oo ie v Er 4 n =) u! ee & 2 ” { r N . = r f ” Dee) ARCHIV FÜR ANATOMIE, PHYSIOLOGIE UND WISSENSCHAFTLICHE MEDICIN, IN VERBINDUNG MIT MEHREREN GELEHRTEN HERAUSGEGEBEN voN Dr, JOHANNES MÜLLER, ORD, ÖFFENTL, PROF. DER ANATONIE UND PHYSIOLOGIE, DIRECTOR DES KÖNIGE, ANATONM., MUSEUMS UND ANATOM. THEATERS ZU BERLIN, JAHRGANG 1842. 76. MIT SIEBZEHN KUPFERTAFELN. BERLIN. VERLAG VON VEIT ET COMP. 29 3% IN: Oman gas. kr MORRIEN | 7 a Pr . » L IR % iuaıa ash rim bruanlus R , £ 2 4 AN ADFN AU a ur 2 a. Ä ER k NIS a 1 ß % ER : kn > = vl }' Fi; 1 BR Inhalisanzeige. Seite, Bericht über die Fortschritte der Physiologie des Gesichtssinnes, in den Jahren 1839 bis Mai 1842. Vom Medicinalrath Dr. Tourtual zu Münster. (Hierzu eine Kupfertafel.) . I Bericht über die Fortschritte der Physiologie im Jahre 1841. _ Von Dr, Th. Ludw. Wilh, Bischoff, Professor in a, le er Bericht über die Leistungen im Gebiete der Anatomie und Physiologie der wirbellosen Thiere im Jahre 1844. Von Carl Theodor von Siebold in Erlangen . . . , exxxıy Bericht über die Fortschritte der vergleichenden Anatomie der Wirbeltbiere im Jahre 1844, Vom Herausgeber . , cexvu Bericht über die Fortschritte der mikroskopischen Anatomie im Jahre 1841. Von K.B. Reichert, . . . . . .cext Anatomische Bemerkungen über den Quacharo, Steatornis cari- pensis v. Humb. VonJoh. Müller. (Hierzu Taf. I.) . 4 Ueber den Bau der Hornschale der Käfer. Von Dr. Hermann Memer a re sure... re: 42 Seite; Ueber das Säugethierei. Briefliche Mittheilung von Dr, Her- mann Meyer. (Hierzu Taf. H. Fig. 7.) . - ..» . 47 Ueber Umwandlung von Nerven in Felt. Briefliche Hittheilang von Prof, Dr. Fick in Marburg . . , . 2.49 Ueber Tinea fayosa, Von Dr. Gruby. (Aus brieflicher Mit- ECHT rc 0 A Sr 7 Ueber das centrale Nervensystem und die Nebenherzen der Chi- maera monstrosa. Von G. Valentin, (Hierzu Taf. II. BESAE:) nr oe ag 92,25 Der Wiederersatz verstümmelter Krystalle, als Beitrag zur nä- heren Kenntniss dieser Individuen und zu ihrer Verglei- chung mit denen der organischen Natur, Von Dr. Her- mann Jordan in Saarbrück. (Hierzu Taf. III, Fig. 1—3.) 46 Hemmungsbildung des Magens, Mangel der Milz und des Nez- zes. Von Dr. H, L. F. Robert, (Hierzu Taf. Ik, Fe A) lei 5 EU TA 57 Ueber Doppelbildung, Von F. Faesebeck in Be. ir (Hierzu; Taf; .IV., V.-w. VL) 2er arse 0! SCHERE Fernere Erläuterung der contagiösen Confervenbildung auf Frö- schen und Wassersalamandern. Von Adolph Hanno- ve-.(Bieraw Tat. VIE) «rs 57 Mae De Hands Zum Aufsatze über Diceras, in diesem Archiv 1841. pag. 437, Von Prof. Eschricht. (Aus brieflicher Mittheilung an den Heränsgeher.).. ra.la:31 Ana ia Ueber das Vorkommen zweier Oyula in einem Graafschen Fol- likel. Von F. Bidder in Dorpat . x . 2 2.2.2200 86 Vorkommen der Harnsäure im Rinderhave. Von Ernst Brnecke.. , aa ln... 1. 2. 2 Zur Verständigung über die Dotterzellenbildung. Von Dr. Berg- mann in Göllingen . Versuche über die Möglichkeit des Zusammenheilens functionell verschiedener Nervenfasern. Von Dr. F.Bidder in Dorpat Ueber die Wärmeerzeugung bei der Athmung, Von Dr, A. W. F. Schultz, pract. Arzt, (Briefliche Mittheilung an den Herausgeber.) . Ueber die freie Bewegung der Sporen von Nemaspora incarnata Pers. Von Dr. H. R. Goeppert, Professor in Breslau , Ueber ein eigenthümliches Entozoon im Blute des Frosches. Von Prof. Gluge in Brüssel . Ueber die nutritiven Vorgänge und ihre Beziehung zu andern Vi- talitätsäusserungen. Von Dr. Fr. Oesterlen in Murrhardt NASEN TEN Ei ae DE RE . . > Ueber die Ursache der Todtenstarre. Von Ernst Brücke Beitrag zur Entwickelungsgeschichte der Filarien. Von, Dr, C Fakt. (Hierzu Taf, X. Fig. 8-45.) . . 2... Ueber parasitische Bildungen. Bericht von J, Müller über ei- 148 149 178 189 e“ nige mit Herrn A, Retzius untersuchte pathologisch ana- . tomische Gegenstände, gelesen in der Königl. Akad, der Er Wissenschaften zu Berlin am 3. März 1842. Hierzu Ta. VII, und IX... Ueber einen Eingeweidewurm von Testudo Mydas, Tetrarrhyn- chus eystieus, Von Professor Mayer in Bonn. (Hierzu Tafel X. Fig. 1—7.) Er Ueber eine in den kranken und normalen Haarsäcken des Men- schen lebende Milbe. Von Dr. Gustav Simon, pract. Arzte in Berlin. (Hierzu Taf. XI.) ... 493 vi Ueber die Geschlechtsverhältnisse der Myriapoden und einiger anderen wirbellosen Thiere, nebst Bemerkungen zur Theo- rie der Zeugung, Von Dr. Friedrich Stein. (Hierzu Taf, XII. XI. und XIV.) ve Ueber Entopbyten auf den Schleimhäuten des todten und leben- den Körpers. Von Adolph Hannover. (Hierzu Taf, XV.) Einige Resultate aus Untersuchungen über die Anatomie der Araneiden. Von Dr. Eduard Grube. (Aus brieflicher Mitiheilang an den Herausgeber.) z Beiträge zur Anatomie der Aclinien. Von Professor Erdl zu München ; Beobachtungen über die Schwimmblase der Fische, mit Bezug auf einige neue Fischgaltungen. Von J. Müller. (Gelesen Seite. in der Königl. Akad. der Wissensch. zu Berlin am 16. . und 23. Juni 1842 . eu en Ueber die Entwicklung der Seesterne. Von NM. Sars. (Aus brieflicher. Mitiheilung an den Herausgeber. ) Zur Anatomie der Sepiola. Von Dr. Wilh. Peters, Gehülfen am anatomischen Museum zu Berlin, (Mitgetheilt in der Gesellschaft naturforschender Freunde am 20. April 4841.) (Hierzu Taf. XVI.) . >. R Ueber das peripherische Nervensystem des Dorsch, Gadus Calla- rias. Von Prof. Dr. Stannius Ueber einige chemische Mittel, welche zur Unterscheidung zwi- schen der Muskelfaser und der mittleren Arterienhaut die- nen. Von Dr. Julius Budge, Privaldocenten an der Universilät Bonn , Ueber die Beweiskraft derjenigen Experimente, durch welche . 307 330 331 338 367 ) man einen direkten Einfluss der Centralorgane auf die Ein- geweide zu erweisen suchte. Von A, W. Volkmann Ueber die Augennerven des Delphins (Delph. phocaena). Von Prof. Dr, Stannius in Rostock . UR B Ueber das Gebiss des Lama. Von Prof. Dr. Stannius in Rostock dor SE RR; Ueber Gebiss und Schädel des 15, AR: unter Berücksichti- gung der Frage, ob die Verschiedenheiten im Baue des Schädels zur Unterscheidung mehrerer Arten der Gattung Trichecus berechtigen. Von Prof. Dr, Stannius in Rostock. Beobachtungen über die Geschlechtsorgane der Plagiostomen mit Anwendung auf eine Stelie in Aristoteles Naturgeschichte, Von J. Müller. (Aus dem Monatsber. der Königl. Acad. der Wissensch. zu Berlin. Juni 1842.) ; Ueber den Vertumnus tethidicola. Von Dr. August Krohn . Ueber die Verbindung der Intervertebral-Ganglien und des Rückenmarkes mit dem vegetaliven Nervensystem. Von C, VVE/VLutzere EN 0 0. En . u. Ueber den Sternapsis thalassemoides. Von Dr. Aug. Krohn, Bemerkungen über die Entwicklung der Grälhe des Schädels bei den Säugethieren und über die Entwickelung und Function der Knochenhöhlen. Von Dr. Georg Jäger Beitrag zur Lehre von der Function der den cerebrospinalen Nerven beigemischten sympathischen Fäden. Von A. v. Walther, Russischem Arzt R „ BR Von den physiologischen Vorbegriffen der Chinesen. Von Dr. Gottfried Otto Piper, pract, Arzt io Dresden , Ueber die Anwendung von Blut zu Injektionen anatomisch-pa- vu Seite 372 378 388 390 414 418 424 426 433 444 vil . / Seite. thologischer Präparate. Von Dr, Fredrik Berg in Stock- holm. (Briefl. Mittheilung an den Herausgeber.) . . . . 468 Einige anatomische Beobachtungen von E. Fäsebeck zu Braunschweig re ae u v0 473 Bemerküngen über eigenthümliche Herzen am Arterien- und Ve- nensystem. Von 4 Müllerwnn 2... I a7 £ PP were . BERICHT über die Fortschritte der Physiologie des Gesichtssinnes. in den 1 Jahren 1839 bis Mai 1842. Vom Medicinalrath Dr. Tourtvan zu Münster. (Hierzu eine Kupfertafel,) 41. Brechungsstand der Augen, Ueber die Veränderungen des Refractionsstandes beim Nahe- und Fernsehen, und ihre bedingenden Momente hat Hueck (die Bewegung der Krystalllinse, Dorpat 1839) sehr genaue Untersuchungen angestellt. Die Distanzen, in welchen ein kleines Object bei allmähliger Annäherung und bei Entfernung vom Auge, aller Anstrengung ungeachtet, undeutlich zu wer- den beginnt. zwischen welchen mithin die Breite des deutli- _ ehen Sehens liegt, werden von ihm Grenzpunkt und Fernpunkt ' genannt. Für das normale wie für das weitsichtige Auge giebt es keinen Fernpunkt, nur das kurzsichtige hat einen solchen, ein Grenzpunkt aber ist für alle drei vorhanden. Als beson- dere Abweichungen sind zu betrachten ein gemischter Zustand zwischen Presbyopie und Myopie, in welchem nämlich der - Grenzpunkt sich vom Auge entfernt hat und zugleich ein Fern- ‚punkt vorhanden ist, mithin zum Nahesehen das Bedürfniss ei- nes convexen und zugleich zum Fernsehen eines concaven Gla- ses besteht, und ein Zusammentreffen des Grenz- und Fern- reihe bei welchem das Auge nur in einer bestimmten Ent- ernung deutlich sieht. Unterschieden vom deutlichen Sehen ist die Schärfe des Gesichts, welche sich nach der Kleinheit des Gesichtswinkels richtet, unter welchem kleine, übrigens in passender Nähe befindliche Objecte noch distinet erkannt werden. Aus einer Reihe sorgfältig angestellter Beobachtungen an verschiedenen Personen ist H. zu folgenden, das Verhä'tniss Müller's Archiv. 1842. A der Schärfe zur Sehweite der Augen betreffenden Schlüssen gelangt: ein Auge von normaler Anpassungsfähigkeit sieht so- wohl fern als nahe unter einem gleichen oder doch nur wenig abweichenden Gesichtswinkel; kleine Objecte verschwinden (nur bei grösseren Distanzen nimmt der erforderliche Sehwin- kel in Folge der Trübheit der Atmosphäre mit der Entfernung zu), dasselbe gilt von einem kurzsichtigen Auge; mit einer vollkommenen Anpassungsfähigkeit kann sehr wohl eine ge- ringe Schärfe des Gesichts bestehen, unter Kurzsichtigen selbst findet sich auch in letzter Hinsicht ein Unterschied. Ein Strich wird ungleich weiter gesehen als ein Punkt, weisse Objecte auf grauem Felde weiter als schwarze auf weissem, am wei- testen aber weisse Objecte auf schwarzem Felde. Es folgen nun Beobachtungen am eignen Auge über das Verhalten der Netzhautbilder bei unpassendem Brechungszu- stande, und ihre Veränderungen durch seitwärts oder in der Mitte vorgeschobene dunkle Körper, wie beim Sehen durch enge Löcher und Spalten, namentlich über die Vervielfältigung der Bilder zu ferner oder zu naher Gegenstände durch schmale, die Mitte der Pupille verdeckende Zwischenkörper, oder eine Reihe feiner Löcher, und ihre Vereinfachung und eircumscripte Darstellung der vorher undeutlichen Grenzen, durch Anpassung der Brechung oder Vorschieben eines die Zerstreuung aufhe- benden Convex- oder Concavglases, welche Erscheinungen durch congruente Versuche in einer Camera obseura und an Augen eben getödteter Säugethiere und Vögel mit dünner Scle- rotica objectivirt worden sind. Dieser Abschnitt enthält in- dess keine neuen Thatsachen, sondern eine Wiederholung und _ Ausführung dessen, was von Porterfield und mir (s. Hecker’s literar. Annalen 1829, October, und in der medic. Vereins- zeitung 1832, No. 14, 16 und 17.) über die Zerstreuungsbilder beobachtet worden ist. Hierauf wird nachgewiesen, dass die sogenannten Muta- tiones internae nicht in einer Gestaltveränderung des ganzen Augapfels bestehen. Eine Abflachung desselben kann durch die geraden Augenmuskeln nicht bewirkt werden, weil es der hin- teren Hemisphäre an einer Stütze für den Gegendruck fehlt, und überdies die active Veränderung nicht beim Fernsehen, sondern beim Sehen in die Nähe statt findet, auch erfolgt keine Compression des Augapfels mit Verlängerung seiner Axe, und Vortreten der Linse durch die Gesammtcontraction dieser "Muskeln, wie Olbers und Home angenommen haben. Die von Home, Ramsden und Englefield angestellten Versu- che, aus welchen erster auf Vermehrung der Hornhautwölbung beim Nahesehen, und daher rührende Verkleinerung des von der Hornhant reflectirten Bildchens geschlossen hat, sind wegen an des sehr geringfügigen und durch scheinbar unbedeutende Um- stände wandelbaren Resultats nicht beweisend. Hueck be- merkte beim Wechsel des Blickes von 30° auf 7” Entfernung ausser den vom Athmen und dein Drucke des Orbieularis ab- hängigen Bewegungen der Hornhaut kein Vortreten oder Zurück- weichen derselben, welches ebenfalls Youug geleugnet hat. Die Festigkeit und straffe Spannung der Sclerotica lässt auch nur ein höchst geringes und keinesweges hinreichendes Zusammen- drücken des Bulbus zu, wovon man sich an frischen Thier- augen leicht überzeugt. am wenigsten bei den Vögeln wegen des Knochenringes, welcher Beweisgrund um so wichtiger ist, als am lebenden Auge schon auf schwachen Druck eine Stö- rung der Netzhautfunction durch Lichterscheinungen sich ver- räth. Nach Hueck’s Versuchen zeigte sich beim Andrücken des Auges gegen die innere Augenhöhlenwand mittelst eines ausgehöhlten Korks nur eine unbedeutende Veränderung in der Distanz des deutlichen Sehens, auch gelang es am frischen Auge einer Schnepfe und Katze durch kräftiges Zusammen- schnüren mit einem Bande weder eine messbare Verlängerung desselben, noch eine merkliche Veränderung in der Deutlich- keit des Netzhautbildes herbeizuführen. Da endlich das Bil- senkrautextract die Anpassungsfähigkeit des Auges lähmt, ohne die Bewegungen desselben nach allen Richtungen im Gering- sten zu beschränken, und in den seltenen Fällen einer plötz- lich eintretenden Kurz- oder Fernsichtigkeit eine Aflection der Augenmuskeln nicht wahrgenommen worden ist, so muss die refractive Thätigkeit unabhängig von der Wirkung, dieser Mus- keln bestehen. ; Eben so wenig können die beim Fernsehen eintretende Erweiterung der Pupille und ihre Verengerung beim Nahese- hen als zulänglicher Erklärungsgrund der Accomodation gelten- Denn aus Hueck’s Versuchen über die Grösse des Pupillen- durchmessers bei verschiedenen Distanzen des gesehenen Ob- nd und Helligkeitsgraden geht hervor, was auch andere bachter wahrgenommen haben, dass der Stand der Pupille sich mehr nach dem ins Auge fallenden Lichtquantum, als nach der Distanz richtet, und dennoch, entfernte Gegenstände bei ‚hellem, wie nabe bei schwachem Lichte deutlich gesehen wer- den können, auch vermag H. bei unveränderter Axenstellung und Beleuchtung seine Pupillen willkürlich um mehr als die Hälfte Bellascahinessere zu erweitern, nämlich durch Richtung der Aufmerksamkeit auf ein seitliches Object, wobei die deut- lieh erscheinenden Gegenstände verschiedener Entfernungen estoweniger deutlich bleiben. Ferner spricht dawider Erfolg des Einträufelns eines Bilsenkrautaufgusses, welcher Messung der erweiterten Pupille in verschiedenen Zeit- a* IV räumen nachher, und Beobachtung der subjectiven Erscheinun- gen nach dem Vorgange von Wells, Cuttings, Dungli- son u.A. hier exact bestimmt worden ist, wobei sich nämlich gefunden hat, dass die Anpassungsfähigkeit des Auges für die Nähe nicht schon mit eintretender Erweiterung der Pu- pille, sondern erst einige Zeit nachher sich verliert, auch mit den zunehmenden Graden der Erweiterung keinesweges im umgekehrten Verhältniss abnimmt. ferner nach hergestelltem normalen Pupillendurchmesser noch eine Zeit lang vernichtet ist, woraus auf die Abhängigkeit der Accomodation von einem von der Iris verschiedenen Organe geschlossen werden muss. Hiermit stimmen die von Jüngken, Pänitz u. A. mitgetheil- ten Fälle einer völlig mangelnden Iris überein, bei welcher die Individuen dennoch sowohl nahe als fern sehen und im Nahesehen beharren konnten. Der Verf. lässt sich speciell in eine Widerlegung der bekannten Lehre des Treviranus ein, nach welcher die Veränderungen der Pupillenweite in Verbin- dung mit der von den Polen nach dem Umkreise zu abneh- menden Refractionskraft der geschichteten Krystalllinse den Grund des deutlichen Sehens in verschiedenen Fernen enthal- ten sollen. Der Gegenbeweis wider diese Ansicht ist zuerst von Ref. aus der Persistenz des Netzhautbildes von den nahe der Mitte der Linse durchfallenden Lichtstrahlen beim Sehen in die Ferne und erweiterter Pupille, theils aus den Erschei- nungen bei der Durchsicht durch ein vor das Auge gehaltenes Kartenloch und dem Einfluss des Lichtreizes auf den Pupillen- stand (medic. Vereinszeitung a.a.O., welche Abhandlung dem Verf. bei seinen zahlreichen literarischen Hülfsquellen dennoch entgangen zu sein scheint), später von Kohlrausch aus ma- thematisch optischen Gründen bündig geführt worden, Diesen und den vorbemerkten Argumenten wird vom Verf. mit Recht die Unsicherheit der Prämisse hinzugefügt, auf welche Tre- viranus seinen Calcül gebaut hat, und die Thatsache, dass beim Verdecktsein der erweiterten Pupille in der Mitte das Auge dennoch durch den Rand der Krystalllinse sowohl nahe als ferne Gegenstände deutlich sehen, und beiden sich acco- modiren kann. Er widerspricht sodann der Cartesianischen, in neuester Zeit von Arnold und Volkmann vertheidigten Meinung, dass die Linse durch eigne Zusammenziehung sich stärker zu wölben vermöge, weil ein contractiles Gewebe in ihr nicht angetroffen wird, und schliesst sich denen an, wel- che nach Kepler’s Vorgange ein passives Vortreten der Linse beim Nahesehen annehmen. Er weiset diese Bewegung durch seitliche Observation des Auges am Menschen, wie an Tauben- falken und andern Thieren, bei abwechselndem Sehen eines nahen und fernen Gegenstandes nach, wobei im ersten Falle v die Iris in der Mitte sich wölbt und der Hornhaut näher tritt, im andern sich wieder abflacht. Auch sah er an dem frisch ausgeschnittenen und in der Oeffnung eines Brettes aufgestell- ten Augapfel einesHundes, welcher durch die durchscheinende 'Selerotica das deutliche Bild des Fensterkreuzes und das un- deutliche eines nahe vorgehaltenen Schlüssels darbot, dass je- nes undeutlich und dieses deutlich wurde, wenn mit einer nahe dem Hornhautrande eingestochenen Nadel die Linse he- belartig vorwärts bewegt wurde. Nach Beseitigung der wider diese Bewegung als Ursache der Anpassung von Olbers, Rit- ter und Volkmann erhobenen Zweifel wird darauf hinge- wiesen, wie im Auge der Refractionsstand für die Ferne der passive, hier für die Nähe der aclive Zustand ist, welches so- wohl die subjective Empfindung beim Wechsel des Blickes _ nach verschiedenen Distancen, als die Deutlichkeit des Netz- autbildes ferner Gegenstände im Todtenauge und die durch das Extr. hyoscyami herbeigeführle Fernsichtigkeit lehren, und _ nach Kepler’s Vorgange und in Uebereinstimmung mit Ru- dolphi, Müller, Brewster und Heermann der Ciliarkör- er als dasjenige Organ statuirt, welches durch seine lebendige a: das Vordrängen der Linse zu Stande bringe, Der Verf. giebt hiernächst eine auf eigne anatomische Un- tersuchungen gegründete sehr sorgfältige Beschreibung der Lage und Verbindung des Ciliarkörpers im frischen Auge des Men- schen, der Säugethiere und Vögel, durch welche das hierüber Bekannte theils genauer bestimmt, theils auch Neues hinzu- gefügt worden ist. Die feste Verbindung der Aderhaut mit der Sclerotica, der Stelle gegenüber, wo an der Innenfläche der ersteren die Ora serrata retinae anliegt, kommt nach ihm dadurch zu Stande, dass von der Lamina fusca scleroticae durchsichtige Fasern von hinten nach vorn an die Choroidea gehen und sich befestigen, und von dieser Anheftung wieder andere Fasern nach vorn und aussen mit der Sclerotica sich verbinden, so dass durch beide in der Durchschnittfläche ein e aupimio line Dreieck entsteht, dessen stumpfer Winkel an der Choroidea festsitzt, während die nach vorn und hinten gerichteten spitzen Winkel an der Sclerotica anliegen, Diese ganze Verbindung nennt er Strahlenband, Lig. ciliare, und unterscheidet von selbigem den dicht davor liegenden weissli- chen, zellgewebeähnlichen Strahlenkreis, orbieulus ciliaris, we- cher vorn sich an den Hornhautrand anheftet und deutlich membranös, nämlich eine Fortsetzung der Descemetischen Haut € ist. Diese Haut theilt sich am Ciliarrande der Iris in zwei "Blätter, deren eines die Vorderfläche der Iris bekleidet, das andere als Strahlenkreis sich an die äussere Fläche der Cho- Fioidea heftet, und letzte in ihrer ganzen Ausdehnung zu über- vi ziehen scheint. Die Anheftung der Iris wird vor dem Orbi- eulus ciliaris, und unabhängig von ihm durch einen Kranz sehr zarter, durchsichtiger, von dem Irisrande ausgehender Fasern gebildet (Lig. pectinatum iridis), welche zwischen den bei: den Blättern der sich theilenden Descemetischen Haut sich zum Hornhautrande begeben. Das kammförmige Band ist die vor- dere Wand des vom Verf. so genannten Canalis Fontanae an- terior, welcher dreieckig ist, im frischen menschlichen Auge eine Borste aufoimmt, und nach aussen von dem Orbiculus ciliaris, einwärts vom vordern Theile des Corpus ciliare be- grenzt wird. Dasselbe hat durch die Zwischenräume der Fa- sern des Kammbandes Gemeinschaft mit der vorderen Augen- kammer. Er ist verschieden von dem Schlemm’schen Ka- nale oder Sinus venosus Hovii, welcher sich unmittelbar hin- ter dem durch Abtrennen des Orbic. cil. vom Hornhautrande entstandenen Vorsprunge der Wasserhaut in dem Winkel be- findet, welchen der Orbieulus bei der Anheftung seines Vor- derrandes mit der Sclerotica macht. Der Canalis fontanae medius nach Hueck, früher schlechtweg Canalis fontanae ge- naunt. ist ebenfalls nur im ganz frischen menschlichen Auge nachzuweisen, und befindet sich mehr rückwärts zwischen der Aussenfläche des Orbiculus ciliaris und der Innenfläche der Sclerotica, er wird hinten vom Lig. ciliare, vorn von der Verbindung des Orbiculus mit der Cornea geschlossen und hat eine Breite von etwa 0,6“. Am vordern innern Theile des Strah-. lenkörpers sieht man nach Entfernung des Pigmentes zwischen den Strahlenleisten an der inneren Fläche ausser den Blutgefäs- sen noch queerlaufende und in Netze vereinigte festere Fibern, von denen der Verf. für wahrscheinlich hält, dass sie Muskel- fasern sind, dieselben kommen indess dem Gewebe des Ciliar- körpers allein zu, nicht den Ciliarleisten oder Fortsätzen, wel- che ungleich zarter sein, keine contractilen Organe enthalten und daher auch nur zur Anheftung an die Zonula, nicht zur Hervorbringung einer Bewegung dienen sollen; dieselben er- reichen auch nicht den Rand der Linsenkapsel, sondern ihre Enden sind von diesem noch durch einen etwa 0,3“ schmalen Zwischenraum getrennt. Die Einwirkung des Ciliarkörpers auf die Bewegung der Krystalllinse beim Nahesehen wird nun folgendermaassen er- klärt. Die Messung mit einem Glasmikrometer ergab, dass bei Betrachtung eines 5” dem Auge nahen Gegenstandes gleich nach dem Sehen in die Ferne das Vorrücken der Iris 4 be- trug. Hierzu die Entfernung der Uvea von der vorderen Lin- senfläche = 0,25 gerechnet, ergiebt 0,75‘ als das Maximum der Ortsveränderung der Linse. Verf. hat eine im Anfange der Schrift mitgetheilte, auf Krause’s Messungen der Dimen- vu sionen des Auges und Brewster’s Angaben der strahlenbre- chenden Kräfte der Augenmedien gestützte Rechnung ange- stellt, aus welcher hervorgeht, dass ein so geringes Vorrücken der Linse nicht hinreicht, ein nahes Object deutlich auf der Netzhaut abzubilden. Es muss demnach mit der Vorschiebung der Linse zugleich ihre Wölbung sich mehren, welches durch eine Compression von der Seite her bewirkt wird; eine Ver- kürzung ihres Queerdurchmessers um ein Achtel ergiebt sich bereits als zulänglich. Der Ciliarkörper soll nun sowohl jene Bewegung als diese Gestaltveränderung der Linse in folgender Art bewerkstelligen. Durch Zusammenziehung der von hinten nach vorn gerichteten Fasern des Ciliarkörpers wird auf die eckig hervorstehenden höchsten Punkte der hohlen Falten der Zonula, welche um die Linsenkapsel einen ringförmigen Wall bilden, ein Druck ausgeübt, welcher die in den Räumen die- ser Falten enthaltene Flüssigkeit in den gemeinsamen Canalis Petiti drängt, wodurch wiederum der Boden dieses Kanals zurückgepressi, und die um die Linse eine schiefe Ebene bil- dende Vorderfläche des Glaskörpers ausgehöhlt wird, wovon die weitere Folge ein Vorschieben der tellerförmigen Grube und der Linse ist, der Theil des Humor aqueus, welcher hier- bei aus seiner Stelle gedrückt wird, findet in dem vorderen Fontanaschen Kanale Platz. Jetzt tritt die Wirksamkeit der Ciliarleisten selbst ein. Der hintere in die Vertiefungen der ge eingesenkte Rand derselben, welcher im fernsehenden bogenförmig gekrümmt ist, wird durch das Vorrücken der Linse gestreckt und verhindert, indem er nicht weiter aus- gedehnt werden kann, das weitere Vortreten der Linse. Der fortgeseizte Druck des ausgedehnten Petit’schen Kanales auf den Glaskörper hat unter diesen Umständen eine Compression der Linse an ihrem Umfange, mithin eine grössere Wölbung derselben zur nothwendigen Folge. (Ref. räumt zwar ein, dass durch diesen Druck die Kapsel sich wölbe und beim Nachlass flacher werde, kann aber der behaupteten Gestaltveränderung der Linse selbst wegen der fast weichen Consistenz, ihrer grös- seren Weichheit und Zerreiblichkeit am Rande, und wegen des gänzlichen Mangels an Elasticität ihrer Substanz nicht beitreten.) Auch Burow (Beiträge zur Physiologie und Physik des menschlibhen Auges, Berlin, 1842) hat die Accomodation des Auges zum Gegenstande einer ausführlichen Abhandlung ge- macht. Er findet es zweckmässig, das kurzsichtige Auge nach „der Entfernung des Fernpunktes, das weitsichlige nach der Entfernung des Grenzpunktes zu bestimmen, und behauptet nach seinen Erfahrungen wider Hueck’s Meinung, ein nor- males Auge erblicke, ein vollkommenen Sehen in der Nähe, vu auch in der grössten Entfernung die Gegenstände so scharf begrenzt, gegentheils dass kein Concavglas sie schärfer zu zei- gen im Stande sei, dass diejenigen, welchen selbst die schwäch- sten Concavgläser entfernte Gegenstände nicht deutlicher zei- gen, mehr an die Weitsichtigen sich anreihen, indem bei ihnen der Grenzpunkt weiter von der Hornhaut entfernt liege. Ge- wöhnlich nennt man denjenigen kurzsichtig, dessen Fernpunkt noch unter 20 Zoll liegt; bei weitsichtigen Augen variirt der Grenzpnnkt von 20 zu 60 Zollen. Die gangbaren Hypothesen über das Wesen der Accomodation werden auch hier wieder- legt, im Besondern auch die Home’schen Versuche wieder- holt, wobei ein regelmässiges Schwanken der Hornhautwöl- bung nach der Distanz des Objeetes durchaus nicht wahrge- nommen werden konnte, und mit Recht gefolgert, dass die Adaption nicht durch eine Formveränderung des Augapfels überhaupt, sondern aus einer Veränderung im Innern des Bul- bus erklärt werden müsse. Aus Versuchen mit dem Optometer ergab sich, dass die durch Belladonnaextract bewirkte Erweiterung der Pupille al- lerdings in entsprechendem Verhältnisse mit der Focaldistanz des Auges zu- und abnahm, und die Abweichung dieses Re- sultates von dem Hueck’schen wird dadurch erklärt, dass in letztem nicht ganz richtig die Entfernung des Grenzpunktes für gleichbedeutend der Focaldistanz des Auges genommen wor- den ist, da doch jener Punkt nur die Nahegrenze des deutli- chen Sehens, und nicht die des circumseripten Netzhautbildes bezeichnet, vielmehr schon jenseit desselben eine Lichtzerstreuung auf der Netzhaut statt findet, mithin das Einfachsehen beim Scheiner'schen Versuch genauer die leiztgenannte Grenze, d.i. die Focaldistanz, bestimmt. Dem Bedingtiwerden der Adaption durch die Pupillenweite und einer möglichen Veränderung in der Convexität der Krystalllinse wird indess aus Gründen wi- dersprochen, auch gelang der Hueck’sche Versuch einer ab- wechseluden Verdeutlichung und Trübung des Netzhautbildes im Thierauge durch Verrücken der Linse mit einer Nadel nicht. Das von Volkmann wider die Dislocation der Linse bei ver- ändertem Refractionsstande aufgestellte Argument, dass eine solche zugleich eine veränderte Richtung der Sehstrahlen, mit- hin eine Verschiebung ihres Kreuzungspunktes zur Folge ha- ben, dass also auch die Bilder von Gegenständen, welche bei indirectem Sehen sich decken, auseinanderweichen müssten, wenn das Auge einer anderen Distanz sich adaptirt, wird nä- her beleuchtet. In dem mittelst Haarvisire angestellten Ver- suche Volkmann’s, durch welchen die Stabilität der Deckung unter obigen Umständen gezeigt werden soll, wird ein Mangel an Genauigkeit nachgewiesen und auf den Satz zurückgegangen, IX dass jene Kreuzung nicht identisch dem Augendrehpunkte sei. (Ref. erblickt hierin, — abgesehen davon, dass des Verfs. Ver- suche nur auf die Kreuzung der Richtungslinien, nicht auf die der Sehstrahlen sich beziehen — keine genügende Widerlegung, denn die von V. behauptete Consequenz ist nicht zu bestrei- ten, und es bedarf daher vorab noch wiederholter Versuche zur Ermittelung, ob jene Deckung bei verändertem Brechungs- stande eine bleibende oder veränderliche sei, um jenes Argu- ment umzustossen.) Durch Berechnung wird ferner gefunden, was auch schon Senf erwiesen hat, dass die als möglich denkbare Verschie- bung der Linse nicht hinreicht, eine solche Veränderung in der Brechung der Augenmedien hervorzubringen, wodurch die Ac- comodation im gewöhnlichen Sinne erklärt werden kann, dass nämlich abwechselnd ein vier Zoll vom Auge entferntes, und ' ein in der Unendlichkeit: gelegenes Objeet mit scharf begrenz- - ten Umrissen auf der Netzhaut sich darstellen können. Eine - Adaption in diesem Sinne exislirt aber auch nicht, denn nicht jedes Bild, welches wir vollkommen scharf begrenzt zu sehen - glauben, braucht sich deshalb auch ohne alle Zerstreuungskreise - auf der Netzhaut zu entwerfen. Diese Haut ist nämlich für Zerstreuungskreise von einer bestimmten Kleinheit unempfind- lich, und gerade bei den sogenannten Normalaugen stellen sich von Objecten, die in der Entfernung des deutlichsten Sehens betrachtet werden, Zerstreuungskreise auf der Retina dar, letzte werden erst dann empfunden, wenn sie eine gewisse Grösse - überschreiten, und Bilder erscheinen schon dann scharf begrenzt wenn sie auch von Zerstreuungskreisen von einer gewissen Kleinheit zusammengesetzt sind. Dieser Satz wird durch Beob- ‚achtungen darüber erwiesen, dass sowohl die Kurz- als die Fernsichligkeit durch ein nahe vor das Auge gehaltenes Löch- lein sich verbessern lässt, und dass durch ein solches Gegen- stände diesseit des Grenzpunktes in eben so scharfen Umrissen ‚ erscheinen als solche, welchen das Auge adaptirt ist. Jeder Zerstreuungskreis hat in der Mitte die, grösste, am Rande die .. geringste Liebtintensität. Der schwache Lichtreiz am Rande muss aber übertäubt werden von dem stärkeren Lichte des Centrums eines neben liegenden Kreises, wie stärkere Licht- > einwirkungen überhaupt schwächere auf demselben Netzhaut- punkte unterdrücken; daher werden die Zerstreuungskreise überhaupt viel kleiner, als sie wirklich sind, empfunden, wie ‚auch der Scheiner’sche Versuch zeigt, denn es müsste an- ‚ders die Breite des Zerstrenungsbildes gleich dem Abstande im Doppelbilde dieses Versuchs gesehen werden. Durch einige . Modificationen des Versuchs mit der Doppelöffnung wird fer- mer anschaulich dargethan, dass die unempfindbaren kleinen x Zerstreuungskreise selbst unter dem Einflusse des sich verän- dernden Pupillenstandes das deutliche Sehen von Gegenständen verschiedener Entfernungen zu bedingen nicht vermögen. Hier- her gehören die wechselweise Verkleinerung und Tre rung in der Distanz des Doppelbildes des zu nahen Gegen- standes, wenn die Axe des andern Auges derjenigen des se- henden sich nähert, oder von ihr entfernt, und das alternirende Einfach- und Doppelterscheinen der nähern und entferntern Gegenstände bei der Intention, in die Nähe oder Ferne zu sehen. Auf demselben Wege wird nachgewiesen, was bisher von den Physiologen wenig beachtet worden, dass die durch Lichtreiz bewirkte Contraction der Pupille zugleich einige Ver- kürzung des Refractionsstandes, so wie ihre Erweiterung den entgegengesetzten Zustand des Auges zur Folge hat. Denn beim Sehen durch die Doppelöffnung veranlasst eine rasche Erhellung des Raumes eine Annäherung des Doppelbildes des zu nahen Objects, und ein Auseinanderweichen desselben von einem ‘zu entfernien, umgekehrt bei verminderter Helligkeit. Aus derselben Ursache erklären sich auch zwei andere Beob- achtungen, nämlich, dass, wenn beim Lesen die Schrift durch ein Licht über dem Kopf des Lesenden plötzlich erhellt wird, für einen Augenblick die Buchstaben sich verundeutlichen, und dass man die Schrift, welche gerade in der Entfernung vom Auge ist, wo man sie am leichtesten erkennt, ein wenig ent- fernen muss, wenn man beim Lesen das eine Auge schliesst, wodurch die Pupille des andern sich erweitert. Der Verf. hat ferner die Sehweite der verschiedensten Au- gen mittelst des Scheiner’schen Versuchs geprüft, in welchem die grösste Nähe des Einfacherscheinens die Focaldistanz, oder das Maximum der Refraction, die grösste Ferne desselben das Minimum und die Distanz zwischen beiden Punkten die Adap- tionsweite des Auges giebt, und gefunden, dass bei keinem Auge die Adaptionsweite von vier Zollen bis ins Unendliche geht. Es hat sich ferner gezeigt, dass zu jedem Minimum des Refractionsstandes immer ein bestimmtes Maximum gehöre, dass aus der Messung eines von beiden das andere ungefähr vorher bestimmt werden kann, und dass die Adaptionsweite mit der Focaldistanz wächst; je stärker bei einem Individuo die Re- fractionskraft der Augenmedien, desto kürzer die Adaptions- weite und Vice versa. Wichtig sind die von dem Verf. auf- geführten Beobachtungen, nach welchen durch Veränderung der Focaldistanz des Auges mittelst vorgestellter Convex- und Concavgläser verschiedener Brennweite für die Adaptionsweite des so bewaffneten Auges sich Werthe heraustellen, welche mit ungefährer Genauigkeit den in der Tabelle durch Ausmes- sung verschieden stark brechender Augen gefundenen entspre- * . N: > xı chen, so dass man an demselben Auge durch Vorsetzen ver- ‚schiedener Gläser alle möglichen Adaptionsweiten herbeiführen kann. Hieraus sieht man, dass ein und dieselbe Veränderung im Innern des Auges die Anpassung für sehr verschiedene Wei- ten bewerkstelligt, je nachdem bei stärkerer Brechungsfähig- keit der Medien oder grösserer Krümmung ihrer Oberflächen die Focaldistanz eine andere ist. Nach dieser Voraussetzung und mit Rücksicht auf die unempfindbaren kleinen Zerstreuungs- kreise, welche die Deutlichkeit des Objectbildes nicht stören, erscheint aber der 0,75“ betragende Spielraum für die Dislo- cation der Krystalllinse zur Hervorbringung der erforderlichen Brechungsunterschiede allerdings ausreichend, und die Formän- derung derselben, wie Hueck sie annimmt, wird verworfen. Als bewegendes Organ der Linse nimmt Verf. mit Joh. Mül- ler den Ciliarkörper an, welcher durch Turgescenz und Ent- leerung seiner überaus reichen Blutgefässnetze ihre Verschie- bung bedinge. Hierin stimmt Ref. ihm bei, nicht aber in der Vermuthung, dass hierbei ein Austausch im Blutgehalte der Iris und des Faltenkranzes statt finde, indem jene sich entlee- ren soll, während dieser sich anfülle und umgekehrt, denn durch den Druck des turgescirenden Faltenkranzes auf die Zo- nula kann nur eine Vorwärtsbewegung der Linse bewirkt wer- den, wobei zugleich die Pupille sich zusammenzieht, so dass also Anfüllung und Entleerung des ersteren und der Iris viel- mehr gleichzeitig erfolgen. 2. Grenzen des Sehvermögens. Die Grenzen des Sehvermögens hat Hueck (in Müller’s Archiv 1840. Heft 1. S. 82. 97.) durch Versuche am eignen Auge und darauf gegründete Rechnung genauer zu bestimmen gesucht. Der Bereich der Visio obliqua bildet ein Hohlkugel- segment, dessen Umfang zu messen H. nach Purkinje’s Vor- nge eines durch Radien abgetheilten Kreissegmentes sich be- ente, welchem er aber eine solche Stellung gab, dass das imaginäre Centrum desselben mit dem Drehpunkte des Aug- apfels zusammenfiel. Er fand nach aussen von der Sehaxe einen Umfang von 410°, nach innen von 70°, nach unten 95°, nach oben 85°; beide Augen übersehen also beim Blick in die Ferne 220° des Horizonts. Die möglich grösste Ablenkung der Sehaxe von der Centralrichtung beträgt nach jeder Seite hin 45°; wegen des entgegenstehenden äusseren Orbitalran- des wird durch diese Bewegung indess der Gesichtskreis nur auf 260° erweitert, Da der Kopf nach jeder Seite sich um 75° drehen kann, so greifen die Grenzen der Gesichtskreise P>77 Xu beider Augen hinter dem Rücken des sich Umsehenden über- einander. Anlangend die Grenze der Gesichtsschärfe oder das kleinste in der Mitte des Sehfeldes noch empfindbare Netzhautbildchen (Minimum visibile), so ergab sich aus mehreren Hundert von verschiedenen Individuen angestellten Beobachtungen, dass ein weisser Punkt auf schwarzem Grunde bei einer Entfernung vom Auge, in welchem der Sehwinkel 10 Secunden, und das Netzhautbildchen 0,00026‘“ beträgt, verschwindet, ein weisser Strich auf schwarzem Felde aber noch unter 2” Sehwinkel gesehen wird. Richtiger ist die Bestimmung nach dem Seh- winkel des verschwindenden schwarzen Punktes auf weisser Fläche, und dieser beträgt 20“, welcher demnach als Grenze der Gesichtsschärfe anzunehmen ist. Die Grenze der Unter- scheidbarkeit zweier Gesichtsobjecte, als welche schwarze Punkte oder Striche auf weissem Grunde, oder Medaillen in gestrichel- ter Manier gewählt wurden, fand sich gleich einem Sehwinkel von 56,8”, oder einem Netzhautbildehen von 0,0015”; dieselbe fällt mit der Grenze der Unterscheidbarkeit der Farben auf farbig gestreiften Flächen zusammen. Dieser Sehwinkel reicht aber nicht hin, um an einem kleinen Gesichtsobjeete zugleich die Form zu erkennen, nach Beobachtungen an kleinen Qua- draten sind hierzu 2’45”, oder ein Bild von 0,0045‘ erfor- derlich, welches der Grenze, bis zu welcher eine Abweichung in der Richtung der Augenaxe noch wahrgenommen wird, beiläufig gleichkommt; zur Unterscheidung eines weissen Qua- drats auf schwarzem Grunde bedarf es übrigens eines grösse- ren Bildes, als bei einem schwarzen Quadrate auf weissem Felde. Mariotte’s Fleck wird von H. nach einer eigenthüm- lichen Methode als ein Oval mit auslaufenden Verlängerungen, und fast conform den Angaben Brewster’s und Griffin’s, in 14° Entfernung vom Netzhauteentro bestimmt, und die nicht- sehende Stelle dem Eintritte der Centralgefässe zugeschrieben (richtiger der Insertion des Sehnerven, weil der nahe 5° Breite haltende Fleck für den Anfang der Gefässe einen zu grossen Umfang hat, und aus andern von Griffin angegebenen Gründen). Die Stelle erscheint nicht als Fleck, sondern vermöge einer er- gänzenden Empfindung in der Qualität des Grundes; so sieht man auch einen hindurchgehenden Strich ohne grosse Aufmerk- samkeit nicht unterbrochen und glaubt auch die Ecke eines Qua- drats, welche gerade auf jene Stelle fällt, wahrzunehmen. Es sind weiterhin mit dem oben erwähnten Apparate Ver- suche angestellt über die Grösse des Netzhautbildes, unter wel- chen in verschiedenen Graden der Seitenansicht die Objecte ver- schwinden und ihre Unterscheidbarkeit aufhört, Es zeigte sich hierbei, dass die Entfernung zweier Striche voneinander vier- ER > XI mal grösser sein muss, als das Bild eines schwarzen Fleckes bei gleicher seitlicher Abweichung, um sie als getrennt wahr- - zunehmen. Das zum Erkennen der Form nöthigeBild in der Visio obligua muss zehnmal grösser sein als dasjenige, welches die Grenze der Sichtbarkeit bestimmt, und an der äussersten Grenze der Netzhaut ist die Perceptibilität so gering, dass bei- nahe vier Grade des Kreises auf ein empfindbares Bild gehen. Beim möglichst raschen Lesen kommt auf jeden Blick ! Secunde, und ein gleicher Zeitraum auf die Bewegung zwischen zwei Blicken, wie man an der Seceundenuhr abmessen kann, daher nur drei Blicke innerhalb einer Secunde statt finden, von de- nen jeder zwölf Buchstaben umfasst, es bleibt sonach für jeden Buchstaben „; Secunde als Maximum der Schnelligkeit des Se- hens. Diese mühsam eruirten und in ihren Verhältnissen wich- tigen Bestimmungen der Grenzen, welche dem Gesichtssinne durch die Natur seines Organs gesteckt sind, dürften nach Ref. Dafürhalten gleichwohl mehrfachen Abweichungen nach der Individualität des Auges sowohl hinsichtlich primitiver Anlage, als durch Uebung erworbener Fähigkeit, und nach den Beleuch- tungsgraden unterliegen, wie denn schon der von Purkinje gefundene Umfang des indireeten Sehens in engere Schranken, als die von H. angegebenen, eingeschlossen ist. Eine fast ver- gessene Abhandlung von Tobias Meyer in den Göttinger Commentationen, T. IV., sistens experimenta circa visus aciem, enthält schon Treffliches über diesen Gegenstand. 3. Raumbeziehung des Sehens. Volkmann (in Müller’s Archiv. 1839. S. 233 — 244.) hat über die Oertlichkeit des Schattenfeldes und der Blen- dungsbilder Betrachtungen angestellt, welche sich auf seine Grundansicht vom Entstehen der Raumbeziehung des Gesichts- sinnes überhaupt stützen. Schattenfeld nennt er mit Pur- kinje die Erscheinung des Schwarzen bei geschlossenen Au- gen, dasselbe wird in der Mitte am deutlichsten empfunden, und geht nach aussen hin ohne wahrnelmbare Grenzen all- mählig in das Bewusstlose über; dem Verf. (so auch Referen- ten) erscheint es als queere Ellipse, Anderen kreisrund, noch Anderen bohnenförmig. Es werden nun die bekannten Phä- nomene hervorgehoben, dass das Schattenfeld in der vordern Hälfte des Gesichtskreises erscheint, dass sowohl dieses Feld als die Blendungsbilder dem willkürlich bewegten Auge folgen, bei Verschiebung des Auges durch Fingerdruck hingegen un- bewegt bleiben, und die minder bekannte Erscheinung hinzu- gefügt, dass die durch Fixirung eines Kerzenlichts veranlassten XIV Blendungsbilder sich auch dann nicht bewegen, wenn man mit beiden Augen nach innen schielt. Mit Recht wird dieses Verhalten der subjeetiven Bilder darauf zurückgeführt, dass die Empfindung der bei den Bewegungen des Auges thätigen Augenmuskeln mit der Wahrnehmung der Netzhautaffectionen sich combinirt, und dadurch eine Veränderung der Raumbe- ziehung oder scheinbare Bewegung des Bildes hervorruft, wäh- rend die Contraction anderer vom Sehorgane unabhängiger Muskeln, durch welche eine passive Bewegung desselben be- wirkt wird, auf die Vorstellung der Oertlichkeit ohne Einfluss ist, und dass wir die Centralbilder der Netzhäute in den Kreu- zungspunkt der Sehaxen (richtiger in die Mittelaxe Ref.) ver- legen, daher ihre Einheit bei Behauptung der Centra durch keine willkürliche Bewegung der Augen gestört werden kann. Wir räumen ferner ein, dass die Uebertragung der Gesichts- vorstellungen auf Aussendinge durch Erfahrung vermittelt werde, sofern unter Aussendingen die uns fremden Objecte im Ge- gensatze zu den Theilen unsers Körpers als des unsrigen ver- standen werden, indem dieser Gegensatz durch die Wahrneh- mungen bei der Muskelthätigkeit und Betastung zum Bewusst- sein gelangt, wie schon früher Ref. (die Sinne des Menschen in den wechselseitigen Beziehungen ihres psychischen und or- ganischen Lebens, Münster 1827, S. 321—323.) auseinander- esetzt hat. Diese Uebertragung aber, welche in Folge eines enkprocesses geschieht, ist wohl zu unterscheiden von der Raumbeziehung beim Sehen, oder der Anschauung der Oert- lichkeit überhaupt, letzte ist eine ursprüngliche, dem Sinne immanente und von anderweiten Erfahrungen, welche über- haupt nicht im Stande sein würden, eine Verlegung des Netz- hautbildes in den Raum zu veranlassen, ganz unabhängig. Die räumlichen Tastvorstellungen bestimmen nicht die Gesichtsan- schauung, und ein etwaiger Widerspruch zwischen jenen und dieser hat nur eine Correction des Sehens im Urtheile, nicht im Bilde zur Folge, wie vielfältige Beobachtungen beim Sehen durch lichtbrechende Medien, welche die Raumverhältnisse des Bildes abändern und bei gleichzeitigem Tasten darthun. Die Relation der Centralbilder der Netzhäute nach dem Kreuzungs- punkte ist daher auch nicht, wie V. meint, Folge der Nöthi- gung, zum deutlichen Sehen die Sehaxen dem Öbjeete zuzu- wenden, und der Erfahrung, dass das fixirte Object in diesem: Punkte sich befinde; wir erlangen nämlich anderswoher nir- gends Kenntniss von der Lage des Kreuzungspunktes, und sehen überdies die Gegenstände diesseit und jenseit der Horopterflä- che ungeachtet der Gegenvorstellungen des Tastens doppelt, zwei Punkte aber, welche in beiden Sehaxen erhalb der Kreuzung liegen, dreifach. Wäre es nur die Gewohnheit, XV den Gegenstand mit beiden Sehaxen zu fixiren, welche bei Verlegung desselben in den Kreuzungspunkt die Annahme der Tasterfahrung durch den Gesichtssinn veranlasste, so würden bei oft wiederholtem Versuche die Axen diesseit oder jenseit des Objectes sich schneiden zu lassen, die dadurch hervorgerufe- nen Doppelbilder in Folge derselben Belehrung am Ende sich in einfache verwandeln müssen, welches doch nicht der Fall ist. Die Relation der Centralbilder nach dem Kreuzungspunkte ist vielmehr unmiitelbare Folge der Coincidenz der Richtungs- linien der Netzhautmittelpnnkte mit der Mittelaxe, welche der primitiven Identität dieser Punkte in der Gesichtsvorstellung entspricht, und in der ursprünglichen Einrichtung dieses Sinnes =; beruht. , h Die von Fleischmann mitgetheilte seltene Gesichtstäu- schung des Fernrückens der Gegenstände, welche bei einem Manne vorkam, dessen linkes Auge nach einem schweren Falle auf das Vorderhaupt einwärts gerichtet war, erklärt Hueck (in Müller’s Archiv 1840. Heft I. S. 76.) richtig aus der Messung der Distanz der Gesichtsobjecte nach dem parallacti- schen Winkel der in ihnen sich’ schneidenden Sehaxen, wel- cher wiederum nach dem Contractionsgrade der die Axen ge- geneinander neigenden inneren geraden Augenmuskeln bestimmt wird, indem bei krankhaft geschwächter Thätigkeit eines an- tagonistisch wirkenden Abducenten, und dadurch entstandenem Uebergewichte des inneren, die Gesammtanstrengung beider in- neren, zur Fixirung eines Objectes geringer als im Normalzu- stande, mithin einer grösseren Distanz entsprechend sein muss, daher nahe Objecte als entfernte erscheinen müssen. Die durch Volkmann näher bestimmten Richtungslinien des Sehens sind von Burow (Beiträge zur Physiologie und Physik des Auges) einer abermaligen Untersuchung unterwor- fen worden. Derselbe beweist zuvörderst, dass das Auge nur um einen Punkt sich drehe, und findet mittelst einer Modi- fieation des Volkmann’schen Apparates den Drehpunkt 5,42 Linien hinter der vordersten Stelle der Hornhaut liegend, wel- ‚ches mit der Angabe des letzten ziemlich übereinstimmt. Er läugnet aber, dass, wie Volkmann behauptet hat, der Dreh- .. eins mit dem Kreuzungspunkt der Richtungslinien und r Sehstrahlen sei, und verwirft die von V. zum Beweise dieses Satzes unternommenen Versuche theils als unzulänglich, weil die geringsten Schwankungen in der Beobachtung sehr beträchtliche Abweichungen im Resultate herbeiführen, theils auch als unrichtig, wie die am Kaninchenauge angestellten Beobachtungen, bei deren Wiederholung die Flammenbildchen - nicht deutlich genug hervortraten, um die Richtung der Seh- strahlen zu finden; auch gelang es nicht, das Auge so zu stel- * xXVvI len, dass bei Drehung der Scheibe das Netzhautbildchen in der bezeichneten Richtung verblieb, da dasselbe jedesmal seitwärts auswich. Ref. verweiset hierbei auf das in dem Berichte pro 4838 über die Unzuverlässigkeit dieses Versuchs und über die Nothwendigkeit der Unterscheidung der Richtungslinien von den Sehstrahlen Bemerkte, da V’s. Untersuchungen überhaupt nur über die Richtung und Kreuzung der letzten Aufschluss zu ertheilen geeignet sind. Wenn aber von dem Versuche mit den Stecknadeln zur Bestimmung des Kreuzungspunktes im menschlichen Auge gesagt wird, das V. ihn wohl nie ange- stellt habe, weil es geradehin unmöglich sei, bei indirectem Sehen die Nadeln in Deckung zu bringen, so muss Ref. er- widern, dass ihm dieses allerdings gelungen ist, und er über- haupt den Versuch bestätigt gefunden hat. Der Verf. fand hingegen durch Drehung des Auges die beim direeten Sehen sich deckenden Objecte in der Art auseinanderweichend, dass das entferntere näher der Augenaxe erschien und erklärt das Phänomen aus der Interception eines Theils vom Zerstreuungs- kreise des ausserhalb der Klarweite liegenden Gegenstandes durch die Iris während der Schrägsicht, indem von jedem Punkte, welcher mehr als 20° von der Axe des Auges ent- fernt liegt, der Axenstrahl von dieser Haut bereits abgefangen werden soll. Zur Auffindung der Richtungslinien wird nun eine neue Methode angewendet, die sich auf das beim Hindurchsehen durch zwei Kartenöffnungen entstehende Doppelbild einer dies- seit der Klarweite gehaltenen Stecknadel gründet. Durch ge- naue Messung des Zwischenraumes im Doppelbilde unter ver- schiedenen Distanzen der Nadel vom Auge, und darauf ge- stützte trigonometrische Berechnung wurde das den früheren Ansichten durchaus widersprechende Resultat gewonnen, dass der Kreuzungspunkt der Richtungslinien des Sehens kein con- stanter sei, sondern um so weiter von der Netzhaut abrücke, je grösser der Abstand der Netzhautbilder vom gelben Flecke wird, bei einer Distanz der Netzhautbilder von 0,12’ schon 4,5“ vor der Hornhaut liege, auf 8,8“ aber wachse, wenn jene Distanz sich auf 0,25 vergrössere, wodurch die Identi- tät des Kreuzungspunktes mit dem Drehpunkte zugleich ver- neint wird. Dass dieses auffallende Ergebniss nicht richtig sein könne, erhellt aber schon daraus, dass der Kreuzungs- punkt der Sehstrahlen im Auge, also hinter demjenigen der angeblichen Richtungslinie sich befindet, mithin diese von jenen ‚abweichen, und die Gegenstände nicht nur nicht an ihrem wirklichen Platze, sondern auch in viel engere Grenzen zu- sammengedrängt gesehen werden, überdies eine ungeheure Ver- wirrung im Sehfelde entstehen müsste, indem nebeneinander % in } FE xvio liegende Objecte unter gewissen Umständen ineinander, unter anderen in umgekehrter Nebenlage je nach ihrer Entfernung vom Auge erscheinen würden, wie Fig. 1. zeigt. Es seien a, c, d, 5 vier Punkte im Horopter, Al die Augenaxe, o die Kreuzung der Sehstrahlen, so wird das Netzhautbild von «a in e, das von c in /, jenes von d in g, endlich das von 2 in h sich entwerfen. Istnun m als der Kreuzungspunkt der Rich- tungslinien für & und f, und n als derjenige für A und e an- genommen, so wird A nach der Richtung hr referirt u. s. w., d erscheint also in d, d in d’, a in a’ und c inc‘, es ver- wandelt sich mithin aus der Ordnung ac dd durch Versetzung _ der äussern Glieder nach innen und der innern nach aussen in die Ordnung c’ a‘b’d’, und die Breite a5 erscheint in cd zu- ‚sammengedrängt. Es bedarf nicht erst der Bemerkung, wie _ unverträglich diese Folgerung mit einer richtigen Wahrnehmung der Grössenverhältnisse und den Aussprüchen des Tastsinnes " sein würde. Die Entstehung des Irrihums erklärt sich bei der Wahrheitsliebe, mit welcher der Verf. an die Untersuchung ge- gangen zu sein scheint, aus zwei Ursachen, einmal daraus, dass das Doppelbild im Scheiner’schen Versuch ein mattes und keinesweges eircumscriptes, sondern undeutlich begrenztes ist, wodurch die genaue Messung des Intervalls der Grenzen ge- hindert wird, sodann aus einer bei diesem Versuche unwill- kürlich gern eintretenden Veränderung im Refraclionsstande des ohne Zielpunkt schauenden Auges, wovon ein Schwanken des Zwischenraumes im Doppelbilde die Folge ist. Je mehr nämlich der Brechungsstand des Auges sich verkürzt und dem- jenigen nähert, welcher dem zu nahen Gegenstande entspre- chen würde, desto näher rüeken sich auch beide Bilder, sie entfernen sich voneinander, wenn das Auge einer grösseren Distanz sich accomodirt. Gegen den letzten Einwurf verwehrt zwar der Verf. sich durch die Versicherung, dass seinem Auge die Fähigkeit, den Brechungsstand zu ändern, gänzlich abgehe, obgleich er anderswo angiebt, zwischen 7 und 10 Zollen Ent- fernung ziemlich deutlich zu sehen, daher die Existenz dieses gewiss höchst seltenen, von Ref. noch nicht beobachteten Man- gels bei ihm auf sich beruhen möge. A ’ Y ” 4. Einfachsehen, Augen hat Bartels durch Nachweisung des Schnervenursprungs einem monophthalmischen Lamme in einer philosophischen uralschrift: de usu, quem praebet agnus eyclops strosus in explieatione visus simplicis ope bino- - Die organische Bedingung des Einfachsehens mit beiden | Müllers Archiv, 1642, B & XV rum oculorum, zu ergründen gesucht. Obgleich die ursprüng- liche Beziehung des Einfachsehens auf die Cyelopie überhaupt schon früher mehrfach ausgesprochen, aber durch die Entwicke- lungsgeschichte des Sehorganes noch nicht gehörig begründet worden ist, auch vorliegende Arbeit dieselbe noch keinesweges deutlich macht, so führt sie doch durch genauere Darlegung des bei dieser Hemmungsbildung statt findenden anatomischen Ver- hältuisses der Erkenntniss dieses Zusammenhanges vielleicht ei- nen Schritt näher. Es war eine unvollkommene Verschmelzung der Sehorgane vorhanden, die Breite des Cyelopenauges war doppelt so gross als seine Tiefe, es enthielt zwei durchbohrte Regenbogenhäute, zwei Linsen, zwei Glaskörper und zwei Fal- tenıkränze, die Sclerotica hatte im senkrechten Axendurehschnitte einen ringlörmigen Vorsprung, der einfache Sehnery trat in die Mitte der Hinterwand des Bulbus ein, und breitete sich in eine gemeinschaftliche Netzhaut aus, welche mit einem von der Ein- tritisstelle zwischen beiden Linsen vorwärtsreichenden faltigen Forlsatze versehen war. Die Hirnhemisphären fehlten, das grosse Gehirn erschien einfach und ohne Spalte, unter ihm nach vorn lag in der Mitte der einfache Sehnerv. Dieser ent- sprang mit drei Wurzeln, einer mittleren und zwei seitlichen, von den Vierhügeln. Die mittlere wurde zuerst unten im vor- deren Theile der Testeshügel als ein der Länge nach getheilter graner Zapfen sichtbar, welcher einen weissen Zapfen umgab. Der letzte verband sich durch ein weisses Markbündel mit den seitlichen Wurzeln, indem er den unteren und mittleren Theil des Nerven ausmachte. Jede der Seitenwurzeln erschien als ein weisser markiger Zapfen, welcher von grauer Substanz zwiebelarlig umschlossen wurde, und verlor sich im Vorder- paare der Vierhügel, olıne bis zu den Testibus zu reichen, aus welchen der Markzapfen der mittleren Wurzel hervorkam. B. sagt nun ferner: die Vierhügel bilden in den Seitenwurzeln Knoten, und wegen des Zusammenhanges der hinteren mit den vorderen ist zu schliessen, dass die Verbindung der seitlichen Nervenwurzeln in den hinteren sich befindet. Die Fortsetzun- gen der drei Wurzeln verlaufen nebeneinander in einer gemein- samen Scheide der harten Hirnhaut zum Augapfel, nach deren Entfernung man eine Längsfurche in der Mitte als Andeutung zweier sich begleitender Nerven wahrnimmt. Er geht dem- nächst auf Huschke’s Untersuchungen über die erste Bildung, ‚der Augen zurück, nach welchen beide zusammen anfänglich als eine einfache Blase (Retina), durch einen einfachen Kanal, den noch hohlen Sehnerven, mit der Gehirnblase verbunden, entstehen, welcher durch eine Faltung in der Mitte, die bis zum Gehirn sich rückwärls erstreckt, in zwei sich sondert, die sich vollständig formiren und auseinander weichen. Diese XIX Falte ist eins mit dem mittleren Netzhautfortsalze im Cyeclo- penauge, welches auf der Stufe der beginnenden Sonderung verblieben ist. Bei dem Auseinandertreten sollen nun die Bulbi der Säugethiere zugleich eine solche Axendrehung beschreiben, dass die innere Seile eines jeden nach unten zu liegen kommt, "worauf bei diesem Monstro auch die verticale Stellung der Pu- illen hinweise. Nach der Trennung sollen daher sowohl die A neeien als die inneren, oberen und unteren Seiten der Netz- häute einander 'entsprechen. (Bei der divergirenden Stellung der Augen empfangen allerdings die äusseren, nicht aber die in- neren Theile der Netzhäute Bilder desselben Gegenstandes, Ref.) Im Menschen. meint Verf., gehe diese Axendrehung nicht vor sich, daher die Correspondenz der Netzhäute sich anders ge- stalte. (Darin liegt indess nicht die gesuchte Erklärung, wel- ches B. auch selbst einräumt, indem er zur Begründung des Einfachsehens Zuflucht zum Urtheile und zur Gewohnheit nimmt, und dadurch die Eingangs aufgestellte richtige Ansicht von dem organischen Ursprunge desselben wieder aufgiebt. Ref.) 5, Stereometrisches Erscheinen der Gesichts- objecte. Wheatstone (Beiträge zur Physiologie des Gesichtssin- nes, in Poggend. Ann. Bd. I. St. 1., Ergänzung) hat die Be- merkung, dass ein Gegenstand von drei Dimensionen, mit bei- den Augen zugleich betrachtet, jedem derselben eine verschie- dene Ansicht darbielet, welche nur in dem Falle einer so be- deutenden Entfernung, dass die Richtung der ihn fixirenden Sehaxen fast als parallel anzusehen ist, sich ausgleicht. zu wissenschaftlichen Folgerungen benutzt, welche eine nähere Prüfung erfordern. Da nämlich die beiden Netzhautbilder ei- nes jeetes in Relief, sei es eine Linie, Fläche oder ein ee parallel stehen, die Netzhautbilder t sind. Werden nun von einem Gegenstande B xx gelegt, und wird alsdann den Sehaxen eine solche Richtung gegeben, dass sie durch die Mitte der Bilder hindurchgehen und jenseit derselben sich schneiden, so erscheinen beide nicht allein nach bekanntem Gesetze vereinigt, sondern zugleich an- statt der ebenen Darstellung in deutlichem Relief; es ist mit- hin der Eifeet der perspectivischen Bilder der nämliche, wie der des gesehenen Gegenstandes selbst, weil jene auf dieselbe Weise wie dieser auf beiden Netzhäuten abgebildet werden. Die Erscheinung bleibt sich gleich, wenn die Zeichnungen ge- wechselt werden und die Sehaxen sich vor ihnen schneiden. Die Verschiedenheit der Bilder wird hierbei nicht wahrgenom- men, sondern verliert sich in die Darstellung der dritten Di- mension, wogegen die durch veränderte Richtung der Sehaxen entstehenden Doppelbilder sofort wieder flächenhaft erscheinen. Man kann das Phänomen fisiren, wenn man die leicht wan- kende Richtung der Sehaxen jenseit durch zwei Röhren oder diesseit durch einen Kasten mit einer Oeflnung in der Vorder- wand sichert, man entgeht aber dadurch nicht der Undeutlich- keit, welche den Bildern vor oder hinter der Axenconvergenz vermöge des unpassenden Brechungszustandes anklebt. Diesen Uebelstand zu beseitigen, hat Wheatstone sehr sinnreich sein Stereoskop erdacht, ein Werkzeug aus zwei rechtwinklig zu einander geneigten Spiegeln bestehend, deren Verbindungskante dem Beobachter zugekehrt ist, und aus zweien rechts und links gleich weit von den Spiegeln verlical aufgestellten, von vorn nach hinten gerichteten Fäden, an welchen die Perspectivzeichnungen so befestigt werden können, dass ihre Reflexbilder hinter den Spiegeln genau zusammenfallen. Weil die Bilder in den Spie- geln sich umkehren, so muss man die für das rechte Auge gefertigte Zeichnung links, die andere rechts anbringen, und das Instrument so halten, dass der Winkel, in welchem die Spiegel zusammenkommen, der Nasenwurzel gegenüber stehe, mithin jedem Auge nur das eine der refleclirten Bilder sicht- bar ist; alsdann sieht jedes Auge einzeln bei geschlossenem andern sein Bild als planimetrische Contourzeichnung, beide zusammen geöffnet hingegen sehen die Figur, von welcher die Projectionen genommen sind, im schönsten Relief. Werden die Bilder gewechselt, so kehrt letztes sich um, so dass z. B. anstatt eines dem Auge abwärts sich nähernden Strichs ein in derselben Richtung sich entfernender, anstatt einer Pyramide mit zugewendeter Spitze eine mit abgewendeter, anstatt eines Kegels sein Trichlers, anstatt eines Kegelabschnittes derselbe mit umgekehrten Basen gesehen wird. Aus diesen und einigen anderen, auf dasselbe Princip sich reducirenden Versuchen wird nun gefolgert: 1) dass durch die gleichzeitige Wahrnehmung zweier verschiedener, dem Gesichtspunkte jedes Auges entepresg 4 PU XXI chender Perspeclivansichten eines Objects von drei Dimensio- + nen eine lebhafte Vorstellung seines körperlichen Bestehens hervorgerufen werde; 2) dass die Lehre von der Identität cor- respondirender Netzhautpunkte in der räumlichen Anschauung und von der Differenz der in ungleichen Abständen oder Rich- tungen vom Netzhaufcentro liegenden Punkte unrichtig sei, ‚indem beide Netzhautbilder desselben Körpers oder seiner zwei Perspectivzeichnungen, ungeachtet ihrer verschiedenen Gestalt, dennoch eine einzige in sich congruente Anschauung erzeugen, mithin derselbe Objectpunkt auf heterogenen Netzhautstellen abgebildet hier einfach und verschiedene Punkte, auf correspon- date Stellen fallend, getrennt gesehen werden müssen. Nach Ref’s Urtheile ist der erste dieser Folgesätze aller- ‚diugs wohl begründet, sofern nicht das erwähnte Verhältniss ‚beider Bilder als alleinige, oder selbst nothwendige Bedingung der stereometrischen Ansicht des Objectes, sondern nur als eins der bedingenden Momente, durch dessen Hinzutreten die Vorstellung der dritten Dimension die überzeugendste Leben- digkeit erlangt, anerkannt wird, eine Kugel z. B. oder ein Ke- gel in einer gewissen Stellung liefern beiden Augen dieselbe Ansicht und werden dennoch körperlich gesehen. Jene ex- elusive Behauptung ist aber auch von dem Verf. nicht aufge- stellt worden. Ref. erklärt sich die Entstehung des Reliefs - in der Gesichtsvorstellung folgendermaassen. Die Dimension der Tiefe wird dem Gesichtssinne nicht von aussen durch die Liehteindrücke auf die Netzhaut gegeben. wie die linearen und planicentrischen Formen der Dinge, weil das Netzhautbild nur in zwei Dimensionen besteht, sondern ist reine Zuthat des Subjectes aus der in der angeborenen Anschauungsform des Raumes sich bewegenden Einbildungskraft. welche aus dem flächenhaften Bilde die Vorstellung eines Körpers schaflt, und hierin eben liegt eins der schlagendsten Argumente für die rückwirkende Selbstthätigkeit der Seele beim Gebrauche der Siune und für ihre Erhebung über das passive Empfangen der "äusseren Impressionen. Diese verkörpernde Function der Ein- bildungskrafl wird zwar von gewissen Gesetzen beherrscht, jedoch nicht mit der absoluten Nothwendigkeit und entschie- denen Gebundenheit, wie die Raumbeziehung in den beiden ersten Dimensionen, welche gänzlich und allein von der Oert- Ve: affieirten Netzhautstellen abhängt, sondern ihr ist erlalb ihrer Normen eine freiere Bewegung zugetheilt. So ögen wir in einem Flächengebilde nicht das Obere unten. Rechtsliegende links zu sehen, wohl aber beim Gebrauche Eines Auges eine perspeelivische Zeichnung abwechselnd und körperlich, manchmal sogar nacheinander erhoben erlieft zu schauen, wie die Zeichnung eines Würfels, XXI ua? welche zwei Vorstellungen erwecken kann, je nachdem die eine oder andere Fläche als vordere oder hintere gedacht wird, wodurch der Würfel eine ganz andere Lage erhält. Diese Phasen wechseln schon ohne Einfluss des Willens; sie können aber auch willkürlich hervorgerufen werden, wenn man den Gedanken der Vorder- oder Hinterlage einer bestimmten Flä- che aufmerksam festhält, und ibn in die Anschauung gleich- sam bineinträgt. Eben so gelingt es bei geschlossenem linken Auge, mit. dem rechten in einem Kreise auf Papier einen senk- rechten Strich, der durch das Centrum geht, wenn das Papier dem Gesichte vertical gegenüber gestellt wird, bei Fixirung eines der Endpunkte in sich folgenden Zeiträumen in der Ebne des Kreises, und wiederum diese Ebne schneidend zu schauen, so dass entweder das obere oder das untere Ende dem Beob- achter sich zukehrt, weil in der Wirklichkeit dieser drei Fälle die Richtung, welche der Strich im Netzhautbilde hat, die nämliche ist, hingegen ist es unmöglich, den Strich seitlich abweichen zu lassen, indem diese Neigung der Richtung sei- nes Netzhautbildes widerstreiten würde. Diese Illusionen, die stereometrische Erscheinung eines nahen Körpers, und das deutliche Auftreten der Tiefe in perspeclivischen Gemälden, wenn wir uns nur Eines Auges bedienen, setzen es ausser allem Zweifel, dass in den Gesichtsvorstellungen die dritte Dimen- + sion Werk der Einbildungskraft ist. und dass es nicht beider Netzhautbilder nothwendig bedarf, die Bedingungen ihres Er- scheinens zu erfüllen. Betrachten wir nun mit dem rechten Auge einen ihm nahe gestellten körperlichen Gegenstand, z. B. einen Würfel, der so gerichtet worden, dass Punkte verschie- dener Distanzen gleichzeitig ins Auge fallen, und fixiren vor der Hand einen seiner Winkel, so erscheinen die näheren und entfernteren Punkte wegen unpassenden Refraclionsstandes un- deutlich, und durch den Verdeutlichungsinstinct getrieben, folgt das Auge mit stelig sich verändernder Refraction den en relief geneigten Linien und Flächen, wodurch jedem Punkte seine unterschiedene Entfernung zugetheilt, und bei fortschreitender Brechungsbewegung in der Seele festgehalten wird; das Ge- schäft der Einbildungskraft besteht nun darin, durch Synthese der Theilbilder verschiedener Distanzen dem Ganzen die kör- perliche Gestalt zu geben; die etwa bekannte Form und Grösse, den Grad der Helligkeit, die Vertheilung von Licht und Schat- ten dienen ihr in diesem Acte als empirische Hülfsmomente, - auf welche allein sie hingewiesen ist, im Falle wegen bedeu-. tender Entfernung des Gegenstandes der Unterschied der Bre- ehungsstände für seine Partialbilder gleich Null ist; alsdann aber hat ihr Wirken einen freieren Spielraum, wodurch zu manniglalligen Tape OPER