De la Roche verglich diese Organe beim Aal, wo sich die grosse Arlerie der Schwimmblase in zwei dichte Büschel von tausenden von ca- pillaren Röhreheu auflöst, und von neuem daraus die Arterien für die Schwimmblase zusammengesetzt werden, während sich die Venen in den venösen Theil der Büschel auflösen und wieder daraus zusammensetzen, dem Pfortadersystem. Cuvier verglich diese Gefässsysteme dem Corpus cavernosum, Rathke betrachtete sie als Blutdrüsen und als eine Vorbildung der Thymusdrüse der Säugethiere. In diesen rothen Körpern, welche meist zwi- schen der fibrösen und innern Haut der Schwimmblase mehr oder weniger versteckt liegen, erkannte der Verfasser alle Ei- genschaften der Wundernetze und alle Variationsformen der- selben wieder. Sie haben die vollkommenste Aehnlichkeit mit den amphicentrischen Wundernetzen der Pfortader und Ar- teria coeliaca der Thunfische, und mit dem gleichen Rete mi- rabile choroidale der Knochenfische, durch die Art der Ver- theilung der Blutgefässe und dadurch, dass sie Zwillingswun- dernetze der Arterien und Venen zugleich sind. Wunder- netze kommen an den Schwimmblasen vieler Fische vor, mö- gen sie einen Luftgang haben oder nicht. Sie sind auf dop- pelte Art, wie auch die Wundernetze an andern Theilen, ge- bildet. Bei vielen Fischen findet nur eine Auflösung der Stämme in viele feine Röhren in Form von Radiationen und Schweifen, Schöpfen oder Wedeln statt, welche sich zuletzt, oft nach langen Zügen, in die baumartig verästelten Zwei- gelchen fortsetzen. Diese Radiationen können sich über die ganze Schwimm- blase ausdelinen, ohne dass es eben wegen der Ausdehnung zu einer localen Anhäufung oder einem rothen Körper kömmt, wie bei den Cyprinen. Im zweiten Fall bestehen die Wun- dernetze in ganz ähnlichen diffusen Wedeln ohne neue Samm- lung, aber die Wedel zeigen sich bloss an bestimmten Stellen der Schwimmblase, und das ist der erste Anfang der soge- nannten rollen Körper oder Blutdrüsen. Die Röhren der We- 123 del verästeln sich erst, wenn sie die Wedel verlassen, aber schon vorher in den Wedeln können sie capillar sein, Daher sie die Wedel verlassend auch nur in der nächsten Umgebung der Wedel sich verzweigen. Aus dieser Umgebung geht das Blut wieder durch die venösen Röhren der Wedel zurück. Dahin gehören die Hechte. Die dritte Form ist, dass die Wedel amphicentrisch werden, indem sich die Arterien in den Wedeln in unzählige capillare Röhren vertheilen, und am andern Ende der Wedel die Röhren sich in viele etwas stärkere Zweigelchen sammeln, welche sich dann baumartig in einen eigenen Saum oder Hof der Wedel verzweigen, während die ganze übrige Schwimmblase ihr Blut nicht aus den Wedeln, sondern aus einfachen Blutgefässen erhält. Aus den Säumen der baumar- tigen Verzweigung kehrt das Blut durch den venösen Theil der Wedel zurück. Hierher gehören die Lota, Gadus, Lucio- perca, Perca, Acerina und viele andere. Die vierte Form ist, wo die roihen Körper amphicentri- sche Wundernetze von Arlerien und Venen sind, deren Ge- fässe sich nicht in der Nähe der Büschel oder in einem Hof derselben, sondern durch neugebildete Stämme in der ganzen Sehwimmblase baumarlig verbreiten. In diesem Fall hat das Wunderneiz 2 arteriöse und 2 venöse Wirbel. Die von einem Wirbel ausgehenden arteriösen Röhren sammeln sich am zwei- ten wieder, und setzen nun grosse Arterienstämme zur baum- förmigen Verästelung in der innern Haut der Schwimmblase zusammen. Das venöse Blut der Schwimmblase geht dann wieder mittelst grosser Venenstimme zu den Wundernelzen, und geht vom ersten venösen Wirbel aus wieder durch tau- sende von Röhren durch, um am zweiten venösen Wirbel ge- sammelt das Wundernetz mit dem daraus hervorgehenden äus- sern Venenstamm zu verlassen. Dahin gehören die Muränen. Unter diese 4 Formen lassen sich bequem alle Variationen im Bau der Wundernelze der Schwimmblase bringen. Das Verhältniss der Wunderneize zum Luftgang lässt sieh kurz so ausdrücken, dass gar keine solche Beziehung besteht. 129 Die von Perrault ausgegangene und von allen Seiten wieder- holte Behauptung, dass die Existenz der Blutdrüsen mit dem Mangel des Luftganges der Schwimmblase im Zusammenhange stehe, und die Behauptung von Monro, De la Roche, Tre- viranus u. A., dass die rohen Körper mit Ausnahme der Muraenen allen Fischen fehlen, deren Schwimmblase einen Ausführungsgang besitzt, ist nicht richtig. Die Esox haben wahre rothe Körper, und doch den Luftgang, und diese gehen in die ganz diffusen Wundernetze der grossen Gattung der Cypri- nen unmerklich über. DieWelse, mehrere (Salm, Stint) oder viele Salmonen (auch die Clupeen?) liefern dagegen in der That Bei- spiele von Schwimmblase ohne Luftgang und ohne Wunder- nelze, so wie es wahrscheinlich auch Fische mit Schwimm- blase ohne Luftgang und ohne rothe Körper giebt, da: bereits der Schwertfisch ohne Luftgang der Schwimmblase keine lo- calen Anhäufungen der Blutgefässe in Form der gewöhnlich so genannten Blutdrüsen hat. Das Verhältniss der Wunderneize zur Luftabsonderung kann erst nach einer genauern Untersuchung der 4 vorher auf- gestellten Variationsformen klar werden. Die einfachste Ge- stalt der Wundernelze, wie sie bei den Cyprinen vorkömmt, ist, dass sich die Arterien und Venen schon auf der äussern Ober- Nläche der Schwimmblase in bandartige Schweife vertheilen, welche dem blossen Auge oberflächlich wie einfache dickere Gelässe, bei genauerer Untersuchung und bei bewaflnetlem Auge aber als Züge mehrerer oder vieler paralleler Gefässe ( Arterien mit Venen abwechselnd) erscheinen. Fischer muss dies an der Schwimmblase der Cyprinen bewundert haben, aber er sagt nicht, worin das besteht, was seine Verwunderung er- regthat. De laRoche hat die Sache gesehen aber ihre Bedeu- tung nicht erkannt. Er sagt von den Gefässen der Fische mit Luftgang: Ils se distribuent simplement & la maniere des vais- seaux ordinaires sur les parois de la vessie, sans se rendre dans des corps partieuliers. Cependant on les voit quelquefois assez rapproch€s dans quelques parlies de la vessie el nolam- Müllers Archir. 14810. 9 130 ment dans le voisinage de V’orifice du canal a&rien, de maniere ä rendre cet endroit un peu plus rouge que le reste. Huschke hat den parallelen Lauf der Gefässe bei den Cyprinen gesehen und bezeichnet. Das Verhältniss dieser Anordnung zu den eigent- lichen Blutdrüsen der andern Fische und zu den Wundernetzen überhaupt .ist jedoch bisher nicht klar geworden. Die ganze Sehwimmblase der Cyprinen wird von Radiationen und band- förmigen Schweifen von feinen Arterien ünd Venen auf ihrer äussern Oberfläche umfasst. Der Unterschied von den Wedeln der 'rothen Körper liegt darin, dass sie nicht auf eine einzelne Stelle beschränkt sind, dass die Röhren der Schweife we- nig zahlreich aber ungemein lang sind, während in jenen das Gegentheil stattfindet. Hin und wieder sondern sich aus den bandförmigen Schweifen neue Bündel nach den Seiten ab, nach langen Zügen verlassen die Röhrchen ihren parallelen Lauf und zerästeln sich baumartig in Capillargefässnetze auf der in- nern Haut der Schwimmblase. Also ganz dasselbe Verhältniss wie bei den diffusen Wundernetzen der Choroidea der Säuge- ihiere, Vögel und Amphibien. Diese Wundernetze verhalten sich zu den Wundernetzen der rothen Körper ganz so wie die diffusen Wundernetze der Choroidea zu den amphicentri- schen Wundernetzen derselben in der Choroidaldrüse. Eine ganz geringe Andeutung des den Cyprinen eigenen Verhaltens zeigte auch Salmo (Coregonus) maraenula. Dagegen bilden die Hechte das Mittelglied zwischen den diffusen einfachsten Wundernetzen der Cyprinen und den ro- ihen Körpern. Die an den Seiten der Schwimmblase des Esox lucius sich verbreitenden Gefässe durchbohren als Bündel meh- rerer grösseren Röhren die fibröse Haut, und erleiden die wei- tere Zertheilung in Büschel zwischen der äussern und innern Haut, Hier bilden sie entlang den Seiten der Schwimmblase eine Menge zerstreuter biutrother Wedel und Sterne von Bü- scheln. Die Röhrchen derselben lösen sich zuletzt aus den Büscheln ab und vertheilen sich baumarlig in derinnern Haut. Die Röhren dieser Wedel sind aber nicht schr dünn und nicht 131 sehr zahlreich. Diese Schweifbildung ist den Wundernetzen am Magen und Darm des Fuchshaien analog Viel merkwürdiger ist die grosse Menge der Wedel im obern Fundus der Schwimm- blase, welcher von diesen Wundernetzen ganz roth ist und sich vom übrigen Theil der Schwimmblase markirt. Die rothe Stelle stellt ein in die Fläche ausgebreitetes grosses Wunder- netz von sehr vielen diffusen Wedeln dar, deren zum Theil eapillare zahlreiche Röhrchen erst unter dem Mikroskop sichtbar werden. Sie lösen sich aus den Garben zuletzt ab und vertheilen sich ästig in Capillarnetze in der nächsten Um- gebung, so zwar, dass die Capillaren verschiedener Wedel anastomosiren und nicht auf Säume oder Höfe beschränkt sind. Vermuthlich gehört auch zu dieser Formationsstufe, was Schelhammer von der Schwimmblase des Schwertfisches sagt: Conspieiebantur enim per omnem ejus membranam ex suis ramis se diffundentes infinitae venulae et arleriolae in- comparabili elegantia inter se ludentes, coeuntes et sursum abscedentes usque ad minimos sureulos capillaribus minores et graeiliores, eui nihil simile in omni vita videre mihi con- tigerit, nee ullo arlifieio melius in conspectum dari posse va- sorum minima exislimem, tolae enim per candidissimam vesicae membranam tendebant ad exiremam exililatem purpura sua pulcherrime nitentes. Anat. Xiph. Hamb. 1707. p. 16. An den hier in Weingeist aufbewahrten Eingeweiden des Schwert- fisches zeigten sich auf der Schleimhaut überall Spuren solcher Wirbel, wie man sie an den Gefässen der Choroidea bemerkt. Die bei Seiaena aquila an der Schleimhaut in grossen Sirecken hervorliretenden scheinbar drüsigen platlen Massen von unebener, zotliger Oberfläche, welche Cuvier für eine von den rothen Körpern anderer Fische verschiedene Drüse hielt, sind auch wieder Wundernetze von derselben Forma- tionsstufe wie im Grunde der Schwimmblase des Hechtes, aber noch viel diehtere Büschel. Sie gehören in diese Reihe, weil der bei der nächsten Form vorkommende Saum fehlt, welcher jedem Büschel seine baumförmige Verästelung vorschreibt und g* 132 sie darauf beschränkt. Uebrigens geht auch. bei Sciaena aquila eine'selir dünne Fortsetzung der Schleimhaut über die Blutdrüse weg. Unter den hiesigen Flussfischen finden sich diese ausge- bildeten Büschel mit Säumen oder Höfen bei Acerina, Perca, Lueioperca, Lota*) in gleicher Weise. Der platte Saum besitzt immer einige Dicke und ist blass, bei den Gaden gelblich, während das Wundernetz tiefroth ist, Es ist De la Roche’s renflement ‘de la membrane interne. Der äussere Rand des Saums ist scharf begränzt, und er geht nicht allmählig in die Schleimhaut über, wie er denn von der innern Haut überhaupt verschieden ist. Es ist ein vom Wundernetz ganz verschiede- nes Organ, und verhält sich zum Wundernetz selbst wie die Choroidea zum Rete mirabile choroideum der Knochenfische. Die Gefässe des baumartigen Hofes kommen aus den Garben der amphicentrischen Büschel, wie die Gefässe der Choroidea aus dem amphicentrischen Wundernetz der Choroidal-Blut- drüse. Uebrigens gehen die Venen des Hofes wieder in das Büschel zurück, und dieHöfe sind nur mit den Wunderneizen, nicht aber mit den Blutgefässen des übrigen grössern Theiles der Schwimmblase im Verkehr. Nicht selten (wie z. B. bei Lota) giebt die Arterie, welche die Wundernetze versieht, auch noch Zweige zur innern Haut der Wundernelze, welche in keinem Verkehr mit den Wundernetzen stehen; wie denn *) Gelegentlich sei hier erwähnt, dass bei Lota Coexistenz der Appendices pyloricae und eines wahren drüsigen Panereas stattfindet, dessen Ausführungsgänge sich mit dem Ductus choledochus in den Darm einmünden. Das Panereas ist unkenntlich gemacht durch die damit zusammenhängenden Fettlappen und Fettzipfel, unter dem Mi- kroskop leicht dayon zu unterscheiden. Zu den Fischen ohne Appen- dices pyloricae mit drüsigem Pancreas (Wels, Aal) gehört auch Esox Iucius, dessen Ductus pancreaticus sich neben dem Ductus choledo- chus, dem Ende der Leber gegenüber, in den Dünndarm einmündet; wo beide Gefässe vorher angeschwollen sind. Das Pancreas der Lota und Esox gleicht demjenigen der Vögel. 133 die gauze übrige Schleimhaut der Schwimmblase unabhängig von den Wundernetzen von Blut versorgt wird.‘ Der Saum begränzt übrigens nicht bloss die peripherischen Wirbel eines Büschels, er bedeckt auch eine Strecke das Wundernetz und lässt sich davon ablösen. Untersucht man den Saum der baumförmigen Verästelung unter dem Mikroskop, so erkennt man, dass er ausser den Blutgefässen von den Büscheln durch seine Struetur verschie- den ist. Er ist durch und durch zellig und ist eine mit dem Wundernetz verbundene Drüse zur-Ausscheidung der Luft der Schwimmblase. Die Büschel dagegen bestehen ganz aus, Gar- ben gestreckler arteriöser und venöser: capillarer Röhren. Bei geringen Vergrösserungen sieht man schon die schwammige Beschaffenheit dieser drüsigen Säume, wenn man den feinen, vonder ianern Haut der 'Schwimmblase herrührenden, ihnen angewachsenen Ueberzug von ihnen weggenommen hat. Bei starken Vergrösserungen sieht man die feinsten Elemente als Zellen. Da eine überaus feine Fortsetzung der innern Haut der Schwimmblase diese drüsigen Säume bedeckt, so begreift man nicht sogleich, wie die von dem drüsigen Saume abge- sonderte Luft nach dem Innern der Schwimmblase dringt, wenn nicht etwa feine Drüsenkanälchen (von. denen hin und wieder Durchschnitte ein undeutliches Bild geben) mit der Schleimhaut zusammenhängen. ‚Die Existenz dieser Verbindung lässt sich nicht direet an diesen Säumen beweisen. Uebrigens hat der Verfasser in der ganzen innern Haut der Schwimmblase des Schwerlfisches eine grosse Menge von feinen zerstreuten Oell- nungen oder Grübchen, Stigmata, bemerkt. Der silberige Ueberzug, der an so vielen Schwimmblasen vorkommt, bedeckt zuweilen die äussere Fläche der Wundernetzbüschel und ihre Säume, Die darin liegenden mikroskopischen Stäbchen sind der Drüse wie dem Wundernelz fremd. Nach einer Bemerkung von Taylor über die Schwimm- blase der Macrognatbus und Ophicephalus scheint es, als wenn 134 die drüsigen Säume bei diesen Fischen durch kleine .divergi- rende, von den Blutdrüsen ausgehende Zotten ersetzt wären. Bei den Fischen mit rothen Körpern der Schwimmblase giebt es also‘ ‘wesentliche Unterschiede in. Beziehung. auf das Verhältniss der rothen Körper zur luftabsondernden Stelle ‘der Schwimmblase. ‘Wo drüsige Säume der rothen Körper vor- kommen, bewirken diese die Absonderung der Luft, ohne dass man die Luftabsonderung in den übrigen Theilen der Schwimm- blase ganz in Frage stellen könnte. Wo diese drüsigen Säume fehlen, wie beim Hecht, geschieht die Absonderung von’ der innern Haut der Schwimmblase selbst, wo sich die Garben der Wundernetze in die Capillaren der innern Haut auflösen. Bei den Muraenen endlich findet die Absonderung von der ganzen innern Haut der Schwimmblase statt, da sich das aus den Wundernetzen kommende Blut in der grossen Schwimm- blase verbreitet. Hier ‘wie auch bei den Cyprinen ist die ganze innere Haut der Schwimmblase als Aequivalent der Luftdrüse oder der drüsigen Säume zu betrachten. Und so ist es auch bei den Fischen, wo die Wundernetze ganz feh- len, wie beim Wels und Salm. Kleine, auf der innern Haut der Schwimmblase des Aals zerstreute, hirsekornarlige Drüs- chen, die man ehemals bemerkt haben wollte, wurden nicht gesehen. Aus dem Vorhergehenden ergiebt sich schon mit aller Be- stimmtheit, dass die Wundernetze der Schwimmblase, welche Form sie haben mögen, der Luftausscheidung selbst fremd sind. Diese ist in vielen Fällen eine Function der Schleim- haut, wo Wundernetze fehlen, und wo sie vorhanden sind; beim Aal liegt die Luftabsonderung weit von den Wunder- netzen entfernt, und die aus den Wundernetzen kommenden Gefässe legen weite Strecken zurück, ehe sie sich in der Schleimhaut verzweigen. Wo drüsige Säume vorhanden sind, sind sie als die Quelle der Absonderung angezeigt. Dass die rothen Körper der Luftausscheidung in der Schwimmblase fremd sind, ergiebt sich eben so bestimmt als aus der Lage beim 135 Aal aus dem Umstande, dass die rothen Körper Zwilliugswun- dernetze, nämlich, arteriöse und venöse ;Wundernetze zugleich sind.‘ Die Absonderung ist schon geschehen, . wenn. das Blut aus den Venenstämmen der Schwimmblase des Aals nochmals ‚durch die tausende, von eapillaven Röhren des venösen Theiles des Wundernetzes durchgeht,. und von den'zur Absonderung bestimmten Capillavnetzen der innern Haut hat das Blut in den Venen erst lange. Wege zurückzulegen, ehe.es zu den Wundernetzen zurückgelangt. Bei den kleinen büschelarligen Wundernetzen ist die Hauptsache ebenso, ihre baumarlige Verzweigung ist nur local beschränkt, und die Distanz zwi- schen ‘Wunderneiz und Quelle der Absonderung. geringer. Diese ganz generelle Thatsache, ‘dass, das Blut nach der Ab- scheidung der Luft nochmals durch die Blutdrüsen durch'muss, verträgt, sich keinesfalls mit der Ansicht von De la Roche; dass die Luft in den Gefässen' der rothen Körper ausgeschie- den werde, und dann weiter mit. den Blulgefässen zu dei Wänden der, Schwimmblase komme. Die eigentliche Wirkung. der Wundemetze der Schwimm- blase in der diffusen sowohl\als amphicentrischen Form ist theils die allgemeine Wirkung aller. Wundernelze, mechauisch locale Hindernisse der Cireulalion zur Bedingung einer localen langsameru Blutbewegung in einem Organ, wobei es gleicl- gültig, ob das Hinderniss in der Blutbahn des Organs vor oder hinter demselben angebracht ist. Diese Wirkung lässt sich keinesfalls bezweifeln; denn sie hängt von nothwendigen ‚Be- dingungen, der Vermehrung des Widerstandes durch eine uu- geheure Vermehrung der Oberflächen in sehr engen Kölwen ab. Es lässt sich aber auch nach der Ansicht des Verfassers eine qualilative Einwirkung jener Apparate auf das der innern Haut der Schwimmblase zufliessende Blut einsehen. Da in den rotlhen Körpern capillare Arterien und Venen in grosser Menge gemischt hinzielen, so kann zwar kein Blut aus den arleriösen Röhren in die venösen unmittelbar herübergehen, a. wohl aber kann ein feinerer Austausch der Capillaren der Bü- 136 schel stattfinden, so dass Stoffe aus den arteriösen Röhren an die venösen Röhren übergehen, und also das Blut aus den arteriösen Röhren ganz anders hervortritt, als es hineingekom- men, die venösen Röhren aber, indem sie das von der Schwimm- blase gekommene Blut durch das Wundernetz führen, zugleich dasjenige beigemischt erhalten und ausführen, was 'aus dem arteriösen Theil der Capillaren des Wundernetzes übergeht. Da nach den Versuchen von Magnus mehrere Luftarten, Kohlensäure, Sauerstoffgas und Stickgas im Blute, und zwar in beiden Blutarten in verschiedener Menge aufgelöst sind, so kann man sich vorstellen, dass die venösen Röhrchen der Wundernetze der Schwimmblase Kohlensäure aus den arteriö- sen anziehen, so dass das Blut aus den Arterien des Wun- dernetzes sauerstoflreicher und ärmer an Kohlensäure der in- nern Haut oder dem drüsigen Saum zuströmt, als es in das Wundernetz hineingekommen ist. Hierdurch würden die Wun- dernetze der Schwimmblase an den Eigenschaften der Blut- drüsen Antheil nehmen, aber in ganz eigenthümlicher Weise, wie sonst in der thierischen Oeconomie nicht vorkömmt, und wie sie nur durch ein den 'Zwillingswundernetzeu gleiches Verhältniss der arteriösen und venösen Röhren möglich ist. Eine solche chemische Wirkung kann auch in andern Zwillingswun- dernetzen von capillarer Feinheit der Röhrchen, wie in der Cho- roidaldrüse möglicherweise stattfinden. Hiernach können die ro- then Körper der Schwimmblase vorbereitend auf die Zusammen- setzung des Blutes für die spätere Absonderung der Luft wirken. Aus einer solchen Vorbereitung kann aber nur ein anderes Ver- hältniss der im Blut aufgelösten Luftarten, und schwerlich eine Ausscheidung von gasförmiger, mit dem Blut fortgehender Luft (Luftbläschen) hervorgehen. Der Luftgang kann, wo er vor- handen ist, unter gewissen Bedingungen Luft austreten lassen, und ist Sicherheitsventil für hohen Druck beim Aufenthalt in grossen Tiefen. 137 Allgemeine Bemerkungen über Wundernetze. Nach den entwickelten Prineipien lassen sich mın die ver- schiedenen Wundernetze der Thiere also ordnen. I. Diffuse Wundernetze mit einseitigen Wirbeln, ohne Sammlung in einen zweiten Wirbel: Rete mirabile diffusum s. unipolare. Sie sind radürt, büschelförmig, zuweilen federig, wie das Wundernetz der Vene und dasjenige der Arterie am Intestinum valvulare des Fuchshaien. Unter diese Form gehö- ren die Wundernetze an den Extremitäten und an der Arteria sacra media einiger Säugethiere, am Magen und Darm des Fuchshaien, der Lebervenen des Fuchshaien und der Thun- fische, der Choroidea der Säugethiere, Vögel, Amphibien und einiger Fische ohne Choroidaldrüse, der Schwimmblase ‘der Cyprinen, Hechte, Diese Radiation ist an den Arterien cen- trifugal, an den Venen centripetal. Nicht wesentlich verschie-, den ist, wenn sich der Stamm, während die Büschel seitlich von ihm abfallen, in der Mitte fortsetzt, wie bei den Faul- thieren und an der Schwimmblase bei den Cyprinen. II. Amphicentrische Wundernetze mit gegenseitigen Wir- beln und Sammlung der aus einem Wirbel ausfahrenden Röh- ren in einen oder mehrere der vielen entgegengesetzten Wirbel, Rete mirabile bipolare, amphicentrieum. Dahin gehören die Wundernetze der Lebervenen und diejenigen der Arteria coe- liaca der Lamnen, der Pfortader und der Arteria coeliaca der Thunfische, diejenigen der Schwimmblase vieler Fische wie der Muränen, Percoiden, Gaden u. a., das Rete mirabile caroticum der Wiederkäuer und der Frösche, das Rete mirabile choroi- deum der Knochenfische in der Choroidaldrüse und das Wun- dernetz der Nebenkiemen. Wie innig die Verwandtschaft der monocentrischen und amphicentrischen Wundernetze ist, ergiebt sich aus folgender Zusammenstellung von unipolaren und bipolaren Wundernelzen von gleichen Theilen bei verschiedenen Thieren. 138 4) Wundernetze der Lebervenen. a. unipolar beim Thunfisch, Fuchshai, il b. 'bipolar bei den Lamnen. 2) Wundernetze der Pfortader oder der; Darmvenen und Milz- venen. a. unipolar Ger Fuchshai. b. bipolar bei den Thunfischen. 3) Wundernetze der Arteria coeliaca, a. unipolar beim, Fuchshai. b. bipolar bei den Thunfischen; und Lamnen. 4) Wundernetze der Choroidea. a. unipolar bei den meisten Wirbelthieren,. auch ‚den Fi- schen ohne Nebenkiemen und Choroidaldrüse. b. bipolar bei den meisten Knochenfischen. 5) Wundernelze der Schwimmblase. a. unipolar bei den Cyprinen, Hechten. b. bipolar bei den Aalen, Percoiden, Gaden u. a. Die Wundernetze der ersten und zweilen Form können 1) einfach, nämlich bloss arteriös oder venös, oder 2) dop- pelt, arteriös und venös zugleich sein, indem die Röhren. der einen Art zwischen die Röhren der andern Art eingeschoben sind, ohne Gemeinschaft beider Systeme. Diese können Zwil- lingswundernelze heissen. I. Rete mirabile diffusum simplex. I. Rete mirabile difusum geminum. s. conjugatum. ‚Zu der letztern Art gehören die diffusen Wundernetze der Schwimn- blase, am Magen und Darm des Fuchshaien: III. Rete mirabile bipolare simplex. Dahin gehören: das carotische Wundernetz, das Intercostalwundernetz der Del- phine, das Wundernetz der Nebenkiemen. IV. Rete mirabile bipolare geminum, mit 4, nämlich 2 arteriösen und 2 venösen Wirbeln. Dahin gehören die Wun- dernetze über der Leber der Lamnen, unter der Leber der Thunfische, der Venae hepaticae und Arteria coeliaca im er- sten, der Vena porlarum und Arteria cocliaca im zweilen Fall, 139 das Rete \mirabile ‚choroideum der Choroidaldrüse, dasjenige der rothen Körper der Schwimmblase der Aale u. a. Es giebt Bluigefäss- und Lymphgefässwundernetze. Die sogenannten Lymphdrüsen sind amphicentrische, "einfache Lymphwundernetze.; Sie unterscheiden sich von den bipola- ren Wundernetzen der Arterien oder der Venen in keiner Weise. Gerade hierdurch sind sie durchaus von den wahren Blutdrüsen, als deren Parallelen sie angesehen werden, ge- schieden. Die wahren Blutdrüsen unterscheiden sich in Hin- sicht der Blutgefässe nicht von andern Theilen, wie die Schild- drüse, die Nebennieren, die Thymus u. a. Das Prineip der Pfortaderbildungen ist Verwandlung der Venen eines Theils in eine Vena arteriosa auf einer Nebenbahn des allgemeinen Kreislaufs. Bei der Zusammensetzung der Kör- perarterien aus den Kiemenvenen der Fische hat die Natur von diesem Princip ebenfalls Gebrauch gemacht, aber nicht auf einer Nebenbahn, sondern innerhalb der grossen Blutbahn. Dies haben die Pfortaderbildungen der Leber, der Nieren mit den amphicentrischen Wundernetzen gemein. ‘Denn die Ne: benkieme verhält sich zum Auge, und der arteriöse Theil vom amphicentrischen Wundernetz der Schwimmblase des Aals zur Schwimmblase wie die Milz zur Leber. So verwandt sich beide Bildungen sind, so zeigt doch die Existenz der mono- centrischen Wundernetze und ihr Ersatz und Abwechseln mit amphicentrischen, dass das Prineip der Wundernetzbildung nur das Eigenthümliche, die Oberflächenvermehrung innerhalb einer bestimmten Blutbahn und vor der Ernährung oder nach der Ernährung eines Theiles hat. Denn die monocentrischen Wun- dernetze haben gar keine Aehnlichkeit mit den Pfortaderbil- dungen. Daher man wohl am richtigsten sich ausdrückt, wenn man sagt, dass das Princip der Pfortaderbildung den Wunder- nelzen an und für sieh durchaus nicht eigenthümlich ist und sie nicht begründet, dass es sich aber damit combiniren kann, und das ist bei allen amphicentrischen Wundernetzen der Fall. Das Verhältniss der Wundernelze zu den einfachen Drüsen 140 ohne Ausführungsgäuge kann also aufgefasst 'werden : ‘Der allge- meinste Zweck der Wnndernetze ist eine mit der Oberflächenver- mehrung der individuellen Blutbahn eines Theils fortschreitende Vermehrung derjenigen mechanischen und qualitativen Einwir- kungen der Gefässwände auf die circulirende Flüssigkeit, welche in geringerm Grade auch in den einfachen Gefässen stattfindet. Dabei können die besondern Zwecke der einzelnen Wunder- neize noch eigenthümlich sein. Ihre Oberflächenvermehrung kann bald hauptsächlich auf Vermehrung des Widerstandes und locale Veränderung der Schnelligkeit der Blutbewegung, bald aber zugleich vorzugsweise auf mehr qualitative chemi- sche Wirkung der Oberflächen auf die Flüssigkeit der Röhren berechnet sein: Bei den Lymphgefässwundernetzen scheint die plastische Einwirkung die Hauptsache zu sein, sie ist in- dess wahrscheinlich der Einwirkung der einfachen Lymphge- fässe analog, und wächst mit der Oberflächenvermehrung in den Lymphdrüsen, welche so vielen Thieren fehlen. Es steht nichts entgegen, dass in einigen der Blutgefässwundernetze, welche bloss in der Richtung zu einem Organ hin angelegt sind, wie in denjenigen der Nebenkiemen in der Richtung ge- gen das Auge, auch besondere, von der allgemeinen Wechsel- wirkung mit der eirculirenden Flüssigkeit verschiedene Verän- derungen der durchgehenden Säfte stattfinden, wodurch sie dem Organ, zu welchem das Wunderneiz führt, vorbereitend mehr geeignete Säfte zuführen, als es auf dem Weg der all- gemeinen Cireulation geschehen würde. Ein analoges Verhält- niss zum bestimmten Organ, wie die Athemorgane zum gan- zen übrigen Körper haben. Auf diese Weise scheinen die Ne- benkiemen die Charaktere der Wundernetze mit den physio- logischen Eigenschaften der Blutdrüsen, wie Milz, Schilddrüse, Nebennieren, Thymus, zu verbinden. Die Nebenkiemen un- terscheiden sich aber von den melhırsten dieser Blutdrüsen, dass ihr Blut nur einem bestimmten Organe zufliesst, während das qualitativ veränderte Blut bei jenen in die allgemeine Säfte- masse zurückgeht. Auch gleicht das Gefässsystem der Neben- 141 kiemen dem der wahren Wundernetze darin, dass es sich zum Rete mirabile glandulare choroideum gerade so verhält, ‘wie die Wunderneize der Arteria ophthalmica einiger Säugethiere und Vögel zu den diffusen-Wundernetzen der Choroidea. Die Blutdrüse der Milz, deren Blut zur Leber gelangt, scheint den Nebenkiemen in ihrem Verhältniss zum Auge analog zu wer- den; indessen ist doch auf die vorbereitende Wirkung der Milz für die Leber wenig zu geben, da dies Verhältniss der Milz nicht allein eigen ist, da sie es mit dem ganzen chylopoeti- schen System, ja bei den Amphibien und Fischen mit noch anderen Theilen, selbst vielen hintern Theilen des Körpers, theilt. Bei den Zwillingswundernetzen mit einem .arteriösen und venösen Antheil kann die einfache Vorbereitung in der arle- riösen Richtung zu einem Organ nicht festgehalten werden. Das Blut geht noch einmal durch das Wundernetz, nachdem es jenes Organ verlassen hat; die Veränderung, die es in dem venösen Theile erleidet, könnte, wenn Venen und Arterien an einander vorbeigehend, nicht auf einander wirken, nur dem ganzen Venenblute zu Gute kommen. Es sind indess schon die Gründe angeführt, welche es wahrscheinlich machen, dass in den Zwillingswundernetzen mit capillarer Feinheit der Röh- ren, wie in denjenigen der Schwimmblase und der Choroidal- drüse, eine gegenseitige Einwirkung der an einander in Capil- laren vorbeigehenden Blutströmchen stattfindet. Diese Gründe werden sehr dadurch gestützt, dass in den Zwillingswunder- netzen das arleriöse und venöse Wundernetz niemals ausein- ander liegen, sondern beiderlei Röhren innigst gemischt sind. Dies ist selbst dann der Fall, wenn die in Wundernetze ver- wandelten Arterien und Venen wenig verwandt sind, wie bei den Wundeınetzen der Arleria coeliaca und der Lebervenen bei den Lamnen. Es kann nämlich ziemlich gleichgültig sein, von woher die venösen Röhren rühren, wenn nur die arte- riösen in der Richtung zu einem bestimmten Organ angelegt sind. Wo diese Art von vorbereitender Wirkung stattfindet, 142 bilden ‘die: Wundernetze eine ganz eigene Klasse von Blut- drüsen. In: Beziehung auf die mechanische Wirkung der Wunder- netze. und ‚ihren Erfolg für locale‘ Verlangsamung der Blut- strömung bleibt es sich gleich, ob das Wundernetz vor ‘oder hinter einem Organ angelegt ist. In beiden Fällen wird der Widerstand sich gleich bleiben, auch wird die Blutbewegung sowohl in den vor als hinter dem Organ gelegenen Theilen verlangsamt werden, Bei den Wundernetzen der Lebervenen und der Arteria coeliaca der Lamnen, und bei: den Wunder- netzen der Pfortader und der Arteria coeliaca der Thunfische muss die Blutströmung im ganzen chylopoetischen System lang- samer werden. In Hinsicht der Ausführung der' Oberflächenvermehrung giebt’ es mindestens 4 Formen der Wundernetze. Die Ver- mehrung der Oberflächen in den Röhren geschieht: 4) durch Radiation in Form von Büscheln, Wedeln, Schwei- fen, Quästen, Rete mirabile fasciculatum, wie in den meisten Wundernetzen, oder 2) durch Netzwerke, Rete mirabile reticulatum, wie das carolische Wundernetz; 3) durch Windungen der Röhren, wie in den Intercostal- wundernetzen der Delphine und in den kleinen Wundernetzen der Nieren aller Klassen, die man Corpora Malpighii nennt; 4) durch Fiederung, Rete mirabile pinnatifidum, wie in dem Wundernetz am Intestinum valvulare des Fuchshaien und in den Nebenkiemen der Fische. Ueber das Geschlecht der Seeigel. Von Dr. W. Prrsrs. (Aus brieflicher Mittheilung an den Herausgeb., gelesen in der Ge- sellsch. naturf. Freunde am 21. Januar 1840,) Die Echini besitzen getrennte Geschlechter. Die Männchen und Weibchen unterscheiden sich, soviel ich sehen kann, durch- aus nicht im äussern Bau der Geschlechtsorgane, woher es auch wohl kommen mochte, dass man bis jelzt immer nur Weibchen fand. Sie unterscheiden sich aber wesentlich durch ihr Contentum, so dass man schon mit blossen Augen die Männchen an dem weissen, die Weibehen an dem rothen Saft dieser Drüsen erkennt, deren Zahl bei Echinus purpureus und Melo 5 ist. Dass dieses Kennzeichen richtig sei, lehrt die mi- kroskopische Untersuchung; denn die Weibchen oder rothsaf- tigen enthalten Eier mit Dotter und Keimbläschen, die Männ- chen dagegen kleine bewegliche zahllose Samenthierchen und Keimkörperchen. Die Samenthierchen haben einen länglich- ovalen Körper, der sich an dem Schwanzende mehr zuspitzt, am Kopfende mehr zugerundet ist, sie schienen mir Schwänze zu besitzen, doch sah ich dies nicht so deutlich, um es zeich- nen [zu können. Uebrigens haben sowohl die männlichen als die weiblichen Organe jedes einen deutlichen Ausführungsgang, sie münden sich‚um den After herum, durch eine eigene Oeflnung 144 der Schale nach aussen. So sind denn auch die bisher für Eierleiter gehaltenen blaitförmigen Organe, welche die Schale immer besitzt, wo sich die vielen kleinen Oeffnungen 5 doppelten Längsreihen münden, mit Sicherheit als Kiemen zu deuten. Ich habe unter 98 Exemplaren 43 Männchen und 55 Weibchen gefunden, so dass die Zahl beider Geschlechter fast gleich ist *) *) Anmerk. des Herausgebers. Dies: Beobachtungen reihen sich an die Beobachtungen von Valentin und R. Wagner über die ge- trennten Geschlechter der Holothurien, von Rathke über die ge- trennten Geschlechter der Asterien an. Vielleicht gehören auch die. Crinoiden, mindestens die Comatulen dahin; denn es fällt auf, dass sich nicht bei allen erwachsenen Individuen der Comatulen (in Wein- geist) reife und unreile Eierchen bei mikroskopischer Untersuchung der Anschwellungen an den Pinnulae vorfinden, während sie bei an- dern auch im jüngsten Zustande der Eierchen sehr deutlich sind. Bemerkungen über Syngnathus aequoreus und Actinia plumosa. Von Heınr. Ratake. Von den Beobachtungen, die ich im verflossnen Sommer in Norwegen gemacht habe, theile ich Ihnen vorläufig zwei mit, von denen Sie, wenn es Ihnen beliebt, für Ihr Archiv Gebrauch machen können. . 1) Syngnathus aequoreus trägt seine Eier, wenn sie gebrütet werden sollen, wie Syngn. ophidion und überhaupt diejenigen Fische, aus denen Risso die Gattung Scyphius ge- macht hat, in einer Schichte unter dem Bauche. Eine Brut- höhle, wie sie z.B. bei Syngn. acus und S.typhle vorkommt, fehlt hier, und es werden die Eier theils untereinander, theils mit der untern Fläche des Rumpfes lediglich durch eine ge- ringe Masse von einer festen weisslichen Substanz, wie durch einen Kitt verbunden. Ist das Thier abgestorben, und hat es dann einige Zeit im Wasser gelegen, so löst sich die Eier- schichte vom Rumpfe ab, und es erscheint dann die Bauch- seite oline alle Spur von Falten oder Auswüchsen, sondern lässt nur eine Menge von kleinen Grübehen erkennen, welche Eindrücke bezeichnen, die von den Eiern in der zur Brutzeit mutbmasslich anschwellenden Hautbedeckung des Bauches be- wirkt worden waren. Höchst wahrcheinlich ist das erwähnte Müller's Archiv. 1840, 10 146 Bindemittel einerlei mit der klaren, dicklichen und etwas kle- brigen Flüssigkeit, die bei den Syngnathen von den Eierstöcken abgesondert wird, sich in der Höhle dieser Organe anhäuft, zusammen mit den Eiern ausgestossen wird, und mit Wasser in Berührung gebracht alsbald gerinnt. Bei einem Exemplare des genannten Fisches, das Eier am Bauche trug und das ich zergliederte, fand ich die Geschlechts- werkzeuge sehr verengt, so dass sie zwei nur dünne Röhren darstellten, die nicht halb so lang, als die Rumpfhöhle waren. Im Inneren enthielt ein jedes von ihnen eine nur sehr enge Höhle, und in der Wandung der vordern grössern Hälfte des- selben befand sich eine Menge Eier von verschiedener Grösse; doch hatten die grössten lange nicht die Hälfte von dem Um- fange derjenigen, welche äusserlich an der untern Seite des Rumpfes vorkamen. Ein Keimbläschen war in ihnen deutlich zu erkennen. — Dem Angeführten zufolge kann es also als festgestellt angesehen werden, dass es von Syngn. aequoreus die Weibchen sind, welche das Geschäft zu übernehmen ha- ben, die Eier auch auszubrüten. Von Syngnathen, deren eines Geschlecht eine Bruthöhle besitzt, erhielt ich nur ein einziges Exemplar mit Eiern in dieser Höhle. Die Untersuchung der innern Geschlechtswerk- zeuge aber gab kein entschiedenes Resultat, welches ich hätte zur Beantwortung der Frage benutzen können, ob die männ- lichen ‚oder weiblichen Syngnathen die Eier brüten. Das un- tersuchte Exemplar war übrigens nicht mehr ganz frisch, als ich es zergliederte. 2) Actinia plumosa hat an der Oberfläche ihrer Lei- beswand, den Discus ausgenommen, eine grosse Anzahl kleiner Poren. Aus einer jeden von diesen kann sie in beträchtlicher Quantität eine milchweisse, dicke und schleimige Substanz aussondern, die in Gestalt von einfachen, zarten, allenthalben gleich dieken, und mitunter ansehnlich langen Fäden hervor- dringt. Unter dem Mikroskop zeigt ein solcher Faden eine sehr lebhafte Wimperbewegung; ja ich habe gesehen, dass sich 147 ein kleines Stück eines dergleichen Fadens, das sich zu einem Ringe zusammengekrümmt hatte, lange Zeit lebhaft im Kreise bewegte. Die Wimpern stehen sehr dicht und sind ungemein zart. Näher noch untersucht, zeigt der Faden eine Zusam- mensetzung aus zwei verschiedenen Bestandtheilen. Zum Theil nämlich besteht er aus sehr kleinen, aber ziemlich gleich gros- sen Körperchen, die steif, ganz gerade, glatt, im Verhältniss zu ihrer Länge nur dünn, in dem grössern Theile ihrer Länge anscheinend eylindrisch, gegen ihre Enden ein wenig verjüngt, und an diesen stark abgestumpft sind, so dass sie in Hinsicht ihrer Gestalt einige Aehnlichkeit mit Navicellen haben. Beim Austrocknen des Fadens auf einer Glastafel verändern sie nicht im Mindesten ihre Form und Grösse. Sie stellen also eigent- lich zarte und sehr regelmässig geformte Krystalle dar. Auf ihre chemische Beschaffenheit habe ich sie nicht untersucht, muss diese also unbesiimmt lassen. Der andere Bestandtheil der Fäden ist ein zäher, dieker und fast ganz farbloser Schleim der hauptsächlich aus Körnern besteht, deren Durchmesser sogar die grössten Querdurchmesser der oben beschriebenen Krystalle um etwas übertreffen. — Was die Lagerungsverhält- nisse der einzelnen Bestandtheile anbelangt, so liegen die Kry- stalle quer in den Fäden, sind sehr dicht gedrängt, und schei- nen strahlenförmig um die Achse des Fadens gelagert zu sein. Die Zwischenräume zwischen ihnen füllt der formlose Theil des Schleimes aus: der körnige Theil des Schleimes aber liegt nach aussen von den Krystallen in einer mässig dicken Schicht, bildet also die Oberfläche des Fadens, die jedoch, wenn man von ihren Wimpern absieht, kaum merklich uneben ist. Leider bekam ich von Act. plumosa- nur ein einziges Exemplar, und dieses mochie ich nieht zerschneiden, weil ich es für das zoologische Museum, dein ich vorstehe, aufbewah- ren wollte. Ich kann daher nicht angeben, wie die Organe beschaffen sind, von welchen die beschriebenen Fäden ausgin- gen. Eben so wenig kann ich auch die Bedeutung dieser Fä- den angeben. Ich habe hier nur deshalb ein Näheres über 10* 148 ihre Zusammensetzung miltheilen wollen, um Andere, die Ge- legenheit haben, mit Hautporen versehene Actinien zergliedern zu können, aufmerksam darauf zu machen. Samen .konnten sie wohl deshalb nicht sein, weil sie zu zähe waren, sich auch geraume Zeit im Wasser erhielten, olıne sich aufzulösen, und der Samen andrer Thiere, so viel bekannt, nicht Krystalle enthält. Für Kiemen darf man sie wohl deshalb nicht anse- hen, weil sie, noch an dem lebenden Thiere hängend, zuletzt denn doch, so viel ich mich erinnere, zergingen, ferner weil sie niemals durch die Poren wieder eingezogen wurden, und weil sie, wenn sie abgewischt worden waren, von dem Thiere immer wieder von Neuem ausgestossen wurden, ja mitunter eine Länge von drei bis .vier Zoll und drüber erreichten, ob- gleich.der Discus des Thieres nur etwa 2 Zoll im Durchmes- ser hatte. Ich möchte vermulhen, dass sie ein Exeret ‘der Haut wären, obgleich mir freilich kein Thier sonst weiter be- kannt, ist, dessen Haut Exerete der Art ausscheidet, wie die beschriebenen Fäden. Blasenschwänze mit dem Urin ausgelcert. Von Dr. Creruın zu Greifswald. Im Provinzial-Sanitätsberichte des Königl. Med. Colleg.: von Pommern‘ für das 2te Semester 1835 8. 52. 53., theilt Herr Dr. Weitenkampf in Barth einen Krankheitsfall mit, in wel- chem: ein 22jähriges Mädchen nach' Erkältung mit Stimmlosig- keit, Schmerzen im Kehlkopf und in der Luftröhre befallen ward, welehe Leiden allmählig in anfangende Halsschwind- sucht übergingen. Durch‘ Anwendung von: inneren Mitteln und von Blasenpflastern an den Hals wurde die Krankeit an ihrer völligen Ausbildung gehindert und ihrer Heilung ent- gegengeführt, als plötzlich Harnblasenbeschwerden eintraten und mit Strangurie alle 5—6 Tage „Uydatiden“ in bedeu- tender Menge ausgeleert wurden, Diese hatten die Grösse von Erbsen bis zu der von Wallnüssen, beliefen sich der Zahl nach jedesmal auf etwa 50—60, und „waren belebt, wie die Untersuchung mit der Loupe es ergab.“ Die Ausleerung währte einige Monate; durch Roborantia und Anthelminthica, schliess- lich den anhaltenden Gebrauch des Chabertischen Oeles wurde die Kranke völlig geheilt, Als ich diese Notiz las, konnte ich mir nicht völlig er- klären, was eigentlich der Ausdruck: „die Hyd. waren belebt,“ bedeuten sollte. Ich vermuthete jedoch, dass jene Echinocoe eusblasen mit ihren Thierchen gewesen seien, und stellte des- wegen auch den Krankheitsfall am Schlusse meines Aufsalzes 150 über Echinococeus (Allgem. Encykl. d. W. u. K. von Ersch und Gruber, 1. Sect. Bd. 30.) zu denjenigen, in welchen auch andere Aerzte Echinococeus- und Acephalocystenblasen mit dem Urine hatten abgehen sehen. Da ich indessen, um Gewissheit in der Sache zu erhalten, wünschte, die Blasen selbst mit ihrem Inhalte zu untersuchen, so schrieb ich an Herın Dr. W., und bat ihn um Zusendung einiger der abgegangenen Blasen, falls er sie aufbewahrt hätte, oder doch, wenn jenes nicht der Fall gewesen wäre, um Erläuterung und nähere Bestimmung seiner Angabe über das Belebtgewe- sensein der Blasen. j Aus seiner gefälligen Beantwortung meiner Frage ersah ich nun, dass ich rücksichtlich der Natur der Blasen, von denen leider keine aufbewahrt worden, im Irrthume gewesen war, Herr Dr. W. meldete mir nämlich, dass jede der Bla- sen, von welchen er wohl gegen 100 Stück mit einer: schar- fen Loupe untersucht, immer nur einen Wurm (eine „Taenia hydatigena“) enthalten hätte, dessen Kopf mit ziemlich grossen Osculis und einem aus vielen Haken zusammengesetz- ten Kranze versehen gewesen wäre; die Flüssigkeit der Blasen sei eine klare Lymphe gewesen, in welcher kleine Körperchen herumgeschwommen hätten. Die Würmer waren also Blasenschwänze, ob aber von einer bereits bekannten Art (vielleicht Cystoeerci cellulosae R.), oder einer neuen bleibt zweifelhaft. Jedenfalls ist diese Beob- achlung von Blasenschwänzen, mit dem Urine ausgeleert, höchst merkwürdig. So viel ich weiss, ist der Fall sogar ganz einzig in seiner Art; ich kann nirgends einen ähnlichen auffinden, und auch Hr. Tschudi erwähnt in seiner reichhaltigen Mo- nographie der Blasenwürmer nichts dergleichen. Dass die Blasen- und Wurmbildung hier in Folge eines metastalischen Prozesses, mittlest dessen sich ein rheumatischer Stoff von den Athmungswerkzeugen in die Harnblase versetzt halte, vor sich gegangen ist, scheint einleuchtend zu sein. Muskelfasern im erweiterten Harnleiter und Nierenbecken eines Menschen. Von Medicinalrath Dr. TourtuaL in Münster. Die Bildung von Muskelgewebe in Theilen, welche es im gesunden Zustande nicht enthalten, wird von den meisten Anatomen bezweifelt. J. Fr. Meckel und Beclard sagen, dass aceidentelle Entwickelung der Muskelfaser selten oder nie slatt habe. Cruveilbier handelt nur von fibrösen Gewebs- umvrandlungen und Productionen, welche er dem natürlichen Fasergewebe ähnlich oder gleich setzt,. nicht von muskelhal- tigen. Derselbe und Dupuytren haben faserige Geschwülste im Zellgewebe, unter dem Kieferwinkel, am Felsenbein und in der Gebärmutter beschrieben, deren Substanz den Schnen näher stand als den Muskeln. Albers zwar will in den Fa- sergeschwülsten der Gebärmutter Muskelfasern bemerkt haben indess entscheidet die blosse Autopsie hier wenig. Eine ver- dienstliche Arbeit hat daher Valentin unternommen, indem er eine solche Geschwulst einer mikroskopischen und chemischen Untersuchung unterwarf. Er fand, dass die auf der Schnittfläche derselben erscheinenden Fasern theils gerade und parallel, theils eoncentrisch verliefen und von weisser oder gelbröthlicher Farbe waren. Sie bestanden aus durchsichtigen Fäden, die aber keine abwechselnde Erhebungen und Einschnürungen zeigten. Diese Beschäflenheit der Fasern wurde noch deutli- cher nach dem Ausziehen von Felt und einigen Chlorsalzen durch kochendes Wasser, Aether und Alkohol. Sie löselen 152 sich in Essigsäure auf und wurden aus dieser Auflösung durch salpetersaures Qnecksilberoxydul und Zinnchlorür weiss ge- fällt, ein Verhalten, welches auch der Faserstoff des Blutes, nicht aber das geronnene Eiweiss zeigt. Valentin behauptet demgemäss nicht, dass diese Fasern Muskelfasern gewesen sein. Auch ich habe in zahlreichen frühern Versuchen krankhafter Geschwülste, welche freilich nur auf Wahrnehmung ihrer physisehen Eigenschaften mit unbewaflnetem Auge sich be- schränkt haben, nie von der Gegenwart des Muskelgewebes in ihnen mich überzeugen können. Weder in den Steatomen des Uterus, Hodens und anderer drüsigen Organe, noch in den weicheren sogenannten Sarkomen, welche sich in den Faserbändern kranker Gelenke, bei Caries am Rückgrate und in besonderen Kapseln im Zellgewebe entwickeln, ist es mir gelungen, die Merkmale von Muskelbündeln aufzufinden, viel- mehr ersehienen in ersteren die Fasern, welche eine speck- ähnliche, harte, beim Einschneiden knarrende Substanz durch- zogen, analog den Sehnenfasern, weisslich, glänzend, nicht dehnbar und sehr fest, in leiztern hingegen wie die Fasern der aus dem Blute abgeschiedenen Fibrine, nur härter und fester. Sie unterschieden sich in der Farbe sowohl von den animalischen Muskeln als von denen des Darmkanals, sie hat- ten einen durchgehends parallelen Verlauf, ohne wie die or- ganischen Muskelbündel, denen sie doch jedenfalls näher stan- den, in verschiedene Schichten gelagert zu sein, ihre Gestalt war mehr platt, ihre Consistenz derber, etwa wie Muskel- fleisch, welches einige Zeit im Wasser gekocht ist, zwischen ihnen fand sich wenig oder gar kein Zellstoff und erschien dieser auch dann nicht, wenn die Bündel in Fasern und diese in Fäden auseinandergezogen wurden; diese Trennung war ferner schwieriger als bei wahren Muskeln, weil die Fasern ja den Bündeln und diese selbst viel fester zusammenlagen, so dass es hin und wieder selbst des Streichens nach der Richtung der Fasern bedurfte, um den nicht so fort ins Auge fallenden faserigen Bau deutlich zu machen. Dass sie irrilabel 153 gewesen, ist ebenfalls sehr unwahrscheinlich, weil sie in ihrer Kapsel eng zusammengepresst lagen und dieselbe in einer ku- geligen oder oblongen Geschwulst so fest ausfüllten, dass eine Zusammenziehung der Bündel mit Formveränderung des Gan- zen, abgesehen von dem nicht zu deutenden Zwecke dieser Bewegung, unmöglich schien, zumal die Knollen selbst mit dem anliegenden Knochen oder sehnigen Gewebe meistens fest verbunden waren. In neuerer Zeit hat Dr. Leo-Wolf in Heidelberg zwei Beobachtungen faseriger Schichten mitgetheilt, ‘welche an der platten Fläche seröser Häute durch plastische Ausschwitzung sich gebildet haben, nämlich im Herzbeutel und an der Rippen- pleura. Derselbe hat nicht angestanden, diese Schichten für Muskeln zu erklären, weil das Ansehen derselben und der auf chemischem Wege in ihnen ermittelte Gehalt an Faserstoff hierfür ‘sprechen sollte. Mit Recht hat indess Wutzer in diesem Archive (1834. $. 451.) die Behauptung Wolf’s in Zweifel gezogen und die Unzulässigkeit der aus jenen Um- sländen gezogenen Folgerung auf Muskelnatur der fraglichen Fasern dargethan. Sehr oft ist mir bei Untersuchung sarcoma- töser Bildungen die Aehnlichkeit aufgefallen, welche die Bün- del derselben bei oberflächlicher Ansicht mit Muskelbündeln darbieten, ohne es zu sein, und was die Fibrine betrifft, so ist dieselbe, abgesehen davon, dass sie in den Ausschwitzungs- häuten der serösen Säcke überall vorkommt, zwar der vor- nehmste, aber doch nicht der einzig wesentliche Bestandtheil des Muskelfleisehes, welches ja noch das mit dem Faserstofle innig verbundene und ihm nahe verwandte geronnene Eiweiss, ferner ungeronnenes Eiweiss, Cruorin, Osmazom, in Wasser auflöslichen Extraetivstoff, phosphorsaure, milchsaure und Chlor- salze, und nach Berzelius Entdeckung freie Milchsäure ent- hält, namentlich begründet der Antheil an Eiweissstoff einen ehemischen Character der Muskelfaser, durch welchen sie sich von der Zusammenselzung der leimhaltigen Gewebe, als des Zellgewebs und der Sehnenfaser unterscheidet, und eben dieser 154 Bestandtheil bat von Valentin durch die chemische Prüfung der faserigen Gebärmuttergeschwulst nicht nachgewiesen wer- den können. Johannes Müller hält aus Autopsie der von Wolf beschriebenen Präparate die angeblichen Muskelbündel derselben ebenfalls nur für Faserstoffexsudate. Mir ist eine die Kritik bestehende Beobachtung wahrer Muskelfasern in den Produeten entzündlicher Vorgänge überhaupt nicht bekannt und scheint demnach die Neubildung derselben auf diesem Wege wohl nicht statt: zu finden. Wäre Erzeugung von Muskelfasern durch Entzündung möglich, so würde nach Durchschneidung ' eines Muskels die Narbe schwerlich ver- dichtetem Zellstoffe gleichen und auf galvanische Einwirkung ohne Contraction bleiben. Hierdurch ist aber noch keinesweges ausgemacht, dass nicht durch andere pathologische Processe, deren Charakter gleichfalls Steigerung der Vegetation ist, Muskelfasern in Or- ganen, welche normal dieselben nieht besitzen, sich sollten entwickeln können. Das Gegentheil hiervon wird schon: von vorn herein wahrscheinlich durch die Uebergänge von Zell- gewebe dureh Mittelstufen zu Muskeln, welche sich in dem contractilen Gewebe der Dartoshaut, der Cutis, der Venen und Capillargefässe, vielleicht auch der Zellhaut der Arterien, in den Ausführungsgängen der Drüsen, der Fasern der Iris finden, durch die Existenz von Rudimenten des panniculus carnosus im subeutanen Zellgewebe des Menschen, durch die Art, wie ihre Fasern im Zellgewebe oder dem contractilen Gewebe der Haut sich verlieren, z. B. des platysma myoides im oberflächlichem Blatte der fascia parotidea masseterica, durch das öftere gänzliche Fehlen oder kaum Angedeutetsein mehrerer dieser Muskeln als der minores auriculae, des procerus nasi, des zygomalicus minor, welche in magern Individuen meistens mehr Zell- als muskulöses Gewebe enthalten. Zu- nächst verdienen in dieser Hinsicht die Hypertrophien röhriger Häute, welche mit muskelhaltigen Schläuchen in Verbindung 155 stehen, beachtet zu werden, als die Erweiterungen der Gallen- und Speichelgänge, die der Harnleiter, ohne Verdünnung, Ver- diehtung oder sonstige Texturveränderung der sie zusammen- setzenden membranösen Schichten. Denn da sie als Anhänge der offenen Höhlen erscheinen und n einer der Funclionen derselben, in Fortbewegung der Contenta, mit ihnen überein- kommen, da diese ihre Verrichtung durch ähnliche Hülfsmittel, als Sehleimabsonderung, Contraction benachbarter Muskeln (bei den Speichelgängen) und Druck von aussen unterstützt wird, da die innere Haut dieser Wege und das umgebende Zell- gewebe eine Fortsetzung der gleichnamigen jener Behälter sind, denen sie die Flüssigkeit zuführen, und da dieselbe in jenen Gängen von einer dichten sehr contractilen, selbst auf ungewohnte Reize rasch sich contrahirenden Substanz umgeben ird; so liegt die Vermuthung nicht fern, dass in Fällen, wo sie durch Ausdehnung der Form den grössern Abtheilun- gen der oflenen Höhlen sich annähern und einer bedeutenden Bewegungskraft bedürfen, die Organisation des contractilen Gewebes sich zur Entwickelung von Muskelfasern, wie sie die Innenwand des Darmkanals, der Mundhöhle und der Harn- blase umgeben, hinaufbilden könne. Die Regenerationsunfä- higkeit der Muskelsubstanz ihut dieser Ansicht keinen Eintrag, da nicht in allen Organismen die Wiedererzeugung in gleichem Verhältniss zur Neubildung steht, z. B. bei Knorpeln, den se- rösen und Schleimhäuten jene sehr gering, oder gänzlich feh- lend, zufällige Production dieser oder mindestens sehr ähnlicher Gewebe in fremden Theilen aber häufig ist. Unter den erwähnten Seeretionsgängen habe ich nur ein- mal und zwar bei einem Harnleiter, welcher in Folge lang- wieriger Krankheit des uropoetischen Systems eine allmählige und sehr bedeutende Ausdehnung erlitten hatte, deutlich die Existenz von Muskelfasern wahrgenommen und hofle dieses Faetum durch die unten anzugebenden Erscheinungen ausser Zweifel gesetzt zu haben. Da dieser Fall zugleich wegen Selten- 156 heit der begleitenden Metamorphosen der Harnblase und Harn- röhre Interesse hat, so dürfte eine ausführliche Darstellung desselben hier willkommen sein. Ein zwanzigjähriger scrophulöser Jüngling starb’ hektisch nach Jahre langen Leiden an chronischer Entzündung und Verschwärung der Blasenschleimhaut, die in der leizten Zeit von fast ununterbrochenen Drängen zum Harnlassen, Behinde- rung desselben und wiederholten Zufällen completer Ischurie, durch Verstopfung der Harnröhre veranlasst, begleitet war, nach deren Hebung durch den: Catheter, mit dem Urine Eiter und eine dickliche, weisse, mit Körnern und Klümpchen ge- mengle Substanz, aufgelöselen Tuberkeln gleich, unter heftigen Schmerzen .ausgeslossen wurden. Im Perinäum und unten an der Wurzel des Penis war eine (grosse härtliche Geschwulst, welche während des Lebens durch Druck Eiter aus der Harn- röhre hervortreten liess. Bei der Leichenöffnung wurden: beide Nieren 'ums Dop- pelte vergrössert, die linke niedriger liegend als dierechte und die Harnleiter sehr erweitert gefunden. Nachdem der ganze Harnapparät herausgenommen war, zeigten sich folgende be- achtenswerthe Abweichungen. Die Harnröhre war von der Blase bis drei Zoll hinter der Eichelöffnung mit Verdünnung ihrer Wand dergestalt ausgedehnt, dass dieser‘ ganze Theil wie eine verschmälerte Fortsetzung der Harnblase aussah, eine Grenze zwischen der pars prostatica, membranacea und dem Bulbus nicht mehr zu erkennen war, das orifieiam vesicale nur durch eine Querfalle an der hintern Wand der Höhle angedeutet wurde, und die prostata Sast'bis zum Verschwinden verdünnt erschien. Die Breite der aufgeschlitzten Höhle in der Gegend des Istlımus war drei Zoll, etwas höher schien das veru montanum mit den Mündungen der Aussprilzungs- gänge gleichsam in die Mitte der Harnblase hineinzuragen. Anstalt der grösstentheils zerstörten Schleimhaut des erweiler- ten Theils sah man eine grosse Geschwürsfläche, welche sich in die schr verdünnten und zugleich verdichteten Rulhenzellkörper 157 hinaufwölbte, das spongiöse Gewebe der Harnröhre war an dieser Stelle bis auf die Albuginea meist verschwunden und nur hin und wieder nahm man eng zusammengepresste Faser- balken wahr, die, sich netzförmig 'auseinanderziehen liessen. Die Harnblase war fast conisch, nämlich unten nach den Sei- ten und nach vorn hin vergrössert, im Längsdurchmesser aber verkürzt, so dass ihr Grund nur zwei Zoll über die Einsenkung der Harnleiter sich erhob. Ihre innere Fläche mit Ausnahme elwa eines Quadratzolles über den Harnleitermündungen war ebenfalls von der Schleimhaut ganz entblösst, rauh, aufgelockert und mit diekem, schmutziggrauem Eiter bedeckt, die unge- mein. starken Bündel ‚des detrusor traten balkenartig hervor, ein Sphincter hingegen war kaum mehr nachzuweisen.‘ Bei der Section waren die Harnblase und der erweiterte Theil der Harnröhre mit Urin und stinkendem klumpigem Eiter ge- füllt gewesen. Die Mündungen der Ureleren standen vierle- halb Zoll weit auseinander. Beide Ureteren waren gleich den Nieren von einer ungewöhnlich grossen Quanlität Fettes umgeben, beide verkürzt, indem die Länge des rechten mit Einschluss des Nierenbeckens acht, die des linken nur sechs Zoll betrug, und zugleich beträchtlich ausgedehnt, nahe der Harnblase, wo sie am weitesten waren, hielten sie fast einen Zoll im Durchmesser. Der rechte, im Leichname von Harn prall angefüllt gewesene Ureter war jetzt weich und zusam- mengefallen, der linke bildete einen fast knorpelharlen Strang. Das rechte Nierenbecken hatte sich zu einem geräumigen, tief in die Niere eindringenden Sack ohne Aeste ausgeweilet, in welchen die calices unmittelbar sich einsenkten, es fasste un- gefähr drei Unzen Wasser. Die Wand des Harnleiters dieser Seile war nicht verdünnt, vielmehr etwas dicker als im Nor- malzustande, aber keinesweges krankhaft verdichtet, überhaupt ohne Spuren staltgehabler Entzündung. Die innere Haut bil- dele an mehreren Stellen, wo.der Kanal zugleich äusserlich weiler erschien, schräg auf-.oder niederwärts gerichtete klap- penarlige Vorsprünge, welche sich an. die gegenüberstehende 158 . Wand anhefteten und hier grössere und kleinere Durchgangs- öffnungen übrig liessen, in den Winkeln dieser Falten hatte der Kanal beutelförmige Ausbeugungen, welche ihm inwendig fast das Ansehen von Samenbläschen und da, wo zwei Fallen nahe über einander lagen und ihre Lücken sich an entge- gengesetzten Seiten befanden, eine darmähnlich gewundene Form erhielten. Die starke innere Haut liess sich leicht ab- ziehen und an der innern Fläche der Zellhaut hatte sich deut- lich ein aus gelbröthlichen Kreisfasern bestehendes Muskel- gewebe entwickelt, welches an den weitesten Stellen stärker hervortrat und im Nierenbecken eine Geflechtbildung, ‘analog den Muskelbündeln der Harnblase, aber ungleich feiner, an- genommen hatte, indem die Fasern sich unter sehr schiefen Winkeln mannigfaltig durchkreuzten. Dieser Faserlage, wel- che durch die Schleimhaut des Harnleiters ringförmig durch- sehimmerte, verdankte die Wand desselben vorzugsweise ihre grössere Dicke. Im Nierenbecken sah man überdies sowohl an der vordern als hintern Fläche äusserlich von den Kreis- fasern eine Säule longitudineller Bündel von etwa 2 Linien Breite aufsteigen, welche sich nach den Wänden der Becher hin vertheilte und in diesen verlor. Beide Faserschichten erschienen nicht allein bei durchfallendem, sondern eben so bestimmt in reflectirtem Tageslichte. Bei dem leicht ausführ- baren Abziehen der äusseren Haut bemerkte man zwischen ihr und den Fleischfasern kurzes Zellgewebe. Auch im un- tersten Theile des Harnleiters zunächst der Blase fanden sich die Cireulärfasern. Ebenfalls zeigten sich Muskelfasern, aber longitudinelle, bei Untersuchung des erweiterten Theiles der Haroröhre an der äussersten Fläche der Albuginea ihres Cor- poris 'cavernosi, welche vorn von dem sehr starken Bulbo- cavernosus bedeckt waren, hinten üDer den prostatischen Theil hinaufreichten ‘und bis zum detrusor urinae sich fortsetzten. Der angegebenen Richtung und Lage wegen konnten sie nicht als zum Bulbocavernosus gehörig angesehen werden: In der rechten Niere breiteten sich die Kelche bis nahe der Oberfläche 159 aus, das Parenchym war in eiwas erweicht, übrigens nicht entartet, Die linke Niere hingegen war hart, höckerig und mit gähzlicher Zerstörung ihrer Zubstanz in eine Anzahl dick- wandiger Säcke verwandelt, welche in dem Nierenbecken zu- sammenkamen, mit erweichter, zum Theil breiartiger Tuberkel- substanz angefüllt waren und das Ansehen von Tuberkelhöhlen der Lungen hatten. Dieselbe Masse erstreckte sich trocken, fest und grobkörnig, durch den ganzen Harnleiter hindurch, dessen Wand verdiekt und hart, inwendig rauh, aber ohne ” Muskelfasern war und stopfte denselben vollkommen aus. Die Entartung der Wand war augenscheinlich durch Ausschwiz- zung in die Substanz der Zellhaut und in das submuköse Zellgewebe bedingt worden. Das Lumen dieses Ganges war nicht in dem Grade wie in dem rechten Ureter erweitert, auch ohne die beschriebenen Biegungen, nahe der Harnblase hatte es kaum über eine Linie im Durchmesser und hier lag umgeben von der Tuberkelmasse, ein hellbrauner, länglicher und eckiger Nierenstein. Offenbar war die ganze Reihe von Form und Testur- veränderungen in dieser traurigen Krankheit von Tuberkel- bildung in der linken Niere ausgegangen. Die erweichte, theilweise verflüssigte Tuberkelsubstanz hatte auf ihrem Wege durch den linken Harnleiter, Blase und Harnröhre, zumal ver- mischt mit dem Harn, überall einen entzündlichen Process mit Verschwärung der Schleimhaut, Erhärtung der zellstoffigen Gewebe, Verdickung der Muskelhaut der Blase angeregt, sie halte die Harnröhre verstopft und dadurch die enorme Er- weiterung des hintern Theils derselben, die Querdehnung der Blase und Iypertrophische Ausdehnung des rechten Harnleiters sammt Nierenbecken und Kelchen herbeigeführt, welche durch Vebernahme der Funetion der linken Niere seitens der rechten begünstigt worden ist. Es liegt mir nunmehr ob, den Charakter der von mir walhrgenommenen Fasern im Harnleiter und an der Harnröhre ols Muskelfasern überzeugend darzuthun und den Beweis zu 160 liefern, dass weder: verdickle Zellgewebs- oder sehnige Fasern, noch etwa zufällig gebildetes conlractiles leimhaltiges Gewebe, noch auch elastische Fasern irriger Weise für solehe genom- men worden sind. Ich berufe mich hier theils auf das Zeug- niss des unbewaflneten Auges und die physiologische Betrach- tung, theils auf die chemische und mikroskopische Prüfung. Denn 4) lehrte schon. der blosse Augenschein und deutlicher noch die Anwendung mechanischer Mittel den Unterschied die- ser Bündel von ‘den erwähnten Geweben und machte. ihren Charakter als Fleischbündel mindestens höchst wahrscheinlich. Die zwar nicht gesättigt rothe, aber doch gelblichrothe Farbe, die ansehnliche Dicke, den Kreisbündeln des Zwölffingerdarms vergleichbar, denen sie überhaupt ähnlich sahen, und die regel- mässige, ununterbrochene Anordnung in Ringen. nach der gan- zen Länge des Uterus erweckten sofort diese Meinung. Die Bündel: liegen nicht schichtweise auf-, sondern nur neben ein- ander, so dass, wenn eins abgezogen ‚wird, darunter kein 'an- deres zum Vorschein kommt. Sie sind’ ferner feucht, weich, wenig dehnbar, ohne Federkraft, zerreissen, der Länge nach angespannt, leicht, ohne sich beim. Nachlass 'auffallend zu ver- kürzen, beim Umbiegen leiden sie nicht. Zwischen den Bün- deln selbst ist Zellgewebe und versucht man sie aus einander zu ziehen, was leicht gelingt, so erscheinen auch diese wieder durch Zellgewebe verbunden. Die Fasern selbst sind rund- lich, werden mit fortgesetzier Theilung heller, die feinsten auf diese Weise darstellbaren sind, zumal angefeuchtet,. fast wasserhell und durchscheinend. Die Fasern gehen nicht ganz oder theilweise in einander über, sondern liegen parallel neben einander. Durch diese anatomischen Charaktere unterscheiden sich .die fraglichen Bündel zureichend von den sehnigen Bün- deln, welche sich durch ihren Glanz, ihre grosse Festigkeit, die weisse Farbe der Trennungsfläche beim Auseinanderziehen und das hierbei bemerkliche schräge Uebertreien einzelner Fasern von ‚der einen. Fläche zur andern auszeichnen, eben so 161 von den durch Verdichtung des Zellgewebes erzeugten Fasern, welche weisslich oder grau, dehnbar oder elastisch sind, auch nicht durch blosses Ziehen der Länge nach gespalten werden können, sondern hierbei eine netzartige Textur entwickeln, nicht minder auch von den elastischen Arterienfasern, welcher die Pseudomuskeln als Entzündungsproduete von Rudolphi und Wutzer nahe gestellt worden sind. Denn die Arterien- fasern kommen, abgesehen von der sie auszeichnenden Elasti- eität, in Schichten über einander vor, so dass man in der Dicke grösserer Schlagadern mehrere nach einander ablösen kann, sie kleben ohne. umgebendes Zellgewebe, welches sich auch beim Spalten nicht zeigt, unmittelbar aneinander, sie sind platt, dehnbar und weniger weich als Muskelfleisch und bre- ehen leicht, auch ist ihre Farbe mehr gelb, nicht ins Röthliche spielend, wie die beschriebenen Fasern des Harnleiters.. Die elastischen Fasern erscheinen nirgend im menschlichen Körper in zwei senkrecht sich kreuzenden Lagen, sondern entweder kreisförmig, wie in den Schlagadern oder gradlinig neben ein- ander, wie die der Luftröhre, am Kehlkopfe, in den gelben Wirbelbändern, in den Ausfüllungsbändern zwischen Atlas und Hinterhaupte (denn ihr Verhalten in den Bronchien, der Speiseröhre, um den After, in dem Aufhängebande und den Zellkörpern der Ruthe, in der Zellhaut der Arterien, ist noch nicht genügend aufgeklärt). Das leimhaltige contraclile Ge- webe endlich, welches eine höhere Organisation des Zellstof- fes, und bisher nur in der tunica dartos von Jordan genau untersucht worden ist, hat zwar auch eine röthliche Farbe und faserigen Bau, aber diese Fasern sind wiederum dehnbar und elastisch und anastomosiren vielfällig in länglichen Ma- schen, so dass sie ein Netzwerk bilden, daher sie hier kaum in Betracht kommen. Es stimmen demnach die Eigenschaften der in Rede ste- hienden Bündel genau mit denen der Muskeln und mit keinem andern gesunden Gewebe des Körpers überein, auch nicht mit dem Naserstoffe des Blutes wegen ihres reichlichen Antheils Müller's Archir. 1810. al 162 Zellgewebe, und es würde sich daher, um ihre Identität mit erstern ausser Zweifel zu selzen, nur noch fragen, ob sie mit Irritabilität begabt waren? Ich glaube diese Frage mit grosser Wahrseheinlichkeit bejahen zu müssen. Das Vorkommen der Bündel in einem Röhrenorgane, zwischen einer Schleimhaut und Zellhaut, die Verbindung mit jenen Häuten durch Zell- gewebe, die Anordnung in einer inneren Orbieulär- und einer, freilich unvollkommenen und erst in der Bildung begriffenen Längenschicht, welche der Fleischhaut des Grimmdarmes ent- spricht, das Nachaussenliegen der lelztern, wie überall im Darmkanale, die Darmähnlichkeit des erweiterten Harnleiters selbst, die gleichzeitige Hypertrophie der Fleischhaut der Harn- blase und starke Entwickelung des Bulbocavernosus, endlich der leicht einzusehende Nutzen einer stärkern Contraelion des Hozuleiters und Nierenbeekens zur Ueberwindung des der Propulsion des Harnes im Wege stehenden Hindernisses, mit welcher auch das Verhalten des Detrusor und Bulbocaverno- sus wie die Atrophie des Blasenschliessers in Beziehung ste- hen, sind nicht unwichtige Gründe hierfür. Auch die Länge- fasern des Nierenbeckens und des Harnröhrenschlauches konn- ten durch Verkürzung, mithin durch Beschränkung des Raumes für die enthaltene Flüssigkeit, zur Austreibung derselben mitwir- ken. Dass wenigstens im Ureter Muskelcontractionen statt gehabt haben, darauf scheint die sonderbare Deformität desselben hinzu- deuten. Denn will man auch nicht annehmen, dass die Kürze desselben auf diese Weise entstanden sei, weil der von Fleisch- fasern entblösste linke Harnleiter noch kürzer als der rechte war, daher die Erscheinung richtiger durch Zusammenziehung des die tunica inlima umgebenden contractilen Gewebes, vor der Bildung der Muskelfasern zu erklären sein dürfte: so wer- den doch die seltsamen Schlängelungen des Lumens am leich- testen durch ungleiche Zusammenziehung nach der Länge an entgegengesetzten Seiten der Harnleiterwand begriffen, wo- durch an der Seite des Krampfes die Wand der andern ge- nähert werden konnte, so dass bei gleichzeitiger starker 163 Contraction der Ringfasern ein klappenarliges Vorspringen der Schleimhaut bis zur Adhäsion an der gegenüberliegenden Wand erfolgte, welche wiederum Veranlassung zur Ausbeugung des Calibers oberhalb dieser unvollkommenen Sperre geworden ist. 2. Da die vorgefundenen röthlichen Bündel zu geringe an Masse waren, um die Bestandtheile des Muskelfleisches aus ihnen chemisch darzustellen, so wurde wenigstens das von Berzelius als Reagens zur Entdeckung der eiweissarligen thierischen Substanzen und zur Unterscheidung derselben von den leimhaltigen empfohlene Eisenkaliumeyanid zur Prüfung desselben angewendet. Es wurden von den Quer- und Län- genbündeln des Nierenbeckens und Anfanges des Harnleiters, auch von den äusserlich am Harnröhrenzellkörper gelegenen einige mit möglichster Zurücklassung des Zellstoffes abgelöst, von dem noch adhärirenden Zellgewebe so viel thunlich, be- freit und in drei Probegläser vertheilt, in welche alsdann con- centrirte Essigsäure gegeben wurde. Die Substanz blähete sich auf, wurde durchsichtig und gallertähnlich, am folgenden Mor- gen fand sie sich bis auf eine weissliche Wolke am Boden der Gläser aufgelöst. Die filtrirte Flüssigkeit erschien klar und von einer schwachen gelblichen Farbe. Als nun einige Tropfen einer concentrirten und geklärten Auflösung des ro- then Eiseneyankaliums in destlillirtem Wasser zugesetzt wur- den, wurde in allen drei Gläsern die Flüssigkeit getrübt und es zeigten sich in ihr gelbe Flocken. Tages darauf sah man ein reichliches gelbgrünes Präcipitat, über welchem die Flüs- sigkeit klar und weingelb erschien, der Niederschlag, der Luft ausgesetzt, nahm in einigen Stunden eine dunkelgrüne Farbe an. Hierdurch war erwiesen, dass die fraglichen Bündel nicht m derjenigen Klasse von Geweben gehörten, welche dem Körper vornehmlich durch ihre physikalischen Eigenschaften nützen, und durch Kochen Leim hergeben, als Zellgewebe, Sehnenfaser, elastische Faser, sondern zu den eiweissarligen, nicht leimhaltigen Organtheilen. Denn nach Eulenberg’s Versuchen lässt sich auch aus den elastischen Fasern, sowohl 11° 164 der Arterien, als der Bänder, welche Berzelius für leimlos erklärt hatte, durch Kochen Leim ausziehen, diese Fasern lö- sen sich überdiess nicht in Essigsäure, leicht aber in Mineral- säuren auf und werden aus diesen Auflösungen weder durch Alkali, noch durch Eisenkaliumeyanid gefällt. Das eontraclile Gewebe der Dartos aber verhält sich chemisch ähnlich dem Zellstoffe. Die Eigenschaft, aus der essigsauren Auflösung durch das lelztgenannte Salz niedergeschlagen zu werden, fin- det sich nun zwar bekannlermassen nicht allein beim Muskel- fleische, sondern überhaupt beim Faserstofle und Eiweissstofle, daher bei denjenigen Theilen, welche diese Substanzen enthal- ten. Es kann mithin aus obigem Ergebnisse die Gegenwart von Muskelfasern nicht strenge gefolgert werden, allein da Er- scheinungen von Entzündung, durch welche die Ausschwitzung von Faser- oder Eiweissstoff aus dem Blute hätte bewirkt werden können, hier nicht vorlagen, so wird doch die Wahr- scheinlichkeit dieser Annahme bedeutend erhöht. 3. Die zweifelsfreie Entscheidung war nun dem Mikros- kope vorbehalten. Ich weichte von den im Weingeist erhär- teten Faseikeln der fraglichen Muskelschicht eins in destillir- tem Wasser auf, spaltete es durch Theilung eines Endes mit einem sehr scharfen Skalpelle und longitudinelles Abziehen auf einer Glasplatte und setzte die Spaltung fort bis auf Fasern von der Dicke eines starken Kopfhaares, welche blassgelb und im Wasser durchscheinend waren. Diese entsprachen Fon- tana’s primitiven Fleischbündeln, welche Prevost und Du- mas Seeundärmuskelfasern, Muys Fibrillen der ersten Ordnung genannt haben. Ich brachte sie auf den Objeeiträger eines zusammengesetzten Achromates und betrachtete sie im reflec- tirten Tageslichte bei einer 200maligen Vergrösserung im Durch. messer. Die Fasern zeigten sieh nun in einer hellen grünlich gelben Farbe und gleichsam umnebelt durch die Zellgewebs- scheide, welche an den Rändern in flachgekrümmten, wellen- förmigen, weissen und etwas glänzenden Zellgewebsfäden deut- lich hervortrat, Die Leeu wenhoek’schen ringlörmigen Streifen 165 der Primitivbündel habe ich indess nicht bestimmt wahrnch- men können, welches daher rühren mochte, dass das Gewebe nieht mehr frisch, sondern die Zellstoflscheide durch den Al- kohol zusammengezogen und getrübt worden war, zum Theil auch wolıl daher, dass die Querstreifen in organischen Mus- keln minder deutlich als iu animalischen hervortreten. Aber an den Enden, wo die Scheide sich zurückgezogen hatte, wie in der Länge der Fasern selbst, wo jene getrennt war, und minder klar durch den wolkigen Ueberzug selbst, erschienen die primitiven Fleischfäden als gerade oder leicht gebogen meist parallele, rosenkranzähnliche, eingeschnürte Stränge, gleichsam aus etwas dunklern ovalen Körperchen zusammengesetzt. Hin und wieder legte sich ein Faden an den benachbarten an und schien in ihn überzugehen oder an ihm aufzuhören, an einzel- nen Stellen war auch wohl ein Strang unterbrochen oder ein grösserer Zwischenraum zwischen den Kügelchen. Der Quer- durchmesser der letztern schien mir nach dem Augenmasse (ein Mikrometer stand mir leider nicht zu Gebote) ungefähr ein Viertel des Durchmessers der Blutkügelehen zu betragen. Offenbar waren dies die Elementarfäden des Muskellleisches, Fontana’s primitive Fleischfäden, Muys und Prochaska’s Fibern. Ihre Gestalt glich vollkommen der von Muys be- schriebenen, welche Ernst Heinrich Weber in dem ersten Theile seiner Ausgabe von Hildebrandt’s Anatomie, Tab. II, Fig. 23. b, ce und d hat copiren lassen. Es war hieran um so weniger zu zweifeln, als auch das schräge Uebertreten eines Fadens an den andern und die Trennungen einzelner Fäden von de Heyde, Pr&vost und Dumas und von Edwards beschrieben und abgebildet worden sind. Das Bündel von der Marnröhre stellt sich in gleicher Weise dar. Zur grösseren Sicherheit brachte ich zugleich eine Secundärfaser vom gros- sen Brustmuskel unter das Mikroskop und es erschienen hier die perlschnurartigen Primilivfäden genau in derselben Form und Anordnung. Auffallend war hierbei die Uebereinstim- mung im Baue der Fleischbündel des Harnleiters mit denen 166 der meisten willkürlichen Muskeln, deren Primitivfasern ebenfalls granulirt sind, wie ihre Abweichung von den meistens ohne Varicositäten sich darstellenden Fäden der organischen Muskeln, und hatte ich daher vor der Unter- suchung die Fäden jener Bündel gleich denen der Mus- kelschichten der Harnblase gleichförmig ceylindrisch zu sehen erwartet. Da aber an ersteren die Einschnürungen ganz un- verkennbar vorhanden waren, so untersuchte ich comparaliv noch Fasern vom detrusor urinae und fand die Entdeckung Schwann’s, dass ihre Primitivfäden glattund ohne Knoten sind, bestätigt, aber auch hier kamen häufige Abweichungen vom Parallelismus und Anlegen eines Fadens an den andern vor. Jener Texturunterschied der animalischen und vegetativen Mus- keln, welcher ohnehin schon kein durchgreifendes Gesetz ist, wie der mikroskopische Bau der Bündel des Herzens und der Fleischhaut der Harnblase beweisen, scheint hiernach am we- nigsten auf zufällig gebildete Muskelbündel sich zu erstrecken. Die Vergleichung zu vollenden, wurden nun noch Fasern der mittleren Arterienhaut und der Fibrine aus dem Blutgerinnsel der Carotis eines Leichnams unter das Mikroskop gebracht. Beide zeigten ein ganz anderes Verhalten. Die Fäden, welche durch Spaltung der Arterienfaser erzielt wurden, blieben wie diese platt, die in ihnen erscheinenden feinsten Filamente wa- ren dunkler als die Muskelfäden und nicht varikös, aber stel- lenweise und ohne Regel breiter und schmaler, mit wolligen Rändern, sie waren gewunden, eckig und nicht parallel, son- dern theilten sich in Zweige, die vielfältig anastomosirten, in den helleren Räumen zwischen ihnen sah man zersireute Körn- chen von unregelmässiger Gestalt. Dieses Gewebe steht dem- nach auf einer niedrigern Organisalionsstufe als die Muskelfa- ser. In der fein zeriheilten Faser der Fibrine erschienen nur wenige breite parallele dunkle Streifen ohne Kügelchen, deren weite Abstände durch Körner angefüllt wurden, die sich nicht wie in den willkührlichen Muskeln zu Fäden gereihet hatten, aber stellenweise in kurzen Linien sich zu ordnen begannen. 167 Die Vergleichung mit den Fäden der Dartos schien mir über- Nüssig, da, wie Jordan gezeigt hat, die Primitivfasern derselben unter dem Mikroskope als nicht varicöse Cylinder von geschlängeltem oder geschwungenem Ansehn, gleich denen der Zellgewebsfäden erschienen. Durch vorstehenden Befund, bei dessen Erhebung keins der bekannten Hülfsmittel der Anatomie vernachlässigt wurde, erweiset sich nun wohl die Behauptung, dass die in dem be- schriebenen Präparate vorhandenen Bündel am Harnleiter, Nie- renbecken und der Harnröhre wahre Muskelgewebe gewesen seien, als unzweifelhaft richtig. Dieses Ergebniss steht in genauer Beziehung zu frühern Versuchen. Rudolphi, Tiedemann, J. Müller und neuerdings Meyer (diss. de musculis in ducli- bus eflerentibus glandularum) haben in frisch getödteten Säu- gethieren und Vögeln auf galvanische und mechanische Rei- zung schr starke und andauernde Zusammenziehungen der Aus- führungsgänge drüsiger Organe, als des ductus choledochus, des Ureters, des vas deferens, der Samenbläschen und der Gallenblase (Meyer) gesehen. Müller (Physiologie I. $. 474) hat aus diesem Phänomen auf die Existenz einer Muskelschieht in den Gängen geschlossen, welche sich freilich anatomisch, selbst mit Hülfe des Mikroskopes nicht nachweisen lässt. Denn die sorgfältigen mikroskopischen Untersuchungen der Drüsen- kanälchen und Seretionsgänge beim Menschen, welche von Purkinje und Henle angestellt worden sind, haben nur eine Zusammensetzung ihrer Substanz aus Elementarkörper- ehen mit Kernen, von erstem Enchyma genannt; nicht aber Fleischfäden ergeben. Gewiss ist daher, dass beim Menschen in den genannten Kanälen die Schleimhaut von einem in sei- nen Bewegungen der Muskelfaser sehr nahe stehenden Gewebe umgeben wird und dass dieses wenigstens im Ureler und in der Harnröhre durch Ilypertrophie sich zur Bildung einer deutlichen Muskelschicht erheben kann. Es wäre wichlig, in menschliehen Leichnamen die Struclur dieser Wege im ausge- delinten Zustande, z. B, bei eingeklemmten Cholelithen, beim 168 Hydrops vesicae felleae in den Gallengängen und der Gallen- blase, ferner bei der ranula, bei der Ectasie des stenonischen Ganges zu erforschen. Wird aus physiologischen Gründen musculöses Gewebe in den Ausführungsgängen angenommen, so beweiset meine Beobachtung freilich nicht die accidentelle Bildung desselben, sondern nur Entwickelung des vorhandenen zum Sichtbarwerden. Von grosser Wichtigkeit ist, dass Meyer in der Gallenblase des Rindes und den Harnleitern des Pferdes schichtweise gelagerte röthlichgelbe Fasern gefunden hat, welche die mikroskopische Textur der organischen Mus- kelfasern zeigten. Er hat dieselben in den Harnleitern als in drei Schichten vorkommend beschrieben, nämlich einer äus- sern stärkern, einer innern mehr zerstreuten Längenschicht und einer zwischen beiden eingeschobenen dichten Querschicht, eine Beobachtung, der die meinige vom Menschen, in welcher ausser der Querschicht nur eine unvollkommene Längeschicht zu sehen war, sich anreihet. In diesem Falle zeigte sich zwi- schen beiden Harnleitern ein Gegensatz der Producte des ent- zündlichen und des hypertropnisohen Processes, sofern ersterer im linken nur zur Verdiekung und Erhärtung der normalen Gewebe, letzterer im rechten zur Bildung eines neuen Gewebes, der Muskelfaser, geführt hat. Ueber die Struclur der Warzen und über Pigment- bildung in der Haut. Von Dr. Gustav Sımon, praclischem Arzte in Berlin. (Hierzu Taf. IV.) 4. Ueber Warzen. Ueber den Bau der Warzen ist schon manches bekannt, doch bedürfen mehrere denselben betreffende Punkte noch einer Aufklärung, zu der ich durch folgende Mittheilung Einiges bei- zutragen versuchen will. 4. Verrucae vulgares (Rayer, Alibert); allgemein bekannte kleine Auswüchse der Haut, die in der Regel an den Händen ihren Sitz haben und an ihrer Oberfläche hart, hök- kerig und fast unempfindlich sind. Von dem, was man bei den Schriftstellern über die Struc- tur dieser Warzen angegeben findet, möchte Folgendes das Wesentlichste sein: Nach Vossen*) bestehen sie aus gleichmässig neben ein- ander aufgrrichteten mehrfachen hornartigen Fasern, welche durch ein Band von sehniger Textur rings umschlossen sind. *) Iust’s Magazin Bd. 39, 4833, p. 513. 170 Alibert°) sagt, dass sie gewöhnlich durch kleine Ver- länugerungen der Lederhaut gebildet werden, die sich zuwei- len von einander trennen, so dass dann der Auswuchs wie gespalten aussieht. Rayer**) erklärt sie für Exerescenzen, welche durch Hy- perlrophie der Hautpapillen und zuweilen aller Schichten der Haut erzeugt werden. Das Corium ragt nach seinen Beob- achtungen an der Stelle, wo die Warze sitzt, über die übrige Oberfläche der Haut hervor und ist mit einer mehr oder we- niger dicken Epidermisschicht bedeckt, welche sich zwischen die papillenartigen Verlängerungen einsenkt. An diesen Verlänge- rungen des Coriums sind von ihm, so wie von Cruveilbier, kleine Blutgefässe in Form rother Streifen bemerkt worden. Ascherson***), der diese Art der Warzen Verrucae com- positae nennt, macht darauf aufmerksam, dass dieselben mei- siens von einem Ringe aus sehr verdickter Epidermis umge- ben sind, der sich in einem mehr oder weniger stumpfen Win- kel über die gesunde Epidermis erhebt und durch seine Form die halbkugelige oder kugelige Gestalt der Excrescenz bedingt. Die Warze selbst besteht nach seiner Angabe aus vollkommen gesonderten, senkrecht stehenden prismatischen oder vielmehr aus umgekehrt pyramidalen Körperchen (Papillen), von denen jedes seine eigne Epidermis hat, deren unverhältnissmässig starke Entwickelung der ganzen Papille das Anschen einer Hornmasse giebt. Auch Ascherson vermuthet, dass diese Warzen, in denen er Blutgefässe geseln hat, eine krankhafte: Entwickelung des Papillarkörpers der Haut seien. So viel ist über den Bau dieser Auswüchse ermittelt, und es blieb nun noch hauptsächlich übrig, genauer zu unlersu- chen, wie die einzelnen Theile der Warze sich mit der Haut verbinden und aus welchen Bestandtheilen sie zusammengeselzt ®) Trait@ complet des maladies de la peau. Paris 4833. **) Traite des maladies de la peau. Paris 1835. ***) Casper’s Wochenschrift, Jahrg. 1835, p- 513. 171 sind, um hiernach denn zu bestimmen, ob die Warzen wirk- liche Aftergebilde oder, wie einige der genannten Schriftstel- ler glauben, Hypertrophien gewisser Hauttheile sind. Ich habe deshalb eine Anzahl Warzen untersucht, die ich mir von Leichen zu verschaffen Gelegenheit gehabt habe; alle halten an den Händen gesessen und standen noch mit der be- nachbarten Haut in Verbindung. Durchschnitt ich diese War- zen in senkrechter Richtung und führte zugleich auch den Schnitt durch die darunter gelegene Haut, so erkannle ich schon mit dem blossen Auge und noch besser bei der Be- trachiung durch die Loupe, die von den oben angeführten Schriftstellern erwähnten Höcker oder Papillen, welche bei manchen Warzen noch genau mit einander verbunden, bei an- dern, besonders grösseren, aber von einander getrennt waren, (Tab. IV. Fig. 1). Wo und auf welche Weise sich diese Hök- ker mit der Haut vereinigten, liess sich indess mit der Loupe nicht gehörig erkennen, weshalb ich mich des Mikroskops bedient habe. Unter diesem sah ich bei 25- bis 60facher Ver- grösserung an ganz dünnen Lamellen, die durch einen senk- rechten Schnitt abgetragen worden waren, schr deutlich, wie der erwähnte äussere Ueberzug der Warze jeden Höcker be- deckle und von dem einen zum andern überging, so dass hier- dureh eine zusammenhängende Oberhaut für die ganze Excres- cenz enistand (Fig. 2). Der Ueberzug der am meisten nach Aussen gelegenen Höcker gränzte an die Epidermis, welche letztere in der Regel in der Nähe der Warze verdickt er- schien, und den Hornring bildete, welchen Ascherson be- schrieben hat. Diese Oberhaut der Warzen, welche ich immer, und oft um vieles dieker als die normale Epidermis fand, und die durch eine deutliche Gränzlinie von der inneren Masse dieser Auswüchse geschieden war, bestand aus eben solchen, mit mehr oder weniger deutlichen Kernen versehenen Zellen, wie die Epidermis. Man überzeugt sich am leichtesten von dem Vorhandensein dieser Zellen bei Warzen, welche einige Zeit in Wasser oder Weingeist gelegen haben. Denn betraclı- 172 tet man einen Höcker einer solchen Warze bei einer slärke- ren Vergrösserung, so sieht man bei der geringsten Bewegung der das Objeet bedeckenden Glasplatte diese Zellen, theils ein- zeln, theils zu Läppchen vereinigt, sich ablösen. Unter diesem Ueberzuge lagen neben einander die mit dem Corium in Verbindung stehenden Höcker (die innere Substanz der Warze). Diese waren zuweilen nur sehr niedrig (Fig. 4), andere Male hatten sie eine beträchtliche Länge (Fig. 3). Oben endeten sie mit einer abgerundeten Spitze oder mit ei- ner kolbigen Anschwellung, so dass sie im letztern Falle, der der seltnere war, oben dicker als unten erschienen. Mit dem Corium vereinigten sie sich nicht immer auf gleiche Weise. In der Regel nämlich waren sie mit demselben so genau ver- schmolzen, dass die Vereinigungsstelle nicht unterschieden wer- den konnte (Fig. 2). Das unterhalb der Warzen gelegene Corium schien mir hinsichtlich seiner Farbe und Textur gar nicht verändert und setzte sich ohne Unterbrechung in die seitlich daneben gelegenen Theile des Coriums fort, so dass an dünnen Lamellen die entartete Stelle sich von den benach- barten gesunden nur dadurch unterschied, dassan letztern der obere Rand des Coriums in die kleinen normalen Gefühlswärz- chen auslief, während er an der erstern mit den bei weitem grössern Höckern der Warze besetzt war, Die der Excres- cenz zunächst liegenden Gefühlswärzchen gränzten also un- mittelbar an die äussersten Höcker der Warze und bildeten mit diesen eine zusammenhängende Reihe. In andern Fällen unterschied man mehr oder weniger deutlich die Stelle, wo das Corium. aufhörte und die innere Substanz der Warze ihren An- fang nahm (Fig. 4). Der obere Rand des Coriums, auf welchem die Substanz der Warze lag, stellte sich dann als eine gerade Linie dar, an welcher man nichts von Gefühlswärzchen wahr- nahm, während diese an den benachbarten gesunden Hautstel- len deutlich zu erkennen waren. Die Höcker der Warze lie- fen nicht immer gesondert bis zum Corium herab, sondern vereinigten sich öfters schon oberhalb desselben zu einer zu- 173 sammenhängenden Masse. Zuweilen sah man von der Ober- fläche des Coriums Streifen in dieHöcker hineingehen, welehe sich durch ihre dunklere Farbe von der übrigen Substanz der Warze unterschieden. In einer dritten Art von Fällen end- lich bemerkte man bei der Betrachtnng dünner Lamellen am obern Rande des Coriums Höcker, welche den Gefühlswärz- ehen ähnlich, nur meistens viel breiter waren, und auf diesen schien die innere Substanz der Warze zu ruhen. Ob hier wirklich Gefühlswärzchen unterhalb der Substanz der Warze sich befanden, bin ich nicht im Stande gewesen, mit Sicher- heit zu ermitteln, doch lässt mich die grosse Breite jener Hök- ker vermuthen, dass dies nur scheinbar war und davon ler- rührte, dass nicht eine einfache Reihe von Warzenhöckern beim Abtragen der so sich darstellenden Lamellen, sondern zugleich auch der untere Theil der zunächst liegenden Reihe durch- schnitten worden war. Jene den Gefühlswärzchen ähnlichen Erhöhungen lagen mithin wahrscheinlich nicht zwischen dem Corium und der innern Substanz der Warze sondern vor oder auf lelzterer. Diese verschiedenarlige Vereinigung mit dem Corium habe ich nicht immer nur bei verschiedenen Warzen, sondern zu- weilen auch an verschiedenen Stücken einer und derselben Warze beobachtet. Die beschriebenen Bestandtheile der Verruca vulgaris lies- sen sich auch an einem Querdurchschnitte unterscheiden. Man salı daran nämlich die durchschnittenen Höcker neben einan- der liegen und jeden derselben von einem dunkeln Rande, der von dem äussern Ueberzuge herrührte, umgeben. Die Epider- mis, die an der Stelle, wo die Warze lag, wie durchlöchert aussah, gränzte an die am meisten nach Aussen gelegenen Höcker (Fig. 5). Aus welchen Elementen die innere Masse der Warzen be- steht, ist nicht leicht zu besliimmen, da der äussere Ueberzug sich nur schwer von den kleinen Höckern vollständig trennen lässt, Am besten gelang es mir noch die innere Masse an Quer- 174 schnitten der Höcker zu isoliren, an denen dieselbe bei schwa- chen Vergrösserungen unter dem Mikroskope sich als eine gleichförmige Substanz darstellte, in deren Mitte sich zuweilen ein kleiner Raum vorfand, der dunkler als der übrige Theil erschien. Bei stärkerer Vergrösserung nahm man an diesen Durchschnitten feine Streifen wahr, welche eoncentrisch mit dem äussern Ueberzuge verliefen. Zerriss ich dünne Lamellen der Warzenhöcker, so liessen sich in den Fragmenten feine Fasern erkennen, die denen des Zellgewebes glichen, nur nicht die diesen eigenthümliche geschwungene Form hatten. Am Rande mancher Fragmente bemerkte ich auch kleine runde oder polyedrische kernhaltige Zellen, von denen ich es indess unentschieden lassen muss, ob sie den tiefsten Schichten des äussern Ueberzuges der Warze oder der innern Substanz der- selben angehörten. Wäre letzteres der Fall, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass die Warzen auf ähnliche Weise aus Elementarzellen ihren Ursprung nehmen, wie dies für die mei- sten normalen Gewebe und für viele krankhafte Bildungen nachgewiesen ist, und dass die in der innern Substanz der Warzen beobachteten Fasern erst durch die Umbildung jener Zellen entstehn. Dass die Fasern durch das Zerreissen künst- lich gebildet worden wären, ist deshalb nicht anzunehmen, weil sie immer gleiche Dicke und gleiches Ansehn hatten und auch in den noch nicht zerrissenen Lamellen deutlich zu er- kennen waren. Dass die Verruca vulgaris eigene Blutgefässe besitzt, wird fast von allen Beobachtern angegeben, doch weiss man über den Verlauf derselben nichts weiter, als dass sie die papillen- arligen Verlängerungen des Coriums in Form rother Streifen begleiten. Was ich über die Verbreitung dieser Gefässe an noch zum Theil mit Blut gefüllten Warzen zu ermitteln im Stande gewesen bin, ist Folgendes: Oefters sah ich am obern Theile der Warzenhöcker ein Gefäss, das auf der einen Seite in die Höhe stieg, sich nahe der Spitze des Höckers bogen- förmig krümmte und auf der andern Seite wieder herablief 175 (Fig. 6). Zuweilen lagen zwei solcher Gefässschlingen in gleicher Höhe (Fig. 7) und einige Male befanden sich auch zwei oder drei ähnliche am untern Theile der Höcker. Nicht immer bildeten diese Gefässe Schlingen, sondern schie- nen nicht selten mit einer kolbigen Anschwellung blind zu endigen. Gewiss endigten sie aber wohl nicht wirklich blind, sondern dieses Ansehn rührte höchst wahrscheinlich nur da- her, dass das bogenförmig gekrümmte Gefäss in einer Rich- tung gesehen wurde, bei welcher der aufsteigende Theil den herablaufenden zum Theil deckte, oder daher, dass Blutroth in die zwischen der Gefässschlinge befindliche Substanz einge- drungen war. Ich glaube diess besonders deshalb, weil auch in andern Theilen die sicher nachweisbaren Gefässschlingen oft, an einem Ende geschlossenen Säckchen, gleichen. In den Gefühls- wärzchen an den Sohlenballen des Hundes z. B. fand ich, nach- dem ich die Gefässe durch Einspritzung in die Schenkelarterie gefüllt hatte, eine oder auch mehrere Gefässschlingen, die de- nen in den Warzen sehr ähnlich waren. Immer lief das in der Papille befindliche Gefäss, und wenn mehrere darin vor- handen waren, eins derselben bis in die Spitze der Papille, bildete ganz in der Nähe der Epidermis einen Bogen und slieg dann wieder herab. Oefters glich dies Gefäss auch einem blind endigenden Säckchen, was aber nur daher rührle, dass der aufsteigende Theil des Gefässes den absteigenden deckte, denn sobald ich dem Präparate eine andere Richtung gab, konnte ich mich jedes Mal von dem Vorhandensein des Gefässbogens auf das Deutlichste überzeugen (Fig. 8u.9). In jedem Gefühls- wärzchen der menschlichen Haut befindet sich eine ähnliche Gefässschlinge, die auch nicht selten das Ansehn eines v»ben geschlossenen Schlauches hat, wie ich an einem Präparate von Swizer gesehn habe, welches sich auf dem hiesigen analto- mischen Museum befindet. Endlich ist nun noch die Frage zu beantworten, ob man nach diesem Befunde die Verruca vulgaris für eine Hypertro- phie der Hautpapillen halten darf. Zu Gunsten dieser Ansicht 176 lassen sich folgende Gründe anführen: 4) Die Papillen der Warzen haben in ihrer Form Achnlichkeit mit den Gefühls- wärzchen, besonders mit den sehr entwickelten an den Füs- sen der Fleischfresser. 2) An den Stellen, wo die innere Substanz der Warze auf dem Corium ruht, fehlen in der Re- gel, nnd vielleicht immer, die Gefühlswärzchen. denn die den Gefühlswärzehen ähnlichen Höcker, welche man zuweilen am obern Rande des Coriums bemerkt, liegen, wie schon erwähnt wurde, wahrscheinlich nicht zwischen dem Corium und der innern Substanz der Warze. 3) An senkrechten Durchsehnit- ten von Warzen und der benachbarten-Haut bilden die Hök- ker der Warze mit den daneben liegenden Gefühlswärzchen eine ununterbrochene Reihe. 4) Nimmt man das Wort Hyper- irophie im sirengeren Sinne und versteht darunter die Ver- grösserung eines Organes durch Ansatz von Substanzen, welche mit denen völlig, übereinstimmen, aus welchen jenes Organ im Normalzustande zusammengeselzt ist, so lässt sich auch die Beschaffenheit des die innere Masse der Warzen bildenden Ge- webes zur Entscheidung der vorliegenden Frage benutzen. Die Natur dieses Gewebes ist zwar noch nicht so genau er- mittelt, als zu einem sichern Schlusse in diesem Falle erfor- derlich ist, doch scheint das, was ich über dasselbe angegeben habe, mit der Annahme von einer Hypertrophie der Hautpa- “pillen nicht gerade im Widerspruch zu stehn. Als Einwand ge- gen diese Gründe lässt sich allerdings anführen, dass zuwei- len auch völlig ausgebildete Verrucae vulgares an Hautstellen vorkommen, an denen eigentliche Gefühlswärzchen ganz felı- len, so dass es demnach wohl noch nicht als sicher ausgemacht angesehen werden darf, dass die Papillen der Warzen hyper- trophische Gefühlswärzchen sind. 2. Ausser der erwähnten Art von Warzen unterschei- den viele Schriftsteller noch eine zweite die sie gestielte Warzen (Verruca acrochordon) nennen. Alibert beschreibt sie als kleine membranöse Anhänge, die an ihrem Ende brei- ter sind als an ihrer Basis und meistens mit einem dünnen, zu- 177 weilen aber auch mit einem dickeren Stiele an der Haut be- festigt sind. Sie kommen gewöhnlich am Halse, auf der Brust und am Rumpfe vor und sind röthlich, weisslich oder haben ganz die Farbe der gesunden Haut. Zuweilen sehen sie, fährt Alibert fort, wie schlaffe, leere, häutige Taschen aus und bestehn mitunter auch nur aus zwei Hautplatten, die mit ih- ren innern Flächen an einander gewachsen sind und eine Art von Kamm bilden. Das was Rayer über diese kleinen Excerescenzen angiebt, stimmt hiermit ziemlich überein. Die gestielten Warzen, sagt er, sind kleine, handschuhfingerförmige Hautanhänge, deren glatte Oberfläche zuweilen die Farbe des Hofes der Brustwarze hat. Sie bestehn, nach seinen Beobachtungen, aus zwei sehr dünnen, zuweilen röthlichen Hautlamellen, die an einan- der liegen und durch ein sehr lockeres Zellgewebe mit einan- der vereinigt sind. Zuweilen fand Rayer diese Warzen auch abgeplattet und auf einer breiten Basis ruhend (verrues char- nues). Da diese Hautanhänge von der Verruca vulgaris sehr ver- schieden sind, so werden sie von Manchen, wohl mit Recht, nicht zu den Warzen, sondern zum Molluscum gerechnet. Sie sollen in der Regel angeboren sein. Ich habe sie oft untersucht und fand, dass die Oberhaut, von der sie bedeckt sind, sich hinsichtlich ihrer Dicke und übrigen Structur von der benachbarten normalen Epidermis gar nicht unterscheidet und auch ohne Unterbrechung in diese übergeht. Unter dieser Oberhaut, die entweder straff die kleine Geschwulst überzieht oder, -was häufiger der Fall ist, locker aufliegt, so dass sie gefaltet erscheint, befindet sich die innere Substanz des Auswuchses. Diese stellt sich, mit dem blossen Auge betrachtet, als eine gleichartige, dem Gewebe des Coriums ganz ähnliche Masse dar, in das sie sich auch meistens, ohne dass man eine Gränze wahrnimmt, fortsetzt. Zuweilen aber hat diese Substanz auch eine etwas dunklere Farbe als das Corium oder eine gelbliche, und dann unterscheidet Müllers Archiv 1840, 12 178 man ziemlich deutlich die Stelle, wo das’ Corium anfängt. Sie ist milunter nur in sehr kleiner Menge vorhanden und dann hat der Auswuchs die von Alibert erwähnte Beschaf- fenheit und sieht aus, als wäre er nur durch eine Ausslülpung der‘ Epidermis ‘gebildet. Oefters fand ich das. Innere dieser Hautanhänge. von einem feinen Gefässnetz durchzogen. Be- trachtet man die innere Substanz bei stärkeren Vergrösserun- gen, so bemerkt man, dass sie aus feinen, dem Zellgewebe ähnlichen Fasern besteht, zwischen denen sieh eine Menge, oft mit einem oder zwei Punkten verschener, Körnchen befin- den. Sie gleicht mithin ganz dem noch+nicht völlig ausgebil- delen Zellgewebe, wie es in verschiedenen Theilen des’ Em: bryo und in manchen krankhaften Bildungen vorkömmt. In den Fällen, wo die innere Substanz gelb erschien, enthielt sie ausser dem Zellgewebe auch etwas Fett. Worin die braune oder graue Färbung, welche die äussere Oberfläche dieser An: hänge zuweilen zeigt, ihren Grund hat, werde ich später an- geben. 3. Verruca plana nennt Ascherson*) eine flache, kaum über das Niveau der Haut hervorragende, scharf begränzte, hornartige Afterbildung, die derselbe einige Mal vereinzelt an den Händen Erwachsener, etwas öfter bei Kindern im Ge- sicht und an den Händen in grosser Menge, einem Ausschlag ähnlich, gesehn hat, und die im Ganzen nieht eben häufig vorzukommen scheint. Sie variirt, nach seinen Angaben, von der Grösse eines Nadelknopfes bis zu der einer kleinen Linse, ist gewöhnlich unregelmässig rundlich und von gelbbrauner, selten von röthlicher Farbe. Ich habe diese Warzen zwei Mal bei Lebenden gesehn, doch nicht genauer zu untersuchen Gelegenheit gehabt. Bei unsern Haussäugethieren kommen Auswüchse vor, die mit den Warzen des Menschen einige Achnlichkeit haben Ye 179 und in der Thierheilkunde auch den Namen. Warzen führen. Sie finden sich gewöhnlich nur an den weichen Hautstellen vor, namenllich an den Lippen, Eutern u.s.w. Bisweilen sind sie aber auch über den ganzen Körper verbreitet*). Meh- rere dieser Warzen habe ich untersucht. Einige, die am Maule eines Hundes gesessen hatten, glichen, abgesehen da- von, dass sie viel breiter und höher waren, der Verruca vul- garis des Menschen und bestanden wie diese aus nebeneinan- der aufgerichteten Papillen, von denen jede mit einem aus Zellen zusammengesetzten Ueberzuge bedeckt war. Eine an- dere Warze, die mittelst eines dünnen Stieles am Euter einer Kuh befestigt gewesen war, glich hinsichtlich der Grösse und Form einer Wallnuss, zeigte auf der Oberfläche kleine Her- vorragungen und Vertiefungen und bestand, ausser dem mit der Epidermis in der Structur übereinstimmendem Ueberzuge, ganz aus noch nicht völlig ausgebildetem Zellgewebe. Dagegen fand ich einen dem zuletzt erwähnten ähnlichen Auswuchs, der auch aus einer festen Masse und nicht aus gesonderten Papil- len bestand, aus völlig reifem Zellgewebe zusammengesetzt. Derselbe hatte mit einer breilen Grundfläche auf dem Rücken eines Hundes gesessen, sein Ueberzug ging unmerklich in die benachbarte gesunde Epidermis über, und die innere Substanz verlor sich ohne Abgränzung in das Corium. Ein Theil dieser Warzen gleicht mithin der Verruca vul- garis, ein anderer mehr dem Molluscum. 2. Ueber Pigmentbildung in der Haut. Die Haut der Neger ist häufig untersucht worden, und schon Albin sagt, dass die tieferen Schichten des Rele Mal- *) Vergl. Gurlt’s Lehrbuch der pathologischen Anatomie der Haussäugethiere; 1831 p. 72. 42° - 4180 pighii dieser Menschenrace schwärzer seien als die äusseren, und dass der Theil desselben, der in den Furchen der Leder- haut liegt, schwärzer erscheint als der, welcher die Spitzen der Gefühlswärzchen bedeckt. Neuerlich hat Heusinger an- gegeben, dass der schwarze Färbestofl in der Haut der Neger aus unregelmässigen Kügelchen besteht, die durch Zellstoff zu einer Lage vereinigt sind’), und vor Kurzem sind von Henle**) Beobachtungen über die Haut des Negers bekannt gemacht wor- den. Nachdem Henle nämlich an der Haut des Europäers nachgewiesen hat, dass das Rete Malpighüi kein structurloser Schleim ist, sondern aus kernhaltigen Zellen besteht, die sich von denen der Epidermis hauptsächlich nur dadurch unter- scheiden, dass die äussere Zelle den Kern näher umschliesst, und dass ausser dem dadurch bedingten geringeren Umfange, die Zellen auch weicher, granulirt und mehr rundlich erschei- nen; theilt er über die Haut des Negers mit, dass man in dem Rete Malpighii derselben ausser den eben erwähnten Zellen noch andere wahrnimmt, in denen das schwarze Pigment ent- halten ist. Er fand diese besonders an den vorspringenden, den Furchen der Cutis entsprechenden Stellen angehäuft und in der Form den Pigmentzellen des Auges sehr ähnlich, näm- lich zuweilen vollkommen sechseckig, gewöhnlich aber nur dieser Form sich annähernd, polyedrisch oder unregelmässig rund. Ihre Länge beträgt nach seinen Messungen 0,0039 — 0,0062 Linien, ihre Breite ungefähr 0,005 Linien. Es schien mir nun nicht uninteressant, zu vergleichen, ob die verschiedenen Färbungen, welche auf der Haut des Euro- päers, theils als normale, theils als abnorme Bildungen vor- kommen, ebenfalls in dem Vorhandensein solcher mit Pigment gefüllter Zellen ihren Grund haben oder durch andere Ursa- chen zu Wege gebracht werden. *) Vergl. E. H. Weber’s Handbuch der Anatomie Bd. 1. 1830. p: 186 u. 162. **) Symbolae ad anatomiam villorum intestinalium 4837, p. 6. 