ich der Entfernung und ug E; ÄF 2 XXIH Körperform um so mehr Gelegenheit gegeben wird, als. wie gesagt, der Gedanke der Anschauung gern sich einverleibt. Der Wechsel des scheinbaren Reliefs bei Betrachtung von Plan- figuren zeigt indess das Unzulängliche der genannten Momente’ für die beharrliche Bestimmung dieser Dimensionsverhältnisse, und die Wichtigkeit der anderen Bedingung, welche der gleichzeitige Gebrauch beider Augen darbietet, wird vornehm- lich daraus klar, dass im Augenblicke der Oeffnung des zwei- ten Anges die Illusion aufhört. Wenn z. B., während das Planbild des Würfels stereometrisch, oder die Linie im Kreise geneigt gesehen wird, man die Hand vor dem andern Auge wegzieht, so wird die Anschauung angenblicklich wieder flä- ehenhaft, und die über das Papier hinausstrebenden Seiten treten in die Ebne zurück, indem dem Wirken der Einbil- dungskraft engere Schranken gesetzt werden. Ueberhaupt: ist es schwerer, mit beiden Augen die perspeelivische Ansicht einer Zeichnung zu gewinnen, als mit einem. Um die Weise des Zusammenwirkens beider Augen beim ‘_ Anschauen eines Objectes von drei Dimensionen einzusehen, betrachte man zuvörderst einen Metalldraht, welcher in der senkrechten Ebne der Mittelaxe (die der von der Schaxencon- enz zur Mitie der Verbindung der Drehpunkte beider Au- n gezogenen Linie), und nahe dem Antlitze in einer solchen eigung stehe, dass das obere inde näher als das untere sei. ird das obere Ende des Drahles mit beiden Schaxen fixirt, so erscheint derselbe bei scharfer Beobachtung als ein von die- sem Punkte aus abwärts divergirendes Doppelbild, weil er zu jeder Sehaxe eine andere seilliche Neigung hat, mithin seine zwei Netzhautbilder mit Ausnahme des fisirten Punktes difle- vente Netzhautstellen einnehmen, nämlich jedes Netzhauibild vom Netzhautcentro als dem Einheitspunkte seine Richtung nach oben und innen nimmt. Es wird unter diesen Umslän- den jedes der zwei Bilder von dem Auge seiner Seile wahr- genommen. Kolgen nun die Augen dem Drahte nach dem un- Fe und entferntern Endpunkte hin, so dass die Axenconver- genz mit steliger Verkleinerung ihres Winkels und zunehmen- der Entfernung vom Antlitze an der geneigten Linie forlgelei- tet wird, so folgt gleichmässig der Einbeilspunkt, und beide Bilder ändern continuirlich ihre Stellung zueinander so, dass sie in jedem Momente in dem eben fixirten Punkte sich zu reuzen scheinen, bis am unlern Ende angelangt zwei aulwärls divergirende Bilder gesehen werden, deren jedes dem Auge er enlgegengeselzien Seile angehört. Während dieser Bewe- gung wird nun die Distanz jedes Punktes nach der Grösse A parallaelischen Winkels der Schaxen geschätzt, welche von m emplindbaren Contraclionsgrade der beiden inneren gera- ® - XXIV den Augenmuskeln abhängt, und da sonach jeder folgende Punkt in weitere Distanz verlegt wird, so entwickelt die Ein- bildungskraft durch Vereinigung des Nachzeitigen in ein Gleich- zeitiges die Vorstellung der Richtung en relief, welche bei nun permanenter Fixirung eines Punktes festgehalten wird, wäh- rend die durch Undeutlichkeit matten Nebenbilder übersehen werden. Diese Thätigkeit der Seele beruht auf einem Abstra- hiren von der sich verwandelnden Gegenwart, und einem Fi- siren der sich gleiehbleibenden Succession. Neigt sich der Draht umgekehrt in die Nähe herab, so ist das Verfahren in Bildung dieser Vorstellung ein analoges mit steliger Vergrös- serung des Convergenzwinkels, und die zwei Bilder stehen im entgegengesetzten Verhältniss zu den Augen als im vorigen Falle. Werden nun von dem Drahle in der erstgenannten Nei- gung zwei Projeclionen, eine für jedes Auge, auf eine zur Mittelaxe senkrechte Ebne aufgenommen, so wird die Zeich- nung für das rechte Auge die Richtung nach rechts und un- ten, die für das linke nach links und unten darbieten, jede für sich wird in dem entsprechenden Auge ein gleiches Netz- hautbild wie der Draht selbst hervorrufen, und beide von ei- nem Kreise umgeben im Stereoscope also aufgestellt, dass die Spiegelbilder in der Mitte zusammenfallen, wie es nach ‚der. u in den Reflexen ein Kreuz darstellen (Fig. 2.), in welchem di Pr) E von Wheatstone angegebenen Einrichtung geschieht, van die 0 Linie ac allein vom Auge n, bd vom Auge m gesehen wird. Es erscheint auch dieses Kreuz anfänglich unverkennbar, und erst nach einigen gleichsam tastenden Bewegungen der Seh- axen verwandelt es sich, bei verschiedenen Individue ı nach einer grösseren oder geringeren Zahl von Secunden, in das Bild einer dem Drahte entsprechend geneigten Linie, welches aber noch durch die pausenweise auftauchenden und verschwin- denden Nebenbilder gestört wird. Da nämlich beide Netzhäute mit Ausnahme der Centralpunkte, welche der Kreuzungsstelle entsprechen, vacant und nur differente Punkte beschäftigt sind, welches dem Zwecke der Einheit der Vorstellung widerspricht, so erwacht das instinctartige Streben nach Einheit des Bildes, welches, da sie gleichzeitig zu erringen versagt ist, wenigstens eine Identität in der Zeitfolge durch successive Richtung der Sehaxen auf je zwei gegenüber liegende Punkte bewirken will. Die Bewegung der Axen nimmt daher’ folgenden Weg: zuerst zur Vereinigung der Punkte ce und d Kreuzung der Axen in A, demnächst für f und g in Z, für o in ©, weiter für % und p in r, für s und Z in u, für 5 und a in w. Da die Axencon- vergenz hierbei von den Augen sich immer weiter entfernt, und ihr Winkel sich verkleinert. so beschreibt sie die Linie hu im Relief nach u hin rückwärts, und diese Vorstellung » "XXV entsteht daher durch den gleichen Process wie die der Rich- tung des Drahtes selbst sich bildeten. Werden die Zeichnun- gen im Stereoscope gewechselt, so wird (Fig. 3.) dd von n, " und ac von m gesehen, und die identificirende Bahn der Axen- intersection ist alsdann « (für c und d), r (für f und g) o, . I (für k und p), Ah für s und #, w für 5 und a, indem der Scheitel des Axenwinkels in « jenseit des Kreises hinausstrebt, ‘und nach A der Nasenwurzel sich mehr und mehr nähert, in O mit der Ebne des Kreises zusammenfällt, daher das Relief- bild u nun in entgegengesetzter Richtung durch den Kreis hindurehzutreten scheint. Auf dieselbe Weise kommt, wenn die Zeichnungen nebeneinander gelegt werden, die Vorstellung der Richtung in die Tiefe dadurch zu Stande, dass die beweg- liche Axenneigung je zwei Punktbilder nacheinander in die Netzhautmitte bringt. Es ist hiernach leicht einzusehen, wie aus dem Zusam- menfallen zweier perspectivischer Zeichnungen die Darstellung - einer körperlichen Figur hervorgeht. Es seien (Fig. 4.) zwei Projeetionen eines abgestumpften, mit der Scheitelfläche‘ dem Beobachter zugekehrten Kegels, A für das rechte, B für das linke Auge auf Papier getragen, und A an der linken, B an der rı chten Wand des Stereoskopes angebracht; so werden in den Reflexbildern die äusseren Kreise sich decken, die inneren aber in der Weise sich schneiden, dass (Fig. 5.) der innere on B nach links, der innere von A nach rechts, von der litte O des gemeinsamen äusseren Kreises abweicht, mithin er Kreis, dessen Mittelpunkt e ist, vom Auge n, der, dessen ittelpunkt d, von m gesehen wird. Wird nun o von den Sehaxen mo, no fixirt, so würde die Flächenfigur entsprechend dieser Zeichnung erscheinen, wenn nicht sofort zur Einigung Be innern Kreise die Axen die Stellung md, nc annähmen, obei der Intersectionspunkt aus der Ebne des grossen Krei- ses dem Gesichte näher von O nach a rückt. Das Zusam- menfallen der innern Kreise wird also dadurch bewirkt, dass die Axenconvergenz die Linie Oa beschreibt, gleichwie sie ihun würde, wenn der innere Kreis en relief hervorträte, wo- von die scheinbare Erhebung des Bildes die Folge sein muss. Wird A an der rechten, B an der linken Seite der Spiegel aufeestäit, so treten die inneren Kreise entgegengeselzt aus- einander, indem n den Kreis d, m den Kreis c sieht, die In- lerseclion der Axen bewegt sich alsdann vorwärts von o nach 6b, um das Doppelbild zu vereinfachen, und man glaubt daher von der Basis in die Höhle des Körpers hineinzuschauen. Das Schwanken der Sehaxen und der Bilder wird hierbei von dem Beobachter kaum wahrgenommen, indem sie den angeborenen Bewegungsgeselzen der Sehorgane folgend, augenblicklich zur “ XXVI einigenden Convergenz sich neigen, und nur bei grosser Ex- centricität der innern Kreise werden das Muskelspiel der Axen- neigung und die Bewegung der Bilder empfunden. Die Leich- tigkeit, mit welcher die Axenneigung sich ändert, zeigt sich - beim Versuche des langsamen Rückwärtsziehens einer oder _ beider Zeichnungen, indem die dadurch entstehenden flächen- haften Doppelbilder des Ganzen sofort wieder körperlich zu- sammenfliessen, wodurch indess die Figur wegen der durch gleichzeitig erhöhten Brechungsstand der Augen verkleinerten Netzhautbilder zugleich kleiner wird. Auf demselben Wege gewinnen wir mittelst. der Spiegel, wie bei wirklichen Gegenständen, von den eomplieirtesten Kör- performen die stereometrische Ansicht durch Vereinigung zweier Projectionen vermöge der bewegten Axenneigung, und in den Versuchen am Stereoskope entdeckt man bei genauer Auf- merksamkeit überall gar leicht die Doppelbilder der nicht fixir- ten Theile, auch bei Betrachtung eines den Augen nahe ge- haltenen Körpers, als eines würfelförmigen Tintenfasses, findet . man sie, doch nur minder lebhaft wieder, einmal weil hier der Unterschied der sich begrenzenden Lichtqualitäten mehren- theils geringer als der Abstich schwarzer Figuren auf weissem Papiere ist, sodann weil bei wirklichen Gegenständen sowohl die abstrahirende (subtrahirende) als die zusammensetzende (ad- dirende) Thätigkeit der Seele energischer wirkt als bei blos- sen Spiegelungen. Sind die Perspeclivzeichnungen nach einem sehr nahen und zugleich winkligen Körper, z. B. einem Wür- fel angefertigt, daher voneinander sehr abweichend, so erschei- nen die Doppelbilder im ‚Stereoskop weit getrennt, und kön- nen nicht so leicht übersehen werden, daher sie ungeachtet der bestehenden Integrität des Reliefs dennoch Störung verur- sachen, Je stärker die Sehkraft beider Augen, desto schnel- ler, überraschender und lebhafter ist der verkörpernde Efleet dieses Werkzeuges, bei Individuen mit ungleicher Sehkraft, des rechten. und linken Auges wird er nach Maassgabe dieses Un- terschiedes schwächer und langsamer, oder bleibt gar aus. Wird eine der Zeichnungen umgekehrt, so dass in den Reflexbildern gleiche. Theile zusammenfallen, so ist die Illusion augenblick- lich vernichtet, weil ein einiges Bild schon vorhanden, und kein Anlass zur Veränderung der Axenstellung mehr gegeben ist. Eben daher erklärt sich beim Anschauen perspectivischer Zeichnungen oder Gemälde, welche nur für den Gesichtspunkt eines Auges berechnet sein können, das lebhaftere Hervorlre- ten: der dritten Dimension, wenn wir das eine Auge schlies- sen oder bei Anwendung beider soweit zurücktreten, dass die Richtung der Sehaxen der parallelen nahe kommt, wodurch eine Vereinigung beider Gesichtspunkte annähernd bewirkt, r XXVU und die aus der Gleichheit beider Neizhautbilder entspringende Störung beseitigt wird. Bei Wiederholung der Versuche im Stereoskop hat Ref. k 2 einige Umstände bemerkt, welche die Function der Einbildungs- kraft zur Vorstellung des Reliefs, und die Freiheit ihres schö- pferischen Wirkens aufs augenfälligste darthun: als erstens, dass wir nach Umkehrung der einen Zeichnung das Reflexbild nicht immer flach, sondern zuweilen in der einen Hälfte erhoben, in der andern eingedrückt sehen, wenn nämlich die Figuren eine solche Deutung zulassen, z. B. als wenn beim abgestumpften Kegel oder der durchschnittenen Pyramide die Scheitellläche schräg durch die Basis sich hindurch erstrecke; zweitens, dass die aus zwei Projectionen hervorgehende Darstellung einer sechsseitigen Pyramide auch die Gestalt eines Würfels in einer solchen Stellung, wo seine Diagonale mit der Mittelaxe zusam- menfällt, annehmen kann; drittens, dass, wenn bei Erscheinung der erhabenen Figur man das eine Auge schliesst, oder die eine der Zeichnungen entfernen lässt, man noch einige Secun- den lang die Erhebung wahrnimmt, ehe das Bild sich verflacht; viertens, dass der Ungeübte die stereometrische Form nicht sogleich erkennt, sondern erst dann, wenn er auf das Vor- " springen der Figur aufmerksam gemacht wird, dieses scheinbar - » erfolgt, und dass dem Geübten, wenigstens bei den einfacheren Zeichnungen, z. B. den excentrischen Kreisen, durch das be- harrliche Festhalten des Gedankens einer Fläche es gelingt, die dritte Dimension in der Vorstellung zu vernichten, und das Körperliche in die planicentrische Doppelfigur umzuwendeln. na Aehnliches zeigt sich auch bei Betraclitung wirklicher Ge- genslände; so vermögen wir bei angestrengtem Aufmerken auf die Doppelbilder wohl den en relief geneigten Draht als un- “deutliches Kreuz in der Fläche zu schauen. Es ist also oflen- bar der Gedanke des Körpers, welcher das Axenspiel zur Ver- einigung der Bilder und daraus folgenden Entfaltung der drit- ten Dimension in Bewegung setzt. Wir verfahren nämlich, durch die Idee der dritten Dimension angeregt, bei Anwendung des Stereoskopes gleichwie bei Betrachtung eines wirklichen Körpers; an letzterem werden beim Fixiren eines Punktes die näheren oder entfernteren Punkte doppelt und zugleich un- galich geschen, und demnächst durch Fixiren ihrer selbst eutlich und zugleich einfach, wodurch der Sinn in seinen " Forderungen befriedigt wird, und demgemäss die Entfernung jedes Punktes gleich dem der Axeninterseetion setzt, Zwar giebt es einen besondern Fall des Doppeltsehens, in welchem zwei gleiche Objecte, z. B. zwei Billardkugeln zu einem in der Mitte erscheinenden Bilde sich vereinigen, wenn nämlich jedes derselben in einer der Schaxen liegt, sei es, dass letzte XXVIu Mi i diesseit oder jenseit der Objecte sich schneiden, und wo den- noch dieses mittlere Bild nicht in die Entfernung der Inter- section, sondern in die der wirklichen Objecte verlegt wird; allein dieser ausserordentliche Fall, der schon seiner Seltenheit wegen nicht als Richtschnur anzunehmen ist, und nach dessen ‚Analogie selbst die durch die Axenbewegung identificirten Bil- der des Stereoskops noch in der Fläche erscheinen müssten, darf mit dem beim Gebrauch dieses Werkzeuges obwaltenden Verhältnisse vornehmlich deshalb nicht verglichen werden, weil dort das Mittelbild undeutlich, und an jeder Seite abermals von einem Doppelbilde begleitet ist, in den Reflexbildern des Ste- reoskopes aber bei der Einigung nicht zugleich eine Verdop- pelung, nicht ein Dreifach-, sondern ein Einfachsehen statt findet, indem jedes der Bilder nur von dem Auge seiner Seite gesehen wird; der Identitätsinstinet des Sinnes findet daher in jenem Mittelbilde keine Befriedigung, und darum wird die Axenconvergenz hier nicht Distanznorm. Das umgestaltende Geschäft der Seele, wenz es durch Wiederholung einmal geläufig geworden ist, iritt an den pro- jieirten Bildern sofort in Wirksamkeit, wie dieselben im Raume zusammenfliessen; man sieht dieses im Stereoskope, wenn die Sehaxen anfänglich in weite Distanz gerichtet werden, wo- durch die Bilder getrennt erscheinen und demnächst conver- giren, indem nun die rasch sich begegnenden Linien in dem Mo- mente ihrer Vereinigung in die dritte Dimension sich entfalten. Diese Function scheint in sofern schon dem Denkprocesse ana- log zu sein, als die Einbildungskraft in Erschaffung der Relief- formen nach ähnlicher Weise wie der Verstand in Bildung der Begriffe aus sinnlichen Vorstellungen verfährt, indem sie aus den zwei Bildern das Diflerente fallen lässt, und das Gemein- same in eine höhere, nicht mehr rein sinnliche Form des Wahr- nehmens zusammenstellt. Sie wirkt aber nicht allein für die Form des Ganzen, sondern zugleich für die Grösse und Ge- stalt der Partialvorstellungen als ausgleichende Kraft, denn man überzeugt sich durch abwechselndes Schliessen des einen und andern Auges, oder durch langsame Seitenbewegungen des In- strumentes bald, dass jede Seitenfläche in der vortretenden Figur nun grösser erscheint als die kleinere derjenigen Flächen in den Planbildern, aus deren Uebereinanderfallen sie entstand, und zugleich kleiner als die grössere von beiden. Eine ähnli- che Ausgleichung findet bei Betrachtung eines wirklichen Kör- pers, und selbst beim Sehen in der Fläche statt, wenn zwei Kreise von geringem Grössenunterschiede also angesehen wer- den, dass einMittelbild zwischen dem grösseren und kleineren entsteht, oder wenn ihre Reflexbilder im Stereoskope sich auf- einander legen, auch wenn ein Kreis in sehr schräger Seiten- F Ib Je XXIX riehtung, welche einen merklichen Unterschied der Entfernun- gen von jedem Auge, daher auch der Grösse beider Netzhaut- bilder mit sich bringt, gesehen wird. Im letzten Falle hat zugleich jedes der Netzhautbilder eine andere Form, weil die Neigung der Ebne des Kreises zu beiden Sehaxen nicht die nämliche ist, so sieht z. B. das rechte Auge einen Kreis, das linke ein Oval, wenn jener zur Axe des rechten Auges senk- recht steht. Die Erscheinung beim Gebrauche beider Augen hat alsdann etwas Unbestimmtes und Schwankendes durch mitunter sichtbare und wieder verschwindende Doppelgrenzen, wodurch das Auge sich ermüdet und angegriffen fühlt, bis es entweder in der Vorstellung der mittleren Grösse und der ge- dachten Form quieseirt, oder von der Empfindung des einen Organs abstrahirt wird. Hier ist es wiederum die Einbildungs- kraft, welche, geleitet von dem Gedanken der Einheit, den heterogenen Stoff bewältigt und umschafft. Es hat indess die- ses Vermögen sehr enge Grenzen, indem bei einigermaassen erheblicher Differenz der Bilder die Doppelheit unvertilgbar ist, und das eine in dem andern z. B. als concentrische Kreise gesehen wird. i Es kann nicht fehlen, dass bei dieser Operation Bilder -differenter Netzhautstellen einfach, und solche, die auf identi- schen Theilen sich zeichnen, getrennt vorgestellt werden. Hier- über findet sich bei Wh. ein auflallendes Experiment, welches Ref. im Ganzen richtig befunden hat. Wenn ein starker senk- rechter Strich im Kreise, und ein desgleichen schräger, durch ‚dessen Mitte aber eine viel schwächere, ebenfalls verticale Li- nie gezogen worden ist, in den Bildern des Stereoskopes auf- einander fallen, so erscheinen die zwei ersten zusammen einig und in seitlicher Richtung die Scheibe durehbohrend, hinge- gen die schwache Linie senkrecht auf der Kreuzung der Seh- 'axen stehend. Das Phänomen tritt nämlich nach Referents Erfahrung bis zu einer gewissen Grenze jedesmal dann ein, wenn die schiefe Linie nur wenig von der lothrechten ab- weicht, bei grösserem Winkel sieht man die senkrechten ‚Striche identisch und von dem schrägen durchschnitten. Diese Thatsachen beweisen indess nicht, wie Wh. zu glauben scheint, wider die Lehre von der angeborenen Identität und Differenz der Netzhäute, denn sie gehören, wie alle stereo- melrische Vorstellung schou einem höheren Gebiete, als dem des sinnlichen Anschauens, nämlich dem psychisch-subjectiven, au, welches selbst noch über den in die Sphäre der somati- ‚schen Subjectiyität fallenden Erscheinungen der lebendigen Reaction der Nervensubstanz, als Nachbilder, Blendungsbilder, farbige Schatten ‚ w. steht. Ref. sah bei Wiederholung der heatsiome’sch n Versuche auch häufig subjective Far- _ KXX W bennüancen auftreten, z. B. in dem zuletzt erwähnten nimmt der eine der Striche mehrmals eine rothe, der andere eine grüne Schattirung an. : Ernst Brücke, über die stereoskopischen Erscheinungen und Wheatstone’s Angrif! auf die Lehre von den identischen Stellen der Netzhäute, in Müller’s Archiv 1841 Heft 5. hat übereinstimmend mit obigen Ansichten das Unzulängliche dieses Gegenbeweises aus der Beobachtung dargethan, dass beim Anschauen eines Körpers in jedem Momente nur Ein Punkt desselben fixirt wird, und die Axenkreuzung in verschiedenen Distanzen sich fortbewegt, wie bei scharfem Aufmerken die veränderlichen Doppelbilder der hintereinander liegenden Theile zeigen; dass Wh. anders gesehen, sei nur einem Mangel an Fähigkeit, consequent zu fixiren, zuzuschreiben, wobei auf die Schwierigkeit dieses Actes wegen der Neigung der Sehaxen zum Einfachsehen aller Theile, und auf die höchst geringe Ver- änderung, des Convergenzwinkels zur Bewirkung eines bedeu- tenden Sehweitenunterschiedes hingeweisen, und die Möglich- keit, dass eine solche Menge von Einzeleindrücken in dem kur- zen Zeitraum des sogenannten Erblickens sich succedire, ge- zeigt wird. Hat die Sehweite einmal alle Veränderungen durch- laufen, die nöthig sind, damit alle sichtbaren Punkte des Kör- pers in den Horopter fallen, so durchläuft sie denselben Weg rückwärts, und bleibt so in einem fortwährenden Schwanken zwischen dem Horopter für den entferntesten und für den nächsten Punkt, woraus der bleibende Eindruck des Reliefs hervorgeht. Brücke findet alsdann durch Berechnung, dass - bei einem gewöhnlichen Stereoskope, dessen Sehweite acht Zoll, und in welchem der grösste Unterschied der Sehweite in den vorgestellten Körpern zwei Zoll beträgt, zur Verlegung der Axenkreuzung vom nächsten zum eniferntesten Punkte nur die Abdrehung jeder Sehaxe in einem Winkel von 2° 13 erfordert wird, welche gar leicht unserer Aufmerksamkeit entgehen kann, und bemerkt ebenfalls, dass durch scharfes Fixiren eines Punktes der entgegengesetzten Grenzflächen das illusorische Relief in ein flaches Doppelbild sich auflöst. Dieselbe Erklärung wird auch auf die übrigen stereoskopischen Phänomene folgerecht angewendet, und die Beobachtung Wh.’s berichtigt, dass, wenn die Bilder farbig auf einen Grund von complementairer Farbe gezeichnet, und eine Zeit lang im Ste- reoskope betrachtet werden, hernach bei geschlossenen Augen abwechselnd das Nachbild der einen und der anderen ' ch- nung erscheine, und in dem Augenblicke, wenn beide zugleich ker ee das Relief sich darbieten soll, woraus Wh. auf die Unabhängigkeit des Reliefeindrucks von elwaigen Bewegungen XXXI des Auges geschlossen hat. (Auch Ref, hat diesen Versuch nicht bestätigt gefunden, sondern bei Wiederholung desselben einen ähnlichen Erfolg wie Br. wahrgenommen. Wenn’ aber die " Ausgleichung zweier ungleichen Kreise zur Mittelgrösse im Ste- reoskope von einem gleichzeitig bewirkten differenten Refra- etionsstande beider Augen herzuleiten versucht wird, so muss Ref. nach seinen hierüber in der nachfolgend anzuzeigenden "Schrift niedergelegten Beobachtungen diese Hypothese bestrei- ten, und ebenfalls ein Spiel der Axenconvergenz in Erzeugung dieses Phänomens annehmen. Der Instinet der Axenrichtung zum Einfachsehen wird aus der zwar wahrscheinlichen, aber noch nicht thatsächlichen Voraussetzung erklärt, dass je zwei identische Netzhautpunkte demselben Theile des Centralorganes ihre Nervenfasern zusenden. Werden dieselben nun von zwei verschiedenen Objeetpunkten getroffen, so muss der Central- theil zwei verschiedene Thätigkeiten gleichzeitig concipiren, welchem ermüdenden Zustande er durch die identifieirende Axenstellung sich zu entziehen sucht. Da nämlich nach Mar- shall Hall die Augenmuskeln nicht bloss mit Willensleitern, sondern zugleich mit excitomotorischen Nervenfasern versehen sind, so wirkt die gleichzeitig verschiedene Affection identi- scher Sehnerventheile auf den entsprechenden Centraltheil als ein Reiz, der sich durch die exeitomotorischen Augenmuskel- nerven fortpflanzt, welche dann diese Muskeln zu der gefor- derten Contraction unwillkürlich bestimmen. ur r Wheatstone’s Abhandlung hat ausser obigem Aufsatze noch eine besondere Schrift „die Dimension der Tiefe im freien Sehen und im stereoskopischen Bilde, von Tourtual, Mün- ster, 1842“ veranlasst, deren Zweck die Lösung der Frage ist: wie es zugeht, dass ungeachtet des flächenhaften Netzhaut- "bildes die Objecte körperlich erscheinen? Der erste Abschnitt derselben stellt die allgemeinen Normen für die Vorstellung räumlicher Neigungen beim einseitigen und alternirenden Sehen auf. Nachdem die Begriffe Horopter als die Normale zum Ziel- " punkte der Sehaxe des Einzelauges in der Axenebne, Horopter- ebne als die durch den Horopter senkrecht gelegte Fläche, Seh- basis als die Verbindung der Augendrehpunkte, Mittelaxe als ‘die Linie von der Mitte derselben zum Fixirpunkte, und Ver- tikale als die auf der Axenkreuzung zur Axenebene errichteten Perpendikel definirt worden, wird zuerst die Frage untersucht, ie die Neigung von Linien und Flächen nach der Richtung Tiefe hin: unterschieden werde? und gezeigt, dass die- nur durch Beziehung auf eine gedachte Linie oder Flä- - che erkannt wird, demnach: das Verhältniss zur dritten Raum- dimension nur ein Gedachtes ist, welches vom Subjecte in die “ R ug KAXXIU Flächenanschauung übertragen wird, weil das Netzhautbild der Projection der Linie oder Fläche vom Augendrehpunkte aus auf die Horopterfläche entspricht. Es werden die Deelination oder die seitliche Neigung zur Sehaxe, und die Inclination oder die Neigung zur Axenebne unterschieden, beide combinirt geben die Doppelneigung. Die Normalvorstellungen, welche die Neigung im Sehen reguliren, sind demnach die des Axenstandes und der Axenebne. Beim Wechsel der Augen bleibt die Inclina- tion dieselbe, während die Declination sich ändert; und das Object scheint dabei nicht allein die relative Lage zu hinter- liegenden Gegenständen, sondern zugleich den absoluten Ort oder die Lage zur Sehbasis zu ändern, weil das unbeschäf- tigte Auge seine Axe nicht dem Objeete zuwendet, sondern sie jenseit desselben mit der anderen sich schneiden lässt; auch die scheinbare Gestalt des Gegenstandes wechselt wegen der Verschiedenheit des Gesichtspunktes für’ die beiderseitigen Pro- jeelionen. Im zweiten Abschnitte wird die Ausgleichung der Nei- gungsnormen und Gestaltunterschiede beim combinirten Sehen beider Augen dargestellt. Diese gründet sich auf einen von der Mitte der Sehbasis ansgehenden mittleren Standpunkt nach dem Typus der Cyclopie, in welchem beide Einzelrichtungen sich einigen, indem jedes Auge sein Bild in die Richtung verlegt, in welcher es von jenem ideellen mittleren Gesichtspunkte aus ste- hen würde, welche Einrichtung ohne Zweifel einen organischen Grund hat. Die gemeinsame Deckungslinie ist die Mittelaxe, und gilt daher diese beim Sehen mit beiden Augen für die Richtung der dritten Dimension, wie jedem Einzelauge die Sehaxe. Der mittlere Gesichtspunkt liefert beim combinirten Sehen zugleich auch die Norm für die Vorstellung der Deelination gegebener Linien und Flächen, welche nämlich auf die Mittelaxe als auf die Neigungslinie bezogen wird, so wird ein gerade gegen die Nasenwurzel herabgeneigter Draht nach keiner Seite hin abweichend, wie von dem Einzelauge, sondern in seiner wah- ren Ineclination zur Mittelaxe gesehen, welche für das Subject nur eine ideelle Existenz hat, weil sie von keinem Auge vor- gestellt wird. Auch die Differenz der Grösse und Gestalt bei- ‚der Netzhautbilder gleicht sich zu einem Mittel aus, welches dem Bilde im Mittelauge und der Projeetion von demselben auf die Normale zur Be neilinie entsprechen würde, diese ‚Linie, der Horopter des Aquilonius, wird hier Mittelhoropter, und die senkrechte Ebne durch sie Mittelhoropterebene ge- nannt. Bei Anwendung eines Auges beurtheilen wir die wirk- liche Gestalt einer geneigten Figur nach voransgesetzter Kennt- niss ihrer Neigung aus der perspectivischen Ansicht, indem wir jene aus der vorgestellten Neigung in die Horopterebne zu- eo »" 2 XXX rückgeführt denken; beim Gebrauche beider Augen erlangen wir dies aus der Mittelperspeelive und Reduction der Neigung zur Mittelaxe auf die Ebne des Mittelhoropters. Die Bildung der zwischen den differenten Netzhautbildern milten liegenden Vorstellung kann nur aus dem musenlären Sehprocesse durch umschreibende Bewegung der Axenconvergenz erklärt werden. } Im dritten Abschnitte werden durch Beobachtungen und "Versuche die subjecliven Bedingungen aufgehellt, welche die Neigung im Conereten bestimmen. Als Momente für die Decli- nalion werden hervorgehoben beim einseiligen Sehen die den Einzelpunkten entsprechenden Refractionsstände des Auges und die Vergleichung des Netzhautbildes mit der gedachten Form des Objectes, beim combinirten die Vergleichung von drei Bildern für drei Gesichtspunkte, und die bewegliche Pa- rallaxe der Sehaxen. Die Inclination wird durch die identi- fieirende Axenbewegung im Doppelbilde erkannt; bei Flächen kommt noch die verschieden scheinbare Gestalt für beide Au- gen hinzu, wobei indess die Vorstellung mehr oder minder dependent vom Gedanken bleibt. Als Hülfsbestimmungen wer- den der Grad der Beleuchtung, die scheinbare Grösse in ver- schiedenen Abständen vom Auge und die Lage zu benachbar- ten Gegenständen benutzt. Es folgt nun eine Reihe von Observationen über zusam- mengeselzte Erscheinungen der Declination im Stereoskope, bewirkt durch das Zusammenfallen verschieden declinirter Reflexbilder. Verf. liess in den Laden dieses Instruments Klap- pen mit der Zeichnung eines Kreises anbringen, welche um eine senkrechte Axe gedreht werden konnten. Befanden sich die Kreise m den Ebnen der Laden, so erschien in den Spie- geln ein einfaches Oval in der Ebne des Mittelhoropters. Wur- den sie rchräg und sich parallel gestellt, so sah man ein Mit- teloval in gleicher Declination. Blieb die eine Klappe ange- lehnt, und wurde die andere schräg ein- oder auswärts ge- stellt, so stellte das gemeinsame Rellexbild in der Mittelform und halben Declination sich dar. Wurden die Klappen mit den vorderen oder hinteren Rändern einander entgegen ge- neigt, so combinirle sich ein Reflexbild, parallel der Mittelho- ropterebne vor oder hinter derselben schwebend. Alle diese Erscheinungen und vielfältig dabei vorkommende Modificatio- nen werden bloss aus der Richtung, welche zur Vereinigung der zwei Reflexbilder die Axenkreuzung nimmt, begreiflich. Der folgende Abschnitt handelt von der Inclination und Doppelneigung im Stereoskope, zu deren Beobachtung andere, um eine wagrechtle Axe bewegliche Klappen eingefügt, und ihre Ränder durch Schirme den Augen entzogen wurden. Zwei senkrechte Linien an den Klappen erschienen, wenn die eine Müllers Archiv. 1812. © AXXIV Klappe mit dem obern Rande einwärls gekehrt wurde, in den Reflexen als ein Kreuz mit. verkürztem einen Arm, und es kam nicht zur einigen Darstellung, weil die Axen behufs der iden- tifieirenden Bewegung nicht aus der Ebne weichen konnten; wurde diese Schwierigkeit durch Vorschieben der Schirme geho- ben, so erschien entsprechend der Bewegung der Axenconvergenz eine einfache Linie von mittlerer Seitenabweichung und mittlerer Inclination. Wurden die oberen Ränder der Klappen einander entgegen geneigt, oder voneinander abgekehrt, so entstand ver- möge der zwiefachen Projection ein gekreuztes Doppelbild, welches wegen gleicher Höhe der Schenkel analog dem gegen die Nasenwurzel geneigten Drahte durch Axenumschreibung als einfache Linie im Relief gesehen wurde. Wurden die Klap- Br inclinirt und sich parallel gestellt, so erzeugten sich zwei * Bilder von gleich starker, aber entgegengesetzter Inclination und von gleicher Declination, welche mit den Enden einander überragten, und daher nur durch Hülfe der Schirme zur eini- gen Darstellung in der Ebne des Mittelhoropters und in der entsprechenden Declination, wiederum gemäss deın Gange der Axenkreuzung, gebracht werden konnten. Die Fruchtlosigkeit der Bemühungen, eine Ausgleichung der entgegengesetzten In- elinationen zu Stande zu bringen, wenn die zu vereinigenden Punkte der Linien nicht in einer Ebne mit den Drehpunkten der Augen lagen, und der Erfolg derselben im entgegengeselz- ten Falle beweisen die Vermiltelung des Erscheinens der Ineli- nation durch den museulären Vorstellungsprocess. Diese Ver- suche wurden auch mit zwei gleichen Kreisen angestellt, wo- bei sich abermals eine Ausgleichung der Formen der Reflex- bilder durch Axenbewegung herausstellte. E) In dem sechsten Abschnitte, über Entstehung und Cor- rection der Illusionen der Tiefe, wird dargethan, wie wesent- lich die Criterien der Neigung für die Darstellung der Körper- welt durch den Gesichtssinn sind, und welche ergiebige Quelle von Irrungen eine mangelhafte Anwendung derselben eröffnet, wie aus der gleichzeitigen Auffassung der zwei Netzhantbilder durch Dazwischenkunft der Axenbewegungen in dieses Felıl der Irrungen Ordnung gebracht wird, wie der Muskelsinn im Sehorgane das Bewusstsein der stereometrischen Gestalt der Gegenstände vermittelt, wie bei der Reliefbildung im Vorstel- len die geneiglen Flächen der Körper ein Mittel der Form für die Einzelaugen sich darbieten, woran sich die Erklärung des Relieferscheinens im Stereoskope knüpft. Der siebente Abschnilt erweiset das Entstehen der stereo- metrischen Darstellung aus der Einbildungskraft durch die Il- lusionen der Tiefe, welche an schwarzen Drahtgerüsien von Würfeln, Pyramiden und Kegeln bei freiem Sehen zur Wahr- AXXV nehmung kommen: Ein solches Pyramidenskelet auf weisser Grundlage, mit Einem Auge betrachtet, kann, gleich der Con- tourzeichnung abwechselnd erhoben, vertieft, plan, und dem- gemäss in verschiedener Neigung zur Unterlage gesehen wer- den, zwei nebeneinander können selbst entgegengesetzt erschei- nen. Dasselbe Gerüste lässt, wenn es die Spitze dem Auge zuwvendet, sich umgekehrt ansehn, und eine etwaige Bewegung zerstört die Täuschung nicht, sondern wird ebenfalls zu einer umgekehrten; wird bei der umgekehrten Ansicht eines Wür- felskelets der Kopf zur Seite gedreht, so scheint es sich um die Verticalaxe zu drehen, woraus gefolgert wird, dass die Vor- stellung der Bewegung nicht von der Bewegung im Netzhaut- bilde, sondern vom Urtheile abhängt. Alle diese Illusionen schwinden sofort bei Mitwirkung des anderen Auges. Zwei solche Gerüste gleichmässig in den Sehaxen aufgestellt, er- scheinen als drei, und zwar beliebig, verlieft.oder im Relief; stehen sie so, dass sie jede ihrem Ange die Ansicht derselben in der Neigungslinie gedachten Pyramide darbieten, so erscheint das Mittelbild nur hohl, die Seitenbilder abwechselnd hohl oder erlıoben, welches Alles von einer schwachen Axenbewe- gung abgeleitet wird. Wenn beim einseitigen Sehen die Ein- bildungskraft ihrer plastischen Thätigkeit sich begiebt, so er- scheinen die Drahtformen gleich ihren Netzhautbildern flächen- . haft, wobei die mannigfaltigsten Figuren herauskommen; diese werden durch Bewegen des Haupts in stereometrische ver- wandelt, und geben dadurch ein lehrreiches Beispiel von dem Eingreifen der Denkkraft in die Bildung der Gesichtsvor- stellungen. Der achte Abschnitt erörtert die merkwürdigen Erschei- nungen, welche Drahtgerüste im Stereoskope nach dem Axen- stande in abwechselndem Relief und Hohlsein darbieten, zur Widerlegung der Wheatstone’schen Theorie, und es zeigt sich hierbei aufs deutlichste der Einfluss der Axenconvergenz auf die Bestimmung der Distanz der Objeetpunkte, indem die zwei Pyramidenspitzen der Reflexbilder, durch die Axenstel- lung identificirt, in der Entfernung der Axenkreuzung gesehen werden. Es werden hiernächst die Beweise für die angege- bene Entstehung des Reliefbildes im Sehen summarisch zusam- mengestellt, auch gezeigt, wie beim Gebrauche des Stereos- kopes die Bewegungen der Augen sichtbar werden, wie eine Störung derselben durch überraschenden Lichtreiz oder Ermü- dung bei hellen Farbenbildern zugleich eine Vernichtung des Effects zur Folge hat, und dass derselbe gar nicht zu Stande ‚kommt, wenn die erforderlichen Axenbewegungen mechanisch gehindert werden. Der zehnte Abschnitt endlich widerlegt die von Wheatstone für die Unabhängigkeit der Reliefs von den c XXXVI Bewegungen der Augen aufgestellten Argumente, und zeigt, wie die stereoskopischen Erscheinungen mit der Lehre von den identischen Netzhautpunkten, welche durch sie gestürzt wer- den soli, sich nicht allein vereinigen, sondern ihr selbst zur Bestätigung dienen. Zuletzt wird das Phänomen der Vereini- gung ungleicher Kreise beim freien Sehen wie im Stereoskope untersucht, die Erklärung desselben aus ungleichem Brechungs- stande beider Augen aus Gründen der Beobachtung verworfen, und aus einer fortgesetzten Analyse dieser Erscheinung und ihrer mannigfaltigen Modificationen, als eines Ballottements des kleinen Kreises im grossen, eine Vereinigung der ausschliesslich erscheinenden unteren und oberen Kreissegmente u. 5. w. eine nene, auf die nachgewiesene Möglichkeit eines geringen Aus- weichens der Sehaxen aus ihrer Ebne sich gründende Er- klärung abgeleitet, und letztes als eine neue T'hatsache auf- gestellt. 6. Stellung und Bewegungen der Augen. Ueber die Stellung der Sehaxen im Schlafe hat Melchior (de strabismo, Havniae 1839) Beobachtungen angestellt, Er fand. dass, wenn Erwachsenen im tiefen Scltlafe die Augen geöffnet werden, dieselben, wie auch Ref. früher angegeben, häufig aufwärts divergiren bei verengten Pupillen, und dem- nächst eins oder beide nach der Mitte oder selbst gegen den inneren Augenwinkel hin langsam sich bewegen, und nach Schliesseng der Augen ihre vorige Stellung wieder annehmen, wie sich bei abermaliger Eröffnung zeige. Nicht immer aber soll es sich also verhalten. bisweilen sollen auch beide gerade auf- oder abwärts gerichtet sein, welches dahin deute, dass im Schlaufe die Augen eben sowohl als andere Theile des Körpers sich bewegen können. Die divergirende Richtung im Schlafe wird dadurch erklärt, dass die convergirend bewegenden Mus- keln, durch die anhaltend fixirende Thätigkeit im Wachen er- mündet, nun von ihren Antagonisten überwunden werden. Bei Neugebornen, welche uoch nicht fixiren, scheinen die Augen im Schlafe der Schwerkraft zu folgen, indem sie in der Rük- kenlage des Kindes häufßg dieselbe Stellung wie bei Erwach- senen haben, in der Seitenlage aber nach den abhängigen Au- genwinkeln hin stehen. Die Stellungen sind aber auch hier keinesweges constant, sondern wechseln mannigfaltig, so dass sie beim Oeffnen zu verschiedenen Zeiten anders erscheinen, und kaum eine Richtung erdacht werden kann, in welcher man sie nicht einmal findet. Purkinje, J. Müller und fast alle übrigen Beobachter yereinigen sich indess dahin, dass in XXXVII der Regel im Schlafe die Sehaxen nach oben und innen con- vergiren. Ruete sagt in seinen „neuen Untersuchungen und Erfah- rungen über das Schielen und seine Heilung, Göttingen 1841“, die Augenaxen haben im Schlafe eine der parallelen sich nä- hernde Richtung, also eine solche, die für das Fernsehen passe, in der Rückenlage seien sie nach vorn gekehrt, in der Seiten- lage nach den entgegengesetzten Augenwinkeln hin, so habe er es bei acht schlafenden Kindern ‚gefunden. In derselben Schrift finden sich über die Wirkung der Augenmuskeln auf die Stellung des Augapfels Bemerkungen, welche aus den Er- seheinungen nach Durchschneidung des einen oder andern die- ser Muskeln von ihm gefolgert wurden. R. nimmt drei Dre- hungsaxen des Augapfels an, welche in dem von Volkmann bezeichneten Drehpunkte sich kreuzen, nämlich die horizontale (Queraxe, um welche der Augapfel durch den obern und un- lern geraden Augenmuskel gewälzt wird, die Verlicalaxe für | den äusseren und inneren geraden Muskel, und eine schräg ho- rizontale, von vorn und aussen, etwa vom äussern Rande der ©ornea nach hinten und innen, zur innern Seite des Sehner- ven verlaufende Axe, um welche die beiden schiefen Muskeln ihn drehen. (Diese Ansicht von der Wirkung der schiefen Muskeln hält Ref. wegen der schrägen Richtung derselben rück- wärts und auswärts gegen den Umfang des Bulbus und wegen des Augenscheins bei einem Nystagmus derselben, in welchem der obere und untere abwechselnd sich contrahiren und die Pupille bogenförmige Bewegungen auf- und abwärts beschreibt, für richtiger als Hueck’s Meinung, dass die Drehungsaxe der schiefen Muskeln eins mit der Sehaxe sei, wenngleich des Nutzen dieser Muskeln für den unveränderten Stand des senk- vechten Augenmeridians bei den Seitenbewegungen des Hauptes hiermit bestehen mag.) R. zeigt ferner, dass durch das Zu- sammenwirken des obern und untern geraden Muskels, und zwar vornehmlich ihrer innern Porlion, die Pupille nach innen gerichtet wird, wie man nach Durchsehneidung des innern ge- saden Muskels wahrnimmt, und dass diese Portion des obern geraden allein sie nach oben und innen wendet. Bei einem nach oben und innen schielenden Auge wurde nämlich mittelst Durchschneidung des innern Theiles des obern geraden Mus- kels, der Pupille die normale Richtung wiedergegeben; ein an- deres Mal blieb bei derselben Richtung des Auges nach Durch- schneidung des inneren geraden Muskels noch eine Tendenz der Pupille, sich nach oben und innen zn wenden, zurück, welche durch Trennung des obern geraden Muskels gehoben wurde, Um eutlernte, gerade vor uns über dem Horizonte XXXVIN der Augen liegende’ Objecte einfach zu sehen, reicht die Wir- kung der Recli superiores, und bei unter dem Horizonte lie- genden die der Recti inferiores aus, indem diese Muskeln ver- möge ihrer innern Strata die Pupille etwas nach innen diri- giren können, bei solchen, die im Horizonte selbst sich befinden, ‚thut es das Zusammenwirken der obern und untern. Bei sehr nahe vor uns liegenden Objecten aber, wo die Augen, um eiufach zu sehen. eine stark convergirende Richtung annehmen müssen, ist die Mitwirkung der innern geraden Augenmuskeln nothwendig. Den Beweis hiefür liefert die Durchschneidung beider inneren geraden Augenmuskeln. Nach dieser Operation sieht der Kranke bis zur Wiedervereinigung der ‘Muskeln mit dem Augapfel entferntere Gegenstände einfach, nähere aber doppelt.- Der Obliquus superior zieht den hinteren oberen Theil des Bulbus nach vorn und innen, so dass die Pupille ein Kreis- segment nach unten und aussen beschreibt, der Obliquus infe- rior bewegt die Pupille auf einem andern Segmente desselben Kreises nach oben und aussen, jeder zieht zugleich das Auge etwas aus der Orbita hervor. Beide vereint drehen das Auge nicht um die entsprechende Axe, sondern ziehen es hervor und nähern es der Innenwand der Orbita. Die Bewegung der Pupille nach aussen durch die schiefen Muskeln ist nicht ‚sehr bedeutend, weil ihre schräge Drehungsaxe sich nieht weit vom äussern Hornhautrande entfernt; soll die Papille stark nach oben und aussen oder nach unten und aussen gewälzt werden, so muss der Reetus externus mitwirken. Der letzt- genannte Muskel unterstützt also die Wirkung der einzelnen Obliqui, aber er ist zugleich insofern ihr Antagonist, als er ihrer Richtung nach vorn entgegenwirkt, und das Hervortreten des Bulbus verhindert, Nach Durchschneidung des Rectus ex- ternus ist die Wälzung der Pupille nach aussen nur in sehr geringem Grade möglich, die gänzliche Abweichung der Pu- pille nach innen wird in diesem Falle durch die vereinte Wir- kung der beiden Obliqui verhindert, welche in dieser Bezie- hung Antagonisten des Reetus internus sind. Eben so wird nach Durchschneidung des Recius superior oder inferior die Abweichung der Pupille nach der. entgegengesetzten Richtung durch das Zusammenwirken der Obliqui und der entgegenge- selzt ‚liegenden Strata des Rectus externus und internus ver- hindert. Das krankhafte Schiefsehen der Gegenslände erklärt der Verf, mit Hueck aus der Verrückung des Netzhautmeridians durch Contraclion des einen oder andern der schiefen Augenmus- keln; findet eine solche nur an dem einen Auge statt, so ist das Schielsechen nolhwendig zugleich mit Doppeltsehen ver- bunden. Oline dieser Ansicht widersprechen zu wollen, muss AAXIX Ref. jedoch bemerken, dass das zum Beweise angeführte und vom Ref. unter mehrfachen Modificationen wiederholte Experi- ment, in welchem zwei auf Papier gezogene parallele Linien, zwischen welche ein Pappendeckel, ebenfalls parallel zu bei- den, gestellt wird, aufwärts divergirend erscheinen, wenn man das Kinn auf den Rand des Deckels setzt und sie mit abwärts convergirenden Sehaxen ansieht, irrig gedeulet worden ist, in- dem dieses Phänomen nicht von der angeblichen Wirkung der schiefen Augenmuskeln sich berleitet, sondern die besagte Stel- lung der Bulbi durch Combination der innern und unlern ge- raden Muskeln erreicht wird. Dasselbe ist vielmehr lediglich auf die Gesetze des Doppeltsehens zurückzuführen, sofern in diesem Falle das Papier von der Horopterebne beträchtlich ab- weichl, mithin die Linien sich von dieser immer mehr entfer- nen, daher nothwendig eine schräge Neigung annehmen müs- sen, welche wieder zu einer parallelen wird, wenn man das Papier normal zur Ebne der Sehaxen neigt. Eben so wenig ist einleuchtend, dass, wie Verf. behauptet, beim Schen naher und zugleich über oder unter der Horizontale der Augen be- findlicher Objecle die schiefen Muskeln ins Mittel. treten sol- len. um die senkrechten Meridiane (Trennungslinien) der Au- gen in dieser Lage zu erhalten, indem diese Kreise bei der eombinirten Thätigkeit des geraden innern mit dem geraden obern oder untern Augenmuskel aus der Verticalstellung in der That nicht abweichen. Wenn ferner der Salz aufgestellt wird, dass die Accommodationsthätigkeit mit den Axenbewegungen der Augen nur in einem untergeordneten Causalverhältnisse stehe, so ist dies insofern riehtig. als die wechselseitige Abhängigkeit beider Funelionen keine unbedingle ist, sondern in Einzelfällen durch Gegenwirkungen aufgehoben werden kann. Sie ist aber aueh keinesweges ganz gering, wie durch den Versuch dar- gellıan werden soll, dass, wenn man beim Lesen den Sehaxen eine so nahe Üonvergenz gebe, dass die Buchstaben doppelt erscheinen, man olıne Veränderung‘ derselben dennoch abwech- selnd mit dem einen und andern Auge mit grosser Leichtig- keit lesen könne. Ref. findet dieses an sich nicht bestätigt, sondern bringt nur mit Mühe das Deutlichsehen von Doppel- bildern zu Stande. Ruete meint auch, dass im Zustande der Ruhe. des ‚Auges die leise Contraction der vier geraden Mus- keln, welche die schiefen überwiege, durch den Druck des Augapfels gegen das Feltpolster das hintere Segment desselben verkleinere, wodurch die Netzhaut gleichsam in etwas zusam- menkrieche, welche Umfangsveränderung bei der Richtung der Sehaxe nach oben und unten aufhören soll, und gründet hier- auf eine Erklärung des bekannten Phänomens, dass der auf- gehende Nond grösser erscheint als der hoch stehende. Die xL Möglielikeit einer solehen Compression ist aber sattsam wider- legt worden, und die Unrichtigkeit jener Erklärung erhellt überdies noch daraus, dass nach ihr selbst der hochstehende Mond, wie jeder andere Gegenstand, in verschiedener Grösse sich darbieten müsste, je nachdem beim Fixiren desselben die Antlitzläche ihm parallel oder zu ilım geneigt stehen würde. Es wird vom Verl. zugleich daran-erinnert, dass die stärkste optische Sensibilität nieht im Axenpunkte der Netzhaut, son- dern in einer engen Kreislinie um denselben vorkomme, wie Herschel durch die Beobachtung gezeigt hat, dass ein kleiner Siern heller erscheint, wenn die Sehaxe nahe neben ihn, als wenn sie gerade auf ihn gerichtet wird. - 7. MLBTsaNduRa/t on! Das Phänomen der Irradialion der Gesichlseindrücke, ver- möge deren nämlich ein heller Gegenstand auf dunklem Grunde grösser, und ein dunkler auf hellem kleiner erscheint, ist von Plateau (Poggend. Ann. Ergänzung. Bd. I. St. 1, 2 u. 3.) einer Analyse unlerworfen worden. Die Meinungen der Phy- siker und Asironomen über die Existenz und Ursachen der Ir- radialion sind bis auf heutigen Tag sehr verschieden gewesen, es ist aber hier nur die Rede von der Oecularirradiation, nicht von der durch Fernröhre bedingten, welehe richtiger Aberra- tion genannt wird und bei astronomischen Beobachtungen mit jener, theils sie vermehrend, theils aufhebend sich complieirt. Erstere tritt beim Gebrauche des unbewaffnelen Auges ein, ihr ist es zuzuschreiben, dass die Mondsichel über den aschfarbe- nen Rest des Mondkörpers überzugreifen scheint, dass bei Son- nenfinsternissen das anfängliche Eingedrücktsein des Sonnen- randes durch die Mondscheibe zu spät, der verdunkelte Theil zu klein, und die Hörner des unbeschatteten Theils der Sonne abgestumpft gesehen werden, dass in der Dämmerung die Fix- sterne kleiner als in dunkler Nacht, dass Venus im Verüber- gange vor der Sonne kleiner als am dunklen Himmel erscheint u.s.w. Kepler leitete die Irvadiation von den Zerstreuungs- bildern her, welche zu entfernte Gegenstände auf der Netzhaut entwerfen, hielt sie also für eine durch die Lichtbrechung in den Augenmedien bedingte physikalische Erscheinung. Diese Art der scheinbaren Ausbreitung objeeliver Sehbilder ist aber von der eigentlichen Irradiation wohl zu unterscheiden, welche auch bei adäquater Distanz des hellen Gegenstandes und schar- fer Begrenzung des Netzhautbildes vorkomınt, subjectiyen Ur- sprungs ist, und bei unpassendem Refraclionsstande mit der eısten sich verbindet. Noch entfernter von der Wahrheit war ALI Galilei’s Meinung, nach welcher die Irradiation durch die Lichtbrechung in der die Hornhaut bedekenden Feuchtigkeit und durch die Reflexion von den feuchten Augenlidrändern entstehen soll; als Gesetze derselben erkannte er übrigens rich- tig, dass sie desto grösser sei, je heller der Gegenstand oder je dunkler der Grund ist, und dass sie den scheinbaren Um- lang eines Gegenslandes um so mehr beschränke, je kleiner dieser ist. Gassendi hielt sie für eine Wirkung der im Dun- keln erweiterten Pupille, Schickard für eine Folge der vou ihm behaupteten Eigenschaft des Lichtes, sich nach allen Sei- ten hin auszudehnen, welche er durch das scheinbare Ausge- schniltensein eines vor einer Liehlflamme quer gehaltenen Stok- kes zu erweisen suchte. Descartes scheint der erste gewesen zu sein, welcher das Phänomen als ein subjectives auflasste, indem er es in seiner Dioptrik durch eine Ausbreitung der Lichtempfindung auf der Netzhaut erklärte. Diese Theorie wurde aber später wieder verlassen, und neuere Physiker und Astronomen, als Biot, Arago, Delambre, Bessel, haben in ihren Messungen sogar die Irradiation nicht aufgefunden und zum Theil die Existenz derselben bezweifelt, während an- dere, als Herschel, Quetelet, Brandes, Robinson, sie annehmen. Jene Ungewissheiten hatten aber ihren Ursprung in den mit astronomischen Fernröhren angestellten Beobach- tungen, denn die Oeularirradiation für sich ist eine durch die einfache Betrachtung eines weissen Streifens auf schwarzem Grunde im Gegensatz zu einem schwarzen auf weissem Felde leicht festzusteltende Thatsache. Neuerdings hat Joslin in Newyork drei Richtungen, nämlich eine gerade aufsteigende und zwei schräg nach entgegengesetzten Seiten hin abfallende slaluirt, in welche das Maximum der scheinbaren Ausbreitung des Gegenstandes fallen soll, und die er mit der Spaltung der Blätter der Krystalllinse im Drittelsegmente beim Kochen oder bei Behandlung mit Säuren so in Zusammenhang bringt, dass aus der ungleichen Lichtrefraction in der Linse die drei gleich abständigen Maxima der Irradiation entspringen: sollen. Der zur Stütze dieser Novität vorgebrachte Versuch, nach welchem kleine kreisrunde leuchtende Flächen, durch Aufstellung einer nit Löchern versehenen Metallplatte vor einer Kerzenllamme erzeugt, in einer gewissen Entfernung als gleichseitige Dreiecke erscheinen sollen, hat aber weder Plateau noch Referenten bei vielfachen in dieser Art angestellten Beobachtungen im Ge- ringsien sich bestätigt. Der Verf. bediente sich zu seinen Versuchen eires Rech!- eckes von weisser Pappe, welches an mehreren Stellen und in verschiedenen, aber geradlinigen Formen geschwärzt war, oder eines schwarz und weiss angestrichenen Brellchens, oder der XLII gegen ein Fenster aufgestellten geschwärzten Theile‘ des Papp- stückes nach ausgeschnitlenen weissen, in denen die Grenzen zwischen Hell und Dunkel verschiedener Theile entweder sich berührend oder in etwas voneinander entfernt in geradliniger Richtung lagen. An einigen Pappstücken war ein heller oder dunkler Flächentheil mittelst einer Schraube beweglich, so dass er gegen eine solche Grenze vorrücken und sich von ihr entlernen konnte. Ein solcher Apparat wurde vom Verf. und mehreren andern nicht kurzsichtigen Personen aus einer Entfer- nung von etwa drei Metres betrachtet, wobei die Irradiation sich durch scheinbare Verschiebung der Grenzen gegeneinander kund gab. Es stellte sich hierbei heraus, dass zwei gegenüber lie- gende und hinreichend genäherte Irradiationen eine wechselsei- tige Beschränkung erleiden, welche um so beträchtlicher ist, als die Ränder der hellen Räume, von denen die beiden Irradia- tionen ausgehen, näher zusammenliegen. Darum erscheint ein schwarzes Dreieck auf weissem Grunde concav gerandet, ein brei- ter schwarzer Streifen gegen den hellen Himmel stark verschmä- lert, während eine Schnur noch gesehen wird, darum unter- scheidet man selbst bei Sonnenschein noch die Striche der fein- sten Schrift, ein Haar, einen Seidenfaden. Die Irradiation wird im Einklang mit der gegenwärtig herrschenden Theorie für ein Phänomen der Empfindung, nämlich durch eine Ausbreitung des Eindruckes von einem leuchtenden Gegenslande über die Grenzen des von dem Lichte desselben getroffenen Netzhaut- iheils erklärt. Die Existenz einer solchen räumlichen Fort- pflanzung auf das sogenannte Punctum coecum ist schon da- durch erwiesen, dass der farbige Grund für einen schwarzen Flecken, dessen Bild an dieser Stelle verschwindet, dieselbe einzunehmen scheint, und dass ein sehr heller Gegenstand, als eine Kerzenflamme, hier nicht gänzlich sich verliert, sondern als ein schwaches. nebelhaftes Licht gesehen wird. Die Irradiation nimmt mit der Dauer der Beschauung des Gegenstandes zu, und erreicht allmählig ein Maximum, über welches sie nicht hinauskommt, also in dem Maasse als die Netzhaut an der direct affieirten Stelle an Empfindlichkeit für den Lichteindruck verliert, steigt ihre Reaction auf denselben in der nächsten Umgebung. Auch in andern Gegenden der Netzhaut ist die Seitenfortpflanzung der Sensation faclisch; so verschwindet z. B. 'bei fortgesetzter Seitensicht ein heller oder dunkler Streif auf farbigem Grunde, und macht der Farbe des Grundes Platz. Ausserdem sprechen noch mehrere, dureh eine Reihe sorgfältiger Messungen und Rechnungen von Pl. eruirte Thatsachen-zu Gunsten dieser Ansicht. Es stellte sich nämlich heraus, dass, entsprechend andern Sensibilitätserscheinungen, die Irradiation nicht in allen Individuen gleich, sondern in ver- AÄLIU schiedenen von beträchtlich abweichendem Winkelwerthe ist, ferner, dass sie bei demselben’ Individuo und mit einem Ge- genstande von derselben Helligkeit von Tag zu Tage bedeu- tend schwankt, und dass die von einer gleichen Helligkeit ent- wickelte mittlere Irradiation von einer Person zur andern be- trächllich variirt. Sie zeigt sich übrigens bei allen Entfernun- gen, von der kürzesten bis zur längsten, innerhalb deren ein deutliches Sehen stattfindet, und es gilt hiervon das Gesetz, dass der Winkelwerih der Irradiation unabhängig von der Ent- fernung des Gegenstandes vom Auge ist. Die Irvadiation er- scheint zwar um so grösser, je entfernter der leuchtende Ge- genstand, aber nur deshalb, weil eine gleich breite Netzhaut- zone auf ein grösseres oder kleineres Object nach Maassgabe der vorausgesetzten Entfernung vom Auge bezogen wird, und es ist hier, wie bei den Farbenbildern durch Succession, die absolute Breite, welche wir der Erscheinung beilegen, bei Gleichheit aller übrigen Umstände, proportional dieser Entfer- nung. Pl. hält die Existenz dieses Gesetzes für eins der mäch- tigsten Argumente zu Gunsten der angenommenen Ursache des Phänomens, weil die Beständigkeit der Gesichtswinkel das Hauptkennzeichen der Gesichtserscheinungen ist, die darauf be- ruhen, dass ein Theil der Netzhaut von beständiger Grösse eine Abänderung erleidet. Es wird ferner nachgewiesen, dass die Irradiation zwar mit der Helligkeit des Gegenstandes wächst, aber nicht pro- porlional derselben, sondern hinter diesem Verhältniss zurück- bleibt; im Falle eines proportionalen Steigens müsste, wenn man den Glanz der Sonne auch nur zehntausendmal stärker annimmt als den des Mondes, und die vom Monde ausgehende Irradialion =10“, die Sonnenscheibe mit einem Irradiations- ringe von 27° Breite umgeben sein. Durch Roliren von Papp- scheiben mit ausgeschnittenen Sectoren verschiedener Grösse vor dem Lichte eines heitern Himmels gegen Norden wurden berechenbare Helligkeitsgrade erzielt, und die durch sie ver- anlasste Irradiation gemessen, wovon das Resultat folgender Satz ‚war: die Irradiation wächst weit weniger rasch als die Helligkeit des Gegenstandes. Verzeichnet man das Gesetz durch eine Curve, welche die successiven Helligkeitswerthe von Null aus zu Abseissen, und die entsprechenden Irradiationswerthe zu Ordinaten hat, so geht" diese Curve durch den Anfang der Coordinaten, kehrt ihre Concavität gegen die Abscissenaxe, und ‚bietet eine dieser Axe parallele Assymplole dar. Schon für einen Helligkeilsgrad wie der des Himmels gegen Norden, ist die Curve ilırer Assymplote sehr nahe; zwischen diesem Grade und seiner Hälfte verändert sich nämlich der Werth der Irra- diation nicht merkbar. Der Einfluss der lelligkeit richtet sich XLIV übrigens nieht nach der absoluten Lichtmenge, welche der Ge- genstand ausstrahlt oder relleclirt. sondern nach dem Verhält- nisse desselben zum Lichtquanto der Umgebung. Denn es wird durch Versuche gezeigt, dass, sobald das den Gegenstand um- gebende Feld nicht vollkommen dunkel ist, die Irradiation sich verringert, und das um so mehr, als die lielligkeit des Feldes derjenigen des Gegenstandes näher kommt. Sobald zwei gleich helle Gegenstände einander berühren, ist für jeden derselben in der Berührungslinie die Irradiatiorr Null. Die Schwächung der Irradiation durch zunehmende Helligkeit des Grundes und die zunehmende wechselseitige Beschränkung zweier sich mehr und mehr nähernder Irradiationen bis auf Null in ihrer Be- rührung entspringen aus derselben Ursache, nämlich aus der Verminderung der Empfänglichkeit eines Netzhauttheiles für den mitzutheilenden Eindruck durch die Aufnahme eines di- recten Eindrucks; beide reden der von dem Wesen der Irra- diation gegebenen Erklärung das Wort. Ks folgt zum Schluss eine Reihe von Thatsachen, die mit dem angenommenen sen- sitiven Grunde der Irradiationserscheinungen nicht in Zusam- menhang gebracht werden kann, aus welchen nämlich eine Abänderung der lelzien durch vor das Auge gebrachte Linsen hervorgeht. Die Irradiation wird verringert durch convergi- rende, erhölt durch divergirende Linsen. Diese Wirkung hängt nur von der Brennweite, nicht von der absoluten Krümmung der Oberflächen ab, und ist desto stärker, je kürzer die Brenu- weite des Glases. Es werden diese Sätze aus der Betrachtung eines Apparates, in welchem zwei lichtschatlige Grenzen mit entgegengesetzter Seite des hellen und dunkeln Feldes in ge- rader Richtung liegen, durch Loupen, biconvese, planconvexe und biconcave Gläser gefolgert. Wider ‘obige Versuche Plateau’s erinnert nicht olıne Grund Fechner (über die subjectiven Nachbilder und Neben- bilder, Poggend. Annalen 1840 No, 6.), dass zwar, wie Pl. selbst gezeigt, die unpassende Sehweite des Objectes oder die mangelnde Accomodation des Auges nicht überall zureiche, die scheinbare Lichtausbreitung zu erklären, dass aber in jenen Beobachtungen die Wirkung der Zerstreuungsbilder von der eigentlichen Irradiation oder der Fortpflanzung des Eindrucks auf der Netzhaut nicht. gehörig untersehieden werde, indem die Hauptversuche aus grösseren Entfernungen als der deullicbsten Sehweite angestellt wurden; auch könne die Lichlausbrei- tung, welche leuchtende Objeete selbst in der deutlichen Sehweite hervorbringen, möglicher Weise von der Aberration wegen der Krümmungen der breehenden Augenmedien, über welche es noch an Versuchen fehle, mit abhangen. F. möchte XLV lieber einer andern, von Pl. nicht unterstützten Erscheinung, nämlich der sirahlenartigen Ausbreitung, welche kleine sehr helle Objecte, als das Sonnenbildehen in Thautropfen, auf Thermometerkugeln geben, welche Purkinje von Ungleich- förmigkeiten in der Brechung des Auges und einer etwaigen Kerbung des Linsenrandes durch die Giliarfortsätze abzuleiten geneigt ist, und welche in verschiedenen Individuen, und selbst in beiden Augen desselben Individui, sich oft verschieden dar- stellt, die Bezeichnung Irradiation vindieiren. Nach Ref. An- sicht bedarf ebenfalls dieser Gegenstand vor dem Abschluss noch einer abermaligen Untersuchung, in welcher die Licht- ausbreitung als physiologisches Phänomen von dem physikali- schen der Zerstreuung und Aberration streng gesondert wird. 8 Subjective Farben. Plateau vertheidigt in the London and Edinburgh phi- losophical magazine. Vol, XIV. p. 330—340. und p. 293 bis 446. seine Theorie von der Erzeugung der subjectiven Farben- erscheinungen gegen einige dawider erhobene Einwendungen. Er theilt diese Erscheinungen ein in aceidentelle Farben durch Suecession und durch Gleichzeitigkeit. Die ersten treten nach dem Aufhören eines äusseren Licht- oder Farbeneindruckes auf, und machen in der Zeit den Uebergang von dem Zustande des objeetiven Erregiseins der Netzhaut zur Ruhe. Die andern zeigen sich um die Grenzen des objecliv afflieirten Netzhaut- theiles, und erstrecken sich bis zu einer gewissen Entfernung von demselben, sie bilden den Uebergang vom Zustande der änssern Aflection zum Ruhestande im Raume. Jene bestehen anfänglich in einer Fortdauer des ursprünglichen Eindrucks (Nachbild), demnächst in der Complementärempfindung (Blen- dungsbild), diese erscheinen zunächst dem Objectivbilde in Verbreitung seiner Farbe über die Grenze desselben als Irra- diation, und jenseit dieser als complementäres Nebenbild (Juxta- »osition). Es entspricht also das Nachbild der Irradiation, das lendungsbild dem Phänomene der Juxtaposition. Das subjective Fortbestehen des objectiven Eindrucks in der Zeit wie im Raume nennt Plateau das positive Bild, und die Complemen- tärerscheinung in beiden das negative; bekanntlich erklärt er das Entstehen beider aus einem oscillatorischen Wechsel der Netzhautreselionen, worin Ref. (Bericht über die Fortschritte der Plıysiologie der Sinne pro 1838) ihm beigetreten ist. Er sucht sodann seinen früher ausgesprochenen Satz, dass im Ge- gensatze von reellen Farben, deren zwei complementäre zu- sammen Weiss geben, die Vereinigung complementärer sub- XLVI jectiver Farben Schwarz bilde, wider einen Ungenannten im dinb. Review zu behaupten, welcher die Ansicht aufstellt. dass subjective Farben ihrer Natur nach in eine mittlere Qua- lität zu verschmelzen unfähig seien, und dass das durch Com- binalion des subjeeiiven Roth und Grün bei der snceessiven Betrachtung einer grünen und daneben liegenden rothen Fläche entstehende Schwarz eine Folge der totalen Unempfindlichkeit der Netzhaut für alle Farbehqualitäten sei, welche wiederum dadurch bedingt werde, dass beim Anblick der grünen Fläche die Empfänglichkeit für diese Farbe ausgelöscht werde, und die für das Roth allein übrig bleibe, letzte demnächst durch das Hinschauen auf die rothe Fläche ebenfalls zu Grunde gehe, wovon Dunkelheit das Resultat sein müsse. Pl. bezieht sich zur Widerlegung dieses Einwurfes auf die von ihm nachgewie- sene Unrichtigkeit der Theorie, welche die Blendungsbilder durch Subtraetion des primiliven Farbeneindrucks aus dem Weissen vermöge parliellen Verlustes der Empfindlichkeit für jenen entstehen lässt, und zeigt aus eignen wie aus Scherf- fer’s Beobachtungen, dass aus der Combination zweier Blen- ° dungsfarben allerdings die Mischfarbe hervorgeht, z. B. aus dem accidentellen Blau und Roth nach abwechselndem Hinschauen auf ein orangefarbiges und grünes Feld Violett, in welchem Falle nach der Subtractionslehre wiederum Schwarz erfolgen müsste. (Ref. pflichtet sowohl hinsichtlich der Verwerfung dieser Theorie, A der Wirklichkeit der Combination zufälliger Farben dem Verf. vollkommen bei, hat sich indess, wie über den ersten Punkt, so auch über den Irrthum in der Behaup- tung, dass zwei im Verhältniss der Ergänzung stehende zufäl- lige Farben zusammen schwarz liefern sollen, im obigen Be- richt $. 