181 Zu den normalen Färbungen der Art gehört bei dem Eu- ropäer besonders die des Hofes der Brustwarze. Ielı habe die Haut um die Brustwarze öfters bei Leichen untersucht, wo dieselbe deutlich braun gefärbt war, und fand, wenn ich dünne, durch senkrechte Schnitte gtrennte Lamellen untersuchte, dass die Färbung von Pigmentzellen berrührte. Sie lagen im Rete Malpighii und zeigten sich besonders in grosser Anzahl in dem Raume zwischen den Gefühlswärzchen. Isolirte ich die Zellen durch Zerreissung eines solchen Hautstückes oder durch Ab- schaben der Epidermis, so sah ich deutlich das als kleine Kör- ner in ihnen enthaltene Pigment. Zuweilen nahm ich auch Zellen wahr, welche nur an ihrer Peripherie Piguientkörnchen enthielten, während in dem mittlern Theile sich keine befan- den. Die Gestalt und Grösse der einzelnen Zellen stimmte mit den Angaben Henle’s über die Pigmentzellen der Neger- haut überein. Die eigentliche Epidermis erschien sowohl bei auffallendem als durchfallendem Lichte ungefärbt und auch wenn ich ein Stück Haut vom Hofe der Brustiwarze so lange in Wasser liegen liess, bis die Epidermis locker zu werden anfing und eine Schichte der Oberhaut nach der andern un- tersuchte, so fand ich in den oberflächlichen keine Pigment- zellen. Ausser dieser Färbung der Haut um die Brustwarze fin- det man bei dem Europäer oft den Hodensack und die Labia majora bräunlich gefärbt. Von dem Hodensacke, den ich bei einem Individuum untersucht habe, wo derselbe die angege- bene Farbe zeigte, gilt’ alles das, was ich über den braunen Hof der Brustwarzen angegeben habe. Zu den abnormen Färbungen der Haut, welche durch Pigmentzellen erzeugt werden, gehören besonders manche Arten der Muttermäler und die Sommersprossen. Von den Muttermälern unterscheidet man bekanntlich zwei Arten, Ge- fässmuttermäler (Teleangiektasien) und Pigmentmuttermäler, Letztere bilden entweder grössere, verschiedenarlig gestaltete Flecke von mannigfacher Färbung (die eigentlichen Multermä- 182 ler) oder stellen kleine braune, zuweilen auch ganz schwarze Rlecke dar, welche sich entweder nicht über die Oberfläche der Haut erheben oder diese etwas überragen, selten die Grösse einer Linse überschreiten und gewöhnlich ‚regelmässig rund sind. Diese kleinen runden Flecke werden gewöhnlich Leber- flecke genannt, dürfen aber nicht mit den Flecken der Ephe- lides s. Pityriasis versicolor (Biett) verwechselt werden, die den- selben Namen führen. Von grösseren Muttermälern habe ich zwei untersucht, von denen das eine eine dunkelbraune, das andere eine grau- schwarze Farbe hatte. Die Färbung rührte auch von Pigment- zellen her, welche im Rete Malpighii sich befanden, doch ge- drängter lagen, als in der Haut um die Brustwarze, sonst aber mit den an dieser Stelle vorkommenden ganz überein- stimmten. Ausser der Färbung des Rete Malpighii bemerkte ich aber noch hier und da kleine dunkle Flecke in den ober- Nflächlichsten Schichten der Lederhaut, Diese Flecke rührten auch von Häufchen von Pigmentzellen her, welche fest im Gewebe des Coriums sassen und sich durch leichtes Schaben nicht entfernen liessen, was der Fall gewesen sein würde, wenn sie zufällig beim Durchschneiden der Haut auf das Co- rium herabgeschoben worden wären. Die Leberfleeke, die ich in Menge untersuchen konnte, da sie sich häufig an Leichen finden, verhielten sich, wenn sie nicht über die Oberfläche der Haut hervorragten, ganz so wie die beiden grösseren Naeyi, welche ich untersucht habe. Bei den über die Haut hervorragenden bildete das Corium ei- nen kleinen Vorsprung, der aus noch nicht völlig ausgebilde- tem Zellgewebe bestand. Auf diesem lagen die Pigmentzellen und über diesen die Oberhaut. Lelztere erschien ungefärbt und in den oberflächlichen Schichten derselben fand ich auch keine Pigmentzellen. Diese hervorragenden Leberflecke slimmen nun ganz mit den kleinen Hautanhängen überein, welche ich oben als die zweite Art der Warzen beschrieben habe, sobald diese eine 183 von. der sie umgebenden Haut verschiedene Farhe haben, Deun sie mögen grau, schwärzlich, hell oder dunkelbraun erschei- nen, immer rührt die Färbung von Pigmentzellen her, welclie zwischen der innern Substanz des Auswuchses und dem äus- sern Ueberzuge sich befinden. Auch bei den Sommersprossen (Lentigo) liegt die Fär- bung im Rete Malpighii, welches an den Stellen, wo die Flecke ihren Sitz haben, bei durchfallendem Lichte hellbraun erscheint. Bei der Anwendung stärkerer Vergrösserungen überzeugt man sich leicht von dem Vorhandensein der Pigmentzellen. Die erwähnten abnormen F ärbungen der Haut. schliessen sich also einerseils an die normalen, die wir beim Neger und an manchen Stellen der Körperoberfläche des Europäers wahr- nehmen, an, und bilden anderseils den Uebergang zu der Me- lanose, bei welcher, wie J. Müller nachgewiesen hat, unler gleichzeitiger Zerstörung der normalen Gebilde die Erzeugung von Pigmentzellen vor sich geht. Erklärung der Abbildungen. Taf. IV. Fig. 4. Eine Verruca vulgaris mit der benachbarten Haut senkrecht durchschnitten und durch die Loupe gesehn. Fig. 2. Eine durch einen senkrechten Schnitt getrennte dünne Lamelle einer Verruca vulgaris bei 25facher Vergrösserung. a. der äussere Ueberzug; b. die innere Substanz der Warze; ec. das Corium. Die innere Substanz der Warze geht unmerklich in das Corium über. Fig. 3. Eine ähnliche Lamelle einer andern Warze bei 60facher Vergrösserung. a. der äussere Ueberzug der Warze; b. die innere Substanz derselben; c. der oberste Theil des Coriums, Fig. A. Eine senkrechte Lamelle einer niedrigen Warze bei 60facher Vergrösserung. a. der äussere Ueberzug; b. die innere Sub- Stanz der Warze, in welcher feine vom Corium ausgehende Streifen zu bemerken sind; c. das Corium, Man erkennt die Stelle, wo das Coriom aufhört und die innere Substanz der Warze anfängt. Fig. 5. Eindurch einen Querdurchschnitt getrenntes Stück einer kleinen Warze bei 20lacher Vergrösserung. a. die neben einander liegenden Höcker, von einem dunkeln, durch den äussern Ueberzug gebildeten Rande umgeben; 5. ein Stück der benachbarten Epidermis. Fig. 6. Der obere Theil eines Warzenhöckers mit einem darin befindlichen Blutgefässe bei 90facher Vergrösserung. 184 Fig. 7. Ein Warzenhöcker mit 2 Blutgefässen, die blind zu en- digen scheinen. Fig. 8. a. Die von der Epidermis befreite Spitze einer Hautpa- pille vom Fusse eines Hundes mit einem darin befindlichen Blutge- fässe bei 60facher Vergrösserung. Fig. 8. 5. Dieselbe Hautpapille in einer andern Richtung ge- Pe bei welcher das darin befindliche Blutgefäss blind za endigen scheint. Fig. 9. a u. b. Eine Hautpapille vom Fusse eines Hundes in verschiedenen Richtungen gesehn. Fig. 10. Mit Pigment bedeckte Hautpapillen aus einem Mutter- maal bei 60facher Vergrösserung. a. Epidermis; 5. Rete Malpighii; ce. oberster Theil des Coriums. Fig. 11. Mit Pigment bedeckte Hautpapillen aus einem Leber- fleck bei ungefähr 300facher NE a. Epidermis; 5. Rete Malpighü; c. oberster Theil des Coriums. i Fig. 10. Einzelne Pigmentzellen aus der Haut um die Brustwarze und aus Leberflecken bei ungefähr 300facher Vergrösserung. Ueber künstliche Befruchtungen von Fischen und über einige neue Versuche in Betreff künstlicher Be- fruchtung an Fröschen. Von Dr. Mauro Ruscont, (Vierter Brief an Herrn Professor E. H. Weber.) (Hierzu Taf. V.) Ich schrieb Ihnen früher von den Versuchen, die ich über künstliche Befruchtung an Cyprinus tinca und Cyprinus alburnus unternommen*) und beschrieb Ihnen die Metamorphosen, welche die Fischeier durchlaufen, bevor sie die Form von Embryonen annehmen; ich komme jetzt wieder auf diesen Gegenstand zurück, um Ihnen anzuzeigen, dass, um die Entwicklung der “ Fische zu beobachten, es nicht nöthig ist, sie in Flüssen oder Seen aufzusuchen, wie Herr von Baer und ich es bisher ge- than haben, sondern dass es hinreicht, einen Fischer zu un- terrichten, welcher für Sie die künstliche Befruchtung an eben aus dem Flusse geholten Fischen verrichtet und Ihnen dann die befruchteten Eier bringt. Ich habe mich dieses Weges im vorigen Jahre bedient und denselben sehr zweckmässig be- funden. Da ich wusste, dass die Hechte, bei uns wenigstens, um die Mitte Februars laichen, und dass ihre Eier ziemlich die grössten unter den Eiern von Fischen sind, welche in den *) Bibl. Iual. T, LXXIX. 186 Bächen um unsre Stadt vorkommen, so lehrte ich einen Fi- scher, die künstliche Befruchtung vorzunehmen und trug ihm auf, sie an Hechten zu verrichten. Ich gab ihm zu dem Ende runde Gefässe von Blech, von etwa 1 Fuss Durchmesser, de- ren Boden ich vorher mit einem Blatte blauem Löschpapier bedeckt hatte, und schärfte dem Manne ein, nur wenig, einen Löffel voll, Eier zu befruchten, und sie so anf den Boden des Gefässes auszubreiten, dass sie‘ nirgend auf einander zu liegen kämen. Äm 26. Februar brachte er mir die ersten Eier, nach 2 Tagen eine zweite Schaale voll und so noch 3 Mal, und er würde um des Erwerbes willen auch noch länger fortge- fahren haben, wenn ich ihm nicht bedeutet hätte, aufzuhören. Alle diese Eier entwickelten sich vollkommen, so dass ich ei- nigen meiner Freunde die Evolution der Fische und mittelst eines schönen Plössl’schen Mikroskops den Kreislauf des Blu- ies zeigen konnte. Ueberraschend ist es, dass während bei der Schleie und dem Weissfische nur sehr wenige der be» fruchteten Eier zur Entwickelung kamen, bei'den Hechten da- gegen nur sehr wenige sich nicht entwickelten, obgleich sie während eines Wegs von 4 Miglien, welchen der Fischer zu machen hatte, mehrere kleine Stösse erfahren hatten, da sie nicht, wie die Eier anderer Fische, mit Schleim überzogen sind und daher auch nicht an den Gegenständen ankleben, auf welchen sie liegen. Sie sind vielleicht begierig, den Grund dieser Verschiedenheit zu erfahren. Meine Meinung darüber ist diese: Zuerst muss ich bemerken, dass, wenn es leicht ist, bei Fischen die Befruchtung künstlich zu bewirken und sogar leichter, als bei Fröschen, es doch nicht eben so leicht: ist, ein Weibchen von Fischen zu finden, dessen Eier sämmtlich reif genug sind, um befruchtet zu werden. Gar‘ oft findet man auch zur Laichzeit Weibehen, deren Eier noch nicht reif oder eben ausgeleert sind. Das Ovarium (der Fische ist, näm- lich, wie Ihnen bekannt, meistens in Gestalt eines Sackes ge- bildet, der sich dicht hinter dem After gerade nach: aussen 137 öffnet. Wenn nunmehr die Eier reif sind, so zerreisst das Ovarium und die Eier treten von selbst aus. Mehr als, ein- mal habe ich am Comersee Weissfische zur Laichzeit fangen lassen, welche sogleich in einen Eimer mit Wasser gesetzt wurden und wenn ich, nach Hause zurückgekehrt, die künst- liche Befruchtung vornehmen wollte, so fand ich, dass sie alle ihre Eier verloren hatten, die auf dem Boden des Gefäs- ses angeklebt waren. Man muss also zum Behuf künstlicher Befruchtung Weibchen haben, deren Ovarien von selbst zer- rissen sind und welche doch noch nicht alle Eier verloren ha- ben, was man leicht erkennt, wenn man den Fisch am Kopf fasst und einige Minuten in senkrechter Richtung hält. Wenn bei dieser Position die Eier von selbst vortreten, so hat man ein sicheres Zeichen, dass sie reif und der Befruchtung fähig sind; treten sie aber nicht von selbst aus, muss man, um sie herauszubefördern, auf die Seiten des Unterleibs drücken, so zerreisst man die Ovarien vor der Zeit und läuft Gefahr, lau- ter oder fast lauter unreife Eier zu erhalten, welche nach der Befruchtung sich gar nicht oder nur zum kleinsten Theil ent- wickeln. Als ich zuerst die künstliche Befruchtung an Schleien unternahm, habe ich noch nicht die nöthige Vorsicht gebraucht, daher vielleicht haben sich nur so wenig Eier entwickelt. Doch ich kehre zu den Hechten zurück. Im Laufe meiner Untersuchung fand ich, dass die Eier dieser Fische 30 Stunden nach der Befruchtung sich innerhalb ihrer Hülle umherwälzen. Ihre Rotation ist ziemlich langsam und rührt, ich brauche es Ihnen kaum zu sagen, von Wim- pern her, welche, wie Sharpey*) beobachtete, auf den Thei- len des Körpers sitzen, die gewöhnlich mit Wasser oder mit andern, mehr oder minder flüssigen Medien in Berührung sind: das Merkwürdigste aber, was ich salı, war die Bildung der Haut des künftigen Fisches, welche, wie ich Ihuen früher schrieb, sich zuerst organisirt. *) Cilis, by W. Sharpey. Lond, 1836. 188 Wenn die Metamorphosen durchlaufen sind und der Theil der eignen Haut des Eies (Fig. 1. «), auf welchem die Meta- morphosen erscheinen, glatt geworden ist, ‚so zeigt sich eine leichte, kreisförmige Vertiefung (3), welche eine deutliche Grenze zwischen dem Theil « und dem Theil e der Haut des Eies bildet. Die Grenze ist um so wahrnehmbarer, da der Theil a nach den Metamorphosen etwas dunkel bleibt, während der andere noch seine frühere Durchsichtigkeit behält. Die kreisförmige Einschnürung (5) wird immer tiefer, wodurch 2 kreisförmige Falten entstehn, eine innere (Fig. 2, c) und eine äussere (d); zugleich wird die kleine Extremität des Eies niedriger und stumpfer. Die Falte d (Fig. 3) verlängert sich allmählig nach unten gegen das dicke Ende des Eies, indess die Falte ce in entgegengesetzter Richtung tiefer wird und‘ sich gegen die Längenaxe des Eies zurückzieht. Die Falte d (Fig. 4) steigt immer weiter nach abwärts und endlich so weit und zieht sich so zusammen, dass sie den ganzen Theil e der Eihaut überdeckt, wie Sie es schon auf der Abbildung gesehen haben werden, womit ich meinen dritten Brief beglei- tete. Indess die Falte d’den Theil e allmählich zudeckt, biegt sich auch die Falte c fort und fort nach innen, kömmt der Längenaxe immer näher, ohne sie jedoch zu erreichen, wie dies die Falte d thut. Dadurch wird die eigne Haut des Eies über den ganzen Umfang desselben dreifach, ausgenommen an dem kleinern Ende, welches daher durchsichtiger ist und einen kreisförmigen Raum (% Fig. 4) durchscheinen lässt, der auf den ersten Blick wie eine Höhle aussieht, ähnlich derjeni- gen in alten Eiern, die einen Theil ihres Eiweisses verloren haben. Am entgegengesetzten Ende des Eies ist kein kreisför- miger Raum sichtbar, da, wie gesagt, die Falte d sich bis zur Längenaxe erstreckt. Sie lässt aber doch eine fast un- merkliche Spalte. Diese ist der After, die beiden äussern La- gen der Falten d sind die Haut des künftigen Thiers; die 3te oder innerste Lage wird, wie ich glaube, mit der Zeit zum Darm und der runde Raum (z) zur Rachenhöhle; darüber 189 bin ich indess nicht ganz sicher und es ist nicht meine Ge- wohnheit, Conjeeturen für Thatsachen zu geben. Die Falte d, welche allmählig das ganze Ei umhüllt und zur Haut des Fisches wird, ist das, was von Baer’) den Keim nennt; eine Bezeichnung, die, wie Sie sehen, nicht ganz rich- tig und aus der falschen Vorstellung hervorgegangen ist, dass die Eier der Fische und Frösche denen der Vögel gleichen, und dass die Eier aller Thiere sich auf dieselbe Weise ent- wickeln. Er bemerkte nicht, dassgdie Eier der Frösche, der meisten Fische und auch der Mollusken, wie jüngst von eini- gen französischen Naturforschern bewiesen wurde, nichts sind als Kugeln mit einem flüssigen oder halbflüssigen Inhalt, welche, sobald sie den Einfluss des Samens erfahren haben, sich in das Thier umwandeln. Ich sagte Ihnen schon in meinem’ 3ten Brief, dass ehe der After gebildet ist, d.h. ehe die Falte d das ganze Ei umwach- sen hat, die ersten Rudimente der Wirbelsäule und des Ko- pfes auftreten, weshalb ich, um nicht Ihnen bekannte Dinge zu wiederholen, nur bemerken will, wie falsch der von Eini- gen aufgestellte Satz ist, dass jede Entwickelung immer vom Centrum zur Pheripherie fortschreite und dass die centralen Theile in der Entwickelung immer die ersten seien. Die Un- haltbarkeit dieses Satzes in Bezug auf die Fische und Batra- chier leuchtet ein und obgleich ich dies bereits bewiesen zu haben glaube, so werde ich Ihnen doch noch neue und ent- scheidendere Belege dafür beibringen, wenn ich meine Beob- achtungen über die Entwickelung des gefleckten Erdsala- manders mittheile, worin ich auf unwiderlegliche Weise zu zeigen hoffe, dass selbst der Darmkanal sich von der Peri- pherie gegen das Centrum hin entwickelt. Die jungen Hechte fütterte ich anfangs mit Wasserflöhen, später mit Libellenlarven; über die Gefrässigkeit derselben ge- rieth ich wirklich in Erstaunen. Ich habe den Versuch nicht *) Unters. über die Entwickelungsgesch, d. Fische, Leipz. 1835. p. 9. 190 gemacht, aber ich glaube nicht zu übertreiben, wenn ich sage, dass jeder Hecht täglich soviel an Larven verschlang, als er selber schwer war; da ich zuletzt nicht soviel Futter auftrei- ben konnte, als für alle nöthig war, musste ich alle bis auf zwei wegwerfen. Diese fanden hinreichende Nahrung und wuchsen zusehends, Im Mai aber, als die Luft etwas kühl war, fingen sie an zu leiden. Ich erneute das Wasser täg- lich, doch war dies nicht hinreichend, ich fand sie oft auf der Seite liegend und schnappend am Boden des Gefässes. Durch häufiges Erneuern des Wassers habe ich sie mehrmals zum Leben und zu ihrer frühern Munterkeit zurückgerufen, aber alle meine Sorgen wurden am 4. Juni vereitelt: denn nachdem ich sie ins Leben zurückgebracht hatte, sprangen sie in einem Augenblick, wo ich abwesend war, aus dem Gefäss und starben auf dem Trocknen. Ich konnte mich bei dieser Gelegenheit überzeugen, dass die Hechte, um zu gedeihen, ein immer frisches und fliessendes Wasser brauchen. An dem Tage, wo sie aus dem Gefässe sprangen, waren meine Fische 3 Monate und 6 Tage alt und maassen von der Spitze der Schnautze bis zur Spitze des Schvwanzes 11 Centimeter. Nachdem ich Ihnen nun auseinandergesetzt, was ich an künstlich befruchteten Hechteiern gesehen habe, will ich Ihnen einige Versuche erzählen, die ich mit Eiern des gemeinen Frosches vornahm. Da ich vor längerer Zeit gelesen hatle, dass Pflanzensamen., welche der Action des elektrischen Flui- dums ausgeselzt worden sind, sich rascher entwickeln, so wünschte ich zu wissen, ob die Elektrizität auf Eier von Frö- schen dieselbe Wirkung habe; ich befruchtete daher eine be- stimmte Quantität auf künstlichem Wege und liess auf einen kleinen Theil derselben eine Säule von wenigen Platten wir- ken. Bei der Vergleichung fand ich allerdings, dass die Ent- wiekelung in den galvanisirten Eiern etwas rascher vor sich ging, als in den andern. Bei derselben Gelegenheit machte ich einen Versuch, ob Froscheier in destillirttem Wasser zur Entwickelung kämen und fand, dass der Gang ganz derselbe 191 war, wie in gemeinem Wasser, Indess aus Furcht, nicht alle nöthige Vorsicht angewandt zu haben, will ich diesen Versuch lieberim künftigen Frühling wiederholen und dann zu- gleich ein mit Kohlensäure geschwängertes Wasser anwenden; Und weil ich Ihnen doch einmal von allen physiologischen Versuchen reden will, die ich in der letzten Zeit angestellt habe, so erwähne ich Ihnen auch, dass ich nach Art der Bo- taniker, eine künstliche Bastarderzeugung versucht habe, und zu dem Ende mit dem Samen der braunen Kröte (bufo aqua- ticus, alii redolens Roes.) etwa ein 50 Eier des gemeinen Frosches befruchtete. Der Erfolg war gerade nicht sehr glücklich, indess glaube ich doch, dass es Ihnen nicht unan- genehm sein wird, zu hören, 'was ich dabei beobachtei habe. Es dauerte ziemlich lange, bis sich die also befruchteten Eier mit den braunen Theilen nach oben kehrten, auch tha- ien sie es nicht alle; die Hälfte vielleicht blieb ruhig in ihrer Lage. Ich heftete nun meine Augen auf diejenigen, welche sich umgekehrt hatten und hoffte jeden Augenblick, die ersten Anzeichen einer Umwandlung zu sehn. Dise Erwartung war langweilig, denn schon waren 3 Stunden und mehr seit der Befruchtung verstrichen und noch zeigte sich keine Furche auf dem braunen Theil. Müde des Wartens und in der Meinung; dass die niedre Temparatur des Wassers, 16° R., die Ent- wickelung aufhalte, setzte ich die Eier in die Sonne. Nach einer balben Stunde sah ich einige Veränderungen auf der braunen Fläche, welche mir bewiesen, dass der Same der Kröte mit Hülfe der Sonnenwärme in der Substanz des Eies jene innere Bewegung geweckt hatte, in welcher das organi- sche und eigenthümliche Leben der Eier beruht. In der That erschien bald auf einigen Eiern eine Furche, welche die braune Hemisphäre nicht völlig durchzog, in andern sah ich eine un- regelmässige Furche und hier und da verschiedene Eindrücke, in andern eine und eine halbe Furche (Fig. 5), stali der bei- den, die sich im rechten Winkel schneiden; in andern end- lich zeigten sich auf der braunen Fläche verschiedene breite 192 und unregelmässige Flecken (Fig. 6), so dass sie ganz bunt aussah; kurz, der Same hatte zwar eine Bewegung in den Mo- lekülen der Eier bewirkt, aber diese war grösstentheils abnorm und tumultuarisch, nicht jene langsame und regelmässige Bewe- gung, wodurch sich der Inhalt des Eies erst verdichtei und allmählig körnig wird und wodurch das Ei selbst nach und nach sich zum Thiere umbildet, mit einem Wort, es war nicht jene Bewegung, durch welche das Ei sich animalisirt. Dieser Vorgang, der, wenn auch nicht erwünscht, doch lehrreich war, weil auch er dazu beiträgt, die Unhaltbarkeit der Präformatiostheorie zu zeigen, dauerte etwa 30 Stunden, worauf die Eier weisslich wurden, etwas aufschwollen und starben. Doch hatten nicht alle dies Schicksal; aus jenen Eiern las ich 5 aus, welche alle Stadien einer regelmässigen Entwickelung durchliefen und allmählig die Form von Embryo- nen annahmen. Ich nahm sie aus dem Gefäss, damit sie nicht durch die Fäulniss der andern Schaden litten und setzte sie in anderes Wasser, dessen Temperatur ich vorher zu dem Grade erhöht hatte, welchen das Wasser besass, in dem sie sich vorher befanden. Sie fuhren fort sich zu entwickeln, aber schr langsam und am 7. Tage nach der Befruchtung starben 2, 4 Tage später das dritte und nach ferneren 5 Ta- gen die beiden übrigen. Ich habe diesen Versuch 4 Mal mit ziemlich gleichem Erfolg wiederholt und nie ist es mir gelungen, die Embryo- nen bis zur völligen Entwickelung am Leben zu erhalten. Aber ich muss hier noch einer Schwierigkeit erwähnen, die sich mir bei diesem Versuch entgegenstellte. Der gemeine Frosch beginnt nämlich gegen Ende April sich zu paaren, während die Kröte zu diesem Geschäft schon gegen Mitte März ihre Schlupfwinkel verlässt und die Bäche aufsucht, wes- halb ich die Krötenmännchen im März aus dem Wasser neh- men und bis Ende April aufbewahren musste. Während die- ser Zeit berührten sie die Insekten und Regenwürmer nicht, die ich ihnen zur Nahrung vorlegte, sie magerten bedeutend 193 ab, und was das Schlimmste war, ihre Hoden verkleinerten sich merklich. Vielleicht hatte dieser Umstand einige Schuld am Misslingen der Versuche. Im Falle man sie wiederholen wollte, wäre es daher wohl gerathen, statt der Eier des ge- meinen Frosches Eier von Rana temporaria zu benutzen, da diese sich genau zur nämlichen Zeit paart, wie die braune Kröte. Zu meinem Leidwesen ist diese Froschart, welche bei Ihnen die gemeinste ist, in der Umgegend unserer Stadt er- staunlich selten, weshalb ich den Versuch nicht auf die ge- hörige Weise wiederholen konnte. Um so mehr wünsche ich, dass Sie, da Sie sich in der günstigen Lage befinden, mit Ihrer gewohnten Umsicht und Genauigkeit die Versuche wiederholen und mir Ihre lehrreichen Beobachtungen darüber mittheilen möchten. Mäller's Archir. 4840. 13 Zur Entwickelung der Gewebe des Muskel-, des Blutgefäss- und des Nervensystems. Von G. VaLEnTım. a Da selbst die neuesten Untersuchungen über die Entstehung der in der Ueberschrift genannten Gewebe noch mehrere aus- zufüllende Lücken, vorzüglich in Betreff der Specialverände- rungen der anfänglichen Zellen und der Mittelstadien übrig lassen, so hielt ich es für nicht unzweckmässig, eine erneuerte Reihe von Beobachtungen vorzunehmen. Wenn durch diesen Versuch auch nur Weniges ausgefüllt wird, so dürfte er doch geeignet sein, einige neue Punkte in die Wissenschaft ein- zuführen. Alle hier verzeichneten Beobachtungen sind an Fötus der Wiederkäuer, vorzüglich des Rindes und des Schaafes, ange- stellt. Die Früchte wurden so früh als möglich, bisweilen noch warm, untersucht. Um die so höchst zarten Verhält- nisse der frühesten Entwickelungsstadien rein und klar wahr- zunehmen, ist die Oeffnung des dem Gebiete der Fäulniss noch nicht im Entferntesten anheimgefallenen Leichnams durch- aus erforderlich. Schon bei den Geweben des Erwachsenen ist in Betreff der Lebendigkeit der Farben und der Schärfe der Formen ein sehr grosser Unterschied zwischen frischen und vor einiger Zeit abgestorbenen Theilen. Die zarten, wie hingehauchten ursprünglichen Zellenbegrenzungen, die ersten Ablagerungen in, an und zwischen ihnen vergehen oder trüben 195 sich oft an einzelnen Stellen, wenn die unbewaffneten Sinne noch Alles für frisch, und seinen Gestalten nach dem leben- den Zustande entsprechend halten. Statt vollständiger Zellen finden sich dann nur noch Kerne, statt erfreuender pracht- voller Durchsichtigkeit Trübung, statt zierlicher regulärer An- einanderlage zufällige unregelmässige Zusammenhäufung. Und wenn auch diese Zerstörung nicht alle Elementartheile eines Ötückes zugleich trifit, wenn sich, wie man täglich wahrneh- men kann, selbst in faulenden Theilen noch einzelne Zellen erkennen lassen, so ist doch dann die Anschauung des Total- bildes eine Unmöglichkeit geworden. Sucht man nun aber an ganz frischen Embryonen Beleh- rung, so beginnt eine Reihe neuer Schwierigkeiten. Die al- lererste Anlage einer Muskelfaser, eines Nerven u. dgl. liegt in dem zähen Blasteme, welches keine scharfe Isolirung zu- lässt und durch seine Menge von Körnern und Kernen und seinen geringern Grad von Daurchsichtigkeit so leicht stört, verhüllt. Die höchst zarten ursprünglichen Elementartheile sind bei der geringsten Unvorsichtigkeit zerdrückt, und wenn sie auf dem ersten Zellenstadium sich befinden, bis auf ihre Kerne spurlos vernichtet*). Fast alle gewöhnlichen Befeuch- tungsmittel rufen hier Veränderungen hervor, welche entwe- der die Nothwendigkeit ihrer Ausschliessung bedingen oder gekannt sein müssen, um nicht zu Irrthümern zu verleiten. Nächst den für die frühesten Stadien gar nicht in Anwen- dung zu ziehenden verdünnten Säuren und Alkalien ist vor Allem vor dem reinen destillirten oder mit Salzen, wie Koch- salz, schwefelsaurem Natron u. dgl. gesättigten Wasser zu warnen. Im Anfange nämlich haben die ursprünglichen Zellen *) Für die Behandlung dieser zarten Gegenstände kann ich zwei Dinge empfehlen: 1) das Compressorium mit einer gut gehenden Stellschraube, und 2) sehr dünne Glasplättchen oder kleine Frag- mente derselben. Sehr gute Scheibchen der Art liefert Here Mecha- nieus Chevalier in Paris, nur zu etwas allzutheurem Preise (das Dutzend zu drei französischen Franken). 43° 196 die Eigenschaft, sobald siemit'Wasser in Berührung kommen, dasselbe‘ rasch einzusaugen, zu bersten. und nichts weiter ‚als den Kern übrig zu lassen. Selbst viele spätere Stadien :be- sitzen noch dieselbe Empfindlichkeit: wenn längst: die Zellen der Adergeflechte des Gehirnes die lebhafteste Flimmerbewe- wegung besitzen, und in prächtvoller. Nebeneinanderlage ‚die regulärste Reihe bilden, so reichen noch ein: Wassertröpfehen und wenige Secunden hin, um Alles zu vernichten und nur eine Menge von Kernen, welche bei ihrer zerworfenen Lage kaum als Trümmer des früheren schönen Lebensbildes erschei- nen, übrig zu lassen. Oft reicht die Untersuchung des unter dem Compresso- rium behandelten oder durch ein dünnes Glasplätichen ge- pressien, mit keiner Flüssigkeit ferner befeuchtelen Präparates hin, um’ ein genügendes Bild zu erhalten. Oefter dagegen wird die Befeuchtung mit heterogenen Flüssigkeiten durchaus unerlässlich. Blutserum *) erfüllt oft sehr gut diesen Zweck; *) Auch zu pathologischer Untersuchung ist es nicht genug an- zuempfehlen. In dem Blute z. B., welches bei Eutzündungen der Lungen, der Unterleibsorgane u. dergl. aus der Ader entfernt wor- den, oder in Pferden mit Vereiterung der Kehldrüsen vorgefunden wird, findet sich häußg eine Art von Zellen, welche sonst nur sehr schwer wahrgenommen wird, welche in dem unverdünnten Blute we- gen der zu grossen Menge von Blutkörperchen dem Blicke grössten- theils entgeht, bei Verdünnung wit Serum und Anwendung von Be- schrattung und Lampenlicht aber sogleich erscheint. Die Kerne der- selben haben in ihren Formen mit denen der Blutkörperchen manche bedeutende Aebnlichkeit. Um den centralen Kern liegt eine helle durchsichtige kugelige Zelle mit höchst zarter Wandung. Diese Ge- bilde scheinen mir durchaus eigenthümlich zu sein, weichen wenig- stens sehr von den Körperchen ab, welche in den Blutgefässen local entzündeter Stellen sich zeigen, und sind bei entzündlichen Affeetionen im ganzen: kreisenden Blute verbreitet, da sie in dem Venaesections- blute vorkommen. ‚Die zarten Zellen, welche bei beginnender Heilung durch Narbenfaserbildung die Exsudatkörperchen umgeben, werden ebenfalls unter Serum geschen, während sie durch \Vasser sogleich bersten und man sich sehr glücklich preisen kann, wenn man noch das Rucken des Kernes wahrnimmt u. dgl. m, 197 weniger leisten thierische Felle und Oele. Noch so reines lain von Hunden 'z. B. ruft bisweilen Zerstörung der Zel- len hervor, und geschieht dieses nicht, so ist doch die Diffe- renz der Lichtbrechung' so gering, dass beslimmt existirende zarte Zellen bei keiner Art von Vergrösserung und Beleuch- {ung wahrgenommen werden können. Mehr schon leisten pflanzliche Oele, wie z..B. sehr feines Olivenöl, und vor allem Süssmandelöl.‘ Die Zellen werden deutlicher. Ja nach seiner Anwendung, so wie nach der von feinem, reinen Ko- palfirmiss werden Zellen an Orten, wo sie früher bei allen ver- schiedenen Methoden nicht ‚sichtbar waren, an einzelnen Stel- len: so,klar, dass man versucht wird zu glauben, sie hätlen sich um den schon früher vorhanden gewesenen soliden Kern durch‘ das sangewendete' Reagens erst gebildet. Dessenunge- achtet kann ich trotz sehr vieler Proben kein Reagens für die Wahrnehmung der frühesten Zellenbildung empfehlen, sondern nur rathen, zunächst ein gar nicht weiter. befeuchtetes, höchst leise und vorsichtig comprimirtes Präparat bei Tages- und bei Lampenlicht unter verschiedenen Beschattungen zu betrachten, und dann zuerst Blutserum oder Süssmandelöl oder feinen Ko- palfivniss zu versuchen. Reichen diese Mittel nicht aus, so wird man durch die anderen selten bessere Belehrung erhal- ten. Vor Wasser- und Salzlösungen aber kann ich nicht ge- nug warnen, da ihre Anwendung, ‘wie ich aus eigener Er- fahrung nur zu gut weiss, tagelange Studien vollkommen un- nütz 'macht. Bei den secundären Metamorphosenstadien der Zellen der Muskelfasern, der Nervenfasern u. dgl- schadet Wasser weni- ger. Die schon minder zarten Gebilde leisten. ihm Wider- stand genug, um nicht in ihren Formen verändert zu werden. Nur tritt oft statt der früheren glasarligen Durchsichligkeit eine mehr oder minder opalartige Trübung ein. Zu dieser Zeit werden auch Säuren und Alkalien, vorzüglich Essigsäure und verdünntes kaustisches Kali oft mit Nutzen zu Rathe gezogen. 198 Eine eigene Rolle spielt bei diesen Untersuchungen der verdünnte Weingeist und der Alkohol. Dass ein Fötus, wel- cher früher in Weingeist gelegen, zu Beobachtungen über ‚die feineren Stadien der Gewebeentwickelung nicht zu gebrauchen sei, versteht sich von selbst, Bei ganz frischen Präparaten dagegen kann man sich oft des Alkohols mit sehr vielem Vor- theile bedienen. Ueberall nämlich, oder wenigstens sehr oft, scheint die ursprüngliche Zelle in ihrem um den Kern herum- gegossenen durchsichtigen flüssigen Inhalte Eiweiss ‚chemisch aufgelöst zu enthalten, ‘Die Berührung mit Weingeist' macht dasselbe gerinnen, ruft so eine milchigte Trübung "hervor, ‘und lässt die früher minder kenntlichen Zellen deutlicher und schärfer hervortreten. Doch dauert meistentheils das genügend scharfe Bild nur sehr kurze Zeit, da die Trübung bald stär- ker wird, und in dem ganzen Objecte überhand: nimmt, so dass die genaue Unterscheidung untergeordneter Details nicht mehr möglich wird. Auch für die Bestimmung zarter Abla- gerungen, vorzüglich an den Zellenwänden und zwischen den Zellen, leistet diese Anwendüng des Alkohols oft gute Dienste. Schwefel- und Essigäther sind im Ganzen weit minder vor- theilhaft. Wer daher auch diese Gegenstände aus eigener An- schanung noch nicht kennt, den dürfte es nach den voraus- geschickten Bemerkungen nicht wundern, wenn noch viele Lücken der Beobachtung übrig bleiben. Dies ist überdies um so mehr der Fall, eine je grössere Zahl von Punkten mit 'un- seren gegenwärtigen besten Mikroskopen ihrer Kleinheit und Feinheit wegen nicht hinreichend speciell und sicher verfolgt werden kann. In dem Blastema der Muskeln nimmt man zuerst inner- halb der gallerligen Grundmasse runde bis rundliche Kerne, welche sich bald mit durchsichtigen, höchst zarten und schwer sichtbaren, durch Einwirkung des Wassers leicht berstenden 199 Zellen umgeben, wahr. Der in seinem Innern ein bis zwei Kernkörperchen enthaltende Kern nimmt einen verhältniss- mässig sehr grossen Raum der Höhlung der Zelle ein. Diese letztere vergrössert sich im Ganzen zwar nicht sehr bedeutend, wird aber etwas länglich. So veränderte benachbarte Zellen stellen sich gleich: den einzelnen Zellen eines Confervenfadens über einander. Hierbei wird der Kern schon etwas heller. Mehr oder minder concentrisch um ihn lagern sich indem übrigen Zelleninhalte isolirte runde Körnchen ab. An den bisher feinen Zellenwandungen zeigt sich eine glashelle, aus sehr dünnen longitudinalen Fäden bestehende Masse. Diese Ablagerungssubstanz wird zuerst vorzüglich an den Seiten- wänden der Zelle wahrgenommen, während die queren Scheide- oder die Zwischenwände zwar sich zuerst ebenfalls etwas verdicken, doelı bedeutend weniger, als dieses am Anfange der Verdickungsbildung an den Seitenwandungen geschieht, an Stärke zunehmen *). Auch werden die Zwischenwandungen, iodem sich wahrscheinlich das erste Moment ihres Resorptions- processes einleitet, bald wiederum dünner. Jetzt zeigt sich jede Muskelfaser als ein verhältnissmässig ziemlich breiter ey- lindrischer bis platt cylindrischer Körper, welcher an seiner Peripherie oder den verdickten Wandungen durchsichtige glas- helle Längsfäden darbielet, in seinem Innern aber die Zellen- abtheilung nach Art eines Confervenfadens zwar noch erkennen lässt, doch schon minder deutlich vorführt, weil die Zwi- *) Aus diesem Grunde scheinen dann auch die Zellen länglicher zu sein, als sie es in der That sind. Da man nämlich die der Länge nach daliegende embryonale Muskelfaser durch das Mikroskop aus der Vogelperspective sieht, so erscheinen zu beiden Seiten die breiteren Bänder der verdiekten Seitenwände, und zwischen ihnen die schma- leren Zelleoräume durch die minder verdickten Zwischenwände von einander geschieden. Lässt man sich daher von dem ersten Ein- drucke, der bei der Glashelligkeit der Wandungen von dem noch durehsichtigeren Zelleninhalte allein bestimmt wird, leiten, so wird man die Zellen für länglicher halten, als sie es in der That sind. 200 schenwandungen dünn und durchsichtig, die Zellenkerne' da- gegen ziemlich gross sind und von zahlreichen Körnchen, die, wie schon bemerkt, dem übrigen Zelleninhalte angehören, und deren Menge etwas zugenommen zu haben scheint, umgeben werden. In diesem Entwickelungsstadium betrug z. B. die mittlere Breite einer Muskelfaser aus dem Untergräthenmuskel eines 34 Zoll langen Rindsfötus 0,000600 P. Z.; die Dicke der peripherischen, die glashellen Längsfäden enthaltenden Sei- tenwandung 0.000170 P. Z.; die Höhlung der Faser 0,000250 P..Z. (der Berechnung nach 0,000260 P. Z.); die Länge der einzelnen übereinandergestellten Zellen 0,000510 P. Z.; die Breite‘'des Kernes 0,000210 P. Z., die des’ Kernkörperchens ungefähr 0,000050 P.Z. Schon in diesem Zustande, wo noch alle Querstreifen fehlen, zeigen einzelne Muskelfasern an ihrem peripherischen Theile bisweilen Einschnürungen, ‘welche den Zwischenwänden der übereinander stehenden Zellen mehr oder minder, bisweilen sogar recht genau entsprechen. Dann wer- den die Zwischenräume noch dünner, heller und durchsichti- ger, so dass man sie oft im frischen Zustande gar: nicht wahr- nimmt, ‚sie aber sogleich erkennt, wenn mandurch Applica- tion'»von Essigsäure den äusseren peripherischen Theil der Muskelfäser durchsichtiger gemacht hat. Dieses Mittel‘ wird bald darauf, wenn:die Scheidewände noch durchsichtiger wer- den und nach’ und nach ganz schwinden, noch nothwendiger: Man sielit dann das dünne: Septum, wenn es'noch existirt, in Form einer Querlinie oder, wie dieses auch bei manchen For- men des Pflanzenzellgewebes der Fall ist, als eine in der Höh- lung des Rohres ausgespannte ringartige Haut. .Von diesen letzten Ueberresten ‚der Zwischenwände. sind andere Querli- nien, welche. ‚wahrscheinlich erst secundär durch Einwirkung des Wassers und der Essigsäure entstehen, wohl zu unter- scheiden. Gehen sie (in der Vogelperspeetive gesehen) quer oder etwas schief über den Kern hinweg, so erscheint natür- lich ihre Deutung als Zwischenwände sogleich unannehmbar. Auf gleiche Art ist keine Täuschung möglich, wenn eine dun- 201 kele Linie durch ‘die Substanz des Kernes selbst verläuft. Denn dieser berstet bisweilen, obgleich selten nach Einwir- kung verdünnter Essigsäure durch einen Querriss in zwei Halbkugeln, oder ‚durch mehrere Einrisse in mehrere 'Frag- mente. : Oft dagegen wird die Entscheidung sehr erschwert oder gar unmöglich gemacht, wenn die Querlinie indem Zwi- schenraume zwischen den Kernen hinübergeht. ‘Am meisten hilft ‘noeh eine, sehr genaue Einstellung des Focus: bei, sehr starker: Vergrösserung aus. Endlich verliert: sich alle Spur der Zwischenwände. Die Muskelfaser bildet ein fortlaufendes Rohr, dessen verhältnissmässigdieke Wandungen aus longi- tudinalen 'glashellen Fäden‘ bestehen, 'und in dessen Höhlung die Kerne der früheren Zellen enthalten sind. Nucleus und Zelleninhält: haben 'indess wesentliche Ver- änderungen erlitten. Die Körnchen des letzteren, welche pe- ripherisch um. den Kern gelagert waren, sind nach'und nach heller geworden und fehlen zuletzt an einzelnen Stellen: gänz- lich, während, sie an anderen sich heller zeigen, isolirt liegen und erst bei: Beschattung vollkommen zur Anschauung kom- men. Auch der Nucleus hat an Helligkeit zugenommen, ‚ob- gleich er. noechi bald nach der’ Epoche des »Schwindens der Zwischenwände noch kleinere Körnchen in sich führt und bei slärkeren Vergrösserungen: des; Mikroskopes röthlich' bis rölh- lichgrau und nicht milehglasarlig oder glashell’erscheint. ‚Seine Contouren sind meist rund oder rundlich, bisweilen aber auch Jänglich. In letzterem Falle liegt: sein grösster‘ Durchmesser entweder in der Längen- oder in der Queraxe der Muskel- faser. Doch scheint das: erstere, häußger als das lelztere slalt zu finden. Bei stärkerer Vergrösserung zeigt seine Wandung doppelte Contouren, so dass sie dann als von dem übrigen Inhalte geschieden anzusehen ist. Bei Bewegungen der Mus- kelfaser oder des Kernes zeigen die in dem letzteren enthal- tenen Körnchen keine Ortsveränderungen, so dass sie enlwe- der an der Innenfläche der Wand des Nucleus angewachsen 202 oder wenigstens nicht locker in dem Inhalte desselben ent- halten‘ sind. Nach dem Schwinden der Zwischenwände oder bisweilen noch etwas früher, vermehrt sich, wie es; scheint, die periphe- rische glashelle, aus Längsfäden bestehende Substanz nach in- nen zu; wenigstens sieht man oft, wie der Innenraum des Rohres oder der: Zelle sich um den Kern etwas erweitert, und dann über und unter ihm sich wieder etwas verengert, so dass also die Breite der Höhlung jetzt kleiner als die des Kernes, also etwas geringer als früher, geworden ist, ‘da die Breite des Nucleus der Höhlung nur fast gleichkam. Ehe nun die‘ Querstreifen erscheinen, bilden die Muskel- fasern ceylindrische, oft etwas platte Röhren, an deren Wan- dung die Längsfäden oder vielmehr die Längsfaserung auffal- lend deutlich ist und sehr hervortritt. Diese Längsfäden ha- ben bisweilen ein granulirtes Aussehen, als wenn sie der Länge nach aufeinanderfolgende Knötchen oder Kügelchen besässen, doch ist die Isolirtheit der letzteren weder durch Druck, noch durch ‚chemische Reagentien mit Bestimmiheit nachzuweisen. In der Höhle der Muskelfaser liegen Nuclei, welche häufig länglichrund sind, eine deutliche Wandung haben, mehrere runde Körnchen in ihrem Inhalte führen und bisweilen ab- wechselnd etwas mehr nach der einen und dann nach der anderen Seite gerichtet sind. Von Zwischenwänden ist nichts mehr wahrzunehmen. Dagegen reissen die Kerne durch Es- sigsäure, ‘welche den peripherischen Theil durchsiehtig macht und nach und nach gänzlich aufzulösen scheint, noch häufig quer oder schief, so dass hierdurch nicht selten ein Bild ent- steht, als wenn zwei Nuclei mit einander zugekehrten abge- platteten Flächen dicht bei einander lägen. Ausser den Ker- nen finden sich im Innern des Rohres nur seltener noch ein- zelne Körnchen. ‘Dass aber ein eiweissartiges Contentum die Höhlung noch ausfülle, lehrt der Umstand, dass nach Behand- lung mit Platinchlorid oft noch zwischen den Nucleis ein kör- niges Wesen zum Vorschein kommt. Aeusserlich zeigt sich 203 bisweilen noch ein Niederschlag kleiner runder Körnchen. Diese dürften jedoch ein künstliches Nebenproduet sein und scheinen mit dem Anfange der Fäuluiss in Zusammenhang zu stehen. -- Wenigstens vermisst man sie selbst 24 Stunden nach dem Tode und'selbst später an vielen Muskelfasern, während sie "an anderen: Fasern ‘oft desselben Schnittes: in auffallend reichlicher Menge vörhanden sind. In diesem Stadium beträgt (aus dem Gesässmuskel ‚eines 34 Zoll langen Rindsfötus) die mittlere Dicke der Muskelfaser 0,000630 P. Z., die der Wan- dung 0.000180 P. Z-, die Breite der Höhlung 0,000260 (be- rechnet 0,000270 P. Z.), ‘die des Kernes 0,000250 P. Z., die Länge des letzteren 0,000340, und die Grösse der in ihm ent- haltenen Körnchen tngefähr 0,000040 P. Z. Wenn noch an den Muskelfasern die Zwischenwände vollständig existiren oder im Schwinden begriffen sind, sieht man an’ den ersteren oft Furchen oder Einknickungen, die sich iheils an den Stellen der Zwischenwände, also zwischen zwei primären Zellen, theils an anderen Punkten befinden. Die zwischen mehreren aufeinanderfolgenden Einkerbungen sich erhebenden Theile erzeugen hierbei nicht selten wellen- förmige Ränder der Faser. Dass diese mit der Bildung der Querstreifen in Beziehung stehen, scheint mir noch sehr zwei- felhaft. Denn: oft, besonders wenn der Embryo 24 Stunden gelegen, fehlen sie gerade in den der Querstreifung unmiltel- bar vorhergehenden Stadien gänzlich. ‘Oft kann man sie so- gar in ganz frischen Embryonen nicht wahrnehmen. Dagegen stehen‘ sie wahrscheinlich, ‘gleich den Einknickungen in den ausgebildeten Muskelfasern, ‘mit der Verkürzungsfähigkeit: (rac- coureissement) in Zusammenhang. Daher ihr. Fehlen in man- chen Embryonen, wie es scheint, von vorn herein, in den meisten aber einige Zeit nach dem Tode. Nach dem oben zuletzt geschilderten Stadium der Ent- wickelung der Muskelfaser erscheint die Querstreifung ziem- lieh plötzlich und erlangt rasch ihre Vollkommenheit. Die zu dieser letzteren hinüberführenden Mittelstadien lassen sich 204 an-einzelnen Fasern ziemlich vollständig beobachten, ‘Hierzu sind die Extremitäten von 5—6 Zoll we a Rindsfötus sehr geeignet. Es wurde schon bemerkt, dass in dem zuletzt erwähnten Stadium die Längsstreifen des peripherischen Theiles der Mus- kelfaser wie: aus longitudinalen Kügelchenreihen zusammenge- setzt zu sein schienen. Jetzt tritt dieses Ansehen noch mehr, und ‘zwar vorzugsweise, wie es scheint, an: einzelnen, sich besonders erhebenden Längsfäden der Faser, hervor. Ist die Zahl derselben bedeutender geworden, so sieht man dunklere Punkte und Linien,’ welche in leicht erkennbaren, ja’ verhält- nissmässig grossen Distanzen in schiefen regulären Linien auf der Fläche der Muskelfaser hinabsteigen. Mit’ einem Worte es zeigen sich Muskelfasern, denen der eigenthümliche Typus der späteren Querstreifung noch abgeht, ‚die aber ganz dasselbe Aussehen haben, "wie die quergestreiften Muskelfasern der Cirr- hipeden und: der’ Fische, besonders wenn sie einige Zeit in Weingeist glegen haben. Später erst werden die.Querstreifen enger und‘ gehen in weniger steilen und: weniger: eingeknick- ten, sondern mehr gebogenen, wellenförmigen Linien um die Muskelfaser herum. Aus welchen Gründen diese Veränderung hervorgehe, habe ich‘ bis jetzt durch Beobachtung noch nicht ermitteln können. Man kann'sich am füglichsten denken, dass durch das später bedeutendere Breiterwerden der Muskelfaser diese Verschiebung der Querstreifen hervorgerufen werde. Wie bei den ausgebildeten Muskelfasern erscheinen ‘auch hier dann einerseits solche, welche bei der Maceration anihren Fäden die dunkeln longitudinellen. Pünktchen darbieten, an- dererseits solche, deren Fäden vollkommen cylindrisch sind'und an denen keine Spur gröberer oder feinerer Qucrstreifung wahrgenommen werden kann. Während sich‘ nun aber so die Querstreifen ausbilden, gehen die in der Möhlung der Muskelfaser befindlichen Kerne nach und nach gänzlich zu Grunde. Ihre inneren Körnchen werden resorbirt. Sie selbst werden. heller. und: milchweiss 205 durchsichtig, so dass sie den oft'in den Flimmereylindern wahrnehmbaren hellen Kernen °) ähnlich werden, und schwin- den zuletzt vollkommen. Mit diesem'Schwinden der Nuclei, mit der Bildung der Längsfäden des peripherischen Theiles und mit der Vollendung der: Querstreifenformation hat die Muskelfaser: ihre: wesentlichen Elementartheile des ausgebilde- ten Zustandes erlangt.‘ In ihrer Höhle scheint aber ebenfalls nach dem Schwinden der Kerne noch eine Veränderung vor- gegangen zu sein. Denn um diese Zeit scheint Platinchlorid keine körnige Masse mehr in: ihr niederzuschlagen, wiewohl ein ganz sicherer Entscheid wegen (der Dicke des peripheri- schen Theiles in dieser Beziehung: unmöglich wird. Wir sehen also, dass zur Bildung ‚der Muskelfäsern die um die Kerne gebildeten sehr zarten Zellen sich longitudinell nach Art eines Confervenfadens: aneinanderreihen. In dem Inhalte setzen sich mehr oder minder concentrisch um den Nucleus rundliche Körnchen ab. An den Seitenwänden rings herum erscheint eine glashelle Masse, welche frühzeitig longi- tudinelle Fäden, die Muskelfäden, bildet. : Die Zwischenwände werden zuerst ebenfalls etwas dicker, verdünnen sich aber dann bald und werden hierauf nach und nach gänzlich resor- birt, so dass also eine mit einer ununterbrochenen Central- *) Bekamntlich treten, wenn sich durch Einwirkung des Wassers die Flimmerhaare abgestreift haben, und wahrscheinlich die ‚obere freie Wand des Cylinders geborsten ist, diese Kerne als glashelle Kugeln heryor, und bleiben oft reihenweise an dem Flimmerrande haften. Auch an den Flimmercylindern werden übrigens diese Kerne erst durch spätere Entwickelung so glashell, während sich an den Wänden des Cylinders die feinen Längsstreifen ausbilden. Uebrigens scheint es, nach den Kernen wenigstens zu schliessen, als ob Flim- mereylinder auch durch Verschmelzung zweier übereinander stehender Zellen und Schwinden der Zwischenwände entständen. : Wenigstens erscheinen oft in einem und demselben Cylinder zwei Kerne über- einander oder einander zum Theil deckend, oder es liegt noch in der Tiefe der Höhlung des Cylinders ein Kern, während ein anderer schon über die Oberfläche hervorgetreten ist. 206 höhlung versehene Muskelfaser‘ entsteht. Die in dieser Höh- lung, befindliche Flüssigkeit verliert wahrscheinlich ihren Ei- weissgehalt nach und nach gänzlich. Die Körnchen, welclie den: Kern umgeben haben, schwinden allmählig. Doch bleibt ein Theil derselben bis kurz vor der Bildung der Querstreifen zurück, beueckt zu dieser Zeit oft in Form zerstreuter Kügel- chen zum Theil den Kern, schwindet aber später ebenfalls gänzlich. Die Nuclei selbst, welche nach der Resorption der Zwischenwände eine gesonderte Wandung und in ihrem In- nern Körnchen zeigen, werden oft länglich und stellen sich bisweilen alternirend, wiewohl ihre ohne äussere mechanische Einwirkung sehr geringe Beweglichkeit in dem sie etwas an Grösse übertreffenden Höhlenraume darauf hindeutet, dass sie in diesem innerhalb einer eiweissartigen Flüssigkeit enthalten seien — ein Umstand, welcher durch die Reaction des Pla- tinchlorides unterstützt wird. Später jedoch ist dieses nicht der Fall. Man nimmt Localveränderungen der Kerne wahr, sieht bisweilen mehrere dicht über einander liegen, einzelne aus dem Muskelfaserrohre herausfallen oder zur Hälfte aus der offenen Mündung desselben heraustreten u. dgl., sobald das Präparat heftig gerüttelt worden. Immer werden die Kerne nach und nach blasser, verlieren ihre inneren Körnchen, er- halten ein milchglasartiges helles Ansehen, werden weich, sind aber dann, wie es scheint, ziemlich elastisch und schwinden zuletzt gänzlich. Ehe. noch dieses geschieht, bieten schon ein- zelne Fäden des glashellen peripherischen Theiles der Faser den Schein longitudinell rosenkranzartig aneinander gereihter Kügelchen dar. Bald darauf erscheinen Querstreifen zuerst niederer, dann höherer Ausbildung. Vor diesen aber zeigen sich an einzelnen Stellen der Fasern stellenweise Einbiegungen höchst wahrscheinlich die ersten Anfänge der später in Folge der lebendigen Muskelverkürzung entstehenden knieförmigen Biegungen. Noch ist es nothwendig, so genau als möglich zu. bestim- men, wie sich die entstehenden glashellen Muskelfäden zu den 207 Seitenwandungen der primären Zellen verhalten, ob sie anf ihrer Innenfläche, gleich den Verholzungsschichten der pflanz- lichen Gewebe, oder nach aussen von ihnen 'in Form’ einer eigenthümlich begrenzten und den longitudinell aufgereihten Zellen folgenden Intercellularsubstanz entstehen. Schwann entscheidet sich für das erstere, da er an Muskelfasern von Insecten eine die Fäden umgebende structurlose Hülle wahr- genommen. Etwas Aehnliches habe ich auch an Embryonal- muskelfasern des Rindes gesehen. Presste ich dieselben vor- sichtig durch das Compressorium, so sah ich bisweilen nach gelungener Abstreifung des bald zu erwähnenden fadig aufge- reihten Epitheliums eine dünne, sehr durchsichtige, und wie es bei stärkster Vergrösserung erschien, fein granulirte Haut, welche die äussersten Muskelfälen umgab. Dass also eine Scheide der Art existire, scheint mir keinem Zweifel unter- worfen werden zu können. Ob aber‘ diese die wahre primäre Zellmembran ‘der primären Zelle sei oder nicht, lässt sich nicht mit Bestimmtheit entscheiden, da sich mit eben so viel Grund denken liesse, dass auch bei den Muskelfasern ein analoger Process, wie wir ihn bald aus den Ganglienkugeln und dem Eie erörtern werden, vor sich ginge, dass sich nämlich nach aussen von den Seitenwandungen der primären Zellen der glas- helle Stoff für die Muskelfäden anlegte, und dass dann um diesen eine neue einfache Hülle entstände. Ob aber der blei- bende hohle Innenraum der Muskelfaser mit einer dünnen Haut bleibend oder transitorisch bekleidet werde, dürfte durch Er- fahrung kaum zu entscheiden sein. Welche von beiden Vor- stellungsarten man aber auch annehme, so fände sich immer nur eine bedingte, anfängliche Pflanzenähnlichkeit und eine spätere, besondere Thiereigenthümliehkeit. Sieht man die die Muskelfaser umgebende structurlose Hülle als die longitudinal verschmolzenen Seitenwandungen der einzelnen primären Zel- len an, so ständen, wie Schwann schon richtig bemerkte, die glashellen Muskelfäden den eontinuirlichen Verholzungsbil- dungen der Bastzellen parallel. Allein abgesehen davon, dass 208 es in der Phytotomie trotz den Erfahrungen von Meyen, welche dafür zu sprechen: scheinen, doch noch’ nicht mit aller Bestimmtheit 'entschieden ist, ob die Baströhren durch Schwin- den der Zwischenwände übereinander gestellter primärer Zel- len: oder durch Verlängerung dieser letzteren entstehen, würde immer als ein sehr wesentlicher ‚Unterschied übrig bleiben, dass die Verholzungsfasern der-Baströhren strahlig und oft in abwechselnd: entgegengesetzt gerichteten einander kreuzenden Linien verlaufen, während die Muskelfäden in geraden, einan- der entsprechenden Direclionen emporsteigen. Die nachfol- genden Querstreifen gehen‘ zwar spiralig um das Muskelrohr herum, allein eine Kreuzung, wie wir an den Verholzungs- fäden der continuirlichen Verholzung der Pflanzen so oft sehen, ist hier nicht nachzuweisen. Nimmt man die zweite Hypo- ihese an, dass der glashelle Stoff der Muskelfäden sich um die primären Zellen bilde, und dass dann um diesen die structur- lose Haut sich. wie eine neue Zellenwandung um eine Zelle bilde, dass also die Circumpositionssubstanz von einer neuen einfachen Wandung umgeben würde, so hätte dieses eine theil- weise Analogie mit den Belegungskugeln für sich. Ich sage theilweise, weil dann immer noch der Unterschied bestände, dass bei den Belegungskugeln und dem Eie in der Regel die Circumpositionssubstanz einer Zelle von ihrer eigenen structur- losen Haut umschlossen, dass aber bei den Muskelfasern die verschmolzene Circumpositionssubstanz vieler longitudinal auf- gereihten Zellen von ihrer einzigen structurlosen Membran um- geben würde, Ob auch dieser Fall seine Aehnlichkeit im Pflan- zenreiche hätte oder nicht, liesse sich nach unseren gegen- wärtigen phytotomischen Kenntnissen noch nicht entscheiden. Die Verhältnisse der Zwischenwände und des Kernes vermö- gen weder für die eine noch für die andere Hypothese zu zeugen. Dass die Zwischenwände sich zuerst verdickt zeigen und dann schwinden, könnte entweder so angesehen werden, dass, wie dieses auch im Pflanzenreiche vorkommt, verdickte Zwischenwände später theilweise oder gänzlich resorbirt wer- 209 den, dass, wie dieses auch im Pflanzenreiche vorkommt, ver- diekte Zwischenwände später theilweise oder gänzlich resor- birt werden oder dass zwischen den beiden Zwischenwänden zweier über einander liegenden Zellen Intercellular- oder Cir- eumpositionssubstanz sich ablagerte und dann mit den Zwi- schenwänden auf Kosten der Seitenwände und ihrer Circum- positionsmasse resorbirt werde. Dass der Kern nach und nach heller und aufgesogen werde und endlich ganz schwinde, kommt eben so gut bei den Verholzungsbildungen im Pilan- zen- und Thierreiche, als bei dem Eie (nach der Befruchtung oder bei angeregter Befruchtung) vor. Kurz älle bisher be- kannten Verhältnisse deuten darauf hin, dass eine sichere Ent- scheidung; ob (was mir individuell ebenfalls viel wahrschein- licher zu sein scheint) die Ablagerung der Muskelfäden als in- nere Verholzungsbildung oder ob sie als äussere Cireumpog- tionsbildung der primären Zellen anzusehen sei, gegenwärtig noch nicht möglich ist. Wie man aber auch dieses auffasse, so ist so viel gewiss, dass durch die Eigenthümlichkeit der Querstreifung, durch das Contraetionsyermögen und durch die vermöge der Verkürzung entstehenden Einkniekungen bald die besondere thierische Natur dieser Gebilde die frühere formelle Pflanzenälinlichkeit bedeutend überwinde. Da nach dem Gesetze der isolirten Entstehung der Ge- webtheile die Muskelfasern sich zuerst an gesonderten und vereinzelten Punkten des Blastema bilden, so giebt dieses die Gelegenheit, wie in frühester Zeit eine schon angelegte Mus- kelfaser die Entstehung einer benachbarten Faser hervorruft, zu beobachten. Zu solchen Erfahrungen eignen sich vorzüg- lich Rindsembryonen von 4 bis 14“ Länge. Untersucht man hier z.B. das Blastem von Extremitätenmuskeln, so sieht man nicht selten in der gallertigen Grundlage einzelne Muskelfäsern, welche sich in dem Stadium der confervenfadenarligen Anein- anderreihung der primären Zellen befinden. Neben dieser em- bryonalen Faser, in welcher jede Zelle ihren grossen Kern besitzt, nimmt man auf einer oder mehreren Seiten Zellen- Müllers Archiv 1840, 44 210 kerne von derselben Grösse und Gestalt, wie in den benach- barten Zellen der Muskelfaser, wahr. Sie liegen nicht selten in gleicher Höhe und mehr oder minder paralleler Anordnung mit diesen letzteren Kernen. Später finden sich mehrere Mus- kelfasern neben einander. Eine solche Gruppe wird dann wieder durch einen Streifen gallertigen Blastemas von einer benachbarten Gruppe geschieden. Hieraus lässt sich schliessen, dass die einmal gebildete Muskelfaser die Bildung neuer Kerne, um diese die Formation neuer Zellen und so benachbarter neuer Muskelfasern hervorruft. Diese Fasern liegen aber, wie die Beobachtung lehrt, nur in dem allerersten Stadium voll- kommen dicht an einander. Sobald sich dagegen auch an ih- nen die confervenartige Anreihung der Zellen gebildet hat, werden sie durch einen Zwischenraum des Blastema von ein- pder getrennt. In diesem Interstilium erzeugen sich die fa- dig aufgereihten Epithelien oder die umhüllenden Zellenfasern, welche sich bald so häufen, dass sie die leichte Einsicht in die specielleren Verhältnisse der Muskelfasern selbst bald er- schweren. Um ihre Entwickelung zu verfolgen, behandelt man feine Schnitte vorsichtig unter dem Compressorium. Zuerst zeigen sich aussen auf der Muskelfaser rundliche Kerne mit Nucleolis, welche von einer sehr durchsichtigen Zelle mit wasserhellem Inhalte und einfacher Wandung umge- ben werden. Diese Zellen stellen sich longitudinal über ein- ander. So sieht man bisweilen zwei oder mehrere Zellen, welche sich linear über einander befinden, da, wo sie an ein- ander stossen, wo also ihre Zwischenwände hinfallen, sich ge- genseitig abplatten und ebene Wandungen besitzen, sonst aber überall (an allen ihren Seitenwandungen) durch ihre früheren runden Conturen noch begrenzt werden. Diese Bildung fin- det sich schon, wenn diese primären Zellen noch durchaus einfach sind. Später wird die Zelle platt. Ihre Wandung erhält eine grössere Consistenz. In ihrem Innern zeigt. sich, wahrscheinlich der Innenfläche der Zellenwand anliegend, ein körniges Wesen. Diese Veränderung scheint der Wendepunkt 211 für die übrigen Metamorphosen zu werden. In dem darauf folgenden Stadium nämlich lösen sich bei Behandlung mit dem Compressorium von der Oberfläche der Muskelfaser Fragmente einer Membran los, welche an einzelnen isolirten Stellen of- fenbar einer gewissen Längenrichtung nach gestellte Zellen- kerne darbietet und die bei genauerer Prüfung als die metamor- phosirten Wandungen der primären Zellen erkannt wird. Ge- lingt es aber, durch Druck ein grösseres Fragment der- selben loszustreifen, so nimmt man noch die einzelnen Zellen wahr. Man sieht, dass diese sich abgeplattet und ver- längert haben, dass sie hierdurch mehr rhomboidal geworden sind, dass sie sich, wie die Zellen der Oberhaut der Pflanzen und der Thiere oder noch besser, wie die Baströhren, ge- genseitig einkeilen, dass also ihre früheren Zwischenwandun- gen auf die jetzigen Spitzen ihres Längendurchmessers fallen und ihre seitlichen Wandungen sich theilweise berühren. Die Kerne haben hierbei eine länglich runde Gestalt angenommen, haben eine isolirte Wandung, einen helleren Inhalt und iso- lirte runde Körnchen erhalten und, wiewvohl sie der Essigsäure und der Maceration Widerstand leisten, an Consistenz und Sa- turation abgenommen. Indem sich nun die Zelle an Länge ausdehnt, verliert sie an Breite. Um den Kern zeigt sich zu- erst noch ein verhältnissmässig nicht unbedeutender Zwischen- raum zwischen ihm und der Innenfläche der Zellenywvrand, der sich nach beiden Seiten der Zelle über den Kern hinaus ver- schmälert. Die Verengerung nimmt aber später immer mehr zu, so dass zuletzt die Zellenwandung den Kern ziemlich eng umschliesst, über ihn hinaus nach oben und unten nur noch ein kleiner, dreieckiger Raum kenntlich ist, das Uebrige aber in einen mehr soliden Theil auszulaufen scheint. Indem diese letzteren Theile in (longitudinell) einander entsprechen- den benachbarten Zellen mit einander verschmelzen, wird so die Grundform des fadig aufgereihten Epilhelium vollendet. Von den so sehr zahlreichen Zellenfasern an dem embryona- len Muskelgewebe gelıt wahrscheinlich in der Folge ein Theil 14* 212 nach den bekannten Gesetzen in Zellgewebe oder in die Fäden des Perimysiums über. Um jede Muskelfaser bleibt eine Schicht als fadig aufgereihtes Epithelium permanent. Die Kerne des letzteren stehen bekanntlich isolirt in Längsreihen und unter einander alternirend. Ob in den zwischen ihnen befindlichen, scheinbar leeren Interstitien eine structurlose Membran vorhan- den sei oder nicht, kann ich nicht mit Sicherheit angeben. Ihre Existenz ist mir, abgesehen von den Entwickelungsver- hältnissen, welche ebenfalls darauf hindeuten, sehr wahrschein- lich. Bei dem Erwachsenen gelingt es bisweilen, besonders nach Behandlung mit Essigsäure, durch Druck durchsichtige, meist nur bei Beschattung und oft nur zugleich bei Lampen- licht wahrnehmbare Fragmente eines membranartigen Wesens, welches ’an ausgebildeteren Muskelfasern des Embryo ein gra- nulirtes Ansehen darbietet, loszustreifen. Würde diese That- sache‘ mit aller nölhigen Bestimmtheit conslalirt, so würde jede Muskelfaser unmittelbar nach aussen noch eine feine Hülle haben, in welcher sich an einzelnen Stellen Zellenfasern be- finden). ' *) Das Verhältniss der Entstehung dieses die ausgebildeten Mus- kelfasern umgebenden fadig aufgereihten Epitheliums ist insofern noch nicht hinreichend klar, als noch nicht durch die Beobachtungen erör- tert ist, weshalb die Zellenkerne mit der sie dicht umgebenden Wan- dung in späterer Zeit des Embryonallebens und im Erwachsenen klei- ner sind, als früher. Auch die übrigen neuesten Beobachtungen die- ser Vorgäuge lassen diesen Punkt noch unerörtert. Schwann be- handelt nur die Entstehung der Muskelfasern selbst. Pappenheim (zur Kenntniss der Verdauung im gesunden und kranken Zustande. 1839. 8. S; 112. 162.) vermulhete, dass die Knötchen der aufgereih- ten Epithelien Zellenkernen (mit den umgebenden Zellenwandungsthei- len) entsprechen. J. F. Rosenthal (de formatione granulosa in nervis aliisque partibus organismi animalis 1839. 8. p. 29. 30.) be- obachtete mit Purkinje das aufgereihte Epithelium unmittelbar, nach- dem die Muskelfasern mit ihren Längsfäden und Querstreifen sich her- vorgebildet hatten, und nicht früher. Auch nach diesen Forschern sind die Kerne desselben nebst den umgebenden entsprechenden Zel- lenwandungstheilen im Embryo grösser, als im Erwachsenen. 213 Alle-bisher geschilderten Entwickelungsvorgänge der quer- gesleeiften Muskelfasern sind nach erneuerlen Studien, der äus- seren Muskeln des Rumpfes und der Extremitäten entworfen und gelten, wie die später vorgenommene Vergleichung lehrte, auch für die des Zwergfelles, des Schlundes und der Speise- röhre. Die Muskelfaserbildung, des: Herzens dagegen ‚scheint einen wenigstens zum Theil abweichenden: Gang einzuschlagen. Während einer sehr grossen Dauer des ‚Fötuslebens zeigt sich hier ein auffallend grosses Vorherrschen von. Körnern ‚oder nucleis, Zellen und besonders Zellenfasern, wodurch die übri- gen Gewebtheile für den ersten Blick verdeckt werden. „Selbst mit Hilfe des Compressoriums und der. verschiedenarligen Rea- genlien gelingt es nur mit Mühe und meist: unvollständig, ‚die verborgenen inneren Theile zu einer einigermassen klaren, An- schauung zu bringen, ‚So viel ist gewiss, dass, auch hier das oben erwähnte Stadium, wo in dem peripherischen Theile, des Muskelfaserrohres die Längsfäden, in dem Centrum die durch- sichtige Höhlung und die länglichen Kerne existiren, vorkommt. Nur scheinen hier die Muskelfasern im Allgemeinen dünner zu sein. Ausserdem aber zeigen sich höchst zahlreiche Zellenfa- sern, sehr häufige Zellenmembranen mit länglichrunden viele Körner enthaltenden Kernen und abgeplatteten mehr oder min- der rhomboidalen oder verschmolzenen Zellen. Die Zellen; fasern scheinen hier mit der Muskelfaserbildung in sehr inni- ger Beziehung zu stehen. Wie aber hier die Muskelfaserge- nese ihren speciellsten Verhältnissen nach vor sich gehe, muss künftigen Erfahrungen noch überlassen bleiben. ‘Nur so. viel möge noch bemerkt werden, dass auch hier, wenn die Quer- streifen schon kenntlich sind. in den Fasern noch Zellenkerne gesehen werden, und dass auch, wie bei andern quergestreif- ten Muskelfasern, sich nach aussen analog den Kernen .der früheren primären Zellen neue Nuclei ablagern, um die Ent- stehung einer benachbarten Muskelfaser, zu. veranlassen, Weit schwieriger, als die der zusammengeselzlen, ist. die Bildungsgeschichte der einfachen Muskelfasern zu. verfolgen. 214 Ihr erstes Stadium der Zellenbildung ist deshalb kaum mit Si- cherheit zu bestimmen, weil an dem Magen oder dem Darm- kanale, sowohl nach Aussen (die künftige Bauchfellhülle), als nach Innen (die künftige Schleimhaut) Zellenschiehten in reichlichem Maasse vorkommen und eine definitive Entschei- dung, welche derselben den einfachen Muskelfasern angehö- ren, kaum möglich ist. Doch scheinen die folgenden Entwik- kelungsstadien zu bekräftigen, dass wahrscheinlich die grösse- ren äusseren Zellen nur dem Bauchfelle, die kleineren inneren entweder allein der Muskelschicht oder dieser und dem Zell- gewebe angehören. Später aber belegen sich die einfachen Muskelfasern, gleich den zusammengesetzten, mit Zellenfasern, deren Menge wenigstens relativ weit zahlreicher ist und die bei der so grossen Weichheit der eingeschlossenen einfachen Muskelfasern die Beobachtung der letzteren wesentlich hin- dern. Gelingt es, die Muskelfasern zu isoliren, so sieht man, dass auch sie trotz ihrer Plattheit eine centrale Höhlung be- sitzen, dass in dieser dann der Längenrichtung nach an iso- lirten Stellen mehr oder minder längliche Nuclei liegen. Jeder dieser Kerne scheint ebenfalls seine gesonderte Wandung zu besitzen und in seinem Inneren diserete, unbewegliche runde Kernchen zu führen, ist aber verhältnissmässig blasser, als der Kern der ungefähr gleich weit entwickelten quergestreiften Muskelfasern. Der mattweisse peripherische Theil dieser ein- fachen Muskelfasern zeigt deutliche Längsstreifen, welche bald mehr geradlinigt, bald mehr körnig erscheinen. Diese That- sache scheint wiederum darauf hinzudeuten, dass auch die einfachen Muskelfasern die Elemente von Fäden enthalten — eine Annahme, welche auch durch einzelne Wahrnehmungen an einfachen Muskelfasern des Erwachsenen unterstützt wird. Charakteristisch für die einfachen Muskelfasern, vorzüglich im Gegensatz zu den zusammengesetzten, ist (verbunden mit ih- rer Tendenz schief oder rhomboidalisch zu brechen) ihr hoher Grad von Plattheit, der, wenn die Kerne noch vorhanden sind, schon existirt und in Verbindung mit den veränderten 215 Verhältnissen der Kerne der Annahme, als seien die einfachen Muskelfasern nur auf früheren Stadien zurückgebliebene zu- sammmengesetzte Muskelfasern, zu widersprechen scheint. Was die Blutgefässe betrifft, so müssen ihre Elementar- theile der Reihe nach einzeln betrachtet werden. Dass die Innenhaut der Arterien und Venen im Embryo Zellenkerne mit reinen oder veränderten Zellen enthalten, ist von Henle wahrgenommen und von Schwann und mir bestätigt wor- den. Die Nuclei sind rundlich bis länglichrund und mattweiss, haben eine bestimmte Wandung und führen entweder nur ei- nen Nucleolus oder mehrere Körperchen in ihrem Inhalte. Die umgebende Zelle übertrifft zuerst den Kern verhältniss- mässig nicht sehr an Grösse und hat anfangs einen hellen In- halt und eine zarte, doch schon, wenn die Zelle noch rund ist, der Einwirkung des Wassers widerstehende Wandung. Bald darauf plattet sie sich ab. Ihre Wandung wird graulich weiss und, wie es scheint, granulirt faserig. Bisweilen im fri- schen Zustande, vorzüglich aber nach Behandlung mit Essig- säure, zeigen sich an ihr kleine runde Körnchen, welche, wie die Verrückung des Focus darzuthun scheint, an ihrer Innen- fläche anliegen. Schon für das freie Auge ist die verhältnissmässig sehr bedeutende Dicke der Innenhaut der Gefässe vorzüglich in jüngeren Embryonen auffallend. Die mikroskopische Unter- suchung lehrt auch, dass hier mehrere Zellenlagen verschiede- ner Entwickelungsstufen über einander sich befinden. Die fer- nere Ausbildung dieser Zellen besteht hier darin, dass sie sich verlängern, spitz und rhomboidal werden, sich gegenseilig ein- keilen, in ihren Begränzungen an Schärfe verlieren und so nach und nach in eine zuerst noch streifige und dann gleich- artige Membran übergehen. Die Zellenkerne werden hierbei blasser, verlieren ihren körnigen Inhalt und schwinden end- lich gänzlich. Offenbar befolgen aber hier die verschiedenen Schichten der Innenhaut einen nicht ganz gleichen Entwicke- lungsgang. An einigen scheinen die Zellen, wiewohl sie 216 sich auf. die angegebene ‘Weise verlängern,. klein zu blei- ben. „Bei andern erhält man durch Zerreissen oder Abscha- ben lauge, wie platte unregelmässige, etwas steife und faltige Bänder, aussehende Fragmente. Oft endlich erscheinen in der abgeschabten. Innenhaut Zellenfasern, ähnlich denen des ge- wöhnlichen. Zellgewebes. Ueber ‚die Entwickelung des elastischen Gewebes der Mit- telhaut-der Arterien kann ich dem früher Mitgetheilten (R. Wag- ner?’s Physiologie 1.137.) nichts Wesentliches mehr. hinzufü- gen,,.als dass die elastischen. Fasern im Anfange z. B. in der Nabelschlagader eines 8‘ langen Rindsfötus, oft etwas Strei- figes zeigen. Ob dieses auf der Existenz wahrer Längsfä- den beruhe oder nieht, muss vorläufig noch dahingestellt bleiben*). . Die musculösen Fasern der Mittelhaut der Venen *) Die Reduction der elastischen Fasernetze auf. die ursprüngli- chen Zellenverhältoisse kann in zwiefacher Art geschehen. Entweder nämlich sieht man sie als Metamorphosen der seitlichen Wandungen abgeplatteter Zellen oder der zwischen den Zellen abgelagerten Inter- eellularsubstanz an. Welche von beiden Vorstellungsweisen die wahre sei, lässt sich bis jetzt, wie mir scheint, nur bedingter Weise entschei- den. Für die erste Annahme scheinen die Verhältnisse im Erwachse- nen zu sprechen. Für die letzten dagegen treten diejenigen Stellen auf, wo, wie z. B. am Ohrknorpel das elastische Gewebe nach und nach in Netzknorpel und in wahren Knorpel übergeht. Vielleicht liesse sich aber auf folgende Art eine Vereinigung beider Verhältnisse denken. Bei Untersuchung des elastischen Gewebes im Embryo: ist nämlich ein Mittelstadiam ganz charakteristischer Art auffallend. Das Nackenband z. B. ist dann schon für das freie Auge grauweiss und verhältnissmässig ziemlich fest. Unter dem Mikroskope zeigte sich eine graue granulirte Masse, in welcher sich bandartige Züge, wie es scheint verlängerte frühere Zellen, welche sich abgeplattet und an ih- ren primären Wandungen 'undurchsichtiger und granulirt (geworden sind, darstellen. Von elastischen Fasernetzen ist noch nicht die ge- ringste Spur vorhanden. Diese erscheinen erst später und fassen die früheren abgeplatteten in ihren Wandungen granulirten Zellen zwi- schen sich, entstehen daher vielleicht als eine Circumpositionssubstanz oder auf ähnliche Weise, wie die Knochensubstanz in den Knorpel mit ihren Zacken vordringt. 217 haben ebenfalls ihre später länglichrunden Kerne mit geschie- dener. Wandung, Nucleolis und Inhaltskörperchen und erhal- ten ihre Fäden durch Zerfällung in Längslinien, welche an- fangs ein grauweisses, stark granulirt faseriges Ansehen besiz- zen. Die Zellgewebefasern der äusseren Haut bilden sich aus Zellen und Zellenfasern nach den bekannten Gesetzen. Die Bildung der feinsten Blutgefässnetze kann durch das Studium der Keimhaut nur insofern gefördert werden, als man hier die isolirte Entstehung der Capillaren, ihre allmählige Röthung und Füllung mit Blut wahrnimmt. Zur Verfolgung der Zellenverhältnisse dienen am besten sehr durchsichtige, an Blutgefässen reiche Häute, vor Allem die Membranen des Cap- selpupillarsackes. Untersucht man z. B. diese in einem 1“ langen Rindsembryo, so sieht man in den Maschenräumen der schon zahlreich vorhandenen Capillargefässnetze rundliche Kör- per von ungefähr 0.000540 P. Z. mittlerem Durchmesser, von denen einige zuerst gekörnt erscheinen, andere neben feinen Kör- nern mehrere (bis vier) runde Kugeln enthalten. An manchen erkennt man eine enge zarte dicht anliegende Wandung. Gröss- tentheils liegt eine solche Kugel frei innerhalb des von einem Capillargefässneize eingeschlossenen Maschenraumes. In ande- ren Maschen sieht man einzelne Zellenfasern, welche an die Wandung des benachbarten Capillargefässes anstossen, in ihrem Innern an einer Stelle einen mehrere Kugeln besitzenden Kern enthalten. Manche der oben genannten rundlichen Körper von 0.000510 P.Z. Durchmesser befinden sich nahe bei einem Ca- pillargefässe oder liegen ihm dicht an. Die sie umgebende Zellenwandung geht einerseits in die Wandung des Capillar- gefässes, wie es scheint, über, während sie anderseits den ent- gegengeselzten Theil des Kernes eurvisch umgiebt, also blind endigt, so dass, wenn schon eine wahre Höhlencommunicalion Statt fände, ächte Vasa helieina oder vielmehr blinde Neben- anhänge der Gefässe existirten. Die Wandungen der oben er- wähnten Zellenfasern, so wie dieser zuletzt besprochenen Ne- benanhänge der Blutgefässe haben etwas schwach Milchweis- 218 ses und undeutlich Faseriges. Dasselbe zeigt sich an den er- sten Capillargefässen, die sich aber bald mit Zellenkernen, Zel- len und Zellenfasern bedecken und so nach innen ihre Faser- schicht und um diese ihr aufgereihtes Epithelium nach und nach erhalten. Ob nun der ganze Zellenkern oder die in ihm enthaltenen runden Körner zu Blutkörperchen werden, vermag ich durch Beobachtung nicht zu entscheiden. Für das Erstere scheint der Umstand zu sprechen, dass die in benachbarten schon vollständigen Blutgefässnetzen enthaltenen Blutkörper- chen ein bis drei ähnliche Körperchen, wie sie in den Kernen beobachtet werden, oft und zwar häufig excentrisch enthal- ten. Diese ursprüngliche Kernnatur der Blutkörperchen wird, wie ich früher schon zu erhärten suchte, durch ihr Verhalten zur Essigsäure unterstützt*). Die in der Gehirn- und Rückenmarksubstanz zuerst ab- gelagerten Zellen und Kerne sind sehr leicht wahrzunehmen, Untersucht man z.B. die Gehirnsubstanz eines 1“ langen Rinds- embryo, so erkennt man in ihr rundliche, saturirte, unler *) Hiernach würde die Membrana inlima der Capillargefässe als Zellenwandung aufzufassen sein. Indem benachbarte Zellenwandun- gen, sei es von einfach verlängerten oder verästelten Zellen, zusam- menstossen und ihre Zwischenwände durch Resorption verlieren, ent- stünde das Netzwerk von Röhren, welches dann aber nur gleichsam aus der einfachen Innenhaut bestände. Die nach aussen von dieser befindlichen Fasern nebst dem fadig aufgereihten Epithelium eniste- hen, wie ich bestimmt angeben zu können glaube, durch äusserlich gebildete und angelagerte Zellenfasern, deren Kerne selbstständig und von den ursprünglichen Kernen der Capillargefässformen wesentlich verschieden und wohl zu unterscheiden sind. Offenbar gehören auch die von Schwann in seiner Schrift Tab. IV. Fig. 14 abgebil- deten Kerne diesen äusseren Zellenlasern an, da die ursprünglichen Kerne grösser und zusammengesetzler sind und nicht ausserhalb, son- dern innerhalb des Capillargelässes sich befinden. Auch bei den Ar- terien und Venen gehört wahrscheiolich nur die Membrana intima der ursprüngliehen Gefäss-Zellenformation an, während die Mittelhaut und die äussere Haut aus analogen äusseren Auflagerungsbildungen hervorgehen. 219 dem Mikroskope bei durchfallendem Lichte grauweiss bis gelb- lich weiss, seltener schwach röthlich gelb erscheinende Kerne mit Kernkörperchen, welche von hellen durchsichtigen Zellen mit dünner gesonderter Wandung und klarem Zelleninhalte umgeben werden. Diese Zellen bersten sehr leicht durch Ein- wirkung des Wassers. Vermöge der Zartheit ihrer Wandungen nimmt man dieses Platzen nicht sowohl an ihnen selbst, als an dem Rucke des Kernes wahr. Es ist daher am vortheilhafte- sten die Gehirnsubstanz junger Embryonen entweder ohne al- les Verdünnungsmittel oder unter dem dickeren Hühnereiweiss zu untersuchen. In diesen Zellen des centralen Nervensystemes beträgt der mittlere Durchmesser des Kernes 0,000200 P. Z., der der Zelle selbst 0,000500 P. Z. Nur selten erscheinen kernlose Zellen und noch seltener wie ein Doppelbrod getheilte Kerne. Im ersten Anfange liegen diese Zellen dicht bei einander und platten sich sogar hierbei an einzelnen Stellen zu fünf- bis sechsseitigen Polyedern ab. Nun zeigen sich hierauf an ihren Wandungen, aber nach aussen von diesen, einzelne Körnchen, die sich bald vermehren, so dass eine körnige Masse um jede einzelne Zelle herumgelagert erscheint. Hierdurch werden die Zellen von einander entfernt, bleiben aber noch in ihren Con- touren und ihren Theilen vollkommen kenntlich. Dieses Sta- dium finden wir z. B. in der Substanz der Oberfläche der Windungen der Hemisphären des grossen Gehins bei 4 bis 5‘ langen Rindsembryonen. Bei Früchten von 9 bis 10“ Länge dagegen treten die ursprünglichen Zellen vor der reichlich abgelagerten Körnchensubstanz mehr zurück. Auf den ersten Blick sieht man bei feinen Schnitten nur die feinkörnige, ver- mittelst einer durchsichtigen Bindemasse zusammengehaltene Substanz und die hervortretenderen, jetzt etwas matleren Kerne mit ihrer Wandung, ihrem Inhalte und ihrem einfachen oder mehrfachen Kernkörperchen. Nur an einzelnen Stellen sehr dünner Schnitte oder bei Behandlung mit dem Compres- sorium kommen die die Kerne umgebenden, sehr durchsichli- 220 , gen Zellen zum Vorschein und man überzeugt sich, dass, sie nur deshalb, weil sie jetzt allseitig und dicht von der reich- licheren Umlagerungsmasse umgeben werden, früher nicht wahrgenommen worden sind. In diesem Zustande. beträgt der mittlere Durchmesser des Kernes 0,000300 P. Z. und der der Zelle 0,000650 P. Z. Beide haben also, wie dieses auch bei dem Keimbläschen der Fall ist, noch etwas an Grösse zu- genommen. Jeizt ist es auch klar, dass die anfängliche Zelle zum Nucleus, deren Kern zum Nucleolus und die Umlagerungs- substanz zur Grundmasse der Belegungskugel geworden. Die Begrenzungen der letzteren erscheinen auf sehr feinen, mit dem Doppelmesser verfertigten Schnitten an einzelnen Stellen deutlich rund, länglich rund bis eiförmig. In ihrer feinkör- nigen Masse aber sieht man nicht selten neue Zellenkerne, eine Thatsache, welche bei den peripherischen Belegungs- oder den Ganglienkugeln bekanntlich ebenfalls nicht selten: wahr- genommen wird. An Embryonen von 42“ Länge finden wir schon einen sehr grossen Theil der grauen Substanz im Wesentlichen wie im Erwachsenen beschaffen. Selbst die Pigmentablagerungen an einzelnen Belegungskugeln sind schon vorhanden. Nur sind diese letzteren noch überaus weich und zart, nehmen in ihrer Consistenz durch den geringsten Grad der Maceration ab und lassen sich daher nur noch schwieriger und seltener isoliren, als nach der Geburt der Frucht. Ob schon ge- schwänzte Formen der Belegungskugeln existiren oder nicht, kann ich durch Erfahrung nicht entscheiden, wiewohl ihre Anwesenheit theoretisch sehr wahrscheinlich sein dürfte. Nicht minder unentschieden muss hier eine andere. Frage bleiben, ob nämlich die Belegungskugel von aussen durch eine sehr durchsichlige einfache, weiche Membran umschlossen werde. Wiewohl die Analogie mit den Ganglienkugeln auch auf ihre Existenz aus guten Gründen schliessen lässt, so muss ich doch offen bekennen, dass es mir nie glückle, dieselbe frei zu iso- iren. Man sieht zwar sehr oft längs der äusseren Begrenzung 21 der Belegungskugel einen hellen Streifen hingehen, erkennt in diesem aber keine doppelte Wandungsbegrenzung. Bedenkt man jedoch, dass dasselbe bei den meisten höchst zarten an- fänglichen Zellen der Fall ist, und dass wir es hier vielleicht mit einer noch zarteren Membran zu thun haben, so dürfte hieraus nicht nur kein Gegengrund gegen die Anwesenheit einer solchen umschliessenden Membran zu entnehmen, sondern im Gegentheil der helle Streifen als Zeuge für dieselbe anzu- sehen sein. , Den nervösen Primitivfasern der Centraltheile des Ner- vensystemes liegen wahrscheinlich ähnliche, wo nicht gleiche Zellen, wie der grauen Substanz zum Grunde. Ja an denje- nigen Stellen, wo bald rein weisse Substanz hervortritt, wie z. B. in den Strängen des Rückenmarkes, in dem halbeiför- migen Centrum des Vieussens, den Grosshirnschenkeln u. dgl. lagert sich auch hier um die gleichen anfänglichen Zellen eine feinkörnige Substanz, doch nur so weit ab, dass diese Zellen in allen ihren Contouren auf den ersten Blick noch kenntlich bleiben. In Embryonen von 12“ Länge dagegen findet man in dem halbeiförmigen Centrum des Vieussens Fasern, deren Beschaflenheit auf die Entstehung der Nervenprimilivfasern des centralen Nervensystemes einiges Licht wirft. Sie sind mattweiss und, wie es scheint, mehr oder minder platt, haben an ihrer Wandung ein deutlich faseriges Wesen und enthal- ten in ihrem Innern länglichrunde bis rundliche Kerne mit Kernkörperchen in einzelnen Distanzen zerstreut. Bald darauf wird die ganze Faser heller, während man in ihrem Innern bisweilen noch Zwischenwände erkennt und ihre zwar weis- sen, aber soliden Kerne jetzt nur um so schärfer hervortre- ten. Ihr helles Aussehen nimmt nach und nach statt der grau- weissen Farbe zuerst eine gelblichweisse und bald darauf die charakteristische milchweisse Färbung an. So wie die Primi- tivfasern heller werden, erblassen die Kerne, behalten aber noch ihre länglichrunde Form und im Innern ihre Kernkör- perchen, Später wenn die Primitivfasern vollendet sind, so 222 ° dass sie bei Druck variköse Fäden liefern — was z.B. bei denen des Rückenmarkes 13“ langer Embryonen schon ge- schieht — sind die Nuclei nicht mehr mit Bestimmtheit zu er- kennen. Das eben Dargestellte erläutert die auf eigenthümliche Art sich gestaltenden Farbenverhältnisse der embryonalen Mark und Rindensubstanz der Centraltheile des Nervensy= stemes. In frühester Zeit, wo nur Zellen existiren, erscheint die gesammte Masse ohne Unterschied matt grauweiss. Spä- ter, wo um. die Zellen die feinkörnige Substanz sich ablagert, erhält dadurch das Ganze einen Strich ins Röthliche. Wenn die Primitivfasern noch grauweisse Wandungen haben, ist die ganze Subsianz weich und eigenthümlich grauweiss, so dass ihr zwar das Röthliche der grauen Substanz mangelt, sie je- doch von ihr, welche ebenfalls ihre vollständige Farbeninten- sität.noch nicht erlangt hat, weit weniger, als in der Folge- zeit abslicht. Diese Farbe bleibt ihr aber, bis sich der grösste Theil ihrer Primilivfasern zu dem bekannten Zustande der Vollkommenheit erhoben hat. Dieses geschieht jedoch allmäh- lich. So finden wir z. B. in den halbeiförmigen Centrum des Vieussens von 12 — 14“ langen Rindsembryonen neben voll- sländigen Primitivfasern, welche durch Druck variköse Fäden bilden, nicht nur frühere Stadien von Fasern, sondern sogar noch Zellen. Dasselbe kann man an der peripherischen Sub- stanz des Rückenmarkes bei 8“ langen Früchten wahrnehmen. Wahrscheinlich entstehen in gleichem Masse, als sich neue peripherische Organe und Organtheile und mit ihnen neue peripherische Nerven ausbilden, auch symmetrisch entsprechende neue Primitivfasern in den Centraltheilen des Nervensystemes. Daher jene verschiedenen Stadien derselben in entwickelten Embryonen. Eine unmittelbare Folge dieses Verhältnisses ist es aber, dass die für das freie Auge wahrnehmbaren Farben- veränderungen der Marksubstanz nur sehr allmählig und durch die geringsten Nüancen vermittelt vor sich gehen und dass an Stellen, wo bald darauf rein weisse Substanz vorhanden . 223 ist, rein weisse Streifen mit ‚verschiedenarlig grauweissen ver- mischt erscheinen. Die peripherischen Belegungs- oder Ganglienkugeln bil- den sich analog den Belegungskugeln des centralen Nervensy- stemes aus. Am leichtesten verfolgt man ihre Entstehungs- weise an dem Gasser’schen Knoten sehr junger Embryonen, wo wiederum der dickere Theil des Hühnereiweisses als Ver- dünnungsmiltel, vorzüglich bei den jüngsten Stadien angewen- det werden muss. In einem aus dem verhältnissmässig sehr grossen Ganglion eines 44“ langen Rindsembryo entnomme- nen Schnitte sieht man ausser zahlreichen Kernen, welche 0.000184 P. Z. mittleren Durchmesser und in ihrem Innern Kernkörperchen haben, sehr zarte Zellen von 0,000509 P. Z. Durchmesser, die eine sehr feine, selbstständige Wandung, einen ganz hellen Inhalt und einen excentrischen Kern von 0.000180 P. Z. mittleren Durchmesser haben. Andere Zel- len sind mit einer feinkörnigen Masse, doch noch so sparsam umgeben, dass sie theils sehr nahe, theils eng bei einander liegen. Ausser diesen erscheinen kleine blasse Ganglienkugeln von etwas festerer Consistenz und blasse, grauweisse Kerne, deren Bedeutung mir noch nicht klar geworden. In der Dicke des Schnittes ireten oft ausser der feinkörnigen Hauptmasse und den sich mehr auszeichnenden zahlreichen Kernen, so wie ausser den häufigen durchziehenden Blutgefässnetzen, Streifen, als deutliche Zeichen der die Gangliensubsianz durchsetzenden Primitivfaserbündel des dreigetheilten (und des sympathischen) Nerven hervor. In älteren Embryonen erscheinen nun die Ganglienkugeln grösser, saturirter gefärbt, fester und consi- stenter, überhaupt mehr mit den bekannten bleibenden Ver- hältnissen derselben übereinstimmend, so dass man z. B. in Früchten von 410 — 12" Länge sehr viele derselben ihren Verhätnissen nach (nur etwa die Grösse zum Theil abgerech- nel) ganz vollkommen ausgebildet antriff. Eben so lassen sich Scheiden und Scheidenforlsätze an ihnen wahrnehmen. Die letzteren enthalten schon sehr zahlreiche Fäden ohne alle 224 Spur von Anschwellungen und von ZellenLernen. Wann diese Scheiden sich zuerst anlegen, ist bei der grossen Durch- sichtigkeit und Feinheit ihrer anfänglichen Stadien anzugeben kaum möglich. Allein dass ihre erste Entstehung schon früh falle, lehrt die Erfahrung, dass um die kugeligen Begrenzun- gen der Ganglienkugeln in einem Spinalknoten eines 14“ lan- gen Embryo schon eine scharfe Contourlinie als Andeutung einer äusseren einschliessenden Membran wahrgenommen wird und dass bald darauf die Zellenfasern zum Vorschein kommen. Die so die Ganglienkugeln begrenzende Haut scheint immer früher zu entstehen, als jene ihre definitive Grösse erlangt hat, und daher mit ihr in der Folge fortzuwachsen — ein Fall, der auch in Betreff der Dotterhaut an dem Eie eintritt. Die Zellenfasern aber und die runden Fäden der Scheiden- forisätze legen sich erst später an die äussere Begrenzungs- haut an. \ Ueber die frühesten Stadien der peripherischen Nerven- primitivfasern muss man bei sehr kleinen Embryonen Auf- schluss suchen, weil bald an den Nerven eine so bedeutende Menge von cylindrischen Zellgewebefasern und Zellenfasern vorhanden ist, dass dadurch die Nervenprimitivfasern verdeckt oder die Deutungen ihrer einzelnen Theile erschwert werden. Gelingt es, das Bündel eines Spinalnerven eines 14“ langen Rindsembryo zu isoliren, so geben sich in ihm die Primitivfa- sern durch ihre der Länge nach verlaufenden Begrenzungsli- nien zu erkennen. Ihr Aussehen ist matt grauweiss. Ihre mit granulirten Längsstreifen versehene Wandung erscheint matt und halbdurchsichtig.. Im Innern geben sich mehr oder min- der runde bis länglichrunde Kerne zu erkennen. Alle diese Eigenthümlichkeiten verrathen schon etwas vorgerückte Mit- telstadien der Entwickelung der Primitivfasern. An einzelnen Stellen dagegen nimmt man auch frühere Entwickelungsmo- mente wahr. Man sieht nämlich noch runde von einander durch Zwischenräume gesonderte Kerne longitudinal gereiht, und Zellen, welche confervenartig an einander gefügt sind, — Er em 225 eingeschlossen. An den Zellen haftet auch hier bisweilen eine sehr feinkörnige Masse in sparsamer Menge. Nach aussen sind bisweilen ähnliche Kerne, wie oben: $. 210 beschrieben wur- den, wahrnehmbar. Ein noch früheres Stadium der Nerven- primitivfaserbildung kann man an einzelnen Fäden des Brust- theiles des sympathischen Nerven gleich grosser Früchte un- tersuchen. Man hat hier Kerne mit umgebenden verhältniss- mässig kleinen Zellen, welche longitudinal angeordnet sind. Bisweilen hat es den Anschein, als stiessen diese Zellen nicht unmittelbar an einander, sondern würden durch eine matt- weisse Zwischensubstanz, derjenigen, welche im nächstfolgen- den Stadium die Wandungen der Zellen ausmacht, ‚analog, von einander getrennt. Später werden die in dem Inneren der Nervenprimitivfasern enthaltenen Kerne blasser. Der Inhalt erscheint zuerst gelblichweiss und dann charakteristisch milch- weiss. Die granulirte längsstreifige Wandung wird 'unsichtbar. Unterdess lagert sich aber eine ‘so bedeutende Menge von Zel- lenkernen, Zellenfasern und Zellgewebefasern auf ihre Ober- fläche ab, dass es nur einem Glückszufalle zuzuschreiben ist, wenn man eine einzelne Nervenprimitivfaser mit ihrem’ Inhalte isolirt erhält. Sobald‘ ihr weisser Inhalt existirt, bildet. sie bei,Zerrung Varicositäten oder stellt eine :Menge zerfallener, longitudinell gereihter Bruchstücke ihres Contentums dar. Aus diesen Erfahrungen ergeben sich einige Specialgesetze, welche ‘nicht bloss auf die genannten, sondern auch auf die übrigen Gewebe des tierischen Körpers ihre Anwendung finden. 1. Die ersten Zellen, deren Zelleninhalt und Zellenwan- dung durch ungleichartige Umlagerung (Circumpositio hetero- genea) um den Kern entstehen, ‘haben grösstentheils,; wo nieht überall, die Eigenschaft, durch Einwirkung des Wassers oder einer andern geeigneten Flüssigkeit, wie einer Salzlösung, Salpeterlösung, verdünnter Eiweissolution u. dgl. zu. platzen. Dieses kann nun entweder davon herrühren ‚dass die Zellen- wandung sich in Wasser auflöst oder dass der Zelleninhalt so Müller's Archiv. 1840. 15 226 begierig einsaugt, dass durch die entstehende Volumensverän- derung desselben die zarte, Zellenwandung berstet. Für das letztere spricht der Ruck des Kernes, welcher bei allen diesen feinen thierischen Zellen während ‘oder unmittelbar nach der Einwirkung der Flüssigkeit wahrgenommen wird. Wie dem: nun aber auch sei, so scheint hieraus so viel zu folgen, dass im Verhältniss zum Wasser die chemische Beschaffenheit, sei es der Zellenwandung oder des Zelleninhaltes der frühesten Zel- len’ der meisten, wo nicht aller Gewebe dieselbe sei. : Wie nämlich‘ hier‘ morphologisch der Zelleninhalt und Zellenwan- dung überall mit einander übereinstimmen, so liesse sich den- ken, dass ihnen auch chemisch der gleiche Stoff oder wenig- stens einander sehr‘ ähnliche Stoffe zum Grunde liegen. Bei den verschiedenen Kernen des Blastemas finden wir zwar morphologisch mehr Aehnlichkeit unter einander, allein ver- gleiehen wir die Kerne der den verschiedenen Geweben. spä- ter zu Grunde liegendeu Zellen unter einander, so gewahren wir in Form, Farbe und Grösse mancherlei Unterschiede, so dass z, B. die für die primären Zellen des Muskelsyste- mes; des: Nervensystemes, der Epithelien u. dgl. bestimmten Kerne unter einander etwas abweichen. Man kann sich da- her ‘vorstellen, dass durch diese Unterschiede der Kerne auch von Anfang an die Grundunterschiede der: inviduellen Gewebe, durch den überall durchsichtigen Zelleninhalt und die, stets feine und gleichartige Zellenwandung die überall gleich 'noth- wendige allgemeine Zellenbildung "ausgedrückt werde. Wie auch die Entwickelung weiter fortschreitet, ist es überall die Zellenwandung und wahrscheinlich auch der Zelleninhalt, wel- cher die nächsten Veränderungen eingeht, während der Kern erst dann durchgreifendere Metamorphosen beginnt, wenn an der Zellenwandung oder um dieselbe schon neue für das Ge- webe charakteristische Theile entstanden sind; wie überhaupt dieser Gegensatz der Ausbildung der Zellenwandung auf Ko- sten des Zellenkernes im Pflanzen-, wie im Thierreiche ein all- gemein dürchgreifender ist. 227 2. Bei Geweben, ‘welche die ursprünglichen Zellenfor- men verändert oder unverändert beibehalten, wie z.B. bei den Epithelien, bleibt ‘die Zellenwandung nicht, wie sie ursprüng- lich war, einfach, sondern es lagert sich an ihrer Innenfläche eine granulirte Substanz ab, wie wir das Nämliche an den Zellen zarter Oberhäute von Pflanzentheilen wahrnehmen. Bisweilen erfolgt eine secundäre Ablagerung, wie bei den einfa- chen und den flimmernden Eylinderepithelien, in Längsstrei- fen. Diese secundäre Substanz, vorzüglich die granulirte, ist als eine Art von Hornsubstanz zu betrachten. Sie ist, wie die Vergleichung sehr wahrscheinlich macht, in den rhombi- schen Epidermis- und Epitheliumzellen morphologisch dieselbe, wie in den Hornfasern der Nägel, der Hufe, der Klauen u. dgl. Mit ihrem Erscheinen erreicht auch die Zelle die Fähigkeit, dem einwirkenden Wasser vollkommen Widerstand zu leisten. In dieser Beziehung erlangt daher gerade die Epidermis zarter thierischer Früchte eine höhere funetionelle Bedeutung. Wie man nämlich durch Vergleichung bei 1 bis 2“ langen Embryo- nen bald sieht, hat das den Embryo umspülende Amnioswas- ser die Fähigkeit, das Platzen der zarten primären Zellen des Nervensystemes, des Muskelsystemes augenblicklich hervorzu: rüfen. Wiewohl es zu dieser Zeit eine verhältnissmässig nicht unbedeutende Menge Eiweiss enthält, so bildet es doch eine zu sehr verdünnte Solution desselben, da jene feinen Zellen oft schon durch unverdünntes mittleres oder äusseres Hühner- eiweiss bersten. Die Epidermoidalzellen, welche schon so weit vorgerückt sind, dass sie dem Amnioswasser widerstehen, be- dingen auf diese Art durch ihren Schutz die einzige Möglich- keit des Bestehens jener zarten primären Zellen im Innern des Embryo. Vergleicht man auch die Fötaloberhaut mit der des Erwachsenen, so findet man einen sehr wesentlichen Un- terschied. Am Embryo lässt sich die Epidermis leicht in Form von Lappen von grösseren Ausdehnungen, wie wir dieses im Erwachsenen nur entweder nach Esanthemen oder loca- * len Haufentzündungen oder wach anhaltender Maceration se- 15° 228 hen, abziehen. ‘Sonst schuppt’sie sich in der Regel, selbst wenn sie längere Zeit von Wasser umgeben war, in kleineren Fragmenten los. - Hieraus scheint nun entnommen werden zu können, dass die Zellen der Fötalepidermis in ihrer flächen- artigen Aneinanderlage inniger an einander haften, als im Er- wachsenen — ein Verhältniss, welches mit ihrer hohen Sehutz- kraft gegen die Amniosflüssigkeit wohl in Beziehung gebracht werden kann. Freilich scheint dieses allein nicht die Ursache des Phänomens zu sein, da es sich während des ganzen Em- bryonallebens erhält. Allein wenn man anderseits bedenkt, dass auch die Amniosflüssigkeit immer ärmer an. Eiweiss und immer wässriger wird, dass also hierdurch. ihre feindliche Einwirkung gegen die zarten Theile der Frucht immer, mehr Spielraum gewinnt, so dürfte wenigstens ein. höherer Grad von schützender ‚Kraft der Epidermis auch bei älteren Früch- ten nicht ganz überflüssig erscheinen. Etwas Aehnliches gilt von den Epithelien der Mund- höhle, der Speiseröhre und des Darmes, des Canalis uro-ge- nitalis, der Luftröhre, der Lungen u. dgl., da auch das Am- nioswasser hierher gelangt. Gerade die Vergleichung der Flim- merepithelien ‘liefert. einen interessanten Beleg für diese An- sicht. Schon bei jüngeren Früchten von 3 bis 4“ Länge fin- den wir an der Schleimhaut der Luftröhre entweder vollstän- dige Flimmercylinder oder niedrigere, mehr zellenartige Ge- bilde, deren Wandungen aber der: Amniosflüssigkeit und zum Theil dem Wasser widerstehen, so. dass die Flimmerbewegung in solchen Fluidis kürzere oder längere Zeit fortdauert. Auf | der Oberfläche der Plexus choroidei dagegen haben wir in noch weit älteren Embryonen rundliche auf ihrer Oberfläche lebhaft flimmernde, aber so zarte Zellen, dass sie durch Ein- wirkung von Wasser oder von Amniosflüssigkeit auf der Stelle platzen, dass dadurch alle Flimmerbewegung plötzlich aufhört l und statt der früher so zierlich bei einander liegenden Zellen “nur ein scheinbar unregelmässiger Haufen von Kernen vorhan- den ist Die innerhalb der Hirnhöhlen befindliche. Feuchtig- | 229 keit, so wie das Blut des Embryo wirken weder auf die For- Ba zarten Zellen, noch auf die Flimmerbewegung ir- gen [wie verändernd und störend ein. - Ohne wiederum',.den einzigen Grund dieser 'auch in der Folge sich zum: Theil er- haltenden Formverschiedenheit. darin zu suchen, bleibt es im- mer interessant, dass die Flimmercylinder der Luftröhre se früh vor ‚der Einwirkung der Amniosflüssigkeit, mit der-sie in Berührung kommen, gesehützt werden, während: sie in den Adergeflechten, wo sie von selbst geschützter sind, eine weit grös- sere Zartheit die längste-Zeit,.'ja.'zum. Theil immer beibehalten, Aehnliches, wie von der Amniosflüssigkeit,: gilt auch von. der Allantoisflüssigkeit, welche nicht minder störend auf; die frühesten zarten Zellen wirkt, welche aher: durch das Epithe- lium der Harnblase und des Harnstranges, von dem übrigen Körper auf-ähnliche Weise abgehalten. wird. Bei den,Flimmercylindern muss die obere Wand derselben, welche: trommelfellartig innerhalb des Kreises der ‘Flimmer- haare ausgespannt ist, am Meisten die Zartheit der. ursprüng: lichen Membran beibehalten, da sie nach längerem Aufent- halte in Wasser häufig berstet und die, hellen Kerne heryor- treten lässt, während die mit Längsstreifen 'verschenen Sei- tenwände- lange. Zeit: Widerstand leisten. Diese müssen,, um mich des Ausdrucks zu bedienen, stärker verhornt 'sein, ‚als die trommelfellarlig ausgespannte. obere Haut, welcher; viel- leicht nicht alle Verhornung mangelt. 3... So lange die primitive Zelle in ihrem einfachen Zu+ stande den Kern umgiebt, trägt ‚dieser. alle Charaktere eines festeren Körpers an sich. Wie sich'aber bei den Muskelfasern, den Nervenfasern u. dgl. die Zellenwand auf Kosten des. Ker- nes weiter fortbildet. oder neue Substanz an ihr anlagert, wird er nicht nur in seiner Substanz resorbirt, sondern auch selbst in einen zellenartigen Körper, mit geschiedener Wandung um- geändert. Die,in seiner. Höhlung befindlichen Körperchen. lie. gen in ihm unbeweglich und scheinen .an der Innenfläche sei- uer Höhlung, also excentrisch zu haften, ‘wie Achnliches -ja 230 auch in zahlreichen Fällen an Pflanzenzellen vorkommt, Diese Metamorphose des Kernes scheint aber nur da einzutreten, wo an der Zellenwandung ‚mehr ‘oder minder verdiekte Längs- streifen oder Längsfäden vorkommen, 'wiean den Epithelialeylin- dern, den Muskelfasern, den Nervenfasern u. dgl. oder 'wo die Zellenwandung überhaupt fester wird und sich, mehr ausbil- det, wie an den Zellgewebefäden. In ersterem Falle wird der Niclas milchglasartig durchsichtig, in letzterem bleibt er offenbar fester und eonsistenter. Wo dagegen die Wand der primären Zelle unverändert bleibt und durch secundäre lok- kere Umlagerung die Entstehung des Gewebtheiles fernerhin bedingt wird, wie bei den centralen Belegungskugeln und den Ganglienkugeln, behält der Kern auch mehr seine frühere Be- schaffenheit. Hieraus erhellt aber, dass der Kern durch nach- folgende Umbildungen zellenartig hohl werden kann, ohne dass in ihm, wie bei dem ächten Knorpel, neue Kern- oder Zellenbildungen’ als Zellen in Zellen eingeleitet werden. Wie nun sich aber der Kern zu einer (freilich kernlosen oder mit einfachem oder mehrfachem Kerne versehenen) Zelle umän- dern kann, so tritt umgekehrt, wie wir bei den Gesetzen der seceundären Umlagerung bald sehen werden, die mit ihrem Kerne versehene primäre Zelle in vollständiger BE EREIB des Kernes der Umlagerungszelle auf. 4. Eine secundäre Umlagerung (Circumpositio seeunda- ria) sehen wir bei den‘centralen und den peripherischen Be- legungskugeln und dem Eie eintreten. Die primäre Zelle ent- steht mit ihrem Kerne, fanctionirt aber dann’ selbst wiederum als Kern, so dass ihr Nueleus in die Bedeutung eines Nucleo- lus tritt, ihre früheren Nucleoli zu Nucleolis zweiter Potenz werden. Um die Zelle lagert sich eine körnige durch ein helles Bindemittel zusammenhaltende Masse und um diese eine einfache Zellenmembran. In den Belegungskugeln scheinen, so weit die gegenwärtigen Vergrösserungen die Erforschung erlauben, die einzelnen Körnchen der Umlagerungsmasse nicht ferner ‘in kleinen Zellen eingeschlossen zu werden. ‘An ihr 251 aber können neue Nuclei entstehen, welche sich mit hellen ; ı umgeben, ja währscheinlich die Formation neuer Gang- lienkugeln zu veranlassen im Stande sind. In dem Eie ent- stehen in der Umlagerungsmasse neue Zellen, welche nach den Gesetzen der thierischen Fettbildung die Formalion der Dotierkugeln veranlassen und andere, welche oflenbar eine hö- here Bedeutung haben und mit ihren Metamorphosen auf die Entwickelung der Theile des Embryo direeter einwirken, Denken wir uns nun, dass: die heterogene Umlagerung (Cir- enmpositio heterogenea) ein Grundgesetz aller organischen Bil- dung ist, so liefern die Belegungskugeln als der Ausdruck der edelsten Theile des individuellen Wesens, das Ei als das Grund- glied des Geschlechtes, Beispiele von heterogener Umlagerung in zweiter Potenz. 5. Bei der einfachen oder zwiefachen heterogenen Umla- gerung scheint für die Consisienz des Zelleninhaltes die des Inbaltes oder der Hauptmasse des Kernes ein Bestimmungs- glied zu sein. Der feste Kern der einfachen Zelle oder der erste bei der zwiefachen Umlagerung wird von einem durch- siehtigen, gleichartigen, flüssigen Zelleninhalte umgeben. Bei der' zweiten Umlagerung der zwiefachen Circumposition .dage- gen lagert sich eine zum grossen Theile aus soliden Körper- ehen bestehende Masse um die als Nucleus wirkende mit flüs- sigem. Zelleninhalte versehene primäre Zelle ab. 6: Die Verhältnisse des Kernes scheinen bei beiden Ar- ten der Umlagerung ebenfalls einigen Unterschied darzubieten. Bei der einfachen Umlagerung und der ersten der zwiefachen wird er oft mehr oder minder platt, oft lünglieh. Der Nuc- leus der zwiefachen Umlagerung oder die frühere: Zelle (dev keimbläschenartige Kern der Belegungskugel und das Keim- bläschen des Eies) bleibt rund und wird höchst ‚selten, viel- leicht nie auffallend länglich. 7. Die Primitivfasern sowohl des ceniralen, als des pe- ripherischen Nervensystemes nähern sich zwar ihrer Entste- hungsweise nach der Entwickelung der‘ Muskelfasern, indem 232 offenbar ihre primären Zellen sich confervenartig über einan- der stellen, ihre Zwischenwände und ihre Kerne verlieren , und ihren eigenthümlichen Inhalt erhalten. Allein auffallend ist es, dass bestimmt bei den centralen Primitivfasern und wahrscheinlich auch den peripherischen die primären Zellen von einem leisen Körnchenanfluge, gleichsam einer rudimen- tären Andeutung zwiefacher Circumposition umgeben werden. Denkt man sich, wie eben angedeutet worden, dass die zwie- fache Umlagerung der Ausdruck einer höheren Stufe der Bil- dung sei, so kann man diese Vorstellungsweise weiter fort- spinnen und annehmen, dass die Nervenprimitivfasern wenig- - stens durch eine rudimentäre transitorische zwiefache Circum- position ihre höhere Würde andeuten. 8. An den Wandungen der primären Zellen der Nerven- fasern. gehen jedenfalls ebenfalls wesentliche Veränderungen vor. Sie werden grauweiss und granulirt. Wie sie sich spä- ter verhalten, ist durch Erfahrung noch nicht ermittelt. - Je- denfalls ist die Membran, welche in den ausgebildeten Primi- tivfasern den Nerveninhalt unmittelbar einschliesst und welche ich jetzt als Begrenzungshaut von dem Nerveninhalte und der Scheide der Nervenprimitivfaser unterscheide, auf keinen Fall einfach. ‘Auf geeigneten schiefen Schnitten sieht man an ih- rer Innenfläche sehr regelmässige, einander kreuzende, schiefe oder spiralige Linien, ähnlich denjenigen, nach welchen auf flimmernden Häuten die Flimmereylinder gestellt sind. Abge- sehen nun von der immer noch mehr zu vermuthenden, als mit voller Sicherheit nachzuweisenden Flimmerbewegung an der Innenfläche der Begrenzungshaut bietet gerade das grau- weisse granulirte Aussehen an den Seitenwandungen der pri- mären Zellen der Nervenprimitivfasern in dem oben erwähn- ten Mittelstadium grosse Aehnlichkeiten der Farbe und Gestalt mit dem Ansehen der Wandungen von jüngeren Flimmerey- lindern dar. Wiewohl auf solche äussere Achnlichkeiten kein irgend sicherer Schluss gebaut werden kann, kann die hier berührte doch wenigstens so viel lehren, dass die Begrenzungs- 233 haut der Nervenprimitivfasern auch ihrer Entstehung nach sicher keine einfache structurlose Membran ist. 9. Bei denjenigen Geweben,. deren primäre Zellen sich confervenartig über einander stellen, bleiben die einander be- rührenden Zwischenwände nicht einfach, sondern verdicken sich, wie bei den Muskelfasern und zum Theil bei den Ner- venprimitivfasern zu sehen ist, ebenfalls ein wenig, ehe sie ihren Resorptionsprocess eingehen, um nach ihrem Schwinden ‚eine fortlaufende Höhlung der Faser zu erzeugen. Ueber die zwiefache mögliche Bedeutung dieser Verdickung ist schon oben bei den Muskeln. das Nöthige angeführt worden. 40. Wiewohl bei den genannten faserigen Gebilden die Zellenwandungen, vorzüglich die seitlichen, und der Kern in einem gewissen Antagonismus: zu einander stehen, ‚so schliesst dieses doch ihr beiderseitiges Wachsthum nicht aus. Indem die Zellen der Muskel- und Nervenfasern sich verlängern, wer- den auch ihre Zellen grösser und länglicher. Selbst bei den Belegungskugeln und dem Eie wachsen die. keimbläschenarti- gen Kerne und die Keimbläschen mit ihren umgebenden :se- eandären Zellen noch etwas fort. Auch die Kerne der Zel- lenfasern sind grösser als die der primären Zellen und länglich. 11. : Wenn nun durch eine ‚Reihe von Metamorphosen bestimmt charakterisirte Gewebtheile entstanden sind, so bil- „den sich an und auf diesen Anlagerungsformationen, welche Häute oder Scheiden eines Theiles oder beiderlei Arten von Gebilden hervorrufen. Die erstere Formation bildet die Grund- lage und bestimmt die wesentliche Bedeutung des Gewebthei- les. Bei den Capillargefässen entstehen durch sie die inneren Häute.derselben. Die Bahnen des Blutes, die von den übrigen Parenchyın geschiedene selbstständige Natur der feinsten Blut- gefüsse wird dadurch bestimmt. Ist dieses geschehen, so la- gern sich dicht nach aussen von dem äusserst dünnhäutigen Capillargefässe eigenthümliche Zellenkerne und Zellenfasern, welche endlich in eylindrische Fasern und das fadig aufgereihle Epithelium übergehen, ab. Ganz als solche Anlagerungsbildun- ft 234 gen sind ‚die mittleren und äusseren Häute der Arterien und Venen, so wie selbst die Muskelsubstanz des zuerst schlauchför- migen Herzens anzusehen. Hieraus folgte dann, dass man sich das ganze Blutgefässsystem als ein Netzwerk denken muss, dessen überall ununterbrochene Innenhaut die verschmol- zenen und später noch die metamorphosirten Zellenwandungen sehr zahlreicher primärer Zellen darstellt. Die Blutkörper- chen treten so wieder in die Bedeutung von Zellenkernen, die Blutflüssigkeit in die des flüssigen Zelleninhaltes.. Die Zellen, welche an der Innenhaut der Blutgefässe im Embryo wahrge- nommen werden, erschienen als Zellen, welche in Zellen und zwar an der Innenfläche der Wandung derselben entständen. Durch verschiedenartige Anlagerungssubstanzen ‘würden die Unterschiede des Herzens, der mannigfachen Nebenherzen, der Arterien und der Venen hervorgerufen. Bei den Elementen des Nervensystemes lässt sich eine ähnliche Anlagerungsmasse nachweisen. An den Ganglienku- geln entstehen, wie die Beobachtung lehrt, nach aussen von der Zellenhaut, Zellenkerne, Zellen und Zellenfasern und aus ihnen die sogenannten Scheiden der Ganglienkugeln ‘und de- ren Scheidenfortsätze®). An den peripherischen Nervenprimi- tivfasern bilden sich nach aussen von der granulirt und grau- weiss gewordenen primären Zellenwand ebenfalls Zellenkerne und Zellenfasern, woraus die Scheiden hervorgehen. In dem *) Die Bedeutung dieser Scheidenfortsätze oder der sogenannten organischen Nervenfasern ist morphologisch darauf reducirt worden, dass man sie mit embryonalen Nervenfasern verglich. Offenbar ist dieses auch insofern vollkommen richtig, als hier, wie in den em- bryonalen Nervenfasern neben einer geringen Anzahl von Nervenfasern zahlreiche Gebilde vorkommen, welche nicht wesentlich zu dem nach Gehirn und Rückenmark leitenden Theile des Nervensystems gehören, die also schon deshalb, — was physiologische Versuche auch bestä- tigen — keine motorischen Kräfte haben können, deren Function viel- mehr vermuthlich mit den Ganglienkugeln, von deren Scheiden sie ausgehen, io inniger Beziehung sich befindet. 233 centralen Nervensysteme ist, wie das Studium des ausgebilde- ten, wie des embryonalen Zustandes deutlich lehrt, diese Än- lagerungsbildung geringer, ja fehlt zum Theil vielleicht gänz- lich, was neben der grösseren Weichheit der centralen Theile ‚einen sehr wesentlichen Unterschied zwischen diesem und dem peripherischen Nervensysteme bedingt. 42. Endlich erfolgt bei soliden Nucleis oder Nucleolis eine weitere Fortbildung, welche ich mit dem Namen der eoncentrischen Ausbildung bezeichnen möchte. In dem Nu-' eleus oder Nucleolus erscheinen Kerngebilde, welche in einiger Distanz von zellenartigen einfachen oder mehrfachen Ringcon- touren umgeben werden, als wolle die Natur hier neue in- nere Zellenformationen andeuten. In den Keimflecken vieler wirbellosen Thiere, wie z. B. der Seeigel, der Muscheln, der Cephalopoden u. dgl. und selbst in denen der Wirbelthiere finden wir, wie auch Wagner schon wahrgenommen hat, in der Mitte ein oder mehrere solide Körperchen, um diese in einiger Entfer- nung die Liniencontouren eines ringartigen Halo, bisweilen um diesen noch eines zweiten u. s, f. Aehnliche Körnchen und Bildungen sieht man in den Kernen der Blutkörperchen der Frösche, ‚der Eidechsen: u. dgl. Wo dagegen der Kern ver- möge seines Entwickelungsganges seine solide Natur ‚und 'seine gelbliehe oder ‚gelbröthliche Subslanz verliert, scheinen Mela- morphosen der Art nie einzutreten. Beschreibung nebst Abbildungen des Zwerch- felles einer ausgewachsenen weiblichen Phoca vitulina*). Von Professor Dr. M. I. WEBER in Bonn. (Hierzu Taf. VI. — VII.) Burow sagt in seinem Aufsatze über das Gefässsystem -der Robben:**) „Als ich demnächst nach oberflächlicher Untersu- chung gefunden hatte, dass der bekannte und vielfach beschrie- bene Blutbehälter unterhalb des 'Zwergfelles unmittelbar in die enge untere Hohlvene überging, glaubte ich, in der"Sub- stanz des Zwergfelles würden. an der Durchtrittsstelle Ring- fasern eingewirkt sein, die das im Venensacke angesammelte Blut durch ihre Contraction absperren könnten. Leider aber fand ich, dass die Umgebung ‘der untern Hohlvene im Dia- phragma aus tendinösem Gebilde bestände. Ich hatte demnach bereits diesen Gedanken aufgegeben und das Herz in Verbin- dung mit den Hauptgefässstämmen der untern Hohlvene sammt dem Theil des Zwerchfelles, den sie durchbohrt, herausgenom- NY *) Ein ergänzender Beitrag za den von mir in der zweiten Samm- lung der Analecten für vergleichende Anatomie von Herrn Professor Mayer Seite 64, 65 und 66 mitgetheilten Beobachtungen über Thy- mus, Herzbeutel, Herz und Venenplexus einer vollkommen ausge- wachsenen weiblichen Phoca vitulina. "*) In J. Müllers Archiv 1838. 2, Heft. S. 232. I 237 men, als ich in der Wand des Gefässes selbst gleich oberhalb des Diaphragma einen Ringmuskel fand, \der’die Breite eines Fingers und eine sehr beträchtliche Dicke hatte.“ Ich habe das Zwerchfell einer vollkommen ausgewachsenen weiblichen Phoca vitulina ganz frisch und in Situ. untersucht, und ausserdem ein Zwerchfell einer jungen Phoca vitulina, welche sich nebst den Brust- und Unterleibseingeweiden in der Sammlung von Albers in Weingeist aufbewahrt findet. Meine beiden Untersuchungen über, den in Rede stehenden Gegen- stand ‚stimmen vollkommen mit einander überein, weichen da- gegen vollständig von Burow’s Angabe ab. Nach meinen Untersuchungen ist das Zwerchfell der Phoca vitulina dem grössten Theile nach, muskulös, und. die,.Pars tendinea überhaupt so wenig entwickelt, dass man fast ver- sucht wird, ein eigenthümliches Centrum tendineum. diaphrag- malis zu läugnen. Doch fehlt dieses in der That nicht, ist aber höchst eigenthümlich und so, wie ich es bisher bei keinem anderen Säugethiere vorgefunden habe, entwickelt. Wenn man das Zwerchfell an seiner Bauchhöhlenfläche betrachtet, so besteht dessen Centrum tendineum mur aus ei- nem schmalen sehnigten Ring, welcher sich .an der, Stelle, wo gewöhnlich die Vena cava inferior, das Zwerchfell durch- dringt, befindet, und von dem zu beiden Seiten zwischen dem Lenden- und Rippentheil- des Zwerchfelles zwei schmale, bandförmige Streifen oder Schenkel auslaufen, Taf. VI. a. a. Annulus tendinosus. ‚. 2. Crura tendinosa diaphragmatis. \ Betrachtet man das Zwerchfell an seiner Brusthöhlenflä- che, so ist der grösste Theil des sehnigten Ringes. des Cen- trum tendineum von ‚einem ringförmigen Muskel bedeckt, ‚so dass man vorzugsweise nur die Crura tendinosa wahrnimmt. Taf. VII. a. a. Ein kleiner Theil des Annulus tendinosus. b. b. Crura tendinosa, diaphragmatis. c, d. e. Musculus orbi- eularis diaphragmatis. Der sehnigte Ring des Centrum tendineum diaphragmalis * 238 bildet aber nicht, wie man vermuthen sollte, die Durehtritts- stelle für die Vena cava inferior ‚oder das sogenannte Fora- men’quadrilaterum seu venae cavae inferioris, sondern diese Oefl- nung wird von dem eben vorhin erwähnten Ringmuskel, e. d. e. gebildet, welcher sieh vor’ und innerhalb des Annulus tendino- sus diaphragmatis befindet, und wodurch sich das Zwerchfell dieses Thieres und der Durchtritt der Vena cava inferior, in- dem dureh ihn die Hohlvene zusammengedrückt und der Zu- iritt des Blutes zum Herzen’ verhindert werden kann, ganz besonders ausgszeichnet. Dieser Ringmuskel ist dünn und platt, nicht gleichförmig gerundet, sondern mehr eiförmig, in- dem er nach rechts und oben viel breiter, als nach links und unten ist; ausserdem ist er trichterförmig gegen die Brusthöhle hin vertieft; seine eoneave Bauehhöhlenfläche ist nieht von dem Bauchfell überzogen, sondern dureh kurzes 'Zellgewebe mit dem grossen Venensack, welchen die Venae cavae inferio- res und Venae hepaticae unmittelbar hinter dem erwähnten Muskelring und innerhalb des selinigten Ringes des Centrum tendineum diaphragmatis bilden, verbunden; die convexe Brust- höhlenfläche ist von dem Brustfell überzogen. Taf. VI. und VIE ce. Breiter Theil des Muskelringes: d. Schmaler Theil. e. Foramen venae cavae inferioris. Der eben beschriebene Muskelring gehört nicht der Wand der hintern Hohlvene selbst an, wie Burow behauptet, son- dern ist ein integrirender Theil des Zwerchfelles selbst. Man überzeugt sich davon auf das Bestimmteste, wenn man den Muskelring von der Brusthöhlenfläche aus mit Vorsicht prä- parirt; wobei man gewahr werden wird, dass er an drei Stel- len, nämlich 1) nach oben und rechts; 2) nach links und un- ten, und 3) nach rechts und unten, und zwar hier besonders durch drei kleine kreisförmig verlaufende Muskelportionen, mit dem 'sehnigten Ring des Centram tendineum. diaphrag- matis innig verwebt ist, so wieer anch einen starken Ast vom rechten Neryus phrenicus, erhält. Taf. VII. Der soviel als möglich frei präparirte Muskel- 233 ring ist durch Haken emporgezogen, damit man die Stellen, wo er mit dem sehnigten Ring des Centrum tendineum ver- wachsen ist, schen kann. a.a.a.a.d.d. Annulus tendinosus et crura tendinosa. c. ce. c. c. Breiter Theil des Muskelringes. “d. Schmaler Theil des Muskelringes. e. Foramen venae cavae inferioris. 1) Verbindung nach oben und rechts. 2) Verbin- dung nach unten und links. 3) Verbindung nach unten und rechts durch drei besondere Muskelportionen. 4) Rechter Ner- vus phrenicus. 5) Ast des Nervus phrenicus zum Musculus orbieularis diaphragmatis der Phoca vitulina. 6) Arteriae phre- nicae superiores. . 7), Hiatus oesophageus. Anmerk. Ich habe so eben das Zwerchfell von Delphi- nus phocaena untersucht. Auch hier findet sich ein ähnlicher Muskelring wie bei Phoeca vitulina. Hornstoff in Kröpfen. Vom ’ Medicinalrath Dr. Tourrtuar in Münster. e Nor Kurzem fand ich Gelegenheit, ‚drei krankhaft vergrös- serte Schilddrüsen von unbekannter Abkunft zu untersuchen, welche mehrere Jahre lang in Weingeist aufgehoben und wohl- erhalten waren. Das Ergebniss dieser Untersuchung scheint mir der öffentlichen Mittheilung werth und lege ich es daher in diesen Blättern nieder. Diese Kröpfe sind ungefähr von gleicher Grösse, nämlich der dreifachen einer gesunden ausgebildeten Schilddrüse und gehören. derselben Productionskrankheit an, welche sich durch Einsprengung einer härtlichen, bernsteinfarbigen und durch- scheinenden Substanz mit Verdrängung des Drüsengewebes kund giebt. Das Organ ist äusserlich in Farbe nicht verän- dert, aber an den kranken Stellen härter, die Zellgewebekap- sel ist normal, die Entartung hat sichtlich in der Tiefe der Lappen begonnen und ist peripherishiß fortgeschritten , so dass die oberflächlichen Theile hin und wieder noch ihre gesunde Structur behalten haben, der Isthmus ist am wenigsten alie- nirt. Die drei Exemplare stellen das Afterprodukt in vier Stu- fen der Entwickelung dar. a) Erstes Exemplar, zeigt das erste Stadium. Aeusser- lich sieht man ausser einer stärkeren Sonderung der Lappen, in welche die Hörner durch die Furchen für die Zweige der u 24 oberen und unteren Schilddrüsenschlagader oberflächlich ge- schieden werden, keine qualitative Abweichung. Die Furchen sind nämlich stärker vertieft und die Blutgefässe ansehnlich erweitert. Die Schnittflächen, sowohl nach seitlich. als rück- wärts gerichteten Ineisionen, sind mit Ausnahme der weichen Rinde gleichmässig härtlich und hellbraun. Bei genauerer Be- lrachtung zeigt sich die krankhaft gebildete Substanz: überall als unzählige dunkle Pünktchen eingestreut, von denen die kleinsten wie feine Nadelstiche und fast mikroskopisch, die grössern wie Senfkörner sind. Das Drüsengewebe zwischen den Pünktchen ist heller, aber verdichtet und nimmt noch einen grösseren Raum als diese selbst ein. Die Substanz der Pünktchen lässt sich mit der Messerspitze leicht herausheben wobei eine zellenartige Vertiefung zurückbleibt, und erschei alsdann dunkelbraun, zerreiblich und von der Consistenz einer ‚ festen Gallerte. Diese Körperchen sind nicht ganz gleichmäs- sig verbreitet, sondern in kleinen nahe beisammenliegenden Gruppen, welche von grauen Streifen polygonarlig eingefasst werden. Diese Striche sind die Durchschnitte der Zellgewebs- gränzen, in welche zugleich die dem freien Auge noch sicht- baren Gefässzweige verlaufen. Jedes Polygon umfasst ein Läppehen hellbrauner Drüsensubstanz sammt den dareinge- streuten Körperchen. Beim Versuche, die Läppchen durch Dehnung von einander zu trennen, stellen sie sich als läng- liche, eckige, an der Oberfläche glatte Drüsentheilchen dar, welche durch straffes Zellgewebe verbunden werden, und ihr Zusammenhang ist so fest, dass es zur Trennung schon eini- ger Kraft und der Nachhülfe durch das Messer bedarf. Am deutlichsten sieht man- diese im Aeussern den Acinis der conglo- merirten Drüsen nahekommende Bildung in der Nähe der Ober- fläche, wo die‘ Masse weicher und das parenchymatöse Zell- gewebe minder fest ist; letztes wird in der Tiefe sehr kurz, wodurch die Lappen enger zusammentrelen. b. Zweites Exemplar, stellt neben dem gesunden Bau der Drüse an der ‚Spitze des linken’ Hornes’ das zweile Müllers Archiv 4810. 5 16 42 Kropfstadium im miltlern und das dritte im untern Theile dieses Hornes mit stellenweise nach unten zunehmender Härte des Gewebes dar. Diese drei Zonen werden durch lockeres Zellgewebe zusammengehalten, während das Zellgewebe in je- der derselben straff ist, so dass sie halb gesondert unter ein- ander liegen. Unten sin die dunklen Punkte bis zu einer halben Linie und mehr im Durchmesser angewachsen und da- her in jedem Läppchen einander näher gerückt und von der sehr verdünnten helleren Drüsensubstanz wie von Zellen um- geben. Der Umfang der Läppchen hat durch die Vergrösse- rung der parasitischen Substanz sich ausgedehnt und in der Gestalt sich mannigfach verändert, einige erscheinen kreisrund, andere elliptisch, wieder andere wie ausgeschnitten. Die ehr oberflächen Septula sind breiter und lockerer geworden, die tiefer liegenden aber noch dicht geblieben und werden von jenen concentrisch umschlossen, wodurch ein eingeschach- teltes Ansehen entstanden ist. Die braune Substanz lässt sich mehrentheils in bröckeligen Körncehen auspressen und man be- merkt hierbei zarte Zellgewebskapseln um dieselben. ec. Drittes Exemplar, führt das dritte und vierte Sta- dium vor Augen. Die Oberfläche der Drüse hat hier eine noch grössere Härte und fühlt sich uneben und. knotig an, die grössten dieser Knoten sind blaulich und lassen beim Einschneiden einen sphärischen grüngelben oder bräunlichen und durchscheinenden Körper von der Consistenz des Kernes der Crystallinse hervortreten, welcher in einer dünnen Kap- sel liegt, die inwendig die Glätte einer serösen Haut hat, je- doch ohne die Festigkeit derselben erreicht zu haben, vielmehr sich wie Zellgewebe auseinander ziehen lässt und durch Ver- _ diehtung desselben entstanden gleichsam ‚eine Uebergangsstufe zu den serösen Häuten bildet. ‚Die Kugeln befinden sich nur in Berührung, nicht in srganiseheinl Zusammenhange mit die- sen Hüllen, so dass man. sie leicht herausnehmen und keine Fäden in sie hineinverfolgen kann. Die Grösse der Ku- geln varüirt bei den meisten zwischen einer und .drei Linien 243 Direifßiser, ihre Substanz ist fester als die der Klümpchen, aus welchen sie erzeugt sind und nicht mehr bröcklig, sondern elwas elastisch, durch starken Druck mit glatter Bruchlläche -sieh trennend; an der Luft wird sie noch härter und ihre Ober- fläche trübe, Zwischen den Kapseln nahe der Oberfläche des Organs sieht man das Drüsengewebe nur an wenigen Stellen gesund, grösstentheils auf die sub « und B beschriebene Weise alienirt. Die Bildung grösserer Kugeln mit diekhäutigen Hül- len bezeichnet das dritte Stadium der Metamorphose. Trennt man senkrecht die Mitte des einen Lappens, so bietet sich ein eleganter Anblick dar. Die Durchschnitte grösserer und klei- nerer Kugeln von ihren Kapselwänden umsäumt und zart ge- fügt füllen die Fläche, die Interstitien der grösseren nelh-. A men die kleineren ein, welche mit’eingebogenen Rändern der Gestalt jener sich anschmiegen. Das Ganze wird von einer gemeinsamen grossen Kapsel eingehüllt, von welcher die Kap- seln der einzelnen wie bei den Acephaloeysten Unterabthei- lungen bilden. Die Farbe der Kugeldurchschnitte ist um so dunkler, die Pellucidilät um so geringer, je grösser ihr Um- fang, der grösste nahe der Mitte ist oval und misst in die Länge beinahe acht Linien. Die grösseren Kugeln sind in verschiedenen, häufig concentrischen Richtungen von trüben Linien durchzogen und wie Marienglas gebrochen, an diesen Stellen hängt die Masse lockerer in sich zusammen und lässt sich, ähnlich den Zwiebelsehichten, leicht trennen, jedoch ohne intermediäres Gewebe, woraus folgt, dass das Wachsthum die- ser Producte wie bei den steinigen Conerementen, den Horn- geweben und dem Zahnbeine, durch Apposition und zwar mit völligem Verschwinden der Drüsensubstanz geschehen ist. Ohne Zweifel sind die Capillargefässe im Innern der Drüsenläppchen als der Mutterboden für die pathische Bildung anzusehen, sie haben die durchscheinende Materie abgesondert, gleich wie die röthliche Flüssigkeit, welche man zuweilen bei gesunden Schilddrüsen in Höhlungen ihrer Läppchen findet; um den abgesonderten Theil bildet sich eine neue und wieder neue = * 16° u. 214 Pe “ Schicht, welche ihn vergrössert mit eleichzeittger Alige des Drüsengewebes, und das parenchy matöse Zellgewebe macht durch Verdichtung die feinen Bälge um die Körnchen. Indem die Klümpchen sich erweichen, verschwinden diese Bälge eben- falls, die Klümpchen schmiegen sich einander an und bilden die Kugel, welche den ganzen Raum eines Läppchens aus- füllt und von dem das Läppchen einhüllenden Zellgewebe wie von einer Kapsel umzogen wird. Mehre solche Kugeln ver- einigen sich wieder zu grösseren, die Kapseln zwischen ihnen schwinden und als Spuren derselben bleiben die glasartigen Brüche zurück. Diese zusammengesetzten Massen weichen »ach der Art ihres Zusammenfliessens mehr oder minder von der Kugelgestalt ab, indess bleibt an der Gränze die rundliche Form immer die vorherrschende. Dass es bis zur Verwand- lung der ganzen Schilddrüse in eine, von ihrer Zellgewebs- haut wumschlossene Parasitenkugel kommen könne, scheint nach diesem Präparate nicht, weil früher das vierte Stadium, das der Erweichung, eintritt. Es haben sich nämlich in den grösseren Kugeln undurchsichtige weisse oder gelblichweisse Kerne gebildet, an mehreren Stellen sieht man die Anfänge derselben als Pünktchen, welche zu Kernen verschmelzen. Diese Veränderung hebt überall in der Tiefe der durchsichti- gen Körper an und breitet sich wiederum nach der Oberflä- ehe, jedoch nicht strahlenförmig, aus. Die weissen Körner sind schon bei ihrem Entstehen weicher als die durchsehei- nende Substanz, die bereits gebildeten grösseren Körner wer- den schmutzig gelb und markähnlich wie bei Erweichung von Tuberkeln. Es ist durch die Analogie der Tuberkeln und das Vorkommen aufgebrochener und fistulöser Kröpfe wahrschein- lieh, dass sie am Ende sich in Eiter verwandeln, obwohl die vorliegenden Präparate diesen Ausgang nicht nachweisen. Die beschriebenen den Bernsteinkorallen nieht unähnlichen Körper sind wohl dieselben, welche frühere Beobachter un- ter, dem Namen Knorpel als Inhalt der- Kröpfe angegeben ha- ben. J. Fr. Meckel (Handbuch der menschl. Anatomie, % AR Bd. 4. 8.452) hat die regelwidrigen Bildungen in der Schild- drüse für Wiederholungen normaler Systeme, nämlich serö- ser, mit Flüssigkeiten angefüllter Bälge, Knorpel, Faserknor- pel und Knochen gehalten. J. Müller hat jene Körper eben- falls gesehen und als eine durchscheinende Materie bezeichnet, welche in den ausgedehnten Zellen der Schilddrüse vor- komme und leicht fest werde (Physiologie, Bd. 1. S. 575). Die Substanz derselben ist meines Wissens noch von Niemand näher untersucht ‘worden. Mir schien sie beim ersten An- bliek den Gelenkknorpeln sehr nahe. zu kommen, welches die Ansieht erweckte, als sei diese Degeneration den von Müller in dem Knochen und in der Parotis gefundenen und als Enehondrom von ihm bezeichneten Knorpelgeschwülsten, wo nicht identisch, doch meistens nahe verwandt. Derselbe beschreibt nämlich die Struetur dieser Geschwülste als: aus zwei Geweben bestehend, einem fibröshäuligen, welches eben- ” falls Zellen bilde, und, einer in den Höhlungen derselben lie- genden, durchscheinenden, graulichen, bröckligen Materie, welche er die hyalinische Substanz nennt und den Knorpeln der Knor- pelfische vergleicht, weil sie weicher als Gelenkknorpel sei, mikroskopisch sich genau wie Knorpel verhalte und nach lan- gem Kochen entweder reinen Leim oder wenigstens Leim gelatinirende Materie Beben; welche letzte s den permanenten Knorpeln und in den Knorpeln pelfische, nicht im Knochenknorpel finde und sich vom eigent- lichen Leim durch Fällung auf Zusatz von Essigsäure, essig- . saurem Blei, Alaun, schwefelsaurer Thonerde und schwefel- saurem Eisenoxyd unterscheide. (Siehe dessen Rede zur Feier des 12ten Stiftungstages des Königl. Friedrich- Wilhelms-In- slituts, gehalten am 2ten August 1836). Meine Vermuthung wurde indess durch die chemische 8 welche ich unter Mitwirkung des Herrn Apo- ; veve anstellte, nieht bestätigt. Es zeigte sich näm- die durchscheinende Substanz der Kröpfe beim Ko- ‚Leim oder gallertähuliche Materie absetzte, viel- 246 mehr hinsichtlich ihrer Schwerauflöslichkeit und ihres Verhal- tens gegen Reagentien ganz dem Charakter der Mpsittewöhb entsprach; denn 1- Destillirtes Wasser löste erst nach erlügig tn Digeriren bei 80° R, eine sehr geringe Menge dieser Substanz auf. Die klare Flüssigkeit wnrde durch eine Auflösung des Zinnchlorids schwach getrübt, und wässeriger Galläpfelauszug bewirkte in ihr keine Veränderung. 2. Essigsäure nahm gleichfalls erst nach mehrtägigem Digeriren unter starker Anschwellung einen Theil der Sub- stanz auf, welche nach dem Abdampfen als eine in Wasser unlösliche Materie zurückblieb. 3. Concentrirte Schwefelsäure löste in mittlerer Tem- peratur nichts auf, allein die Substanz wurde durch sie dunk- ler und aufgeweicht. Nachdem sie nun abgewaschen worden war, löste sie sich iheilweise in siedendem Wasser auf und wurde die Auflösung dnreh Galläpfelauszug und Quecksilber- chlorid getrübt. Die Auflösung erfolgte auch durch Schwe- felsäure unter Mitwirkung der Hitze. a 4. Salpetersäure bewirkte eine ähnliche Aufweichung wie die Schwefelsäure und färbte die Substanz gelb, Ammoniak veränderte die gelbe Farbe in eine röthliche und brachte zu- letzt eine. othgelbe Auflösung zu Wege. 5. Aether und Alkohol entzogen der Substanz Wasser und etwas Fett, wodurch sie hart und brüchig wurde. Hier- auf wurde sie durch Salzsäure blaulich gefärbt, welche Farbe durch Salpetersäure in Orange verwandelt wurde. 6. Kausischer Kaliliquor löste in der Siedhitze die Sub- stanz unter Entwickelung von Ammoniak und einem widrigen Geruch leicht auf und bildete damit eine seifenartige Verbin- dung, die alkalisch reagirte und in Wasser unter Abscheidung eines grünlichen Pulvers sich leicht auflöste, Säuren schlugen diese "Auflösung nieder, wobei sich ein Geruch nach ‚Schwe- | felwasserstoff entwickelte. N 7. Am Lichte entzündet, schwoll die Substanz und |‘ * e:7 “ ® 247 verbrannte mit heller Flamme und dem eigenthümlichen Ge- ruche des gebrannten Hornes, wobei eine etwas glänzende Kohle mit sehr geringer Menge Asche zur ückblieb. 8.. Auf angefeuchtetem Lacmuspapier zerdrückt, bewirkte sie eine leichte Röthe desselben. Es ergab sich hieraus, dass die untersuchten durchschei- nenden Körper gleich den Horngeweben grösstentheils aus Hornstoff bestanden und ausser diesem noch Wasser, etwas fettes Oel und einen sehr geringen Antheil von Schwefel, Oxyden, Salzen und Säure enthielten. Die Substanz der in diesen Körpern gebildeten weissen Kerne reagirte auch schwach sauer, wurde, in der Wärme getrocknet, härtlich, zähe und ee und verbrannte ebenfalls mit Flamme unter dem Ge- ruche gebrannter Federn. Sie bestand also wohl aus densel- ben Stoffen aber mit einem grösseren Antheile Wasser. x Accidentelle Bildung von Hornsubstanz kommt, abgesehen von den Hypertrophien natürlicher Horngebilde, der Epidermis und Nägel, des Epithelii, so viel bisher bekannt, im mensch- lichen Körper nur in zwielacher Gestalt vor, in der linearen als Haare und in der konischen, letzte entweder mit einwärts en so Scheitel als Leichdorne oder mit auswärts gekehr- tem "als Hörner; ihre Existenz in sphärischen Massen, so sehr abweichend von der normalen Form der Horntheile im Men- schen und den Thieren, ist bisher nicht nachgewiesen worden. Jene zufälligen Productionen hat man auch mehrentheils nur auf dem natürlichen Mutterboden der hornigen Gewebe entste- hen sehen, so das Horn in der äussern Haut, woselbst es sich am häufigsten in besondern, innerhalb der Cutis gelegenen Cysten entwickelt, das Haar in der vom Epithelio bekleideten Schleimhaut oder in Bälgen des Corii, welche zugleich mit einer der Hautsalbe ähnlichen Materie angefüllt und wahr- scheinlich durch Erweiterung von Talgdrüsen entstanden wa- ren, und gleichsam nur ausnahmsweise in den sehr producti- ven Bi. Eierstock und Hoden, hier wiederum mit Fett gemeng neugebildeten Cysten, nicht zu "gedenken seines = 248 höchst seltenen Erscheinens in der vorderen Augenkammer. Hier in der Schilddrüse erscheint das Horngewebe wiederum auf einem, seiner natürlichen Erzeugung ganz fremden Boden, und der merkwürdiger Weise‘zum Ovario und Hoden in phy- siologischer Beziehung steht; auch hier hat es sich in beson- deren häutigen Hüllen entwickelt. Das Auftreten der weissen Substanz im Innern der sphä- rischen Körper, nachdem dieselben bis zu einem gewissen Um- fange gediehen sind, die regelmässige Ausbreitung und Erwei- chung derselben, wobei sie die Consistenz von weichem Käse annimmt, kann dem Weicherwerden der .Nagelwurzeln, ‘Hufe und Haarwurzeln, welches durch krankhafte Secretion des die Horngewebe bildenden gefässreichen Organs entsleht, nicht verglichen werden, weil es an den von der absondernden Kap- sel entferntesten Punkten zuerst sichtbar wird, soudern weist wohl auf nicht gänzliches Fehlen vegetativen Lebens in der bereits gebildeten Hornsubstanz selbst hin, und verei- nigt sich mit anderen eben dahin deutenden Erscheinungen in den Haaren, wie das Trocken-, Brüchig- und das Durch- ‚scheinendwerden der Haare nach erschöpfenden Krankheiten, _ wie in manchen dyskrasischen und andern chronischen Uebel, welches man wohl Atrophie der Haare genannt hat, das so- genannte Angefressensein derselben, die Absonderung einer klebrigen Materie aus ihnen beim Weichselzopfe, das oft schnell eintretende Erbleichen der Haare, welches auc ı dann, wenn es in Folge des Alters sich einstellt, an den Spitzen anzufan- gen pflegt, die seltene Verdunkelung oder sonstige Farbenver- änderung des Haares bei Menschen und Thieren, das Weiss- werden des Pelzes mancher Thiere im Herbste u. s. w. Die Uebereinstimmung dieses Verhaltens der Hornkugeln mit dem in den Lungentuberkeln statlfindenden organischen Processe möge eine kurze Zusammenstellung beider rechtferti- gen. Beide Afterproduele entstehen durch krankhafte Secre- tion, der Tuberkel auch meistens in einer durch Verdichtung des Zellsiofles erzeugten serösähnlichen Hülle. Das. Wachs- „ 249 thum scheint bei beiden durch schichtweise Anlagerung' zu er- folgen. Beide eniwiekeln sich aus einem kleinen Körperchen, welches nach allen Seiten hin sich vergrössert, und eine rund- liche Form annimmt, die indess beim Tuberkel nicht so re- gelmässig, mitunter eckig ist. Der Anfang des Tuberkels, Laennec’s Miliar-Tuberkel, ist aber grau und anfangs gallert- artig, demnächst hart (denn die hydatidenähnliche Entstehung aus einer Flüssigkeit in einer Blase scheint noch nicht genü- gend erwiesen), der der Hornkugel braun, weich und eben- falls mit fortschreitendem Wachsthum härter werdend. Der Tuberkel wird im Wachsen opak und gelblich weiss, er ist ferner zwar hart, aber doch zerreiblich, der Hornparasit hin- gegen bleibt wie Bernstein pellueid und wird elastisch. We- der in der einen noch der anderen dieser Bildungen sieht man Zellgewebe; der Tuberkel hängt aber viel fester der Lungen- substanz an, ist schwer von ihr zu isoliren und durch sein Aeusseres weniger von ihr geschieden, als die aus ihrer Kap- sel leicht herauszunehmende und sofort ins Auge fallende Horn- kugel. Wie bei dieser, wachsen auch benachbarte rohe Tn- berkeln mit Verschwinden des zwischen ihnen befindlichen wischen den Theilen der letzten nimmt man alsdann zu- wei von Zellstoff wahr. Die Verwandlung eines gro es der Schilddrüse in Hornsubstanz gleicht sehr der von I nec sogenannten Tuberkelinfiltration, bei . welcher von kleinen Knoten ausgehend nach und nach ganze Partien der Lunge zu einer compacten seifenähnlichen Masse werden. Die durch‘ Verschmelzung entstandenen grösseren en sich seeundär mannigfaltig von der enförmig, ästig, regellos knollig u. s. w. um so grösser. Lungenparenehyms zu grösseren Tuberkelmassen u u . ; 5 ” Denn die Bestandtheile der Tuberkeln sind. nach den Untersuchungen von Güterbock und Preuss eine dem Käsestofle verwandte, auch in Eiter vorhandene Substanz 250 (Pyin), das von Preuss sogenannte Phymatin, ferner Cho- lestearin, und eine geringe Menge eines anderen verseifbaren Fettes mit etwas Eiweiss; -bei einigen Tuberkelspecies verbin- den sich damit noch harn- und phosphorsaure Salze, in den Menstrualtuberkeln hat Schönlein überdiess noch Cruorin - gefunden. Das Weisswerden und die Erweichung beginnen bei den gelben rohen Tnberkeln, wie bei den Hornkugeln, in WR. dem Mittelpunkte, wovon ich mich häufig überzeugt habe, und es kann das Innere des Tuberkels bereits zu Eiter aufge- löset sein, während die Rinde noch hart ist. Anders verhält es sich freilich bei den verschmolzenen Tuberkelmassen, wo in der Umgebung ‚durch Entzündung des Zellgewebes sich Eiter bildeis, welcher in die Masse eindringt, sie in Stücke spaltet und von aussen nach innen auflöset, um demnächst als fremder Körper ausgestossen zu werden. Ob ein solcher peripherischer Entzündungs-, Eiterungs- und Ausstossungs- process, von welchen in den beschriebenen Schilddrüsen keine Spur zu sehen war, auch bei den Hornablagerungen vorkom- men könne, müssen fernere Beobachtungen lehren, deren die- Alter Gegenstand wohl würdig ist. IE Die Parallele durchzuführen und zugleich das Wie des "höchst wahrscheinlich organischen Processes der Erweichung ‚in der anscheinend anorganischen Horns bstanz aufzuhellen, Fisn die mikroskopische Betrachtun bei er € derlich Be a Resultat aeisallen wage ie Ueberzengung von kugel als im Tuberkel. Es. rue zu diesen ee eine 200malige Vergrösserung im Huschmestr und nicht di- öl e Tageshelle u ‚Theilchen ommen, welche rectes Sonnenlicht, sondern nur die ge angewendet; von den solcher a ‘in verschiedenen Graden (der u ı En bei verschiede- - „mer Richtung des vom Spiegel auf das Object. reflectirten Lichtes. in ae und Gestalt sich gleich blieben. Das di ikugeln umhüllende zarte Häutchen zeigt un- 251 ter dem Mikroskope ein dichtzelliges Gefüge 'von wenigen Kanälen durchzogen. In den eigentlichen serösen Häuten hiu- gegen — als Beispiel wurde ein Stück der Lungenplenra un- 'tersucht — sieht man feine Körnchen, welche sich hin und wieder in Strängen und ‚gekrümmten Linien zusammenfügen und eine grössere Zahl von Kanälen. In den Synovialhäuten der Gelenke ist wieder der zellige Bau vorherrschend, sie ent- halten weniger Kanäle und eine geringere Zahl mehr zerstreu- ter Körnchen. Sie stehen mithin auf einer niederern: Organi- sationsstufe, als die eigentlichen serösen Häute, und noch einen Grad tiefer als jene stehen die untersuchten Hornhüllen, welche mehr Aehnlichkeit mit dem Zellgewebe haben. Die durchsichtige Substanz der Kugeln, i Ahle einer sehr dün- nen Schieht untersucht, erscheint aus Kügelcher Ei zusammen- gesetzt, welche theils diseret, theils zu chen zack igen Häuf- chen verbunden sind, Die Häufchen bilden, i em sie sich linear an einanderreihen, starke parallele Fasern, deren Zwi- schenräume von heller formloser Masse und zerstreuten Kü gelchen ausgefüllt werden. Kanäle sind nicht wahrzunehmen. Nur in der Nähe der weissen Kerne sieht man die erste Bil- dung hohler Fäden als vereinzelter, geschlängelter Linien, welche, kürzer oder länger, ihre Richtung nach den Ben hinnehmen. Sie scheinen durch longitudinelle Verbindı ng Kügelchen zu entstehen, indem stellenweise U ihnen in Gestal lt kurzer knotiger, aus Kügelchen zusammenge- selzter m Al sind. In den weissen Kernen oder der käsigen tanz sind die Häufchen verschwunden und - die Kügelchen überall sender, daher auch keine Faser mehr zu sehen; anstalt ihrer durchziehen zahlreiche dendritisch gen theilte Kanäle, welche mit denen der durchsichtigen Umge- bung zusammenhängen, das Gewebe, welches hier ein: durch- aus verschiedenes Ansehen von dem vorigen hat, und ihre feineren eige anostomosiren sogar netzarlig. — Schon das Vorkom n Kügelchen und Fasern zeigt, dass diese Horn- ablag, nicht anorganisch sind, sie erlangen aber eine . ® r 252 ri a u „ „höhere Organisation in ihrem Innern durch Entwickelung fei- ner, den Capillargefässen BEN er) welche nicht von der matrix, der Kapsel, sondern era; yon. de er abgesonderten Sub- stanz selbst als Lebens ausgeht. Wird durch diese ” Kanälchen dem Mittelpunkt Kugel ein Saft zugeleitet, % welcher die Häufchen der Kügelchen und so die Fasern trennt und so Erweichung herbeiführt? Welche ist die Quelle und 4 Beschaffenheit dieses Saftes? Der Hornstoff wird ausser dem Körper nur durch Alkalien aufgelöst und verseift, dennoch aber scheint jene Flüssigkeit‘ nicht alkalisch zu sein, weil die "u erweichten Partikeln anf Lacmus nicht wie die Verbindung $ des Hornstoffes mit einem Alkali basisch, sondern sauer rea- enschaft die meisten Säfte des thierischen 3, n flüssiges Secret der Zellgewebskapseln in a ornkugeln sich imbibire und in den neu- gebildeten Kanälen sich sammle. N I Der on gelbe ‚LungeniuberkejiEäE in ein si oen zelne, theils unter sich zuende al sich nde Kanäle. In der weicheren und weissen Mitte des Tuberkels sieht man die Körnchen zahlreicher und sämmt- lich discret, keine Häufchen mehr, der Grund ist durehsichti- ger, weniger wolkig, hin und w jeder durchbrochen, die" Ka- näle sind heller und feiner. Der 1 Tuberkeleiter lässt nichts als die Körnchen neben einander auf homogenem durchsichti- 2 wahrnehmen. Valentin hat in den Miliartuber- keln ausser den Körnchen noch eine weisse faserige Masse ge- \ nd bemerkt über dieselbe, dass sie in späteren Stadien j hmende Menge der Körnchen verdrängt werde. keine Fasern finden können, vielleicht weil die von | mir untersuchten Tuberkeln nicht mehr durchsichtig; sondern | ® | 253 “4 bereits gelb nnd in de schwinden der Fa bei Erweichung der ‘ sprechend. Sind die führen sie eine vom Blute verschiedene Flüssigkeit? "Ersteres ist nicht unwahrscheinlich, denn sie sind ungleich stärker als demjenigen, welches ich rkt habe, durchaus ent- serkels Blutgefässe oder die der Hornkugel und in den Stämmen wenigstens von sol- chem Durchmesser, dass sie ein Blutkügelchen bequem fassen könnten. Ich neige um so mehr zu dieser Ansicht, als King- ston und Thomson durch Injection in den Tuberkeln mit rother Masse gefüllte Gänge sowohl dem freien als dem be- waflneten Auge dargestellt haben. Hingegen sind die Kanäle der Hornkugel zu fein, als dass sie für Blut efässe gehalten werden dürften. Da indess noch gefragt werden kann, ob die im Tuberkel befindlichen Gefässe ihm eigenthümlich sind »chören, so ist die Art seiner Ernährung noch keinesweges genügend aufgeklärt und nur dieses ausge- bi nischen Bau und Leben hat. diesen Wahrnehmungen die Achnlich- Es ergiebt sich aus keit der Hornkugel mit dem Tuberkel sowohl in der mikro- skopischen Struetur, als in den die Erweichung bedingenden Vorgängen, welche hier wie dort in einem allmähligen Auf- lösungsprocesse, einer Trennung der Elementarkügelchen und Verdrängung der saftführenden Röhren bestehen. Der Tuber- kel aber steht: ‚höher als das Horngebilde, wegen stärkerer Gefässentwickelung. Bi, Meine anfängliche mulhung der Verwandtschaft dieser iR ropfgeschwülste mit dem Enchondrom veranlasste mich noch zu einer vergleichenden Untersuchung einiger permanenten Knorpel, bei welcher sich Folgendes herausstellte. In den Ge- lenkknorpeln erschienen feine parallele Fasern, die nicht aus Kügelchen bestehen, ausserdem grosse ovale und Bi ‚hschei- nende, nicht aus kleinern zusammengeselzie, einge: Kör- ner (Purkinje’s und Miescher’s Knorpelkötperchen) und kleine Körnchen, welche denen der Hornsubstanz ähnlich sind, 954 v A » Wßäher mehr einzeln stehen a sich nicht zu Häufchen agglo- meriren. Die einfachen“ Fasern und Be wre fehlen der Hornkugel. In ı den ı 20 peln sind die grossen Körner - seltener, die kleinen feiner, und keine Fasern, hingegen zahlläicke, fast parallele, äusserst dünne und sich sehr nahe liegende Kanälchen, die meist gerade, stel- lenweise flach gebogen sind, allmählich sich verfeinern und büschelförmig verschwinden. Die gallerlartige Substanz der Zwischenwirbelbänder lässt nichts als kleine Körnchen in ei- ner trüben homogenen Masse sehen, welche überdies meist eckig und von unregelmässiger Gestalt und Lage sind. Der Texiurunterschied der Hornkugel vom nicht ossifieirenden Knor- pel ist demnach ein wesentlicher und auch mit dem Enchon- drom ist keine Aechnlichkeit vorhanden, weil die hyalinische Substanz desselben nach J. Müller unter dem Mikroskope die charakteristischen grossen Körner der aa zeigt, über- haupt sich ganz wie Knorpel verhält, es r Die merkwürdige Thatsache der Röhrenbildung und orga- nischen Destruction in durch Seeretion entstehenden und durch Juxtaposition wachsenden Gebilden, wie die horni- gen Körper in der Schilddrüse sind, leitete mich endlich noch zur Erforschung der Textur der Nägel als der denselben zu- nächst stehenden Theile, von welcher ich ungeachtet der dar- über. vorhandenen sehr verdienstlichen Arbeiten mir noch durch Autopsie 'Kenntniss verschaffen wollte. Um von etwai- gen Veränderungen, die mit dem Wachsen im Gewebe des Nagels vorgehen mögen, mich zu überzeugen,. stellte ich die Untersuchung in der Art an, dass sowohl von der Wurzel des Nagels, als von dem angewachsenen Theile und dem freien Rande eine mit einem sehr scharfen Messer abgetrennte feine Lage der äusseren und inneren Oberfläche unter das Mikroskop gebracht, auch die die innere Fläche des Nagels überziebende weiche und feuchte Fortsetzung der Epidermis mitberücksichtigt wurde. Es überraschte mich nicht wenig, auf diese Weise Erscheinungen wahrzunehmen, welche mit dem 255 wn durchgängig angenommenen En zelligen Baue des Nagels nicht übereinstimmen, nd Die äussere Fläche des freistellenden Randes bietet nur ein unregelmässig zelliges, zum Theil zottiges Gewebe ohne Fasern oder Körnchen dar. An der innern Fläche des freien Randes hingegen sind zahlreiche sehr feine Körnchen sichtbar, welche durch feine, lange und grade Fasern in Verbindung gesetzt werden, letzte verlaufen parallel, aber in anderen Gegenden des Blättchens nach anderer Richtung. Der senkrechte Querdurch- schnitt des Randes zeigt äusserst feine parallele Fasern, die aus Körnchen zusammengesetzt werden. Ein Stückchen aus der ganzen Dicke des Randes anf der Fläche betrachtet, stellt aber nur ein wolkiges, mit feinen, dunkeln, regellos gekrümm- ten Strichen gleichsam marmorirles Feld mit einzelnen dun- ‚keln Flecken dar, Körnchen sind nicht deutlich zu sehen, ver- muthlich weil die übereinanderliegenden durch unvollkommene Deckung ihre Grenzen verlieren. Die Structur des freien Ran- des ist diesem nach an der innern Fläche feiner und zusam- mengesetzter als an der äusseren. Die innere Fläche ist auch weicher und in der Richtung von hinten nach vorne fein ge- rippt, daher der Nagelrand bei durchfallendem Lichte ein fa- seriges Ansehen gewinnt. Der angewachsene Theil des Nagels, zeigt dem freien Auge die Fortsetzung dieser der Länge nach verlaufenden er- habenen Linien und verliert sie auch dann nicht, wean man innen den weichen Ueberzug der in gleicher Richtung gefal- teten Oberhaut wegnimmt, erst durch Abschaben der inneren harten Fläche des Nagels an einer Stelle verschwindet dieser Schein von Faserung. Die innere Lage des Nagelkörpers bietet eine verwickelte Struetur dar. Sie besteht grös entheils aus feinen Körnchen, welche theils in Fasern zusammengereihet sind, theils einzeln in den Interstitien vorkommen. Es giebt hier zarte Fasern, welche eine regelmässige und parallele Lage haben und starke, weniger geordnete, die P; Zusammentreten der schwächern ” > 256 ? gebildet zu sein scheinen, Die vereinzelten Körnchen werden durch sehr dünne, nicht wieder aus Kügelchen zusammengesetzte, kurze und schwach gebogene, regellos verlaufende Fäden wie durch ein weites Maschengewebe verbunden und an diese Fä- den ‚sind wieder Körnchen angelagert. Ein Blättchen aus der Mitte der Dicke des Nagels ist von dichterem und gröberem Gefüge, es hat mehr Zellen als Fasern, letzte sind stark und aus Körnchen zusammengereihet. In deu Zellen sieht man hin und wieder Körnchen, jedoch weniger, theils einzeln, theils in Häufchen. In der oberflächlichen Lage. sind keine Fasern mehr, nur Zellen und noch weniger zerstreute Körnchen mit ihren gekrümmten Verbindungsfäden. Die weiche Epidermis- lage unter dem Mittelstücke. des Nagels enthält parallele, hin und wieder anastomosirende Fasern, die etwa 20 Mal so stark im Durchmesser als die der innersten Hornlage sind. Ihre Zwischenräume sind schmaler, als die Fasern selbst und wer- den von einem Netzwerke ungemein feiner Fäden ausgefüllt, _ in welchen zahlreiche Kügelchen, meist in den Kreuzungs- oder Verbindungspunkten der Fäden liegen. In den dicken Fasern lassen sich keine Körnchen erkennen. ' An der Nagelwurzel wird die innerste Lage wiederum ganz aus feinen Körnchen gebildet, die sich meist in Fäden gereihet haben, letzte folgen einer gemeinschaftlichen Richtung, doch anostomosiren sie vielfältig unter sehr spitzen Winkeln. In der äussern Lage ist wiederum ein zelliger Bau mit weni- gen kurzen und regellosen Fäden und wenigen Körnchen zu sehen. Der die Dicke der Nagelwurzel präsentirende Durch- schnitt verhält sich genau wie die Schnittfläche des freien Randes, aber man unterscheidet in ihr vier übereinauder lie- gende Schichten, die durch dickere Körnerfasern getrennt werden, näher der äusseren Fläche werden die Körner- fasern seltener und die Substanz homogener. Die Ober- hautbekleidung der innern Wurzelfläche hat. feine parallele, dunkle Fäden, die hin und wieder Seitenfäden aussenden, daher wahrscheinlich Säfteröhren Me - den Zwischenräu- men derselben erscheinen ein floc , wolliges Gewebe und € 257 wenige, meist ‘eckige Körnchen. Bringt man ein Stück ’aus der ganzen Dicke des Mitteltheils oder der Wurzel des Na- gels unter das Mikroskop, so sieht man enorm slarke, 'paral- lele Längestreifen von grünlicher Farbe, und zwischen ihnen die eigenthümliehen Körnerfasern. Jene rühren von der Epi- dermis unter dem Nagel her, ‘welche hier longitudinelle Fal- ten zur Aufnahme der Papillen des Corii hat, wie man schon mit freien Augen, deutlicher mit der Loupe sieht. Durch Ab- schaben des Ueberzuges verschwinden die Streifen, auch sieht man sie aus diesem Grunde nicht am freien Rande. Die Formelemente der Nägel sind also Körnchen theils für sieh bestehend, theils Fasern zusammensetzend, einfache ge- krümmte Fäden und Blättchen, die sich zu Zellen verbinden. Das Verhältniss dieser Urtheile zu einander ist in verschiede- nen Lagen des Nagels verschieden; ' so ist in der oberflächli- chen Schicht die Zelle, in der dem Papillarkörper zugekehr- ten die Faser vorherrschend. Die Feinheit und Zusammen- selzung des Gefüges nehmen von innen nach aussen hin ab. Am vollkommensten ist die Combination dieser Formen im Mittelstücke des Nagels, welchem die Wurzel und der freie Rand naclistehen. Dieser Befund ist von der herrschenden Ansicht, nämlich dass’ die Nägel nur aus Zellen bestehen sol- len, durchaus abweichend. E. H, Weber scheint dieselben mikroskopisch nicht uulersucht zu haben, denn er hat die Substanz der Horngewebe überhaupt für gleichartig und ein- förmig. erklärt (Anatomie Bd. I. S. 183.), welches auch nicht von der zellenreichen Oberhaut behauptet werden darf. Krause (Anatomie Bd. I, S. 78.) lehrt, die Nägel seien von mehr dichterm homogenem Gefüge als die Epidermis, indem ‚sie we- niger zahlreiche und kleinere Zellchen von Zi7‘ bis 13455” Durchmesser einschliessen, sie enthalten übrigens oft regellos abwechselnde,_ dunklere und hellere, lockere und dichtere Schichten von ungefähr 75“ Dicke, ohne aus einzelnen ge- trennten, übereinanderliegenden Blättern zu bestehen. Letzte habe ich eben so wenig finden können; es scheint aber als Mölter's Archiv. 1840. F : 17 = 258 habe dieser ausgezeichnete Anatom die Nägel nur in ihrer gan- zen Dicke, ‚nieht in flach abgetragenen Lagen untersucht. Gurlt ist meines Wissens der einzige, welcher in neuerer Zeit die faserige Struetur im meuschlichen Nagel mikrosko- pisch beobachtet und abgebildet hat (s. dieses Archiv 1836, S.265. Taf. XII). Er sah an einer dünnen Lamelle, die durch einen senkrechten Längsschnitt aus der Dicke des Nagels ge- trennt war, schräg verlaufende Fasern mit vielen punktförmigen Körperehen untermischt, erkannte aber in einem horizontalen Schnitte (welcher vermuthlich von der äussern Fläche des Nagels genommen war) nur Zellen. Die Riehtung der Fasern in den horizontalen und senkrechten Schnittflächen des Nagels ver- dient noch eine genauere Untersuchung, als ihr dureh mich gelegentlich zu Theil geworden ist, und bemerke ich nur noch, dass der Leichnam, von welchem ich Nägel entnommen habe, über acht Tage im Branntwein gelegen hatte. So viel hat ssich indess ergeben, dass zwischen der Struchir der Nägel und der Horneoneremente in der Schilddrüse allerdings eine Aehnlich- keit vorhanden ist. Beide enthalten nämlich gekörnte Fasern und discrete Körner, auch erleidet die Substanz beider, indenı sie sich durch nachfolgende Absonderung vom Mutterboden ‘entfernt, allmählig eine Veränderung, welche aber hinsichtlich ihres Verhältnisses zur Organisation‘ in der Hornkugel eine vorschreitende, im Nagel eine rückschreitende ist, wie aus dem faserlosen Gewebe seiner oberflächlichen, von der unter- liegenden Lederhaut entferntesten Schicht hervorgeht. Ucber die mikroskopischen Bestandtheile der Milch. ‚* Von Prof. Nasss in Marburg. » In einer Reeension über die Schrift von Donn& über die Milch (siehe Schmidt’s Jahrbücher Bd. 22. S. 134.) habe ich mich auf meine eigenen Untersuchungen dieser Flüssigkeit bezogen, und Mehreres aus denselben zur Bestätigung und Er- gänzung der Angaben des französischen Verfassers hinzugefügt. Weitere Mittheilungen behielt ich mir damals vor. Diese kann ich jetzt kurz fassen, da seitdem von mehreren Seiten die Be- obachtungen von Donn& besprochen und gewürdigt wor- den sind. .* Ich habe zu meinen Untersnchungen die Milch von. sieben Schwangeren im achten bis zehnten Monat (eine achte Schwan- gere, welche in weniger als drei Wochen ihrer Entbindung entgegensah, gab auch nicht den geringsten Tropfen Milch), . und von zehn Wöchnerinnen, von denen keine längere Zeit als fünfzehn Tage vom Zeitpunkt ihrer Niederkunft entfernt m war, benutzt; ausserdem auch die von einer ‚Kuh vor und nach dem Gebären, so wie von einer fetten Hündin, ‚deren Enter sich jeden Sommer, ohne dass das Thier geworfen hatte, was überhaupt noch nie bei ihr der Fall gewesen, mit Milch füllten. t Als mikroskopische Bestandtheile der normalen Absonde- - tung der Brustdrüse sind folgende aufzuzälilen: 1) die glatten 172 N „ Bu | Y_ 260 homogenen durchsichtigen Oelkügelchen, zu denen ausser den gewöhnlichen Milchkügelchen auch noch die ganz feinen, kaum messbaren Partikelchen, und die grösseren, auf der Oberfläche der Milch schwimmenden Oeltropfen gehören; 2) die Rahm- kügelchen, welche durch ihre Undurchsichtigkeit und ihr facet- tirtes Ausschen sich deutlich von den Oelkügelchen unterschei- den; 3) die körnigen (granulirten) gelblichen Körperchen; 4) die Epitheliumblättchen, und 5) das mehr oder weniger trübe Medium, in welchem jene vier Arten von Körperchen suspendirt sind. Dass es noch vor kurzem wirklich Noth that, die Zu- sammensetzung der Milch auf mikroskopischem Wege zu er- forschen, zeigte der Mangel an Uebereinstimmung der Angaben der verschiedenen Physiologen über die Grösse und Natur der Milchkügelchen. Was lelzte anbelangt, so hielten z. B. We- ber und Krause dieselben für zusammengesetzt aus Käse- stoff und Fett, während Treviranus, Wagner u. A. sie als Fettkügelchen ansehen. Dass letztere die richtige Ansicht ist, kann wohl nicht bestritten werden. Erstens gleichen die Kü- gelchen vollkommen den Fetikügelchen in ihrem Aussehen, und zweitens lösen sie sieh rasch und ohne Rückstand in Aether auf. Von einer Hülle um sie herum lässt sich nichts wahrnehmen. Die grössten Kügelchen messen bei Wöchne- rinnen der ersten (höchstens der ersten neun) Tage nur +14", später bis „4,. Gleiche Verhältnisse fand ich bei der Kuh: die Mehrzahl in der Milch vom zweiten Tag nach dem Ge- bären war -15—+47‘“ gross. Auch noch viel kleinere kom- men in jeder Milch vor. In dem Colostrum sind einzelne viel grösser. als 145‘; ‚die mittlere Grösse ist hier ‘viel seltener, dagegen ‚staubähnliche Parükelchen in solcher Menge darin enthalten sind, dass sie das Medium ganz trüb machen. Diese feine Zertheilung. des Fetles scheint die Wirkung. des Eiweisses zu sein, da sie mit dem Verschwinden dieses Stofles aus der Milch aufhört. Ein fernerer, schon von Donn& erwähnter Unterschied der-Milch von Wöchnerinnen der ersten Tage und '. we - 264 der von säugenden Frauen aus der'späteren Zeit besteht darin, dass die Kügelchen dort leicht stellenweis zusammenkleben, hier aber sich isolirt erhalten. — Der Fettgehalt der Milch ist bekanntlich nicht immer gleich; auch das Mikroskop zeigt grosse Unterschiede in Betreff des Reichthums der Milch an Fettkügelchen. In der ganz frischen, noch warmen Milch einer schon seit mehreren: Wochen .entbundenen- Frau trifft man. zuweilen weiter keine Körperchen als jene Oelkügelchen. an. Sobald aber‘ die Milch einige Zeit an der Luft gestanden hat, sind auch noch andere Körperchen darin zu finden, welche durch eine grössere Deutlichkeit, geringere Glätte und ein facettirtes Aussehen sich von. den beschriebenen Kügelchen unterscheiden. Bei der Kuhmilch beobachtet man dieselbe Erscheinung: - Wenn man recht genau Acht giebt, so sind immer: einzelne ganz kleine dunkele.Kügelchen auch schon in- ganz frischer Milch zu erkennen. Je gelber die Milch, desto reichlicher ist die „Menge. An Grösse kommen die in‘ Rede stehenden Körper chen den Oelkügelchen fast ganz gleich, nur findet sich, in dem ” Maasse, als die Milch später untersucht wird, une, mehr oder minder beträchtliche Anzahl von solchen, area sser sind als jene, zuweilen selbst bis -;“ und noch darü EN im Durch- - 9 messer haben. In dem Colostrum fehlen: sie Mich; sind dar ° selbst aber im Durclischnitt nieht so gross als in der voll- korimenen Milch. — Von den gewöhnlichen: Milehkügelchen sind sie auch noch darin verschieden, dass sie beim Einirock- nen nicht zerfliessen und heller werden. Deutlich ist ferner dee Unterschied zwischen beiden, wenn: man den Focus- des Mikroskops ein wenig verändert. Bei grösserer Nähe dessel- werden die gewöhnlichen Milehkügelehen blass, jene noch 9, dunkler. In Aether sind die letzteren nicht so leicht löslich \ die ersteren. Wenn ich die Milch auch mehrmals mit Aether geschüttelt, und diesen jedesmal, so weit es möglich, abgegossen hätte, so fanden sich doch immer noch iu: dena er Rückstande der Milch Kügelehen der beschriebenen Ant. Essig- Pu säure und Ammoniak haben keinen Einfluss ‚auf dieselben. Durch das Kochen der Milch verschwinden sie für einige Zeit, kommen dann beim Erkalten aber wieder nach und nach zum Vorschein. In der ruhig stehen gelassenen Milch sammeln sie sich an der Oberfläche an und bilden den Rahm. Sie kleben leicht untereinander zusammen; die grösseren sind daher ge- wiss durch Agglomeration der kleineren entstanden, und viel- leicht wird überhaupt das facettirte Aussehen dadurch hervor- gebracht, dass die kleinen Körnchen nicht innig mit einander verschmolzen sind, so dass die durchgehenden Strahlen von ihrem graden Lauf abgelenkt werden. Bei dem Buttern wer- den alle Rahmkügelchen zu einer zusammenhängenden Masse verbunden. — Ueber die Natur dieser Körperchen war ich so lange zweifelhaft, bis ich deutlich wahrnahm, dass sich die- selben grösstentheils erst ausserhalb der Brustdrüse bilden. Ich sahe, wie ihre Menge sich im Gesichtsfelde des Mikros- kops vermehrte. Nun blieb noch zu entscheiden, ob sie aus Umwandlung der früher schon vorhandenen Milchkügelchen,, oder als frischer Niederschlag entstehen. Es gelang auch, hier- über Gewissheit zu erlangen. Ich beobachtete mehrfach, wie ein kleines, vorher ganz helles Kügelchen mit Blitzesschnelle dunkel ward. Bei den grössern geschieht die Umwandlung nicht so rasch. Merkwürdig ist, dass man es denjenigen Milch- kügelchen, welche sich nachher zu Rahmkügelchen umgestal- ten, vorher gar nicht ansicht, indem sie sich von denjenigen gar nicht auszeichnen, die sich nicht verwandeln. Bei dem plötzlichen Dunkelwerden der Kügelchen könnte man glauben; dass sich dieselben mit einer Hülle umzögen, allein dass dies nur Täuschung sei, zeigt die nachherige Auflösung durch Wärme. Wenigstens könnte die Hülle nur aus Fett bestehen. — Somit ist das Auftreten der dunkelen Körperchen in einer + chemischen Umwandlung (Oxydation?) oder Festwerdung des Fettes begründet, die erst beim Zutritt der Luft, wenigslens nur sehr schwach beim Stocken der Milch in der Brustdrüse, Statt findet. ' “ E 263 Donn& hat als der erste die gelben körnigeu Körperchen der Milch beschrieben, welche wegen ihres regelmässigen Vor- kommens in dem Colostrum von diesem ihren Namen- erhalten haben. In den ersten Tagen nach der Niederkunft sind sie woch in der Milch zu finden, nachher verschwinden sie gänz- lich; früher bei denjenigen Frauen, die schon mehrmals gebo- zen haben, als bei den Erstgebärenden. Dort fand ich sie ein- . mal am dritten Tage fast schon vollständig verschwunden; mehrmals fehlten sie gänzlich am achten Tage. ' In der Milch. des oben erwälinten Hundes waren sie nicht vorhanden. Nicht alle granulirten Körperchen sind kugelich, sondern die meisten. platt. Ihre Grösse beträgt meist „4,,-— 145" Einige „5 in der Länge und z5“ in der Breite. Auch die der Kuhmilch hatten +15, — 345" in dem längsten Durchmesser. Sie beste- hen aus ‚kleinen hellen Fetikügelchen, die durch ein festes Ce- ment mit einander verbunden sind, welches weder durch Am- werishugoch durch eoncentrirte Essigsäure, selbst nicht bei mehrstündiger Behandlung mit letzterer, aufgelöst wird, und sich. folglich der Substanz der Schleimblasen gleich verhält. Auch das Kochen verändert sie nicht. Sie sammeln sich ru- hig ander Oberfläche der Milch an und machen, so lange sie im grosser Menge vorhanden sind, die Milch zum Bultern un- brauchbar. — Die Frage, wie sie entstehen, lässt der genannte französische eobachter unbeantwortet. Es ist nicht wahr- scheinlich, däss sie sich erst durch Agglomeration der Milch- kügelchen ausserhalb, \der Acini bilden, wenngleich in der Mileh, wo.sie vorkommen, das Zusammenkleben der. Kügel- chen leichter als sonst erfolgt, sondern es ist am glaublich- sten, dass sie unmittelbar von der absondernden Fläche ihren Ursprung nehmen, ganz auf ähnliche Weise wie die Schleim- blasen. “Mit manchen Formen von diesen haben sie ausserdem eine auffallende Aehnlichkeit, so z. B. mit den länglichen, körnigen, den ewöhnlichen Schleimblasen an Grösse elwas uachstehen örperchen, die sich in dem Schleime des Mun- des regelmässig finden; noch mehr mit den Körperchen des de r 2 s 264 TR BE" gelblichen dicken Seorets aus der Harnröhre, eit e undes zur Winterzeit. Diese sind z— 45 (145 — 35)" lang, gleichfalls von gelber Farbe, oval, körnig und nicht auflösbar durch Es- sigsäure. "Auch noch. ein ‚anderer Grund ist für jene Ansicht hier geltend zu machen, nämlich dass man in der Milch der Schwangeren und Wöchnerinnen oft kleine Blättchen' von#der Grösse der Epidermisblättchen findet, an denen einzelne Feit- kügelehen ‚aufsitzen. Dergleiehen Schollen ‚fand ich in grös- serer Menge in. den Drüsenkörnern einer bald nach der Nieder- kunft an einem Erguss in die Gefässhaut des Gehirns verstor- benen Wöchnerin. . Eigentliche granulirte Körperchen: suchte ich‘ indessen vergebens, nur gewöhnliche Milchkügelchen, Rahm- kügelehen, feine ‚Fettpartikelchen, welche die Flüssigkeit mil- chig machten, und blasse, theils regelmässig, theils unregel- mässig' gestaltete, den Lymphkörperchen an Grösse ‚ungefähr gleichkommende Kügelchen zeigten sich. «Indem dicken gelb- lichen schleimigen Seeret, das sich aus den Milchgängen her- auspressen. liess, waren nur wenige Colostrunleiipenign zu sehen. - Es ist wahrscheinlich, dass in diesem Falle die Ab- j sonderung nicht allein , der Menge nach (die Kranke hatte keinen Tropfen Milch nach ihrer Entbindung gehabt), son- dern auch der Art nach. durch die Krankheit; verändert war, und dass die mikroskopische Untersuchung bei gesu; öch- nerinnen ein anderes Resultat gegeben haben wäre leicht möglich, dass man durch diese ‚zur Einsicht. gelangte, alle Milchkügelchen seien bei ihrer Absonderung . in Hüllen eingeschlossen, welche nachher wegen ‘Ueh ladung des dn- halts zergehen, Dass die Epitheliumzellen oft Träger des Fet- tes, so wie des Faıbestoffes sind, ist ja bekannt. Y x Was endlich die Flüssigkeit anbelangt, in welcher, die verschiedenen, so eben beschriebenen Arten der Körperchen sich schwebend. erhalten, so ist die’ des Colostrum trüber als die der Milch. ‚Durch Aeizammoniak wird jene gleimig, ger vinnt durch Essigsäure gar nicht oder nur langsam und unvoll- “ Ei x “mumer- 265 . ständig, w r durch Jodine, Salpetersäure und über dem geleni er . Somit, existiren viele mikroskopische und chemische Un- terschiede zwischen dem Secret der Brustdrüse vor und nach u der Niederkunft. Man kann mit kurzen Worten den Unter- " schied 50 bezeichmen: das Colostrum ist dem Chylus viel ähn- icher als der Milch. Es enthält nämlich Eiweiss, keinen oder wenig Käsestoff, weniger Fett als die Milch (den einen Theil "+ desselben in der feinsten Vertheilung, dan andern in grössern ' Kügelchen, welche leicht zusammenkleben), wird durch Am- moniak schleimig und besitzt zusammengesetzte, den Schleim- zellen verwandte Körperchen. Nach der Entbindung verlieren sich allmählig diese Eigenschaften. Die jetzt in reichlicher Menge abgesonderten Milchkügelchen, welche bis ohngefähr gegen den Anfang der dritten Woche noch kleiner sind als später, kleben nicht mehr zusammen; das Ammoniak hört auf die Milch schleimig zu machen (die Kuhmilch vom zweiten Tage verhält sich hierin ganz der vollendeten Milch gleich; bei der Frauenmilch war dies erst am siebenten Tage, zuweilen ar erst noch später der Fall), nnd die Essigsäure fängt an die Milch zum Gerinnen zu bringen. So wird die Plüsilh ler ersten Zeit noch gelb und dick ist und sich 1 und wässrige Flüssigkeit trennt, nach und kunft bald. er, bald ferner liegt, Im Ganzen ist ersteres nur. bei d igen Frauen der Fall, die schon mehrmals ge- ‚ boren haben; b ‚ welche auch im Zustand der Träch- h geben, geht die Veränderung besou- Schliessli 1 erwähne ich nur noclı, ich in der Milch von kranken Frauen wenig Abweichungen von der Norm an- , & = 266 getroffen habe. VRBER sde Wöchn lieferte eine gesunde Milch mit wenig Fe en; leucophlegmatische von 7 Tagen zeigte eine fette Milch, ‚die ganz, gleich einer robusten Frau am 12ten Tage nach der Nie- ’ derkunft war; eine heclische Wöchnerin von 14 Tagen gab eine Milch mit wenig und auffallend kleinen Kügelehen und “ k besonders sparsamen Rahmkörperchen. In einer Brust mit einem schmerzhaften Knoten, der seit wenigen/Tagen bei einer Wöchnerin von neun Tagen entstanden war, hatten sich der. + Milch Eiterkörperchen 'beigemischt. un Cholestearine in pathologischen Flüssigkeiten. V on 9 NH ” Prof. Nasse in Marburg, N ER In kurzer Zeit ist mir dreimal der Fall vorge dass eine pathologische Flüssigkeit eine grosse Menge von Chole- stearin-Tafeln enthielt. Da es bis jetzt noch an bestimmten Gesetzen über das krankhafte Vorkommen der Cholestearine fehlt, so iheile ich hier noch eine kurze Notiz von jenen drei Beobachtungen mit. «4. Bei einem Manne mit einer grossen Kropfgeschwulst, die schon 30 Jahre bestanden, aber in der lelzten Zeit so zu genorhmen ‚hatte, dass das Atmen sehr beeinträchtigt wurde, wandte mein College, Herr Dr. Adelmann, die Punclion und später das Haarseil an. Er hatte die Güte, mir von der bräunlichen, bei dem ersteu Einstich in grosser Menge ausge- flossenen Flüssigkeit eine Portion \ von 8 Unzen zur Untersu- chung zu übersenden. Schon beim ersten Anblick erkannte ich an den vielen darin enthaltenen feinen fSimmerartigen Par- tikelchen den reichlichen Gehalt von Cholestearine, Diese gen ‚unter dem Miktoskop in vollkommen durchsichti- geh; gan a ‚vierseiligen Tafeln von 145 — 75 (meist 3% y" Länge, fen reinen ‚Winkelo, welche von den rechten nur heran Bei manchen Tafeln fehlte an einem Winkel ein kleines Parallelogramm, so dass es beinah so aus: x # “ 268 PA sah, als sei die Tafel aus zwei Stücken zusammengesetzt, nur fehlte die re Ausser der Cholestearine fand ich noch in der Flüssigkeit dunkele körnige unregelmässige runde Kugeln von En 4 urchmesser, die wahrschein- | lich aus Stearine bestanden, einige Oelkügelchen, mehrere Ex- sudatkörperchen und Blutkörnchen. Der Farbestoff war in Auflösung vorhanden. Kein Faserstoff hatle sich. niederge- schlagen. 2. Ein 50jährige Frau im ‚hiesigen Krankenhaus litt an einer sehr grossen, Eierstockswassersucht. Die heftigen Ath- miingsheschwerden erheischten zuletzt die bis dahin immer Die Pls@apfte Flüssigkeit y war Be Jöster Rn. veränderter Farbestoff der Plüssigkeit versehen, lich die dunkele braune Farbe ertheilte, ferner Exsudatkügel- chen und Fettkügelchen; ausserdem aber noch viele - Chole- stearinetafeln, deren Länge meist gegen +; Ei betrug. Faser- ‚stoff schied sich nicht ab. Die bei der ein halbes Jahr später nommenen Punelion erhaltene Flüssigkeit war gleichfalls iunlich, bildete ein. Faserstoffgerinnsel und einen gelblichen n eklichen schleimigen Bodensatz, der aus lauter unvollständi- Sn Eiterkörperehen bestand. Einzelne--Fettkügelchen, aber keine Cholestearintafeln fanden sich vor. Ebenso wurden letz- tere in der Flüssigkeit bei einer spätern Punclion vergebens gesucht. Kr .@ 3. In der ehisundt c ten "Abtheilung Pi hiesigen Land- krankenhauses wurde in diesem Frühling ein 23jähriger Mensch ‚an Ankylose des Schultergelenks behandelt, deren Ursprung . nicht ganz deutlich war. Die zur Wiederherstellung r Be- lichkeit unternommenen Manipulationen "hatt eine" ge- inge Entzündung, des Gelenkes zur Folge, welche den Aus- gang in eine Abscessbildung nahm., Nach 4—5 Wochen war "es nölhig, dem Eiter an der innern Seite des ‚Deltamuskels 269 einen Ausweg zu bahnen. Ein ghoppen gelbröthlicher kle- briger, leicht trüber Flüssigkeit mit weisslichen Flocken, die sich bald zu Boden setzten, Hoss Bf! Ob-der Eitersack mit dem Gelenk zusammenhing, war ni ht zı kr. schen Elemente der entleerten Materie waren die des unvollständigen Eiters: kleine Körner, den Kernen der Eiter- u ermitteln. Die mi- kügelchen ähnlich, helle, nicht vollständig runde Exsudatkü- gelchen, grössere körnige runde oder längliche Körperchen (wie sie im Eiter der Schleimhäute in so grosser Menge ge- funden werden); dann Oeltröpfchen und Faserstoffflocken, welche Eiterkügelchen einschlossen; zuletzt auch noch einzelne grosse Cholestearintafeln, von einer der früher eschriebenen ganz ähnlichen Beschaffenheit. Manche darunter halten Pe lich zwei bis drei treppenartige Ausschnitte. Ihre Grösse war von 135°— 75“ Breite und von 145 — 75“ Länge. — - Nach zehn Tagen untersuchte ich die jetzt nur sparsam abgesonderte Flüs- sigkeit, und fand nebst den unvollständigen Eiterkörperchen ° und Fetttröpfehen, kugelige Blutkörperchen, feste Fettparli- kelehen, Epidermisblättchen und einzelne Muskelfaserbündel. Die Cholestearintafeln waren gänzlich verschwunden. „r Pr N dx Versuche und Bemerkungen über Regeneration der Nerven und Abhängigkeit der peripherischen Nerven von den Centralorganen. Von Dr. GvEnTuEr, Prosector zu Dresden, und Dr, Scuorny practischem Arzte daselbst. Seit dem Aufschwunge, den die Physiologie in der neuen Zeit erhalten hat, sind eine grosse Anzahl von Versuchen und Be- obachtungen *) über Regeneration der Nerven gemacht und *) Hinsichtlich der Litteratur über diesen Gegenstand verweisen wir auf Hildebrandt’s Anatomie, herausgeg. von E. H, Weber, Bd. 1. p. 292., u. J. Müller’s Physiologie, Bd. 1. p. 392. Stein- rück: De nervorum regeneratione, Berol. 1838. Betrachtet man die Resultate der frühern Beobachter genauer, so kommt man auch aus diesen zu dem Schluss, dass eine wirkliche Regeneration der Nerven- substanz stattfinde, indem eine jede sonst beglaubigte Beobachtung, wo nach der Durchschneidung die Function der unter dem Schnitt gelegenen Theile theilweise oder ganz wiederhergestellt worden ist, dafür spricht,. da bei dem jetzigen Stande der Physiologie weder eine Wiederherstellung der Leitung durch die Anastomosen der Nerven, noch die Annahme, dass die zwischen den beiden Enden erzeugte Substanz zwar fähig sei, Eindrücke fortzupflanzer, ohne deshalb wirk- liche Nervensubstanz zu enthalten, statthaft ist; von besonderem In- teresse sind in dieser Hinsicht die Beobachtungen von Tiedemann nach Durchschneidung sämmtlicher Nerven in der Achselhöhle eines Hundes, so wie die von Haighton nach Durchschneidung der beiden N. vogi. Schon vor Steinrück hat Schwann die Regeneration bei. - 271 mitgetheilt worden, ohne dass man dabei zu einem festen Re- sultate gekommen wäre; erst, in der neuesten Zeit machte Steinrück eine Reihe von Versuchen bekannt, welche die Möglichkeit der Regeneration unwiderlegbar darthun. Wir hatten uns bereits vor dem Erscheinen dieser Schrift mit die- sem Gegenstaude beschäftigt, und sind im Wesentiichen zu demselben Resutate gekommen; es könnte somit die Mitthei- lung unserer Versuche überflüssig erscheinen, wenn nicht eine wiederholte Bestätigung wenigstens für jetzt noch nicht ganz unnöthig wäre, und wenn wir nicht dabei einige Beobachtun- gen gemacht hätten, welche für die gesammte Nervenlehre nieht ganz uninteressant zu sein scheinen, h „ Wir haben über diesen Gegenstand, sowie über Abhän- gigkeit der peripherischen Nerven von den Centralorganen Ver- suche an etwa funfzig Kaninchen gemacht, indem wir bei die- sen den N. ischiadieus in der Mitte des Oberschenkels theils einfach durchschnitten, theils ein zwei bis vier Linien langes Stück ausschnitten; hierauf untersuchten wir die Thiere zu verschiedenen Zeiten (von 12 Stunden nach der Operation an bis nach Ablauf eines Jahres), wobei wir so verfuhren, dass wir die Reizbarkeit des unteren Stückes durch unmittelbar auf dasselbe, so wie in denjenigen Fällen, wo wir bereits Rege- neration erwarten konnten, die Leitungsfähigkeit der Narbe durch auf das obere Stück angebrachten Reiz untersuchten (wir brauchten stets die Vorsicht, um auch schwächere Zuk- kungen nieht zu übersehen, die von den verwundeten Nerven abhängigen Muskeln bloszulegen). Hierauf wurde die Narbe, so wie das obere und untere Stück unter das Mikroskop gebracht °), eineım Frosch dargethan, indem er nicht nur Wiederherstellung der Leitung beobachtete, sondern auch deutlich Primitivfasern in dem neu erzeugten Stück nachwies; diese Beobachtungen an kaltblütigen Thie- ren sind nur mit grosser Vorsicht auf warmblütige überzutragen, da die Regenerationslähigkeit in der ed bedeutender ist, >") Die Vergrösserungen, deren wi "bedienten, waren 55 bis 100 Mal im Durchmesser. . m. “ 272 zu welchem Zwecke uns- Herr Hofrath Dr. Seiler sein aus- gezeichnetes, von Schieck und Pistor gefertigles Änstrumenf mit bekannter Humanität überliess. # Bevor wir nun die aus diesen Versuchen gewonnenen Re- sultate miltheilen, wird es nicht unpassend sein, Einiges über den Bau der gesunden Primitivfasern, wie wir sie unter dem Mikroskop fanden, mitzutheilen. Wir sahen dieselben, in den dem animalen Systeme angehörigen Nerven möglichst frisch untersucht, stels vollkommen rund. und durchscheinend bei durchfallendem Lichte mit einem doppelten Rand versehen; dieser entsteht durch das Durchfallen des: Lichts, durch den durchsiehligen Cylinder, und man kann daher keineswegs aus dem Abstand zwischen der äussern und innern Begränzungs- linie auf die Dicke der Wandungen des Primtiveylinders schlies- ‚sen. Nie haben wir in frischem Zustand Anschwellungen, Un- gleichheiten oder Kügelchen selbst bei 250maliger Vergrösse- zung bemerkt, wohl aber entstanden dergleichen, wenn die Nerven einige Zeit dem Einfluss der Luft, des Wassers, Wein- geisies .ele. ausgeselzt gewesen waren. Untersucht man die Durchschniltsstellen der einzelnen Primilivfasern, so wird man finden, dass letztere Cylinder sind, mit einer dem frischen Ei- weiss an Consistenz und Farbe ähnlichen Flüssigkeit gefüllt, welche aus den Trennungsstellen hervortritt und sich in dem Wasser, womit das Obiect befeuchtet ist, in Form einer klei- nen Wolke vertheilt; dieses Hervorquellen des Inhalts sieht man mitunter recht schön, wenn bei dem Präpariren miltelst einer Staarnadel die Primilivfasern seitliche Einschnitie erhal- ten haben. Diese Flüssigkeit giebt den frischen Primitivfasern das volle runde Ansehen, indem sie die Wandungen überall gleichmässig ausdehnt; durch das Gerinnen derselben entsteht später das trübe, körnige, ungleiche Ansehen, das man früher für normal hielt. ‘Wir können somit keinesweges Remak ") *) Remak observaliones anatom. et microscop. de syslemalis nervosi siruetura, Berol. 1838 KR ‚ “» 273 beistimmen, welcher den Inhalt als eine Fibra plana, solida ete. bezeichnet, sondern müssen ihn vielmehr mit Valentin und Burdach °) als eine diekflüssige, homogene, durchsich- lige und ganz farblose Masse betrachten. Ueber die nähern Eigenschaften dieser Nervenflüssigkeit lässt sich vor der Hand nichts angeben, interessant ist ihr schnelles Gerinnen nach dem Tode, wodurch sie einige Aehnlichkeit mit dem Blute zeigt. Es folgen nun hier die Resultate unserer Untersuchun- gen, und zwar: 1. Ueber das Verhalten des unteren Nervenstücks nach aufgehobenem Zusammenhang mit den Cen- tralorganen. Ueber das Erlöschen der Reizbarkeit in dem unteren Stück haben Müller und Sticker **) einige Versuche bekannt ge- macht, von denen namentlich einer interessant ist, sie sahen nämlich 5 Wochen nach der Durchschneidung des N. ischia- dieus bei einem Kaninchen, weder auf Reizung der durch- schniltenen und nicht regenerirten Nerven, noch der von ihm abhängigen Muskeln Zuckungen entstehen. Aehnliches hat auch Steinrück **) bei Gelegenheit seiner Versuche über Rege- neralion der Nerven gefunden; er beobachtele 4—6 Wochen nach der Durchschneidung keine Spur von Reizbarkeit. Neuer- dings hat auch Valentin 7) einige Beobachtungen, welche diesen Gegenstand berühren, mitgetheilt; er sagt nämlich, dass bei einem Frosche vierzehn Tage nach der Durchschneidung die Irritabilität des Fusses bedeutend gemindert, nach Ablauf der dritten Woche aber gänzlich geschwunden sei. Aus den hier mitgetheilten Beobachtungen geht nur soviel hervor, dass *) E. Burdach Beitrag zur mikroskopischen Anatomie der Nerven. Königsberg 1837. ”*) J. Müller's Physiol. B. 4. p. 614. ”*), Steinrück |. Pr p: 66. 7) Valentin de functionibus neryor. cerebral. et nerv. sympath. Lib. IV. 1839, „Müller's Archiv. 1840. , 15 274 die Reizbarkeit eines von den Centralorganen getrennten Nerven viel früher erlischt, als man dies, gestützt auf einen Ausspruch von Nysten, annahm. Der Zeitpunkt des Erlö- schens der Reizbarkeit selbst lässt nach diesen Beobachtungen sich nieht genauer bestimmen. Um dies zu thun, haben wir eine Reihe von Versuchen angestellt. Um hierbei zugleich zu ermitteln, ob die Reizbar- keit der Nerven früher als die der Muskeln erlösche, haben wir uns siels nur der mechanischen Reizung der erstern be- dient, damit nicht etwa bei Anwendung des Galvanismus der- selbe durch den nassen Nerven zu den Muskeln geleitet werde, und dort Zusammenziehungen errege. Die Resultate unserer Versuche sind folgende: Zwölf Stunden nach Durchschnei- dung konnten wir keine Veränderung der Reizbarkeit, weder im Nerven noch in den Muskeln bemerken; nach 24 Stunden hatte die Reizbarkeit im Nerven schon deutlich abgenommen, indem auf Reizung desselben nur schwache Zuckungen erfolg- ien, stärkere aber, wenn die von den verwundelen Nerven abhängigen Muskeln selbst gereizt wurden; noch deutlicher war diese Abnahme nach 2 Tagen, ja in einem Fall sahen wir schon zu dieser Zeit auf Reizung der Nerven keine Zuk- kungen entsichen, auch war die Reizbarkeit der Muskeln deut- lich geringer; am Aten Tage erfolgten auf Reizung der Nerven keine Zuckungen, die Irritabilität der Muskeln war bedeutend schwächer, am 6ten Tage dasselbe Resultat, am 7ien und 8len Tage war nicht allein die Reizbarkeit der Nerven erloschen, sondern wir konnten auch in der Regel durch direele mecha- nische Reizung der Muskeln keine Zuckungen hervorrufen. Nach dieser Zeit konnten wir keine Spur von Reizbarkeit in den Nerven entdecken, wir müssen somit das Ende der er- sten Woche’ als den Zeitpunkt des Erlöschens der Reizbarkeit in einem von den Centralorganen getrennten Nerven anneh- men; natürlich ist dieser Zeitpunkt nicht bei allen Thieren derselbe, indem er von dem Alter, der Gesundheit des Thieres überhaupt, und sonstigen zufälligen Umständen abhängt. eff r u 275 Die Reizbarkeit der Muskeln hält sich zwar etwas länger, je- doch ist die Abnahme derselben schon schr bedeutend, in der Regel konnten wir nach acht Tagen bei mechanischer Reizung der Muskeln keine Zuckungen mehr hervorrufen; hiermit wird keinesweges geleugnet, dass auch noch in späterer Zeit (bis in der dritten Woche) durch Galvanismus Zuekungen der Muskeln hervorgerufen werden könnten. — Diesem Resul- tate scheinen zwei Beobachtungen, eine von Müller und Sticker und eine von Steinrück gemachte zu widerspre- chen, erstere nämlich sahen bei einem Hunde zwei Monat vierzehn Tage nach der Durchschneidung bei Reizung der Ner- ven keine, bei Reizung der Muskeln hingegen reichliche Spu- ren von Zusammenziehung; etwas Aehnliches beobachtete Steinrück nach Ablauf von sieben Wochen (Exp. XIX.); in beiden Fällen war das obere Stück der durchschnittenen Nerven mit dem unteren durch neugebildete Zwischensub- stanz verbunden, ja Steinrück glaubt sogar in seinem Falle, wenn auch nicht deutlich, Primitivfasern in der Narbe gesehen zu haben; wir glauben daher vermuihen zu dürfen, dass in beiden Fällen eine, wenn auch nur unbedeu- tende Regeneration der Nerven stattgefunden habe. (Uebri- gens würden auch beide Beobachtungen nur soviel beweisen, dass die Reizbarkeit der Muskeln sich noch längere Zeit, nach- dem die der Nerven bereits erloschen ist, erhalten kann.) Wir waren nun begierig zu sehen, wie sich die Primi- tivfasern des untern Stücks bei dem Erlöschen der Reizbar« keit in demselben verhielten, Burdach (1. c. p. 42.) unter- band an einem Frosch den N. ischiadieus, und fand 8 Tage darauf weder ober- noch unterhalb der Unterbindungsstelle eine Veränderung der Primitivfasern. Dasselbe giebt auch Steinrück (l. c. p. 72.) an, nur in 3 Fällen sah er den gan- zen Nerven’ schwächer, als den der gesunden Seite, den Grund hiervon sucht er in einer Atrophie des Neurilems. Valentin (1. e. p. 127.) leugnet ebenfalls jede Veränderung der Primi- tivfasern in dem untern Stück. Wir können nun den genann- _ 18° 276 ten Beobachtern keinesweges beistimmen, sondern haben dar- über Folgendes in Erfahrung gebracht: untersucht man die Primitivfasern des untern Stücks zu der Zeit, wo die Reiz- barkeit in demselben erlischt, also ungefähr gegen Ende der ersten Woche, so bemerkt man bereits,‘ dass sie nicht mehr das volle, runde Ansehen der gesunden haben, sie sind hier und da etwas getrübt und ihr Inhalt erscheint wie geronnen, sie gleichen dann solchen Primitivfasern, die man einige Zeit nach dem Tode untersucht; um diese Veränderung m dieser Periode zu bemerken, ist es noihwendig die Nerven möglichst frisch zu untersuchen, und der Vergleichung wegen ein Stück eines unverletzten desselben Thieres gleichzeitig unter das Mi- kroskop zu bringen; acht bis vierzehn Tage nach der Durch- schneidung tritt diese Struciurveränderung noch deutlicher her- vor, sodann hält sie sich ungefähr bis um die sechste bis achte Woche auf derselben Stufe. Ist nun in dieser Periode die Regeneration erfolgt, so nimmt die Primitivfaser zugleich mit ihrer Reizbarkeit ihre normale Structur wieder an, im entge- gengesetzten Falle nimmt die Strueturveränderung immer mehr zu, und sie erscheint nun platt, zusammengefallen, mitunter bandartig, das Durchscheinende hat sie gänzlich verloren, und ihr Inhalt erscheint wie geschwunden; sehr schön sahen wir diesen Grad der Veränderung in zwei Fällen, wo in dem einen zehn, in dem andern zwölf Wochen nach der Durchschnei- dung die Regeneration nicht erfolgt war, in beiden Fällen zeigte sich schon das äussere Ansehen des Nerven verändert, namentlich war sein Umfang im Vergleich mit dem der andern Seite merklich geringer, auch waren die von ihm abhängigen Muskeln deutlich atrophisch. Wir glauben uns in diesen Beobachtungen um so weniger getäuscht zu haben, als wir theils durch das Unerwarlele der Sache selbst, theils durch den Umstand, dass wir so ausge- zeichneten Beobachtern, wie Valentin ete., widersprechen mussten, gegen uns selbst misstrauisch ‘wurden, und daher unsere Versuche oft wiederholten, jedoch stels dasselbe Re- * ’ Mix 277 saltat erhielten.“ Aus den angeführten Beobachtungen geht nun Folgendes hervor: } . 4) Ein von den Centralorganen getrennter Nerv behält noch einige Zeit seine Reizbarkeit. 2) Einige Zeit nach aufgehobenem Zusammenhang mit den Centralorganen verliert der Nerv dieselbe, dies geschieht nach unsern Beobachtungen viel früher als von Müller, Sticker ete. angegeben worden ist. 3) Gleichzeitig mit dem Erlöschen der Reizbarkeit fanden wir das Ansehen der Primilivfasern von dem der gesunden desselben Thieres verschieden. Es entsteht nun die Frage; 4) ist die Structurveränderung wesentlich und steht sie im genauen Zusammenhange mit dem Erlöschen der Reizbarkeit? Da wir stets dasselbe Resultat erhielten, so glauben wir diese Frage bejahen zu müssen. 2) Von welcher Natur ist sie? Auf die constante Erscheinung gestützt, dass die Entzündung des untern Stücks bedeutend geringer und weniger verbreitet als die des obern ist, dass die Intensität derselben stets mit dem Stand der Vitalität des Theils, in welchem sie auftritt, in geradem Verhältniss steht, müssen wir schliessen, dass die- selbe im Nerven nach aufgehobenem Zusammenhang mit den Centralorganen sinkt, und als den sichtbaren Ausdruck ‚dieses gesunkenen Lebens im Nerven betrachten wir nun die von uns beobachlete Structurveränderung. 4) Die Reizbarkeit im Nerven erlischt früher als in den von ihm abhängigen Muskeln, dies beweisen nicht allein die von uns angeführten Beobachtungen, sondern wird auch von Valentin bestätigt, indem er sagt (l. c. p. 126.): Eo tem- pore neryi irritalio mechaniea vel ehemica non amplius con- vellit, galvanismus vero ad musculum ipsum applicatus eximie adhue convellit. Ilieraus geht hervor, dass die Muskeln eine eigenlhümliche, in ihnen selbst begründete Irritabilität be- silzen. 5) Diese eigenthümliche Irritabilität der Muskeln ist aber iusolern von den Nerven abhängig, als erstere der sleleu be- r 278 wegung durch letztere bedürfen, fällt diese längere Zeit weg, so erlischt sie. 1 6) Das Erlöschen der Reizbarkeit im Muskel ist nach Valentin von einer eigenthümlichen Structurveränderung der Primitivfasern abhängig (l. ce. p. 125. a.). Diese Structur- veränderung ist mit der von uns im Nerven beobachteten ihrem Wesen nach völlig gleich, auch sie ist der materielle Ausdruck des sinkenden Lebens im Muskel. 7) Ein Nerv, welcher seine Reizbarkeit zugleich mit sei- ner normalen Structur verloren hat, kann, wenn die Tren- nung nicht zu lange dauert, nach Wiederherstellung derselben seine Funetion wieder antreten, wobei er zugleich seine nor- male Structur wieder annimmt; dasselbe findet nach Valen- tin auch in den Muskeln Statt. Noch sei es uns vergönnt hieraus einige Schlüsse über die Natur des in den Nerven wirkenden Prineips im Allge- meinen zu ziehen: In der neuern Zeit haben Emmert, Va- lentin und Burdach angegeben, die letzten Endigungen der Nerven beständen in Schlingen, so dass eine jede Primi- tivfaser an ihren peripherischen Enden sich umbeuge und wie- der zu den Centralorganen zurückkehre. Hierauf, so wie auf die centripetale Richtung in den sensitiven und der centri- fugalen in den motorischen Nerven gestützt, könnte man zu der Vermuthung veranlasst werden, es finde in dem Nerven- system eine Cireulation Statt, deren Mittelpunkt die Central- organe bildeten, dies wäre nun auf doppelte Weise denkbar, 14) könnte man annehmen das Contentum der Primitivfasern, das wir mit Valentin und Burdach als ein dem frischen Eiweiss ähnliches Fluidum angegeben haben, eireulire in den Primitiveylindern; Burdach hat bereits diese Ansicht auf dem Wege des Experiments widerlegt (1. e. p- 42.); 2) die Ur- sache der Nerventhätigkeit sei ein imponderabler Stoff, der, in den Centralorganen erzeugt, sich in steter Cireulation be- finde; früher hielten viele Naturforscher ‚das in den Nerven wirkende Prineip mit der Eleetrieität für identisch, dapdeise £ de dieser Ansicht hat Müller bereits dargelhan (Phys. Bd. 1. p- 616.). Hierdurch wäre nun aber die Annahme eines eigen- thümlichen, bis jetzt noch nicht gehörig bekannten Imponde- tabile nicht ausgeschlossen. So sehr auch Manches für diese Annahme spricht, so glauben wir uns doch aus folgenden Gründen dagegen aussprechen zu müssen: 1) Der oben an- geführte Umstand, dass ein von dem Centralorgane getrennter Nerv seine Reizbarkeit noch eine Zeit lang behält, beweist deutlich, dass dieselbe in den Nerven selbst erzeugl werde, und keinesweges von den Centralorganen in ihm einströme, wir dürfen somit ‘die Nerven nicht als blosse Conducloren eines in den Centralorganen erzeugten Prineips uns denken, sondern sie find zu gleicher Zeit Motoren desselben; 2) wird diese Ansicht durch die örtliche Wirkung der Narcolica auf die entblössten Nerven bestätigt, diese verbreitet sich nämlich weder nach der Peripherie noch nach dem Centrum zu. Hieraus glauben wir uns zu dem Schluss berechtigt, dass das in den Nerven wirkende Princip das Resultat des eigen- thümlichen Lebensprocesses in ihnen sei, und somit an jeder Stelle derselben erzeugt werde. Hiermit verkennen wir kei- nesweges die Wichtigkeit der Centralorgane für den periphe- rischen Theil des Nervensystems, ja wir haben oben geschen, dass lelzterer des Zusammenhanges mit ersteren nicht entbeh- ren könne, wenn er nicht seine Reizbarkeit verlieren soll; besonders wichtig scheinen in dieser Hinsicht diejenigen Punkte der Centralorgane, in welchen die Reflexion Statt findet, wie dies aus den Beobachtungen von Marshall Hall (Müller’s Archiv f. Anat., Phys. ete. 1839. Heft IM. p. 200.) und Va- lentin hervorgeht; ersterer fand nämlich, dass die Reizbarkeit der peripherischen, von dem Rückenmark ausgehenden Nerven bei den Gehirnlähmungen nicht allein nicht gemindert, son- dern sogar gesteigert sei, er folgert daraus, dass die Quelle der Irritabilität in dem Rückenmark zu suchen sei, die Slei- gerang derselben habe darin ihren Grund, dass das Gehirn in seinem Willensacte diese Irvilabilität: erschöpfe. Obgleich 230 dies nun noch der weitern Bestäligung bedarf, so geht ans diesen Beobachtungen doch soviel hervor, dass bei Trennung des Rückenmarks von dem Gehirn die Reizbarkeit der Nerven und Muskeln nicht erlischt; dies bestätigt auch Valentin (l. e. p. 126. Medulla spinali trausverse divisa irritabilitas non perit). Hieraus kann man jedoch noch keinesweges den Schluss ziehen, dass die Quelle der Irritabilität im Rückenmark zu suchen sei, denn die Reizbarkeit eines von demselben getrenn- ten Nerven erlischt wohl nicht deswegen, weil jenes Subsirat der Irritabilität nicht mehr in ihn einströmt, sondern er be- darf des Zusammenhangs mit dem Rückenmark um ein Ganzes zu bilden, von diesem getrennt, wird er, wie jeder andere einem speciellen Zweck bestimmte Theil, der für längere Zeit in der Ausführung seiner Function gehemmt ist, in seiner Er- nährung zurückgesetzt, und mit dem Sinken des Lebens in ihm erlischt auch dessen Product, seine Reizbarkeit. 2. Ueber Regeneration getrennter Nerven. Die Resultate der in dieser Hinsicht von uns angestellten Versuche sind folgende: Ein durchschnittener Nerv heilt zusammen, und zwar ist die beide Enden verbindende Substanz fähig Eindrücke von dem-einen Stück auf das andere fortzupflanzen; diese Leitungs- fähigkeit hängt von der Neubildung wirklicher Primitivfasern in derselben ab. Der Vorgang dieses Zusammenheilens ist folgender: nach der Durchschneidung (worauf natürlicher Weise Lähmung der unter dem Schnitt gelegenen Theile er- folgt) ziehen sich die beiden Enden zurück, was von der Ela- stieität der Nervenscheiden herrührt, jedoch wahrscheinlich durch die Bewegung des Gliedes noch vermehrt wird, gleich- zeitig wird durch eine diametrale Verengerung der Nerven- scheiden das Mark halbkugelförmig hervorgetrieben, dieses Her- vortreiben ist jedoch so unbedeutend, dass es zur Verminde- rung oder gar Aufhebung, des dureh die Durchschneidung ent- standenen Zwischenraumes nichts beitragen kann, In die 281 Wunden ergiesst ine Exsudat, wodurch die ge- iroffenen Theile “ einander verklebt werden; die Nerven- enden selbst schwellen an, und zwar das obere in der Regel mehr als das untere. Der Grund dieser Anschwellung ist in einer reichlichern Ausschwitzung plastischer Lymphe in das die einzelnen Primitivfasern unter sich und mit dem Neurilem verbindende Zellgewebe zu suchen. Wir konnten in der Ent- zündungsperiode nie eine Veränderung der Primitivfasern selbst beobachten, dasselbe fanden auch Burdach (Il. c. p. 42.) so wie Steinrück (].c. p.71.); hiermit stimmt auch eine Beob- achtung von Gluge überein (Dissertatio inaugural. observat. nomnull. sistens microscopie. fila, quae primitiva dieunt, in in- flammalione spectantes. Berol. 1835.). Derselbe fand nämlich in der Entzündung die Primitivfasern des Sehnen- und Zell- gewebes stets unverändert, während in den Zwischenräumen mehr oder weniger körniges Exsudat abgelagert war; diese Beobachtungen können, weiter fortgesetzt, für die Lehre von der Entzündung von der grössten Wichtigkeit werden, indem aus ibnen hervorzugehen scheint, dass der wesentliche Sitz derselben nicht in den Geweben selbst, sondern in der die- selben umgebenden und durchdringenden, aus dem geschlos- senen Gelässsysteme ‚ausgetrelenen Bildungsflüssigkeit zu su- chen sei. ) 8 Das Exsu: at ist anfangs formlos und in grösseren oder geringeren Mass Bppbanten, später wird dasselbe theilweise resorbirt, und es bildet sich ein Strang zwischen den beiden Nervenenden, der jedoch meist noch mit den benachbarten Theilen verwachsen ist, In dieser Exsudatmasse geht die Bil- dung der Primitivfasern - vor sich; die kürzeste Zeit, binnen welcher wir Herstellung der Leitung beobachteten, ist acht Wochen; die Schnelligkeit, womit die Regeneration vor sich geht, scheint von verschiedenen Umständen, namentlich der Stärke und Gesundheit des Thieres sowie von dem Alter des- selben abzuhängen. Die Regeneration findet auf dieselbe Weise Stall, wenn 282 - NE ' ein Stück von zwei bis drei Linien ausgeschnitien worden ist. Wie gross ein Stück sein müsse um die Regeneration zu ver- hindern, lässt sieh nieht genau bestimmen. In der Narbe selbst nun, welche sich durch die Anschwel- langen *) der beiden Nerven auszeichnet, zwischen welchen das neugebildete Stück liegt, entdeckten wir in 9 Fällen deut- liche Primitivfasern, und zu gleicher Zeit mehr oder weniger vollkommene Wiederherstellung der Funetion in dem verwun- deten Fuss. Diese neugebildeten Nerveneylinder unterschei- den sich in Nichts von den gesunden, nur sind sie in der Re- . gel nicht so deutlich zu sehen, da sie meist von einer grossen Menge körniger Exsudatmasse oder neugebildeten Zellstofls umgeben sind, wodurch sie fester an einander hängen und sich nicht so leicht als die gesunden trennen lassen, auch ver- laufen die Fasern nicht so parallel, sondern gehen mehr oder weniger verworren durcheinander, so dass es nur selten ge- lingt, eine und dieselbe durch die ganze Narbe zu verfolgen. Das neugebildete Stück ist in der späteren Zeit mit einer zellstoffgen Hülle umgeben, die, wenn das Thier lange genug lebt, dem Neurilem vollkommen ähnlich wird (so sahen wir dasselbe bei einem Thiere nach Ablauf eines Jahres). Wenn nun gleich aus diesen Versuchen hervorgeht, dass in der Mehrzahl der Fälle eine Regeneration Statt finde, so wird doch nur selten die Funetion der unter dem Schnitt ge- legenen Theile vollkommen wieder hergestellt; es können näm- lich die meisten dieser Thiere den Fuss nicht so frei brauchen, wie den gesunden, namentlich scheint der Einfluss des Wil- *) Diese Anschwellungen bemerkt man noch lange nach der Durchschneidung, wir sahen sie noch 8—9 Monate nach derselben, ja sehr häufig scheinen sie nie wieder zu verschwinden; so halten wir Gelegenheit eine Frau in der Dresdner chirurgischen Clinik zu beobachten, der vor 25 Jahren ein Neurom aus dem N. medianus im obern Drittheil des Oberarmes ausgeschnilten worden war, hier [ühl- ten wir deutlich die Anschwellung im obern und untern Ende, an letzterem jedoch geringer. 283 lens darauf seschmälert; die Wiederherstellung der Empfin- . dung ist wahrscheinlich in demselben Maasse unvollkommen, jedoch lässt sich hierüber durch Versuche an Thieren kaum etwas Gewisses ausmitteln. Den Grund dieser unvollkomme- nen Wiederherstellung suchen wir in Folgendem: Vergleicht man nämlich den Umfang des neuerzeugten Stücks mit den übrigen Nerven, so findet man meist denselben geringer,’ be- denkt man nun noch, dass die Narbe eine bedeutend grössere Menge von Zellstoff enthält, so kann die Anzahl der in der- selben befindlichen Primitivfasern den im unverletzten Nerven- stamm enthaltenen nicht gleich kommen; da nun aber eine sol- che neuerzeugte Primitivfaser nur zwischen zweien, nämlich einer obern und einer untern die Verbindung herstellen kann, so können also auch von dem untern Stück nur eine ‚gleiche An- zahl, als sich Vermittelungsfasern in der Narbe befinden, ihre Function ‚wieder antreten, während die der übrigen nicht mit dem obern Stück verbundenen erlischt. Was nun noch besonders für diese Ansicht spricht, ist der Umstand, dass wir in denjenigen Fällen, wo die Function nur unvollkommen her- gestellt war. später eine Anzahl Primitivfasern auf die oben beschriebene Weise verändert fanden. Auch lässt sich hier- mit Gruithuisen’s Beobachtung an sich selbst in Einklang brivgen. Er durchschnitt nämlich den N. radialis dorsalis pol- lieis am hintern Theile des zweiten Gliedes des Daumens, wor- auf die linke Seite des Daumenrückens bis unter den Nagel ganz unempfindlie wurde. Später trat wiederum Empfindung ein, jedoch war diese sehr unbestimmt, er konnte z. B. bei verschlossenen Augen auf eine Strecke von 2 Zoll Länge und #4 Zoll Breite nicht bestimmen, wo er berührt worden war, und machte Fehler von 3—5 Linien, Er erklärt sich dies so, dass durch die Narbe zwar Empfindungs- Eindrücke £ e aber hier zu schr ausgebreitet würden, als dass limmte Nervenfasern als von einem bestimmten mach dem Sensorium fortgepflanzt würden. Hierbei lässt sieh nicht gut einschen, wie eine Ausbreitung —_ 4 234 der empfangenen Eindrücke in der Narbe Statt finden könne, wohl aber ist es nicht unwahrscheinlich, dass, da die Fähigkeit zwei Empfindungs-Eindrücke als solche zu unterscheiden da- von abhängt, dass sie von zwei verschiedenen Primitivfasern nach dem Sensorium geleitet werden, sich in Gruithuisen’s Falle nur eine geringe Menge Primitivfasern wieder verbunden hatten, wodurch die von einer jeden derselben im Sensorium repräsentirte Hautfläche bedeutend grösser, die Fähigkeit aber, zwei Eindrücke als solche zu unterscheiden, in demsel- ben Maasse geringer werden musste. Dieselbe Erscheinung findet wohl auch bei den Bewegungsnerven Statt; es bedarf nämlich ein Muskel einer bestimmten Anzahl Primilivfasern, um zur Action angeregt zu werden, ist diese zu sehr 'verrin- gert, so werden durch auf den Nerven angebrachte Reize zwar noch Zuckungen einzelner Bündel, aber keine regelmässigen Zusammenziehungen des ganzen Muskels erfolgen. Eine interessante Frage ist die: können sich bei der Re- generalion sensilive Fasern mit motorischen verbinden? Die von Schwann und Steinrück darüber angestellten Versu- che haben kein Resultat geliefert; auch wir haben durch un- sere Versuche nichts Beslimmtes darüber erfahren, jedoch scheini es uns sehr unwahrscheinlich. Angenommen nun, dass sich motorische Fasern nur mit motorischen, sensilive nur mit sensiliven verbinden, so fragt es sich noch, wird die Verbin- dung nur zwischen den früher sich entsprechenden Fasern her- gestellt, oder nicht? Ist nämlich letzteres der Fall, so müssen die auf der von dem betrefienden Nerven abhängigen Haut- fläche angebrachten Reize an einem andern Orte empfunden " werden, als auf den sie eingewirkt haben, indem nun die pe- ripherischen Enden der regenerirten Primitivfasern nicht mehr ihren kn gspunkten in den Centralorganen, welche erslero a saniren, ‘enispreehen. en wir z. B. an, dass zwei sensilive Primitivfasern, a—a und 4—5, in ihrem Verlauf durehsehnilten würden, sich nun. aber so regenerirlen, dass das untere Ende von a mit i “ 285 dem obern von 5 K wüchse, so würden die auf die von a abhängige Haut dien Reize nach dem Sensorium als von b j- mend gelangen, und somit auch an der von 5 daselbst repräsentirten Hantfläche empfunden wer- den; dasselbe müsste auch bei den motorischen Nerven Statt finden, indem nun nieht mehr die dem oberen Ende entspre- chenden Muskelbündel in Contraction gesetzt würden. Wir können aus unseren Versuchen nichts Bestimmtes darüber ent- scheiden, jedoch halten wir es für sehr unwahrscheinlich; dass sich nur die entsprechenden Fasern wieder verbinden und glau- ben daher, dass der unvollkommene Gebrauch des Gliedes, sowie in Gruithuisen’s Falle die Täuschungen des Sefühls, hierin sowie in dem oben erwähnten Umstande, seinen Grund habe. Hierzu kommt noch, dass wir beobachtet zu haben glau- ben, dass mitunter, wo bei anscheinend vollkommener Rege- neralion der Gebrauch des Gliedes sehr beeinträchligt war, bei Reizung der Nerven Zusammenziehungen in verschiedenen nicht zusammengehörenden Muskelparlien erregt wurden. Was nun die Bildung der Primitivfasern in der Narbe an- belangt, so geht diese stets von den getrennten Nerven aus, und der Process ist vollkommen der Regeneralion in andern Geweben analog. Es fragt sich nun, geht diese Neubildung von beiden Enden des durchschnittenen Nerven oder allein von dem obern aus? Aus der ziemlich constanten Erschei- nung, dass das obere Ende mehr anschwillt als das untere, könnte man auf eine grössere Reaction in ersterem schliessen, und daher vermuthen, dass die Regeneration wenn auch nicht allein, doch vorzugsweise von dem obern beginne; hierzu kommt noch der Umstand, dass nach der Durchschneidung die Reizbarkeit in dem untern erlischt. Steinrück (l. ce. p. 62.) hat einen Versuch darüber angestellt, indem er den Nerven an zwei Stellen durchschnilt, und in beiden Durchschneidungs- stellen regenerirte Primilivfasern gefunden haben will. Uns ist dieser Versuch nicht gelungen, jedoch glauben wir uns seiner Meinung anschliessen zu müssen, da sowohl die Analogie dieses « 286 Vorganges bei anderen Geweben dafür spricht, als auch die oben angeführten Gründe keinesweges die Unmöglichkeit be- weisen. ie So eben vor Absenllung gegenwärtigen Aufsatzes erhalten wir J.Müller’s Archiv f. Anat, u. Phys. Jahrg. 1839. Heft V., und finden zu unserer grossen Freude in demselben einen Auf- satz über denselben Gegenstand vom Prof. Nasse in Marburg. Derselbe bestätigt in der Hauptsache unsere Beobachtungen, da wir aber dem Vorgange in seinem ganzen Verlaufe gefolgt sind, so hielten wir die Bekanntmachung derselben noch nicht für ganz überflüssig. Ueber 2 eine gangliöse Anschwellung in der Jacobson- sehen Anastomose des Menschen. Von G. VarEnTıN Hat man an einem gut injieirlen und in der Mitte der Länge nach halbivrten Schädel den Paukenkanal bis zum Vorgebirge hin so aufgemeisselt, dass der Paukenzweig des unteren Fel- senbeinknotens des Zungenschlundkopfnerven mit seiner ziem- lich weiten Scheide vollständig und unversehrt erhalten ist, und öffnet dann diese letztere der Länge nach, so dass man einerseits die nach hinten, aussen und zum Theil nach oben abgehenden Zweigchen für das runde und das eirunde Fenster, andrerseits die Fäden von dem carotischen Nerven, den Zweig für die Eustachische Trompete, den kleineren tiefen Felsen- beinzweig und den Verbindungsast mit dem kleineren ober- Nflächlichen Felsenbeinzweige in ihren Anfängen erkennt, so zeigen sich zwei Dinge: 1) gewahrt man, dass der Pauken- zweig selbst ungefähr 1—13‘“ vor seinem Austrille aus dem unteren Felsenbeinknoten durch eine umliegende grauröthliche Masse leise anschwillt, dass diese Anschwellung sich nach oben hin etwas vermehrt, weiter nach oben aber sich wieder ver- ringert, und an dem Anfange der Paukenliö ‚oder kurz vor- her gänzlich aufhört; und 2) dass längs BE eeinng stelle und zum Theil noch über und unter ihr ausser den .s 288 genannten Hauptreiserchen seitlich zahlreiche feine Fäden gegen die umhüllende Scheide abgehen, und Iheils in ihr zu endigen scheinen, theils aber offenbar durch sie hindurchdringen und in das Innere des benachbarten Knochens eintreten, wie wir etwas Aehnliches, nur stärker und leichter, längs des caroti- schen Nerven, des aufsteigenden Astes des obersten Halskno- tens des sympathischen Nerven, des oberen Felsenbeinknöt- chens des Zungenfleischnerven, des Jugularknotens des her- umschweifenden Nerven u. dgl. wahrnehmen. Mehrere und 2—4 stärkere Fädchen der Art. anastomosiren auch mit dem carotischen Nerven. Die Anschwellung des Paukenzweiges wird durch eine grauröthliche Masse erzeugt, welche denselben rings herum umsgiebt, so dass dieser mitten durch sie hindurchtritt. Unter dem Mikroskope zeigt diese Substanz die schönsten Ganglien- kugeln von 0,002450 P. Z, mitllerem schiefen Durchmesser mit keimbläschenartigem Nucleus und diehtem Nucleolus, und von zierlichen Scheiden umgeben, so dass in Betreff der gan- gliösen Nalur dieser Anschwellungsmasse nicht der geringste Zweifel obwalten kann. Nur muss man Sorge tragen, dass man die Untersuchung an frischen Leichen vornimmt, weil durch Fäulniss die zarte Gangliensubstanz leicht unkenntlich wird. Am passendsten kann man dieses Gebilde mit dem Na- men des Paukenknötchens oder der gangliösen Anschwellung am Paukennerven (Gangliolum iympanicum s. Intumescentia gangliosa R. tympanicum ambiens) bezeichnen. Während der Paukenzweig an seinem Ursprunge aus dem unteren Felsenbeinknoten des Zungenfleischnerven einen Durch- messer von ungefähr 4" besitzt, und diese Dicke längs seines ersten 1— 14" langen aufsteigenden Verlaufes innerhalb des Paukenkanales beibehält, so schwillt er in seinem nun erfol- genden Fortgange allmählig etwas an, so dass er an dem un- leren Ende der Verdickung verhältnissmässig dünner, dann dicker und zuletzt wiederum dünner wird. Die grösste Breite dieser Intumescenz, welche in der Regel etwas über die Mitte 289 der Länge derselben fällt, beträgt 4". Bei seiner ‚oberen Ver- dünnung misst er wieder etwas mehr als 4“. - Die Länge der so fast länglich spindelförmigen, bauchigen Anschwellung beträgt im Mittel 24. Sie beginnt, bevor noch ausser den untersten, sehr feinen schon erwähnten Reisern bedeutendere Zweige aus dem Siamme des Paukenzweiges abgehen, existivt noch an den Austrittsstellen der Aestchen für die beiden Fen- ster und die Einfügung des unteren carolico - tympanischen Nerven, ‘scheint jedoch selten bis zum Anfange des Zweiges für die Eustachische Trompete,, nie-aber bis zur Theilung in den kleineren tiefen Felsenbeinzweig und den Verbindungs- faden mit dem kleineren oberflächlichen Felsenbeinzweige zu reichen. Die Gangliensubstanz umschliesst den Paukenzweig, ohne dass die Primitivfasern ‘des letzteren auseinander weichen, um Maschenräume, in denen sich Ganglienkugeln einlagerten, übrig zu lassen. : Der grösste Theil seiner Nervenfasern gehet als ein Stammbündel gerade durch, so dass die Gangliensub- stanz dessen Aussenfläche umgiebt und daher leicht als elwas Fremdartiges bei der Präparation mit hinweggenommen wird, Aus diesem Grunde scheint mir auch die Benennung der gan- gliösen Anschwellung am Paukenzweige die zweekmässigste. Untersucht man den Verlauf der Nervenfasern in der Ja- cobson’schen Anastomose, so weit dieses angeht, genauer, so überzeugt man sich, dass ein grosser Theil der Primilivfasern, welche sich sowohl für das freie Auge durch ihre weisse Farbe, als unter dem Mikroskope durch ihre diehte bündelweise An- lagerung auszeichnen, in dem Paukenzweige von dem unteren Felsenbeinknoten des Zungenschlundkopfnerven emporsteigen, durch die gangliöse Anschwellung gerade durchgehen und theil- weise durch den Zweig für die Eustachische Trompete zu der die Rachenmündung der lelzteren umgebenden Schleimhaut, gelangen. Auf diese Art erhält die schon früher (de funelio- nibus nervorum. 