80. schon ausgesprochen.) Ein anderer Einwand, dass nämlich in den accidentellen Bildern durch Succession, auf die negative Farbe, nachdem sie verschwunden, nicht, wie Pl. aus- gesagt, durch Reaction der sich selbst überlassenen Netzhaut, sondern nur aus Anlass des sich bewegenden Auges als eines Augenlidschlages die positive folge (dasselbe, was auch von Fechner eingewandt worden ist), wird durch sorgfältige Beob- achtungen, die sowohl der Verf. als gleichzeitig mit ihm und vor ihm Quetelet und Rozier (später Ref., s. den Bericht) bei völlig unbewegiem Auge angestellt haben, ebenfalls entkräftet. Brewster hat aus der Beobachtung, dass ein farbiger Ge- gensland bei längerer Betrachtung durch Beimischung von Weiss erblasst, welches nach Plateau’s Theorie unerklärlich sei, ein Argument wider diese ableiten wollen. Plateau zeigt dage- gen, dass dieses Factum zu allgemein hingestellt ist, und das Erblassen nur bei lange fortgeseiztem Arschauen und auf weis- sem Grunde, auf schwarzem hingegen eine Schwärzung, und XLVII bei vollkommener Isolirung ebenfalls ein Dunkelwerden eintritt, Die beiden ersten Erscheinungen werden dadurch begreiflich, dass der Grund in sein Complement übergeht, und das Com- plement dieses Complements, also die positive Qualität des Grundes nach dem Gegensatze der Juxtaposition in das farbige Feld übertragen wird, die letzte folgt aus der Reaction der Netzhaut in der Ergänzungsfarbe, welche sich mit der objeeli- ven vermischt, diese mehr und mehr schwächt, bis sie die Oberhand gewinnt und allein gesehen wird. Auf denselben Erklärungsgründen beruht es, dass ein schmales weisses oder graues Object auf farbigem Grunde bei kurzer Betrachtung die Complementfarbe des Grundes, bei längerer hingegen die Farbe des Grundes selbst annimmt. Auch der Versuch, auf den Br. zur Widerlegung der Plateau’schen Lehre sich beruft, dass ein rothes Siegel, bis zur Ermüdung des Auges starr betrach- _ tet, demnächst bei starker Annäherung einer Kerzeuflamme an das Auge schwärzlich erscheint, redueirt sich nach Pl.- sehr einfach auf das Erwachen des complementären Grün, welches, nachdem die Sensibilität für das objeetive Roth durch das helle Licht vernichtet worden, nun frei sich entwickelt, und in dem dunklen Gegensatze des Hellen fast schwarz gesehen wird. Pl. führt zum Schluss noch folgendes Experiment zur Bestä- tigung seiner Theorie an. : Ein kleines graues oder schwarzes Viereck auf rothem Grunde, welches nach langem Betrachten eine röthliche Farbe annimmt, wird schnell lebhaft roth, nach- dem der rothe Grund entfernt worden ist. Wird anstatt des leizten Verfahrens der Blick nach der Zimmerdecke ‚gewor- fen, so sieht man ein grünes Feld mit einem rothen Viereck in der Mitte. Fechner hat seine lehrreichen Versuche über die sub- jeetiven Nachbilder und Nebenbilder, welche in dem vorigen Berichte mitgetheilt worden sind, in Poggendorf’s Annalen 1840 No. 6. und 7. fortgesetzt. Bei der Unmöglichkeit, den Inhalt seiner Abhandlung im Auszuge wiederzugeben, muss Ref, sich auf Anführung der wichtigsten, nieht anderweit schon er- wähnten Beobachtungen beschränken. F. bemerkt, dass die Verdunkelung, welche ein auf dunklerem Grunde betrachtetes helles Feld allmählig erfährt, sich nicht bis auf den Rand des- selben erstreckt, sondern der Rand in einer gewissen Breite hell zurückbleibt, und umgekehrt bei Betrachtung eines dun- klen Feldes auf hellem Grunde derselbe dunkel bleibt, und den hellen Schleier des Feldes von der hellen Umgebung trennt; er vermuthet, dass hierbei die Zersireuungskreise eine wesent- liche Rolle spielen, und hat in sofern Recht, als bei fortge- selzter Betrachtung der Refractionssland durch Erschlaffung XLVII unwillkürlich einer weiteren Distanz sich aecomodirt, wodurch Zersireuungskreise entstehen müssen, welche wenigstens ein scheinbares Uebergreifen des Hellen ins Dunkle zur Folge ha- ben, indess wird dadurch der neben dem Complementbilde im betrachteten Felde übrig bleibende helle oder dunkle Rand nicht erklärt. Der dunkle Schleier, mit dem sich ein auf schwar- zem Grunde angeschaufes weisses Papier allmählig überzieht, ist nicht rein grau, sondern klingt durch verschiedene Farben ab, wie sich besonders deutlich im direeten Sonnenlichte zeigt. Die Stufenfolge dieser Farben ist Gelb, Blau, Rothviolett oder Rotb, und scheint nach F. darauf zu beruhen, dass die Em- pfindung der verschiedenen Farben, aus denen das Weisse zu- sammengesetzt ist, durch Abstumpfung des Auges für jede der- selben in verschiedene Zeiträume fällt und aufhört, und so ein abwechselndes Ueberwiegen der einen und andern entsteht, welches durch Combination dreier Curven von verschiedenem Verhältnisse der Abscissen zu den Ordinaten erläutert wird. Das Nachbild eines hellen Objectes auf dunklem Grunde er- scheint erst eine Zeit lang heller als die Umgebung, später kehrt sich das Verhältniss um, und eine ähnliche Umkehrung beobachtet man hinsichtlich der Farbe, indem das Nachbild einer Farbe anfangs ohne Acnderung der Qualität fortdauert, und demnächst in die complementäre Farbe übergeht. Die verschiedenen Farben im Weissen befolgen, wie bei der di- recten Betrachtung, so auch im Nachbilde des Weissen einen verschiedenen Gang, indem dasselbe nicht durch die Nüancen des Grauen, sondern durch die Phasen Weiss, Blau, Grün, Roth und nochmals Blau zum Schwarzen hindurchschreitet, Auch nach Betrachtung schwarzer Objecte auf hellweissem Grunde findet ein solches Abklingen statt, und der Gang der Erscheinung setzt sich zusammen aus dem Gange, welchen die einzelnen Farbenbestandtheile des weissen Lichtes für sich dar- bieten würden. Je intensiver ein primärer Lichteindruck ist, desto länger und reiner beharrt er nach Entfernung des Ob- jecles im Auge, desto später trilt auch jede Farbenphase in den Fällen eines bemerkbaren Abklingens ein. Nach Betrach- tung eines weissen oder farbigen Objectes auf schwarzem Grunde oder umgekehrt tritt der eomplementäre Eindruck um so schnel- ler deutlich hervor, und steigert sich um so zeiliger zum Maxi- mum, auf je hellerem Grunde man das Nachbild betrachtet. Wenn man ein Nachbild im Auge hat, so springt die Erschei- nung sogleich auf eine frühere oder auf eine spätere Phase über, je nachdem man plötzlich mehr Licht ins Auge fallen lässt, oder den Lichtzutritt vermindert. Je länger man ein Object angeschaut hat, desto intensiver ist die ganze Erscheinung des Nachbildes, und desto länger dauert es, bevor sie undeullich XLIK wird. Dagegen hat, wofern die Zeit der Betrachtung nur eine gewisse kurze Dauer überschreitet, dann eine grössere oder ‚kürzere fernere Däner keinen weiteren Einfluss mehr auf den Gäng des Phänomens. Bewegungen des Auges und selbst des übrigen Körpers disponiren das Auge zum Verschwinden des complementären Nachbildes. Plateau behauptet, dass der complementäre Einfluss im Auge dem primären succedire, Fech- ner hingegen, dass er sich mit ihm als gleichzeitig complicire, welches durch ‘das Unscheinbarwerden der Farben bei längerer Betrachtung dargethan wird. (Aber Pl. hat dieselbe Erschei- nung ebenfalls aus einem gleichzeitigen Auftirelen des Comple- ‚ments erklärt. Ref.) Ein anderes Argument wider Plateau’s Oseillationstheorie findet F. darin, dass, je intensiver der di- recte Farbeneindruck war, nicht auch desto intensiver gerade der nachfolgende eomplementäre ist, obschon einer hohen Welle im Allgemeinen eine entsprechend tiefe Welle folgt. Wenn man nämlich nach dem Sehen durch ein homogen &efärbtes Glas in die Sonne die Augen schliesst, bleibt der primäre Ein- druck lange zurück und das Nachbild pflegt zu erlöschen, ohne dass eine ecomplementäre Färbung zu Stande kommt; es scheint in diesem Falle der complementäre Eindruck mit dem’ primären “ zugleich zu verlaufen und durch ihn überwogen zu werden. (Das Sonnenbild durch ein farbiges Glas bietet aber nur eine schwache Färbnng dar, es erscheint fast weiss oder gelb, und nur in schwachem Grade nüaneirt durch die Farbe des Glases; überdies würde die Annahme zweier gleichzeitiger Reactionen in der Netzhaut keinesweges unstatihaft erscheinen. Ref.) Als Thatsachen, welche bei einer Theorie der Farben durch den Contrast zu berücksichligen sind, werden folgende, auch mit Referents Beobachtungen übereinstimmende ausgehoben. Hat man die Bedingungen des Erscheinens eines subjectiy Tar- bigen Schattens hergerichtet, so erblickt man nach geschlosse- nen Augen denselben schon in dem ersten Moment, wann man sie öffnet, und wie gross auch seine Ausdehnung sei, so er- seheint er doch nicht, wie Pohlmann angiebt, im Innern malter, sondern in seiner ‘ganzen Ausdehnung gleich intensiv gefärbt, wofern nur das Auge noch die objective Nachbarfarbe zu etblicken vermag. Wenn man einen Schatten so erzeugt, dass gar kein Licht denselben erleuchtet, woraus die durch ‚den Contrast geforderte Farbe entstehen könnte, 'so erscheint sie nieltsdestoweniger, aber undentlich. ' Bei Erzeugung eines | Bjeniven und eines objectiven Schattens durch eine tages- ‚helle und eine farbige Oeflnung im Fensterladen lässt sich ein solches Grössenverhältniss der Oeffnungen herstellen, dass beide Sehatten gleich intensiv gefärbt erscheinen, welches Accomo- n der Oellnungen zum Gleichgewichte der Schätten genannt Müller's Archiv. 1912, D L wird. Wenn man im Falle dieses ‚Gleiehgewichtes die tages- helle Oeffnung noch vergrössert, während man die andere un- geändert lässt, so verdünnt sich die Farbe des subjectiven Schattens immer mehr mit Weiss, bis sie zuletzt ganz un- scheinbar wird; verkleinert man hingegen jene Oeflnung, so verdunkelt sie sich. Werden zwei gleich grosse Oeflnungen mit Gläsern von gleich gearteter Farbe, deren eins aber heller, das andere dunkler ist, bedeckt, so erscheint der von dem helleren Glase beleuchtete Schatten subjeetiv gefärbt. Schaut man einen subjeetiven und objeetiven Schatten, welche sich nebeneinander auf einer weissen Tafel befinden und zum Gleich- gewicht ‚gebracht sind, anhaltend an, bis sie gewissermaassen mit einem Schleier überzogen scheinen, und lenkt man als» dann. das Auge auf die gemeinschaftliche Umgebung, so giebt jeder Schatten ein Nachbild von der reciproken Farbe. Dieser Versuch zeigt, dass die subjective Farbe nicht minder als die objective fähig ist, ein complementäres Nachbild zu geben. Be- trachtet man ein farbiges Papier auf weissem Grunde in ver- breiletem Tageslichte oder in direetem Sonnenlichte, so nimmt man anfangs keine deutliche, oder höchstens eine ganz schwa- che complementäre Färbung an dem weissen Grunde wahr. Nach einiger Zeit aber färbt sich der Grund entschieden mit derselben Farbe, welche das Papier hat. Beide Phänomene wer- den noch deutlicher, wenn man ein kleines weisses Feld auf farbigem Grunde betrachtet. Auf einem schwarzen Papiere auf farbigem Grunde entwickelt sich nach einiger Zeit dieselbe Farbe, welche der Grund besitzt. Auch farbige Complemen- tärschatten fingiren sich, wenn man sie anhaltend und fest fixirt, allmählig immer mehr mit der objectiven Nachbarfarbe. Die Farben durch den Contrast lehren, dass ein direeter Ein- druck: auf eine begrenzte Stelle der Netzhaut den ganzen übri- gen Theil der Netzhaut in Mitleidenschaft zieht. Die Verän- derungen, welche der direct und der sympathisch affieirte Theil der Netzhaut erfahren, sind stets einander complementär, Al- lerdings nimmt bei anhaltender Betrachtung, eines Farbenflecks auf weissem Grunde der Grund die Farbe des Flecks selbst an, allein dies erfolgt genau in demselben Maasse, als zu- gleich der Eindruck der direct gesehenen Farbe selbst sich abschwächt. F. wendet sich hiernächst zu den speciellen Ergebnissen über das Abklingen der Farben. Die Bezeichnung Blendungs- bilder gebraucht er in einem andern Sinne als Plateau, indem er diejenigen Bilder darunter versteht, welche ein sehr in- tensiver Lichteindruck, durch welchen das Auge gleichsam ge- blendet wird, z. B. von einer Lichtflamme oder der Sonne, oder sonnenhellem Himmel im Auge zurücklässt, während LI minder starke Lichteinwirkungen, welche keine Blendung ze, währen, nur sogenanzte Nachbilder zur Folge haben. Wir besitzen bereits Beobachtungen über das Abklingen der Farben von Darwin, Goethe, Purkinje u. A., welche aber im Ganzen mehr oberflächlich, und meist nur an Blendungsbildern angestellt sind; das Farbenabklingen der eigentlichen Nachbilder von schwarzen und farbigen Objecten, so wie der vom ge- wöhnlichen Tageslichte beleuchteten Objecte, ist bisher noch gar nicht untersucht worden, über diese wird hier eine Reihe detaillirter und lehrreicher Versuche eröffnet, von denen die meisten oft und sorgfältig wiederholt worden sind, und welche zur Abscheidung etwaiger subjectiver Milergebnisse nur noch eine Wiederholung durch andere Beobachter wünschen lassen. In den sich metamorphosirenden Nachbildern treten Grenzer- seheinungen auf, theils als Säume, worunter Nüancirungen der Farbe des Nachbildes am Rande, die ohne deutliche Abgren- zung nach innen in letzteres verlaufen, verstanden werden, theils als Umringe, nämlich als beiderseits abgegrenzte Ringe von erheblicher Breite und von anderer Farbe, als das Nach- bild, endlich als Randschein, welche eine vom Nachbilde oder Umringe mit abnebmender Intensität in den Grund hinein ver- laufende Hellung oder Färbung darstellen. Wenn Umringe um einen centralen Theil des Nachbildes sich entwickeln, so sind die Farben derselben stets solche, die später der centrale Theil selbst annimmt, und die verschiedenen Umringe, deren Farben suecessiv im centralen Theil erscheinen werden, ent- wickeln sich 'selbst auch successiv einer um den andern. Im Allgemeinen dauert jede spätere Phase im Gange der Er- scheinung länger als die vorhergehende, und zuletzt ver- schlingt ein den Grund überlaufender Schein das ganze Phä- nomen. Ist dies der Fall, indem noch ein Umring vorhanden ist, so ist anzunehmen, dass die Erscheinung nicht bis zum Schlusse gediehen sei. Oft kann man durch eine Bewegung der Augenlider momentan eine spätere Phase hervorrufen, oder eine frühere zurückrufen. Je intensiver das Licht ist, durch welches die Nachbilder erzeugt werden, desto intensiver und langsamer verlaufen die Phasen des Nachbildes, und desto con- stänter ist der Farbenwandel desselben. Den Anfang machen die Nachbilder nach Betrachtung von Weiss und Schwarz, und unter diesen wiederum zuerst die ‚ durch starkes Licht erzeugten sogenannten Blendungsbilder die- ser Calegorie. Als Object diente hier entweder eine kreis- runde Oeflnung im Laden eines finstern Zimmers, oder eine Scheibe weissen Papieres auf schwarzem Papiere in direetem Sonnenlichte, oder durch eoncentrirtes Sonnenlicht mittelst eines Srossen Breunglases beleuchtet, endlich auch die Sonne selbst p* LU direet und momentan angeschaut, . Es werden in dieser‘ Ab- iheilung nun, zuerst diejenigen Blendungsbilder, welche bei 'ge- schlossenen und mit den Händen verdeckten Augen enistehen, dann die auf schwarzem, dem directen Sonnenlichte ausge- selzten Papiere sich erzeugenden, hiernächst die Bilder auf weissem Papiere in directem Sonnenlichte, ferner die auf grü- nem und auf dunkelrothem Papiere in verbreitetem Tageslichte nach ihren Umwandlungen Phase für Phase genau beschrieben, Den Blendungsbildern folgen die Nachbilder eines dem ver- breiteten Tageslichte ausgesetzten weissen Objectes auf schwar-, zem Grunde, wozu eine weisse Papierscheibe auf einer schwar- zen «ienle, und welche wiederum unter die Bedingungen ihres Entwurfs auf schwarzem, auf weissem, auf grünem und auf rothem dem verbreiteten Tageslichte ausgesetztem Papiere ge- bracht werden. Die zweite Abtheilung begreift die Nachbilder durch ‚Betrachtung yon Schwarz auf Weiss, welche wiederum in Blendungsbilder und eigentliche Nachbilder zerfallen. Für die ersten wurde als Object eine schwarze Papierscheibe gegen den hellen Himmel an ein Fenster geklebt, oder in directem Sonnenlichte auf weissem Papiere gewählt, und wir finden hier die Entwickelung ihres Verlaufs im Falle des geschlossenen Auges, wie der Richtung desselben auf schwarzes oder weisses Papier im directen Sonnenlichte. _ Die anderen (eigentliche Nachbilder) wurden durch Betrachtung des schwarzen Papieres auf weissem gewonnen, und unter den Modificalionen des nach- her geschlossenen Auges und seines Ausruhens auf schwarzem, weissem, grünem und rolhem Papiere, jedesmal in verbreite- tem Tageslichte untersucht. Eine dritte Gruppe von Beobach- tungen. betrifft; die Nachbilder nach dem Sehen durch farbige Gläser oder Flüssigkeiten in die Sonne. Vor dem Loche im Laden des finstern Zimmers war ausserhalb ein stellbarer Spie- gel befestigt, um aus dem Zimmer durch das mit dem farbigen Mittel verschlossene Loch in das Spiegelbild der Sonne sehen zu können. Es wurden theils rotlıe, theils gelbe, theils grüne Mittel angewendet, und die Nachbilder 'bei geschlossenen und mil den Händen verdeckten Augen gemustert. Szokalski hat in einer lesenswerthen Schrift „essai sur les sensations des couleurs, Bruxelles 1840“ die Fundamental- thatsachen der physiologischen Farbenlehre mit historischen _ Nachweisungen über die Entwickelung dieser Wissenschaft und der jelzt herrschenden divergirenden Ansichten, unter Beilü- gung eigner schätzbarer Beobachtungen, übersichtlich zusam- mengestellt. Nachdem er gleich anfangs auf den subjeeliven - Standpunkt sich geselzt, und die Bildung der Farben im Sch- organe durch lebendige Keaclion auf die Einwirkung äusserer LI oder innerer Incilamente gezeigt hat, beginnt er mit den Er- scheinungen ‚des Farbenabklingens, welche von Buffon acei- dentelle, von Goethe physiologische, von Plateau (jedoch nur sofern sie complementär sind, Ref.) negative Farben, von Darwin indirecte Spectra genannt, worden sind, und führt darüber folgende Versuche an. Ein weisses Feld auf schwar- zem Grunde anhaltend betrachtet, geht durch die Mittelstufen Gelb, Grün und Blau ins Schwarze über. Das Bild der Sonne im dunklen Zimmer auf weisser Wand verschwindet nach Ver- sehliessung des Lochs in der Lade durch die Phasen Orange, Roth und Violet, nach Oeflnung der Lade hingegen folgen Schwarz, Blau, Grün, Gelb, und Erlöschen in der Tageshelle. Die Combination beider letztgenannten Versuche bei Zusam- menstellung eines weissen Schirmes, auf welchen der Sounen- strahl geleitet wird, und eines schwarzen daneben, wenn nach- her die Laden geöffnet worden, und der Blick auf beide ab- wechselnd gerichtet wird, ergiebt, entsprechend jenen Einzel- walhrnehmungen, auf dem ersten die Succession Weiss, Orange, Roth, Violet, Schwarz, auf dem andern Schwarz, Blau, Grün Gelb, Weiss. Ein farbiges Feld, auf hellem oder dunklem Grunde betrachtet und rasch entfernt, hat ein Nachbild in der Com- plementfarbe. und zwar im ersten Falle heller, im anderen dunkler zur Folge, Jurine war der erste, welcher diese Phä- nomene aus innerer Ursache erklärte; ihm folgte Scherffer, der sie genauer, und zwar durch die Theorie zu begründen suchte, dass die Netzhaut ihre Sensibilität für. die betrachtete Farbe verliere, und daher in dem Weissen nur noch das Com- plement derselben empfinde, welches Princip auch Fechner anerkennt, Plateau aber durch das ebenmässige Auftreten der Complementbilder nach völliger Abschliessung des Auges vom Lichte widerlegt, und auch der Verf. verwirft. Zur Erläute- rung der Netzhaulaction in Erweckung der Farbenempfindun- gen wird der merkwürdige Fall eines Mannes erzählt, welcher durch einen. Pistolenschuss in der gescheiterten Absicht. der Selbstentleibung sich den harten Gaumen und den Boden der linken Augenhöhle, unter welcher die Kugel im Sinus maxil- laris liegen blieb, zerschmeltert hatte. Es folgte augenblicklich. Blindheit dieses Auges, welche auch einige Monate später nach gelungener Heilung der Wunde mit Ausnahme einer kleinen, für das Licht empfindlichen Stelle der Netzhaut noch fortbe- sland, Diese Stelle unterschied Hell vom Dunkel, und erkannte auch mühsam die Form nahe vorgehaältener Gegenstände, war aber der speeifischen Reaclionsfähigkeit in Farben ganz und vr beraubt, so. .dass farbige Wlecken auf einer Oberiläche als öcher erschienen. Zufolge der ‚Beobachtuugen Purkinje’s über das Ver- LIV ° schwinden der Farben in der Seitensicht nimmt Sz. drei Zo- nen in der Netzhaut an, von denen die äusserste, peripheri- sche, nur die Empfindungen des Weissen und Schwarzen ge- währen, die mittlere ausserdem noch Blau und Gelb empfinden lassen, die innere ‘oder centrale zugleich für Roth, mithin für sämmtliche Farben empfänglich sein soll. Wenn derselbe sich aber feierlich gegen die Unterstellung verwahrt, als nehme er angeborne Farbenempfindungen, und daher angeborne Ideen überhaupt an, so dürfte, abgesehen davon, dass das Be- denkliche dieser Lehre durchaus nicht einleuchtet, dagegen zu erinnern sein, dass aus der allerdings richtigen Behauptung, die Farbenempfindung sei Wirkung der vitalen 'Reaction auf einen Licht- oder sonstigen Reiz, mithin subjeetiven Ursprungs, nothwendig zu folgen scheint, dass dieselbe schon vor dem sie erweckenden Einflusse im Subjecte potentia vorhanden sein muss. Sz. verkennt: zwar nicht, dass der Sensation einer be- stimmten Farbe eine specifische Weise der Sehnervenaelion zu Grunde liegt, tritt aber dennoch der Ansicht Schopenhauers bei, nach welcher diese Reactionen zugleich quantitativ ver- schieden sind, und zur Empfindung des Weissen wie Theile zum Ganzen sich verhalten sollen, so dass die Action für das Schwarze Null, für das Blaue ein Viertel, für das Rothe die Hälfte, und für das Gelbe drei Viertel dieser Totalfunction be- irage. Hierdurch wird erklärt, warum die Mischung der drei Primitivfarben nicht Weiss, sondern Grau giebt, und warum das Abklingen in der oben dargelegten Folgereihe sich ver- wirklicht, nämlich vom Weissen durch ein allmähliges Fallen der Function, und vom. Schwarzen durch ein Steigen dersel- ben zum andern Extreme. (Bei Erscheinung des Schwarzen befindet sich aber das Sehorgan keinesweges im Zustande ab- soluter Unthätigkeit, denn dieses ist eine positive Empfindung und vom Nichtempfinden verschieden; so wird der Raum hin- ier unserem Gesichtskreise nicht schwarz, sondern gar nicht empfunden. Das Dunkle erscheint eben sowohl als das Helle, und das absolute Dunkel ist eine aus dem Innern des sich be- wussten Sinnes bei Abwesenheit eines Reizes enispringende Sensation, welche freilich auf einem geringeren Grade der Action beruhen mag, als die der Farben. Jene Gradation ist überdies nicht zulänglich erwiesen, und macht auch die Phä- nomene des Farbenabklingens keinesweges allein begreiflich, indem ein blosses Steigen oder Fallen vielmehr die Mittelstufen von Helldunkel, Grau und Dunkelhell durchlaufen müsste, daher ausserdem noch die Annahme einer qualitativen Metamorphose nicht zu umgehen sein würde, durch welche aber die quanti- tative überflüssig wird. Ferner bleibt hierbei unerklärt, warum LV das Nachbild des Schwarzen andere Farben durchläuft, als das des Weissen. Ref.) Da aus der Einigung zweier Complement- farben, eben so wie aus der Mischung von Schwarz und Weiss das Graue hervorgeht, so wird mit Recht‘dieses als Mittel oder Indifferenzpunkt sämmilicher Farben aufgestellt und ge- zeigt, wie das Erscheinen der complementären Nachbilder dar- auf beruht, dass die Netzhaut aus der einseitigen Function: bei Empfindung einer Farbe stets die Mitte herzustellen strebt, und daher die ergänzende Function aus sich erzeugt. Die saccedirende Complementfarbe vermischt sich auch mit elwai- gen, gleichzeitig von aussen gegebenen Farben zu Mittelfarben, wie Chevreul dargeihan hat. Weiss und. Schwarz gelten dem Verf. eben sowohl als Roth, Blau und Gelb für Farben, weil sie in ihrer Vereinigung ebenfalls Grau liefern, er nennt sie Fundamentalfarben. (Es finden indess in der sechstheiligen Farbenscheibe diese zwei (ualitäten nirgend einen gesicherten Platz, indem sie zu jeder Farbe in gleichem Verhältniss stehen. In jener Scheibe ‚gleieht jede Farbe der Vereinigung ihrer. beiden Nachbarn, dies wird aber nicht mehr der Fall sein mit dem Schwarzen und Weissen, welche beliebige Stellung man diesen auch anweisen möge. Man versetze z.B. Schwarz zwischen Roth und Orange, so werden die beiden letzten combinirt eben so wenig Schwarz geben, als Violet und Schwarz zusammen Roth machen; das- selbe gilt vom Weissen. Ueberdies ändert jede Farbe durch Einigung mit irgend einer andern Farbe ihren Character, indem sie für die Empfindung zu einer neuen Qualität wird, in wel- cher keins ihrer Elemente sich unterscheidet, hingegen behält die Farbe, während sie mit dem Schwarzen oder Weissen sich combinirt, ihren Character bei, und erscheint nur mehr: als eine andere Abstufung derselben Qualität. Ferner ist die Suc- cession des Farbenbildes in die Ergänzungsfarbe eine unmittel- bare, keine Zwischenstufen durchlaufende, während der Ueber- gang des Weissen und Schwarzen in das Gegentheil durch drei abklingende Oylinder vermittelt wird. Es wird daher richtiger sein, anstatt einer achttheiligen Scheibe mit Schwarz und Weiss die sechstheilige beizubehalten, und diese beiden über und un- ter das Grau in die Endpunkte der Axe eines Doppelkegels zu verselzen, dessen gemeinsame Basis die Farbenscheibe ist, so dass sie als eins mit dem Hellen und Dunklen überhaupt das Farbenreich beherrschen, und durch ihr Mehr oder Minder gleichmässig nüanciren, wie Referent in dem Anhange zu sei- nen Elementen einer physiologischen Schattenlehre längst vor- geschlagen hat. Ref.) e;) Unter Persistenz der Gesichtsempfindung wird die soge- nannte Nachempfindung oder die Fortsetzung des Eindrucks LVI nach dem Aufhören des einwirkenden Reizes verstanden und behauptet, dass die Dauer derselben in geradem‘ Verhältniss zur Dauer der Einwirkung stehe (nieht aueh zur Intensität derselben und zur Energie der percipirenden Fläche? Ref.); das Abklingen wird als eine Art der Nachempfindung darge- stellt, welche im Uebergange zur Ruhe oder zur höchsten Stei- gerung eine Reihe von Farben durchläuft, und wird zum Un- terschiede von der sich gleichbleibenden oder gleichartigen Per- sistenz die ungleicharlige (similaire et dissimilaire): genannt. Aus dem Auftreten dieser Zwischenbilder nach der Empfin- dung des Weissen wird geschlossen, dass das Auge seine Par- tialfunctionen successiv verliert, und dass die jedesmal bleiben- den nach ihrer Zabl und Qualität: die gerade erscheinende Farbe hervorrufen. Demgemäss soll die Dauer der Nachem- pfindung für die verschiedenen Farben verschieden sein, und indem Maasse zunehmen, als in jener Reihenfolge die Farbe dem Schwarzen sich nähert, so dass dieses selbst die längste Dauer habe, hierauf Blau, dann Roth, ferner Gelb und zuletzt Weiss als am kürzesten dauernd folgen soll. Diese Verschie- denheit sei darin begründet, dass die sensitive Aclion zur Er- zeugung des Weissen durch Ermüdung des Sehorganes am schnellsten aufhöre, demnächst die folgenden in der angegebe- nen Ordnung. Da ferner die Quanlität der Action vom Weis sen zum Schwarzen hin in derselben Folge abnimmt, so: wird daraus der Schluss gezogen, dass die Persistenz der Farben- empfindung im umgekehrten Quantitätsverhälthisse der empfin- denden Thätigkeit stehe. (Ref. kann mit diesen Folgerungen sich noch weniger einverstanden erklären, als mit Fechner’s Darstellung der abwechselnden Präponderanz ‚der einen und ahdern Farbe in verschiedenen Zeiträumen’ nach den Curven ihrer gradativen Abnahme. Beide Ansichten betrachten ‘das Weisse als die Sammlung der drei Primitivfarben, welche ‚aber Grau ist, und haben überdies die Thatsache wider sich, ‚dass das Abklingen eben sowohl nach dem Abklingen eines schwar- zen als eines weissen Gegenstandes statt findet, mithin weder durch Subtraction noch durch alternirendes Vorwalten einzel- ner Farbenelemente begreiflich wird. Hiervon abgesehen, würde aber das stufenweise Aufhören der einen und anderen Farben- empfindung in dem Ganzen: die Sache noch weniger als Fech= ner’s Deutung erklären, denn das Nachbild des Weissen klingt nach $z. durch die Phasen Orange, Roth und Violet ab; es müsste also zuerst Blau, dann Gelb verschwinden, dann äber- mals Blau auftreten und sich mit dem übrig gebliebenen Roth zu Violet verbinden, zuletzt auch dieses sich verlieren. Diese Folge in der Persistenz der einzelnen Farbenempfindungen ist aber nicht allein verschieden von derjenigen, welche Sz. sta- } 2 Sa LVIl Inivt, sondern es würde auch nach seiner Erklärung die ein- mal verschwundene Farbe nicht später von neuem in einer anderen Combination erscheinen können. Obgleich die Anga- ben über die Succession der Phasen bei FE. und Sz. nicht über- einslimmen, daher dieser Gegenstand noch wiederholter Ver- suche bedarf, so haben doch beide Beobachter das Wieder- auftauchen einer bereits verschwundenen Farbe, sei es ein rei- nes oder gemischtes, in vielen Fällen bemerkt. Dies Alles redet Plateau’s Theorie das Wort, und überdies beruht die Quantitätsseala der Farbenempfindungen, wie gesagt, auf einer hypolhetischen Annahme. Ref.) Verf. wendet sich hiernächst zu den subjectiven Farben, welche gleichzeitig mit den äusserlich erscheinenden im Raume auftreten, wobei auch die farbigen Schatten berührt werden, und beschränkt sich in dieser Hinsicht grösstentheils auf eine gedrängte Zusammenstellung der Chevreul’schen Beobachtun- gen und der daraus gezogenen Resultate. Er geht die Bedin- gungen der um und neben einem Farbenfelde sich zeigenden Complementfarbe durch, und weiset den wechselseitigen Ein- fluss zweier in Nebenlage gesehenen Farben nach, deren Wir- kung allgemein durch das Gesetz sich ausdrückt, dass dieselben in der grösstmöglichen Differenz untereinander empfunden wer- den. Legt man z. B. ein rothes und ein blaues Band neben- einander, so erhält das rothe 'einen gelblichen, das Blaue einen grünlichen Anstrieh, welcher darin sich begründet, dass das Complement einer jeden dieser Farben mit der andern Farbe sieh combinirt. Darum entsteht auch er Juxtaposition zweier Complementfarben die als Contrast bekannte reciproke Belebung derselben, und eben darum verlieren zwei zusammengesetzte Farben, welche ein gemeinsames Element haben, durch das Nebeneinander ungleich mehr als andere Farben, z. B. Grün und Orange, Orange und Violet. Als Bedingung für die Er- zeugung farbiger Schatten ist in Ermangelung eigner Versuche hierüber das irriger Weise von Göthe als nothwendig aufge- stellte Zusammenwirken zweier verschiedenfarbiger Lichter bei- behalten worden. Das Unzulängliche der Benennung sucees- sive Farben, womit die subjecliven Complementfarben vom Verf. belegt worden, stellt sich in diesem, die analoge Reihe von Phänomenen in der Gleichzeitigkeit behandelnden Ab- schnitte besonders deutlich heraus. p Die Physiologie der Farben findet zugleich Anwendung auf die Diätetik und Symptomatologie des erkrankten Sehorganes. Wer z. B. einer blauen oder grünen Conservationsbrille sich bedient, sieht nach dem Ablegen derselben anfangs die Umge- bung in einem gelbröthlichen oder rothen Lichte; fällt bei sehr prominirendem Auge oder wegen unpussender Stellung der + Müllers Archir, 1812, D Lvil blauen Brille neben dieser noch Seitenlieht durch, so sieht man diesen peripherischen Theil des Sehfeldes ebenfalls gelblich. Bei Individuen, welche viel mit bunten Gegenständen verkeh- ren, als Blumenarbeitern, Putzhändlerinnen, entwickelt sich häufig ein Erethismus der Netzhaut, bei welchem die Farben ihre Complementempfindungen daneben mit der grössten Leich- tigkeit und zur Störung des Geschäftsbelriebes erwecken, und die Nachemplindungen unglaublich lange fortbestehen können ; so sah z. B. eine Frau dieses Gewerbes in der violetten Stik- kerei ihres schwarzen Tuches gelbe‘Blumen. (Viele Fälle so- genannter Chrupsie mögen sich auf eine krankhaft gesteigerte Neigung des Sehorganes zur Produelion der subjectiven Farben redueiren, und überhaupt dürfte dieses Feld der Augenphy- siologie, wenn es von den Aerzten allgemein eultivirt würde, eine reiche Ausbeute für die Augennosologie und Therapie hoflen lassen. Nef.) In einem zweiten Abschnilte des Buches, welcher die an- gebornen Mängel der Farbenpereeptionen zum Gegenstande hat, handelt Verf. ausführlich von der Achromalopsie, für welche er Sommer’s Benennung Uhromatopseudopsie vorzieht. Er theilt die mit diesem Sensationsmangel behafteten Individuen in fünf Klassen, deren Existenz er durch Sammlung der wich- tigsten zerstreut darüber vorliegenden Beobachtungen‘ nach- weist. Bei den zur ersten Klasse gehörenden fehlt der Far- bensinn fast gänzlich, sie unterscheiden nur die Grundfarben Schwarz und Weiss, hingegen keine der eigentlichen Farben (Gelb, Rotlı und Blau), anstalt deren sie nur verschiedne Grade der Grundfarben wahrnehmen. Die der zweiten Klasse empfinden ausserdem nur noch Gelb, und die Welt erscheint ihnen in den Nüancen, welche durch die Mischung des Schwar- zen, Weissen und Gelben hervorgerufen werden. In die dritte Klasse gehören diejenigen, bei welchen zum Gelben noch eine gemeinsame Perception hinzukommt, welche für Blau und Roth dieselbe ist (Göthe’s Akyanopen). Die vierte Klasse cha- raeterisirt sich durch den blossen Mangel der Empfindung des Rolhen, welches hier aschgrau erscheint. Die fünfte Klasse endlich begreift diejenigen Augen, welche zwar alle Farben einzeln, aber nicht mit der gehörigen Bestimmtheit erkennen, und vornehmlich die Mischung zweier Farben. nicht richtig empfinden, sondern anstatt derselben immer nur eine der ein- Sachen Farben sehen, aus welchen jene zusammengeselzt sind. (Die Erscheinungen der Achromalopsie in diesen Abstufungen begründen keins der schwächsten Argumente für die subjeclive Existenz der den Farbenempfindungen zu Grunde liegenden Gesichtsenergieen. Ref.) Elliotson (in Kroriep’s neuen Nolizen 1839, No. 247.) LIX erklärt sich mit Recht wider die unzulängliche Hypothese Steward’s, dass dieser Gesichtsfehler von einem Mangel der erforderlichen Aufmerksamkeit auf die verschiedenen Farben in der Jugend herrühre, erwähnt zugleich der Annahme Dal- ton’s, welcher die bei ihm selbst statt findende Identität der Empfindung des Blauen und Rothen einer blauen Farbe seines Glaskörpers zuschreibt, der die rothen so wie viele andere Strahlen verschlucke,. so wie der Ansicht Brewster’s, nach welcher der Grund der mangelhaften Farbenperception in einer abnormen Organisation der Netzhaut liegen soll, und setzt den- selben vielmehr in eine fehlerhafte Entwickelung des dabei fun- girenden Gehirntheiles. Die gazelte des hopitaux vom 19. October a. e. erinnert hierzu, dass das erste Stadium des sehwarzen Staares ebenfalls von einer Farbenverwechselung, aber in anderer Art, begleitet werde, die gleich der angebornen Achromatopsie von einem krankhaften Zustande des Gehirnes abzuhangen scheine; bei der anfangenden Amaurose aus Ueber- reizung werden nämlich die mindest lebhaften Farben, als Blau und Violet, am deutlichsten wahrgenommen, und gelbe Ge- genslände den rothen gleich gesehen, dahingegen bei der Amau- rose aus Schwächung das rothe Licht zuletzt verschwindet, und bei Abnahme der Krankheit zuerst wieder sichtbar wird. 9. Einfluss der sympathischen Nerven auf den Rand der Pupille, Bekanntlich tritt nach Petit’s, Cruikshank’s, Arne- mann?’s, Mayer’s, Brachet’s und Molinelli’s Beobach- tungen nach Verletzung des N. vagus am lalse bei Hunden, in denen dieser Nerv mit dem Sympalhicus zusammenhängt, eine Entzündung der Bindehaut derselben Seite mit Verengung der Augenlidspalte und der Pupille ein. John Reid hat nun durch fernere Versuche ermittelt, dass diese Erscheinungen zu- gleich ınit einer Vorwärtsbewegung des dritten Augenlides unmitlelbar nach Verletzung des Sympathieus sich einstellen bevor noch die Aflection der Conjuncliva sich zeigt, und dassı sie vach dem Verschwinden der letzten noch fortbestehen. In dem ersten seiner Experimente erfolgte nach Durchschneidung des Vagus und Sympathieus bei einem Hunde auf der Stelle die Contraetion der Pupille mit Vorrücken der Palpebra te tia über den inneren Hornhautrand, in dem zweiten trat nach Ex- eision eines Stückchens dieser Nerven dieselbe Wirkung mit Zurückziehung und Einwärtsrollung des Augapfels ein, und noch zwei Monate nachher war die Pupille der operirten Seite LX noch merklich kleiner, und die Augenlider einander genähert. Wurde mit Schonung des Vagus bloss die untere Hälfte des oberen Halsknotens entfernt, so war der Erfolg der nämliche, und die Entfernung der andern Hälfte des Ganglions hatte kei- nen weiteren Einfluss. Ein Druck auf den Halstheil des Sym- an mit Umgehung des Vagus an einer Katze halte angen- licklich Verengerung der Pupille derselben Seite zur Folge, welche mit nachlassendem Drucke zugleich aufhörte. Die oben erwähnlen Erscheinungen wurden auch sofort wahrgenommen, wenn an einer Katze der Sympathicus nach vorsichtiger Tren- nung vom Vagus allein durchschnitten wurde, nicht aber in Folge blosser Durchschneidung des Vagus der anderen Seite. Bei Kaninchen hingegen können der obere Halsknoten und ein beträchtliches Stück des Stammes des Sympathieus am Halse entfernt werden, ohne eine Veränderung in der Iris und dem Rande der Augenlidspalte oder eine Entzündung der Bindehaut hervorzubringen, Die letzte hat indess Reid niemals, wie Arnemann angiebt, bis zur Exulceration der Hornhaut und Zerstörung des Augapfels fortschreiten sehen. Eine genügende Erklärung der Einwirkung von Compression und Verletzung des Sympathicus auf den Pupillenstand und ihre Verschieden- heiten vermag derselbe nicht zu geben. (Sollte diese nicht in der aus dem Plexus caroticus internus kommenden mittleren Wurzel des Blendungsknotens oder in den accessorisehen Wur- zeln desselben vom N. abducens, deren vielleicht verschiedenes Verhalten beim Hunde und der Katze von demjenigen beim Kaninchen noch einer Ermittelung bedarf, zu suchen sein? Ref.) S. Froriep’s neue Notizen, 1839, No. 248. PIE RECHT über die Fortschritte der Physiologie im Jahre 1841. Von Dr. Tun. Lupw. Wırn. BiscHorr. Professor in Heidelberg, 1. Allgemeine Physiologie. Lehrbücher. — Entwicklung von Imponderabilien. — Ragen. John Davy, Physiological and pathological researches. 2 Voll. Lond. 1839. 8. Philadelphia 1840. — Diese Sammlung von 43 theils physiologischen, theils anatomischen und pathologi- sehen Abhandlungen kennt Ref. nur aus einem gleichfalls kur- zen Auszuge in Frickes Zeitschrift XVII. p. 461. Mehrere derselben sind schon aus früheren Mittheilungen bekannt. Flögel, Compendium der Physiologie. 1841. Carpenter, Principles of general and comparative Phy- siology. 2. Edit. Dunglison, Human Physiology. 2 Vol. Philadelphia. 1841. Ribes, Memoires et observations d’anat. et de physiol. 2 Vol. 8. Paines, Med. and physiol, Commentaries. 2 Vol. New- York 1840. Combe, Principles of Physiology. 10. Edit. Oomte, Organisation et physiologie de ’homme. 3. Edit. Lordat, Ebauche du plan d’un trait& compl. de physiol, humaine, Montpellier 1841. Gabillot, Eiudes nouvelles des phenomenes generaux de la vie. Paris 1841. 8. Hartwig, Ueber die Lebenskraft, Archives de la med. "belge. 1840. Mai. F Reinars, Sur la vie organique. Paris 1844. Keratry, Induclions morales et physiologiques. Paris 1841. Müller's Archiv. 1642. E LXII Deschamps, Nouvelles recherches physiol. sur la vie. Paris 1841. Ripault, Remarques sur divers phenomenes de la vie organique qui persistent pendant quelque temps apr&s la mort. Paris 1841. Als von vielflachem Interesse und Bedeutung für die Phy- siologie muss hier aufgenommen werden: Henle, Allgemeine Anatomie. Leipzig 1841, deren ausgedehnte physiologische Ten- denz der Verf. selbst in der Vorrede motivirt hat. Ref. wird im Folgenden mehremale Gelegenheit haben, auf die Resultate des Verf. aufmerksam zu machen. Mit Beziehung auf das im vorigen Jahresbericht erwähnte Phosphoreseiren der Regenwürmer erinnert Audouin an äl- tere ähnliche Beobachtungen, und theilt eine neue von Mo- quin Tandon bei einer kleinen Lumbricus-Art angestellte mit, Er selbst beobachtete einst auch eine sehr starke Phos- phoroscenz an einem Beete, welche durch eine grosse Zahl einer kleinen Scolopendra electrica hervorgebracht wurde. Bei jenem Lumbricus war die Genitalanschwellung oder das Cli- tellum der Sitz der Phosphorescenz und dieselbe hörte unmit- telbar nach der Begattung auf. (Ann. des sc. nat. XV. p. 253. Fror. N. Not. No. 408.) Landsborough, On the phosphorescence of Zoophytes, Ann. of nat. hist. VII. p. 257. Edinb. new philos, Journal XXXI. p. 169. Die Leuchtorgane von Lampyris italica befinden sich nach- Dr. Peters beim Männchen an den beiden vorletzten, bei dem Weibchen an den drei letzten Bauchringen. Sie bestehen aus zusammengereiliten gelben Kügelchen, in die sich bedeu- tende Tracheenstämme verzweigen. Eine Verbindung mit dem Nervensysteme oder den Geschlechtsorganen ist nicht vorhan- den. Dieses Archiv 1841. p. 229. Vrolik und van de Vriese haben sich durch wieder- holte Versuche überzeugt, dass während der bekannten Wär- meentwicklung an dem Spadix der Colocasia odora, Sauerstoff der Atmosphäre verschwindet und Kohlensäure ausgeschieden wird, und dass in einer eingeschlossenen Menge Luft die Wärmeentwicklung bald aufhörte. In Verbindung mit dem früheren Resultate ihrer Beobachtungen, dass diese Wärme- entwicklung in Stickgas gar nicht eintritt, schliessen sie dar- aus, dass diese Wärmebildung eine Folge der Kohlensäurebil- dung sei. Ann. and Mag. of nat. hist. 1841. Mai. Fror. N. Not. No. 394. Es ist zu bemerken, dass in dem jetzigen Augenblicke, wo die Ansichten über die thierische Wärmebereitung sich ° { durch Arbeiten der Chemiker wahrscheinlich gegen früher än- LXIN dern, eine der beiden Arbeiten, auf welche die frühere An sicht gegründet war, zum erstenmale ausführlich mitgelheilt wird; nämlich die Arbeit von Dulong. Ann. de Chimie et de Physique 3me Serie I. p. 440. Das Resultat derselben ist zu bekannt, als dass ich dasselbe hier zu wiederholen brauchte. Doch bemerke ich, dass in Beziehung auf den wesentlichen Vorwurf, welchen man den Versuchen gemacht hat, Dulong freilich nur sehr ungenügend und kurz, aber bestimmt p. 450. ausspricht, dass das zum Versuche benutzte Thier den Appa- rat eben so warm verlassen, als es in denselben gebracht wor- den sei. — Despretz hebt daraufibid. T. II. p. 319 die Unter- schiede zwischen seinem Verfahren und seinen Resultaten von denen Dulongs hervor. Breschet und Becquerel fanden, dass bei einem Ka- ninchen, welches sie geschoren und mit einem Firniss von Leim, Seife und Harz überzogen hatten, die Temperatur in 4—1z Stunden um 14—18° sank, und die Thiere bald nach- her starben, was gegen die gewöhnliche Annahme zu sprechen scheint, dass durch die Hautausdünstung Wärme gebunden wird. Dieselben fanden auch bei Hunden, denen sie kleine Thermometer in die Vorhöfe des Herzens brachten, das Blut auf der linken Seite um 0,65° wärmer, als auf der rechten. Arch. gen. 1841. T. XII p. 517, L’Institut No. 408. p. 353. Brunner, Ueber die thierische Wärme. Schweizerische Zeit- schrift II. 2. Am 22. Jan. 1841 begatteten sich zwei Python bivitta- * tus im Jardin des Plantes, und am 6. Mai legte das Weibchen 15 Eier. Gleich darauf rollte sich dasselbe in Form einer Spirale über den Eiern zusammen, und blieb auf denselben bis zum 2. Juli unbeweglich, ohne zu fressen, dagegen 5mal Wasser trinkend, liegen, bis nach 56 Tagen sieben Junge aus- krochen, indem die übrigen zu Grunde gegangen waren, Wäh- rend dieser Zeit stellte Valenciennes Beobachtungen an dem brütenden Thiere an, und fand, dass dasselbe, so wie die von ihm bebrüteten Eier stets, aber vorzüglich während der er- sten Zeit, eine beträchtlich höhere Temperatur, als seine nächste Umgebung zeigte. Dieselbe war nämlich Anfangs 19° und selbst bis gegen das Ende 12—14° höher, als die erwärm- ten Decken, in welchen das Thier eingewickelt war. Va- lenciennes überzeugte sich auf das Bestimmteste, dass diese höhere Temperatur nieht von Aussen herrühren konnte, da sie immer noch höher war, als die höchste, welche man in der Umgebung des- Thiers durch das zur Erwärmung angewen- dele kochende Wasser hervorbringen konnte, obgleich solches sonst nie so heiss benutzt wurde. Es scheint daher, dass die Angabe von Lamarrepiquot, dass in Indien einige Schlan- * E LXIV en ihre Eier ausbrüten, richtig ist. Ann. des sciences nat. T. XVI. p. 65. Brauss, De caloris in organismum actione observationes. Diss. Berol. 1841. Habes, De frigoris vi in corpus human. Diss. Berol. 1841. Jacobs, Die Selbstverbrennung des menschlichen Kör- pers. Caspers Wochenschrift 1841. No. 8. p. 113. 140 und 456. Mitiheilung von 30 in der Literatur verzeichneten Fäl- len und Schlussfolgerungen aus denselben, von welchen ich hervorbebe, dass die Verbrennung in der bei weitem grössten Mehrzahl der Fälle alte, feite, dem Trunke ergebene Weiber beiraf, und wohl immer die Entzündung von Aussen durch brennende Körper herbeigeführt wurde. d Schönbein hat Beobachtungen an demselben Gymnotus electrieus angestellt, welcher auch bereits Gegenstand der in dem vorigen Jahresbericht erwähnten Mittheilungen Faradays gewesen ist. Auch dieser Physiker hat die vollkommene Iden- tilät der von diesem Fische. hervorgebrachten Erscheinnngen mit electrischen nachgewiesen, insofern derselbe 1) Schläge ertheilt, welehe Schönbein gleich stark mit denen einer Säule von 200 Plattenpaaren empfand; 2) Unter Lichtentwick- lung ein Goldblältchen verbrannt wurde; 3) Ein mit Kalium- Jodür gelränktes Papier die Zeichen der Zerselzung dieses Stoffes zeigte, wobei sich der Kopf als positiv, der Schwanz „als negativ electrisch erwies, und merkwürdiger Weise im Momente der Schliessung der Kette ein sehr deutlicher Fun- ken gesehen wurde; 4) Endlich die Nadel eines nicht sehr empfindlichen Galvanometers 42° zum Abweichen gebracht wurde. An diese Beobachtungen knüpft Schönbein interessante Raisonnements über die Art der Electrieitätsentwicklung bei diesem und den electrischen Fischen überhaupt, in welchen er zwar die Entwicklung der Electricität in den electrischen Organen anerkennt, in der Abhängigkeit derselben von dem Nerveneinflusse aber eine von jeder anderen Art physikalischer Eleectricitätsentwieklung verschiedene Bedingung sieht, welche wieder anderer Seits auf einen innigen Zusammenhang zwi- schen Electrieität, Wärme, Licht und der in den Nerven wirk- samen Kraft oder der organischen Kraft überhaupt hindeutet. Dieses muss und verdient sehr in der Abhandlung selbst nach- gelesen zu werden. Beobachtungen über die elecirischen Wir- kungen des Zitter-Aales, Basel 1841. — Supplement a la Biblioth. univ. de Geneve. 1841. Sept. No.-2. Fror. N. Not. No. 419—421. — Ein neuer Vertheidiger der Identität zwischen dem in den Nerven wirksamen Agens und der Rleetrieität bat sich in E Ne LXV Martyn Roberts gefunden. Lond. and Edinb. philos. Mag. Vol. 19. 1841. p. 31. Er glaubt, dass von den Nerven wäh- rend des Kreislaufes auf das Blut ein eleetrischer Strom zur Unterhallung der Blutbewegung einwirke, für welche er das Herz nicht hinlänglich hält. Dieser electrische Strom bewirke nämlich eine‘ Verminderung der Reibung zwischen Blut und Gelässwandung. gleich wie aus einem Gefässe mil enger Oefl- nung, oder in dessen Boden Haarrörchen eingesetzt sind, eine Flüssigkeit frei ausfliesse, wenn man das Gefäss und die Flüs- sigkeit eleelrisire; wie er glaubt, ebenfalls wegen Verminde- rung der Adhäsion und Reibung. So wie nun aber letzteres ganz falsch ist, und das Ausfliessen in solchem Falle nur durch die Abstossung der gleichnamigen Electvicitäten bedingt ist, so müssle man unzweifelhaft auch bei Anwendung dieser Erklärung sowohl in den Nerven, als in dem Blute freie Elec- trieität nachweisen können, was bekanntlich nicht der Fall ist. Die Quelle für die vom Verf. supponirte Electricität ver- setzt derselbe in die Atmosphäre und deren Aufnahme in den Athemprozess elc. Ref. glaubt in einem kleinen Aufsatz in J, Müllers Arch. 1841. p. 20. den Beweis geliefert zu haben, dass keine eleetrischen Ströme in den Nerven sind, indem dieselben so schlechte Leiter der Blectrieität sind, dass solche Ströme eine solche Stärke haben müssten, dass unsere Instrumente dieselben reichlich anzeigten. Dagegen fand er, dass die Elec- trieilät ein so kräftiges Erregungsmiltel für das Nervenorgan ist, dass Grade derselben noch lebhafte Reize für die Nerven sind, welche von unseren Instrumenten nicht mehr angezeigt werden. Matteucei theilt einige neue Erfahrungen über thierische Electrieität mit. Wenn man den Nerven eines schnell präpa- rirten Froschschenkels auf einen anderen eben so behandelten legt und letzteren nun durch irgend eine Reizung zu Contrac- tionen veranlasst, so ziehen sich in demselben Augenblicke auch die Muskeln des ersten zusammen, selbst wenn ein fei- nes ungeleimtes Papier zwischen die beiden Präparate gelegt ist. Ein zwischengelegtes Goldplättchen dagegen verhindert den Erfolg. Wenn man ferner einen präparirten Froschschen- schenkel in ein gut gefirnisstes Glasrolhr bringt, und mit dem heraushängenden Nerven eine frische Wunde eines anderen Thieres in der Art berührt, dass der Nerve an zwei Stellen mit der Wunde im Contact ist, so erfolgt eine Zusammen- ziehung der Muskeln des Froschschenkels.. Comptes rendus T. 15. No. 17. Oct. 1842. p. 797. — L’Institut No. 403. p. 310. eure über electrisch vitale, wie sie glauben, neuroeleelrische Ströme in dem Körper warmblütiger Thiere, LXVI haben Fario und Zantedeschi angestellt. Sie wollen zwei solcher Ströme beobachtet haben, deren einer von der Haut gegen die Cerebrospinalaxe hin, der andere von letzterer ge- gen die inneren Organe, namentlich auf die Muskeln hinge- richtet sei. Diese Ströme ermatten mit der Abnahme des Le- bens, und nach dem Tode kehren sie sich um, und laufen in entgegengesetzier Richlung. Der Schmerz schwächt den Strom oder stellt ihn ein, [oder kehrt ihn um, wenn er sehr heftig ist! Willkürliche oder convulsive Bewegungen verstärken den Strom. Zwischen verschiedenen Theilen ein und desselben Eingeweides, oder zwischen verschiedenen Eingeweiden ist kein oder nur ein sehr schwacher electrisch-vitaler Strom zu bemerken. Memoria della medieina contemporanea. Venezia 1840. p. 223. — L’Institut No. 367. p. 4. Breventani, Relazione di esperienze elletro fisiologiche. Rendiconto della sessione della acad. delle scienze del instituto di Bologna. 1840. 1841. p. 11. Heidenreich, Induclions-Magnetismus am menschlichen Körper. Med. Correspondenzbl. bairischer Aerzte 1841. No. 51. — Eine genauere Nachweisung der Entstehung der Racen- verschiedenheiten des Schädels durch das verschiedene Ver- hältniss des eigentlichen Schädeltheiles des Kopfes zu dem Ant- litztheil hat J. Rucherau in einer unter Serres Mitwirkung geschriebenen Dissertation gegeben. Fror. N. Not. No. 404. Ideler, Ueber die Dauer des menschlichen Lebens. Med. Zeit. des Vereins in Preussen. 1841. p. 65 und 69. 2. Vegetative Processe. Mischung. — Nahrungsmittel. — Blut. — Chylus und Lymphe. — Milz, — Kreislauf, — Athmung. — Zellenbildung. — Ernährung. — Absonderung. — Franz Simon, Medieinische Chemie. 3 Vol. 1839—41. Sehr genaue und ausführliche Belehrung über alle Data der thierischen Chemie. Bereichert durch eine grosse Anzahl ei- gener Analysen vieler gesunden und krankhaften Stoffe. Löwig, Chemie der organischen Verbindungen. 2 Bde. Von grösster Wichtigkeit für die Physiologie ist die Rich- tung, welche in diesem Jahre die organische Chemie zu ma- chen angefangen hat. Während bis dahin die Chemiker mit wenigen Ausnahmen sich begnügten, Analysen aller möglichen organischen Materien und Bestandtheile anzustellen, obne es zu versuchen, aus den erhaltenen Resultaten für das Verständ- niss der Lebenserscheinungen fruchtbare Schlüsse- zu ziehen, und die Physiologen anderer Seits theils wegen der Mangel- haftigkeit und Unzuverlässigkeit dieser Analysen, besonders LXVII in Bezielung auf die Elementarzusammenselzung der unter- suchten Substanzen, iheils auch aus Vernachlässigung eines Studiums, dessen Methode und Resultate so wenig ergaben, diese Analysen als einen grösstentheils unbenutzten Ballast mitschleppten, sehen wir die in der letzten Zeit sowohl in der Methode, als auch in den positiven Resultaten gewonnenen Fortschritte der organischen Chemie von diesem Jahre an eine weit grössere Anwendbarkeit und einen weit grösseren Einfluss entwickeln, von welchen sich die Physiologie offen- bar für die nächste Zukunft am meisten versprechen darf, soll- ten auch die zur Zeit vorliegenden Resultate nicht lauter Evangelien seien, und manniglach weiterer Prüfungen bedür- fen. Ja es ist gewiss nicht der kleinste Gewinn aus der in Chemie und Physiologie eingetretenen Richtung, dass sie zu solchen vermehrten und veränderten Prüfungen Anlass ge- ben wird. Fragen wir nach dem vorzüglichsten Ausgangspunkte die- ser Richtung, so müssen wir denselben wohl unzweifelhaft in die Arbeiten Mulders über das Protein und die Protein- verbindungen setzen. Demnächst aber würde es meiner Mei- nung nach ungerecht sein, nicht in Liebig denjenigen aner- kennen zu wollen, dessen geniale Combinationen unterstützt von den gediegensten empirischen Untersuchungen, zuerst die Wendung herbeiführte, die sich nun allgemein geltend macht. Die reissenden Fortschritte, welche diese Wendung gewinnt, zeigt allerdings, dass sie nicht unvorbereitet war, soll sie aber an einen Namen geknüpft weıden, so scheint keiner gerech- ter, als der Liebigs. Seine direct hierher gehörigen Arbeiten sind zwar nicht gerade alle unter der Jahreszahl 1841 erschie- nen; dennoch würde es ungerecht sein, ihm nicht die Priori- tät vor Anderen, namentlich vor Dumas, einzuräumen, da es einer Seits gewiss ist, dass die Grundzüge seiner Arbeiten bereits früher schriftlieh und mündlich entwickelt waren, und es anderer Seits auch nur ein Schein ist, wenn Dumas Ar- beiten in verspäteten Heften der Journale von 1841 stehen, während die Liebigs im Anfang 1842 erschienen. Den Anfang machte Liebig mit einem Aufsatze über die slickstoflhaltigen Nahrungsmittel der Pflanzen in seinen Anna- len der Chemie und Pharmacie 1841, Bd. 39, p. 129. In demselben zeigte er, wie die am allgemeinsten in den Pflan- zen verbreiteten slickstoffhaltigen Materien, das Pflanzeneiweis, das von ihm sogenannte Pflanzenfibrin und Pflanzencasein in ihrer elementaren Zusammensetzung vollkommen übereinstimme mit dem thierischen Eiweiss, Faserstoff und Käsestolf, wie nachfolgende Analysen zeigen: LXVILU Pflanzenfibrin. Pflanzeneiweis. Pflanzencasein. Kohlenstoff 54.603 55,01 54.138 Stickstoff 15.810 15:92 15,672 Wasserstoff 7.302 1532 7.156 Sauerstoff Schwefel 22,285 21,84 23,034 Phosphor Tbierfibrin. Thieralbumin. Thiercasein. Kohlenstoff 54.454 55.000 54.507 Stickstoff 15.762 15,920 15.670 Wasserstoff 7.069 7,073 6,900 Sauerstoff y B Schwefel | 22,745 22,007 223,23- Phosphor Ja selbst in Hinsicht der anorganischen Bestandtheile, die diesen organischen Materien beigemischt sind, Bittererde, Phos- phorsäure, Kalk, Eisen, Alkalien und Schwefel sind sie sich in beiden organischen Reichen gleich. Daraus wird es nun höchst wahrscheinlich, dass nur die Pflanzen es sind, welche die Elemente zu diesen organischen Materien combiniren und den Thieren die Fähigkeit hierzu abgeht; dass die Pflanzen- fresser sie eben aus dem Pflanzenreich aufnehmen, und durch die Verdauung und Assimilation nur in eine andere Form bringen, während bei den Fleischfressern auch dieses nicht einmal erforderlich scheint, da sie dieselben in derselben Form schon aufnehmen, wie sie sich in ihrem eigenen Körper fin- den. Es wird dieses um so wahrscheinlicher, da wir aus frü- heren Versuchen wissen, dass stickstofllose Verbindungen, Stärke, Zucker, Gummi nicht im Stande sind, das Leben ei- nes Thieres zu fristen. Sie können nieht zum Wiederersatz der durch den Lebensprocess unaufhörlich sich zersetzenden thierischen Organe dienen, sondern sind nur für den Athem- process und die dabei freiwerdende Wärme bestimmt, wie Liebig später in einem anderen Aufsatz entwickelt hat. — Hierauf folgte ein Aufsatz von Scherer: Chemisch-phy- siologische Untersuchungen. Annalen für Chem. und Pharm. 1841. Bd. 40. p. 1. Ausgehend von der eben erwähnten Identität in der Zusammensetzung von Pflanzen und Thierfi- brin, prüfte derselbe zunächst deren Verhalten bei der Ver- dauung. Gekochter Kleber und gekochles Ochsenfleisch ver- hielten sich, mit der Eberle- Schwannschen Verdauungsflüssig- keit behandelt, ganz gleich. Sie waren nach 14 Stunden fast völlig aufgelöst, und beide Auflösungen reagirten auf dieselbe Weise. Beide wurden dann mit frischer Kalbsgalle gemischt, in ein Stück Duodenum gebracht und in reines deslillirtes Wasser gehängt. Nach 10 Stunden halte dieses Wasser reich- LXIX lich Eiweiss aus dem Darm aufgenommen, und neu hinzuge- setztes Wasser nahm abermals davon auf. Es werden also die stickstoffreichen Substanzen sowohl des Pflanzen- als des Thierreiches durch die saure Magenflüssigkeit aufgelöst und durch die alkalische Galle in Eiweiss verwandelt, welches von den Darmzotten aufgesogen wird. Sodann experimentirte Scherer über die Auflöslichkeit des geronnenen Faserstofles und dessen Umwandlung in Eiweiss nach Denis Methode. Er fand, dass dieses bei arteriellem, oder von einer Crusta inflammatoria herrührendem, oder durch Schlagen gewonnenem, oder gekochtem, oder mit Weingeist digerirtem Faserstofl nicht gelingt, wohl aber bei venösem, und schloss daraus, dass dieser Unterschied auf einem Einfluss des Sauerstofles auf den Faserstoff beruht. Er stellte deshalb darüber eigene Versuche an, und fand, dass der in festem Zustande ausge- schiedene Faserstofl ein in steter Umwandlung begriffener Kör- per ist, und fortwährend Sauerstoff aufnimmt, während er Kohlensäure abscheidet, und dass dieses wahrscheinlich die Ursache der Auflöslichkeit der einen Art und der Unauflös- lichkeit der andern Art in Salpeterwasser ist. Auch glaubt er daraus schliessen zu können, dass der in festem Zustande aus- geschiedene Faserstoff kein eigentlich coagulirter Faserstofl ist, sondern dass die Coagulation erst durch Kochen oder Alcohol erfolgt, und dass daher der gewöhnliche festgewordene Faser- stofl! nur Eiweis ist. Er macht es sodann wahrscheinlich, dass der Faserstoff nur eine forlschreitende, unter der Einwir- kung von Sauerstoff sich entwickelnde Metamorphose des Eiweisses ist. Im Chylus ist er am weichsten und dem Ei- weiss am ähnlichsten; im venösen Blute schon ausgebildeter, im arteriellen am ausgebildetsten, unlöslich und vom Eiweiss am verschiedensten. In manchen Krankheiten erfolgen diese Veränderungen auch schon im venösen Blute und daher die- Crusta inflammatoria, und daraus lässt sich auch die Einwir- kung gewisser Salze erklären. Auf Eiweiss wirkt der Sauer- stofl nicht auf gleiche Weise wie auf Fibrin. Dieses verhin- dern die dem Eiweisse in grosser Menge beigemischten Salze. Sind sie dem Eiweisse entzogen, so wirkt der Sauerstoff auf dasselbe in ähnlicher Weise, wie auf den Faserstofl, und ver- wandelt dasselbe in eine dem Casein sehr ähnliche Substanz. Durch Zusatz von freiem Alkali lässt sich auch das Blutserum in diesen dem Casein ähnlichen Zustand überführen. — Hieran knüpft Scherer dann Beobachtungen über das Casein und das Sauerwerden und Covaguliren der Milch. Sodann weist er auch noch durch einen neuen Versuch den Kohlensäure- zen: des Blutes nach, und fand, durch direete Versuche, dass Serum von Ochsenblut das Doppelte seines Volumens LXX an Kohlensäure absorbirt. Auch gelang es ihm, dem Blule seinen ganzen Eisengehalt zu entziehen, ohne dass dieses seine Farbe verlor, woraus hervorgeht, dass diese Farbe nicht vom Eisen herrührt. Den Beschluss des Aufsatzes machen zahlrei- che Analysen von Fibrin, Albumin, Casein, Protem, leimge- bendem Gewebe, chondringebenden Gebilden, der mittleren Haut der Arterien, Horngebilden, Federn und schwarzem Pigment. Hieran schliessen sich die Untersuchungen von Bence Jo- nes über die Zusammensetzung der stickstoflhalligen Nahrungs- mittel des Pflanzenreichs, so wie die des Albumins, des Ei- gelbs und des Kalbsgehirns. Folgendes ist das Resultat: Pflanzen- Pflanzen- Pflanzeneiweiss. Pflanzen- fibrin. leim. | & 1. casein. Kohlenstoff 53,83 65,22 54,74 57.03 55.05 Wasserstoff 7.02 7.42 HATT. 7,59 Stickstoff 15,58 15,98 15,85 13,75 15,89 Sauerstoff Schwefel 23,56 21,38 21,64 21,69 21,47 Phosphor Albumin aus Eigelb. Album. aus Kalbs- T. I. gehirn. Kohlenstoff BR 53.45 55.50 Wasserstoff 1,55 7.66 7,19 Stickstoff '43,60 13,34 16,31 Sauerstoff Schwefel } 25,13 25,55 21,00 Phosphor Annalen der Chemie und Pharmacie Bd. 40. p. 65. Sodann folgten nun mehrere Aufsälze von Liebig in den ersten Heften seiner Annalen ‘vom Jahre 1842, welche sich grösstentheils unverändert in seiner in demselben Jahre erschie- nenen Schrift: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Patliologie wiederfinden, und auf welche Ref. daher unmittelbar Rücksicht nehmen kann. Dieselbe enthält drei Theile, deren erster den chemischen Process der Ernährung und Respiration, der zweite die Meta- morphosen der Gebilde, der dritte die Bewegungserscheinungen im Thierorganismus und eine Theorie der Kespiration enthält, worauf dann noch die analytischen Belege der beiden ersten Theile folgen. — In dem ersten Theile wird gezeigt, wie die Auf- nahme der Nahrungsmittel nicht nur den Zweck hat, das Ma- terial zum Wiederersatz der sich in ihren Funclionen zersez- zenden Organe zu liefern, sondern auch durch sie zugleieh der Kohlenstoff und Wasserstoff gegeben wird, welche sich bei der Respiration mit dem Sauerstofl der Atmosphäre verbinden, um die thierische Wärme zu erzeugen. Die Nahrungsmiltel zerfal- LXXI len darnach in zwei grosse Klassen, deren eine, und zwar die stickstoffhaltigen, zum Wiederersatz der Organe dienen, die plastischen Nahrungsmittel, die andere, die stickstoflfreien, Fett, Amylum, Gummi, Zucker, Pectin, Bassorin, Wein, Bier, Brannt- wein sind Respirationsmittel. Aber auch der Kohlenstoff und Wasserstoff der ersten werden endlich zu gleichem Zwecke ver- wendet, wenn sie bei der Zersetzung der Organe frei werden, indem sie vorher in eine eigenthümliche Natronverbindung, in die Galle, übergehen. Diese wird zum allergrössten Theile wieder resorbirt und verbrannt, und ist namentlich bei den Fleischfressern die Hauptquelle des Materials zur Wärmeberei- tung. Diese Wärme hat aber keine andere Quelle, als den Athemprocess, wie directe Berechnungen zeigen. Die Versuche von Dulong und Despretz, welche hauptsächlich Ursache waren, noch eine andere Wärmequelle zu suchen, sind ohne Bedeutung, da sie auf den Zustand der Thiere,. mit welchen experimentirt wurde, nicht die nöthige Rücksicht nahmen. Der zweite Theil hat die Absicht, zu zeigen, einmal welche Veränderung die Nahrungsmittel erleiden, um in die verschiedenen Gebilde des Körpers überzugehen, und zweitens, welche Veränderungen die Organe des Körpers bei ihrer Zer- setzung im Lebensprocess erfahren, um die verschiedenen Ex- erete darzustellen. Diese Untersuchungen sind natürlich ganz begründet auf die Kenntniss der elementaren Zusammensetzung der Nahrungsmittel, der Organe und Excrete, und bestehen in hieraus gezogenen Berechnungen, die keiner kurzen Angabe fä- hig sind. Nur das sey hier noch erwähnt, wie, während der Kobienstoff und Wasserstoff grösstentheils durch die Lungen und Haut im Athemprocess entfernt werden, so der Stickstoff vorzugsweise durch den Harn. In diesem Theile finden sich dann auch einige Blicke auf die Wirkung mehrerer Arzenei- stofle, so wie überhaupt überall auch der kranke Organismus theils zu Beweisen benutzt worden ist, iheils die Krankheit aus den aufgestellten Sätzen eine Erklärung findet. Der dritte Theil wird passender später eine Erwähnung finden. Von der ihm angehängten Respirationstheorie mag es genügen, zu bemerken, dass sie der früher von Pfaff und van Maak aufgestellten sehr nahe kommt, d. b. den Austausch der Gasarlen vorzugsweise durch die Blutkörperchen vermittelt werden lässt, und dabei den Eisengehalt des Blutrothes be- rücksichtigt. Soll Ref. seine Ansicht über diese wichlige Schrift oflen aussprechen, so gesteht er, dass er in Liebigs geistreichen Schlüssen aus älteren und neueren von ihm gelieferten Thatsa- chen vielfach hohe Wahrscheinlichkeit, aber noch nicht dieje- uigen Beweise erblickt, welche der Geist heutiger Naturfor- LXXII schung verlangt. Ich möchte kaum zweifeln, dass sich diesel- ben baldigst bestätigend und berichtigend finden werden. Für den wesentlichen Sinn der auszusprechenden Ansichten aber halte ich es für gleiebgültig, dass sich vielleicht Manches fin- det, was von dem Analomen und Physiologen berichtigt wer- den muss, Die Untersuchungen von Dumas (Ann. des sc. nat. T. XVI. p. 56.) sind vorzüglich dem von Liebig in dem obi- gen Aufsatze über die stickstoffhaltigen Nahrungsmiltel der Pflanzen, und in dem ersten Theile des vorhergehenden Wer- kes Mitgelheilten analog, Er dehnt die Parallele zwischen Pflanzen und Thieren noch vollständiger und weiter aus, spricht den Thieren das Vermögen der Combination der Elemente, und in vieler Beziehung selbst der Umsetzung derselben gänz- lich ab, und lässt die Pflanzen allein die Materien. combiniren, die das Tbier zu sich nimmt, selbst das Feit. Die Thiere da- gegen liefern in ihren Zersetzungsproducten Kohlensäure und Stickstoff, wieder diejenigen Elemente, welche die Pflanze zu ihrem Keime und Wachsthume bedarf, und beide organische Reiche ergänzen sich daher nothwendig durch einander. Daubeny, Betrachtongen über die ursprüngliche Quelle des in den Pflanzen und Thieren anzutreflenden Kohlenstoffs und Stickstoff» Edinb. new philos. Journ. Jan.— April 1841. Fror. N. Not. XVII. p. 145. Vogel, Beiträge zur zur Kenntniss des Chondrins. Journ. £. prakt. Chemie XXI. p. 426. — Gewissermassen ein Supplement zu den mehr theoretischen ‚ Eutwickelungen Liebigs und Dumas über die Ernährung, bilden die Versuche einer Commission der Pariser Akademie über die Nahrhaftigkeit verschiedener einfacher organischer Ma- terien, über welche sowohl in den Comptes rendus. Aoüt 1841, als in den Ann. des sc. nat. T. XVI. p. 75 ein Bericht er- schienen ist. Diese Versuche wurden ursprünglich nur zur Prüfung der Nahrhaftigkeit der Gelatina unternommen, er- streckten sich aber auch auf mehrere andere einfache thierisch und pflanzlich organische Materien, und wurden sämmtlich mit Hunden angestellt. Die Hauplresultate waren folgende. Leim und Gallerte vermögen in keiner Form und keinen anderen, für sich nahrhaften Stoffen bis zur Hälfte zugesetzt, das Le- ben eines Thieres auf die Dauer zu erhalten, obgleich durch die verschiedene Präparation, oder durch verschiedene Zusätze verschiedene Resultate bedingt werden. Eiweiss und Blut- faserstoff jedes für sich oder vereinigt mit Gallerte verbun- den, sind ebenfalls nicht im Stande, das Leben zu erhalten, obgleich sich auch hier durch die verschiedenen Combinationen Verschiedenheilen rücksichtlich der Zeitdauer und der Annahme LXXIL der dargebotenen Substanzen erhalten lassen. Muskelfleisch genügt schon in sebr geringer Menge zur Ernährung, nicht aber, wenn es in Wasser macerirt, ausgepresst und das Feit entfernt ist, obgleich letzteres besser als Blulfaserstofl. Fri- sche Knochen und Wasser sind vollkommen genügend zur Ernährung, obgleich grosse Mengen erforderlich sind, ge- kochte Knochen, oder durch Säure ausgezogene, vor Allem aber in Gallerte verwandelte, besitzen dagegen keine Nahrhaf- tigkeit. Fett vermag für sich allein auch nicht das Leben zu erhalten, obgleich die Thiere sehr viel Fett anselzen. Dennoch erhalten sich die Thiere dabei besser und länger, als bei Gal- lerte, Faserstoff oder Eiweiss, ja ein Hund lebte bei Ochsenfett ein Jahr, ein anderer ein halbes Jahr in vollkommener Gesund- heit. Kleber erhielt Hunde ganz vollständig; Stärke aber wurde von ilınen gar nicht berührt. Devergie, Ueber das im normalen Zustande im mensch- lichen Körper enthaltene Blei uud Kupfer. Archiv für Phar- macie 1841. p. 237. — Eine aus Thenard, Dumas, Boussingault und Reg- nault bestehende Commission der Pariser Akademie konnte mit dem Apparale von Marsh das von Couerbe und Or- fila in thierischen und dem menschlichen Körper angeblich aufgefundene Arsenik nicht entdecken. Ann. de Chimie et de Plıys. 3me Serie. T. II. p. 194. — Dasselbe Resultat lieferten auch Untersuchungen von Flandin und Danger. Arch. gen. T. X. p. 363. Fr&my hat seine schon theilweise früher bekannt gewor- denen Untersuchungen über die chemische Zusammensetzung des Gebirnes, jelzt im Zusammenhange mitgelheilt. Ibid. I. p- 463. Nach ibm ist das Gehirn des Menschen zusammenge- setzt aus 80 Theilen Wasser, 7 Eiweiss und 5 fetten Bestand- theilen. Seine Untersuchungen betreffen vorzüglich die letzte- ren, von welchen er unterscheidet 4)’ Hirnsäure, 2) Choleo- stearin, 3) Oelphosphorsäure, 4) Spuren von Olein, Margarin und fetten Säuren. Die Hirnsänre bildet eine weisse Substanz und besteht aus 66,7 Kohlenstoff, 16.6 Wasserstofl, 2,3 Stick- stoff, 19.5 Sauerstoff und 0.9 Phosphor, Sie findet sich im Hirn theils rein, theils mit Natron, theils mit phosphorsaurem Kalke verbunden, Die Oelphosphorsäure findet sich theils frei, theils mit Natron verbunden. Das Olein ‚entsteht wahrschein- lich schon während des Lebens durch Zersetzung der Oelphos- phorsäure, und besteht aus 79,5 Kohlenstoff, 11.9 Wasserstofl und 8,6 Sauerstoff, Er vergleicht diese‘ seine Resultate vor- züglich mit denen von Couerbe. Ausserdem will Fremy noch gefunden haben, dass fast alle Selten Stoffe nur in der weissen Substanz des Gehirns sich befinden, welche durch I LXXIV Ausziehen derselben alsdann der grauen ganz gleich wird. Das Verhältoiss der verschiedenen Bestandtheile des Gehirns schien ihm bei verschiedenen Menschen und Thieren verschieden. So besitzt der Mensch im Verhältniss zu den fetten Materien eine weit grössere Menge Choleostearin als der Hund. Die Hirn- säure findet sich auch im Rückenmarke und den Nerven; die Hirnfelte erhielt er auch aus der Leber. Vgl. auch Journ. für pract. Chemie. Bd. 22. 1841. p. 224. und Ann. für Chemie und Pharm. Bd, 40. p. 69. Schlossberger lieferte: Vergleichende chemische Unter- suchungen über das Fleisch verschiedener Thiere. Eine von der med. Facultät zu Tübingen gekrönte Preisschrift. Stutt- gart 1840. Das Resultat ist eine auffallendere Uebereinstim- mung in der chemischen Zusammensetzung verschiedener Fleisch- arten, als man zum Voraus erwarten sollte, obgleich allerdings die Elementar- Analysen fehlen, welche doch wohl noch beach- tenswerthe Unterschiede nachweisen könnten. Es ergiebt sich folgende Tabelle: Ochsen- Kalbfleisch Schweine- Rel- Tau- fleisch. 4Woch,—3Mon, fleisch, fleisch. benfl, Fleischfaser, Gefässe, Zellst.ete.17,5 15 16,2 16,8 18,0 17,0 Lösliches Eiweis und Cruor 22 32 26 24 23 45 Alcoholextract mit Salzen 15 3,1714 se 1,0 Wasserextraet mit Salzen 30,0 ,,1,0 0.8 2,4741,5 Eiweisshaltiger phosphorh. Kalk Spur 0,1 Spur e 0,4 0,0 Wasser und Verlust 77,5 79,7 78,2 788 76,9 76,0 Cyprinus nasus, Junge Hühner, carassius, barbus, Forelle, Fleischfaser, Zellgewebe etc. 16.5 12.0 11.1 Eiweiss und Cruor 3,0 5,2 4,4 Aleoholextract mit Salzen 1,4 1,0 1,6 Wasserextract mit- Salzen 1,2 sehr wenig 2 Phosphorh. Kalk m. thier. Materie 0,6 447 2,2 Wasser und Verlust 77,3 80,0 80,5 Valentin und v. Fellenberg haben Versuche und Un- tersuchungen über die Veränderungen der Elementar- Bestand- theile des Faserstoffes bei der Consolidation desselben angestellt, welche Ref. nur desswegen hier nicht ausführlicher mittheilt, weil sich die Resultate am Schlusse des Aufsatzes in diesem Archiv 1841. p. 542. selbst zusammengestellt finden. Ich will nur erwähnen, dass bei dem Festwerden des Faserstofles im Allgemeinen Wasserstoff oder Wasserelemenle oder diese und freier Wasserstoff abgehen, woraus Valentin interessante Fol- gerungen für die Umwandlung des arteriellen Blutes in venöses zieht, indem wahrscheinlich der grössere Wassergehalt des lelz- teren eben in der Consolidalion des Faserstofles bei der Ernäh- rung seinen Ursprung hat. Die Bildang der Kohlensäure findet LXXV indessen darin keine Erklärung, sondern diese scheint vielmehr von dem Zersetzungsprocesse der Organe herzurühren, wenn die Analysen mit der nöthigen Sorgfalt angestellt sind. Liebig, Fibrin und Eiweiss. Pharmaceut. Centralblatt. No. 41. p. 446. Landerer, Chamäleonharn. Ebendas. p. 798. Cap und Henry, Untersuchung der Truthabnexcremenle. Journ. de Pharmae. 1840. p. 202. Deschamps, Ueber Kälberlab. Ebendas. 1840. p. 412. Chevalier und Henry, Lungenexhalation und Schweiss der Kühe. Journ. de Chim. med. 1839. p. 217. Pfaff, Beweis der chemischen Zerlegung von Stoffen von Seiten des Organismus, die der Chemie nicht gelingt. Pfaffs Mittheilungen VI. 7. und 8. Heft. Künstliche Chymificationsversuche mit filtrirter und gesäuer- ter Magenschleimhaut des Frosches hat Stannius mit Erfolg angestellt. Fror. N. Not. No. 418. Combe, Physiology of digestion. Lond. 1841. 8o. Muratori Pauli, Analysis comparativa bumanae bilis sanae. Commenlarii Bononiens. III. 1839. p. 307. i Willis, On Ihe signification and ends of the portal eir- eulation. Lond. 1841. 8vo. Steinhäuser beschreibt in seiner Diss. Experimenta non- nulla de sensibilitate et funetionibus inlestioi crassi. Lipsiae 1841, einen Fall einer in Folge einer Bauchhöhlenschwangerschaft bei einer 44jährigen Frau zurückgebliebenen grossen Diekdarmfistel, bei welcher er interessaule Versuche und Beobachtungen an- stellte. Die Temperatur stieg während der Verdauung auf 30,5—30.8° R.,. war aber im nüchternen Zustande geringer 30,2—30,4°. Der Darmsaft reagirte immer alkalisch, die Fä- ees meist sauer, sellen neutral. Von in die Fistel eingebrach- ten Nahrungsstoffen wurde nur Eiweis noch aufgelöst; alle anderen gingen unverändert durch den After ab. Brechmittel bewirkten nie Uebelkeit und Erbrechen, sondern Abweichen; Belladonna dagegen erregle die gewöhnlichen Wirkungen. Rei- zung der Schleimhaut erregte keine Empfindungen. L. Pappenheim hat zahlreiche selbstständige Beobachtun- gen über die Blutkörperchen, vorzüglich des Frosches, ange- stellt. De cellularum sanguinis indole ac vita Observat. mi- eroscop. chem. Berol. 1841. Die Wandungen der Blutzellen sind nach ihm nicht elastisch, sondern nur ihr Inhalt, welchen er für Luft erklärt. In den Veränderungen der Blutzellen nach dem Tode glaubt er den sichersten Beweis des wirklichen To- des finden zu können, namentlich in der Trennung der Kerne von der Schale, welche ersteren er auch den menschlichen LAXXVT Blutkörperchen zuschreibt. Der Schaale schreibt er eine be- sondere lebendige Contraclilität zu, welche besonders bei Tem- peraturveränderungen hervortrilt. Der Farbestoff ist gleichfalls nur in der Schaale enthalten. Die Function der Blutzellen be- steht in der Aufnahme und Abgabe der bei der Athmung und der Ernährung aufgenommenen und abgeschiedenen Gasarten. Dass das Blut Kohlensäure enthält, bestätigt er durch eigene Versuche. Die in dem Blute vorkommenden, sogenannten Lymphkügelchen hält er für junge Blutzellen, aus einem Kerne und einer diesem dicht anliegenden Hülse bestehend. In Wasser sollen sie bedeutend aufquellen und dann bei Zusatz verdünnter Essigsäure den Kern deutlich zeigen. Die eigentlichen Lymph- kügelchen in der Lymphe besitzen diese Eigenthümlichkeiten nicht. Endlich giebt er noch zahlreiche Reaclionsyersuche der Blutkörperchen gegen Stoffe an, welche theils mit ihnen in unmiltelbare Berührung gebracht, theils den lebenden Thieren eingegeben wurden. Sie sind vorzüglich auf die Veränderung der Contractilität der Schaale und die Auflösung des Farbestof- fes derselben gerichtet. Addisson hat seine schon im vorigen Jahresbericht er- wähnten Beobachtungen über farblose Kügelchen im Lig. san- guinis fortgesetzt. Er scheint zu glauben, dass sich dieselben dann in dem Lig. sanguinis bilden, wenn derselbe aus der Be- wegung zur Ruhe kommt, und seine lebendigen Eigenschaften verliert. Daraus erklärt er auch ihr Zahlreicherwerden in stockenden Blutströmehen und bei Entzündung, worüber er ei- nige Beobachtungen und Versuche bei Fröschen anstellte. Ebenso glaubt er, dass dieselben auch bei Exsudationen eine wesentliche Rolle spielen, wofür er einige Beobachtungen mit- theilt. Lond. med. Gaz. 1841. Vol. I. p. 689. Nach Barry ist der Kern der Blutkörpereben kein einfa- cher. sondero aus 2, 3 und mehreren ganz bestimmt gebilde- ten Theilen zusammengeselzt. In der den Kern umgebenden Masse will er nicht blos den Blulfarbestoff, sondern auch zel- lenähnliche Gebilde erkannt haben, so wie ferner eine Oeflnung in der diese Masse umgebenden sehr feinen Membran. Dieses stimmt mit seinen früheren Angaben überein, dass der Zellen- kera, nicht wie man bisher angegeben, im weiteren Entwicke- lungsgange resorbirt wird und verschwindet, sondern das Bil- dungsmaterial für neue Zellen , welche der ersteren folgen, abgiebt. Das Kerukörperchen ist auch nur ein solcher wesentlicher Theil des Kernes, aus welchem sich neue Zellen bilden. Die Blut- körperchen bilden und vermehren sich daher gerade so, wie aus der Keimzelle des Eies eine Menge neuer Zellen hervorge- hen, nämlich so, dass aus dem Kern sich neue Zellen entwik- keln, welche aus der Muiterzelle hervortrelen, wenn diese LXXVII verschwindet. Lond. and Edinb. Philos. Mag. Vol. XVII. p- 310. — L’Institut No. 368. p. 14. In einem weiteren Aufsatz sucht Barry darzuthun: 1) dass der Kern der Blutkörperchen sich in die Eiterkugeln umwandle; 2) dass sich aus den älteren Blutkörperchen neue jenen ganz gleiche entwickeln; 3) dass diese durch Theilung ihrer Kerne entstehen; 4) dass die jungen Blutkörperchen an- fangs äusserst klein sind, und dass man sie auch in Theilen finde, von welchen man gewöhnlich annahm, dass sie nicht von Blut durchdrungen sein. Ibid. Vol. XIX. p. 517. (Ref. kann die Ansicht, dass Barrys Sorgfalt in der Beobachtung durch seine Phantasie zu Täuschungen und Irrihümern geführt wird, auch nur auf diese seine Untersuchungen über die Blut- körperchen ausdehnen. Meistens bleibt seine Meinung ganz unverständlich. Aus der Verschiedenheit des microscopischen und chemi- schen Verhaltens von geronnenem Faserstolle und Eiweiss zieht Addisson den Schluss, dass das Festwerden des ersteren der erste Schritt zur Organisalion sei. Es bedarf nach ihm nur des Austrittes des Faserstofles aus den Gefässen und des Still- standes, damit sich sogleich dieses Streben zur Organisation in ihm äussert. Das Festwerden des Eiweisses ist dagegen ein ganz anderer unorganischer Zustand. Desshalb aber ist auch der Faserstoff der wichtigste Bestandtheil des Blutes für die Ernährung. Lond. med. Gaz. 1841. Vol. II. p, 13. Nach v. der Hoeven besitzt der bekannte Cryptobran- chus Japonieus nach Proteus die grössten Blutkörperchen, sie sind nämlich 27‘ lang und „;’” breit und besilzen einen deutlichen Kern. Ann. des sc. nat. T. XV. p. 251. Nach John Queket sollen die menschlichen Blutkörper- chen zwar keinen Kern, aber unter gewissen Umständen 6—7 Körnchen enthalten, welche ihre gemeinschaftliche Hülle eben so unter gewissen Bedingungen verlassen können. Lond. med. Gaz. 1841. Th. II. p. 74. Forbes Blood of Nudibranchia. Annals and Magaz. of nat. hist. Vol. VI. p. 317. — Giacomini, Ueber Blutkörperchen. Omodei ann. univ. di med. XCV. Jan. 1841. Pavi, Difesa sperimentale et raggionata de globetti del sangue, Udine 1841. — . Remak will sich bei Hühnerembryonen überzeugt haben, dass sich die Blutkörperchen durch Theilung und endogene Zellenbildung vermehren. Bei drei Wochen alten Hühnerfölus sah er theils birnförmig, theils bisquitförmig gestaltete Blut- körperehen, die in jedem ihrer diekeren Enden einen Kern enthielten. Bei 4” langen Schweineembryonen sah er die Müller’s Archiv, 1812, } LXXVIN Blutkörperchen 4--6 mal grösser, als bei dem Mutterlhier, und in denselben doppelte und selbst vierfache Kerne (Ref. hat bei vielen Beobachtungen des Blutes von Embryonen nie eiwas der Art sehen können. Bei jungen Embryonen, nicht aber mehr bei drei Wochen alten Hühnerembryonen sind die Blutkörperchen ganz deutliche kernhaltige Zellen, die leicht eine unregelmässige Form annehmen. Zusatz von Wasser oder schwacher Essigsäure lässt die Kerne so deutlich hervortreten, dass ihre Anordnung oder Zahl gar nicht zweifelhaft bleiben kann. Bei Säugethieren wurden diese primären Blutzellen all- mäblig immer kleiner, der Kern verchwindet, und sie nahmen die bekannte Form und Beschaffenheit der ausgebildeten Blut- körperchen an. Auf gewissen Stadien findet man beide Arlen, später aber werden die primären Blulzellen so selten, dass man selten mehr als eine zu sehen bekommt.) — Nach grossen Blutverlusten will sich ferner Remak bei Pferden überzengt haben, dass sich die Blutkörperchen aus den sogenannten Lymph- körperchen in der Art erzeugen, dass sich in diesen als Mut- terzellen mehrere Tochterzellen bilden, welche nach einiger Zeit, nach Schwinden der Multerzelle, frei werden und die Blutkörperchen bilden. Wie Addisson fand er, dass die nach Blutverlusten sich bildende Speckhaut grösstentheils aus sogenannten Lymphkörperchen besteht. Er glaubt, dass diese von der inneren Fläche der Blut- und Lymphgefässe geliefert werden. (Schmidt’s Jahrbücher Bd. XXXIM. p. 145°) ; Aus Untersuchungen über das Verhältniss von Blut, Eiter, Schleim und Epidermis zieht Mandl folgende Schlüsse: 1) Ei- ter und Schleimkügelchen sind nichts anderes, als farblose Faserstoflkügelchen, welche sich nach der Behauptung Mandl’s im Blute befinden, oder sich wenigstens bei Gerinnung dessel- ben bilden (L’Experience 1838 Aoüt et 1839 Janviers), wenn es lie Gelässe verlassen hat; 2) die Flüssigkeit, in welcher Eiter und Schleimkügelehen schwimmen, macht den Unter- schied zwischen Eiter und Schleim aus; 3) wenn die Faser- stoffkügelchen auf der Oberfläche der Häute, auf welcher sie ausgeschieden werden, haften bleiben, werden sie die Kerne der Epidermiszellen; 4) bleiben sie dagegen frei und lose auf diesen Oberflächen, so werden sie in Eiter oder Schleim aus- geschieden; 4) diese Flüssigkeiten sind nur filtrirtes Blut, d.h. sie enthalten alle Elemente des Blutes mit Ausnahme der Blut- körperehen, und das Serum hat eine chemische Veränderung erfahren. (Journ. de Chimie med. 1840. Bd. 16. p. 481.) Letellier hat mieroscopische Untersuchungen über Blut, Lymphe, ‚Eiter und Milch angestellt, von welchen ich hier er- wähnen will, dass man nach ihm an den menschlichen Blut- LXXIX körperchen, keinen Kern unterscheiden kann. Journ. de chi- mie med. 1841. Jan. J. €. Mayer hat in dem Blute gesunder und kranker Menschen, Säugethiere und Vögel eine eigenthümliche Art hellweisser, klarer, grader, platter oder elwas granulirter 14, %— 5 langer und „55“ breiter primitiver Faserstäbchen beobachtet. Vorzüglich in dem Blute der Lamprete sollen sie sehr häufig sein und freie Bewegungen zeigen. Ebenso waren sie in dem Blute eines an Entzündung des Unterleibes ver- storbenen Pfaues sehr zahlreich. Dieselben Fasern sollen sich auch in der Galle des Ochsen, im Parenchym der Milz, Niere etc. finden. Fror. N. Not. No. 377. H. Nasse macht darauf aufmerksam, dass der Faserstoff beim Gerinnen, namentlich beim Schlagen des Blutes, die Form länglicher rhombischer Blättchen annimmt, die eine auf- fallend constante Grösse besitzen, und von ihm .,Faserstoff- schollen“ genannt werden. Sie finden sich auch im Eiter und in manchen Blutarlen, denen der Faserstoff zu fehlen scheint, z.B. im Menstrualblute. Dieses Archiv 1841. p. 439, F. Simon hat seine Untersuchungen über die Farbestoffe des Blutes, Hämatin und Hämaphäin, und die Methode ihrer Darstellung auch besonders mitgetheilt in dem Journ. f. pract. Chem. Bd. 22. 1841. p. 109. Einen ausführlichen Artikel über das Blut lieferte Liebig in dem Handwörterbuch der reinen und angewandten Chemie . 873, welcher manches Abweichende von den gewöhnlichen Fähren und Ansichten über das Blut enthält, indessen in dem Buche selbst nachgesehen werden muss. — Schina, Rudimenti di fisiologia generale et speciale del sangue, Turin 1841. 8to. Dalrymple, Ueber die schuelle Organisation der Lym- phe in Cachexien. Fror. N. Not. XVII. p. 265. Med. chi- rurg. Transaet. 1840. Bd. 23. F. Simon hat den Harnstoff sowohl im Blute eines an der Bright’schen Nierendegeneration Leidenden, als bei einer an der Öholera erkrankten Frau und endlich auch in 15—16 Pfund Kalbsblut durch die Krystalle, welche aus den alkoho- lischen Extraeten anschiessen, unter dem Microscope erkannt. Dieses Archiv 1841. p. 454. — Barruel, Riechbarer Stoff im Blute. Fror. N. Not. ÄX. p. 233. urcelli, Ueber denselben Gegenstand. Annali univer- sali di Medieina. Vol. XCV. Jan. 1841. " F. Simon hat 39 verschiedene Blutarten gesunder und kranker Menschen und Thiere chemisch untersucht und viele F LXXX wichtige Resultate erhalten. Physiologisch interessant ist vor- “züglich die Vergleichung von arteriellem und venösem, von arteriellem und Pfortader, von Pfortader und Lebervenen, von arteriellem und Nierenvenenblute. Das venöse Blut ist dar- nach reicher an festen Bestandtheilen, als das arterielle, eben so reich an Fett, Albumin und extractiven Materien; der Ge- halt an Fibrin und Blutkörperchen war in einem Falle im ve- nösen Blule grösser, in dem anderen kleiner als im arteriellen. Die Quantität der festen Theile des Pfortaderblules war in einem Falle grösser, im anderen kleiner als im arteriellen, was von dem gefütlerten oder nüchternen Zustande der Thiere ab- hing. Der Faserstoffgehalt ist im Pfortaderblut geringer, im arteriellen grösser; das Verhältniss der Menge der Blutkörper- chen zum Albumin grösser im Pfortader-, als im arteriellen Blute. Das Lebervenenblut enthält mehr feste Bestandiheile, mehr Albumin, mehr extractive Materien, dagegen weniger Globulin und Fibrin, als das Pfortaderblut. Das Nierenvenen- blut enthält mehr feste Theile und mehr Albumin, als das arterielle. Medicinische Chemie Bd. II. Auszug in Fror. N, Not. No. 378. O. Rees hat eine vergleichende Analyse des Chylus und der Lymphe eines jungen Esels, der mit Bohnen und Hafer gefütlert worden war, angestellt. Das Resultat war Folgendes: Chylus. I,ymphe. Wasser 90,237 96,536 Eiweiss 3,516 1.200 Faserstoff 0,370 0,120 Extraetivstoffin Wasser und Alcohol löslich 0,332 0,240 Extractivstoff nur in Wasser löslich 1.233 1,319 Fett 3.601 Spur Salze mit Spuren von Eisenoxyd 0,711 0,585 100,000 100,000 Mit dem Eiweisse war noch eine eigenthümliche, weiss aussehende Substanz vermischt, von der Rees die weisse Farbe des Chylus ableitet. Indem er dann den Chylus als die zur Ernährung bestimmte, die Lymphe als die durch die Er- nährung veränderte Flüssigkeit betrachtet und beide mit ein- ander vergleicht, spricht er die Ansicht aus, dass das Fett des Chylus bei dem Athemprocess durch den Sauerstoff und Stick- stoff der Almosphäre eine Metamorphose erfahre und in andere Verbindungen umgewandelt werde. (Letzteres ist schwerlich der Fall, wie ältere und Liebigs Untersuchungen zeigen. Ref.) Fror. N. Not. No. 380. Lond. med. Gaz. 1841. Vol.I. p. 547. Auch F.Simon hat den Chylus von drei Pferden unter- # LXXXI sucht, deren erstes mit Erbsen, die beiden andern mit Hafer gefültert worden waren. Die Zusammensetzung desselben war folgende: 1. I. II. Wasser 940,670 928,000 916,000 Feste Bestandtheile 59,330 72,000 84.000 Fett 1,186 10,010 3.480 Fibrin 0,440 0,805 0,900 Albumin mit Lymph- uud Chyluskör- perchen 42,717 46,430 60.530 Haematoglobulin 0,474 Spur 5,691 Extractive Materien und eine speichel- stoffarlige Materie 8,300 5,320 5,265 Chlornatrium, milchs. Natron, Spur von Kalksalzen — 7,300 6,700 Schwefels. u. phosphors. Kalk nnd et- was Eisenoxydul — 1,100 0,850 53,117 70,965 83,416 Schwager-Bardeleben hat unter des Ref. Theilnahme mieroscopische Beobachtungen und Versuche über die soge- nannten Blutdrüsen angestellt und in seiner Diss. Observat. mieroscop. de Glandular. ductu excret. carent. struclura, de- que earand. funct. experimenta. Berolini 1841. mitgelheilt. Von letzteren will ich hier erwähnen, dass es bewiesen wurde, wie Hunde ohne Milz und Schildrüse leben können, olıne dass in ihrem ganzen Verhalten die mindeste Abweichung zu bemerken ist. Einer dieser Hunde lebt noch jetzt (1843), ist ganz gesund, wohl beleibt, übt die Begaltung eifrig aus, kurz zeigt keine Störung seines Wohlbefindens. Dennoch wurde nach Exstirpation beider genannten Drüsen eine grössere Ge- neigtheit zu Entzündung und Exsudation bemerkt, indem, während nach blosser Exstirpation entweder der Milz oder der Schilddrüse nie solche tödtlich endenden Entzündungen eintraten, diese in den meisten Fällen, wenn dann später die andere Drüse daran kam, auch unter den sonst günsligsten Verhältnissen den Tod herbeiführte. Sehr auffallend war bei diesen Versuchen der verschiedene Blutreichthum und die da- dureli bedingte verschiedene Anschwellung der Milz unter sonst gleichen Verhältnissen zu verschiedenen Zeiten hinsichtlich der Verdauung. Während derselben war die Milz immer mit Blut überfüllt, so dass ich entschieden der früheren Ansicht zuge- wendet worden bin, dass die Milz als Blulreservoir für ver- schiedene Zustände der Blutmenge dient; wenn gleich die in den Bläschen der Milz enthaltenen Kerne und Zellen zugleich LXXXII auf eine Beziehung derselben zur Bildung der Blutkörperchen hinzudeuten scheinen. Toynbee hat der Royal Soe. eine Abhandlung über die nicht Gefässe enthaltenden Gewebe und die Art ihrer Ernäh- rung vorgelegt. Er bringt dieselben in drei Klassen: 1) die Gelenkknorpel und der Knorpel der verschiedenen Arten der fibrösen Knorpel; 2) die Cornea, Linse und der Humor vitreus; 3) die Epidermis-Gebilde, von welchen er zunächst den Be- weis zu führen sucht, dass sie selbst keine Blutgefässe, auch nicht etwa solche, die keine Blutkörperchen führten (seröse), besitzen, indem die Blutgefässe an ihrer Grenze umkehren, meistens aber hier sinusartige Erweiterungen und plexusarlige Schlingen bilden. Rücksichtlich ihrer Ernährung, führt er so- dann durch, dass diese durch Tränkung von jenen Blutgefäs- sen aus erfolge, und durch Zellenbildung, welche er Corpus- eles nennt, vermittelt werde. Lond. and Edinb. philos. Mag. Vol. XIX. p. 160. Nach Untersuchungen von H. Lambotte (einem Schüler Fohmanns) sollen die serösen Häute fast nur aus einem dich- ten Netze sehr feiner Gefässe bestehen, welche einerseits mit den Arterien, andererseils mit den Venen und Lymphgefässen in Verbindunng stehen. Auch behauptet er, dass sich überall ein gleiches intermediäres Gefässnelz zwischen Arterien, Venen und Lymphgefässen befände. Die Untersuchungen scheinen sehr genau. geführt worden zu sein. (L'Institut No. 371. p. 41.) Auch werden dieselben von Doyere und Quatrefages be- stäligt, welche ebenfalls Gefässe von 4—5mal geringerem Durchmesser als ein Blutkörperchen sahen, und bei einem Hunde den Ductus thorac. von der Carotis aus bei einem ge- zingeren Drucke als den des Herzens injieirten. Sie geben folgende Messungen: Millim. Capillargefässe, welche die Fettbläschen umspinnen ;1- Letzte Verzweigungen der Gefässe im Mesenterium „1, — 5; lm Fusse des Hundes an der Basis der Haare ee In den Nerven des Hundes +5 In den Muskeln des Hundes 2 Im Zwerchfell des Kaninchens 2:5 In der Haut des Frosches ee L’Institut No. 375. p. 73. Dieselbe Communication der Arterien mit den Lymphge- fässen beslätigt auch Poisseuille, welcher sich zur Injeetion einer besonderen Vorrichtung bediente, durch welche der an- gewendete Druck genau bestimmt und z. B. dem des Herzens gleich gesetzt werden kann. (L’Institut No. 380. p. 119- Nicolaus Auke, Beitrag zur Lehre von der Blutbewe- LXXXIN gung in den Venen. dem Venenpulse und der Abdominalpul- salion, Moskau 1835. 8. Dieses Buch kennt Ref. nur aus ei- nem Auszuge in Frikes Zeitschrift Bd. XVIM. durch Gra- bau, welcher daher auch einen bestimmten, sogenannten an- timeehanischen Charakter hat. Doch scheint das im entgegen- geselzien Sinne geschriebene Buch meistens gründlich und kri- tisch gehalten zu sein, daher ich desselben hier noch erwäh- nen wollte, . Reimbold hält den den Klappen der Venen gewöhnlich zugeschriebenen Nutzen, den Druck der Blutmasse zu verhin- dern, für nicht wahrscheinlich, vornehnlich weil sieh in der Pfortader keine Klappen finden. Hier glaubt er ihr Fehlen durch den Zweck bedingt, dass das Blut langsamer fliesse. Wo dieser nicht gegeben ist, finden sich Klappen, welche das Strömen des Blutes positiv nach dem hydrostatischen Geseize befördern, dass durch Verengerung der Bahn an einer Stelle die Strömung innerhalb dieser verengerten Stelle und über sie hinaus energischer wird, namentlich wenn diese Verengerung eine kegelförmige, mit der Spitze nach der Siromrichtung ge- kehrte ist. (Dass hierzu die beweglichen zarthäutigen Klap- pen tauglich sein sollten, ist wohl sehr zu bezweifeln. Ref.) Ueber die Contraetilität der Gefässe, ihren Einfluss auf die Bewegung ihrer Contenta, auf Exsudation bei ihrer Läh- mung, und auch ihre Abhängigkeit von den Nerven, ist be- sonders lesenswerth Henle, Allgem. Anat. p. 512—526. Ref. kann sich indessen noch nicht entschliessen, die Contractilität der Arterien eine besondere Rolle bei dem normalen Kreislaufe spielen zu lassen. Es ist nicht abzusehen warum, und nicht walrscheinlich, dass hier zwei Kräfte, Elastieität und Contrac- tilität, zur Erreichung eines Zweckes zusammenwirken sollten, wo eine hinreichend erscheint. Die einzige Thatsache, die hier entscheidend sein würde, nämlich dass der Durchmesser eines Gefässes im Leben und gleich nach dem Tode geringer ist, als längere Zeit nach dem Tode nach Erlöschung der Con- tractilität, konnte ich nicht bestätigen. — Für alle Modifica- tionen der Blutbewegung scheint mir dagegen die Contraelili- tät von dem grössten Einfluss und der grössten Wichtigkeit. Holland hat die Kigenthümlichkeiten und den Einfluss der Arterien auf die Cireulation des Blutes untersucht. Edinb. med. and surg. Journ. No. 146. p. 17. Auch diese, wie schon mehrere frühere Abhandlungen von Holland, ist nur krili- scher Nalur, und eignet sich daher nicht zu einer kurzen An- abe ihres Inhaltes. Eben so verhält es sich mit einer Abhand- ung über den Einfluss des Herzens auf die Blutbewegung. Ibid. No. 148. p. 69. Ebenso lieferte er auch einen Aufsalz LXXXIV über die Leerheit der Arterien nach dem Tode. Fror. Neue Not. No. 399. Gluge hat zahireiche Beobachtungen über die Folgen ge- wisser Einwirkungen für den Capillarkreislauf bei Fröschen angestellt. Sie betreffen den Einfluss der Compression und Durchschneidung der Gefässe, der Application der Essigsäure des Aethers, der Hitze, der Kälte, der Durchschneidung des Rückenmarkes und der Nerven, des Blutverlustes, der Unter- drückung des Athmens und der Transpiration, so wie endlich der Inoculation verschiedener Gifte und zersetzter animalischer Substanzen. Die Natur der Sache verlangt Einsicht der in manchen Hinsichten interessanten Beobachtungen selbst, Ab- handlungen zur Physiologie und Pathologie. Jena 1841. pag: 43—75. — Bouchacourt, Ueber den Einfluss der Systole des Her- zens auf die Krümmung der Arterien. Fror. N. Not. XX, . 176. { » Jung, Ueber die Verwundbarkeit des Herzens bei Thie- ren. Schweizerische Zeitschrift Bd. II. p. 189. — J. Blake theilt die Resultate seiner Versuche mit Injec- tion der Salze von Magnesia, Zink, Kupfer, Kalk, Caleium, Strontian, Barium, Baryt, Blei, Silber, Natrium, Ammonium und Kalium in die Venen und Arterien von Hunden mit. Vorzüglich wurde ihre Wirkung auf den Kreislauf beachtet. Als allgemein interessantes Resultat kann nur hervorgehoben werden, dass die verschiedenen Salze derselben Basis ungefähr dieselbe Wirkung haben, diese also von der Basis, nicht von der Säure bestimmt wird, sowie, dass isomorphe Salze eine ähnliche Wirkung auf die thierische Oeconomie ausüben. Das Einzelne ist keines Auszugs fähig. Edinb. med. and surg. Journ. Vol. LVI. p. 104. Derselbe stellte auch wiederholte Versuche über die Wirkung von Giften bei Pferden, Kaninchen und Vögeln an. Zuerst erforschte er die Schnelligkeit des Kreislaufs bei Pfer- den, und bestimmte dieselben auf 16 Secunden, von der Ven. jug. bis zur Carotis. Als er darauf einem Pferde 6 Gr. Strych- nin in 3 Unzen mit Salpetersäure verselztem Wasser in die Ven. jug. injieirte, zeigten sich die ersten Symplome der Ver- giftung nach 16 Secunden, in der siebenzehnten fiel es unter Convulsionen nieder, und nach 5 Min. war es todt. Bei Hun- den braucht eine Substanz 7—8 Secunden, um von der Ven. jug. in die Art. coron. cord. zu gelangen. Ein Gift zeigt seine irkung nicht vor der 12ten Secunde. Bei einem Vogel (?) braucht das Blut 6 Secunden, um von der Ven. jug. in die Art. coron. cord. zu gelangen; der Blutdruck in den Arterien ist gleich dem einer Quecksilbersäule von 4—5 Zoll. Bei ei- LXXXV ner Gans beträgt obige Zeit 10 Secunden und der Bluldruck ist gleich 6 Zoll. 14 Gr. salpetersaures Strychnin in 14 Dr. Wasser in die Ven. jug. eingesprützt, entfaltete seine Wirkung nach 6% Secunden und nach 8 Secunden war das Thier todt. — Bei einem Kaninchen braucht das Blut zu obigem Wege 4 Se- eunden und der Blutdruck ist gleich 4—4,4 Zoll. + Gr. sal- petersaures Strychin in die Ven. jug. injieirt, erregte die er- sten Vergiftungssymptome nach 44 Secunden, und den Tod in 7 Secunden. Es geht hieraus hervor, dass bei keinem Thiere ein Gift früher wirkt, als dasselbe durch den Kreislauf verbreitet worden ist. Ibid. p. 412. Taylor, Observations on the absorption of metals into the blood in cases of poisoning. Guys Hospit. Reports 1841. No. XII. April. Ueber die Zahl der Pulsschläge beim Säuglinge hat Trous- siau Beobachtungen angestellt, Er fand bei einem Alter von 45—30 Tagen 130—137; bis zu drei Monaten 132; bis zu ei- nem Jahr 120; bis zu einundzwanzig Monaten 118—125. Das Geschlecht machte keinen Unterschied; wohl aber Schlaf uud Wachen. Ein Puls von 140 Schlägen im Wachen schlug im Schlafe 121mal; einer von 128 im Wachen im Schlafe 112mal. Journ. des connaiss. med. chir. 1841. Juillet. Fror. N. Not. No. 416. W. Grabau hat eine eigene Schrift: Die vitale Theorie des Blutkreislaufes. Altona 1841, geliefert, in welcher er ge- gen die gewöhnliche Ansicht desselben, die er die mechanische Theorie nennt, auftritt. Es werden alle die bekannten und oft widerlegten Gründe wieder vorgebraeht, aus denen hervor- gehen soll, dass nieht die Stoss- und Saugkraft des Herzens und die Elastieität der Arterien die Hebel der Blutbewegung sind, und unter denselben namentlich die Behauptung durch- geführt, dass die Klappen des Herzens ebenso, wie auch die der Venen, keine mechanischen Vorrichtungen seien. Die nun dieser unrichtigen mechanischen Theorie substituirte vitale des Verf. ist ganz philosophisch, und würde in letzter Instanz den Beweis liefern, dass wir durchaus nicht wissen, was denn zuletzt das Blut in Bewegung erhält. Eine in Bonn unter den Auspicien von Naumann er- schienene Diss. von Euteneuer: De dupliei cireulationem san- guinis promoventevi, mechanica et organica. 1841, stellt eben- falls die bekannten Gründe zusammen, weshalb die Thätigkeit des Herzens und der Arterien zur Unterhaltung des Kreislau- fes nicht ausreiche und sucht die nothwendige Hülfskraft in dem Stoffwechsel und dem Einflusse der Nerven besonders während des Capillar-Kreislaufes nachzuweisen. Oruveilhier hat Gelegenheit gehabt, ein Kind mit Ec- LXXXVI topia cordis zu beobachten, welches vollkommen ausgetragen und kräftig eilf Stunden nach der Geburt lebte, und mit Recht diesen seltenen Fall benutzt, um über die Herzbewegungen und Herztöne Aufschluss zu erhalten. Die neuen oder we- sentlich berichtigenden Resultate seiner Beobachtungen schei- nen mir folgende zu sein: 1) Es giebt keinen Moment der Ruhe bei der Action des Herzens, sondern Contraction folgt unmittelbar auf Dilatation und umgekehrt; 2) bei der Systole der Kammern beschreibt die Herzspitze eine Spirallinien- oder . Schraubengang- Bewegung von rechts und hinten nach links und vorne, und dadurch entsteht der Herzschlag; 3) die Töne wurden auch an dem nackten, ganz bloss liegenden Herzen ge- hört, wenn gleich schwer, wurden daher nicht durch die Berührung des Herzens mit den Brustwandungen hervorge- bracht, wohl aber durch sie verstärkt; 4) beide Töne wurden am deutlichsten an der Basis der Herzkammern, an dem Ur- sprunge der Aorten gehört, der zweite in dem Augenblicke der Verengerung derselben, also durch Anspannung der Semi- lunar-Klappen im Momente des Zurückstossens des Blutes. 7) den ersten Ton leitet Cruveilhier von dem Anschlagen derselben Semilunar-Klappe an die Aortenwandungen im Mo- mente der Contraction der Kammern ab (was nicht sehr wahr- scheinlich scheint. Ref.); 6) bei dem zweiten Tone fühlt der in der Gegend der Semilunar-Klappen aufgelegte Finger ein Schwirren, bei dem ersten nicht. (Gaz. med. 1842. No. 32.) Kürschner hat sich durch neue und sorgfältige Beob- achtungen und Versuche überzeugt, dass das Herz bei seinen Bewegungen eine Axendrehung macht, sich nämlich bei dem Einströmen des Blutes in die Vorkammern und von diesen in die Herzkammern der Strom des Blutes die Spitze des Her- zens von rechts nach links und von vorne nach hinten drückt, dieselbe dagegen im Momente der Systole der Kammern die entgegengesetzte Bewegung von links nach rechts und von hinten nach vorne macht und dabei dureh seinen Anschlag an die Brustwand den Herzstoss hervorbringt. Die leizte Be- wegung wird dadurch hervorgebracht, dass bei dem Einströ- men des Blutes und der Herabdrückung der Spilze des Her- zens, die grossen Gefässe gedehnt werden, und dann nach Schliessung der venösen Klappen vermöge ihrer Elasticität wieder in ihre frühere Lage zurückkehren, Das Ilerz muss dieser Bewegung mit um so grösserer Kraft folgen, da es sich in diesem Augenblicke contrahirt, und das Blut in der Rich- tung der arteriellen Mündungen austreibt. Dieses Archiv 1841. p- 103. Beau, welcher schon früher (Arch. gen. Dec. 1835 und Janv. 1839) Untersuchungen über die Bewegungen und Geräu- x LXXXVU sche des Herzens bekannt gemacht, lieferte einen neuen Auf- satz über denselben Gegenstand, in welchem er indessen nur seine frühere Ansicht, namentlich gegen die Resultate der Versuche und Beobachtungen der Engländer vertheidigt. Ar- cehiv. gen. 1841. T. Xl. p. 265 und 407. Prudente, Künstliche Intermission der Herzschläge bei Fröschen. Fror. N. Not. XX. p. 352. Nach Wilkinson King wirken die an den Sehnen der Atrioventrieularklappen angebrachten Muskeln erst dann, wenn ihre Sehnen angespannt sind, d. h. wenn die Contraction der Kammern das Blut bereits gegen dieselben angetrieben hat; sie ziehen sich also später zusammen, als die Kammern selbst, und waren um so nöthiger, weil durch die Zusammenziehung der Kammern die Sehnen jener Klappen erschlafft sein und daher die Klappen selbst unwirksam geworden sein würden. Guys Hospit. Rep. Vol. V. p. 27. Derselbe macht auch auf die Wirkungen der Berührung der entsprechenden Flächen und Herzklappen vorzüglich zur Hervorbringung pathologischer Zustände aufmerksam. Diese Berührungsllächen sind im Normalzustande kaum bemerkbar. Bei pathologischen Veränderungen der Klappen kann man die- selben aber deutlich sehen. Verdünnung, Durchlöcherung und anderer Seits Verdickung, Exerescenzen etc. sind die Folgen vermehrter Action der Klappen und vermehrter Reibung ihrer Berübrungsflächen. Ibid. p. 22. Ref. kann nicht umhin, hier auf eine zwar der verglei- chenden Anatomie angehörige, aber in ihrer Anwendung auf die Physiologie wichtige neue Untersuchung Leon Dufours über das sogenannte Rückengefäss der Inseeten und eine Blut- eireulation bei denselben aufmerksam zu machen. Mit Mal- pighi, Swammerdamm, Lyonet, Cuvier, Serres, Du- meril, Duvernoy, Audouin und Anderen höchsten Auto- ritäten läugnet Leon Dufour die Gefässnatur dieses Rücken- gefässes und die Bluteirkulation, indem er den Satz festhält, dass sich eine solche nirgends finde, wo die Luft auf andere Weise mit allen Organen und dem Nahrungssafte in Berüh- rung trete. Er betrachtet das Rückengefäss der Insecten als eine verkümmerte Analogie des wirklichen herzartigen Rücken- Bahancs der Lungenspinnen, bei welchen sich aber auch Ge- sse finden. — Stets ist Ref. die Anwendung der Lehre von wandungslosen Blutströmen bei den Insecten ein Anstoss ge- wesen für die so notlhwendig festzuhaältende entgegengesetzte Lehre bei höheren Thieren. Ann, des sc, nat. Tom. XV. p- 5. Fror, N. Not. No. 440. Interessant sind in gleicher Beziehung die Untersuchungen von Dutrochet über die Ursache der Bewegungen des Kam- LXXXVII phers auf Flüssigkeiten, welche er für identisch mit der Ur- sache der Saftbewegung in der Chara hält. L’Institut No, 367. p- 1. 368. p. 10. 381. p. 128. Nach M. Gregor beträgt die mittlere Menge der im ge- sunden Zustande vom Menschen ausgeathmeten Kohlensäure 3,5 Procent. Im ersten Stadium der Kuhpocken, Masern und des Scharlachs steigt die Menge bei ersteren auf 6—8 Procent, bei letzteren auf 4—5 Procent. So wie Besserung eintritt, nimmt die Menge ab. Bei chronischen Hautkrankheiten wurde . ebenfalls eine Zunahme, z. B. bei Ichthyosis bis zu 7,2 Procent beobachtet. Bei Diabetes mellitus trat keine Veränderung ein. The Athenaeum 1840. Oct. p. 822. Ann. der Chem. u. Pharm. 37. 1841. p. 359. John Reid hat neue Untersuchungen über die Reihen- folge in dem Nachlass der organischen Functionen in der Asphyxie angestellt. Edinb. med. and surg. Journ. Vol. 55. p- 437. Nach einer klaren Darstellung der Untersuchungen seiner Vorgänger stellte er zuerst einen Versuch an, durch welchen erwiesen wurde, dass das Aufhören der Blutbewe- gung von der aufgehobenen Umwandlung des venösen Blutes in arterielles und nicht durch das Aufhören der Athembewe- gungen bedingt wird, indem auch beim Einathmen von Stick- gas dieselbe Folge eintrat, wie nach gänzlicher Unterdrückung des Athmens. Indem Reid während dieser Versuche sowohl in die Arterie als Vena cruralis Haematodynamometer einge- bracht hatte, bemerkte er, während das Thier asphyctisch wurde und die gewöhnlichen heftigen Zuckungen und Bewe- gungen des Thieres eintraten, dass jedesmal eine sehr bedeu- tende Zunahme des Blutdruckes in beiden Gefässen eintrat, welche wieder nachliess, wenn das Thier nun wirklich asphyctisch und ruhig geworden war. Er leitet dieses von dem Druck der Muskeln, sowohl der Athemmuskeln als auch aller übrigen auf die Blutgefässe ab. Rücksichtlich des Ver- schwindens des Bewussiseins stellte es sich ferner heraus, dass dieses nicht sowohl von Mangel an Blutfluss nach dem Ge- hirne, als von dem Einflusse des venösen Blutes in den Arte- rien auf das Gehirn abhängt. Die Ordnung der Wirkungen des unterdrückten Athemprocesses ist folgender» Zuerst wird die Function des Gehirns durch das venös gewordene Blut aufgehoben und ebenso die der Medulla oblongata geschwächt. Dann fliesst das Blut nicht mehr frei durch die Capillarge- fässe der Lunge und häuft sich demnach im rechten Herzen an. Es kommt daher auch weniger in das linke Herz, weni- ger wird durch dasselbe in den Körper getrieben und die Ver- minderung der Blutmenge vereinigt mit ihrem venösen Cha- rakler. und das endliche Aufhören der Cireulation sind die LXXXIX Todesursachen. Dass die Blutbewegung durch die beeinträch- tigte Wechselwirkung mit den Organen in den Capillargefäs- sen ebenfalls gehindert werde, nimmt, Reid als durch die Versuche von Alison (Outlines of Physiology. 3. Edit. p: 22. 61 und 224) als erwiesen an. 2 Bei dem Dunkel, welches die Zellenbildung umhüllt, ist ein Aufsatz von P. Harting: Vermuthungen über die erste Bildung der Zellen und ihrer Kerne in vegelabilischen und animalischen Gebilden, gegründet auf die Untersuchung anor- ganischer Niederschläge in der Tijdschrift voor natuurlijke Ge- schiedenis en Physiologie. Bd. VII. 1841. p. 179 -von Inter- esse. Der Verf. hat die anorganischen Niederschläge micros- eopisch untersucht und besonders den moleculär-flockigen und moleeulär-membranösen seine Aufmerksamkeit geschenkt. Na- mentlich in letzterem bilden sich in verschiedenen Zeiten nach der Temperatur und der Concentration der Lösungen, allmäh- lig kleine Kernchen, bald kegelförmig, bald mehr elliptisch, bald mehr unregelmässig, aber scharf begränzt, die zuweilen auch noch ein kleineres Körnchen einschliessen oder aus meh- reren kleinen Körnchen zusammengesetzt sind, Er vergleicht ihre Entstehung und Beschaffenheit mit der der Zellenkerne, welche ebenfalls, wenigstens zuweilen, anorganische Bestand- iheile zu enthalten scheinen, indem sie unverbrennlich sind. Er fand ferner, dass anorganische Niederschläge selbst Zellen bil- den können, wenn sie mit Entwicklung von Gasblasen be gleitet sind, die sich mit einer Membran umgeben, aus wel- cher später das Gas entweicht, und er wirft daher die Frage auf: ob nicht vielleicht die Bildung auch aller organischen homogenen Membranen mit einem membranösen Niederschlage sogenannt anorganischer Stoffe beginne, die später zur Basis dienen für die eigentlichen animalischen und vegetabilischen Substanzen. Demnach entstände also zuerst im Cytoblastem ein moleeulärer oder flockiger Niederschlag, der wahrschein- lich aus anorganischen Substanzen besteht. In demselben entwickeln sich kugelförmige oder ellipsoidische Körperchen, die Cytoblasten, welche auch organische Substanzen aufge- nommen haben können. Dieser Kern wird der Stützpunkt für einen membranösen Niederschlag, dessen Membran durch Endosmose allmählig ausgedehnt und durch Aufnahme organi- scher Bestandtheile befestigt wird. Eine sonderbare Abhandlung über die Rolle der Kügel- ehen im gesunden und kranken Zustande liefert Hodgson Watls, bei welcher man durchaus ungewiss bleibt, ob ihr die neueren Entdeckungen in der Pflanzen- und Thier-Physio- logie in Bezug auf die Zellen zu Grunde liegen oder ob sie das Resultat eigener Reflexion ist, Zunächst ist das Raison- x nement gerichtet auf eine Erklärung der Resorplion, Secrelion und auf die Bildung der Tuberkeln. Ein Auszug ist nicht möglich. Dubl. le T. XIX. p. 240 und 369. Carlisle, Gefässbildung von physikalischen Gesetzen be- dingt. Guys Hospit. Reports 1840. No. 10. April. Flourens hat seine Versuche mit Fütterung jünger Thiere mit Crapp fortgesetzt und zum Beweise benutzt, dass die langen Knochen in die Länge vorzugsweise an ihren bei- den Enden wachsen. Ann. des sc. nat. T. XV. p. 241. In zwei anderen Abhandlungen: Ibid. T. XVI. p. 232 und 244 sucht Flourens die Richtigkeit der Behauptung Duhamels darzulhun, dass der Knochen sowohl nach Zerstörung der Markhaut, als auch nach einem Bruche von der Beinhaut wie- der erzeugt werde, kurz diese eben so das Bildungsorgan des Knochens sei, wie die Markhaut das Resorptionsorgan. Wird die Beinhaut zerstört, so ist (wunderbarer Weise) dieses Re- sorplionsorgan dann das Bildungsorgan des neuen Knochen etc. Wir sind im Besitz von Untersuchungen, welche alle diese Fragen längst genügend beantwortet haben, welche aber Flourens nicht kennt. Paolini, Saggio di alcune esperienze intorno l’azione della Robbia nel colorire le osse etc. Rendiconto della ses- sione di Bologna 1840—41. p. 40. Dass die Crystallinse bei jüngeren Thieren (Kaninchen), wenn die Linsenkapsel erhalten wird, wirklich wieder rege- nerirt wird, hat Dr. Löwenhardt durch Versuche erwiesen. Fror. N. Not. No. 418. Kuhnholz, Considerations generales sur la regeneralion des parties molles du corps humain. Paris 1841, Eine auf unsere jetzige Kenntniss von der Zusammensez- zung des Blutes und der Secrete, so wie auf die Bildung von Zellen in den Drüsenkanälchen gebaute Theorie der Seeretion, deren Grundzüge schon früher erwähnt wurden, liefert Henle in seiner allgem. Anat. p. 974. Ein merkwürdiger Fall von Gasentwicklung auf der gan- zen Hautoberfläche bei einem an Hypochondrie leidenden Mann, welcher angab, auch durch die Harnblase zuweilen Luft aus- zuleeren, beobachtete Francis Smith und berichtet dar- über im Dublin Journ. of med. Sc. 4841. Jan. Die Erschei- nung wurde vorzüglich im Bade bemerkt. Fror. N. Not. No. 403. Rücksichtlich der Function des Farbestoffes in der Haut der dunkelfarbigen |Menschenrace bestreitet Glover durch Ver- suche die von Home anfgestellte Ansicht, dass durch sie der leichteren Entzündbarkeit durch eine höhere Temperatur vor- gebeugt wurde. Dieses wird vielmehr bei den Nerven durch Xel eine stärkere Hautausdünstung und dadurch bedingte Abküh- lung erreicht. Ausserdem strahlt die schwarze Haut bei Nacht mehr Wärme aus, als die weisse. Edinb, philos. Journ. 1840 Oelbr. 1841 Jan. Fror. N. Not. 363. Mylius fand in dem sogenannten Kalksack (Niere) von Helix pomatia, nemoralis und hortensis reine Harnsäure mit Schleim. Jedes Thier liefert gegen 14 Gr. L’Institut No. 403. ..319. e Donn& will sich mittelst des Biotschen Polarimeters überzeugt haben, dass der Urin zuweilen, besonders bei Per- sonen, die an Saamenfluss leiden, nicht aber bei diabetischen eine eigenihümliche, von Zucker und Eiweiss verschiedene, durch Alkohol selbst aus dem filtrirten Urine in Flocken gefällt werdende !hierische Substanz enthält. L’Institut No. 375. p. 56. Einen Versuch über die Endosmose mit einem Eie ohne Kalkschaale, welches in Wasser gelegt wurde, theilt Parrot mit. Nach 91 Stunden verhielt sich das Volumen desselben wie 1:275. L’Institut No. 372. p. 58. 3. Irritable Processe. Flimmerbewegungen. — Abhängigkeit der Muskeln von den Nerven. — Augenmuskeln. — Athembewegungen. — Schluckbewegungen. — Stimme und Sprache. Zu Anfang muss Ref. hier des dritten Theils von Lie- bigs Organischer Chemie in ihrer Anwendung auf Physiologie und Pathologie erwähnen. Liebig giebt in demselbeu eine Theorie der Bewegungserscheinungen im Thierorganismus. Wir waren bisher, wenn ich nicht irre, allgemein dabei stehen ge- blieben, Bewegung schlechthin als eine der fundamentalen Thätigkeilsäusserungen der Lebenskraft zu betrachten. In wel- eher Beziehung die Bewegung zu anderen Aeusserungen der Lebenskraft stehe, war unbekannt, nur beschäftigt man sich eifrig damit, eine und die hervorspringendste Form dieser Be- wegungen, die Muskelbewegungen, in ihrer Beziehung zu ei- ner anderen Aeusserung der Lebenskraft, zu dem Nervenagens, zu ermitteln. wovon sogleich mehrere Versuche anzugeben sein werden. Aber auch hier musste sich der unbefangene und umsieltige Beurtheiler enischeiden, auch die Muskelbewe- gung als eine eigenthümliche Form der Lebensthätigkeit in den uskeln zu betrachten, wie abhängig in ihren Wirkungen sie auch von dem Nervenagens erscheinen mag. Stoffwechselbe- wegung und Nerventhätigkeit erschienen bisher als die drei zwar in der innigsten Wechselbeziehung stehenden, aber doch xcu ihrem innersten Wesen nach von einander durchaus unabhän gigen, selbstständigen Richtungen der Lebensthätigkeit. Wie dieses zu denken, war und ist freilich ein Räthsel, und ver- gebens hat man sich bemüht, einen Wort-Schematismus statt eines Begriffes eintreten zu lassen. Liebig hat in dem ge- nannten Aufsatz meines Erachtens zuerst den Versuch gemacht, geleitet durch Analogieen aus der unorganischen Natur, hier eine Theorie aufzustellen, die wenigstens in dieser Analogie etwas mehr Klarheit darbietet. Er betrachtet den eigenthüm- lichen Stoffwechsel oder den eigenthümlichen chemischen Pro- cess in den organischen Körpern als die einzige wesentliche und primäre Action der Lebenskraft, und sucht von diesem die anderen, zunächst die Bewegung abzuleiten. Dazu dient ihm die Analogie des chemischen Prozesses in der unorgani- schen Natur in seiner Beziehung zur Blectrieität und dem Magnetismus und allen ihren abgeleiteten Folgen. So wie der chemische Prozess in einer Säule die Quelle ist der sich in derselben entwickelnden Electricität, so hält Liebig den che- mischen Process in den Organismen für die Quelle der sich in ihnen entwickelnden Bewegungen. Bei der durch den Sauerstoff der Atmosphäre eingeleiteten und’ unterhaltenen Umsetzung der Gebilde wird gewissermaassen Bewegung frei, und er sucht darzuthun, wie beide einander adäquat erschei- nen zum Beweise ihres inneren Abhängigkeits- Verhältnisses von einander. Dieses scheint mir der Gedanke der Abhand- lung und ich halte ihn für wichtig und folgenreich. Mit der Ausführung desselben werden sich vielleicht, ja wahrscheinlich, Wenige einverstanden erklären. Es werden sich vielleicht schon von physikalischer Seite Zweifel und Bedenken erhe- ben. Von physiologischer Seite wird man eine Kenntniss des Verhältnisses von Muskel und Nerv vermissen, deren Aclio- nen fast für identisch gehalten zu werden scheinen. Man wird vielleicht von allen Seiten nach dem weiteren Wie und Wo fragen. Dieses Alles kann und wird, wie mir scheint, nicht ausbleiben. Allein der Grundgedanke ist, wie ich glanbe, neu und wichtig, und nähert unsere Forschungsmethode in der Physiologie wieder um einen Schritt mehr der Methode der übrigen Naturwissenschaften an, welche die Physiologie zu ihrem unendlichen Schaden so lange gänzlich vernachlässigt hat und noch vernachlässigt. Forbes macht darauf aufmerksam, dass die Wimperbe- wegungen nicht ihre Ursache in den Cilien selbst, sondern in der Basis, auf welcher sie sitzen, haben. Denn wenn man die Cilien, wo sie hierzu gross genug sind, abschneidet, so be- wegen sie sich nicht mehr, während die Bewegung fortdauert, XCHt wenn sie auch nur noch mit einem ganz kleinen Theil ihrer Basis (mit der Zelle. Ref.) in Verbindung stehen. Lond. med. Gaz. II, p. 990. Von besonderer Wichtigkeit für die organisch-thierischen Bewegungen scheint mir das sich vorzüglich aus Henles mi- eroseopischen Untersuchungen ergebende Resultat, dass sich Unterschiede zwischen bloss contractiler Faser und Muskel- Faser kaum mehr aufstellen und festhalten lassen, da sich so- wohl in anatomischer als functioneller Beziehung überall Ue- bergänge finden. Henle hat darüber in seiner Allgemeinen _ Anat. p. 596 folgende Tabelle aufgestellt, welche das Verhält- niss der verschiedenen Fasergebilde deutlich macht: Unwillkührlich. Willkührl. Reaclion Reaclion Reaction auf Kälte, | Reaction nicht auf | nicht auf nicht auf auf Kälte u. | Kälte, wohl Kälte, wohl mechani- | mechani- |aber auf me-Jaber auf me- sche u. gal-|sche, nicht |chanische u.[chanische u. vanische | auf galvani-| galvanische | galvanische Reize. |sche Reize. Reize. Reize. ICntis, Tuni- Binde- | ca dartos, | Venen- |Iris, Lymph- gewebe. |Corp.caver-| häute: gefässe. nosa. Muskelhaut Glatie Arterien- | der Einge- Muskeln. häute. weide und Ausführungs- gänge. Herzu. Häute Muskeln des der rhyt- [Stammes u. Gestrei ran misch beweg- [Anfänge in- lichen Ge- | nerer Ka- fässe. näle. (Hierbei hätte ich nur zu erinnern, dass Kälte häufig auch bei gestreiften Muskeln Eontraclionen veranlasst. Ref.) Stannins hat sich in vier Versuchen überzeugt, dass wenn man bei einem Frosche sämmtliche Nerven einer hinte, ren Extremität mil Ausschneidung eines Stückes durchschnit- Müllor’s Archiv. 1812. 6 ACIV ten hat, sich nach 5 Wochen durch galvanische Reizung der peripherischen Enden der Nerven keine Zuckungen in den Muskeln mehr erregen lassen, wohl aber durch unmittelbare Reizung der Muskeln, Er glaubt hierdurch den noch fehlen- den Beweis nicht nur der selbstständigen, von den Nerven unabhängigen Contraelililät der Muskeln, sondern auch: ihre von den Nerven unabhängige Reizbarkeit erwiesen zu haben. Fror. N. Not. No. 418. (So sehr Ref. die Ueberzeugung der Richtigkeit dieses Verhältnisses theilt, bleibt doch noch der Einwurf übrig, dass die in der Muskelsubstanz sich verbrei- tenden peripherischen Nervenenden bei ihrer innigeren Wech- selwirkung mit dem Blute, als in dem Stamme, ihre Kräfte noch erhalten hatten, als sie der Stamm und die Aeste be- reils eingebüsst. ) Longet hat dasselbe Resultat wie Stannius erlangt, als er allein die motorischen, d. h, die peripherisch leitenden Mus- kelnerven durchschnilten hatte. Schon nach vier Stunden sollen die peripherischen Enden der Nerven ihre Fähigkeit verloren haben, bei ihrer Reizung Contractionen der Muskeln zu erregen, während die Muskeln selbst sich noch nach zwölf Wochen auf Reizung zusammenzogen, wenn sie unmittelbar gereizt wurden. Doch nimmt Longet an, dass sie zur Er- haltung ihrer Contractilität auf die Dauer des Nerveneinflus- ses bedürfen. Er prüfte auch die Abhängigkeit der Muskeln von dem Bilute, und fand, dass nach Unterbindung der Aorta abdominalis nach einer viertel Stunde die willkührlichen Be- wegungen, und nach zwei Stunden auch die Contraclilität der Muskeln verloren geht. Nach Lösung der Ligatur kehrt zuerst die letztere nach einigen Minuten, und später auch die erstern wieder. Nach Unterbindung der Vena cava inf. sind nach 24 Stunden willkührliche Bewegang und Contrac- tilität der Muskeln wenig gehindert, (L’Examinateur med. Dec. 1841.) Arch. gen. 1842. Janv. p. 81.) Reid fand ebenfalls, dass wenn man die Contractilität der Muskeln einer Extremität durch Ueberreizung erschöpft hat, dieselbe sich dennoch sowohl bei kalt- als warmblütigen Thieren nach einiger Zeit wieder herstellt, obgleich man die zu den Muskeln gehenden Nerven durchschnitten hat. Geht nach dieser Operation nach längerer Zeit die Contraelilität der Muskeln verloren, so ist dieses eine Folge der Unthätigkeit . und der dadurch bedingten Störung der Ernährung. Reid erhielt diese Contractilität in den Muskeln der unteren Extre- mität eines Frosches, dessen Nerve durchschnitten war, zwei Monate lang, indem er sie täglich durch einen mässigen gal- vanischen Strom zu Zusammenziehungen reizle. LInstitut ACV No. 377. p: 95 und On the Relation between muscular con- traclility and the neryous System. Edinb. 1841. 8. Dagegen hält Engelhardt in seiner unter Nasses d. Ael- teren Autorilät geschriebenen Diss. De vita musculorum ob- servaliones et experimenta. Bonnae 1841. die vollkommene Abhängigkeit der Contractililät der Muskeln von den Nerven für eine erwiesene Sache, da Muskeln, deren Nerven durch- sehnilten sind, ihre Contraetilität. verlieren. Er sucht nur zu ermitleln, ob dieses in der Wirkung der Nerven und ihrer Cen- traltheile auf die Muskeln selbst oder von der durch ‘die Trennung der Nerven bewirkten Beeinträchtigung der Ernäh- rung der Nerven und Muskeln begründet ist, und entscheidet sich für Letzteres, weil Nerven, die von dem durchschnilte- nen Rückenmarke getrennt sind, ihre Kräfte länger erhalten, als solche, welche mit demselben noch in Verbindung stehen. Dieses findet er auch durch die von ihm bestätigle Erfahrung bewiesen, dass Muskeln denen der Bluteinfluss entzogen ist, früher gelähmt sind, als solche, denen der Nerveneinfluss ent- zogen ist. Zahlreiche, auch messende Versuche, an Fröschen angestellt, suchen diese Sätze zu beweisen. (Allein gerade da- durch wird ja der Hauptsatz, um welchen es sich handelt, um- gestossen, nämlich dass die Muskeln ihre Lebensthätigkeit nur den Nerven verdanken sollen. Ref.) Auch Budge, Untersuchungen über das Nervensystem, Heft I. p. 3, ist der Ansicht, dass die Muskeln ganz abhängig ” sind von den Nerven, theilt diesen eine motorische Kraft zu, welche aber nicht in den Nerven selbst, sondern in den Cen- traltheilen ihren Sitz hat, von wo sie den Nerven und Mus- keln mitgetheilt wird. Aus der mieroscopischen Untersuchung der Muskeln zweier an Tetanus Verstorbenen, glaubt Bowmann den Schluss zie- hen zu können, dass sich die Muskeln nie in der ganzen Länge ihrer Fasern gleichzeitig zusammenziehen, sondern dass diese Zusammenziehungen nur partiell sind, und sich schnell auf einander folgen. Philos. Transact. 1841. p. 69. L’Inslitut No. 405. p. 329. Der Musculus lingualis, bei dem Mensehen kaum entwik- kelt, dient bei Thieren nach Mercer dazu, die Papillen der Zunge aufzurichten, und sie dadurch zum Ergreifen der Spei- > er Getränke geeigneter zu machen. Lond. med. Gaz. - P- 346. P. Evers hat Untersuchungen über die Function der Muskeln und Nerven der Orbita angestellt. Dublin Journ. 1841. Mai p. 165. Nach ihm bewirkt der Oblig. sup. ein Rollen-des Bulbus mit Wendung der Pupille nach unten und aussen, der Oblig. inferior mit. Wendung der Pupille nach eo” 9 ACVI oben und innen; beide zusammenwirkend ziehen den Aug apfel vor.und rückwärts. Die übereinstimmenden Bewegun- gen beider Augen nach oben, unten und innen, und die di- vergirende bei dem Schen nach aussen, erklärt auch Evers aus der Verschiedenheit der die Augenmuskeln versorgenden Nerven. Nur den beiden Oculomotoriis, welche den Rect. sup,, infer., intern. und Oblig. inf., so wie die Iris mit Nerven versorgen, wohnt eine Tendenz zu assoeiirenden Bewegungen ein; den Trochlearibus, welehe den Oblig. sup., und den Ab- ducentibus, welche den Reclus externus versorgen, dagegen nicht, daher sich denn auch diese Muskeln nicht zu gleichna- migen Bewegungen combiniren, Was die Bewegungen der Iris betrifft, so ist es hieraus auch ersichllich, warum bei den Bewegungen der Augäpfel nach innen, welche durch die Ocu- lompt. geschieht; die Pupille sich verengert, so wie die Ten- denz dieser Nerven zu associirenden Bewegungen es auch er- klärt, warum sich auch die Pupille eines amaurotischen Au- ges noch verändert, wenn das Lieht das andere gesunde Auge in veränderler Intensilät affieirt. Wird das eine Auge ge- schlossen und das andere nach aussen gewendet, so. erweitert sich die Papille desselben, obgleich die Beleuchtung dieselbe bleibt, weil der Rect. enternus seinen eigenen Nerven hat, sieht man aber auf beiden Augen nach der Seite, so bleibt die Paupille sich gleich, weil die Verengerung, welche das Einwärtsziehen des einen Auges in der Pupille veranlassen würde, durch die das Auswärtswenden des anderen Auges herbeiführeude Erweiterung ausgeglichen wird. Im Schlafe, in der Trunkenheit, bei grosser Erschöpfung ist die Pupille verengert und nach oben und innen gekehrt, weil alle Mus- keln auch bei scheinbarer Ruhe dennoch in einer gewissen Thätigkeit sich befinden, und es daher natürlich ist, dass die vereinigte Kraft der 4 von den Oculomotor. versorglen Nerven dem Augapfel seine Richtung geben und die Pupille sich ver- engert. Die Wirkung gewisser Stoffe, die Pupille zu erwei- tern oder zu verengern, erklärt Evers durch die (allerdings schr vage. Ref.) Hypothese, dass dieselben im Gehirn ähnli- che Veränderungen hervorriefen, als sie in den Zuständen vor- handen sind, bei denen auch sonst eine Verengerung oder Erweiterung der Pupille Statt findet. Auch Guerison hat sich mit der Wirkung der Augen- muskeln beschäfligt, vorzüglich in Hinsicht ihres Einflusses auf das deutliche Sehen in verschiedenen Entfernungen, daran anknüpfend den Einfluss der Muskeldurchschneidung zur Hei- lung der Kurzsichtigkeit. Die Mm. obliqui sind nach ihm für sich allein nicht im Stande, die Form des Auges zum deutlichen Sehen in die Nähe zu verändern, wohl aber in XCVH Verbindung mit den Reclis, indem sie als deren Antagonisten wirken, wodurch die Augenaxe verlängert wird. Die Wir- kung der Recti allein verkürzt dagegen die Augenaxe und macht das Auge geschickt zum Sehen in die Ferne. Dalıer hilft die Durchschneidung der Obliqui zur Hebung der Myo- pie nur indirect. Arch. gen. T. XI. p. 86. Da bei den übrigen Säugelhieren der kräftige Retraclor bulbi immer mit ins Spiel kommt und man daher die Wir- kung der Durchscehneidung einzelner Muskeln wahrscheinlich bei ihnen nicht rein zu sehen erhält, so hat Radcliffe Hall diese Versuche an einem Aflen angestellt. Die Schlüsse, wel- che er zieht, sind folgende. Die beiden Obliqui sind ge- mischte, d. h. theils willkührlich, theils unwillkührlich be- wegliche Muskeln. Die Wirkung des Oblig. superior allein ist, das Auge nach abwärls und auswärts zu rollen, welche Bewegung aber kräftiger durch die vereinte Aclion des Rect. ext. und inf. hervorgebracht wird. Der Oblig. sup. für'sich allein abdueirt das Auge nie. Der Oblig. inf. allein wirkend, rolirt das Auge nach aufwärts und einwärls, aber nicht so stark, wie der Reet. sup. und int. zusammen. Durch die Wir- kung beider Obliqui bei Ruhe der Rect. wird das Auge sanft nach vorwärts nnd einwärts gezogen, und die Cornea nach innen gewendet. Lond. med. Gaz. 1841. Vol. I. p. 541. — Nach E. Hoken rollt der Obliquus sup. schief nach ab- wärls, einwärts und dann nach auswärts; der Oblig. inf. in einer Bogenlinie nach aufwärts, einwärls und auswärts. Beide drelien daher den Augapfel und die Pupille nach auswärls, jener zugleich nach abwärts, dieser nach aufwärts. Wirken beide zusammen, so entsteht keine Rotation, sondern der Bulbus wird nach einwärts gegen die Fläche des Siebbeins angedrängt und nach vorwärts gezogen, die Axe desselben daher verlängert, wie es zum Sehen in die Ferne erforderlich ist. In dieser Wirkung sind sie die Antagonisten der verei- viglen Wirkung der Recti, welche den Bulbus nach einwärls ziehen und seine Axe verkürzen. Diese Sätze sucht Hoken durch Versuche am Leichname und Beobachtungen an sich selbst darzutliun. Lond. med. Gaz. 1841. Vol. I. p. 789. — Ueber die Wirkung der schiefen Augenmuskeln schrieben auch noch Jacob, Gaz. med. 1841. No. 26. p. 408. Boyer, Lancelte frangaise 1841. p. 352. Cooper, Schmidt’s Jahrbücher. Bd. XXX. p. 365. Philipps, Die Durchschneidung der Selinen, übersetzt vou Kessler, 1842. Leipzig. p. 138. Ruete, Neue Untersuchungen über das Schielen und seioe Heilung. Götlingen 1841, p. 10: KEY Burow, Beiträge zur Plıysiologie und Physik des mensch- lichen Auges. Berlin 1842. p. 6. Melchior, De myotomia oculi. Havniae. 1841. 