1839. 4. p. 39.) geäusserte Vermulhung, dass der Paukenzweig zu der in jener Gegend existirenden Ge- schmacksempfindung das Seinige beitrage, eine erneuerle ana- Müller's Archir. 1840, 49 290 tomische Bestäligung. Auch in dem kleineren tiefen Felsen- beinzweige verlaufen die Primitivfasern, wenigstens oberhalb der’ Anschwellung dicht bündelweise bei einander. Bei ihm und dem Verbindungsästchen mit dem kleineren oberflächlichen Felsenbeinzweige dürfte vielleicht ein gegenseitiger Austausch von Primilivfasern zwischen dem Gaumenkeilbeinknoten des Oberkieferastes des dreigetheilten Nerven und dem Knieknoten des Antlitznerven eimerseits, und dem Paukengellechte ande- rerseits Statt finden, ohne dass sich dieses jedoch durch die mikroskopische Untersuchung erhärten oder wiederlegen liesse. Der untere carolico-tympanische Nerve, die feinen Faden und die Reiser für die beiden Fenster stehen aber mit der: gan- gliösen Masse, wie man deutlich sieht, in inniger Beziehung, da sie in sie ein- oder aus ihr hervortreten, sich also als durchsetzende Nerven zu ihr verhalten. Sie allein und nicht der Paukenzweig scheinen die Veranlassung zu der gangliösen Anschwellung zu ‘geben. Ueber eine physiologisch interessante Varietät des Ur- sprunges der langen Wurzel des Augenknotens. Von G. VaLENTIN Aus physiologischen Versuchen (s. de functionibus N. N. ce- rebralium Nervique sympatbiei, 1839. 4, p. 109.) folgt, dass in den Augenknoten zweierlei Nerven eintreten, einerseits nämlich solelie, welche von Hirnnerven, im Normalzustande von dem gemeinschaftlichen Augenmuskelnerven und dem dreigetheilten Nerven, und in abweichenden Fällen zugleich zunächst von dem Rollmuskelnerven oder dem äusseren Augenmuskelnerven ent- springen, und die daher mit dem Namen der Hirnneryenquelle des Augenknotens (Fons. cerebralis Ganglüi ophthalmici) bezeich- net werden können; andrerseils sleigen Primiliyfasera, von den oberen Halsnerven durch den obersten Halsknoten des sympathir schen Nerven und den earolischen Zweig des aufsleigenden Astes des leizieren empor, und bilden ‚so die Rückenmarksnerven- quelle des Augenknotens (Fons spinalis g. eiliaris). Die lelz- tere kann aber auf dreifacher Bahn verlaufen: 4) durch die s0- genannte miltlere oder genauer durch die mittlere obere Wur- zel des Augenknotens (Radix ‚media superior G. ophtbalmici), diese möge sich nun gänzlieh mit der langen Wurzel vereini- gen oder zum Theil in sie, zum Theil für sich in den Augen- knoten eintreten, 2) Durch die untere mittlere Wurzel (Radix 49" 292 media inferior), welche von dem Gaumenkeilbeinknoten durch die untere Augenhöhlenspalte zu dem Augenknoten emporsteigt, und von dem liefen Aste des vidischen Nerven abgeleitet wer- den kann, und 3) durch den weiter unten zu erwähnenden, bisweilen zu beobachtenden Faden, welcher von dem weichen äusseren Keilbeingeflechte des carotischen Nerven stammt, und sich in den äusseren, oberen und hinteren Theil des Augen- knotens einsenkt. Ausserdem können noch in der langen so- wohl als in der kurzen Wurzel Fädchen verlaufen, welche, sich innerhalb des äusseren Keilbein-- und des inneren cavernösen Geflechtes an den dreigetheilten und den gemeinschaftlichen Au- genmuskelnerven angelegt haben. Iudem wir uns aber hier auf dem rein anatomischen Standpunkte, und zwar des menschli- chen Körpers allein halten, bleibt die mittlere obere Wurzel für uns in dieser Beziehung die wichtigste, da sie constant vor- handen ist, meist eine verhältnissmässig sehr bedeutende Aus- bildung hat, und in ihr der Primitivfaserverlauf zum Theil durch das Messer so dargelegt werden kann, wie ihn physiologische Versuche früher erschliessen liessen. Wir wollen daher- zuerst die Verhältnisse der oberen mittleren Wurzel betrachten, und zugleich die Varietät derselben, welche überhaupt die Veran- lassung zu diesem Aufsalze gegeben, beschreiben, alsdann 'aber einige Bemerkungen über die übrigen Wurzelquellen des Au- genknotens im Menschen hinzufügen. In den über die mittlere obere Wurzel des Linsenknotens vorliegenden Angaben herrscht mancherlei Verschiedenheit. Im Allgemeinen lässt man aus den die Hirnschlagader umstricken- den Nerven ein Fädchen hervortreten, durch die obere Augen- höhlenspalte durchdringen, und sich in den hinteren Theil des Augenknotens zwischen der langen und der kurzen Wurzel des letzteren einsenken, so dass dieses Reiserchen, mit den übrigen Wurzelquellen des Augenknotens verglichen, nicht sehr bedeu- tend wäre. Allein zwei Neurologen; von deren Gründlichkeit in ihren Untersuchungen man sich bei genauer Präparation des menschlichen Körpers auf jedem Schritte überzeugt: Bock 233 und Arnold lehren schon, dass die Verhältnisse complieirter seien und die mittlere obere Wurzel einen grösseren Antheil an der Constitation des Augenknotens nehme. Bock (Be- schreibung des fünften Nervenpaares, 1817, Fol. S. 12. 13.); welcher diese Nervenfäden bei Zergliederung eines Callithrix zuerst wahrnahm, lässt aus dem äusseren Keilbeingeflechte des earolischen Nerven zwei (?) Fäden hervortreten, um den Stamm des gemeinschaftlichen Augenmuskelnerven herumgehen, und zu dem Nasen- und Blendungszweige des dreigetheilten Ner- ven emporsteigen. Einer dieser Fäden nalım bei einem, sechs- zehnjährigen taubstummen Mädchen ein dünnes plaltes Fädchen aus dem Nasen-Blendungszweige, und zwei aus dem gemein- schaftlichen Augenmuskelnerven auf, und stellte so die lange Wurzel des Augenknotens dar. Der zweite Faden geht an die Augenschlagader; ein dritter, nachdem er vorher mit dem äus- seren Augenmuskelnerven anastomosirt, zu dem unteren: und hinteren Winkel des Augenkootens.. Arnold (Kopftheil des vegelaliven Nervensystems, 1831, 4. S. 91.), welcher ‘die obere mittlere Wurzel als durchaus constant ansieht, fand, dass ein Fädchen aus dem vorderen in dem Zellblutleiler liegenden Theile des Geflechtes des carotischen Nerven abgehe, zwischen der inneren Seite des Augenastes des dreigetheilten Nerven und der äusseren des gemeinschaftlichen Augenmuskelnerven vordringe, und sich dann entweder gesondert in den Augenknoten zwischen dessen langer und kurzer Wurzel einsenke, oder sich mit der langen Wurzel in der Augenhöhle vereinige, oft aber bald’ nach seinem Ursprunge noch ein Fädchen an den Nasen -Blendungs- zweig ertheile, Sämmtliche Fäden der oberen mitlleren Wurzel kennen zu lernen, ist meiner Erfahrung nach mit Sicherheit nur da- durch möglich, dass man die obere Wand der Augenhöhle weg- briebt, sich nun zuerst den Augenknoten aufsucht, und. seine lange Wurzel von ihm aus nach hinten gegen die Schädelgrund- Näche verfolgt. Bei Vergleichung wird man dann finden, dass beim wiedersien Grade der Ausbildung der oberen millleren 194 Wurzel, der grösste Theil der Primitivfasern der langen Wurzel aus dem Nasen-Blendungsaste oder dem Augenaste des dreige- theilten Nerven oder selbst aus dem Stamme des letzteren kommt, und nur ein oder zwei dünne Fädchen aus dem äusseren ca- vernösen oder Keilbeingeflechte des carotischen Nerven, welches dicht unter der letzten Biegung der Hiruschlagader liegt, in sich aufnimmt, dass dann aber oft noch ein Fädchen gesondert verläuft, und sich in den hinteren Tlieil des Augenknotens ein- senkt. Bisweilen hat die lange Warzel einen gabelig gespalte- nen Ursprungstheil aus dem Nasen-Blendungsaste und dem Au- genaste des dreigetheilten Nerven oder beiden zugleich, und nimmt sowohl vor als während und nach der Vereinigung sei- ner beiden Gabeläste mehrere Fäden oder ein Fädchengeflecht aus dem Keilbeingeflechte auf. Hierbei fehlt entweder das ge- sonderte Fädchen für den Augenknöten, oder es ist vorhanden. In einem nöch ausgebildeteren Grade, der keineswegs zu den irgend wie seltenen Fällen gehört, geht von dem äusseren Keil- beingeflechte ein complieirtes Geflecht aus, welches sich zwi: schen der Innenfläche des Augenastes des dreigelheilten Nerven und der Aussenfläche des gemeiuschaftlichen Augenimuskelner- ven etwas nach aussen und unten von dem letzteren befindet. Dieses Geflecht verstärkt sich bisweilen durch einen Faden des oberen Astes oder des Stammes des gemeinschafllichen Augen- muskelnerven, welcher bisweilen nur zu den von dem ca: rolischen Nerven aus an den drilten Hirnnerven sich anlegen- den Fäden gehört, bisweilen aber entschieden aus diesem Ner- ven selbst hervortritt, und zur Gelirn-, nicht aber der Rük- kenmarksquelle des Augenknotens zu rechnen ist. Aus diesen Fäden treten der Reihe nach drei bis sieben Fäden theils hin- ter, theils in der Augenhöhle zu der von dem dreigetheilten Nerven abstammenden langen Wurzel. Dann aber machen die so der Rückenmarksguelle angehörenden Primitivfasern ein Drit- theil und mehr der langen Wurzel aus. Ein Schrilt weiter und diese durch den carolischen Nerven aufsteigenden Fäden werden die ganze lange Wurzel zusammenselzen. Au der Stelle der 195 letzteren wird ein gesondertes dünnes oberes und äusseres Wur- zelfädchen, welches allein von dem dreigetheilten Nerven ab: slammt, und ;isolirt verläuft, exisliren. Diese Anordnung habe ich nun als Varietät ein Mal zu beobachten Gelegenheit gehabt. Abgesehen von ihrem pbysiologischen Interesse dürfte eine genaue Darstellung der in jenem Falle beobachteten Ver- hältnisse der Augenknolen beider Seiten deshalb nicht überflüs- sig sein, weil hierdurch eine Veranlassung gegeben wird, über die übrigen Wurzelfäden des Augenknotens und deren Bezie- hungen zu ihren Ursprungsquellen Einiges mitzutheilen. In der Leiche einer 36jährigen, an Gebärmulterkrebs ver- storbenen Frau halte der Augenknoten der linken Seite seine regelrechte, längliche, fast viereckige Form, war 14“ lang, 2/4 breit und nieht ganz 4 dick, und zeigte seine normale grauweisse Farbe. Aus der äusseren und oberen Seite des un- teren Zweiges des gemeinschaftlichen Augenmuskelnerven traten vier Wurzelzweige nach aussen und oben empor. Der hin- terste 4" starke besass eine Länge von 14“, entsprang unmiltel- bar an der Eintrittsstelle des unteren Astes des gemeinschaflli- chen Augenmuskelnerven in die Augenhöhle, ging schief nach vorn, aussen und oben, und legie sich vor seinem Eintritt in den hinteren, inneren und unteren Theil des Augenknotens an den folgenden Wurzelzweig an. Dieser oder der mittlere hintere Wur- zelzweig entsprang mit zwei Fäden, einem hinteren, der dicht vor dem hinteren, und einem vorderen, welcher dicht vor dem mittleren vorderen Wurzelzweige hervortrat. Beide Reiser ver- einigten sich nach einem Verlaufe von 2‘ zu einem Stämm« ehen, welches eich dicht nach hinten und innen von dem Au- genknoten durch eine Anastomose mit dem hinteren Wurzel- zweige verband, und sich dann unmittelbar vor ihm in das Ganglion einsenkle. Der miltlere vordere Wurzelzweig trat unmittelbar vor dem millleren hiuleren hervor, ging als ein 4“ starker Faden schief nach aussen und vora und elwas naclı oben, verband sich, wie es schien, in der Mille seines Verlau- fes durch ein sehr 'zartes Fädchen wit dem willleren hinteren 926 4 Wurzelzweige, und senkte'sich nach einem Verlaufe von'etwas mehr, als 1“ in den miltleren Theil des inneren’ und unteren Randes des Augenknotens ein. Der vorderste Wurzelzweig endlich entsprang 3“ weiter nach vorn, als der miltlere vor- dere, ging in’einem schwach nach vorn’ concaven Bogen nach oben und aussen, und senkte sich nach einem Verlaufe von 1“’ in den vordersten und innersten Theil‘ des Augenknotens dicht an der Stelle, wo die innersten und ‘untersten Blendungs- nerven hervortraten, ein. Dicht vor diesem Wurzelzweige ent- sprang ein feines Aestchen, welches nach oben, vorn und ‚aus- sen verlief, mehrere Reiser an das unter dem oberen’ geraden Augenmuskel befindliche Fett gab, an :die Ianenfläche‘des in- nersten Bündels der Blendungsnerven gelangte, hier "ein sehr zartes, ungefähr 2“ im Durchmesser haltendes Gefleeht bildete, und sich dann, ohne so den Augenknoten zu berühren, indas genannte innere Bündel der Blendungsnerven einsenkte. In die- sem kleinen 'Geflechte zeigte sich bei mikroskopischer Unter- suchung desselben keine Spur von Ganglienkugeln, so dass es durchaus nicht etwa als ein secundärer Augenknoten angesehen werden kann *), dass vielmehr hier auch, wie dieser Fall sehr häufig ist, Primitivfaseru des gemeinschaftlichen Augenmuskel- nerven in die Blendungsnerven eintreten, ohne vorher den Au- genknoten: durchsetzt: zu haben. Ein ähnliches Nebenfädchen verlief auch :binter dem Augenknoten. Es trat'nicht ganz 4“! hinter dem ‚hintersten Wurzelzweige aus dem oberen und) äus- seren Theile des Stammes des gemeinschaftlichen Augenmuskel- nerven hervor, ging schief nach vorn, aussen und oben, ver- band sich durch ein’ Reiserchen mit dem hiutersten ı Wurzel- *) Ueberhaupt muss ich bemerken, dass ich bei ziemlich häufiger Präparation dieser Theile in den letztverflossenen Winter noch nie die geringste Spur eines doppelten Augenknotens beobachten konnte, Vergl. auch Arnold Kopftheil des vegetativen Nervensystems, S. 93. Was Fäsebeck (Müller’s Archiv. 1839. S. 71.) wit seinem zwei- ten Ganglion meine, 'kenne ich aus eiguer Erfahrung noch nicht, 297 zweige, und senkte sich in die lange Wurzel 4“ hiuter (dessen Eintritt in den Augenknoten ein. In der Nähe des Augenkootens verhielt sich die lange Wur- zel*) durchaus normal. ‘Verfolgte man sie rückwärts. von! vorn nach hinten, so‘ ging sie als ein etwas mehr, als 4 starker Stamm aus dem oberen, und zum Theil äusseren Theile des Hin- terendes des Knotens hervor, und verlief als ein 44‘ langer Nerve zwischen ‚dem dreigetheilten Nerven ‘und dem gemein- schaftlichen Augenmuskelnerven, ‘unter und etwas nach aussen von dem letzteren, nach innen und hinten und etwas. nach un- ten hinüber, bis er. die Stelle erreichte, ‘wo von den auf der äussern Oberfläche der Hirnschlagader befindlichen weichen Ner- vengeflechten in der Nähe des Anfanges der letzten Windung der Carotis sich ein zartes Geflecht weicher Nerven gegen die innere Seite des dreigetheilten und die äusseren Seiten des äus- seren und des gemeinschaftlichen Augenmuskelnerven fortsetzt. Dieser grossen Theiles dem äusseren Aste des carotischen Ner- ven angehörende Endgeflechttheil, welchen ich mit dem Namen des äusseren weichen Keilbeingeflechtes (Plexus sphenoidalis externus mollis) bezeichne, wird durch den Stamm des äusse- ren Augenmuskelnerven in ein oberes äusseres weiches Keil- beinnelz (Rete nervosum sphenoidale molle superius) und ein unteres äusseres weiches Keilbeinnetz (Rete nervosum sphe- noidale molle inferius) gesondert. Beide weichen Netze stehen durch Fädchen, welche über die äussere Fläche des Stammes des äusseren Augenmuskelnerven hinübergehen, mit einander in Verbindung. Im Normalzustande nun vereinigt sich zwar das obere äussere weiche Keilbeinnetz mit dem äusseren und dem gemeinschäftlichen Augenmuskeluerven, so wie bisweilen mit dem Augenaste oder dessen Nasen-Blendungszweige (und dem *) Ich nenne diesen Theil die lange Wurzel, weil er durch seine Stärke, seine Länge und seine Einsenkung in den Augenknoten sich genau so verhielt, wie sonst die normale lange von dem Nasen -Blen- dungszweige kommende Wurzel. 198 Rollmuskelnerven), und selzt durch seine Fädchen grösstentheils oder gänzlich die obere mittlere Wurzel des Augenknotens zu- sammen, während die lange Wurzel aus dem Nasen- Blendungs- aste hervorgeht. In dem vorliegenden Falle dagegen entstand diese letzte dicht nach aussen von der Aussenwand der Hirn- schlagader unmittelbar unter dem Beginn ihrer letzten Windun- gen unter dem gemeinschaftlichen und über dem äusseren Au- genmuskelnerven aus fünf strahligen Wurzelzweigen verschie- denen Ursprunges. Das oberste und kürzeste Wurzelzweigchen schien aus dem unteren Theile der Aussenseite des Stammes des gemeinschaftlichen Augenmuskelnerven, da wo dieser dicht nach aussen von der letzten Windung der Carolis gegen die Augenhöhle hinübertritt, zu kommen. Bei genauerer Prüfung ergab es sich aber, dass dieser oberste Wurzelfaden höchst wahrscheielich nur theilweise, vielleicht gar nicht dem gemein- schaftlichen Augenmuskelnerven angehörte und einen grossen oder den ganzen Theil seiner Masse aus den weichen Nerven- fädchen schöpfte, welche sich an der äusseren und oberen Seite der Wand der Carotis bei ihrer letzten Biegung, und zwar der nach hinten und innen gerichteten concaven Partie, befanden; Der zweite und der dritte Wurzelzweig stand mit keinem Hirn- nerven in irgend einer unmittelbaren Verbindung, sondern ging gänzlich aus dem oberen äusseren weichen Keilbeinnetze her- vor, und verstärkte sich durch einige besondere Fädchen, wel- che für beide Wurzelzweige von den Nervenzweigen au der äusseren Seite und dem Rücken der Carotis, in der vorderen Hälfte des Zwischenraumes zwischen ihrer zweiten und: ihrer dritten Biegung, herkamen. Ausserdem traten noch aus. dem Stamme des gemeinschaftlichen Augenmuskelnerven, da wo: die- ser über die Hirnschlagader binübergeht, zwei Fädchen, welche sich in den zweiten Wurzelzweig einsenkten. Der vierte und fünfte. oder unterste Wurzelzweig, welche unler einander durch Fädchen sich zu verbinden schienen, hingen innig mit dem, Ge- flechte zusammen, welches sieh an der Aussenfläche des äusse- ren Augenmuskelnerven befindet und: die beiden äusseren wei- 299 chen Keilbeinnetze unter einander verbindet, und 'schöpften aus ihnen, der ‘vierte Wurzelzweig den grössten, der fünfte einen etwas geringeren Theil ihrer Substanz. Der fünfte öder un- terste entstand aber noch zugleich durch zwei Fädchen, wel- che aus der äusseren Fläche des äusseren Augenmuskelnerven hervorgingen, die aber, wie ihr etwas grauröthliches Ansehen vermuthen liess, nicht: dem Hirntheile dieses Nerven, sondern Bündeln angehörten, welche in ihn vorher aus dem Kopftheile des sympathischen Nervensystemes eingetreten waren. Auch die vierte Wurzel schien ein ähnliches, zartes, weiter nach hin- ten von dem äusseren Augenmuskelnerven abgehendes Fädchen zu empfangen. Eiue Verbindung dieser Wurzelzweige mit oder ein eigener Wurzelzweig aus dem dreigelheilten Nerven oder dessen Augenaste oder dem Nasen- Blendungszweige des letzte: ren war nicht nachzuweisen. Im Mittel‘ ungefähr 41‘ ‘von ihrem im Ganzen an der Basis 1} breiten Ursprunge entfernt eonvergirten diese fünf Wurzelfäden zu dem “starken Stamme der langen Wurzel. Dieser verlief schief nach vorn, aussen und oben, und ertheilte ungefähr 2“ nach seinem hinteren An- fange ein +1; starkes Fädchen, welches ein mit freiem Auge nur eben noch sichtbares Reiserchen an den Augenast ertheilte, nach aussen von dem Stamme der langen Wurzel nach vorn und oben verlief, ungefähr 5“ vor der oberen Augenspalte nach innen ein Fädchen für den Stamm der langen Wurzel, und nach aussen zwei sehr lange Anastomosenfädchen für den Thrä- nendrüsenzweig abgab, dicht nach aussen von dem Augenkno- ten, in den er nur einen Faden hineinsendete, vorbeilief, nach aussen und oben von dem äusseren und oberen Bündel der Blendungsnerven sich durch das Fett nach vorn forlsetzte, ein Fädchen an einen oberen Blendungsneryen gab, weiter nach vorn, oben und aussen forlging, Reiser in das Felt ertheilte, und sich zuletzt ia den Thränendrüsenzweig einsenkte. Näch Abgabe dieses Zweiges ging die lange Wurzel des Augenkno- tens nach oben und senkte sich auf die oben angegebene Weise in den Augenknoten ein, 300 «« Nach ‘unten und innen von der Einsenkungsstelle dieser langen Wurzel trat isolirt in den Augenknoten ein kaum +“ starkes Fädchen, welches aus dem Augenaste entsprang, schief nach vorn, oben und innen hinüberging, ‘sich mit dem End- theile der langen Wurzel kreuzte, und sich dann iu: die Mitte des vorderen Theiles des Augenknotens mit zwei Reisern ein- senkte.: Das oberste‘ Reiserchen: begab sich in die Tiefe. der Substanz. des Knotens..' Das unterste verlief mehr oberflächlich läogs der ‚Innenfläche des Augenknotens, und spaltete sich an dessen vorderem Ende in zwei Fädchen, von denen das untere in das untere, das obere in das obere Bündel der Blendungs- nerven einging, zugleich aber dem mittleren Bündel ‚derselben ein 'sehr feines Fädchen' abzugeben schien. Dieses Fädchen bildete so seinem Ursprunge, nicht. aber seiner Feinheit ‚und seiner Einsenkung nach eine normale lange Wurzel. Eine fernere '(auch sonst oft zu beobachtende), aus dem Kopftheile des sympathischen Nervensystemes stammende. Wur- zel, bestand in einem äusserst feinen, mit’ freiem Auge \eben noch sichtbaren Fädchen, ‘welches aus dem unteren Theile des oberen äusseren weichen 'Keilbeinnetzes entsprang, nach vorn; oben und aussen sich wandle, unter der Beinhaut verlief, dann unter den oberen geraden Augenmuskel sich in die Tiefe begab und sich in den oberen, äusseren und vorderen Theil des Au- genkaotens einsenkte. Auch der obere Ast des gemeinschaft- lichen Augenmuskelnerven ertheilte eine sehr feine, etwaı 4‘! dicke Wurzel, welche nach vorn, innen und unten hinüber- ging, sich mit dem oben erwähnten 'Aestchen der langen Waur- zel kreuzte und sich zuletzt in den untersten Theil der Aussen- fläche der vorderen Partie des Augenknotens einsenkte. . Ueber- dies’ entsprang noch aus dem für den unteren schiefen Augen- muskel bestimmten Zweige des unteren Astes des gemeinschaft- lichen Augenmuskelnerven ein ungefähr gleich starkes Fädchen, welches senkrecht nach oben verlief und sich in den vorderen und unteren Theil der Innenfläche des Augenknotens einpflanzie. Bei genauerer Prüfung schien es, als wenn dieser Wurzelzweig 301 doppelt wäre, indem nämlich ein hinteres Bündel in dem Ner- venstamme nach hinten, ein vorderes nach vorn, das Erstere also aus dem Nervenstamme zu dem Augenknoten, das Letz- tere aus diesem in jenen verlief. Die untere rücklaufende Wurzel hatte ungefähr +4" Dicke, legte sich dem unteren Bün- del des Blendungsnerven eng an, trat unter dem Sehnerven hinüber, anastomosirte mit den Nervennetzen an und um den- selben und giog nach innen hinüber, um sich wahrscheinlich, — was ich aber nicht so weit verfolgte — mit den langen Blendungsnerven oder dem fortlaufenden Stamme des Nasen- Blendungsastes zu vereinigen. Eine mittlere untere, mit dem Gaumenkeilbeinknoten in Verbindung stehende Wurzel konnte ich hier nicht auffinden. Die aus dem vorderen Theile des Augenknotens hervortre- tenden Blendungsnerven boten nicht besonders Bemerkenswer- thes dar. Sie traten wie gewöhnlich in drei Bündeln hervor, von denen das obere und äussere aus drei Hauptstämmchen von Blendungsnerven, welche nahe über dem Sehnerven durch den Mitteltheil der harten Haut des Augapfels hindurchtraten, be- stand. Das mittlere Bündel enthielt zwei Hauptstämmchen von Blendungsnerven, welche mit ihren ferneren Spaltungsästchen theils über, theils unter dem Sehnerven, aber sämmtlich nach aussen von ihm durch die Sclerotica durchtraten. ' Das untere Bündel enthielt, wie gewöhnlich, sechs Hauplblendungsnerven, welche theils unter, theils nach innen von dem Sehnerven durch die harte Haut des Auges drangen und von denen einer gegen den oberen und vorderen Theil der Sclerotica an der. Innenhälfte des Augapfels auf die normale Weise verlief. Das Nervenge- flecht an und um den Sehnerven zeigte ebenfalls nichts Abwei- chendes. . Ursprung und Verlauf des Nasen -Blendungszweiges waren übrigens wie gewöhnlich beschaffen. Auf der rechten Seite derselben Leiche fand ich in’ Betrefl! der langen Wurzel gewissermaassen einen Miltelzustand zwischen dem Normalverhältnisse‘ und der aus der linken Augenhöhle geschilderten Varielät. Der Augenknolen halle eine mehr drei- 302 eckig rundliche Gestalt, eine Länge von 14“ und eine grösste Breite‘ von ungefähr 14, und sandte nach vorn vier Bündel von Blendungsnerven, nämlich aus seiner oberen und vorderen Ecke ein stärkeres und ein schwächeres, und aus seiner unte- ren und vorderen, doch etwas mehr nach hinten gelegenen Ecke zwei ziemlich gleiche Bündel ab. Die kurzen Wurzeln bildeten. drei äussere und einen inneren Hauptfaden. _Der in- nere entsprang aus dem unleren Aste des gemeinschaftlichen Augenmuskelnerven, giog nach vorn, aussen und oben und nahm ungefähr 4‘ vor seiner Einsenkung in den hinteren, obe- zen und inneren Theil des Augenknotens zwei Fädchen, von denen das eine, ungefähr +” stark, aus der äusseren Seite des Nasen-Blendungsnerven ungefähr 13“ nach dessen Eintritte in die Angenhöhle entsprang, und nach einem schiefen, nach aus- sen und vorn gerichtelen Verlaufe von 14“ sich einpflanzte, das andere ungefähr von 4“' Stärke aus dem für-den geraden oberen Augenmuskel bestimmten Zweige des oberen Astes des gemeinschaftlichen Augenmuskelnerven kam, und ungefähr 2 lang war, auf. Der hintere äussere, 4“ breile, etwas plalte Wurzelfaden entsprang aus der oberen und äusseren Fläche: ‚des unteren Astes des gemeinschaftlichen Augenmuskelnerven wäh- rend dessen Durchgang dureh die obere Augenhöhlenspalte, be- gab sich nach vorn und elwas nach aussen, verband sichin der Mitte seines Verlaufes durch ein Fädchen mit dem folgenden Wurzelzweige, und senkte sich mit einer Länge won etwas mehr alsı 3'* in den hinteren und äusseren Theil des Augen- knotens ein. Der mittlere äussere Wurzelzweig enisprang aus dem unteren Aste des gemeinschaftlichen ‘Augenmuskelnerven etwas weiter nach vorn, aussen und unten, als der vorige, ver- slärkte sich durch ein zweites feines Wurzelfädchen, welches aus dem für den unteren schiefen Muskel bestimmten Zweige des unteren Astes des ‚gemeinschafllichen Augenmuskeloerven hervortrat, ging als ein 4 starkes, 24“ langes Stämmchen nach vorn und etwas nach aussen, und senkte sich dicht unter dem vorigen Wurzelzweige in den Augenknoten ein. ‘Der un- 303 tere äussere Wurzelzweig kam von dem für den unteren schie- fen Muskel bestimmten Zweige des unteren Astes des gemein- schaftlichen Augenmuskelnerven, war ungefähr +“ dick und senkte sich nach einem Verlaufe von nicht vollständig 2“ in den unteren, hinteren und äusseren Theil des Augenknotens ein. Au seinem Ursprunge war er gabelig ‘gespalten. Der hin- tere, etwas schwächere Zweig seiner Gabelwurzel ging nach hinten gegen den Stamm des unteren Astes des gemeinschaftli« chen Augenmuskelnerven, verlief also von diesem zu dem Au- genknoten. Die vordere Gabelwurzel selzte sich nach vorn fort, ging also von dem Augenknoten zu dem in dem unteren schiefen Augenmuskel sich verbreitenden Nervenzweige. Die etwas weniger als 4” starke, und ungefähr 44“ der Länge nach sich erstreckende lange Wurzel hatte dreierlei ver- schiedenartige Wurzelreiser. Ein ungefähr 4‘ starker Zweig kam aus dem Nasen-Blendungszweige dicht hinter dem Eintritte desselben in die Augenhöhle, und verstärkte sich sogleich durch ein grösseres und mehrere Nebenfädchen, welche aus den äus- seren weichen Keilbeinnetzen, vorzüglich dem oberen hinüber- kamen, so dass sich also hier die sogenannte mittlere obere Wurzel, wie sehr häufig, in den Anfangstheil der langen Wur- zel einsenkle. Denn ein besonderer, noch zum Augenknoten gehender Faden wurde nicht aufgefunden. Ueber jener Einsen- kungsstelle, und etwa +4 vor ihr traten zwei neue Fäden von innen und hinten her in die lange Wurzel. . Diese entstanden aus dem an der äusseren Seite des gemeinschaftlichen Augen- muskelnerven befindlichen Verbindungstheile der beiden weichen äusseren Keilbeinnetze und dem oberen äusseren weichen Keil- beinnetze, und nahmen einen nicht unbedeutenden Faden, der aus der Tiefe der gemeinschaftlichen Augenmuskelnerven kam und der Hiroquelle angehörte, auf. Berücksichtigte man die Stärke des Antheiles, welcher von dem Nasen- Blendungszweige und desjenigen, welcher von dem carotischen Nerven (nebst dem Faden von dem gemeinschaftlichen Augenmuskelnerven) zur Conslituirung der langen Wurzel des Augenknotens zusam- 304 mentrat, so fand sich, dass die des ersteren etwas geringer, als die des leizteren war. Um dieses jedoch, wie es scheint, theil- weise auszugleichen, entsprangen aus dem Nasen -Blendungs- zweige ungefähr 34" nach dessen Eintrilte in die Augenhöhle in»einer Distanz von ungefähr 1‘, zwei sehr dünne Fäden, wel- che schief nach unten gingen und sich in den’ hioteren und oberen Theil des Augenknotens dicht über der Einpflanzung der langen Wurzel einsenkten. Aus dem äusseren und unteren Theile des Knolens traten drei sehr‘ feine Fäden nach abwärts, und stiessen hinter einan- der zu dem Nerven für den unteren 'schiefen Augenmuskel. Die miltlere untere Wurzel schien zu fehlen. Die untere rück- laufende verhielt sich, wie auf der linken Seite. In dem vorliegenden Falle verhielt sich auf der rechten Seite die obere mittlere Wurzel an und für: sich normal. Da jedoch der Antheil, welchen die Primitivfasern des dreigetheil- ten Nerven an der langen Wurzel halten, etwas ‚geringer war, so kamen später noch zwei Ergänzungsfäden aus dem Nasen- Blendungsaste, welche sich in den hinteren, oberen und äusse- ren Theil des Augenknotens, die für die Insertion der langen Wurzel bestimmte Stelle, einsenkten — ein Verhältniss, das zwar nicht ganz normal, aber auch keinesweges sehr selten ist; Auf der liuken ‚Seite dagegen gehörte, wenn man von.den Verstärkungs- Primitivfasern des gemeinschaftlichen Augenmus- kelnerven absieht, .die ganze lange Wurzel der Kückenmarks- quelle an, und als Compensation tralen nur sehr ‚wenige Pri- milivfasern des Antheiles, welcher aus dem dreigetheilten Ner- ven kommend, der Hirngnelle der langen Wurzel. sonst ent; spricht, gesondert in den Augenknoten. Dieser, so: wie) ich weiss, bis jelzt noch nicht beobachtete ‚Fall: liefert aber einen neuen anatomischen Beweis für das physiologische Resullat, dass die Kückenmarksgqnelle des Augenknotens an „der, Constituirung. der. langen Wurzel, ‚insofern, diese sich in die Augenknoten 'einsenkt,, ‚einen, wesenllichen ‚An- theil nimmt, und dass sie sie abuormer, Weise ganz, und..in 305 ihrer vollen Stärke darstellen könne. Diese letztere Abwei- chung ist höchst wahrscheinlich durch ein Stehenbleiben auf einem schr frühen embryonalen Zustand ganz oder theilweise bedingt. In sehr jungen Rindsembryonen nämlich sitzt der Au- genknoten wegen der sehr unbedeutenden Länge der kurzen Wurzeln dem unteren Aste des gemeinschaftlichen Augenmus- kelnerven nahe an. Die lange Wurzel bildet ein absolut und relativ äusserst dünnes Fädchen, welches mit dem carotischen Nerven im Zusammenhang steht, doch aber schon in Embryonen von 3—4" Länge Primitivfasern aus dem dreigetheilten Ner- ven entnimmt. Ob diese anfangs ganz fehlen oder nicht, kann ich nach meinen bisherigen Erfahrungen nicht bestimmen. Es dürfte nun nicht überflüssig sein, ‘einige Bemerkungen über die Wurzelquellen des Augenknotens im Menschen hier anzureihen. Nach unseren gegenwärtigen Kenntnissen müssen wir am Augenknoten vier durchaus constante und mehrere in- eonstante Wurzeln, von denen aber eine oder einige, bald diese, bald jene, in jedem Falle existiren, unterscheiden. Die constanten Wurzeln sind: 4) Die lange oder die obere lange Wurzel (Radix longa e. longa superior), welche seltener dem Stamme des dreige: teilten Nerven, in der Regel dem Augenaste oder dem Nasen- blendungsaste angehört, und ihrem Ursprunge, nicht aber ihrem ganzen Verlaufe nach in der Bedeutung desjenigen, Wurzelge- bildes auftritt, welches Primitivfasern des dreigetheilten Nerven in den Augenknoten überführt. 2) Die kurze Wurzel (Radix brevis), welche Primilivfa- sern des gemeinschaftlichen Augenmuskelnerven entweder gänz- lich oder wieder nur ihrer Ursprungsstelle nach zum Augen- knoten leitet. -3) Die untere lange oder die rücklaufende Wurzel (Radix longa inferior 8. recurrens), welche die doppelte Bedeutung hat, einerseits Nervenfasern aus dem Nasenasle in den Augenknoten, und andrerseits umgekehrt ‚überzuführen. 4) Die obere mittlere Wurzel (Radix media superior), Müller's Archir. 1840, 20 306 welche vorzugsweise Primitivfasern des carotischen Nerven dem Augenknoten mittheilt, oft zugleich noch’einen Faden des ge- meinschaftlichen Augenmuskelnerven aufnimmt, und entweder gänzlich in die lange Wurzel eingeht, oder einestheils diesen Weg wählt, anderntheils gesondert zwischen langer und kurzer Wurzel das Ganglion erreicht. Von diesen constanten Wurzeln gehören ihrer Ursprungs- bedeutung nach die lange, die kurze und die rücklaufende der Hirnquelle, die mittlere obere der Rückenmarksgquelle an. Von den accessorischen, im Ganzen inconslanten, doch mehr oder minder einzeln an jedem Augenknoten vorhandenen Wurzeln gehören 1) die Fäden von dem Nasenzweige, dem Thränenbeinzweige und dem Stirnzweige des Augenasles, und vielleicht dem Wangenbeinzweige des Oberkieferastes des drei- getheilten Nerven (Radices filamentosae accessoriae a R. R, na- sali, laerymali et fronlali R. ophthalmiei et a R. zygomalico R. maxillaris superioris N. trigemini), dem oberen Aste oder den Zweigen des unteren Astes des gemeinschaftlichen Augen- muskelnerven (R. f. a.R. superiori et a ramo R. inferioris N. oculomotorii), vielleicht dem Rellmuskelnerven (R. f. a. N. pathetico) und von dem äusseren Augenmuskelnerven (R, f. a. N. abducenti), so wie die mittlere untere Wurzel aus dem Gaumenkeilbeinknoter (Radix media inferior a Ganglio sphe- nopalatino petita), und die obere äussere von dem äusseren Keilbeingeflechte des carotischen Nerven (Radieula superior ex- trema a plexu sphenoidali externo N. carotiei petita). Die bei- den letzteren sind vermuthlich ausschliesslich der Rückenmarks-, die übrigen, besonders die aus dem dreigetheilten und dem ge- meinschaftlichen Augenmuskelnerven kommenden grossen Thei- les, oder gänzlich der Hirnquelle beizurechnen. Die lange Wurzel gehört ihrem Ursprunge nach im Nor- malzustande dem dreigetheilten Nerven an, sie mag 'nun aus dem Stamme oder dem Augenasle, oder dem Nasen- Blendungs- zweige entspringen, sie mag an ihrem Anfange einfach oder doppelt gespalten sein. In ihrem weiteren Verlaufe trilt sie "ir 307 - aber bald mit der miltleren oberen Wurzel in sehr nahe Bezie- hung, und führt daher nicht bloss Primitivfasern des dreige- theilten Nerven, sondern auch solche des carotischen und bis- weilen, wie ebenfalls schon erwähnt wurde, einige des gemein- schaftlichen Augenmuskelnerven. Die Primitivfasern der mitt- leren Wurzel lassen sich mit Bestimmtheit anatomisch rück- wärts bis zum obersten Halsknoten verfolgen, wenn man an einem Kopfe, dessen Arterien früher injieirt worden *), das Hin- terhauptbein entfernt, und nun den Carotidenkanal von hinten her blosslegt. Dass diese Fasern dann durch die Wurzeln des obersten Halsknotens in diesen von den obersten Rückenmarks- nerven eintreten, lehren physiologische Versuche auf das Ent- schiedenste. Abnormer Weise kann aber die lange Wurzel auch an- dere Quellen haben und andere Primitivfasern führen, oder un- ter einem scheinbar abweichenden Verlaufe dieselben Primitiv- fasern leiten. Zu letzterer Art gehört der schon von Zinn (Deseriptio anatomica oculi humani ed. Wrisbergii 1780. 4. p- 184.) angeführte und Yon mir ebenfalls beobachtete Fall (Hecker’s neue Annalen 1835. 8. Bd. 2. S. 247.), wo die lange Wurzel doppelt ist, oder wo neben ihr, wie schon oben erwähnt wurde, accessorische, von dem Nasen -Blendungszweige kommende Fädchen zu dem Augenknoten verlaufen, oder wo, wie ich. melırere Male sah, ein Fädchen des Thränenzweiges an die lange Wurzel trat. Diese Varietäten mögen zwar, da die Function nur der Ausdruck der anatomischen Verhältnisse *) Es ist durchaus nothwendig, den Kopftheil des sympathischen Nerven an injieirten Köpfen zu arbeiten, Zwar besteht gegenwärtig, wo die mikroskopische Untersuchung über jeden Zweifel entscheidet, die Gefahr nicht mehr, dass man kleinere Gefässe mit Nerven ver- wechsele. Allein die weichen Nerven selbst sind bei weitem schwe- rer und nie vollständig zu arbeiten, wenn die Arterie, welche sie um- stricken, leer ist. Hat diese dagegen durch die injieirte Wachsmasse Fülle und Rundung, so gelingt die Präparation bei einiger Sorgfalt ohne viele Mühe. 20* 5 308 ist, ebenfalls rücksichtlich ihrer Thätigkeit vielleicht ihre spe- eiellen Eigenthümlichkeiten haben. Für unsere gegenwärtigen Kenntnisse aber sind diese Abweichungen physiologisch gleich- gültig *). Dasselbe ist mit, dem von Schlemm (Observationes neurologicae 1834. 4. p. 14.) beobachteten Falle, wo die elwas zu starke aus dem Nasen-Blendungszweige entsprungene lange Wurzel dicht vor ihrer Einfügung in den Augenknoten eine Anastomose ia den Thränendrüsenzweig abgab, der Fall. Denn hier legte sich ein für den letzteren bestimmtes Bündel des dreigetheilten Nerven an. die lange Wurzel an. Inniger und häufig besprochen sind die Verhältnisse der langen Wurzel zu dem gemeinschafllichen Augenmuskelnerven, Auf die früheren Angaben von Morgagni und Winslow, dass die Wurzeln des Augenknotens gänzlich aus dem gemein- schaftlichen Augenmuskelnerven stammen, lässt sich natürlicher Weise bei unseren gegenwärtigen Kenntnissen kein Werth mehr legen. Dagegen erwähnt schon Meckel (Ludwig scriptores neurologiei minores. Vol. I. 1791. 4. p. 174.), dass Haller unter. 200 Leichen ein: Mal, und ewselbst in mehr als 20 Lei- chen zwei Mal die lange Wurzel aus dem gemeinschaftlichen Augenmuskelnerven hervortreten sah, Bock (fünftes Nerven- paar S. 13.) vermuihet zwar, dass unter diesem angeblichen Ursprunge nur die von dem sympathischen Nerven kommen- den Fäden der mittleren oberen Wurzel gemeint seien. Wäre dieses der Fall, so müsste entweder angenommen werden, dass Haller und Meckel den wahren, dem dreigetheilten. Nerven angehörenden Antheil der langen Wurzel ganz übersehen — eine Ansicht, welcher die classische Genauigkeit der beiden genannten Neurologen entschieden zu widersprechen scheint, oder dass diese Anatomen genan dieselbe Varietät vor sich hat- ten, welche oben aus der liuken Augenhöhle der 36jährigen Frau ausführlicher beschrieben worden. Dagegen spricht je- *) Nur in diesem und keinem andern Sinne ist überhaupt von Gleichgültigkeit einer Varietät in diesem Aulsatze die Rede. 309 doch wiederum der Umstand, dass Fäden von dem äusseren weichen Keilbeingeflechte nieht bloss in den gemeinschaftlichen Augenmuskelnerven, sondern auch in den dreigetheilten Nerven eintreten, und dass daher die Nichterwährung des letzteren wenigstens unerklärt bleibt. Ich muss daher oflen bekennen, dass mir die Richtigkeit der Haller’schen und Meckel’schen Angabe viel wahrscheinlicher zu sein scheint, da auch Zinn dl. c. p. 185.) bezeugt, bei Haller den Ursprung der langen Wurzel aus dem gemeinschaftlichen Augenmuskelnerven selbst gesehen zu haben. Uebrigens kenne ich aus eigner Erfahrung eine Vatielät, welche der beschriebenen zwar nicht gleich, aber sehr nahe kommt. In einem hier von Herrn Stud. Lanz die- sen Winter präparirten und aufbewahrten Falle entstand die ungefähr 4" dicke lange Wurzel aus zwei Gabelästen, von de- nen der eine aus dem Nasenblendungszweige hervortrat und 2 lang war, der andere aus dem ‘oberen Zweige des gemeinschaft- lichen Augenmuskelnerven entsprang und eine Länge von 14* hatte. Von der Vereinigungsstelle an bis zur Einsenkung in den Augenknoten betrug die Länge der Wurzel 2‘. Der Wur- zelzweig aus dem oberen Aste des gemeinschaftlichen Augen- muskelnerven war eher etwas slärker als schwächer denn der andere Wurzelzweig, und gehörte, wie man unzweifelhaft sah, der Tiefe des Stammes des gemeinschaftlichen Augenmuskel- nerven an. Ganz ähnlich ist auch in Betreff dieser Verbindung ein von Schlemm (I. ce. p. 15.) mitgetheilter Fall. Dass übrigens, wenn man den in die lange Wurzel ein- tretenden Theil der oberen miltleren Wurzel mit berücksichtigt, ein accessorisches Fädchen von dem gemeiuschaftlichen Augen- muskelnerven äusserst häufig hinzutrete, wurde oben schon an- geführt, In allen diesen Fällen findet also noch eine grössere oder geringere Vermischung von Primitivfasern des gemeinschaft- lichen Augenmuskelnerven mit der langen Wurzel hinter dem Augenknoten ‚Sfatt. Physiologisch gleichgültig in Betrefl des Augenknotens aber ist der fast noch häufiger vorkommende Fall, dessen auch Fäsebeck (Müller’s Archiv 1839 S. 71.) 310 gedenkt, dass von der langen Wurzel ein Faden für den obe- ren Ast des gemeinschaftlichen Augenmuskelnerven, und zwar den für den oberen. geraden Augenmuskel bestimmten Zweig ablrete. h Noch muss aber bier einer anderen Verbindung zwischen den Fasern des dreigetheilten und denen des gemeinschaftlichen Augenmuskelnerven Erwähnung geschehen. Da die lange Wur- zel mit einem grossen Theile ihrer Primitivfasern dem ersteren, die kurze Wurzel dem letzteren angehört, so verflechten sich beide unzweifelhaft in dem Augenkuoten mit einander. Nun findet sich aber schon eine ähnliche, aber freie und feinere Ver- flechtung hinter dem Augenknoten. Ein oder zwei sehr feine Zweigehen des Augenastes oder des Nasen - Blendungszweiges anastomosiren nämlich mit Fädchen des gemeinschaftlichen Au- genmuskelnerven, und bilden so einen lockeren und feinen Ple- xus, in den oft noch ein oder mehrere Fädchen von dem äus- seren Keilbeingeflechte, und selbst vom äusseren Augenmuskel- nerven eintreten. Wahrscheinlich ist es auch dieses feine bei dem Pferde stärker als dem Menschen ausgebildete Geflecht, welches schon Swan (Neyvrologie. 1838. 4. Plate XV. Fig. 2. No. 6.) abbildet. Seltener sind die wahren Verbindungen der langen Wurzel mit dem Rollmuskelnerven. Ob von diesem ausnalımsweise ein sehr dünnes Fädchen an jene, wie es mir in zwei Fällen schien, gehe oder nicht, muss ich vorläufig unentschieden lassen. Al- lein wenn dieses auch wahrhaft der Fall wäre, so würde es ebenfalls vermuthlicher Weise olıne physiologische Bedeutung für den Augenknoten sein. Denn in beiden Fällen ging dieses höchst zarte Reiserchen von dem Rollmuskeluerven ab, nach- dem dieser schon seine bekannte Anastomose aus dem dreige- theilten Nerven aufgenommen. Es legen sich daher, wie man füglich vermuihen kann, als Ausnahme einige wenige Primi- tivfasern des dreigetheilten Nerven an die Anastomose des letz- teren mit dem Rollmuskelnerven an, um zuleizt ihre ursprüng- nen 311 liche Bestimmungsbahn, die lange Wurzel des Augenknotens zu erreichen. Wichtiger erscheinen die gewiss sehr seltenen Variations- beziehungen zu dem äusseren Augenmuskelnerven. Natürlicher Weise kann hier von denjenigen Fädchen, welche sich von dem weichen äusseren Keilbeingeflechte zuerst an den äusseren Augenmuskelnerven anlegen und dann an die lange Wurzel trelen, nicht die Rede sein, da sie entschieden der mittleren oberen Wurzel angehören, und weder anatomisch noch phy- siologisch irgend eine andere und eigenthümliche Bedeutung ha- ben. Es handelt sich daher hier nur von Fädchen, welche aus der Tiefe des sechsten Nervenpaares selbst kommen. Schon Petit, dieser um den Kopftheil des sympathischen Nerven so verdiente Forscher, sprach von einer dritten aus dem äusseren Augenmuskelnerven kommenden Wurzel des Augenknotens, wel- che Meckel (Il. c. p. 174.) für blosse Fäden der Dura maler hält, womit aber wahrscheinlich nur die mittlere obere Wur- zel gemeint ist, so dass diese von Petit (1727) schon unge- fähr 40 Jahre vor Le Cat (1767) erkanat worden wäre. In einem Falle sah ich zur langen Wurzel ein Fädchen aus dem äusseren. Augenmuskelnerven hinzutreten. Wahrscheinlich war dieses nur eine schwache. Analogie des in neuester Zeit von Hyrtl (Oesterreichische Jahrbücher Bd. XNVII. S. 6—18. Repertorium Bd. IV. S. 78.) erwähnten Falles, wo zu dem Au- genknoten eine Wurzel aus dem sechsten Nerven hinzukam, wo aber noch in der Schädelhöhle ein Zweig von dem gemein- schaftlichen Augenmuskelnerven an den äusseren Augenmuskel- nerven abging, und diesen dann so in der Augenhöhle wieder verliess. Diese Anomalien verlieren daher ebenfalls ihre hö- liere physiologische Bedeutung. Das Summum von Abweichung stellt jedoch der von Otto (Seltene Beobachtungen zur Ana- tomie, Pliysiologie und Pathologie gehörig. Heft I. S. 108.) be- schriebene Fall dar, wo der ganze Nasen-Blendungszweig des Au- genastes des dreigelheillen Nerven, welcher, wie gewöhnlich, die Jange Wurzel des Augenkuotens und zwei lange Blendungs- 312 nerven abgab,'von dem: äusseren Augenmuskelnerven entsprang. Dieses Unieum von Anomalie ist vorläufig mit Bestimmtheit nicht zu erklären. Entweder verlief hier, wie ich früher schon annahnı (de funelionibus neryorum p. 114.) die Rückenmarks- quelle des Augenknoten ganz durch den äusseren Augenmus- kelnerven, und es legte sich an diesen in der Schädelhöhle ein Theil des Augenastes des dreigetheilten Nerven, oder es ent- hielt der sechste Nerve überhaupt bei seinem Ursprunge eine Menge Primitivfasern, welche sonst. dem dreigetheilten Nerven zukommen, so dass er in diesem Falle nicht bloss motorisch, sondern auf eine schr starke Art gemischt war. Da von den Verhältnissen der mittleren oberen Wurzel und ihren Verhältnissen zur langen Wurzel schon oben die Rede war, so übergehen wir hier dieselbe und wollen noch einge sie betreffende Bemerkungen an einem passenderen Orte, nämlich bei Gelegenheit der mittleren unteren Wurzel nachtragen. Die lange untere oder die rücklaufende Wurzel, welche Meckel (Il. e. 175.) schon genau beschrieb, scheint immer in dem doppelten Verhältnisse zu stehen, dass durch sie einerseits Nervenfasern aus dem Augenknoten austreten, andrerseits sol- che sich in diesen aus dem Nasenzweige einsenken, wie Hyrtl (1. e. S. 78.) schon richtig angiebt. Dieser letztere fand sie bisweilen doppelt. Ich sah in einem Falle einen zweilen geson- derten Faden in den vorderen, unteren und äusseren Theil des Augenkaotens einlrelen. Den geringsten wesentlichen Verschiedenheiten scheint die kurze Wurzel unterworfen zu sein. Mag sie nun aus einem starken Bündel und mehreren sehr feinen Reisern, die sämmt- lieh aus dem unteren Aste des gemeinschaftlichen Augenmuskel- nerven entspringen, bestehen, mögen die Wurzelfäden näher oder entfernter von einander aus dem genannten unteren Aste' gänzlich oder einestheils aus diesem, anderen Theiles aus dem für den unteren schiefen Augenmuskel bestimmten Zweige, oder aus diesem allein hervorireten (s. z. B. Schlemm 1. e. p. 14. 15.), so ist dieses physiologisch gleichgültig. Diese wesentliche Con- 313 stanz der kurzen Wurzeln scheint darauf zu beruhen, dass in frühester Embryonalzeit, wie in der Thierwelt der Augenknoten ein directes Anhangsgebilde des unteren Astes des gemeinschaft- lichen Augenmuskelnerven ist, und vermuthlicher Weise gewis- sermaassen seine Existenz ‚bedingt. Die hinteren Bündel der kur- zen Wurzel treten immer aus dem drillen Paare in den Augen- knoten ein. Dass bisweilen innerhalb eines vordersten Wur- zelfadens ein Theil der Primitivfasern weiter nach vorn gehe, ohne sieb vorher in den Augenknoten selbst hineinbegeben zu haben, wurde oben schon angeführt. Von den accessorischen Wurzeln muss die mittlere untere Wurzel, welche aus dem Gaumenkeilbeinknoten hervortritt, durch die untere Augenhöhlenspalte in die Augenhöhle gelangt, und sich in die Nähe der kurzen Wurzel in den Augenknoten einsenkt, vor Allem hier unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, da dieser von Tiedemann zuerst aufgefundene und in Arnold’s Inauguraldisserlalion publicirte, von dem lelzteren mehrfach bestätigte und abgebildete Faden in neuester Zeit von Hyrtl für ein Kunstproduct erklärt worden ist. Ich kann je- doch meiner Erfahrung nach dieser Ansicht nicht beipflichten. Allerdings gelingt es sehr oft auch bei dem sorgfältigsten Nach- suchen nicht einen Nervenfaden der Art aufzufinden. Allein bisweilen ist er entschieden als ein feines Aestchen vorhanden. Ja in einem von Hro. Stud. Marti auf der hiesigen Anatomie in vorigem Winler präparirten Falle hatte diese Wurzel eine Dicke von mehr als 4”, und zeigte bei der mikroskopischen Untersuchung die zahlreichsten gewöhnlichen Nervenprimiliv- fasern. Die Natur dieser mitlleren unteren Würzel kann nun eine dreifache sein. Entweder nämlich kommen ihre Primitivfasern _ aus dem Oberkieferaste des dreigetheilten Nerven, und gehen als solche durch dem Gaumenkeilbeinknoten durch, oder sie entstehen aus dem obersten Halsknoten des sympathischen Ner- ven, Ireten in ‚dem carolischen Nerven empor und gelangen durch, den liefen Zweig des vidischen Nerven zu dem Gauimen- 314 keilbeinknoten, oder ‘sie gehören beiden Quellen an. Dass sie durch den oberen carotico-tympanischen ‘Nerven zu denr tiefen Aste des vidischen Nerven gelangen, wäre zwar anatomisch, nicht aber, wie es scheint, physiologisch auf irgend eine Weise denk- bar. In dem oben erwähnten Falle der excessiv starken Aus- bildung der mittleren Wurzel war der dieselbe repräsentirende Faden rein weiss, und zeigte unter dem Mikroskope gewöhn- liche Nervenprimitivfasern, so dass die Annahme, dass er bei dieser excessiven Ausbildung den Primilivfasern des Oberkiefer- asles selbst wenigstens grösstentheils angehörte, im höchsten Grade. wahrscheinlich ist. Sonst dagegen, wo die obere milt- lere Wurzel ein feines Fädchen darstellt, ist 'sie grau’ und mehr mit den bekannten Characleren der weichen Nerven versehen, so dass die Vermuthung, ihre Quelle liege eher in dem tiefen vidischen Zweige, mehr Raum gewinnt. Ist dieses der Fall, so giebt es zu einer anderen Bemerkung Veranlassung. Schon vielfach wurde nämlich auf die Kreuzung der Nervenstränge, dass Bündel eines oberen Nerven später unten, und solche eines unteren späler oben verlaufen, aufmerksam ‚gemacht. Gesetzt nun, dass Fasern des vidischen Nerven durch den Gaumenkeil- beinknoten zu dem Augenknoten emporstiegen, so würde in Betreff eines Theiles des vidischen Nerven eine sehr ausgespro- chene Kreuzung ebenfalls existiren. Während nämlich einer- seils einige Primitivfasern des grösseren tiefen Felsenbeinzweiges gegen den Augenknoten in die Höhe steigen, würden andere Primitivfasern des grössten oberflächlichen Pelsenbeinzweiges zu dem weichen Gaumen hinabtreten. Die letzteren gingen zu- nächst von einem Ganglion, nämlich dem Knieknoten des Ant- litznerven aus, wären aber nichts desto weniger, wenigslens am Anfange und dem Ende ihres Verlaufes, rein weiss. Die ersleren kämen zwar entfernt ebenfalls aus einem Knoten, näm- lich dem obersten Halsknöten des sympalhischen Nerven, ent- sländen aber zunächst aus weichen Nerven, behielten auch die- sen Oharaeler bei und senkten sich nach ihrem Durebgange durch den Gaumenkeilbeinknoten wieder in ein Ganglion, näm- 315 lich den -Augenknoten ein. Auch ein, anderer Gegensalz würde nicht fehlen. _Die obere. mittlere Wurzel, welche’ höher nach oben verläuft, schlösse sich an die lange, nach oben und aus- sen liegende Wurzel. des, Augenknotens ‚an. , ‚Die durch den tiefen Zweig des vidischen Nerven. weiter unten. verlaufende miltlere untere Wurzel reihete sich..an die nach unten und in- nen. befindliche kurze Wurzel des Augenknotens. fa das Be- reich der langen Wurzel fiele der kleinere Theil der Hirn- und ‚der ‚grössere der Rückenmarksquelle, in das der kurzen Wur- zel die grössere Parlie der Hirn- und die kleinere der Rücken- marksquelle des Blendungsknoten. Wie sich mit diesen ana- tomischen . Gegensätzen physiologische verbinden, ‘habe ich schon früher (de funclionibus nervorum p. 112.) nachzuweisen gesucht. Wahrscheinlich gehört auch in die Categorie der mittleren Wurzel der Faden, welcher zu dem schon oben erwähnten, von Swan abgebildeten Geflechte aus dem Gaumenkeilbeinkno- ten emporsleigt, wenn er nicht zu denjenigen Nerven zu rech- nen ist, welche gegen die untere Augenspalte emportreten, an der Beinhaut derselben, so wie höher oben an dem Sehnerven ein zartes Geflecht bilden und von denen sich meist zwei Fä- den mit dem äusseren Augenmuskelnerven verbinden, lauter Reiser, deren Nervennatur nicht bestritten werden kann, da die- selbe durch die mikroskopische Untersuchung nachgewiesen ist. Das sehr dünne Fädchen, welches ich mit dem Namen der oberen äussersten Wurzel bezeichne, und welches ebenfalls der Rückenmarksquelle angehört, verläuft, ‚wo es existirt, so, wie es eben bei Gelegenheit der linken Seite des Kopfes, an welcher die Abnormität der langen Wurzel vorhanden war, be-_ schrieben worden. Es ist überhaupt seiner grossen Feinheit wegen von untergeordnetem Werthe. In Betreff der übrigen accessorischen Fädehen lässt sich im Allgemeinen bemerken, dass sie sämmtlich ebenfalls ihrer Dünne halber nur Nebeubedeulung haben. Diejenigen von ihnen, wel- che dem unteren"Aste des gemeinschaftlichen Augenmuskelner- 316 ven, vorzüglich dem für den unteren schiefen Augenmuskel bestimmten Zweige angehören, zeigen ein reciprokes Verhält- niss, indem durch sie Primitivfasern ein- und austreten. Be- kanntlich erhalten überhaupt der innere gerade, der untere ge- rade, und besonders der untere schiefe Augenmuskel, seltener der obere gerade Augenmuskel dünne Reiser aus dem Augen- knoten; Verhältnisse, die, wie ich an dem angeführten Orte schon darstellte, mit den physiologischen Beziehungen der Au- genmuskeln in innigem Zusammenhange stehen. Immer aber besitzt der Augenknoten, wie sich nach den gegenwärtigen Kenntnissen bestimmt behaupten lässt, sensible und motorische Hirn- und sensible und motorische Rückenmarksquellen, wel- che mit den physiologischen Gegensätzen der Muskelfasern der Iris correspondiren. Dass dieses Grundgesetz auch bei den Va- rieläten der Wurzeln nicht verläugnet werde, ergiebt sich aus der kurzen Betrachtung, welche ich in Obigem dem ärztlichen Publicum vorzulegen Gelegenheit halle. Distomeneier in der Rückenmarkshöhle eines Fölus. Von G VALENTINM Bekanntlich finden sich in der Gallenblase der Wiederkäuer, wie z. B. in der des Rindes, der Ziege u. dgl. sehr häufig Exemplare von Distoma lanceolatum. Schabt man bei einer Gallenblase, welche solche Eingeweidewürmer enthält, die gelbe, zähe, schleimigte Galle von der inneren Haut dieses Grganes ab, so findet man oft die mehr oder minder eiförmigen, mit einem Deckel aufspringenden, eine körnige Masse und mehrere kugelige Gebilde enthaltenden bräunlich gelben Eier, an deren spilzerem Ende sich die Hauplanlage des Embryo zu befinden scheint, während weiter nach voro mehrere kaum noch mit Bestimmtheit zu deulende kugelige Gebilde auffallen. In Betrefl der Organisation des Parasiten selbst vermag ich zu den genauen Erfahrungen Siebold’s kaum etwas Wesent- liches hinzuzufügen. Die io dem Sperma enthaltenen Saamen- thierchen bewegen eich im Wasser sehr lebhaft, schlängela und ösen sich, besitzen rundliche kleine Köpfe und verhältnissmässig slarke, hinten sehr fein auslaufende Schwänze. Neben ihnen enthält die Saamenllüssigkeit noch runde Kugeln von 0,0002 P.Z. miltl. Darchm., welche einen Kern in ihrer Mitte haben, und grössere Kugeln von 0,0005 P. Z. mitll. Durchm., die 318 kleinere, dicht bei einander liegende Kugeln eingeschlossen ent- halten. Diese letztere Art von Kugeln hängt oft fadenartig an einander Alle diese festeren Gebilde des Samens befinden sich in einer durchsichtigen, etwas zähen Flüssigkeit. Zu beiden Seiten des Leibes des Parasiten erkennt man zwei helle Längs- gefässe, welche sich bis in den hinteren Theil des Körpers erstrecken und vielleicht die Hauptstämme eines Blutgefässsy- stemes darstellen. Auch glaube ich eine dunkele Andeulung eines centralen Nervensystemes wahrgenommen zu haben. An dem vorderen Theile des Schlundkopfes nämlich erschien ein ringartiges, etwas breites Querband, welches rundliche Kugeln (Ganglienkugeln?) enthielt. Wenn ich nicht irre, so hat Henle nach einer in Freiburg an Eschricht und mich gemachten Mittheilung eine ähnliche Beobachtung schon früher an einem anderen Eingeweidewurme angestellt *). Nachdem ich bei einer Reihe von Studien, welche ich über den Bau der Gallenblase **) machte, die Eier dieser Distomen *) Die Beobachtung, auf welche Valentin anspielt, bezieht sich auf einen \Vurm aus der Gattung Echinorrbynehus. Ein faseriges Ringband und an demselben jederseits ein Haufen grosser, etwas far- biger, kernhaltiger Kugeln, welche ich als Ganglienkugeln deutete, umgiebt die Mündung .der Geschlechtsorgane am hintern Körperende bei beiden Geschlechtern. Dr. Henle. **) Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir, auf ein Verhältniss aufmerksam ‚zu machen, welches physiologisch nieht ohne Interesse sein dürfte, Auf das durch Henle schon beschriebene und abgebil- dete Cylinderepithelium der menschlichen Gallenblase folgt eine ein- fache Begränzungshaut, unter welcher oft einzelne Feltkugeln ange- _troffen werden. Dann kommen nach aussen einfache Muskelfäsern, welche in allen Beziehungen denen der Mittelhaut des Darmes glei- chen, der Begränzungshaut zunächst liegen und an sie angeheltet sind. Weiter nach aussen. folgen Bündel von contractilem Gewebe und Zell- gewebe nebst elastischen Fasern. Die einfachen Muskelfasern sind in frischen menschlichen Leichnamen, vorzüglich solcher Personen, wel- che an Anschoppungen der Leber oder einem Hindernisse in dem Gallenblasen- oder dem Gallenausführungsgange gelitten, - sehr deut- lich und bestimmt wahrzunehmen, während ich mich bis jetzt von 319 genauer kennen gelernt halte, begegneten mir dieselben wie- derum, als ich im Laufe dieses Winters die das Rückenmark eines 6“ langen Schaafsembryo umgebende Flüssigkeit mikros- kopisch untersuchte. Auch sie waren bräunlich gelb, sprangen mit einem Deckelchen auf und enthielten eine ganz ähnlich beschaflene körnige Masse. Ihre Menge war zwar nicht so be- deulfend, als in der Galle der Wiederkäuer, doch immer noch gross genug. Ihr Vorkommen beschränkte sich fast allein auf die Stelle des Rückenmarkkanales, wo das verlängerte Mark in das Rückenmark übergeht. Dieser Punkt fiel mir deshalb be- sonders auf, weil bei Fröschen in der entsprechenden Gegend zahlreiche Exemplare von Angnillula intestinalis gefunden wer- den. Sollte daher vielleicht die Nähe der Adergeflechte über- hanpt eine locale Disposition zur Erzeugung solcher Helminthen hervorrufen? ihrer Existenz in der Gallenblase des Rindes, des Schaafes, der Ziege und des Schweines noch nicht mit Sicherheit überzeugen konnte. Wie dem nun aber auch sei, so scheint so viel sicher zu sein, dass diese einfachen Muskelfasern bei dem Menschen stärker entwickelt sind, — eine Eigenthümlichkeit, die wahrscheinlich mit der Spiral- klappe des Gallenblasenganges in näherer Beziehung steht. Offenbar sind diese Muskellasern in den Netzbalken der Innenfläche der Gallen- blasenhaut stärker, und dienen hier dazu, die in den Maschenräumen derselben abgesonderte, schleimigte, sehr zähe Flüssigkeit herauszu- pressen, während vermuthlich der Austritt der Galle aus der Gallen- blase durch totale Verengerung der letzteren vermittelst des nach aus- sen liegenden, sehr reichlichen contractilen Gewebes geschieht. ee ii 7. ut m Ueber die Netzhaut und ihre Gehirnsubstanz bei Wir- belthieren, mit Ausnahme des Menschen. Von Apvoıpu Hannover. Die Netzhaut ist sicherlich derjenige Theil des Nervensystems, der in der letzteren Zeit am häufigsten untersucht worden ist; kein Wunder daher, dass die Nichtübereinstimmung, auf wel- ehe wir beinahe in allen mikroskopischen Untersuchungen stgs- sen, indem ein folgender Beobachter stets Anderes, und ge- wöhnlich mehr sieht als seine Vorgänger, in hohem Grade auch in der Beschreibung der einzelnen Elemente der Relina getrof- fen wird. Hierzu ist der Grund nicht in einem Mangel an Ge- nauigkeit zu suchen, eher vielleicht in einer zu schnellen Deu- tang der Beobachtung. Die Ursache ist hier am häufigsten eine weit einfachere, nämlich die unrichtige Wahl des zu un- tersuchenden Objects, verbunden mit einer unzweckmässigen Präparalionsmethode. Kein Theil des thierischen Körpers än- dert sich so schnell nach dem Tode und durch äussere Einflüsse, kein Organ besitzt eine solche Zartheit und erträgt so geringe Präparation, als gerade die Netzhaut. Zur Untersuchung der Netzhaut ist es nicht bloss hinreichend, dass das Auge frisch sei, eine Bedingung, die bei menschlichen Augen schon mit Schwierigkeit erfüllt wird, bei thierischen leichter ist; das Auge (von Säugelhieren und Vögela) muss warm sein und. augen- 321 blicklich nach dem Tode des Thieres untersucht werden. Ich kann versichern, dass ich an Augen von Säugethieren und Vö- geln, die 2, ja 1 Stunde alt waren, die Structurverhältnisse kaum habe wiedererkennen können, von einer ersten richtigen Erkennung konnte die Rede gar nicht sein. Bei Augen kalt- blütiger Thiere, der Reptilien und Fische, die durch den Wär- meverlust nicht verändert werden, gilt dieser Grund zwar nicht, und man kann zur Noth bisweilen Augen untersuchen, die 24 Stunden alt sind; hier bewirkt oft die entgegengeselzte Ur- sache, die höhere Temperatur, worin die Netzhaut gewöhnlich kommt, theils eine Austrocknung der Oberfläche, theils eine Undurchsichtigkeit, welche der Beobachtung Hindernisse legt. Ferner sind die Elemente der Netzhaut ausserordentlich zart, und werden selbst bei der sorgsamsten Herausnahme aus dem Auge sehr‘ leicht aus der losen Verbindung gebracht, worin sie sich gegenseitig und mit den übrigen Theilen des Auges befin- den. Kommt nun hierzu eine wirkliche Präparation mit Na- deln, mit verschiedenen animalischen oder vegetabilischen Sub- stanzen, durch Maceration mit Wasser, ja selbst nur mit der Augenflüssigkeit, so stellen sich dem Blicke des Beobachters solche Verbindungen der Elemente und solche Formen dieser dar, welche mit dem natürlichen "Zustande nicht die geringste Aehnlichkeit haben. Ich habe daher immer Augen augenblicklich nach dem Tode des Thieres angewendet, und mich des folgenden Verfahrens bedient: Das Auge wird mit Vorsicht herausgenommen, die Sclerotiea und Choroidea entfernt; das Pigment wird mit leich- ter Hand, am besten mit einem covexen Messer abgeschabt (hiervon später); der Bequemlichkeit halber schnitt ich das ganze hintere Kugelsegment ab und liess den N. opticus sitzen, um es an diesem emporzuheben und auf eine Glasplatte zu legen. Die Netzhaut ruhte so auf dem milfolgenden Seg- mente der Glasfeuchtigkeit, und ihre Elemente wurden nicht in Unordnung gebracht; Befeuchtung, ‚Auflegen von Glasplättchen, Müller's Archiv. 1840. 21 322 Ausbreitung mit: Nadeln. oder: dergleichen wurden. nicht ange- wendet. 3 7 j Mikroskop von Schiek und Pistor; Vergrösserung: Ocu- lar 2 und Objeclive 4, 5, 6, = 450 Mal im Durchmesser. r Fische Nachdem die Selerotica entfernt ist, zeigt sich die silber- glänzende Choroidea; sie enthält die bekannten Krystalle, die Molecularbewegung zeigen und mit Wasser ihre Form nieht ändern; dadurch und durch ihre grössere Feinheit unterscheiden sie sich von den Stäben der Nelzhaut; darauf entfernt man die Glandula choroidalis, und beide Schichten der schwarzen Cho- roidea. Wünscht man. die Verbiodung des Pigments mit den Elementen der Netzhäute zu sehen, so wird nur so viel abge- schabt, dass die Aussenfläche noch einen schwachen ‚Anflug hat; will man dagegen die gegenseilige Stellung der Elemente und: ihrer Querdurchmesser wabrnehmen, wird alles Pigment mit gehöriger Vorsicht entfernt, so dass die ganze. Fläche rein ist; ‚die letzte Maassregel ist auch nolhwendig, wenn man die Netzhaut von der innern Fläche betrachten will. ich unterscheide die eigentliche Netzhaut von ihrer Gehirn- substanz. Die eigentliche Netzhaut besteht aus Stäben. und Zwillingzapfen *), Wir betrachten. zuerst, jede für sich und dann ihre Verbindung mit dem Pigment, Die.Stäbe (Prismata pracacuta) sind cylindrische (wenn sie gedrängt stehen, wahrscheivlich sechseckige), solide, zarte und durehsichlige Körper von verschiedener Länge und Breite bei *) Ich bediene mich mit Fleiss nicht der älteren Benennung von Papillen, um jeglicher Andeutung von „Papillen als Neryenenden“ zu entgehen; Zwillinge nenne ich sie, weil ihre Spitzen, und bei Fischen zugleich der Körper der Zwillingszapfen mit ovalem Durchschnitte gepaart vorkommen. — Die Benennung ‘der Stäbe habe ich beibehal- ten, weil sie allgemein gebraucht wird und die Form dieser Körper passend angiebt. 323 den verschiedenen Fischen. Wenn sie frei herumschwimmen, zeigen sie zwei parallele Ränder; das nach innen gekehrte Ende ist gerade abgeschnitten, das nach aussen gekehrte ist zuge- spitzt und endigt mit einem sehr feinen Faden, der mit dem Stabe in derselben geraden Richtung verläuft. Die Spitze zeigt sich gewöhnlich von dem Stabe durch eine durchsichtige Bruch- stelle getrennt; die Länge von der Bruchstelle bis zum Ende des feinen Fadens ist gleich dem übrigen Theile des Stabes. Oft biegt sich ‚der Faden knieförmig um oder bricht ab, und der Stab hat die Form eines zugespitzten Bleistiftes. Die Bruch- stelle entspricht, wie wir sehen werden, der äusseren Hälfte der Zwilliogzapfen. Nach Verlauf einiger Zeit, oder wenn eine Flüssigkeit zugesetzt wird, bricht die Spitze ab, der Stab biegt eich in unregelmässigen, knieförmigen, hakenförmigen oder kol- bigen Gestalten, wird körnig auf der Oberfläche oder erhält Querstreifen, zerbricht in mehrere Stücke, und man sieht eine Menge umherschwimmender Fragmente, Ist längere Zeit ver- flossen oder wird eine grössere Quantität Flüssigkeit zugeselzt, so biegen die Enden des Stabes sich in einen Ring um, an welchem man nicht die Stelle unterscheiden kann, wo die En- den sich in einander gelegt haben; da in der Mitte ein leerer Raum übrig bleibt, entsteht, die täuschende Figur einer Zelle mit einem hellen Kern. Gegen die Beobachtung, dass der Stab in einen feinen Faden ausläuft, muss ich selbst die Einwendung machen, dass ich, doch äusserst selten, einzelne Stäbe gesehen habe, die länger als gewöhnlich und an beiden Enden abge- schnilten waren; doch ist es möglich, dass zwei Stäbe sich mit ihren Enden so genau an einander gelegt hatten, dass man die Vereinigungsstelle nicht gewahr werden konnte, wie man diese auch nieht sehen kann, wenn der Stab sich in einen Ring um- gebogen hat, Die Stäbe sind solide, und man sieht niemals ein besonderes Contentum, welches in dem feinen Faden vor- her enthalten gewesen sein könnte, so dass der Faden eine leere Scheide wäre. Nur äusserst selten, wie ich mich erianere nur zwei Mal beim Barsche habe ich dergleichen einzelne lün- 21* 324 gere Stäbe gesehen, in keinem Falle ändert sich ihr Verhält- niss zum Pigment; es ist auch möglich, dass längere Stäbe an einzelnen Stellen vorkommen, besonders vielleicht in dem vor- deren Theile der Netzhaut. Die Zwillingzapfen (Coni gemini), die von derselben Länge als die Stäbe mit dem feinen Faden sind, bestehen aus zwei Körpern, wovon jeder für sich eylindrisch und ungefähr zwei oder drei Mal breiter als ein Stab ist; wo sie an einander lie- gen, werden sie abgeplattet, so dass ihr Durchschnitt oval wird; doch giebt es auch einige, deren Durchschnitt rund ist, und die bei den einzelnen Fischen angeführt werden sollen. Man unterscheidet an den Zwillingzapfen zwei Hälften: die in- nere ist glatt, als ob sie in einer feinen Capsel eingeschlossen wäre; sie ist nach innen abgerundet und wird von der äusseren Hälfte durch zwei feine transversale Linien getrennt. Dieser Theil endet nach aussen immer mit zwei conischen Spitzen von derselben Länge als die innere Hälfte, und besteht aus zarterer und mehr feinkörniger Masse. Nach Verlauf einiger Zeit oder durch hinzugesetzte Flüssigkeit wird die innere cylindrische Hälfte spindelförmig und breiter, dieses Merkmal ist characte- ristisch auch für die Zwillingzapfen der übrigen Thierklassen; beide Enden werden gerade abgeschnitten, ihr Aussehen wird grobkörnig, und die conischen Spitzen biegen sich oft haken- förmig um, oder entschwinden dem Auge fast gänzlich. Die Stäbe und Zwilliogzapfen stehen senkrecht auf der concaven Innenfläche' des Auges, und zwar so, dass ein Zwil- livgzapfen immer in der Mitte steht, und von einem Kreise von Stäben in verschiedener Anzahl wie ‘von 'senkrecht stehenden Pallisaden umgeben wird. Von’ dieser Stellung kann man sich überzeugen, entweder indem man’ alle Spitzen dreist mit dem Pigmente abschabt, ‘wodurch das Aussehen von. Zellen (der ovale oder runde Durchschnitt der Zwillingzapfen), die von einem Kranze runder Körper (der Durchschnitt: der Stäbe) um- schlossen werden, entsteht; dieselbe Ansicht kann man auch erhalten, wenn man die Netzhaut von der innern Fläche 'be- 225 trachtet; doch muss bemerkt werden, dass die Stäbe leicht aus ihrer Verbindung mit den Zwillingzapfen gezogen werden, wes- halb man oft nur. diese gewahr wird, oder indem man den Rand des abgeschniltenen Stückes betrachtet, man sieht als- dann die Zwillingzapfen mit einigen Stäben unter sich, mit an- dern über sich liegen; oder indem man eine Stelle zur An- sicht wählt, wo die genannten Theile halb umgefallen sind und schräg liegen; die Hälfte der Stäbe ist dann von dem Zwilling- zapfen bedeckt, und auf diesem sieht man wiederum die Hälfte der aufliegenden Stäbe; hierdurch ‚entsteht ein gestreiftes Aus- sehen, als ob die Stäbe in Reihen neben. einander lägen, wel- ches zu der Annahme Veranlassung gegeben hat, dass ‘die Aus- strahlung ‘des: N. opticus auf der Aussenfläche der. Stäbe und Zwillingzapfen sich befände. Alle diese Ausichten kann. man an demselben Präparate haben. Die Pigmentzellen auf der Innenfläche der’ Choroidea sind bei den Wirbelthieren alle regelmässig sechseckig. Auf ihrer inneren Fläche stehen senkrechte häutige Scheiden, worin die nach aussen kehrenden Fäden und Spitzen der senkrechten Stäbe und Zwilliogzapfen stecken. Die Scheide umfasst die Spitze wie der Kelch eine Blumenkrone mit langer Röhre. Die Spitzen der Stäbe haben nur eine Scheide, welche die Spilze lose um- giebt; die Zwillingzapfen haben zwei, jeder seine Spitze um- fassend; hier hängt die Scheide fester an der Spitze, und es gelingt seltener die Spitzen unversehrt ‚herausgezogen zu sehen. Bisweilen ist die Spitze der Pigmentscheide an der Pigment- zelle hängen geblieben, und man sieht die Spitzen des Zwil- lingzapfens aus der Scheide hervorragen. Die Scheide reicht bis an die erwähnte Bruchstelle und die zwei transversellen - feinen Linien; ich bio aber geneigt anzunehmen, dass 'sie,' je- doch ungefärbt, den übrigen Theil des Zwillingzapfens über- zieht, so dass der ganze Körper in einer länglichen Kapsel ein- geschlossen ist. Von diesen Pigmentscheiden rühren die lange zögespilzien Formen her, die man im Pigmente des Fischauges antrillt, Es ist mir aus ‚den genannten Verhältnissen wahr- 62 326 scheinlich, dass die innere Fläche der conischen Pigmentscheide glatt ist oder gar vielleicht von einer öligten Substanz über- zogen wird; man sieht hellbraune Kügelchen umherschwimmen, und wir werden bei den Fröschen und Vögeln deutliche ver- schieden ‚gefärbte, mit den Pigmentscheiden in genauester Ver- bindung stehende Oelkügelchen nachweisen °). Die Aussen- fläche der Pigmentscheide zeigt sich dunkeler oder heller, je nachdem mehr oder wenige Pigmentmoleeule anhaften. Diese Elementartheile, die Stäbe und die Zwillingzapfen bilden die Netzhaut im engeren Sinne des Wortes, und kom- men hier wie bei den übrigen Wirbelthieren von der Periphe- rie der Eintrittsstelle des N. opticus bis zum äusseren Rande der Iris vor, Auf der cocaven Fläche, die sie mit ihren naclı innen kehrenden Enden bilden, ruht die Gehirmsubstanz der *) Indem ich hier bemerke, dass beim Oeffnen der Choroidea und Herausfliessen der Glasllüssigkeit Oeltropfen bei allen Wirbelthie- ren sich schon dem blossen Auge durch ihr Schimmern kund geben, und unter dem Mikroskope als grössere oder kleinere sehr blasse Ku- geln erscheinen, mache ich zugleich mit wenigen Worten darauf auf- merksam, dass die Stäbe und Zwillingzapfen, wovon jeder einen klei- men Hoblspiegel mit kegellörmigen spiegelnden Flächen bildet, einen Theil des Lichtes reflecliren müssen. Die Oberfläche dieser Körper ist nämlich glatt; die Scheide (die Belegung des Spiegels), eine an und für sich hellgefärbte glatte Membran, die bei den meisten Thieren, wie wir gleich schen werden, auf ihrer innern Fläche mit einem hell- gefärbten Oele belegt ist, welche das Licht sehr stark rellectirt; hierzu kommt noch die kegelförmige oder zugespitzte Gestalt der Scheide: — alles Eigenschaften, die einer Lichtreflexion günstig sind. Man kann also mit Recht behaupten, dass das Pigment nicht alle Licht- strahlen absorbire, sondern einen Theil des Lichtes reflectire. — Ob eine solche Reflexion auf die Gehirnfasern der Netzhaut zur ver- stärkten Localisation des allgemeinen Eindruckes der Lichtstrahlen bei- tragen kann, und so das Sehen vermittelt, oder ob die Gehirnzellen der Netzhaut das Bewusstwerden und die Vorstellung des Gesehenen schon im Auge hervorrufen (welches in vielen Fällen, und besonders bei subjeetiven Erscheinungen nicht geläuguet werden kann), dies und noch einige damit in Verbindung stehende Betrachtungen behalte ich mir vor ia einem folgenden Aulsalze weiter zu entwickeln. Ev 327 Netzhaut. Diese besteht wie im Gehirn aus Gehirnfasern und Gehirnzellen (Gebirnprimilivröhren und Ganglienkugeln). Der Sehnery ist eine mehrmals gefaltete Lamelle, deren Falten gegen den’ Eintritt ia das Auge slärker vereinigt wer- den. Der Nerv besteht aus feinen, geraden, cylindrischen, pa- rallelen Fasern, und wird von einer festen glänzenden, mit Querrunzela versehenen Haut umgeben. Diese hindert die Beobachtung, und es gehört ein glücklich moderirter Druck dazu, um die ‚Fasern zu sehen, nicht zu schwach, weil die Durchsichtigkeit nicht gross genug wird, und nicht zu stark, weil die Fasern dann varikös werden und sich in eine grumöse körnige Masse und Kugeln umwandeln. Nachdem der Nerv die Selerotica und Choroidea darelbohrt hat, breitet er sich auf der innern ‘Fläche der Stäbe und Zwillingzapfen aus, von diesen durch eine Schichte Gehirnzellen geschieden. Die Fa- sern, welche man sowohl von der innern Fläche als von der äussern, nachdem man einen Theil der Stäbe und Zwillingza- pfen abgeschabt hat, betrachten kann, scheinen eine grössere Festigkeit zu haben als im Stamme, sind aber übrigens gauz von derselben Beschaffenheit, werden niemals varikös und strah- len aus gerade verlaufend, ohne sich zu theilen oder Plexus zu bilden; die länglichen Maschen oder der geschlängelte Ver- lauf, wodurch ein gekräuseltes Ansehen entsteht, rühren von der Behandlung her. An der Eintrittsstelle des Sehnerven lie- gen die Fasern gedrängter als an den Convexitäten des Auges, “ ohne dass Zwischenräume gebildet werden; gegen die Iris bin scheinen die Fasern feiner zu werden, und schwinden zuletzt dem Auge eine Strecke weit, bevor sie ‚das Ende der eigentlichen Netzhaut erreichen. Sicherlich enden sie mit freien Enden; Umbiegungsschlingen habe ich nicht gesehen. Längs der Spalte der Netzhaut verlaufen sie in gerader Richtung. Die Gehirnzellen, welche von sehr verschiedener Grösse sind, sind überaus zart und durehsichlig; wenn sie frei umher- schwimmen, sind sie rund; in ihrer natürlichen Lage liegen sie gegen einauder gedrängt. In der Mitte haben sie gewöhnlich 328 einen excentrischen Kern. Sie bilden eine doppelte Schicht, eine äussere zwischen der Ausstrahlung und der ‚eigentlichen Netzhaut, eine innere zwischen der Ausstrahlung und der Hya- loidea; die letztere folgt leicht mit dem Glaskörper, weshalb ein Segment des: Glaskörpers immer das abgeschnittene Stück bedecken muss. Man verwechsele sie nicht mit entfärbten Blut- körperchen, und suche sie daher anfangs in der Nähe eines Blutgefässes. Sie zerfliessen sehr schnell, und. die innere und äussere Fläche der Ausstrahlung sieht dann aus, als ob sie mit einer öligen Schicht bedeckt wäre. Die Hyaloidea habe ich theils aus sehr feinen Fasern, theils aus grossen, durchsichtigen, sechseckigen Zellen, von welchen die grösseren einen runden Kern halten, bestehen sehen; zwi- schen ihr und den Gehirnzellen verlaufen viele und starke Blut- gefässe, die sich baumförmig theilen und Maschen .von sehr verschiedener Form bilden. «Im -Glaskörper bemerkte ich runde grannlirte Körper, von welchen Fäden ausliefen. In Beziehung auf die Modificationen, die bei den einzelnen Fischen vorkommen, erlaube ich mir folgende Bemerkungen. Den Hecht, Esox lucius, empfehle ich zur ersten Unter- suchung. Es stehen immer. 12 Stäbe um jeden Zwillingzapfen, so dass die zunächst, stehenden Zwillingzapfen theilweise 'ge- meinschaftliche 'Kränze. von Stäben besitzen. Von allen Fischen; die ich untersucht habe, sind die Stäbe hier am längsten und dicksten; die Zwillingzapfen sind verhältnissmässig schmaler; beide scheinen bei den Fischen in Hinsicht, der Grösse in um- gekehrtem Verhältnisse zu stehen. Fast dieselbe Grösse haben diese Theile beim Stint, ‚Salmo eperlanus. . Die Gehirnzellen haben die Grösse von 2—3 Fischblulkörperchen. Beim Barsch; Perca fluviatilis, sind die Stäbe weit dünner; um die Zwilling- zapfen mit ovalem Durchschnitte stehen ungefähr 18 — 24 Stäbe, um diejenigen mit rundem ungefähr 48; die Anzahl. varirt. Die gegenseitige Stellung der Zwillingzapfen zeigt sich auf ei- x 329 nem horizontalen Durchschnilte wie in beistehender ‘000000 Figur. In jedem Zwillingzapfen sah ich'zwei (eias N 050000 in jedem Cylinder) runde, sehr kleine, gelbliche, j das Licht stark brechende Körnchen, ‚welche ‚dem Zwillingzapfen das Ansehn gaben, als ob er. durchbohrt ‚wäre; sie scheinen in der Mitte des Zwillingzapfens zu. liegen,‘ frei umherschwimmen habe ich sie nicht. gesehen, auch habe ich sie,nicht bei andern Fischen gefunden. «Die mit kleinem Kerne versehenen Gehirnzellen hatten die Grösse, von 4—2 Fisch- blutkörperchen. . Auch bei Leueiscus rutilus fanden sich Zwillingzapfen mit ovalem und runder Durchschnitte; | unge- fähr' 10— 12 Stäbe standen um jeden in gemeinschaftlichen Krei sen. Die Gehirnzellen 'hatten die Grösse von’ 4— 3 Fischblut- körperchen. Aehnlich ‘diesem Fische ‚war das Verhältniss beim Rapf, Leueiseus aspius, beim Kaulbarsch,' Acerina vulgaris, bei der Plötze, Leueiscus erythrophthalmus, beim Aland, Leucis- eus.jeses, wo die Gchirnzellen' so wie beim ‚Schlei,' Tinca vul- garis, die Grösse von 14 Fischblutkörperchen hatten, bei der Bleiche, "Abramis brama, wo die Gehirnzellen von der Grösse von 4—3 Fischblutkörperchen waren, ‘beim Güster, Abramis blicea, wo ich die grössten Gehirnzellen von +—5—6 Fisch- blalkörperchen fand; die kleineren hatten einen ‘ovalen grossen Kern, der etwas weniger durchsichtig’ als die’ Zelle war; ein grosses Blutgefäss trat aus der Mitte des Sehnerven hervor und tlieilte sich in 10 grosse Stämme, die man mit blossen Augen zählen konnte, und verzweigte sich dann baumförmig. Beim Zander, Lucioperca sandra, sind (die Stäbe und Zwillingzapfen sehr zart. Auch bei der Karausche, 'Cyprinus carassius, war die Stellung der Zwillingzapfen wie in obiger Figur, doch zeigte sich einige Unregelmässigkeit, indem nämlich eine Reihe ovaler Zwilliogzapfen mit zwei runden endigte, von. welchen der eine einen kleineren Durchmesser hatte als der andere; vielleicht ist die runde Form eine Uebergangsform zu der ovalen. Selbst wenn die runden einen sehr geringen Durchmesser baben , un- terscheiden sie sich ausser ihren übrigen Verhältnissen von den 330 Stäben dadurch, dass sie nach aussen mit zwei conischen Spitzen endigen. Die Gehirnzellen hatten die Grösse eines Fischblut- körperchens. Bei der Quappe, Lota vulgaris, waren die Stäbe dünn und kurz, und übertrafen bedeutend die Zahl der Zwil- lingzapfen, weil mehr als ein Kreis um jeden Zwillingzapfen stand. Beim Aal, Muraena anguilla, finden sich wie beim Frosch nur Stäbe; Zwillingzapfen habe ich nicht beobachtet; sie waren fast so kurz und dünn wie bei Säugethieren, ihre Pigment- scheiden verhielten sich wie bei den übrigen Fischen. Die Ausstrahlung des N. opticus so wie die Fasern von diesem wa- ren sehr fein. Es kommen unter den Fischen Albinos vor, und man kann diese Eigenthümlichkeit schon vor der Herausnahme des Auges erkennen. Es zeigen sich zwei Modificationen, entweder ist die ganze Pigmentfläche hellroth, und man: unterscheidet hier mit Leichtigkeit die drei Lagen der Choroidea, eine äussere silber- glänzende Haut aus Kırystallen bestehend, eine schwarze mitt- lere, die aus Zellgewebefasern besteht, welche mit Pigment- molekulen olıne bestimmte deutliche Anordnung bedeckt ist, und eine innere, deren Structur ich nicht erkennen konnte; diese ist auf ihrer innern Seite mit sechseckigen Pigmentzellen belegt, in welchen man die Molekularbewegung der Pigment- molecule wahrnehmen kann; — oder der obere grössere ‚Theil des Auges hat hellrothes Pigment, und der untere kleinere schwarzes; auf der Sclerolica findet das Entgegengesetzte statt, sie ist oben schwarz, der untere grössere Theil weiss. Der Uebergang zwischen beiden Farben geschieht gradweise. Die erstgenannte Form fand ich beim Zander und dem Kaulbarsch, die letztere bei dem Güster, der Karausche und der Bleiche: Das schwarze Pigment, ihre Zellen und Scheiden verhalten sich wie gewöhnlich; das hellrothe ist ebenfalls in sechseckigen Zel- len enthalten, liegt aber loser in ihnen und zerfällt in grosse runde Kugeln, die auf schwarzem Grunde weisslich erscheinen; die Stäbe und Zwillingzapfen haben ihre gewöhnlichen Pigment- 331 scheiden, sie sind aber ganz blass. Das Pigment auf der hin- teren Fläche der Iris war bei allen genannten Fischen schwarz. Reptilien. Von diesen habe ich die Raua temporaria und esculenta, Hyla arborea und den Wassersalamander, Triton cristatus, un- tersucht. — Es finden sich bei diesen nur die eine Form der Netzhautelemente, nämlich die Stäbe; vielleicht macht ihre Breite (nicht Länge, denn bei den Fischen sind sie etwas länger) die Anwesenheit der Zwillingzapfen überflüssig. Die Stäbe sind durchsichtige, dicke, solide, sechseckige Säulen mit sechsseitiger Zuspitzung naclı aussen, nach innen sind sie entweder gerade abgeschnitten oder abgerundet; wenn sie frei herumschwimmen, sind sie rund; die Flächen der Säule wird man seltener gewahr. Ihre Oberfläche ist glatt. Nach Verlauf einiger Zeit, oder wenn sie zu trocknen anfangen, 'wer- den sie etwas breiter, bisweilen länger, die Ränder hören auf parallel zu bleiben, die Spitze trennt sich durch eine Bruch- stelle und bricht ab ; sie erhalten Querstreifen wie ein Muskel- bündel, und es sielıt aus als ob sie aus lauter Platten zusam- mengesetzt wären. Alle diese Phänomene zeigen sich noch deutlicher und schneller längere Zeit nach dem Tode, oder wenn eine Flüssigkeit zugesetzt wird; sie biegen sich dann € oder Sförmig, oder verwandeln sich in eine Kugel mit heliem Centrum wie bei den Fischen ; bisweilen werden sie der Länge nach gespalten; die ganze Masse wird zuletzt körnig. Die sechsseitige Form sieht man sowohl von der ionern als von der äussern Fläche, wenn sie noch in ihrer senkrechten nalürlichen Lage stehen; wegen ihrer Grösse fallen die Stäbe aber leicht um, und betrachtet man das abgeschnittene Stück von aussen, so liegen die Stäbe an den Rändern horizontal, nach der Mitte hin mehr oder weniger schräg wie Dachziegel über einander, in der Mitte selbst stehen sie senkrecht, weil 332 sie von den übrigen in ihrer Lage unterstützt werden; man sieht hier lauter Sechsecke mit der grössten Regelmässigkeit geordnet; in der Mitte jedes Sechseckes ist ein kleineres Sechs- eck, die sechsseitige Zuspitzung, von dessen Winkeln feine Li- nien nach den Winkeln des grösseren Sechseckes als Begrän- zung ‘der dreieckigen‘ (oder trapezoidalen) Flächen der Zu- spilzung hinablaufen. £ Auf der äussersten Spitze des nach 'aussen kehrenden En- des des Stabes sitzt eine helle, das Licht reflectirende kleine Kugel, die dem Stabe das Ansehen giebt, als ob er durchbohrt wäre; man sieht die Kügelchen oft frei umherschwimmen, weil sie mit dem Stabe nur lose verbunden sind, und wenn mehrere zusammenfliessen und grössere Kugeln bilden, tritt ihre unter einer gewissen Beleuchtung sichtbare violette Färbung noch deutlicher hervor; ich vergleiche diese Kügelchen mit den car- moisinrothen, die beiden Vögeln vorkommen. Ausser (diesen finden sich gelbe Kügelchen, die den Flächen der sechsseitigen Zuspilzung aufsitzen, und deren Anzahl die erstgenanuten über- wiegt. Wenn diese gelben Kügelchen, die sicherlich von öliger Beschäffenheit sind, :confluiren, entstehen grössere hellere Ku- geln; in den sechseckigen Pigmenizellen, deren Grösse der Pe- ‚ripherie der sechsseitigen Stäbe entspricht, kommen: sie häu- ‚figer vor; sie entsprechen den Pigmentscheiden der Fische und den gelben Oelkügelchen (oder Oelkegeln) der Vögel: Anwe- senheit und Vicariation von Fett oder Oel oder Pigment kommt im Thierreiche öfters vor. Beim Trocknen schwindet die Farbe der gelben Kügelchen fast ganz, die violetten halten sich einige Zeit. Gegen chemische Reagenlien verhalten die gelben Kügel- chen sich wie die gefärbten Kügelchen der Vögel, wie bei die- sen angeführt werden wird. ; Der Sehnerv tritt hufeisenförmig gebogen durch die Sele- roliea und Choroidea, und strahlt darauf mit geraden, von zwei Linien begränzten Fasern auf der Innenfläche der senk- recht stehenden Stäbe aus. Man sieht die schr feine Ausstrah- lung am besten um die Peripherie der Eintrittsstelle.. Uebrigens 333 verhält sich die Ausstrahlung wie bei den Fischen; anfangs lie- gen die Fasern gedrängter und verschwinden schon, wo das Auge seine grösste seitliche Convexität erreicht hat. Alles Pig- ment muss auf der äussern Fläche entfernt werdeu. Die Gehirnzellen sind von der Grösse von 4—1 Frosch- blutkörperchen; die grösseren haben einen körnigen Kern mit fast immer deullichem Kernkörperchen, die kleineren keinen. Die Zellen haben fast ganz das Ansehen der Zellen des Ge- hirns, ihre Oberfläche ist anfangs glatt, aber wird nach kurzer Zeit körnig. Man hüte sich hier wie im Gehirne den Kern für die ganze Zelle anzusehn. Sie bilden eine einfache Schicht auf der Innenfläche der Ausstrahlung; auf der Aussenfläche mögen sie vielleicht in grösserer Anzahl vorhanden sein; man sieht sie hier am besten wo die Gehirnfasern etwas aus einander ge- wichen sind; sie zerfliessen sehr schnell. Auf der innern Fläche der ganzen Netzhaut verlaufen die Blutgefässe. Im Glaskörper schwammen runde granulirte. Kör- per umher; von einigen liefen Fäden aus. Beim Laubfrosch sind die Verhältnisse ganz dieselben, nur sind alle Theile zarter. — Beim Wassersalamander sind die Stäbe breiter als bei den Fröschen, und ihre Spitze etwas län- ger; die innere Hälfte scheint nach aussen an der Bruchstelle etwas breiter zu sein. Die gelben Kügelchen waren vorhan- den, die violetten bemerkte ich nicht. ‘Die Gehirnzellen halten die Grösse von 3— 4 Blutkörperchen desselben Thieres. Vögel. Von diesen habe ich das Hulm, den Puter, die Taube, die Ente, den Sperling, den grauen und grünen Häofling untersucht. — Wir treflen hier wiederum wie bei den Fischen ‘beide Form- elemente der Netzhaut. Die «Stäbe sind solide, zarte, durchsichtige, ungefärbte, sechsseilige Säulen, die nur halb so lang als die Stäbe der Fi- sche sind; ihre Substanz ist noch weicher und brüchiger. Nach 334 aussen enden sie-mit, einer kurzen Spitze, und haben wie die Fische eine trausverselle Bruchstelle ungefähr in der Mitte.: Die Veränderungen, «denen sie durch äussere Einflüsse unterworfen sind, sind von derselben Art als bei den Fischen; sie werden der Quere nach gestreift und theilen sich in Scheiben; sehr oft biegt sich das eine Ende um, so dass der Stab eine Kugel auf der ‚Spitze trägt. Die Zwillingzapfen siad zarte cylindrische Körper von noch grösserer Durchsichtigkeit als die Stäbe. Die Veränderungen, denen sie unterworfen sind, sind nicht ähnlich denjenigen der Sıäbe. Sie sinken zusammen und werden rund oder oval, und haben ein citrongelbes Kügelchen in der Mitte, dessen Bedeutung gleich näher erörtert werden wird; oft werden sie retortenförmig, und ‘jenes Kügelchen mit dem zunächst liegenden Theile bildet den hervorragenden Hals der Retorte; dies sieht man am be- sten, wenn sie frei umherschwimmen und sich auf die Seite legen. : Hat der Zwillingzapfen die Form einer Kugel angenom- men, so liegt das citrongelbe Kügelchen in der Mitte, tritt zuerst in ‚den Focus und wird von einem dunkelen Ringe umgeben, darauf kommt die durchsichtige Kugel zum Vorschein; ist das gefärbte Kügelchen' abgefallen, so sieht die Kugel einer Gehirn- zelle sehr ähnlich, ihre Durchsichligkeit ist aber grösser, sie brieht die Lichtstrahlen stärker, und ihre Oberfläche wird nie- mals körnig, sondern behält ihr glattes Ansehen, als ob der flüssige Inhalt in einer glalten Kapsel eingeschlossen wäre; auch fehlt ibr der für die Gehirnzellen characteristische Kern. Dass ich diese Körper für Zwillingzapfen ansehe (analog den Zwil- lingzapfen und ihren zwei conischen Spitzen bei den Fischen), kommt daher, weil sie ‚oft mit zwei gefärbten Kügelchen an der Spitze erscheinen, deren jedes nach seiner Seile liegt oder verschiedenen Focus hat, und es ist wahrscheinlich, dass zwei Kügelchen das normale Verhältniss ist, obgleich man sie selten so. sieht... Eine‘ wichtigere Ursache ihnen jene Benennung bei- zulegen ist'die, dass sie wie bei den Fischen breiter werden, 339 und dass die Stellung der Stäbe um den Zwillingzapfen die- selbe ist wie bei den Fischen. Betrachtet man ein abgeschnittenes Stück der Netzhaut von aussen, so hat man einen der schönsten Anblicke, die das Mi- kroskop gewähren kann. Das ganze Feld zeigt sich mit ver- schieden gefärbten Kügelchen (oder richtiger Kegeln) bedeckt, welche alle mit Ausnahme der eitrongelben in derselben Ebene liegen. Es zeigen sich drei Arlen ven Kügelchen: 1) citron- gelbe; sie sind die kleinsten von allen und brechen das Licht am stärksten; es silzt eins (oder zwei) auf dem auswärts keh- renden Ende jedes Zwillingzapfens; 2) dunkelgelb, diese sind grösser und sitzen auf dem Ende der Stäbe. Das Pigment bil- det wie bei den Fischen häutige Scheiden für die Stäbe, die jedoch kürzer sind und kaum die Hälfte des Stabes umgeben; die schwarze Scheide ist inwendig dunkelgelb, und von dieser Färbung rührt das dunkelgelbe Kügelchen des Stabes her; ist diese abgestrichen, so sind die Stäbe ungefärbt und liegen in einer höher liegenden Ebene als die Zwillingzapfen, die sie um- geben, und schweben gleichsam frei in der auf dem abgeschnit- ienen Stücke der Netzhaut ruhenden Augenflüssigkeit; sind da- her viele ungefärbte Stäbe vorhanden, so sieht man wenige dun- kelgelbe Kügelchen, und umgekehrt; 3) carmoisinrothe; von diesen ist das Ansehen, als ob immer eine kleinere Kugel ne- ben einer grösseren läge; dies ist aber nur eine, optische Täu- schung. Wie schon oben angedeutet ist, sind diese farbigen Körper eigentlich nicht kleine Kugeln, sondern Kegel mit gerade abgeschnittener Spitze, die nach aussen liegt, während die brei- iere Grundfläche nach innen kehrt. Liegt nun der Kegel auf der Seile, so sieht man den Durchschnitt der Grundfläche und der Spilze, jene als grössere Kugel, diese als kleinere; steht der Kegel senkrecht, so ist ein kleinerer, höher liegender, dun- keler Ring (die Spilze) von einem grösseren tiefer’ liegenden (der Grundfläche) umgeben. Mitunter löst sich die Spitze von der Grundlläche, und es entstehen dann wirklich zwei Kugeln, 336 eine kleinere neben einer grösseren. Dass auch die dunkelgel- ben Kügelchen eigentlich Kegel sind, davon überzeugt man sich auf dieselbe \WVeise. Die Zwillingzapfen und die citrongelben Kügelchen, die ihnen aufsitzen, slecken wiederum in den carmoisinrothen Ke- geln; darin ist die Ursache zu suchen, weshalb die eitrongelben Kügelchen tiefer liegen als die übrigen; die gie selbst sind auch kürzer als die Stäbe. Alle diese Kügelchen und Kegel halte ich für aus einer öligen 'gefärbten Substanz bestehend, weil sie in genauer Be- rührung mit’ dem Pigmente sind, und weil sie die Lichistrahlen stark reflecliren. Behandelt man ein frisches Stück der Netz- haut-mit Schwefel-, Salz- oder Salpetersäure, mit kohlensau- rem oder kaustischem Ammoniak, so werden alle Kügelchen etwas kleiner, behalten -aber ihre runde Gestalt und intensive Färbung; mit Hydrosulphas Ammonii, so bleiben die carmoisinrolhen unver- ändert, die gelben werden blasser, ohne doch ihre Form und die‘ Doppelkreise' zu verlieren. — Lässt man ein Stück der Netzhaut ‘auf einer Glasplatte trocknen, so sieht das Präparat rolhgelblich aus; unter dem Mikroskope erkennt man selbst nach Verlauf mehrerer Monate noch deutlich die lebhafte Farbe der rothen Kügelchen, sogar ihre gegenseitige Stellung; ‘die gel- ben werden‘ blasser, ihre Farbe ist aber doch sichtbar. Es herrscht einige" Verschiedenheit bei den verschiedenen Vögeln; beim Puter, dem Huhne und der Taube entfärbten die Kügel- chen’ sich’ fast gänzlich, und waren nur kenntlich dufch die dunkelen Doppelkreise; beim Sperling hielten sie sich am be- sten. " Jenen chemischen Einwirkungen widerstehen die Kügel- chen weniger gut, wenn’ das Präparat getrocknet ist; die Fär- bung verschwindet grösstentheils, die Doppelkreise aber blei- ben. .Es folgt hieraus, dass das Licht oder die chemischen Rea- gentien' wohl die Farben 'anzugreifen vermögen, nicht aber das Oel selbst, wenn dieses auch, wie wahrscheinlich ist,’ 'beson- ders "durch‘.die Alkalien in ‘seinen chemischen Bestandtheilen verändert wird. nn 335 Stäbe ‚ste FIAT WRRT VIE 6 öder 8 an der Zahl um jeden 1gzapfen, er die Stäbe, welche den Kranz für die om stehenden Berilfingrapfet bilden, gemeinschaftliche wer- en Die Zwilli fen selbst : stehen in einem Quineunx. Man erzeugt sich an leichtesten ‚hiervon, indem man die gelben elchen zählt. Auch die carmoisinrothen Kügelchen sind einem in Sechsecke geordnet; der Zwischenraum der einzelnen rösser als bei den dunkelgelben , ‚die dicht neben einander Ostchen; es ist nämlich ein Zwischenraum zwischen’ den einzel- nen Zwillingzapfen, weil sich ‚immer ein Stab mit seinem dun- kelgelben 'Kügelchen zwischen je zwei Zwillingzapfen befindet. Es ist nicht ganz. leicht sich von den genannten Verhält- nissen zu überzeugen, weil die gefärbten Kügelchen leicht in Unordnung gebracht werden beim Abziehen der Choroidea und mit ihr folgen; oft werden auch die Stäbe aus ihrer Lage her- ausgezogen oder brechen ab; in glücklichen Fällen kann man die Anordn nung auch von der innern‘ Fläche sehen, "Das Pigment der Vögel auf der ionern Fläche der Cho- roidea besleht aus regelmässig sechseckigen Zellen, deren Pe- ripherie ungefähr dem Sechsecke entspricht, welches 6 Zwil- liogzapfen mit ihren carmoisinrothen Kügelchen bilden. So zeigt sich das Pigment, wenn die Zellen nicht in Unordnung gebracht sind, und sich nur ein kleiner Zwischenraum zwischen den ein- zelnen Zellen vorfindet. Ist der Zwischenraum grösser, so sind die «Zellen durch mechanische Behandlung von einander ent- fernt, und sie haben zugleich ihre Form verändert; sind alle auf ihrer inneren Oberfläche stehenden Pigmentscheiden gleich- mässig nach allen Seiten gefallen, so sieht die Zelle aus, als ob sie von einer Perlenschnur aus viereckigen Perlen 'besiehend umgeben wäre; sind sie dagegen nach einem Punkte gefallen, so hat die Zelle die Form eines Apfelkerns; sind sie nach einer Seite gefallen, so zeigen sich zwei oder mehrere Büschel. Je grösser der Zwischenraum zwischen den Zellen ist, desto melır sind sie in Unordnung gebracht, und desto unregelmässigere Formen zeigen sich. Müller’s Archiv. 