8. — Schneider hat in seiner Diss. Quaestiones ad respira- tionis motus perlinentes. Dorpali 1840. unter Volkmanns Leitung eine recht gule kritische Bearbeitung der Lehren über die bei den Athembewegungen wirkenden Kräfte gegeben. Ich will daraus nur hervorheben, dass er Hallers Lehre, dass die Intercostalmuskeln bei der Inspiration wirksam sind, bestreitet, indem bei dem Einathmen der Brustkorb länger wird, was sich mit jener Ansicht unmöglich vereinigen lässt. Sodann bestreitet er auch die bekannte Lehre einer acliven Expansion der Lungen, indem er die eine solche darthun sollenden Beobachtungen also erklärt, dass die der Lunge und den Bronchien allerdings zukommenden contrahirenden Fasern dieselbe auf ein geringeres Volumen zu redaciren vermögen, als ihr vermöge ihrer natürlichen Anordnung und Elasticität im ruhigen Zustande zukommt. Lassen daher jene Contrac- tionen nach, so expandirt sich die Lunge, es folgt dann wie- der eine Contraction ele. Dabei theilt er einen Versuch von Volkmann mit, welcher zeigt, dass das Einströmen des Blutes in die Lungen kein expandirendes, die Luft einziehen- des Moment, sondern gegentheils ein dieselbe in geringerem Grade austreibendes ist. Denn wenn man nach erfolgter In- spiralion die Expiration hemmt, ohne indessen die Luftwege oben abzusperren, und während man ein feines Röhrchen in dem Munde stecken hat, so sieht man, dass eine vor letzte- res gehaltene Lichtflamme, synehronisch mit den Herzschlägen abgetrieben wird. Macht man den Versuch nach erfolgter Expiration, so bleibt die Flamme ganz ruhig, zum Zeichen, dass sich die Lunge nicht activ expandirt. Volkmann hat die Frage nach der Ursache der Athem- bewegungen einer neuen Untersuchung unterworfen. Er fin- det mit Recht, dass alle darüber bis jetzt aufgestelllen An- sichten unzureichend sind, indem die Athembewegungen noch fortdauern, nachdem der N. vagus durchschnitten, das Gebirn entfernt, ja, wie der Verf. sich überzeugt, selbst die Lungen exstirpirt worden sind, und Landthiere zu athmen anfangen, selbst wenn sie unter Wasser geboren werden. Volkmann stellt deshalb die Ansicht auf, dass die in dem Blute enthal- . tene Kohlensäure der Reiz zu den Alhembewegungen ist, wel- cher an allen Stellen auf jeden centralleitenden Nerven wirkt, und durch diese die Erregung der Medulla oblongata und re- flectorisch der athembewegenden Nerven unterhält. Diese | Ansicht erklärt es, warum nicht nur selbst unter obigen Ver- hältnissen das Athmen fortdauert, sondern auch, warum der XCX Fötus nicht alhmet, weil die Nabelvene den Orgauen den nö- thigen Sauerstoff zuführen, warum der Fötus unmittelbar nach der Geburt atmet, selbst in irrespirablen Gasarten und unler Wasser, weil nach Trennung der Nabelvene Athemnoth ein- tritt; — warum jeder einzelne Theil, der zu Athembevwegun- gen bestimmt ist, so lange er mit der Med. obloug. in Verbin- dung bleibt, Athembewegungen macht, z. B. der Kehlkopf, warum zwischen Athemzügen und Uerzschlägen ein bestimmtes Verhältniss Stalt findet; und endlich steht damit auch in Zu- sammenhang, dass Reizung fast aller centralleitenden Nerven Athembewegungen veranlassen. Nur das Nichtathmen des Fö- tus findet Volkmann selbst noch nicht ganz aus seiner Theo- rie erklärbar. Williams hat Versuche über die Contractililät des Fa- sergewebes der Luftröbre und der Lungen angestellt. Ein gal- vanischer Strom durch die Luftröhre unmittelbar geleitet, wirkt am stärksten. Mechanische und galvanische Reizung der Vagi schwächer. Ebenso chemische. Er findet eine Uebereinstim- mung mit der Contractilität des Darmes und der Arterien (auf letztere aber wirkt die Electricität nicht. Ref.). Nach dem Ge- nickschlag, Verblalung, Vergiftung durch Stramonium, Bel- ladonna, Strychnin, Conium, Morphium verschwindet die Con traclililät bald, (L’Institut No. 367. p. 7.) Volkmann hat auch die Schluckbewegungen einer neuen Untersuchung unterworfen. Ziemlich allgemein hat man die- selben ia der neueren Zeit für reflectorische gehalten. Volk- mann findet dagegen, dass sie dieses zwar sein können, allein durchaus nicht sein müssen und sind, selbst wenn der Einfluss des Willens, welcher hinderlich sein könnte, aufgehoben ist, so wie, dass sie dagegen durchaus willkührlich sind, auch obne den Einfluss eines Reizes. Er kann 10—12 Mal hintereinander schlucken, ohne elwas zu verschlucken (auch die Luft nicht? Ref.). Junge Hunde, denen er das Gehirn genommen, schluck- ten in der Regel nicht, wenn er ihnen Brod und Wachskugelu oder Milch in den Mund und Rachen brachte. Auch bei le- benden unverletzten Hühnern und einein Kalbe erfolgte das Verschlacken nicht, wenn Brod und Wachskugeln in deu Schlund gebracht wurden, bis solches oflenbar willkührlich ge- schah. Volkmann hält es darnach für wahrscheinlich, dass in dem bekannten- Versuche von Floureus das enthirnte Huhn nicht aller Seelenkräfte beraubt war. Die Bewegungen der Speiseröhre sind associirte, durch die Schluckbewegungen hervorgerufene, uuwillkührliche. Diese Bewegungen des Oe- sophagus hängen nach dem Verf. nicht von dem Vagus ab, da sie nach dessen Durelischneidung noelı forldauern, sondern, wie er annimmt, vom Sympalhicas, vorzüglich deswegen, weil bei [e einem seines Hirns und Rückenmarkes beraubten Frosche eine Wachskugel dennoch langsam aus dem Schlunde in den Magen gelangt. Den Vagus hält Volkmann nur bei den Brechbewe- gungen der Speiseröhre für betheiligt. (Ich habe oft die un- zweifelhaftesten peristallischen Bewegungen der Speiseröhre, nicht bloss ein Aufziehen derselben bei Reizung des Vagus ge- sehen. Der Erfolg bei dem Frosche scheint von den Flimmer- bewegungen abhängig zu sein. Ref.). Longet hat neue Untersuchungen über die Function des Kehldeckels beim Schlucken und der Stimme, so wie über die Verschliessung der Stimmritze beim Schlucken, Brechen und Wiederkäuen angestellt. Er fand. dass 4) der Kehldeckel durchaus erforderlich ist, um das Eindringen von verschluck- ten Getränken in den Kehlkopf zu hindern; 2) dass derselbe keinen Einfluss auf die Stimme ausübt; 3) dass die Verschlies- sung der Stimmritze während des Schluckens, Brechens und Wiederkäuens nicht durch die Kehlkopfmuskeln, sondern durelı den Constrietor pharyngis inf. und die Palato pharyngei ausge- führt wird, indem dasselbe auch noch dann erfolgt, wenn alle Kelilkopfmuskeln gelähmt sind; 4) dass die Verschliessung der Stimmrilze beim Schlucken nicht nöthig ist, sondern nur eine Vorsichtsmaassregel, um das Eindringen fremder Körper in die Luftröbre zu verhindern, wenn sie durch einen Zufall in den oberen Eingang des Kehikopfes gelangt sind; dass der austrei- bende Husten, welcher durch das Eindringen eines fremden Körpers in den Kehlkopf veranlasst wird, durch die centrallei- tenden Fasern des Laryngeus sup. hervorgerufen wird, und deshalb ausbleibt, wenn dieser durchschnitlen wird; 6) dass bei dem Brechen die Verschliessung der Stimmritze nölhig ist, um das Eindriogen der ausgebrochenen Substanzen in die Luft- röhre zu hindern; 7) dass sich die Stimmritze auch bei dem Wiederkäuen schliesst, und der M. ary epiglotlicus dabei als Constrietor des oberen Einganges in den Kehlkopf zu fungiren scheint und deshalb bei den Wiederkäuern sehr entwickelt ist; 8) dass die Erhebung des Kehlkopfes und das Zurückziehen der Zunge wesentliche Bedingungen sind, um das Eindringen der Speisen in den Kehlkopf beim Schlucken zu verhüten: Arch. gen. 1841. T. XII. p. 417. — Beobachtungen und Versuche bei einem Manne, bei wel- chem durch einen Säbelhieb zwischen Kehlkopf und Zungenbein der Schlund blosgelegt war, in Beziehung auf Saugen, Schluk- ken, Stimme, Sprache und Athmung stellten Kobelt (Fror. N. Not. No. 345.) und Nöggerath (Diss. De voce lingua respiralione deglulilione observationes quaedam Bonnae 1841.) an. Dann, Ueber den Zusammenhang der Alhembewegungen mit den Auslcerungen, Hufelands Journal 1841. April. p. 27, cı enthält Reflexionen über bekannte Thatsachen, auf eine klare und fassliche Weise dargestellt. Der Erklärung des Brechens bei grossen Blutverlusten als Wirkung der unterstützenden Thä- tigkeit der Stammmuskeln zur Verengerung der Blutgefässe, möcbten indessen nicht Viele geneigt sein beizutreten. Hoppe, Das Gurgeln. Caspers Wochenschrift 1841. No. 3. p. 33. Beschreibung des Mechanismus und der Wirkung desselben. - Derselbe, Physiologische Bemerkungen über das Schnar- chen, ebendaselbst p. 362. Der Verf. beschreibt zuerst deu Mechanismus des Schnarchens, welches er durch Anstossen des Luftstromes an irgend einen beweglichen Theil des Rachens, gewöhnlich die Uvula, aber auch das Gaumensegel, die Gau- menbogen und vielleicht selbst den Kehldeckel zu Stande kom- men lässt. Sodann sucht er alle verschiedenen Arten des Schnarchens auf ein verschiedenes Alhembedürfniss zurückzu- führen. Das Schnarchen beim Ausathmen geschieht, um den Auslrilt der Luft zu verlangsamen; das Schnarchen beim Ein- alımen, um eben so den Eintritt der Luft zu verlangsamen; was beides in gewissen Fällen mit einem angenehmen Gefühle begleitet ist, und in Muskelschwäche und Erschöpfung begrün- det ist. Reimbold, Ueber das nachahmende Gähnen. Ibid. No. 16, p- 261. Er glaubt, dass dasselbe durch Erregung einer Em- pfindung durch die Vorstellung einer organischen Bewegung, und sodann eben durch diese Empfindung hervorgerufen werde. Hoppe, Der Mechanismus des Hustens. Preuss. med. Vereins- Zeitung 1841. p. 48. F. Despiney, Pbysiologie de la voix et du chant. Bourg, Paris 1841. 8t0. Obwohl dieses Schrifichen ganz auf eigene Versuche und Untersuchungen gegründet ist, hat Ref. doch in demselben eben Nichts besonders Neues gefunden. Der Verf. lässt den Ton ganz allein durch die Schwingungen der unteren Stimmbänder entstehen. Seine verschiedene Höhe hängt theils von der Länge, theils von der Spannung dieser Stimmbänder ab, bei deren Veränderungen der. Verf, die Kehlkopfmuskelu allerdings von der gewöhnlichen Ansicht elwas abweichende Rollen spielen lässt. Der Kelhldeckel, Rachen, Nasen. und Mundkanal über dem Kehlkopf, eben so wie der Kanal der Luftröhre unter demselben, haben keineo Einfluss, weder auf die Erzeugung, noch die Höhe und Tiefe des Tones. Das Timbre desselben häugt von Resonanz im Mund- nnd Nasenka- nal ab. Die Falselstimme wird nur durch fortgeselzte Span- nung der Stimmbänder hervorgebracht, wozu es anderer Mus kelu bedarf, als zu der für die Brustslimme nölhigen Span- nung. Der Uebergaug von einen Muskel zum anderen hierbei cu wird durch den Ruck bezeichnet, mit welchem man von der Brusistimme zur Fistelsiimme ühergeht. Zum Schluss wird der Kehlkopf mehrerer Säugelhiere beschrieben. Historisch Krilisches findet sich wenig oder nichts in dem Schriftchen, so dass man auch ungewiss bleibt, ob er J. Müllers Arbei- ten gekannt hat. Regnaud erzählt einen Fall, io welchem in Folge eines zweimaligen Versuches, sich den Hals abzuschneiden, bei einem Sträflinge in Toulon der Keblkopf unterhalb der Stimmbänder gänzlich verschlossen war, und der Mensch dennoch. durch eine in die Luftröhre eingesteckte Röhre und bei dadurch wie- der hergestellter Communication zwischen den unteren und obe- ren Luftwegen erträglich sprechen, pfeifen, schnauzen, spacken und niesen konnte, Alle Buchstaben, mit Ausnahme von a, e, l, 0, m und n konnten leicht ausgesprochen werden; letztere entweder nur schwer oder gar nicht. Gaz. med. 1841. No. 37. p. 585, 4. Sensible Processe. Gehirn und Cranioscopie. — Rückenmark und seine Nerven, — Sym- pathisches Nervensystem. Dr. Carpenter, Lectures on the funclions of Ihe neır- vous syslem. Lond. med. Gaz. 1841. Vol. I. p. 777, 858, 937- Vol. ll. p. 57, 460, 464, 518, 522, 524, 602, 605, 633, 709, 778, 780, 810, 890, 892, 895, 934. Eine geistreiche und originelle Exposition der allgemeinen Physiologie des Nerveusystems, wie sie sich an die Betrach- tung der Elementarbestandtheile und Formen desselben an- schliesst, giebt Henle in seiner Allgem. Anat., p. 680-766. So sehr Ref. Stoff in derselben zur Belehrung, aber auch zu Einwürfen und Zweifeln findet, so liegt doch eine Besprechung der von IIenle aufgestellten Ansichten ausserhalb der Grenzen gegenwärligen Berichtes. Uebrigens erweckt die ganze Dar- stellung das nicht sehr erfreuliche Bewusstsein, wie weit wir‘ noch von einer allgemeineren Versländigung in Betreff der wichtigsten Grundsätze in der Nervenphysiologie entferat sind. Der Verf. fand Beweise und Gründe, Sätze zu verlheidigen und anzugreifen, welche man-so ziemlich für allgemein abge- macht oder anerkannt zu halten gewöhnt war. Man überzeugt sich, dass der subjeetiven Auflassungsweise hier noch ein viel zu grosser Spielraum gelassen ist. Einen ähnlichen Fall von einem taubstummen und blinden zwanzigjährigen Mädchen, wie er im vorigen Jahresbericht er- cl wähnt ist, hat Dr. Fowler der Britlish Association zu Ply- mouth mitgetheilt. Ihre geistigen Fähigkeiten sollen sich erst seit drei Jahren lebhafter geäussert haben. Fror. N. Not. No. 416. Carus hat einen Versuch gemacht, eine neue Craniosco- pie auf einer wissenschaftlichereu Basis zu erbauen, als die al® lerdings jeder Spur einer solchen entbehrende Gallsche Schä- dellehre. Die Grundidee zu der neuen Lehre ist die Theorie von dem Wirbelbau des Schädels, der den drei Schädelwir- beln entsprechenden Abtheilung des Gehirns im Vorderhirn, Mittelbirn und Hinterhirn und von den diesen entsprechenden drei Hauptrichtungen des Seelenlebens: Erkennen, Fühlen und Wollen. Die vordere Hirnmasse ist die Region der Intelli- genz, die mittlere die des Gemüthes, die hintere die des Wil- lens, der Begierde, der Triebe, namentlich des Geschlechtstrie- bes. Ausser diesen müssen nun aber noch die drei höheren Sinnesorgane beachtet werden, von deren Entwicklung die Entwicklung der Seelenfähigkeiten in so hohem Grade abhän- gig ist. Die geistige Bedeutung des Auges findet Carus in der Entwicklung der nach aussen wirkenden Seelenfähigkeiten. Seine Ausbildung begründet die Anlage zur Zeichenkunst, Ar- chitektur, Plastik, Sprache und Musik; der Augenmensch ist offener, muthiger, ins äusserliche Leben rasch eingreifend, leicht zu unterrichten und sich leicht orientirend. Das Ohr ist bedeutender für die Entwicklung der mehr innerlich wir- kenden Seelenfähigkeiten; der Ohrenmensch ist mehr ins In- nere gekehrt, nachdenkend, poetischer, mehr zu göttlichen Dingen gewendet; im üblen Sinne furchtsam, horchend, faul, verheimlichend, zur Mystik und Schwärmerei geneiget:. Dem Gesichtssinn entspricht die Entwicklung der Orbitalgegend am Schädel; dem Gehörsinn die Schläfenbein-Gegend oberhalb des Einganges zum Gehörorgan. Die Nase bezeichnet das Verhältniss des Antlitztheiles des Kopfes zum. Schädeltheil, und damit eine höhere oder geringere Entwicklung des gan- zen Kopfes. Endlich muss auch das Verhältniss des ganzen Skelets zu dem Kopfskelete beachtet werden, da dadurch die Grösse des letzteren beurtheilt werden muss. Für die Beur- theilung des einzelnen Falles bedarf es dann besonders noch gewisser Cautelen in Beziehung auf die Dicke der Knochen, die mögliche innere Qualitätsverschiedenheit des Gehirns, die Ausbildung durch Uebung, die krankhaften und künstlichen Veränderungen des Schädelbaues. Der Entwicklung dieser Ideeen wird die Angabe zur Aus- messung des Schädels und des Messinstrumentes hierzu, die Anweisung zur Anlegung vergleichender Tabellen über Schä- deldimensionen und zur Abformung des Kopfes in Gyps hiu- CIv zugefügt. Auf dieses Alles folgt sodann eine Schilderung der sich am vorzüglichsten eranioscopisch bestimmen lassenden Individualitäten, wobei namentlich auch die Seelenfähigkeiteu näher analysirt und auf die in dieser Hinsicht von der Gall- schen Schädellehre begangenen Irrihümer hingewiesen wird, während ihren Beobachtungen meist bestimmte Wahrheiten zu Grunde liegen. Namentlich wird dabei die Idee von einzelnen guten und bösen Seelenvermögen, und deren begrenzten Ge- hirnorganen zurückgwiesen. Es kann keine Frage sein, dass Carus durch diese Ar- beit der Oranioscopie und Phrenologie eine ganz andere und wissenschaftlichere Wendung gegeben hat, als sie früher be- sass, und selbst jetzt noch in den wenigstens in psychologi- scher Hinsicht verbesserten Darstellungen der Nachfolger Galls besitzt. Doch will ich mir erlauben, auf einige Punkte kurz hinzuweisen, welche wenigstens der theoretischen Basis der Carus Schädellehre auch nicht günstig sind. So dürfen wir es uns z. B. nicht verschweigen, dass die Lehre ‘von dem Wirbelbau des Schädels, um solche Anwendungen, wie hier von ihr zu machen, immer problematischer wird. Die Ent- wickelungsgeschichte will sich der noch so schön sich em- pfehlenden Theorie nicht fügen. Und hiermit sicht es im Zusammenhang, dass man unmöglich der Entwicklung der an- genommenen Schädelwirbel mit der Entwicklung der ursprüng- lichen drei Hirnabtheilungen bringen kann. Mit: welchem Rechte kann man wohl sagen, dass die Entwicklung des mitt- leren Schädelwirbels der Entwicklung des Miltelhirns entsprä- che? . Das Miltelhirn ist beim Meuschen ein unbedeulendes Gebilde, aber sein Wirbel ist sehr stark ausgebildet, weil ‘er zur Umhüllung des Vorderhirns benutzt wird; und dasselbe gilt selbst auch von dem hinteren ‚Wirbel. Die Parallele we- nigsiens zwischen den drei Wirbeln und den drei Hirntheilen ist unhaltbar, sollte selbst die practische Ausführung in Be- ziehung auf die Entwicklung der Wirbel richlig sein, indem man sie auf andere Hirntheile bezöge. In der That hat auch Carus die Beziehung der drei ursprünglichen Hirnabtheilun- gen zu den drei Haupt-Seelenrichtungen durch nichts erwie- sen, sie ist rein hypothetisch. Eben so wäre auch eine ge- nügendere Begründung der angenommen psychischen Bedeu- tang. der Sinnesorgane, in welcher gewiss eine Wahrheit ein- geschlossen liegt, dringend notliwendig. Sie scheint bis jetzt nur auf in der alten Schädellehre so schr beliebten Schlüssen a posteriori zu beruhen. ‘Es ist zu bedauern, dass, wie es scheint, auch Carus noch keinen Schlüssel für die aus der Pathologie und pathologischen Anatomie des Gehirns erwach- senden Widersprüche und Zweifel gefunden hat, denn er cv nimmt wenig auf sie Rücksicht, Dennoch sind ihre Data nicht zurückzuweisen, und ieh will daher auch -hier, so wie in Zukunft, die Fälle, welche mir hei der Leetüre als für alte und neue Phrenologie besonders rücksichtlich angenom- mener Sätze wichlig erscheinen, erwähnen. So theilt O’Bryen einen Fall von einem 20jährigen Mädchen mit, dessen Geschlechtsorgane gänzlich in ihrer Ent- wicklung zurückgeblieben waren, bei welchem das kleine Ge- hirn fast der einzige gesunde Theil des Gehirnes war. Dubl. Journ. T. XVIII. p. 345. Einen andern Fall von Arachnitis des kleinen Gehirns und des Pons erzählt Dr. Carlile, bei welchem ebenfalls keine Spur von Affection des Geschlechts- triebes sich äusserte, sondern die Ernährung und Wärmebil- . dung sehr beeinträchtigt erschien. Ibid. T. XIX. p. 457. Brugnoli theilt vier Fälle von Affeclion des Gehirnes und Rückenmarkes durch Blutergiessungen und Eitereysten mit, in welchen eine auflallende Abnahme der thierischen Wärme beobachtet wurde. Er hält dieselbe für hinreichend zu beweisen, dass die Wärmeentwicklung von dem Central- Nervensysteme abhängig sei; (eine Ansicht, die uns schwer- lich heut zu Tage ohne weitere genauere Analyse genügen kann). Bulletino delle scienze mediche. Oct. 1841. Edinb. med. and surg. Journ. No. 152- p. 269. y Scheltema, Over het inslinet by Menschen en Dieren. Arnheim 1840. 800. Schon im Jahresbericht von 1838 hat Ref. es als eine wichtige Erfahrung bezeichnet, dass es van Deen gelang, den Bellschen Lehrsalz auch für die Rückenmarksstränge zu erweisen, und’ im Jahresbericht von 1839 referirte ich auch über dessen weitere Untersuchungen zur Bestätigung dieser Angabe und weiteren Entwicklung der Physiologie des Cen- tralnervensysiems. Ich konnte darüber nicht ausführlicher sein und war nicht ausführlicher darüber, weil ich der hollän- dischen Sprache nicht mächtig genug bin, um ohne Befürchtung von Missverständnissen über einen in ihr geschriebenen schwieri- gen Gegenstand zu referiren, und weil es überhaupt nicht die Idee dieses Berichtes ist, über alle Versuche und Beweise eines neu aufgestellten Satzes zu referiren, sondern nur auf diesen selbst aufmerksam zu machen. van Deen hat nun meinen Wunsch erfüllt, seine Arbeiten auch in einer anderen, als der hollän- dischen Sprache bekannt zu machen, und dieselben in einer Schrift, Trait&s et decouvertes sur la physiologie de la moälle Seite 47 Zeile 2 - k8 - 3 4 - 48 - 43 - k& - 410 - 50 - 42% - Bi - & 52 .- Ab 53-4 - 53 - M ap - 65 - 56 Be -. u Be - MM Bes - 6 - 87 - 46 - 87 - 20 =Er8NE 125 - 4106 - 23 Fr. - 107 - 26 - 408 - 32 - 409 - 46 143, - 29 h, bergang der“. | Jahresbericht pag. kelzellen, w*. h pi ae“ % s Berichtigungen. lies goyarıxod stalt deyavırod. beseelen- statt beseeligen. oder ist sie statt oder sie ist, stets statt sletz. Ergänzungsstreben statt Erzeugungsstreben. in, seinen statt in seinen, (ca F) statt (Ca F). schneidet statt scheidet, Flächen statt Fläche, tungsflächen. (Vergl, No. 3.) statt tungsflächen (vergl,, No, 3.), » Sosxrum statt Foextirm. neuesten statt meisten. die Eichen statt das Eichen. an der statt an die. möglichen und statt möglichen oder. den Verdacht statt dann den wenigen Verdacht. desselben statt derselben. Betrachtungen statt Beobachtungen, recliniren statt vereinigen. versetzt statt geselzt. Zusammenziehung statt Zusammenhang. - 447 letzte Zeile ist hinter „sondern der“, noch hinzuzufügen „Ue- ıxı lies Paine statt Paines, pag. ıxxxuı lies Anke statt Auke, pag, cıxxxvnu Zeile 17 lies Muskelbündeln statt Mus- eu "wo Verzeichniss der Schriftsteller, FR deren Werke oder Abhandlungen im Jahresberichte genannt werden. (Die arabischen Zahlen des Registers beziehen sich auf die römischen des Textes.) Aaaison, 76. 77, 127. Agassiz, 188. ' Alders, J. 174. Alessandrivi. 131. 237. Alexander. 118, Alison. 89, 112. Anke, Nic. 83. Anthony. 177. Aran. 199. Audonin. 62. 148. 158. Bagge. 123. 159. 193. 244. Baillarger. 293. Barlow. 112. Barruel. 79. Barry. 76. 77. Bartels, 17. Bazio. 113. 197. Beau. 86. Becquerel, 63. van 194. 209. Bendz. 237. Bergmann. 123. 237. 246. 251. Berkeley. 157. eneden. 122 169, 170. 175. Bernhardi, 117. Bischoff, Th. 122. 125. 246. 251. 301 Blackwall. 146, Blainville. 207. 234. Blake, J., 84. Bouchaecourt. 84. Boussingault. 73. Bowman. 95. 280, Boyer. 97. Brandt. 147. 234. Brandts. 111, 148, Brauss. 64. Breschet. 63. Breventani. 66. Brücke. 30. Brugnoli. 105. Brunner. 63. Budge. 95. 109. Burow. 7. 98. Calori. 231. 232. 235. Cap. 75. Carlisle. 90. 105. 290 Carpenter. 61. 102. CECVI Carus. 103. 232. 300! Cayla. 302. Chevalier. 75. Combe. 61. 75. Comte, 61. Cooper. 97. Costa. 158. 227. Coste. 121. 210. 212. Creplin. 191. Cruveilhbier. 85. Curling. 152. 199. Dalrymple. 79. DE mn. Dann. 100. Daubeny. 72. Davy, J. 61. van Deen. 105. Delle Chiaje. 170. 231. 233. Demangeon. 118. Deschamps. 62. 75. Desjardins. 213. Despiney. 101. Despretz. 63. Devergie. 73. 133. Diesing, 200, Donne. 91. Doyere. 82. Du Bois, 246. 253, Dujardin. 214. Dulong. 63. Dunglison. 61. Dumas. 72. 73. Dutrochet. 87. Duvernoy. 139. 140. 164. 176. Ehrenberg, 213. 215. Eichholz. 231. Elliotson. 58. Endlicher. 200. Engelhardt, 95. 111. Erdl. 172. 206. 217. 210. 215. 266. 298. Eschricht. 194. 200. 238. Euteneuer, 85. Evers. 95. Fario. 66. Farre. 157 170. 182. 200. 217. 117. 178. 191. 193. Fechner, 44. 47. v. Fellenberg. 74. Irsir re ilippo de Filippi. 127. 160. Kinder, 232. ® Flandio. 73. Flemming. 113. Flögel. 61. Flourens. 90. Forbes. 77. 92. 135.159. 174. 191. Fournier. 197, Fremy. 73. Fuchs. 133. Gabillot, 61. Garner. 164. Gervais. 147. Giacomini. 77. % Glover. 90. Gluge. 84. 195. 198. 302. Goldstream. 147. Goodsir. 159. 178. 196. 215 Grabau, 85. Gregor, M. 88. Gruby. 233. Guerenne, 133. Guerison. 96. Haber. 64. Hagenbach. 237, Hannover. 244. Hartig. 150. Harting. 89. Hartwig. 61. Hassal. 209. Hasse. 198. Heidenreich. 66. Henle. 62. 83. 90. 93. 115. 242, 265. 270. 302. Henry. 75. Hersing. 131. Hodgson Watts. 59. van der Hoeven. 77. 220. Hogg. 212. Hoken. 97. Holland. 83. Holst. 117. Hoppe. 101. Huek. 1. 9. Hunter, J. 127. & Hyndmann, 205. EEE Rn Jacob. 97. Jacobs. 64, Ideler. 66. Joly. 145. Jung. 84. Keratry. 61. Kessler, 234. Klencke, H, 113. 303, Kobelt. 100. Kölliker. 121. 135. 162. 172. 177. 188. 190. 204. 207, 219. 246. Kohlrausch. 271. Krause. 303. Kröyer. 238, Krohn. 167. 178. 182. 184. 189. Kühnholz. 90. Kürschner, 86, 108. Lallemand. 119. 120. 135. 147, 168 Lambotte. 82. Lambron. 303. Landerer. 75. Landsborough. 62. Laurent. 122, 209, 211. 212, Leculer. 131. van Laer. 269, Leon Dufour. 87. 156. 157, Lereboullet. 141. Letellier. 78, Leuckart. 158. 168. 232. 234. 237. Levacher. 197. Liebig. 67. 75. 79. 91, Lizars, 231. Loew. 148. 154. Löwenhardt, 90, Löwig. 66. Longet. 94. 100, 113, Tordaı 61. Mandl. 78. Martino. 232. Martyn Roberts. 65, Matteueci, 65. Mayer, J. €. 79, 191, 195. 196. 31. 288. Mediei, 237. Melchior. 36. 98. Mercer. 95. cccvn Mertens, 217. Meyer, G, H. 297. Milne-Edwards 140. 168, 177. 179. 200, Moigno. 135. Morren, 215. 216. Morin, 130, Müller, J. 65. 189 190 218. 229.231. 234. Muratori Pauli. 75. Mylius. 91. Nasse, H. 79. Neuwyler, 139. 177 Newport. 147. Nicolet. 152. Nöggerath. 100. Nordmann. 207. 211 O'Brien. 105. Oldham, H. 131. d’Outrepont. 133. Owen. 127. 164. 233, 234, 235, 236. Paine. 61. Paolini. 90. Pappenheim, L. 75. 285. Pappenheim, 128. Parrot. 91, Patterson, 118. 203. Pavi. 77. Peters. 62. 147. Pfaff, 75. Philipps. 97. Pictet. 151. Pilcher. 135. Plateau. 40. 45. Poiseuille. 82. Prevost. 130. Prudente. 87. Parkinje 292, Quatrefages. 82. 163. 194 Queket, J. 77. Radeliffe Hall. 97. Rathke. 218. Ratzeburg. 157. Rapp. 146. Rees, ©, 80, 217. CCCVIn Reeve. 176. Regnaud, 102, Regnault, 73. Reichert. 123, 244. 246, 284. 289. Reid, J. 59. 88. 94. 128, Reimbold. 83. 101. Reinars. 61. Remak. 77. 288. 293. Retzius. 217. 236. Ribes. 61. Rigot. 217. Ripault. 62. Rossignol. 232. Rokitansky. 199. Rucherau. 66. Ruete. 37. 97. Rusconi. 232. Rymer Jones, 134. 215. 248. Sars. 205. Scherer. 68. Scheltema. 105. Schina. 79. Schlegel. 237. Schlossberger. 74, Schneider, 98. Schönbein. 64, Schroeder van der Kolk. 234. Schwager-Bardeleben. 81, 301. Seubert, 236. v. Sieboll. 122. 149. 152. 154, 157. 158. 163. 166, 264, Sharpey. 129. Simon, F, 66. 79. 80. Simon, G. 132. Simon, Max. 199. Smee Alfred. 298. Smith, Franeis, 90. Stanley, 112. Stannius, 75, 93. 236, Stein. 156. Steinhäuser. 75. Stiebel. 216. Stilling. 111. Szokalski. 52. Taylor. S5. Thenard. 73. Thomson, Will. 199, Tourtual, 31. Toynbee, 82. Troussiau. 85. Tureelli. 79. Unger. 200, Valenciennes, 63. 169. 176. 22 Valentin. 74. 11@ 111, 184. 19 197. 227. 231. Vogel. 72. 301. 303. Vogt, ©. 124. 175. 196. 215. 242. 245. Voigt. 113. Volkmann. 13. 98. 99. de Vriese. 62. Vrolik. 62, 235. Wagner, Mor. 172. Wagner, R. 134, 168. 204, 205. 217. 233. Weber, E. H. 132, Wheatstone. 19. Wilkinson King. 87, Williams. 99. Willis. 75. Wiyllie, 230. Yarrell. 234. Zaddach 142. Zantedeschi. 66, hi 2 Gedruckt bei Julius Sittenfeld. Anatomische Bemerkungen über den Quacharo, Steatornis caripensis v, Humb. Von Jos MvErLseEr (Gelesen 1. d. K, Akademie der Wissensch, zu Berlin am 13. Mai 1841.) (Hierzu Taf. I.) Unter einer Sendung von Vögeln, welche Herr L’hermi-= nier, Arzt auf Guadeloupe, vor einiger Zeit an Herın von Humboldt gemacht hat, befinden sich in Weingeist aufbe- wahrte Exemplare von Steatornis caripensis, Opistho= comüs eristatus und Tinamus Soui, welche dazu dienen, die Kenntnisse über den Bau und die Stellung dieser Vögel zu erweitern. Am wenigsten gekannt ist der durch seine Le- bensart und äusseren Charactere eben so berühmte als räthsel- hafte Steatornis earipensis v. Humb. Er wurde von Herrn v. Humboldt 1799 in den Missio- nen der Chaymas in dem gebirgigten Theile von Cumana in der Höhle von Caripe entdeckt, welche eine unzählbare Menge dieser Vögel beherbergt, und zuerst in den Briefen an De- lambre und De la Metherie (inserirt im Journ; d. phys. a. 1800) erwähnt. Hr, v. Humboldt las darüber eine Ab- ‚handlung in der Akademie der Wissenschaften zu Paris 1817, eine ausführliche Beschreibung theilte er -in dem Recueil Wobservations de zoologie.et d’anatomie comparde im 2ten Bande mit. Möllers Archiv, 1812, 4 Die Sammlungen des INerrn v. Humboldt, welche den Quacharo enthielten, sind durch Schiffbruch im Jahre 1804 an der Küste von Africa zu Grunde gegangen; das Thier war bis zum Jahre 1834 in keiner Sammlung, man hatte auch nur eine unvollständige Abbildung, nämlich des Kopfes und Laufs, die, welche Hr. v. Humboldt in seinem Reeueil d’observ. de zool. et d’anat. comp. mitgelheilt hat. Cuvier hat den Stealornis earipensis nicht in seinem Thierreiche aufge- führt, und dieser Gattung überhaupt keine Stelle angewiesen. Mehrere Nalurforseher stellten ihn mit den Podargus zusam- men. Lesson hat unter die Gattung Steatornis ohne Wei- leres alle Species von Podargus aufgenommen und aus den Steatornis, Caprimulgus, Nyetibius, Cypselus, Hi- runde seine Gruppe der Latirostres unler den Passerinen gebildet, worunter indess eben der wahre Steatornis mit seinem hohen Schnabel gar nicht passt, und worin auch die Hirundo fremdartig sind. Voigt, der Uebersetzer des Regne animal, hat den Steatornis earipensis auch bei der Gatl- tang Podargus angeführt. Nachdem der Quacharo nach Europa gekommen, musste freilich die Ueberzeugung von der gänzlichen Versehiedenheit der Galtungen Steatornisv. Hum- boldt und Podargus Cuv., welche letztere sich völlig den Caprimulgus, Nyetornis und Cypselus anschliessen, enistehen. - Im Jahre 1834 erhielt die Akademie der Wissenschaften zu Paris von Herrn L’herminier einen in Weingeist aufbe- wahrten Quacharo mit einer Abhandlung, enthaltend die Be- schreibung des Vogels, einige neue Miltheilungen über seine Lebensart und Betrachtungen über seine Stelle im System. ‚Herr v. Blainville hat darüber einen Bericht an die Akade- mie abgestallet, von dem sich ein Auszug in dem VI. Bande der Ann. d. se. nat. 1836 befindet. Die Beschreibung bestä- tigt dasjenige, was man dureh Merrn v. Humboldt erfahren, durchgängig. Nach einigen beigefügten anatomischen Bemer- kungen hat dieser Vogel das Brustbein wie Caprimulgus, . o und es ossilieirt auf dieselbe Weise, er hat wie diese keinen Kropf; einen Vormagen, einen Muskelmagen von mittelmässiger Dicke, ziemlich lange Blinddärme des Dickdarms. Hr. D’her- minier hat auch an den Jungen, die er sich aus der Höhle von Caripe verschafft hat, die Nahrung des Vogels als pflanz- lich bestätigt, Es sind Körner, die man im Lande Mataca nennt, runde Samen vom Volum der Muscalnuss, von aroma- tischem Geruch, welche das T'hier durch Regurgitalion wieder auswirlt, wenn es sie vom Pericarp befreit, von dem es sich nährt. Im Jahre 1836 hat Herr Roulin der Akademie d. Wiss. zu Paris angezeigt, dass der Quacharo in der Provinz Bogotä an mehreren Orten vorkomme, wie in einer tiefen Schlucht in der Nähe der kleinen Stadt Guadas und unter dem Bogen der natürlichen Brücke von Pandi über den Icononzo. Herr Roulin bemerkt, dass am letzten Orte die T'hiere schon von Herrn v. Humboldt gesehen seien, wenn sie auch nicht in den Cacas, die sich unter dem dunkeln Gewölbe bewegten, wieder erkannt wurden. Die Einwohner von Pandi versicherten Hrn. Roulin; dass dieCacas alle Abende in grossem Zuge ihre Schlupfwinkel verlassen und in einen benachbarten Wald fliegen, ‚um ihre Nahrung zu suchen. Ann. d. sc. nat. VI. 4836. p: 115. Herr L’herminier giebt in dem Briefe, welcher seine Sendung au Herrn v. Humboldt begleitet, die Nachricht, dass Herr St. Cyr Hotessier den Quacharo kürzlich in den Höh- len auf Trinidad gefunden hat. Kürzlich hat der Gärtner Herr Otto von hier die Höhle von Caripe besucht, und mehrere trockene Exemplare des (Quacharo hierher eingesandt. In allen Klassen der Wirbelthiere kommen Geschöpfe vor; die auf ein Leben angewiesen sind von ähnlicher Art, wie es der Quacharo führt, und welche auf gleiche physische Be- dingungen an der Erdoberfläche, auf ein unterirdisches Leben von der Natur berechnet worden sind. In der Klasse der Säugetliiere sind die Fledermäuse, die am Tage schlafenden 4° A. Bewohner nalürlicher oder künstlicher Höhlen, der Catacom- ben, der Pyramiden, dem Quacharo vergleichbar. Unter den Amphibien ist es der Proteus anguinus, der Bewohner der unterirdischen Wasserbecken in der Magdalenengrotte, in der Kreideformalion der Julischen Alpen. Unter den Fischen end- lich wiederholt sich die Erscheinung wieder in jenen Pimelo- den der Anden, Arges eyelopum Valenc., Pimelodes cy- clopum, welche Herr v. Humboldt kennen lehrte, und welche in unterirdischen Seen lebend durch die Kräfte von Vulcanen zuweilen mit Schlamm ausgeworfen werden. Auch diese letzten Thiere sind seit der Beschreibung und Abbildung von Humboldt nicht weiter bekannt geworden, sie waren gleichsam wieder verloren gegangen. Hr. Valenciennes hat jedoch durch seine auf vollständige Materialien gegründete Mit- theilungen im lelzten Bande der Hist. nat. d. poissons von Neuem die Aufmerksamkeit der Naturforscher auf diesen inter- essanten Theil der Naturgeschichte hingezogen. Die. Eigenthümlichkeiten im Bau des Quacharo sind folgende. Die Conformalion des Schädels weicht von derjenigen der Caprimulgus und Cypselus bedeutend ab, und bietet eine Annäherung zu den Raubvögeln dar. Dahin gehört na- mentlich der hohe und starke Oberkieferapparat oder Ober- schnabel, welcher in seiner ganzen Länge bis zur Slirn, ausser dem vor der Mitte seiner Länge gelegenen Nasloch, nirgends eine Lücke zeigt, während er bei den Caprimulgus schwach, platt und niedrig, von der Gegend des weit nach vorn liegen- den Nasloches bis weit nach hinten eine Lücke besitzt. In einigen Punkten dagegen nähert sich der Schädel der Stea- tornis wieder den Caprimulgus mehr als irgend einem an- dern Vogel an. Nitzsch hat auf das eigenthümliche Ver- halten der Thränenbeine bei den’ Ziegenmelkern aufmerksam gemacht. Sie sind bei den Cypselus wie bei vielen Vögeln fest mit dem Orbitalforisatz des Os etlimoideum vereinigt und. bleiben dem Jochbogen fern. Bei den Caprimulgus 5 bleibt das Thrägenbein vom ethmoideum getrennt. Dagegen vereinigt es sich fest mit dem Zygoma, sowohl Jochbein als Oberkieferbein, am Stirnbein. eingeleukt bewegt es sich mit dem Oberkieferapparat, während es bei andern Vögeln bei der Bewegung des letzten an der Hirnschale bleibt. Das Thrä- nenbein des Steatornis verhält sich ebenso, ist aber viel kleiner. Bei Caprimulgus bleibt noch eine Lücke vorn zwischen Oberkiefer und Thränenbein, bei Steatornis fehlt sie durch gänzliche Verwachsung des Oberkiefers und Thrä- nenbeins, wodurch auch der Oberkieferapparat viel fester wird. Der Stirnforlsatz des Zwischenkiefers, den Zwischen- vaum beider Naslöcher bildend, ist bei Caprimulgus sehr schmal und zart, bei Steatornis viel breiter, sehr stark und fest. Das Septum ethmoideum der Augenhöblen ist bei den Caprimulgus sehr. schmal und zart, bei Steatornis viel breiter, sehr stark und fest. Das Septum ethmoi- deum der Augenhöhlen ist bei den Caprimulgus durch Pneumacität ausserordentlich diek, und wie aufgeblasen, bei Stealornis ist es eine dünne feste Scheidewand wie bei Cy- pselus. Auch das Schädelgewölbe ist bei Steatornis viel fester-und viel weniger pneumatisch als bei den Caprimul- gus und Eulen. Zwischen dem grossen Orbitalfortsatz des Os ethmoideum und dem Thräneubein bleibt bei Capri- mulgus nur ein sehr kleiner, bei Steatornis ein sehr gros- ser Zwischenraum. Endlich ist von der. Sförmigen Biegung des Zygoma der Caprimulgus bei unserm. Vogel nichts vorhanden. Der sehr eigenthümliche- Mangel des Processus anterior des Quadratbeins bei den Caprimulgus wiederholt sich nicht bei Steatornis. Beide Gattungen kommen unter sich und mit den Eulen überein, dass ihre Pierygoidea eine Gelenkfläche für einen Processus plerygoideus des Keil- beius besitzen; das Os pterygoideum hat bei Steatornis einen eigenen Fortsatz zu dieser Verbindung, der nach oben über den Processus pterygoideus des Keilbeins übergreift, und unten vom Os plerygoideum umfasst wird. Die Gau- 6 menbeine sind bei den Caprimnlgus und Steatornis sehr unähnlich, bei den Caprimulgus schr breit, flügelförmig, bei den Steatornis schmal, und sie berühren sich in der Mitle vor der hintern Nasenöffnung, welche bei Caprimulgus am Schädel lang und schmal, bei Steatornis viel kürzer und breiter ist. Steatornis hat sehr starke Schläfengruben, Ca- primulgus gar keine am Schädel, bei ersteren ist auch die Linea semieircularis occipitalis stark ausgeprägt. Das Siphonium von Nitzsch scheint bei Caprimulgus 'und Steatornis ohne Ossification zu sein, während es: bei Cy- pselus nach Nitzsch ossifieirt ist. Einen sehr auflälligen Unterschied beider Gattungen bietet der Unterkiefer dar. Er ist nach einer Beobachtung von Nitzsch bei den Caprimul- gus wie bei keinem andern Vogel in 3 Theile zerfällt, und der vordere an dem hinteren jeder Seite beweglich, indem sich hier eine Art falschen Gelenkes befindet. Bei Steator- nis ist der Unterkiefer überall sehr fest, und von jener Bil- dung findet sich auch nicht die leiseste Andeutung. Seine Seiten ‘sind in ihrem hinteren Theile weit von einander ab- stehend. Das Brustbein hat nur einen äusserst schwachen Aus- schnitt, noch schwächer als bei Caprimulgus. Die Gabel berührt das Brusibein nicht, bei Caprimulgus ist sie damit selbst ein wenig verwachsen. 8 Rippen und Rückenwirbel, 13 Halswirbel. Die Hand ist kürzer als bei den Ziegenmel- kern. Nitzsch hat auf eine Anomalie in der Zahl der Ze- henglieder bei den Cypselus und Caprimulgus' aufmerk- sam gemacht. Bei den letzteren hat die äussere Zehe nur 4 Glieder, vom Daumen nach aussen ist die Zahl der Glieder 2, 3, 4, 4. Bei den Mauerschwalben selbst 2, 3, 3, 3. ' Diese Eigenthümlichkeit verliert jedoch von ihrer Bestimmtheit, da die den Cypselus durchaus verwandte Gattung Hemiproc- nes Nitzsch die gewöhnliche Zahl der Zebenglieder und Ca- primulgus grandis, Typus des Genus Nyctornis Nitzsch 7 auch 5 Glieder am vierlen Zehen hat. So verhält sich auch Steatornis, dessen Glieder 2, 3, 4, 5 Glieder haben. Eine Eigenthümlichkeit, wovon sich bis jelzt unler den Vögeln kein Beispiel darbietet, welche bei weiterer Eutwicke- lung der Anatomie der Vogelgaliungen, vor allem geeignel sein dürfte, die wahren Verwandtschaften der. Steatornis aufzufinden, habe ich in der Bildung des untern Kehlkopfes oder] Stimmorganes des Steatornis caripensis gefunden. Die Luftröhre ist sehr weit und hat den gewöhnlichen. Bau. Am unteren Ende befindet sich kein unterer Kehlkopf, son- dern sie theilt sich in zwei Bronchen, welche deuselben Bau haben wie die Luftröhre selbst, indem die Ringe voll- ständig sind. Diese Ringe unterscheiden sieh von denen der Luftröhre nur darin, dass erstere sich nicht übereinander ver- schieben können, und daher im ganzen Umfang gleiehförmig sind. Der linke längere Bronchus hat 16, der rechte 11 voll- sländige Ringe bis zum Slimmorgan, welches ein Bronchus- Kehlkopf ist und also doppelt vorkommt. An der Stelle des Kelhlkopfes ist der auf die Bronchial-Ringe folgende nächste Ring dieker und nieht mehr gauz, er biegt sich bloss zur in- nern Seite um und schliesst sich hier an den letzten ganzen Bronchial-Ring an. Darauf kommt noch ein diekerer Halb- ring mit unlerem concayem Rande. Auf diesen Ring wirkt der Stimmmuskel, Zwischen ihm und dem folgenden Halb- ring, mil oberem eoncaven Rande, ist die äussere Wand häu- tig. Indem die Concavitäten jener beiden Ringe entgegenge- selzt sind, füllt sie den Raum zwischen ihnen aus. Die En- den dieser Ringe sind an einander befestigt. Die folgenden NHalbringe sind dem letzten analog. Die Muskeln sind: 1) der Seiteumuskel der Luftröhre, welcher bis zum Ende der Luft- söhre geht; 2) der Rumpf-Luftröhrenmuskel, welcher ‚vom untern Ende der Luftröhre abgeht; 3) der eigentliche Simm- muskel; er liegt auf der Pars antilaryugea des Bronchus auf, von dem Ende der Luftröhre bis zum Bronchus-Kehlkopf, und eulspringt gerade, wo der Seilenmuskel der Luftröhre 8 aufhört. Seine Sehne setzt sich an den halbmondförmigen oberen der zwei entgegengesetzten Ringe. Der Kehlkopf der Caprimulgus liegt an der gewöhnlichen Stelle und die Bron- chen sind daher gleich anfangs innen häutig, daher der ge- wöhnliche Bügel am untern Ende der Luftröhre. Dieser Kehl- kopf hat einen Muskel. Der Schlund ist bei Steatornis wie Caprimulgus ohne Kropf. Im Schlund der Steatornis fand sich eine Menge einer grützartigen Masse, welche bei mikroskopischer Untersuchung überall Pflanzenzellen erkennen liess. Der Drü- senmagen ist schr weit, viel weiter als bei Caprimulgus, mit sehr zerstreuten grossen Drüsenmündungen. Der Muskel- magen ist in beiden gleich, schwach musculös. Die innere Darmlaut bei beiden zottig. Die Blinddärme des Steator- nis sind walzenförmig, über 1” lang. Die Milz der Capri- mulgus ist länglich rund, ausserordentlich klein. Bei Stea- tornis war die Milz 1 Zoll gross, überall gleich (14 Linien) breit, mit abgerundeten Enden. Der ductus eysticus, he- patieus und 3 duetus pancreatici öllnen sich an dersel- ben Stelle des Dünndarmes, jeder für sich. Bursa Fabricii wie gewöhnlich. Allis hat die Bemerkung gemacht, dass der Knochen- ring der Sclerotica beim grossen Podargus ohne alle Spur von besonderen Knochenplatten sei, und dadurch von allen übrigen Vögeln abweiche. Bei Steatornis sind die Knochenplatten des sehr schmalen Ringes getrennt, und da ich es ebenso bei Caprimulgus finde, wo der Knochen- ring verhältnissmässig breiter ist, so ist es wahrscheinlich, dass es sich ebenso bei den, Caprimulgus so durchaus ver- wandten Podargus verhaltee Von den Drüsen in der Nähe des Auges werden sowohl die Nasaldrüse als Hardersche Drüse bei Steatornis vermisst. Ebenso scheint es bei den Zie- genmelkern zu sein. Die Zunge der Steatornis ist brei- ter, freier, die Unterseite weniger angeheftet. Die Zähnelung des Seitenrandes der Caprimulgus fehlt, und auch ihre Ober- 9 fläche ist völlig glatt, dagegen ist der hintere Rand wie dort gezähnelt. Bekanntlich bieten die Vögel grosse Verschiedenheiten in dem Vorkommen und Verlauf der Carotiden dar. Bei den eigentlichen Singvögeln mit zusammengesetztem Singmuskel- apparat fehlt nach Bauer’s und Nitzsch’s Beobachtungen die rechte Carotis communis durchgängig. Die Capri- mulgus und Steatornis stimmen mit mehreren von Nitzsch von den Singvögeln abgesonderten Gattungen mit unvollstän- gem Singmuskelapparat durch die Gegenwart der beiden Ca- roliden. Ein auffallender Unterschied der Caprimulgus und Stea- tornis ist, dass die queren Schienen am Lauf der Capri- mulgus bei Steatornis ganz fehlen, wie auch Hr. L’her- - minier angiebt. Bei letzterem ist der Lauf überall von einer ungetheilten Haut bekleidet. Endlich mache ich auf _ die ansehnliche papillenförmige oder röhrige frei über die Haut nach hinten sich erhebende Verlängerung der Bürzeldrüse auf- merksam, was an Upupa erinnert, wo die Bürzeldrüse eben- falls in eine Röhre verlängert ist. - Die Anatomie bestäligt, was Hr. v. Humboldt gleich anfangs über die nur theilweisen Beziehungen der Steator- nis zu den Caprimulgus mitgetheilt, und ich glaube, dass Steatornis zwar auffallend genug von den Caprimulgus, Aegotheles, Nyetornis, Podargus verschieden sei, jedoch mit ihnen und der Gattung Cypselus zu derselben Familie der Caprimulginen zu rechnen sei. Diese Familie gehört dann mit mehreren andern ohne zusammengesetzten Singmuskelap- parat, den Todidae, Cuculinae, zu einer grössern, von den Singvögeln getrennten Abtheilung, wie sie Nitzsch ehe- mals ordnete, der jedoch nicht die Cypselus zu den Capri- mnulginen brachte, Was den Opisthocomus cristatus betrifft, so hat Hr, L’berminier die höchst merkwürdigen Abweichungen im Verdauungssystem beschrieben, welche diesen Vogel vor allen 40 ändern auszeichnen und beweisen, dass er in keine der bis jetzt angeuommenen grossen Abtheilungen der Vögel passt. Ich: beschränke mich ‚auf einige, von, Herrn L’herminier nicht angegebene Thatsachen. Opisthocomus hat eine grosse Hardersche Drüse, keine Nasaldrüse, 2 Carotiden, gar keine Singmuskeln am Kehlkopf (der Kehlkopf ist sehr hoch und knöchern), die Bronchen kurz, die Blinddärme weit, keu- lenförmig, 4—6 Mal so lang als breit, kein knöchernes Si- phonium, keinen Penis. Timamus Soui hat keine Muskeln am untern' Kehlkopf, und auch 2 Carotiden. Eine natürliche Classification der Vögel dürfte noch weit von ihrem Ziele entfernt sein. Zahlreiche anatomische Unter- suchungen ‚der Gattungen müssen die Grundlage bilden. Sind hiernach die Gattungen in natürliche Gruppen gebracht, so lässt sich erwarten, dass dann auch die Uebereinsiimmungen der äussern Charactere gefunden werden, nach welchen sich formell die Eintheilung erkennen lassen muss. Nitzsch ging bei seinen verdienstyollen Arbeiten von diesem Gesichtspunkte aus. Sehr glücklich war, dass er von den Passerinen alle diejenigen trennle, die keinen Singvogelkehlkopf haben, wie seine Macrochires (Cypselus und Trochilus) seine Li- poglossae (Buceros, Upupa, Epimachus, Alcedo, Da- celo), dass er’ die Scansores Cuvier’s zerfällte, woraus er seine Familien der Pieinae, Psittacinae und Cuculi- nae (letztere mit einigen Passerinen Cuvier’s) theils bildet, theils ergänzt. Es ist jedoch hier im Einzelnen manches zwei- felhaft, die Trennung der Cypselus von den Caprimulgus scheint nicht sicher, und ihre Vereinigung mit den Trochi- lus eben so wenig. Die Verwandtschaft der letzteren zu den Spechten ist schon Cuvier auffallend gewesen, namentlich durch den Trochilus, Yunx, Picus gemeinsamen höchst eigenthümlichen Zungenbeinapparat. Bei der Verschiedenheit der Füsse und ‚des Brustbeins müssen die Trochili indess eine eigene Familie bilden. Neuerlieh. hat Nitzsch in seinem Syslem der Plerylo- 11 graphie den Passerinen die Familie der Picariae gegenüber- gestellt, zu welcher er die Macrochires, Caprimulginae, Todidae, Cuculinae, Picinae, Psittacinae, Lipoglos- sae, Amphibolae, rechnet. Hierbei wird ein wesentlicher Unterschied der meisten derselben von den Passerinen wieder aufgegeben, da die Psiltacinen mehrere Muskeln am Kehlkopf haben. Die frühere gesonderte Aufstellung mehrerer Familien und so auch der Psittacinen neben den Passerinen vermied diese Inconsequenz. Misslungen halte ich unter den Gruppen der Luftvögel Nitzsch’s diejenige, welche er Amphibolae nennt, und zu welcher er Corythaix, Musophaga, Colius und Opi- sthocomus zählte Colius hat einen sehr dicken Sing- muskel, wie ich mieh überzeugte, bei einem doppelten Aus- schnitt am Brustbein, und wie die eigentlichen Singvögel nur eine einzige (linke) Carotis. Corythaix (zwei Ca- roliden, einfache Speiseröhre, keine Blinddärme und schwach musculöser Magen) hat keinen Muskel am Kehlkopf und Opisthocomus, ohne die Wendezehe der Corythaix, passt zu keinem von beiden. Ueber den Bau der Hornschale der Käfer, Von Dr. Hermann Meyer Privatdocent in Tübingen. Die folgenden Untersuchungen sind an allen Theilen des Horn- skelets des grossen Hirschschröters (Lucanus cervus) angestellt. In dem nalürlichen Zustande dieser Theile ist die Untersuchung beinahe unmöglich, weil alle Versuche, dünne Schnitte zur mikroskopischen Betrachtung zu gewinnen, an. der grossen Härte und namentlich Sprödigkeit der Masse scheitern. Die- ses Hinderniss fällt indessen weg, wenn man die Hornschale längere Zeit (Tage, Wochen lang) in Liquor kali cau- stiei macerirt, am besten geschieht dieses an einem warmen Orte, z. B. auf dem Ofen. Durch das Kali causticum wird die in grosser Menge vorhandene eigenlhümliche braune Ma- terie ausgezogen. Die zurückbleibenden Theile haben ihre Ge- stalt vollkommen beibehalten, sind graulich gelb und haben eine knorpelige Consistenz. Sie sind deshalb zur Untersuchung besonders geeignet. An solchen Stücken lässt sich alsdann sowohl auf der äusseren als auf der inneren Seite ein Epidermisüberzug ablö- sen. Die Zellen der äusseren Epidermis grenzen sich nur sehr schwach gegeneinander ab, scheinen indessen doch eine ver- bindende Masse von ;;5455 Millim. Breite zwischen sich zu ha- ben. Die Länge der Zellen beirägt 0,007 — 0,010 Millim., und 13 ihre Breite 0,005 — 0,006 Millim. Ihr Kern ist nur um ein Geringes kleiner als die Zelle selbst, und zeigt einen. oder zwei Nucleoli. : Die innere Epidermis ist sehr dünn, und die Ränder ihrer Zellen sind nur höchst schwierig zu unterschei- den; indessen lässt es sich doch erkennen, dass die Zellen mehr rundlich sind, als die Zellen der äusseren Epidermis, und durch gegenseitigen Druck fünf- und sechseckige Gestalten angenom- men haben. Die Grösse ihres Durchmessers wechselt zwischen 0,0905 und 0,010 Millim. Ein Kern lässt sich in ihnen nicht erkennen; statt: dessen aber sieht man in. der Mitte einer jeden Zelle einen Stachel sich in schiefer Richtung erheben. Die Richtung ist bei allen Stacheln dieselbe. Der Stachel wird von seinem Ansatzpunkte gegen die Mitte seiner Länge hin etwas dicker, und endet dann ziemlich scharf zugespitzt. Seine Länge beträgt 0,006 — 0,008 Millim., und seine grösste Dicke 0,002 — 0,003 Millim. Beide Epithelien bestehen nur aus einer einfachea Scehichte nebeneinander gereihter Zellen (einfaches Pfasterepithelium). Betrachtet; man sodann den übrig gebliebenen mittleren Tlieil der Hornschale, so sieht man denselben als eine glas- helle Masse, welche von zahlreichen schwarzen Linien dureh- schnitien wird. Man erkennt bald, dass diese Zeichnung durch mehrere Reilıen von Parallellinien in dem regelmässigen Ab- stande von 0,008 Millim. hervorgebracht wird.‘ Die Richtun- gen der verschiedenen Reihen von Parallellinien durchkreuzen sich immer in Winkeln von 45° oder von 90°. Es kömmt auf diese Weise eine äusserst zierliche Zeichnung zu Stande; diese ist aber ganz besonders schön, wenn die Kreuzungsstellen mehrerer Reihen von Parallellinien sich einander decken. Ist dieses (ler Fall, dann ist die glashelle Masse mit vielen in re- gelmässigen Abständen von einander befindlichen achtstrahligen schwarzen sternförmigen Figuren übersät. Die erwähnte Masse lässt sich leicht in mehrere dünne Platten spalten. Die dünnsten Plalten. erkennt man alsdann als zusammengesetzt aus glashellen Stäben, welche scharf be- 44 gränzte, ‘dunkle, parallele Ränder haben, Die Dicke dieser Stäbe‘ beträgt 0,008 Millim. Ihre gegenseitige Abgränzung stellt die, erwähnten schwarzen Parallellinien dar. Eine Strei- fung oder'irgend eine andere Andentung einer Zusammensetzung ‘aus 'feineren Elementen lassen diese Stäbe nicht erkennen, Nur an einzelnen Stellen bemerkt man eine ganz leicht ge- zeichnete Queerstreifung. Einzelne losgerissene Stäbe zeigen entweder einen glatten Rand, und es liegen oft viele ganz glattrandige Stäbe nebeneinander, oder ihr Rand ist unrein durch das Hervorstehen von vielen dünnen Fäden von 0,001 bis 0.002 Millim. Dicke. Die Ränder dieser Fäden sind sehr zart und verwischt. An mehreren Stellen hatte es das Aussehen, als dienten ‘diese Fäden durch eine Arl von Verflechtung 'zur Verbindung der Stäbe. Es wäre indessen auch möglich, dass diese feineren Fäden und .die vorher erwähnte Queerstreifung von einer formlosen, zwischen die Stäbe ergossenen Verbin- dungsmasse herrühren, welche sich den Zwischenräumen der Stäbe entsprechend fadenartig gestaltet, und unter Verhältnis- sen noch auf einer Stabschieht liegen bleiben und dann die Queerstreifung vorstellen, oder auch sich stellenweise ganz losreissen und so jene feinen Fäden darstellen kann. Indem ich die Wahrscheinliehkeit anerkenne, dass diese bisweilen angedeutete Queerstreifung der Stäbe von solchen fadenförmi- gen Ueberbleibseln einer formlosen Zwischensubstanz herzu- leiten sei, muss ich doch die oben erwähnten feineren Fäden für anderen Ursprunges halten, nämlich für feinere Formele- mente der Stäbe. Drückt man nämlich 'eine einfache Stab- schicht zwischen den Glasplatten, so kommen, vorausgesetzt dass die Schicht nicht aus glattrandigen Stäben zusammenge- setzt ist, zahlreiche gegenseitige Anaslomosen der nebenein- ander liegenden Stäbe zum Vorschein. Die anastomosirenden Aeste gehen unter spitzen Winkeln von dem Stabe ab, und legen sich nach kurzem Verlaufe an den benachbarten Stab an. Oft sind diese Anastomosen so regelmässig, dass auf gan- zen Strecken die durch dieselben gebildeten Masehen dieselbe 45 Grösse und Gestalt zeigen. In den anastomosirenden Aesten lässt sich auch eine recht bemerkbar angedeutete Längsstrei- fung erkennen. Es möchten dsher jene dünneren Fäden die Ueberbleibsel zerrissener Anastomosen, und somit Hinweisung auf feinere Formelemente der Stäbe ‚sein. Noch mehr gewinnt diese Ansicht durch (die Betrachtung der seitlichen Fläche der Stäbe. Bisweilen nämlich gelingt es, Stäbe zu finden, welche auf ihrer seitlichen Fläche liegen. Bei solchen kann dann der Beschauer an der ihm zugewandten seitlichen Fläche eine sehr unebene Oberfläche erkennen, von welcher deutlich bemerkbar jene dünneren Fäden ausgehen. Solche auf der Seite liegende Fäden sind dann we;en der Unebenheit ihrer sich darbieten- den Oberfläche graulich; auch sind sie besonders breit, indem ihr Queerdurchmesser 0,016 — 0,028 Millim. misst. Deutlicher kann man das Verhältniss der verschiedenen Durchmesser der Stäbe auf Queerschnitten erkennen. Auf diesen sieht man, dass je nach der Dicke der Schale eine verschieden grosse Anzahl von Stabschichten in die Bildung der Schale eingeht; ich habe deren an manchen Stellen bis zu sechszehn gezählt. Manchmal fällt namentlich an den Flü- geldecken ein Queerschnitt so alıs, dass man abwechselnd der Länge nach liegende und queer durchschnittene Stäbe hat. An solchen Schnitten kann man dann sehen, wie der Durch- messer der Stäbe in der Richtung, welche der Dicke der Schale entspricht, viel bedeutender (0,016— 0,028 Millim.) ist, als in der Richtung, welche der Fläche der Schale entsprieht (0.008 Millim.). Jener grössere Durchmesser ist übrigens be- deutender in den mittleren als in den äusseren Schichten der Schale. Die Fläche, welche ein queer durchschniltener Stab darbietet, hat die Gestalt eines Rechlecks mit abgerundeten Seilen; und wenn die dadurch entstehenden dreieckig- pris- malischen Zwischenräume mit einer Verbindungsmasse aus- gefüllt sind, so ist dadurch leicht die Entstehung der bis- weilen bemerkbaren Queerstreifung zu erklären. Indessen 16 habe ich eine Verbindungsmässe nirgends mit Bestimmtheit er- kennen können. Die Hornschale wird ‘demnach gebildet durch glashelle Stäbe, welche durch Nebeneinanderlagerung und durch Ana- stomosiren zu Schichten: vereinigt sind, deren je nach Um- ständen eine mehr oder weniger grosse Anzahl in der Art durch: eine Verbindungsmasse (?) so aufeinander gefügt sind, dass: die Richtungen der Stäbe der einzelnen Schichten sich unter Winkeln von 45° oder 90° kreuzen; auf beiden Seiten wird die so gebildete Schale von einem Epidermisüberzug be- kleidet. Bei nicht erweichten Stücken glaube ich auch be- merkt zu haben, dass zwischen dem äusseren Epidermisüber- zug und dem eigenthümlichen Gewebe der Hornschale eine aus einer homogenen durchscheinenden Substanz bestehende Pigmentschicht befindlich ist. Ueber das Kugethiterei. Briefliche Mittheilung von Dr. Hermann Meyer Privatdocent in Tübingen. (Hierzu Taf. Il. Fig. 7.) 7 Ich habe mich‘ durch wiederholte Untersuchungen von dem wirklichen Vorhandensein einer eigentlichen Dotterhaut inner- halb des Wagner’schen Chorion im Säugethierei überzeugt. Ich habe die Untersuchungen an Eiero 'aus dem :Eierstocke des Schweins gemacht. Am deutlichsten ‚habe ich die das Vorhandensein der Dotterhaut beweisenden Erscheinungen an Eiern wahrgenommen, welche aus ‚Eierstöcken "genommen wurden, die schon ‚ein Paar Stunden: in Weingeist gelegen hatten. Betrachtet man ein unversehrtes Ei, so ‚bemerkt man, dass sich die Dotterkugeln des Dotters nicht genau an den inneren Rand des Chorion anschliessen, sondern stellenweise mehr oder weniger entfernt von demselben aufhören. Die da- durch gebildeten Zwischenräume, sieht man dann durch eine gelbliche,; granulirt aussehende ‚Masse ;ausgefüllt., , Diese Masse ist nichts anders'jals die innere Dolterhaut. _Beweis dafür ha- ben mir mehrere Beobachtungen und Versuche gegeben. , Ein- mal sah ich beim Sprengen des Eies die Dotterkugeln nicht zersiveul aus dem Risse des Chorion austreten,‘ sondern als eine ganze Masse, welche sichllich durch eine Umküllung, zu- sammengehalten und mit den Rändern des Risses verbunden wurde. Ich kann dieses Verhältniss nieht besser vergleichen, als mit dem Verhalten des Bruchsackes zum Leistenring. In- Müller’s Archiv. 1812, y} 18 nerhalb des fast leeren Chorion liess sich eine gefaltete, blass granulirt aussehende Membran erkennen. Bei vielen Eiern sah ich deutlich zwischen dem Rande der die Dotterkugeln um- sehliessenden Masse und dem inneren Rande des Chorion einen Zwischenraum, weleher sich, wie dieses auch Wagner be- - merkt hat, durch Eindringen von Wasser vergrössert. In einem Falle war dieser Zwischenraum sehr bedeutend gross, und da in diesem Falle auch wegen geringerer Menge der Dotlerku- geln die umhüllende Masse am Rande besonders deutlich sicht- bar ist, erlaube ich mir, Ihnen hierbei eine von mir möglichst getreu gefertigte Zeichnung zur Versinnliehung dieses Falles zu überschicken. Beweist das Vorkommen des Zwischenrau- mes zwar noch nicht, dass die Dotterkugeln durch eine be- sondere Haut umhüllt sind, so beweist es doch, dass die Dot- terkugeln noch durch ein anderes Moment als das Chorion zu: sammengehalten werden. Dass aber dieses andere Moment wirklich eine besondere Haut sei, beweist theilweise die vor- her angegebene Beobachtung, Iheilweise ein schr leicht anzu- stellender Versuch. Bringt man nämlich zu einem unversehrten Eie ünter den Mikroskop einen Tropfen Liquor kali "caustiei, so löst sich das Chorion 'schr schnell auf, "und es bleibt ‘der Dötter 'öhneChorion ganz unverändert zurück. Durch Hin- und Herschieben des Objectdeckers oder darch einen leichten, öfter‘ "wiederholten Druck kann man sich dann überzeugen, dass’die Dotterkügeln noch in einer Hülle eingeschlossen sind. Bei’stärkerein Drucke zerplatzt die Hülle, die Dotierkugeln ireten aus und die Hülle bleibt als eine granulirte Membran, welche sonst keine ‘Structur zeigt, zurück. Bei der Auflösung in dem Lig. kali ‘caustici verhält 'sich das Chorion in allen Theilen ganz ‘gleich, und es dürfte dieser Umstand einen neuen _ Beweis für die Ansicht abgeben, dass das Chorion eine’homo- gene Membrän, ünd nicht eine zwischen zivei Membranen ein- geschlössene Eiweissschicht ist. ine | "Tübingen, den 10. Aug. 1841. u 1. bs Ueber Iis Umwandlung von Nerven in Fett. and Briefliche Mittheilung ‚- \ N ba von i il Prof. Dr. Fıck in Marburg. ai : ’ ’ Vor einiger "Zeit wurde an das hiesige’ anatomische Iustitut die Leiche eines ungefähr 30jährigen männlichen Subjeetes ab- geliefert; der ganze Körper war slark wässersüchtig, das linke Bein vom Fusse bis über das Kniegelenk noch ausserdem stark anfgetrieben und fest geschwollen, an der Fusswurzel zeigten sieli Gesehwüröffnungen, denen man in die Tiefe bis in die Fusswürzelgelenke folgen konnte; — ich benutzte den in ‚der Pfanne ausgeschnittenen Schenkel, um meinen Zuhörern an demselben ‘den pathologischen Process zu demonstriren, ‘der währscheinlich von einer Entzündung der Fusswurzelgelenke ausgehend,"in seinem weitern Verläufe plastische Infilträtionen in das Zeilgewebe der ganzen Extremität veranlasst hatte, die it‘ der Nähe des Fussgelenkes in stealomalöse, weiter von die- sein entfernt in fibröse Metamorphosen übergegangen wären. Durch den Vebergang des Gelenkleiden in Caries, so wie Auseh die feste Textur der vorliändenen Aflerorganisation, die um die ganze Bxtremität"zwischen Haut und Fascia, so wie ai die einzelnen Muskeln unter "den Faseien, feste Hülsen gebildet hatte, war die Bewegung des unteren Theils der Ex- Iremität — und zwar augenscheinlich längere Zeit hindurch, 2% 20 völlig aufgehoben; die Muskeln waren schlaff und blass, wie der ganze Körper wässrig infiltrirt, sonst nicht verändert. Bei dem Einschneiden in den Schenkel fiel mir das An- sehen der grösseren Nervenstämme auf, indem sie oben am Schenkel vollkommen normal, im Verlaufe nach den lei- denden Theilen sich verdickt und ganz mit dem Ansehen, als ob sie aus blossem Fette beständen, darstellten; — ich präparirte lange Stücke des Saphenus magnus und vom Ischiadieus mehrere grosse Aeste heraus, so weit sie nach un- ten aus der degenerirten Masse, die mit ihren Scheiden immer mehr und mehr verschmelzen erschien, sich noch deutlich trennen liessen. Bei der genauern mikroskopischen Unter- suchung ergab sich sodann, dass zunächst in der Scheide der grössern Nervenäste eine ausserordentliche Menge Fett zwi- schen den einzelnen Nervensträngen angehäuft war, so wie, dass, je weiter man nach unten in der geöffneten Scheide, die einzelnen Stränge , verfolgte, diese mehr und mehr jedoch in sehr ungleichen Abstufungen, statt Primitivfasern blosse Fett- tropfen enthielten. Bei mehreren kleineren Nervensträngen gelang es sehr vollkommen an einem einzelnen Bündel, das auf die Länge von mehreren Zollen mit grosser Vorsicht völ- lig isolirt worden war, zu zeigen, dass dasselbe oben aus völ- lig normalen Primitivfasern gebildet, während diese nach unten allmählig bis auf die letzte Spur sich verloren, und an ihrer Stelle die Scheide völlig mit regelmässigen Felttröpfchen er- füllt war. „Die Fetttröpfchen schienen sich rings an der inne- ren Fläche der einzelnen Scheiden zu bilden, indem bei stär- kern Vergrösserungen bei einem etwas gequetschten Bündel, beim Wechseln des Focus sich zeigte, dass in der Mitte anfangs immer noch einzelne Primilivfasern fortliefen, während oben und unten schon Fettlagen erschienen, bis weiterhin auch im ganzen Bündel gar keine Nervenfäden mehr zu entdecken waren. Der Director des anatomischen Instituts, Hr. Geheime Medieinalrath Bünger, so wie mehrere meiner Zuhörer, über- zeugten sich mit mir von dieser Thalsache. 2A Da es nach dem jetzigen Stande der Dinge woll nicht mehr voreilig erscheinen möchte, anzunehmen, dass unter be- stimmten Umständen an allen proteinhaltigen Geweben — gleichsam als rückschreitende Metamorphose — eine Rückbil- dung in Felt stattfindet, so glaube ich, dass in Beziehung hierauf, so wie überhaupt auf die Stellung des Fettes im gan- zen vor- und rückschreitenden Vegetationsprocess, obige That- sache nicht ohne Interesse für die Wissenschaft sein dürfte. Marburg, den 14. März 1841. Uebir. Tinea-favwosa. Von Dr. Grupr. (Aus brieflicher Mittheilung.) Bei einer gut ausgebildeten, einzelstehenden Tineacruste, die an wenig ‚behaarten Hautgegenden zuweilen vorkommt, machte ich folgende Beobachtungen. Die sogenannte Cruste, die an ihrer äusseren Fläche depri- mirt, an ihrer inneren hingegen convex ist, wird allseitig von Epidermiszellen umgeben; die Zellenschicht, welche die äussere Fläche deckt, ist viel dicker als jene, welche die innere Fläche von der Cutis trennt; die Cutis ist deprimirt und comprimirt an jenen Stellen, wo sie Crusten aufnimmt. Innerhalb dieses epi- dermatischen Ueberzuges findet man eine dünne Lage von amor- pher Substanz, die aus sehr kleinen Moleculen besteht. Diese amorphe Schicht stellt eine Kapsel dar, die einerseits mit Epider- miszellen, andererseits aber mit einer parasitischen Schwammbil- dung in Berührung ist. Diese Kapsel ist gewöhnlich kreisrund und manchmal oval, ihre Textur ist dicht, ihre Farbe gelb (schwefelgelb, daher ihre Verwechselung mit getrocknetemEiter). _ Schneidet man diese Pflanzenkapsel senkrecht durch, so sieht man, dass die Kapsel aus zwei Hälften besteht, die einer Büchse gleich aneinander gefügt erscheinen; an jener Stelle, wo die 2 Kapselhälften aneinander stossen, bilden sie eine Furche, die den Rand der Kapsel in zwei Hälften theilt, wo- 23 von ‚die eine Hälfte ‘in der Vertiefung der Cutis liegt; die andere hingegen über das Niveau der Cutis hervorragtus ı ‘Die Parasilenpflanze hat die grösste Aehnlichkeit mit einer Mycodermis. ‘Die Wurzeln dieser Pflanze 'sitzen in der 'amor- phen Substanz, die Zweige und Sporen verlängern sich yegen das ‘Centrum der Kapselhöhle, und bilden ‘da das scan liche löcherige Kapselcontentum. "Die Wurzeln und Stämmcehen der Mycodermis sind 'glalle, eylindrische, durchscheinende Röhrchen, die zuweilen’sich . mehrfach dichotomisch spalten; ihre Hülle ist glatt, ihr Anhalt entweder moleculös oder granulös, oft’ sieht man’ die charatte- ristischen Scheidewände der Pflanzenzellen in ihrem. Gefüge. Die Endzweigchen, die im Centrum der Kapselhöhle sich 'be- finden, besitzen 'gefurehte ‘Ränder; Die oft rosenkranzarlig aneinander gereihten Keimkörner sind an den Endtheilen ‘der Zweigehen zu finden; sie sind oft unregelmässig aneinander gehäuft, von gelblich weisser Farbe, jedes Sporkörnchen ist vollkommen glatt, rund oder oval, durchscheinendy und aus homogener Substanz gebildet. I ‚Nur selten finden sich bei diesen isolirt stehenden 'Myco- dermiskapseln andere pathologische Producte (als Eatzüudungs- und Eiterkugeln ), daher’ beilt auch die’ wie ‘Ulcerationsstellen aussehende deprimirte Haut nach Entfernung der Orusten ‘sehr schnell, und zwar ohne Narbenbildung, was gewiss nicht statt. finden würde, wenn wirklicher Exulcerations- und Suppura- tionsprocess die Haut zerstört hätte. ish are Zusweilen sah ich die Sporkörner der Mycoderniis'sich in den Pollikelw der Haarbulbi’ und in’ dem Schmierdküsen «der Outis festsetzen, und genau dem Zuge'ider Epiderinis folgen. Die Haarbulbi, die an ihrer äusseren Fläche! mit'derlei Spöt- körnern beselzt sind, haben ein‘ weissgrau gelbliches Ausseheh, die Haarwurzeln und die Haare "hingegen siidverweicht} so dass man sie bei mässigem Drucke zwischen zwei fslasblätt- chen leicht platt drückt und in ‚der Richtung ihren. Längen- gun 24 fasern: zerreisst, Diese erweichten Haare eignen ‚sich vorzüg- lich zum Studium des ‚Gewebes der Haare. Eine Vergrösserung von 400 Diametern ist hinreichend, um alle Einzelnheiten zu sehen, die ich ‚beschrieb, Der Durchmesser der, Sporkörner ist „4; —ır!; Mm. Der. Durchmesser der. Zweigchen der..Mycodermis ‚ist 1067 — 30 Mm. Die Molecule der Röhrchen haben 15459 — 1565 Mm. Durch- . Messer, Aus ‘dieser Untersuchung geht hervor: 4) dass das Wesen der Tinea favosa in der: Bildung einer Mycodermis besteht; 2) dass, die Mycodermis ihre eigene Kapsel besitzt, die zwi- schen. den Zellen der. Epidermis gelagert ist; 3): dass die Haarbulbi ‚und Haarwurzeln nur secundär er- griffen werden; 4) °) dass unter allen ‚Kennzeichen der Tinea favosa (die bekanntlich oft die Pracliker in Zweifel lassen) diese eigenthümliche Mycodermis. den ersten Platz verdient; 5) dass.die erste Indication zur Heilung: ist, die Mycoder- mis zu zerslören und ihre neue Bildung zu verhüten. Ueber den Werth. dieser Mycodermis als Ansteckungsstofl habe ich: viele Versuche gemacht: ich impfte sie Menschen, Säugethieren, Vögeln, Amphibien, "Würmern, und Pflanzen ein; ich werde hierüber Ihnen die Resultate mitzutheilen die Ehre haben. Ich legie meine Beobachtungen der Academie vor, als ich erst. später in ihrem Archive. von 1839 las, dass Hr. Prof. Schönlein bei einigen Exemplaren von Porrigo lupinosa Pflanzenbildung. bemerkte. Ich bemerke dieses um so lieber, da es sonst Anlass zu Missverständnissen geben könnte. Paris, den 23. Juli: 1841. 