1840, 22 336 + Der N. a eslel aus feinen, parallele 1, 0yl GER 4 e N; unmi il barer Vebergang als AR rig Alina ist. Die Ausstrahlung der ‚Fasern ha ganz nr wie bei den | Fischen; sie bilden keine P oder Maschen; kurz - bevor sie den. Anfang der Ciliarfor welche sie unler einem sehr spitzen Winkel treffen geil in schräger Richtung an ( der Coneayität des. Auges s verlaufen), erreichen, ‚verschwinden ‚sie, ohne dass ich i - Ende gewahr. werden kannte. “ Die Fasern der Ausstrahlung sind von dersel- ben Beschaffenheit Fie Un Stämme des | ‚Sehnerven, Hör, ‚sind sie blasser weil sie nicht so gedrängt ‚liegen. ‚Um die usstrahlung recht deutlich zu sehen, muss man etwas schnell zu Werke gehen, nachdem man die Netzhaut bloss gelegt hat; denn die Netzhaut der Vögel ist an’ und für-sich‘ wegen ( der Menge der gefärbten Kügelchen schon dunkeler, weshalb sie wegahgheh etwas gelblich erscheint, und die Undurchsichtigkeit \ wird noch > dadurch vermehrt, dass die Farbe der Kügelchen, kurz nach- dem sie der Luft ausgeselzt worden sind, mehr intensiv zu wuen- den scheint. Dieselbe Schnelligkeit ist nothwendig, um die Gehirnzellen zu beobachten, iheils wegen der Undurchsichtigkeit, {heils weil sie leicht zerfliessen; oft folgt die innere Schicht mit der Hya- loidea. Sie sind rund, durch Druck oval, klar und durchsich- tig, welches man besonders sieht, wenn sie sich theilweisedek- ken; in ihrem Innern haben besonders die grösseren einen deut- lichen kleinen Kern. Sie bilden eine einfache Schicht auf der innern und äussern Fläche der Ausstrahlung. Ihre Grösse va- rürt in demselben Thiere von +— 3 Blutkörperchen eines Vogels. Die Hyaloidea besteht aus sechseckigen, sehr. zarten und durchsichtigen Zellen :mit ziemlich grossem runden Keme in den grösseren Zellen; sie sind ungefähr 2—3 Mal so gross als die Pigmentzellen. Wenn sie durch Präparation verzogen sind, sehen sie doch nur beim ersten Anblicke den Gehirnzellen ähn- lich; sie sind aber viel grösser als diese, hängen ununterbrochen _ 337 zusammen, sind eckig, auch ihr Kern ist grösser. Es geliogt nur selten die Zellen der Iyaloidea bei Vögela zu schen. Ueber die Netzhaut der einzelnen Vögel habe ich nur we- nige Bemerkungen hinzuzufügen. Die gefärbten Kügelchen sind kleiner beim Puter als beim Huhne und beim Sperling, die Stäbe sind länger bei den letztgenannten; die Gehirnzellen waren da- gegen kleiner beim Sperling. Bei der Taube hatten die Gehirn- zellen die Grösse von 2—3 Blutkörperchen dieses Thieres; die grösseren hatten einen deutlichen Kern und ein Kernkörperchen als helleren Punkt sich zeigend. Einigemal sah ich bei diesem Tiere, dass eine grosse Gehiruzelle eine kleine enthielt; ja ein- mal enthielt eine solche grosse Zelle zwei kleine, welche sich in jener bewegten und Ausbuchtungen bildeten, als ob sie her- vordringen wollten. Säugethiere. Bei den Säugethieren ist- die ganze Netzhaut dünner und weniger breiig als bei den vorhergehenden Thierklassen. Die geringe Grösse der Stäbe und Zwillingzapfen ist die Ursache ihrer pendelförmigen Molecularbewegung, wenn sie frei umler- schwimmen; man sieht dies Phänomen auch bei andern kleinen Theilen, selbst bei Blutkörperchen der Säugethiere und bei Bruchstücken der Stäbe der vorher beschriebenen Thierklassen. — Meine Untersuchungen habe ich an dem Ochsen, Schaafe, Schweine, Pferde, Meerschweinchen, Kaninchen und der Maus angestellt. Die Stäbe sind klein, länglich und solide; die nach aussen kehrende kurze Spitze wird nach einiger Zeit von dem übrigen Theile durch eine transverselle Linie getrennt; sie bricht aber leicht ab, weil die Stäbe noch zarter und kleiner sind, als bei den übrigen Thieren, und der Stab zeigt nur die Hälfte seiner natürlichen Länge. Die Veränderungen durch die vorher ge- nannten Einwirkungen sind die gewöhnlichen; doch rollen sie sich seltener zu einer Kugel um, sondern werden häufiger knie- 99 * 338 oder hakenförmig umgebogen, zerbrochen; oft rollt sich das eine Ende um, so dass der Stab eine kleine Kugel an der Seite trägt; auch die Spitze biegt sich um oder verändert sich in einen runden oder ovalen kleinen Körper, der an der Spilze hängt. Die Zwillingzapfen sind etwas kürzer als die Stäbe und unterscheiden sich‘ von diesen dadurch, dass ihre Oberfläche niemals körnig wird, sondern glalt bleibt wie eine glalte Kap- sel; sie theilen sich nicht in mehrere Theile, sondern werden durch äussere Einflüsse breiter, sinken zusammen und erschei- nen als: helle durchsichtige Kugeln; siokt nur die Hälfte des Zwillingzapfens zusammen, so bildet er die Form einer Fla- sche. Das nach aussen kehrende Ende endigt mit zwei sehr kurzen abgestumpften Spitzen. Hat man die Choroidea und das mit ihr ER fol- gende Pigment enifernt, so sieht man eine niedliche Mosaik von lauter kleinen dicht zusammengedrängten und gegen einander gepressten Doppelkreisen; dies sind die senkrecht stehenden Stäbe, deren Enden man beobachtet: der Doppelkreis, ‘der schwierig wahrzunehmen ist, rührt von der kurzen, gerade abgeschnittenen Spitze her, In der Mosaik sieht man in be- stimmten Zwischenräumen gleichsam nebliche kleine Flecken, die tiefer liegen als die Spitzen der Stäbe, und erst durch Hin- unterschrauben des Mikroskopes in: den Focus treten; dann kommen die durchsichtigen Zwillingzapfen zum Vorschein, und ihre Umgebung ist. nicht mehr. deutlich. Sind die Zwilling- zapfen zusammengesunken, so nimmt man kleine runde durchsich- tige Kugeln wahr, welche die Stäbe etwas zur Seile geschoben haben. Jeder Zwillingzapfen wird von 2—3 Kreisen von-Släs _ ben wie von Pallisaden umgeben; es stehen folglich 4—6 Stäbe zwischen je zwei Zwillingzapfen. Das Pigment ist aus sechseckigen Zellen zusammengeselzt; deren Grösse ungefähr 6—8 Zwillingzapfen mit ihren Stab- kreisen entspricht. Auf ihrer innern Oberfläche: stehen Schei- Zum den für die Stäbe, die aber sehr kurz sind. Ihre Kürze, und deshalb die losere Verbindung des Pigments mit der Relina er- schwert die Beobachtung dieses Verhältnisses; am besten über- zeugt man sich davon, wenn man das abgeschnittene Stück der Netzhaut fallet,; so dass die Pigmentzellen auf der Kante ste- hen; man sieht alsdann die Scheiden die Stäbe in sich aufneh- men. Die Kürze der Scheiden ist auch die Ursache, weshalb die Pigmentzellen der Säugethiere stets als sechseckig beschrie- ben und auch so abgebildet worden sind; da die Scheiden ohne- dies in ihrem Zusammenhange keine Festigkeit haben, so können sie nieht nach den Seiten fallen und andere Figuren hervorbrin- ‚gen. Wo das Pigment schwarz ist, sind die Zellen mit schwar- zen Moleculen gefüllt, in helleren Zellen mit wenigeren ‘oder helleren; auf dem Tapetum, wo es sich findet, mit hellbraunen und sehr wenigen. Die Molecule zeigen Molecularbewegung; noch während sie in den Zellen liegen. Uebrigens verhalten sich die Stäbe und Zwillingzapfen auf dem Tapetum wie auf anderen Stellen, und indem sie von der Peripherie der Ein- triltsstelle des Selnerven an vorkommen, findet man sie bis an den Anfang der Processus: ciliares. Der Sehnerv ist von einer sehr festen Scheide umgeben, die einzelnen Nervenbündel von schwächeren; diejenigen Bün- del, die in der Mitte liegen, haben die schwächsten Scheiden, und eignen: sich daher am besten zur Beobachtung der feinen eylindrischen Gelirnfasern. Diese stralilen darauf mit unver- änderler Dicke und Ansehen (nur dass sie zarter sind), auf der Innenfläche der Stäbe und Zwillingzapfen aus, wie bei den übrigen Thieren, von diesen durch eine Schicht Gehirnzellen ge- irenst. Durch Auftröpfeln von Wasser wird die Ausstrahlung deutlicher; bei jungen Thieren, oder wenn dag Auge alt ist, ist sie oft schwieriger zu beobachten. Die Fasern verlaufen schräg an der Concavilät der eigentlichen Nelzhaut, bilden keine Plexus ‚oder Maschen, und gehen bis.an ein mit dem Kreise der Ciliarforlsälze ‚parallel laufendes ziemlich, grosses Gefäss, 340 wo sie sicherlich mit freien Enden aufhören; Umbiegungsehlin- sen der Fasern habe ich nicht gesehen. Jenseils dieses Gefässes land ich weder Fasern noch Gehirnzellen. "Pr Auf der innern und äussern Fläche der Ausstrahlung lie- gen die zarten und durchsichtigen Gehirnzellen, die von ver- schiedener Grösse, und besonders in den grösseren mit einem ziemlich grossen Kerne und deutlichen Kernkörperchen versehen sind. Sie sehen aus wie klare Blasen mit einer hellen Flüssig- keit und liegen dicht an einander gedrängt. Sie zerfliessen sehr schnell, besonders wenn das Thier jung oder das Auge nicht frisch ist, und die innere und äussere Fläche der Aus- strahlung sieht aus, als ob sie von einer öligen Schicht bedeckt wäre;'setzt man Wasser hinzu, so zerfliessen sie gänzlich und schwinden. Auf der Eintrittsstelle des Sehnerven habe ich sie nicht beobachtet. - Zwischen den Gehirnzellen und der Hyaloidea verlaufen die sehr starken Blutgefässe, die von der Mitte des Sehnerven kommen und sich darauf baumförmig mit kleineren und grös- seren Maschen verzweigen. Die Hyaloidea besteht aus sehr grossen sechseckigen Zellen, deren in verschiedenen Ebenen liegende Wände ich öfters wahrzunehmen Gelegenheit hatte; besonders sah ich sie deutlich bei Schweinen. In ihnen finden sich grosse runde Nuclei, von denen feine Fäden ausliefen. Ueber die geringen Variationen, die ich bei den untersuch- ten Thieren fand, habe ich nur Weniges zu bemerken. Bei dem Pferde, Schweine und Ochsen hatten die Gehirnzellen die Grösse von 4—3, ja 4 Blutkörperchen eines Fisches; der kleine runde Kern war in den grösseren Zellen sehr deutlich; sie sind ausserordentlich zart und durchsichtig; man beobachte daher zuerst die frei umherschwimmenden. Bei dem Schwein fand ich den N. oplicus von einem hellen Ringe umgeben; einmal sah ich zwei varieöse Fäden in der Ausstrahlung, obgleich weder Druck noch Flüssigkeiten angewendet waren. Obgleich die Varieosität der Gehirnfaser keinesweges der natürliche Zu- stand ist, so spricht doch jene Beobachtung dafür, dass die Ge- _ A 0,‘ es Far die äussere 3 Mrd Scheiden. gegen die RETTEN I 3 ung de aut und des mit ihr so er betritt, ‘so. habe ich bei neu- Thieren | bis jetzt darü r. folgende Beob- s ganze ‚Auge von zu. betrachtet ist ube an erst recht deutlich, e sechseckigen Zellen ‚besteht; eine Schei n.gebildet, die durch ihr ne ormen hervorbringen konn- waren mit schwarzen Moleeulen gefüllt, mit o der helle Kern (Kernkörperchen) noch n war; 2 schwindet "späler. Die innere Fläche des, Bigmients war von einer weissgrauen Schicht bedeckt, de- ren Siruelur zu erkennen mir nicht gelingen wollte; es zeigten sieh einzelne sehr kleine Kügelchen, die vielleicht der Anfang der später gelärbten Kügelchen sind, übrigens zeigte sich kein einziges gefärbtes Kügelchen noch eine Pigmentscheide. In der eigenllichen Netzhaut fanden sich die Zwillingzapfen als abge- plattele‘ Kugeln von. den Stäben umgeben; diese waren noch nicht von eivander gesondert und hatten keine bestimmte Con- tur; weder Stäbe noch Zwillingzapfen schwammen einzeln um- bier. Der N. optieus und seine Ausstrahlung boten kein unge: wöhnliches Ansehen dar, waren aber sehr zart. Die Gehirn- zellen, die die Grösse eines Blutkörperchens hatten, waren fast alle mit einem Kerne versehen; von Kernkörperchen fanden sich immer eins, bisweilen zwei oder drei. Bei einer nach verschiedenfarbigen Ki matter und die Grösse gering! Die sechsseiligen Stäbe und die Zw men entwi b; es ara Ana nach der v: Ei Bei einem ne En en Em uf Aussenfläche der Choroidea nur s a am; P grüsse rMeı ich es auf dem oberen Theile des r e Zell es zusammengeselzt: wurde ER ir spi delfö vier- oder fünfeckig, mit zugespitzten ae ode: schweiften Seiten. Alle halten’eiae gro e durchsich in.der Mitte, um welehe die Molecule gelagert ware lirte Kerne habe ich nicht wahrgehommens Die innere Hläche ‚der Choroidea war von einer weissgrauen Schicht überzogen; es waren die Pigmenizellen noch nicht mit Pigment gefüllt;' son- dern die Schicht bestand aus leeren sechseckigen, wenn sie iso- lirt wurden, runden, auf der Oberfläche körnigen Zellen. ‘In bestimmten Zwischenräumen zeigte‘ sich in “den Zellen eine bräunliehe eireumseribirte Färbung, die wie ein"Bläschen aus- sah, um welches sich späler das Pigment lagert.: Betrachtete man die Netzhaut selbst von der Aussenseile, so halte man fast dasselbe Ansehen wie bei erwachsenen Thieren; aber die Mo- saik ward ans weit kleineren Kreisen zusammengesetzt, deren Conturen nicht bestimmt waren. In der Mosaik erkannte man die Zwilliogzapfen als helle oder dunkele Flecken in regelmäs- sigen Zwischenräumen, Die Faserü des durchsichtigen Sehners 343 Adelälfons waren äusserordentlich fein. In den die eine Grösse von 1—2 Fischblutkörperchen onnte ich.den Kern nieht erkennen. Auf den Gehirn- hte.eine ungemein grosse Zahl von Blutgefässen, wel- ge, runde oder ovale Zellen mit grossem körnigen Kerne und Kernkörperchen. — Bei einem 8 Tage alten Kätzchen, bei dem "die Augen 'von dem innern Augenwinkel her sich zu öflnen anfingen, war die ganze äussere Fläche der Choroidea schwarz ‚geworden; die Zellen hatten dieselbe Form als früher, ihre "Anzahl. hatte bedeutend zugenommen, und jede einzelne Zelle war grösser geworden. In den sechseckigen Zellen ‘auf der In- nenfläche der Choroidea war keine Veränderung vorgegangen, nur zeigle sich jelzt in den meisten Zellen ein kleiner runder, eiwas ‚dunkeler Kern. Jene bräunlichen Flecke halten an Grösse zugenommen, ihre Zahl war dieselbe; man unterschied in jedem einen hellbraunen Kern, der von einer helleren Sub- slanz umgeben war; diese schien in einer besondern Kapsel eingeschlossen zu sein; die Form des ganzen Fleckens war ver- schieden, rund, oval, eckig, halbmondförmig u, 's. w. Die Mosaik der Stäbe war deutlicher, auch bemerkte ich nun ein- zelne Stäbe, die umherschwammen, und kleiner und feiner als beim Erwachsenen waren. Das Ansehen der Zwillingzapfen war unverändert. Die Ausstrahlung des Selhnerven war sehr deutlich. Die Gehirnzellen hatten einen kleinen runden Kern, der nicht viel grösser als das Kernkörperchen selbst war. Mebr- mals sah ich Gehirnzellen, in denen eine, ja öfters auch zwei andere Zellen eingeschachtelt waren, wovon jede ihren klei- nen Kern (oder Kernkörperehen) hatte. Einmal enthielt eine Gehirnzelle eine andere, die drei Kerne hatte, einmal enthielt eine Gehirnzelle zwei kleine ohue Kern, von welchen die eine eine körnige, die andere eine glatte Oberfläche halle. In der Uyaloidea kamen runde Kerne mit einem Kernkörperchen vor, von welchen ein oder mehrere Fäden ausliefen. — Bei einem 344 ra fast 4 Wochen alten Kätzchen halle ua der Aus senfläche der Choroidea dieselben Formen wie rüher; und 'Anzahl der Zellen halte zugenommen.. Die ı Pigmentzellen auf der innern Fläche der u wachsenen. Keine graue Schicht war mehr Be. ® indes- sen sah ich auf der Innenfläche der Choroidea sechseckige e Zel- len ohne bräunliche Flecke, welche wahrscheinlich nur die äussere Wand der Pigmenizellen oder eine Impression ‚dieser waren. Die Gelirnzellen waren sehr blass, halten einen Kern und ein Kernkörperchen. In der Hyaloidea waren dieselben Kerne mit auslaufenden Fäden vorhanden. Ich will hier nicht auf eine Kritik früherer Untersuchun- gen der Netzhaut eingehen, nur von der sogenannten Membraua Jacobi bemerke ich, dass diese verschieden beschrieben worden ist, weil man verschiedene Theile der Pigmente und der Netz- haut als diese Haut angesehen hat. Entweder hat man den von den Stäben durchlöcherten und mit mehr oder weniger Pigment belegten Deckel (die nach innen kehrende Wand) der Pigmentzellen gesehen, oder diese in Verbindung mit allen Stäben oder nur ihren Spitzen (bei Fötus und jungen Thieren), oder die Stäbe selbst in ihrer natürlichen oder veränderten Form und Lage, oder die in Kugeln zusammengesunkenen Zwillingzapfen,, oder einen horizontalen Durchschnitt der Zwil- lingzapfen mit ihren Stabkreisen, oder endlich bei Vögeln die gefärbten Kugeln und Kegel. In meiner vorherigen Darstellung der Struclur der Netzhaut ist ihrer nirgends Erwähnung ge- schehen, und ich muss die Gegenwart einer Membrana Jacobi ‚ bei Thieren als eigenthümliches Gebilde läugnen. Die durchsichtigen Stellen, die in den Pigmentzellen vor- kommen, sind Iheils wirkliche Kerne, welches man am besten bei Säugelhieren auf dem Tapelum und bei jungen Vögeln, wie 345 oben angezeigt worden ist, sicht, theils rühren die kleineren Löc er, von welchen man oft eine grössere Menge in der Pe- ripherie sieht, von den. herausgezogenen Pigmentscheiden her. Kr, Mi die Pigmentzelle ist, desto weniger Pigmentmolecule enthält sie, und desto mehr Scheiden sind verloren gegangen und mit den Stäben gefolgt. Zu bemerken ist die gleichzeilige Entwickelung der Pigmentmolecule und der Stäbe mit ihren Spilzen. Anmerkung. Ich benutze diese Gelegenheit um dem Herrn Prof. Johannes Müller öffentlich meinen herzlichen Dank abzu- statten für die Bereitwilligkeit, mit welcher er mir das zu diesen Untersuchungen benutzte Mikroskop überliess, so wie für die freund- liche Aufnahme und das Wohlwollen, welches er mir bei meinem fast neunmonatlichen Aufenthalte.in Berlin schenkte, Ueber die Muskelfasern des Mesomelriums der Säuge- ihiere. Von Dr. Parrenneım in Breslau. (Hierzu Taf. IX. u. X.) Obwohl man im Allgemeinen annahm, dass sowohl der Ute- rus selbst, als dag Mesomelrium desselben, welches, wie es scheint, nicht bloss zur Befestigung, sondern auch, bei der Geburt, als ein bewegungvermittelndes Organ dient, bei den Säugelhieren mit Muskelfasern versehen seien, so scheint es doch nicht, dass man auf die Richtung dieser Fasern beson- ders geachtet hätte. Theils aus diesem Grunde, theils, weil das Studium der vergleichenden Histiologie, namentlich in schwierigen Untersuchungen, in der Regel für die weitere Er- forschung des Gegenstandes beim Menschen den Weg zu bah- nen geeignet ist, wage ich es, hier vorläufig einige Bemerkun- gen über den genannten Gegensatnd zu veröffentlichen, an welche sich späterhin bei günstiger Gelegenheit, fernere Beob- achtungen über denselben anreihen werden. Bei den Kaninchen zeigen sich die Muskelfasern sowohl im nicht schwangern als im schwangern Zustande vorzüglich ausgebildet, Hier sehen wir dieselben am stärksten auf der vordern Fläche des kleinen Corpus uteri entwickelt, zahlreiche parallele Schlingen bildend, von da nach beiden Seiten sich 347 unter verschiedenen Winkeln fortsetzend, um bald nach einem längern, bald nach einem kürzern Wege sich zu den Hörnern des Uterus zu begeben, hier nun Verstärkungsschlingen bil- dend, und auf diesen sich der Länge nach auf der ganzen äus- sern Oberfläche der Hörner theilend als Längenfasern, welche zahlreiche, äusserst feine innere parallele Schlingen zusammen- setzen, verlaufen. An denjenigen Stellen, wo ein Ei befestigt ist, finden sich die Schlingen des concaven Randes am zahl- reichsten und stärksten, Es verlaufen daselbst mehrere Reihen, welche sich über- und unter einander verflechten. Ausserdem bemerkt man, dass von den Mittelfasern (auf dem Corp. uteri) zu beiden Seiten starke lange Fasern auf der vordern Fläche der Vagina von oben, nach unten sich verschmälernd, verlau- fen. Geht man ferner von den Tuben aus, so bemerkt man, dass sich auf den bisher beschriebenen Fasern eine zweite Lage feinerer, sparsamer befinde. Diese haben ihren Stamm an dem eoncaven Rande der Hörner, laufen unter feinen Zertheilungen abwärts, anastomosiren unter einander und endigen sich end- lich blind im Mesometrium als kolbenförmige Fasern. Ihre Haupt- stämme befolgen eine unter einander parallele Richtung. Eben solche sieht man an der hinteren Fläche. Sobald man die Muskelfasern an der hinteren Fläche des Mesometriums bis zu ihrem Uebergange auf die Vagina (an deren hinterer Fläche) verfolgt hat, findet man, dass die Fa- sern hier zuerst eine schräge, dann, nach immer kleiner ge- wordenem Winkel, zuletzt eine parallele Richtung annehmen. Zu oberst sind die Fasern gleichzeitig auch am stärksten. Sie begeben sich schräg abwärts nach der Mitte zu, und kreuzen sich daselbst mit denen der entgegengeseizten Seite. Hier- durch scheint eine oben in der Mitte befindliche Vertiefung erzeugt zu werden. Unter ihnen sieht man eine tiefer gele- gene Muskelschicht durchschimmern. i Von den Hörnern des Uterus kommen nun die gleichfalls dem Mesometrium gehörigen Längenfasern herab. Sie bilden äusserst feine Schlingen, kreuzen sich in der Milte und er- 348 zeugen so starke Vertiefungen auf der Mittellinie des Uterus. Diese Vertiefungen sind in der Nähe der Vagina am slärksten.. Die Längenfasern des Corpus uteri setzen sich jetzt, immer feiner werdend, über den Fasern des Mesomelriums- auf der Vagina fort, so jedoch, dass die zu beiden Seiten nach aussen gelegenen sich nach vorn krümmen, die nach innen gelegenen mehr geradlinig verlaufen und schon hoch oben sich verlieren. Ausser diesen Muskelfasern bemerkt man noch in dem Theile, welcher an die Tuben geht, deutliche Muskelfasern. Sie liegen in Bündeln neben einander. Jedes Bündel besteht aus den zierlichsten Fasern, ohngefähr 20 an der Zahl.‘ Quer- streifen vermochte ich nicht zu entdecken. Bei dem Meerschweinchen sieht man noch deutlicher, dass Längenfasern des Uterus sich unmittelbar durch die Falten, wel- che das Bauchfell beim Uebergange von der Blase zur vordern Fläche der Vagina bildet, zur Harnblase begeben. Die übrigen Fasern haben im Allgemeinen auf dem Uterus und den Hör- nern den nämlichen Verlauf. Bei der Katze sind die Muskelfasern selbst in einem weit vorgerückten Stadium eines fruchthaltenden Uterus viel weni- ger entwickelt. Als constant jedoch bemerkt man: die Fasern, welche an der Anheftungsstelle der Eier am concaven Rande vorkommen, ferner die Längenfasern, welche von dem conea-. ven Rande frei nach unten verlaufen. Ausserdem geht jeder- seits noch ein slarkes musculöses, aus sehr zarten Netzen ge- bildetes Band längs der fallopischen Röhren zum Uterus, sam- melt sich daselbst in ein Bündel, und strahlt von diesem in äusserst feinen Fasern nach allen Richtungen auf den Ute- Tus aus. Bei dem Menschen sieht man zur Zeit der Schwanger- schaft deutlich Muskelfasern in dem Theile des Bauchfelles entwickelt, welcher die vordere Fläche des Uterus bedeckt. Wahrscheinlich dürfte die Hauptrichtung die nämliche wie bei den Thieren sein, doch habe ich diesen Punkt aus Mangel an Präparaten nicht untersuchen können. Wichtig wäre es, auch 349 hier einen Uebergang der Muskelfasern des Uterus zur Blase zufinden, weil manche Hindernisse. der Geburtsthäligkeit aus „einem solchen Connexe erklärlich wären. Unter den Muskelfasern des Mesomelriums befinden sich beim Kaninchen die Kreisfasern, unter diesen eine Schicht von Zellgewebe, darunter die sowohl in den Hörnern als dem Cor- pus, wie auch in der Vagina mit wirklichen Drüsen versehene und von einem Epithelium (pflasterarligen, nach Henle’s Be- zeichnung) bekleidete Schleimhaut. - Gelegentlich bemerke ich, dass mir in einem Falle, in welchem ein Ei von den Tuben umfasst wurde, Drüsen beim Meerschweinchen in den Tuben vorgekommen sind. Obwohl ich damals Herrn Prof. Purkinje davon zu überzeugen Ge- legenheit halte, so wollte es mir doch bis jetzt noch in kei- nem zweiten Falle gelingen, diese Drüsen aufzufinden. Auch bemerke ich noch, dass, in Folge jüngst angestell- ter Untersuchungen über die nächsten Veränderungen des Säu- getliers nach der Befruchtung, welche ich zur Zeit ihrer ge- hörigen Reife zu veröffentlichen mir erlauben werde, ich das Resultat gewonnen habe, dass jedesmal: mehr Eier befruchtet, als wirklich ausgebildet werden. Auch hier hat die Natur sorgsam vorgebaut, dass ihre Geschlechter nicht untergehn. Bemerkungen zur Anatomie und Physiologie der Arenicola piscatorum. Von Professor Dr. Hermann STAnnıvs. (Taf, XI. Fig. 1-15.) Die Anatomie der Arenicola piscatorum hat mich bis jetzt drei- mal beschäftigt: das erste Mal bei einer Anwesenheit auf Hel- goland im Jahre 1832. Ich hatte damals meine Aufmerksam- keit besonders auf das Verhalten des Gefässsystemes gerichtet, fand aber, als ich an eine vergleichende Zusammenstellung meiner Beobachtungen ging, dass J. Müller zum Theil zu anderen Resultaten gelangt war, als ich und diese im 4ten Theile von Burdach’s Physiologie publieirt hatte. Die Scheu, ilım ohne neue Untersuchungen zu widersprechen, hielt mich damals ab, das Beobachtete bekannt zu machen. — Zu wie- derholten umfassenderen Untersuchungen über die Anatomie dieses Wurmes bot sich erst im Sommer 1838 Gelegenheit bei einem zweiten Aufenthalte auf Helgoland. Sie wurde gewis- senhaft benutzt. Das erste Buch, das mir aber bei meiner Rückkehr nach Rostock in die Hände fiel, war Grube’s Schrift: Zur Anatomie und Physiologie der Kiemenwürmer, Königsberg 1838, 4. Die Anatomie der Arenicola ist in der genannlen Schrift so genau abgehandelt worden, Grube’s Angaben stimmien in vielen Punkten so vollständig mit den von mir gewonnenen Resultaten überein, dass ich ansland, den 333 Grube'schen meine Beobachtungen nachzuschicken, und nur nach einer Gelegenheit mich sehnte, in Belreff einiger abwei- chenden Ergebnisse neue Untersuchungen anzustellen. Diese Gelegenheit wurde mir nun im Laufe dieses Sommers (1839) bei einem kurzen Aufenthalte auf der Insel Föhr zu Theil. Ich werde in gegenwärtiger Mittheilung beständig auf Grube’s Aufsatz mich beziehen und die Punkte, in denen unsere Untersuchungen übereinstimmen, nur kurz berühren, ohne von Neuem das weilläuftig zu beschreiben, was ich am besten mit Grube’s eigenen Worten wiedergeben würde. Da- gegen sollen einige andere Punkte ausführlicher erörtert wer- den. Leider bin auch ich nicht im Stande gewesen, über man-. ches wichtige Verhältniss genügende Aufschlüsse zu erhalten, und so mehren meine Mittheilungen vielleicht eher die Zahl der Probleme, als dass sie dieselben zu lösen im Stande wären. Auch die nach Abfassung dieses Aufsatzes mir zugekom- menen Abbildungen von Edwards in: le Regne animal distri- bu& d’apres son organisation par Georges Cuvier. Annelides. 2me Livraison pl. 1. fig. 1 und 1a., sollen an den entspre- chenden Stellen berücksichtigt werden. $. 1. Die Verbreitung der Arenicola piscatorum aube- langend, so kömmt dieser Wurm nicht ausschliesslich an sol- chen Stellen vor, welche bei wechselnder Ebbe und Fluth nur zeitweise vom Wasser bedeckt werden. Er findet sich sowohl bei Kopenhagen, als auch bei Kiel an der Küste der Osisee an Stellen, welche fast beständig vom Wasser bedeckt sind. Man kann aber, wie Herr Kroyer mich versicherte, nur bei völliger Windstille und bei ruhigem Wasser die Ex- eremente des Wurmes am MNeeresgrunde deutlich erkennen, und deshalb mag er hier seltener aufgefunden werden, als an den Küsten der Nordsee. — An den Küsten der Nordsee — Insel Föhr und der benachbarten Halligen findet man ihn noch häufiger, als auf Helgoland. Die Farbe des Wurmes ist bald schmutzig-grau, bald schwarzgrau, bald schwarz. Auf Helgoland finden sich die Müller's Archiv. 1840. 23 354 dunkelsten Exemplare am Unterlande des Felsens, die helleren kommen an der Düne vor; an der Küste von Föhr fand ich bei Ausgrabungen oft sehr dunkele neben helleren Exemplaren. Von Grönland stammende Individuen, ‘welehe ich durch die Güte des Herrn Etatsrath Reinhard in Copenhagen zu vergleichen Gelegenheit erhielt, weichen von denen der Nord- seeküsten nicht wesentlich ab und gehören der gleichen Art an, obschon sie durch beträchtlichere Grösse sich auszeichnen. Ich theile Grube’s Ansicht, dass die Arenicola carbo- naria Leach nur eine schwarze Varietät der Arenicola pisca- torum ist. $. 2. Setzt man ausgegrabene Exemplare der Arenicola in ein Gefäss mit Seewasser, so bleiben sie am Boden des Gefässes, wo sie etwas herumkriechen; schwimmen sah ich sie in diesem Falle aber niemals, obschon ich sie oft lange beobachtete. Grube’s Vermuthung, dass die oberen Borsten diesen Würmern zum Schwimmen dienen möchten, kann ich daher nicht theilen. Legt man eine ausgegrabene Arenicola auf eine von See- wasser etwas bedeckie sandige Stelle des Ufers, so fängt sie alsbald an, eine Röhre im Sande sich zu bohren. Mehrmals sah ich die Würmer zuerst in horizontaler Richtung sich ein- graben; später fingen sie an mehr gerade abwärts zu steigen, Das Bohren geschieht dabei durch Hülfe des Vordertheiles des Körpers; der Rüssel wird dabei abwechselnd vorgestreckt und wieder eingezogen. Die Röhren entstehen aber nicht aus: schliesslich dadurch, dass die Würmer den Sand oder. den Schlamm an die Seite drücken, sie verschlingen vielmehr beim Bohren beständig Sand; der ganze Darmcanal wird davon an- gefüllt, und ehe der hinterste Theil des Thieres die Oberfläche des Bodens ganz verlässt, wird der verschluckte Sand durch den After wieder entleert. Daher die zusammengeballten wurm- förmig verschlungenen Sandhaufen neben der Mündung des Baues dieser Würmer. Ich habe dem Einbohren derselben mehrmals zugesehen. Dass die Wandung ihrer Röhren durch 355 ausgeschwitzte schleimige Flüssigkeit einige Festigkeit erlange, ist auch mir sehr wahrscheinlich. Dass die eylindrischen Röh- ren durch zwei Oeflnungen nach aussen münden, wie Ed- wards angiebt, habe ich nie beobachtet, fand es auch durch die Aussagen, welehe mir deshalb befragte Fischer gaben, nicht bestätigt. $. 3. Fischer, welche dieses Wurmes als Köder bestän- dig sich bedienen, und ihn oft längere Zeit in feuchtem Sande lebend erhalten, versicherten mir, dass sein Reproductionsver- mögen ausserordentlich stark sei. Nicht nur sollen Verletzun- gen seines Körpers, welche beim Ausgraben des Wurmes so leicht entstehen, rasch verheilen, sondern es soll auch das ganze Schwanzende des Thieres, nachdem es abgeschnitten worden, sehr bald sich wiedererzeugen. $. 4. Grube’s Beschreibung des äusseren Baues der Arenicola, ihrer Haut, ihrer Muskeln und ihrer übrigen Be- wegungsorgane stimmt fast ganz mit meinen Beobachtungen überein. j An die Basis jedes in die Leibeshöhle hineinragenden seit- lichen Borstenbündels sah ich sehr regelmässig 9 Muskeln tre- ten. Die beiden röthlichen Beutelchen zu den Seiten des Schlundes münden niemals in diesen, sondern in den von den Retractoren des Schlundes umfassten Raum, wie auch Grube gegen delle Chiaje richtig angiebt. Diese Beutelchen be- stehen aus vielfach durchkreuzten, anscheinend platten, ziem- lich breiten Fasern, und sind von zahlreichen feinen Blutge- fässen durchzogen. Der um den Pharynx gelegene, von den oberen Retraetoren desselben begränzte Raum mündet durch eine über der Mundöffnung liegende Oeffnung, welche inner- halb einer kleinen Vertiefung sich findet, nach aussen. Von jener Vertiefung aus erstreckt sich nämlich eine zweischenk- liche, in der Mitte mit einer Oeffnung versehene Einstülpung nach innen (Fig. 15.). Querstreifen an den primitiven Mus- dujpkelbündeln zu erkennen, ist mir nicht gelungen. $. 5. Der von Grube gegebenen Beschreibung des Ver- 23° 356 dauungsapparates weiss ich wenig hinzuzufügen. Die von ihm erwähnten mikroskopischen borstenförmigen Körperchen im Schlunde habe ich nie gesehen. An den Wandungen der birnförmigen gelben Blasen (Grube T. I. Fig. 1. A), welche durch einen engen kurzen Gang in den Verdauungscanal münden, beobachtete ich feine Längsstreifen: wahrscheinlich blinde Röhren, innerhalb wel- cher die Secretion des Inhaltes dieser Blasen Statt hat. Das Contentum dieser Blasen ist eine gelbliche, fast wie Eidotter aussehende Masse. Sie besteht aus runden Kügelchen, deren Durchmesser zwischen ;/; und -i; Linie schwankt. Ganz die nämliche Art von Kügelchen ist in den Blindsäckchen ent- halten, welche in die Höhle des Darmeanales hinein münden. Grube’s Ansicht, wonach diese blinden Säckchen nicht Se- eretionsorgan seien, sondern die Aufsaugung bewerkstelligen sollen, ist mir aus mehreren Gründen unwahrscheinlich. Ein- mal spricht dagegen die übereinstimmende Beschaffenheit ihrer Körnchen mit denjenigen, welche in den birnförmigen Blasen enthalten sind, dieGrube selbst für Absonderungsorgane hält. Dann findet man dieselben Kügelchen auch nicht selten in der Höhle des Darmcanales. Endlich erinnere ich an das Vorkom- men ähnlicher Blinddärmchen beim Regenwurm, bei Bran- chiobdella und andern Anneliden, wo ihre Function, Galle abzusondern, allgemein angenommen ist. In der hinteren Hälfte des Darmcanales habe ich, ausser Erde und Sand, einige Male grössere Oeltropfen wahrgenom- men. Von flimmernden Cilien habe ich an keiner Stelle des Darmrohres eine Spur gesehen. Mit Recht widerspricht Grube der Oken’schen Angabe, wonach die Wandung des Darmcanales in der hintersten Ab- ‚theilung des Wurmes mit der Körperwandung verschmelzen soll. Der Zwischenraum zwischen Darm und Muskelschicht ist hier nur unbedeutender als an andern Stellen des Körpers. $. 6. Ausführlicher muss ich über das Gefässsystem der Arenicola mich auslassen. 397 Jede der 13 Kiemen erhält ein oberes, der Rückenseile des Thieres, und ein unteres, seiner Bauchseite entsprechendes Gefäss; es sind also 13 obere und 13 untere Paare von que- ren oder schrägen Kiemengefässen vorhanden. j Die 26 unteren Kiemengefässe stehen in unmittelbarer Verbindung mit Einem Hauptgefässstamme, welcher unterhalb des Darmcanales, diesem ziemlich eng anliegend, in der Längs- richtung des Thieres verläuft. Diesen Hauptgefässstamm be- zeichne ich mit Grube als Vas centrale principale. (Abge- bildet bei Edwards 1. c. Fig. 1 a.). Die 26 oberen Kiemengefässe münden in verschiedenen Längsstämmen. Die 6 vorderen Paare communieiren mit zwei Gefässstämmen, welche über dem Vas centrale principale, en- ger noch als dieses, an der unteren Wand des Darmrohres angeheftet, in der Längsrichtung des Darmes verlaufen. Es eind dies Grube’s Vasa intestinalia inferiora (abgebildet bei Edwards l. e. Fig. 1. a. t.). Die 7 hinteren Paare der obe- ren Kiemengefässe entspringen sämmtlich aus dem Vas dor- sale (Edwards Fig. 1 o. o‘., Grube T. I. Fig. 1. Yd.). Von der Anwesenheit des Vas intestinale superius Grube, als eines constanten Gefässstammes, habe ich mich nicht überzeugen können. Dagegen sah ich zweimal die 7 hinteren Paare der oberen Kiemengefässe aus zwei Rückenstämmen ent- springen, welche unter dem Vas dorsale, dicht am Darme ver- liefen, aber nicht als Haupistämme sich verhielten, sondern bald in das Vas dorsale übergingen. Meine in drei verschiedenen Jahren angestellten Beobach- tungen stimmen also mit Ausnahme dieses letzten Punktes mit den Grube’schen völlig überein. Was Grube als Regel an- giebt, habe ich zweimal als Ausnahme beobachtet. Was Ed- wards anbetriflt, so lässt er in Fig.1. ganz richtig die 7 hin- teren oberen Kiemengefässe aus dem Vas dorsale selbst ent- springen; dagegen enispringen in Fig. 1 a. unrichtig nur die 6 hinteren oberen Kiemengefässe aus dem Vas dorsale, die 7 vorderen aber aus den Vasibus inteslinalibus inferioribus. 358 4 y Grube?’s Vasa intestinalia superiora scheint auch Edwards nicht gefunden zu haben. | $. 7. Die Gefässvertheilung am Dar verhält sich verschieden an dessen verschiedenen Abtheilungen. Die weite, gelbe, mit blinden Gallensäcken besetzte Parlie des Darmcanales zerfällt auswendig in eine Menge von Lap- pen. Für die vordere Abtheilung des Darmcanales, welche vor der ersten Kieme, entsprechend dem 6ten Fusspaare be- ginnt, und bis zur 7ten Kieme nach hinten sich erstreckt, ist diese Abtheilung der äussern Oberfläche in Lappen oder In- seln äusserst characteristisch. Es wird hier nämlich immer eine gelbe Substanzmasse von einem Blutgefässe umsäumt, so dass äusserst zahlreiche längliche, quere Inseln entstehen, deren jede von den zunächst gelegenen Inseln durch einen rothen Gefässkranz getrennt wird. Jede solche von einem Blutge- fässe umgürtete Insel wird aber oberflächlich wieder von zahl- reichen, sehr fein verzweigien, vielfach mit einander anasto- mosirenden Blutgefässen durchzogen. Diese feinsten Blutge- fässe lassen äusserst kleine gelbe Substanzinselchen zwischen sich. Die von Edwards Fig. 1. gegebene Abbildung erläu- tert diese Art der Gefässvertheilung einigermaassen, obschon noch nicht genau genug. Es ist schon erwähnt worden, dass das Vas dorsale der eigentliche Gefässstamm der Rückenseite des Darmes ist. Ausser diesem treten an der vordersten Partie des Darmcanales, wel- che Grube, ihrer beträchtlichen Erweiterung wegen, als Ma- gen bezeichnet, zwei Seitenstämme auf: Vasa intestinalia la- teralia (Grube Fig. 1. Fl. Edwards p.). Jedes dieser dem Vas dorsale parallel laufenden Gefässe beginnt als eigener Stamm, entsprechend dem dritten Kiemengefässstamme. Jedes Vas intestinale laterale entsteht durch das Zusammentreten mehre- rer Vasa interlobularia intestini. Beide erstrecken sich, an den Seiten des Darmschlauches gelegen, vorwärts, bis etwas über die Abgangsstelle der für das 6te Fusspaar bestimmten Vasa transversa hinaus. Alsdann ‘geht jedes Vas intestinale laterale in einen grossen Blulbehälter über. von dem bald wei- ter die Rede sein soll. Zwischen jedem Vas intestinale late- rale und dem in-der Nittellinie beider verlaufenden Vas dor- sale prineipale befindet sich immer nur ein einziger, in querer Richtung liegender, von einem Blutgefässkranz umsäumter Lo- bus. Durch die jeden solchen Lobus umgürtenden Blutgefässe communieirt das Vas dorsale mit den Vasibus intestinalibus lateralibus, und in ähnlicher Weise findet ein Zusammenhang dieser Gefässe mit den”Vasibus inteslinalibus inferioribus Statt (erläutert durch Edwards Fig. 1.a.). In der zweiten Abtheilung des Darmcanales, von der 7ten bis zur 13ten Kieme reichend, erstrecken sich schräg von vorn nach hinten über den Darm weg die 7 hinteren ‚oberen Kie- mengefässe, ohne an den Darm irgend sich zu verzweigen, Die Läppchen des Darmes liegen nicht mehr regelmässig der Quere nach, sondern sind unregelmässig und schräg gestellt. 359 Zwischen einer Reihe von schrägen Läppchen verläuft ein aus dem Vas dorsale entspringendes Gefäss schräg von hinten nach vorn, umgürtet unler Abgabe von Vasibus interlobularibus den Darm, und senkt sich endlich in die Vasa intestinalia inferiora. Aechnlich verhält sich die Gefässvertheilung am Darmeanale in der leizten kiemenlosen Abtheilung des Wurmes. Nur fehlen hier einmal die Kiemengefässe des Vas dorsale, und dann mit den Läppchen des Darmes die Vasa interlobularia. Schräge Aeste, aus dem Vas dorsale entspringend, umgürten den Darm, um in die an seiner untern Fläche gelegenen Vasa intestinalia inferiora sich zu ergiessen. $. 8. Ueber das Verhalten der äusseren grösseren Gefäss- slämme, ihre Verästelung und ihre Verbindungen habe ich Folgendes beobachtet: An der Rückenseite des Wurmes, an dessen Darmcanal seiner ganzen Länge nach angeheftet, verläuft das ziemlich weite Vas dorsale. 4) Es communieirt ia der hinleren Hälfte des Wurmes durch schräge Gefässe, welche, von hinten nach vorn verlau- a & fend, den Darm bindenartig umfassen, mit den an der Bauch- seite des Darmes verlaufenden Vasibus inteslinalibus infe- rioribus. 2) Mit ihm stehen in, unmittelbarer Verbindung 7 hintere obere Kiemengefässpaare. 360 3) In dasselbe ergiessen sich zahlreiche Vasa interlohula- ria des Darmes. Mittelst dieser Vasa interlobularia steht es mit den Vasibus intestinalibus lateralibus in Verbindung. 4) Das Vas dorsale geht alsdann über die mit Gallen- säcken besetzte lappige Partie des Darmcanales hinaus, tritt zwischen den Einmündungsstellen der birnförmigen gelben Bla- sen hindurch und setzt sich weiter nach vorn hin fort. 5) Jede dieser beiden birnförmigen Blasen erhält von ihm einen Gefässzweig. 6) Es schickt jederseits drei quere Gefässtämme ab. Did Vasa transversa verlaufen zum 6len, 5ten und 4ten Fusspaare, gehen dann, nach Abgabe von Zweigen, jedes unter dem ihm entsprechenden Fusse weg zu dem unterhalb jedes Fusses ge- legenen schwarzen schlauchförmigen Körper. 7) Nach Abgabe der Vasa transversa zum drillen Fuss- paare setzt es sich, noch weiter an der Speiseröhre verlau- fend, nach vorn hin bis zum Rüssel fort, zahlreiche seitliche Zweige abgebend. 8) Mit den Vasibus intestinalibus lateralibus steht das Vas dorsale nur durch die Vasa interlobularia intestini in Verbin- dung; weiter nach vorn verläuft es zwischen diesen beiden Gefässen, ihnen parallel, hindurch, ohne weder mit ihnen selbst, noch mit ihren herzartigen Anhängen in irgend einer Commu- nication zu stehen. Vollkommen richtig hat Grube dies Ver- hältniss aufgefasst, während dagegen die von Edwards ge- lieferlen Abbildungen ganz falsch eine solche Verbindung des Vas dorsale mit den herzartigen Anhängen der Vasa lateralia darstellen. 8. 9. Jedes Vas intestinale laterale tritt. nachdem es die mit Gallensäcken besetzte lappige Partie des Darmes verlassen, 0 “‘ 361 parallel mit dem Vas dorsale vorwärts. Jedes geht unmittel- bar über dem Darm und unter der Insertion der birnför- migen Blasen in eine längliche Erweiterung über, an welcher noch durch einen äusserst kurzen Canal mit ihr verbunden, ein weiter contractiler Beutel (Herzohr) haftet. Von einer jeden Erweiterung geht, dicht neben der Insertion dieses con- iractilen Beutels, ein querer Gefässstamm ab, welcher den Ma- gen umgiebt und in das Vas centrale prineipale einmündet. Die beiden Vasa intestinalia sind an dieses Stelle in der Mittellinie des Rückens weder unter einander, noch mit dem zwischen ihnen liegenden Vas dorsale verbunden. Jedes Vas intestinale laterale tritt aus der länglichen Er- weiterung vorn heraus und seizt sich, viel dünner geworden, längs der Seitenlinie der Speiseröhre fort. Es giebt eine Menge kleiner Vasa oesophagea und pharyngea ab, und sendet auch - Zweige zu den drei vordersten Fusspaaren, die mir indess einige Maale aus dem vordersten Theile des Vas dorsale zu entspringen schienen. Jedes Vas intestinale laterale communicirt durch Vasa in- terlobularia nicht nur mit dem Vas dorsale, sondern auch durch ähnliche Vasa interlobularia oder Vasa coronaria mit dem an der Bauchseite des Darmes eng anliegenden Vas intestinale in- ferius seiner Seile. $. 10. Die Vasa intestinalia inferiora beginnen im hin- tersten Theile des Wurmes, und liegen neben einander unter dem Darmeanale, an diesem eng angeheftet. Ob in dem hin- tersten kiemenlosen Theile des Wurmes zwei parallele Vasa intestinalia inferiora vorhanden sind, oder ob nur Eines sich findet, habe ich mit Sicherheit nieht ermitteln können. Die Vasa intestinalia inferiora verzweigen sich am Darm- canale, communiciren durch Ringgefässe zuerst mit dem Vas dorsale, durch Vasa interlobularia später mit den Vasibus in- testinalibus lateralibus. In sie gehen, wie schon oben erwähnt ward, die 6 vordern obern Kiemengefässpaare über. Die Vasa intestinalia inferiora münden neben der Inserlion 362 der Herzohren in (die Vasa intestinalia lateralia. Sie sind, wie auch Grube bemerkt, am vordersten Theile des Verdauungs- rohres nicht mehr aufzufinden. (Vgl. Edwards Fig. 1.«.) $. 11, Das Vas ventrale prineipale liegt unter der Bauch- seite. des Darmes, unterhalb der Vasa intestinalia inferiora. In den hintersten kiemenlosen Theil des Wurmes habe ich das Vas ventrale als Gefässstamm nicht verfolgen können, Es entsteht, wie es mir scheint, durch das Zusammentrelen des letzten oder 43ten unteren Kiemengefässpaares. Dann verläuft es weiter vorwärts und communieirt nach und nach unmittelbar mit allen 13 unteren Kiemengefässpaaren, welche nur in diesen dicken Gefässstamm münden. Nirgend giebt das Vas ventrale prineipale Gefässzweige an den Darmeanal ab, ist vielmehr mit diesem oder richtiger mit den Vasibus intestinalibus inferioribus bald durch ein zar- tes seröses Gewebe, bald nur durch eine gelbliche oder grau- liche, selm feinkörnige Masse verbunden. Es lässt sich voll- ständig von den letztgenannten Gefässen und vom Darmeanale des lebenden Thieres lösen, ohne dass auch nur an einer Stelle Blut aus ilım austräie, und ohne dass selbst unter dem Mi- kroskope eine verletzte Stelle sichtbar wäre. ‚Es hängt also, nach meinen Beobachtungen, in einer langen Slrecke seines Verlaufes nur mit den Kiemengefässen, und sonst mit keinen peripherischen Gefässnetzen zusammen. Diese Darstellung weicht von der Grube’schen wesent- lich ab, der sogar Gefässverbindungen zwischen dem Vas ven- trale und den Vasibus intestinalibus inferioribus abbildet (Taf. I. Fig. 3.), Edwards scheint aus dem Vas ventrale einige Haut- gefässe entspringen zu lassen (7.4. Fig. 1«.). Ich vermuthe, dass beide Beobachter das Bindegewebe, welches das Vas ven- irale an die Vasa intestinalia inferiora, und vorn auch an Darm und Muskeln heftet, für feine Gefässe genommen haben. Ein ähnliches Bindegewebe findet sich auch zwischen oberen und unteren Kiemengefässen, und am Schlande sind sogar alle Ge- 363 fässe, wie der Darm am Mesenierium, durch eine zarte Mem- bran befestigt. Weiter nach vorn aber ecommunieirt das Vas ventrale prin- eipale durch einen queren bogenförmigen Gefässstamm mit den seitlichen Erweilerungen der Vasa intestinalia lateralia. (S. die ziemlich treue Abbildung von Edwards Fig. 1a.) Das Vas ventrale prineipale selzt sich, unter der vorder- sten Abtheilung des Verdauungscanales verlaufend, bis zur Mundöffnung des Wurmes hin fort. Es ist, wie schon er- wähnt, am Schlunde und an der Speiseröhre durch eine zarte, schlafle, ziemlich breite häulige Ausbreitung befestigt, wodurch eine zu starke Ausdehnung der Gefässe beim Vorstrecken des Rüssels verhütet werden mag. Entsprechend dem 6ten, Sten und 4ten Fusspaare sendet das Vas ventrale jederseits einen Querast ab, welcher zuerst zur Bildung der Vasa nervoso-abdominalia beiträgt, dann aber auf der Muskelschicht quer nach aussen geht, um einen hier liegenden schwarzen Schlauch herum ein: kammförmiges Ge- fäss bildet, und zuletzt zum entsprechenden Fussstummel sich begiebt. Entsprechend dem 3ten, 2ten und 1sten Fusspaare tritt vom Eos entrale prineipale jedesmal ein unpaares Gefäss ab. Jedes dieser Gefässe begiebt sich zuerst zum Bauchstrange des Nervensystemes, und theilt sich in zwei Aeste zur Bildung der Vasa nervoso-abdominalia. Von jedem dieser Aeste geht dann ein Gelässzweig der Quere nach zum entsprechenden Fusse ab. Von dem vordersten Theile des Vas ventrale priceipale tritt jederseils ein bogenförmiges Gefäss ab für die beiden bo- genförmigen vorderen Schenkel des Bauchnervenstrauges, und zuletzt begeben sich zahlreiche Zweige des Vas venträle zum Schlunde und zum Munde. An dem Stamme des Vas ventrale haften, besonders von der Insertion des 43ten bis zu der des Yten unteren Kiemen- gefässpaares eine Menge von zum Theil langen Zotten. Es 364 sind- dies nicht abgerissene Gefässzweige, sondern blind und geschlossen endende Ausstülpungen des Gefässrohres. Man findet in ihnen häufig rothes Blut. Achnliche zottenartige Fortsätze sieht man auch in gros- ser Zahl von den Gefässen der Muskelschicht des Bauches, besonders im zweiten Drittheile der Länge des Wurmes aus- gehen. Edwards giebt (Fig. 1.) von diesen blinden Gefäss- ausstülpungen eine sehr schöne Darstellung. Aeusserlich sehen alle diese blindgeschlossenen Gefässen- den gelblich-grau aus. Die nämliche Färbung zeigen in der Regel das Vas ventrale und die meisten Kiemengefässe in ihrem ganzen Verlaufe. Es haftet nämlich an der Aussenfläche der genannten Gefässe eine gelblich-graue Masse. Schabt man diese sorgfältig ab und bringt sie unter das Mikroskop, so überzeugt man sich, dass sie aus lauter runden, sehr kleinen, kaum messbaren Körnchen besteht, die eine lebhafte Molecu- larbevregung zeigen. $. 12. Es bleibt mir noch übrig von den Vasibus ner- voso-abdominalibus, von den Gefässen der Muskeln, der Fuss- stummel und der 6 Paar schwarzen schlauchförmigen Körper zu reden. Man würde, wie Grube sehr richtig hemmen) ‚von den “ Vasibus nervoso-abdominalibus eine falsche Vorstellung sich machen, wenn man darunter ansehnliche, die ganze Länge des Thieres gleichmässig durehlaufende Stämme sich dächte. - Ich habe schon erörtert, dass entsprechend den 6 vorder- sten nicht mit Kiemen versehenen Borstenbündeln Aeste von dem Vas ventrale prineipale abtreten, also zunächst an den Nervenstrang sich begeben. Die drei vordersten Aeste sind unpaarig. Jeder spaltet sich zuerst gabelförmig für die beiden Seiten des Nervenstranges, und jeder Gabelast theilt sich aber- mals in einen nach vorn und einen nach hinten, längs des Nervenstranges verlaufenden Zweig, gibt aber zugleich einen transversal längs der zarten Querbinden zu jedem Fussstum- mel tretenden Zweig ab. . | | | | 365 Ebenso verhält es sich mit den Zweigen, welche von dem Vas ventrale principale entsprechend dem A4ten, Sten und 6ten Fusspaare abgehen; nur sind diese zuerst zum Nervenstrang tretenden Zweige sogleich paarig. An der mit Kiemen versehenen Abtheilung des Thieres tritt zwar ebenfalls entsprechend jedem Fusstummel ein Zweig des Vas ventrale zum Nervenstrange; dies Gefäss geht aber nicht unmittelbar vom Vas ventrale aus, sondern ist ein Zweig seines Kiemenastes, der nicht allein für den Fussstum- mel, sondern auch für die Muskeln und zuletzt für den Ner- venstrang bestimmt ist, Grube’s Angabe, wonach die Ur- sprünge der Vasa nervoso-abdominalia in dieser Gegend un- mittelbar aus dem Vas ventrale kommen, habe ich nicht be- stäligt gefunden. An der mit Kiemen versehenen Abtheilung des Wurmes entstehen die Vasa nervoso-abdominalia mit den Gefässen der Fussstummel und den Muskelgefässen aus einem Aste jedes dem Vas ventrale angehörigen Kiemengefässes. (Solche Aeste der Kiemengefässe sind, obschon nicht genau genug, abgebildet bei Edwards Fig. 1.) Die Vasa nervoso-abdominalia finden sich aber auch in der hintersten kiemenlosen Abtheilung des Wurmes. Hier - schienen sie mir allerdings sehr feine Fortsetzungen oder Zweige ‚des Vas ventrale zu sein. Indess wage ich über diesen Punkt kein ganz bestimmtes Urtheil zu fällen. Die Vasa nervoso-abdominalia entstehen also dadurch, dass primäre oder secundäre Aeste des Vas ventrale zum Ner- "venstrang treten, hier sich spalten und Zweige nach vorn und nach hinten schicken. Ein nach vorn tretender Zweig mündet jederseits immer in einen hinterwärls verlaufenden ein, und so entsteht ein einziges Längsgelfäss. Die 6 vorderen, vom Vas ventrale principale abgehenden unpaaren und paarigen Zweige begeben sich zuerst zum Ner- venstrang, und selzen sich dann erst der Quere nach fort, um an die Muskeln, die Fussstummel und an die 3 ersten Paare 366° der schwarzen Schläuche zu treten. Wo Kiemen vorhanden, sind die Gefässe des Nervensystemes Nebenäste der in das Vas centrale einmündenden Kiemengefässe. Eine Fortsetzung jedes unmittelbar aus dem Vas: ventrale prineipale zum Nervenstrange tretenden Gefässes ist also ein transverseller, zwischen den Muskelbündeln verlaufender, nach den Fussstammeln hin gerichteter Ast. Nach Abgabe von Muskelzweigen treten die vordersten drei dieser transversellen Gefässe zu dem isten, 2ten und 3ten Fussstummel, an dessen Muskeln und häutiger Scheide sie sich vertheilen. k Jedes der drei folgenilen transversellen Gefässe giebt aber, ehe es an den ihm entsprechenden Fussstummel tritt, einen Zweig ab, der ein kammförmiges Gefäss bildet, welches wie- der Zweige an einen hier liegenden schwarzen Schlauch ab- giebt, die mit einem Ramus_ transversus e Vase dorsali ana- stomosiren. Entsprechend dem 7ten, 8ten und 9ten Fusspaare oder dem 4ten, Sten und 6ten schwarzen Schlauche tritt aus jedem Kiemengefässe des Vas ventrale ein Zweig ab, welcher erst ein kammförmiges Gefäss bildet, und dann an den entspre- chenden Fussstummel sich begiebt. Weiterhin, wo die schwar- zen Schläuche mangeln, sind die Gefässe für die 10 hintersten Fussstummel ebenfalls Zweige der Kiemengefässe des Vas ven- trale prineipale. Zuerst erhält von jedem solchen Zweige der Fussstummel seinen Gefässkranz, und dann geht die Fortsetzung des Zweiges der Quere nach zu den Muskeln und zum Ner- venstrang, wie schon oben erwähnt ward. Unter sich stehen alle Gefässe der Fussstummel durch Längs- Anastomosen in Verbindung, so dass jederseits ein den Vasibus nervoso-abdominalibus vergleichbares Längsgefäss, Vas longitudinale laterale, entsteht. Dies Längsgefäss setzt sich auch nach hinten in den kiemenlosen Theil des Wurmkörpers fort, giebt Querzweige ab und steht vielleicht mit den Vasibus nervoso-abdominalibus in Communication. Ich habe diese Fort- 367 selzung der Vasa longitudinalia laleralia in der kiemenlosen Partie des Wurmes zweimal deutlich ‘gesehen. Oft vermisste ich sie, wahrscheinlich aber nur, weil die Gefässe leer waren. Ausführlicher muss noch der in vieler Hinsicht merkwür- digen kammförmigen Gefässe gedacht werden. Die drei vor- dersten jeder Seite sind Zweige der Rami transversi des Vas ventrale prineipale; die drei hintersten entstehen aus Zweigen der drei vordersten Kiemengefässe desselben Vas ventrale. Sie kommen nur unterhalb des 4ten, 5ten, 6len, 7ten, Sten, 9ten * Fussstummels jeder Seite vor, wie auch Grube richlig au giebt. Unter diesen nämlichen Fussstummeln liegen 6 schwarze sehlauchförmige Körper, zu denen die genannten Gefässe auch noch in anderer Hinsicht in Bezug zu stehen scheinen. Jedes kammförmige Geläss bildet einen Bogen um den ihm entspre- R chenden schwarzen Schlauch; von der concaven Seite dieses Bogens treten zalılreiche Gefässe an den Schlauch, um an ihm sich zu vertheilen. Diese Gefässe der einzelnen schwarzen Schläuche stehen unter einander wieder durch Längsanasto- mosen in Verbindung, deren Summe ein zweites Paar seitli- cher Längsstämme bildet. Dieses zweite seitliche Längsgefäss, communieirt mit dem oben beschriebenen, zwischen den Fuss- stummeln verlaufenden Vas longitudinale laterale durch trans- verselle Gefässe. Die convexe Seite jedes kammförmigen Gefässes ist mit blind endenden kolbigen Fortsätzen kammartig besetzt (vgl. Grube Taf. I. f. g.). Diese Fortsätze sind hohl; ihre Höhle steht mit der des Gefässstammes in unmittelbarer Verbindung und enthält Blut, gleich dem Gefässstamme selbst. Höchst merkwürdig ist es nun, dass die ganze äussere Oberfläche dieser blinden Gefässenden, so wie ihres Stammes selbst die lebhafteste Flimmerbewegung zeigt. Die Cilien sind ziemlich lang; der Flimmersaum ist daher breit. Die Bewe- gung der Wimpern ist so lebhaft und anhaltend, wie ich sie sonst nie gesehen. Nieht völlig so lebhaft flimmert die ganze äussere Ober- 368. fläche der schwarzen Schläuche; dagegen schien mir ihre In- nenfläche nicht mit Wimpern besetzt zu sein. Eben so wenig habe ich Spuren von Flimmerbewegung an irgend einem an- dern Gefässe, noch sonst einem andern Körpertheile entdecken können. Die Flinmerbewegung zeigte sich mir nur dann viele Stunden lang anhaltend, wenn ich die zu beobachtenden Theile mit Seewasser befeuchtete; einige Male, wo ich sie zufälliger Weise mit süssem Wasser benetzt hatte, hörte die Bewegung der Cilien auffallend rasch auf. $. 13. Ehe ich eine Deutung der Kreislaufsorgane ver- suche, will ich einzelne Beobachtungen mittheilen, welche ich über den Kreislauf des Blutes an lebenden Thieren an- gestellt habe. 4) Man würde sich eine unrichtige Vorstellung machen, wollte man sich alle Gefässe der Arenicola während ihres Le- bens mit Blut angefüllt denken, Das Vas dorsale fand ich sehr häufig nur von Stelle zu Stelle mit Blut angefüllt, während es anderswo leer war. Am unverletzten Thiere ist eine Strömung des Blutes in den zwischen den schwarzen Schläuchen, so wie auch in den zwischen den Fussstummeln verlaufenden Längsgefässen oft sichtbar. Einzelne Stellen dieser Gefässe werden dabei ganz “ leer, während die Blutwelle, welche kurz zuvor in ihnen sich befand, andere, ihnen zunächst gelegene Gefässpartieen, anfüllt. Den einem Herzohr vergleichbaren Anhang des linken Vas intestinale laterale sah ich strotzend voll von Blut, während der des rechten gleichnamigen Gefässes leer war. Einige Male fand ich beide Herzohren leer, während die Vasa intestinalia lateralia, so wie auch die Rami communican- tes des Vas ventrale prineipale, ihrer ganzen Länge nach voll von Blut sich zeigten. 2) Bei der Fortbewegung des Blutes ziehen sich die Ge- fässstämme selbst zusammen. Dies habe ich an den verschie- densten Theilen des Gefässsystemes beim unversehrten wie 369 beim Iebendig geöffneten Thiere wiederholt gesehen. Unter dem Mikroskope beobachtete ich eine lebhafte wurmförmige Zusammenziehung kleiner abgerissener Gefässzweige. -.3) Oft zieht eine beschränkte Stelle eines Gefässes sich zusammen, ohne dass entsprechende Coniractionen oberhalb oder unterhalb dieser Stelle in den Gefässwandungen erfolgten. Namentlich habe ich diesen Vorgang im Rückengefässe lebend geöffneter Würmer oft beobachtet. Mehrmals war es eine Strecke dieses Gefüsses zwischen der 10ten und 4äten Kieme, welche sich abwechselnd zusammenzog, indem sie ihr Blut in die Seitengefässe des Darmes entleerte, und dann von dort aus wieder angefüllt ward. 4) Ueberhaupt findet oft in allen der Beobachtung zu- gänglichen Gefässen ein Oscilliren der Blutwelle Statt, wenn gleich eine Richtung der Strömung die vorherrschende und also wahrscheinlich die normale ist. 5) Die Kiemen sind sehr contractil.. Sie verlängern und verkürzen sich abwechselnd. Bei der Verkürzung entstehen slarke Querrunzeln an ihrer äussern Oberfläche, und dabei entleeren sig das in ihnen enthaltene Blut. Meistentheils fin- det gleichzeitig mit Contraetion eines Kiemenbüschels ein Ein- ziehen der ihm zunächst liegenden lYussborsten Statt. - Alle Kiemen füllen und entleeren sich aber nicht gleichzeitig oder in bestimmter Ordnung, sondern einzeln und regellos. , Ein- zelne Kiemen können strotzend voll von Blut sein, während andere leer sind. 6) In den meisten Fällen ist in dem Vas dorsale keine bestimmte Richtung des Blutstromes wahrzunehmen, vielmehr expandirt sich eine Stelle des Gefässes, um bei der Contra- elion in Seilengefässe sich zu entleeren. Dies beobachtet man, wie schon erwähnt ward, besonders, wenn auch nicht aus- schliesslich an lebendig geöffneten Würmern. Indess habe ich an unverleizien kleineren und durchsichtigen Exemplaren der Arenicola wiederholt davon mich überzeugt, dass in allen Theilen des Thieres das Blut im Vas dorsale in der Regel von Müller's Archiv. 1840. 24 370 hinten nach vorn strömt. Anhaltend habe ich eine entgegen- geseizte Richtung des Blutstromes nie gefunden. 7) In den Vasibus nervoso-abdominalibus kleiner, durch- sichtiger Exemplare schien mir einige Male eine ‚Blutströmung von vorn nach hinten Statt zu haben. 8) In den Längsgefässen- zwischen den Fussstummeln sah ich öfter das Blut von vorn nach hinten strömen. In den zwischen den dunkeln Schläuchen gelegenen Längsgefässen beobachtete ich dagegen mehrmals eine entgegengesetzte Rich- tung der Blutströmung: von hinten nach vorn. 9) In die contractilen Herzohren sah ich das Blut einmal aus den Vasibus communicantibus des Vas ventrale prineipale stossweise eingetrieben werden. Die Vasa communicantia con- trabirten sich dabei lebhaft. 10) In keinem der übrigen Gefässe ist es mir gelungen, eine Blutströmung in bestimmter Richtung wahrzunehmen, weder in den oberen noch in den unteren Gefässstämmen, noch endlich in dem Vas ventrale principale. Hier erschwert die gelblich graue, die Gefässe überziehende Masse die Beob- achtung ausserordentlich. F $. 14. Der Umstand, dass das Vas ventrale prineipale mit allen 26 unteren Kiemengefässen in unmiltelbarer Verbin- dung steht, berechtigt zu dem Schlusse, dass seine Bedeutung derjenigen, welche die mit den oberen Kiemengefässen com- munieirenden Gefässstäimme haben, entgegengesetzt ist. ‘ Da- gegen werden die mit den 26 oberen Kiemengefässen in un- mittelbarer Verbindung stehenden Stämme: das Vas dorsale und die Vasa intestinalia inferiora unter sich gleiehbedentend sein, sich also gewissermaassen ergänzen. Sie bilden also ein gemeinsames System, dem des Vas ventrale entgegengesetzt In dem Einen dieser Systeme wird das Blut vorzugsweise ar- teriell, in dem andern vorzugsweise venös sein. Ich sage „vorzugsweise“, denn eine vollständige Scheidung beider Blut- arten findet wohl nicht Statt, da die Hauptstämme beider Ge- 371° fässsysteme durch die Vasa communicanlia Vasis ventralis ad atria in einander übergehen. Die Frage, welche Gefässe das Blut den Kiemen zufüh- ren, und welche es dagegen in den Körper zurückleiten, hat fast alle Beobachter beschäftigt, aber leider reichen die vor- handenen Thalsachen zu einer befriedigenden Lösung kaum aus. Einen deutlichen Unterschied in der Färbung des Blutes und der verschiedenen Gefässsysteme aufzufinden, habe ich vergebens mich bemühet; eben so wenig ist es mir gelungen, eine entgegengesetzte Richtung der Blutströmung in den obe- ren und den unteren Kiemengefässen wahrzunehmen, Das anatomische Verhalten der verschiedenen Gefüsse macht es mir aber wahrscheinlich, dass das Vas ventrale das Blut aus den Kiemen empfange, also arterielles Blat führe, Seine Kiemengefässe würden also Kiemenvenen sein. Die Gründe, welche diese Ansicht unterstützen, sind folgende; 4) der Bereich des Vas ventrale ist viel beschränkter als der des Vas dorsale und der Vasa intestinalia inferiora, zu denen offenbar auch noch die Vasa intestinalia lateralia gehören. Nun ist aber in allen bisher bekannten Thieren das venöse‘ Gefässsystem umfänglicher als das arterielle. 2) Unmittelbar aus den Kiemengefässen des Vas ventrale oder aus dem Vas ' ventrale selbst entspringen die Hauptgefässe für das Nerven- system und für die verschiedenen Muskeln, die dann auch an _den schlauchförmigen Körpern sich verbreiten. Nerven und Muskeln sind aber die Systeme, welche in andern Thierklas- sen vorzugsweise arterielles Blut zu erhalten pflegen. Der grössere Theil der Gefässe der Arenicola würde nach meiner Ansicht theils gemischtes, theils rein venöses Blut füh- ren. Dahin werden namentlich gehören: das Vas dorsale und die mit-ihm in unmittelbarer Verbindung stehenden V. V, in- leslinalia lateralia und inferiora. Da sie den Darmcanal um- spinnen, scheinen sie zugleich die Einsaugung zu besorgen. Meiner Erklärung stellen sich aber nicht zu übersehende ä Schwierigkeiten in den Weg. 24° 372 Grube und Edward’s erkennen das Vas dorsale una intestinale inferins für arteriell, das Vas ventrale für venös. Grube stülzt seine Ansicht 1) auf einen von mir vergebens gesuchten Unterschied in der Färbung des Blutes beider Sy- steme, und 2) auf die beobachtete Richtung des Blutstromes von hinten nach vorn im Vas dorsale, sowie 3) auf die In- serlion der in das Vas dorsale mündenden Kiemengefässe, wel- che nämlich schräg von hinten nach vorn in dasselbe sich er- giessen. Das Blut strömt aber im Vas dorsale nicht bloss in der Kiemen tragenden und in der vordersten, sondern auch in der hintersten kiemenlosen Abiheilung des Wurmes meistens von hinten wach vorn. Dies von hinten zuströmende Blut könnte dann doch jedenfalls nur gemischtes oder selbst venöses sein. — Die oben geschilderte Richtung der in das Vas dorsale mündenden Kiemengefässe wird als ein minder grosses Hinderniss der Gültigkeit meiner Ansicht erscheinen, wenn man an die von mir beobachteten partiellen Contraetio- nen der Gefässwandungen des Vas dorsale denkt. Die Blutströmung ist keine conlinuirliche, ununterbro- “chene, sondern eine oscillirende; eben vorwärts getriebene Blutwellen treten wieder zurück, und so können sie auch in die schräg von hinten nach vorn sich inserirenden Kiemenge- fässe getrieben werden. — Indess will ich nur auf die Mög- lichkeit dieser Erklärung aufmerksam gemacht haben, ohne fortgesetzter ruhiger Beobachtnng vorzugreifen, 8. 15. : Als wesentliche Verschiedenheiten zwischen dem Gefässsysteme (der Arenicola und dem der Wirbelthiere stellen sich folgende heraus: 4) Die Gefässe der Wirbelthiere sind nicht überall activ- eontraetil, sondern haben nur an einzelnen beschränkten Stel- len eine activ-contraelile Belegung. Die Gefässe der Areni- cola scheinen dagegen durchgängig contraclil zu sein. 2) Alle Gefässe der Wirbelthiere sind im Leben immer gefüllt; ‚die, der Arenicola sind stellenweise immer-leer oder fast leer von Blut. 375 3) Die Blutströmung folgt in den verschiedenen Gelfässen der Wirbelthiere unabänderlich einer bestimmten Richtung, bei der Arenicola findet dagegen ein Oscilliren der Blutwellen in- nerhalb der Gefässe häufig Statt. ; 4) Die Gefässe der Arenicola enden häufig blind, wäh- rend alle Gefässe der Wirbelthiere schlingen- und netzförmig ineinander übergehen. Diese Gefässausstülpungen so wie deren Erweiterungen muss man bei der Arenicola als Reservoirs für das Blut ansehen, dessen freie Strömung wahrscheinlich bei manchen Bewegungen des Thieres unterbrochen wird. In Betref! ähnlicher Beobachtungen an andern Anneliden verweise ich auf J.Müller inBurdach’s Physiologie Bd. IV. S.149., und H. Rathke: De Bopyro et Nereide Comm. anat. phys. Rigae 1837. 4. p. 50. seqq. $. 16. Was die Respirationsorgane anbelangt, so will ich noch einmal darauf aufmerksam machen, dass ich in allen Exemplaren ohne Ausnahme 13 Paar Kiemen gefunden habe; ein Resultat, das mit dem von Grube und Edward’s er- langten völlig übereinstimmt, aber von den Angaben Oken’s, Cuvier’s, delle Chiaje’s, Müller’s abweicht. Das erste Kiemenpaar ist immer das unbedeutendste; die mittleren Kie- menbüschel sind die stärksten. Aeusserlich fand ich an den Kiemen keine Spur von Flimmerbewegung. $. 17. Am meisten abweichend zeigen sich meine Beob- achtungen von den Grube’schen in Beireff der Zeugungsor- gane und Zeugungsstoffe. Dicht vor dem vordersten kammförmigen ‘Gefässe findet sich jederseits vom Darm eine blasse, schlaffe Membran aus- gespannt, welche zu der unter der Haut liegenden Muskel- masse sich erstreckend, ein vollständiges Septum der Leibes- höhle des Thieres bildet. Diese Membran steht in unmittel- barer Verbindung mit den membranösen Ausbreilungen, wel- che die Längsgefässe am Sehlunde befestigen. Mit ihr scheint ferner in Verbindung zu stehen das helle Band, das längs des Vas dorsale, über ihm gelegen, nach hinten verlänft. 374 \ - Sie besteht aus feinen Fasern und zwischen diesen lie- genden kernhaltigen Zellen. Flimmerbewegung habe ich daran vermisst. 1 Dieses membranöse Septum ist in die vordere Abtkeilung der Leibeshöhle bauchig vorgetrieben, und erscheint bei Oefl- nung eines lebenden oder frischen Wurmes meist in Gestalt einer grossen blassen, gefüllten Blase, Aus einem Einschnitte in die Haut des lebenden Wurmes quillt meist eine volle runde Blase in dieser Gegend hervor. Dicht hinter dieser Membran habe ich in den Monaten Juli und August immer bald Eier, bald andere, sogleich näher zu beschreibende Körperchen in grösster Menge angetroffen. Nicht als ob diese Zeugungsstofle ausschliesslich hinter diesem schlaffen membranösen Septum gefunden würden; nur in grösster Quantität und in verschie- denen Stadien der Ausbildung fand ich sie hier immer. Wei- ter nach hinten habe ich diese Zeugungsstoffe durch die ganze Länge des Thieres zwischen dem Darm und den unter der Haut liegenden Muskelschichten in der Regel ebenfalls, nur nicht in so grosser Menge, wie vorn, angetroffen, Dies gilt nicht bloss von der mit Kiemenbüscheln besetzten Abtheilung des Thieres, sondern auch von dem kiemenlosen Schwanz- stück, in welchem Darm und Hautmuskelschieht nur durch einen so unbedeutenden Zwischenraum getrennt sind. Bei durchsichtigen lebenden Exemplaren sieht man die Zeugungsstoffe, und namentlich die Eier, schon von aussen als eine trübe Masse in der Leibeshöhle des Thieres hin und her fluetuiren. Nur bei begonnener Zersetzung und Fäulniss des Wurmes oder bei Zerreissung des Septum habe ich auch’ in der vor dem ersten kammförmigen Gefässe gelegenen Abtheilung der Leibeshöhle, also in der Nähe der Mundöffnung, Zeugungs- stoffe angetroffen. In ler Mehrzahl der Fälle fand ich in der Leibeshöhle zwischen den Muskeln und den blassen Querbinden, oder zwi- schen diesem und dem Darm bloss Eier. ® Als Eier betrachte ich kugelrunde, gelblichweiss ausse- hende Körperchen. Jedes Ei besteht aus einer äussern Mem- bran (Chorion), welcher nach innen ein blasser Ring ent- 375 spricht. Von diesem blassen Ringe wird umgeben eine dun- kele kugelförmige Masse (Dotier), welche nicht ganz concen- trisch liegt. Die Dottersubstanz ist sehr feinkörnig. In dieser Dottermasse findet man bei Untersuchung grösserer Eier meist nur eine hellere Stelle; in der Doitermasse kleinerer Eier er- kannte ich jedoch meistentheils ein excentrisches Keimbläschen. Unter diesen Eiern fand ich häufig zahlreiche, ganz kleine, elliptische Körperchen. Spuren vorgeschrittener Entwickelung der Eier und be- gonnener Bildung des Embryo in. ihnen habe ich nie beob- achten können, so aufınerksam ich auch eine grosse Zahl von Eiern auf diesen Punkt hin untersuchte. Es scheint also die Entwickelung der Eier nicht innerhalb des mütterlichen Kör- pers vor sich zu gehen. In anderen Exemplaren, deren äussere und innere Stru- etur keinerlei Unterschiede wahrnehmen liess, fand ich statt der Eier, aber an den nämlichen Stellen wie diese, andere Körperchen. Es waren dies Haufen von runden Körnern. Der Durch- messer eines einzelnen Körnchens betrug 00001— 00002 P. Z. Solcher Körnehen waren eine grosse Menge zu einem Haufen zusammengeballt. Ein Haufen zeigte bald eine runde, bald eine ovale Gestalt. Der Durchmesser eines runden Körner- haufens betrug 00024—00026 P. Z.; der Längsdurchmesser eines ovalen Körnerhaufens 00031, sein Quadratmesser 00011. In der Peripherie bildeten die Körnchen eines solehen Hau- fens immer einen zierliehen, perlschnurförmigen einfachen Kranz; im Centrum waren sie dichter und scheinbar unregelmässiger zusammengeballt, Bald fand ich eben die oben beschriebenen Körnerhaufen, bald andere, die mit Cilien beseiz& schienen. Es waren wie- derum längliche, regelmässige oder unregelmässige, oder auch © rundliche Körnerhaufen; letztere von 00030—00032 P. Z. im Durchmesser. Die Körnchen waren noch kleiner als die oben 376 erwähnten. Diese Haufen waren mit langen Wimpern be- setzt, welche meist, doch nicht immer, sämmtlich in einer und derselben Richtung standen. Die Länge der Cilien be- trug 00010— 00011 P. Z. Bewegungen dieser Cilien habe ich nie beobachtet, eigentliche Saamenthierchen nie gefunden. Wurden diese Zeugungsstoffe in grösserer Menge in süsses kaltes Wasser gethan, so coagulirten sie bald. Ich habe niemals die oben beschriebenen Eier gleichzeilig mit den Körnerhaufen in einem und demselben Thiere ange- troffen. Allerdings aber habe ich zu derselben Jahreszeit in einigen Exemplaren das eine, in andern das andere Contentum beobachtet. Die Körnerhaufen und die filzigen Körnerhaufen möchte ich schon aus diesem Grunde, aber auch der Analogie mit andern Anneliden wegen, für männliche Zeugungsstofle halten. Es würde also hiernach die Arenicola piscatornm gelrenn- ien Geschlechtes sein. Auf welchem Wege verlassen die Zeugungsstoffe den Kör- per? Grube vermulhet, dass die Eier durch Lücken neben den Wülsten der Nackenborsten heraustreten. Dergleichen Lücken habe ich ebenfalls mehrmals wahrgenommen, bin aber nicht sicher, ob sie nicht bei der Präparation zufällig entstan- den sind. Ohne die Möglichkeit zu leugnen, dass die Eier in diesen Oeffnungen heraustreten können, muss ich doch darauf aufmerksam machen, dass die letzte kiemen- und borstenlose Abtheilung des Wurmes meist reiehlich mit den oben beschrie- benen Zeugungsstoffen angefüllt ist, welche nolhwendiger Weise auf andern Wegen nach aussen gelangeı müssen. Eine Vermuthung, welche ich sorgfältiger Prüfang empfehle, ist die, dass vielleicht das kiemenlose Schwanzslück zu Zeiten ganz oder theilweise abgestossen werde, und auf diese Weise die Zeugungsstofle nach aussen gelangen. Dass dasselbe leicht sich reprodueire, und dass seine Länge in verschiedenen Exem- 377 plaren ziemlich ungleich gefunden werde, ist schon oben an- gedeutet worden. &. 18. Für die Bildungsstätte der Eier, wie der männ- lichen Zeugungsstoffe halte ich die Stelle der Bauchhöle dicht hinter jener oben beschriebenen blasenförmigen Membran. Hier findet man nicht nur die Zeugungsstoffe am reichlichsten, son- dern hier kommen, gleichzeitig mit grösseren, am häufigsten kleinere, augenscheinlich noch in der Ausbildung begriffene Eier vor, während die weiter nach hinten in der Bauchhöhle anzutreflenden Eier fast ohne Ausnahme gross und vollständig ausgebildet sind. Fortgesetzte Untersuchung der Arenicola in verschiedenen Jahreszeiten wird über die Richtigkeit dieser Ansicht ent- scheiden. Grube bemerkt (Seite 17.), dass um die blind enden- den zahlreichen Fortsätze des Vas ventrale eine zarte, häu- tige, knospige Masse geschlungen sei, und vermuthet, dass dies die ursprüngliche Bildungsstätte der Eier sein möchte. Ich habe dieser aus sehr feinen Körnchen bestehenden Masse schon oben gedacht; sie findet sich aber nicht bloss an diesen zot- tenförmigen Gefässausstülpungen, sondern auch längs des gan- zen Verlaufes des Stammes des Vas ventrale, so wie auch in der Regel an allen Kiemengefässen. Dass diese Masse ein Bla- stem sei, ist mir ebenfalls wahrscheinlich, obschon ich sie nieht ausschliesslich für ein Blastem des Zeugungsstoffes halten möchte. Grube fand ferner eiähnliche Körperchen in den Kie- menslämmen selbst, und nimmt diese für Bier (1. c. S$. nn und 17.). Während ich in den grösseren Gefässstämmen kaum eine Spur von Blutkörperchen erkannt habe, war es mir schon im Jahre 1838 (also vor Erscheinen der Grube’schen Abhand- lung) auflallend, ihnen ähnliche Gebilde sowohl innerhalb der kammförmigen Gefässe, als auch innerhalb der Kiemen ziem- lich veichlich anzutreffen. Diese Gebilde waren zwiefacher 378 Art: 1) grössere, runde, scheinbar platte, sehr gleichförmige Körperchen, anscheinend ohne Kern, von „4-—y4; P.L. im Durchmesser, und 2) sehr viel kleinere, ebenfalls ganz runde Körper von „4, P. L. im Durchmesser. Es scheint mir sehr gewagt, diese Körpeıchen als Eier zu bezeichnen; ich möchte sie, wie gesagt, Blutkörperchen nennen, obschon mir der Um- stand höchst auffallend bleibt, dass sie fast ausschliesslich in den Gefässen der Kiemen und in den diesen zunächst liegen- den kammförmigen Gefässen vorkommen. Grube glaubt endlich, dass 6 Paar dunkelbraune oder schwarze Schläuche in den Bereich der Geschlechtsorgane gehören und als Hoden anzusehen sind. Diese 6 Paar schlauch- förmigen Körper liegen von blassen Querbinden bedeckt, zwi- schen diesen und der Muskelschicht unterhalb des 4ten, 5ten, 6ten, 7ten, 8ten, 9ten Fussstummels. Ueber ihnen liegen, wie schon erwähnt ward, die kammförmigen Gefässe. Beide zei- gen äusserlich deutliche Flimmerbewegung. Jeder dieser Schläu- che mündet durch eine Oeffnung an der Seitenlinie des Wur- mes nach aussen. Als Contentum dieser fand ich häufig eine bald helle, bald irübe Flüssigkeit, welche folgende Elemente enthielt: 4) ein äusserst feinkörniges Wesen, das in die Zusammensetzung der Wandung dieser Schläuche einzugehen schien. 2) Kleine runde, durchsichtige Zellen von 00006— 00008 P. Z. im Durchmes- ser. Jede Zelle enthielt einen Kern, und dieser wieder ein Kervkörperchen; mehrere dieser Zellen enthielten 4—5 Kerne, von denen in der Regel Einer die Uebrigen an Grösse übertraf. Ich kann diese Schläuche nieht für Hoden halten, denn 1) kommen sie bei allen Exemplaren vor, mag deren Bauch- höhle nur Eier oder nur die für männliche Zeugungsstofle ge- haltenen Körperchen enthalten; 2) lassen die in ihnen ent- haltenen Körperchen eher als Epithelialzellen, wie als Saa- menkörperchen sich deuten; 3) sah ich einmal bei Untersu- ehung eines frisch ausgegrabenen Wurmes eine helle Feuch- tigkeit aus den Oeffnungen dieser Schläuche hervortreten. 379 Die Feuchtigkeit scheint also die äussere Oberfläche des Thie- res schlüpfrig erhalten zu sollen. $. 19. Ueber das schwer zu untersuchende Nervensystem weiss ich den Grube’schen Mittheilungen wenig hinzuzufü- ‚gen. Die beiden Stränge des Nervenstammes weichen vorn in zwei Schenkeln auseinander; jeder dieser Schenkel verläuft bogenförmig dicht an der Körperwand, und schwillt endlich seillich vom Schlunde, ohne diesen zu umfassen, in ein rund- liches netzförmiges, gelblich weisses Knötchen an. Dass diese beiden Knötchen oder Knöpfchen durch eine quere Commissur mit einander in Verbindung ständen, habe ich nicht beobach- tet. In der Nähe dieser Knötchen entspringen mehrere glän- zende Selhnenfasern, welche nach dem Rücken hin sich be- geben. Unter dem Mikroskope erscheint jedes Knöpfchen als eine mit feinen Fäden besetzte, von zwei concentrischen Rin- gen begränzte Masse. Innerhalb des innern Ringes liegt eine grosse Zalıl von unregelmässigen eckigen Körperchen mosaik- artig an einander. Jedes dieser Körperchen hat 00003 — 00004 P. Z, im Durchmesser, und enthält regelmässig einen deutli- chen, seinen Conturen entsprechenden Kern. Diese eckigen, mosaikartigen Körperchen füllen nieht das 'ganze Centrum aus, sondern liegen unregelmässig bald nur in einem, bald in bei- ‚den Halbkreisen des inneren Ringes. Sie scheinen krystalli- nischer Natur zu sein; ich habe sie nur an frischen Exempla- ren, nicht an solchen, die in Weingeist gelegen hatten, er- kennen können, i Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Grösseres Ei mit Chorion, Dotter und heller Stelle im Dotter. { Fig. 2. Kleineres Ei. In der helleren Stelle des Dolters ein Keimbläschen. Fig. 3. Körnermasse aus einem männlichen Exemplare. Fig. 4. Ovale Körnermasse aus einem männlichen Exemplare, TE, 5. 0.6. Mit Gilien besetzte körnige Körper aus einem männlichen Exemplare. 380 Fig. 7—11. Epithelialzellen aus den schwarzen schlauchförmi- gen Körpern. e Fig. 12. u. 13. Die Kuötchen am Ende der Schenkel des Ner- venstranges. » Alle diese Abbildungen sind stark vergrössert dargestellt... Fig. 14. Der vorderste Theil des Wurmes von der Rückenseite geöffnet, in natürlicher Grösse dargestellt. a der Schlund. 6 die Re- traetoren des Schlundes; die blinden Anhänge sind, als an der Bauch- seite liegend, nicht sichtbar. c das erste Fusspaar. d das Knötchen am Nervenbogen. e glänzender Ringmuskel in der Nähe des Mundes. J.SSf uterstitien zwischen den Längsmuskeln des Körpers. Fig. 15. Der vorderste Theil des Wurmes von der Rückenseite. Der Raum zwischen dem vordersten Kegel der Rotatoren des Schlun- des und dem Munde ist durch einen Cirkelschnitt geöffnet. 4444 der nach vorn übergekrämpte Theil der Haut mit ihren Längsmuskeln. C CC C der nach hinten umgekrämpte Theil der Haut. Die Längs- muskeln, Fortsetzungen der bei 4.4 durchschnittenen, treten an den untern Theil des Schlundes BB. Am Schlunde sind ganz vorn bloss Längsmuskeln, weiterhin Längsmuskeln, über Quermuskeln wegge- hend und hinten wieder zartere Längsmuskeln sichtbar. Stellenweise sind die Längsmuskeln durch quere Abtheilungen unterbrochen. E ist eine zweischenkliche Einstülpung der äussern Haut mit einer in den Schlundraum der Leibeshöhle führenden Oeflnung. Dieser Einstül- pung entspricht äusserlich eine über dem Munde gelegene Vertiefung. aa sind die Anschwellungen der vordersten beiden Schenkel des Ner- venstranges. Diese Schenkel des Nervenstranges werden verdeckt durch glänzende Muskelbinden #5. In der unmittelbaren Nähe der knopflörmigen Anschwellungen entspringen feinere Muskelbündel, wel- an bogenlörmig über die Eiostülpung und deren Oeflnung E weg- ehen. 5 Die Zeichnung ist nach einem grossen Exemplare entworfen, und noch etwas vergrüssert. k T, t > Ueber i augenähnliche Organe bei Peeten und Spondylaus. Von Dr. Kroum. i (Hierzu Taf, XIX. Fig. 16.) Es sind nun nahe an fünf Decennien, seit Poli (Testacca utriusque Siciliae, Parma 1791) besondere Organe an dem mit Cirren oder Tentakeln versehenen Mantelrande von Pecten und Spodylus beschrieb, ohne dass während dieses langen Zeitraumes, in welchem das reiche Feld der Beobachtung bis in die entlegensten Winkel durchspähet worden ist, ihnen von Seiten der Zootomen eine fernere Beobachtung zu Theil ward. Geschieht ihrer selbst in den ausgezeichneten deutschen Com- pendien der vergleichenden Anatomie von Carus und Wag- ner nicht die mindeste Erwähnung, so dass-es den Anschein gewinnt, als habe das eigene Gesländniss Poli’s, nach wel- chem seine Bemühungen, die Structur dieser Organe auszu- mitteln, erfolglos geblieben seien, sehr dazu beigetragen, ihre genauere Kenntniss zu vernachlässigen und sie, man möchte sagen, gänzlich in Vergessenheit zu bringen. Poli, rein auf das Aeussere beschränkt, fasst die Eigen- thümlichkeiten dieser Organe, nachdem er kurz vorher die Beschaffenheit der Tentakeln des Mantelrandes erörtert hat, in folgende Worte zusammen: „eirri quidam peculiares crassiores subinde produeuntur; illis (eirris subulatis, den Tentakeln näm- 382 lich) commixti. Subteretem formam prae se ferunt: apicesque mutiei lente vitrea perlustrati membrana convexa viridescenti atque nitidissima exornali cernuntur, quae lumini obversa sma- ragdino colere coruscat. Membrana haec haud secus eirris hujusmodi connectitur, ac tunica cornea sclerolicae in oculo humano, quem illorum apices modo memorati perfecte men- tiuntur.* (V.1. ce. p. 153. Abbildung dieser Organe vom Pecten Jacobaeus auf Tab. XXVI. Fig. 14.; vom Spondylus Tab. XXI. Fig. 4. u. 5.). Das auffallendste Phänomen, das den Blick des Beobach- ters sogleich auf diese Organe lenkt, ist ein häufig in den von Poli erwähnten grünlichen Glanz übergehendes Leuchten, das sich bei günstigen Stellungen gegen das Tageslicht wahrnehmen lässt. Es gewährt in der That ein prachtvolles Schauspiel, eine Menge von Punkten mit einem Feuer brilliren zu sehen, das dem der Edelsteine. an Lebhaftigkeit fast gleichkommt. Eine sorgfältigere Belrachtung lehrt, dass diese Punkte bräun- lich gefärbte Knöpfehen sind, die neben den Tentakeln und zwar mehr einwärts von ihnen dem Mantelrande, jedes ver- miltelst eines fleischigen Stiels, ansitzen. Ihre Zahl mag bei Spondylus bis nahe an hundert für jede Mantelhälfte betragen ; wogegen sie bei Pecten Jacob. kaum auf funfzig anzuschlagen ist. Uebrigens scheint sie nach den Individuen sehr zu va- riiren, und eben so wenig lässt sich eine bestimmte Norm, naeh welcher die Organe längs des Mantelrandes an einander gereiht wären, angeben, da sie an einzelnen Stellen gedrängter, an andern mehr verlheilt angetroffen werden. Auch ihre Grösse, abgesehen von dem durch das Wachsthum hierin‘ herbeige- führten Wechsel, ist Schwankungen unterworfen. Doch: gilt als Regel, dass die die mittlere Partie des Mantelrandes ein- nehmenden die übrigen, namentlich die an den beiden Enden desselben gelagerten, an Umfang. übertreffen. Im Peeten Jacob. ist ausserdem noch der der flachen Schaale zugekehrte Man- tellappen constant mit grössern Organen versehn als derient- gegengesetzte. 383 Die Grundlage der Structur der Knöpfchen bildet eine durehsichtige, überall geschlossene sphärische Blase oder Kap- sel, welche äusserlich mit dem Hautüberzuge des Mantels in inniger Berührung steht, und in ihrem Innern zwei vollkom- men transparente weiche Substanzen enthält. Die Kapsel ist bis zur Hälfte ungefähr in das Ende des oben angeführten kurzen dicken Stiels eingesenkt, in welchen die Fleischfasern des Mantelrandes sich fortsetzen, und der nach Umständen sich zu verkürzen, zu verlängern oder seitwärts zu bewegen fähig ist. Die aus dem Stiel hervorragende Hälfte der Kapsel ist in ihrem Centrum in eine sanfte runde Wölbung hervor- gehoben, die, wie Poli riehtig bemerkt, die grösste Aehn- lichkeit mit der Cornea des Menschenauges hat. Diese vor- ragende Hälfte ist, wie auch der Stiel von einer Fortsetzung der Oberhaut des Mantels überzogen.‘ Genau bis an den Um- kreis der centralen Wölbung reicht eine meist bräunlich ge- färbte, unter dem Hautüberzuge gelagerte Pigmentschicht, wo- durch das Organ noch augenähnlicher wird. Von den beiden transparenten Substanzen zeichnet sich die den vordern Raum der Kapsel fast gänzlich einnehmende, durch ihre linsenför- mige Gestalt aus*). Ihre vordere Convesität liegt der cen- tralen Wölbung hart.an, während die hintere in eine ent- sprechende Vertiefung der darauf folgenden Substanz aufge- nommen ist. Sie ist von dichterer Consistenz als letztere, und wird auch durch Weingeist stärker weisslich getrübt. Die hintere Substanz, die den übrigen grösseren Raum der Kapsel ausfällt, zeigt sich unter dem Mikroskope von faseriger Textur, Es kostet immer viel Mühe, sie aus der Kapsel, der sie an vielen Stellen fest anhängt, vollständig herauszuheben. Beide Substanzen sind durch ein membranöses feines Septum von einander geschieden. Ausserdem aber ist die hintere noch von *) Diese Form zeigt sie wenigstens deutlich, nachdem der gauze Mantelrand einige Zeit in Weingeist gelegen hat, wobei beide Sub- stanzen sich weisslich trüben. 384 zwei gleichfalls innerhalb der Kapsel gelagerten, und nicht völlig bis an den Umkreis des linsenförmigen Körpers sich er- streckenden Pigmentlagen umhüllt, Die äussere derselben zeigt eine rothgelbe, fast scharlachrothe Färbung, die innere aber stellt sich als ein silberglänzendes Tapetum dar, das dureh Lichtreflese die oben besprochenen, nach Einwirkung des Weingeistes natürlich verschwindenden Erscheinungen des Leuchtens erzeugt. Ein nahe am Mantelrande von dem einen Ende zum ent- gegengeseizten, und zwar zwischen den zerästelten Fleisch- bündeln desselben verlaufender grosser Nervenstamm, versorgt nicht nur sämmtliche Tentakeln mit Zweigen, sondern schickt auch an jedes der Organe einen ansehnlichen Ast ab. Der Ast erhebt sich mitten durch den fleischigen Stiel gegen die Kapsel und theilt sich in zwei Zweige. Der feinere dieser Zweige stösst auf den Boden derselben, der stärkere, die Fort- selzung des Astes, erstreckt sich über ihre Aussenfläche bis in die Gegend der linsenförmigen Subslanz. Hier durchbohrt er die Kapsel, legt sich dem oben erwähnten Septum dicht an, und ist bis auf die Mitte desselben zu verfolgen. Es ist mir nicht möglich gewesen, sein ferneres Verhalten auszumitteln. Der dünnere Zweig hingegen scheint auf dem Boden der Kap- sel in einige feinere Reiser zu zerfallen, Gelflissentlich habe ich es vermieden, die einzelnen Theile durch bestimmte Benennungen zu bezeichnen, so sehr die Ana- logie in Rücksicht auf Lage, Form und andere Verhältnisse mit entsprechenden Theilen des Auges dazu einladen mochte, Wenn es nämlich nicht schwer fallen könnte, die centrale Wölbung der Kapsel als Cornea, die linsenförmige Substanz als lichtbrechendes Medium zu deuten, wenn ferner die äus- sere bis an die Wölbung reichende Pigmentschicht unzwei- deutig ein Verhältniss ausdrücken möchte, das im Auge an dem Pigment der Choroidea sich widerfindet, und selbst die Anwesenheit eines glänzenden Tapetums die Analogie mit Thei- len eines Sehorgans besonders zu erhöhen im Stande wäre, 385 so bleiben immer noch einige Zweifel übrig, ohne deren Hin- wegräumung diesen plausiblen Gründen die Haltbarkeit strin- genter Beweise abgeht. Die früher angegebene Zahl der Or- gane und ihre aller Analogie zuwider von dem Vorderleibe des Thieres weit entrückte Lage, so wie ferner das gänzliche Fehlen derselben bei den übrigen Bivalven, die nahe stehende Gattung Lima nicht ausgeschlossen, möchten von Manchem vielleicht als Einwürfe gegen obige Gründe geltend gemacht werden. Nach meinem Dafürhalten xonnte indessen die Lage nicht besser gewählt sein, da das Thier zu tief innerhalb sei- nes Gehäuses steckt, als dass ihm, vorausgesetzt dass es der- artige Organe an seinem Vorderleibe trüge, das nöthige Licht in gehöriger Menge zufliessen könnte. Der Nutzen der unge- mein grossen, an das Fabelgeschöpf der Alten, den Argus, er- innernden Anzahl derselben, lässt sich in der That weniger leicht einsehen, Was aber eine sichere Entscheidung vorläufig noch am meisten zurückhält, ist nicht nur das merkwürdige Verhalten der erwähnten beiden Nervenzweige, sondern auch noch die Beschaffenheit des Gewebes der hinteren durchsich- tigen Substanz. Die Lage, Transparenz und den Umfang die- ser in Belracht ziehend, würde man kaum zögern sie für den Glaskörper anzusprechen, wenn nicht dieser Annahme ihr fa- seriges Gefüge entgegenstände. Ist sie vielleicht das die Licht- eindrücke aufnehmende Nervengebilde selbst, das in einem noch zu entdeckenden Zusammenhange mit den beiden Nervenzwei- gen steht? — die nähere Beleuchtung dieses Punktes wird eine künftige Untersuchung dieser Organe vorzugsweise zu berück- sichtigen haben. Darf man mit Recht auf das Zeugniss der Alten und spä- terer Schriftsteller, die der Kammmuschel einen Sehnerven zu- geschrieben haben, kein zu grosses Gewicht legen, so wird man von der andern Seite auch zugeben, dass die Versuche Poli’s (l. e, p. 151.), die nicht zu Gunsten jener Aussagen ausgefallen sind, einen eben so wenig entscheidenden Werth haben. Wer wollte z. B. aus ähnlichen an den meisten Müller’s Archiv. 1840. 25 386 x Schneckengatlungen misslingenden Experimenten, sich zu Schlüs- sen verleiten lassen, die mit der unbezweifelten Existenz ihrer Augen ‚in oflenbarem Widerspruch stehen würden? — Sind die beschriebenen Organe der Pectineen Augen, so vermögen diese Thiere wohl mehr als blosse Gradalionen des Lichten und Dunkeln wahrzunehmen; den breehenden Medien zufolge müssen sie auch Gegenstände unterscheiden können. Erklärung der schematischen Figur im Perpen- dieulardurchschnitte dargestellt. Taf. XI. Fig. 46. 4. Tapetum. 2. Innere rothe Pigment schicht. 3. Aeussere bräunliche Pigmentschicht. a Vordere linsenför- mige Substanz. d Hintere durchsichtige Substanz. cc Kapselhaut, vorne in die corneaarlige Wölbung ‚hervorgehoben. dd Hautüberzug des Stiels, der Kapsel und ihrer Wölbung. e Fleischige Substanz des Stiels. f Stamm des Mantelrandnerven. g Ast für das augenähnlicbe Organ. Ah feinerer, % stärkerer Zweig des Asles. Ucber den Magen des Flusskrebses. Von Dr. Friepdrıcn OESTERLEN in Murrhardt im Würtembergischen. (Hierzu Taf. XII.) Schon seit zwei Jahrhunderten hat der Magen des Krebses die besondere Aufmerksamkeit der Anatomen auf sich gezo- gen, und doch haben alle Bemühungen alter und neuerer Zeit nicht hingereicht, die mancherlei Räthsel, welche dieses merk- würdige Organ bietet, zu enthüllen. Von älteren Schriftstel- lern nenne ich nur Gesner, Agricola, van Helmont, Geof- froy, Reaumur, Rösel. In unsern Tagen haben sich ausser den Schriftstellern über vergleichende Anatomie überhaupt Suckow (anatom. physiol. Untersuch. der Insecten und Kru- stenthiere, I. Bd. 4. Heft, Heidelb. 1818), Brandt (Brandt und Ratzeburg, mediein. Zoologie, Bd. II., Berlin 1833) und v. Bär (J. Müller’s Archiv für Anatom. und Physiol. und wissensch, Mediein, 1834, S. 510.) specieller mit unserem Ge- genslande beschäftigt. Der letztere ist eigentlich der erste, welcher eine genauere anatomische Beschreibung des Krebs- magens lieferte, ohne dass er jedoch diesen Gegenstand er- schöpfend dargestellt hätte. — Die beiden ersteren geben Ab- bildungen desselben, aber besonders die von Brandt siod der Art, dass sie schwerlich viel zum Verständniss der Sache En 25 388 beitragen möchten; auch die Beschreibung kann nicht ge- nügen. { N 4 Und doch scheint eine in’s Einzelne gehende Schilderung der analomischen Verhältnisse des so complieirten Magens noth- wendig vorausgehen zu müssen, ehe eine Erkenntniss der Wir- kungsweise seiner einzelnen Theile, ein tieferer Blick in seine „Funelionen und die Metamorphosen, welche er erleidet, mög- lich ist. — Im Innern des Magens zeigen sich höchst merk- würdige Haarformationen, welche ich dem weitern Stu- dium der Sachversländigen dringend empfehle; um es aber An- dern möglich zu machen, sich über die Stellen, wo sich diese oder jene Haarbildungen vorfinden, zu orientiren und sich ge- genseitig zu versländigen,- ist eine detaillirte Schilderung der einzelnen Theile und eine bestimmte Benennung derselben noth- wendig. Es sind nun vier Jahre, dass ich bei einer Unler- suchung der innern Magenfläche mit dem Mikroskope jene Haarbildungen entdeckte, und da ich seitdem Gelegenheit hatte, mir fast täglich frische Krebse aus: Bächen, nicht aus künst- lichen Behältern, zu verschaffen, so machte ich ihren Magen zum Gegenstand meiner genauen Untersuehungen. — G. Va- lentin (Repertorium für Anatomie und Physiologie, Bd. I Heft 1. S. 115.) hat unterdessen diese Haare gleichfalls ent- deckt und beschrieben. Da aber deren Schilderung nur einen kleinen Theil vorliegender Abhandlung bilden wird, da mir ferner meine Untersuchungen zum Theil ‚ein anderes Resultat gaben, so hielt ich eine Beschreibung derselben hier nicht für überflüssig. So schwierig es auch ist, nalurgemässe Zeichnungen von so verwickelten, im Kleinen ausgeführlen Theilen zu entwer- fen, so glaube ich doch, dass sie zum Versländniss ihrer Be- schreibung unumgänglich notlhwendig sind, und ich gab mir schon alle nur mögliche Mühe, sie der Natur gemäss anzufer- tigen, und. im nöthigen 'Falle die Theile durch vergrösserte Abbildungen deutlicher zu machen. Wie. sieh überhaupt nicht leicht eine auffallende Bildung 389 irgend eines Organs auffinden lässt, welche isolırt und ohne allmählige Uebergänge zu andern gewöhnlicheren Bildungen Yastände, so ist es auch bei dem Magen des Krebses. — Bei vielen Inseeten, besonders bei den Käfern und Orthoptern, finden wir Vorrichtungen in ihrem Darmcanal, welche an die Bildung des Krebsmagens erinnern. Bei manchen fand ich be- reits die merkwürdigsten Haarformationen auf der innern Flä- ehe des Darmcanals, besonders bei Orthoptern, welche mit denen des Krebsmagens grosse Achnlichkeit zeigen. Vielleicht ist es mir vergönnt,'in Bälde meine Untersuchungen hierüber mitzutheilen. L Analomische Verhältnisse des Magens der Flusskrebse. Zum besseren Verständnisse ist es nothwendig, vorerst den Magen für sich zu betrachten, und erst später seine Lage, so wie die Theile, welche ihn von aussen umgeben und be- decken, zu untersuchen. Ein vollkommen ausgebildeter Magen, wie man ihn bei Krebsen von Ende August bis Mai, Juni zu finden pflegt, ist im Allgemeinen von sphärischer Form, und stellt gleichsam eine Kugel dar, als deren Stiel man den kurzen Schlund be trachten kann, welcher von unten fast senkrecht zum Magen emporsteigt. — Die Länge eines solchen Magens von vorn naclı hinten beträgt im Mittel 6—8 P. Linien, die Breite 5 bis 7 L., die Höhe 5—6 Linien, bei sehr grossen Krebsen von 6 bis 8 Zoll Länge immer 1 bis 1,5 L. mehr. — Hat man den Magen von seinen äusseren Hüllen befreit und herausge- nommen, so sieht man deutlich, dass er aus zwei verschiede- nen Theilen besteht, aus einer kugliehten Blase, die den vor- dern und untern Theil des Magens bildet, und’ die grössere Hälfte, fast zwei Dritiheile desselben, umfasst, sowie aus einem ändern Theile, welcher die obere und hintere Gegend dessel- ben einnimmt, und vermöge mehrerer Knochen- und Knorpel- 390 platten und Strahlen das Gerüste des Magens bildet. Zu beiden Seiten des grossen blasigen Theiles sitzen die soge- nannten. Krebssteine oder Krebsaugen. Ohne schon hier die Membranen, welche den Magen bil- den ‘helfen, genauer beschreiben zu wollen, muss ich doch vorausschieken, dass deren zwei vorhanden sind, eine äussere weiche, leicht zerreibliche von graulich- weisslicher Farbe, und nach Allem von der Natur einer Schleimhaut, und eine innere ganz durchsichtige, eonsistente, aus Horngewebe bestehende, welche dem Epithelium entspricht. Man kann annehmen, dass diese letztere den ganzen Magen bildet, und in ihr sind die aus Knorpelsubstanz sowie aus Knochenerde bestehenden Theile, welche das Gerüste des Magens bilden, eingelagert; diese hän- gen somit durch jene Hornmembran unter sich zusammen. Das Gerüste des Magens hat von oben betrachtet (s. Fig. 1.) etwa die Form eines Dreiecks, ‚das sich hinten in eine stumpfe Spitze endigt, wäh- rend es vorn eine breite, nach vorne convexe Basis zeigt. — Auf der obern Fläche des Gerüstes, etwa in der Mitte, doch etwas mehr nach vorn zu, liegt quer herüber von links nach rechts ein schwach convexer Bogen, der im Allgemeinen die Form eines länglichen schmalen Oyals zeigt, und von Bär Querbalken genannt wird (s. Fig.1. 44). Mit seiner Län- genaxe, die im Mittel 5— 6 Linien beträgt, liegt er dem Quer- durchmesser des Körpers parallel; sein Breitendurchmesser, welcher mit der Längenaxe des Körpers zusammenfällt, be- wägt 1 bis 1,5 Linie. Der Querbalken besteht aus Knorpel, in welchem viele weisse Knochenerde abgelagert ist, so dass er die Consistenz eines dünnen Knochenplättchens besitzt. Be- handelt man ihn mit einer wässrigten Säure, so löst sich un- ter Entwicklung von Kohlensäuregas die Kalkerde, und ein dünnes elastisches Knorpelplättchen bleibt zurück, Die Farbe des Querbalkens ist milchweiss, da und dort mit einem Stich in’s Bläuliche. Er zeigt eine rauhe, unebene Oberfläche; eine x = 39 erhabene Leiste durchzieht; ilın von links nach rechts. seiner Länge nach, und auch ‚ausserdem ziehen sich da und dort zarte Rippen und Punkte hin, in welchen die Knochenerde in gtösserer Menge sich angesammelt hat, was besonders an den beiden Enden links und rechts der Fall ist. An diesen Rauhigkeiten inseriren sich die vordern Magenmuskeln, Am vordern Rande, elwa in dessen Mitte, zeigt der Querbalken eine kleine Kerbe oder Ausschweifung, mit der. Coneavilät nach vorn (Fig. 1., 1), und durch diese zerfällt der vordere Rand des Querbalkens in zwei nach vorn ‚convexe Bogen, welche bei sehr grossen und alten Magen zuweilen durch eine zarte Leiste von weisser Knochensubstanz verbunden werden. Der Querbalken ist flach gewölbt; seine untere Fläche ist coucav, und verhält sich ganz wie die obere, nur dass (die Längenleiste dieser letzteren auf der untern Fläche eine der Länge nach verlaufende Furche darstellt. Längs des vordern Randes des Querbalkens selzt sich ein zartes, ganz durchsichliges Knorpelplätichen an (Fig: 1. B), welches man auch als eine Verdickung des innern Epitheliums betrachten könnte; v.Bär nennt esdieDecke. Nur amlinken und rechten Ende slösst sie nicht an den Querbalken, indem dort andere Theile sich an letztern anlegen. — An den beiden äussersien Enden Pr. sie an ihrem 'hintern Rande etwas Knochenerde, zuweilen jedoch finden sich auch in der ganzen Decke länglichovale Platten. von weisslicher Farbe, welche aus einer dünnen Schicht Knochenerde bestehen, und beson- ders beim Trocknen des Präparats deutlicher werden, Die Decke ist von vorn nachı hinten fast noch einmal so breit als der Querbalken, nach oben schwach gewölbt; ihre untere Flä- che, elwas eoncav, verhält sich gauz wie die obere. Ihr vor- derer Rand ist bogenförmig , die ‚Convexität nach vorne, und an ihn setzt sich der grosse dünne Magensack an (Fig. 1., 2 — Fig. 2.,11); wovon später. Mit der Deeke endel das Magengerüste nach vorne. An dem hintern Rande des Querbalkens selzt sich seinem a u grössern Theile nach die zarte Hornmembran (Fig. 1.,3 — Fig. 2., 12) fest, da sie aber nach innen zusammengefaltet ist? so wird sie erst beim Vorwärtsziehen des Querbalkens in ihrer ganzen Ausdehnung sichtbar. In der Mitte des Querbalkens nimmt die Stelle des Epithelium ein schmaler elästischer Knor- pelstreifen ein, mittelst dessen ein viereckiges Knorpelplättehen, die Pars quadrata, mit dem hinteren Rande des Querbal- kens verbunden ist (Fig. 1., 4). Die Pars quadrata enthält an ihrer hinteren Hälfte eine dünne Schichte Knochenerde, und zeigt dadurch eine weissliche Farbe, während der vordere knorpelige Theil durchscheinend und blass röthlich gefärbt ist. Die obere Fläche ist ganz glatt, während die untere, welche Hornsubstanz von gelber Farbe enthält, durch eine höchst zarte Längenleiste in zwei gleiche Seitenhälften getheilt wird. Die Pars quadrata zeigt ganz die Form eines länglichen Vier- ecks, ihre Länge beträgt von vorne nach hinten eiwa 1 Linie, ihre Breite etwas weniger. Ihr vorderer und hinlerer Rand bildet eine gerade Linie, ihre Seitenränder aber sind ausge- schweift, die Concavilät nach aussen, so dass die Pars qua- drata mit sanft ausgeschweiftem Rande an den Querbalken sich anschliesst. Betrachtet man, wie bisher, den Magen von ‘oben, so zeigt sich gleich hinter der Pars quaggata eine Querbrücke aus zarter, durchsichtiger Hornsubslanz, welche sich von links nach rechts herüberwölbt, etwa eine halbe bis fast eine ganze Linie über dem hinteren Rande der Pars quadrata; über und hinter der letzteren ist somit eine Höhlung, deren obere Wand jene Querbrücke (Fig1., ©, Fig. 2., C) bildet. v. Bär nennt diese letztere das Joch; da sie ganz die Form eines Sattels zeigt, so gab ich ihr diesen Namen; derselbe bildet die Gränze des Magengerüstes gegen hinten. Seine Oberfläche ist ganz glatt, seine Farbe blassgelblich; zu beiden Seiten unten röth- lich, und da das zarte Hornblatt, aus welchem der Sattel be- steht, durehsichlig ist, so erblickt man die unter ihm liegen- den Theile deutlich durch seine Wandungen hindurch. Sein 393 vorderer Rand in der Mitte, gerade über der Pars quadrata, bildet eine gerade Linie, und wird durch einen zarten Kno- chenstreifen von weisser Farbe gebildet, welcher dem vordern Theil des Saltels zur Stütze dient. — Zu beiden Seiten ist der Vorderrand schwach ausgeschweift, die Concavität nach vorne, und mit ihm legt sich der Sattel an den Seitenbalken (s. unten) an. Der hintere Rand des Sattels, an welchem sich überall, wie auch an dem unteren Rand, die Hornmen- bran festseizt, ist gleichfalls zu beiden Seiten ausgeschweift, ganz parallel dem vordern Rande. Der untere Rand ist fast ganz geradlinigt, und geht unter einem spilzen Winkel in den vordern über. — Die Länge des ganzen Sattels beträgt im Mittel 4,5 Linie, die Breite vorne etwa eben so viel, die Höhe 1,5 bis 2 Linien. Der ganze Sattel bildet gleichsam ein Gehäuse über andere in ihm befindliche Theile, welche von vorne in seine Höhle hineintreten, und die er somit vor äusserem Drucke beschützt. Sein vorderer Rand dient ihnen als Ansatzpunkt, und bedurfte daher eines Knochenstreifens als Stütze. — An ihn legt sich nämlich der obere vordere Rand eines Knorpelplältchens (Fig. 3., 1), das eine ziemlich starke Schicht weisser Knochenerde eingelagert enthält, und in Ver- bindung mit andern Theilen, mit denen es aber zu Einem Ganzen verschmolzen ist, den zweizinkigen Mittelzahn bildet, der in’s Innere der Magenhöhle hineinragt. Jenes Knorpelplättchen nenne ich seiner Form wegen Pars triangularis. Der vordere Rand derselben bildet die Basis, des Dreicks; er schliesst sich dicht an den vordern Rand des Saltels an, ist wie dieser durch einen zarten Knochen- streifen gestützt (Fig. 1., 5, Fig. 3., 1), und läuft mit ihm parallel quer von links nach rechts herüber. — Von oben'sieht man wegen des Saltels, welcher die Pars triangularis über- wölbt, nichts von dieser, wohl aber von vorne, denn hier zeigt sich, besonders beim Vorwärtsziehen des: Querbalkens, deutlich ihre untere Fläche (Fig. 3., 1). Die obere dagegen erblickt man erst, wenn man den Sattel abgetragen hal; diese 394 ist glatt, schwach gewölbt, und läuft nach hinten in eine stumpfe Spitze aus, — Die Länge der Pars triangularis be- trägt etwa 1 Linie; sie -läuft schief nach hinten und unten, beugt sich hinten unter einem rechten Winkel senkrecht nach unten, bekommt nun, besonders an beiden Seitenrändern, eine braungelbe Farbe, dichlere Consistenz, und verwandelt sich somit in den zweizinkigen Mittelzahn. Zugleich verbin- det sich aber diese schiefe Pars triangularis mit einem andern horizontalen, ganz kurzen Knochenplättchen (Fig. 3.,2), welches in seinem vordern Rande mit der Pars qua- drata durch einen dichten Knorpelstreifen fest verbunden ist und gerade nach hinten läuft, um hier mit der Pars triangu- laris, welche in schiefer Richtung gegen dessen hinteres Ende herabsteigt, zusammenzuschmelzen. Beide stossen somit unter einem spitzen, nach vorn offenen Winkel-zusammen, welcher aber durch ein Vorwärtsbewegen der beweglichen Pars trian- gularis einem rechten Winkel sich nähert. Jenes horizontale, etwa 4 Linie lange Knochenplättchen besitzt wegen der ein- gelagerlen Knochenerde eine weisse Farbe, und wird durch eine tiefe Furche der Länge nach getheilt; diese Furche ver- längert sich abwärts in die kleine Höhle der Spitze des Mit- telzahns. — Betrachtet man die Pars triangularis und das horizontale Knochenplättchen als Ein Ganzes, das zu- sammen den hohlen Mittelzahn bildet, so ist die erstere dessen obere Wandung, das horizontale Plättchen dessen untere. Um die Bildung des zweizinkigen Mitielzahnes deutlicher zu machen, müssen wir noch einmal zu der untern Fläche der Pars quadrata zurückkehren, wie sie Fig. 4., 4 abgebildet ist. Diese zeigt vorne eine safrangelbe, hinten eine braungelbe, glänzende Farbe, und es hat ganz das Ansehen, als ob eine dünne Schicht des gelben Schmelzes darüber her läge. Den hintern Rand bildet eine starke, erhabene Quer- leiste (Fig. 4., 1) welche durch eine Furche in zwei Seilen- theile getrennt wird. Hinter dieser erhebt sich eine Pyramide von dichter, braungelber, glänzender Hornsubstanz, welche 395 nach ‘hinten und oben, oder vielmehr in der natürlichen Lage des Magens nach unten steigt; ihr vorderer Rand bildet eine scharfe Kante. welche sich weiterhin in zwei Zinken spaltet, und so die beiden Spitzen des Miltelzahus bildet. Dieser hat eine Höhe von etwa 1 Linie; seine hintere Fläche stösst bei- nahe an die hintere Wand des Sattels, wo dieser in den Pfört- nertheil des Magens übergeht; man sieht ihn durch dessen Wandungen durchschimmern. Der Mittelzahn ist ganz hohl, wie aus der Beschreibung seiner einzelnen Theile erhellt, selbst bis in die feinen Zinken hinaus. Oefters findet man in älte- ren Magengerüsten die eine oder andere Zinke dieses Zahnes abgeschliffen oder abgebrochen, als Beweis, dass hier eine nicht unbedeutende Reibung stattfinden muss, und dass es nun an der Zeit ist, wo statt des allen abgenützten Zahnes ein neuer sich bildet. . Vor dem Sattel, zu dessen beiden Seiten, läuft schief gegen vorn und unten, und zugleich nach aussen zu ein star- ker Knochenbalken (Fig. 2., 1 und Fig. 1., 6), der unter dem äussern seitlichen Ende des Querbalkens endigt; ich will ilın den Seitenwandknochen nennen, weil er einen gros- sen Theil der Seitenwandung des Magens bildet. Seine Form ist unregelmässig (Fig. 6.), elwas pyramidenförmig; man kann an ihm einen innern, in die Magenhöhle gerichteten Theil, und einen äussern unterscheiden. Der letztere ist mit dem vorderen seitlichen Rande des Sattels, sowie mit dessen gan- zem unteren Rande fest verwachsen, und er zerfällt wieder in einen oberen und einen unteren schmalen Theil. 4) Der obere Theil stellt einen nach aussen gewölb- ten, ziemlich schmalen Balken dar (Fig. 6.,1, Fig. 2., 1), wel- cher, hinten breiter, gegen vorne schmal zuläuft, und sich in eine stumpfe Spitze oder vielmehr ein kleines Köpfchen en- digt, das mit einem andern Knöchelchen, wovon bald die Rede sein wird, arlieulirt. Sein hinterer Rand ist eiwas convex, und läuft, nachdem er bis zum untern Rande des Saltels her- abgesliegen, in gerader Linie nach vorn; sein vorderer Kand 396 ist schwach concav bis an das vordere Gelenkköpfchen ausge- schweift. An den letzteren setzt sich das Epithelium, mittelst dessen er sowohl mit dem Seitenrande der Pars quadrata als auch mit dem hintern Rande des Querbalkens in Verbindung steht. — Die Länge dieses Theils belrägt 2 bis 3Linien. Er, wie. überhaupt dieser ganze Seitenwandknochen, enthält viele Knochenerde, und ist von weisser, etwas in’s Blaue spielen- der Farbe. 2) Der untere Theil (Fig. 6., 2), von aussen betrachtet, stellt eine schmale längliche Platte von weisser Knochensub- stanz dar, welche unter einem etwas spitzen Winkel von dem obern Theile nach innen und unten abspringt. Sie erstreckt sich von dem äussersten Ende des obern, balkenförmigen Theils, gerade nach hinten laufend, bis zum hintern untern Winkel des Sattels, und ist an ihrer hintern Hälfte ganz mit dem un- ter: ande des Sattels zusammengeschmolzen, so dass sie sich von diesem nur durch ihren starken Gehalt an Knochenerde, somit durch grössere Dichtigkeit und Härte unterscheidet. — Die äussere Oberfläche dieses Theils ist durch mehrere kleine Knochenleisten rauh und uneben, und nach hinten zu nimmt sie die Form einer Rinne an, welche mehrere nach innen ge- hende Löchelchen zeigt; dies ist der hintere Rand der langen Zahnleiste, welchen diese nach aussen kehrt, — wovon unten melır. — Der vordere Theil dieses Plättchens, welcher! mit dem vordern Theile des obern länglichen Knochenbalkens ver- wachsen ist, ist am slärksien nach innen gepresst, so dass er auf der innern Fläche einen Vorsprung (Fig. 4., 4, Fig. 7.,5), eine längliche Leiste bildet. Der innere, in die Magenhöhle gerichtele Theil des Sei- tenwandknochens lässt sich erst deutlich erblicken, wenn man den grossen Magensack vorne geöffnet und zu beiden Seiten auseinander geschlagen hat (Fig. 4., Fig. 7.). Hier fällt einem sogleich auf beiden Seiten eine starke Zahnleiste von gelber Farbe us Auge, die sich von oben und vorn nach unten, hinten und etwas nach aussen zu in die Magenhöhle. herab- 397 erstreckt. Sie ist eigentlich nichts als der untere und innere Rand desjenigen unlern Theils des Seitenwandknochens, der sich nach innen und unten beugt, und welchen wir schon oben betrachtet haben. — Von innen betrachtet zeigt der Seiten- wandknochen drei Flächen, wovon die beiden oberen in der Mitte unter einem spitzen Winkel zusammenstossen, die dritte unterste aber unter einem sehr stumpfen Winkel nach unten herabgeht. Diese letztere ist von gelblicher Farbe, versehmilzt mit dem Seitentheile des Sattels und besteht gleichfalls aus dichter, elastischer Hornsubstanz, bekömmt aber gegen vorn und unten Knocherde. ‘Von den beiden oberen Flächen ist die hinterste die innere Fläche des seitlichen obern Balkens (Fig. 2., 1, Fig. 4.. 8), die vorderste die des schiefen, nach innen gerichteten Plättchens (Fig. 6., 2), und ihr Rand nach vorce zu bildet jene Leiste, von der schon oben die Rede war. — Die Abbildungen, und noch mehr die Vergleichung mit der Natur ‘werden diese Beschreibung deutlicher machen. Die grosse Seitenzahnleiste hat eine Länge von 2Li- nien und. mehr, ihre Breite beträgt ein Drittel-, selbst eine halbe Linie. Ihre Zähne sind gelb, an der Spitze bräunlich (Fig. 4, 5, Fig. 7., 3), und von verschiedener Grösse und ‚Richtung. Die drei obersten sind nach innen und unten ge- richtet, und sind zugleich die stärksten, doch nehmen auch sie von oben nach unten an Grösse ab; nach aussen von dem dritten, also ganz ausserhalb der Reihe, sitzt eine ähnliche, ‘ doch etwas kleinere Zahnspitze (Fig. 4., 12), welche nach aussen und unten gerichtet ist. Vom dritten Zahne an dreht sich die gezähnte Fläche etwas um ihre Längenaxe, so dass jetzt die Zahnspitzen von oben und hinten nach unten und vorne sehen; zugleich wird die Zahnfläche breiter, und die Zähne verwandeln sich in Zahnkerben, dieser sind etwa sechs bis sieben, werden nach unten allmählig schmäler und klei- ner, so dass die letzten kaum deutlich zu unterscheiden sind (Fig. 4., 12). Jede Zahnleiste tritt von ihrer Seite so weit gegen das Innere der Magenhöhle herein, dass sich die Zalın- 398 spitzen oben und vorne beinahe berühren, nach unten und hinten zu siehen ‚sie aber etwa eine Linie von einander ab. Da der unterste und hinlerste Theil.der Seitenzahnleisten den zweizinkigen Mittelzahn beinahe erreicht, so schliessen alle drei zusammen die Magenhöhle fast gänzlich, der letztere hin- ten herein, die. langen Zahnleisten von beiden Seiten. — Den aussen auf der Seitenfläche des Magens sichtbaren Theil der Seitenzahnleiste habe ich bereits oben betrachtet. Er stellt eine Rinne dar, welche bei grossen Krebsen deutlich zu sehen ist, und von der äussern weichen Schleimhaut ausgefüllt wird, Nach Entfernung dieser Membran erscheinen auf dem: Grunde der Rinne (Fig. 6..-3) sechs bis acht kleine Löchelchen, wel- che in die einzelnen Zahnspitzen führen. Kehren wir nun, um die letzten Theile des Magengerüstes kennen zu lernen, zur äussern Oberfläche desselben zurück. Hier zeigt sich ein kurzes aber starkes Knöchelchen am äus- sersten Ende des Querbalkens (Fig. 2., 2), welches diesen mit dem vordern Ende oder dem Gelenkköpfehen des obern Bal- kens des Seitenwandknochens in Verbindung bringt. Wegen seiner Achnlichkeit mit einem Römischen S wollen wir es das Sförmige Knöchelehen nennen. Mit seiner breiten Basis legt es sich aussen an den vorderen Rand des Querbalkens, und ist mit diesem durch einen feinen elastischen Knorpelstrei- fen so verbunden, dass es dort auf und ab bewegt werden kann; es steigt dann, schmaler werdend, gerade herab, und beugt sich zuletzt um das Gelenkköpfchen des Seilenwandkno- ehens, mit dem es durch das Epithelium verbunden ist, herum. Seine Farbe ist weiss, zuweilen etwas bläulich. Bei der Betrachtung der weichen, zarten Theile des Ma- gens, welche an dem Gerüste befestigt sind, mache ich mit dem grossen Magensacke den Anfang. Dieser begreift. den grossen, blasenförmig ausgedehnten Theil des Magens (Fig. 2., 11), welcher vor und ‚neben der Decke herabhängt. Der kurze 399 aber weite Oesophagus sleigt von der Mundöflnung gerade nach oben, und erweitert sich nun, indem seine Wände auf allen Seiten hin, besonders aber nach vorne auseinanderwei- chen, in den blasenförmigen Magensack. Dieser setzt sich‘ an den vordern Rand der Decke, des Sförmigen Knöchelchens und den untern Rand des Seitenwandknochens. — Auf der vergrösserten Abbildung (Fig. 2., 8,11) ist er von seinen Con- tenlis ausgedelint dargestellt, welche durch die Hornmembran durchscheinen. Oben, zu beiden Seiten des Magensackes, ha- ben die Süäckchen (Fig. 2., 8, 10) ihre Lage, worin sich die Krebssteine bilden. — Sie sind kreisrund, haben im Durchmesser anderthalb bis zwei Linien, und werden durch eine Duplicatur des Epitheliums gebildet, indem letzteres an dieser Stelle in zwei Blätter auseinanderweicht. Das vordere Blatt ist sehr zart, und bloss wenn die Steine noch klein und dünn sind, deutlich zu erkennen. Zu andern Zeilen geht es mit der Schleimhaut ab, wenn man diese lospräparirt, und der Stein fällt aus dem geöffneten Säckchen. Unter jenen Umständen aber gelang es mir öfters, die vordere Wandung zu öffnen und das Säckchen aufzublasen, so dass es sich halb- kugelförmig erhob. Sind nach dem Abgange der alten Krebs- sleine noch keine neuen gebildet, so scheint das Säckehen gar nicht zu exisliren, die Stelle aber wird durch eine zarle kreis- runde Linie angezeigt. An den Magensack schliesst sich nach hinten als seine Fortsetzung ein anderer Theil des Epitheliums an, welcher nicht mehr nach aussen gewölbt ist, sondern gerade herab und etwas nach innen läuft, und durch mehrere Knochen- und Knorpelstrahlen, welche in ihm eingelagert sind, gestützt wird. Hier fällt zuerst ein rundliches Plättchen in’s Auge (Fig. 2., a, 7; Fig. 7., 9; Fig. 9., 1), welches besonders auf der innern Magenfläche deutlich zu sehen ist. Es liegt elwa eine Linie unter dem Seitenwandknochen, und erstreckt sich weit nach vorne; dasselbe ist ziemlich dick, von weisslicher Farbe, besonders hinten, und scheint aus einer dünnen Knor- 2 400 pellamelle zu beste dasselbe in seiner Lage zu erhal- ten, sind mehrere Kibelenetrahlen an seinem hintern und obern Rande angebracht. So läuft vom vordern Ende des Seiten- wandknochens an ein Knochenstrahl (Fig. 2., 3) schief nach unten und hinten, und hier sieht man einen gelblichen Zahn durchscheinen, welcher auf der innern Magenfläche aufsitzt (Fig. 7., 8 von innen). — Gleich hinter diesem Zähnchen findet sich ein kreisförmig aufgerolltes Knochenbögelchen (Fig. 2., ß, 4), und dieses geht in einen lang ausgezogenen Kno- chenstrahl über, welcher hinter dem runden Seitenplättchen, parallel mit dessen Rande, bis zu seiner untern stumpfen Spitze herabläuft (Fig. 2., 5; Fig. 9., 2). Hinter diesem Strahle, - mit ibm. parallel, läuft ein anderer Knochenstrahl (Fig. 2., 3 6) herab, der bei näherer Betrachtung aus zwei sehr feinen Strei- fen besteht, wovon der hintere aus dichter Knorpel-, der vor- dere aus diehter Knochensubstanz besteht. Sie enden oben in ein ovales Köpfehen von Knochensubslanz, und auf dieses geht schief von oben und vorn ein schmaler, geschlängelter Kno- chenstrahl herab, der mit seinem obern Ende hakenförmig über den untersten Rand des Seitenwandknochens in die Rinne der Seitenzahnleiste herübergreift (Fig. 2., %, 7). Alle diese Theile zusammen bilden nun eine Art Rahmen, in welchem das runde Seitenplätichen ausgespannt ist. Es bleibt uns jetzt noch der Kiel oder Boden des Ma- gens zur Betrachtung übrig, die Art und Weise, wie der Ma- gen unten geschlossen ist. Von dem Oesophagus an geht das Epithelium weiter nach hinten, und verbindet, als eine schmale Brücke, die Knochenstrahlen mit einander, welche jederseits am hintern convexen Rande der runden Seilenplättchen herablaufen (Fig. 9.,2; Fig. 5.,1). Diese stehen unten auf dem Boden’ des Magens etwa eine Linie auseinander, gegen hinten weichen sie je- doch etwas mehr nach aussen ab. In dem Epithelium, welches sie verbindet, liegen zwei zarte Knochenstrahlen, welche vome in einem spilzen Winkel zusammenstossen, so dass sie sich bei- nahe berühren nach hinten aber auseinanderweichen, und somit 401 ein dreieckiges Stück des Epithelium umschliessen (Fig. 5., 2, Fig. 9.,3). Bei sehr grossen Magen erstrecken sich diese beiden Knochenstrahlen noch weiter nach hinten, und nähern sich dann wieder etwas (Fig. 5., 2). Weiter nach hinten zu steigt das Epithelium aufwärts in die Höhe (Fig. 5., 3), und bildet so eine Einstülpung in’s Innere des Magens, welche ich wegen ihrer Form diemützenförmige Klappe oder Mütze schlecht- weg nennen will. Diese ist ganz weich, denn das Epithelium, welches sie bildet, ist ziemlich aufgelockert. — Von vorne, vom Innern der Magenhöhle aus betrachtet, erblickt man den obern. Rand der Mütze, welcher zwei nebeneinanderliegende Halbbogen bildet (Fig.7., 10) und gewimpert ist; von da aus geht das Epithelium nach hinten, die Decke der Mütze bil- dend, welche durch eine schwache Furche längs ihrer Mittel- linie getheilt wird, und endet hinten in eine stumpfe Spitze (ähnlich dem Zipfel einer Mütze), welche noch etwas weiter nach hinten ragt als der zweizinkige Mittelzahn (Fig. 8., 1, von hinten). Wie die Mütze durch ein Einschlagen der Mem- bran von unten entsteht, so ist diese auch zugleich von vorne nach hinten zu eingeschlagen, ‘so dass unter dem obern Rand eine Höhlung nach hinten sich erstreckt, bis zur hintern Spitze. Von dieser letztera aus steigt das Epithelium in einem spitzen Winkel nach unten und vorne so dicht hinter dem aufstei- genden Blatte herab, dass sich beinahe beide berühren. Zwi- schen beiden ist somit ein schmaler Zwischenraum, welcher von der Schleimmembran ausgefüllt wird. Schneidet man den Pförtnertheil des Magens hinter dem Sattel auf (Fig. 8.), so sieht man, wie der hintere Rand der Mütze eine gerade, nach unten steigende Kante bildet, in welche die beiden Seitenflä- chen und die obere oder die Decke der Mütze zusammenlau- fen. Da die Mütze nichts ist als eine Hautfalte, so lässt sie sich auseinanderziehen, wodurch ihre Form sich ganz ver- ändert. Auf dem Boden des Magens erblickt man aussen an der Stelle, wo sich das Epithelium nach innen schlägt, um die Mäller's Archiv. 1840. 26 . 402 Mütze zu bilden, zwei kurze, ziemlich stärke Knochenstrahlen (Fig. 5., 4, vergrössert dargestellt), welche hinten durch eine Querbrücke von knorpelarliger Beschaffenheit, mit einem Kno- ehenpunkte in der Mitte, verbunden werden;'sie dienen diesem Theile zur Stütze, Die Mütze bildet den Grenzpuokt der eigentlichen Magen- höhle, und den Anfang des Pförtnertheils, nämlich derje- nigen Portion, welche den übrigen Magen mit dem Darmkanal verbindet. Während die obere Fläche des Magens horizontal verläuft, die untere aber vom Schlund an nach oben steigt, beugt sich dagegen der Pförtnertheil unter einem stumpfen Winkel nach unten (Fig.2.,6). Er hat im Ganzen eine Länge von drei bis füof Linien, je nach der Grösse des Thiers, und wird auf seiner inneren Fläche von dem Epithelium überzo- gen, welches in viele Runzeln und Falten zusammengelegt ist, Hinter dem Sattel bildet die obere Wandung der Pars pylo- rica eine Wölbung (Fig. 2., 6), und läuft dann schwach wel- lenförmig bis zum Ende herab. Als Stützen dieses Theils die- nen zu beiden Seiten zwei dünne Knochenstrahlen (Fig. 2., 3; 8,9) wovon der obere fast horizontal nach vorne, der un- tere aber bogenförmig gekrümmt gegen ‚den obern hinaufläuft, — Die Basis des Pförtnertheils bekommt eine dickere, halb- knorpelarlige Wandung; ganz vorne nämlich. liegt quer her- über eine knorpelartige, wahrscheinlich aber aus Hornsubstanz bestehende Wulst (Fig. 5., 5, Fig. 7., 11), welche durch eine Furche auf ihrer untern Fläche in zwei halbkugelförmige Theile getheilt wird. Am Seitenrande oben schlägt sich die Horulamelle, welche die untere Fläche gebildet, wieder nach unten, so dass hier eine Vertiefung entsteht, und die Wulst wie gerollt aussieht, und steigt dann wieder senkrecht nach oben, indem sie zu beiden Seiten in die Seitenwandungen des Pförtnertheils übergeht. Die Vertiefung der oben concaven Fläche dieses Wulstes wird von der Schleimhaut ausgefüllt. — An ihrem hintern Rande ist ein nach hinten vorspringen- der Theil, ähnlich einer stumpfen Spitze, in welchem: die Fur- 403 che auf der untern Fläche der Wulst endet (Fig. 7.). Diese Furche bildet in’s Innere der Höhle hinein eine hervorragende Leiste, und da auch die Seitenwände, besonders unten, stark sieh nähern, so wird das Lumen des Pförtnertheils dadurch stark verengert, so dass nur dessen oberer Theil, der etwas aufgeblasen und dünnwandig ist, den Speisen einen leichteren Durchgang gewähren kann. Hinter jener kugeligten Wulst befinden sich noch zwei zarte kurze Knochenstrahlen, an welchen, so wie an der stum- pfen Spitze der Wulst, der weichhäutige Darmkanal mit sei- ner kurzen engen Porlion (Fig. 9., 4) angeschiftet ist, und welche dieser noch als Stütze.dienen. — “An dieser Stelle reisst der Darmeanal sehr leicht vom Magen ab. Aus dem Bisherigen wird erhellen, dass der Magen des Krebses ziemlich complieirten Baues ist, und nur öftere Un- tersuchung und Betrachtung kann mit ihm vertrauter machen. Er ist ganz symmetrisch gebaut, indem er durch eine imagi- naire Längenaxe in zwei ganz gleiche Hälften getheilt wird. — Mehrere seiner einzelnen Theile sind doppelt vorhanden, andere bloss einfach; die letzteren sind, von vorne nach hin- ten gezählt: der grosse Magensack, die Decke, der Querbal- ken, die Pars quadrata, der zweizinkige Mittelzahn, der Sat- tel, die Mütze, und am Pförtnertheile die Wulst. Alle diese Theile aber, welehe an der untern Fläche oder in der Mitte der Magenhöhle liegen, zeigen doch eine Tendenz zur Thei- Jung in zwei Hälften; indem sie durch Längenfurchen getheilt werden, wie z. B, die Mütze, die Spitze des Mittelzahns, die Wulst. Nun bin ieh noch eine übersichtliche Schilderung der Magenhöhle selbst schuldig, wie sie dem blossen Auge er- scheint, denn das Mikroskop enthüllt uns auf der Magenhöhle so merkwürdige Erscheinungen, dass diese eine besondere Be: schreibung erheischen. — Die Magenhöhle zerfällt in drei Ab. 26° 404 theilungen, die von vorne nach hinten immer kleiner werden. Die vorderste.bildet der grosse Magensack; sie ist rundlich, und wird hinten und unten von dem hintern Theil der run- den Seitenplättchen, hinten und oben von den grossen Seiten- zahnleisten begränzt (Fig. 7., 5; 9). Vor und unler diesen sitzt jederseits ein dreispitziges Zähnchen von gelber Hornsub- stanz (Fig. 7., 7), dessen Spitzen gegen innen sehen. Zwi- schen diesen Zähnchen und dem untern Theile der grossen Zahnleiste sitzen zwei dicke Pinsel von dicht aneinander: lie- genden Haaren (Fig. 7., 12). Die innere Fläche der runden Seitenplättchen erscheint dem blossen Auge glatt, sein hinte- rer convexer Rand aber (Fig. 7., 9) ist deutlich mit einem dichten Wimperrande von ziemlich langen Haaren verschen. Da nun jene Haarpinsel gerade an der Stelle sitzen, wo der hintere Wimperrand des Seitenplättchens nach innen zu endet, so entsteht dadurch auf dem Boden dieser Abtheilung der Magenhöhle eine zusammenhängende Linie von Wimpern und Haaren, deren Spitzen nach hinten und innen gerichtet sind. — Nach aussen von der Zahnröhre der Seitenzahnleiste, ober- halb des Knochenstrahls, an dessen Ende das kleine dreispitzige Zähnchen aufsitzt (Fig. 7., 8), liegt ein Theil des Epithelium welcher etwas nach innen hervorgedrängt ist (Fig. 7., 6). Dem blossen Auge erscheint das Epithelium glatt, schwach gerunzelt, aber schon unter der Loupe erscheint es als eine Wulst von zarten, dünnen Haaren, mit nach unten und innen gekehrien Spilzen, wie auf der vergrösserten Abbildung (Fig: 7., 6) angedeutet ist. Zwischen den beiden Seitenzahnleisten und über ihren Knochenleisten, unterhalb des Querbalkens weg gelangt man in die zweite kleinere Abtheilung des Magens. Diese wird hinten von der Pars quadrata (Fig. 4., 1) und dem Mittel- zahne, zu beiden Seiten von der innern Fläche des Seiten- wandknochens, unten von der mützenförmigen Klappe be- gränzt (Fig. 7., 10). Zu beiden Seiten oben, zwischen dem 405 Seitenwandknochen und Querbalken ragt eine längliche Falte des Epithelium herein (Fig. 4., 10, Fig. 7., 13), welches ein- mal um seine Längenaxe gewunden ist, und an seinem innern Rande, neben der Pars quadrata, einen starken Haarpinsel bil= det, der schon ‘dem blossen Auge sichtbar ist. Unter dieser Falte, zu beiden Seiten des zweizinkigen Mittelzahns, liegt eine andere dichte Anhäufung von Haaren, deren Spitzen nach aus- sen sehen, und in einem Halbmonde (Fig. 4., 11) ein kleines, ovales Hornblättchen von gelbbräunlicher Farbe umgeben, wel- ches dicht hinter dem unteren Ende der Seitenzahuleiste im Epithelium aufsitzt (Fig. 4., 7). Die dritte Abtheilung ist die kleinste, und begreift den hinter der Mütze und dem Mittelzahne gelegenen Theil, d. h. die Höhle der Pars pylorica. Schneidet man diese von hinten der Länge nach auf, so zeigt sich gleich hinter der Mütze eine kleine, von beiden Seiten hereinragende Falte des Epitheliums, deren Enden an der Basis der Spitze beinahe zusammenstossen. Dieser Falte dient aussen der obere vordere Knochenstrahl zur Stütze (der Fig. 2.,8 von aussen dargestellt ist), so wie einem gewimperten Rande (Fig. 8., 1), der um jene Falte halbbo- genförmig herumliegt. Da diese beiden Wimperränder oben in der Mitte zusammenstossen, so entsteht dadurch hinter der Mütze "eine Art Wall, welcher in zwei halbbogenförmigen Li- nien, die Haarspitzen nach hinten gerichlet, das Zurücktreten der Speisen unmöglich machen muss. Weiter nach hinten zu, über der Wulst, ist der untere Theil der Seitenwände auf die schon oben, bei Ernährung der Wulst, geschilderte Weise stark hereingedrängt; oberhalb dieser Stelle ist ein zweiter, nach hinten conveser Wimperrand zu beiden Seiten (Fig. 8., 2), der dieselben Dienste leistet, wie die vorderen, Lage des Magens. Der Magen ist unmittelbar hinter der Stirne gelagert, so dass sein grosser blasenförmiger Sack im gefüllten Zustande 0 406 fast die ganze Breite des Kopfes einnimmt, Der Magensack liest hinler und über dem grossen Hirnganglion; seine untere Fläche liegt auf den smaragd- (häufiger prasem-) grünenDrü- sen. Vorn zu beiden Seiten des Magensacks, zwischen diesem und der Schale, liegen die oft sehr grossen Wassersäckchen, welche mit dem Gehörorgane in Verbindung stehen. Weiter nach hinten geht auf jeder Seite der grosse Kaumuskel her- auf, welcher die Mandibeln in Bewegung setzt. ‘ Hinter den grünen Drüsen steigt der Schlund herauf; ihn umgiebt links und rechts ein Nervenstrang, der nach vorn zu dem grossen Hirnganglion läuft. — Den freien Raum zwischen der Schale und dem hintern Theile des Magens nimmt die Leber ein, die den Darmkanal so wie den Pförtnertheil des Magens ganz be- deckt, so dass von: letzterem bloss der obere blasige Theil sichtbar ist. Ueber die Theile, welche den Magen bedecken, und die Häute, welche ihn zusammensetzen. Nimmt man die Schaale ab, so erscheint zuerst eine dichte, verschieden gefärbte und marmorirte Membran mit röthlichen Punkten dazwischen. Sie hat alle Eigenschaften einer fibrösen Haut. Durch Kochen in Wasser, wenn es auch nur zwei Secunden dauert, eben so durch Fäulniss und alcalische Lö- sungen färbt sie sich roth. ‘(Vergleiche über diese Membran Valentin in seinem Repertorium, I. 122.).. Sie überzieht alle Weichtheile des Körpers von aussen, geht z. B. am Tho- rax unter der Schaale bis an deren freien, gewimperten Seiten- rand, schlägt sich hier nach aussen und oben um, und über- zieht nun als weicheres, in seiner Natur etwas 'verändertes Blalt die Schaale. Sie ist mit den unterliegenden Theilen nicht sehr fest verbunden, sondern lässt sich schon durch Luftein- blasen in kleineren Strecken ablösen. An ihrer untern Fläche inseriren sich 'alle Muskeln, nirgends an der Schaale selbst. Muskeln des Magens. — Dieser sind zwei vordere und zwei hinlere. Die vordern Magenmuskeln befestigen 407 sich vorne an die hintere Fläche der Stirne; sie verhalten sich beide ganz gleich, wie auch die beiden hinteren. Jeder geht als breiter Muskelbauch nach hinten, etwas auseinanderwei- chend, und inserirt hinten mit einer schiefen Linie am vordern Rande des Querbalkens; die Decke ist somit ganz von ihnen bedeckt. Sie ziehen den ganzen Magen nach vorne, wenn die hinteren Muskeln unthätig sind, dagegen die Querbalken und mit ihm die Pars quadrata und den Mittelzahn allein, wenn ilıre Antagonisten sich contrahiren, und den hintern Theil des Magens, nämlich den Sattel, fixiren. Die hintern Muskeln, verhalten sich in Gestalt und Grösse wie die vor- dern, nur sind ihre Musxelbäuche etwas dünner. Sie inseri- ren am lintern Rande des Seitenwandknochens und der zar- ten Knochenleiste, welche den vordern Rand des Sattels bildet (Fig. 1., 5), und hier. stossen beide dieht zusammen. Nach hinten zu aber trennen sie sich, steigen zu beiden Seiten des Pförtnertheils nach aussen und oben, und befestigen sich mit- 1elst der Tunica fibrosa seitlich an den Brustschild neben den grossen Bäuchen der Kaumuskelo. — Untersucht man die Art von Bewegung, welche den einzelnen Theilen des Magengerü- stes möglich ist; so wird man finden, dass eine solche bloss in einer Richtung, von hinten nach vorne, ausgeführt werden kann: — Wird auf den Querbalken ein Zug nach vorne aus- geübt, wie dies durch die Wirkung der vordern Magenmuskeln geschieht, während die hintern Muskeln den Magen hinten fixi- ren, so wird auch die mit dem Querbalken fest verbundene Pars quadrata, und eben so das kleine hinter derselben lie- gende Knochenplättchen (Fig. 3., 2) gegen vorne bewegt; und die Pars triangularis (Fig. 3., 1); welche an dem Vorderrande ‚des Sattels, so wie am hintern Ende des Seitenwandknochens beweglich ist, steigt zugleich nach vorn und unten herab. Da nun diese leiztern Theile mit dem zweizinkigen Mittelzahn Ein ganzes bilden, so bewegt sich die Spitze desselben gleich- zeitig nach vorn und unten in die Magenhöhle herein. — Die Bewegung des Querbalkens wird aber dadurch möglich, dass 408 er jederseits mit dem Sförmigen Knöchelchen ein festes Gelenk bildet. Dieses bewegt sich, sobald ein Zug nach vorne auf den Querbalken wirkt, mit seinem obern Theile nach vorne, richtet sich gleichsam auf, und dreht sich mit seinem untern Ende etwas um das vordere Gelenkköpfehen des Seitenwand- knochens gegen hinten; mit ihm schiebt‘ sich nun der Quer- balken nach vorne. Diese Bewegung des letztern nach vorne, wird dadurch noch erleichtert, dass sich an seinem’ hintern Rande, zu beiden Seiten der Pars quadrata, ein breiter Theil des Epitheliums ansetzt (Fig. 1. 3), der so breit ist, dass die Membran im ruhigen Zustande des Magens eine Falte in’s In- nere der Magenhöhle hinein bildet (Fig. 4., 10, Fig. 7., 13). Sobald der Querbalken sich nach vorn bewegt, wird die Falte auseinandergezogen, und da das Epithelium auf der äussern Seite an dem Seitenwandkuochen inserirt, so wird auch auf diesen ein kleiner Zug ausgeübt. Da er aber nicht nach vorne rücken kann, seine Verbindung mit dem Seitentheile des Sat- tels dagegen eine kleine seitliche Bewegung erlaubt, so weicht er etwas nach innen. Damit ist nun zugleich eine freilich be- schränkte Bewegung der Seitenzahnleisten nach innen zu ge- geben, und diese rücken nun so nahe einander entgegen, dass sie sich mit den obern Zähnen, aber auch bloss mit diesen, berühren. Da nun gleichzeitig der Mittelzahn nach vorne rückt, so wird durch den einzigen Zug nach vorne die Ma- genhöhle fast gänzlich geschlossen. v. Bär (l. ec.) giebt an: der ganze Magen sei von einer Muscularschichte umgeben; — in der That gilt dies aber nur von der obern, und dem obern Theile der seitlichen Fläche des Magens, denn an den übrigen Stellen finden sich. keine Muskeln, und auch keine Muskel- haut. Nach Suckow (I. c.) sollen auch die starken: Kau- muskeln der Mandibeln während des Kauens auf die Magen- wände eine Wirkung ausüben, ohne dass jedoch, bei genauer Betrachtung ihrer Lage und Bewegung, einzusehen ist, wie dies geschehen kann; jene Muskeln heben bei ihrer Contraetion die Mandibeln, ihre starke harle Sehne bewegt sich von unten 409 nach oben, ohne auf die Seiten hin wirken zu können, ausser dass sie etwa die Schleimhaut des Magens leicht und oberfläch- lich streifen. Unter der allgemeinen fibrösen Hülle liegt, dem Magen ‚ selbst angehörig, eine weiche, weissliche, fast durchscheinende Membran, welche als eine unmittelbare Fortsetzung der freilich dickeren und consistenteren Schleimhaut des Darmkanals betrachtet werden kann. Ihre Dicke wechselt je nach dem Zustande des Magens zu verschiedenen Zeiten; bei einem voll- kommen ausgebildeten Magen ist sie sehr dünn, etwas durch- sichtig, und lässt sich bloss durch längeres Liegen in Wasser, wo sie aufschwillt und sich auflockert, oder durch Erhärtung in Aleohol und Säuren deutlich darstellen. Indem sie vom Darmkanal gegen den Magen zu läuft, wird sie schon an der kurzen engen Stelle des Darms, welche an den Pförtnertheil gränzt (Fig. 9., 4), dünner, noch mehr aber am Magen selbst. Diesen hüllt sie dicht ein, schmiegt sich überall eng an ihn an, schlägt sich in alle die mannigfachen Vertiefungen und Höhlungen seiner äussern Oberfläche hinein, z. B. über der Pars quadrata in. die Höhlung des Mittelzahns, welchen sie bis in die feinsten Spitzen hinaus ausfüllt; doch nimmt sie in diesen, wie auch in den Zähnen der Seitenzahnleiste, mehr die Beschaffenheit einer pulpösen Gallerte an. — Als höchst zarte Lamelle überzieht dieselbe den grossen Magensack; sie lässt sich‘ leichter vom Epithelium ablösen, wenn man den’ Magen 24—36 Stunden in Wasser hat maceriren lassen. Im'Wasser schwillt sie durch Aufsaugung desselben an, und auch hier- durch bestätigt sie ihre Natur als Schleimhaut, sowie dadurch, dass sie durch Kochen in Wasser sich verhärtet, etwas zusam- menschrumpft, ohne Leim zu bilden. — Unter dem Mikros- kope und dem Compressorium besteht sie bei 150facher Ver- grösserung aus lau'er kleinen, weisslichen, halb durchscheinen- den Kügelchen; von Drüschen, Bälgen u. s. f. konnte ich nichts entdecken. — Sehr oft zeigt die Schleimhaut an man- chen Stellen, besonders über der Pars quadrata, auf dem Pfört- 410 nertheile oben unregelmässige Flecken von azurblauer Farbe; sie bestehen unter dem Mikroskope aus kleinen runden Pig- mentkügelchen, welche in der Substanz der Schleimhaut ein- gelagert sind. Diese Membran ist der eigentlich belebte Theil des Magens; zur Zeit, wo sich ein neues Magengerüste bildet, steigert sich ihre Lebensthätigkeit, sie schwillt auf und ver- wandelt sich in eine wahre Membrana genitrix — In ihr ver- breiten sich sowohl die Nerven als die Blutgefässe, welche zum Magen gehen, deren nähere Beschreibung aber ich hier übergehen muss, um nicht zu weitschweifig zu werden. Unter der Schleimhaut und mit dieser nicht organisch verbunden, ist eine zarte aber doch zähe, durchsichtige, glatte Membran, — das Epithelium; wegen der Durchsichtigkeit ihrer Substanz scheinen die Contenta des Magens durch, Sie verbindet die einzelnen Knochen- und Knorpelstücke des Ma- gens unter einander, wie schon oben gezeigt wurde. — Da wo der Pförtnertheil in den Darmeanal übergeht, nimmt diese Membran ein Ende, eine ganz dünne Fortsetzung derselben überkleidet jedoch als höchst zartes Epithelium auch die In- nenfläche des Darmkanals, und lässt sich zuweilen ziemlich leicht von dessen Sehleimhaut abziehen. Das Epithelium be- steht, wie bei andern Thieren und an andern Theilen, aus Horngewebe, und zeigt alle Eigenschaften eines solehen. — In Salpetersäure, Schwefelsäure löst es sich auf, eben so in Aectzkali; in die Flamme gebracht verbrennt es schnell, färbt sich dabei schwarz und entwickelt den eigenthümlichen Ge- ruch des Horns. In Wasser längere Zeit macerirt, löst. es sich allmählig ganz auf. — Aehnliche chemische Eigenschaften zeigen die Zähne im Innern des Magens, so dass ich sie für blosse verdiekte und hartgewordene Hornplättchen halte; — im Aetzkali, in Mineralsäuren, besonders schnell in starker Schwefelsäure, erweichen sie, werden ganz biegsam, und lö- sen sich zuletzt ganz auf; sogar in Wasser lange Zeit macerirt, erweichen sie sich. Alle Eigenschaften des Zahnbeines oder gar des Zahnschmelzes gehen ihnen ab. 414 Ueber die Haarbildungen auf der innern Fläche des Epitheliums. Merkwürdiger Weise erscheint diese Membran in ihrem ganzen Umfange, so weit sie den Magen bildet, mit Haaren besetzt, deren Grösse und Gestalt ‚grosse Verschiedenheit zeigen. Sie sind deutlich mit einem Bulbus versehen, welcher in dem Epithelium wurzelt und verschieden entwickelt ist. Alle sind farblos, nie von einem Pigment gefärbt. glasartig durchsichtig; und, so viel sich unter dem Mikroskope erkennen lässt, rund. Ihre Spitzen sind im Allgemeinen nach hinten gerichtet, und haben auch manche, welche in starker Anzahl zusammenge- häuft sitzen, eine Richtung gegen innen, von links nach rechts und umgekehrt, so zeigen sie doch zugleich eine schwache Riehtung nach hinten, und nie kehrt ein Haar seine Spitze von hinten nach vorn. Ich werde die Haare nach den drei Abtheilangen der Magenhöhle im Einzelnen zu beschreiben suchen, Erste Abtheilung. Auf der innern Fläche des Oesophagus fehlen die Haare gänzlich; sie zeigen sich erst von da an, wo sich derselbe zum grossen Magensacke aufzublähen beginnt: “Dieser ist nur mit zarten, dünnen, relativ langen Haaren dicht besetzt, die bei einer 200fachen Vergrösserung schon ganz deutlich zu erkennen sind. Ihre Länge variirt von } bis 7, P. Lin., ihre Dicke an der Wurzel des borstenförmigen Haares z2; L. Manche Stellen schienen dieser Haare zu entbehren, und besonders fehlen sie auf der dem Steinsäckchen entsprechenden runden Stelle ganz (Fig.2.). Auch dieDecke ist von Haaren entblösst, dagegen erscheinen in ihr bei starker Vergrösserung deutlich Zellen dieht neben einander und von verschiedener, unregelmässiger Gestalt. Dagegen haben die Haare auf den runden Seitenplättchen (Fig-7., 9) einen hohen Grad von Entwicklung erreicht; hier 412 stehen sie dicht neben einander, besonders oben und aussen, und sind borstenförmig; Fig. 10., a, sind sie bei 600facher Vergrösserung abgebildet; ihr Bulbus ist ganz deutlich, er läuft gegen das hintere Ende wieder etwas schmal zu. Die Länge eines- solchen Haares beträgt etwa +; L., bald etwas mehr, bald etwas weniger, die Dicke unten „!; L. Die Spitzen sind nach innen und hinten gerichtet. — Zwischen dem drei- spitzigen Zähnchen und dem obern Rande des Seitenwändkno- chens (Fig. 7., 6) sind sie in einer Art Hügel zusammenge- drängt, bilden gleichsam einen länglichen Wulst. — Die Stelle; wo sie zwei dicke Pinsel zusammensetzen, wurde schon oben beschrieben. — Der untere und hintere Rand der runden Sei- tenplättchen (Fig. 7., 9) ist gewimpert; die einzelnen Wim- perhaare, welche schon dem blossen Auge sichtbar sind, ha- ben eine bedeutende Länge, + bis + L, — Bei genauer Be- trachlung entdeckt man dicht hinter diesem Wimperrande einen zweiten mit elwas kürzeren, dünneren Haaren, dessen Cilien innen auf dem zarten Knochenbogen am hintern Rande des Seitenplättchens aufsitzen. Höchst merkwürdig, vielleicht einzig in ihrer Art, sind die Haare auf dem Boden des Magens, vor der mützenförmi- gen Klappe, beschaffen. Der Theil des Epitheliums nämlich, welcher die zwei in einen spitzen Winkel nach vorn sich ver- einigenden Knochenstrahlen auf dem Kiele des Magens zunächst, umgiebt (Fig. 5., 6), erscheint dicht besetzt mit kurzen Haar- büschelehen, welche schon bei einer 200fachen Vergrösserung ziemlich deutlich werden, und sehr verschiedene Aggregations- zuslände zeigen, wie auch ihre Länge und Dicke grossem Wechsel unterworfen ist, doch beträgt die erstere im Mittel >; bis 7; L., die Dicke unten an der Wurzel „1; bis 4, L. Die einen sind dieht zusammengedrängt in kurze Pinsel, ähn- lich den einzelnen Borstenbündeln einer alten abgenützten Bürste, so dass die Spitzen der Haare vorn auseinanderwei- chen, an der Basis aber zusammengedrängt sind (Fig. 12., a), ohne jedoch einen gemeinschaftlichen Stamm oder Stiel zu 413 bilden. Andere, und diese sind die kleinsten, sind in längere gerade Reihen dicht zusammengestellt, so dass 15 bis 20 bor- stenförmige Haare mit ihren Wurzeln neben einander stehen. — Die merkwürdigste und zugleich zahlreichste Form ist diese: Zehn bis zwanzig Haare sind an der Spitze von ein- ander getrennt, fliessen aber nach hinten zu mit ihrer Basis in einen gemeinschaftlichen Stamm zusammen, an welchem dann keine einzelnen Haare mehr zu unterscheiden sind. Fig. 12., 5 sind diese bei 200facher, Fig. 12., ce bei 400facher Vergrösserung dargestellt. — Auch bei dieser Form übrigens, welche mit Kehrbesen Aehnlichkeit hat, fand ich nicht nur die Grösse, sondern auch die Bildung des Bulbus wie des vor- dern Endes verschieden. Oft waren es blosse Haarstrünke, die vorne nicht in einzelne Haare zerfielen, sondern der kurze, relativ dieke Haareylinder war an seinem vordern Ende der Länge nach gespalten, und zeigte gleichsam zwei Fortsätze, der eine nicht viel kürzer als der andere. Das Gleiche war am Bulbus, welchen eine deutliche Querlinie, vielleicht eine Furche, vom Stamme selbst trennte, der Fall, er erscheint der Länge nach gespalten. Bei vielen glaubte ich an dem gemein- schaftlichen Stamme oder Haarcylinder, in welchen die ein- zelnen Haare zusammenzufliessen schienen, doch eine deutliche Streifung der Länge nach, und somit die einzelnen Haare un- "terscheiden zu können. — Die Spitzen aller dieser Haarformen sind gegen innen, d. h. gegen den Knochenstrahl zu gerichtet; sie sehen also einander gerade von beiden Seiten entgegen. Dadurch, besonders da sie auch zugleich etwas nach hinten zu sehen, müssen sie das Aufwärissteigen der Contenta gegen den obern Theil der Magenhöhle, so wie deren Rücktritt er- schweren, und passen zu diesem Zwecke besser als lange, ein- fache, borstenförmige Haare. Thatsache ist es, dass man die Holzfasern, die Gräthen kleiner Fischchen u, s. f., welche nach Auflösung der Weichtheile im Magen zurückbleiben, fast bloss auf dem Grunde desselben, fast nie oben antrifft, oder doch in schr unbedeutender Menge. Gegen vorne enden diese 414 B sonderbaren lHaarformen in einer spitz zulaufenden, ein Drei- eek bildenden Linie, und es treten wieder einfache zarte Haare auf, die mit denen des Magensacks übereinstimmen; das glei- che ist der Fall nach hinten, gegen die Mütze zu, wo übri- gens die Haare in stärkerer Anzahl dicht neben einander ge- drängt stehen. Die Art der Beleuchtung, der Grad der Feuchtigkeit oder Trockenheit des Epitheliums hat auf das Aussehen jener zu- sammengesetzten Haarbüschelchen unter dem Mikroskope einen grossen Einfluss. Als ich dieselben vor mehreren Jahren das erste Mal entdeckte, war zufällig das Epithelium trocken, und ich erblickte nun eine Menge schmaler Gylinder in äusserst zierlicher Anordnung gleichsam in lange zarte Aeste mit kur- zen Zweigehen zusammengestellt, fast wie bei einem Lycopo- dium. Durch das Eintrocknen scheinen die Spitzen der ein- zelnen Haarbüschelehen. zusammenzukleben, so dass diese oft eine verschiedene, gegen einander gekehrte Richtung anneh- men,' wie auf Fig. 12., e.e Am deutliehsten sieht man sie, wenn ‚man das Epithelium feucht unter das Compressorium bringt, und zuvor alle Luftbläschen sorgfältig wegdrückt. Bei einer Vergrösserung von 600 Mal im Durchmesser glaubte ich öfters eine ganz andere Beschaflenheit jener Haar- formen zn entdecken. Das, was sonst als der gemeinschaft- liche Stamm der Haare erschien, zeigte sich nun als hohler Cylinder, in welchen die Haare, meist in 2 Hauptbündel geordnet, von unten eintraten und oben auseinander slrahlten (Fig. 12., d). Der Cylinder schien durch eine Verlängerung des Epitheliums gebildet zu werden; sein oberer Rand wurde durch eine dunkle Linie angedeutet, welche quer über alle einzelnen Haare herüber lief. Erst weitere Untersuchungen werden völlig hierüber aufklären, sollte sich aber das letztere bestätigen, so hätten wir eine Bildung, welche fast das Mittel zwischen einer‘ Feder und einem Haare hielte. Valentin (Repertorium für Anat. und Physiol. I, 1836. S. 115.) machte diese Formalionen zuerst bekannt. Seine Abbildungen stimmen 415 jedoch nicht ganz mit der Natur überein, auch seiner Beschrei- bung der Haarbüschel kann ich nieht überall beipflichten. Er giebt an (S. 115. 119 u. s.. f.), diese Haare alle hätten auf der Schleimhaut ihren Sitz, und dies könnte zu Missver- ständnissen führen; denn nicht auf ihr, sondern bloss auf dem Epithelium sitzen die Haare. — Auf Valentin’s Abbildun- gen möchte auch der gemeinschaftliche Stamm der Haare rela- tiv zu der Grösse der Haarspitzen etwas zu dick und zu lang sein, auch finden sich meistens mehr einzelne Haarspitzen, als man nach jenen Abbildungen vermuthen könnte. Allerdings scheinen öfters bloss drei, vier Haarspitzen da zu sein, wie ich auf Fig. 12.,,f einige abbildete; unter dem Compressorium aber zerfällt jedes dieser dickeren Haare in mehrere dünnere. Valentin behauptet ganz fest, dass zuerst bei der Entstehung die Haare büschelförmig strahlig von der Zwiebel auslaufen, und dann der Stiel sich hervorschiebe und emporwachse; er bildete auch jene erste Entwickelungsperiode, wo den Haar- büscheln der Stiel noch fehlt, ab. Ich vermuthe aber, dass wir über den Entwickelungsgang dieser Haarformen noch zu wenig sichere Data besitzen, und dass jene erste Entwicke- lungsform Valentin’s eher eine ganz andere für sich beste- hende und permanente Haarformation sein möchte (Fig. 12., aa). Hiefür spricht schon der Umstand, dass diese Bildung beinahe ausschliesslich nach innen gegen den Knorpelstrahl zu sich vorfindet, während auf demselben Exemplare nach aussen zu die scheinbar gestielten Haarbüschel vorherrschen. — Sollte sich jene Entdeckung, dass die Haarbüschel durch eine cylin- derförmige Verlängerung des Epitheliums hinauslaufen, und so das Aussehen von gestielten Haarbüscheln erhalten, bestätigen, woran ich kaum zweifle, so ist wahrscheinlich, dass zuerst jener Cylinder auf dem Epithelium sich erhebt, und später die Haare in seinen Kanal sich erheben. Denn ich fand bei neu- gebildeten Magen viele solcher scheinbaren Cylinderchen (Fig. 412., g), an deren oberer Oeflnung kaum einige Haar- spitzen za sehen waren. Ich bin jedoch weit entfernt, etwas* 416 Festes behaupten zu wollen, und kann meine Ueberzeugung nicht verhehlen, dass exst fortgesetzte Beobachtungen die Na- tur so wie die Entwickelangsweise dieser Haarformen in kla- reres Licht setzen müssen. — Eine Schwierigkeit, die sich mir. bis jetzt entgegenstellte, kann ich nieht unerwähnt las- sen. Wenn sich nämlich ein neuer Magen über dem alten bildet, so hängen beide gerade da, wo sich jene Stelle des Fpitheliums, welche diese merkwürdigen Haare trägt, befindet, am innigsten und längsten zusammen, und die Schleimhaut, welche das neue Epithelium erzeugt, hängt hier besonders so innig mit letzterem zusammen, dass man sie kaum so ablösen kann, um eine durchsichtige, dem Mikroskope gehörig zugäng- liche Membran zu erhalten, und somit lassen sich die ersten Entwickelungsstadien dieser Haare nur schwierig entdecken. Der schmale dreieckige Raum, den jene Knochenstrahlen umschliessen (Fig. 5., 7; Fig. 9., 3), ist mit zarten kur- zen Haaren besetzt, deren Länge bloss etwa ;'; Linien be- trägt. Sie sind borstenförmig, an der Spitze stark gebogen, stehen meist zu 3 oder 4 beisammen, die Spitzen nach hinten gerichtet. Zweite Abtheilung. Die mützenartige Klappe auf dem Boden der Magenhöhle (Fig. 7., 10; Fig. 8.) ist auf ihrer ganzen Oberfläche mit star- ken aber ziemlich kurzen gekrümmten Haaren besetzt; ihr Wimperrand besteht aus langen, dünnen, enge an einander gepressten Cilien. Eine starke Ansammlung von Haaren, wel- che das Hornplättchen neben der Seilenzahnleiste (Fig. 4.,7) in zwei hintereinander liegenden Halbkreisen umgeben, wurde schon oben erwähnt; die einzelnen Haare sind sehr lang, und schon dem blossen Auge sichtbar. — Die Falte des Epithe- liums zwischen dem Querbalken und Seitenwandknochen (Fig. 4., 10) zeigt an ihrem innern Rande neben der Pars quadrata lange, dem blossen Auge sichtbare. Wimperhaare;. breitet man die ganze Falte aus, so erscheint sie unter dem Mikroskope ‚zierlich in schmale Längenfalten gelegt, die längs ihrem Rande 47 mit kurzen Haaren dicht besetzt sind, während die übrige glatte Fläche dazwischen mit noch kürzeren und dünneren Haaren versehen erscheint. Das Epithelium, so weit es sonst noch zur Bildung dieses Theiles der Magenhöhle beiträgt, ist mit einfachen, langen Haaren bedeckt, die auf dem Grunde des Magens immer am dichtesten beisammen stehen. Dritte Abtheilung. Auch hier wird das Epithelium von langen dichten Haa- ren überdeckt, die fast dieselbe Beschaffenheit zeigen wie die des grossen Magensackes. Sie stehen oft zu zwei oder drei beisammen, mit andern einzeln stehenden dazwischen. Die innere Fläche des Sattels besitzt keine Haare. Einen sehr hübschen Anblick gewährt die halbkugelför- mige Wulst (auf der untern Fläche des Pförtnertheils, Fig. 7., 41; Fig. 9., 5) unter dem Mikroskope. Auch bei einer we- niger bedeutenden Vergrösserung, etwa von 120 mal im Durch- messer, erblickt man auf ihrer Oberfläche eine herrliche Zeich- nung von Streifen neben einander, welche streng parallel un- ier einander von vorn nach hinten laufen; es sind Haare von 4 bis 2 Linien Länge und etwa zi, Linie Dicke, die nach hinten laufen und hier, am Ende der Wulst, mit einer nur etwas dünneren Spitze enden (Fig. 11., @). Bei einer Ver- grösserung von 250 Mal sieht man, dass diese Haare unter einander durch höchst zarte Querfasern verbunden werden (Fig. 11., 5); diese erscheinen oft, besonders bei feuchten Präparaten, am freien Schnittrande, in einzelne, nach vorne spitzig zusammenlaufende Bündel geordnet, welche einander dachziegelförmig decken (Fig. 11., ec). Aussen überzieht die ganze Wulst eine höchst zarte, durchsichtige Membran. Mit dem Ende des Pförtnertheiles hören auch die Haar- bildungen auf. — Doch zeigt auch das Epithelium des Darm- kanales Haare, und zwar von zweierlei Art. Die eine be- schrieb schon Valentin (I. ce. S. 117.); sie sind schr kurz, an der Basis diek, hakenförmig gebogen, und stehen meist zu drei bis vier beisammen. Am obern Theile des Darmcanales Müller’s Archiv. 1840. 27 418 fand ich auch noch andere, viel längere (die Länge beirug etwa - Linie), borstenförmige, nnd diese stehen einzeln da und dort zerstreut, ‚die Spitzen, wie immer, nach hinten gerichtet. Die Grösse aller dieser Haare, wie sie bisher beschrieben worden sind, richtet sich durchaus nicht nach der Grösse des Individuums, in, dessen Magen sie vorkommen; bei kleinen Krebsen sind sie eben so lang und dick, als bei den grösse- sten. — So viel ich entdecken konnte, liegen sie fast horizon- tal auf dem Epilhelium auf, und entfernen sich mit ihren Spitzen fast gar nicht von dessen Fläche. — Ueber ihre Ent- wickelungsstadien, ‚die Art ihrer Entstehung getraue ich mir noch nichts Bestimmies zu äussern. Es ist schwer, die ersten Anfänge derselben vor Augen zu bekommen, wenigstens fand ich auch in ganz neu gebildeten Magen, welche noch als eine Art Ueberzug den ganzen alten Magen umgeben, immer die Haare bereits fast völlig ausgebildet, und zwar an allen den Stellen, wo sie auch später vorkommen. — Nur schienen sie da und dort etwas kürzer, an der Wurzel dicker, ihr Bulbus deutlicher als später. Dies bemerkte ich besonders auf den zunden Seitenplättehen, wo sie oft um die Hälfte kürzer wa- ren, auch verliefen sie in keine lange dünne Spitze, sondern blieben bis an die. Spitze ziemlich diek, Einige haben das Aussehen von länglichen, relativ zur Länge ziemlich dieken Kegeln mit rundlicher Spitze. An ihren Seitenrändern zeigen sich da und dort dunkle, unregelmässige Stückchen einer Mem- bran, — vielleicht Trümmer des zerrissenen Epitheliums, die an. dem durchgebrochenen Haare hängen blieben? — Ob diese Haare noch in irgend einem organischen Zusammenhange mit einem Hlaarbalge stehen, wage ich nicht zu entscheiden, doch ist es unwahrscheinlich. Sie scheinen nach Ausbildung des neuen Magens, und sobald dieser seine Funclionen beginnt, nicht mehr zu wachsen, ‘da sie bei alten Magen weder län- ger noch dicker ‚sind. Da überdies jedes Jahr mit einen neuen Magen auch ganz neue Haare sich erzeugen, so scheint auch ein Wachsthum ein und desselben Haarindividuums un- 419 nöthig zu sein, und deswegen entbehrt es auch wahrschein- lich, sobald es einmal gebildet ist, jedes Nutritionsapparates. “ Während seiner Entwickelung aber muss es von der äusseren Schleimhaut, — der Matrix des ganzen Magens, — seine Nah- rungsstoffe beziehen, oder, wie das Epithelium selbst, ausge- schieden werden. Später aber stehen sie mit ihrer Matrix in keinem organischen Zusammenhange mehr, denn die Schleim- haut lässt sich, auch wenn sie nur einige Stunden in Wasser macerirt wurde, leicht von dem Epithelium ablösen. I. Ueber die Erneuerung des Magens. Ungefähr zu derselben Zeit, wo die Krebse ihre Schaale abwerfen, um eine neue zu bekommen, was besonders im Mo- nat Juli und August der Fall ist, geht ein ähnlicher Process auch mit ihrem Magen vor sich, Ueber die Art und Weise, wie dieses geschieht, wurde früher viel gefabelt, und auch in neuester Zeit hatte man schr unklare Begriffe hierüber; erst v. Bär (l. e.) klärte über manche Punkte auf, ohne jedoch die Sache umfassend und überall ganz richtig anzugeben. Ohne mich hier mit einer Kritik der alten Hypothesen aufzuhalten, gehe ich sogleich zur Darstellung dieses Vorganges über, wie ich ihn in der Natur beobachten konnte, und ohne mich in‘ willkürliche Erklärungsversuche einzulassen: Wenn uns aber in der Natur ein Process aufstösst, welcher sonst keine ı Analogie mit andern darbietet, und bloss bei einer gewissen Ordnung von Thieren auftritt, so suchen wir vor Allem die Ursachen, welche ihn bedingen und in Beziehung zum übri- gen Organismus als nothwendiges Ingredienz setzen, zu er- forschen. Wie durch das zunehmende Wachsthum des Körpers bei dem Krebse ein Abwerfen der allen, zu enge gewordenen Schaale und die Bildung einer neuen, umfangreicheren be- dingt wird, so muss auch der Magen mit dem übrigen Orga- nismus gleichen Schritt halten, und 'somit, als das einzige 27° 420 Mittel jenem Zwecke zu entsprechen, ein ganz neuer stalt des alten gebildet werden. —. Wenn der Körper in allen seinen Dimensionen, in allen übrigen Organen an Volumen zunimmt, so bedarf er zur Erhaltung und Ernährung derselben einer slärkeren Zufuhr von Nahrungsmitteln, aus denen der Orga- aismus seine integrirenden Stoffe ziehen kann. Hierauf be- ruht die Nothwendigkeit, dass der ganze Verdauungsschlauch sich in gleichem Verhältniss vergrössere und erweilere, wie das übrige Organensyslem, und besonders gilt dieses von dem wichtigsten Verdauungsorgane, — dem Magen. Wäre dieser ein einfaches, weiches, hohles Organ, wie der übrige Darm- kanal beim Krebse, und wie der Magen selbst bei andern Thierklassen, so könnte er sich wie jene allmählig erweitern, ohne dass slalt des alten ein ganz anderer Magen gebildet würde. — Der Magen des Krebses aber hat ein förmliches, eomplieirtes Knochengerüste zur Basis, wo jeder Theil in: sei- ner Grösse und Form genau allen andern angepasst ist. Hier ist das Organ für ein ganzes Jahr gleichsam stereotyp gewor- den, und eine genaue Betrachtung der einzelnen Theile des Magengerüstes wird uns überzeugen, (dass hier kein Wachs- ihum, keine Grössenzunahme Statt finden konnte, als durch gänzliches Zusammenbrechen und Abwerfen des allen Gerüstes, und die Bildung eines ganz neuen grösseren. — Hierzu kommt noch, dass die Fläche, auf welcher die Speisen aufgenommen werden und ihre erste Veränderung erleiden, eine fast leblose, eine zu spröder, starrer Hornmembran erhärtete ist, die in keinem lebendigen Wechselverkehre mit der sie einhüllenden Schleimhaut mehr steht. Sie kann so mechanisch abgenützt werden wie die harten Zahnspilzen, und da sie keines allmäh- ligen Wachsthums fähig ist, so muss, wenn eine grössere Flä- che entstehen ‚soll, eine ganz andere sich hervorbilden. - Zur Zeit nun, wenn dieser Process vor sich gehen soll, scheint in die äussere Schleimhaut des Magens ein neues Le- ben zu kommen, sie schwillt auf, wahrscheinlich durch ver- mehrten Säftezufluss, und erhebt sich gleichsam zur Würde 421 einer wahrhaften Membrana genitrix. Sie legt sich innig an die unterliegenden Theile an, und ist schwerer als sonst von ihnen abzulösen. Auf ihrer ganzen innern Oberfläche entsteht ein Absonderungsprocess, denn jetzt bildet sich auf derselben all- mählig die Hornmembran mit ihren Haaren, welche sich dicht über die des alten Magens herlegt. Da wo sich die Schleimhaut in dieHöhlungen der Zähne des alten Gerüstes einstülpt, über- kleidet sie sich mit einem hornartigen Ueberzuge, welcher im- mer fester und härter wird, — zuerst an den Spitzen, und zuletzt die neuen Zähne darstellt, welche nach aussen von den alten Zähnen zu liegen kommen, — bereit, deren Stelle einzunehmen. Da wo später die Knochen des Gerüstes ent- stehen sollen, scheidet die Schleimhaut eine zarte, gallertarlige Knorpelmasse aus, welche, anfangs vollkommen durchsichtig wie Glas, später milchweiss wird, und endlich Knochenerde in sich aufnimmt. | Während dieses Alles auf der Aussenfläche des alten Ma- gens vor sich geht, rüstet sich dieser, seinen Platz dem Nach- folger einzuräumen. Sein Epithelium wird weicher, dünner, die Gelenkverbindungen zwischen den einzelnen Knöchelchen des Gerüstes lockerer, bis sie sich ganz lösen, das Gerüste in sich selbst zusammenbricht, und endlich alle seine Theile sammt den Krebssteinen in die Höhle der neuen Hornmembran des Magens zu liegen kommen. Dieses Zusammenfallen des allen Gerüstes wird dadurch sehr erleichtert, dass es aus vie- len einzelnen Theilen zusammengesetzt ist, welche sich leich- ler von einander lösen können. In der Magenhöhle zerfällt nun das Gerüste vollends in seine einzelnen Elemente; das Epithelium, die Knorpelplätichen verschwinden, wie z. B. die Seitenplättchen, der Sattel, die Decke u. s. f., ebenso löst sich der Knorpelstreifen zwischen Querbalken und Pars qua- drala, die untere Platte des Seitenwandknochens, von dem zuletzt bloss die Zahnleiste übrig bleibt, und auf ähnliche Art zerfällt der Mittelzahn in seine einzelnen Theile. Man kann sich einen Anblick dieses Auflösungsprocesses verschaflen, 422 wenn man einen Magen im Wasser maceriren lässt. — Am längsten halten ‚sich der. Quexbalken, das Sförmige Knöchel- chen, die Leiste des Seitenwandknochens und die. Zähne; dennoch aber werden auch sie im Magen immer kleiner, dün- ner, und wahrscheinlich vom äussern Rande aus allmählig re- sorbirt. Ich fand wenigstens öfters den Querbalken u. s. f, im Umfang und in derMitte vermindert, fast biegsam, in dem neuen Magen liegen. Selbst die Zähne erweichen sich nach und nach, so dass sich z. B. die lange Zahnleiste biegen‘ lässt, und entweder werden diese Theile vollends ganz aufgelöst, oder wahrscheinlicher, sobald sie auf einen gewissen Grad verkleinert sind, durch den Schlund ausgespieen, denn es ist unmöglich, dass sie, so lange sie eine nur etwas bedeutende Grösse behalten, vom Magen in den Darmkanal gelangen könnten. Um nun ein detaillirtes Bild von diesem so merkwürdigen Erneuerungsprocesse des Magens zu entwerien, will ich einen solchen schildern, wie er gerade vor mir liegt, und wie ich ihn schon öfters zu beobachten Gelegenheit hatte. Ein männ- licher, grosser Krebs, der in der Mitte Julius gefangen wor- den, und im Begriffe stand seine alte Schaale, unter der sich bereits die neue als eine dicke, bräunliche, zähe Membran gebildet hatte, abzuwerfen, wurde geöffnet. — An dem Magen fielen sogleich die ungeheuren (vielleicht krankhaft vergrös- serien) Krebssteine auf, die den ganzen Raum hinter der Stirne einnahmen; sie lagen in ihren Säckchen von der Schleim- haut bedeckt, welche, wie die Krebssteine selbst, eine ‚bläu- liche Farbe zeigte, Jeder einzelne Stein wog 8+ Gran, und sie waren so schwer, dass sie die Deeke dis Magens ganz . hinabzogen. — Die übrige Schleimmembran des Magens war weisslich, selır verdiekt, und ziemlich schwierig abzulösen. Um den alten Magen hatte sich unler der Schleimhaut. voll- sländig ein neuer herumgelegt. Denn als ich die Schleimhaut von der Decke abpräparirt halle und sie etwas aufhob, zeigte sich unter dieser noch zarten Membran, welche die neue Decke 423 zu werden bestimmt war (Fig. 13.5. B), ‚die Decke des alten Gerüstes, — und so. lag überall über jedem Theile des alten, der entsprechende, noch unvollkommen ausgebildete Theil des neuen Magens, ‘welche letztere sich überall von den ersteren leicht ablösen liessen. Die neue Decke war noch kurz und lag horizonlal, gerade nach; vorne, nicht gewölbt. Am innig- sten hingen beide Mägen am hintern und unten Theile zu- sammen, z. B. an der mützenförmigen Falte, dem Pförtner- theile, und hier zeigten sich’ äuch die neuen Theile noch am wenigsten ‚entwickelt und in ihrer Form undeutlich ausgeprägt: — Der alte Magen zeigte fast keine Verschiedenheit vom ge- wöhnlichen Zustande, aber die Verbindungen der Knöchelehen des Gerüstes waren loser, so besonders die des Sförmigen Knöchelchens mit dem Querbalken und Seitenwandknochen; diese letzteren mussten somit in’s Innere hineinsinken, sobald jenes Knöchelchen ganz aus seiner Verbindung mit ihnen ge- ireten war. Auch die Knochenstrahlen, welche als Stützen für die Seitenwandungen dienen, waren eiwas dünner, un- deutlicher geworden. Die mikroskopischen Haare auf dem Innern des Epitheliums sind alle noch vollständig ausgebildet. Hebt man die neue Decke über der alten auf, so zeigt sich zuerst die untere Fläche des künftigen Querbalkens (Fig. 13.; A), welcher jetzt noch aus einer zarten, ganz durchsichtigen Mem- bran besteht, in welche sich erst später Knochenerde ablagert; sie besteht aus Knorpelsubstanz. _ Dieselbe Beschaffenheit zei- gen die Sförmigen Knöchelchen, auch sie bestehen aus wei- chem, gallertartigem Knorpel, und- ihre’ Form ist schon deut- lich ausgeprägt (Fig. 13., «). — Von dem zweizinkigen Mit- telzahn ist bloss die Spitze vollkommen ausgebildet, von blass- gelber Farbe, aber überhaupt noch etwas kleiner als der alte; die Spitze ist nach vorne gerichtet, nicht gegen unten, da ihr der nöthige Raum fehlt, um in letzterer Richtung sich ganz ausbilden zu können, Der neue Zahn liegt nämlich in der Vertiefung unter dem Sattel des. alten Magens, hinter dessen Pars quadrata und über dem alten Mittelzahne; jene Verlie- 424 fung ist mit einer fast durchsichtigen gallertarligen Masse aus- gefüllt, welche somit die Spitze des neuen Zahns vom alten trennt. Jener zeigt übrigens bereits seine normale Verbindung mit dem schiefen dreieckigen Plättchen und der Pars quadrata, nur dass diese beide noch zarte dünne Knorpelplättchen von weisslicher Farbe sind. -Der Sattel besteht aus einer durch- sichligen Membran, welche wegen ihrer Dünnheit noch gefal- tet ist und keine Wölbung bildet, sondern gerade nach hin- ten in den Pförtnertheil übergeht. — Der Seitenwandknochen zeigt sich in seinen äussern Umrissen vollkommen ausgebildet, noch nirgends aber ist in seiner zarten Knorpelsubstanz Kno- chenerde abgelagert, bloss in der obern Leiste (Fig. 13., 3), wel- che noch weich, aber milchweiss ist, scheint sich etwas ab- geselzt zu haben. Die Seitenzahnleisten sind vollständig aus- gebildet, liegen nach aussen von der alten, die Zähne gegen innen und etwas nach hinten gerichtet. Die Zähnchen sind blassgelb, etwas kleiner als später, besonders die untersten Kerben. Die Rinne, welche die neue Zahnleiste nach aussen wendet, wird von der Schleimhaut ausgefüllt, welche zarte Einstülpungen in die Löchelchen der einzelnen Zahnspitzen bildet. Auch die Rinne der alten Zahnleiste zeigte sich von einer _weisslichen Gallerte ausgefüllt, welche sie von den Spitzen der neuen Zähnchen trennt. — Von den Knochen- strahlen, welche später die Seitenwände des Magens stützen, findet sich noch keine Spur, wohl aber ist die Mütze, das runde Seitenplätichen, mit seinem Wimperrande (Fig.13., 4) schon ganz ausgebildet. — Alle Haare auf dem Epithelium des neuen Magens waren beinahe schon vollkommen entwik- kelt, besonders überall da, wo sie in stärkerer Anzahl bei- sammen stehen, so z. B. an allen Wimperrändern, auf dem Kiele des Magens, neben der Pars quadrala u. s. f., nur da und dort scheinen sie kürzer als späler. Den neuen Magen überzieht die Schleimhaut auf seiner ganzen Oberfläche, schlägt sich in alle seine Vertiefungen hinein, wie es schon oben be- schrieben wurde. 425 Bei andern Individuen war die Entwickelung des neuen Magens noch nicht so weit vorgeschritten, bloss die Spitzen des Mittelzahns und der Seitenzahnleiste erschienen ausgebil- det, und in ihre Höhlungen drang die Schleimhaut; von den Knochen des Gerüstes war noch Nichts zu sehen, nicht ein- mal ihre äusseren Umrisse, und das neu gebildete Epithelium überzog als höchst zarte Schichte, die sich nicht als isolirte Membran darstellen liess, die innere Fläche der Schleimhaut. Noch früher, z. B. zu Ende Juni, Anfangs Juli, findet sich von dem neuen Magen gar nichts, ausgenommen die Seiten- leiste. Diese liegt in der Vertiefung unter dem Sattel und Seitenwandknochen des alten Magens (Fig. 2., «, 3), und wird von der Schleimhaut, welche bereits in die Löchelchen der Zahfispitzen eindringt, bedeckt; öfters fehlen noch die kleinsten untern Zahnspitzen und Knoten, auch scheinen sie erst später ihre Richtung nach innen zu erhalten, denn An- fangs sehen sie nach hinten zu. Bei solchen Krebsen ist im- mer noch die alte Schaale vorhanden. Nach meinen bisherigen Erfahrungen ist nun wahrschein- lich, dass bei der Bildung eines neuen Magens zuerst die Zahn- spitzen der Seitenzahnleiste sich bilden, später die des Mit- telzahns, mit diesen gleichzeitig das neue Epithelium, noch später als“dickere Stellen desselben, die runden Seitenplätt- chen und die Decke; fernerhin der Sattel, die transitorischen Knorpel des Querbalkens, der Sförmigen Knöchelchen, der Pars quadrata und iriangularis, und zuletzt verknöchern alle diese Theile. Interessant wäre es, die Entwickelung des Ma- gens beim Krebsembryo mit der angegebenen zu vergleichen; vielleicht ist es mir vergönnt, später Einiges hierüber mitzu- theilen. Aus Allem geht wohl hervor, dass die Schleimhaut nicht bloss die Bildungsstälte des neuen Epitheliums, des künftigen Knochengerüstes, sondern auch die Matrix der Hornzähne ist. Sie scheint in der Nähe der alten Zahnspitzen die Beschaf- fenheit und Function eines Zahnkeimes anzunchmen, und sich 426 hier mit einer Hülle von’Horn zu überziehen, 'wie schon v, Bär angiebt. ‘Darin kann ieh aber mit Letzterem. nicht: überein- stimmen, dass sich der neue Zahn in der Höhle des alten Zahnes selbst entwickeln soll, so: dass der neue förmlich in dem alten steckt. Schon der erste Anblick der feinen Löchel- chen der Zahnspitzen lässt. bezweifeln, dass hier Raum ge- nug für eine zweite Zahnhülle sein sollte, auch fand ich nie eine Spur davon, Immer lag die Zahnspitze etwas entfernt von der Höhlung des alten Zahus nach aussen, und zwischen beiden zeigte sich immer eine gallertarlige Masse, ohne Zwei- fel ein Theil der Schleimmembran, welche die feinsten Spitzen des hohlen Zalınes ausfüllte. Die neuen Zähne bilden sich also zwar in der Nähe der alten, nicht aber in deren Höh- lungen selbst. ? Bei der Erneuerung des Magens bilden sich, wie wir ge- sehen haben, wirklich alle Theile neu, ausgenommen die äus- sere Schleimhaut, welche, nachdem sie eine Zeitlang eine wichtige Rolle gespielt, ein erhöhtes Leben gezeigt hat, wie- der zur Ruhe auf ein Jahr zurückkehrt. v. Bär behauptet zum Theil mit Unrecht, das Gerüste des alten Magens liege, wenn es zusammengefallen, nicht in einem neuen, sondern im alten. Magen, der: nun rasch auf seiner ganzen innern Fläche eine neue Oberfläche erhalte. Das alte Gerüste liegt wirklich in einem neu gebildeten Magen, an dem bloss die äussere Schleimhaut die alte geblieben, und jene Oberhaut entsteht nicht erst, wenn das alte Gerüste schon zusammengefallen ist, sondern schon vorher, so dass der neue Magen fix und ferlig dasteht, wenn der alte seinen Platz verlässt. u IIL Ueber die Functionen des Magens. Vergleichen wir die Structur des Krebsmagens mit derje- nigen bei andern Thieren höherer und niederer Klassen, so finden wir dieselbe von fast allen abweichend, und nur we- nige unler den Inseelen und Crustaceen zeigen Analogie mit 427 ihr. Die Functionen desjenigen Theils des Darmkanals, wel- chen man mit dem Namen „Magen“ zu bezeichnen pflegt, las- sen sich auf drei verschiedene redueiren, welche bei den ver- schiedenen Thieren mannigfach vertheilt sind, und von denen bald die eine, bald die andere vorherrscht. Entweder wirkt der Magen vorzüglich durch Ausscheidung eigenthümlicher Flüssigkeiten miltelst' dieser chemisch und dynamisch verän- dernd auf die Speisen ein, wie. bei allen höher organisirten. Thieren; oder er trägt durch mechanische Verkleinerung und Zerreibung mehr oder ‚weniger zur Verdauung der Speisen bei, oder er dient. als blosses Reservoir für dieselben, und die Speisen erweichen einfach in ihm, ohne schon wirklich ver- daut zu werden. Der erste Anblick des Krebsmagens und sei- nes Gerüstes könnte uns vermuthen lassen, dass derselbe haupt- sächlich mittelst mechanischer Zerreibung auf die Speisen ein- wirken werde, und fallen uns vollends jene mächtigen Zähne in’s Auge, so könnte man leicht glauben, dass hier eine be- deutende Gewalt zur Verkleinerung der Speisen in Wirksam- keit trete. — Ganz anders verhält es sich aber bei genauer Betrachlung ‚desselben, denn dann überzeugen wir uns, dass hier von keinem wirklichen Kauen, von keiner nur irgend bedeutenden ‚zerreibenden Kraft die Rede sein kann, In der That fehlt. hierzu der Apparat, der allein dieses bewerkstelli- gen könnte, d, h. die Muskeln. — Alle Wirkung des vorhan- denen Muskelapparates beschränkt sich darauf, .den zweizinki- gen Mittelzahn gegen vorm. und unten, und gleichzeitig die Seitenzahnleisten einander entgegen zu bewegen. Für die lelz- lere Bewegung ist aber gar kein eigener Muskel vorhanden, ein Aneinanderreiben, ein Auf- und Abbewegen der Zahnlei- sten an einander somit unmöglich, und doch. könnte bloss durch solche kräftige Bewegung wirklieh zur Verkleinerung der Speisen etwas beigelragen werden. Bär scheint eine Mus- kellaut des Magens auzunehimen, denn er sagt, er rechne die NMuskel- und Scehleimlaut desselben für eine, und an einer audern Stelle, — der Magen sei ganz von einer Muskelschicht + 425 umgeben. — Die Möglichkeit, dass die sogenannte Schleim-. haut einer Contraetion fähig sei, lässt sich a priori nicht ab- läugnen, aber jede Spur einer Muskelfaser fehlt, wie schon der blosse Anblick dieser weichen, mehr gallertarligen Mem- bran, die fast wie eine zarte Schieht unorganisirten Schleimes aussieht, zeigen wird. Ganz anders ist es am Darmcanal selbst; dieser wird von einer zarten Muskelhaut umgeben. Je- denfalls kann die Schleimhaut, sollte sie auch einer Contraction fähig sein, keinen Einfluss auf die Bewegung der Zähne des Magens ausüben, die einzelnen Theile des Gerüstes können nicht durch dieselbe bewegt werden, während dagegen der weiche grosse Magensack vielleicht durch jene Contraction in Stand gesetzt wird, um seine Contenta sich dichter herum- zulegen. Aus dem Bisherigen wird zur Genüge erhellen,‘ dass die Zähne im Innern des Magens durchaus nicht bestimmt sind, Speisen zu zerkauen, wozu sie auch vermöge ihrer ganzen Bildung und Beschaffenheit gar nicht geeignet wären. Wie könnten zarte Spitzen, die einander kaum berühren, zähe Pflan- zen- und Holzfasern zerreiben! Und wie sollte dies besonders bei dem Mittelzahne möglich sein, dem kein anderer Zahn, mit welchem er gemeinschaftlich wirken könnte, gegenüber- steht? — Bisher täuschte man sich auch über die Siructur dieser Zähne, z. B. Brandt glaubt noch, sie besländen aus hartem Zahnschmelz, während sie bloss aus Horn zusammen- gesetzt sind, und sich leicht schneiden lassen. — Wozu soll- ten auch die Krebse eines solchen Wiederkäuens bedürfen, da sie mit so mächtigem äusseren Kauapparate verschen sind. Ich glaube daher, dass der Krebsmagen dazu bestimmt: ist, dem zu raschen Vorrücken der noch nicht gehörig veränderten Speisen; den Holzfasern u. s. f. Hindernisse in den Weg zu legen, und zugleich den Rücktritt des zum Weitergehen Be- stimmten zu verlindern. Jenen Zweck vermitleln besonders die Zähne, die Mütze, der enge Durchgang in den Pförlner- theil, den: letztern die zahllose Masse von Haaren, Wimper- / 429 rändern, Haarbüscheln, Bärten u. s. f. Der Magen erscheint so als ein äusserst entwickelter, auf das Sinnreichste con- steuirter Seihapparat, der alles zurückhält, was nicht vor- wärls oder rückwärts soll, und er stellt somit, wenigstens das Knochengerüste und die beiden hintern Abtheilungen der Ma- genhöhle, einen freilich sehr verwiekelten Pförtner dar, be- rechnet auf das eigenthümliche Bedürfeiss des Thiers, welchem er angehört. Man könnte somit in Versuchung kommen, we- nigstens jenen Theilen des sogenannten Magens den Namen eines solchen streitig zu machen, wenn man nicht schon längst gewöhnt wäre, jede auffallend erweiterte, umfangsreichere Stelle des Darmkanals damit zu belegen, ehe noch dar&eihan worden, dass dort eine wesentliche Umänderung der Speisen Behufs der Verdauung bewerkstelligt wird, Anders scheint der grosse Magensack zu wirken, und cher den Namen eines Magens zu verdienen, denn in ihm erleiden die Speisen eine wesentliche Umänderung. Freilich lässt sich auf den ersten Anblick nicht vermuthen, wie eine solche zu Wege gebracht wird; jedes Mittel scheint ihm zu fehlen, we- nigstens zeigt sich kein Apparat, um auf die Speisen eine selbstihälige Wirkung auszuüben, am wenigsten sie chemisch zu verändern. — Die dichte Hornmembran mit ihren Haaren ver- mag keinen Magensaft, überhaupt gar Nichts auszuscheiden, was chemisch auf die Contenta einwirken könnte. : Die Schleim- haut aber trilt nirgends mit diesen in unmittelbare Berührung, ihr scheint die Fähigkeit, eine dem Magensaft analoge Flüs- sigkeit auszuscheiden, ganz abzugehen, und keinen Falls ist anzunehmen, dass eine solche durch das zähe, relativ dicke Epilhelium hindurch auf die Speisen wirken könnte. — Die Schleimhaut ist die Matrix des Epitheliums und seiner Haare, überhaupt des ganzen Magens; hierauf scheint sich ihre Fun- elion, welche jedes Jahr bloss einmal erwacht, und mehrere Wochen andauert, zu beschränken. Denn nachher sinkt sie in ihre Thatlosigkeit zurück, ihr Gewebe selbst wird. wieder ein anderes, und sie scheint in gar keiner Bezichung zur Ver- 430 dauung der Speisen zu stehen. Etwas Achnliches tritt uns schon bei höheren Thieren entgegen, z.B. bei den drei ersten Magen der Widerkäuer, bei dem Cardialtheile des Pferdema- gens u. » f. Da ich aber gewöhnlich im Magen des Krebses eine wäss- rige, oft breiartige Flüssigkeit ‘von braungelber Farbe fand, welche derselbe nicht von aussen bekommen haben konnte; da ich öfters eine ähnliche, nur viel dünnere Flüssigkeit in ihm bemerkte, wenn er gar keine Speisen enthielt, und auch diese einen deutlichen bitter süsslichen Geschmack zeigte, so wurde ich veranlasst, dieselbe genauer zu untersuchen, und wo möglich der Quelle dieser Erscheinungen auf die Spnr zu kommen. Ich filtrirte den Mageninhalt, den ich von mehre- ren grossen Krebsen gesammelt; es blieben viele zarte Fasern, breiartig erweichte thierische Substanzen u. dgl. auf dem Fil- trum, und eine braungelbe zarte Flüssigkeit ging durch. Von dieser behandelte ich eine Portion mit Salpetersäure, welche einen starken, graulich-gelben, breiartig schmierigen Nieder- schlag hervorbrachte, und dieser löste sich io kohlensaurem Kali grösstentheils wieder auf, nicht aber durch einen Ueber- schuss der Säure; das gleiche Resultat ergab sich bei Behand- lung der Flüssigkeit mit Schwefelsäure. — Aetzkali veran- lasste ein starkes Präeipitat von bräunlich-gelben Flocken, und die übrige Flüssigkeit erhielt eine schönere gelbe Farbe als zu- vor, auch eine etwas diekere Consistenz. — Kaustisches Am- moniak gab keinen Niederschlag, veränderte auch nicht die Farbe. — Ein anderer Theil jener fillririen Magenflüssigkeit wurde bis zur Extraetdicke abgedampft, und verlor dabei gegen 90 Procent Wasser. Der Rückstand wurde in kaltem Alkohol digerirt, welcher wenig davon auflöste, aber stark gelb sich färbte. Die Lösung wurde sorgfältig abfiltrirt, be- trug aber dennoch so wenig, dass ich nicht hoffen konnte, beim Abdampfen so viel Residuum zu erhalten, um dasselbe weiter untersuchen zu können. Ich goss daher in die alcoho» lische Lösung selbst elwas Bleiessig, welcher einen nicht un- 431 bedeutenden weisslichen Niederschlag von schleimiger Consi- stenz veranlassle.. Das im Alcohol nicht Gelöste, auf dem Filtrtum Zurückgebliebene wurde mit kochendem Wasser dige- rirt; hier löste sich der grösste Theil auf zu einer schmutzig gelblichen Flüssigkeit, "welche mit Bleiessig einen graulich weissen, krümlichen Niederschlag in grosser Menge gab. Da mir der nöthige Apparat fehlte, so kleine Quantitäten weiter zu zerlegen, so schloss ich hier den analytischen Versuch, der meine Absicht bereits erfüllt hatte. — Ich konnte mich jetzt für überzeugt halten, dass mit der Magenflüssigkeit Galle gemischt ist, um so mehr, da die aus der Leber des Krebses erhaltene Flüssigkeit dieselben chemischen Charactere zeigte: diese ist: jedoch trüber, bräunlich gelb und von ziemlich dicker Consistenz, denn da sie sich bloss durch Auspressen‘ der Le- ber in hinreichender Menge erhalten lässt, so mischen sich viele Theilchen der Lebersubstanz selbst, Schleim u. s. £. bei. — Im Vorbeigehen will ich bemerken, dass nach meinen bis- herigen Versuchen, deren Unzulänglichkeit ich übrigens gern zugebe, die Galle des Krebses ausser einer reichen Menge Wasser noch einen eigenthümlichen Farbestoff, vielen Schleim-, Küse- und Speichelstoff, ein wahrscheinlich verseifbares Fett und Gallenbarz enthält, in Verbindung mit einigen Kalk-, Kali- und Natrumsalzen. Eine deutliche Reaction zeigt die Galle selbst nieht, dagegen glaubte ich zuweilen bei dem Magenin- halte eine schwache Röthung des Lacmuspapieres zu bemer- ken. Für meinen gegenwärtigen Zweck ist es genug bewiesen zu haben, dass Galle gewöhnlich im Magen des Krebses sich vorfindet. — Man findet sie immer in reichlicher Menge im vordersten Theile des Darmeanals und in der Nähe des Pfört- nerlheils, von wo aus sie leicht in den Magen fliessen kann, denn die Haare und Wimperränder können ihr kein so bedeu- tendes Hinderniss in den Weg legen. Die im Magen befindliche Galle kann nun olıne Zweifel auf die Speisen in demselben einen nicht unbedeutenden Ein- fluss ausüben; dass dies besonders bei thierischer Nahrung der 432 Fall ist, erhellt daraüs, dass man diese gewöhnlich in einen Brei verwandelt, oder docl ‚in sehr erweichtem und veränder- tem Zustande antriflt, wie z. B. Stücke von Würmern, Fisch- chen u. s. f., die oft bloss noch am Geruche zu erkennen sind. Vegetabilische Stoffe bleiben so lange im grossen Ma- gensacke liegen, bis sie ganz erweicht sind, und bloss die Holzfasern bleiben daselbst zurück, um nachher wahrschein- lich durch den Mund wieder ausgespien zu werden, in Ver- bindung mit der braunen Magenflüssigkeit; wenigstens sieht man oft, wenn man Krebse im Wasser beobachtet, aus der Mundöffnung ein braunes Wölkchen im Wasser aufsteigen. — Wenn nun der Magensack hauptsächlich zum vorläufigen Er- weichen der Speisen dient, während die völlige Verdauung erst hinter dem Pförtnertheil im Anfang des Darmkanals, wel- cher einen starken Drüsenapparat besitzt, vor sich geht, — so erhellt auch, warum seine innere Oberfläche von einer Membran gebildet wird, welche durch Wasser u. s. £. sich nicht auflockert, und nicht leicht einer Veränderung unter- worfen sein kann. Um das ganze Leben des Magens, so weit es in meinen Kräften steht, zu schildern, werde ich noch einige Bemer- kungen Ueber die Krebssteine mittheilen, — In dem Säckehen, welches dieselben umschliesst und bildet, scheint eich zuerst zwischen dessen vorderer und hinterer Wandung, die noch fast ganz aneinander liegen, eine dünne Schichte Knorpelmasse auszuscheiden. Zu dieser Zeit (im September, October) findet man das Aussehen der Säck- chen weisslich, und seine innere Oberfläche ist körnigt, nicht glatt wie später. Später selzt sich in das Knorpelblättchen, welches nicht rund sondern oval ist, Knochenerde ab, und zwar schr allmählig, so dass noch im Frühjahr bei jüngeren Steinen die Knorpellamelle am Rande deutlich zu sehen ist. Solche Steinchen sind oval, ‚sehr dünn, von der Grösse einer i 433 kleinen Linse, die vordere Fläche kaum etwas gewölbt, die hintere in der Mitte eoncav, so dass nur der Rand einwärts gebogen ist -und elwas hervorragt, der ganze innere Raum aber ganz platt ist. Die Farbe ist milchweiss und das Ge- wicht eines Steinchens elwa 7% Gran. — In dem Knorpel des mittleren Theiles des Steinchens sind Kalkkörnchen abgelagert, wie sich an dem dünnsten Theile unter dem Mikroskope deut- lich erkennen lässt, — und zwar in concentrischen Reihen, so dass die Kreise gegen innen zu immer kleiner werden. Man kann etwa sechs solcher Reihen zählen, die aber bloss den äussern Theil des verknöcherten Steinchens ringsherum einnehmen, denn im Centrum selbst ist die Kalkmasse in rundlichen, unregelmässigen Hügelchen angesammelt. — Die Säckchen liegen zu dieser Zeit in Falten um die Steinchen, die darin sich hin und her bewegen lassen; die vordere Wan. dung des Säckehens ist weisslich und dicker als sonst. — Später werden die Steinchen mehr rundlich; der Knorpelrand immer schmaler, öfters sieht man aber noch Reste der Knor- pelsubstanz aderförmig dureh den Stein vertheilt. Allmählig verschwindet der Knorpel ganz für das Auge, und Alles wird zu Kalkmasse. Die vordere Fläche wölbt sich immer con- vexer, die hintere concaver, und der Rand wulstet sich stark auf. Vollkommen ausgebildete Steine haben im Durchschnitt ein Gewicht von 1 bis 2 Gran, doch fand ich auch solche von 6 bis 8 Gran, und zwar richtet sich ihre Grösse und Ge- wicht nicht immer nach der Grösse des Krebses, so dass auch kleine Thiere relativ sehr grosse Steine besilzen können. Säuren lösen die Knochenerde ganz auf, und es bleibt nichts zurück als eine dünne, durchsichtige Knorpelscheibe von lamellöser Structur. Beim Caleiniren werden die Steine schwarz, bröckelig, und entwickeln dabei einen brenzlichen Geruch, wie andere animalische Substanzen. — In kochendem Wasser werden sie gelblich, die blauen Steine aber färben sich blass rosenroth, — Aeltere Schriftsteller glaubten, die blaue Farbe mancher Steine werde durch eine besondere Müllers Archiv. 1840, 28 434 R Krankheit während des Schaalenwechsels ‘veranlasst. Ich fand zu jeder Zeit, auch ausser dem Schaalenwechsel, da und dort diese blaue Farbe, deren Ursache ich nicht anzugeben weiss; keinesfalls ist sie bloss eine Wirkung der Fäulniss oder des Todes, denn ich fand sie auch bei lebendig geöffnelen. Thie- ren. „Vielleicht, dass bei vorherrschender Pigmentbildung ein überschüssiger Theil desselben in den Steinen verbunden mit den Kalksalzen sich abscheidet. Haben die Steine ihre volle Reife erlangt, so fallen sie endlich mit dem ganzen alten Magen in’s Innere des neu ent- standenen hinein. Es ist nun zu untersuchen, durch welchen Process sie hier aufgelöst werden, denn Thatsache ist, dass sie daselbst immer kleiner werden und endlich ganz verschwin- den. Hierüber giebt es nun verschiedene Ansichten. Bär (1. ec.) glaubt, sie würden durch etwas Salzsäure, welche Dulk im Mageninhalte solcher Krebse fand, chemisch aufge- löst. — Gewiss ist wohl, dass sie bei ihrer festen Consistenz nicht mechanisch zerrieben werden können, denn dazu fehlt dem Magen, wie oben gezeigt wurde, jede Vorrichtung. — Untersucht man solche Steine in verschiedenen Perioden, so findet man, dass mit ihrer ganzen Beschaffenheit allmählig eine wesentliche Veränderung vor sich geht. Die oberflächlichen Schichten bekommen eine schmutzige, graulich grüne oder bräunliche Farbe, werden weich, zerreiblich, so dass man die obersten: Lamellen mit dem Finger abwischen kann, und die Steine scheinen somit äusserlich gleichsam zu verwittern. Die tieferen Schichten erscheinen kreideweiss, übrigens auch zer- reiblicher, poröser als sonst. Diese Verwitterung schreitet nun allmählig von aussen nach innen zu fort, wobei der Stein durch das Abfallen der äussersten Lamellen immer kleiner wird; die Substanz mit der Loupe untersucht, ist aufgelockert, porös, die Lamellen lassen sich leicht abblättern. Löst man solche Steine in einer verdünnten Säure auf, so bleibt fast gar keine Spur von Knorpel zurück, so dass dieser wahrscheinlich bei m Anfläennrenvoeesse zuerst verschwindet, — Bei einigen Er “ 435 Steinen bemerkle ich ein neues Product in ihrer Substanz, nämlich rundliche, durchscheinende Punkte oder Körnchen von grauer Farbe und fester Consistenz, fast wie Quarzkörn- chen in einem Sandsteine; an manchen Stellen verbinden sie sich zu traubenförmigen, oft nierenförmigen Massen. Da und dort findet sich auch 'ein gelbliches, fast durehsichtiges Körn- chen, das unter dem Mikroskop aus concentrischen Schichten zusammengeselzt erscheint. Auf der Oberfläche des Steines fand ich öfters braune, kleine Punkte von unregelmässiger Gestalt, die ziemlich tief in’s Innere eindrangen. — Sind dies normale oder pathologische Erscheinungen? — Alles dieses möchte wenigstens beweisen, dass die Krebssteine keine so todte Masse sind, als man gewöhnlich glaubt, dass sie ein wirkliches Leben leben, und durch Aufhören ihrer Lebensthä- ligkeit absterben, nicht bloss wie ein, Stück todter Kreide chemisch aufgelöst werden. Oft verlieren die Steine, wenn sie sich im Magen einige Zeit aufgehalten haben, ihre Runde, und bekommen stumpfe Ecken, fast wie Facetten; doch bleiben sie auch oft rund und in ihrer Farbe sich ziemlich gleich. Immer aber wird (ie frü- her concave Fläche eben und platt, eben so die convexe im- mer flacher, bis zuletzt eine kleine dünne, leicht zerbrechliche Scheibe zurückbleibt. — Sehr häufig blieb die ganze Oberflä- che des Steines ganz glatt, fast ‘wie polirt, was gegen die Ein- wirkung einer Säure spricht, da solche Steine bei ihrer Klein- heit, ete. sehr lange im Magen gelegen haben mussten; sie ha- ben dann gewöhnlich eine bräunlich gelbe Farbe. Aber auch bei solehen, die noch ihre ganze ‚Grösse beibehalten halten, und nach Allem erst kürzlich in die Magenhöhle gerathen wa- ren, fand ich dieses glatte Aussehen; würde eine Säure auf sie eingewirkt haben, so hätle doch wenigstens die Oberflä- che Spuren davon zeigen müssen. — Die Magencontenta zei- gen allerdings öfters eine schwache, saure Reaction, nie aber einen säuerlichen Geschmack, und ist auch etwas freie Säure in ihnen enthalten, so zweifle ich doch, dass sie stark genug 28° 436 wäre zur Auflösung der Steine. Woher sollte auch die Säure kommen? Die innere Magenfläche wird nicht wie sonst von einer kräftig secernirenden Mucosa gebildet, sondern von einer zähen, mit Haaren dicht besetzten Hornmembran, deren Wir- kung wahrscheinlich bloss eine mechanische ist. Bär glaubt, die Luftbläschen, welche er während des Auflösungsprocesses der Sleine im Magen bemerkte, seien ein Beweis, dass jener auf die von ihm behauptete Art vor sich gehe, indem sich Kohlensäuregas bei Auflösung der Steinmasse entwickle. Ich fand aber jene Luftblasen oft in ziemlicher Menge fast zu jeder Zeit in den Magencontenlis, auch wenn keine Spur von Sleinen in ihnen sein konnte; bei lebendig aufgeschniltenen Krebsen sieht man oft grosse Luftblasen im Magen vor- und rückwärts abwechselnd sich bewegen, entsprechend wahrscheinlich den Schlingbewegun- gen, denn die einzelnen Magentheile konnten nicht melir be- wegt werden, da ihre Muskeln durchschnitten waren. ie und da sah man auch ein kleines Luftbläschen vom Schlunde heraufsteigen, das mit den grösseren zusammenschmolz. Da meines Wissens noch Niemand jene Luftblasen chemisch ün- iersucht hat, um sie ‘als Kohlensäuregas nachzuweisen, so glaube ich, dass sie aus almosphärischer Luft bestehen, welche beim Verschlingen der Speisen zugleich mit verschluckt wird, was bei dem geraden, kurzen, ziemlich weiten Schlunde eine leichte Sache ist, Man könnte mir einwerfen, zu jener Zeit, wo die Krebssteine im Magen liegen, sei es unmöglich, dass Luft beim Verschlingen in den Magen treie, weil die Krebse überhaupt nichts verschlingen. Denn es ist eine alte, auch von Bär getheilte Meinung, dass, wenn der Magenwechsel vor sich gehe, die Krebse nichts fressen sollten. Ich fand al- lerdings den Magen zu dieser Zeit oft leer von Speise, und bloss von einem braungelben, bitterlich schmeckenden Wasser erfüllt. Jedenfalls schlucken sie also Wasser; oft aber fand ich auch den Magen voll von Holzfasern, erweichten Stücken 437 von Würmern u. dgl., während doch zu gleicher Zeit Krebs- steine in seiner Höhle lagen. Nach Andern werden die Steine alsbald durch den Mund ausgespieen, oder, was auch Brandt (I. c.) annimmt, ‚sie sollen durch ein Platzen der Magenhäute aus der: Magenhöhle trelen, und durch die seitlichen Atımungsspalten entleert: wer- den. Es ist aber unwahrscheinlich, dass die Natur, so lange sie. noch andere Mittel und Wege kat, den Magen nur so platzen lässt, was jedenfalls für den durch den Schaalen- und Magenwechsel geschwächlten Krebs keine so kleine Sache wäre, Auch ist diese gewaltsame Theorie durch Nichts 'be- “wiesen; noch Niemand fand einen Riss oder eine Narbe am Magen, oder dessen Contenta im Innern des Thiers, was doch der Fall sein müsste, da der Magen nie ganz leer ist, Die Krebssteine entstehen und leben in ihren Keimsäck- chen, fast wie die Kıystalllinse in ihrer Kapsel, der Zahn in seinem Säckcehen, nur dass jede Spur eines dem Zahnkeime entsprechenden Körpers fehlt. Sie sind eine belebte, wach. sende, sich nährende Masse, indem ohne Zweifel die Kno- ehenmasse aus der allgemeinen Säftemasse in’ dem Säckehen abgeschieden wird. Der Nutritionsprocess stockt, sobald der Stein sein Säckehen verlässt; er stirbt ab wie die Linse, wenn sie aus ihrer Kapsel tritt. Seine Knorpelsubstanz versch win- det, die todie Erdenmasse bleibt zurück, er wird weich und locker und zerfällt allmählig, so dass die kleinen Ueberreste wohl durch den Schlund, vielleicht selbst durch den Darm- kanal ihren Weg nach aussen nehmen können, wofern nicht elwas von ihnen aufgesogen wird, was sich weder beweisen noch widerlegen lässt. h Welchen Zweck diese Steinchen im Organismus des Kreb- ses zu erfüllen bestimmt sind, liess sich bis jetzt nicht ermit- teln. Man hielt sie immer für eine todte, kreidearlige Masse; auch kannte man lange nicht einmal den Ort, wo sie sich bilden, und selbst Suckow (I; c.) glaubte noch. sie würden 458 von den grünen Drüsen neben und vor dem Magen abgeson- dert, — Es ist eine alte Ansicht, gegen welche sich schon Rösel, Geoffroy u. A. erhoben, die aber erst von Bär mit manchen Gründen wieder unterstützt worden ist, — dass die Steine bestimmt seien, den Stoff für die neu zu bildende Kruste des ganzen Thiers abzugeben. Das Missverhältniss zwischen ihrer Grösse und dem Volumen der Schale ist aber zu auf- fallend, als dass eine solche Annahme wahrscheinlich sein könnte. Ich nalım von einem Krebse, dessen Steine höch- stens 2 bis 3 Gran gewogen haben mochten, die Schaalen des Rumpfes, der Extremitäten, Scheeren u.s.f., Ivennte sie durch Maceration von allen Weichtheilen, und wog sie, nachdem sie völlig trocken waren. — Ilır Gewicht betrug 7 Serupel 12 Gran, oder 152 Gran, also wenigstens 50 Mal mehr als das der Steine selbst. Die Quelle aber, welche #2 lieferte, wird auch das letzte „; abgeben können. — Auch ist eine Resor- ption jener Steine durch Nichts bewiesen, und wäre dies auch, so wissen wir deshalb nicht, ob die Masse auch wieder abge- lagert würde. Oefters fand ich die äussere Schaale schon ziemlich in der Verknöcherung vorgeschrilten, obschon die Steine allem Anscheine nach an Grösse noch gar nicht abge- nommen halten. Bei andern Thieren mit Schaalen, Gehäusen u. s. f. fin- den wir auch niemals, dass schon vorher vorhandene Kalk- masse resorbirt und wieder abgesetzt werden müsste, um die- selben zu bilden. — v. Bär meint zwar, der neue Absatz von Knochenerde gehe bei dem Krebse so schnell vor sich, dass er nicht wohl anders, als durch Wiederablagern der in’s Blut wieder aufgenommenen Steinmasse erklärt werden könne. Aber so rasch geht es doch nicht, denn der Termin von 3 bis 4 Tagen, welchen v. Bär dafür annimmt, ist zu kurz, Auch möchte unser Blick noch nicht so tief in die Natur des Ve- getationsprocesses eingedrungen sein, um behaupten zu kön- nen, die Bildung und Ablagerung der Knochenerde aus der Säftemasse sei beim Krebse bloss in dieser oder jener Zeit 439 möglich. Als die gemeinschaftliche Quelle aller solcher Bil- dungen müssen wir wohl immer und überall die allgemeine Säflemasse annehmen, sie ist ein Proteus, der alle Formen und Gestalten annehmen kann. Wenn nun aber die Krebssteine diesen Nutzen nicht ha- ben sollen, welchen haben sie sonst? — Hierüber kann ich nichts Bestimmtes angeben; wahrscheinlich ist aber, dass die Steinsäckchen dazu bestimmt sind, die überschüssige Kalkerde aus der Säftemasse abzuscheiden. Hiermit stimmen einige ar- dere Erscheinungen beim Krebse zusammen; Brandt (l. ce.) fand schon ähnliche Ablagerungen von Kalkerde zu der Zeit, elıe der Schaalenwechsel beginnt, zwischen den Eingeweiden, und auch ich fand solche in den grünen Drüsen vor dem Ma- gen. Die letzteren enthielten nämlich oft 20 bis 30 runde, kleine Körnchen, deren Farbe meistens gelblich oder braun war; sie waren hart und lösten sich in Säuren auf. — Da- her zeigen auch die Steine eine so verschiedene Grösse, wel- che mit derjenigen des Krebses nicht immer in Verhältniss steht; denn ihre Grösse scheint sich nach der Menge der über- schüssigen Kalkerde, also je nach den individuellen Bedürf- nissen des Thieres zu richten. Möglich wäre es, dass die Krebssteine nebenher auch noch einen mechanischen Nutzen erfüllen könnten.‘ Vielleicht befördern sie durch ihr Gewieht das Hereinsinken des alten, abgestorbenen Magens, das Zu- sammenbrechen des alten Gerüstes in sich. selbst. Ich habe wenigstens gesehen, dass dieDecke ganz hereingezagen wurde. Vielleicht spielen sie aber bei der Metamorphose des Magens noch sonst, eine kleine Rolle. Wir haben gesehen, dass sich der neue Magen um das alle Gerüste als zarte Membran her- umlegt, die noch durch kein eigenes Gerüste getragen, wird; diesen Dienst leistet ihr jedoch das alle Gerüste, welches so lange stehen bleibt, bis ein neues vorhanden ist. Dieses lelz- tere bildet sich gerade über den entsprechenden Theilen des alten, so dass die letzteren fast als eine Art Modell für jene dienen können. — An dem grossen Magensacke fehlt aber ein 440 solches Iülfsmiltel, wofern wir nicht annelımen wollen, dass die Krebssleine, welche gerade zu dieser Zeit ihre volle Grösse erreicht haben, der neuen Membran denselben Dienst leisten, wie-das alte Gerüste am hintern Theile des Magens. Die Hauptfunetion des Steinsäckchens wird aber immer- hin die sein, als Secrelionsorgan der Kalkerde, wie vielleicht mancher anderen Stoffe zu dienen. Ist jenes der Fall, so wür- den wahrscheinlich in solchen Fällen, wo jene überschüssige Kalkerde zur Bildung nothwendiger Theile verwandt würde, 2. B. zum Ersatz verloren gegangener Scheeren und Füsse, die Steine. viel. kleiner als sonst sein, oder gänzlich fehlen. Künstliche Versuche könnten hierüber Licht verbreiten, und ich werde sie bei nächster Gelegenheit anzustellen suchen, Verzeichniss der Abbildungen. Taf. XII. Fig. 4. Magen von oben, in natürlicher Grösse. ‚A. der Querbalken. B. die Decke. C. Sattel. 4. die Einkerbung des Querbalkens. 2. der Magensack, aufgeschnitten.. 3. das Epithelium hinter dem Querbalken. 4. die Pars quadrata. 5. vorderer kand des Sattels und der Pars triangularis., 6. obere Leiste des Seitenwand- knochen. Fig. 2. «. Magen, von der Seite, in natürlicher Grösse, A.B.C, wie bei Fig. 1. 4. obere Leiste des Seitenwandknochens. 2. das Sförmige Knöchelchen. 3. der obere Knochenstralil. 4. der vordere seitliche Knochenstrahl, 5. der hintere. 6. Pförtnertheil. 7. rundes Seitenplättchen. 8. der Knochenring. 9. Wulst. 40. Uebergang in den Schlund. 41. der grosse Magensack, 12, die Hautfalte hinter dem Querbalken, Eier, 2. ß. Derselbe, vergrössert. A4—C. 1—3. wie bei der vorigen Figur. 4. ringförmiges Knochenplättchen. 5. vorderer, 6. hin- terer Knochenstrahl, 7. oberster schiefer Knochenstrahl. 8. 9. die Knochenstrahlen des Pförtnertheils. 10, Stelle, wo sich die Krebs- steine bilden, 11. grosser Magensack. 12. Ocsophagus. Fig. 3. Die Theile unter dem Sattel, von vorne. 1. Pars trian- ularis. 2. das kleine Knochenplätichen vor derselben; die Rinne ia ihrer Mitte führt in die Höhlung des Mittelzahns, Fig. 4. Magenhöhle, von vorne, vergrössert; die Seitentheile sind elwas auf die Seite gezogen. A. Querbalken. 1. Pars quadrala. 2. zweizinkiger Mittelzahn. 3. das Sförmige Knöchelchen. 4. obere Leiste des Seitenwandkuochens, 5. dessen Zahnleiste. 6. das’ drei- 44 spitzige Zähnchen. 7. das ovale Zahnplätichen. 8. obere, und 9. un- tere Fläche des Seitenwandknochen, von innen. 10. Falte des Epi- theliams. 11. Ansammlung von Haaren unter der Seitenzahnleiste, 12. die seitliche Zahnspilze an der grossen Zahnleiste. Fig 5. Kiel des Magens, von unten, vergrössert, 1. die seit- lichen Knöskenetralilen (Fig. 2. ß, 6). 2. die Knochenstrahlen zwi- schen denselben. 3. Stelle, wo sich das Epithelium nach innen schlägt, um die Mütze zu bilden. 4. ein dicker Knochenstrahl, der den Pflört- nertheil unten stützt. 5. die Wulst. 6. 7. Epithelium. Fig. 6. Der Seitenwandknochen der rechten Seite, von aussen, 1. oberer Balken desselben. 2. seine untere schielfe Platte. 3. seine Zahnleiste, mit ihren Rinnen und den Löchelchen der Zahnspitzen nach aussen gerichtet. Fig. 7. Magenhöble, von vorne, vergrössert, in der natürlichen Lage. Der Magensack ist aufgeschnitten und auf beide Seiten ge- schlagen. 4A. Querbalken. 1. Pars quadrata. 2. Mittelzahn. 3. Sei- tenzahnleiste. 4. Sförmiges Knöchelchen. 5. obere Leiste des Sei- tenwandknochens (Fig. 4., 4). 6. Falte des Epitheliums, mit Haa- ren besetzt. 7. dreispitziges Zähnchen. 8. Knochenstralil (Fig. 2,3). 9. rundes Seitenplätichen. 10. mützenlörmige Klappe. 11. Wulst. 12. die Haarpinsel vor dem dreispitzigen Zähnchen. 13. Falte des Epitheliums hinter dem Querbalken. f Fig. 8. Pförtnerlheil, von hinten aufgeschnitten. 1. Mütze, von hinten. 2. Wimperränder hinter derselben. 3. zweispitziger Mittel- zahn, von hinten. Fig.9. Magen von unten, vorn aufgeschnitten; man sieht hier in der Magenhöhle die Seitenzahnleisten, den Querbalken und die Decke. 1. rundes Seitenplältchen. 2. Knochenstrahl an dessen hinterem Rande. 3. die zwei ein Dreieck bildenden Strahlen. 4. der enge Uebergang vom Pförtnertheil in den Darmkanal. 5. Wulst, Fig, 10. a. 6, Haare auf dem runden Seitenplättchen, ver- Fig. 11. a. Ein Theil der Wulst, von innen, vergrössert, 2. c. Hase Haare oder Rippen derselben, mit der, Membran zwischen ihnen. Fig. 12. a—-g. Haare des Epitheliums neben den Knochenstrah- len auf dem Kiele des Magens. Fig. 13. Ein Magen, neu gebildet, von dem unlerliegenden al- ten Magen abgelöst. A. Querbalken. B. Decke. a. Slörmiges Sei- tenknöchelchen. 6. Seiteuwandknochen, ; ce. rundes ‚Seitenplältchen. In der Mitte liegt der Mittelzahn, vor ihm die Pars quadrata. Ueber eine eigenthümliche, auf den Zähnen des Men- schen vorkommende Substanz. Von Friepricn Burunmann, Cand. med. in Bern. (Hierzu Taf. XIII. Fig. 1— 6.) Beim Nachsuchen der sogenannten Speichelkörperchen von Henle wurde ich durch eine eigenthümliehe Art fadenförmi- ger, auf einer körnigen Masse aufsilzender Körper, die sich mit jenen vermischt zugleich mit Epithelium des Mundes und mit Weinstein in grosser Menge an den Zähnen zeigte, über- rascht. Es ist mir nieht bekannt, dass ausser Leeuwenhoek (opp. omnia, Lugd. Batav. 1722. T. UI. p. 40.) Jemand ihrer erwähnt hätte, aus diesem Grunde unlersuehte ich sie etwas genauer und fand Folgendes. Es zeigen sich 'an allen Zähnen Erwachsener, besonders wenn sich an ihnen Ablagerungen von Weinstein finden, und überhaupt Neigung zu denselben vorhanden ist, Gebilde, wel- che aus einer grossen Menge mannigfach verschlungener faden- förmiger Körper bestehen. und die sich in 3 verschiedenen Arten darstellen. 41. Es finden sich auf einer körnigen gelblichen Substanz von runder oder länglicher Form schöne Fasern, die gleich- sam aus diesem Grundgebilde, ähnlich wie aus einer Zwiebel 443 die Pilanze, hervorspriessen. Diese zierliche Form ist die sel- tenste, Ielı habe sie aber mehrere Male beobachlet, und auch Prof. Valentin hat sich von ihrem Dasein’ überzeugt. Die Fasern kommen büschelförmig in den schönsten Biegungen hervor. 2. Die Fasern erscheinen einzeln, zerstreut und oft zer- brochen unter den Epithelien, dem Weinslein und dem adhä- rirenden Schleime der Zähne. 3. Man bemerkt ganze Massen von unregelmässig durch- schlungenen. von der gelblichen körnigen Masse umgebenen Fasern, die ganz dieselben sind wie die unter 1. vorkommen- den. — Die erste dieser Formen ist die schönste und vielleicht auch die primitive. Sie hat auf den ersten Blick Aehnlichkeit mit Saamenthierchen, die man zuweilen in büschelförmiger Gestalt sieht, oder auch mit gewissen Sehimmelbildungen des Pflanzenreiches. Die Fasern haben eine Breite von ungefähr 0.000056 —8 P. Z., und eine Länge, die, wie sich aus der Ab- bildung sehen lässt, ungemein variirt. Sie besitzen an der Basis die angegebene Breite, behalten diese bis ungefähr in die Mitte, nehmen von da langsam ab, um sich in eine Spitze zu endigen. Sie sind gla't, gelblich weiss, etwas durchscheinend, zierlich schön gebogen, oder auch wellenförmig, und in der zweiten Form zuweilen gauz gerade und wie steif. Ihre Ela- stieität unterliegt aber keinem Zweifel, indem sie sich oft bei Bewegungen mit den Glasplättchen deutlich umbogen oder hin und her bewegten. ‘Prof. Valentin glaubt auch, "dass ihre Oberfläche nicht körnig und ihre Ränder nicht varikös seien, obwohl es zuweilen den Schein "hatle, indem sich auf die Oberfläche kleine Molecule 'aulegten, die nicht zu den con- slituirenden, sondern zu den bloss adhärirenden Theilen des Gebildes gehören, was man deutlich sieht, wenn man das Ob- jeet ganz gut in den Focus stellt. Indessen will Herr Prof. Gerber jene beiden Eigenschaften deutlich beobachtet haben. Fernere noch genauere Untersuchungen werden vielleicht dies enischeiden. Eingeknickt salı ich die Fasern nie. wohl aber u 4 444 erblickt man doch zerbrochene Theile derselben, wenn sie in der zweiten Form vorkommen. Man nimmt da einzelne Frag- mente jener Fasern, die cylindrisch sind und beiderseits ein breites Ende haben, wahr. Die Bruchstelle ist gerade und zeigt keine hervortretenden Theile. — Was das Vorkommen dieser Gebilde beiriflt, so habe ich gefunden, dass sie nur auf den Zähnen, nicht aber auf der Schleimhaut existiren, dass sie sowohl bei alten als bei jungen Individuen sich finden, am meisten und zahlreichsten aber bei älteren, die weniger Sorg- falt auf ihre Zähne, welche daher mit Schleim und Weinstein bedeckt sind, verwenden. Sie zeigen sich dann meist in der Form von 2 oder 3 an allen Zähnen gleich stark. Ich habe sie bei mir, nachdem ich mit einem feinen Bürstehen auf’s sorgfältigste meine Zähne gereinigt halte, nachgesucht, und fand sie selbst in diesem Falle noch wieder. Am zahlreich- sten sind sie da, wo sich ein Theil der Schleimhaut zwischen die Zähne legt, und überhaupt gegen die Basis der letzteren hin. Was ihr chemisches Verhalten betrifft, so konnte ich bis jetzt nur constatiren, dass Säuren diese eigenthümliche Sub- stanz ganz unverändert lassen, und sie höchstens etwas durch- sichtiger machen. (Die stärkste Salpetersäure, Schwefelsäure oder Salzsäure löst sie nicht auf.) Die concentrirleste Lösung von Kali caust. bringt keine Formveränderung hervor. Auf einem Glasplättchen in einem Platinliegel verkohlt, verwan- delt sich die umgebende Masse in Kohle, die Fasern aber blei- ben unverändert. Man kann dies jedoch nur an denjenigen beobachten, die sich am Rande der schwarzen Masse befinden. Die anderen; obschon gewiss auch nicht verkohlt, werden mechanisch von der schwarzen Masse eingeschlossen, und kön- nen daher unter dem Mikroskope nicht gesehen werden. Ich erlaube mir diese Angaben bloss als eine vorläufige Notiz über diesen Gegenstand milzulheilen, damit andere ge- nauere Beobachter diesen merkwürdigen Gebilden ihre Auf- merksamkeit schenken mögen, und hofle vielleicht später noch etwas Ausführlicheres darüber geben zu können. , 445 Dass übrigens diese Substanz nieht dem Schmelz der Zähne angehört, wird Jeder, der nur einmal den regelmässi- gen Email angesehen hat, leicht einsehen. Erklärung der Abbildungen. Taf. XIII. Fig. 1. 3. 4. zeigen die Körper wie ich sie unter 4. beschrieben habe, a Grundsubstanz, 2 Faden selbst. — Fig. 2. Zweite Form der Fäden, vereinzelt, zerbrochen und mit Epithelien. — Fig. 5. Dritte, Art der Fäden, als Nester oder Fasern, umgeben von einer körnigen Grundsubstanz, in welcher zuweilen die Fasern noch sehr deutlich sind. — Fig. 6. Einzelne Fasern. «a ganze. 5 wahrscheinlich zerbrochene. - Fig. 2. u. 6. sind bei einer stärke- ren Vergrösserung als die anderen Figuren gezeichnet. Ueber das Vorkommen der krystallinischen Hornblättchen. Von Im, u WErTu Is Assistent an dem Inselhospitale in Bern. (Hierzu Taf. XII. Fig. 7 —9.) Die eısten Angaben über das Vorkommen dieser schönen Ge- bilde finden sich in Valentin’s Repertorium für Anatomie und Physiologie. Bd. II. S. 268. Später sind, soviel mir bekannt, keine anderen Bemerkungen darüber mitgetheilt worden. Valentin fand sie zuerst in einer eigenthümlichen Des- organisation der Plexus choroidei des Gehirns von Pfer- den, welche an nervös gastrischem Fieber litten. Später sah "er sie auch beim Menschen in einer Kropfdrüsen-Con- crelion. Diese Hornblättchen stellen vollkommen genaue geradlinig begränzte Rbomben oder krystallinische Tafeln verschieden- arliger Formen, welche vollkommen durchsichtig sind, und oft, besonders wenn sie in grösserer Anzahl vorkommen, in den verschiedenartigsten Richtungen sich aufeinander lagern, dar. Durch Druck oder andere mechanische Einwirkungen lassen sie sich in 2 verschiedene Directionen sprengen, so dass aus einer einzigen mehrere gleich grosse, aber düonere Tafeln sich ablösen, und dass eine unbestimmte Anzalıl kleinerer Ta- feln entsteht. Man sieht daher oft grössere Tafeln gespalten, 447 und einen Theil derselben ganz mangeln. ‚Diese Ablösung ge- schieht aber immer geradlinigt, so dass die Schenkel des Win- kels mit den ‚entsprechenden Rändern der Tafeln parallel laufen. Ihre Grösse ist sehr verschieden, wie dieses die mikros- kopischen Messungen derselben, die ich am Schlusse beigefügt habe, zeigen. Es scheint in dieser Beziehung je nach dem Organe, in welchem sie vorkommen, ein Unterschied zu exi- stiren. Ihr Verhalten gegen chemische Reagentien, so wie ihr äusseres Aussehen slimmt nach Valentin ziemlich mit ächter Hornsubstanz überein. “ Den ersten Anlass zu weiteren Nachsuchungen dieser Horn- blättchen gaben mir mikroskopische Untersuchungen einer Con- erelion der Arterien, in welcher ich dieselben zufällig in be- deutender Menge beobachtete. — Ausser in dem Plexus cho- roideus und der Kropfdrüsen - Concretion, aus denen sie oben schon angeführt wurde, fand ich dieselben bei dem Menschen: 4) In Coneretionen der Arterien. 2) In Coneretionen der Lungen- und der Bronchialdrüsen. 3) In der Galle einer alten Frau. Beim Thiere: In den Eierschaalen von Sepia officinalis. 4) In den Conerelionen der Arlerien sind sie nicht immer leicht zu finden. Denn es scheint, dass sie in denselben nicht überall in der gleichen Menge vorkommen. Gewöhnlich. ist die Stelle, wo sie sich finden, glänzend, perlmulterarlig, zu- mal wenn man trockene Präparate vor sich hat. Ich unter- suchte zuerst frische Concretionen aus einer Aorta abdominalis eines alten Mannes. Hier waren die Ablagerungen auf der ganzen Aorla zerstreut, Die innerste Haut zeigte sich an ein- zelnen Stellen gänzlich zerstört. Ueberall, wo sich Ablage- rungen fester Massen gebildet hatten, existirten auch diese Horn- blättehen, und ebenso in der atheromatösen Masse, welche an einzelnen Stellen um die Coneretionen befindlich war. Sie 448 waren meistens schr schön und vollkommen regelmässig, bil- deten grössere Tafeln und lagen in grosser Anzahl bei einan- der. ‘Je melır man die Conerelion mit Wasser verdünnte, oder je mehr man auf anderem Wege die übrigen Bestandtheile, welche diese Coneretionen bilden helfen, durchsichtig zu ma- chen suchte, desto deutlicher kamen sie zum Vorschein. 2) In der Conerelion der Lungenspitze eines Indivi- dunms, das an einem Herzfehler zu Grunde ging, fanden sich diese Hornblättchen in noch bedeutend grösserer Anzahl. Das Afterproduet von 3—4“' im Durchmesser und in der Lungen- substanz niedergelegt, war gelblich weiss, ganz fest, erdarlig und von einer halb weichen gelblichen Masse, welche beim Eintrocknen schwach glänzend aussah, umgeben. Hier waren die Hornblättchen nicht so regelmässig und vollkommen, son- dern vielfach gespalten, theils zerbrochen und aufeinander ge- schichtet. Sonst aber sliimmten sie mit den aus den Arterien beschriebenen vollkommen überein. — Die übrige die Con- eretion bildende Masse bestand aus kleinen, unregelmässigen, rundlichen Körperchen, welche zu einer compacten, dichten, undurchsichtigen Masse zusammengehäuft waren, und aus run- den durchsichtigen Fettkügelchen. Die Bronchialdrüsen des- selben Individuums enthielten ebenfalls eine Menge Concretio- nen, jedoch mit ziemlich viel melanotischer Substanz vermengt, wodurch das Auffinden der Hornblättchen etwas erschwert wurde. Ihre Anzahl war nicht so bedeutend. Sonst 'glichen sie denen der Lungeneoneretionen gänzlich. Andere frische Concrelionen habe ich weiter nicht zu untersuchen Gelegen- heit gehabt, und an trockenen Präparaten ist ihre Auffindung immer schwieriger, wenn man nicht ungefähr die Stelle, wo sie vorkommen, kennt. Es ist aber wahrscheinlich, dass sie sich auch in Conerelionen anderer Gebilde nachweisen lassen werden. 3) Die grösste Anzahl dieser Hornblättchen fand ich in der Galle einer, wie die Symptome im Leben vermulhen lies- sen, an Seirrhus ventrieuli leidenden alten Frau, »welche län- 449 gere Zeit wegen ihrer Magenbeschwerden keine festen Speisen genommen und sich bloss durch Brühen genährt hatte, Bei der Autopsie fand sich weder ein bedeutenderes Magenleiden, noch irgend ein organischer Fehler anderer Theile, Die Galle, welche ganz schwarzbraun, dickflüssig und zähe war und etwas körnicht sich anfühlte, wurde mikroskopisch untersucht. . Es fanden sich neben den Epitheliis nucleatis eine ungeheure An- zahl von sehr kleinen und einzelnen sehr grossen Hornblätt- chen. Sie waren ganz durchsichtig und nur etwas von der Gallenflüssigkeit gelblich gefärbt, meistens ganz. regelmässig, bald zerstreut, einzeln, bald in grösseren Haufen zusammenge- lagert. Ihre Spaltungen in dünnere Tafeln waren hier sehr deutlich. — Wurde die Galle ruhig hingestellt, so setzten sich die Hornblätichen sämmtlich zu Boden, An der eingetrock- neten Galle waren sie als einzelne glänzende Pünktchen mit freiem Auge schon kennbar. 4) Nach einer von Valentin gemachten Beobachtung enthalten die Eierschaalen von Sepia officinalis diese Horn- substanz ebenfalls. Zwar sind sie hier in sehr geringer An- zahl, und wie es scheint, nur in der innersten Schicht der- selben vorhanden, Ihre Grösse ist ziemlich bedeutend, bietet aber bedeutende Variationen dar. Sie sind sehr zart und re- gelmässig. — Prof. Valentin vermuthet, dass sie hier nur künstlich sich gebildet haben. Fernere Beobachtungen mögen "hierüber Aufschluss ertheilen. Müller’s Archir. 1830. 29 a Mikrometrische Messungen der Hornblättchen ®). Vorkommen. Gröss, schiefer Durchm. Klein. schiefer Darchm. Max, Med. Min. Max. Med. Min. In der Concretion der . Aorta abd. . . . 0,00435 0,00215 0,00045 0,0040 0,0021 0,0004 P. Z. In der Concretion der Lunge und Bron- ebialdrüsen .» =... 0,0031. 0,00167 0,00045 0,0026 0,0013 0,0004 | - = In der Galle . . . . 0,0185 0,00326 0,0004 0,0180 0.0029 0,00035 - - In der Degeneration der Plexus choroidei des Pferdes . - » . . 0,0085 0,00312 0,00065 0,0078 0,00276 0,0005 - - In den Eierschaalen von Sepia ofücivalis. °. 