4) Da ich bis jetzt noch nie eine Tinea fayosa untersuchte, ohne die Mycodermis zu finden, und ich habe bis jetzt an mehr als 100 Individuen Untersuchungen angestellt. Uchber das eentrale Nervensystem und die Nebenherzen der Chimaera monstrosa. Von G. VALENTIN (Hierzu Taf. II. Fig. 1— 6.) Dis ceutrale Nervensystem der Chimäre, welches sich. in Weingeistexemplaren sehr gut erhält, bietet eben so viele Ei- genthümlichkeiten, als die äussere Gestalt dieses Thieres dar. Das Hirn zeigt im Ganzen genommen Krümmungs- und Bie- gungsverhältnisse, welche der Conformation der Schädelbasis entsprechen. Sobald nämlich das Rückenmark in das verlän- gerte Mark übergeht, beginnt. eine ziemliche Wölbung nach unten. Das Hirn beschreibt hier eine nach unten gerichtete Convexität, welche au dem verlängerten Marke anfängt, unter der Gegend der Lappen des vierten Ventrikels ihr Maximum erreicht und dann, nach oben emporsteigend, in. der Region unter dem Stiele des hammerförmigen Lobus ventrieuli tertüi aufliört. Diese Biegung giebt sich besonders an der Basis ce- rebri kund. Vor ihr senkt sich‘ dann die ganze lirnmasse melr oder minder tief nach unten, so dass hierdurch die Ile- misphärenlappen, so wie die Riechtuberkeln eine mehr schiefe, nach vorn und unten gerichtete Stellung erhalten. An dem Gehirne erscheinen hinter den beiden Riechner- ven (N. N. olfactorii) (Fig. 1. 2, 3..«.) zwei schwache Riech- luberkeln (Tubercula olfactoria); (Fig. 1. 2. 2.), welche nach 26 hinten und oben an die IHemisphärenlappen, nach hinten an die unteren Lappen slossen, und hinter und unter sich die kurzen Ursprungstheile der Sehnerven haben. Auf sie folgen die nicht unbedeutenden Hemisphärenlappen (Lobi hemisphae- riei) (Fig. 1. 2. 3. c.), welche sich nur in der Seitenansicht (Fig. 1.) fast vollständig darstellen, bei der Ansicht von oben (Fig. 2.) dagegen durch den Hammerkörper des Zwischenhirn- lappens itheilweise verdeckt werden. Sie. bilden etwas läng- liche kugelige Gebilde, welche voneinander durch eine nicht ganz durchdringende Mittelfurche (Fig. 1. d.) gelrennt wer- den, nach vorn steiler abfallen, über sich, wie schon erwähnt, den vorderen Theil des Körpers, hinter sich den Mitteltheil und den Stiel des hammerförmigen Zwischenhirnlappens, unter sich vorn die unteren Lappen, und hinten die Hirnschenkel- wülste haben. Der dann folgende Zwischenlappen (Lobus ven- iriculi tertii) (Fig. 1.2. 3. e. f. g-) hat die Gestalt eines Ham- mers, welcher jederseits aus dem Stiele (Fig. 1. 3.'g-),; dem Mitteltheile (Fig. 1. 2.,f.) und dem Körper (Fig. 1. 2.3. 'e.) besteht. Der Stiel, welcher, 'wie' wir schen werden; 'theil- weise nicht mehr zu dem Zwischengehirn gehört, beginnt hin- ter und über dem Hirnschenkelwulste, über seiner später an- zuführenden Basis, bildet ein eigenes länglichrundes; an jeder Seitenfläche wulstartig hervortretendes Gebilde, welches nach oben durch eine Füurche von dem Mitteltheile getrennt wird. Dieses sondert sich von dem Hammerkörper vorn dureh eine nach hinten eoneave Furche; geht aber hinten mehr unmittel- bar in ihn über. Der Hammerkörper selbst bildet einen sehr grossen, ungefähr ovalen unpaaren Theil, welcher in der Mit- tellinie eine tiefe, vorn und hinten sieh verlaufende und sehon vor dem ‘vorderen sowohl als dem hinteren Ende aufhörende mittlere Longitudinalfurche (Fig. 1. 2. A.) besitzt: Vermöge seiner sehr bedeutenden Grösse überragt er nach vorn einen sehr grossen Theil’ der Wemisphärenlappen, und hinten die mittleren und inneren Parllieen des kleinen Gehirnes. Dieses letztere (Cerebellum) (Fig. 1. 2%. %.) zeichnet sich durch 'seine 27 zierlichen Windungen, welche jederseits seitlich und unter dem Hammerkörper des Zwischenhirnlappens frei liegen, aus; und scheint auf den ersten Blick in eine vordere und eine "hintere Abtheilung (Fig. 2. i. und. i‘) zu zerfallen. « Die. vordere, scheinbar zu dem kleinen: Gehirn geliörende Abiheilung nebst der mittleren Abiheilung desselben, bildet ‚eine fast’ dreieckige Windung; welche unter Verhältnissen, die bei Gelegenheit des Hirndurchschnittes erläutert werden sollen, in der Mittellinie beginnt, schief nach vorn und aussen tritt, dann nach hinten umbiegt, ziemlich gerade nach: hinten verläuft, ‘von Neuem nach innen und vorn sich umwendet, und nun in einem nach vorn und aussen schwach convexen Bogen forlgeht, um noch vor der Mittellinie zugespitzt zu endigen. Die hintere Ab- iheilung des kleinen Gehirnes fängt dieht hinter diesem hin- teren und inneren Ende des miltleren entfernt von der Mittel linie an, geht etwas schief. von vorn und innen nach hinten und aussen, biegt hierauf nach innen um, läuft mit einer nach hinten gerichteten Convesilät nach vorn und innen, verdickt sich ‘hierbei, vorzüglich nach innen zu, etwas, und biegt dann von Neuem nach hinten ‚um, um mit einem nach innen con- caven«Bogen nach hinlen: frei zu schliessen. Dieser hintere Endtheil (Fig. 2. %.) bildet gleichsam jederseits ein Horn, wel- ‚elies auf dem entsprechenden Lappen des vierten Ventrikels rubt, und elwas spilzer und noch mehr mit seinem Ende nach aussen gerichtet ist, als es in der Abbildung dargestellt wor- den. Untersucht man die Verhältnisse genauer,:so sieht man, dass dieses Horn vonder. hinteren Abtheilung des kleinen Ge- hirns geschieden ist, und)\gewissermassen als eine ‚dritte Par- ihie desselben angesehen ‘werden kann. Die Lappen des vier- ten Ventrikels (Lobi ventrieuli quarti) (Fig. 41. 2.7.) bedeckeh einen grossen Theil des letzteren, und lassen daher nur die hinterste Parthie desselben (Fig. 1. 2. m.) frei, sind miandel- förmig, stossen aneinander, haben aber eine longitudinale 'Mit- telfürche (Fig. 1. 2. n.) zwischen sich, und werden jederseits durch eine äussere, linten auslaufende, vorn in die zwischen 28 vorderer und hinterer Kleinhirnabtheilung befindliche Furche übergehende äussere Einfurchung (Fig, 1. 2. 0.) von den übri- gen Theilen des verlängerten- Markes äusserlich gesondert. Das hintere Ende der Rautengrube (Fig. 1. 2. m.) läuft nach hinten spitz zu, indem die striekförmigen Körper (Fig. 1.2. p.) in der Richtung nach vorn auseinander weichen. Ueber der hintersten Spitze der Schreibfeder bleibt jedoch zwischen die- sen noch ein Markblättehen ( Velum medullare s. lamina me- dullaris) (Fig. 2. g.) ausgespannt, Alle genannten Theile sind schon bei der Ansicht des Hirnes von oben mehr oder minder kenntlieh. : Ausserdem bieten aber noch die Seitenansicht und die Betrachtung der Unterlläche eine Reihe anderer Gebilde dar. ‘Hinter den Riechnerven erscheint das Chiasma mit den Hirnstücken der Sehnerven (Fig. 3. r.), und mit einer eige- nen häutigen Hirnanhangparthie, deren speeielle Form ich je- doch nicht bestimmen kann (Fig. 1. 2. 3. s.). Ueber diesen Theilen zeigen sich die verhältnissmässig nicht sehr grossen unteren Lappen (Lobi inferiores) (Fig. 1. 2. 3. £.), hinter welehen dann jederseits ein eigener schwach wulstiger Theil, den: wir mit dem Namen des Hirnschenkelwulstes (Tuber eru- ris cetebri) (Fig. 1. «.) vorläufig bezeichnen wollen, und der, in »schiefer Richtung von hinten nach vorn emporsteigend, unter dem ‘entsprechenden Hemisphärenlappen und vor der Basis des Hammerstieles liegt, zum Vorschein kommt. Diese (Fig. 1. v.) bildet ein mehr vertieftes, streifiges, ebenfalls schief von hinten nach vorn emporsteigendes Gebilde, welches vorn durch: eine Furche von dem Hirnschenkelwulste, hinten durch eine solche von der Basis der vorderen Abtheilung des kleinen Gehirnes abgegränzt wird, und nach oben ebenfalls durch eine Furchenbildung an den scharf geschiedenen Hammerstiel stösst. Die hinter ‚diesen Theilen seitlich befindlichen Parthieen bie- ten etwas complieirtere Verhältnisse dar. Indem nämlich an dem vordersten Theile des Rückenmarkes und längs des hin- teren Theiles des verlängerten Markes die striekförmigen Kör- per durch eine Furchenbildung von den übrigen Parthieen der 29 Medulla spinalis und oblongata äusserlich gesondert sind (Fig. 4.), biegen sie sich vorn nach aussen und gehen in zwei längliche seitliehe Anschwellungen des verlängerten Markes über, die wir der Analogie nach, jedoch: ohne diese Benennung im Spe- ciellsten vertreten zu können, mit dem Namen der Lappen der herumschweifenden Nerven (Lobi N. N. vagorum) (Fig. 1.2.».) bezeichnen wollen. Sie bilden seitliche und obere Aufwul- stungen am verlängerten Marke und setzen sich nach vorn und oben in die Basis der vorderen Abiheilung des: kleinen Ge- hirnes fort. An dieser Fortsetzung sondert sich durch eine Furche eine obere grössere und untere mehr streifenförmige Abtheilung; welche nach vorn zugespitzler ist und: sich zwi- schen der eigentlichen Basis des kleinen Gehirns und der Ba- sis der scheinbaren vorderen Abtheilung desselben gleichsam einkeilt. Ihr hinteres Ende findet sich wahrscheinlich jeder- seits an der Ursprungsstelle des dreigetheilten Nerven. Nach oben und innen nähern sich die Lappen der herumschweifen- den Nerven den schon ‘oben. erwähnten Lappen des vierten Ventrikels. Die Basis des Hammerstieles selbst erscheint hier bei der Seitenansicht als ein schmales, schief nach unten und hinten gerichletes und zuletzt sich verlaufendes, zwischen dem Hirnschenkelwulste und der Basis der scheinbaren vorderen Abtheilung des kleinen Gehirnes befindliches Gebilde, welches selbst durch eine nach unten sich verlaufende Furche in eine vordere grössere und eine hinlere kleinere, sehr schmale Par- thie geschieden wird. Im Gegensatze zu den zahlreichen Ge- bilden, welche bei der oberen und der Seitenansicht, des Ge- hirnes zum Vorschein kommen, zeigt sich endlich die auf die oben schon. erwähnte Art gebogene Unterfläche ziemlich ein- fach. Die vordere Mittelfurche (Fig. 3. x.) des Rückenmar- kes und des verlängerten Markes setzt sich nach vorn bis zur Gegend des Hammerstieles fort. Dort begränzt sie sich durch eine Art schwacher dreieckiger Lippenbildung (Trigonum s, valva), während an dem übrigen vorderen Theile zwar eine angedeutete Sonderung in zwei Seitentheile, aber keine tiefere 30 Furchenbildung vorhanden ist. Die ganz nach vorn erschei- nenden Sehnerven mit ihrem Chiasma ‘und ihrem "häutigen Hirnanhanggewebe, so wie die vor ihnen liegenden Geruchs- nerven und Riechtuberkeln :wurden schon früher erwähnt; Wie sich die Zirbel und der gefässreiche Sack, welche wahr- scheinlich vollständig vorhanden sind, verhalten, kann ich nach meinen bisherigen Erfahrungen nicht angeben. ı Ein durch das Gehirn geführter mittlerer senkrechter Län- gendurchschnitt (Fig. 4.) belehrt; über die im Innern vor- handenen Ventricularräume nebst den an deren Oberfläche hervortretenden Gebilden. In jedem Hemisphärenlappen er- scheint ein grosser, jederseits. ungefähr halbmondförmiger Ven- trikel (Fig. 4. d.), welcher vorn, ‘oben, seitlich und zum Theil nach hinten durch die Wandung des Hemisphärenlap- pens geschlossen wird, die von beiden Seiten dagegen wahr- scheinlich untereinander communiciren. Darunter befindet sich eine starke Nervenmasse, welche sich höckerartig aufwulstet und so eine Art von gestreiftem Körper ‘(Corpus striatum) (Fig. 4. e.) darstellt. Auf ihm erschien ein häutiges Wesen, wahrscheinlich ein Analogon eines seitlichen Plexus choroi- deus. ' Es liess unter dem Mikroskope noch pflasterartig aggre- girte Zellen erkennen, und setzte sich über einen grossen Theil der übrigen Wandung des Ventricularraumes fort. Jeder ge- streifte Körper scheidet sich nach aussen, vorn‘ durch eine Furche von der übrigen Wandung des Ventrikels mehr ab, geht ‘aber sonst mehr allmählig‘in dieselbe über. Nur nach aussen schien mir, wenigstens an der linken Seite auch eine schwache Furchenbildung zu existiren. Nach unten gegen die Basis hin begränzt ihn eine stärkere Furchenbildung. Durch die so beiderseits vorhandenen Furchen entsteht dann an der Grundfläche des Ventrikels ein ungefähr 'halbmondförmiger, nach oben concaver Theil, welcher in seiner Mitte einebe- deutende Längenspalte besitzt. Sie ist ebenfalls 'halbmondför- mig’ gebogen, richtet ihre Concavität auch nach oben, steht mit'ihrem hinteren Ende etwas höher als mit ihrem vorderen, 31 reicht weder vorn noch hinten bis zum Ende des: halbmond- förmigen: Theiles der Basis des Ventrikels, und führt, wie man sich:durch glückliches Einbringen eines gespaltenen Pferde- haares überzeugen kann,: in den an den Sehnerven liegenden Theil, der so als Hirnanhang nebst Trichter angesehen: werden kann, während die Spalte selbst den’ Aditus ad kilßnäihri len darstellt. “Zwischen dem Hemisphärenlappen und dem kleinen Ge- hin nebst: dem Lappen (des vierten Ventrikels jederseils er- scheint die Nervensubstanz in sehr eigenthümlicher Gestalt; Sie beginnt ‘hinten und ‘oben,-und steigt ziemlich senkrecht hinab (kintere Abtheilung der mittleren Nervenmasse) (Fig. 4. i.), biegt dann um und: zwar so, dass die Umbeugung in einem ‚Winkel erfolgt. unten dagegen eine. horizontale Decke (».) entsteht, steigt dann hinauf und biegt: oben ‚nach hinten um (vordere Abtheilung: der mittleren Hivnmasse) (A); geht: dann mehr horizontal nach vorn (horizontaler Theil des Hammerkopfes (1.), biegt vorn von Neuem nach unten und nach hinten um und läuft dann zurück (rücklaufender Theil des Ilammerkopfes) (m.), um sich mit: seinen unteren End- theile zwischen Hemisphärenlappen und der vorderen Abthei- lung: der mitileren Hirnmasse gleiehsam: einzukeilen. Unter dem horizontalen Theile des Hammerkopfes befindet sich ein eigener Höhlungsraum, welcher in der Mitte. eine ungefähr dreieckige Gestalt hat, seine Basis nach oben; seine. Spitze naeh unten richtet (r.), und sieh mit jeder seiner drei Spitzen linienförmig forlsetzt. Die Fortsetzung seiner vorderen: Spilze geht gebogen nach vorn (o.). Die dadurch. bedingte: Höhlung endigt: vorn nahe hinter der Umbeugung des horizontalen in den rücklaufenden Hammertheil blind, und-zwar eng spalten- förmig. “Dasselbe ist hinten mit der nach hinten gehenden spaltenförmigen Fortsetzung ((p.) der Fall.’ Die nach ‚unten fretende Spalte (4.) steigt (zuerst fast senkrecht hinab; biegt sich dann etwas nach hinten, ‚und mündet in den hintersten Vebergangstheil von V entridulus' lobi liemisphaerieivund Aquae- 32 duetus Sylvii. Es hat anf den ersten Blick den Anschein, als keile sich der rücklaufende Theil des Hammerkörpers mit freier Spitze ein, so dass hier die untere Ventrieularspalte nach aus- sen offen wäre. Allein bei genauerer Prüfung zeigt sich, dass dieses nicht der Fall ist. Ein sehr dünnes, wahrscheinlich markiges Blatt senkt sich als Fortsetzung des spitzen Endes des rücklaufenden Theiles des Hammerkörpers zwischen He- misphärenlappen und der vorderen Abtheilung der mittleren Nervenmasse hinab, und schliesst so die spaltenförmige Com- mumication nach aussen ab. Wir haben nun so innerhalb des Hammers einen grossen Ventrieularraum, dessen wahre Ge: stalt jedoch erst erkannt wird, wenn man die Wandungen desselben vorsichtig voneinander entfernt. Er bildet jederseits eine längliche dreieckige Kammer. . Beide Seitenkammern ste: hen dann mit den von ihnen ausgehenden Spaltenbildungen durch das zuletzt erwähnte Dreieck untereinander in Verbin- dung. In jeder befindet sich ein ähnliches häutiges' Wesen, wie inder Höhle der Hemisphärenlappen. Auf dem Längen- durchsehnitte scheint es, als ginge dieser Zwischenhirnven- trikel nur durch die untere Spalte des dreieckigen Raumes-in den vordersten Theil des Raumes der Sylvischen: Wasserlei- tung über. Biegt man jedoch die vordere Abtheilung der mitt- leren Hirnmasse zurück, so sieht man, dass jeder der beiden seitlichen Ventrieularräume des Zwischenhirnhammers sich nach aussen von der vorderen Abtheilung der mittleren/Hirn- masse in ziemlicher Breite hinabzieht, und hier theils in die schon auf dem Längendurchschnitte sichtbare Sylvische Was- serleitung (Fig. 4. r.), theils in einen hinter der Decke der- selben (n.) und zwischen der hinteren Abtheilung der mittle- ren 'Hirnnervenmasse und dem kleinen Gehirn befindlichen Höhlenraum jederseits übergeht. Dieser mündet dann einer- seits darch die zwischen vorderer und hinterer Abtheilung des kleinen Gehirnes befindliche Spalte nach aussen, und geht andererseits in die vierte Hirnhöhle über. Diese steht durch ihren vordersten Theil (Fig. 4. s:) mit der zuletzt genannten 33 Höhlung, die wir der Analogie nach die Mittelhirn- oder die Sehlappenhöhlung nennen wollen, in unmittelbarer Verbin- dung, dehnt sich dann mit ihrem grössten Theile nach hinten unter den Lappen des vierten Ventrikels aus (#.), und wird endlich ganz nach hinten frei, un in die Schreibfeder, welche zuletzt durch das schon erwähnte Markblättchen (Fig. 2. g.) zum Theil oben verdeckt wird, auszulaufen. In der Sehlap- penhöhlung tritt seitlich ein hufförmiger, nach unten convexer Wulst, der sich nach hinten in die scheinbare vordere Ab- theilung des Cerebellum hinzieht, hervor. Der Anfang der scheinbaren mittleren oder hinteren Abtheilung dieses letzteren bildet auch eine wulstarlige Hervorragung, welche über dem Endtheile des vorigen Wulstes in der oben erwähnten Tren- nungsspalte zwischen scheinbarer vorderer und hinterer Ab- theilung des kleinen Gehirnes existirt. Unter und vor dem vorderen heile des Lappens des vierten Ventrikels endlich befindet sich noch eine kleine knopfartige, mit diesem Lap- pen zusammenhängende Hervorragung. An den‘ Seitenthei- len der vierten Hirnhöhle endlich tritt eine Strangparthie, welche. von den striekförmigen Körpern ausgeht und nach innen vorn und etwas nach unten verläuft, hervor. Von die- sem Strange sondert sich hinten durch eine nach aussen: halb- mondförmige, nach innen mehr gerade Vertiefung eine mitt- lere Längserhabenheit, welche, indem sie sich nach vorn fort- setzt, an das vordere Ende der seitlichen Strangparthie stösst, dann immer weiter nach vorn läuft, und endlich vorn die schon erwähnte leistenartige Erhabenheit darstellt, in welcher der Eingang in den Trichter sich befindet. In ihrer Mitte be- findet sich eine vorzüglich von der Sylvischen Wasserleitung an nach vorn tiefere Längenfurche. Von dieser mittleren Län- generhabenheit gehen dann im Bereiche des vierten Ventrikels- der Sehlappenhöhlung und der Sylvischen Wasserleitung deut, liche Markstrahlungen oder Stabkränze zu den seitlichen und zum Theil oberen Gehirntheilen. Auch an der inneren Wan- dung jedes Hemisphärenlappens erscheint über dem gestreiften Müllers Archiv. 1812. 3 34 Körper, vorzüglich an einzelnen Stellen, eine deutliche Mark- strahlung! ‘Das Rückenmark verdünnt sich allmählig nach hinten und’ wird hierbei nach und nach mehr bandförmig (Fig. 5.): Nicht nur hierdareh, sondern auch durch seine sehr auflallende riemenartige Elastieität stellt es sich dem Rückenmarke der Pricke parallel. Ein 1 Zoll langes Stück aus dem Mitteltheile des Rückenmarkes der Chimäre liess sich bis auf 1 Zoll 9Li- nien ausdehnen, ehe es riss, und sprang hierauf von selbst bis zu einer Länge von 1 Zoll 2 Linien zurück. Sehr starke Ex- tremitätenanschwellungen oder knotige Anschwellungen, wie bei den Triglen, sind an ihm nicht wahrnehmbar, Die Länge des gesammten Centralnervensystemes eines 2 Fuss 5 Zoll langen Exemplares betrug etwas über 49 Zoll Pariser Duodecimalmaass. Die einzelnen Messungen ergaben; Gerader Längendurchmesser von dem Anfange der Hemisphärenlappen bis zu dem hinteren Ende der Schreibfedr . » ». .» syn Länge eines Aimisphikrekiäippens an seiner Basis . 8“. Ungefähre grösste Höhe desselben . 2... ....29%5. Grösster Längendurchmesser jedes unteren Lappens 4',9. Mittlere Breite des Hammerslieles . 2 253... 41%1. ‚Länge desselben . . . . rn ee Jg. Längendurchmesser des Banker BE PIE Grösste Breite desselben . . . - rap 6. x Mittlere Breite der Basis des kleinen a a 0 Grösster Längendurchmesser des freien Theiles jedes Lappens des vierten Ventrikels . . 2» 2. u. 8% Grösste Breite desselben » ı . 2m oe... 444. Grösste Totalbreite des kleinen Gehirnes . . . . 41. Ungefähre Länge jedes Lappens des herumsch weifen- den Nerven . . x 8345. Breite des eellägenieni Markes in ii Göheeil des hinteren Enden der Lappen des vierten Ventrikels 2 Breite des Rückenmarkes, ein Zoll von dem hinteren Ende der Rautengrube . » . . . EB AED, Wenn auch das Gehirn seit Iahrdi in Weingeist aufbe- wahrt gewesen, so lässt sich doch noch an vielen Stellen, besonders bei der Prüfung unter dem Mikroskope, die weisse von der grauen Substanz unterscheiden. Wo sie sich in grös- seren Zügen mit freiem Auge wahrnehmen liess, wurde sie in Fig. 4. angedeutet. Die Plexus der centralen Primitivfasern sind an vielen Stellen der weissen Substanz noch sehr wohl zu unterscheiden. Die centralen Nervenkörper oder Belegungs- kugeln stellen sich in der peripherischen grauen Substanz nur bei einzelnen mehr zufälligen Gelegenheiten isolirt dar, unge- fähr wie dasselbe auch bei der frischen grauen Substanz des Menschen und der Säugethiere der Fall ist. Sonst erscheint eine feinkörnige Masse, in welcher die einzelnen Kerne oft ziemlich dicht beieinander liegen. ‘Hat man die Nervenkörper isolirt, so sind sie meist mit rundlichen bis länglichrunden, oft nicht ganz bestimmten Contouren versehen, zeigen einen ver- hältnissmässig grossen hellen Nucleus mit gelblichem, ebenfalls nieht kleinem Nucleolus. So habe ich sie am besten in der grauen Masse des Hemisphärenlappens gesehen. Oft scheint . die Grundsubstanz jedes centralen Nervenkörpers aus dicht beieinander liegenden rundlichen Körpern, welche kleine Körn- chen auf sich haben, zu bestehen. Dieses Verhältniss ist an den meisten Stellen des Gehirnes deutlich. In dem horizon- talen Theile des Hammerkopfes sind diese rundlichen Körper so scharf, dass sie auf der Stelle in die Augen fallen. So eigenthümliche Scheidenfortsatzbildungen, wie sie z. B. an Weingeistgehirnen des Proteus anguinus wahrgenommen wer- den, finden sich bier nicht. In dem Rückenmarke zeigen sich als Grund der bedeutenden Elasticität helle, mit ziemlich dunkelen Rändern versehene, platte, bald gestreifte, bald mehr gekörnte Fasern, also ähnlich den Fasern, welche schon Joh. ‚Müller aus dem Rückenmarke von Petromyzon beschrieben hat. In einer derselben glaubte ich längliche zellenkern- v 3* 36 arlige. Gebilde wahrzunehmen. Am schönsten und längsten erscheinen . diese. eigenihümlichen Fasern, wenn man. Schnitte von dem Innern des longitudinal halbirten Rückenmarkes ab- zieht. Hier stellt es sich bisweilen dar, als wenn sie jeder- seits von einem eigenen feinen zackigen Rande gleichsam ein- gefasst wären. Auch auf dem Boden der Ventrieularräume des Gehirnes bis nach vorn zu der Höhlung der Hemisphären- lappen siod sie noch wahrnehmbar, und haben hier oft, be- sonders in der Umgebung der Sylvischen Wasserleitung, Zel- lenfasern auf und neben sich. Die Deutung der einzelnen Abtheilungen des Chimären- Gehirnes wird nur dann möglich, wenn man die Verhältnisse der Ventrieularräume und der in ihnen erscheinenden Gebilde zugleich in Erwägung zieht. Wir belegten bis jelzt die ein- zelnen Theile mit Namen, wie sie sich bei Betrachtung des äusseren Gehirnes ergaben, und dem in der Kenntniss des Fischgehirnes bewanderten Leser wird es aufgefallen sein, dass von keinem Sehlappen, dagegen von einer scheinbaren vorde- ren Abtheilung des kleinen Gehirnes gesprochen wurde. Den Grund dieses Verfahrens erläutern die Verhältnisse der inne- ren Theile. In Betreff der Riechtuberkeln und der Hemisphä- renlappen ist Alles von selbst klar. Dass der hammerförmige Theil einem Lobus ventrieuli terlii, wie er bei den Cyelosto- men vorhanden ist, entspreche, ergiebt sich auch schon bei der äusseren Betrachtung. Dass er mit einem eigenen grossen Ventrikel versehen ist, macht nicht nur keine Schwierigkeit, sondern ist ein gewichliger Zeuge für die Selbstständigkeit seiner Ausbildung bei der Chimäre. Wäre dieser Ventricular- raum nur in jeder Seite des Hammerkörpers paarig, commu- nieirten die seitlichen Höhlen des Lobus ventriculi tertii in der Mitte untereinander, und setzten sich nur durch ihre untere Spalte mit. der Höhlung der Hemisphärenlappen und dem strei- figen Höhlenraume, welchen wir als Aquaeductus Sylvü be- zeichnet haben, in Verbindung, ganz so wie es sich auf einem einfachen Longitudinalschnitte darstellt, so müsste man anneh- 37 men, dass gar keine grössere Höblung der Sehlappen oder des Mittelhirnes vorhanden sei, sondern dass diese sich eben, wie bei den höheren Wirbelthieren und dem Menschen, auf die blosse Wasserleilung redueirt darstelle. Dieses ist aber nicht der Fall. Denn nach aussen von der hinteren (Fig. 4. :.) und der vorderen Abtheilung (A.) der mittleren Hirnmasse exi- slirt jederseits ein grosser Ventricularraum, welcher vorn in die Höhlung des Lobus ventrieuli terlii, nach innen in’ den Aquaeductus Sylvii übergeht, oben dagegen sich durch die zwischen der scheinbaren vorderen und mittleren Abtheilung des kleinen Gehirnes befindliche Spalte nach aussen frei öfl- net. Ich glaube, dass man in diesem Raume das Analogon der Höhlung der Sehlappen suchen müsse, wiewohl allerdings die oben erwähnte Oeflnung nach aussen eine bedeutende Schwierigkeit in den Weg stellt. Nehmen wir aber diese An- schauungsweise an, so gehört dann die scheinbare vordere Ab- theilung des kleinen Gehirnes noch nicht zu diesem. Hierfür spricht auch, dass sie nur eine äussere Fortsetzung der hinte= ren Abtheilung der mittleren Nervenmasse wahrhaft bildet. So paradox diese Betrachtungsweise auch scheinen mag, so wird sie durch ein delaillirteres Studium dieser schwierigen Gegend doch immer mehr unterstützt und specieller erläutert. Entfernt man nämlich das bäulige gefäss- und nervenreiche Gewebe, welches sich zwischen dem Hammersliele und der scheinbaren vorderen Abtheilung des kleinen Gehirnes befindet, so sieht man, dass nach aussen ein knolliger, in seinem freien Theile den Hammerstiel bildender Körper durch eine nach der Mitte liegende Furche von der vorderen und der hinteren Ab- theilung der mittleren Nervenmasse, welche unmittelbar in die scheinbar vordere Abtheilung des kleinen Gehirnes übergeht, geschieden wird. Hieraus ergiebt sich aber, dass der erwähnte knollige Theil jederseits als ein Lobus optieus anzusehen ist, dass aber die scheinbare vordere Abtheilung des kleinen Ge- hirmes eine unmittelbare Fortsetzung des hinteren und unteren Theiles des Lobus ventrieuli terlii darstellt. Will man sich 38 daher der Sprache der Embryologie bedienen, so muss man sagen, dass das Zwischenhirn der Chimäre eine ungemeine Entwickelung erreicht, dass nach aussen und hinter ihm das kleinere Mittelhirn liegt, und dass eine hintere und bald sich nach aussen wendende Fortsetzung des Zwischenhirnes sich hinter dem Mittelhirn nach aussen herumbiegt, und als schein- bar vordere Abtheilung des kleinen Gehirnes erscheint; dass dann der Höhlung des Mittelhirnes eigenthümliche Wülste zu- kommen, wurde oben schon ausführlicher erwähnt. In Be- treff des Zwischenhirnes ist noch zu bemerken, dass trotz sei- ner isolivten sehr starken Ausbildung die Sehnervenursprünge und der Aditus ad infundibulum so weit nach vorn gerückt sind, dass sie in das Bereich der mittleren unteren, zwischen den beiden Hemisphärenlappen befindlichen Höhlung ganz auf die Art gelangen, wie dieses bei den Säugethieren der Fall ist, wo der drilte Ventrikel zwischen den beiden Hemisphären liegt, Wie es daher für die Deutung des Gehirnes der Kno- chenfische eine grosse Schwierigkeit bildet, dass die Sehlappen ihren eigenen Ventrikel, und ausserdem Vierhügel und Aquae- duelus Sylvii haben, so kehrt hier eine ähnliche Schwierig- keit in dem Bereiche des Vorderhirnes und des Zwischen- hirnes wieder. Denn im Grunde genommen haben wir in dem Chimärengehirn den. dritten Ventrikel zwei Mal, erstens nämlich als Höhlung des Lobus ventriculi terlii, und zweitens als mittlere untere Furche zwischen den beiden Veutrikeln der Hemisphärenlappen, da hier der Aditus ad infundibulum ab- geht. Hieraus ergiebt sich, dass man mit der sonst so an- sprechenden Benennung Lobus ventrieuli terlii im Speciellen auch wieder nicht auskommt, Die Verhältnisse des vierten Ventrikels, die Lappen des- selben, die sogenannten Lappen der herumschweifenden Ner- ven, so wie die unleren Lappen bielen keine weiteren Schwie- rigkeiten dar. Deun die letztereu sind in ganz ähnlichen Ver- hältnissen bei den Cyclostomen, vorzüglich mit undurchbohr- tem Gaumen, vorhanden, 39 So eigenthümlich auch das Chimärengehirn auf den ersten Blick erscheint, so zeigt sich doch, dass es zwischen der Hirn- formation der Cyelostomen einerseits und der Plagiostomen anderseits steht. Ja im Ganzen genommen erinnert die vor- dere Hälfte durch ihre Tubereula olfactoria, Lobi hemisphae- rieci, Lobi inferiores, den Lobus ventrieuli terlii mehr an die Cyelostomen, die hintere Hälfte durch das kleine Gehirn , die Lobi ventriculi quarli und die Lobi vagi mehr an die Plagio- stomen, obwohl im Totale die Hirnbildung sich mehr den leizteren als den ersieren zu nähern scheint. , Mit dem Hirne der Knochenfische aber sind die allergeringsten. Verwandtschaf- ten vorhanden. Die ungemeine Ausbildung des Lobus ventri- euli terlii ist fast eben so auffällend, als die von Valenciennes beobachlele ungeheure Entwickelung des kleinen Gelirnes bei Thynnus vulgaris. - Die starke Entwickelung der. Lobi ventri- euli quarli steht: der dieser Organe bei dem Zitterrochen nicht nach. Nach den oben angegebenen Messungen beträgt die Länge derselben bei der Chimäre ungefähr 4 der Totallänge des Gehirnes. In einem 11 Zoll Jangen Exemplare von Tor- pedo Galvanii belrug die Tolallänge des Gehirnes etwas über 11”, die jedes Lobus ventrieuli quarli +) ungefähr 3,2”... Die 1) Bei dieser Veranlassung wollte ich diejenigen Forscher, welche sich für die centralen Nervenkörper oder Belegungskugeln interessiren, auf die Lobi ventrieuli quarti oder elektrischen Lappen der Zitterro- chen aufmerksam machen, da hier Alles so colossal und gross ist, dass auch mehrere noch bestrittene Punkte in Betreff des feineren Baues der Nervenkörper und ihrer Scheiden ohne viele Mühe in ihrer Richtigkeit wahrgenommen werden können. Die Nervenkörper selbst sind meist mehr geradlinigt begrenzt, oft auch rundlich bis eilörmig, bis in das retorlenlörmige übergehend. Jeder von ihnen hat seinen hellen Nucleus mit einfachem oder vielfachem Nucleolus. Die um je- den Nervenkörper befindliche Scheidenbildung ist sehr stark. Sie er- zeugt auf der Oberfläche des Nervenkörpers coneentrische Streifungen, und rult deutlich die schwanzartigen Fortsätze hervor. Das zusam- menliegende, streng von den Nervenkörpern' gesonderte Netzwerk der Scheiden derselben mit den aufliegenden, Zellenkernen erscheint im 40 Länge des Gehirnes eines elwas weniger als 3 Zoll langen Embryo von Torpedo narke maass 5',5; die jedes Lappens des vierten Ventrikels 1,2. Wenn so dem Längendurchmes- ser nach der Zilterrochen sogar in Nachtheil kommt, so ge- räth er doch anderseits in einen geringen absoluten Vortheil, da seine elektrischen Lappen (Lobi ventrieuli quarli) breiter und wulstiger sind. Uebrigens liessen sich auch zwischen sei- nem kleineren Gehirn und Mittelhirnanhange und den Gebilden der Chimäre noch manche andere Parallele ziehen, welche bei einer anderen, die Plagiostomen betreffenden Gelegenheit aus- führlicher erörtert werden soll. Was endlich noch die schon im Jahre 1809 bei Gelegen- heit der für Cuvier’s legons d’anatomie comparee unlernom- menen Präparationen von Duvernoy gefundenen arteriellen Nebenherzen, welche jedoch der Entdecker erst in den Jah- ren 1833 und 1837 öffentlich beschrieben hat, betrifft, so fal- len sie (Fig. 6. g. g’) bei der Präparalion der zu den slar- ken Brustflossen gehenden Achselschlagadern sögleieh in die Augen. Die aus den Kiemenvenen und dem Cireulus cepha- licus entstehende Aorta (d.), die, wiewohl nur sehr unbedeu- tend, in ihren Ursprungsästen rechts ein wenig slärker als links zu sein scheint, bildet zuerst ein dünnwandiges, ver- hältnissmässig frei liegendes, dicht an seinem Anfange elwas mehr als 1” breiles Gefäss. Zwei und eine halbe Linie unler Zusammenhange, wenn man die Stückchen mit sehr verdünntem kau- stischem Kali befeuchtet. Minder vortheilhaft ergab sich die Applica- tion von Essigsäure, Wie gut sich die ganze Organisation in Wein- geist erhalte, mag der Umstand belegen, dass ich sie zuerst an einem Zitterrochen wahrnalım, den Hochstetter im Jahre 1806 im Mittelmeere gesammelt hatte. In den Lappen des vierten Ventrikels von Zitterrochenembryonen von nicht ganz drei Zoll Länge, welche bekanntlich keine freien Kiemen mehr haben und ihre elektrischen Or- gane schon sehr ausgebildet zeigen, stellen sich die centralen Nerven- körper mit derselben Bestimmtheit, aber bedeutend kleiner, vielzacki- ger und mit länglichen Kernen versehen dar, 4 ihrem Ursprunge ertheilt sie dann die A. coeliaca (e.), und un- gefähr noch eine Linie tiefer die beiden A. A. axillares (f.f.). Die Eingeweidearterie wendet sich sogleich bei ihrem Ur- sprunge mehr nach rechts. Ihr rechter und oberer Rand läuft unmittelbar in den rechten Rand des Anfangstheiles der Aorta aus, während ihr linker und unterer Rand sich theils aus der Vorderwand, tleils aus dem linken Rande der Aorta her- vorbildet. Die beiden Achselschlagadern erscheinen, wenig- stens in Weingeistexemplaren, gleich den Nebenherzen dersel- ben, untereinander etwas asymmetrisch. Die rechte A. axil- laris entsteht etwas tiefer, setzt sich mit ihrem oberen und unteren Rande nach oben und unten in den rechten Seiten- rand der Körperschlagader fort, entspringt aber zugleich aus der rechten Hälfte dieser letzteren, hat zuerst eine Breite von etwas mehr als 4“, beginnnt, nachdem sie 34 verlaufen, ihr Nebenherz darzustellen, und tritt aus diesem eben so stark ungefähr, als sie sich hineinbegeben, hervor. Die linke A. axillaris entspringt ein wenig höher, ist beinahe 4 breit, und zeigt das innere Ende ihres Nebenherzens schon 24” nach aussen von ihrem Ursprunge aus der Bauchaorta. Die geringe Asymmetrie der Ursprungsstellen beider Achselschlagadern ist vorzüglich deutlich, so lange sich die Theile in ihrer natürli- chen Lage befinden. In isolirtem Zustande stellt sich der Un- terschied schwächer heraus. Dass aus jeder Achselschlagader ein Ast für den Seitenmuskel und ein Zweig für den Kopf enispringe, ist schon von Duvernoy (Ann. des sc. nat. T. VIII. 1837. 8. Zoologie p. 37.) angeführt worden, Jedes der beiden Nebenherzen besitzt im Ganzen eine der Spindelform sieh annähernde Gestalt, und steht schief von hin- ten und innen nach vorn und aussen. Das rechte (Fig. 6. g.) zeigte sich elwas langgezogener, besass eine Länge von 14 und eine grösste Breite von 43—3”', und erschien von den Seiten elwas zusammengedrückt. Das linke (g‘) war kürzer und gedrungener, 1” lang, an seiner am meisten bauchigten Stelle fast 1” breit, und mehr von unten nach oben compri- 42 mirt. ‚Ob diese Differenzen constant oder ‚nur zufällig seien, vermag ich nicht zu: bestimmen. Jedes der beiden Nebenher- zen ist an seinem innern Anfange schmal, erweilert sich dann bauchigt, und verschmälert sich nach aussen von Neuem, doch so, dass das äussere Ende von dem inneren an Breite über- troflen wird. Jedes dieser Organe wird’ durch eine schwache Längsfurche an seiner gegen die Bauchfläche gekehrten, mehr ebenen Wandung in eine vordere und eine hintere llälfte ge- theilt, während seine gegen den Rücken gerichtete Fläche con- vexer und gewölbter erscheint. Nachdem die Achselschlagader aus ihrem Nebenlierzen her- vorgeireten, geht sie gegen die entsprechende Brustflosse hin- über, erreicht nach einem Verlaufe von 2— 24 die grossen Armnervenslämme, und senkt sich zunächst zwischen dem ersten und dem zweiten Bündel derselben ein, um zu ihrer enisprechenden Extremität zu verlaufen. Die Chimaera besitzt einen zwar schwachen, jedoch noch mil freiem Auge deutlich wahrnehmbaren Aortenbulbus (Nig. VI. b.), der sich auf die gewöhnliche Weise am Anfange des Truneus arteriosus vorfindet, und wie aus zwei übereinander gelagerten und untereinander verschmolzenen kugeligen Abthei- lungen zusammengeselzt erscheint. Er, hat eine. Länge von 2,7, unterscheidet sich auffallend durch seine röthliche Farbe von dem übrigen Theile des Arterienstammes, und stimmt hierdurch mehr mit der Herzkammer überein. Bei’ seinem ersten Ursprunge ist, er elwas weniger als 1’ breit, schwillt dänn ein wenig an uud erreicht in seinem übrigen Verlaufe eine grösste Breite von 14”. Der Durchmesser des Truncus arteriosus unmittelbar nach seinem Austritte aus dem Bulbus belrägt 14”. : An der übrigen Aorla, an der Eingeweideschlag- ader, an den Arterien der Niereo, der Geschlechtstheile und der Bauchflossen konnte kein nebenherzartiges Organ beob- achtet werden. Auch der übrige Verlauf der mit Quecksilber ausgesprützien Achselschlagader zeigt keine fernere Anschwel- lung. oder helerogene Umlagerung. Ist.die Arlerie so gefüllt, 43 so sticht die Muskelsubstanz ihres Nebenherzens von der übri- gen Schlagadersubstanz auffallend ab, hat die blassröthlich gelbe Farbe des Fischfleisches und lässt, von seinem äusseren pig- mentirten Ueberzuge entblösst, Längsstreifen, besonders gegen das innere Ende hio, wo das Pigment auch am meisten haftet, wahrnehmen. Die oben erwähnte Längsfurche verschwindet durch die Ausdehnung. Die bauchigte Anschwellung dage- gen bleibt. Die Muskelsubstanz des Neberherzens lässt sich ‚von der Schlagader, welche ringförmig von ihr umgeben wird, mit Leichtigkeit losstreifen, so dass sie im Ganzen nur locker an der Arterie haftet. Unter dem Mikroskope zeigt sie eine körnerreiche Masse, durch welche einzelne Fasern hindurch- schimmern. Bald ohne Vorbereitung, bald nach Anwendung einer verdünnten Lösung von kaustischem Kali, erkennt man Fasern von der Dicke der Muskelfasern des centralen Blutge- fässherzens. Ich muss aber ausdrücklich bemerken, dass ich die Queerstreifen, welche höchst wahrscheinlich in ganz fri- schem. Zustande vorhanden sind, nicht mehr deutlich zu er- kennen vermochte. Sie waren aber auch in dem Arterien- bulbus nicht mehr wahrnehmbar. Innerhalb des Nebenherzens verläuft die Achselschlagader einfach, ohne dass es zur geringsten Klappenbildung oder einer anderen Eigenthümlichkeit käme, hindurch, zeigt hier unter dem Mikroskope ihre normale, faserige Beschaffenheit, und er- scheint nur dem freien Auge an dieser Stelle etwas dünnwan- diger, weil hier wahrscheinlich ihre äussere Haut mangelt, oder vielmelir über der Muskelsubstanz des Nebenherzens hinweggeht. Offenbar steht diese Formation der Nebenherzen mit den schnellen Bewegungen des Thieres, welche ihm bei den italie- nischen Fischern den Namen der Seekatze zugezogen haben, in Beziehung. Interessant ist es, dass trolz der Grösse der Bauchllossen und der Anwesenheit der Nebenherzen keine An- schwellungen am Rückenmarke vorhanden sind. Bei den Tri- len verhält sich die Sache bekanntlich umgekehrt. Es exi- 44 stiren ‘die schon von Collins im siebzehnten Jahrhundert ge- kannten Rückenmarksanschwellungen, während ich bei Trigla hirundo und adriatica keine Spur von Axillarnebenherzen auf- finden konnte. Bei Exocoetus exsiliens vermochte ich eben so wenig, als Arsaky, Rückenmarksanschwellungen und auch kein Merkmahl von Nebenherzen zu beobachten. Es dürfte daher die schon von Tiedemann angedeutete Vermuthung, dass die Rückenmarksanschwellungen mit grösserer Tastem- pfindlichkeit, und nicht mit grösserer Beweglichkeit der Brust- flossen in Beziehung stehen, nach den bisherigen Erfahrungen begründet erscheinen. Erklärung der Kupfertafel. Taf. Il. Fig. 1. bis 5. stellen Centraltheile des Nervensystems eines männlichen, von der Spitze der Schnauze bis zur Spitze des fadenförmigen Schwanzes 2 Fass 5 Zoll messenden Exemplares der Chimaera monstrosa dar, und sind von Prof. Gerber in doppelter nalürlicher Grösse gezeichnet. Fig. 1. Das Gehirn und ein Theil des Rückenmarkes von der Seite gesehen, Fig. 2. Das Gebirn von oben betrachtet. Fig. 3. Dasselbe in seiner Unterfläche, etwas schief gelegt, dargestellt. R Bei allen drei Figuren hezeichnet: a. Die Geruchsnerven (N. N. olfaetorii); d. die Riechtaberkeln (Tubereula ollactoria); c. die Hemisphärenlappen (Lobi hemisphaerici); d. die Längenfurche zwi- schen ihnen (Sulcus longitudinalis loborum hemisphaericorum); e. f. g. den Lappen des Zwischenbirnes (Lobus ventriculi terlii), und zwar e. den Körper, f. den Mitteltheil und g. den Stiel seines Hammers; A. die mittlere Längenfurche des Hammerkörpers; i. klei- nes Gehirn; ö’ hintere Abtheilung desselben; %. das Endhorn des kleinen Gehirnes; 7. die Lappen des vierten Ventrikels (Lobi vertrieuli uarti); m. der hintere Theil des vierten Ventrikels; z. die mittlere Längenfarche zwischen beiden Lappen des vierten Ventrikels; o. jede der äusseren Furchen dieser Lappen; p. die strickförmigen Körper; . das über der Schreibfeder ausgespannte Markblatt; r. Hirnstücke dh Sehnerven mit dem Ueberreste des Chiasma derselben; s. häu- tiger Sack um dieselben; £. der untere Lappen (Lobus inferior); u. der Hiroscheukelwulst (Tuber eruris cerebri); v. die Basis des Hammerstieles des Zwischenhirnlappens; w. die Lappen der herum- schweifenden Nerven (Lobi N. N. vagorum); x. vordere Mittellarche des verlängerten Markes; y- das Dreieck, welches dieselbe vorn be- gränzl; z. der vor diesem Dreieck liegende Theil der Basis cerebri. 45 Fig. 4. Senkrechter Längendurchschnitt des Gehirnes. a. Ge- ruchnerve. 6. Riechkolben. c. Wandung des Hemisphärenlappens d. Ventrikel desselben. e. Gestreifter Körper (Corpus striatum). f. Ba- sis desselben. g. Sehnerve. h. Häutiges Gewebe um denselben nebst Hiroanhang. i. Hintere Abtheilung der mittleren, zwischen Hemisphä- renlappen und kleinem Gehirn mit den Lappen des vierten Ventrikels befinälichen Nervenmasse. %. Vordere Abtheilung derselben. 7. Hori- zontaler Theil des Hammerkopfes. m. Rücklaufender Theil desselben. n. 0. p. q. Mittlerer Durchschnitt der Höhlung des Zwischenbirnham- mers. r. Sylvische Wasserleitung (Aquaeductus Sylvii). s. Vorder- ster, mit der Sehlappenhöhle zusammenhängender, 2. mittlerer, durch die Lappen des vierten Ventrikels gedeckter, w. hinterer, oben offener Theil der vierten Hirnhöhle. v. Der Lappen des vierten Ventrikels (Lobus ventrieuli quarti). ww. Der Anfang des Rückenmarkkanales. x. Der oberste Theil des Rückenmarkes. Fig. 5. Hinterster bandlörmiger Theil des Rückenmarkes, Fig. 6. Vorderer Theil der oben erwähnten Chimaera in na- türlicher Grösse, um die Verhältnisse des Arterienbulbus und der Axil- larnebenherzen zu zeigen. A. Der Mund. B, Theile der äusseren Kie- menspalte. C.C. Die beiden Brustflossen. D. Der durchschnittene Schlund. E. Die nach rechts hinübergelegten Hoden. F. Die nach rechts gezogenen Verdauungsorgane. @. Der aufgeschnittene Herzbeu- tel. a. Die Herzkammer. 5. Der Bulbus arteriosus. c. Truncus arte- riosus. d. Aorta abdominalis. e. Arteria coeliaca. f. f. Die beiden A.A. axillares. g.g- Die beiden Nebenherzen derselben, Der Wiederersatz verstümmelter Krystalle, als Beitrag zur näheren Kenntniss dieser Individuen und zu ihrer Verglei. chung mit denen der organischen Natur. Von Dr. Herrmann Jorvan in Saarbrück. (Hierzu Taf. III. Fig. 1—3.) In der Mannigfaltigkeit der Erscheinungen das Gemeinsame, den Einen, in unendlicher Verschiedenheit gestalteten Gedan- ken zu suchen, ist die erhabene Aufgabe, welche die Natur der vernünftigen Forschung darbietet, und in deren* Lösung die Naturforschung Naturreligion, Erkenntniss des Schöpfers im Geschöpfe, wird. Zu den Tausenden von Erscheinungen, für welche das an- gedeutete Problem noch wenig in seiner Lösung gefördert wurde, gehören die nach ihren physiographischen Characleren mit so grosser Gründlichkeit untersuchten Individuen der un- organischen Natur und ihr Verhältniss zu den Organismen. Während die speculative Philosophie in ihrer Anwendung auf die Natur in beiden, den unorganischen und den organischen Individuen, Glieder oder Entwickelungsstufen Einer höheren Einheit sucht, findet die thatsächliche Erfahrung fast nur -Un- terschiede in ihnen auf, und E. H. Weber’s Ausspruch (Hildebrandt’s Anatomie. Vierte Aufl. I. S. 106.): „dass man die bildende Thätigkeit in lebenden Körpern für sehr ver- schieden von der bei der Krystallisation wirksamen Kraft hal- ten müsse‘, darf daher als Vertreter der Ansichten derjenigen 47 Naturforscher angeführt werden, welche für jede Theorie den sirengen empirischen Beweis fordern. In der Erkenntniss der Organismen hat sich die Erfahrung durch reiehhaltige Entdeckungen in der Entwickelungsgeschichte, zur Anschauung der Einen, durch sich selbst die Gesammtheit der mannigfaltigen Glieder erzeugenden und erhaltenden Thä- tigkeit erhoben, als welche Aristoteles die Seele definirt, indem er von dieser sagt, dass sie das erste Thätige (actus), der Grund und Ursprung eines Naturkörpers sei, welcher der Möglichkeit (potentia) nach Leben hat, als welchen er sodann den organischen Naturkörper bestimmt ı). Im Kırystalle dage- gen ist die Mehrzahl der Naturforscher noch immer geneigt, nichts als die Summe durch gegenseitige Anziehung verbun- dener Massentheilchen zu finden,: — weil sie sich an das Product halten, statt dem ursprünglich Thätigen (der &vreX&xsı«) nachzuspüren. Gerade diese Art der Behandlung aber ist es, welche die Unterschiede zwischen Krystallen und organisirten Körpern zur schroffen Scheidewand aufgethürmt hat: man ver- glich den ferligen Krystall mit dem werdenden Organis- mus, anstatt beide unter dieselben Bedingungen zu stellen, beide im werdenden und beide im gewordenen Zustande zu verglei- chen. Wo indessen jener Fehler vermieden wurde, ist man Verhältnissen begegnet, welche das gemeinsame Gesetz verra- then; hierher gehört die Vergleichung der Symmetrie der or- ganischen und unorganischen Individuen. (Siehe J. Müller’s Physiologie I. S. 21. der ersten Aufl.) Um die Erkenntniss des Krystalls und die Vergleichung dieser Körper mit den Organismen einen Schrilt weiter zu führen, wählte ich ein Phänomer, welches meines Wissens « . 1) De anima Il, 1,, 6. »Alo apuxn Zarıv Evrenexsıa m Xourn „Fnaros yuaınod Zumv % 2Xovrog Surdus, a A Ne „El 8 ru “owov Exi xaons nbuxms öet Aeyeıv, ein av N eur ZVrenexeıa ou. Aaros yuoınob opyarınan.“ — II, 4, A. Eorı 68 m aux Tod Züv- 05 arsyLarog dıria „al aan.“ 48 bisher nur in der organischen Natur beobachtet wurde, wenig- stens nur in ihr eine wissenschaftliche Deutung erhielt, und als eine der schönsten Manifestationen der dieselbe beseeligen- den lebendigen Thätigkeit gilt. Die Erscheinungen des Wie- derersatzes verslümmelter Pflanzen und Thiere, die Heilung der Wunden und überhaupt die Heilkraft der Natur in allen Krankheiten beurkunden dieses ursprünglich und fortan Thä- tige, das Urbild oder Ideal (22608 7 aoepn bei Aristoteles, Physic. und De anima a. a. 1. 1.), welches den Organismus beseelt und den Stoff (0%) in den Richtungen seiner Wirk- samkeit zur Erhaltung und zum lebendigen Fortbestehen des Wesens (ovoi«) gestaltet. Geliören aber diese Erscheinungen der ‘organischen Natur ausschliesslich an? oder regenerirt sich auch der Krystall, wenn er Bedingungen unterworfen wird, welche denen entsprechen, unter welchen der Wieder- ersatz der organischen Körper Statt hat? Und wenn diese Erscheinung auch an den Krystallen beobachtet werden sollte: lässt sich dieselbe aus der vorherrschenden mechanischen An- sicht über diese Naturkörper erklären, aus Kräften, welche der Malerie als solcher inhäriren oder vielmehr welche, wie Kant gezeigt hat, die Materie selbst sind, nämlich zurück- stossende und anziehende Kraft; oder sie ist, wie in den or- ganischen Körpern, die Wirkung eines höheren gestaltenden Prineips, welches im vollendeten Krystalle zwar im Gleich- gewichte der aus ihm hervorgetretenen Gegensätze ruht, oder latent ist !), bei der Störung dieses Gleichgewichts aber und dem Vorhandensein von Stoff, in welchem es sich äussern kann, sich als ein fortan ‚Wirksames bethätigt? Zum Wiederersatze organischer Körper ist nicht allein deren Leben, sondern es ist auch lebensfähige Materie nebst anderen, das Ent- und Bestehen der individuellen Organismen äusserlich bedingenden, sogenannten Lebensreizen erforderlich. 1) Vergl. Carus, Ueber den Begriff des latenten Lebens. Mül- ler’s Archiv 1834. S. 551 M. 49 Soll der Krystall auf das Vermögen des Wiederersatzes geprüft werden, so muss er gleichfalls den Bedingungen unterworfen werden, unter denen sein Entstehen und Wachsthum Statt hattes Diesem augenfälligen Grundsatze folgte ich bei den zahlreichen Versuchen, welche ich über diesen Gegenstand mit verschiedenen Salzkrystallen angestellt habe. Ich verschaffte mir zunächst gut ausgebildele Krystalle, welche leicht und für gegenwärtigen Zweck besonders geeignet auf folgende Weise erhalten werden: Ia die, in einem (10 bis 12 Zoll hohen und 3 bis 4 Zoll weiten) cylinder- oder trichterförmigen Glase enthallene, gesältigte Salzauflösung wird ein feiner Faden ge- hängt; bei der langsamen Verdunstung der Flüssigkeit schies- sen um diesen Faden Krystalle an, aus denen man recht grosse und regelmässige dadurch erzielt, dass man, durch Wegbre- chen der übrigen, ihre Zahl auf wenige einzeln stehende be- schränkt, und diese in der Auflösung fortwachsen lässt (die regelmässigsten Formen erhält man, wenn sich in jedem Ge- fässe immer nur Ein Krystall befindet). Nach der sodann be= werkstelligten Verstümmelung wurde der zum Versuche die- nende Krystall wieder eben so in der nämlichen Salzauflösung aufgehängt, wobei man nur darauf Acht haben muss, dass die Auflösung sich stetz in dem Grade der Sättigung befinde, bei welchem eine ruhige Krystallisation Statt hat. Die mei- sten Versuche wurden mit Alaun angestellt; welcher bekannt» lich aus seiner Auflösung in reinem Wasser als Oclaeder kry- stallisirt, dessen Ecken häufig durch Hexaederflächen und nicht selten gleichzeitig die Kanten durch Dodecaederflächen abge- siumpft sind, und welcher in der Richtung der Oclaöderflä- chen spaltbat ist. — Diese Versuche lehrten folgende Erschei- nungen kennen: 4. Jeder Theil eines Krystalls — mag dieser noch die eine oder andere seiner Begränzungsflächen behalten, oder mag er dieselben sämmtlich verloren haben; mag die durch die Ver- slümmelung hervorgerufene Fläche, welche ich, da die in der Krystallographie gebräuchlichen Benennungen zu ihrer Bezeich- Müller's Archiv. 1912. A 50 nung nicht genügen, die Verstümmelengsfläche nennen werde, eine Gestalt haben, welehe man will, mag dieselbe eine Bruch- fläche. oder mag sie vollständig (mittelst der Feile und eines mit heissem Wasser befeuchteten Pinsels) geebnet sein — er- gänzt sich unter den geeignelen Umständen zum vollständigen Individuum. 2. Mit der Ergänzung des verstümmelten Theils findet gleichzeitig ein Fortwachsen des ganzen Krystalls Stalt; das Bestreben der bildenden Thätigkeit aber ist vor- zugsweise darauf gerichtet, den Verlust zu er- setzen. 3. Das Erzeugungsbestreben steht in geradem Verhält- nisse zu der Grösse des Verlustes, und nimmt in dem Maasse ab, als der Verlust ersetzt ist. Da Abweichungen in der Grösse gleichartiger Flächen eines Krystalls zwar eine Unvollkommen- heit, nicht aber eine Unvollständigkeit des Individaums bezeich- nen, und da Spaltungsflächen sich ebenso wie Krystallllächen verhalten, so gilt eine Verkleinerung des Krystalls nach sei- nen Spaltungsrichtungen nicht als ein wesentlicher Eingriff in seine Individualität. Wiewohl nun zwar ein Kıystall, wenn er sich frei von allen schädlichen äusseren Einflüssen bilden kann, stets sein malhematisches Ideal darzustellen, und ein unvollkommen ausgebildeter oder ein gespaltener (nach seinen Blätterdurchgängen verkleinerter) Krystall unter geeigneten Ver- hältnissen sich diesem Ideale wieder zu nähern strebt, so folgt doch aus dem Obigen und wird durch den Versuch bestätigt: dass der Ansatz neuer Substanz weit lebhafter auf Bruchflä- ehen als auf Spaltungsflächen von Statten geht. — Ebenso folgt aus dem Gesagten und bestätigt sich gleichfalls im Ver- suche: dass Verstümmelungen, durch welche Flächen gebildet werden, welche einer Combinalion des verstümmelten Kry- stalls entsprechen, wie z. B. Abstumpfungen der Ecken des Oetaeders (durch Hexaederfkichen), nieht so rasch ergänzt werden wie solche, welche dem Krystalle ganz fremdarlige Formen hervorrufen, und daher, als ei stärkerer Eingriff in 51 seine Individualität, ihn zu einer lebhafteren Reaction anregen, als jene, nur das Gesetz der Symmetrie verletzenden Ver- slümmelungen. 4. Die Ergänzung eines (in seiner Spaltbarkeit zuwider- laufenden Richtungen) verstümmelten Krystalls kommt auf fol- gende Weise zu Stande: Auf der Verslümmelangsfläche schies- sen viele kleine Krystallsegmente an, deren Flächen, Kanten und Ecken den Flächen, Kanten und Ecken des ursprünglichen Krystalls oder der an demselben möglichen Combinationen gleichartig sind. Das gleichzeitige Fortwachsen des Krystalls durch Vergrösserung seiner (Krystall-) Flächen geschieht, so wie auch das Fortwachsen auf Spaltungsflächen, bekanntlich durch Anlegen paralleler Blättchen, deren Flächen, Kanten und Ecken ebenfalls denen des Krystalls, auf welchen sie sich anlegen, oder den an denselben möglichen Combinationen gleich: artig sind, und von denen sich die auf der Verstümmelungs- fläche angeschossenen Segmente nur durch ihr stärkeres Her: vortreten und ihre deutlichere Abgränzung unterscheiden. Auf die nämliche Weise vergrössern sich die Flächen dieser Seg- menle; mehrere Segmente wachsen zusammen, wrobei häufig Combinationsflächen zum Vorschein kommen; zuletzt vereini« gen sich alle Segmente in einen, dem ursprünglichen gleich- arligen und das Individuum vollständig wiederherstellenden Abschnitt. — Nach vollendeter Ergänzung zeigt der Theil, welcher an die Stelle des durch die Verstümmelung bewirkten Verlustes getreten ist, geringere Durchsichtigkeit und deutli- chere Blätterdurchgänge als der erhaltene Theil des ursprüng- lichen Krystalls und äls die Lamellen, welche sich während seines Fortwachsens um denselben und um den ihn ergän- zenden Theil angelegt haben. Der Grund dieser Erscheinung ist ohne Zweifel in der an der Stelle des Verlustes rascher und minder regelmässig als auf den normalen Flächen von Stalten gehenden Ablagerung der krystallisirenden Substanz zu ‚suchen. ‘6. Ebenso wie in einer Auflösung der nämlichen Sub- 4 ’ 52 stanz, verhalten sich verstümmelte Krystalle auch in der Anf- lösung isomorpher Körper, von denen es, nach Gay-Lus- sac’s Beobachtung an Kalialaun und Ammoniakalaun, ‘beson- ders aber durch Mitscherlich’s treflliche Untersuchungen bekannt ist, dass der eine in einer Auflösung des andern fort- fährt zu wachsen. Diese Erscheinung gibt uns in der Farben- verschiedenheit mancher isomorphen Salze, z. B. des Alauns ein sehr passendes Mittel, um den ursprünglichen Theil des Krystalls von dem denselben ergänzenden und dem auf den Krystallllächen fortgewachsenen Theile zu unterscheiden. — Zu der gegenseiligen Ergänzung gleichgestalteter Krystalle vor verschiedener Mischung ist übrigens das Vorhandensein sämmt- licher Elemente des Isomorphismus erforderlich; Krystalle von gleicher Stammform und gleichen Spaltungsrichtungen, aber verschiedenem stöchiometrischen Verhalten, sind nicht im Stande, sich gegenseitig zu ergänzen. Der Flussspath z. B, hat dieselbe Stammform und dieselben Spaltungsrichtungen, wie der Alaun, ist aber in seiner Mischung und in seinem stöchiometrischen Verhalten ‘von diesem ganz verschieden (CaF)): ein verslümmeltes 'Flussspath - Octaeder übt auf eine Alaunauflösung keinen andern Einfluss aus als jeder andere feste Körper, es dient nur zum Anhaltspunkt der kleinen, aus der Flüssigkeit ausscheidenden Individuen, welehe durchaus keine bestimmte Stellung gegen dasselbe zeigen. Einige, nach der Natur in vergrössertem Maasstabe ge- zeichnete Ergänzungs-Phänomene werden das Gesagte anschau- licher machen. Fig. 1.: 000000’ ist ein Alaun-Octa&der, dessen Axen 7 Linien betragen. Dieser Krystall wurde auf folgende Weise verstümmelt: Eine Ecke 0° wurde mit der Feile dergestalt abgetragen, dass die Verstümmelungsfläche abe ein Deltoid @ein von zwei ungleichen Paaren gleicher Seiten eingeschlos- senes Viereck) darstellie, dessen Winkel in die Kanten des Octaöders fielen. Die grösste, die ungleichen Winkel a und.e 93 verbindende Diagonale des Deltoids scheidet die Axe des Kıy- stalls unter Winkeln von 107° 15° und 72° 45‘, und verkürzt dieselbe um 14 Linien. Diese Verstümmelungsfläche entspricht keiner Combination des Alauns. — Nachdem der so verstüm- melte Krystall 84 Stunden lang in einer concentrirten Alaun- auflösung gehangen hatte, war er vollständig ergänzt und stellt ein Octaöder 000000 dar, dessen Axen 1 Zoll betragen. Fig. 2. zeigt die Erscheinungen der noch wenig fortgeschrit- tenen Ergänzung an einem verstümmelten Oclaöder von Chrom- alaun. Dieser Krystall, dessen Axen vor der Verstümmelung 44 Linien maassen, wurde bis zur Hälfte in der Art abgetra- gen, dass die eine, durch die Verstümmelung halbirte und nunmehr 24 Linien grosse Axe auf der, ein Quadrat darstel- lenden Verstümmelungsfläche senkrecht stand, und die beiden anderen Axen mit den Diagonalen derselben zusammenfielen. Die Verstümmelungsfläche wurde mit der Feile und einem in heisses Wasser getauchten Pinsel geebnet. — Nachdem dieser Stumpf 4 Stunden lang in einer concentrirten Auflösung von gewöhnlichem Alaun gehangen hatte, maassen die unverletzten Axen 5 Linien, die halbirt gewesene Axe 23 Linien, woraus sich ergiebt, dass letztere ebensoviel gewachsen war, wie die ersteren. Die Veränderungen, welche auf der Verstümmelungs- Näche Statt gefunden haben, stellt die Abbildung durch eine horizontale Projeclion in vierfacher Vergrösserung der Durch- messer dar: die Fläche Aa Bd, BlCe, CcDd, DdAa sind Octaederllächen und schliessen den Theil ein, welcher sich über die Verstümmelungsfläche und deren, durch das Fort- wachsen des Krystalls gebildete Fortsetzung erhoben hat. Die Fläche abcd, welche 4 Linie über der ehemaligen Verstüm- melungsfläche (der Halbirungsfläche des Krystalls) liegt, ist durch Furchen in viele kleine Felder abgetheilt; die die Fur- elien bildenden Flächen und jene Felder entsprechen der Stamm- form und den Combinationen des Alaans: sie gehören dem Octaöder und dem mit demselben combinirten Dodeca&der und Mexaöder an. 54 Fig. 3. zeigt in verticaler Projeetion und vierfacher Ver- grösserung der Durchmesser die Erscheinungen, welche der nämliche Krystall von Chromalaun unmittelbar nach der Ver- stümmelung, 000; und nach längerem Verweilen in con- centrirter Alaunauflösung darbot; nämlich nach 24 Stunden, o’0‘o'0o‘0o‘, nach 72 Stunden 0° 0“0“o“ 0“, und nach 120 Stun- den 0’ 0" 0“'0"'o““, Sämmtliche, an dem Ergänzungstheile vorkommende Flächen, Kanten und Ecken gehören dem Octa&- der, Hexaöder und Dodecaöder an. p bezeichnet einen Ab- schnitt der Combination des Octatders und Hexaöders, welcher sich über die äusseren integrirenden Segmente erhoben hat. Die bisherige Untersuchung über den Wiederersalz ver- slümmelter Krystalle hat das Bestreben der Individuen, ihre Integrität zu erhalten und materielle Verluste durch Gestaltung neuer Materie nach dem Bilde ihrer ursprünglichen Form zu ersetzen, als eine in der unorganischen Natur, ebensowohl wie in der organischen, wahrzunehmende Erscheinung dargethan, als eine Erscheinung, welche dem Individuum als solehem angehört, mag dasselbe einen gegliederten Leib oder die ein» fache Struetur des Krystalls haben, Fragen wir nun nach der Ursache dieser Erscheinung bei den Krystallen, so müssen zuvörderst alle Versuche, dieselbe aus mechanischen Gesetzen zu erklären, als ungenügend zu- rückgewiesen werden. Die Anziehung der Masse kann nicht die Ursache der Ergänzung sein, da dieselbe in der Riehtung des Verlustes am schwächsten sein würde, Ebensowenig wird der Verlust durch eine gleichmässige Aggregation der aus der Auflösung krystallisirenden Substanz um die Flächen des ver- stümmelten Krystalls ersetzt; in den meisten Fällen würde im Gegentheil bei einer gleichmässigen Ablagerung neuer krystal- linischer Substanz auf sämmtliche, die Verstümmelungs- so- wohl als die normalen Flächen, die der Verstümmelungsfläche entsprechende Fläche, in gleichem Maasse wie die übrigen Flächen, grösser werden; — der Ansalz neuer Substanz hat, wie wir gesehen haben (vergl. oben No, 2.), vorzugsweise in 55 der Richtung des Verlustes Statt. Auch kommt die Ergän- zung nicht zu Stande durch eine, nach atomistischer Natur ansicht gedachte Anziehung gleicharliger Flächen, denn die Anziehung war viel stärker gegen Bruchflächen als gegen Spal- tungsflächen (vergl. No. 3.), Die Zahl der Berührungspunkte endlich, welche sich auf einer Bruchlläche in grösserem Maasse der kryslallisirenden Substanz darbietet, als auf einer Krystall- fläche von gleichem Umfang, kann die Ergänzung nicht er- klären, da dieselbe ebenso gut von Slatten geht, wenn die Verstümmelungsfläche weit vollkommener geebnet wurde, als die Krystallllächen es sind. Aus der Materie also oder den Kräften, deren Zusammen- wirken diesen Namen führt, lässt sich die Ergänzung der Kıy- ställe und somit die Bildung dieser Individuen überhaupt, nicht erklären, wiewohl diese Kräfte auch hier, wie bei allen Ge- slallungen, eoncurriren: die Materie ist in der unorganischen, wie in der organischen Natur, nur das Medium, der Stoff, in welehem das, was sie zum selbstständigen und besonderen Wesen erhebt, ein höheres, gestaltendes Prineip, ein Ausfluss der allgemeinen göllliehen Substanz, in die Erscheinung tritt. Dieses gestaltende Prineip, welches mit der Materie die besondere Form des Daseins bildet, welehe wir Kırystall nen- nen, gleich- demjenigen, welches den Organismus beseelt, sei- ner Wesenheit nach von der Materie unabhängig, wird durch Verluste dieser in seiner idealen Integrität nicht be- einträchligt; es beihätigt dieselbe vielmehr in dem Bestreben, den materiellen Verlust des Individuums durch Gestaltung neuer Materie nach dem Urbilde, welches es selbst ist, zu erselzen, die reale Integrität des Individuums wiederherzustellen. Nur die Materie ist im Krystalle erstarrt; das gestaltende Prineip wirkt in ilım fort, erhaltend, nährend, heilend. Fassen wir wie Hegel empfahl, das Wort „Seele“ in der scharfen Ari- stotelischen Begrillsbesiimmung, so können wir die Manifesta- lionen dieses Princips in den oben aufgeführten Erscheinungen nicht verkennen, und dürfen dem Krystalle wenigstens eine 56 bildende oder nährende Seele (aux? Sasxrıxn) °) nicht abspre- chen. Auch er ist ein Sprössling des unendlichen ewigen We- sens, welches das Weltall beseelt: er ist die erste Stufe der Entwickelungen, welche der Ewigschaffende im Schoosse der mütterlichen Erde (,‚Mater, Materie“) erzeugt. Bemerkung. Der Grundversuch, auf welchen sich die im Obigen ent- wickelle Ansicht vom Krystall stützt, wurde zu Anfang des Jahres 1838 angestellt, und in demselben Jahre hatte ich das Vergnügen, meinen geelhrrten Freunden und Lehrern, den Herren J. Müller, G. Bischof und J. Nöggerath meine Beobach- tung mitzutheilen, deren weitere Verfolgung durch Berufsge- schäfte verzögert wurde. Unterdessen wurde mein Interesse lebhaft angesprochen von den wichligen Arbeiten der Herren J. N. Fuchs, über Amorphismus und Krystallismus, neuerlich zusammengestellt in dessen Abhandlung „Ueber die Theorien der Erde,“ in „Gelehrte Anzeigen der K. Bayer. Akademie der Wissenschaften, Jahrg. 