0;0052 0,0032 0,0018 0,00495 0,00281 0,0015 - = *) Wenn auch die Bestimmungen beider schiefen Durchmesser bei Nichtangabe des Winkels, unter welehem diese sich kreuzen, die Rhombengestalt der gemesse- nen Tafel nicht definitiv bestimmen, und die Grundwinkel nebst den Nebeuwinkelu dieser Krystallisationen noch nicht ermittelt sind, so sind doch die Längen jener beiden Durchmesser vorläufig geeignet, ein ungefähres Bild der Grösse der be- sprochenen Gebilde zu ertheilen. — Die Media sind aus zchn einzelnen Messungen entnommen. Erklärung der Abbildungen. Taf. XIII. Fig. 7. Hornblättchen aus der Coneretion der Aorta abdominalis. — Fig. 8. Hornblättehen aus der Coneretion der Lungen und Bronchialdrüsen. — Fig. 9. Hornblättchen aus der Galle, Briefe über das Nervensystem an Prfessor J. Müller. Von Marsuaıı Harn Erster Brief. Ueber die Vis nervosa Haller’s. (Hierzu Taf. XIV.) Verehrter Herr! 4. Es wird mir viel Vergnügen machen, Ihnen von Zeit zu Zeit die Resultate meiner fortgesetzten Untersuchungen über das Nervensystem mitzutheilen. Keiner wird über dieselben besser und unpartheiischer urtheilen, keiner wird irgend ein glückliches Resultat freudiger aufnehmen, als eben Sie. 2. Der Gegenstand dieses gegenwärtigen Briefes ist jene Kraft in bestimmten Theilen des Nervensystemes, welche von Haller als Vis nervosa bezeichnet ward. Es scheint mir ein sehr verdienstliches Unternehmen zu: sein, die dieser Kraft zukommenden Thätigkeiten in ihren eigenen besonderen Arten, Richtungen und Verbindungen, die allein durch das Experi- ment und die Beobachtung bestimmt werden können, auszu- mitteln. Sie ist in der Physiologie, was die Eleciri- eität in der Physik, wenn nicht die Eleetrieität selbst, und sie gewährt eine Anwendung auf die Erklärung der Lebens- pliänomene, wie sie früher weder gekannt noch geahnt ward. 29° 452 3. Sie haben selbst das Unzuläpgliche und Ungeeignete der von Haller gebrauchten Bezeichnung für diese motorische Kraft gefühlt und haben den Ausdruck Vis motoria gewählt. Flourens hat statt dessen den Namen excitabilite vor- geschlagen. Ich stellte früher beiläufig den Namen exeito- motorische Kraft auf. Allen diesen Benennungen, glaube ich, ist der griechische Ausdruck: Neurokinesis oder das ein- fache griechische Wort Kinesis, nach Scapula so viel als „motus, motio, commotio tam in aetiya quam in passiva sig- nificatione,“ vorzuziehen. 4. Wie dem auch sein mag *), es ist ein Versuch, wenn ich in diesem Brief von der Vis nervosa zu handeln beab- sichtige. I.. Die Meinung von Haller u. s. w. 5. Das motorische Prineip in der thierischen Oekonomie, von Haller, wie ich schon erwähnte, Vis nervosa genannt, beschäftigte grösstentheils die Aufmerksamkeit jenes ausge- zeichneten Physiologen des letzten Jahrhunderts; in dem ge- genwärtigen wurde der begränzte und ausschliessliche Sitz des- selben in bestimmten Theilen des Neryensystemes von Flou- rens sehr geschickt nachgewiesen. Haller *°) glaubte, dass *) Wenn wir den Ausdıuck Kinesis als Substantiv annälımen, ‘so würde kivelisch uns die Adjestivform geben, Akinesis und akine- tisch würden die Abwesenheit dieser Eigenschaft anzeigen, z. B. im Cerebrum, Cerebellum, in den Sehhügeln, den Gehör- und Sehner- ven u. s, w. Synkinesis und synkinelisch würden den jetzt vorhan- denen und widersprechenden Ausdruck ‚‚sympathische Actionen* er- setzen. Paräkinesis und parakinetisch, würden den Effect. der Bewe- gung ausdrücken u. s. w., Das eigentliche Rückenmark, wenn es als Quelle der tonischen Thätigkeit betrachtet wird, würde autokinetisch, wenn als Mittelpunkt der Reflexion würde diakinelisch heissen; die ineidirenden Nerven wären ento-kinelisch, die Rellexnerven ekto-ki- netisch; das Nervensystem wäre 'egerto-kinetisch. Auch ist der Aus- druck Kinesis durchaus nicht neu in der Physiologie, *") Primae Lineae Physiolog, Edinb. 4767. $. CCCLXYVIL. p. 180. 453 die Vis nervosa im Gehirne sei, Flourens *) hat durch die klarsten Versuche nachgewiesen, dass sie auf die 'Tubercula quadrigemina, die Medulla oblongata, die Medulla spinalis und (wie er glaubt) auf die motorischen Nerven beschränkt ist — ein sehr wichtiger Fortschritt in der Physiologie dieses Prineips. 6. Alle Physiologen haben es als ein Gesetz für die Thä- ligkeit dieser motorischen Kraft ausgesprochen, dass sie ihre Wirkung in der Riehtung längs des Rückenmarkes abwärts und von den dickeren Nervenzweigen hin zu den 'dünneren, oder gegen ihre äusseren Endigungen allein ausdehut, und nie in der entgegengesetzten Richtung. 7. Haller sagt: „Irritalo nervo convulsio in museulis ori- tur, qui ab eo nervo ramos habet. Irritato vero nervo, mullis museculis communi, totive arlui, omnes ii musculi convellun- tur, qui ab eo nervo neryos habent, sub sede irritalionis ortos. Denique medulla spinali irritala omnes artus convelluntur, qui infra eam sedem neryos aceipiunt, neque contra arlus, qui supra sedem irritalionis ponuntur,“ Er schliesst: „conditio illa in nervo, quae motum in musculis ciet, desuper advenit, sive a cerebro et medulla spinali, deorsum versus extremos nervorum fines propagatur,® und — „ut adpareat, causam motus a trunco nervi in ramos, non a ramis in trun- eum venire.“* **) 8. Bichat sagt: „Linfluence nerveuse ne se propage que de la partie superieure & l’inferieure, ‘et jamais en sens inverse. Coupez un nerf en deux, sa partie inferieure irritee fera contracler les muscles subjacens; on a beau’ exciler V’au- tre, elle ne delermine aucune eontraction dans’ les museles superieurs; de m&me la moälle, diverse transversalement et agacee en haut et en bas, ne produit un eflet sensible que dans le second sens. Jamais influence nerveuse ne remonte pour le mouvement, comme clle le fait pour le senliment °*°). *) Du syslöme neryeux, passim. **) Elementa Physivlogiae, Lausanne. IV. p. 325. *"*) Anatomie generale 4801. T. UI. p. 277. 454 9. ‚Cuvier bemerkt in seinem Berichte über das merk- würdige Werk von Flourens: :„Toute irvitation d’un nerf le met en jew dans les muscles oü il se rend. Toute irrita- tion de la moelle le met en jeu dans les membres places au- dessous de l’endroit irrite.“ *) 10: Sie selbst endlich behandeln diesen Gegenstand noch weiler und haben folgende Gesetze in Betreff des Modus der Thätigkeit der motorischen Kraft aufgestellt: 11, „Die motorische Kraft wirkt in den Nerven nur in der Richtung der zu den Muskeln hingehen. den Primitivfasern oder in der Richtung der Ver- zweigung der Nerven und niemals rück wärts.“ 12. „Alle motorischen Fasern wirken isolirt von den Stämmen der Nerven bis zu den letzten Verzweigungen.“ *) 1I. Experimente; neue Gesetze der Thätigkeit der Vis nervosa. Ich muss zuerst bemerken, dass es mir immer als ein be- merkenswerther Umstand in der Geschichte der Physiologie geschienen hat, dass die Vis nervosa, welche so allgemein als ein. motorisches ‚Prineip. in der thierischen Oekonomie aner- kannt und durch das Experiment ermittelt ist, bis jetzt, keine Anwendung irgend einer Art auf die Erklärung ihrer Verrich- tungen ‚oder auf die actuelle Physiologie erfahren hat. Wir sehen ausnahmsweise ein Prineip der Thätigkeit, welches bis jetzt ohne Anwendung geblieben ist. 14. Ein anderes Factum ähnlicher Art besteht auch in der Geschichte der experimentellen Physiologie. Redi, Whytt, Blane, Legallois ete. nehmen eine Reihe von Erscheinun- gen am Rumpfe, und den Gliedern geköpfter Thiere wahr. Wenn wir 'z. B. ‘den Kopf einer, Katze oder Schildkröte ent- *)Recherches du Systeme nerveux par P. Flourene. p. 83. **) Handbuch der Plıysiologie. I. 656. 659. L 455 fernen und ein Glied reizen, so wird dieses und. die übrigen Glieder sogleich mit grosser Kraft bewegt. Zuerst blieb ‘das motorische Prineip in diesen experimentellen Phänomenen unentdeckt, dann blieben die Phänomene selbst, wie die 'Vis nervosa, als blosse Thatsachen stehen, olıne Anwendung auf die Erklärung der Physiologie der gesunden Functionen während des Lebens. 15. Ich habe, wie ich glaube, vermöge einer Reihe von Experimenten, die sogleich erörtert werden ‚sollen, gezeigt, dass die Vis nervosa nach anderen Geselzen ihätig ist, die verschieden sind von denjenigen, welche ihr vorher Physiolo- gen zugewiesen; ‘dass es die motorische Kraft in den Experi: menten ‚an geköpften Thieren ist, worauf ich. geachtet, und dass diese Experimente eine weitere Anwendung auf die Phy- siologie gewähren, und nicht bloss auf die Physiologie, ‚son- dera auch auf den speciellen Sitz dieser Kraft, die Anatomie, und auf gewisse krankhafte Thätigkeiten, die Pathologie. 16. Experiment I. Ich nahm eine Schildkröte: (Chelonia mydas), und legte nach Entfernung des Kopfes das Rücken; mark bloss durch Wegnalhme einer. länglichen Portion des hin: teren Theiles der Schaale, dann reizte ich das Organ. vermit- telst des Galvanismus, der Pinceite. etc. 47. 1) Ich hatte zuerst das Phänomen der plötzlichen Be- wegungen in den beiden hintern Extremitäten und im Schwanze, in Uebereinstimmung mit dem Haller’schen Gesetze. 18. 2) Ich erhielt aber auch schwächere, langsamere und continuirliche Bewegungen in. den ‘vorderen Extremitäten, wodurch ein neues Gesetz der. Thätigkeit der Vis nervosa, nach dem Verlaufe des, Rückenmarkes aufwärts, sich her- ausstellt. . Dieses Experiment ist in Fig. 1. dargestellt. 49. Bevor ich weitergehe, muss ich kürzlich bemerken, dass Experimente, die einige Aehnlichkeit mit diesen haben, von Flourens°) sowohl als, von Ihnen selbst ; angestellt ”) Du syslöme nerveux. p. 12— 33. 412 443. & 456 sind *); aber sie wurden nicht an geköpften Thieren gemacht, und sind also nicht identisch mit den vorliegenden; Empfin- dung und Willen waren also nicht ausgeschlossen, und die Phänomene nicht auf die Wirkung der Vis nervosa beschränkt, wie sie es meiner Meinung nach in den meinigen sind. Auch waren sie nicht so angestellt um durch ein und dieselbe Appli- calion des Reizes die Wirkung der motorischen Kraft auf- wärts und abwärts zu zeigen, und so ihre Identität zu be- weisen; Niemand kann, glaube ich, diesen letzten Schluss in Zweifel ziehen. 20. Experiment II. Ich entfernte nun alle Eingeweide, legte die seitlichen Nerven bloss und durchschnitt sie an ihren äusseren Enden; dann reizte ich den noch am Rückenmarke befestigten Theil durch Galvanismus und die Pincette, wie ich es vorher mit dem Rückenmarke selbst gemacht hatte. 21. Ich erhielt sogleich langsame und eontinuirliche Be- wegungen aller vier Extremiläten und des Schwanzes. 22. In diesem Experimente wirkte, im Gegensatze zum Haller’schen Gesetze, die Vis nervosa oder der motorische Einfluss in Richtungen von den Nervenzweigen zu ihren Stämmen hin, in das Rückenmark und eben sowohl auf- wärts und abwärts in’dem Rückenmarke. Dieses Esperi: ment ist in Fig. 2. dargestellt. - 23. So wie ich glaube dass Niemand bezweifeln könne, in dem Experiment I. sei es dieselbe Vis nervosa, welche in den Richtungen nach aufwärts und abwärts wirke, so kann wohl Niemand bezweifelo, dass es in dem Experiment H. dieselbe Vis nervosa ist, welche in der geraden Rich- tung zum Rückenmarke hin wirkt und dann in Richtungen aufwärts und abwärts längs des Rückenmarkes und endlich in reflectirten ‚Richtungen zu den Extremitäten. 24. Experiment III. Statt irgend einen Theil des vom Uebrigen isolirten Nervengewebes zu reizen, reizte ich *) Handbuch der Physiologie. I. p. 625. 637. 457 successive die Hautoberflächen des Körpers und der Glied- maassen, wie Fig, 3. zeigt. : 25. Ich halte genau das im zweiten Experimente beob- achtete Phänomen. 26. Doch das ist das alte Experiment von Redi, Whytt u. s. w. an geköpften Thieren. Sind wir also nicht berech- tigt zu schliessen, dass diese Plänomene gleich jenen in Ex- perim, I. und If. von der Haller’schen Vis nervosa abhän- gen? Wenn dieser Schluss, den ich als unzweifelhaft betrachte, zugegeben wird, so führt er uns, abgesehen von seiner so grossen Wichtigkeit an sich, zu anderen von ausgedelinter An- wendung in der Physiologie. " - 27. Experiment IV. In diesem Experimente ging ich von den häutigen Oberflächen zu den schleimhautarti- gen über, und reizte zuerst die Ränder der Augenlider und dann die des Sphincter ani. 28.. Die Augenlider schlossen sich, der Sphinkter ward contrahirt. 29. Doch diese letzteren Erscheinungen sind keine blos- sen Experimente, es sind physiologische Acte. Und wir haben in ihnen, wie ich glaube, die erste Anwendung der Vis nervosa, des motorischen Prineips in den Experimenten von Redi, Whytt u. s. w., auf die Physiologie. Denn kei- ner kann meiner Meinung nach bezweifeln, dass das motori- sche Prineip in dem letzten und in dem ersten dieser ‚Reihen von Experimenten dasselbe ist. 30. Doch das ist nicht die einzige Schlussfolge aus die- sen Experimenten. Die Phänomene hörten auf nach Durch- schneidung entweder des Rückenmarkes oder der incidirenden oder refleclirenden Nerven, in jedem Theile, der zwischen den gereizten Punkt und den bewegten Theil kömmt. Diese Bewegungen also und physiologischen Acte hängen von einem speciellen Systeme der incidirenden ‚Nerven, des Rückenmar- kes und der reflectirenden Nerven ab, deren Characlerislisches darin besteht, dass sie mit der Vis nervosa versehen sind. 458 Dieses System hat eine gleiche Ausdehnung mit den Phäno- menen, die es zur Erscheinung bringl, und es muss daher nicht durch das Argument, sondern durch das thätige Experi- ment bestimmt werden. Ich mache hier diese beiläufige Be- merkung als Erwiederung der Bemerkungen von Prof. Volk- mann in ihrem Archiv von 1838. N. 1. p. 38. 31. Experiment V. Ich nahm zunächst den getrenn- ten Kopf der Schildkröte, und reizte durch Galvanismus und die Pincelte das untere Ende der Medulla oblongata und des pneumo-gastrischen Nerven; dann machte ich den Versuch die Schleimhaut der Nasenlöcher, des Gaumensegels und des La- rynx zu reizen, y 32. In allen diesen Fällen ward ein Akt der Inspiration, der sich durch das Herabsteigen der submaxillaren Gewebe kundgab, unmittelbar darauf herbeigeführt. Dieses Phänomen hörte auf, wenn man die Medulla oblongata forinahm. 33. Ich hatte Gelegenheit die Experimente I. und II. in der Pitie in Paris in Gegenwart von Serres, unserem Freunde Walker, meinem Freunde, dem Dr. Maurice Gariel, und anderer Gelehrten zu wiederholen. Das Folgende sind die damals von Dr. Gariel niedergeschriebenen Bemerkungen, unter dessen Anleitung die Zeichnungen, auf welche ich mich bezogen, von Herrn Been gemacht wurden; Experiences failes sur une torlue, la tete dlant separde du tronc, entre la 3e et la 4e vertebre cervicale, Höpital de la Pitie le 10. Aoüt 4837. 34. 4e Exper. Lorsqu’ avec un stylet l’on toucha la partie de la moelle epiniere mise a nu par la section de.la 3e vertebre (du cöte de la tete), l’on determina des mouve- mens d’inspiralion. 35. 3e Exper. Quatre traits de seie, deux longitudi- naux distants d’un 4 pouce, les deux aulres transversaux, distants d’un pouce, ayant €le portes sur le parlie ‚centrale de la earapace, on mil la moölle epiniere & nu au niveau de la region dorsale, par conscquent au dessous du niveau de la 459 naissance des nerfs, qui se'rendent aux exir&mites superieures: lorsqu’on la toucha avec un stylet, ou qu’on Vexeita au mo- yen du galvanisme, ‚on produisait des mouvemens de tous les membres et de la queue. 36. 3e Exper. Ayant mis & decouvert un nerf inter- costal, apres avoir enlev& les organes conlenus dans l’interieür de la carapace, on le siimula par les m@mes moyens et l’on oblint le m&me resultat que dans la 2e exper. 37. 4e Exper. En stimulant les surfaces culandes et muqueuses, telles que celles de la face, des narines etc, «(la tete &tant separee du trone) l’on determina les memes mou- vemens, que dans l’experience 1e, 38. Se Exper. En soulevant et isolant sur un pelit rouleau du papier la moölle Epinitre au point oü elle &tait & decouvert comme dans l’experience 2e, et en slimulant la face posterieure, on determina des mouvemens des qualre membres et de la queue. En stimulant la face anterieure, on deter- mina les mömes mouvemens, mais avec plus d’Energie encore. 39. 6e Exper. En touchant ayee un stylet le sphincter de l'anus, qui regoit ses nerfs au dessous du point oü les membres posterieurs regoivent les leurs, om determina. des mouvemens tres Energiques dans les membres posterieurs et la queue, III. Andere Experimente; Zweckmässigkeit. 40. Bei Wiederholung der vorhergehenden Experimente, was ich öfters gethan, ‘bemerkte ich einige Nebenumstäude, welche, in sofern sie auf einen interessauten Punkt Licht wer- fen, ich jetzt näher erläutern will. 41. Experiment VI, Nachdem ich das Rückenmark bei einer Schildkröte in der bereits beschriebenen Weise bloss- gelegt, reizte ich continuirlich einen Theil nahe an den vor- dern Extremiläten, wie in Fig. Aa. 42, Die vorderen Extremitäten wurden mehr bewegt. 460 43. Dann reizte ich einen Theil nahe den hintern Ex- tremitäten. Fig. 4. 44. Die hinteren Extremitäten wurden dann mehr bewegt. 45. Ich reizie zunächst einen dazwischen gelegenen Punkt Fig. Ac. = 46. Die vorderen und hinteren Extremitäten wurden dann auf gleiche Weise bewegt. 47. Experiment VII. Statt das Rückenmark zu ent- blössen, legte ich die seitlichen Nerven bloss, wie ich vorher gelhan, und reizte successiv einen von denjenigen Nerven, welche dem vorderen Theile des Thieres nahe lagen, Fig. 5 a., dann einen dem hintern Theile näher gelegenen, Fig. 5 b., und endlich einen in der Mitte gelegenen, Fig. 5 c: 48. In dem ersten Falle wurden die vorderen Extremi- tälen, in dem zweiten die hinteren Extremitäten mehr bewegt, und in dem dritten wurden alle fast gleich bewegt, genau wie in dem vorhergehenden Experimente an dem Rücken- marke selbst. 49. Experiment VIII. Ich stellte nun ein Experiment von einer anderen Art an. Stalt die Schaale, das Sternum, die Viscera zu änlfernen, und das entblösste Rückenmark oder die seitlichen Nerven zu reizen, reizte ieh die Hautoberfläche, an den drei in Fig. 6a.2.c. dargestellten Punkten. 50. Die hervorgerufenen Wirkungen waren, wie die Fig. 6 a.; 6 b. und 6 c. zeigen. 51. In Fig.6a. könnte wohl der Zweck erscheinen, die "reizende Ursache zu entfernen, doch noch mehr in Fig. 6 c.; in Fig. 6 2. könnte der Zweck erscheinen, der Quelle der Reizung zu entschlüpfen. 52. Doch alles, was mit Sicherheit ausgesagt werden kann, ist, dass wenn, wie in den Experimenten VI. u. VII., gewisse Theile des Nervensystemes, oder der häuligen oder der unbezweifelt mukösen Oberflächen gereizt werden, be- sliimmte Wirkungen erfolgen. Wenn der Schwanz an der geköpften Schildkröte gereizt wird, so werden die hinteren 461 Extremiläten kräftig vorwärls gestossen; wenn eine von die- sen gereizt wird, so werden sie beide rasch in die Schaale hineingezogen. Wenn der Rand des Afters gereizt wird, so werden die Gliedmaassen unmittelbar nach diesem Theile hin- gerichtet, in einer Art, welche lebhaft den Gedanken eines Zweckes erregt. 53. Es kaun nicht geläugnet werden, dass diese Bewe- gungen merkwürdig sind, und dass sie sehr den teleologischen in dem lebenden Thiere ähneln. Sind sie aber wohl merk- merkwürdiger als das Schliessen des Larynx, wenn seine Ränder berührt werden oder die Thäligkeit des Pharynx, wenn irgend eine Flüssigkeit oder essbare Substanz bis in sei- ne Sphäre gebracht ist. 54. Es ist in der That bei allem diesen eine Absicht — aber es ist Absicht von Seiten des Schöpfers, nicht von Sei- ten jener erschaffenen Wesen. Er hat in das Nervensystem bestimmte Gesetze gelegt, denen gemäss jenes System. thälig ist, Diese Gesetze erkennen wir bis jetzt bloss in ihren ein- fachen Verhältnissen, später mag man sie besser kennen lernen. 55. Im Allgemeinen kann man bemerken, dass die Wir- kungen der Vis nervosa von der Art sind, dass sie diejenigen des Willens unterstützen und verstärken, nicht aber letzterem entgegenstehen. Die Bewegungen eines geköpften Thieres kön- nen also häufig die des Vorwärtsgehens oder ihnen ähnlich sein. Wenn wir uns die Thäligkeiten des Willens denen der Vis nervosa entgegengeselzt denken würden, so müssten wir erwarten, was wir in der That oft in Krankheiten, z. B. in der Chorea, sehen, dass ein Theil der animalischen Functionen durch den anderen vereitelt ‚wird. 56. Doch ich wiederhole — einige von den beobachte- ten Thatsachen sind aussergewöhnlich.. Der Strauss, dessen Kopf durch den halbmondförmigen Pfeil des römischen Kaisers abgeschlagen wurde, und der Hahn in dem wohlbekannten Ex- periment von Boerhave — setzten ihren Lauf nach der 462 Enthauptung fort. Der geköpfte Vogel und das geköpfte In- sect flattern und fliegen selbst eine beträchtliche Strecke. Soll- ten solche Thatsachen uns blindlings zu ‘dem Schlusse führen, dass Empfindung, Absicht und Wille, mit einem Wort die Wrvxn in dem seines Gehirns beraubten Thiere bestehe? oder sollten sie uns nicht vielmehr Antrieb sein zu erforschen und auszu- milteln, bis zu welchem Grade das Fliegen der Vögel und Insecten und der Lauf der Thiere unter dem Einflusse eines anderen Principes stehe? IV, Nervenkanäle, durch welche die Vis nervosa thätig ist. 57. Der Sitz der Vis nervosa und die verschiedenen Ur- sachen ihrer Thätigkeit werden durch das Experiment, und bloss durch das Experiment entschieden. 58. In den Fällen, welche erwähnt wurden, fand diese Thätigkeit genau längs den incidirenden Nerven, dem Rücken- marke und den „Reflesnerven Statt. Wir sind durch eine Reihe von Untersuchungen und Experimenten im Stande, die Reihen dieser Nerven zu bestimmen. Unsere Experimente kön- nen zweifelsohne fehlerhaft sein; doch sind sie fehlerlos, so scheint es mir, dass ihr Resultat schlechthin angenommen werden muss, und dass solche Nerven als Nerven betrachtet werden müssen, die nach dem Princip der Vis nervosa thätig sind. 59. Wenn wir eine Reflexaction von der Art, auf die ich angespielt, bemerken, so haben wir nur zu bestimmen, von welchen ineidirenden und Reflexnerven, als ihren notl- wendigen Medis, sie abhängt. Wir prüfen die Richtigkeit unserer Anatomie, indem wir in besonderen Experimenten die Wirkung der Vertheilung der verschiedenen Nerven in ihrem Verlaufe beobachten. Die Anatomie — die Vertheilung und der Ursprung dieser Nerven, mag ihre Function errathen las- sen; aber das physiologische Experiment kann allein dieselbe mit Bestimmtheit ermitteln. 463 60. Eine deutliche Reflexaclion ist die des Augenlides in einem Thiere, das seines Gehirnes beraubt ist. Dieses Phä- nomen hört auf, wenn man ‘entweder erstens den Trigeminus im Schädel durehschneidet, oder zweitens den Facialis unter dem Ohre, oder endlich wenn man die Medulla oblongata ent- fernt. Der Trigeminus und Facialis sind in diesem bekannten Phänomen die exeitorischen und Reflexnerven, während die Medulla oblongata ihr gemeinsames Centrum ist. Diese Ner- ven müssen daher so in irgend einer Classification des Ner- vensystemes geordnet werden. Sie können anderen Verrich- tungen dieses Systemes vorstehen, doch seien sie nun die Lei- ter der Empfindung und des Willens oder nicht, sie sind die in der Reflexaelion des Augenlides thätigen Nerven, und müs- sen als solche geordnet werden. 61. Wir würden einen Beweis derselben Thatsache erhal- ten, wenn wir die Nerven selbst blosslegten und auf die Wir- kung des Reizes achteten. Doch bemerke ich hier, dass die Punkte des peripherischen Ursprunges der exeitorischen Ner- ven zuweilen die exeitorische Eigenschaft unter dem Einflusse des Reizes zeigen, während die Stämme oder die grossen Zweige derselben Nerven es nicht thun. Dies bemerkte ich schon früher in dieser Untersuchung (siehe meine Memoirs p- 48. $. 21.), und die Thatsache ist durch Prof. Volkmann - bestätigt (Op. eit: p. 25.). Dieser Umstand empfiehlt eine nothwendige Vorsicht in Betreff der Schlüsse aus den nega- tiven Resultaten bei den Fällen, in welchen die Nervenstämme gereizt werden, und nöthigt uns an ihren Ursprüngen in den äusseren Haut- und mukösen Flächen zu experimentiren. 62. Experimente leiten uns auf dieselbe Weise die ex- eitorischen Nerven in Verrichtung des Schlingens, der Schlies- sung des Larynx, den Acten der Respiration u, s. w. auszu- mitteln. Dr. J. Reid hat diesen Theil der Untersuchung sehr glücklich verfolgt *). Derselbe Nerv kann empfindend und *) Edinb. Med. et Surg. Joarnal. Vol, XLIX. 464 exeitorisch sein, - wie der Trigeminus, oder er kann gänzlich oder fast gänzlich der sensoriellen Eigenschaft beraubt, und vorzugsweise exeilorisch sein, wie der pneumogastrische. Die Frage in unserm gegenwärtigen Standpunkte ist nicht, ob der Nerv ein zusammengeselzter sei, sondern ob er wirklich. ein excitorischer sei; und ist dies der Fall, so muss er seine Stelle gemäss unserer. Classification des Nervensystems einnehmen. Wenn. es ein zusammengesetzter Nery ist, so muss er nach seinen verschiedenen ausgemiltelten Eigenschaften. mehreren Abtheilungen des Systemes zugeordnet werden. Es ist un- möglich anderswie zu verfahren, wenn unsere Anordnung der Ausdruck von Thatsachen sein soll. 63. ‚Ich mache diese kurzen Bemerkungen in Betreff der Anordnung der Nerven, theils in Rücksicht auf ihre Wichtig- keit an 'sich, theils als Erwiederung auf einige Bemerkungen des trefllichen Prof. Volkmann *), welche unkräftig. sind, wenn meine Anordnung, wie.ich glaube, der Ausdruck von Factis, von Phänomenen ist. 64. Durch eine Reihe von Experimenten also entschei- den wir, dass gewisse ineidirende Nerven, die Medulla oblon- gata, die Medulla spinalis und gewisse Reflexnerven mit der Vis nervosa ausgestaltet sind. Wir unterscheiden, wir ordnen sie demnach. _ Neue Experimente können unsere ersten Resul- tate verbessern,‘ aber so lange unsere Anordnung nur That- sachen allein ausdrückt, kann ihr kein irgend werihvoller Einwurf gemacht werden. 65. Wenn wir nun also zuerst diejenigen. Nerven’ zu- sammenstellen, welche Empfindung und Willen von ihrem Centrum; dem grossen Gehirn, leiten — zweitens die Ner- ven, welche jene Energie der Vis nervosa zu und von dem eigentlichen Rückenmarke leiten, welches letztere selbst als Centrum ‘jene Kraft besitzt; und als dritte Abtheilung das - Gangliensystem, so haben. wir eine Anordnung, wie ich sie *) Op. et loc- eit. 465 vorgeschlagen, und wie Prof. Volkmann’s Bemerkungen her- vorgerufen. Ich wiederhole, dass dieses eine Reihe von That- sachen, von Experimenten ist, gegen die ich keinen ungegrün- deten Einwurf gestatten kann. V. Schlüsse; das wirkliche Spinalsystem. 66. Aus den vorhergehenden Experimenten und Beob- achlungen, und aus anderen, die später kommen 'sollen, kön- nen wir, wie ich glaube, schliessen: 67. 1) Dass es Arten der Thätigkeit und Anwendungen der Vis nervosa giebt, die früher den Physiologen nicht be- kannt waren. 68. 2) Dass es eine Reihe von ineidirenden Nerven giebt, welche die Energie der Vis nervosa von ihrer peri- pherischen Verzweigung oder besser ihrem peripherischen Ur- sprunge zu dem Rückenmarke leiten. 69. 3) Dass dieses Rückenmark, welches ich zum Un- terschiede von dem blossen Intraspinalstrang der Cerebralner- ven als eigentliches Rückenmark bezeichnet, die Wirkungen der Vis nervosa empfängt und vereint, und sie sowohl auf- wärls als abwärts leitet. 70. 4) Dass von dem eigentlichen Rückenmarke aus ge- wisse andere Reflexnerven ihren Verlauf nehmen und die Wir- kungen der in den incidirenden Nerven angeregten Thäligkei- ten der Vis nervosa zu den Muskeln leiten, in welchen sie sich verbreiten, und welche gewöhnlich zu eombinirter Thätigkeit angeregt werden. 74. 5) Dass die so veranlassten combinirien Thätigkei- ten alle Acte der Ingestion und Egestion in der thie- rischen Oeconomie begreifen. 72. 6) Dass die pathologischen Thätigkeiten dieser Kraft in ihren anatomischen Beziehungen die ganze Klasse der spas- modischen Krankheiten ausmachen. F ı Müller's Archiv. 1810. 30 466 73. In einem folgenden Briefe will ich diese anatomischen und physiologischen Beziehungen in den verschiedenen Ord- nungen der Thiere schildern. Meine Absicht bei diesem ersten 'einleitenden Briefe war, ‚eine allgemeine Uebersicht meines Gegenstandes zu geben. Später muss ich mehr in’s Detail gehen. Mittlerweile unter- werfe ich diesen gegenwärtigen Beitrag zur Physiologie dem Urtheile meiner Collegen in Deutschland mit dem Vertrauen, welches ihre rühmlichst bekannte Liebe zur Wissenschaft, Wahrheit und Gerechtigkeit einflösst. Ueber den Bau des Hodens und die Entwickelung der Saamenthiere der Rochen. Von Dr. Epvaro Harımann. (Hierzu Taf. XV, Fig. 1—6.) Die im ersten Hefte dieses Archivs Jahrgang 1840 enthaltene und mir zum Ende des Monat Mai zugekommene Notiz von Stannius „Ueber die männlichen Geschlechtstheile der Ro- ehen und Haie“ veranlasst mich die Beobachtungen mitzuthei- len, welche ich in Löwen im Januar und Februar dieses Jah- res über den Bau des Hodens und die Entwickelung der Saamen- thiere der Rochen (Raja Rubus und anderer) gemacht habe. Die Untersuchungen wurden stets an frischen Exemplaren angestellt, welche wöchentlich mehrere Male von Ostende aus dort zum Markte gebracht werden, In der Bauchhöhle des männlichen Rochen findet man nach Entfernung des Darmkanals und der Leber jederseits zwei drüsenarlige Organe, welche die innern Geschlechtstheile aus- machen. Die der Wirbelsäule zunächst liegende langgestreckte Drüse besteht aus vielfach geschlängelten Kanälen und hat einen, geschlängellen, gegen den After zu mehr gestreckten und..breiterwerdenden Ausführungsgang, welcher Saamenflüs- sigkeit enthält. Diese Drüse wurde schon von Cuvier Ne- 30° 468 benhoden genannt. Nach aussen von diesem Organe erblickt man in jeder Körperhälfte einen breiten, platten, zungenför- migen Körper, dessen vorderes Ende rundlich abgestumpft ist, und dessen hinteres Ende schmaler in eine schmulzig weisse Fettmasse ausläuft. Dieses Organ wurde schon von Cuvier für den Hoden erklärt, Beide Organe sind naturgelreu abge- bildet und beschrieben von Müller *), der den Nebenhoden für eine Drüse eigenthümlicher, Art hielt, weil keine Verbin- dung zwischen. ihm ‚und. dem Hoden aufzufinden sei, später aber im Jahre 1836 (Jahresbericht im Archiv p. LXXXIX.) mitgelheilt hat, dass er diese Verbindung ‘gefunden und nun ebenfalls der älteren Ansicht von Cuvier beistimmt. Diese Ansicht wird auch durch die mikroskopische Untersuchung des Inhalts beider Organe von Stannius und mir vollständig be- stätigt. Denn obgleich es mir selbst eben so wenig wie den frühern Beobachtern, mit einziger Ausnahme von Müller (in der zuletzt eitirten Stelle) geglückt ist, irgend eine Spur von Verbindung zwischen dem platten zungenförmigen Körper und der langgestreckten, aus gewundenen Kanälen bestehenden Drüse aufzufinden, so ist es doch auf der andern Seite That- sache, dass die Saamenthiere in ersterem gebildet und in letzterer in zahlloser Menge ausgeführt wer- den. Man kann daher nicht wohl Anstand nehmen, den er- stern Körper Hoden, den letztern Nebenhoden und Vas defe- rens zu nennen. Ich beschränke mich auf die Beschreibung der Structur und des Inhalts des Hodens. Der Hoden ist an seinen Rückenflächen plan und stel- lenweise von einer dünnen Schicht des schmutzig weissen Fettes **) bekleidet, das an dem hintern Ende in grösserer \ *)..De ‚glandul. secero. str, pen. Lips. 1830. Fol, Tab. XV. Fig. 8. und Tiedem. u. Treyir. Zischr. f. Physiol. 4831. Bd. IV. p. 106. **) Für ‚nichts anderes erlaube ich mir vorläufig diese Masse zu halten, von der ich sehe, dass Cuvier und Müller sie für eine ei- genthümliche Drüsensubstan erklärenz. 4 469 Masse angehäuft ist. : Die Bauchfläche des Hodens ist frei, leicht convex und in ziemlich regelmässige, 4- Seckige, auch.hin und wieder rundliche Felder getheilt, von denen jedes eine leichte 'Vertiefüng in der Mitte zeigt. Diese Felder sind die Oberflächen der Fächer, in. die der Hoden durch, sehr zarte häulige Scheidewände getheilt ist, und von denen jedes von einem rundlichen, erbsengrossen Körper ausgefüllt wird, Der Hoden ist aus einer 'einfachen Lage dieser rundlichen Körper gebildet. Ein jeder dieser Körper. besteht aus einer grossen Zahl kleiner Körner, ‚die dem unbewaffneten Auge wie sehr feine dichtgedrängle Nadelknöpfe erscheinen und 'schon bei geringer Vergrösserung als Bläschen erkannt werden. "Schuei- det man einen aus seinem Fache herauspräparirten rundlichen Körper renkrecht dureh, ‚so bemerkt man, dass die Körner oder Bläschen, aus denen er besteht, an’ der obern, ‚mit der seichten Vertiefung versehenen Fläche kleiner und blasser sind, und gegen. die Basis zu grösser und dunkler werden. Ihr mittlerer Durchmesser ist = 0,006 Zoll. Als ich ein kleines Häufchen‘ dieser Bläschen unter dem Mikroskop mit Nadeln vorsichtig auseinanderzog, ‘bemerkte ich, dass einige derselben auf Slielen festsassen, Ich beobachtete auch zu wiederholten Malen die Verästelung (dieser Stiele, so z. B., dass von. einem Stämmchen rechts und dann links ein Stiel abging; der an seinem Ende ein Bläschen trug, und’ das Stämmehen sich alsdann in zwei Endstiele Iheilte, die eben- falls jeder in ein Bläschen ausliefen. Die kleinern Bläschen sind mehr ovalund gehen ohne scharfen ‚Absatz in den Stiel über, die grössern dagegen kugelrund. und: gegen‘ den; Stiel scheinbar scharf abgegränzt. Zerrt inan einen Haufen der Bläs- ehen auf's Gerathewohl auseinander,'so reissen die kugeligen Bläschen sich von den Stielen los, ohue dass man eine Ver- lelzung in ihrer ringsum nellen Contour‘ wahrnimmt.‘ Daher kommt es, dass man ‚die Bläschen sehr oft’ ungestielt sieht, ch war ‚über die Besehäflenheit dieser ‚Sliele so lange zwei- felhaft, bis ich eines Tages an dem freien Ende eines Stiels, 470 we mit seinem kugeligen Bläschen von der übrigen Masse ge- trennt war, eine lebhafte Bewegung in der umgebenden Flüs- sigkeit bemerkte. Diese Bewegung rührte davon her, dass der Inhalt des Bläschens mit grosser Geschwindigkeit durch den Stiel Ausströmte. Ich brachte nun.das Bläschen unter das Mi- kroskop, und beobachtete es in reinem Wasser bei 290facher Vergrösserung. Das Strömen dauerte noch eine Zeitlang fort. Nachdem Ruhe eingetreten war, trieb ich dureh leisen Druck den Inhalt des Bläschens vollends aus. Je mehr der körnigen Masse ausfloss, desto deutlicher würde eine epitheliumartige Zellenschicht, die die innere Wand des Bläschens und des Stiels auskleidet. Die Zellen der inneren Wand des Bläschens sind durch gegenseitigen Druck 4- bis 6seitig. Jede hat einen grossen Kern, und fast jeder Kern zwei deutliche Kernkör- perchen. Ich habe das Bläschen mit seinem Stiele nach Aus- treibung des Inhalts in Fig. 1. bezeichnet. Der Durchmesser des ganzen kugeligen Bläschens ist: = 0,0092 Zoll. Die Breite des Stiels —= 0,0012 - Die Zellen an der Wand des Bläschens = 0,0008 bis 9 Zell. Die Kerne = 0,0004 bis5 - Die Contour des Bläschens zeigt sich an der Stelle, wo es in den Stiel übergeht, nicht unterbrochen, wahrscheinlich weil die eigentliche Insertionsstelle des Stiels nicht im Focus, sondern vielmehr in der untern Fläche des Bläschens lag. Bei fortgesetztem Drucke lösten sich nun auch die Zellen der epi- theliumartigen Schicht von der innern Wand des Bläschens los, und bewegten sich gegen die Insertionsstelle des Stiels hin, Hier zerrissen die Zellen selbst, weil das Lumen des Stiels zu eng war, und nur die Kerne wurden unversehrt duschgetrieben. Die innere Auskleidung des Stiels scheint aus kleineren Zellen zu bestehen, die mit den Kernen der grösse- ren Zellen des Bläschens auffallende Achnlichkeit haben. Diese kleineren Zellen blieben ruhig an’ ihrer Stelle, während der Ark, ganze Inhalt des Bläschens durch die von Ihngijjerbildete Röhre ausfloss. Diese Beobachtung, die ich ohne Mühe an den folgenden Tagen wiederholte, lehrt also, dass die Stiele der Bläschen hohl sind. Es drängt sieh von selbst der Gedanke auf, die Stiele als die Ausführungsgänge für das Contentum der Bläs- chen zu betraehten: Wohin aber die Stiele und Stämmchen führen, habe ich nieht ausmitteln können. Soviel über den Bau der kugeligen Endbläschen. Ich will nun. den Inhalt derselben beschreiben. Dieser'besteht aus einer geringen Menge Flüssigkeit und einer Unzahl von Körnern, Zellenkernen, Zellen mit Kernen und Blasen oder Zellen ehne Kerne. Die Grösse und das Ansehen dieser Körper ist sehr chieden. Man bemerkt in den .jüngern. kugeligen Bläschen eine grosse Menge augenscheinlich hohler, Kerne (mit einem oder zwei Kernkörperehen), an denen eine Zellenwand nicht sichtbar ist, weil sie entweder noch nieht gebildet oder. zu durchsichtig ist. An einigen dieser Kerne erkannte ich aber Zellen, die in der Bildung begriffen waren, und ich hatte hier die langegewü chte Gelegenheit, bei den Thieren: diejenige Bildungsweise der. Zellen zu sehen, die Schleiden für die Pflanzenzellen entdeckt hat, wonach nämlich die Zellenwand selbst sich. an der Seite des Kernes wie ein Ulirglas, an der Uhr hervorhebt. Die Figuren Zabede, geben eine deutliche Anschauung dieser Entwickelungssiufe. Der Durchmesser sol- cher Kerne ist im Mittel von 10 Messungen = 0,00066 Zoll; Fig 2 e zeigt eine Zelle, bei der der Kern wie gewöhnlich ganz innerhalb der Zelle liegt. _ Eine audere Reihe von Zellen unterscheidet sich von den bis jelzt. beschriebenen durch ihren bedeutend grösseren Durch- messer, dureh den Mangel eines Kerus und. durch ihren Inhalt. Es scheinen dies diejenigen Zellen zu sein, in denen sich die Saamenthierehen bilden. Ich habe solche Zellen in Fig. 3 a b.e.d. nebeneinander gestellt. Viele derselben sind wasserhelle, ku- a ! 472 > gelrunde Blasen, welche eine, zwei, drei und mehrere kleinere Blasen enthalten. Ihr mittlerer Durchmesser ist = 0,0018 Zoll. Andere scheinen mit einer Menge matter Flecke angefüllt, Fig. 3e. Diese Blasen platzen im Wasser, nachdem sie etwas angeschwollen sind, sehr bald, und lassen ein kleines Häuf- chen Körner zurück. Statt der undeutlichen Flecke sieht man in anderen grossen Blasen die kleinen Blasen mit einer kör- nigen Masse gefüllt, wodurch sie viel deutlicher werden, Fig. 3 f. Endlich enthalten viele der oben beschriebenen kugeligen End- bläschen (Fig. 1.) eine grosse Menge kugelrunder Zellen oder Blasen, deren jede ein Bündel Saamenthierchen einschliesst (Fig. 4 a). Diese Bündel sind an ihrem einen Ende enger zusammengeschnürt und breiten sich gegen das andere Ende zu büschelförmig aus. Comprimirt man, s9 platzen die Zellen und lassen das Bündel heraustrelen. Ich habe zweimal in Zellen, aus denen das Bündel halb herausgetreten war, einen so grossen, mit 2 Kernkörperchen versehenen Kern beobach- tet, wie er in Fig. 4 5 abgebildet ist. Stannius hat die Saamenthierchen nicht in ihren ursprünglichen Zellen (Fig.4 ab.) gesehen, sondern sie nur im Allgemeinen ‚als in den End- bläschen (Fig. 1.) seiner „Kapseln“ oder „Kugeln“ enthalten, beschrieben. „Im Centrum der Kugel sind die einzelnen Fa- den spiralförmig oder schraubeofürmig aufgerollt, zerfallen aber nach der Peripherie der Kugel hin in Büschel“, sagt Stan- nius. ’ Ich kann diese Angabe aus, öfterer Anschauung bestä- tigen. ‘Auch ich habe Endbläschen gesehen, welehe nichts als Saamenthierchen enthielten, die im Mittelpunkte, unordentlich zusammengesetzt waren und sich nach der Peripherie zu strah- lenförmig zerfaserten. Ich bin überzeugt, dass dieser Anblick einer spätern Entwiekelungsstufe angehört, auf der die Zellen, in denen zunächst die Saamenthierchen gebildet waren, bereits verschwunden sind, dass aber ursprünglich jedes Bündel von Saamenthierchen in seiner besonderen Zelle (Fig. 4 a d,) entsteht." & Die Saamenthiere sind, nachdem man sie durch Compres- 473 sion aus ihren Hüllen befreit hat, häufig bewegungslos, wie sie Stannius sah; ich habe sie aber auch oft in sehr leb- häfter Bewegung gesehen und in Fig. 5. die verschiedenen Formen, die sie sofort annehmen, abgebildet. Die scheinbaren beiden 'Knötchen, die man an einigen Oesen erblickt, sind weiter nichts als Schaltenpunkte, die in der auf der Kante stehenden und von oben her betrachteten Oese momentan sich darstellen, eine Erscheinung, die schon v. Siebold in diesem Archiv Jahrgang 1836 p. 22. von andeın Saamenthieren er- läutert hat. ; In dem Nebenhoden und dem Vas deferens finden sich nun grosse Züge von zahllosen Saamenthieren, aber ich habe daselbst durchaus keine solche Blasen wie Fig. 3. gefunden, die ‚in dem Hoden als der Bildungsstätte der Saamenthiere in so grosser Menge vorkommen. Aus der Aehnlichkeit der ne- ben einander vorkommenden Blasen, Fig. 3,f. und 4a. drängt sich die Vermuthung auf, dass die körnigen, in Fig. 3 f. ent- haltenen kleinen Blasen in einer nahen Beziehung zur Bildung der Saamenthiere stehn. In welcher? kann ich nicht angeben, wenn nicht vielleicht eine Beobachtung hierher zu rechnen ist, die ich in Fig. 6. mitge!heilt habe. Ich sah nämlich einmal nach Compression eines Endbläschens eine grosse Menge von Blasen (Fig. 6@5c) umherschwimmen, welche einige unor- dentlich gelagerte Saamenthiere einschlossen, und welche be- deutend kleiner waren als diejenigen Blasen, in denen die Bün- del von Saamenthieren enthalten sind. Sollten diese kleineren Blasen eine weitere Entwickelungsstufe der in Fig. 3 f. ent- haltenen körnigen Blasen sein? Ich muss diese Frage unent- schieden lassen; Thatsache ist nur, dass nicht alle Saamen- thiere in ihren Zellen bündelförmig gelagert sind, sondern dass auch eine solche Anordnung wie in Fig. 6. vorkommt. Schon vor mehreren Jahren versuchte R. Wagner (in diesem Archiv 1836. p- 225. Taf. IX.) eine Entwickelungsge- schichte der Saamenthiere von Emberiza citrinella zu geben. Meine Darstellung der vermuthlichen Eutwiekelungsweise der 474 Saamenthiere bei den Rochen, so fühlbare Lücken sie auch hat, schliesst. sich jenem Versuche au; und die auffallende Uebereinstimmung einiger Punkte meiner Beobachtungen mit denen eines so umsichtigen Forschers wie R. Wagner, erhöht mein Zulraun zu der Richtigkeit meiner Mittheilungen. Erklärung der Abbildungen. Taf. XV. Fig. 1. Eines der Bläschen, aus denen der Hoden besteht, mit seinem Stiele nach Austreibung des Inhalts gezeichnet, um die epithelinmartige Auskleidung der inneren Wand zu zeigen. — Die folgenden Figuren stellen den Inhalt der Bläschen dar. Fi u Zellenkerne mit einseitiger Hervortreibung der Zellenwand. e Zelle mit einem ähnlichen Kerne wie a. — Fig. 3. Blasen, welche klei- nere Blasen einschliessen. — Fig. 4. Bündel von Saamenthieren.in ihren Blasen oder Zellen. — Fig. 5. Freie Saamenthiere aus den Bläschen des Hodens. — Fig. 6. Kleinere Blasen, welche unordent- lich. gelagerte Saamenthiere enthalten. ’ or Die Vergrösserung von Fig. 1. ist 290fach. - - - . 2 u 5. ist 450fach. ä - - = 3,4. 0.6. zwischen 200- u. 400lach. s ; > Ueber die motorischen Wirkungen der Kopf- und Halsnerven. Von A. W. VoLKMANM. Seit länger als einem Jahre mit neurologischen Studien be- schäftigt, habe ich das Schicksal gehabt, mit den Herren Va- lenlin und Magendie, deren interessante Entdeckungen mir erst kürzlich bekannt geworden sind, auf gleichem Felde zu arbeiten. Hierbei hat sich Manches ergeben, was mit den An- gaben jener geachteten Beobachter übereinstimmt, Anderes, was ihren Aussagen widerstreitet, Einiges endlich, was zu den Untersuchungen derselben in einem ergänzenden Ver- hältniss steht. Ielı halte es für angemessen, die von mir ge- wonnenen Resultate zu einer Zeit bekannt zu machen, wo sie wegen ihres Zusammenhanges mit den Tagesinteressen Man- chem willkommen sein werden, obschon ich unter andern Um- ständen vorgezogen haben würde. meiner Arbeit eine grössere Ausdehnung und Reife zu geben, bevor ich sie dem Publikum vorlegte. Die nachstehenden Untersuchungen bilden die erste von verschiedeuen Abhandlungen, welche ich in der näclısten Zeit mitzutheilen beabsichlige. Um die motorische Kraft der Kopfnerven kennen zu ler- nen, ist es nolhwendig, die Wurzeln derselben im Schädel zu reizen, weil sie sich bald nach ihrem Austritt aus den Kuochen- 476 kanälen, und bisweilen schon innerhalb dieser, mit fremden Nerven verbinden. In diesem Bezuge habe ich, wie Valen- tin, den Kopf frisch geschlachteter Thiere der Länge nach zersägt, und die Wurzeln der Nerven bald mechanisch, bald galvanisch gereizt. So habe ich nicht nur mit allen ‚Nerven operirt, sondern auch mit jedem so lange, bis ich Ursache hatte zu glauben, dass ich den ganzen Umfang ihrer motori- sehen Wirksamkeit übersähe. Da durch mechanische Reize, als Schneiden und Kneipen, die ohnehin kurzen Nervenwur- zeln sehr bald unbrauchbar ‚für Fortsetzung der Versuche wer- den, so benutzte ich mechanische Reizmiltel vorzugsweise nur da, wo es darauf ankam, eine unerwartete oder von meinen Vorgängern bestrittene Bewegung zu beslätigen. Gezwvöhnlich bediente ich mich einer galvanischen Säule, im Anfange des Experiments einer schwachen, welche nach Bedürfniss allmäh- lig verslärkt, unter Umständen auch wohl geschwächt wurde. Bei gehöriger Vorsicht ist’ auch nichts angemessener als Be- nutzung des galvanischen 'Reizes, und man braucht Ueber- springen der Eleetrieität nicht zu fürchten. ‘Doch will ich bemerken, dass, wo das Ueberspringen' zu fürehten ist (näm- lich bei Reizung sich berührender Nerven, wie Vagns und Accessorius), das Isoliren der Nervenwurzel durch ein unter- geschobenes Glasplättchen nichts hilft. Es versteht sich von selbst, dass die Eleetrieität, wenn sie einmal überspringl, durch den fünften Nerven forlgeleitet und so, auch über die Grän- zen der Glasplatte hinaus, dem benachbarten Nervenstamme zugeführt werde. Es kommt also darauf an sich in jedem Falle zu überzeugen, dass ein Ueberspringen nicht Stalt finde, und davon ‚überzeugt man sich, wenn die beiden Pole der galvanischen Kette unmittelbar neben den ‚Nerven auf die feuchte Unterlage aufgesetzt ohne Wirkung bleiben, oder wenn Reizung eines Nerven von zweien, welche sich berühren, Be- wegungen hervorbringt, welehe durch Reizung des ‘andern nicht hervorgebracht werden können und umgekehrt: — Sehr bald lernte ich kennen, dass es nicht ganz leicht sei über'den 477 Umfang der Bewegungen zu urtheilen, welche durch Reizung der Nerven hervorgebracht werden. Denn erstens zuckennicht bei jeder Reizung alle Muskeln, zu welchen der motorische Nerv geht, was eine häufige Wiederholung der Versuche nö- ihig 'macht, zweitens aber bewegen sich oft mehr Muskeln als von dem gereizten, Nerven wirklich abhängen. _Dergleichen übermässige Ausdehnung der Bewegung wird nicht: nur durch zu starken galvanischen Reiz hervorgebracht, sondern, auch durch. die Verbindung der Muskeln unler einander, durch Zell- gewebe' oder gemeinschaflliche Selinen. Ich habe daher, alle Muskeln ‚ohne Ausnahme freigelegt, und nur, wenn'ich: Ver- kürzung derselben ‘oder Kräuselung unzweifelhaft sah, wurde die Bewegung als primäre angenommen. Hierbei entsteht äber eine nene, nicht. genug zu berücksichtigende Quelle von Irr- thümern, indem freigelegte Muskeln schon in Folge des Luft- reizes zucken. ‚Die Zuckung muss, in den animalen Muskeln wenigstens, mit dem Reize isochronisch sein. — Bei so man- cherlei Schwierigkeiten war es unerlässlich nöthig, die ver- schiedenen Experimente zu gegenseitiger Controlle zu benutzen. Es wurde nicht nur untersucht, welche Nerven die Fähigkeit hatten gewisse Muskeln zu bewegen, sondern es wurde auch nachgeforscht, welehe Nerven diese Fähigkeit nicht ‚hatten. Schliesslich will ich bemerken, dass ich den grossen Vortheil gehabt habe, ausser von meinem geschickten Assistenten Herrn Sclineider, von meinem geschälzten Freunde, Professor Bid- der, unterstützt zu. werden. Wir haben beide die Resultate der gemachten Beobachtungen vielfältig durchgesprochen, haben uns auf vorkommende Zweifel gegenseilig aufmerksam gemacht, und was ich hier mittheile, ist daher der Ausdruck unserer übereinstimmenden Ueberzeugung: I. Vom Nervus oculomotorius oder dem dritten Nervenpaare. NE . Bei einem frisch getödtelen Kalbe wurde die Au- genhöhle aufgebrochen, um die Muskeln des Auges freizulegen. 478 Bei Reizung des dritten Nerven in seiner Wurzel entstan- den Verkürzungen im M. levator palpebrae, reetus superior, rectus internus, reclus inferior, reelus externus, obliquus in- ferior, obliquus superior und relractor bulbi *). Wiederholte Versuche an mehreren Kälbern, einer Katze und einem Schaafe ergaben immer dasselbe Resultat. Bei dem Schaafe wurde das Experiment auf eine Weise angestellt, welche jeden Verdacht, dass die im M. trochlearis und Rectus externus beobachtete Be- wegung secundäre wären, entfernen musste. Die Augenhöhle wurde von oben aufgebrochen, und der Augapfel mit allen sei- nen Muskeln, die beiden genannten ausgenommen, exstirpirt. Die Reizung des Oculomolorius in der Schädelhöhle erzeugte auch jetzt noch Zusammenziehungen, welche übrigens im Obli- quus superior viel hefliger ausfielen als im Rectus externus. 8. 2. Bei einem Hunde wurde unmittelbar nach dem Tode der Schädel zersägt, die Orbila von der Schädelhöhle aus aufgebrochen, alle geraden Augenmuskeln mit der Scheere durchschnitten und der Oculomotorius gereizt. Die Stellung der Pupille veränderte sich nicht im mindesten, das Auge blickte nicht nach oben, drehte sich aber um seine Achse, wie ein Rad um die seinige. Der oberste Punkt der Selerotica nämlich beschrieb einen kleinen Theil eines Kreisbogens, und näherte sich dem äussern (oder nach der Stellung des Thier- auges dem hintern) Augenwinkel. Dieser Versuch wurde an einem andern Auge mit einer kleinen Modification wiederholt. Es wurde an einem frisch geschlachteten Hunde das untere Augenlid und ein Theil des unteren Augenhöhlenrandes abge- tragen, der blossgelegte M. obliquus inf. wurde unmittelbar gereizt und der Erfolg war derselbe. Die Drehung war gleich der eines Rades und so regelmässig, als wenn die Sehaxe des Auges eine feste wäre, die jede andere Bewegung als die der *) Mein Assistent hat die Zweige des Oculomotorius für die letz- ten beiden Muskeln bereits aulgelunden. Das dritte Nervenpaar giebt beim Kalbe einen verslärkenden Ast an das vierte ab, 479 Umdrehung verböte. Der Versuch wurde am Kalbe wieder- holt und bestätigt. \ 8. 3. Das gesunde Auge eines lebenden Kalbes wurde beobachtet. Bell’s Angabe, dass mit jedem Blinken des obern Augenlides die Pupille eine plötzliche Bewegung nach oben und innen mache, gilt für das Auge des Kalbes eben so wenig als für das des Kaninchens, Pferdes und der Katze, bei welchen mit der Zusammenziehung des M. orbicularis palpebrae nur ausnahmsweise Bewegungen des Augapfels zusammenfallen. Dagegen wurde beim Kalbe vielfältig eine drehende Bewegung des Auges bemerkt. Die eirunde, mit ihrem Längendurch- messer ziemlich wagerecht gestellte Iris bewegte sich um die Pupille wie ein Waagebalken um seine Achse, und zwar so, dass die hintere Spitze des Ovals sich beträchtlich senkte, die vordere hob. Diese Bewegung musste nach $.2. vom M. obli- quus inf, abhängen. Dieser wurde freigelegt und durelige- schnitten, und die erwähnte balaneirende Bewegung der Iris wurde nicht wieder bemerkt. Wurde die Bindehaut des Au- ges gereizt, so entstand oft gar keine Bewegung des Bulbus, bisweilen ein plötzliches Zurückziehen desselben, endlich in einzelnen Fällen eine zuckende Bewegung nach oben. Genau dasselbe wurde an demselben unverletzten Auge bemerkt, denn auch dieses machte nicht jedesmal eine zuckende Bewegung, wenn die Conjunctiva berührt wurde. IL: Nervus trochlearis, viertes Nervenpaar. $. 4. Bei einem frisch geschlachleten Kalbe wurde der Schädel der Länge nach zersägt und die Wurzeln des vierten Nerven’ gereizt. Das Auge machte eine Drehung um seine | Axe, welche an der balancirenden Bewegung der Iris leicht zu erkennen war. Die Drehung war der im Versuch 3 be- schriebenen entgegengesetzt. Es senkte sich nämlich der vor- dere Theil der eirunden Iris, während der hintere slieg. Da- gegen wurde die Pupille nicht nach aussen und unten gerich- tel, wie Bell behauptet und Valentin anzudeuten scheint 480 (Valentin de funct. nerv. $. 49.), sie bewegte sich vielmehr trotz der beträchtlichen Drehung des Auges gar nicht. Bei der Katze wurde, obsehon in geringem Maasse, dieselbe Er- scheinung wahrgenommen. j $. 5. Die Augenhöhle wurde bei einem frisch geschlach- teten. Thiere aufgebrochen und der vierte Nerv galvanisch ge- reizt. Der freigelegte M. obliquus sup. gerieht in Zuckungen, welche indess auch bei Reizung des 3len Paars eintreten ($. 1.). Zahlreiche Versuche, durch den Quarlus auch andere, Mus- keln in Bewegung zu setzen, sind stels misslungen, III. Nervus abducens, sechstes Nervenpaar. $. 6. An dem zersägten Schädel des Kalbes wurde die Wurzel des 6ten Nerven gereizt, nachdem ich die Augenhöhle von oben her aufgebrochen hatte. Es erfolgten heftige Bewe- gungen des M. rectus externus, welche das Auge nach aussen zogen, ausserdem aber noch anderweitige Zuckungen. ‚Nach Wegnahme des genannten Muskels entstanden bei Reizung des sechsten Nerven hüpfende Bewegungen des Augapfels, durch welche die Popille sehr verschiedene Richtangen bekam.‘ Nach Wegnahme sämmtlicher geraden Muskeln und des Fettes fand es sich, dass der M. retrahens (welcher auch vom Oculomo- torius bewegt wird) sich heftig contrahirte, und. dass, ‘jenach- dem das eine oder andere Bündel ‚desselben thätig war, das Auge eine verschiedene Richtung gewann. Der wiederholte Versuch, durch den.N. abducens auch ‚den untern schiefen Au- genmuskel zu bewegen, ist nicht gelungen. , - $. 7. An dem zersägten Schädel eines Kalbes wurde die Wurzel des sechsten Paares gereizt. Es entstanden unregel- mässige zuckende Bewegungen nach verschiedenen Richiungen am häufigsten eine Wendung der Pupille nach aussen, ‚und regelmässig eine Bewegung des dritlen Augenlides-vom innern Augenwinkel gegen den äussern. F uol $.8. Uueck hat in einer gehaltvollen, aber wenig bekanı gewordenen Abhandlung (die Achsendrehüng des Auges, Dorpat 481 4838) gezeigt, dass die Bestimmung der schiefen Augenmus- keln die ist, das Auge um seine Achse zu drehen, wodurch möglich gemacht wird, dass auch bei seitlich geneigtem Haupte die Lichtstrahlen eines Objeeles auf identische Stellen der Netz» haut #allen. Hierin liegt bekanntlich die Bedingung des Ein- fachsehens. Ich freue mich dass meine Beobachtungen mit den Angaben meines geschälzten Collegen so gut zusammenstim- men. Bei den von mir untersuchten Thieren, nämlich beim Kalbe, dem Hunde und der Katze ist die Achse, um welche das Auge gedreht wird, die Sehaxe selbst, oder wenigstens ihre Lage is! von letzterer so wenig verschieden, dass bei Thä- tigkeit der schiefen Augenmuskeln eine Bewegung der Pupille durchaus nicht merklich ist. Auch bei dem Menschen muss durch die schiefen Augenmuskeln eine Achsendrehung bewerk: stelligt werden, denn da sieh die Muskeln in der Form eines Halbeirkels an den Augapfel schmiegen, ist Drehung unver- meidlich, nur fällt bei dem Menschen die Achse dieser Dre- hung nicht mit der Sehaxe zusammen. Während bei dem Kalbe sich die Richtung, in welcher die schiefen Augenmus- keln wirken, mit der Sehachse rechtwinklig kreuzt, geschieht beim Menschen diese Kreuzung in spitzem Winkel. Was den untern schiefen Augenmuskel in’s Besondere anlangt, so entspringt dieser bekanntlich vom Thränenbeine, geht nach aussen und hinten fort, berührt (wie Hweck zeigte) den Augapfel:an ei- nem Punkte, welcher lothrecht unter dessen Drehpunkt liegt, selzt dann seinen Weg nach aussen und hinten fort, und be- festigt sich, nachdem er einen Halbkreis beschrieb, an der. äus- sern und hintern Seite des Bulbus. Die Drehung, welche. die- ser Muskel hervorbringt, wird also eine Achse verlangen, de- ren Lage ungefähr von dem äussersten Punkte der Iris, durch den Drehpunkt des Auges bis zum Insertionspunkte ‚des Seh- nerven zu denken ist, kurz eine Achse, welche statt mit der Sehaxe zusammenzufallen diese schneidet, und zwar in einer Richtung von vorn und aussen nach hinten und innen. Die unabweisliche Folge ist, dass, wenn der untere schiefe Muskel M Arcbirv. 1840. SL “= 482 allein wirkt, die Pupille einen Theil eines Kreisbogens be ‚ schreibt. Vorausgesetzt dass meine obige, nur ungefähre An- gabe genau wäre, müsste sie sich um den äussersten Punkt der Iris, welcher unbeweglich bleiben würde, drehen, also jedenfalls in einer Bogenlinie nach oben und aussen wenden. "Derselben Ansicht war schon Albin, aber Bell und mit ihm mehrere Neuere haben eine andere Behauptung festgestellt. Der untere schiefe Augenmuskel soll den Augapfel in der Art bewegen, dass die Pupille nach oben und innen steige. ‘Eine solche Bewegung macht die Pupille beim Blinzeln, und wäh- rend des Schlafes ist sie immer nach oben und innen gerichtet. Die hier in’s Spiel kommende automatische Muskelthätigkeit wird von Bell dem M., obliquus inferior zugeschrieben, nicht dem Zusammenwirken des obern und innern geraden Augen- muskels, welche den willkürlichen Bewegungen ausschliesslich vorstehen sollen. (Bell physiol. und pathol. Untersuchungen des Nervensyst. v. Romberg. $. 152.) Die Beweise, welche Bell für seine Lehre aufstellt, sind indess nicht genügend, ‘Er schnitt bei einem Kaninchen den obern geraden Augenmuskel durch, und fand, dass auch dann noch die Pupille des gereiz- ten Auges nach oben rollte. Dies ist nicht auffallend, da eine derartige Bewegung nach oben auch durcli den M. retractor oeuli bewerkstelligt werden kann ($. 6,). Ferner durchsehnitt Bell die schiefen Augenmuskeln des Affen, worauf das Thier aller willkürlichen Bewegungen fähig war, während die Pu- pille des Auges, an welchem der M. obliquus inferior durch- schnitten worden war, eine kaum bemerkbare Bewegung beim Blinzeln machte. Aber eine sehr kleine Bewegung be: darf nicht minder eines Organs als eine grosse, Bell hat sie mit Unrecht unberücksichtigt gelassen, und scheint daher wi- der Willen selbst erwiesen zu haben, dass die Bewegung der Pupille beim Blinzeln von den geraden Augenmuskeln besorgt werden könne. In der That aber wird diese Bewegung nie durch den untern schiefen Augenmuskel vermittelt, denn erstens könnte dieser die Pupille nur nach oben und aussen, nicht ®. 483 nach oben und: innen. bewegen; 2lens müsste Wirkung des untern schiefen Augenmuskels mit einer Achsendrehung des Auges verbunden sein, von welcher beim Blinzeln keine Spur zu bemerken ist *); 3tens beweisen die von mir angestellten Experimente an dem Kalbe, dem Hunde und der Katze, dass Zusammenziehungen des untern schiefen Augenmuskels mit einem Aufwärtssleigen der Pupille nicht verbunden sind; Atens besteht das zuckende Aufwärtssteigen der Pupille beim Blin- zeln, nach Durchschneidung des untern schiefen Augenmuskels fort. — Um nicht zu weitläuftig zu werden, überlassen wir es dem Leser, aus der Lage des obern schiefen Augenmuskels dessen Wirkung selbst zu bestimmen. Er führt die Pupille in einem Kreisbogen nach aussen und unten. Die schiefen Augenmuskeln des ‚Menschen würden, wenn sie allein wirkten, die Stellung der Pupille und folglich auch der Sehaclıse verändern, indess sie wirken nie allein. Viel- mehr bestimmen die geraden Augenmuskeln die Richtung der Sehaxe, und ist diese einmal fixirt, so kann die Wirkung der schiefen Augenmuskeln keine andere sein, als den Bulbus um die unbewegliche Achse zu drehen. Diese Drehung vermit- telt, wie schon bemerkt wurde, das Einfachsehn bei seitlicher Neigung des Hauptes, und die Versuche, die Hueck anstellte, um dies nachzuweisen, habe ich wiederholt und richtig ge- funden. 8. 9. Wie neue Erfahrungen alten Theorieen immer Ge- fahr bringen, so hier. Joh. Müller hatte auf eine sehr sinn- reiche Weise zu zeigen gesucht, warum der obere schiefe und *) In Fällen, wo Drehung wirklich vorhanden ist, kann sie auch am Menschenauge erkannt werden, wie Hueck zeigte. Man fixire eine kleine Ader im Weissen des Auges, welche wo möglich eine wagerechte Richtung hat, dann neige man den Kopf gegen eine Schul- ter, so wird die Ader ihre Lage nicht verändern, und man erkennt, wie sich das Auge der Neigung des Hauptes entgegen dreht. Dieser Versuch beweist wie mehrere andere, dass auch im menschlichen Auge eine Drehung um die Sehaxe Statt finden könne. 31° 484 der äussere gerade Augenmuskel besondere Nervenpaare cr- hielten und besondere Zweige vom Oculomotorius nicht haben dürften. Nun erhalten aber beide Muskeln Zweige vom dritten Paare, wodurch die Müller’sche Theorie ihre Basis verliert. Ab- gesehen hiervon scheint sie noch andere Bedenken ’zu erregen. Nach Müller müssen alle Muskeln, welche gleichnamige Aeste vom Oculomotorius erhalten, in ihren Bewegungen associirt sein, während Muskeln, welche ungleichnamige Zweige von demselben erhalten, sich nieht associiren können. Diese Be- stimmung dürfte, auch nach den alten Erfahrungen, zum Obli- guus inf. nicht passen. Die untern schiefen Augenmuskeln er- halten vom dritten Nervenpaare gleichnamige Zweige, und sind dennoch nicht associirt. An eine Associalion beider war nur so lange zu denken, als«man von der irrigen Vorausselzung ausging, dass sie die Pupille nach oben und innen richteten. Da aber der Obliquus inf. die Pupille nach oben und aussen leitet, und da diese Bewegung in beiden Augen gleichzeitig nie vorkommt, so fällt auch die in Anspruch genommene Asso- eiation weg. Vielmehr ist jeder untere schiefe Augenmuskel mit dem obern schiefen des entgegengesetzten Auges associrt. Da nämlich erfahrungsmässig zwei lothreeht übereinander ste- bende Punkte des Augapfels bei seitlicher Neigung des Haup- tes ihre lothrechte Richtung behalten, so muss bei Neigung nach links z, B., der Obliquus inf. des rechten Auges, und der Obliguus superior des linken zusammenwirken. — Der negative Theil der Müller’schen Theorie scheint mir dagegen in Richtigkeit. Ungleiehnamige Aeste des dritten Paares asso- eiiren sich nicht in ihrer Thätigkeit. Darum bedurfte der ge- vade äussere undıder obere schiefe Augenmuskel eines’ beson- dern Nervenpaares, damit jener sich mit dem Reetus internus zum Blicken nach Einer Seite, dieser mit dem Obliquus inf. zur Achsendrehung des Auges associiren könnte. Fine Aufgabe für neue Forschungen ist nun zu finden, warum die genannten Muskeln neben ihren eigenthümlichen Nerven auch noch motorische Aeste vom dritten Paare erhalten. 485 IV. Nervus trigeminus, fünftes Nervenpaar. $. 10. Bei einem frisch gelödteten Kalbe wurde die kleine Wurzel des Nerven galvanisch gereizt, worauf so heftige Kau- bewegungen entstanden, dass die Zähne klappernd an einander schlugen. Dasselbe Experiment gelang bei verschiedenen an- dern Thieren. Wurde die grosse Wurzel des Trigeminus oder die Wurzel irgend eines andern Kopfnerven gereizt, so ent- stand nie eine Kaubewegung, Entsprechendes sah schon Bell. Bei dem Kalbe wurden die Theile entfernt, welche die Kau- muskeln verbergen, worauf die Reizung der kleinen ‚Wurzel in folgenden Muskeln deutliche Zusammenziehungen erregte: Mylohyoideus. vorderer Bauch des Digastrieus maxillae, tem- poralis, massetericus und plerygoideus internus. Der M. pte- rygoideus externus liess sich, so lange die Reizbarkeit dauerte, nie sichtbar machen. Nie bewegte sich bei Reizung des fünf- ten Paares der Buceinator oder Mundwinkel, wie Bell (a. a. ©. 84.) angiebt, eben so wenig der weiche Gaumen, wie Valentin (de funclionibus nerv. $. 299.) aussagt. ‚Telı glaube behaupten zu dürfen, dass sich der motorische Einfluss des Quintus auf die oben genannten Muskeln beschränke, indem die abweichenden Angaben meiner Vorgänger nur auf. anato- mischen und pathologischen Beobachtungen zu beruhen schei- nen, die. weniger Sicherheit bieten, als meine zahlreichen, im- mer mit gleichem Erfolge angestellten Reizversuche. V. Nervus facialis, siebenles Nervenpaar. $ 41. Bei Kälbern, beim Hunde, Schaafe ‚und bei der Ziege wurde. die Wurzel des Faeialis freigelegt-und galvanisch gereizt, wobei folgende. Muskeln. eine unzweideutige 'Verkür- zung zeigten; )M. frontalis, buceinator, ‘orbienlaris palpebrae, orbieularis ovis, eine Muskelpartie, "welche die Nase bewegte, eine dergleichen, welche den Mundwinkel verzog, zahlreiche Olırmuskeln, vamentlich M, attrahentes, retrahentes und atlol- 486 lentes, ferner der hintere Bauch des Digastricus maxillae, der Stylohyoideus und Platysma myoides. $. 12. Die Paukenhöhle wurde bei einem frisch geschlach- telen Kalbe aufgebrochen, und der Facialis und Quintus ab- wechselnd gereizt. Ich hoffte Bewegungen in den Muskeln der Gehörknöchelehen wahrzunehmen, aber trotz mehrfacher Wie- derholung des Experiments ist dies nie gelungen. Ich bemerke indess, dass Bewegungen auch dann nich! entstanden, wenn die Pole der galvanischen Kette mit dem Muskellleische selbst in Berührung gebracht wurden. Wahrscheinlich mögen die kleinen Muskeln während der zeitraubenden Präparation zu sehr erkalten. Dagegen gelang es mehrfach durch Reizung der Chorda tympani in der Paukenhöhle, den Buceinator zu erschüttern. $. 13. In einem darchsägten Kalbskopfe wurde ausschliess- lich nur die Portio intermedia Wrisbergii galvanisirt. Es ent- standen Zuckungen in allen Gesichts- und Ohrmuskeln, nicht anders als ob die grosse Partie des Facialis gereizt würde. Ich habe nieht Grund zu fürchten, dass die Eleetrieität über- gesprungen sei, doch ist der Versuch nur einmal ' angestellt worden. ; $. 14. Der Facialis bewegt durchaus’ nicht die Zunge, wie Arnold mit Bezug auf eine pathologische Beobachtung irrig angegeben hat (Bemerkungen über den Bau des Hirns S. 210). Eine grosse Reihe von Versuchen an verschiedenen Thieren berechtigen mich zu diesem Ausspruch. Nur hüte man sich, bei etwaiger Wiederholung des Versuches die Zunge am Buceinator anliegen zu lassen, in welchem Falle Bewe- gungen seeundärer Art entstehn, welche das geübteste Auge täuschen können. Der vereinzelte Fall, welchen Arnold be- obachtete, kann um so weniger beweisen, da der Patient am Leben blieb, also zweifelhaft ist, ob die im Gebiete des Fa- cialis auftretende Lähmung nicht von Ursachen abhing; die auch andere Nerven betheiligten. In sofern in erwälntem 487. Falle das Gefühl beeinträchtigt war, ist diese Be nuthung kaum abzuweisen. $. 15. Auch der weiche Gaumen wird vom Gesichisner- ven nicht bewegt, weder beim Niessen, wie mein Freund Bid- der nachzuweisen suchte (neurologische Beobachtungen, Dor- pat 1837), noch beim Schlucken, wie Valentin angiebt (a. a. 0. $.299.), ‚Bidder’s Ansieht über die automatischen Be- wegungen des weichen Gaumens hatte in der Thatsache, dass der Ramus vidianus superior Fasern vom Faeialis eıhält, eine so bedeutende Stütze, dass wir von der festen Ueberzeugung ausgingen, es werde das Experiment die Hypothese bestätigen. So schien es auch in mehreren Versuchen, doch bemerkte ich in einem derselben, dass mit dem weichen Gaumen gleichzei- tig die Zunge gehoben wurde, und so entstand der Verdacht, dass die Bewegung des Gaumens nur secundär sei. Es fand sich bei dieser Gelegenheit, dass der Facialis den Digastricus maxillae und stylohyoideus regiere, diese wurden durchge- schnilten, und nachdem ihre Wirkung aufgehört hatte, waren auch die Bewegungen des weichen Gaumens nicht mehr zu bemerken. - Noch immer zweifelhaft haben wir das Experiment an. den verschiedensten Thieren ‚sehr oft und unter den gün- stigsten Verhältnissen der Reizbarkeit wiederholt, ‘aber nach Durchschneidung der genannten Zungenmuskeln ist uns Bewe- gung des weichen. Gaumens nicht wieder vorgekommen. Da in vielen dieser Versuche alle Gesichts- und Ohrmuskeln in das lebhafteste Spiel gesetzt wurden, während der weiche Gaumen ruhig blieb, so halten. wir uns für vollständig berechtigt anzunehmen, dass der Zweig des Faeialis, welcher als Vidia- nus superior zum Ganglion sphenopalatinum geht, dem wei- ehen Gaumen keine motorischen Wurzeln zuführt. Wenn Valentin (a. a. ©. $. 72.)-andrer Ansicht ist, so kann dies befremden, da. er unter. 5 Versuchen nur in einem einzigen, ihm selbst verdächligen Experimente, Bewegung des Gaumen- segels wahrgenommen halte, r ‚488 N VI. Nervus glossopharyngeus, neuntes Nervenpaar. 8. 16. Das neunte Paar entspringt bei dem Kalbe, dem Hunde, bei der Katze und beim Menschen mit zwei Wurzeln, deren jede sich mit leichter Mühe in zwei Wurzelbündel auf- lösen lässt. An der einen Wurzel liegt beim Menschen, noch innerhalb der Schädelhöhle, das von Ehrenritter benannte Ganglion. Bei dem Kalbe und bei der Katze findet sich dieses Ganglion ebenfalls. Es gehört der diekeren der beiden Wurzeln an und liegt bisweilen an der Innenseite der harten Hirnhaut. — Ob dieser Ehrenritter’sche Knoten von dem Ganglion petrosum geschieden werden dürfe, ist zweifelhaft. Bei dem Menschen habe ich nur ein einziges Mal Gelegenheit gehabt, die Ganglien des Glossopharyngeus zu untersuchen. Das Ehrenritter’sche Ganglion fehlte entweder ganzz oder lag mit im Foramen lacerum. Es fanden sich nämlich 2 gan- gliöse Anschwellungen, welche nur durch einen Zwischenraum von 4 Linie getrennt‘ waren, Unter dem Mikroskop zeigte es sich, dass auch in diesem Zwischenraume wahre Ganglien- kugeln lagen, zwischen welchen die Nervenfasern hindarch- setzten. Der‘ dem Gehirn näher liegende Knoten schien nur die eine Wurzel aufzunehmen, während die zweite anschei- nend zum grösseren Theil vorbeistrich. Anders verhielt sich das zweite Ganglion, durch welches alle Nervenfasern, sowohl der grossen als der kleinen Wurzel hindurchsetzten. Sehr oft habe ich die Ganglien des Glossopharyngeus beim Kalbe un- tersucht, wobei sich ergeben lat, dass die Trennung des Eh- renrilter’schen Knotens vom Ganglion petrosum elwas ganz Zufälliges ist. Erscheinen auch bei Betrachtung mit unbewafl- netem Auge beide Ganglien vollkommen getrennt, 'so findet man doch‘ bei mikroskopischer Untersuchung, dass sich die Ganglienmasse aus dem obern Knoten in den untern fortsetzt. In vielen Fällen‘ erkennt man die Verschmelzung schon mit blossem Auge. Nicht selten findet sich nur ein einziges sehr grosses Ganglion, durch welches beide Wurzeln hindurch- 489 selzen. Einmal fand ich 2 nebeneinanderliegende Ganglien im zerrissnen Loche, das eine der dicken, das andere der dünnen Wurzel des Nerven gehörig, aber beide durch eine kurze Brücke aus Ganglienmasse verbunden. In noch einem andern Falle fand ich dieselben beiden Ganglien nebeneinander liegend, aber ohne Verbindung, und erst unterhalb der Ganglien tra- ten beide Wurzeln des Glossopharyngeus plexusarlig zusam- men. Am auffallendsten war es mir, bisweilen in den ein- zelnen Wurzelbündeln, noch ehe sie in die Ganglien eintre- ten, und selbst nach innen von der harten Hirnhaut, verein- zelte Ganglienkugeln zu finden. An einzelnen Stellen waren nur 3—4 Kugeln zwischen die Nervenfasern eingestreut, an andern Stellen mehr. Form und Ausbreitung der beiden Gan- glien ist also den grössten Verschiedenheiten unterworfen, da- gegen kann als Regel festgesetzt werden, dass sämmtliche Fa- sern des Glossopharyngeus durch die Ganglienmasse hiodurch- setzen. Nach dem Mitgetheilten ist es unthunlich, die beiden Wurzeln des Glossopharyngeus mit den doppelten Wurzeln der Spinalnerven, und das Ehrenritter’sche Ganglion mit den Knoten der sensibeln Nervenwurzeln zu vergleichen. $. 17. Nachdem viele vergebliche Versuche gemaclıt wor- den waren, durch Reizung des neunten Paares in seinem Ur- sprunge Bewegungen zu erzeugen, kam mir ein Kalbskopf in’ die Hände, in welchem die beiden Wurzeln des Nerven nicht nur getrennt vom Vagus, sondern auch getrennt von einander durch die Dura mater traten. Die Reizung der diekeren Wurzel blieb ohne Eıfolg, die Reizung der dünneren, bis dahin offenbar nur überselienen Wurzel, brachte kräftige Bewegungen im Schlunde hervor. Hierauf wurden die Halsmuskeln entfernt und die Schlundmuskeln freigelegt, wobei sich ergab, dass der M. con- strietor faucium 'medius, und der M, stylopharyngeus erregt wurden. Zwei Kälber und zwei Katzen wurden benutzt die Versuche zu vervielfältigen, und es ergab sich: 1) dass der Glossopharyngeus nur diese beiden Muskeln bewegt, 2) dass kein andrer Nery 'auf dieselben Muskeln Einfluss hat, 3): dass 490 nur die dünne »Würzel des neunten‘ Paares mit motorischer Kraft begabt ist *). — Wenn Valentin (a..a. ©. $. 86. u: 87.) und Reid (Cyclopaed, of Anat, and Physiol. XIV.) dem Zun- genschlundnerven die motorische Kraft absprechen, so muss ich annehmen, dass ihnen, wie mir Anfangs, die kleine Wur- zel entgangen sei, von welcher. die Bewegung abhängt, Reid fand in seinen sehr schätzbaren Untersuchungen, dass’ nach Durchsehneidung des Nerven und Reizung seines centralen En- des Schluckbewegungen entstanden, und schloss hieraus, dass das neunte Paar zwar Bewegungen, aber nur auf refleelori- schem Wege vermitlle. Der Schluss wird in Richtigkeit sein, wenn die Bewegungen des Constrietor faueium medius und stylopharyngeus ausgenommen werden. VII. Nervus vagus, zehntes Paar, Lungenmagennery. 8. 18: Von anatomischen Betrachtungen ausgehend, ‚stellte Arnold die interessante Theorie auf, dass Vagus und ‚Acces- sorius Willisii als ein zusammengehöriges Nervenpaar 'angese- hen werden müssten. Der Vagus mit seinem Ganglion sollte die sensible Wurzel, der Accessorius die motorische dieses ge- mischten Nerven darstellen. Nachdem Bischoff manche Be- obachtungen zu Gunsten dieser Lehre. mitgelheilt hatte, sind bekanntlich mehrere der ausgezeichneisten Anatomen und Phy- siologen: ihr beigetreten. Dagegen machte Remak' (Fror. Not. 1837: No: :54.) die Bemerkung, dass bei Hunden, ‚Katzen und Kaninchen der Vagus doppelte Wurzeln habe, von wel- chen der grösste Theil das Ganglion durchdringe, der kleinere Theil aber an dem Ganglion vorübergehe, ı Hieraus ‚schliesst Remak, (dass die von Arnold begründete "Theorie irrig sei, und dass der Vagus für sich allein schon einen gemischten Ner- ven mit doppelter Wurzel darstelle. — Auch ich habe beim Hunde und Schaafe gefunden, dass ein Theil der Wurzeln des *) Bei einer Kalze wurde durch die anatomische Untersuchang conslalirt, dass der 'gereizte Nerv wirklich der Glossopharyngeus war. 491 zehnten Paares am Ganglion vorbeistreicht, mit welchem sie nur durch Zellgewebe verbunden sind. Beim Kalbe aber ist dies nicht so. Zwar liegt die Hauptmasse des Ganglion an der vordern Seite des Vagus, und bei oberflächlicher Betrach- tung scheinen mehrere hintere Wurzelbündel an dem Knoten vorüber zu gehn, untersucht man aber genauer, 'so entdeckt man an diesen Bündeln schon mit unbewaffnetem Auge kleine Rauhigkeiten, und unter dem Mikroskop ergeben sich diese als wahre Ganglienmasse. In einem von mir untersuchten Falle fehlten sogar jene Rauhigkeiten, als aber die betreffenden Wur- zelfädehen bei hinreichender Vergrösserung untersucht wurden, fanden sich die Ganglienkugeln mit Kernen und Kernkörper- ehen in reichlicher Menge. Demnach bin ich veranlasst anzu- nehmen, dass bei dem Kalbe auch nicht eine der zahlreichen Wurzeln des Vagus am Ganglion vorbeigehe. Dieses anato- mische Ergebniss ist für die Würdigung der nachstehenden Versuche von Wichtigkeit. 8. 19. Ein frisch vom 'Rumpfe getrennter Kalbskopf wurde der Länge nach zersägt, so dass der weiche Gaumen und der oberste Theil des Schlundes beobachtet werden konn- ten. Dann wurde das verlängerte Mark vorsichlig zur Seite gezögen, und die Wurzeln des Accessorius vorsichtig mit’ der Scheere durchschnilten, wobei keine Bewegungen entstanden. Dann wurden die Wurzeln des Vagus so viel wie möglich einzeln in der Ordnung von hinten nach vorn durchschnit- ten. Fast bei jeder Durchschneidung einer Wurzel entstand Bewegung, entweder im weichen Gaumen, welcher sich bis- weilen hob, bisweilen nach vorn zog, oder im Schlunde, des- sen ‘oberster Theil bald gehoben, bald zusammengeschnürt wurde. Manchmal schienen bei Durchschneidung einer Wur- zel alle diese Bewegungen gleichzeitig zu entstehen. Nur ein Paar Wurzeln liessen bei der Darchschneidung keine Bewe- gung wahrnehmen. Dieser Versuch wurde an 5 Thieren mil aller Sorgfalt wiederholt, und gab ‚jedesmal dieselben Resul-, tale. Die seltneren Fälle, wo Durchschneidung einer Wurzel ’ [7 us * 492 keine Bewegung zu veranlassen schien, bin ich geneigt für zufällig zu halten, da bei der Art, wie der Versuch angestellt wurde,‘ es nicht möglich war, alle Theile zu übersehen, auf welche die motorische Kraft des Vagus einwirkt. $. 20. Ein Kalbskopf wurde der Länge nach zersägt, mehrere Wurzeln, von denen ich annahm, dass sie dem Vagus angehörten, wurden isolirt gereizt, und nachdem Bewegungen im Schlunde und weichen Gaumen entstanden waren, wurde- ein seidenes Fädchen um diese Wurzeln gebunden, um sie er- kennbar zu machen. Nach Beendigung des Experimentes wurde die anatomische Untersuchung vorgenommen. Die beim Versuche betheiligten Wurzeln gehörten bei weitem zum gröss- ten Theile dem Vagus, ein Paar Fädchen aber dem Glosso- pharyngeus an. Da der Glossopharyngeus. weder den obersten Theil des Schlundes noch den weichen Gaumen bewegt ($. 17.), so mussten die erwähnten Bewegungen vom Vagus abgehan- gen haben. $. 21. Ich zersägle einen frischen Kalbskopf der Länge nach und bemühte mich den Aceessorius und Glossopharyn- geus bis in das Foramen lacerum hinein vollständig zu exslir- ‚piren. Die hierauf übrig gebliebenen Wurzeln des Vagus wur- den galvanisch. gereizt, und es enistanden Bewegungen im M. eonstrietor faueium supremus, constrielor infimus, ericothyreoi- deus, welche freigelegt waren, und, nach den Bewegungen des Gaumens zu schliessen, in sämmtlichen Muskeln des weichen Gaumens. Die anatomische Untersuchung ergab nachmals Fol- gendes: Die Wurzeln des Accessorius waren vollständig weg- genommen, dem Vagus fehlte eine. starke Wurzel, die als dem Glossopharyngeus angehörig. weggenommen worden war; und von letzterem Nerven war die eine Wurzel noch’ vorhanden, und zwar die mit,dem Ehrenritter’schen Knoten. Da nachı 8. 17. gerade diese Wurzel keinen Bewegungen vorsteht, so war die. Irrilation vom Vagus ausgegangen. Der: Umstand, „dass in. den Muskeln, welche vom Glossopharyngeus abhängen, keine Bewegungen bemerkt wurden, bestätigt dies. _ Hu 62 493 $. 22. Köpfe von Kälbern, Schaafen, Ziegen, Katzen und Hunden wurden unmittelbar nach Tödtung der Thiere so präparirt, dass die Muskeln des Schlundes, Kehlkopfes und weichen Gaumens freilagen, dann wurden die Wurzeln des Vagus galvanisirt und selbstständige Contraclionen in folgen- den Muskeln beobachtet: Levator palati, azygos uvulae (nur bei der Ziege, wo der Muskel auffallend entwickelt ist), Con- strietor pharyngis supremus, Constr. fauc. infimus (aber nie der Constrietor medius, welcher vom neunten Paare abhängt, $. 17.), Arcus pharyngo-palatinus, ericothyreoideus. $. 23. Verschiedene Kälber, Schaafe, Ziegen, Hunde und Katzen wurden durch Oeflnung der Carotiden oder der Bauch- aorla gelödtet, um die absteigenden Aeste des zehnten Paares zu schonen, und deren Wirkung am Halse zu beobachten. Nach Durchsägung des Schädels wurden die Wurzeln des Va- gus gereizt, sogleich traten die heftligsten Bewegungen in der Speiseröhre ein. Diese contrahirt sich bei jeder Reizung im Längen- und Breitendurchmesser plötzlich und gewaltsam, so dass sich der Character ihrer Bewegungen von denen der will- kürlichen Muskeln in nichts unterscheidet. Diese heftigen Be- wegungen erstrecken sich durch die ganze Speiseröhre bis zur Cardia, aber nicht weiter. Der Magen zeigt bei kräftigen Zu- sammenziehungen des Oesophagus eine geringe Secundärbevre- gung, indem er in der Nähe der Cardia erschüttert wird, selbst- sländige Bewegungen entstehen nie. $. 24. Der Kehlkopf, vom Rachen aus belrachtet, zeigte oft deutliche Bewegung, sellner Veränderung in den Dimen- sionen der Stimmritze, als ein Zucken in den vorspringenden Partien der Giesskannenknorpel. Der Kehlkopf wurde nun selbst freigelegt, so dass die Kräuselung seiner Muskeln walır- genommen werden konnte. Sie wurde bemerkt im M. erico- arytaenoideus poslieus und lateralis bei der Katze und dem Kalbe, und im ericoarytaenoideus poslicus beim Hunde. Aller- dings misslangen diese Versuche oft, was kaum befremden kann, wenn man berücksichtigt, wie leicht bei der nothwen- 494 dig eiligen Präparation der Muskeln die zu ihnen gehörigen Nervenäste zerschnilten oder doch gedehnt werden: konnten. Auf. denselben Umständen mag es beruhn, dass es mir, nie ge- lang die M. arytaenoidei in Bewegung zu setzen, weder vom Vagus aus noch vom. Accessorius. 8.25. Nachdem eine Katze durch einen Stich ins Herz getödtet worden war, wurden die Lungenmagennerven unter- halb des, Laryngeus. superior durchschnitten und die Stiimm- ritze freigelegt. Reizung des Laryngeus superior bewegte die Stimmritze nicht, wohl aber Reizung des peripherischen Endes des durchschnittenen Nerven. Wurde letzieres galvanisirt, so erweiterte sich die Stimmritze, und bisweilen wurden die Stimmbänder angespannt. Hierauf wurden die Muskeln des Kehlkopfs mit. möglichster Schonung der Nerven frei gelegt. Bei Reizung des Laryngeus superior zuckten der M. cricothy- reoideus, Constrietor faucium supremus, und bei Hunden und Kälbern Hyothyreoideus (wahrscheinlich in Folge beigemisch- ter Fasern andrer Nerven). Bei Reizung des peripherischen Endes des. Vagus bewegten sich dagegen M..ericoarylaenoideus posiicus und lateralis auf das deutlichste, Hiermit in Ueber- einstimmung ist es, dass ich durch Reizung des Vagus in ab- geschnittenen Köpfen, trotz vieler Versuche, nie Bewegungen der. Stimmrilze hervorbringen konnte, $. 26. Bei zwei jungen Hunden wurde das grosse und kleine Gehirn weggenommen und die Stlimmritze freigelegt, welche sich mit jedem Athemzuge öffnete und wieder schloss. Dann. wurden bei dem einen Hunde die N. laryngei superiores durchschnitien, wodurch die Bewegungen der Stimmritze nicht im ‚mindesien verändert wurden. Bei dem zweiten Thiere durchschnitt ich den Vagus auf beiden Seiten am Halse, und vernichtete somit die Wirkung, des Ramus recurrens, sogleich schloss sich die Stiimmritze um sich nicht wieder zu öffnen. Dasselbe sah ich bei jungen Hunden, wenn ich den Vagus in der Schädelhöhle durchschnitt. 8. 27. Aus vorstehenden Beobachtungen würde man von 495 dem Umfange der Wirksamkeit beider Kehlkopfnerven eine ziemlich vollständige Vorstellung gewinnen, wenn nicht durch eine Angabe von Valentin (a. a. O. $. 113.) noch Schwie- rigkeiten entständen. Valentin behauptet, dass Durchschnei- dung des Ramus recurrens allein nur den Erfolg habe, die Stimme etwas rauher zu machen, während Durchschneidung des Vagus am Halse eine derartige Verengerung der Stimm- ritze nach. sich ziehe, dass das Einalhmen höchst schwierig werde. Er nimmt daher, ‚um ‘die Bewegung der Kehlkopf- muskeln zu erklären noch Nervenzweige des Vagus und Sym- pathicus zu Hülfe, durch deren Einwirkung die Epiglottis auf die Stimmritze gedrückt werde (a.a. 0. $.307.). Diesen An gaben scheinen manche Bedenken entgegen zu stehen. Wenn Durchschneidung des Vagus am Halse andre Erscheinungen gab als Durchschneidung des Laryngeus inferior, so ist zu be- merken, dass auch bei Durchschneidung ein und desselben Ner- ven, nämlich des Vagus am Halse, die Erscheinungen, je nach der Art und dem Alter der Thiere auf das auffallendste schwanken. Die Verschiedenheit der Symptome bei Durch- schneidung des Laryngeus inf. einerseits und des Halstheils des Vagus andererseits könnte demnach nur durch vergleichende Versuche an Thieren von gleicher Art und gleichem Alter er- wiesen werden, welche zur Zeit noch fehlen. Zweitens aber sehen wir in. der von Valentin aufgestellten Hypothese durch- aus keine Hülfe für die von ihm bemerkte Schwierigkeit. Es würde sich darum handeln zu erklären, warum nur bei Durch- schneidung des Halstheils des Vagus die Erstickungssymptome eintreten, was hat aber hiermit die Annahme zu schaflen, dass der Sympathieus oder Vagus ein Schliessen der Stimmritze durch die Epigloltis 'bewirke?: Ein solches Schliessen tritt nach Durchschneidung des Vagus am Halse nicht ein, träte es aber ein, so wäre das Versländniss der Schwierigkeit um nichts erleichtert. Nach zahlreichen Beobachtungen an jungen, 2 bis 3 Tage alten Hunden halte ich die Verengerung der Stimm- ritze nach Durchschneidung des Vagus am Halse nicht: für 496 Folge einer Muskelthätigkeit, sondern für Effect physiealischer Kräfte. Als ich den Accessorius und Vagus auf beiden Seiler in der Schädelhöhle durchschnitt, trat, bei fortdauerndem Ath- men, dieselbe Verengerung ein, welche sich bei Durchschnei- dung des Vagus am Halse zeigte, und doch musste in diesem Experimente nothwendig die Nervenwirkung gestört sein, wel- che eine vitale Verschliessung der Stimmritze hätte hervorbrin- gen können. Der Kehlkopf, nach dem Tode der Thierchen be- trachtet, zeigte dieselbe Verengerung der Stimmritze, als nach Durchschneidung des Vagus, daher die Verengerung im letzteren Falle auch olıne Annahme eines vitalen Antagonismus verständlich ist. Hierzu kommt noch, dass nicht Verschliessung, sondern, wie bemerkt, nur Verengerung der Stimmrilze slatt findet. Da- gegen erfolgte, selbst nach Durchschneidung des Vagus und Ac- cessorius in der Schädelhöhle, bei jeder Inspiration wirklicher Schluss der Stimmritze, indem die Kehlkopfknorpel und Stimm- bänder der Gewalt des Luftstromes nachgaben und sich, nach dem Prineip der Venenklappen, schlossen. Ein solehes klap- penartiges Schliessen muss um so leichter eintreten, je enger die Stimmritze und je nachgiebiger die Knorpel sind, woraus sich erklären lässt, dass junge Hunde, nicht aber alle und auch nicht Kälber, schnell ersticken, wenn der Vagus auf bei- den Seiten durchschnitten wird. $. 28. Bei verschiedenen, durch Verblutung getödteten Thieren wurde Brust und Bauchhöhle geöffnet und die Waur- zel des Vagus galvanisch gereizt. Ich habe keine Bewegung weder im Magen noch in den Eingeweiden,-weder im Herzen noch in der Luftröhre bemerken können. Vom Magen ist $.23. schon die Rede gewesen. Die peristaltischen Bewegun- gen schienen wohl in einigen Versuchen etwas vermehrt, aber ich wage nicht zu entscheiden, ob diese Vermehrung vom Galvanismus oder vom Luftreiz abgehangen habe. Bei einem Hunde machte das Herz ein Paarmal eine mit der Reizung zusammenfallende, ruckweise Bewegung, aber die Bewegung hatte nicht‘ deutlich den Character einer Contraction. Sehr wahrscheinlich ist es, dass die Bewegung in diesem ganz ver- 497 einzelten Versuche eine secundäre und abhängig von den Con- tractionen der benachbarten Speiseröhre war. In der Luft- röhre wurde, nachdem ich das Organ von vorn her gespalten halte, ein Theil der Schleimhaut der hintern Wand wegge- nommen, um die transversalen Fasern frei zu legen. In zwei Versuchen wollte es nicht gelingen, durch Reizung des Vagus Contraetionen zu vermitteln, doch ist zu bemerken, dass selbst directe Reizung der erwähnten Fasern ohne Erfolg blieb. $. 29. Da man bisher gewöhnlich angenommen, dass der Vagus nur empfindender Nerv. sei, so hat man die Bewegun- gen des weichen Gaumens, des Rachens und des Kelılkopfes von andern Nerven abgeleitet. Die Bewegungen des weichen Gaumens wurden dem Quintus, Facialis oder Glossopharyn- geus, die Bewegungen des Rachens dem Glossopharyngeus und Accessorius, die Bewegungen des Kehlkopfes dem Accessorius, und die Zusammenziehung der Speiseröhre den Halsnerven zugeschrieben. Indessen stützen sich die Angaben der Schrift- steller zum grössten Theil nur auf anatomische Untersuchun- gen, oder auf sehr vereinzelte, fast nie an-den Wurzeln der Nerven ‚angestellte Experimente. Ich habe nicht unterlassen in Bezug auf alle Bewegungen, die ich vom Vagus ableite, die nöthigen Gegenversuche an andern Nerven zu machen. Von allen in den $$. 22—24. beschriebenen Muskeln wird kein einziger durch 'Reizung irgend eines andern Nerven in Bewegung gesetzt. In den überaus zahlreichen Experimenten wenigstens, welche ich an beinah 100 verschiedenen Thieren angestellt habe, sind nur 2 verdächtige Fälle vorgekommen, welche andeuten könnten, dass die dem Vagus zugeschriebenen Bewegungen noch von andern Nerven abhingen. Bei einer Katze nämlich erregte Reizung des Accessorius Bewegung im weichen Gaumen, und bei einem Kalbe Reizung des Glosso- pharyngeus Zuckungen im Cricothyreoideus. Je leichter es, namentlich in letzterem Falle, möglich war, dass ein Würzel- chen des Vagus in den Versuch hineingezogen wurde, um so weniger kann in Zweifel gezogen werden, dass der Vagus die Mäller's Archiv. 1840. 323 498 Muskeln, von ‚denen ich gehandelt habe, ‘bewege, und zwar allein ER ki i Vıll. Nervus accessorius Willisii, Reina, elftes Paar. 8. 30. Bei’ frisch 'getödteten Kälbern; Bee Katzen, Ziegen und. Kaninehen wurde der.Schädel der Länge nach ge- spalten, "und ‘der :Nery ‘noch am Eintritt in das Faramen la- cerum galvanisch gereizt. Es entstanden heftige Bewegungen am Halse und ‘ander Schulter. * "Nach Wegnahme der. Haut zeigte es sich, dass’ folgende Muskelm im Contraelion kamen: M. sternoeleidomastoideus, sowohl die Partie desselben, wel- ehe zum Ilinterkopf geht, als auch die zweite, welche bei vielen Thieren sich zum Unterkiefer begiebt, ferner der M.tra- pezius, » So oft auch’ die Versuche wiederholt worden sind, und‘ zwar an: den reizbarsten Körpern, so konnte doch nie eine Bewegung weder im weichen Gaumen, noch im Schlunde, noch im Kehlkopf ‚hervorgebracht werden *), Bewegungen, welche sogleich entstanden, wenn vergleichungsweise der -Va- gus gereizt wurde, Reizung des Accessorias an einem abge- schniltenen Kopfe erzeugt daher nie Zuckungen. &.:31: Bei einem Kaninchen wurde der Tod durch Oefl- nung der Bauchaorta vermittelt. Nach Tödtung des Thieres wurde die Brusthöhle geöffnet und das Herz frei gelegt. Die Schläge desselben halten bereits aufgehört, als der Schädel geöffnet und der Accessorius gereizt ‘wurde. Nach einiger Zeit traten wieder’ Pulsationen ein, die zwar im höchsten Grade’ unbedeutend waren, ‘welche aber allmälig bisauf 36 Schläge in’ der Minute stiegen, Eine vollständige Contraction wurde nie bemerkt, auch fielen die Momente der Pulsation mit den Momen- ten der Reizung nicht zusammen. Der Versuch gab’ bei Wieder- holung an zwei andern Kaninchen entsprechende Resultate: 20 *) In Betreff des weichen Gaumens ist eine Katze auszunehmen. S. oben $. 7% 499 $. 32. ‘Die mitgetkieilten Versuche bestätigen Bell’s An- gabe über den motorischen Einfluss des Accessorius auf den M. sternocleidomastoideus und Trapezius, so wie Valentin’s Angäben von der Abhängigkeit der Merzbewegung von diesem Nerven. Dagegen widerlegen sie mit ziemlicher Bestinmtheit die’ jetzt herrschenden Ansichten vom Einfluss des Beinerven auf die Stimme. Diese Ansichten beruhen weniger auf Ver- suchen, als auf anatomischen und pathologischen Beobachtun- gen, welehe einen durchaus zweifelhaften Charakter haben. Anlangend die anatomischen Beobachtungen, so erweisen sie die Verbindung des Accessorius und Vagus; von welchen dieser mit einem Ganglion versehen ist, jener nicht, woraus mit Anwendung der Bell’schen Lehre geschlossen wird, dass der‘ Vagts als sensible, der Accessorius‘ als ‚motori- sche Wurzel eines zusanimen : gehörigen gemischten Nerven zu betrachten sei. Allein die ohnehin auf schwachen Fun- damenten beruhenden Bell’schen Grundsätze scheitern bei ihrer Anwendung auf die Kopfnerven gänzlich, wie aus den niitgetheilten Beobachtungen über das neunte und zehnte Ner- venpäaar unzweifelhaft ist. Was’ aber die pathologischen Beobachtungen 'anlangt, so kenne ich keine, welche zur Entscheidung der Frage, ob der Beinerv die Stimme regiere, im mindesten geeignet sei. Ar- nöold (Bemerkungen über den Bau des Hirns und Rücken- marks $. 124.) beruft sich auf einen von Verrenius unter Aufsicht von Retzius zergliederten Acephalen, welcher nach der Gehurt atlımete und schrie, und dennoch, wie die anato- mische Untersuchung auswies (?); der Medulla oblongata ent: behrte, so dass nicht der Vagus, wohl aber der Accessorius Willisit mit dem Rückenmarke in Zusammenhang stand. Nach meinem Ermessen beweist der Fall nichts, als dass wir eine mangelhafte Beobachtung vor uns haben. Denn da durch zahl- reiche Experimente vollkommen erwiesen’ ist, dass die Me- dulla oblongata das Athmen bedingt, so mussten in der noch lebenden Missgeburt Ueberreste derselben vorhanden sein, und 32* 500 übersah Herr Verrenius diese, so versteht sich von selbst, dass ihm. auch ihr‘ Zusammenhang, mit‘ dem ‚Vagus ‚entgehen musste. Arnold fügt in einer Anmerkung hiuzu, dass eine Menge: pathologischer Fälle bekannt seien, in ‘welchen Ver- leizung ‚des verlängerten und des oberen Halsmarkes Verlust der Stimme nach sich zogen. Indess können Verletzungen des ersteren ‚den Vagus unmittelbar, Verletzungen des zweiten mit- lelbar beeinträchtigt haben. Die Folgen zufällig. eintretender Verletzungen beweisen nicht mehr, sondern weniger als, die Resultate einer mit. Vorsicht geleiteten Viyisection, und die Resultate der sorgfältigsten Vivisection beweisen in der, auf- geworfenen Streitfrage wiederum nicht mehr, sondern ‘weniger als die Reizversuche an frisch 'getödtelen Thieren. — Ich wie- derhole, dass ich keine pathologische Erfahrung kenne, wel- che geeignet sei zu entscheiden, ob das zehnte: oder elfte Paar die Bewegungen des Kehlkopfs regiere, aber ich möchte hiu- zuselzen, ‚dass ich zweifle, ob eine derartige Erfahrung über- haupt gedenkbar sei. Denn da die Ursprünge beider Nerven so. nah beisammen liegen, und beide Stämme durch denselben Knochenkanal aus dem Schädel trelen und dann verschmelzen, so ist es schwer sich eine pathologische Aflection zu. denken, die erweisbar nur den einen und nicht gleichzeitig den andern Nerven betroffen habe. ‚8. 33: . Wenn ich vom Vagus eine Menge von Bewegun- gen.ableite, welche die geachtetsten Physiologen als Wirkun- gen des Beineryen betrachtet haben; so scheint es angemessen, die Frage aufzuwerfen, in wie weit die. von mir: mitgetheilten Experimente Beweiskraft haben. Die Möglichkeit des Irrihums in denselben. ‚beruht auf der unmittelbaren Nachbarschaft der Wurzeln beider Nerven. Es konnten Wurzelfädchen verkannt und beim Experiment zu dem Nerven hinzugezogen werden, dem sie nicht angehörten. ‘ Das einzige sichere Mittel gegen dergleichen 'Täuschungen war. die anatomische Untersuchung “der im Versuch benutzten Wurzeln. In den $$:,20. und 21. sind in. der Art revidirte Experimente ' mitgetheilt: worden, durch welche die Abhängigkeit des weichen Gaumens, Schlun 501 des und Cricothyreoideus vom zehnten Paare vollständig er- wiesen wird. Ein’ zweites, fast eben so sicheres und weniger mühsames Mittel war, die Versuche möglichst zu vervielfältigen, die bei Reizung des Vagus und des Accessorius auftretenden Bewegungen zu vergleichen, und aus dem Schwanken oder Sichgleichbleiben der Erscheinungen den Grad ihrer Zuverläs- sigkeit zu beartheilen. ' Ich habe sehr viele vergleichende Beob- achtungen der Art angestellt, und da ich in keinem einzigen Versuche am Accessorius die Bewegungen erzeugen konnte, die ieh, wenn auch nicht alle, doch zum grösseren Theile in jedem Experimente am Vagus hervorrief, so kann der Verdacht kaum aufkommen, dass ich bei Reizung des Accessorius gewisse, ihm angehörige Wurzeln jedesmal übersehen, dagegen bei Reizung des Vagus gerade diese Wurzeln in den Reizversuch mit hin- eingezogen habe. Wenn es demnach höchst wahrscheinlich ist, dass sämmtliche von mir dem Vagus zugeschriebenen Fun- etionen wirklich diesem und nicht dem Accessoriys zuzuschrei- ben sind, so ist es vollkommen: gewiss, ‘dass wenigstens der Theil des Beinerven, welcher als präformirter Stamm in der Schädelhöble nicht verkannt werden kann, an den Bewegungen - des Gaumens, Rachens und der Stimmritze keinen Antheil hat. Hiermit in Uebereinslimmung ist es, dass ich bei 3 jungen Hunden, denen ich die Beinerven in: der: Schädelhöhle zer- schnitten hatte, die automatischen Bewegungen der Stimmritze beim Atlımen fortdauern sah *). IX. Nervus hypoglossus, Zungenfleischnerv, zwölftes Paar. 8. 34. Der Zungenfleischnerv entspringt mit zahlreichen Wurzelfädehen, welche bei den Säugelhieren in mehreren ge- ivennten Bündeln durch besondere Lücher der harten Hirnhaut durchzutreten pflegen. Beim Kaninchen fand ich. immer. 2, *) In allen 3 Experimenten wurde nachmals eine sorgfältige ana- tonische Untersuchung angestellt. Jedesmal waren beide Nerven rich- tig durchschnitten, doch waren jedesmal unverletzte Würzelchen übrig, welche vom verläugerlen Mark entsprangen. 502 beim Kalbe 2—4 dergleichen Wurzeln. . Schon Meyer zeigte, dass bei letzterem ein Wurzelfädchen mit einem Ganglion ver- sehen sei, wodurch die Vermuthung entstanden ist, dass’ der Nery ein gemischter, und ‚die mit dem Knoten versehene Wur- zel ‚die sensible sei — Der’Ramus deseendens ist meines Wis- sens bis jetzt: immer als Ast des, Hypoglossus, | im gewöhnli- chen Sinne ‚des Wortes Nervenast, betrachtet worden. Un- tersucht' man aber die Verbindungsstelle dieses Astes mit dem Hypoglossus mikroskopisch, ‚so: findet man, dass ‚die Fasern des Descendens im Zungenfleischnerven nicht alle einen cen- tralen, sondern zum Theil einen peripherischen Verlauf neh- men, also iheilweise nicht aus letzterem herstammen. So fand ich es beim Menschen, Kalbe, Schaafe, Luchse, Kaninchen und bei der Katze. Bei dem Pferde fand ieh ‚sogar, aber nur in einer. Untersuchung, ‘dass der sogenannte Descendens: ledig- lich ein Ascendens ist, indem'er vom zwölften Paare gar keine Fasern erhiejt, sondern (diesem ausschliesslich Fasern zuführte. Diese Fasern stammen aus den beiden obern Halsnerven.: Schon hieraus kann man schliessen, dass die motorischen Wirkun- gen des Zungenfleischnerven auf die Halsmuskeln überschätzt werden. ' $. 35. Bei verschiedenen frisch getödteten Thieren wurde der Hypoglossus in seinen Wurzeln gereizt;'ies bewegten sieh: M. styloglossus, hypoglossus, genioglossus, lingualis, thyreo- hyoideus, und beim Kalbe ein Muskel; welcher dem: Menschen fehlt, und welcher nach seiner Lage Hyoepiglottieus heissen müsste, Beim Kaninchen werden die Zuckungen durch Erre- gung beider Wurzeln des Nerven hervorgebracht, was Herrn Va- lentin entgangen ist. ‘Da es uns bei wiederholten Versuchen aufgefallen war, dass Reizung des Hypoglossus ohne Wirkung auf die Halsmuskeln blieb, so‘ wurden an 4 Kälbern, '2:Ka- ninchen, einer Ziege, einem Schaafe und 2 Hunden von neuem Experimente über diesen Gegenstand angestellt, um zu prüfen, ob nicht,der M. omohyoideus, sternohyoideus und sternothy- reoideus 'von ihm raus ‚bewegt würden. Von diesen Muskeln 503 konnte aber nur der Sternohyoideus an zwei Kälbern, und anscheinend an einem Hunde’ erregt werden, woraus sich er- ‚giebt, dass ‚der UIypoglossus dem Descendens nur sehr wenige motorische Fasern, in der ‚Regel nur für den Thyreohyoideus abgiebt. | Ich $&..36,,.Bei einem frisch .getüdteten Kalbe, wurde die Schä- delhöhle durchsägt, und. jeder ‚Wurzelfaden./des' Hypoglossus mit der.Scheere einzeln durchgeschnitlen. ' Bei jedem Schnitt entstand eine merkliche Bewegung in ‚der Zunge. Das kleine Wüvzelchen mit dem Gauglion ‚war übersehn. worden und hing nach Wegnahme des verlängerten Marks, mit: dem Ligamentum dentieulaltım. zusammen, ‚dureh welches dasselbe.hindurehtrift. Bei vorsiehliger ‚galvanischer Reizung entstand auf der‘ Mitte des Zungenrückens ‚an einer , sehr, beschränkten. Stelle! eine Bewegung, die mit jeder Reizung gleichzeitig wiederkehrte und ihren Charaeter durehaus nieht-änderte. Au einem \zwei- ten Kalbskopf ‚wurde der. Versuch wiederholt; Mechanische Reizung auf das Würzelchen zeigte keinen Effect, gälvanische dagegen brachte genau dieselbe. Bewegung ibervor, ‚svelche, im ersten Versuch beobachtet worden: war... . Verschiedene‘ Ver- suche wurden angestellt, um zu sehen, ob.die galvanische Säule zı stark sei und die Electrieität' überspringe, ‚doch. fanden sieh bieryon ‘keine Anzeigen. Eine zweite Nervenwurzel, an 'wel- clier das wit dem Ganglion versehene ‚Fädchen unmittelbar aulag,. gab. bei, Reizung ausgedehnte. Bewegung der ‚ganzen Zunge. Ein drittes Experiment wurde von. Herın Professor Bidder. und. meinem Assistenten. allein angestellt. ‘Sie, 'sahn die Bewegung in. der Zunge \enisiehen, als, das in: Frage ste- heude Würzelehen mechasisch gereizt! wurde. Ich selbst kam einige Minulen zu: spät'hinza, ‚und sah nur: noch auf galvani- ‚scheu Reiz die Bewegungen. eintrelen, aber. wiederum an der- selben: Stelle und-in derselben Art wie früher, X. Die Halsnerven. $. 37. Die Halsnerven verbinden sich mit den opfieie ven auf eine doppelte Weise. Ihre Fasern verlaufen nämlich, sobald sie in einen Kopfnerven eingetreten sind, entweder pe- ripherisch oder central. Das letztere Verhältniss scheint noch wenig berücksichtigt, ist aber darum von grossem‘ Interesse, weil es eine Einwirkung der Halsnerven auf Theile am Kopfe möglich macht. ‘Valentin (a. a. ©. $. 256.) giebt an, dass Cervicalfasern im Vagus und Sympalhicus centripetal verlaufen, und Einwirkung auf das Auge ermöglichen. Dass Fasern der Halsnerven im Accessorius Willisii und Descendens hypoglossi die erwähnte doppelte Richtung nehmen, und so zu Theilen les Kopfes gelangen, wo man die Gegenwart von Halsnerven nicht vermuthen sollte, lehrten mir wiederholte mikroskopi- sche Untersuchungen an verschiedenen Thieren. Ich habe auf- steigende Fasern im Descendens hypoglossi schon oben er- wähnt ($. 34.), und werde die im Beinerven befindlichen in einer folgenden Abhandlung beschreiben. 8.38. Nachdem ein Schaaf mittelst Durchschneidung ‚des Rückenmarkes zwischen Hinterhaupt und Atlas getödtet wor- den war, wurde in der Mittellinie des Halses ein Einschnitt gemacht und‘ der Schlund freigelegt. "Dann wurde das Rük- kenmark hinter dem siebenten Halswirbel zum zweiten Mal durchschnitten, und ein galvanischer Strom durch‘ das Hals- mark hindurchgeleitet. Es erfolgten ungeachtet der heftigsten Contractionen in den :Halsmuskeln, keine in der Speiseröhre. Die Wirkung in den Halsmuskeln war so heftig, dass wir die Zahl der galvanischen Plattenpaare um das vierfache verringer- ten, und immer‘ noch sehr deutliche Zuckungen in den will- kürlichen Muskeln erhielten, aber der Oesophagus bewegte sich nie in Folge des Reizes. Er zeigte eine anhaltende, wel- lenförmige Bewegung, unverkennbar Folge des Luftreizes, aber weder allgemeine Verengerung noch Verkürzung, am allerwe- nigsten eine plötzliche Zuckung, denen der willkürlichen 505 Muskeln ähnlich, wie sie bei Reizung des Vagus eintritt ($. 23.). Da die Erscheinungen sich durchaus nicht änderten und’ die Reizbarkeit des Cadavers noch sehr bedeutend war, so wur- den die Halsnerven vom Nacken her freigelegt und ‚galvänisch gereizt, worauf. wiederum Zucekungen in verschiedenen Hals- muskeln, aber nicht in der Speiseröhre entstanden. Der Ver- such wurde auf die hier beschriebene Weise bei einem zwei- ten Schaafe und einer Ziege wiederholt, aber ohne allen Er- folg auf Bewegungen des Oesophagus. Nie zeigte sich an ihm mehr als jene fluctuirende Bewegung, welche nach Freilegung des Theiles sofort von selbst eintrat. Zuletzt wurde bei einem der Thiere der Schädel geöffnet und der Vagus in seiner Wur- zel galvanisirt, worauf sich sogleich die Speiseröhre mit einer grossen Heftigkeit verkürzte und verengerte. $. 39. Bei ganz frisch geschlachteten Kälbern wurden ausser dem Schädel auch die beiden obersten Halswirbel zer- sägt. Reizung des ersten Halsnerven an seiner Wurzel be- wegte die M. sternohyoideus, sternothyreoideus (also die Mus- keln, welche in der Regel’ das zwölfte Paar nicht bewegt), thyreohyoideus (in einem Thiere gleichzeitig vom Hypoglossus bewegt), aber nieht den sternocleidomastoideus und nicht den Schlund. Reizung der Wurzel des zweiten Halsnerven bewegte verschiedene Nackenmuskeln, aber weder die vorhergexannten Muskeln am Halse, noch die Speiseröhre. ‚8. 