1838, No. 26—30,'— und H. F, Link, „Ueber die erste Entstehung der Krystalle,“ Poggen- dorff’s Annalen, Bd. XXXXVI, S, 258, auf welche ich die wiederholte Aufmerksamkeit des geneigten Lesers lenken möchte, da dieselben auf dem Wege des Versuchs und der Beobachtung ebensowohl über eine trostlose atomislische Naturansicht hin- wegführen, als sie auch im Krystalle die Thätigkeit nachwei- sen, welche über der Materie steht. *) Ueber diesen Begriff, welchen übrigens Aristoteles den Krystallen nicht zuerkennt, vergl. De anima Il. 4. Hemmungsbildung des Magens, Mangel der Milz und des Netzes. Von Dr. H. L. F. Roserrt. Privatdocent an der Universität Marburg. (Hierzu Taf. II]. Fig. 4—7,) Hemmungsbildungen des Magens sind im Ganzen wenig be- kannt. Von den Einschnürungen des Magens in zwei Hälften, wie sie Home, Otto, Meckel als angeborene Missbildungen anführen, weiss man nicht, ob sie nicht erst später entstanden waren. Nachstehender Fall, welchen wir in unserem Tage- buche aufgezeichnet haben, möchte daher in doppelter Bezie- hung die Aufmerksamkeit des Physiologen in Anspruch nehmen, einmal durch die darmähnliche Bildung des Magens bei feh- lender Milz und unvollkommener Entwickelung des Pancreas, und dann durch den abnormen Verlauf des Peritonäums und Mangel aller sogenannten Netze. Die Leiche des in Rede stehenden Kindes wurde von dem Findelhaus in die Sectionsanstalt in Wien am 10. September 1838 abgegeben. Der Director dieser Anstalt gestaitele mir die Leichenöffnung zu machen. Das Kind hatte drei Tage in dem Findelhause gelebt, stets geschlafen und die Brust nicht genommen, Kindspech und Urin waren abgegangen. Die äussere Bedeckung, Haare und Nägel waren vollkommen ausgebildet, die grosse Fontanelle oflen, ilir gerader Durchmesser betrug 7°, ihr querer 6%. Die Durchmesser des Kopfes standen in folgeudem Verhältniss: der 58 gerade betrug 434”, der diagonale 5”, der kleine Querdurch- messer 34”, der grosse 34”, der Umfang des Kopfes 154, die Breite der Schultern 44”, des Steisses 34”. Die Länge des Kindes betrug 184”. Das Kind war gut entwickelt, die Na, senknochen verdickt; der linke Vorderarm, Handwurzel und Hand nur als Rudiment vorhanden. Das Fleisch der Fxtre- mitäten schlaff, der Thorax gewölbt, Unterleib ausgedehnt, Die weiblichen Geschlechtstheile vollkommen entwickelt. Die Seclion zeigte Ueberfüllung des Gehirns und seiner Hüllen mit Blut, weiche Beschaffenheit des Gehirns, ‘wenig seröse Flüssigkeit in den Hirnhöhlen, die Schleimhaut ber Nase verdickt, mit eiterigem Schleim bedeckt, keine Geschwüre. — Die Brustorgane, Herz und Lungen vollkommen normal ge- ' bildet, die Lungen in ihrem untern Theile mit Nüssigem, schäu- mendem Blut überfüllt. Bei der Oeffnung des Unterleibs fanden wir, dass sich der rechte Leberlappen ebeusoweit in das rechte Hypochon- drium erstreckte, als’ der linke Leberlappen dies im normalen Zustande in das linke zu thun pflegt. Der Quergrimmdarm war nach seiner ganzen Länge an den unteren und vorderen Rand der Leber geheftet, von einem Magen war keine Spur zu sehen. Der Dünndarm, der an seiner gewöhnlichen Stelle das Mesocolon durchbohrte, hatte, wie der Dickdarm, eine ganz normale Lage. Bei genauerer Untersuchnng des Verhält- nisses zwischen Leber und Quergrimmdarm fanden wir die- sen und sein Mesocolon transversum in seinem ganzen Ver- laufe mit der untern Fläche der Leber verwachsen. Die Ver- bindung zwischen beiden war sehr locker und leicht za tren- nen, das Mesocolon transversum bestand deutlich aus zwei Blättern. Erst nachdem Colon und Mesocolon transversum von der Leber getrennt waren, kam der ganz darmähnliche Magen mit dem Duodenum zum Vorschein, der dicht au der Wirbelsäule anlag und von dem Duodenum nur durch eine kleine Einschnürung getrennt war. Er halte eine Länge von 43 und eine Breite von 34”. Sobald nämlich der Oesophagus 59 das Diaphragma durehbohrt hatte, wandte er sich, ohne sich zu erweitern, unter einem rechten: Winkel nach rechts, ‚und ging ohne andere Veränderungen in das Duodenum über.. Nur an seiner Umbeugungsstelle zeigte er eine Erweiterung von der Grösse einer Haselnuss als Andeutung des Blindsackes des Magens. Die Milz fehlte gänzlich. Das 44“ breite und 16” lange Pankreas erstreckte sich von dem Winkel des Magens bis in die Aushöblung des Duodenums; Der Diekdarm zeigte keine Zellen noch netzförmigen Anhänge. Das Peritonäum ging, von der convexen Fläche der Leber kommend, sogleich in die untere des Mesocolons über. Um die Sache noch deutlicher anschauen zu können, ha- ben wir Fig. 4. den Magen im Zusammenhang mit dem Pan- kreas gezeichnet. «&) Oesophagus, 2) Andeutung von der Car- dia, c) Andeutung des Blindsacks des Magens, d) der kleinen Curyalur entsprechender Theil des Magens, e) Andeutung des Pylorus. f) Gallengang, g) Duodenum, A) Uebergang desselben in den Dünndarm, die Stelle, wo dasselbe das Mesocolon trans- versum, durchbohrt, 2) Körper und Schwanz des Pankreas, k) Kopf desselben, Fig. 5. zeigt den Umriss des Magens nach Wegnahme des Paukreas. Fig. 6. Der in Rede stehende Darmiheil ist aufgeschnit- ten: a) Oesophagus, 5) Cardia, e) Blindsack; d) kleine Curva- tur, e) Pylorus, g) Duodenum, A) beginnender Dünndarm, I) Mündung des Ausführungsganges des Pankreas, m) des Le- berganges im Zwölffingerdarm. - Fig. 7. Längendurchschnitt des Magens («), des Pan- kreas (5), des Duodenums (c), der Leber (d) und des Queer- grimmdarms (e), um das Verhalten des Peritonäums zu zeigen. (|) Peritonealüberzug der vorderen Fläche der Leber, (||) des Queergrimmdarms, (|]]) Mesocolon transversum in seiner gan- zen Länge mit dem Peritonealüberzuge der untern Fläche der Leber verwaclısen. Fragen wir nun nach der Genesis dieser Hemmungsbildung, 60 so ist wohl nicht zu bezweifeln, dass der Magen sich primär nicht erweiterte, sondern eine darmähnliche Form behielt, die von der des Duodenums nicht abwich. Gleichwohl nahm der- selbe eine transverselle Lage an, indem er dem Zwölffingerdarm folgte. Als unmitielbare Folge der Enge des Magens ist der Mangel der Magenbänder und des Netzes zu betrachten. “Der Magen senkte sich nieht so tief in das Bauchfell ein,-dass da- durch ein Mesogastrium entstanden wäre, welches die bekann- ten Veränderungen zur Bildung des Netzes eingehen konnte, sondern blieb, wie der Zwölffingerdarm, ausserhalb des Peri- tonäums liegen. Der Peritonealüberzug der untern Fläche der Leber ging daher zur vordern Fläche des darmähnlichen Ma- gens, und von dort ursprünglieh in die obere Platte des Me- socolons über. Dann aber verwuchs diese mit dem Peritoneal- überzuge der untern Fläche der Leber, indem dieser zu ihr in demselben Verhältnisse stand, als die hintere Platte des sackartig erweiterten Mesogastriums bei normaler Entwickelung eines Netzes, so dass also das Peritoneum der oberen Fläche der Leber in das des Colon transversum und dann in die untere Platte des Mesocolon transversum überging. ——nnn oe Ueber Doppelbildung. Von F. Farsepeck in Braunschweig: (Hierzu Taf. IV., V. u. VI.) Die Frau des Tagelöhners Bätge aus Königslutter im Her- zogthume Braunschweig, 38 Jahre alt, kräftig und gesund, von sanftmüthigem, ruhigem Character, wurde im Herbste 1838 von ihrem gleichfalls gesunden und rüstigen Manne zum drit- ten Male beschwängert. Die Schwangerschaft verlief ganz re- gelmässig olıne alle Beschwerden, ausgenommen dass die Oben- genannte im Verlaufe derselben oft hin und wieder kleine Ge- müthsaflecte erlitt, die ihr durch den Jähzorn ihres Ehemanns erweckt wurden. Die Bätge wurde durch die Hebamme nach einer etwas schweren Geburtsarbeit von einem gut genährten, vollkommen ausgetragenen Knaben entbunden, der mit einem am Ober- bauche aufsitzenden, parasitischen, der obern Leibeshälfte er- mangelnden Rumpfe, durch einen kurzen, ungefähr 44 Zoll im Durchmesser haltenden Stiel zusammengewachsen war. Wie die Placenta und die Nabelschnur geformt gewesen sind, darüber habe ich weiter nichts ermitteln können, als dass die Hebamme die letztere sehr dick, beinah noch einmal so stark wie im normalen Zustande gefunden hat; die Nachgeburt ist von ihr weggeworfen worden. Die Bauchhaut des Knaben schlägt sich in die Oberhaut des Stieles und des Parasiten, ohne irgeud eine Abnormilät zu zeigen, 62 um. Der parasitische Rumpf ist ebenfalls männlichen Ge. schlechtes, aber in sofern mangelhaft ausgebildet, als der rechte Unterschenkel fehlt, die beiden Oberschenkel aber liegen in ihrer natürlichen Stellung an den Seilen des Unterleibes des Knaben an. Das gesunde und alle Lebensfunctionen gehörig verrichtende Kind trug seinen Halbcameraden vorn am Leibe, dicht neben dem Nabel, nach links und oben, jedoch so dass der Parasit nach oben und unten gewendet werden konnte. Der parasitische Rumpf hatte an seiner Rückenfläche eine con- vexe Form, und bestand fast nur aus weichen Theilen; denn er ermängelte einer Wirbelsäule und fühlte sich wie eine Gummiflasche an. Der untere-Theil des Parasiten war ziemlich normal entwickelt. Das Becken schien schon beim ersten An- blicke seine wesentlichen Theile, das Kreuzbein ausgenommen, zu besitzen. Dass das Kreuzbein mit sammt dem Steissbeine fehle, liess sich daraus schliessen, dass beide Hüftbeine mit- einander einen gewölbten Bogen bildeten. Eine blinde Ver- tiefung bezeichnete die Stelle des Alters. Die Geschlechtstheile des Parasiten befinden sich an ihrer normalen Stelle und sind ziemlich gross. Das männliche Glied desselben ist 14 Zoll lang; eine Sonde lässt sich beinahe 2 Zoll tief durch die Harnröhre einführen, Das Serolum ist leer. Die unteren Gliedmaassen sind in den Gelenken unbeweglich. Dass die Eingeweide des Parasi- ten mit denen des Kindes keinen Zusammenhang hätten, liess sich sogleich daraus schliessen, dass, wenn das Kind schrie; keine Aufblähung weder des parasitischen Rumpfes noch des Stieles bemerkt wurde. Das Kind und der Parasit liessen beide ihren Urin, aber unabhängig voneinander zu verschiedenen Zeilen. Wenn der Parasit gelinde nach oben oder unten ‚gedreht wurde, so äus- serte das Kind nicht die mindeste Spur von Schmerz oder Empfindung, selbst dann nicht, wenn man den parasitischen Rumpf mit einer Nadel stach, oder ihn mit den Nägeln knift, weraus erhellte, dass ‚der Mutterstamm dureh keine Nerven- 63 verbindung mit! dem Parasiten zusammenhing. Nur in dem Falle, wo man den Parasiten zu stark und zu anhaltend reitzte, oder von seinem Bruder hinwegzog; fing letzterer an zu schreien, indem die Bauchdecken desselben zu sehr gezerrt wurden. An dem parasitischen Rumpfe bewegte sich keine Exire- - _milät; zuweilen schien es, als ob die grosse Zehe sich bewege, aber nur in einem unbedeutenden Grade. Die Wärme des Parasiten war etwas geringer als die» des Kindes, Das Schwitzen kam bei beiden Brüdern gleichzeitig vor, nur mit dem Unterschiede, dass der Schweiss bei dem Parasiten etwas käller war. Aus dem Angeführten erhellet, dass keine Communication zwischen dem Darmkanale und den Nerven beider Brüder vor- handen war; wohl aber liess sich annelımen, dass die den Parasiten ernährenden Arterien aus dem vollkommen ausgebil- deten Kinde hervorkämen, und dass die Venen aus dem Pa- rasiten durch den Stiel zu jenem zurückgehen möchten. Bei der wiederholt angestellten Untersuchung an dem lebenden Monstrum entstand die Frage: ob eine Abtrennung des Para- siten ohne Lebensgefahr für das Kind möglich und indieirt sei; denn wenn der Parasit an seinem Bruder hängen bliebe, so würden für diesen daraus manche üblen Folgen erwachsen. Es konnte nämlich ersllich der Parasit zu schwer werden, und so einen bedeutenden Druck auf den Leib des Kindes verur- sachen, wodurch selbst die Verdauung dieses gestört werden konnte; zweitens war es möglich, dass die Bauchmuskeln dureh den anhaltenden Druck so sehr geschwächt und unthälig ge- macht werden würden, dass sie sich nicht gehörig zusammen- ziehen könnten; drittens endlich war vorauszuseben, dass der Knabe, wenn er seinen Verstand bekommen haben würde, er höchst wahrscheinlich seinen Eltern den Vorwurf machen werde, dass. sie ihn nicht bei Zeiten von dieser Last hätten befreien lassen. Contraindieirt würde die Operation allenfalls durch. die Möglielikeit, ‚dass ‚sich in: ‚Folge jener eine Entzündung der 64 Eingeweide oder der Bauchdecken ausbilden könnte, ‘die das Leben des Kindes gefährdet haben würde. — Auch war zu fürchten, dass, wenn Nerven von dem Kinde an den Parasi- ten abgegeben würden, nach einer Unterbindung des Stiels durch diese leicht ein so heftiger Nervenreiz entstehen könne, dass derselbe in Trismus und Tetanus übergehe. Nachdem ich die Vortheile und Nachtheile einer Opera- tion erwogen hatte, so schienen mir die ersteren überwiegend zu sein, und ich sprach mich, sammt der Mehrzahl der hiest- gen Aerzte, für die Operation, jedoch unter einer zweifelhaf- ten Prognose aus. Es wurden aber der Ausführung derselben dadurch un- überwindliche Hindernisse in den Weg gelegt, dass die EH tern des Kindes erklärten, sie würden auf keinen Fall in eine solche Operation einwilligen. Wäre diese genehmigt worden, so hätte sie auf eine drei- fache Weise vollzogen werden können: 1) Nämlich durch Legung einer Ligalur üm den ganzen Stiel herum und durch allmählige Zuschnürung derselben; da man dann, wenn Nervenzufälle eingetreten wären, mit jener hätte wiederum nachlassen können. 2) Wäre die Ligatur nicht zulässig gewesen, so hälte man den Stiel mit einigen Schnitten durchirennen, die Gefässe unterbinden, und die Wundfläehe wie ein einfaches Geschwür behandeln können. 3) Hätte man bei der vorerwähnten blutigen Operation eine Schlinge der Gedärme des Kindes im Stiele vorgefunden, so hätte man den Fall wie einen Darmbruch behandeln müssen. Ich habe hiemit meine Indicationen zu der Operalion au dem lebenden Kinde ausgesprochen und werde nun den Se- etionsbefund angeben. Das Kind starb in der funfzehnten Woche in Folge eines Krampfes. Es wurde sogleich die Anzeige dieses Todesfalles an das Direetorium des Herzogl. anatomisch-chirurgischen In- stitutes gemacht, worauf der Herr Director Bode mir des gr [ 65 Auftrag ertheilte, nach Königslutter zu reisen und das Mon- strum für die Anstalt anzukaufen. Ich vollzog diesen Auftrag und schickte mich darauf zur anatomischen Untersuchung des fraglichen Gegenstandes an. Ehe ich zu der innern Untersuchung schritt, injieirte ich ‚zuvor die Arterien des Knaben, um besser den Verlauf der- selben sehen zu können. ‘ Die Section des Kindes ergab keine Normwidrigkeiten, die des Parasiten aber zeigte folgende Merkwürdigkeiten: 1) Die Knochen anlangend. so waren: a) Die Darmbeine !) vorhanden und man konnte ganz deutlich die Trennung zwischen den Hüft-, Schaam- und Sitz- beinen wahrnehmen; diese drei Theile waren bis auf die Hüft- beine ganz normal; diese aber, anstatt mit dem Seitentheile des Kreuzbeines verbunden zu sein, waren, da das Kreuzbein und Steissbein fehlten, unter sich selbst verbunden und bil- deten einen gewölbten Rand. Die Beckenhöhle hatte eine eiförmige obere Oeflnung. b) Auch die Oberschenkel ?) waren beide vorhanden, der rechte jedoch war etwas schwächer genährt und etwas kür- zer als der linke, sonst aber ganz normal. Die Gelenkköpfe der Oberschenkelknochen waren in den Pfannenhöhlen beweglich, diese Beweglichkeit aber war nur Folge der nunmehr durchschnittenen Gelenkkapseln, welche vor der Durchschneidung zu sehr gespannt waren, um eine Bewegung zu gestalten. ' e) Der linke Unterschenkel ?), aus der Tibia und Fibula bestehend, war ganz normal. An der rechten Seite aber ‘war nur ein Knochenstück, ähnlich der Tibia *), von einem Zoll Länge vorhanden. 1) Tab. V. 1. Tab. VI. 1. 2) Tab. V, 2. Tab, VI. 2, 3) Tab. V. 3. 4) Tab. V. 4. Müllers Archiv. 1812. 5 66 Von einer Kniescheibe traf ich an beiden Schenkeln keine Spur an. "ann! d) Die -Fusswurzelknochen *) und Zehenglieder waren zwar natürlich geformt, aber noch theilweise von knorpelarti- ger Beschaffenheit. 2) Von Bändern war weiter nichts zu sehen, als dass die Gelenkenden von Kapseln umgeben wurden. 3) Die Muskeln anlangend, so fand ich stalt ihrer ein festes. weisses Felt, in welchem die Muskeln nur durch apo- neurolische Ausbreitungen einigermaassen angedeutet waren. 4) Was die Arterien betrifft, so war die Arteria mamma- via interna sinistra ) des Kindes so dick wie ein Federkiel, und verlief geschlängelt. Sobald diese Mammaria interna un- terhalb des Processus 'ensiformis hervorgekommen war, tral sie durch den Stiel nach links in die Beckenhöhle des Para- siten ein und theilte sich hier in einen linken Ast, als Ar- terio eruralis sinistra ?), welcher mit der Vena eruralis und dem Nervus cruralis zur innern Seite, des Oberscheukels ging, und ferner in einen rechten starken Ast, welcher. zwischen denn Fundus der Blase und zwischen der Niere, hinter dem Ureler, zum rechten Oberschenkel als Arteria cruralis dextra *) verlief; diese gab auf diesem ihren Wege folgende Aeste ab: a) zwei Aeste zu der Niere °); b) drei bis vier Aeste, welche dureh die Beckenhöhle traten, und ec) die Arteria umbilicalis $), die in ihrem Verlaufe einen Ast als Arteria sperimalica interna ”) abgab, welcher das Vas deferens begleitete und bis in den Testikel sich verfolgen liess. 1) Tab. 2) Tab. 3) Tab. VI. 7. 4) Tab. Vl. 8. 5) Tab. VI. 9. 6) Tab. VI. 10. 8) Tab. VI. 11. 67 Die Fortsetzung der Arteria umbilicalis ging wieder rückwärts durch den Stiel zum Annulus umbilicalis :) des Kindes. 5) Die Venen fingen an den Enden der Extremitäten des Parasiten an und drangen dann in die Beckenhöhle desselben ein, wo die Vena eruralis destra 2) den längsten Lauf zu ma- chen hatte, diese nahm auf ihren Wege zwei Venae umbili- eales ?), eine Vena renalis *), eine Vena spermatica interna °), und einige Venae hypogastricae auf, auch stand sie dann (nach- dem sie diese aufgenommen hatte) an der linken Seite des Beckens, mit der Vena eruralis sinistra %) in Verbindung. Beide Venae crurales bildeten einen gemeinschaftlichen Stamm ?), welcher an der rechten Seite der Arleria mammaria interna bis zum Processus ensiformis des Kindes fortging, und sich dann hinter demselben in zwei Venae mammariae internae ®) spaltete; diese Mammariae internae waren von ziemlicher Dicke und mündeten in die Venae subelaviae °) ein. 6) Die Lymphgefässe und die Vena portarum !°) waren im Parasiten, wie es mir schien, vorhanden. Alle diese Ge- fässe lagen dicht bei dem unten weiter zu beschreibenden blin- den Ende des Darmes nebeneinauder und traten durch den Stiel oberhalb der Nabelgefässe nach rechls in den linken Le- berlappen des Kindes ein. 7) Die Nerven anlangend, so war auf deren Beschäffen- heit, als ich die Untersuchung des Monstrums begann, mein hauptsächlichstes Augenmerk gerichtet, um daraus physiolo- 1) Tab. VI. 12. 2) Tab. VI. 13. 3) Tab. VI. 14. 4) Tab, VI. 15. 5) Tab. VI. 16. 6) Tab. VI. 17. 7) Tab. VI. 18. 8) Tab. VI. 19. 9) Tab. V. 20. 10) Tab. VI. 21. 68 gische. Resultate zu dedneiten. ., Es würde mir eine innige Freude gewähren, wenn meine: Leser ‘in der Folge fänden, dass ich das mir vorgestreckle Ziel nicht gänzlich verfehlt hätte. Zwischen der Blase, der Niere und dem Ureter, neben der, Arteria eruralis dextra, befanden sich zwei Ganglien *), welehe durch Zweige miteinander in Verbindung standen; aus ihnen kamen wiederum Aeste hervory die theilweise neben den ‚Gefässen verliefen und an der «Bifurcalion der Arteria mammaria ein Knölchen 2) bildeten, welches noch einen Ast ?) von dem Nervus eruralis sinister bekaw. Ferner kamen zwei Aeste an der vordern Seite aus den beiden Ganglien als Nervi erurales hervor, von welchen der linke Ast bedeulend slär- ker *) als der rechte °) war; beide Aesle gingen zu den Ober- sehenkeln. An der hintern Seite der' Ganglien, innerhalb der Beckenhöhle, kamen mehrere Wurzeln ©) aus denselben her- vor, welche untereinander und auch mit-dem Nervus eruralis sinister in Verbindung standen. Aus diesem Plexus entsprangen ferner drei Nerven, nämlich: a) Der Nervus ischiadicus sinister 7), welcher zweimal so stark als b) der Nervus: ischiadieus dexter ®) war. Beide Nervi ischiadiei gingen durch die Beckenhöhle hindurch und ver- theilten sich in die Oberschenkel. Der Nervus isehiadieus si- nister theille sich in der Kniekehle in drei Aeste, nämlich: \ «) in.den Nervus tibialis °), ß) in den Nervus peronaeus '°), und 1) Tab. VI. 22. 2) Tab. VI. 23. 3) Tab. VI. 24. 4) Tab, VI. 25. a. 5) Tab. VI. 25. 2. 6) Tab. VI. 26. 7) Tab. V. 27. 8) Tab. V. 28. 9) Tab. V. 29. 10) Tab. V. 30. 69 ») in den: Nervus cutaneus posterior eruris '). Alle diese drei Aeste vertheillen sich am Fusse ‚(ohne sich miteinander zu verbinden) gauz regelmässig. e) Zuletzt noch ein Nervus cutaneus posterior ?), welcher durch die Beckenhöhle in das Fett trat und sich bis zu der Haut verfolgen liess, in welche er sich verbreitete. Obige erwähnten Ganglien, welehe ich für ein Surrogat des Nervus sympathicus halte, aus welchen alle ‚diese Nerven enisprangen, verlreten also das abwesende Rückenmark, aus dem im: normalen Falle jene ihren Ursprung hätten nehmen müssen. 8) Was die Häute anbelrifft, so erstreckte sich die äus- sere Lamelle des kindlichen Peritonäums durch den Stiel in den parasitischen Rumpf und bildete zwei Säcke, die durch eine Oeflnung miteinander in Verbindung standen. In diesen beiden unter sich communieirenden Höhlen be- fand sich eine Darmschlinge. Die äussere Peritonäallamelle im Unterleibe des Kindes, eigentlich eine fibröse Haut, nahm im Rumpfe des Parasiten, an ihrer innern Seile, eine seröse Be- schaffenheit an. Die eben genannte Lamelle bekam zunächst von der Vagina reelo-abdominalis, und diese wieder von der Faseia superficialis einen Ueberzug. 9) Die Eingeweide betreffend, so habe ich schon oben auf die blinde Vertiefung des Afters aufmerksam gemacht; ‚auch habe ich schon bemerkt, dass ich bei der innern Untersuchung eine Darmschlinge ?) in den erwähnten zwei Höhlen, welehe dureh eine Oeflnung miteinander ‘in Verbindung standen, vor- fand. Diese Darmschlinge war 48 Zoll lang und überall von gleicher Dicke. Von einem Magen und einem eigentlichen Mastdarme war nichls zu erkennen. Der obere Theil dieses Darmes endete blind *) und hing mit jenem Gefässbündel zu- 1) Teb. V. 31. 2) Tab. V. 32. 3) Tab. VI. 33. 4) Tab. VI. 34. 70 sammen, welches ich schon oben, wo von den Gefässen die Rede war, erwähnt habe. Das untere Ende !) des Darmes legte sich an den Fundus der Blase an, und öffnete sich da in dieselbe, wo der Ureter und das Vas deferens sich befanden. Die erwähnte Darmschlinge enthielt wenigstens drei Drach- men eines schleimigen Stoffes, welchen der Herr Professor Bruns die Güte halte mikroskopisch zu untersuchen; er er- klärte ihn für abgestossenes und in Zersetzung begriflenes Cy- linder-Epithelium. Die Oeflnung, die aus diesem Darme in die Blase führte, war nicht grösser als ein Nadelknopf. Diese Construclion giebt darüber Aufschluss, weshalb beim Uriniven die ausgeleerte Flüssigkeit von trüber Beschaffenheit war; der Schleim nämlich vermisehte sich mit dem Urin. Ausserdem "bemerkte ich mehrere kleine Drüsen neben dem Darmkanale und neben den Arterien. 140) Die Harnwerkzeuge bestanden in diesem Parasiten: a) Aus einer Niere). Sie lag in der Aushöhlung bei- der Hüftbeine, war ziemlich gross und in vier Lappen getheilt. Da, wo sich diese Jappen in der Mitte vereinigten, entsprang ein Ureter ?), welcher ein Zoll lang war und die Dicke eines Federkieles hatte; dieser öffnete sich in den Fundus der Blase. b) Aus der Blase; sie war länglich und in der Mitte durch eine Einschnürung in eine untere grössere *) und obere kleinere °) Hälfte getheilt, an der sich noch ein kurzer Theil des Urachus vorfand. c) Aus der. Harnröhre, welche ganz normal war. 44). Die Geschlechtstheile endlich anlangend, so habe ich deren äussere Beschaffenheit im Allgemeinen schon oben an gezeigt. 71 Die innere Untersuchung zeigte mir aber noch, dass nur ein Hode ‘), und zwar der rechte, vorhanden war, welcher noch in der Beckenhöhle lag. Er war durch die Arteria sper- matica interna, die aus der Arteria umbilicalis, entsprang, er- nährt worden. Das Vas deferens ?) ging am Fundus der Blase iv eine kleine Erweiterung über, welche sich in der Blase zu öffnen schien. Die Vena spermalica interna, die in geschlängeltem Ver- laufe zu der Vena eruralis dextra lief, endigte sich normal. Die Theile innerhalb und ausserhalb der Beckenhöhle sind in der Zeichnung nicht ganz in ihrer natürlichen Lage darge- stellt worden, weil sie anders nicht augenfällig abgebildet werden konnten. Was nun die erwähnten physiologischen Resultate anlangt, die ich aus diesem Falle zu ziehen denke, so werde ich die- selben in diesem Archive erst dann den Lesern vorlegen kön- nen, wenn ich alle mir bekannt gewordenen Fälle von Para- sitenbildung mit meiner. Beobachtung werde verglichen haben. Diese Vergleichung erfordert aber nicht nur Zeit und Musse, sondern auch ein reifliches Stadium, und ich bin noch nicht so glücklich gewesen, mir alle Quellen zu diesem eröffnen zu können. ’ Die mir zum Theile nur den Titeln nach bekannt gewor- denen Parallelfälle füge ich schliesslich bei, ersuche jedoch die verehrten Leser gehorsamst, die mir noch unbekannten Fälle der Arl gewogentlichst communieiren zu wollen. Bartholin. histor. anatomicarum rariar. cent. X. p. 116 bis 166. Philosoph. transaect. 1789. Diss, auch, Rosensliel, Berol, 1824. Diss. auel, Wirteusohn. Berol. 1825. I) Tab. VI. 40. 2) Tab. VI. 41. 72 Ludw. M..Dietrich, Diss. de, fratribus' stylis ‚ad epiga- sleiam ‚connalis c. 2 fig. Ratipon. 1749. 4to. G.. H. Burghardt’s Sendschreiben, betreffend einen zwei- leibigen, sonderbar gestalteten‘, Mann, Sign.. Antonio Martinelli.aus Cremona. , Franef. a. ‘0. m. 1 Kpfr. „F. B. Osiander Epigrammala ete. No. 240. Meyer, Prof. in Bonn. Eine Missgeburt mit einem Para- siten auf der. Brust. ‚In v. Gräfe und v. Walther Journ. d, Chir, Bd. 10. H. 4. S. 44. (1827). F. Burdach. Ueber Parasitenbildung. (Berlin), .;Med.'Zeit. 1833. No. 47. S. 209.8. Erklärung der Kupfertafeln. Tafel1V. Fig. 1. zeigt den Parasiten in seiner normalen Lage. In Fig. 2. aber ist der Parasit (in Bezug auf den Fötus) nach oben umgewendet worden, um seine vordere Seite und den Stiel, durch welchen er mit dem Fötus zusammenhängt, sehen zu können. a, Der Parasit. d. Der Stiel. ce. Die untero Extremitäten,, d. Der Nabel des Kindes. e. Der Parasit nach oben gewendet. f. Der Pa- rasit nach unten gewendet. _ g-: Die Andeutung des ‚Alters. A. Das männliche Glied. i. Das Scrolum. Taf. V. und VI. 1. Die Darmbeine. 2. Die Oberschenkelkno- chen. 3. Der Unterschenkel. 4. Ein Rudiment der Tibia. 5. Die Fusswurzelknochen. 6. Die Arteria mammaria interna sinistra. 7. Die Arteria cruralis sinistra. 8. Die Arteria eruralis dextra. 9. Zwei Ar- teriae renales. 10. Die Arteria umbilicalis. 11. Die Arteria sperina- tica interna. 12. Der Annulus umbilicalis. 13. Die Vena cruralis dextra,. 14. Zwei Venae umbilicales. 15. Die Vena renalis. 16. Die Vena spermatica interna. 17; Die Vena cruralis sinistra. 18, Der gemeinschaftliche Stamm der Schenkelvenen. 19. Zwei Venae mam- mariae internae. 20. Zwei Venae subelaviae. 21. Die Vena portarum. 22. Zwei Ganglien. 23. Ein 'Ganglion, 24. Ein Verbindungsast. 25.a. Der Nervus cruralis sinister. 25.6. Der Nervus cruralis dexter. 26. Mehrere Wurzeln. 27. Der Nervus ischiadicus sinister. 28. Der Nervus ischiadieus dexter. 29. Der Neryus tibialis anticus. 30. Der Nervus peronaeus. 31. Der Nervus culaneus posterior cruris. 32. Der Neryus eutancus posterior. 33. Eine Darmschlinze. 34. Der obere Theil des Darımes. 35. Der untere Theil des Darmes. 36. Die Niere. 37. Der Ureter. 38. Die untere grössere, und 39. die obere kleinere Höhle der Blase, 40. Der Hoden. 41. Das Vas delerens, Fernere Erläuterung der eontagiösen Conferven- bildung auf Fröschen und Wassersalamandern. Von Aporeu HıunnovEr (Hierzu Taf. VII.) D:. Stilling in Cassel hat in einer Abhandlung in Müller’s Archiv 4841 p. 279 über eine contagiöse Confervenbildung auf - Fröschen Mittheilung gemacht und eine ganz ähnliche Reihe von Phänomenen beobachtet, wie in den Versuchen, die ich an Wassersalamandern angestellt und in Müller’s Archiv 1839 p. 338 beschrieben habe. Weiter auf diese Ueberein- slimmung aufmerksam zu machen, wird nicht nolhwendig sein, da sie dem Leser leicht in die Augen fällt. Nur aufein Symp- tom will ich die Aufmerksamkeit hinleiten, nämlich dass von den Fröschen kein Thier am Leben blieb, an dessen Unter- kiefer oder Mundrande die Efflorescenz sich ausgebildet hatte; es mag vielleicht dieselbe Ursache des Todes vorhanden gewe- sen sein, wie bei den Tritonen, von welchen kein Thier ver- schont wurde, bei dem sich vom Schwanzende aus die Efflo- rescenz bis an den After verbreitet hatte; es ist vielleicht mög- lieh, dass die ‚Efllorescenz oder deren Sporulae sich auf die Sehleimbaut des Darmkanals ‚verbreitet hatten und so den Tod der Thiere mit sieh geführt; die Untersuchung des Darm- kanals dieser Thiere wäre daher noch anzustellen. Doch ich wende mich jetzt sogleich an den Hauptgegenstand dieser Zei- len, nämlich die Ausmillelung der Nalur dieser Fäden, indem 74 ich mich hierbei der Bemerkung nicht enthalten kann, dass wenigstens damals die Inoeulationsversuche und das dadureh erwiesene Wassercontagium als die Hauplsache erschien. wäh- rend Stilling sich mehr bemüht hat, einem Theile der con- fervenartigen Bildung selbst eine Deutung zu geben. Stilling ist der Ansicht entgegen, dass jene Fäden und das Conlagium pflanzlicher Natur seien und giebt dagegen fol- gende Gründe an. Erstens hat er eine selbstständige Bewe- gung von sehwarzen Körnchen sowohl innerhalb als ausser- halb der Röhre beobachtet. Ich habe. jetzt auch an Fröschen, an deren Zehen diese destruirende: Efflorescenz sich befindet, diese Beobachtung gemacht, und. sie ganz so gefunden wie Stilling sie genau beschreibt; ja die Bewegung ist noch stär- ker als sie angegeben wird (1—2 Linien bei 360maliger Ver- grösserung; denn eine so geringe Bewegung könnte man sehr gut noch als Molecularbewegung ansehen). Diese Körnchen hält Stilling für Infusorieneier, aus denen stabförmige Infu- sorien entstehen. Meiner Meinung nach sind diese Köruchen Zellsaftkügelehen, und ihre Bewegung gehört zu den Phäno- menen der Cireulation in den Pflanzenzellen, wie man diese in niedern Pflanzen auf ähnliche Weise leicht sehen kann. Nach welchem Gesetze diese Zellsaftkügelehen eireuliren, habe ich nieht ausmitteln können; denn dasselbe Kügelehen konnte bald längs den Wänden hinziehen, bald die Mitte des Fadens überschreiten, bald rückwärts gehen, stille stehen u. s. w.; andere der Kügelchen erreichen die Spitze des Fadens, andere zeigen nur eine starke Molecularbewegung. Wo sie vereinzelt sind, eireuliren sie stärker, schwächer dagegen wo sie gedrängt liegen. — Zweitens fand er „ohne Ausnahme, dass an einer je- den confervenarligen Röhre, deren Inhalt schon zum Theil an deren Aussenseite getreten: war, eine unzählige Masse kleiner, sehnurgerader, haardünner. anscheinend 14—2 Linien langer, halbdurchsichtiger, linienförmiger Thierchen sich befand, die eine ungemein lebhafte, vibrirende Bewegung zeiglen, und 'ge- wöhnulich"mit dem einen Ende (Kopfende) gegen die Röhren- W 75 wand sich bewegten, in rechten Winkeln von derselben nach allen Richtungen hin ihren Körper und das andere Ende (Sehwanzende) streckten.“ Diese Thierchen finden sich aller- dings öfter vor, bei weitem aber nicht ohne Ausnahme oder nur an jeder confervenartigen Röhre, deren Inhalt zum Theil ausgetreten ist. Auch die Fäden, von ‘denen Stilling sagt, dass sie der Conferve den Anblick gewähren, als sei sie mit den feinsten, halbdurchsichtigen, weisslichen Nadelkrystallen besetzt, habe ich beobachtet; der Faden sieht aus, als ob er behaart: wäre; indessen trifft man eben ‚so viele nicht behaarte Fasern. Die stabförmigen Infusorien müssen von den feinen Härchen unterschieden werden. Uebrigens ein Kopfende der Iufusorien von einem Schwanzende zu unterscheiden, könnte wohl nur durch die Richtung ihrer Bewegung geschehen; sie bewegen sich aber mit derselben Leichtigkeit vorwärts und rückwärts. Dass nun in der Menge von Infusorien und Zell- saftkügelehen, die man an einem Präparate mitunter wahrneh- men kann, „einzelne solcher stabförmigen Thierchen mit einem der schwarzen Körperchen“ verbunden sind, darüber kann man sich wohl nieht wundern; daraus aber gleich den Schluss zu ziehen, dass jene Körperchen (Zellsaftkügelchen) die Eier sind, aus denen jene slabförmigen Infusorien (die ich nur als zufällig und später beigemischt ansehen kann, die nicht immer bei den Conferven vorhanden sind, und die ich auch in meh- reren andern, besonders faulenden Infusionen, beobachtet habe) entstehen, kommt mir doch etwas voreilig vor. Die Zellsaft- kügelchen sind von verschiedener Grö-se und man müsste jedenfalls, bevor man jenen Satz aufstellte, die stablörmigen Infusorien in den sogenannten Eiern selbst, oder auch eiertra- gende Thiere beobachtet haben; dies hat Stilling jedoch nicht, eben so wenig wie er Infusorien in der Höhlung ‚der Conferven, oder „das ausgekrochene Kopfende des Infusions- Ihierchens, oder das völlige Auskriechen des nur mit dem Schwanzende noch in dem Ei (schwarzen Körnchen) slecken- den Ühierchens* bemerkt hat; die letztere Einwendung gegen 76 seine Ansicht macht er sich sogar selbst, ohne ihr auf irgend eine Weise genügend entgegen zu gehen. — Die grösseren, Ascariden genannten Würmer, sind Eingeweidewürmer, die aus dem Darmcanal des Frosches entleert worden sind. Sonderbar ist es, dass Stilling sich die Natur der zoll- langen Fasern selbst nicht erklärt, sondern meistens ihrem In- halte und den umgebenden zufällig beigemischten Infusorien (Vibrionen, Vorticellen u. s. w.) seine Aufmerksamkeit zu- wendet. Er nennt die Conferven „Träger der schwarzen Kör- perchen“, und glaubt, „dass diese Röhren nur. eine eiweiss- oder faserstoffhaltige Masse bilden, die dazu dient, das Keim- lager abzugeben für eine grosse Menge von Eiern.“ Wieser- klärt er.sich aber die Bildung dieser Röhren, wie ihr Wachs- thum, wie ihre Verzweigungen? werden sie von den stabför- migen Infusorien, welche nicht immer vorhanden sind, gebaut, oder wachsen sie selbstständig? wie. erklärt er die Zellenbil- dung in ihrem Innern? die Zellen, von denen ich bemerkt habe, dass man eine deullich in die Röhre vorspringende Wandung sielit, als Vorticellen zu deuten, kann nur auf ein Missver- ständniss von Stilling’s Seite beruhen; denn Jeder wird wohl Pflanzenzellen dieser Art von umherschwimmenden oder fest- sitzenden Vorticellen unterscheiden können. Auch habe. ich nicht gesagt, dass die Röhre mit Zellen angefüllt sei, sondern die Conferve wird, wie jede andere Pflanze, aus Zellen gebil- det und zusammengeselzt. Was übrigens diese Zellenbildung in den Conferven anbetriflt, so giebt es eine scheinbare und eine wirkliche. Die erstere scheint nur darauf zu beruhen, dass sich ‘die Zellsaftkügelehen an mehreren Orten ansammeln, so dass abwechselnd leere und gefüllte Räume en!stehen. . Die letztere dagegen zeigt bestimmte Räume, die voneinander dureh sehr deutliche Wandungen getrennt sind; die Räume sind theils leer, theils mit Zellsafikügelehen mehr oder weniger angefüllt, theils finden sich in den kolbenförmigeu Enden und. den nach- folgenden Räumen runde, grosse, körnige. Körper, die ich auch an der Aussenfläche der Conlerven schon ausgelreten, umher- 77 schwimmen oder vereinzelt beobachtet habe. Diese Körper sind dieSporulae, es folgt jetzt ilıre Entwickelungsgeschichte oder Beschreibung ihres Keimens. Legt man Conferven, deren Spitzen weisslich und kol- benförmig angeschwollen sind: freie Conferven, unter das Mi- kroskop, so sieht man in dem Kolben eine grosse Ansamm- lung 'von jenen Kügelchen, die wir vorher als Zellsaftkügel- chen anerkannten; sie häufen sich beständig mehr und mehr an, so dass sie zuletzt so gedrängt liegen, dass sie keiner Be- wegung mehr fähig sind. Es wird dieser angefüllte Raum darauf abgeschlossen; denn nach einiger Zeit bemerkt man eine queere Wandung, die den kolbenförmigen Theil von der übri- gen Röhre abschliesst; die Wandung wird immer deutlicher, so wie der Inhalt der abgeschlossenen Pflanzenzellen dunkeler. Nach Verlauf mehrerer Stunden sieht man die Kügelchen sich in bestimmtere Massen vereinigen, so dass zuletzt der ganze Kolben mit fast gleich grossen körnigen Kugeln angefüllt ist. Jetzt ist der Kolben vollkommen reif; die Sporen liegen stark gegeneinander gedrängt; es kommen Kolben vor, die 100 oder eine noch grössere Anzahl enthalten. Es dauert nicht lange, bevor die Entleerung des Kolbens von seinen Sporen vor'sich geht; sie fangen an sich zu bewegen; die hinteren, die vielleicht den grössten Spielraum haben, bewegen sich am stärksten, sie drängen die vorderen vor sich her, und der Kolben platzt zuletzt gewölnlich mit einer kleinen Oeflnuug und einer kleinen Verlän- gerung an der Spilze; mitunter entsteht der Riss des Kolbens an der Seite, Die Sporen schlüpfen aus, indem sie sich nach der Oeffnung formen, länglich oder stundenglasförmig werden; die lelzten Sporen haben grössere Beschwerlichkeit um hinauszu- schlüpfen, weil, wie es scheint, die kleine Oeffnung sie durch Elastieität zurückhält; sie schwimmen in dem Kolben herum, versuchen einen Ausweg zu finden; dem grössten Theile ge- lingt es, einzelne bleiben mitunter zurück und werden nach und‘ nach ruhig. Nachdem die Sporen ausgetrelen sind, und der Kolben ganz leer geworden ist, fahren sie fort sich sehr 78 stark zu bewegen; sie schwärmen, indem sie nach vorn eiför- mig zugespitzt werden, munter umher, stossen aneinander an, entweichen sich gegenseitig, und zeigen überhaupt in ihrer Be- wegung eine so grosse Achnlichkeit mit einer thierischen Locomotion, dass man verleitei werden kann, sie für Infu: sionsthiere zu halten, wie dies auch Stilling gethan hal, obgleich sie mit Vorticellen keine Aehnlichkeit haben. Wäh- rend ihres Umherschwärmens !) sieht man deutlich, dass die Spore eine mit Moleeulen gefüllte, nach vorn zugespitzte ei- förmige Blase bildet, in der man zugleich ein oder zwei klare Bläschen, besonders beim Umwälzen der Spore, wahrnimmt: Nachdem sie wohl eine Viertelstunde umhergeschwärmt haben, wird ihre Bewegung ruhiger, mehr kreisförmig, und zuletzt senken sie sich auf den Boden des Objectglases hinab, indem sie jetzt immer eine runde Form haben, und mehr abgeplattet erscheinen. Nach Verlauf einer kurzen Zeit sieht man neben jeder Spore eine runde, ganz durchsichtige Kapsel oder Deckel liegen; es hat das Ansehen, als wenn der Deckel einer runden Schachtel neben dieser aufgeschlagen wäre. Ich habe nicht entscheiden können, wie diese Kapsel sich von der Spore trennt; es, scheint jedoch mehr ein Ausschlüpfen aus einer Schaale als ein Aufspringen eines Deckels zu sein, weil oft die Kapsel die Spore zur Hälfte deckt, gewöhnlich liegt sie indessen neben ihr. Nachdem die Spore sich ihrer Kapsel eut- ledigt hat, fängt sie wieder an: umherzuschwärmen, doch nur auf eine kurze Zeit, und vielleicht auch nur auf einem mehr 1) Cir. Franz Unger, die Metamorphose der Ectosperma cla- vata Vaucher, Nova acta, T. XIII. p. 789. Tab. XL. „p. 794. Ei- nige von denselben schwammen vollkommen frei umher, bewegten sich nach Willkür dort und dahin, wichen einander aus oder gesell- ten sich zusammen, schlüpften um. die grünen, bewegungslos da lie- genden Kügelchen, rubten aus, zogen wieder fort, az zeigten ‚sich auf diese Weise ganz als thierfsche Geschöpfe.“ vr Trente- pohl, Conferva dilatata, in Roth, Botanische Bemerkungen und Be- richtigungen, 1807, p.180. Treviranus, Biologie, 4. p: 634-637, 79 beschränkten Raume. Dass die Spore ihr Schwärmen nach ihrer, so zu sagen, Häutung wieder beginnt, erkennt man ausser jener directen Beobachtung auch daraus, dass man sie am häu- figsten von ihrer Kapsel entfernt liegen findet. In der Spore sieht man jetzt in der Mitte einen helleren Raum. Nach Verlauf mehrerer Stunden, während dessen die Spore ruhig liegt oder perpendikelartig hin und her schwankt, fängt sie zu keimen an: sie verlängert ihre Zellenmembran gewöhnlich nur nach einer Seite, doch habe ich viele gesehen, die sie nach beiden Seiten verlängerten; es bildet sich aus der Spore der ‚Confer- venfaden bei ununterbrochener Continuilät sowohl der Zellen- membran als des Zelleninhaltes. Die Spore wird heller, indem sie anfängt ihr moleeulöses Contentum an den Faden abzuge- ben. Der Inhalt besteht aus Zellsaftkügelehen, die nun ihre Cireulation beginnen; oft bemerkt man schon eine Bewegung der Molecule in der Spore vor dem Keimen. Somit ist der Confervenfaden gebildet; es hat ihm als Nalırung nur das Was- ser gedient, weil er an dem Objectglase angeklebt war; hätte er sich an thierische Theile angeheftet, wäre 'sein Wachsthum bei reichlicherer Nahrung schneller ‘vor sich gegangen. -Ich habe die Entwickelung an denselben Sporen mehrere Tage nacheinander beobachtet, indem ich beständig reines Wasser zusetzte, ohne das Object mit einer Glasplatte zu bedecken. Luftentwickelung habe ich nicht bemerkt. | Wir verliessen den Kolben, nachdem er sich seiner Spa: ren entledigt hatte, seine Rolle ist ausgespielt, nicht aber die des übrigen Fadens. Hinter dem abgestorbenen Kolben näm- lich bildet sich eine neue Ansammlung von Zellsaftkügelchen, welche die hinter dem leeren Kolben sich befindende Zwi- schenwandung hervordrängt, um einen neuen Kolben zu bil- den, dessem Entwickelung, Anfüllung und Entleerung mit den oben beschriebenen Phänomenen vor sich geht. Das Hervor- drängen der Zellenmembran geschieht entweder seitlich, so dass das Ansehen entsteht, als ob der Confervenfaden mit dop- peltem Kolben endigte, einem abgestorbenen und einem ge- 80 füllten; oder die Wandung verlängert sich durch den 'abge- storbenen Kolben hin, wächst in einen langen Faden hinaus, nimmt an Breite zu, verzweigt sich auch, und die Enden fül- len sich darauf auf gewöhnliche Art; nicht allein der Haupt- faden, sondern auch die Zweige sind fruchttragend. Das Wachs- thum 'geht schnell vor sich; ich beobachtete eine Stunde lang das Hervordrängen durch einen abgestorbenen Kolben, und in diesem Zeitraum wuchs der Faden ungefähr + Mm. Bekamnt- lich wächst die Efllorescenz von einem Tage zunı andern meh- rere Linien. Für diejenigen, die eine Entstehung von Pflanzen aus Thbieren annehmen, führe ich ausser der beschriebenen Locomotion mit eiförmig zugespitzter Verlängerung noch an, dass es mir einmal vorkam, als ob sich der Faden der kei- menden Spore ohne äussere sichtbare Veranlassung hin und her bewegte; als ich ein anderes Mal starkes Lampenlicht auf eine Anzahl von Sporen plötzlich fallen liess, fingen viele an wieder umherzuschwärmen, andere zeigten perpendikelartige Bewegung. Leere Speculationen über jenes Thema anzustel- len, überlasse ich Fähigern. Zur Vervollständigung der Geschichte dieser Conferven, die zuerst an Fliegen wachsend die Aufmerksamkeit der Na- turforscher auf sich lenkten, mögen folgende Beiträge dienen. Ledermüller ‚(mikroskopische Ergötzuugen, 1760. 1. p: 90. Tab. 49. Fig. 2.) hat eine nicht gelungene Zeichnung einer Fliege gegeben, die in Wasser liegend mit drei verschiedenen Arten von Conferven bedeckt wurde; von derjenigen Art aber, die an der Fliege abwärts’ im ‚Wasser wuchs, giebt er’ keine mikroskopische Abbildung. — Bei Wrisberg (obs. de ani- malculis infusoriis satura,' Goettingae 1765. p. 31. Fig. 9. 2.) findet man Muscarum larva, muco obducta naturali mole 'quae dein lente aucta est. F. G. H. peduneuli mucoris'cum insidentibus capitulis albis. — Spallanzani (opuscules de pbysique, Geneve 81 1777. 4. p. 157.) sagt: J’ai trouye& ce fait enlierement vrai et jai remarque celle partieularite, c’est que les ailes sont abso- lument exemtes de cette v&getation, (probablement parcequ’elles sont naturellement tres seches. p. 158. fügt er hinzu: jamais il n’est sorli ancun animal de ces plantes et jamais aucune d’elles ne s’est changee en animal. — Genauer wird die Con- ferve von Otto Friedrich Müller beschrieben (Neue Samml. d. Schriften der Königl. Dänischen Ges. d. Wiss. Copenhagen 1788. 3. p- 13. Ueber Erzeugung der Infusionsthiere). Die Uebersetzung lautet wie folgt: „Die Fliege hing im Wasser- spiegel, und soweit das Wasser sie von unten und an den Seiten berührte, war sie überall, sogar an den Füssen und Flügeln, mit einem ausstrahlenden Schimmel beselzt; dem blossen Auge zeigte es sich, als wenn die Fliege in einem Nebel schwebte; durchs Vergrösserungsglas sah man den Nebel aus lauter fei- ven, von der Fliege gerade ausgestreckien Stäben oder Spies- sen. bestehen, die klar waren und gegen das Ende dicker; die- jenigen, welche perpendieulär von der untern Fläche herab. hingen, waren so lang als die Fliege selbst; diejenigen, welche sich horizontal vom Rande der Fliege erstreckten, waren kaum halb so lang; alle endigten sich mit einer dunkelen Keule, die bei den längeren weiss war, bei den kürzeren schwärzlich, Bei stärkerer Vergrösserung salı man diese Stäbe mit feinen Körpern angefüllt, welche sich gegen die Enden in einen grös- seren Haufen gesammelt, sie in‘ eine 'stumpfe oder zugespitzte Keule erweitert, und bei grösserer Reife eine: gelbliche Farbe erhalten hatten. ' Sie waren alle einfach, und einige mitunter wie Fasern. An sehr wenigen der faserähnlichen wurde man kleine Sprösslinge gewahr.“ p. 17: „Dass die in den Keulen des Fliegen-Schimmels angehäuften gelben Körner der Saame der Pflanze sei oder als Saame diene, kann man eben so we- nig bezweifeln, u. s.w.* Sowohl die Fliege als die Conferve sind gut abgebildet in der Flora danica, Tab. 896, unter dem Namen Byssus aguatica, hyalinis filamentis simplicibus apice cayati. — Lyngbye (Hydrophylotogia danica, p. 79. Tab. 22. Nüller's Archiv. 1842. 6 82 ’ nennt sie Vaucheria 'aquatica, filis caespilosis, hyalinis, minü- tissimis, simplieibus, apice clavatis fuseisque. — Gruithui- sen’s und Carus Abhandlungen habe ich schon in meiner vorhergehenden Abhandlung ceitirt, — Meyen (nova acla, Vol. XV. p. 383. Tab. LXXIX. und LXXX. Göthe, Mittheilungen aus der Pflanzenwelt. II. Conufervenbildang aus todten Fliegenleibern. B. Die Vegetation aus dem Fliegenleibe im Wasser, Achlya aqualica, von Nees ab Esenbeck, p. 379. Zur Erläuterung des Vorhergehenden, von Dr. Meyen) hält die Vaucheria aquatica Lyngbye für den jungen Zustand der Achlya prolifera N. ab E. Noch sind anzuführen: Meyen, Wiegmann’s Archiv, 1835. 2. p. 354, welcher‘ die Isaria, die an todten Fliegenleibern in der Luft’ erscheint, in die Achlya prolifera, wenn die Fliege in Wasser gelegt wurde, übergehen geschen haben will. Derselbe in seiner Pflanzen- physiologie, 3. Pl. 10. Fig. 18—19. Endlich Wiegmann’s Archiv 1840, p. 62., wo Meyen irrthümlich anführt, dass die Conferve den Wassersalamandern nicht schädlich war. Nach allem diesen kann ich nicht anders als der Stil- ling’schen Ansicht aufs Bestimmteste widersprechen, und sehe ferner diese Bildung, die man an Fröschen (sowohl in freiem Zustande als in Gläsern aufbewahrt), Wassersalamanderp, Flie- gen u. s. w. wahrnimmt, für eine Pflanze an, die sich als Wassereontagium durch Inoeulation, sowohl reifer als unreifer Conferven zum grösseren oder geringeren Nachtheile der Thiere ' werpflanzen lässt. Copenhagen, den 10. October 1841. Erklärung der Kupfertafel. Taf, VI. Fig. 1. a.a. Einfache Fasern mit circulirenden Zell- saltkügelchen von verschiedener Grösse angefüllt, 5. 5. Scheinbare Zellenbildung durch Coagulalion oder Anhäulung der Kügelchen. e. e. ö 83 Aul verschiedene Weise verzweigte Conferven. d.d.d.d. Kolben der noch nicht reifen Conferven theils mit Kügelchen, theils mit unreifen Sporen angefüllt. e.e. Behaarte und mit stablörmigen Infusionsthier- chen besetzte Conferven, f. Conferven von sehr geringem Diameter, Fig. 2. Reife Conferven, theils leer, theils mit Sporen ange- fällt. g. Behaarte Conferven mit sehr deutlicher Zellenbildung, nebst den Zwischenwandungen. A.h.k.h. Reife Kolben von verschiedener Form und verschiedener Anfüllung mit Sporen; auch in diesen wie in mehreren der obigen Fasern sind die gesonderten Räume sehr deut- lich. i. Conferven mit zwei Kolben; der eine ist schon entleert, der andere, durch seitliche Hervordrängung der Zellenmembran entstanden, noch angefüllt; der untere Theil der Conferve hat schon angefangen sich aufs neue zu füllen. %. Beginnende seitliche Hervordrängung zur Bildung eines neuen Kolbens; der leere Kolben hat sich an der Spitze mit einer kleinen Verlängerung entleert. Z. Sehr kleiner Kolben mit nur 3 Sporen. m, Kolben, der im Begriff ist, sich seiner Sporen durch einen Riss an der Seite zu entleeren, n. Faser, die sich durch einen abgestorbenen Kolben heryordrängt. Fig. 3. Entwickelung der Sporen. r. Form der nach vorn zu- gespitzten, umherschwärmenden Spore; man sieht zwei helle Bläschen in der Mitte. s. Die runde Spore nach ihrem Schwärmen; in der Mitte ein heller Fleck. £. Die Spore, die von ihrer Kapsel befreit ist. w, Beginnendes Keimen einer Spore. v.w. Fortgesetzie Verlängerung des Fadens; der Inhalt ist heller geworden. w. Spore, die Faden nach beiden Seiten abgiebt. x. Weitere Entwickelung. derselben. 6* Zum Aufsatze über Diceras, in diesem Archiv 1841, pagina 437. Von Prof, EscurtcHt. (Aus brieflicher Mittheilung an den Herausgeber.) — .— Es thut mir leid, dass Sie meine Aeusserung über Diceras schon in Ihr Archiy aufgenommen haben, da sich bei genauerer Untersuchung der Sache ein ganz anderes Resultat ergeben hat. Sie erinnern sich wie ich Ihnen miltheilte, dass ein College mir diese angeblichen Würmer zusandte, welche seinem Kinde nach einem Purgans während eines heftigen Fie- beranfalls abgegangen waren. Vier Wochen, nachher gingen noch einige ab, vier Wochen später blosser Schleim, und seit- dem ist das Kind, welches früher an Chorea St. Viti litt, voll- kommen hergestellt. Die Form dieser Würmer stimmt ganz mit den Sultzer’schen Abbildungen, wie auch Sie sich über- zeugen werden, wenn Sie sie damit vergleichen; nur ist die Deutung falsch. Denn Herr Prof. Jacobsen legte der Aka- demie der Wissenschaften Präparate von der Frucht der Mo- rus nigra vor, welche ganz mit dem Sultzer’schen Diceras übereinstimmen, und die ich auch sogleich als identisch mit demselben erkannte. Die Erklärung der Sultzer’schen Ab- bildungen ist demnach folgende: Tab. 1. Fig. 1.: die Frucht (eine Abtheilung der sogenannten Beere oder der entwickelten weiblichen Blülhe) mit den zwei bleibenden Stigmata; das flei- schige vierblättrige Perianthium ist abgefallen ( wahrscheinlich 85 durch die Verdauung). Fig. 2: dieselbe vergrössert, die soge- nannten „James“ auf den Stigmata und auf dein obersten Theil der Frucht sind flache Haare. Der schmale, etwas gesonderte Theil rechts ist der eine unentwickelle Raum der Frucht (lo- eulus abortiens). Fig. 3.: der Saamen (semen) mit dem an- hängenden aborlirten Raum und den beiden Stigmala. Diese sitzen eigentlich an dem Pericarpium (wie es auch die Fig. 2. zeigt), wovon aber ein Theil zugleich mit dem aborlirten Lo- eulus noch anhängen. Enveloppe membraneuse = Pericar- pium; Pedoncule = dem untern Theil der Stigmata oder wohl richtiger — obgleich die Botaniker bei Morus keinen solchen annehmen = dem Stylus. L’&minence externe und Prolonge- ment eylindrique = dem abortirten Loculus, membrane flot- tante = desselben unterem abgelösten Ende. Fig. 4., 5.: das Semen von den schärferen Ecken gesehen. Fig. 6.: ein Stück des Pericarpium vergrössert, aber schlecht dargestellt.‘ Fig. 7% 8.: Theile der Testa mit ihren Zellen. Tab. 2. Fig. 1.: das Ende eines Stigma mit dessen Haaren, Fig. 2.: der oberste Theil des Semen. Le parois ist dessen harte, spröde testa. La bosse‘= dem eingeschrumpften Albumen. Fig. 3., 4, 5., 6, 7.: Erklärung wie in den vorhergehenden Figuren. i Ueber das Vorkonmen zweier Ovula in einem Graaf- schen Follikel. Von F. Bıpver in Dorpat. Bekanntlich hat schon Bär (de ovi etc. genesi. Lips. 1827, pag: 18) die Beobachtung gemacht, dass in dem Graaf’schen Follikel zuweilen zwei Ovula sich finden. Einmal hat er in dem Ovarium des Hundes dieses Verhältniss aufs deutlichste (dislinetissime) gesehen, und ein anderes Mal glaubt er auch in dem Follikel eines Schweines es erkannt zu haben. Er be- nutzt diese Beobachtung zur Erklärung des Umstandes, dass die Zahl der Früchte im Uterus zuweilen von der Zahl der Corpora lutea des Ovariums abweiche. -— Später ist, so viel mir bekannt, nichts über diesen Gegenstand bemerkt worden, und auch in den meisten Handbüchern der Zeugungs- und Ent- wickelungsgeschichte habe ich vergebens selbst nach einer blos- sen Erwähnung desselben mich umgesehen. Nur Bernhardt in seiner unter Valentin’s Mitwirkung geschriebenen Disser- tation (de ovi mammalium hist. ete. Vratislav. 1834, pag. 21.,° $. 22.) hat die Mittheilung Bär’s als aus einer Täuschung her- vorgegangen darzustellen gesucht. Ihm zufolge enthält ein Fol- likel des Menschen sowohl als der Säugethiere immer nur ein einziges Ei; weil aber zuweilen die Follikel dicht gedrängt sind, und einem solchen äusserlich stärker entwickelten häufig ein kleinerer unmittelbar anhängt, so scheine, bei der Unter- 87 suchung und Compression einer solchen Parlhie, das Ovulum des kleinen Follikels in dem grössern mit enthalten zu 'sein, Eine der Abbildungen auf der jener Schrift beigegebenen Tafel soll diese Erklärung erläutern. — Freilich hat Bär in jener Mittheilung nicht weiter die Art und Weise. angegeben, ‚wie er den erwähnten Follikel herauspräparirt, und wie er .das Ei- chen in demselben zur Anschauung gebracht habe. Wenn es aber schon immerhin gewagt scheint, einem Forscher wie Bär einen derarligen Fehler vorwerfen zu wollen, in einer Ange- legenheit überdiess, deren Bestveiten doch nur auf negative Er- gebnisse der darauf bezügliehen Untersuchungen gegründet wer- den kann, ‚so scheint ein solcher. Vorwurf um; sa unzulässiger, wenn man nicht. unbemerkt lässt, wie verschieden sich Bär über jene beiden Beobachtungen ausspricht, Das Ergebniss der einen theilt er mit, Sicherheit und Bestimntheit mit, seine Zwei- fel an die vollkommene. Zuverlässigkeit der zweiten hält er aber auch nicht zurück, und das hätte wohl hinreichen dürfen zum Beweise, dass er auch in diesem Falle das verschiedene Gewicht seiner Beobachtungen nach den bei denselben mögli- chen oder mehr oder weniger sorgfältig vermiedenen Täuschun- gen werde abgewogen haben. Ich habe ‚neulich Gelegenheit gehabt, einen mit den Bär’schen Mittheilungen vollkommen übereinstimmenden Fall zu beobachten, und hofle, dass die ge- nauere Aufzählung der Umstände, ‚unter welchen es geschah, dann den wenigen Verdacht, dass ‚auch ‚hier eine Täuschung Statt gefunden habe, völlig beseitigen werde, Zum Behuf einer in meinen Vorlesungen, anzustellendeu mikroskopischen Demonstration über, die ‚Bildung des primi- tiven Kies halte ich die Eierstöcke eines so eben bei einen physiologischen Experiment auf der Anatomie gelödtelen Kal- bes herausgenommen, und mehrere der überaus zahlveichen Graaf’schen Follikel, mit denen dieselben wie besäet waren, herauspräparirt, Ich hatte hierbei ganz besonders darauf ge- achtet, jedeu einzelnen Follikel von den anhängenden, zur Substanz des Eierstocks gehörenden Partikeln möglichst sorg- gr .88 fällig zu reinigen, um die Verschiedenheit in der Grösse die- ser Gebilde recht anschaulich zu machen. Natürlicher Weise hatte ich dabei auch darauf gemerkt, ein Paar zuweilen sehr dicht aneinander liegende Follikel nicht etwa in dieser Ver- bindung zu lassen, sondern wenn es nicht anders möglich war, selbst mit Zerstörung des einen den andern ganz frei gemacht. ‘Um ferner das Bärsche Bläschen zu zeigen, das bei dem Rinde bekanntlich, wegen der geringen Durchsichtigkeit der Haut des Follikels, nicht gut durch diese hindurch mit aller wünschens- werthen Deutlichkeit gesehen werden kann, machte ich einen Einschnitt in den Follikel, und suchte das Ei in dem hervor- getretenen Inhalte desselben auf. Bei einem solchen Verfahren stellten sich nun einmal zwei unmittelbar nebeneinander lie- gende, vollkommen entwickelte, und in allen ihren Theilen kenntliche Eichen dar. Ueberrascht von diesem Anblick dachte ich sogleich an eine hier vorgekommene Täuschung. Ich hatte schon vor diesem letzten Follikel mehrere andere geöffnet ge- habt; ich musste daher zuvörderst den Verdacht wegräumen, ob ich nicht etwa auch ein von den früheren Versuchen auf der Glastafel zurückgebliebeues Ei hier vor mir habe, Indes- sen ich hatte vor dem Oeffnen eines neuen Follikels die Glas- platte, auf der dies geschah — wenn ich nämlich die schon gebrauchte sogleich wiederum benutzte — jedesmal erst mit Wasser abgewaschen und mit einem Tuche gelrocknet; sicher- lich also war die Platte vollkommen rein, und es hafteten an ihr nieht mehr Residuen früherer Untersuchungen. Ferner hatte ich gerade bei dem Oeffnen dieses Follikels den Inhalt beson- ders deutlich hervortreten gesehen, und mitten in einem Stücke der ausgetriebenen Körnermembran lagen die beiden erwähn- ten Eier unmitielbar nebeneinander. Das bei dem Rinde selbst für ein recht scharfes Auge ohne Bewaffnung kaum noch wahr- nehmbare Eichen war hier so sichtbar, dass auch ungeübtere Augen es zu erkennen vermochten; denn der beide Ovula trennende Zwischeuraum war für das blosse Auge verschwin- dend. Endlich waren die vorher schon beobachteten Eichen 89 alle theilweise oder ganz zerstört worden, theils indem ich selbst durch Compression sie zum Bersten gebracht hatte, um die hierbei auftretenden Erscheinungen zu zeigen, theils indem ein Paar Male von einigen in der Behandlung des Mikroskops noch zu ungeübten Zuhörern das ganze Object zerquetscht wurde. Die 'beiden hier sich darstellenden Ovula waren da- gegen vollkommen unversehrt. : Sie lagen, eingebettet in der bekannten Körnerschicht, um etwa ihren halben Durchmesser voneinander entfernt, so dass sie bei 300maliger Vergrösserung eines Plössl’schen Mikroskops gerade noch zu gleicher Zeit in dem Gesichtsfelde zum Vorschein kamen. In ihrer Grösse und Form stimmten sie ziemlich miteinander überein, doch war das eine melır oval, während das andere wie gewöhnlich voll- kommen rund erschien, was aber freilich auch nur von dem verschiedenen Druck des aufgelegten feinen Glasplättchens her- rühren mochte. Die Zona pellucida war bei beiden in glei- chem Maasse entwickelt; in beiden zeigte die Dotterkugel die Dotterkörnchen mit gleicher Deutlichkeit, doch war der mehr in die Länge gezogene Doller beträchtlich dunkler als der an- dere, und schien diehler mit jenen Körnchen gefüllt zu sein. Diess war wohl auch die Ursache, dass hier kaum eine geringe Andeulung des Keimbläschens gefunden werden konnle, wäh- rend dasselbe in dem audern Ovulum vollkommen deutlich hervortrat; doch auch in diesem letziern konnte ich nichts vom Keimflecke erkennen. Ich glaube, dass das mögliche Vorkommen zweier Ovula in einem und demselben Graaf’schen Follikel hiernach kei- nem weiteren Zweifel unterliegen könne, und bin überzeugt, dass wir, früher oder später, von ähnlichen Resultaten, wie das hier mitgetheilte, bei Untersuchungen dieser Gebilde hören werden. Das Ausbleiben eines solchen Fundes selbst bei län- gere Zeit fortgesetzien Arbeiten der Art kann nalürlich nichts gegen die früheren Beobachtungen beweisen. Wie wenige Bier mögen überhaupt paarweise in einem Follikel vorkom- men! wer hat wohl auch schon einmal alle in einem Eierstocke 90 eingeschlossenen Follikel sorgfältig der Reilıe nach vom‘ersten bis zum letzten auf ihren Inhalt geprüft, und wenn man durch ein glückliches Ungefähr gerade auf einen Follikel, wie den hier beschriebenen, stösst, wie leicht kann selbst da noch das eine Ovulum übersehen werden, vorausgesetzt, dass beide nicht wieder so nähe beisammen liegen, als in diesem Fall. Denn ist das eine in den Focus des Mikroskops gebracht, so wird man wohl selten nur noch weiter das ganze Object durchmu- stern. Um noch mehr Belege für die hier mitgetheilte That- sache zusammenzubringen möchte indessen bei künftigen Un- tersuchungen auch diese Mühe nicht gescheut werden müssen. — Ob dieses Verhältniss zur Erklärung von Zwillingsschwan- gerschaften in der That benutzt werden dürfe, das wird übri- gens durch die gelieferte Bestätigung seines Vorkommens noch keinesweges bewiesen. Denn es kann die Zwillingsschwan- gerschaft ja eben sowohl auf dem gleichzeitigen Bersten zweier Follikel beruhen, und sie beruht vielleicht um so öfter darauf, als beim Menschen bei Conceptionen, in deren Folge nur eine einzigel'rucht im Uterus sich entwickelte, doch zuweilen meh- rere Bläschen geborsten waren, deren Inhalt also in solchem Fall bis auf ein einziges Ovulum zerstört werden musste, und nicht weiter zur Entwickelung kam. Vorkommen der Harnsäure im Rinderharn. Von Ernst BruUEcKE Mit Untersuchungen über die Harnabsonderung beschäftigt, hatte ich Rinderharn in einer Porzellanschale auf dem Was- serbade bis zur Syrupsconsistenz abgedampft, die heisse Flüs- sigkeit in ein anderes Gefäss gegossen, und die Schale darauf mit kaltem Wasser gefüllt. Als ich dieselbe nach einigen Ta- gen reinigen wollte, fiel mir ein grauer Beleg an ihren Wän- den auf. Mit Salpelersäure geprüft, bildete derselbe Murexid, das sich nicht nur durch seine eigenthümliche Farbe zu er- kennen gab, sondern sich auch in Kalilauge mit blauer Farbe löste. Da das Vorkommen der Harnsäure im Harn grasfres- sender Säugelhiere bisher geleugnet war, so glaubte ich, es mit einem pathologischen Producle zu thun zu haben; aber die Untersuchung des Harns von noch zwei andern gesunden Rin-, dern gab ganz dasselbe Resultat. Den Harn anderer grasfres- sender Säugethiere habe ich noch nicht auf Harnsäure un, tersucht. i Zur Verständigung über die Dotterzellenbildung. Von Dr. BErRcMmanN in Göttingen. Die von Vogt’bekannt gemachten Untersuchungen über die Entwickelung von Alytes obstetricans, bei welchen die Ent- stehung der ersten Dotterzellen besonders berücksichligt wor- den ist, sind vorzugsweise die Veranlassung zu den folgenden Erklärungen. Sollte ich es durch dieselben erreichen, dass Einigen, welche diesen Untersuchungen theilnehmend folgen möchten, die Beobachtungen verschiedener Forscher weniger wesentlich different in ihren Resultäten erschienen, dass eine innere, beruhigende Einheit ihnen klar Babe so wäre mein Zweck durchaus erreicht, Es ist im Allgemeinen zur Beurtheilung meiner Untersu- chungen und Ansichten über die Zellenbildung durch Zerklüf- tung nicht günstig, dass Vogt einen Batrachier untersucht hat, dessen Dottermetamorphose von allen bis dahin bekannten so abweicht. Während bei diesen die Spalten überall ganz durch- greifen und die Dotterhaut frei, ohne Antheil über dieselben hinweggeht, sollen bei Alytes durchaus nur einseitige Spalten ‚ entstehen, es soll kein einziger losgelöster Klumpen sich da- durch bilden, und die Dotterhaut soll sich in die Spalten ein- senken. Lelzteres veranlasst Herrn Vogt sogar zu der Ver- muthung, die Dotterhaut möge bei den Fröschen noch tiefer 93 sich einseuken;ıund so die einzelnen Klumpen (doch nur ein- seilig) umgebend, mich mit: dem. Anscheine von Zellenmem- branen getäuscht haben. Diese Vermuthung würde Vogt si- cher nicht ausgesprochen haben, ‚wenn er.die Art, wie ich mich über die Zellenmembranen: aussprach, mehr berücksichtigt, oder wenn er einige’ Froscheier selbst untersucht, oder wenn er auch nur die schon früher bekannten Beobachtungen in'dieser Beziehung zu Rathe gezogen hälte. Dass ich die, Dotterhaut nicht-erwähnt, hat seinen Grund eben darin, dass ich die Nicht- theilnahme derselben an den Spaltenbildungen für bekannt hal- ten durlte, i Meine Kenntniss gewisser Körperchen, welche.ich schon ziemlich früh in. den Zellen ‚sah, musste. ich für mangelhaft erklären. Ich konnte ihre Benennung als Zellenkerne nur für hypothetisch und unsicher hälten, bis nachgewiesen ‘wäre, dass sie vor den Zellen beständen, dass sie einen Antheil an der Zellenbildung hätten. Damals‘ konnte man ‚nicht ‚umhin diese Anforderungen zu stellen. ‘Vogt findet jetzt.freilich sehr häufig die Bildung des Kernes späler als die'‚.der ‚Zelle... Ein, wie ausdrücklich gesagt wurde, untergeordneter Grund, lag in dem Aussehen. Vogt hat,nun ‚in diesem Punkte weiter ger forscht, und giebt ein Verhältniss derselben zur Zellenbildung an und behauptet ferner, ‚was für ‚die Physiologie des Keim+ bläschens und seiner Theile so höchst wichtig ist, die, Identi- tät dieser Körperchen (welche wir nun der Kürze wegen und weil jener Hauptgrund an Stärke verloren hat, Kerne nennen wollen) mit den Keimflecken.. Ich könnte aus dem Verhalten dieser Kerne einiges gegen diese Identität anführen. Ich habe nicht, wie Vogt sagt, eine Haut an denselben vermisst, -son- dern ganz deutlich. erklärt, den Umriss der Körper gar nicht gesehen zu haben, woraus zu schliessen. war, ‘dass ihr. Licht- brechungsvermögen dem des umgebenden: Fluidum gleich sei. Wie demungeachtet auf indirectem Wege das Vorhandensein leicht erkannt wurde, wiederhole ich nicht. Während ich schon hiernach nicht darauf kommen konnte, die Körperchen 94 für ‚Bläschen zu erkennen, mussten äusserst zarte Linien, wel- che bei dem, leider nur einmal erst gelungenen, Zerquetschen eines solchen Kernes, im Innern desselben aufzutreten schienen, mir'ganz den Eindruck eines festen Körpers machen. ‘Doch war die Erscheinung zu zart, als dass ich sie früher hätte an- führen mögen, -um so mehr, da ich sie nicht wiederholt sah und eine Illusion dabei für sehr möglich halte. Auch führe ich sie jetzt nur an, weil sie gegen meine eigene, jetzt gefasste Ansicht sprechen würde, denn jetzt möchte ich um so ge- neigter sein, Erscheinungen, welche Unterschiede zwischen den Keimflecken und diesen Körperchen andeuten könnten, mit Misstrauen anzusehen, Vogt’s Behauptung der Identität für wahrscheinlich zu halten, da wir von einer anderen Seite her das Verhalten eines einfachen Keimfleckes als fortwährend sich spaltenden und vervielfältigenden Kernes zu den durch die gleichzeitig fortschreitende Dotterspaltung entstehenden Zellen, kennen lernen. ‘Das wenigstens ist die Auslegung von Bag- ge’s Beobachtungen (Diss. inaug. de evolut. Strong. auricular. et Ascarid. acuminatae. Erlangen 1841) welche mir: vorläufig die wahrscheinlichste wird, wenn Bagge selbst auch die Na- men Keimfleck und Zelle nicht nennt. So möchten also die Keimflecke, wo sie mehrfach vor- handen sind, nach der Befruchtung die Metamorphose des Dot- ters einleiten, indem sie sich darin verbreiten, die Spaltung bewirken, welche fortschreitend in deutlicher Zellenbildung endigt. ‘Die erst entstandenen Theile müssen mehrere Kerne enthalten, ‘die’ spätern immer weniger, zuletzt müssen Kerne nachgebildet werden. Ist der Keimfleck einfach, so sehen wir gleich anfangs eine Vermehrung, ‘gleichen Schrittes mit der Spaltung oder Zellenbildung, auch’ im Kerne. Ich werde nach- her darauf zurückkommen, dass diese'neuen Erklärungen 'be- deutendere ‘Modificationen meiner Ansichten angeregt haben, als Vogt daraus 'gefolgert hat. — Vogt kommt, das'Verhält- niss zur Zerklüftung ausgenommen, zu Resultaten über die Dotterzellenbildung, welche sich von den meinigen kaum un- 95 terscheiden. Denn wenn er sagt, dass dieselbe wohl nicht so einfach, wie ich es mir vorgestellt, Zellenbildung um ein Vor- handenes sei, welches dadurch Zelleninhalt werde, so liegt die Differenz doch wohl eben nur in der vervollständigten Kennt- niss des Verhaltens der Kerne, welche nach ihm bei diesem Vorgange mit jener vorhandenen Dottermasse zugleich einge- schlossen werden. Freilich hat auch Vogt sie nicht in allen Zellen gesehen Was in Hinsicht auf die Kerne meine Beobachtungen zu wünschen übrig liessen, hatte ich selbst schon ausgesprochen. Sollte jene von mir gebrauchte Ausdrucksweise vielleicht nicht völlig klar scheinen, so füge ich hinzu, dass:ich mit dem Aus- drucke „Bildung um ein Vorhandenes, welches dadurch Zel- leninhalt wird“, so kurz und scharf als möglich auszudrücken glaubte, welche Differenz (das Verhalten der Kerne abgerech- net) zwischen dieser und derjenigen Zellenbildung bestehe, bei welcher aller Zelleninhalt erst in flüssiger Form in das Innere der Zelle abgeschieden wird. Die Verwandtschaft von Vogt’s Dotterzellenbildung und der meinigen zeigt nun namentlich den Gegensatz, in welchem die eine wie die andere gegen die früher bei animalischer Zel- lenhildung einzig bekannte Weise (dass bei Pflanzenzellen ab- weichende Beobachtungen existirten, darauf habe ich mich frü- her schon berufen) steht, er ist so schr derselbe, lass diesel- ben Gründe für die eine wie für die andere Ansicht sprechen. Eine Stütze hatte ich freilich, die für Vogt hinwegfiel: ‘Die Identität der Spaltung und Zellenbildung. — Da durchaus die Membranen der Klumpen, auch wenn 'sie wirklich existiren, eiwas sehr zarles und eigenthümliches sind (Bischoff hat diese Processe auch untersucht. wie im Jahresbericht: Archiv 1840 CX. angedeutet ist, und vermuthet, dass diese Membra- nen sich erst durch Contact mit Wasser bilden), so entbehrt es aller Wahrscheinlielikeit, dass sie Zellen angehören, welche im Innern ‘des Dolters entstanden, die Dottermasse resorbirt, ‚die Solida in sich nen gebildet, und also schon einen 'bedeu- 96 tenden Entwickelungsweg durchschritten hätten; um so mehr aber, da,sich von den Entwickelungsstufen derselben nichts nachweisen lässt. Wäre namentlich eine solche Zelle zuerst im Innern des Dotters entstanden, hätte aber ‚allmählig den gan- zen Dotter in sich aufgenommen, so würde man wohl eine deutlichere Membran an demselben innerhalb der Doltermem- bran gewahr werden. Die Unmöglichkeit aber, auch für eine elwas spätere Pe- riode, für diejenige, wo nach Vogt die Zellenbildung beginnt, solche Entwickelungsstufen nachzuweisen, in welchen die Zel- len’ erst klein und ohne soliden Inhalt wären, diese dient eben so zur Begründung von Vogt’s Ansicht wie für die meine. Ich beschrieb nun, was mir zur Begründung meiner An- sicht unerlässlich schien. Deshalb habe ich nicht zwecklos die Doiterplättehen, welche Vogt Stearintafeln nennt (seine Ab- bildung 'hat nur den Fehler, dass er gerade eine Ansammlung von ungewöhnlichen Formen zusammenstellt, welche ich sehr wohl erkenne und oft gesehen habe, welche aber quantitativ sehr viel seltener als die gewöhnlichen sind, deren er nur eine abbildet), genau beschrieben, nicht ohne Absicht gesagt, dass alle Klumpen ‘oder Zellen voll davon sind, dass ich dieselben noch, wenn auch redueirt, in Muskelprimitivbündeln fand, in welchen schon an ‚der Scheide eine Faserschicht ‚abgelagert war. (Ich nenne 'hier diese Beobachtung noch einmal, weil Vogt:mit Uebergehung derselben es wahrscheinlich findet, dass von diesen ersten Dotterzellen gar keine in die/eigentlich hi- ‚stologischen Metamorphosen eingehen. Dass ich mich’ sollte getäuscht haben, ist mir. bei der ‚Einfachheit der Beobachtung nicht wahrscheinlich. Sie wurde zwar nicht wiederholt, findet aher ihre Bestätigung bei Reichert (Entwickelungsleben ete, tab. I. Fig. 6.2.), bei denen, welche ich sah, war die Metamor- phose noch weiter fortgeschritten). Was ich dabei dem Ur theile, des Lesers glauble überlassen zu können: dass nämlich, wenn alle Zellen ursprünglich einen solchen Inhalt und eine bedeutende Grösse haben, ihre Entstehung nicht‘ die sein 97 könne; dass ihre Höhle anfangs unendlich klein sei, ihr fester Inhalt erst nachgebildet werde, diese Schlussfolge wird von Vogt wiederholt ausgesprochen und durch.die Bemerkung ver- stärkt, dass er sich bei der Entwickelung des Dotters von der Jaugsamen Bildung dieser Tafeln überzeugt habe, Doch dürfte eben durch diese Beobachtung die Lage der Sache sich wohl nicht ändern. Fragt man sich; wie wohl die langsame Bil- dung so einfacher Körperchen im Dotter sich erklären möchte, so liegt es allzu nahe, dass sie lediglich davon abhängt, dass das Material erst allmählig in den Dotter gelangt, von einem Umstande also, welcher bei der Zellenbildung später durchaus wegfiele. Legen wir also auf diesen Punkt lieber kein Ge- wicht, um die Hauptsache: dass man den directen Beweis für die Schleiden’sche Zellenentstehung in diesem Falle um so weniger entbehren kann, je mehr bis jetzt aller Anschein da- gegen ist, je weniger sich begreifen lässt, warum man die Zel- len nie vor ihrer Vollendung zu sehen bekäme, desto einfacher und schärfer hinstellen zu können. — Ich erinnere bei dieser Gelegenheit noch daran, dass ich die Dotterplättchen in den peripherischen Zellen so wenig, als in irgend welchen ver- misste. Bei Alyles sollen sie dort nur sehr selten zu fin- deu sein. ö Man sieht hier das Verhältniss der beiderseiligen Ansich- ten, so weit es von der Zerklüftung unabhängig ist. Was ich aber über letztere gesagt habe, darüber machen mich Vogt’s ‚Beobachlungen gar nicht zweifelhaft. Was kann unter andern daraus hervorgehen, dass Vogt in einzelnen Dotterklumpen (wie. er sie nennt, ohne anzugeben, dass sie sich isoliren) mehrere, in andern gar keinen Kern fand? Das erstere ver- stelt sich von selbst, wenn eine gewisse Anzahl von Kernen vorgebildet sind. „Die ersten, grössern, durch Spaltung ent- standeuen Abtheilungen müssen wohl jede eine ganze Anzahl derselben eiuschliessem Das zweite aber, wenn es nicht ein blosses Uebersehen ist, würde nur beweisen, dass die von Vogt beschriebenen Kerne nicht nolhwendig zur Bildung der Müllers Archir. 