40. Ein Kaninchen wurde benutzt, um unmittelbar nach dem Tode die Halsnerven zu reizen. Der erste Nerv bewegte den M. sternoeleidomastoideus, sternohyoideus und sternothyreoideus, der zweite den M. sternocleidomastoideus und sternothyreoideus, -aber keiner von beiden den Schlund. $. 41. Bei einer frisch getödteten Katze wurden die Wur- zeln der 6 obersten Halsnerven gereizt. Ausser verschiedenen ‚andern Hals- und Nackenmuskeln bewegten sich M. sterno- Iıyoideus und sternothyreoideus, aber, obschon die Irritabilität eine Viertelstunde 'anhielt und viele Versuche 'gestallele; so entstand doch nie eine Bewegung, weder im Schlund ‚noch . 506 ini Magen; ‚eben‘ so wenigschien die. Hexzbewegung beschleu- nigt, Dass’ beiımehreren der erwähnten Versuche as Zwerg- fell bewegt wurde, ist nachzutragen. Ri 8.42. "Valentin (a, a. 0..$. 148.) giebt an, lass Rei- zung der: Hälsnerven die, Speiseröhre. ‚errege , \ und ‚ich' weiss wohl; dass eine affırmative Beobachtung hier ‚wichtiger ist, als mehrere: negalive.// Demungeachtet ‚scheint mir Valentin’s Angabe noch einer. Revision zu bedürfen... Dexn.erstens könn- ten die Bewegungen'in Folge des »Luftreizes, oder ‚die secun- dären Bewegungen, ‚welche in Folge heftiger Contractionen der Halsmuskeln entstehen, wohl Anlass zum Irrthum ‚gegeben ha- ben; zweitens sind negative Resultate zu berücksichtigen, wenn sie sich" häufen, in welchem Bezuge: ich.‚bemerke, «dass die hier mitgetheilten '7 Beobachtungen. nur ‚diejenigen sind, ‚die ich iin meinem Tagebuche äufzeichnete, nachdem mir dieRuhe des Oesophägus bei: Reizung der: Halsnerven sehon: aufgefallen ‚wär; drittens: werden: die von: mir erhaltenen negaliven Resul- tate dadurch verstärkt; dass: sie an Thieren (gewonnen wurden, deren Halsnerven auf zahlreiche andre Muskeln noch kräftigst wirkten; viertens fehlt es nicht an einem positiven Eleniente in meinen Beobachtungen, da ich Bewegungen ‚der Speiseröhre bei’ Reizung der ‘Vagus-Wurzelu ‚in zahlreichen Versuchen: 'ge- sehn‘ habe. Ich‘ werde auf den Antheil der Halsnerven am Schlucken an einem: andern Orte zurückkommen, ; und hier nur die Ansicht aussprechen; dass-plötäliehe,.den Wirkungen animaler Muskeln vergleichbare Contraclionen. der Speiseröhre nur vom Vagus, nicht von ‘den Halsnerven ausgehn. 8.43. Bei ‚einem frisch gesehlachteten Schaafe wurden die Zungenmuskeln von: der Kehle aus freigelegt, und .der\,.ab- steigende "Ast: des»zwölften Paares ‚durchschnitten, Im Augen- blick des Durchschneidens zuckte der Geniohyoideus, und bei jeder mechanischen Reizung wiederholte” sich‘ diese Zuekung. Hierauf wurde der Descendens auf einer Glasplatte: iselirt und galvanisch gereizt." Jetzt zuckle' auclıv. der Uyoglossus, ‚alleın Anscheine nach primär, und mehrere andere Muskeln, bei wel- 507 chen indess zweifelhaft blieb, ob die Bewegungen ursprüng- liche wären.\., Aehnliche Versuche, am’ Hunde ‚uud ‚Kaninchen gaben entsprechende Resultate, ohne jedoch mit Bestimmiheit erkennen zu lassen, in welchen Muskeln die Bewegung vor sich ging. *). i sih .$- 44. Bei, einem frisch Kalbe warde der Schä- del, und Jie obersten ‚Halswirbel ‚der.Länge nach zersägt,,.so dass.die Zunge ‘von oben’ her, in ihrer ganze Länge betrachtet werden. konnte. Reizung der Wurzeln ..des. ersten. Halsnerven brachte jedesmal, ‚eine, schleudernde Bewegung‘ der Zunge, zu Stande, bei welcher sich die Zunge nach eben krümmte;,.hier war.also. der ‚M, lingualis.in Bewegung. 8 45. Allgemeine Resullate der milgetheilten Beobachtun- gen'und Experimente sind folgende. A..Alle Nerven ‚des Kopfes, ‚die,3, ig Sinpesnasyen ‚ausgenommen, ‚sind. molorisch, 3 B. Jeder Muskel ‚am Kopfe der Säugelliiexe, (ein Kan Muskeln des. Auges ausgenommen) erhält, seine bewegende Kraft nur von ‚einem Kopfnerven, daher. die. willkürlichen. und ‚automatischen Bewegungen ‚der Kopfmuskeln' von’ dem- selben. Nerven ausgeln. C. Bei Kälbern, Hunden, Katzen, 'Schaafen, De Ed Ka- 1» ninchen ‚haben‘ Versuche an denselben. ‚Nerven immer 17 Zuekungen in denselben Muskeln ergeben, ‚ein Paar Mus- keln iin der Sphäre des Descendens 'hypoglossi ausgenom- men, woraus sieli schliessen. lässt, ‚dass die, erhaltenen Resultate auch ‚auf den ersahioenae Ace Menschen ‚‚an- wendbar sind. D. Einige Muskeln ‚der, Zunge (so. wie nach, Valentin .die Inis) erhalten ausser vom Gehivn auch vom Rückenmark *) Ein so eben am Kalbe angestelltes Experiment belchrt mich, dass Reizung des durchschniltenen Ramus deseendens am cenirälen Ende folgende Muskeln in Bewegung setzt: M. 'geniohyoideus, ge- nivglossus, hyoglossus und lingualis, biiil ” 508 motorische Zweige, wodurch die Störungen der Sprache bei Rückenmarksleiden verständlicher werden. E. Auch motorische Nerven können Ganglien an Ben Wur- zeln haben. i | Der letzte dieser Sätze greift in die jetzt hernsällenden Ansichten der Nervenphysiologie so tief ein, dass es angemes- sen scheint, ihm noch einige Worte hinzuzufügen. Wenn Bell behauptet: dass alle Nerven, welche vom Scheitel ‘bis zur Sohle Empfindung vermitteln, ohne Ausnahme Ganglien an den Wurzeln hätten, und dass diejenigen, welche keine Gan- glien besässen, auch keine Gefühls-, sondern Muskelnerven wären (Bella. a. ©. 177), so stellte er einen Lehrsatz auf, welcher, abgesehn von Einwendungen, welche aus neuerer Spe- eialuntersuchung gemacht werden können, eine doppelte Blösse zeigte. Zunächst nämlich waren unter den empfindenden Ner- ven die drei Sinnesnerven auszunehmen, und ferner rechnete Bell die mit Ganglien versehnen N, glossopharyngeus und vagus zu den respiratorischen Nerven, welche nach seiner An- gabe rein motorisch sein sollten. Trotz dieser auffallenden Uebelstände, und trotz Magendie’s von Anfang an festgehal- tener Behauptung, dass die Wurzeln der Rückenmarksnerven nicht exclusiv einer Verrichtunog vorständen, haben viele der ausgezeichnetsten Physiologen Deutschlands nicht nur die Bell- sche Lehre angenommen, sondern sogar noch auf die Spitze gestellt, indem sie die Gegenwart oder Abwesenheit eines Gan- glions an den Nervenwurzeln zum Kriterion des sensitiven und motorischen Charakters der Nerven machten. Diese Ansichten sind unhaltbar. So wenig alle Nerven der Empfindung entbehren, welche des Ganglions an ihrer Wurzel ermangeln, eben so wenig’ sind alle Nerven, deren Wurzeln mit Ganglien ausgerüstet sind, rein empfindend. Ich zeigte, dass beim Frosch das fünfte, sechste uud siebenle Ner- venpaar durch ein Ganglion treten, ohne ihre motorische Kraft zu verlieren (dieses Archiv 1838). M. Hall faud bei einer Schildkröte und bei Raja balis, dass Reizung der. hintern 509 Rückenmarksnerven- Wurzeln ebenfalls Bewegung erzeuge *), und aus dem Obigen ergiebt sich, dass verschiedene mit Gan- glien ausgerüstele Nerven auch bei den Säugethieren Bewe- gungen, ja sogar willkürliche Bewegungen, vermilteln. Werden sich meine Versuche über das motorische Ver- mögen des Glossopharyngeus, Vagus und der mit einem Gan- glion versehnen Wurzel des Hypoglossus bestätigen, wie ich mit Bestimmtheit voraussehe, so wird man Aufforderung ha- ben, von dem Verhältniss der Ganglien zu den sensiblen Ner- ven andre Vorstellungen zu fassen als zeither, am allerwenig- sten aber würde sich dann die ohnehin nicht wahrscheinliche Hypothese Valentin’s halten können, dass die Ganglien die Bestimmung hätten die centripetale Leitung zu fördern, die centrifugale dagegen zu hindern. *) Reflexbewegung. Anmerk.; d. Herausgeb. 120 bu Beobachtungen und Reflexionen über Nerven- er?) 'Anastomosen. Von Ar! WW. V 0! m @Iml a nn. askang (Hierzu Taf, XV. Fig. 7.) I} $. 1. Nachdem man einige Zeit Boerhave’s wichtige Lehre von dem isolirten Gange der Nervenfasern vergessen und häufig Nervenverbindungen mit Nervenverschmelzungen verwechselt halte, wurde zwar durch Müller’s Bemühungen die Isolirung der Fasern wieder in das gehörige Licht gestellt, allein um- gekehrt wurde nun die Verschmelzung von Nervenstämmen überschn, welche allerdings auch vorzukommen scheint. Mit dem Worte Verschmelzung will ich nämlich das Verhältniss bezeichnen, welches eintritt, wenn der Ast des einen Nerven sich mit dem Stamme eines zweiten verbindet und in diesem nicht abwärts, sondern aufwärts bis zum Centrum verläuft. Es handelt sich also um Endschlingen, nicht vereinzelter Fa- sern, sondern ganzer Aeste. $. 2. Eine solche ziemlich zarte Schlinge findet sich, wenn nicht regelmässig doch oft, zwischen dem vierten Ner- venpaar und dem ersten Aste des fünften beim Kalbe. Bei Betrachtung mit blossem Auge schien die Schlinge aus einem einfachen Faden zu bestehen, bei mikroskopischer Untersuchung zeigte es sich, dass aus der Schlinge 5 Aestchen entsprangen, deren 4 ihre Fasern vom Nervus patheticus erhielten, während 511 nur eines seine Fasern aus (lem Trigeminus 'entlehnle. Dieses letztere Aesichen war wohl zehnmal’ dünner als der Theil der Sehlingen, welcher von der Centralseite des fünften Paa- res herkam. Betrachten wir diesen’ Theil als vom Trigeminus abstammend, so geht also nur 2; seiner Fasern’ durch das er- wälinte fünfte Aestehen zur Peripherie, während 7% inner- halb des vierten Nervenpaares centripetal zum Gehirn gehn. Da nämlich das vierte Paar oberhalb der Schlinge keine Acste abgiebt, so ist den Fasern des 'Quintus keine Gelegenheit ge- geben, peripherisch umzukehren. ‘Die hier gegebene Deutung der Schlinge kann nur in so fern in Zweifel gezogen werden, als man es wahrscheinlicher finden sollte, dass der scheinbar aus dem Quintus austretende Theil: der Schlinge vielmehr ein in diesen eintretender wäre, in welchem Fälle er aus Fasern des Pathetieus bestehen müsste, welche im Quintus 'centvi- petal verliefen: Solche Fasern könnten dann zum Ganglion Gasseri gelangen, und von hier atıs’in einen andern Aste des fünften Paares: peripherisch austreten. $. 3. Eine zweite Schlinge der Art scheint bei den Säu- gern ziemlich allgemein zwischen dem zweiten oder dritten Halsnerven und dem Beinerven vorzukomiien. Ich fand sie beim Menschen, Pferde, Hunde, Kalbe und bei der Katze. Beim-Kalbe giebt der vordere Ast des zweiten Halsnerven einen sehr ansehnlichen Zweig ab, welcher'sich in’den tiefer liegen- den Hauptast des Beinerven einsenkt.'' Ein Theil der Fasern dieses Verbindungszweiges verläuft im Accessorius 'nach peri- pherischer Richtung; andere Faserparlieen dagegen laufen cen- tripetal. “Oberhalb der Verbindung des Halsnerven und Bei- nerven gehen zwar von letzterem noch Aeste ab, so dass für die centripetal laufenden Fasern des Verbindungszweiges Ge- legenheit zu peripherischem Austrilt gegeben wäre, allein die mikroskopische Untersuchung lehrt, dass 'ein derartiger Aus- tritt nicht Statt findet.” Da sich Accessorius und Vagus am Knoten des letztern verbinden, so könnten die in Frage ste- lienden Fasern in den’ Vagus einfreten, und in diesem sich 512 peripherisch wenden, allein erstens fand ich die Schlinge ein- mal bei einer Katze, wo es evident war, dass die genannten Nerven im Ganglion nur neben einander lagen, ohne Fasern auszutauschen, zweitens war ich in einem Falle beim Kalbe so glücklich, ein Bündel der Schlinge vom Halsnerven bis in die Wurzel des Accessorius in ununterbrochenem Verlaufe zu verfolgen. Zwar stand dieses Bündel mit andern, benachbar- ten durch seine Fädchen in plexusartige Verbindung, da ich aber das Bündel mit sammt den Verbindungsfädchen aussehnitt und unter das Compressorium brachte, so konnte ich mit Hülfe des Mikroskops den Lauf der Fasern vollständig beurtheilen, und überzeugte mich, dass die aus dem Halsnerven austreten- den Fasern wirklich durch den Accessorius ‚bis in ‘das Hirn gelangten. . Will man demungeachtet zweifeln, dass die Ana- stomose zwischen Accessorius und Cervicalis secundus zwei Stellen der Centralorgane verbinde, so bliebe nach dem Mit- gelheilten nur die Hypothese übrig, dass die Fasern der er- wähnten Schlinge dem Accessorius angehörten, dass sie im Halsnerven zwar anfangs central verliefen, aber bei einem der Aeste desselben gegen die Peripherie umvwrendeten. Indess lehrten mich später mitzutheilende physiologische Experimente, dass die Fasern der Schlinge wenigstens theilweise aus dem Rückenmark stammen und diesem sensible Reize zuleiten. $. 4. Eine dritte Schlinge ähnlicher Art findet sich bei verschiedenen Säugethieren zwischen dem absteigenden Aste des Zungenfleischnerven und verschiedenen Halsnerven, so z. B. beim Hunde, Kaninchen, Schaafe, Luchse, Kalbe und bei der Katze, Alle diese Thiere und auch der Mensch haben das Verhältniss gemeinsam, dass Verbindungsäste der Cervical- nerven in den absteigenden Ast des Hypoglossus eintreten, und in diesem ihre Fasern zum Theil peripherisch, zum grös- sern Theile aber central verlaufen lassen. Ich habe in einer frühern Abhandlung gezeigt, dass diese Fasern bis zur Zunge gelangen; hier ist bemerklich zu machen, dass der sogenannte Descendens hypoglossi überhaupt nur wenige Fasern vom 513 Zungenfleischnerven zu erhalten scheint. Nämlich abgesehn von den Fasern, welche, als zur Zunge hingehend, gar nicht vom Hypoglossus abgeleitet werden können, ist die höchste Wahrscheinlichkeit vorhanden, dass viele von den Fasern, welche allerdings aus dem Zungenfleischnerven herstammen, statt im absteigenden Ast zu bleiben, vielmehr durch einen Ast des obersten Halsnerven dem Rückenmark zuströmen. Dies ‘glaube ich namentlich beim Schaafe aus anatomi- schen Gründen annehmen zu dürfen. Bei diesem Thiere bil- det der Ramus descendens an der Stelle seines Austriltes bis. weilen einen Plexus aus zahlreichen Fäden. Reinigt man die- sen‘ sorgfältigst von dem anhängenden Zellgewebe, und legt eine Glasplatte darauf, so kann man unter dem Mikroskop sehr gut beurtheilen, nicht nur wo die einzelnen Fäden herkommen und hingehn, sondern auch einigermaassen wieviel sie Fasern enthalten *). Da ist nun beim Schaafe das Verhältniss auf- fallend genug um die Behauptung zu erlauben, dass aus dem Hypoglossus weit mehr Fasern in den Descendens eingehn, als er unterhalb der Verbindungsstelle mit dem Cervicalis enthält, vorausgesetzt nämlich, dass man gehöriger Weise den Theil von Fasern in Abzug gebracht habe, welche der Descendens unterhalb der Verbindung mit dem Cervicalis, eben durch diese Verbindung erhalten hat. Hieraus folgt nun eben, dass ein Theil der Fasern, welche aus dem Zungenfleischnerven in den Descendens eingehn, in diesem nicht bleiben, sondern durch den Cervicalis dem Rückenmark zusirömen. Dass die Fasern des Hypoglossus aber wirklich bis zum Rückenmark durehdringen, ist darum wahrscheinlich, weil sie auf keine andere Weise zur Peripherie gelangen können, als wenn sie im Stamm des Cervicalis anlangend, unter den spitzesten Win- *) Bei dieser Untersuchung ist jedoch nöthig, den Stamm des Zungenlleischnerven zu spalten, weil der ganze Nery viel za dick ist, um den Verlauf seiner Bündel erkennen zu lassen. Müller’s Archiv. 1840. 33 514 keln umkehrten. Ein solches Verhältniss scheint aber nicht vorzukommen *). ; j $. 5. Eine vierte ‘wahre Anaslomose besteht zwischen dem zweiten und dritten Halsnerven der Katze. Der drille Halsnenv giebt unmittelbar am Uırsprunge des vordern Astes einen starken Zweig ab, welcher erstens die obenerwähnte Schlinge mit dem Accessorius bildet($. 3.), dann aber sich vollständig in den zweiten Halsnerven einsenkt, in welchem ein ansehnlicher Theil der Fasern gegen das Centrum zurück- läuft. Auch zwischen dem ersten und zweiten Halsnerven der Katze findel regelmässig eine Verbindung Statt, welche ich aber nach genauen anatomischen Untersuchungen nicht für eine wahre, sondern plexusarlige Anastomose halten möchte. Nach dem Mitgetheilten giebt es also Nervenschlingen, deren Fasern massenhaft zusammen bleiben, ohne in einem Organe zur Ausbreilung zu kommen. Diese Anordnung hat elwas überaus Befremdliches, wenn man die Verrichtungen er- wägt, welche mit einer solchen Organisalion verbunden sein könnten. Der Gedanke, dass hier motorische Fasern ange- bracht sein sollten, ist ganz unzulässig, die Annahme sensibler Fasern aber wenig versprechend, Denn nicht nur wäre das Vorkommen sehr ausgebildeter sensibler Organe an so verbor- genen. Stellen des Körpers räthselhaft, sondern auch der Um- stand ohne Analogie, dass empfindende Fasern durch ihr com- pactes Zusammenbleiben vergeudet würden, während sie übri- gens sich derartig ausbreiten, dass auch wenige Fasern schr an- sehnliehen Körpertheilen Empfindung verleihen. Ich verkenne also das Befremdliche in der Anordnung der beschriebenen Anastomosem keinesweges, sche aber in der Räthselhaftigkeit derselben um so weniger eine Widerlegung ihrer Realität, als die bekannten Endschlingen der Nerven zu den von mir *) Vorsteliende Beschreibung habe ich geflissentlich in’s Kurze gedrängt, da die Abbildung der Anastomose (Fig. 7.) und die dazu gehörige Beschreibung den Leser hinreichend aufklären wird. 515 beobachteten Schlingen ein unverkennbares Analogon bieten. Die Verschmelzung benachbarter Fasern ist zur Zeit um nichts versländlicher als die Verschmelzung von Fasern getrennter Nerven; es kommt darauf an das Dunkel dieser Verhältnisse zu lichten, und ich habe versucht durch Experimente an den grössern und fassbaren Schlingen Resultate zu erhalten, die ich in den unendlich feineren Endschlingen nicht zu erreichen wusste. $. 6. Bei einem lebenden Kalbe wurde hinter und unter dem Querfortsatz des Atlas die Haut durchschnitten, eine ober- Nlächliche Muskelschicht getrennt, und der vordere Ast des zweiten Halsnerven freigelegt, Der Ast hatte sich bereits in zwei Zweige gespalten, von welchen der eine nach hinten und unten, der andere nach vorn und unten gerichtet war °). Der letztere enthielt in einer lockern Zellgewebescheide voll- kommen präformirt den feineren Zweig, welcher sich wei- ter abwärts freimacht und mit dem Accessorius anastomo- tisch verbindet. Um diesen vorderen Ast wurde, 1+ Zoll un- terhalb seines Austritts aus der Wirbelsäule, eine Ligatur an- gebracht und zusammengeschnürt. Die Zusammenziehung er- regte allem Anscheine nach die hefligsten Schmerzen (indem das Thier mit Mühe festzuhalten war), tödtete aber auch die Empfindlichkeit mit einem Male. Denn als nach einer klei- nen Pause die Schlinge nochmals scharf zusammengezogen wurde, blieb das Thier stumm und unbewveglich liegen. Hier- auf wurde eine zweite Ligatur angebracht, unterhalb der oben erwähnten, und folglich nach der Seite hin, wo der Halsnerv in den Accessorius eintritt. ‘Die Schlinge wurde geflissentlich nur leise zusammengezogen, aber das Thier gab deutliche Schmerzenszeichen von sich. Nach einer kleinen Pause wurde die Ligatur vollständig zusammengeschnürt; abermals erfolgten unverkennbare Schmerzenszeichen, obschon das Thier ungleich *) Die Beschreibung richtet sich hier wie im Folgenden nach den Lagerungsverhältnissen der Theile im stehenden Thiere, 33° 516 weniger zu leiden schien, als bei der ersten, dem Ursprunge des Walsnerven näher liegenden Ligatur *). $. 7. Bei einem Kalbe wurde die Anaslomose zwischen Cervicalis und Accessorius freigelegt, sie bestand in diesem Falle aus zwei gelrennten Fäden. Der erste Faden wurde unterbunden ‚und erregie Zeichen des heftigsten Schmerzes, aber eine zweite Ligatur an demselben Aesichen nach der Seite des Accessorius angebracht, blieb erfolglos. Hierauf wurden in dem zweiten Aesichen kurz hinter einander 3 Ligaturen angelegt. Die erste, in der Mitie des Aestchens angebrachte, erregte eben so heftigen Schmerz, die drille, ganz nah am Eintritt des Aestchens in den Accessorius angebrachte Ligatur erzeugle zweifelhafte Erscheinungen. Im Momente der Zusam- menschnürung ruckte das Thier, indess es sträubte sich nicht anhaltend und blökte nicht wie vorher. Gesetzt, dies Rucken wäre Folge von Schmerz gewesen, wie es allen Anschein halte, so musste dieser durch empfindende Fasern des Acces- sorius vermittelt worden sein. Es kam also darauf an zu er- fahren, ob der Accessorius eigenthümliche sensible Fasern ent- halte. Ein Versuch an demselben Thiere schien der Annahme nicht 'günslig, aber ein späterer Versuch bewies die Gegenwart solcher Fasern vollständig. 6. 8. Bei einem Kalbe wurde die Verbindungsschlinge zwischen Halsnerven und Beinerven freigelegt, und in kurzen Pausen 3 Mal unterbunden. Die erste Ligatur erzeugte Schmerz, eben so die zweite näher dem Rückenmark angelegte, nicht aber die dritte, welche unterhalb der ersten, d. h. näher dem Accessorius angelegt war. Da indess die Empfindlichkeit des Thiers durch die lange Operation sichtlich gelitten hatte, so wurde eine vierte Ligatur am Accessorius selbst angebracht, wobei unverkennbare Zeichen von Schmerz erfolgten. *) Dieses Experiment wurde an demselben Kalbe gemacht, in welchem es mir gelang die Fasern des Halsneryen bis in die Wurzeln des Aceessorius zu verfolgen. 517 $. 9. DerBeinerv wurde bei einem Kalbe nalı an seinem Austritt aus der Schädelhöhle freigelegt, und oberhalb seiner Verbindung mit dem zweiten Halsnerven unterbunden. Das Thier sträubte sich und blökte während der Zusammenschnü- rung, nach einer kleinen Pause wurde oberhalb der Ligatur der Nerv durchschnitten, wobei das Thier ruhig blieb. Zuletzt wurde der durchschniltene Nerv an seiner peripherischen Seite wiederholt gereizt, und jedesmal wurden unverkennbare Zeichen des Schmerzes bemerkt. Ich fürchte keinen Widerspruch zu finden, wenn ich be- haupte, dass die kleinen Abweichungen dieser Experimente unter einander ohne wesentliche Bedeutung sind. Sie beschrän- ken sich auf das Ausbleiben von Schmerzenszeichen, welche in anderen Fällen eintraten. Ein solehes Ausbleiben kann wenig befremden, wenn man bedenkt, wie leicht die lange und schmerzhafte Operation, welche der Operation voraus- gehen musste, die Empfindlichkeit abstumpfen konnte. Ueber- dies ist bekannt, dass Thiere bei Vivisectionen oft mit uner- schülterlicher Ruhe ausdauern. Mit Rücksieht hierauf dürfte aus den mitgetheilten Experimenten unbedenklich zu folgern sein: 1) die den Accessorius und den zweiten Halsnerven verbindende Anastomose ist empfindlich; 2) der Gang der Nervenleitung ist ein doppelter, indem Reize sowohl gegen das Gehirn als gegen das Rückenmark hinwärts Empfindung ver- mitteln können; 3) die dem Halsnerven zugehörigen sensibeln Fasern der Schlinge sind der Zahl nach sehr überwiegend. $. 10. Bei einer Kalze wurde die Anastomose freigelegt, welche zwischen dem zweiten und dritten Halsnerven besteht. Möglichst in der Mitte der Schlinge wurde eine Ligalur au- gebracht, bei deren Zusammenschnürung die Zeichen des hel- ligsten Schmerzes entstanden: Hierauf wurde eine zweite Li- gatur an der Stelle angelegt, wo die Nervenschlinge anschei- nend aus dem zweiten Halsnerven hervortritt. Diese Ligalur wırde von dem Thiere nicht wahrgenommen, oder erzeugle wenigstens keine Reaclion. Zulelzt wurde die Anaslomose 518 an der Stelle unterbunden, wo sie mit dem dritten Halsner- ven zusammenhängt. Die Zusammenschnürung war mit dem Zeichen des heftigsten Schmerzes verbunden. Dieses Experi- ment wurde an einer zweiten Katze mit demselben Erfolge wiederholt. Bei einer dritten Katze wurde nach langem ver- geblichen Suchen (in Folge einer ‚störenden Blutung), die Anastomose zwischen dem zweiten und dritten Halsnerven ge- funden, und der zweite Halsnery nah am Ursprung mit der Scheere durchschnitten. Dieser Schnitt, welcher in frühern Versuchen die heftigsten Schmerzenszeichen hervorgerufen hatte, wurde von dem Thiere ohne alle Reaction ertragen, wahrschein- lich weil die Empfindung durch die schwere Operation schon zu sehr abgestumpft war. Es wurde daher dem Thiere einige Zeit Ruhe gegönnt, und dann der durchsehnittene Nerv am peripherischen Ende nah seiner Verbindungsstelle mit dem drit- ten Halsnerven gekniffen. Das Thier ruckte in demselben Mo- mente, wurde unruhig und schien zu leiden, schrie indess nicht. Ob nun wirklich Schmerz vorhanden war, kann die vereinzelte Beobachtung freilich nicht entscheiden. Beruhte in dem erwähnten Experimente das Zucken des Thiers auf Schmerz, wie nicht unwahrscheinlich ist, so enthält der zweite Halsnerv sensible Fasern, welche den empfangenen Reiz durch Vermittlung des dritten Halsnerven dem Organe der Empfin- dung zuführen. Gern hätte ich die sämmtlichen Anastomosen, welche oben anatomisch beschrieben wurden, in Bezug auf ihr physiologi- sches Verhalten untersucht, aber sie sind mit Ausnahme der Schlinge des N. accessorius im lebenden Thiere so schwer zu finden, dass meine geringe operative Geschicklichkeit nicht aus- reichte, den Gegenstand in’s Klare zu bringen. Wiederholt habe ich bei Hunden den absteigenden Ast des Zungenlleisch- nerven freigelegt, und habe mich auf das Bestimmteste über- zeugt, dass dieser Ast empfindlich ist, und dass seine Empfin- dung ausschliesslich vom Hypoglossus, nicht aber vom Cervi- calis ausgehe. Ob aber ein Theil seiner empfindenden Fasern 519 rückwärts in die Schlinge eingehe, welche den absteigendeu Ast mil dem ersten Halsnerven verbindet, kaun ich nur ver- muthen, nicht bestimmen, da es mir im lebenden Thiere nie gelang die Anastomose zu finden, $. 11. Es sei erlaubt den Versuch zu machen, die bis jetzt bekannten Erfahrungen über Anastomosen, so gut es ge- hen will, anatomisch und physiologisch zu ordnen. Vom ana- tomischen Standpunkte ausgehend, könnte man die Anaslomosen auf folgende Weise classificiven. I. Anastomoses spuriae. 1) Anastomosis plexiformis. Eine Nervenschlinge verbin- det zwei Nervenäste, aber die Fasern, welehe der eine Ast dem andern zuführt, verlaufen nach ihrem Einteitt beiderseits peripheriseh. Ein Beispiel bildet die Nervenschlivge am Ple- xus brachialis’ des Hundes. 2) Anaslomosis paradoxa. Ein Neryenzweig tritt in einen benachbarten Nerven ein und verläuft in diesem eine zeitlang eenlral, wodurch der Anschein einer Endschlinge entsteht. In- dess ist dieser eenlrale Verlauf nicht von Dauer, die eingelve- tenen Bündel ireten wieder aus und. gewinnen schliesslich, doch noch die Peripherie. Als Beispiel können die Fasern der Halsnerven gelten, welche im R. descendens hypoglossi eenlvipetal, zulelzt aber im Stamme des Uypoglossus cenlri. fugal verlaufen. II. Anastomoses verae. 4) In Unterabtheilungen. desselben Nerven vorkommend. Hierher gehören die Endsehlingen der Nerven, wie sie Pre- vost und Dumas in den Muskeln, Burdach in der Haut, Valentin in den Zahnsäckchen, im Gehörorgane und verschie- denen andern Theilen entdeckte. - Diese Endsehlingen scheinen durchaus nie im Verlauf der Nerven selbst, sondern ausschliess- lich da vorzukommen, wo sich die feinsten Nervenästchen in der Substanz der Organe ausbreilen *). *) Mit Bezug auf physiologische Erfahrungen bat Kronenberg 520 2) Zwischen verschiedenen Nerven Eines Centralorganes. Beispiele geben die Anastomose zwischen dem vierten und fünften Paare, zwischen dem Trigeminus und Faeialis nach Magendie und zwischen den Halsnerven. 3) Ziwischeu verschiedenen Nerven verschiedener Central- organe, wie die Anastomose zwischen Accessorius und Cer- viealis. 4) Zwischen analogen Nerven der entgegengesetzten Sei- ten des Körpers, wenn anders die von mehreren Beobachtern bemerkte Verbindung beider Zungenfleischnerven in’ der Mit- tellinie, eine wahre Anastomose darstellte. $. 12. Weit schwerer verständlich als die anatomische Anordnung der Anastomose ist ihre physiologische Verrichlung. Wir besitzen über letztere noch so wenig Thatsachen, dass von Aufstellung einer genügenden T'heorie gar nicht die Rede sein kann; dagegen ist es nicht nur erlaubt, sondern sogar räthlich, über die mögliche Funetion derselben schon jetzt nachzudenken, damit den empirischen Untersuchungen, die noch angestellt werden müssen, ein verständiger Weg vorge- zeichnet, und das wenige Bekannte mit Klarheit übersehen werde. Ich trage um so weniger Bedenken mich im Folgen- den auf das Feld der Hypothese zu wagen, als ein ausge- zeichneter Naturforscher uns mit seinem Beispiel bereits vor- an gegangen ist *). angenommen, dass im Vereinigungswinkel der hintern und vordern Wurzeln der Rückenmarksnerven Umbiegungsschlingen sensibler Fa- sern lägen. Er schloss dies daraus, dass die Sensibilität der vordern Wurzeln der Spinalneryen, welche nach Magendie’s Entdeckung von der Integrität der hintern Wurzeln abhängt, aufhört, wenn man in dem Vereinigungswinkel beider Wurzeln + Linie tief nach der Länge des Nerven einschneidet. Indess zeigt sich bei mikroskopischer Un- tersuchung der erwähnten Stelle von Nervenschlingen nichts, wohl aber findet eine Decussation der Fasern beider Wurzeln Statt, wel- che den Erfolg des Kronenberg’schen Versuchs vollkommen ver- ständlich macht. *) Vergl. Carus, dieses Archiv 1839, $. 366. 521 Man kann sich von den wahren Anastomosen zwei Vor- stellungen bilden. Erstens: Eine Faser, welche im Central- organe entspringt, verläuft zur Peripherie, und, nachdem sie hier umgewendet, kehrt sie zum Centrum zurück. Zweitens: Zwei functional verschiedene Fasern entspringen vom Centrum, gehn zur Peripherie und verschmelzen an ihren Enden. Die verschiedenen Fasern aber, von welchen hier ausschliesslich die Rede sein soll, sind die sensibeln und die motorischen *). Die beiden oben erwähnten Vorstellungen von den Ana- stomosen unterscheiden sich, wenn man vorläufig nur auf das Vermögen der Bewegung und Empfindung rellectirt, wie man *) Wenn ich die Worte empfindende und motorische Fasern brauche, so kann dies einer. Entschuldigung bedürfen, da ein Anatom und Denker wie Carus diese Ausdrlicke uoch kürzlich als unlogisch verworfen hat. Dieselben sollen nämlich keinen reinen Gegensatz bil- den, und es sollen die Nervenfasern vielmehr in sensible und reagi- rende unterschieden werden müssen. Bei aller Hochachtung, die ich vor Herrn Carus hege, glaube ich doch, dass diesen Behauptungen ein Irrthum zum Grunde liegt. Mit der Unterscheidung von motori- schen und sensiblen Nerven hatte man nicht die Aufstellung eines durchgreifenden Theilungsprineips bezweckt, sondern man wollte un- terscheiden, was unterschieden zu werden verdiente, dass gewisse Nerven zwar Empfindung, nicht aber Bewegung, andere Bewegung, nicht aber Empfindung vermitteln. Hiergegen hat die Logik nichts einzuwenden. Ob sich dasselbe von der Eintheilung des Herrn Ca- rus sagen lasse, kann zweifelhaft scheinen. Seine reagirenden Fasern bilden ein Genus, welches wie die motorischen, so auch alle andere Fasern umfasst, welche centrifugal leiten, seine sensibeln Fasern da- gegen bilden eine Species, welche vom Genus der centripetalleiten- den Fasern alle diejenigen ausschliesst, die der Empfindung erman- geln. So ist in der vorgeschlagenen Eintheilung die Species dem Ge- nus entgegengestellt, und es fehlt nun erst der reine Gegensatz, welcher bei den motorischen und sensibeln Fasern gar nicht gesucht zu wer- den brauchte, Wenn übrigens Carus sensible Fasern und centripetale, ferner reagirende und centrifugale als gleichbedeutend braucht, so. ist diese Ausdrucksweise mit der Erfahrung nicht im Einklang, sie passt weder zu den Eıscheinungen des Sympalhieus, noch zu denen der in- eidirenden Fasern Marshall Hall’s, noch zu dem was ich von cy- klischer Nervenleitung in’ dem Folgenden beweisen zu können glaube. “ 522 leieht sieht in Folgendem. “Nach der ersten Vorstellung dient die ihrem Wesen nach Eine Faser nur einer Function, der Empfindung oder Bewegung; nach der zweilen dient die ana- stomotisch verbundene Doppelfaser zwei Funclionen, sowohl der Empfindung als auch der Bewegung. $. 13. Au diese erste Reihe von Vorstellungen schliesst sich sofort eine zweite. Wir haben Veranlassung, anzuneh- men, dass gewisse Nervenfasern nur centripetal, andere nur eenlrifugal leiten, wie verhält es sich mit dieser Leitung in den Anastomosen? Mag nun eine und dieselbe Faser vom Centralorgane ausgehn, und nach ihrer Umbiegung in’ der Pe- ripherie zum Centrum zurückkehren, oder mögen zwei vom Centrum ausgehende Fasern in der Peripherie verschmelzen, immer wird eine Art Nervenkreis oder Nervenellipse gebildet, welche einerseils durch die peripherische Schlinge, andrerseils dureh das Centralorgan geschlossen wird. Nennen wir die langen ‘Seiten einer solchen Ellipse, d. h. die Theile der- selben, welche in den Nerven verlaufen, mit Carus kurzweg Schenkel, so kann in Bezug auf die Leitung in diesen eine doppelte Vorstellung aufkommen. Erstens nämlich könnte die Leitung in beiden Schenkeln nach gleicher Richtung Statt fin- den, auf entsprechende Weise wie die Leitung der Eleetrieität in den beiden Dräthen der galvanischen Säule. Die Wirkung würde entweder im Gehirn beginnen, dureh beide Schenkel centrifugal fortgeleitet werden, und in der Endschlinge gleich- sam-durch Schluss der Kette zur Explosion kommen, oder die Wirkung begönne mit der Peripherie und endigte durch Schluss der Kelle im Centrum. Eine zweite Vorstellung über den Gang der Leitung würde durch das Bild des Kreislaufs gegeben. Die Leitung in dem Nervenkreise oder der Nervenellipse könnle nämlich so sich verhalten, dass die Wirkung in dem einen Schenkel centrifugal vor sich ginge, und in dem andern Schen- kel in cenlripelaler Riehlung sich forlselzte. Es mag hier bei- läufig erinnert werden, dass diese zweile Vorslellungsweise keinesweges mit der Ansicht slveitel, nach welcher die beiden Schenkel der Faser als einer und derselben Faser angehörig 523 betrachtet werden. Dies könnte leicht so scheinen, weil wir nun einer identischen Faser, z. B. einer sensibeln, eine dop- pelte Leitung, nämlich eentripetale in dem einen und centri- fugale in dem andern Schenkel zuschreiben müssten, während _ unsre zeitherigen Erfahrungen nur für eine Art der Leitung, und namentlich in den sensibeln Fasern nur für centripetale sprachen. Es ist indess klar, dass alle bisher gemachten Er- fahrungen die doppelseitige Leitung in identischen Fasern darum nieht widerlegen können, weil die Experimentatoren auf die Möglichkeit einer entgegengesetzten Leitung in den verschiedenen Schenkeln der Nervenkreise gar nicht refleetirten. Unter die- sen Umständen konnten richtige Beobachtungen falsch erklärt werden, wie unten ausführlicher erwiesen werden wird. $. 14. Carus hat, wie der Leser sich erinnert, hypo- thetisch angenommen, dass die Leitung in den Anastomosen in der Richtung des Kreislaufs zu Stande komme, und dass der centrifugale Schenkel unter andern die Bewegung, der centripetale aber Empfindung vermittle. Dieser Ansicht war auch ich früher, denn sie hat manches Einschmeichelnde. Es wäre für die Lehre von den Beflexbewegungen in mancher Hinsicht ganz erwünscht, einen directen Zusammenhang der empfindenden und motorischen Fasern im Centrum kennen zu lernen, obschon wir einen solchen weder durch Valentin’s mikroskopische Untersuchungen für hinlänglich erwiesen, noch zur Erklärung des Rellexes für nothwendig halten *).. Es wäre *) Carus a, a. ©. $. 370. sagt: Die Erfahrung, dass Reizung einer durchschniltenen sensibeln Wurzel an ihrem centralen Stumpfe Reflexbewegungen erzeuge, sei gar nicht denkbar, wenn nicht sensible und motorische Fasern in einander übergingen. Dem muss ich wider- sprechen. Ich habe in diesem Archiv 1838 S. 29. bereits gezeigt, dass der kleinste Hautstich allgemeine Rellexbewegungen veranlassen könne, und habe hieraus die schwerlich widerlegbare Folgerung ge- zogen, dass die weilverbreilete Bewegung, welche auf Reizung einer oder weniger sensibelo Fasern entsteht, unmöglich auf anastomotischer Verbindung dieser mit allen thätig werdenden motorischen Fasern be- ruhen könne. Die Rellexbewegungen werden durch Vebertragung der Nerveuthätigkeit von einer Faser aul eine oder viele andere vermiltelt, * 524 ferner ein direeter Zusammenhang der motorischen und sen- sibeln Fasern in der Peripherie zur Erklärung der Stro- meyer’schen Reflexempfindungen ganz leidlich brauchbar, in- dem dann begreiflich wäre, warum ein Uebermaass von Mus- keleontraction mit gesteigerter Empfindlichkeit und selbst mit Schmerz verbunden ist. Man könnte dann verstehn, wie über- mässige Thätigkeit des centrifugalen, motorischen Schenkels eine zu grosse Thätigkeit in dem centripetalen, sensibeln Schen- kel nach sich zöge, da der Fall sich wenig anders verhalten würde, als wenn beschleunigter Kreislauf in den Arterien einen beschleunigten Rückfluss in den Venen hervorbringt. Mau könnte wohl gar geneigt sein, für diese Auffassungsweise ge- wisse Erfahrungen in Anspruch zu nehmen. Nach der An-' gabe Boyer’s, welche mein gelehrter College Herr Staatsrath Erdmann bestätigt, werden die ungeheuren Schmerzen der Fissura 'ani durch krampfhafte Zusammenziehung des Sphin- eters bedingt und mittelst Durchschneidung des letztern plötz- lich aufgehoben. Wäre dieser Schmerz eine Reflexempfindung; welche von einer übermässigen Thätigkeit des motorischen Schen- kels der Nervenkreise, wie von einer Vis a tergo ablıinge, so müsste Durchschneidung der Kreise, weil sie diese Vis a tergo vernichtete, eben so gewiss den Schmerz aufheben, als Durch- schneidung des Nervenkreises (gleichviel ob im sensibeln oder motorischen Schenkel) unausbleiblieh die Reflexbewegungen aufheben müsste. Demungeachtet halten wir es für unwahr- scheinlich, dass sich motorische und sensible Fasern unterein- ander verbinden, oder was dasselbe sagen will, dass in einem und demselben Nervenkreise der eine Schenkel motorisches, der andere sensitives Vermögen habe. Die vier Gründe, wel- che unser Urtheil leiten, entwickeln wir im Folgenden. 8. 15. Erster Grund. Obschon die Reflesbewegungen und Reflexempfindungen von der einen Seite fasslicher ‚wer: den, wenn man einen unmittelbaren Uebergang der differenten Nervenfasern ineinander annimmt, so ist doch nicht zu ver- kennen, dass mit dieser Annahme fasl eben so viel verloren 525 als gewonnen wird. Wenn man sich nämlich bei direetem Uebergange der empfindenden Faser in die motorische leichter erklären kann, warum Erregung der erstern eine Thätigkeit der letztern zur Folge hat, so wird anderer Seits schwerer verständlich, warum Excitalion der erstern nicht nothwendig reflectorische Thätigkeit der zweiten nach sich ziehe. Das- selbe gilt von den motorischen Nervenfasern und ihrem Ein- fluss auf Reflexempfindung. In der That, würde Reflexbewe- gung und Reflexempfindung durch eine Wirkung a tergo und durch ein in Nervenkreisen eireulirendes Prineip hervorgerufen, so en!stände die grosse Schwierigkeit zu begreifen, wie der motorische Schenkel jemals ohne sympathische Empfindung bewegen, und umgekehrt der sensible Schenkel ohne sympathi- sche Bewegung empfinden könne. 8.16. Zweiter Grund. Dass die Nervenellipse nicht i in allen Fällen einen motorischen und sensibeln Schenkel habe, ist aus den Localverhältnissen der Endschlingen mit ziemlicher Si- cherheit zu schliessen. Wir kennen Nervenschlingen fast in sämmt- lichen Häuten *), in den Zahnsäckchen, in den Sinnesorganen, kurz in einer Menge von Theilen, wo wahrnehmbare Bewe- gungen nicht zu Stande kommen. Aus diesem Grunde hat schon Valentin (Acta Leop. XVII.) angenommen, dass rein sensilive Fasern Schlingen bilden, und aus entsprechenden Gründen ist die Annahme rein motorischer Schlingen nicht *) Bei dieser Gelegenheit mag bemerkt werden, dass ich auch in der Arachnoidea des Kalbes Neryenplexus und Nervenschlingen gefunden habe. Diese Nervenausbreitung stammt von einem Aestchen her, welches für ein Würzelchen des N. oculomotorius gelten könnte, da die Fasern des Aestchens im dritten Paare nicht centripetal, sondern centrifugal ver- laufen. Demnach scheinen diese Plexus wohl vom Sympathieus oder Trigeminus abgeleitet werden zu müssen, welche Fasern im Oculo- motorias nach rückwärts schicken. Die Bildung scheint nicht ganz eonstant, doch fand ich sie vier Mal hinter einander, und meine Col- legen, die Professoren Hueck und Bidder, haben sich durch eigne Anschauung von dem Vorhandensein der beschriebenen Formation überzeugt. 226 unwahrscheinlich. Fast noch wichtiger in anatomischer Hin- sieht ist die Erfahrung; dass die Zahl der sensibeln Fasern sehr beträchtlich bedeutender ist als die der motoriscbeu, wor- aus sich die Unmöglichkeit ergiebt, jedwede Anastomose aus einem sensibeln und einem motorischen Schenkel zusammen zu setzen. Blandin untersuchte die Wurzeln der Spinalner- ven des Menschen in Bezug auf ihre relative Stärke, und fand, dass die sensitiven Wurzeln den motorischen an Dicke nir- gends weichen, dass sie dagegen in der Cervieal- und Lum- bargegend um das Doppelte, ‘in dem Plexus brachialis sogar um das Vierfache stärker seien als die motorischen (Annal. des se. nat, 1839. S. 311.). Achnliches lässt sich von den Hirn- nerven aussagen. Denn wenn man die Summe aller sensibeln Kopfnerven mit der Summe aller motorischen vergleicht, so ist auch hier ein beträchtliches Vorherrschen der empfinden- den Fasern unverkennber. Um indess das Gewicht der hier angestellten Betrachtung nieht zu überschätzen, muss allerdings in Rücksicht genommen werdeu, dass es ausser den empfin- denden und motorischen Fasern wahrscheinlich noch Fasern andrer Art giebt, welche den sogenannten sensibeln und mo- torischen Wurzeln beigemengt sind, und welche der hier an- gestellten Berechnung die entscheidende Beweiskraft, die sie sonst haben würde, nehmen. 8. 17. Dritter Grund. Gegen die Ansicht, dass sich die motorischen Fasern in die sensibeln fortsetzen, spreehen die Beobachtungen über die Nervenleitung. Es scheint nämlich die Leitung der Reize allerdings der Gestalt der Nervenkreise zu entsprechen, d. h. einen 'cyklischen Lauf zu machen. Dies kann für die Leitung der Empfindung nach den von mir mit- getheilten Beobachtungen kaum einem Zweifel unterliegen. Der durchschnittene Accessorins erzeugt Empfindung auch am peripherischen Ende, dies ist nicht anders begreiflich, als dass die. Leitung durch den Accessorius und seinen Verbindungsast mit dem: Halsnerven abwärts, durch den Halsneryen und das Rückenmark aber aufwärls, im Allgemeinen also in der Form 527 eines Kreises zu Stande komme. Diese Beobachtungen könn- ten ihrer Sonderbarkeit wegen verdächtig erscheinen, wenn sie vereinzelt ständen, allein sie sind nur das Gegenslück zu dem, was Magendie gefunden. Nach den Untersuchungen dieses geschickten Experimentators ist auch der durchschnit- tene Facialis und jede durchschnittene vordere Wurzel der Spinalnerven an ihrem peripherischen Ende sensibel so lange nämlich die hintern Wurzeln in ihrer Integrität erhalten sind, Kronenberg hat die Richtigkeit dieser Angabe bestätigt, wel- elie, wie auch Magendie angiebt, auf eine Nervenleitung im Kreise bezogen werden müssen °). Da nach diesen überein- stimmenden Beobachtungen (zu welchen vielleieht noch die im $, 10. beschriebene zu rechnen ist) über die eyklische Lei- ung der Sensibilität kaum noch ein Zweifel übrig bleibt, und da es nicht im Mindesten wahrscheinlich ist, dass die Leitung in den Anastomosen nach verschiedenen Prineipien vor sich gehen sollte, so ist wohl als Grundsatz aufzustellen, dass die Nervenwirkung in den Anastomosen in der Richtung des Kreislaufs vor sich gehe. Lässt man diesen Grundsatz gelten (der übrigens erst in Magendie’s und meinen Beobachtungen eine empirische Basis gewonnen. haben dürfte), so ist die Verbindung eines molori- schen Schenkels mit einem sensitiven zu einem einzigen Ner- ”) So glaube ich Magendie verstehn zu müssen, wenn er den (bucbstäblich genommen unrichtigen) Ausdruck braucht, dass die hin- tern Wurzelo der Spinalnerven durch den Kreis der Nervenausbrei- tung hindurch den vordern Wurzeln die Sensibilität ertheilen. An- langend die Versuche mit den Nervenwurzeln, so wäre es mir wich- tig gewesen, mich durch eigne Anschauung von der Richtigkeit der Angaben Magendie’s zu überzeugen. Nachdem mir aber 3 Säuge- thiere unter der grausamen Operation gestorben, ehe ich ein Resul- tat erlangt hatte, mochte ich die Untersuchung nicht fortsetzen. Frö- sche scheinen zum Experiment nicht tauglich, sie überstehn zwar das Aufbrechen des Rückenmarkes sehr leicht, geben aber bei Reizung der hintern Wurzeln so oft keine Zeichen von Schmerz, dass es nulz- los ist die vordern in Bezug auf ihre Sensibilität zu prüfen. P 5283 venkreise sehr unwahrscheinlich. Wenn‘ man aus einem so- genannten gemischten Nerven ein grösseres Stück abschneidet, so verliert nach längerer Zeit nicht nur das peripherische Stück seine motorische, sondern auch das centrale seine sensible Fä- higkeit, indem die durchschnittenen Fasern mehr oder weniger degeneriren; eine Erscheinung, welche ich auf nichts anders als auf das Prineip der eyklischen Leitung zu beziehen wüsste. Das peripherische Stück verliert seine Energie, weil der Zu- fluss vom Centrum aufhört, das centrale verliert die seinige, weil der Rückfluss von der Peripherie nicht Statt findet *). Ist diese Vorstellungsweise richtig, so ist der-Schluss unab- weisbar, dass Zerschneidung eines sensibeln Schenkels Ertöd- tung eines motorischen nach sich ziehen müsste, wenn beide anastomotisch zusammengehörten. Aus gleichen Gründen müsste Störung des motorischen Schenkels eine Störung des sensibeln veranlassen. Nun sehn wir aber nach Durchschneidung des Nervus infraorbitalis u. dergl. nar die Empfindung, nach Durch- schneidung des Facialis nur die Bewegung verschwinden, nicht nur für den Augenblick, sondern selbst für die Dauer, Der- gleichen Fälle, von welchen Bell und andere Practiker viel- fach berichten, sind, so lange der oben erwähnte Grundsatz gilt, nicht wohl mit der Hypothese zu vereinigen, dass die motorischen Fasern in die empfindenden übergehn, sondern *) In wie weit die Ausdrücke Zufluss und Rückfluss metaphorisch sind, oder der Wirklichkeit entsprechen, ist natürlich jetzt nicht aus- zumachen. Die cyklische Leitung einerseits, die von Remak und Valentin gegebenen Andeutungen von Flimmerbewegungen im In- nero der Nervenfasern andrer Seils, am meisten aber die oben er- wähnte Erfahrung, dass ein durchschnittener Nerv nach einiger Zeit zu beiden Seiten des Schniltes seine eigenthümlichen Vermögen ver- liere,- sind starke Fingerzeige, dass in den Nervenkreisen. wirklich eine Substanz eirculire, und in ihrer Bewegung zur Unterhaltung der Functionen beitrage. Der Umstand aber, dass der durchschnittene Nery an beiden Enden noch eine Zeit lang irritabel bleibt, beweist zugleich, dass nicht von einem Fluidum die Rede sein könne, dessen mechanischer Impuls die Nervenwirkung hervorbringe. 529 deuten im Gegentheil an, dass motorische und empfindende Nerven umkehren, und wrenn ich so sagen soll, in sich selbst zurücklaufen. & 48. Vierter Grund. Die Annahme einer Verbindung differenter Fasern zu Schlingen ist unwahrschleinlich, wenn sich die Existenz von Nervenkreisen identischer Fasern er- weisen lässt. Es scheint nämlich auch hier kaum vorauszu- setzen, dass die Natur ein doppeltes Princip befolge, und ei- nerseits Nervenkreise mit identischen Schenkeln, andererseits dergleichen mit differenten herstellen solle. Die Existenz von Nervenkreisen mit identischen Schenkeln scheint aber durch die Beobachtungen von Magendie, Kronenberg und mir ausser Zweifel gesetzt. Durch diese Beobachtung hat sich zugleich das sehr merkwürdige Resultat ergeben, dass auch in sensibeln Fasern eine centrifugale Leitung Statt finden könne, wenn anders der Ausdruck centrifugale Leitung bei cyklischer Innervalion noch beibehalten werden darf. In sofern der Aus- druck mehr nicht sagen soll, als dass empfindende Nerven- kreise einen Schenkel besitzen, in welchem die Leitung des die Empfindung erweckenden Reizes vom Gehirn abwärts geht, ist der Ausdruck naturgemäss. Aus diesem Grunde wurde oben behauptet, dass centripetal leitende und sensible Fasern nieht als synonyme gelten könnten. $. 19. Die hier vorgelegten Ansichten über sensible Ner- venkreise und den Gang der Nervenleitung in ihnen sind mehr als Speeulation, sie berulın auf Beobachtungen, wenn auch zuzugeben ist, dass diese Beobachtungen noch eine Revision wünschenswerth erscheinen lassen. Weniger empirische Un- terlagen haben wir in Bezug auf die motorischen Nervenkreise. Welches ist der Zweck ‘ihres centripetalen Schenkels, wenn sie wirklich als Umbiegungen einer und derselben Faser zu betrachten sind? Wir müssen unsere Unwissenheit in dieser Hinsicht bekennen, und wollen sie nicht hinter leeren Hypa- thesen versteeken. Nur beiläufig mag an die Möglichkeit er- innert werden, dass in den motorischen Nervenkreisen ein Mäller’s Archir. 1840. 34 530 Prineip cireulire, welches nach Analogie des Blutes beim Zu- fluss zur Peripherie eine Thätigkeit erweeke, welche es beim Rückfluss zum Centrum nicht erwecken könne, und wer diese Vorstellungsweise, als möglich zugiebt, würde auch die Mög- lichkeit. zugeben müssen, dass jene Substanz, nachdem sie den Muskeln zugeführt wurde, wiederum nach Analogie des Blu- tes, der Zurückführung zu einem ‚Centralorgane bedürfe, $.:20.. Wir haben in dem: Vorhergehenden nur das Ver- hältniss der motorischen und sensiliven Fasern zu den Ana- stomosen erwogen, aber entweder giebt es ausser diesem noch Fasern ganz anderer Art, oder dieselben Fasern leiten ausser den Reizen, welche Bewegung und Empfindung vermitteln, auch andere. Hiermit eröffnet sich der’ Reflexion ein neues weites Feld, ein Feld indess, welches ich aus Mangel an Er- fahrungen zur Zeit nicht zu betreten wage. Dagegen mag es gestattet sein, noch einige Betrachtungen über die Lagerungs- verhältnisse der Nervenkreise anzustellen, in soweit letztere nieht aus ‚anatomischen Zergliederungen, sondern aus plıysio- logischen Experimenten ersichtlich sind. Zunächst führen die von mir angestellten Experimente am Aceessorius zu dem unerwarteten Resultate, dass in einer Ana- stomose Nervenkreise liegen können, die, obschon sie für Lei- tung eines identischen Prineips bestimmt sind, dennoch diese Leitung im entgegengeseizter Richtung vermitteln. Nach den oben angeführten Beobachtungen enthält die zwischen dem Hals- nerven und dem Accessorius besteliende Anastomose sensible Nervenkreise von so enigegengesetzter Richtung. In der einen Art von Kreisen wird ein Reiz, welcher den Accessorius trifft, direet dem Gehirn zugeleitet, in der zweiten: dagegen wird der Reiz Anfangs vom Gehirn abwärts, und erst nachmals durch Vermittelung des Rückenmarks dem Gehirn zugeleitet. Dem- nach kommen in einem und demselben Nerven sensible Strö- mungen 'entgegengesetzter Art vor. Nach Magendie’s Unter- suchungen ist vorauszusetzen, dass dieses Verhältniss auch im Faeialis Statt finde. 531 Für die Theorie hat es Interesse zu wissen, in welchem Lagerungsverhältnisse die centripetal- ung centrifugal-leiten- den Schenkel der Nervenkreise zu den vordern und hintern Wurzeln der Cerebrospinalnerven stehn. Es ist gegenwärtig die Ansicht herrschend, dass die hintern Wurzeln nur in cen- tripetaler, die vordern nur in centrifugaler Richtung leiten, und wir haben meines Wissens kein einziges Experiment über Nervenleitung, welches dieser Ansicht entgegen wäre, wohl aber viele, die sie zu begünstigen scheinen. Indess sind alle hierher gehörigen Experimente auf eine Weise angestellt, wel- ehe zur Lösung der jetzt vorliegenden Frage nicht geeignet sind. Man hat nämlich die hinteren und vorderen Wurzeln der Rückenmarksneryen durchschnitten, und vergleichende Reizversuche an den centralen und peripherischen Schnittflä- chen angestellt. Den Fall gesetzt, Eine Wurzel hätte beide Schenkel des Nervenkreises enthalten, so war mit Durchschnei- dung derselben natürlich die Möglichkeit aufgehoben, die ey- klische Leitung durch das Experiment kennen zu lernen. Ent- hielte z. B. die hintere Wurzel ausser dem centripetalen auch die centrifugalen Schenkel der sensiliven Kreise, so würde die Reizung des peripherischen Stückes der durchschnittenen Wur- zel, eben weil sie durchschnitten und hiermit die Leitung zer- stört ist, ohne Resultat bleiben. Es ist demnach möglich, dass gleichnamige Wurzeln der Rückenmarksnerven Fasern von ent gegengesetztem Leitungsvermögen enthalten, ja es ist dies so- gar wahrscheinlich. Da nämlich, wie schon bemerkt wurde, die hintern Wurzeln der Spinalnerven viel stärker sind als die vordern, demnach auch mehr Fasern enthalten, so können sie nicht ausschliesslich die rücklaufenden Schenkel der in den vordern Wurzeln liegenden auslaufenden Fasern enthalten. Es bleibt vielmehr eine beträchtliche Anzahl Fasern übrig, die wenn sie ebenfalls Schlingen bilden, die Gegenwart verschie- dener Schenkel in den hintern Wurzeln Auf das bündigste be- weisen. Die Anastomosen bieten eine unerschöpfliche Quelle zu 34* 532 Reflexionen und neuen Beobachtungen. ‚Was bedeuten jene sonderbaren Anastomosen, deren Fasern in keinem Organe zur Ausbreitung kommen? Was sollte durch die anastomoti- sche Verbindung verschiedener Nervenstämme und selbst ver- schiedener Centralorgane erreicht werden? Findet in den Ana- stomosen wie eine cyklische Leitung, so auch ein Kreislauf einer Substanz Statt? Wo liegt in dem Nervenkreise der Aus- gangspunkt für seine Thätigkeit, nur im Centrum oder auch in der Peripherie? Diese und viele andere Fragen könnten noch aufgeworfen werden, aber wir fühlen die Schwierigkeit derselben. zu sehr, um uns jetzt wenigstens an ihre Lösung zu wagen, Erklärung der Kupfertafel. Taf. XV. Fig. 7. Darstellung der Anastomose zwischen den Halsnerven und Zungenfleischnerven des Schaales. Sechsfache Ver- grösserung. Alles Zellgewebe, welches der Anastomose anhaftete, und selbst die Nervenscheiden, sind vor der mikroskopischen Unter- suchung mit möglichster Sorgfalt wegpräparirt worden. Die Richtun der Pfeile bezeichnet den Verlauf der Nervenfasern vom Gehirn un respective Rückenmarke abwärts nach der Peripherie. H. Neryus hy- poglossus. C. Nervus cervicalis primus. D. Ramus descendens hy- poglossi. 4. Zwei starke Faserbündel, welche nicht im Descendens za bleiben scheinen, sondern in den Halsneryen anastomotisch über- gehn. 2. Ein Nervenbündel, dessen Fasern zum geringeren Theile aus dem Hypoglossus herstammen, und bestimmt zu sein scheinen, die Aestchen 3. 4. 5. dem Descendens- zuzuführen. Die meisten Fa- sern dieses Bündels stammen offenbar aus dem Cervicalis her, da sie im Hypoglossus einen peripherischen Verlauf nehmen. 3.4. 5. Drei kleine Aestchen, deren Fasern aul die angegebene Weise aus dem Hy- poglossus abgeleitet werden können. &. Ein Bündel, welches aus dem zweiten Halsnerven herstammt, und den Zungenfleischnerven auf seiner peripherischen Seite verstärkt. Das Verständniss der nicht mit Nummern Berachneten Aeste ergiebt sich aus der Figur von selbst. Vergleicht man die Masse der aus dem Hypoglossus austretenden Bün- del mit der Masse der in den Descendens eintretenden, so findet man die ersten so beträchtlich im Ueberschuss, dass der Uebergang eines Perg ‘Theils derselben in den Ceryicalis nicht zweifelhaft sein kann. Vermischte Beobachtungen Von S. ParrEenueEım, 1. Ueber Verbreitung der Flimmerbewegung. (Hierzu Taf. XV. Fig. 8.) Bekanntlich hat Mayer in Bonn an dem Herzbeutel des Fro- sches Flimmerbewegung beschrieben, und ist von Valentin darin bestätigt worden. Nachdem mir an Fröschen nicht die Gelegenheit zu Theil geworden, diese Beobachtungen, an deren Richtigkeit ich jedoch keinen Zweifel hege, selbst aufzufassen, gelang es mir vollkommen leicht, an frisch getödteten Trito- nen die Flimmerbewegung, die Flimmerhärchen und ihre Be- festigung zu sehen. Alsbald fand ich sie auch an der inneren Fläche der Trommelfellschleimhaut schon vor 24 Stunden ge- tödteter Frösche. Es war namentlich an Tritonen eigen, dass schon ein nicht zu starker Druck des mikrotomischen Deckers die Bewegung sichtlich und für immer vernichtete. Die Flim- merhärchen, sehr lebhaft vibrirend, ziemlich lang, sitzen bei Tritonen an der Epithelhaut des übrigens aus parallelen Seh- nenfasern bestehenden Herzbeutels. Diese Haut ist durchsich- tig, scheinbar struelurlos, und enthält eine grosse Menge äus- serst zartwandiger Kugeln. Jede Kugel ist von einem Diadene Flimmerhärchen gekrönt. Dieselben Kugeln sicht man am Flimmerepithel des Trommelfells beim Frosche, und eben so 534 am Herzbeuiel des Frosches. Bei dieser Gelegenheit bemerke ich, dass ich an einem .noch mit Kiemenspalten versehenen menschlichen Embryo das sogenannte Ohrbläschen bereits als ein sphärisch dreieckiges Körperchen erkannt habe, 2 Ueber eine dreifüssige Missgeburt. Voriges Jahr (s. Ber. d. schles. vaterl. G. für 1839) hatte ich Gelegenheit, einen dreifüssigen, der Reife ziemlich nahen Schaaffötus zu untersuchen. Das einzige Anomale bestand in der Ausbildung der dritten Extremität und des Beckens. Die missgebildete Extremität bestand aus einem dem Oberschenkel analogen Theile, welcher wiederum aus einem pyramidenförmig eylindrischen Knochen und einem knorpligen Ansatze erzeugt war, und einem zweiten hakenförmig gekrümmten Knochen, welcher mit letztgenanntem Knorpel gelenkweise verbunden, die Stelle aller zur untern Extremität, mit Ausnahme des Ober- schenkels gehörigen Theile vertrat. Die Befestigung des Ober- schenkels an die Wirbelsäule geschah durch knorplige Suh- stanz, wie die des Beckens. Das Becken bestand aus einem Os ilü und einem Schaambeine, 3. Ueber den Bau der Nebennieren und die Nerven der Nieren. Jüngst hatte ich Gelegenheit, die Nebennieren eines drei- jährigen Knaben zu untersuchen. Sie hatten eine ovale, fast bohnenförmige Gestalt, und liessen sich der Länge nach auf- klappen. In der Vertiefung zwischen den aufklappbaren Thei- 333 len gingen Blutgefässe und Nerven. Die Nerven waren mit einer grossen Anzahl mit blossen Augen sichtbarer Ganglien- kugeln besetzt, die meist der Länge nach, parallel: mit) der Längenaxe der Nebenniere, verliefen. Es schien mir auch hier eine gewisse Beziehung zwischen der Anzahl der ursprürgli- ehen Läppchen der Nebenniere und der Zahl der Ganglien- kugeln zu bestehen. Doch waren ausser dem der Länge nach verlaufenden Nervenstamme noch 3—4 Nerven gleichfalls mit Ganglien besetzt, welche schräg in jene Vertiefung eintraten. Von den Blutgefässen aus muss man den Nerven nach- gehen, und so sieht man, dass die letzteren sich nach dem convexen Rande des Organes hin verästeln, und mit feinen Primitivfäden und Endumbiegungen an einzelnen Stellen en- digen. Alle Nerven, die ich hier fand, halten noch den em- bryonalen Charakter (vergl. meine Spec. Gewebel. des Ge- hörorg.), d. h. sie waren noch mit Nucleis besetzt. Die Gan- glienkugeln zeigten sich auch mikroskopisch von der Natur der gewöhnlichen Ganglien. Sie nahmen an Grösse und Zahl der mikroskopischen Ganglien nach dem convexen Rande hia ab. Die Gestalt der mikroskopischen Ganglienkörper | war meist rund, ihre äussere Oberfläche von vielen Nucleis besetzt. Mehrere Ganglien lagen den Nervenprimilivfäsern so deutlich bloss auf, dass von gar keiner Verbindung beider gesprochen werden konnte. Bemerkbar ist endlich noch, dass die Nerven auch frei von den Blutgefässen verliefen. In die Substanz ‚der Nebenniere dagegen vermochte ich auch nicht eine. Nerven- faser oder Ganglienkugel zu verfolgen. Die Substanz bestand aus einer gelben Corticalsubstanz und einer Medullarsubstanz, welche ganz die Farbe der grauen Hirn- oder Rückenmarks- substanz. besass. In der. ersteren sowohl als iin der: zweilen war ‚eine geräumige, ‚aber jedoch bei weitem ‘grössere, von niehts weniger als einem Blutgefässe ausgefüllte‘ Höhle.‘ Die der Corlicalsubstanz war von einer zellgewebigen Haut über und über bekleidet, welche in frühester Zeit wahrscheinlich 936 Flimmerorgane besitzt. Die der Medullarsubstanz war auf dem senkrechten Querdurchschnitte fast rund, ging jedoch zuletzt in einen ‚spitzen Theil aus. Diese Höhle wurde von einem durchsichtigen Rohre ausgefüllt, das ganz aus Fasern bestand, und an einem Ende verschmälert in eine feine stumpfe Spitze endigte. Die Fasern, durch Essigsäure nicht durchsichtiger werdend, waren meist longitudinell'verlaufend und sich ver- flechtend, doch liefen von ihnen aus auch solche, welche die Längenaxe bald concentrisch, bald spiralig umkreisten. Ueber ihre Natur wage ich noch keinen bestimmten Ausspruch, Die Corticalsubstanz bestand aus Körnern von 27 Linien, die we- nig ölige Substanz enthielten, in radialen Aggregationen auf bekannte Weise gelagert waren. Die Medullarsubstanz, leicht von ihrem Rohre abzustreifen, besass grössere Körner, oft mit Nucleis, und sehr ölreich. Nerven enthielt eine und die an- dere nicht *). Auffallend ist mir bei den Nebennieren weniger der grosse Reichihum an Nerven, als die verhältnissmässige Anzahl Gan- glien, besonders im Vergleiche zu den Nerven der Nieren. Ich habe nämlich, sowohl bei einem dreijährigen Knaben, als einem etwa 30 Jahr alten Manne (vgl. meine Schrift Zur Kenntn. d. Verd.), nicht bloss die Arteria und Vena renalis am Eingange in die Niere mit beträchtlichen Nerven. umspon- nen gefunden, sondern jetzt auch noch die feinsten Aeste der Arterie selbst von weniger als 4“ Durchmesser. So ist daher hier zwar ein gleiches Verhältniss der Nerven und Blutgefässe, wie dies von Purkinje für den Sympathicus und die Arterien des Gehirns nachgewiesen ist, doch habe ich auf der ganzen Strecke vom Hilus bis nahe an den convexen Rand der Niere (im Innern nämlich) bei den untersuchten Individuen kein einzi- ges Ganglion auffinden können. Wenn nun auch weitere Beob- achtungen die Anwesenheit von Ganglien an einzelnen: Stellen nachweisen sollten, so bleibt doch für die untersuchten Fälle das ®) Wahrscheinlich flimmerte aber die Höhle in früherer Zeit. 537 Verhältniss der Nebenniere zur Niere rücksichtlich seiner mehr sensibeln zur mehr motorischen Natur der letzteren berück- siehtigungswerth. Dies scheint mir aber viel wahrscheinlicher, als die jüngst in einer sehr interessanten Dissertation über die Nerven der Nebennieren (von Bergmann) aufgestellte Mei- nung, als seien die Nebennieren ein Heerd der Nervenwirkung. Denn der Reichthum der Nierensubstanz an Nerven dürfte kaum geringer als der der Nebennieren sein. Zu bemerken ist endlich noch, dass die Nerven der Niere sich nur im Zell- gewebe um die Blutgefässe herumlagern, wrelches als unmit- telbare Fortsetzung derjenigen zellgewebigen Haut darlegbar ist, welche die äussere Oberfläche der Niere rings umgiebt, dass die Nerven zwar die Blutgefässe häufig umspinnen, bis- weilen aber auch nur nehen ihnen gehen, dass sie nie tiefer in die Substanz der Blutgefässe eindringen, und in dem Maase, wie die Art. renalis sich verästelt, auch feiner werden. Ein- mal glaube ich auch, ausser öfter vorkommenden Plexus, End- umbiegung einzelner Primitivfasern gefunden zu haben. Ob die Nerven der Nebennieren und der Nieren dem Blutgefäss- nervensystem oder einer anderen Klasse angehören, darüber künflig. Einige Bemerkungen über Entstehung, Bau und Leben der menschlichen Haare. Voram- Dr. Bıpver in Dorpat, Durch Schwann’s treffliche Untersuchung über die Entwick- ung der Gewebe ist der allein sichere Weg gebahnt worden, auf welchem die Deutung vieler Dunkelheiten in den mikros- kopischen Verhältnissen der Gewebe, und die endliche Lösung mancher Streilfragen über dieselben theils schon erreicht wor- den ist, theils noch erwartet werden darf. Zu den letztern gehörten auch die bis in die neueste Zeit fortgeführten Ver- handlungen über den Bau der Haare, namentlich des Men- schen. Denn das Hohlsein oder die durchgängige Solidität derselben, das Zerfallen in zwei verschiedene Substanzen oder eine durchweg gleichmässige Beschaffenheit, der schon von Leeuwenhoek vermuthete faserige Bau oder eine andere Ursache der zuweilen gesehenen Längenspaltung der Haare; — das waren Punkte, deren vollständige und zuverlässige Er- ledigung doch nur die Entwickelungsgeschichte dieser Theile und die Feststellung ihres Verhältnisses zu den primären Zel- len erwarten liess. Leider hat Schwann, obgleich die mei- sten Modificationen des Horngewebes in dieser Beziehung be- rücksichtigend, doch gerade den Haaren seine Aufmerksamkeit nicht zugewandt. Es dürfte daher die Mittheilung einiger ge- r 339 legentlicher Beobachtungen über diesen Gegenstand vielleicht einiges Interesse bieten, Die zu dem Horngewebe gehörenden Theile mach die Untersuchung ihrer Entstehungsweise dadurch sehr leicht und bequem, dass man nicht zur Fötusperiode des ganzen Orga- nismus zurückzugehen braucht, sondern wegen der steten Neu: bildung derselben auch im erwachsenen Körper sie in dieser Beziehung vollständig verfolgen kann. Die folgenden Beob- achtungen sind daher angestellt theils an Haaren, die durch den Haarbalg hindurch bis zur Wurzel mit dem Messer ver- folgt wurden, mehr aber noch an frisch ausgegangenen Haa- ren, indem dabei bekanntlich unter Umständen Haarbalg und Haarkeim ganz unversehrt mitfolgen. — Der vom Boden des Haarbalgs sich erhebende, oder vielmehr schon unterhalb des- selben beginnende Haarkeim zeigt an seinem äussersten, mit den umgebenden Weichtheilen zusammenhängenden Ende eine mit blossem Auge wahrnehmbare, intensiv dunkle Färbung, wodurch er sich von der Nachbarschaft, namentlich dem Haar- balg selbst, sehr auffallend unterscheidet. Ohne weitere Vor- bereitung unter das Mikroskop gebracht, erscheint dieses Ende (wie schon Gurlt in Müll, Arch. 1836 p. 271. angegeben, und ebendaselbst auf Taf. XI. Fig. 8. auch abgebildet hat) als eine durchweg körnige, schmutzig gelb und stellenweise recht dunkel gefärbte Masse, Dureh Druck oder vorsichtiges Zerzupfen, bei gleichzeitiger Behandlung mit Essigsäure, wer- den die Körner so weit von einander getrennt, dass man sie als deutliche, mit einem Kern versehene Zellen leicht erken- nen kann. Die Grösse der Zellen beträgt im längsten Durch- messer durchsehniltlich 0,00438“ Par.; die andern Durchmes- ser variüiren sehr, indem die Zellen bald ziemlich regelmässig rund, bald oval, bald, und wahrscheinlich‘ wegen des dichten Beisammenliegens, unregelmässig. abgeplattet, bald an einem Ende dicker als am andern erscheinen. ‘Der körnige Inhalt der Zellen ist mehr oder weniger dunkel, doch habe ich die einzelnen Körnchen in denselben nicht unterscheiden können, dr 340 und das Zerdrücken dieser Zellen hat mir nicht recht gelingen wolle, Der Zellenketn wird durch diesen Inhalt dem ‚Auge häufig entzogen; er ist kaum 0,002“ gross; von Kernkörper- chen kann bei dieser Kleinheit nicht mehr die Rede sein. Durch Essigsäure wird die Zellenmembran, selbst ders im un- tersten Theil des Haarkeims liegenden Zellen, nicht angegriffen. — Diese Zellen liegen durchaus unregelmässig durch einander, scheinen aber durch ein ziemlich zähes Cytoblastem verbunden zu sein, indem sie sich einigermaassen schwierig isoliren las- sen. Sie gehen auf der einen Seite ununterbrochen in die Zellen des Epitheliums über, das die innere Fläche des Haar- balgs in einer mächtigen Schicht auskleidet, und stimmen ‚mit denselben in der Grösse ziemlich überein, unterscheiden sich aber durch ihren dunkeln Inhalt, indem jene fast ganz hell und klar erscheinen. Auf der andern Seite setzen sie sich in die Zellen derjenigen Partie des Haarkeimes fort, die schon frei in dem Haarbalge liegt; doch haben sie hier auch mehr- fache Veränderungen erlitten. Sie sind deutlich reihenweise geordnet, sind bei ziemlich gleich bleibender oder nur wenig vermehrter Länge so sehr verschmälert, dass ihre Länge die Breite um das Drei- und Mehrfache übertrifft, daher denn auch der ganze Haarkeim an dieser Stelle schon beträchtlich an Dicke abgenommen hat. Von einem Kern ist nur selten eine unvollkommene Spur wahrzunehmen, und er erscheint dann in Folge der Verschmälerung nur als ein feiner dunkler Strich zwichen den Conturen der Zelle. Dabei setzt sich jede Zelle an beiden Enden in einen überaus feinen Faden fort, der mit einem entsprechenden einer benachbarten Zelle zusam- menstösst, Diese Fäden sind so fein, dass sie unter dem Mi- kroskop nur eine einfache dunkle Linie darstellen, keine Spur von getrennten Conturen zeigen, daher wir uns auch kein ent- schiedenes Urtheil über ihre weitere Beschaffenheit erlauben, ob- gleich es nicht unwahrscheinlich ist, dass sie hohle, aber überaus feine Fortsetzungen der Zellenmembran sind. Durch sie wer- den die Zellen zu einer zusammenhängenden Reihe, einer Fa- 54 ser, verbunden, die von Stelle zu Stelle erweitert ist — die Zellenkörper — und dazwischen sich beträchtlich verengert zeigt _ die Zellenfortsätze —, und die wesentlichen Charaelere des von Valentin so genannten fadig aufgereihten Epitheliums zeigt. Die Länge der erweiterten und verschmälerten Stellen ist ziemlich dieselbe. Diese Fasern liegen parallel neben ein- ander, und scheinen durch ein helles und durchsichliges Oy- toblastema verbunden zu wverden. Bei sonst unversehrtem Haarkeim werden durch Druck diese Fäden zuweilen in der Art von einander entfernt, dass mehrere Zellenkörper, wahr- scheinlich nach Abreissung ihrer Verbindungsfäden, an dem ganzen Umfange des Haarkeimes mehr oder weniger weit her- vorragen. Dadurch entsteht ein Ansehn, ähnlich dem, das Gurlt auf die Gegenwart sogenannter Wurzelfasern des Haars bezogen, und a. a. ©. Fig. 9 A. abgebildet hat. Doch glaube ich zugleich, dass Gurlt hier nur die Epitheliumzellen des Haarbalgs vor sich gehabt hat, da die Zellen des Haars selbst weit dunkler sind. — Dieser mittlere Theil des Haarkeims be- sitzt eine gewisse Brüchigkeit und Sprödigkeit, indem er durch Druck sehr leicht sowohl der Länge als Quere nach in meh- rere Stücke zerfällt, an deren Rändern der faserige Bau sehr deutlich wahrgenommen werden kann. Besonders leicht trennt sich auch schon bei geringem Druck dieser mittlere Theil des Haarkeims von einem dritten, dem eigentlichen Haar zunächst liegenden, durch grössere Breite und Weichheit aber von die- sem unterschiedenen Theil. Die Brüchigkeit an dieser Stelle ist auch der Grnnd, dass beim Ausziehen des Haars der ganze Haarkeim im Ganzen nur selten folgt; immer aber der er- wähnte dritte mehr dem wahren Haar angehörende Theil. Dieser letzte, der allein den Namen Haarzwiebel führen sollte, zeigt an seinem abgerissnen Ende einen ähnlichen faserigen Bau wie der mittlere Theil des Haarkeims; nur sind die Zel- lenkörper hier noch feiner und schmaler geworden, so dass man grossen Theils die Conturen der Zellenmembran und des Kerns nieht mehr unterscheiden kann, und dieselben nur iin 542 Ganzen als länglich runde Körper erscheinen. Ohne Unter breehung setzen sich von hier die Fasern in das eigentliche Haar. fort, und verlaufen parallel: neben einander gegen die Spitze hin. Hat man sich von diesem Uebergange erst einmal überzeugt, so erkennt man auch in dem ganz entwickelten Haareylinder, wenigstens im Anfange desselben, und nament- lich nach Befeuchtung mit Essigsäure, die Zellenkör, als dunklere Punkte (s. auch die von Gurlt a. a. O. Taf. XII. Fig. 90 gegebene Abbildung), und selbst die verbindenden Fortsätze treten zuweilen als dunkle Linien recht deutlich hervor. ‚el Hiernach dürfte man der Ueberzeugung sein, dass das Haar durchweg aus einer Aggregation von Längsfasern be- stehe, und aus fadig aufgereihten Zellen hervorgegangen esi, welche allmählig von dem Grunde des Haarkeims gegen die Spitze des Haars selbst fortrücken, auf diesem Wege jedoch wesentliche Veränderungen in ihrer Grösse, Gestalt u. s. w. erleiden, während auch das zwischen und in ihnen befindliche Cytoblastem immer mehr einzutrocknen und fester zu werden scheint; man dürfte also auch überzeugt sein, dass das aus- gebildete Haar in seiner ganzen Masse gleiehartig sei, dass es keinen Unterschied zwischen seinen äussern und ionern Par- thieen zeige, keine Mark- und Rindensubstanz unterscheiden lasse. Indessen blieb nun noch die Aufgabe übrig, das voll- kommen entwickelte Haar in seine Faserelemente zu zerlegen. Hier musste sogleich an die von M. J. Weber bei den Nä- geln, und von Henle mit so grossem Erfolge bei der Epi- dermis angewandte Behandlung mit concentrirten Säuren ge- daclit werden. Dieser Weg gab auch die erwünschten Resul- tate. Mir hat bei mehrwöchentlicher Maceration die Salzsäure zu iesem Zwecke sich am wirksamsten bewiesen. Das Haar wird dadurch so weich, dass es schon bei geringer Zerrung durchreisst, schon bei roher Präparation sich in mehrere Längs- fäden spalten lässt, und beim Drucke endlich der Breite nach sich so beträchtlich aus einander lest, wie dies zur mikros- 543 kopischen Untersuchung 'nur irgend gewünscht werden kann. Dann. tritt aber auch der faserige Bau vollkommen deutlich hervor. Es erscheinen gröbere und feinere, plexusartig sich mit einander verbindende und in den mannigfaltigsten Riehtun- gen sich einander durchkreuzende Fasern; die Abweichung vom parallelen Verlauf ist jedoch ohne Zweifel nur Folge der Präparation. Bei den dünneren Fasern wird durch die häu- fige Verbindung mit benachbarten wohl einige Aehnlichkeit mit elastischen Fasern hervorgebracht. Indessen auch diese dün- neren Fasern sind noch Bündel zahlreicher feiner Fibrillen. Diese, die Formelemente des: Haars, stellen sich dar als dun- kele Linien, von Stelle zu Stelle um ein Geringes breiter wer- dend, und selbst an diesen breiteren Stellen, den Resten der früheren Zellenkörper, einen Durchmesser von nur etwa 0.000441“ besitzend (nach einer hier allein noch möglichen Schätzung). Sie sind also die feinsten unter den bisher be- kannten Elementen des Körpers. Ich muss bemerken, dass man hier leicht einer doppelten Täuschung unterliegt in Bezug auf zahlreich vorkommende Fasern, die eine von dunkeln Gränzlinien 'eingeschlossene hellere Mitte zeigen, und für ele- mentare Bestandtheile des Haars gehalten werden könnten. Einerseits wird nämlich bei veränderter: Stellung des Mikros- kops eine solche Faser sich bald als.ein Bündel der erwähn- ten feinsten Fädchen zu erkennen geben, die durch das durch die Säure ‚wieder aufgelockerte und aufgequollene, etwas gelb- liche Cytoblastem etwas verbunden werden, woher ein solches Bündel auch eine von dunkeln Strichen durchzogene gelbliche Färbung zeigt. Andererseits kann man bei solcher verschie- denen Stellung des Mikroskops die eine Gränzlinie beliebig erseheinen und verschwinden lassen, während die andere con- stant bleibt, oder indem man das von unten kommende Licht baldı/Yon) der einen, bald von der andern Seite auf das Ob- jeet fallen lässt, erscheint die eine Contur bleibend, die an- dere dagegen bald rechts, bald links, ist also blosser Schatten. Die: bleibende Linie ist die elementare Haarfaser. — Es schei- - 544 nen. bei derselben die Wände sowohl der primären Zellen 'als deren Fortsetzungen sich-so nahe an einander zu legen, dass die Zellenhöhle für die Wahrnehmung verschwindet. Achnli- ches kommt ja auch bei den Pigmentzellen vor, mit denen die Zellen des Haars am ehesten verglichen werden können; denn die von jenen ausgehenden sogenannten Pigmentramificationen sind häufig so fein, dass sie sich jeder Messung entziehen. Wenn die Dicke eines menschlichen Kopfhaars im Durch- schnitt auf 75 Linie angegeben werden kann, so müssen zur Bildung des Durchmessers desselben etwa drittebalb hundert solcher elementarer Haarfasern zusammentreten, sobald. man auf das gewiss nur in sehr geringer Menge vorhandene, die- selben verbindende Cytoblastem keine Rücksicht nimmt; in seiner ganzen Dicke muss ein Menschenhaar daher eine ganz unglaubliche Menge solcher Fasern enthalten. Wie dies in Uebereinstimmung gebracht werden soll mit der Zahl der Zel- len des Haarkeims, ist mir bisher unerklärlich geblieben. Die Breite der ersten ist ziemlich nahe zehn Mal geringer als der letztere, und da die Haarfasern nicht durch Spaltung, sondern durch Aggregalion der Zellen entstehen, so müsste der Haar- keim etwa zehn Mal stärker sein als das ausgebildete Haar, während er doch in der That den Haarcylinder höchstens drei Mal an Dicke übertrifft. Ich selbst bin hierdurch über die Richtigkeit meiner Beobachtungen zweifelhaft geworden, und zu öfterer Wiederholung derselben veranlasst worden; indessen bin ich auch immer wieder auf dasselbe räthselhafte Resultat gekommen, dessen mögliche Erklärung ich daher Anderen über- lassen muss. Die künstliche Zerlegung des völlig entwickel- ten Haars lieferte nun aber neben der Bestätigung der Ansicht, zu der schon die Entwickelungsgeschichte in Bezug auf die Textur des Haars nöthigte, auch noch einige weitere Andeu- tungen über den Sitz des Färbestofls in demselben. Die dun- kle Färbung des untersten Theils des Haarkeims rührt nämlich offenbar von dem dunkeln Inhalte der Zellen desselben her, während der die letztere verbindende Zellenkeimstoff hell und kn 545 u u durchsichtig ist, und auf seine Gegenwart daher häufi nur geschlossen werden muss, ohne dass man sie deutlich demon- steiren kann. — Der mittlere Theil des Haarkeims zeigt we- der die intensive Färbung der untersten Spitze desselben, noch ist er eben so dunkel als das ausgebildete Haar; die Zel- len nämlich sind zwar da, aber beträchtlich verschmälert, also überhaupt kleiner, und überdies nicht so nahe aneinander ge- drängt, sondern aufgereiht durch mehr. oder weniger lange Verbindungsfäden. Das Cytoblastem ist auch hier hell. — In dem dritten Theil des Haarkeims dagegen, wo die Zellen ziem- lich eben so wie im zweiten sich darstellen, ist eine dunklere Färbung gleich erkennbar, und zwar beruht sie auf einer Fär- bung der die Fasern verbindenden, hier schon festeren und zäheren Zwischensubstanz. Das giebt sich nun auch ‘sehr deutlich zu erkennen nach der Behandlung des ausgebildeten Haars mit Salzsäure, wo zwischen den feinsten Fasern jene gelbliche oder bräunliche Verbindungsmasse, das Cytoblastema, sehr deutlich hervortritt, und gewiss die Hauptursache der Färbung des Haars ist. Leider habe ich noch nicht untersu- chen können, wie anders gefärbte Haare, hellblonde und weisse, sich in dieser Beziehung verhalten; denn bisher habe ich nur braune oder schwarze Haare dazu benutzt. Werden diese mit Salzsäure behandelt, so geben sie einen Theil ihres Färbestoffs der Flüssigkeit ab, die dadurch eine dunkel grünliche Farbe annimmt, während die Haare selbst heller werden. Auch diese wenigstens theilweise Ausziehbarkeit des Färbestofls ist sehr wohl vereinbar mit der Ansicht, dass der Hauptsitz desselben das um- gebende Cytoblastem sei, ja nur hieraus recht erklärlich, — Wie sich die Haarfasern in den Haaren. verhalten, die an'der Wurzel. dünner sind als_ im weiteren Verlauf, z. B. ‚an den Augenbrauen, ii habe ich noch keine Beobachtungen. > Naclı den‘ lersuchungen von Henle und Schwann über die in andern Horngeweben vor sich‘ gehenden Verände- rungen ‚der Zellen, und nach dem Ergebniss, dass diese Um- wandlangen auch hier von einer in’ den Zellen selbst. wirksa- Mäller’s Archiv. 1840, 35 r 546 ? P Pi “ u . as ‚men Kraft abgeleitet werden müssten, durfte schon von vorn herein für das Haar dasselbe vermulhet, ‘und die Ansicht zu- rückgewiesen werden, |dass alle etwaigen Veränderungen des Haars auf die Matrix allein zu beziehen seien. Der Begriff der todten oder. leblosen Gebilde innerhalb der Gränzen des Organismus, musste jetzt überhaupt aufgegeben werden. Die milgelheilten Beobachtungen über die Entstehung des Haars liefern die Bestätigung dieser Vermulhung. Indessen dürfte es nicht ohne Interesse sein, auch von Seiten der Pathologie nene ‚Beweise für. das in dem Haar selbst waltende Leben geliefert zu sehen. Gelegenheit hierzu bot mir im vorigen Sommer ein mehrwöchentlicher Aufenthalt in einer Gegend, in welcher der Weichselzopf zu den sehr häufigen Krankheitsformen gehört. Zwar. kam er: dort- nicht in seinen schlimmsten Formen vor, indessen für die analomisch- physiologische: Untersuchung kön- nen diese vielleicht auch ganz entbehrt werden. Mikroskopi- sehe Untersuchungen konnte ich leider an Ort und Stelle nicht vornehmen, und später fand ich keine Gelegenheit dazu. Das hierher. Bezügliche jener Beobachtungen ist ‚aber dieses: in allen ‘von mir untersuchten Fällen reichlen die verflzten Haar- ‚züpfe nicht bis an die Kopfhaut, sondern bis auf +—1 Zoll von. derselben waren die Haare, die weiterhin, einen: solchen Zopfbildelen, ganz normal: beschaffen. Man hätte freilich glaaben können, dass hier schon ‚gesundes Haar nachgewach- sen 'sei, und.dass ‚die Verfilzung ‚ursprünglich ‚auch tiefer hinab gereicht habe, von mir aber nicht wahrgenommen sei, weil ich‘ die Krankheit ‘immer erst in späteren Stadien beobachtele. Ganz » kürzlich "entstandene Fälle von Weichselzopf habe ich freilich. niehk vor Augen gehabt; da ‘aber die erwähnte Er- scheinung bei wenigslens zwanzig sonst ‚sehr verschiedenen Individuen in ziemlich gleicher Weise sich zeigte, so darf sie wohl’ohue Bedenken für etwas Gesetzimässiges und Ursprüng- liches gehalten, werden. Da ferner auch die Kopfhaut-an»den dem ' Weichselzopfe entsprechenden.Stellen durchaus, normal war, weder Röthe;, noch Geschwulst, noch gesteigerte Em- 547 pfindlichkeit zeigte, so darf an eine absolute Abhängigkeit der an dem’laar befindlichen krankhaften Erscheinungen von dem Zustande der Kopfhaut, die seine sogenannte Matrix" ein- schliesst, nicht gedacht ‚werden.‘ Vielmehr muss man der An: sicht sein, dass in den’ bemerkten Fällen die Haareylinder'in Folge 'einer an ganz bestimmter Stelle beginnenden kraukhaf- ten Thätigkeit ihrer‘ Zellenfasern;' zu grössern und’ kleinern Bündeln zusammenkleben,: dabei im Einzelnen beträchtlich an Dicke zunehmen, und'so‘aufgelockert werden, dass sie aus freien Stücken in feinere: Fibrillen''sich spalten. Das häufige Vorkommen solcher feineren,: wie auch‘ der zahlreichen sehr viel‘ gröberen Haare im Weichselzopfe kann kaum anders er- klärt werden. Noch bedeutungsvoller und beweisender für das Lebeu des Haareylinders ist ein inder Continuität des Haars vorkommeuder Trennungs- ‘oder Abstossungsprocess. Zwei Individuen kamen mir vor, denen vor Kurzem die verfilzien Haarzöpfe von selbst abgefallen waren, ohne elwa haarlose Stellen der Kopfhaut zurückzulassen; ja dieses Abfallen gilt auch bei dem Landvolke jener Gegend für cin günstiges, wenn gleich nur seltenes Symptom. Einmal darauf aufmerksam ge- macht, hielt es nun auch nicht schwer, bei einem Paar Pa- tienten diesen Abstossungsprocess in seinem Entstehen und ‚Fortgehen zu beobachten. Während nämlich meistentheils zwi- schen dem gesunden und verfilzten Haar keine besonders deut- liche und bestimmte Gränze‘ wahrzunehmen war und beide allmählig i in einander übergingen, zeigte sich ein Paar Mal an der Stelle. dieses. Ueberganges eine rund um den Haarbüschel gehende tiefe Rinne, gleichsam ‘wie durch einen hier'herum- gelegten einschnürenden Faden entstanden. Sie bildete eine sehr auffallende Gränze zwischen dem gesunden und kranken Theil der Haare, die an dieser Stelle wie geknickt’erschienen. Die Einschnürung und Verdünnung des Haarbüschels an dieser Stelle ging an manchen Zöpfen so weit, dass ein Theil der Haarcylinder gelrennt wurde, und der ganze Zopf nur an einem Rest ur Haare, die ihn ursprünglich zusammensetzen, anhing; 35° + 548 — beim Forlschreilen dieses Processes muss endlich der ganze Zopf abfallen.. — Dieser Vorgang hat auffallende Aehnlichkeit mit den Erscheinungen, ‘die das Abstossen kranker Partieen in den Weichtheilen begleiten, z. B. beim. Brande. | Wenn dieser sich Gränzen setzt, bildet sich auch ein röthlicher Ring zwischen den gesunden und kranken Partieen; an ihm ent- steht eine Einschnürung, durch deren immer tieferes; Eindrin- gen der kranke Theil endlich ganz getrennt und entfernt wird. Jedenfalls kann jene ‚ganze Erscheinung nur von einer in dem Haar selbst begründeten Thätigkeit abgeleitet werden. — Möchte dieser Gegenstand, der noch’ so manche der Ergänzung be- dürfende Lücken darbietet, recht bald die Aufmerksamkeit Anderer, durch äussere Verhältnisse zu dieser Untersuchung Begünstigter, auf sich lenken; ich selbst darf nicht so bald auf eine wiederholte Gelegenheit dazu rechnen. - u. 2% > i Ah #8 rt eier, * - a “ vr ur, Die Chromsäure, ein vorzügliches Mittel bei mi- kroskopisehen Untersuchungen. Von . Ir Anvoupu Hannover. -. . _——') Sie erinnern sich vielleicht, dass Sie am Tage meiner Abreise von Copenhagen mir das durehschnittene Auge irgend’ eines Säugethieres zeigten, welches Sie in Chromsäure aufbe- wahrten, und dessen Form vollkommen erhalten war. "Wäh- rend meiner späleren mikroskopischen Untersuchungen ver- misste ich lange ein Mittel, das zu gleicher Zeit die äussere Form der Körper und ihren inneren Bau bewahren konnte; besonders fühlte ich diesen Mangel bei der Untersuchung der Netzhaut und des Nervensystems. Kreosot bewahrt die äus- sere Form des Gehirns und Auges trefllich, aber die Structur wird vernichtet; dasselbe ist der Fall mit Kali carbonicam welches diese Theile zwar sehr erhärtet. Andere Mittel prüfte ich mit eben so wenigem Erfolge, bis ich endlich in der Chromsäure die Flüssigkeit fand, in welcher nicht allein die äussere Form und die innere Structur derselben vollkommen erhalten wird, sondern diese auch in dem Grade erhärten, dass = i ” ., En sind diese Zeilen. eine briefliche Mittheilung an unsern hoch. geschätzten Professor Jaco| bson, dem das Verdienst zukommt, das Chrom und dessen Präparate mit glücklichem Erfolge in der Therapie zuerst angewendet zu haben. 550 k, man die feinsten Schnitte machen kann, olıne dass die Ele- mente in Unordnung gerathen. Selbst die verschiedenen. Bar- bennüancen, z. B: des Gehirns und Rückenmarks, zeigen sich noch naclı Monate langer Aufbewahrung, ja die gelbliche Fär- bung ist sogar zum Vortheil bei durchsichtigen und sehr_zar- ten Gegenständen. Ich werde die Ehre haben, Ihnen einige Gegenstände zu nennen, bei denen ich dies treflliche Mittel angewendet habe. 20 Das Zellgewebe, sowohl das in einzelnen gesonderten Fasern verlaufende; als das in dichtgedrängten, sich spaltenden Bündeln vereinigte, wie z. B. in den Nervenwurzeln, — das elastische Gewebe, als wie in der Niekhaut der Vögel, in der Spitze: der Giesskannenknorpel der Säugethiere, in den Kreisfasern der Gefässe, z. B. des Gehirns, — die die Gefässe bedeckenden Kerne, welche besonders in den Gefässen des Gehirns aller Wirbelthiere so deutlich sind, und, sich. in so grosser Menge vorfinden, — die verschiedenen Arten des Epi- iheliums, ‚z.B. das Pflasterepithelium der Membrana tym- pani und des mittleren und inneren Ohres,, das Flimmerepi- thelium in der Mundhöhle, des Frosches; in den Gehirnhöhlen vieler Thiere, haben mit Ausnahme ;der gelblichen Färbung ganz das Ansehn wie im frischen Zustande. — Die. Blut- körperchen behalten ‚ihre Farbe und, Form fast immer un- verändert; man kann sie theils allein. aufbewahren, theils in den Gefässen liegend beobachten; mitunter. scheinen die, Blut- körperchen von. Fröschen und Vögeln in ihrem Innern in: Fä- cher getheilt zu ‚sein; ‚es zeigt ‚sich oft so bei beginnendem Trocknen. Der Kern: jener Blutkörperchen und der der Fische wird bisweilen rund, und ragt immer stärker hervor. ; In.den: Blutkörperchen; der Säugethiere ‚wird, ein Kern nieht sichtbar. — Die Krystalllinse des Auges wird orange gefärbt, durch- sichtig und sehr hart; die äusseren Schichten werden dunkeler und brüchig. Von den gezähnelten Bändern liegen die. brei- testen und mit den längsten Zähnen versehenen am äusser- sten; gegen das Centrum der Linse werden ‚sie immer schmaler » 551 und die Zähne so kurz, dass das Band fast wie eine Muskel- ‚primilivfaser aussieht. Die Bänder sind gelblich gefärbt »wor- den, wodurch ihre Beobachtung erleichtert wird. Am besten beobachtet man ihre gegenseitige Lage, indem man mit einer Nadel eine der ganz feinen concentrischen Schichten, die nur aus einer Schieht von Bändern besteht, abreisst, welches mit grosser. Leichtigkeit geschieht. Diese Sonderung der Theile, ‚so dass: nur ‚gefinge:mechanische Gewalt bei der Ausbreitung des :Objects ‚anzuwenden nöthig ist, wird auch: durch ‘die Chromsäure sehr erleichtert. Einen fehlerhaften ‚Begriff von der Schichtung der Linse erhält man dagegen, wenn man sie in. feine Scheiben: schneidet; man hat dann das'Ansehn von Strahlen oder strahligen Bändern, die mit ihrer Spitze nach dem Centrum liegen und nach aussen allmählig breiter werden. Nirgends- kommt ‘jene durch die Chromsäure bewirkte -Sonderung der Theile so zu Statten, als bei Untersuchung der Muskelfasern. . Die Primitivbündel zerfallen bei geringer Präparation augenblicklich in ihre. Primitivfasern; comprimirt man- diese, so bekommen sie mitunter.das Ansehn von slark gewundenen Spiralen, ‘besonders ist es der Fall bei Fischen und Fröschen. ‚Selbst wenn die Fasern ‘Monate lang ‚aufbewahrt worden sind, behalten sie ihre Elastieität. RT Die Knorpelzellen und Knochenkörperchen be- halten ‚dasselbe Ansehn wie im frischen Zustande." Schneidet man z.B. von dem Kopfe des Schenkelbeins des erwachsenen Frosches oder -Wassersalamanders feine Scheiben, so sieht man in.der Mitte einen schmalen knöchernen Ring, dessen Höhle und dessen Aussenfläche ‚von Knorpelzellen angefüllt und um- geben sind. Von. den Knorpelzellen auf der'Aussenfläche sind! „die am. äusserst liegenden die jüngsten; sie sind comprimirt und unvollkommen entwickelt; je mehr nach innen, desto grös- ser werden die Zellen und Zellenkerne. Wiederum nimmt „ibre Grösse ab, je näher sie dem Knochenringe kommen; ihre ‚Form wird unbestimmt und sie schrumpfen zusammen, weil nämlich die Ablagerung der Kalkkörperchen zuerst in der In- “ “ 392 tercellularsubstanz geschieht und die Zellen verdrängt; im Zel- lenkerne scheint die Ablagerung zuletzt zu geschehen, zunächst dem Ringe ist sie am grössten. Der Knochenring besteht aus geraden Kanälchen, von denen feine Strahlen sich in die schon abgesagerte Kalkerde begeben. Die im Ringe liegenden Zellen beobachten das entgegengesetzte Verhältniss, die (dem Ringe zunächst liegenden sind zusammengeschrumpft und von Kalk- erde umgeben, die in der Mitte liegenden sind noch ‚unverän- dert, ja sammt ihren Kernen grösser als die auswendigen, weil sie in ihrer Entwicklung vom Drucke nicht gehindert werden. Auf dunklem Grunde erscheint die Kalkerde weiss. ; In den cerebrospinalen Nervenprimitivfasern coa- gulirt nach einiger Zeit die im frischen Zustande wasserhelle flüssige Medullarscheide. Eine solche Faser besteht nämlich aus einer Zellgewebescheide "und einem Primitivbande, wel- ches letztere auch siehtbar ist, bevor irgend eine Coagula- tion eintritt; zwischen diesem und der Zellgewebescheide liegt die flüssige Medulla. Wenn sie durch die Säure coagulirt ist, kann sie durch leichten Druck entfernt werden. Man sieht alsdann das Primitivband von der Zellgewebescheide umgeben, und kann dies sowohl in der Mitte der Faser als an ihrem abgeschnittenen Ende gewahr werden. Von der Existenz die- ses sehr zähen Bandes habe ich mich nicht allein überzeugt, indem ich es mehr als eine Linie lang aus der Mündung der Faser frei habe heraushängen sehen, sondern sie auch gewahr wurde, indem von der Nervenfaser nur ein Stück der Zellge- webescheide mit der coagulirten Medulla so geborsien war, während das zähe Band ganz blieb, dass beide Enden des Bandes (das eine freie, das andere mit dem übrigen Theile der Faser noch verbunden) sichtbar waren, und das Band vom jener durch die genannten Theile gebildeten Röhre umgeben wurde; an beiden Enden der Röhre erkannte man ihr Lumen. Was das Band selbst anbetrifft, so ist’es nicht rund, sondern , entweder platt oder noch wahrscheinlicher eine hohle Röhre. Zweimal habe ich nämlich gesehen, dass es sich in eine zier- r 553 liche Spirale gewunden halte, welches ein cylindrischer Kör- per wohl schwerlich thun würde. Für die letztere wahr- scheinlichere Meinung spricht theils, dass ich an dem freien Ende des Bandes eine Oeffnung öfters erkannt zu haben glaube, theils eine vollkommen sichere Beobachtung, wo es in der Mitte einen Riss der Länge nach hatte, an dieser Stelle gerade doppelt so breit und noch blasser, als an der nicht verletzten war, und die Ränder des Risses sich nach innen umgebogen hatten; wo der Riss aufhörte, erkannte man auf beiden Seiten ein. Lumen. Die letztere Beobachtung habe ich nur’ einmal, aber auch ganz deutlich gemacht. Am besten sieht man das Primitivband der Nerven in den Nervenwurzeln der Säuge- thiere besonders den hinteren; sehr oft sieht man: das Band in der coagulirten Medulla als hellen oder dunklen Streifen (je nach dem veränderlen Focus) liegen. Das Primitivband der Gehirnfasern sieht man am be- sten in den dicken Fasern, die den Boden des vierten Ven- trikels bei. allen Wirbelthieren auskleiden, und von da in’s Rückenmark hinuntersteigen; ich habe es hier wie in den ervenprimitivfasern von einem losgerissenen Stücke der coagu- lirten Medulla und Zellgewebescheide umgeben gesehen. Diese Fasern sind so dick als Nervenfasern, und: sehen ihnen sehr ähnlich. -Durch Hülfe der Chromsäure habe ich mieh auch überzeugt, dass das Band an den: Varieositäten der Gehirnfa- sern nicht Theil nimmt. Uebrigens verbleiben die Gehirnfasern mit Ausnahme der zu Statten kommenden Färbung selbst nach Monate langem ‘Aufbewahren in der Auflösung unverändert; und werden selten varicös. — Die Gehirnzellen widerste- hen der Einwirkung der Säure noch besser als die Fasern, und selbst wenn diese durch eine zu starke Auflösung de- siruirt worden. sind, haben die Gehirnzellen sich noch sehr gut erhalten; nur wird der Kern dunkeler und grobkörnig. Die Zellenmembran und die Kernkörperchen erhalten sich gleichfalls. — Ich muss bei dieser Gelegenheit auf eine Er- scheinung aufmerksam machen, die auch für Chromsäureprä- 554 . parate gilt. Man sieht nämlich bei Untersuchung des Gehirns immer eine grössere Anzahl von Kernen, als von Kernen’in ihren Zellen liegend, besonders ist dies auffallend im kleinen Gehirn aller Wirbelthiere, in den Vierhügeln, in den grauen Blättern im Chiasma n. optiei der Vögel, und vielleicht noch an einigen andern Stellen. Man sieht keine feinkörnige Inter- eellularsubstanz wie im grossen “Gehirn, die ungewöhnlich grosse Menge kleiner Zellen liegen dicht aneinander gedrängt, und werden daher eckig. Ausser diesen kleinen Zellen kommen im kleinen Gehirne sehr grosse Zellen mit grossem Kerne und einem oder zwei Kernkörperchen vor; diese grossen Zellen finden sich auch im Rückenmarke, fehlen aber im grossen Gehirne. Die Ursache dieser grösseren Zahl von scheinbaren Zellenkernen (wel- ches kaum immer. von einer Destruction der Zellenmembran und Uebrigbleiben des festeren Kerns herrühren kann), ist, wie ich glaube, folgende: Die Zelle ist nicht grösser als der Zel- lenkern, und die Zellenmembran kann daher nicht ausserhalb des Kernes hervorragen, und ihn mit einem breiteren oder schmaleren Ringe umgeben; man trifft auch Uebergangsformen, nämlich Zellen, deren Membran den Kern mit einem breiten Ringe umgiebt, und Zellen, deren Membran unbedeutend brei- ter, und: wo daher nur ein sehr schmaler Ring vorhanden ist. Jene Kerne sind selbst Zellen mit einem flüssigen Inhalte, wo- von ich mich auch bei den: grossen und grössten Zellen auf dieselbe Art überzeugt habe, indem ich die Zellen rollen liess. Man kann nun entweder annehmen, dass die kleinen Zellen vollkommen: gebildete Zellen sind, deren Zellenmembran. aber noch nicht: ihre gehörige Entwickelung erreicht hat (oderwich- tiger nie grösser wird), oder jene (scheinbaren) Zellenkerne sind selbst hohle Blasen, die. später in einer Zellenmembran eingeschachtelt werden könnten. So annehmbar nun’ auch die letztere Anschauung ist, so: bin ich doch weit geneigter der ersteren beizutreten; denn es ist kein Grund zu.der Annahme vorhanden, dass das kleine Gehirn nur Zellenkerne enthalten sollte, da ihre Funciionen: überhaupt von analoger Art sind ” ! 555 wie die des grossen Gehirns; wohl aber ist es wahrscheinlich, dass die Functionen des kleinen Gehirns von anders gebildeten Zellen ausgeführt werden mögen, als die des grossen Gehirns. © Von ausgezeichnetem Nutzen war mir die Chromsäure bei‘ Untersuchung ‘der Schichtungsverhältnisse des Gehirns und Rückenmarkes, weil ich sie mit einem scharfen Messer in die feinsten Scheiben zerlegen konnte, und so Stück für Stück ‚verfolgen. Hierbei ist zwar der Uebelstand, dass, je härter das Gehirn geworden ist, desto undurchsichtiger ist auch die abgeschniltene Scheibe, und man darf bei diesen Untersuchun- gen nur mit grosser Vorsicht eine leichte Compression anwen- den, und nur mit einem Glasplättchen bedecken; wiederum kann man die Schnitte äusserst fein machen. Ist die Erhär- tung geringer, so gelingen die Schnitte weniger gut und kön- nen nicht so fein gemacht werden; etwas kann man hier mit leichter Compression nachhelfen. Ein passender Mittelweg_der Erhärtung ist am zweckmässigsten; diesen lernt man. bald. ‚durch einige Versuche kennen. Ieh will von den Ergebnissen dieser Untersuchungen hier weiter nichts erwähnen, nur führe ich an, dass ich durch Hülfe der Chromsäure Querfasern so- wohl ‘einzeln als in Bündeln verlaufend bei Vögeln, Fröschen und Fischen (bei Säugelhieren habe ich es noch nicht unter- sucht) im Rückenmarke gefunden habe, und dass der Ursprung der Gehirnfasern von den Gehirnzellen, und: ihre durch das ganze Leben bleibende Verbindung mit jenen Centralgebilden, mir augenblicklich mehr als ‚wahrscheinlich ist; ich habe so vielfältige Male diese Beobachtung gemacht, dass bei mir fast kein Zweifel an der Richtigkeit dieser interessanten Erschei- nung obwallet. Für diejenigen. die diesen Gegenstand unter- suchen möchten, führe ich zwei Irrthümer an, in die man leicht gerathen kann; erstens hüte man sich, eine mit einem Faden . versehene und umlıerschwimmende Varicosität für die Gelirn- zelle mit ihrer Gehirnfaser zu halten; zweitens sehe man nicht ‚die. körnigen, oft sehr langen. Fortsätze und Schwänze der Zellen für Fasern an. Die Faser, die von der Zelle ausgeht, 556 muss als Faser erscheinen (das beste Criterium ist, wenn sie an einigen Stellen varicös geworden ist), und die Zellen einen bestimmten deullichen Kern enthalten. Ich finde zu dieser Beobachtung sowohl das grosse als das kleine Gehirn aller Wirbelthiere gleich brauchbar; es giebt aber eine Klasse von Zellen, von denen keine Fasern entspringen. Im Allgemeinen enispringen zwei Fasern von einer Zelle. Die Ganglienzellen, die sich sehr gut erhalten, und von deren blasenarliger Natur man sich ebenfalls durch das Rollen der Zelle überzeugen kann, unterscheiden sich ausser andern Eigenschaften von den Gehirnzellen durch ihre. Grösse und die Grösse ihres Kerns und Kerukörperchens, in welchem man oft einen hellen Punkt gewahr wird, durch das öftere Vorhandensein von mehreren (bis vier) Kernen, endlich durch ihre grobkörnige Oberfläche, die mir aus kleinen sehr blassen, regelmässigen seclseckigen Kügelchen zusammengesetzt er- schienen ist; erst auf der Aussenfläche dieser Täfelchen lie- gen die eharacteristischen Kerne der organischen Fasern. — Von diesen Fasern bemerke ich hier nur, dass sie vermittelst der gelben Färbung besser zu beobachten sind, und von ein- ander leichter gesondert werden können, was im ganz. fri- schen Zustande schwieriger geschicht. "Meine Untersuchungen über die Netzhaut hatte ich fast schon beendet, als ich die Eigenschaften der Chromsäure ken- nen lernte, Die Form des Auges erhält sich vollkommen, die Hornhaut wird etwas trübe. Bei Thieren, wo die Aus- strahlung des Sehnerven sehr zart ist, wird sie deutlicher, weil die Fasern bestimmtere Conturen erhalten Die Stäbe und Zwillingzapfen halten sich nur zum Theil; bisweilen wa- ren sie in Kugeln umgewandelt, bisweilen halten sie ihre Form unverändert behalten, und waren nur körnig geworden auf der Oberfläche. Dagegen konnte man ihre gegenseitige Stellung wegen der Färbung nicht deutlich erkennen. Da die Netz. haut zugleich erhärtet wird, so ist es mir gelungen feine senk- rechte Schnitte zu machen. 557 “= Ueber die grössere oder geringere Verdünnung, die in Anwendung zu ziehen ist, kann ich Nichts mit Bestimmtheit aussagen; gewöhnlich vermischte ich 14 Theil Säure mit 46 bis 20 Theilen Wasser; ich habe aber auch ohne Schaden stär- kere und schwächere Auflösungen gebraucht. Will man die Gegenstände erhärten, so müssen sie entweder kurze Zeit in stärkerer, oder längere Zeit in schwächerer liegen; letzteres ist vorzuziehen, weil durch eine stärkere Auflösung die äussersten Schichten zu schnell erhärten, und dadurch das Durchdringen der Säure bis in die Mitte des Gegenstandes gehindert wird; das Gehirn von grösseren Thieren muss man daher zu mi- kroskopischen Untersuchungen in mehrere Theile zerlegen, weil "sonst die innerst liegenden Partien verderben. Blutkörperchen ertragen im Allgemeinen nnr eine schwache Auflösung; Mus- keln, Knochen, Knorpel, und zum Theil auch Nerven fast ‚jegliche. Von den oben beschriebenen Gegenständen waren die meisten 2—4 Monate alt, als ich sie untersuchte. — Auch zur Befeuchtung von fischen Gegenständen ist die Chromsäure dem Wasser vorzuziehen, wie sie denn auch sehr brauchbar ist zur Aufbewahrung von pflanzlichen Theilen, be- sonders niederer Pflanzen. Wie wenig die Chromsäure die noch nach dem Tode sich zeigenden vitalen Actionen beeinträchtigt, werden Sie aus den zwei folgenden Beobachtungen ersehen. Erstens hält sich die Flimmerbewegung stundenlang in der Chrom- säure, Ich habe sie z. B. in den Seitenventrikeln eines 14 langen Kaninchenembryo beobachtet, ferner in den Gehirn- höhlen des Frosches, deren ganze innere Oberfläche von co- nischen, mit einem Faden versehenen und in der übrigen Ge- hirnsubstanz steckenden Zellen mit Flimmerhaaren ausgekleidet wird, und in den Gehirnhöhlen von Fischen und vom Was- sersalamander: beim letzteren sind es blasse, sehr grosse, runde Zellen mit einem grossen, ovalen Kerne; die ganze Oberfläche der Zellenmembran flimmert ungemein stark; Flimmerhaare wurde ich nicht gewahr, — Die zweile Beobachtung ist die 3 558 Gapitraclipn der Muskelprimitivbündel, die es mir gelungen ist bei Fröschen unter dem Mikroskope wahrzuneh- men. Die Primitivbündel sind sehr dick, so dass man sie mit blossem Auge mit einer Nadel sondern kann; comprimirt man sie nun leicht und setzt‘ dann die Chromsäure hinzu, so sieht man ihre Zusammenziehungen, die so geschehen, dass, ‘wenn z. Bi die ‚Querstreifen erst eine gerade Linie bilden, diese: ihre Form verändert, sich schlängelt, und Ausbuchtungen bald nach vorne. bald nach ‚hinten macht; bald schob sich ein Theil der Primitivfasern vorwärts, die andern folgten langsam nach oder verblieben ruhig; bald zogen sich die an den Rändern liegen-+ den zusammen, und die in der Mitte liegenden verhielten sich ruhig, oder umgekehrt. : Es schien mir, als ob immer eine Partie sich zusammenzog (oder erweiterte), und dass die übri- gen Fasern diese als Anhaltspunkt benutzten. Die Zusammen- ziehungen dauern einige Minuten. R r 4 102 oe Di; R\ 7 ’ f ie u % . « En Er 3 Eon 4 # . ° ur " Miillers Iapsl: _ E ddton CO. Granand ws Millers Archiv. 1820 | / 5 E. lihlton ad narz dal, ‘ 3 H.öpringer Lipg. Para Millers Archiv. 1840. Taf II L. ı\ 2. Lk RW, I BAHRTENNN ae, en ] p CGulnand sc, Müllers Archiv 1840. Taf: IV. Veh nah Ta u Kid - Dame en > Killers Archiv 1840, Taf: V- _ af: V. ae ET / FI. rung‘) 7 PRESTIGE SLOT gr" — 3 ORET TEL Muller; Archiv: 1840 eg) Taf van lnejür 1840 Mütteni ANAND Arezuv 19I0. Mic ©. Guinandoe Ba C.OGumand sc sr Archir JELO. Zap XL. nr u ng, m a au wi ME er. „ CBninund so En Milers Archv.| ©. Guinandec Millers Archiv. 18£0 = = U Granazulso Müllers Archiv 1840 — ae E:Granandsv. epumpng") AXJPL \ ) \ ) ‘