1912, 7 98 Zellen wären. — Bagge’s Beobachtungen sprechen nun»noch dazu durchaus für meine Ansicht. Bagge hat so wenig wie ich eine. Grenze zwischen Dotterspaltung und Zellenbildung gesehen. Zellenbildung erwähnt er zwar überhaupt nicht. Wenn man aber bei ihm sieht, wie die Spaltung stets fort- schreitet, wie die immer kleineren Theilchen, welche auf diese Weise entstehen, endlich die deutliche Anlage des Embryo zusammensetzen, so dürfte man daraus wohl ihre Zellemmatur vermuthen, Man könnte zwar denken, dass ein Moment über- sehen. wäre. Es könnte doch die reine Spaltung aufhören, wenn die Klümpchen eine gewisse Kleinheit erreicht hätten, es könnten dann Zellen sich auf eine andere Weise gebildet haben, als durch blosse Spaltung. Wollte man aber aueh einen solchen Fehler vermulhen, welcher bei der Zartheit des Ge- genstandes auch einem geübten Beobachter begegnet sein könnte, so spricht hier das Verhalten des Keimfleckes doelı sehr dafür, auch in den ersten durch Spaltung entstandenen Dottertheilen schon eine Zellennatur anzuerkennen, sollte man auch selbst von dem unmittelbaren Worlsinne der Bezeichnung „Zelle* ab- gehen müssen, insofern vielleicht die Zellenmembran noch nieht vorhanden sein sollte. Hierüber werde ich mich sogleich noch näher erklären. Vorher aber noch die Bemerkung: den An- gaben von Bagge und mir stehen die von Vogt über die Dolterspaltung von Alytes gegenüber. Die Vorgänge bei die- sem sind offenbar sehr verschieden von denen bei andern Ba- trachiern, so dass sich eine wirkliche Differenz in dem Ver- hältniss der Zerklüftung zur Zellenbildung zwischen diesem und den andern denken liesse, mithin die Aufklärung, welche ich ‚über die Natur der Zerklüftung gegeben zu haben hoffe, dennoch nicht verloren ginge. Aber es ist nicht zu übersehen, dass Vogt’s Angaben hier ungenügend sind. Es kam hier darauf an, genau zu bestimmen, wie sich das Aufhören des Zeırklüftungsprocesses characlerisire, wie man sich überzeugt habe, dass eine völlige Wiederverwischung der frühern Tren- nungen Statt finde. Deun das wird Niemand verkennen, dass 99 Vogt’sDotterzellenbildung durchaus nichts als eine Spaltung mit Verdichtung der Gränzflächen ist, dass also bestimmte Angaben über den Nichtzusammenhang dieser Spaltung mit der frühern, über die Unterscheidung beider nö- thig sind, wenn man glauben soll, dass sich die Sache bei Alytes wesentlich anders begiebt, als ich es bei andern Batra- chiern angab. Nun zuletzt noch ein Wort über die von Vogt, Bagge und mir gesehenen Vorgänge im Verhältniss zur ältern Theorie, Ich bevorworte dabei ausdrücklich, dass ich nur von der Dot: _ terzellenbildung bei den bisher genannten Thieren rede; die manchfachen Differenzen, welche Vogt in den Verhältnissen der Kern- und Zellenbildung angiebt, unter einfachere Haupt- begriffe zu ordnen ist der Zukunft vorbehalten. — Als sich mir früher die Ansicht bildete, dass die Spaltung nichts als Zellenbildung sei (will man es Einleitung zu (derselben nen- nen? damit gewinnt man nichts, so lange nicht das Vorhan« densein einer Gräuze zwischen beiden Processen sicher nach» gewiesen ist), als ich gar keine Aehnlichkeit zwischen diesem und dem von Schleiden erkannten Zellenbildungsprocesse sah, glaubte ich eine solche Vorstellungsweise den Forschern nicht vorenthalten zu dürfen, deren Arbeiten durch Bestäti» gung und Erweiterung oder Widerlegung derselben an Werth; an Schärfe gewinnen mussten. Es handelte sich um einen Process, bei welchem seichtes Theoretisiren sich so leicht auf- diängt, und um so unnützer ausfallen muss, je weniger das Verschiedenarlige bekannt ist. Grösser ist aber jedenfalls der Gewinn, wenn man das Differente als nicht wesentlich, als durch die Umstände bedingt, begreifen kanı. Da mir das jetzt, nachdem Vogt’s und Bagge’s Untersuchungen bekannt ge- worden sind, möglich scheint, stehe ich nicht an, meine frü- hern Ansichten in dieser Beziehung in Frage zu zielen, und die Annäherung an Schleiden folgendermaassen zu ver suchen. Nach Schleiden bilden sich kleine Solida in dem flüssi- ”» ‘ 100 gen Inhalte: einer Zelle; Es bilden sich die Zellenkerne. An ihnen 'entstelien zarte Anflüge fester Substanz, und im dieser tritt bald ein Gegensatz von festen und flüssigem, Zellenwand und Zelleninhalt hervor. — Diese Processe darf man sich als Begleiter einer allmähligen Umänderung des Inhaltes der Mut- ierzelle denken. Der Gehalt der Flüssigkeiten der Mutterzelle ist bedingend für die Bildung neuer Zellen, und wird andrer- seits wieder durch dieselben bedingt, verändert. Weder in der Bildung von Kern und junger Zelle, noeh in der Ausbil- dung des flüssigen Inhaltes der Mutterzelle, wodurch dieselbe fähig wird die Bestandtheile der neuen Zellen zu liefern, ist ein Sprung, ein plötzlicher Uebergang denkbar. Verschieden gerade iu dieser Beziehung sind die Verhältnisse in den fragli- ehen Dottern, verschieden in Beziehung auf diese Verhältnisse, und doch wesentlich analog könnte darum doch die Zellenbil- dung desselben sein. Der Dotter könnte als höchst disponirt zur Zellenbildung gedacht werden. Aber die Kerne fehlen dazu. In der Keimblase sind die Keimflecken abgeschlossen, langsam vegetirend, völlig ausgebildet, um mit dem Dotter in energische Wechselwirkung zu treten. Unter solchen Umständen tritt die Befruchtung ein, die Scheidewand schwindet, und Niederschläge der ganzen Dottermasse erfolgen, entweder um mehrere Kerne zugleieh, aber durch fortschreitende Spaltung immer wenigere Kerne enthaltend, bis zuletzt diese sich selbst wieder vermeh- ren müssen, um der Anzalıl von Zellen oder Spaltungstheilen zu genügen, oder um einen einzigen sich verlängernden, spal- tenden, fort und fort sieh vermehrenden Kern. Lassen solche Klumpen einen Vergleich mit jenen ersten feinen Anflügen am 'Zellenkern zu? . Dass die grössere Masse unwesentlich sein könne, sollte aus der vorhergehenden Darstellung hervorgehen. Dass che- mische Homogenität solcher zarten Anflüge theils nur ein hy- pothetischer Unterschied sein würde, dass aber auch das Mit- einbegreifen der einmal vorhandenen Dotterplättchen in die am Kerne sich eonsolidirende Masse nicht einmal als eine so we- 101 sentliche Differenz betrachtet werden müsse, wird man auch zugeben. — Sonach wären diese Zellenbildungen nur dadurch verschieden, dass bei den einen die ursprüngliche Masse gross genug wäre, um ohne Wachsthum die Differenz von Zellen- wand und Zelleninhalt in sich zu bilden, während bei den andern die Substanzvermehrung, das Einsaugen von Flüssigkeit und das Ausscheiden in die zu bildende Höhle zu dieser Ent- wickelung nöthig ist. Zur festeren Begründung solcher Anschauungsweise diene der von mir nachgewiesene Zusammenhang der Klumpen in sich, weleher von der möglicher Weise vorhandenen Membran unabhängig ist. Dadurch werden dieselben jenen primären fei- nen Niederschlägen um so ähnlicher. Je mehr man dagegen das ursprüngliche Vorhandensein einer Membran, welche dann natürlich entfernt vom Kerne entstanden sein muss, bei diesen Klumpen nachweisen kann, um so mehr tritt eine Verschie- denheit von der-Schleiden’schen Zellenbildung hervor, wie sie nach Vogt in so vielen Fällen wirklich vorhanden sein soll. Sollte sich die hier vorgeschlagene Ansicht bewähren, so müsste es willkommen sein, jenen zarten, den Augen immer zur iheilweise erreichbaren Vorgang in diesen Dptiern mit kräftigern Umrissen entworfen zu finden. Versuche über die Möglichkeit des Zusammenheilens func- tionell verschiedener Nervenfasern. Von Dr. F. Bınver in Dorpat. Negative Resultate haben in jeder wissenschaftlichen Unter- suchung nur einen untergeordneten und bedingten Werth, In- dessen kann das Gewicht derselben unter Umständen doch so beträchtlich werden, dass sie die Möglichkeit der affirmativen Lösung einer angeregten Frage entweder sehr unwahrscheinlich machen, oder ganz aufheben. Indem sie auf solche Weise zur Beseitigung von Controversen hinwirken können, darf ihnen ein Einfluss auf die Gestaltung der Wissenschaft immerhin zugesianden werden. Von diesem Gesichtspunkte aus wol- len auch die folgenden Mittheilungen angesehen und beur- theilt sein. $. 1. Die zahlreichen, über die Regeneration der Nerven bisher angestellten Versuche haben erwiesen, dass in einfach oder selbst mit Substanzyerlust durchschnittenen Nerven das Leitungsvermögen wiederhergestellt werden könne, und dass in solchem Falle die die getrennten Nervenenden vereinigende Narbe wahre Nervenprimitivfasern enthalte. So sorgfältig na- mentlich einige der neuesten hierauf bezüglichen Beobachtungs- reihen durchgeführt sind, und so sehr der ganze Narbenbil- dungsprocess in den Nerven von seinem Beginn bis zu seiner Vollendung dadurch aufgeklärt worden ist, so sind doch manche 103 zubtilere, dieses Verhältniss betreffende Fragen, wenn auch nicht unberührt: ‚geblieben, so doch nicht: befriedigend beant- wortet worden. Zu dieser gehört ganz besonders und dürfte die inleressanteste in diesem Gebiete sein, die Frage nach dem gegenseiligen Verhalten der in einem gemischten Nerven ‚vor- handenen und functionell verschiedenen Primitivfasern nach der Durchschneidung und während des Zusammenheilens der Durch- schnitisenden. Es blieb nämlich bisher unentschiedeu, ob bei diesem Process nur die entsprechenden Primilivfasera wieder zusammenireten, oder eb aueh centripelale mit centrifugalen sich vereinigen können. Man sieht auf den ersten Blick, dass es sich hier nielit um Befriedigung blosser Neugier, um Fest- stellung eines Curiosum handelt, sondern dass sich hierbei ein Weg eröflnet, der im glücklichen Falle die Lösung manclier bisher noch nicht entschiedenen Punkte der Nervenphysiologie zu liefern verspricht, Denn ob die Nerven selbstthätige oder nur passive Leiter der von aussen eder ionen ihnen zukom- menden Reize seien, welchen Antheil an der Eigenthümlichkeit ihrer Lebenserscheinungen das centvale oder peripherische Ende derselben habe, ob haltbare Gründe für eine Circulation des Nervenagens sich finden lassen u. s. w. — das sind Verhält- nisse, deren Beleuchtung an die erwähnte Frage sich anschliesst, und die das Interesse für dieselbe wesentlich steigern müssen. $. 2. Die ersten Versuche über die organische Vereini- gung verschiedenartiger Nerven und über die etwaige Wieder- herstellung der Leitung durch dieselben nach einer solchen Verwachsung wurden von Flourens angestellt (Heusinger's Zeitschr. S, org. Phys, Bd. II. p. 322). Es wurden nämlich bei einem Huhn die beiden Hauptnerven, die aus dem plex brachialis an die obere und untere Fläche des Flügels schen, durchschnitten, und bei der Vereinigung miteinander gekreuzt; nach einigen Monaten hatte das Thier den vollkommenen Ge- brauelı des Flügels wieder, und jeder über oder unter der Ver- einigungsstelle, so wie an derselben selbst angebrachte Reiz wurde vollkonunen forlgeleitet. Doch können gegen die Be- 104 weiskraft dieses Versuchs einige Zweifel gellend gemaeht wer- den. Ueberzeugte man sich nämlich durch nachfolgende ana- tomische Untersuchung, dass die Verheilung der Nerven wirk- lich in der beabsichtigten Weise erfolgt war? Leider steht mir der Originalaufsatz von Flourens nicht zu Gebote, und in dem a. a. O. gegebenen Auszuge geschieht der anatomischen Untersuchung keine Erwähnung. Wurde diese aber unterlas- sen, so ist der Vermuthung Raum gegeben, dass die gewünschte Kreuzung bei der Vereinigung nicht zu Stande gekommen war, was, wie die folgenden Versuche lehren werden, nur zu häufig geschieht. Aber gesetzt auch, es war die gekreuzte Vereinigung in der That erfolgt, so beweist die Leitung durch diese Narbe für die angeregte Frage doch gar wenig. Denn beide jener Armnerven sind in Bezug auf die Qualität der in ihnen enthaltenen Primitivfasern einander sicherlich ziemlich gleich, und man könnte da annehmen, dass die motorischen oder sensiblen Fasern des einen Nerven mit den entsprechen- den des andern zusammengeheilt seien; indem überdiess die Nähe, in welcher die Fasern dieser Nerven ohne Zweifel in den Centraltheilen nebeneinander gelagert ‘sind, eine solche vollkommene Wiederherstellung der Function nicht wenig be- günstigt haben mag. — Versprechender war schon der älın- liche Versuch desselben Autors, bei welchem der Vagus mit dem fünften Cervicalnerven verbunden wurde. Zwar enthalten auch diese beiden Nerven centrifugale sowohl als centripetale Fasern; aber die eigenthümliche Beziehung des Vagus zu mel- reren Lebensfunclionen macht die Verschiedenheit seiner Fa- sern von denen des Cervicalis doch kenntlich genug- -Es hat- ten sich nun in diesem Fall nach einigen Monaten dem äus- sern Ansehn nach die Nervenenden vollkommen miteinander vereinigt, aber bei Durchschneidung des andern Vagus trat der Tod ein, und Flourens schloss daraus, dass der Hirnnerv das Prineip seiner Verrichtungen nicht aus dem Rückenmark schö- pfen könne. Die mikroskopische Untersuchung der Narbe un- terblieb aber, und so blieb denn auch unentschieden, ob neue 105 Nervenprimitivfasern, die die Leitung zu übernehmen im Stande gewesen wären, sich ia der That hier gebildet hatten. 8.3. Auch Schwann stellte über das Zusammenheilen motorischer und. sensibler Nervenfasern einen Versuch an (Mül- ler’s Physiol. Ste Aufl. Bd. I. pag. 415.). An einem Frosche waren die N. ischiadiei auf beiden Seiten durchschnitten und wieder zusammengeheilt. Das Rückenmark wurde entblösst und die hintern Wurzeln durchschnitten in der Absicht, durch dieselben Bewegungen hervorzurufen, falls verschiedenartige Primitivfasern zusammengeheilt sein sollten. Indessen zeigte sich dabei keine Bewegung in den Schenkeln; starke Zuckun- gen aber entstanden im Unterschenkel, als die vordern Wur- zeln durehschnitten wurden, zum Zeichen dass die Leitungs- fähigkeit der Narbe wieder hergestellt war. Müller bemerkt dabei, dass hiermit noeh nichts gegen das Zusammenheilen sol- cher Fasern bewiesen sei, da die Empfindungsnerven vielleicht nicht das Vermögen besitzen, vom Centrum zur Peripherie zu leiten. Doch will es mir scheinen, dass es sich hier weniger um das bloss anatomische Factum handele, ob ceutripetale und cenlrifugale Fasern überhaupt sich miteinander vereinigen kön- nen, sondern dass das ganze Gewicht dieser Untersuchung in der plıysiologischen Seite liege, in dem geforderten Beweis für die nach einer solchen Verbindung wieder mögliche Leitung. Es gilt hier zu erfahren, ob ursprünglich sensible Fasern durch die Verbindung mit motorischen die Fähigkeit erlangen kön- nen, das Nervenprineip in peripherischer Richtung zu leiten, d. h. Bewegungen hervorzurufen, und ob in ähnlicher Weise motorischen Fasern durch die Vereinigung mit sensiblen die Fähigkeit zu centraler Leitung oder zu Vermittlung von Em« plindungen mitgetheilt werden könne. Denn nur in diesem Fall ist eine solche Verbindung von Interesse. Wird die Lei- tung bei verschiedenartigen, durch die Regeneration miteinander vereiniglen Fasern nicht wiederhergestellt, und in keinem Fall wieder hergestellt, so kann uns diese Vereinigung ziemlich gleichgültig bleiben, denn die so verbundenen Fasern sind ja 106 für die Bedeutung der Nerven eigentlich ganz verloren. ‚Und wäre die Unmöglichkeit der Leitung unter diesen Umständen erwiesen, so wäre damit auch jeder Grund zur weitern Fort- führung dieser Untersuchungen abgeschnitten. — Aber auch dem Schwann’schen Versuche lässt sich eine unbestreilbar verneinende Kraft nicht beimessen. Denn wenn man die hin- tern Wurzeln der Spinalnerven auf ihre centrifugale Leitung prüfte, so hatten auch die vordern Wurzeln derselben ein Recht auf ihre etwanige centripelale Leitung ausdrücklich untersucht zu werden, was freilich mit Schwierigkeiten verbunden gewe- sen wäre, die hier nicht verkannt werden sollen. $. 4. ‚Steinrück (de nervorum regeneralione diss. pag, 59. u. 66., und exper. 30.) hat den fraglichen Gegenstand eben- falls in einem Versuche ganz in der von Schwann unter- nommenen Weise zu lösen versucht. Das Resultat war auch hier.ein negatives; aber auch hier lässt sich derselbe Einwand machen. Noch mehr aber wird die Beweiskraft dieses Expe- riments verringert durch das Ergebniss der mikroskopischen Untersuchung der Narbe, indem das neuerzeugte Nervengewebe hier unvollständiger entwickelt war, als in andern Fällen. $. 5. Andere ausführlichere Mittheilungen über diesen Ge- genstand sind, so viel mir bekannt, nicht gemacht worden. Schön und Günther erwähnen derselben zwar (Müll. Arch, 1840 pag. 284.). haben aber auch nichts Bestimmtes darüber ausmitteln können, und halten ein posilives Resultat für sehr unwahrscheinlich, Nasse (Müll. Arch, 1839 pag. 405.) be- rührt diese Frage gar nicht, und hälte auch kaum etwas zu deren vollständiger Lösung beitragen können, da in keinem seiner Versuchen selbst nach drei Vierleljahren die Leitung durch die Narbe hindureh sich wiederhergestellt hatte. Eben so wenig finde ich in Valentin’s Werk über die Verrichtun- gen der Nerven, in dem auch über die Regeneralionsphäno- mene derselben gehandelt wird, etwas auf unsern Gegenstand Bezügliches. $. 6. Die oben angedeuteten wichligen Erörlerungen, die 107 an eine posilive Beantwortung dieser Frage sich würden knüp- fen lassen, und die Ueberzeugung, dass die bisher erhaltenen negativen Resultate noch keinesweges für erledigend und ab- weisend genug angesehen werden dürften, bestimmten mich zu erneuerlen Versuchen über dieselbe. Ohne die von Schwann und Steinrück dabei befolgte Methode verwerfen zn wollen, glaubte ich doch, dass der von Flourens eingeschlagene Weg im glücklichen Fall zu noch schlagenderen und bündigeren Re- sultaten führen müsse. Es kam hier nämlich besonders darauf an, möglichst verschiedene Nerven zu dem Experiment zu wäh- len, damit einestheils der Erfolg der Durchschneidung recht augenfällig, und andern Theils die nach gekreuzter Verbindung und Verheilung etwa wiederhergestellte Leitung mit Bestimmt- heit und Sicherheit zu ermitteln und zu beurtheilen sei. Kaum möchte hierzu ein anderes Paar nahe benachbarter Nerven sich in so hohem Grade eignen, als die N.N. lingualis und hypo- glossus. Jener ist durchaus sensibel, dieser dagegen so über- wiegend motorisch, dass die Gegenwart sensibler Fasern in demselben nur aus dem unbedeutenden Schmerz bei der Durch- schneidung sich ergiebt, die Empfindlichkeit der Zunge aber nach dieser Operation kaum verändert genannt werden kann. — Es musste ferner bei jedem Experiment die Leitungsfähig- keit der Narbe mit der Ausbildung ihres Gewebes verglichen, und also die mikroskopische Untersuchung derselben nicht un- terlassen werden. &7. Nach einem diesen Beobachtungen entsprechenden Plane habe ich acht Versuche an Hunden angestellt, indem ich bei zwei Thieren die erwählten Nerven auf beiden Seiten der Operation unterwarf — jedoch nicht gleichzeitig, sondern nach Intervallen von 50 und 56 Tagen — an vier andern dagegen nur auf einer (der linken) Seite. Um Wiederholungen zu ver- meiden, will ich jedoch nicht jedes einzelne Experiment mit allen sich daran knüpfenden Untersuchungen hier aufzählen, sondern nur diejenigen während des Lebens und nach dem Tode der Thiere beobachteten Erscheinungen hervorheben und 408 zusammenstellen, die zu den Resultaten dieser Versuche in näch- ster Beziehung stehen, und die bei einstiger Wiederholung der selben vielleicht einige Berücksichtigung erfordern dürften. Ich muss endlich noch bemerken, dass mein verehrter Freund, Prof. Volkmann, bei der Mehrzahl dieser Versuche mir mit Rath und That zur Seite gestanden hat. 8.8. Es wurden die N. lingualis und hypoglossus immer an der Stelle aufgesucht, wo sie über dem Musc. mylohyoideus unmittelbar nebeneinander liegen. Die Durchschneidung des Lingualis war jedes Mal mit einem heftigen Zusammenzucken des ganzen Körpers verbunden; die Trennung des Hypoglossus erregte nur unbedeutenden Schmerz, ja bei zwei Thieren, die freilich überhaupt sehr unempfindlich waren, schien dieselbe gar keinen Eindruck zu machen. Die Verbindung der durchschnit- tenen Nerven wurde in doppelter Weise vorgenommen. Es wurde nämlich — sechsmal — das centrale Ende des Hypo- glossus mit dem peripherischen des Lingualis, und — zwei- mal — das centrale Ende des letztern mit dem peripherischen des Hypoglossus vereinigt. Also nur zwei der entgegengesetz- ten Enden der beiden durchschnittenen Nerven wurden verbun- den; die beiden andern Enden wurden möglichst weit exstir- pirt, um einer Wiedervereinigung derselben mit ihren ursprüng- lichen Fortsetzungen vorzubeugen. Es wurden zu dem Zwecke Stücke von wenigstens 6‘, oft auch 8“ Länge und darüber iheils aus den Stämmen dieser Nerven, theils aus ihren Zwei- gen hinweggenommen; ja, da sich schon in den ersten Ver- suchen fand, dass blosses Ausschneiden eines Stückes Nerven die Wiedervereinigung nicht hinlänglich hemmte, so wurde in der Folge ein solches Nervenende noch mit einem Faden um- schnürt, den man nach aussen führte, mit einem der Wund- hefte vereinigte, und durch ihn das Nervenende zu vereinigen suchte. — Die Verbindung aber derjenigen Nervenenden, deren Zusammenwachsen bezweckt wurde, geschah mittelst einiger feinen, durch das Neurilem derselben geführten und darauf zu- sammengeknüpften Seidenfäden. Auch wurde darauf geachtet, 109 diesen Nervenienden eine solche Länge und Stellung zn geben; dass bei ihrer an dem sehr beweglichen Organ unvermeidli- chen Dehnung, ihre gegenseitige Lage doch möglichst gesichert schien. $. 9. Die betreffende Zungenhälfte war unmittelbar nach der Operation völlig unempfindlich; sie wurde auf die eindring- lichste mechanische Weise gereizt von der Spitze bis gegen die Wurzel hin; ohne dass die Thiere jemals eine Spur von Schmerz, geäussert hälten. Bei ähnlicher Reizung der gesunden Hälfte fand wenigstens immer ein Zurückziehen des Organs Statt. Auch die Lähmung der Zungenmuskeln war schon bei ober- Nächlicher Betrachtung unverkennbar; sie lag wie eine todte Masse da, und wurde bei der Bewegung der andern Seite nur träge milgeschleppt. Es war also die Zunge in einen Zustand so vollkommener Empfindungslosigkeit und in so hohem Grade ge- störter Bewegungsfähigkeit gesetzt, dass man hoffen durfte, auch die geringsten Spuren der Wiederkehr jener Lebensäusserungen wicht zu übersehen. Die Veränderungen in dem Zustand der Zunge wurden in der Regel in Fristen von acht Tagen ge- prüft. Doch waren die Ergebnisse soleher äusserlichen Un- tersuchung bald vollständiger, bald mangelhafter, je nachdem die Thiere zahm und lenksam oder unbändig waren, und je nachdem sie in gehörigem Grade empfindlich sich zeigten, oder zuweilen jeden selbst schmerzhaften Reiz ohne irgend eine Reaction an sich vorübergehen liessen, im welcher Hinsielit zwei der benutzten Thiere höchst auffallende Erscheinungen darboten. $. 10. Es war zuvörderst eine jedesmalige Folge der voll- ständigen Lähmung einer Zungenhälfte, dass dieselbe durch die Zähne dieser Seite sehr beträchtliche Verletzungen erlitt. In den ersten Wochen nach der Operation zeigtem sich hier nämlich tiefe Einschnitte und Wunden, die theils nur den Rand der Zunge betrafen, iheils auch mehr nach der Mitte derselben hin sich fanden. Die Zunge erhielt dadurch ein hässliches blutig zerrissenes Ansehen. Nach Verlauf von drei bis vier 410 Wochen waren diese Wunden vernarbt und kehrten auch nicht wieder, $. 41. . Ferner war in den ersten Wochen nach der Ope- ration die Ernährung der Zunge immer beeinträchtigt, obgleich in keinem Falle irgend ein bedeutenderes Gefäss derselben ver- letzt war. Die Oberfläche der Zunge zeigle nämlich starke und tiefe Queerrunzeln, als sei das Involucrum linguae zu weit geworden für die verringerte fleischige Masse dieses Organs; ja es war diese Abnahme der Substanz zuweilen so merklich, dass eine sehr auffallende Grössendifferenz zwischen beiden Zungenhälften Statt fand. Dieser Zustand blieb in ein Paar Fällen bis zum Tode der: Thiere unverändert, in anderen ge- schahen unverkennbare Schritte zu seiner Beseitigung, ja einige Male schien die Zunge ihr ursprünglich gleichmässiges und glat- tes Ansehn vollständig wiedererlangt zu haben. 8. 12. Die Bewegungsphänomene der Zunge zeigten fol- gendes Bemerkenswerthe: Wo die Nerven nur auf einer (lin- ken) ‚Seite durchschnillen waren, war die Zungenspitze auch nach dieser Seite hinübergezogen, zuweilen in dem Grade, dass sie selbst etwas nach hinten sah, und dass der linke Rand der Zunge concay, der rechte convex erschien. An dieser fehler- haften Stellung schien besonders eine durch Vernarbung der erwähnten Wunden entstandene Contractur der Zunge Schuld zu sein. Wenn ferner in diesen Fällen die Zunge hervorge- streckt werden sollte, z. B. beim Fressen u. dergl., so trat sie unter allen Umständen immer nur an der linken Seite das Mun- des hervor. Dieses Hinüberziehen nach einer Seite hin hing sicherlich mit dem zerstörten Nerveneinfluss zusammen; doch musste es auffallend sein, dass es gerade nach der Seite hin geschah, an welcher die Nerven durchschnilten worden waren, indem nach sonstigen Erfahrungen das Gegentheil weit eher erwartet werden durfte. Die Ursache dieser schiefen Richtung war aber ohne Zweifel in dem aufgehobenen Contractionsver- mögen derjenigen Muskeln zu suchen, die an der linken Seite das Zungenbein heben. Denn indem bei der Intention, die 111 Zunge hervorzusirecken, das Heraufziehen des Zungenbeins nur den Muskeln der einen Seile überlassen wird, so muss eine schiefe Stellung des Zungenbeins zum Unterkiefer, und also auch der Zunge zur Mundhöhle hervorgebracht werden, eine Stellung, die durch die Lähmung des Muse. genioglossus der- selben Seite, und das Uebergewicht des gleichnamigen Muskels der andern Seite sicherlich noch verstärkt wird, Hiermit stimmt auch überein, dass jene Stellung um so auffallender war, je sorgfälliger bei der vorhergegangenen Operation alle vor der Durchschnittsstelle des Nerven von ihm abgehenden und in die hier belheiligten Muskeln tretenden Zweige exslir- pirt worden waren. In keinem Falle halte sich bis zum Tode des Thieres in der Bewegungsfähigkeit etwas Wesentliches ge- bessert, obgleich hierzu selbst bis 131 Tage Zeit gegeben war. 8. 13. Wo die Nerven’ auf beiden Seiten durchschnilten waren, traten nach der zweiten Durchschneidung die Erschei- nungen auch in anderer Weise auf. Hier kam die Zunge nie ausserhalb des Mundes zum Vorschein. Flüssige Speisen wur- den daher auch nicht, wie sonst gewöhnlich, mit derselben aufgeschaufelt und nach hinten geworfen, sondern nur durch Bewegung der Lippen, durch Saugen, in den Mund geförder!; ihre Aufnahme ging daher nur langsam vor sich, so gross auch die Gier war, mit der die Thiere über die ihnen gebotenen Speisen herfielen. Bei geöffnetem Maule erschien die Zunge hier Anfangs runzelig, füllte nicht den ganzen Raum zwischen den Aesten des Unterkiefers aus, und reichte nicht bis an die Schneidezähne, sondern blieb mit ihrer Spitze immer 44 Zoll von denselben entfernt. Nach längerer Zeit, 3—4 Monaten, waren die Runzeln verschwunden, und die Zungenspitze konnte ein wenig über die Schneidezähne hinaus geschoben werden. Der Beginn der wiederhergestellten centrifugalen Leitung war ‚hier ganz unverkennbar. $. 14. Ueber die Wiederkehr der Empfindung war es hier, wie überhaupt bei Versuchen an Thieren zuweilen, schr schwer, ein zuverlässiges Urtheil abzugeben. In solchen zwei- 412 felhaften Fällen mussten gewisse Nebenunistände zur Beurthei- lung des Zusiandes der Empfindungsnerven benutzt werden; und hierzu schien besonders die schon erwähnte Erscheinung brauchbar, ‚dass die tiefen, in den ersten Tagen nach der Ope- ration in. die Zunge hineingebissenen Wunden nach einigen Wochen vernarbt waren und nicht wiederkehrten, was kaum anders zu erklären ist, als mit der Annahme, dass die Zunge das Gefühlsvermögen, wenn auch nur ein dunkles und unvoll- kommnes, wieder erlangt habe, und sich dadurch vor neuen Verletzungen zu schützen befähigt: worden sei. Oefters je- doch liess sich die Wiederkehr der Empfindung mit aller Si- eherheit bestimmen; und. zwar hatte sie sich einige Male so vollständig wieder eingestellt, dass zwischen der operirten und gesunden Seite durchaus kein Unterschied zu bemerken war; In andern Fällen war die Reaclion auf Reize, die auf die ope- rirte Zungenhälfte angewandt wurden, allerdings träger; aber nur in einem einzigen Fall war auch nach Verlauf von 12 Wo- chen die Empfindungslosigkeit gegen mechanische Reize so gross; wie unmittelbar nach der Operation. $. 15. An einer Wiederherstellung der Leitung durch die Nervennarben konnte also auch in diesen Experimenten nicht gezweifelt werden. Für die centripetale Leitung lagen die schlagendsten Beweise vor; von der centrifugalen waren we- nigsiens in zwei Fällen unverkennbare Andeutungen vorhan- den. Dass die hierauf bezüglichen Erscheinungen nach längerer Zeit vielleicht noeh deutlicher hervortreten würden, warmnicht wahrscheinlich nach den bisherigen Erfahrungen, denen zufolge die Leitung durch die. Narbe schon nach 4—6 Wochen be- ginnen sollte; so schienen denn 62, 80, 83, 85; 92, 113, 131; und endlieh 136 Tage hinreichend zur vollständigen Ausbil- dung der Narbe; Es galt jetzt aber, nachzuweisen, auf wel- che Art die Zweige des Lingualis und Hypoglossus an der Lei- tung Antheil halten. Diess musste durch Reizversuche theils an den Stämmen. dieser Nerven; theils an ihren Zweigen ermit- tell werden. Ich wollte die hierzu erforderliche Untersuehung 113 an den lebenden Thieren machen, musste aber nach zwei zum Theil misslungenen Versuchen davon abstehen. Die Narbe im Zellgewebe und den Muskeln — denn der Mylohyoideus musste bei der Operation durchschnitien werden — war so fest, und alle benachbarten Theile bei dem Narbenbildungsprocesse so innig vereinigt und consolidirt, dabei die Verletzung der neu- gebildeten feinen Blutgefässchen so störend, dass selbst bei der grössten Vorsicht die Gefahr, gerade die zu untersuchenden Neryenäste zu verlelzen, fast unvermeidlich schien. Die Reiz- versuche wurden daher an den so eben getödteten und noch reizbaren Thieren angestellt. Ueber die empfindenden Nerven- zweige konnte dann freilich nur ein negatives Urtheil gefällt werden; man konnte nämlich nur bestimmen, dass gewisse Nervenzweige auf galvanischen Reiz keine Bewegung hervor- rufen. — Ferner wurden die fraglichen Nerven theils an ihren Wurzeln in der Schädelliöhle gereizt, theils unmittelbar ober- halb der Narbe, und diess war namentlich für den Hypoglossus wiehlig, um die von den Cervicalnerven zu ihm ansteigenden und zur Zunge sieh begebenden Nervenfasern nicht von dem Kreis der Untersuchung auszuschliessen. Dass auch die Narbe selbst und die unterhalb derselben gelegenen Nervenzweige gereizt wurden — vorausgesetzt dass es gelang, sie rasch ge- nug vor dem völligen Erlöschen der Reizbarkeit herauszuprä- pariren — braucht kaum bemerkt zu werden; wohl aber muss ich ausdrücklich hervorheben, dass, wenn von motorischer Wirkung der Zungennerven die Rede ist, dieselbe nicht bloss an der Lagenveränderung der ganzen Zunge abgemessen, son. dern vielmehr nach der Eniblössung der einzelnen Muskelu an deren Zusammenhang bestimmt wurde. $. 16. Galvanische Reizung (mittelst einer Säule, von 42 bis 20 Plattenpaaren) des Hypoglossus innerhalb der Schädel- hölle erregte naclı 136, 431 und nach 80 Tagen, nicht aber nach 62 Tagen deutliche Bewegungen der Zunge. Besonders siark waren dieselben an der Zungenwnrzel, wo sie freilich von den noch unversehrt gebliebenen Zweigen, die zu den Müller's Archiv. 1642, 8 414 Zungenmuskeln gehen, herrühren konnten; doch fehlten sie auch nicht an der Zungenspitze, und namentlich war in diesen Fällen die Kräuselung des freigelegten Styloglossus unverkenn- bar. Doch waren die Muskelcontractionen hier allerdings’ we- niger kraftvoll als bei unversehrten Thieren; von der Gewalt, mit’ welcher im gesunden Zustande bei Reizung des Hypoglos- sus die Zunge nach einer oder der andern Seite hin geschleu- dert wird, war hier nichts zu sehen. So verhälluissmässig schwach die Leitung durch die Narbe in jenen drei Fällen aber auch erschien, so unterschieden sich die hier wahrgenommenen Erscheinungen doch sehr wesentlich von dem einen Fall, wo gar keine Leitung durch die Narbe Statt fand. Reizung des Hypoglossus unmilielbar vor der Narbe er- zeugte nach 136 Tagen deutliche Bewegungen der ganzen Zunge bis zu ihrer Spitze, obgleich weniger kräftige, als ‚auf der gesunden Seite. Dagegen erregte in zwei anderen Fällen 83 und 85 Tage nach der Operation, die Reizung oberhalb der Narbe so slarke Contractionen der Zungenmuskeln, dass die- selben Erscheinungen auf der gesunden Seite kaum kräftiger und ausgedehnter genannt werden konnten. Auch unterhalb der Narbe brachte in den beiden lelzige- vannten Fällen Reizung der Hypoglossuszweige deutliche Con- traclionen der Zungenmuskeln hervor. Dagegen erzeugte Reizung des Lingualis oberhalb und un- terhalb der Narbe in keinem Fall eine in den Muskeln sich kundgebende Reaction. $. 17. So war es also durch die Reizversuche sehr zwei« felhaft geworden, dass die angeführten Experimente genügende Mitiel zur bejahenden Beantwortung der angeregten Frage dar- bieten würden; völlig vernichtet wurde diese Aussicht durch die nachfolgende anatomische Untersuchung. In keinem der erwähnten acht Fälle war die Verheilung der getrennten Ner- ven ganz in der gewünschten Weise erfolgt, vielmehr waren sie mehr oder weniger vollständig in ihre ursprünglichen Ver- bindungen zurückgekehrt. Unter den sechs Fällen, in welchen 115 ich das centrale Ende des Hypoglossus mit der peripherischen Seite des Lingualis verbinden wollte, war dasselbe — allen Vorkehrungen zum Trotz — dennoch in drei Experimenten mit seiner eigenen peripherischen Fortsetzung genau verbunden, während die Enden des Lingualis theils ebenfalls für sich zu- sammengelreten, theils auch (in einem Fall) völlig getrennt ge- blieben waren. In den übrigen drei Fällen hatte sich die Cen- tralseite des Hypoglossus in der That mit der peripherischen des Lingualis verbunden; aber hier treten doch auch die an- deren beiden Nervenenden mehr oder weniger vollständig zu der ganz unförmlichen Narbe hinzu. — Aehnlich war es auch mit den beiden Versuchen gegangen, in denen das centrale Ende des Lingualis mit der Peripherie des Hypoglossus ver- bunden werden sollte, indem einmal auch die centrale Seite des letztern mit in die Narbe hineingezogen war, das andere Mal beide Nerven vollkommen in ihre ursprünglichen Verbin- dungen zurückgekehrt waren. & 48. Die genauere anatomische Untersuchung dieser verschiedenen Narben lieferte folgende, grösstentlieils schon be- kannte Resultate. Sie bewies zunächst die Möglichkeit der Regeneration der Nerven selbst nach Excision von mehr. als 8” langen Stücken, was der Wiedererzeugung der Nervensub- stanz noch weitere Gränzen, als die bis dahin angenommenen, steckt. Es bildete ferner die Narbe stets eine Anschwellung von beträchtlicher Härte und röthlicher, von den Aussehn der gesunden Nerven sehr verschiedener Farbe; doch war die Grösse dieser Anschwellung nicht allein von der Länge des lerausge- sehnittenen Stückes abhängig, sondern stand eben sowohl als der Grad der Härte und die Intensität der Färbung in umge- kelrtem Verhältniss zu der Zeit, die seit der Operation ver- flossen war. Diess war besonders deutlich in dem Fall von 196 Tagen; hier war die Stelle der Verwachsung kaum noch äusserlich zu erkennen. Die Anschwellung war höchst unbe- deutend, die Härte sehr gering, und beide betrafen nicht mehr die ganze Länge (9) der Narbe; es zeigten sich vielmehr an g* 116 der: letztern auch dünnere und weichere Stellen, so dass sie sich. perlschnurarlig anfühlte. An diesen Stellen war auch die natürlich: weisse Farbe des Nerven fast vollständig wieder- hergestellt. Aehnlich verhielt es sich auch nach 131 Tagen; während in den übrigen Fällen die Ausbildung der Narbe noch auf einer, weit niedrigeren Stufe sich befand. — Eine ähn- liebe härtliche Anschwellung zeigte sich auch an dem einmal frei gebliebenen centralen Ende des Lingualis, während das peripherische Ende desselben, das an keiner Nervennarbe Theil halle, verdünnt und verkümmert in dem den Musc. pterygoi- deus intern. bedeckenden Zellgewebe endete. $. 19. ‚Das Mikroskop zeigle in der Narbe, die 62 Tage zu ihrer Bildung Zeit gehabt halle, nichts was .als Nervenele- ment gedeulet werden konnte; dagegen in allen andern Nar- ben, von 83—136 Tagen, die neugebildelen Nervenprimitiv- fasern ganz unverkennbar hervortreten. In den jüngern Nar- ben aber waren dieselben umhüllt von einer sehr reichlichen, festen, körnigen Masse, die die künstliche Trennung und Zer- legung des Präparats sehr erschwerte, und auch die Ursache der Anschwellung und Härte solcher Narben bildete, : In den älteren Narben war diese Masse sehr verringert, zum Theil selbst ganz geschwunden, wie in dem erwähnten Fall von 436 Tagen, wo daher auch die Primilivfasern ohne besondere Schwierigkeit sich isoliren und darstellen liessen. — Aber auch in Bezug auf die Ausbildung dieser Fasern selbst fanden Unterschiede Statt. In den jüngeren Präparaten waren diesel- ben in der Mehrzahl schmäler, die dunkeln Contouren weni- ger stark ausgeprägt, die ganzen Fasern aber weniger undurch- sichtig und raub, vielleicht weil die Festigkeit der umgebenden Masse eine Kräuselung der Primilivfaserscheide hinderte; der eoagulirte Inhalt bildete häufig diserete Häufchen mit hellen Zwischenräumen. Einzelne breitere und dunklere Fasern ka- men zuweilen anch schon hier vor, bis endlich in den Fällen von 131 und 136 Tagen solche allein die ganze Narbe bilde- ten, und der Unterschied von einem gesunden Nerven in der 117 That nur schr unbedeutend war, und in der sehr geringen Menge jenes dazwischen gelagerten körnigen Stoffes allein ge- sucht werden konnte. Ueber den ununterbrochenen Uebergang der neugebildeten Primilivfasern in die Fasern des unversehrten Nervenstammes habe ich nichts Sicheres ausmitteln können; dass er Statt finde, ist übrigens durch frühere Beobachtungen erwiesen. — Dagegen verhiellen sich die Fasern des Nerven- stammes oberhalb und unterhalb der Narbe in einigen Fällen sehr verschieden. Die letzteren nämlich zeigten sich in der Re- gel in einem etwas verkümmerlen Zustande; schon äusserlich war dieser Theil der Nerven weicher, schlaffer und mürber; seine Primilivfasern waren um die Hälfte schmäler, als auf der gesunden Seite, und liessen sich wegen ihrer Mürbheit auch nur schwer isoliren. Diese Veränderung war besonders auffallend in den Fällen, wo das peripherische Ende des durch- schnittenen Nerven an der Bildung der Narbe gar keinen Theil genommen halle, und wo also auch gar nichts zur Wieder- herstellung der Verbindung mit den Centraltheilen geschehen war; in andern Fällen war sie weniger auffallend, wenngleich noch kenntlich genug; aber nach 131 und 136 Tagen war auch unterhalb der Narbe das Ansehn der Nervenfasern mit dem normalen ganz übereinstimmend. — Oberhalb der Narbe fan- den sich in allen Fällen, es mochte durch dieselbe die Verei- nigung der getrennten Nerven hervorgebracht worden sein oder nicht, keine Abweichungen der Primitivfasern von der Norm. $. 20, Es blieb nun aber noch zu untersuchen, ob nicht in den Fällen, in welchen die Enden des Hypoglossus und Lingualis in eine einzige Narbe verschmolzen waren, wenig- siens ein anstomischer Zusammenhang zwischen den Fasern beider Nerven durch die Fasern der Narbe vermittelt werde. In demjenigen Theil der Narbe, durch welchen Hypoglossus und Lingualis zu einer fortlaufenden Bahn verbunden zu sein schienen, fand ich allerdings wahre Nervenprimilivfasern, und zwar in den Fällen von 82 und 85 Tagen. Aber nicht das blosse Auffinden der Primitivfasern in der Narbe, sondern der 418 selben in die normalen Primitivfasern jener beiden Nerven könnte für diese Frage beweisend werden; und zwar: müsste dieselbe Faser, die man einerseits in eine Hypoglossusfaser über- gehen sah, durch die ganze Narbe hindurch bis in eine Faser des Lingualis verfolgt werden. Das scheint aber eine eben so unabweisliche als wegen des harten Narbengewvebes unausführ- bare Anforderung zu sein. $, 21. So wenig also die angestellten Versuche für eine durch künstliche Vereinigung funclionell verschiedener Nerven hervorzubringende Veränderung in der ursprünglichen Richtung der Innervation sprechen wollten, so wenig wurde auch selbst die anatomische Verbindung verschiedenartiger Nervenfasern im Narbenbildungsprocess erweislich, Ja es scheint, dass diese negativen Resultate durch mehrere Umstände so weit unter- stützt werden, dass die Möglichkeit der Verbindung verschie- denarliger Nervenfasern im höchsten Grade zweifelhaft wird. Denn wenn man erwägt, dass, trotz der Anstalten, durch wel- che man die verschiedenarligen Nerven aneinander zu. heften, und die WWViederherstellung der ursprünglichen Bahnen zu ver- hindern suchte, die Nervenenden dennoch ein so überwiegen- des Bestreben zeigten, sich in der früheren Weise zu verei- nigen, dass sie alle diese Hindernisse überwinden, und voll- kommen ihre früheren Bahnen wiedergewinnen konulen, so kann man nicht umhin zu glauben, dass, wenn nach Durchschnei- dung eines gemischten Nerven die Vereinigung der getrennten Enden erfolgt, und vamentlich wenn sie unter begünstigenden Umständen erfolgt, hierbei nur die einander entsprechenden Neryenfasern zusammentreten. Die Leitung dureh ‚eine solche Narbe findet also wohl nur in der früheren Balın und, Rich- tung Statt, womit freilich nicht behauptet werden soll, ‚dass zwischen allen getrennten Primilivfasern die anatomische Ver- bindung und die Leitung wiederhergestellt werde. Es ist’ viel- mehr sehr wahrscheinlich, wie Schön and Günther schon bemerkt haben, dass, wenn nach der Vernarbung Empfindung und Bewegung nur unvollkommen wiederkehren, diess einer 119 nur partiellen. Vereinigung der. durchschnittenen Nervenfasern beigemessen werden dürfe. $. 22. Ausser .\der Bestätigung, die die, mitgetheilten Ver: suche für manche Angaben ‚liefern, die in der jüngsien Zeit für den Narbenbildungsprocess in den Nerven hingestellt wurden, machen sie endlich noch ‚auf einen Umstand aufmerksam, ‚der die Erklärung zu liefern scheint zu einem Widerspruche, ‚der bei der historischen Durcharbeitung dieses Gegenstandes dem Leser oft peinlich genug entgegentritt. Hat nämlich gleich die Mehrzahl der älteren und neuesten Forscher sich für die Mög- lichkeit der ungehinderten Leitung. des Nervenprincips durch! die Narbe erklärt, so fehlte-es doch auch niemals an sehr. be-: achtenswerthen Gegnern dieser Wiederherstellung; und so hat noch neuerdings der sorgfältige Nasse selbst nach 'drei Vier- teljahren, . und trotz der vollständigsten Entwickelung neuer Nervenfasern in der Narbe niemals die Wiederkehr von Em- pfindung und Bewegung bemerkt. Auch ich habe in mehre- sen Versuchen bei der vollkommensten Regeneration der Ner- ven doch keine Spur eines Willenseinflusses auf die unterhalb der Trennung gelegenen Muskeln bemerken können; aber der - galvanische Reiz wurde auch in diesen Fällen ganz vortreff- lich durch die Narbe geleitet, und zwar dürfte hier von einem Ueberspringen der Electrieität durchaus nicht die Rede sein. Aehnliches hat schon Flourens von Forlleitung mechanischer Reize bemerkt in Fällen, wo ebenfalls der Wille seine Herr- schaft noch nicht wiedererlangt hatte (Steinrück a. a. O. pag. 21.). Findet nun ein solcher Unterschied zwischen der Leitung des Willenseinflusses und der Fortpflanzung mechani- scher und galvanischer, und vielleicht auch reflecto-mototi- scher Reize immer Statt? ist es ein bleibender oder vorüber- gehender Zustand? und trifft im letztern Fall sein Verschwin- den zusammen mit der vollkommenen Entwiekelung der neu- gebildeten Nervenfasern? Hierüber muss die Zukunft vollstän- digeren Aufschluss bringen, doch‘ will ich nicht Jeugden, dass die lelztere Erklärung mir wahrscheinlich ist. Denn in einem 120 meiner Versuche, in dem nach Durchschneidung der Nerven auf beiden Seiten die anfangs gänzlich gelähmte Zunge endlich doch um ein Weniges nach vorn geschoben werden konnte ($. 13.), waren auch die neugebildeten Nervenfasern besonders vollkommen entwickelt. Natürlich wird Verschiedenheit der Thierspeeies, der Constitution u. s. w., hier viele und grosse Differenzen bedingen müssen. — Man kann ferner fragen, ob in-den centripelalen Nerven etwas Achnliches Statt finde? Ist auch hier die Wiederkehr einer klaren Empfindung durch eine vollständigere Ausbildung der Narbe bedingt, während ein dun- kles Gefühl schon früher sich einstellen kann? Fast möchte ich auch diess glauben, da die Bisswunden der Zunge zu einer Zeit verschwanden, wo die Narbe nur unvollkommen entwik- kelt sein konnte, und auf die Zunge angebrachte Reize ent- weder nicht sehr präcise, oder auch wohl gar keine Reactio- nen hervorriefen. Dorpat, am 4 November 1841. Ueber die Wärmeerzeugung bei der Athmung. Von Dr. A. W. F. Scuuurz, pract, Arzt. (Briefliche Mittheilung an den Herausgeber.) Werthgeschätzter Herr Professor! Schon mehrere Male habe ich die Gelegenheit ergriffen, Ihnen von dem zu sprechen, was ich über die Einflüsse der klimati- schen Verhältnisse, des Temperatur-, Barometer- und Feuch- tigkeils-Standes der Luft auf den thierischen, und in’s Beson- dere auf den menschlichen Organismus vermuthete. Bei der Bearbeitung meiner in Rom während 25 Monaten angestellten meteorologischen Beobachtungen wurde ich natürlich auch auf die Frage über das Verhältniss der äusseren Temperatur zu der des Menschen geführt. Berechnungen, die ich deshalb anstellte, leiteten mich auf eivige Punkte, die mir einer weiteren Prü- fung, einer Verallgemeinerung nicht unwerth schienen. Ge- statten Sie, dass ich "Ihnen dieselben in diesen Zeilen vorlege. Dass ich die Form brieflicher Mittheilung wähle, geschieht, weil ich hoffen zu dürfen glaube: man werde an eine solche nicht die strengen Anforderungen machen, wie an eine eigent- liche Abhandlung. “Der Leichtigkeit der Berechnung halber habe ich mir nämlich erlaubt, für einige Grössen eine Mittel- zabl, und für andere, die Temperatur der Lungen, eine nie- drigere anzunehmen, als die meisten Erfahrungen zeigen; näm- 122 lich +29°,0 Reaumur statt + 30°,5 R. Diese Willkür findet aber theils in den schwankenden und divergirenden Angaben einiger Grössen, theils aber auch darin ihre Entschuldigung, dass die gewonnenen Resultate in ihren absoluten Grössen zwar etwas anders ausfallen; aber die aus denselben abgeleiteten Ge- setze dadurch nicht wesentlich verändert werden dürften. So verschieden auch die Ansichten über die beim Athmen vor sich gehenden Processe und deren Wirkung auf die Wär- meerzeugung sein mögen, so scheint es doch, dass die Masse des den Lungen zugeführten Sauerstoffes für dieses Phänomen nicht gleichgültig, nicht bedeutungslos sei. Daher hielt ich es vor Allem nöthig, zu untersuchen, ob und in wie weit die Sauerstoffmenge in der Luft durch Veränderungen des Ther- mometer-, Barometer- und Luftfeuchligkeits-Standes modifi- eirt werde? Nächstdem glaubte ich auch untersuchen zu müssen: ob überhaupt, und. welehe Wirkungen aus der Vermischung der mit den einzelnen Athemzügen in die Lungen eingeführten Luftmasse mil der, welche in diesem Organe, zurückgeblieben war, abgeleitet werden könnten? Die Erfahrung, dass durch Dampfbildung Wärme ‚gebunden, durch Condensation der Däm- pfe aber Wärme frei werde, liess mich eine Wirkung auf die Wärmeerzeugung in den Lungen vermuthen, In dem Hut- ton’schen Gesetze über die Bildung der Niederschläge in der Luft glaubte ich einen Weg gefunden zu haben, ‘welchen zu betreten, nicht erfolglos schien. In diesen beiden Beziehungen habe ich , angestellt, welche ich mit den Resultaten Ihnen und der übri- gen physiologischen und ärztlichen Welt hiemit vorlege. Die Grössen, von denen ich ausging, sind folgende: die gesammte Capaeität der, Lungen eines Erwachsenen nahm ich zu 140 Kubikzoll an, das Luftvolumen, welches mit jelem Athemzuge in dies Organ tritt, zu 20 Kubikzoll = v“, und das in dem- selben Organe verbleibende Volumen von Luft. zu 120 Kubik- zoll = ı“, die Temperatur in den Lungen ‚zu +29°%,0 R, =t‘. 123 Die der Wahrheit nähere, Grösse für dies letztere Moment, 30°,5 R. zeigte mir einige Unbequemlichkeiten, so dass ich den Unterschied zwischen ihr und meiner Annahme bei die- sen annähernden Berechnungen ausser Acht lassen zu können glaubte. Die Chemie hat bei wiederholten Prüfungen der Luft ge- funden, dass dieselbe mit sehr geringen Schwankungen aus 24 Theilen Sauerstoff, 78 Theilen Stickstoff und einer verän- derlichen Menge von Koilensäure und Wasserdampf besteht. Ueber den Koblensäuregeha!t der Luft liegen im Ganzen so wenig Beobachtungen vor, die Ermiltelung desselben für jeden einzelnen Fall ist mit so mancherlei Umständen verbunden, dass ich von demselben hier ganz abstrahiren zu können, meinte, Weniger ist dies bei dem Gehalte an Wasserdampf der Fall; Psy- chrometer-Beobachlungen sind ein leichtes und bequemes Mit- tel, denselben zu erforschen. Es kommt nun zunächst darauf an, zu ermitteln, wie ein Luftvolamen v” bei der Tempera- tur t, dem Barometerstande b’ und einem relativen Feuchtig- keitsgehalle h_ mit der dazugehörigen Dunstspannung e, ver- ändert wird, wenn man von demselben die Vergrösserung durch den Wasserdampf y, entfernt, und das darin enthaltene Volumen trockner Luft v‘ sucht. Wäre das ursprüngliche Volumen trockner. Luft vw’, so würde unter den angegebenen Bedingungen dasselbe entspre- chen einem Barometerdrucke b’.,, Tritt zu demselben eine Dampf- masse y mit der Spaunung e, so wird v/, übergehen in v‘+y. Da sich nun die Volumina umgekehrt verhalten, wie der Druck, so wird sich verhalten v‘:v’+y=x:b‘, das or 0 durch der Baromelerstand repräsentirle Druck wird gleich ——— Fre Die- 1.7 . a 5 h ser Druck b’ —— wird aber wieder gleich b‘, wenn ınan ihm v-+y die Spanuung der Dämpfe e hinzufügt. Es ist also b’ —— FR + e=b’ und cell I; mithin v +y=v’= we und, v-+y 124 da uns v/=y’+y gegeben, das Volumen der trocknen Luft v’, aber zu bestimmen ist: ö vu una php =. —_ em T das Volmaen track. ner Luft, welches wir athmen- Dieses von Wasserdämpfen befreite Luftvolumen besteht: nun unter allen Umständen aus etwa 21 Theilen Sauerstoff und 78 Theilen Stickstoff, und dieser Erfahrungssatz ist von den Physiologen und Aerzten bei der Lehre vom Athmen an- genommen und zum Grunde gelegt. Wie richtig indessen dieser Erfahrungssatz ist, eben so falsch scheint mir seine Anwendung zu sein. Er giebt nur ein Relativitäls- Verhältniss zwischen beiden Stoffen an; aber nicht auf das in einem ge- gebenen Volumen von Luft sich findende relative Verhält- niss zwischen Sauerstoff und Stickstoff dürfte es bei den Un- tersuchungen über das Athmen ankommen, sondern vielmehr auf das absolute Quantum von Sauerstoff; welches in dem. selben enthalten ist. Dieses absolute Quantum von Sauer- stoff = S ist aber bei verschiedenen Baromeler- und Thermo- meterständen verschieden, und es ist nöthig, um seinen Werth kennen zu lernen, zu untersuchen, wie gross die absolute Masse Sauerstoff in einem gleich grossen Volumen v bei 0°,0 R. und 336‘,0 Barometerstand = b sei; oder mit anderen Worten: man hat das Volumen v‘, bei der Temperatur t und dem Ba- rometerstande b’ zu verwandeln in ein Volumen v, bei 0°,0 R. und 336‘“,0 Barometerstand, und dann die gefundene Grösse durch das ursprängliche Luftvolumen zu dividiren, Da sich nun die Volumina verhalten wie die Temperatu- ren, so hat man v:v’—=41:1-+mt, wo m den Ausdehnungs- coefficienten für trockne Luft und Gase bedeutet, und dieser beträgt 0,0046875, wenn die Temperaturen in Reaumur’schen Graden angegeben sind. v’ ist uns nun gegeben als v”—y; mithin ist: nn nn 125 N. var oder, wenn man den nach 1, gefundenen v” (b’—e) pAdrm) Es verhalten sich aber ferner die Volumina umgekehrt wie der Druck ; mithin ist v:v’ = b’:b, woraus folgt: Werth von v‘ subslituirt, v I. v= m . oder, wenn man hier ebenfalls den nach 1. b’v“(b’—e) Er stiluirt man ferner in diesen Werth von v den nach II. ge- b/v“ (b'—e) _ v”(b’—e) b’b(1+-mt) b(1-+mt) Nez) die Division mit dem uns ursprünglich gegebenen Volumen v“ aus, um die ab- solute Sauerstoflmasse S, in v“ zu erhalten, so hat man: v. se BilhtZe)« sl w“(b/—e) __ be x —b(i+m)' —v’bA-+at) b(4-+mt) Es beträgt also die absolute Menge von Sauerstoff, wel- che sich in was immer für einen Volumen Luft, bei einem Barometerstande =b/, einer Temperatur = t, und einer Span- nung der in der Luft befindlichen Dämpfe = e, befindet, en ur wenn man den Sauerstoffgehalt eines gleichen Luft- volumens bei 0,0R. b=336”,00 Barometerstand und völliger Trockenheit, also h=0.00, als Einheit ansicht. Auch lässt gefundenen Werth von v’ subsliluirt, v= fundenen, so hat man v= Führt man bei dieser Grösse die Formel S — ——— man deutlich erkennen, dass $S um so mehr verändert wird, Et sich das Verhältniss von b’zu e, und von b’—e zu b(4-+mt) ändert; dass S um so kleiner wird, je kleiner b’ und je grösser e und t werden, und dass S in dem Grade wachse, wie b’ wächst, und e und t kleiner werden, so das S=1 wird, wenn rn = 1: oder b’—e=b(1-+mt) geworden ist. Wie gross die Verschiedenheit des Werthes von S in un- serm Klima ausfallen könne, mögen folgende zwei’ Beispiele 126 zeigen, die. nur nach den Möglichkeiten zusammengestellt, nicht als vorgekommene Fälle angesehen werden dürfen. In heissen Sommern steigt die Temperatur mitunter bis auf 29°,0R., und selbst darüber, in, strengen Wintern fällt sie bis unter —20°,0 R.. Die Luftfeuchligkeit variirt von 1,00. bis 0,25, und dürfte wohl mitunter bis 0,20 sinken. Das Barometer durchläuft eine Scala von mehr als 18 Linien, wie dies selbst dieser Herbst gezeigt hat; der niedrigste Stand, den ich beob- achtete, gab 324,57, der höchste 343,30 par. Maass. auf 0,0 R. des Quecksilbers, und +13°,0 R. der Scala redueirt. Im Allgemeinen steht das Barometer im Sommer niedriger als im Winter, und die Spannung der Dämpfe in der Luft ist in jener Jahreszeit, der höheren Temperatur halber, bei gleicher relativer. Feuchtigkeit, weit bedeutender als im Winter. Träfe es sich nun, dass das eine Mal b’ = 324,57 bei t= -+29°,0R: und h=14,00, und das andere Mal b’= 343,30, bei t= — 20°,0 R. und h= 0,20 beobachtet würde, so hälte man im ersten Falle: 2 ns 0 I gparn und im anderen Falle: 43',30— 0,066 43,24 m ET WETELSE FERN Fr = = UBER, wenn der Sauerstoff in gleichen Volumen trockner Luft bei t=0,0R. und b’=b= 3360 Barometerstand als Einheit an- gesehen wird. Will man nun für einzelne Fälle das Gewicht des in einem gegebenen Volumen v’ enthaltenen Sauerstoffes wissen, so braucht man nur den Werth S mit dem Gewichte des Sauer- stofles in einem bestimmten Volumen unler der Temperalur 0°,0 und dem Barometerstande b=336”',0 zu multiplieiren. Ein Kubikfuss Luft ‘wiegt aber nach Arago und Biot bei 0°,0 R. und 336“,0 Baromelerstand 44,5 Granmie; ein Gramm ist gleich 16,4204 preussischen Granen, mithin wiegt ein Kubik- fuss Luft unter den angegebenen Verhältnissen 16.4204x44,5 = 4127 730,7078 Gran. also ein Kubikzoll Tuft-0,422863 Gran oder 0,423 Gran = g. Das specifische Gewicht des Sauerstofles beirägt nach Berzelius und Dulong 1,1026; daher wiegt ein KubikzollSauerstofl: g..1,1026=0,423x 1,1026 = 0,4663998 Gran oder 0,466 Gran, Da aber nur 21 Procent Sauerstoff in einem gegebenen Luftvolumen enthalten sind, so beträgt das Gewicht g’ des Sauerstofles in einem Kubikzoll trockner Luft 0,466%x 0,21 = 0.09786 Gran; mithin in v“ = 20 Kubikzoll = g’v’ = 0,09786x20 = 1,9572 Gran. Ist nun v” das Volumen atmosphärischer Luft in Kubikzollen ausgedrückt,’ so hat man für das Gewicht $’ der absoluten Masse des Sauerstofles S in demselben unter b‘, t und e bei g‘— 0,09786 Gran. v“(b’— e)g! b(1-+-mt) Hiernach ergiebt sich das Gewicht des Sauerstoffes in einem Volumen atmosphärischer Luft von 20 Kubikzollen bei’ dem ersten der obigen beiden Beispiele = 0,797485% 20x 0,09786 = 4,561 Gran, und bei dem zweiten Beispiele = 1,127205x 20% 0,09786 = 2,206 Gran, also über 0,6 Gran mehr, In der beiliegenden Tabelle habe ich die Werthe von S und $’ berechnet: 1) für eine Temperatur-Scala von —20°,OR. bis + 29°,0R. von A Grad zu 4 Grad; 2) für eine Barometer-Scala von 3240 bis 344,0 von 4 Linien zu 4 Linien; und 3) für eine Scala der Luftfeuchtigkeit von 0,00 bis 1,00 von 20 zu 20 Procent. Aus den gefundenen Grössen ergiebt sich: 1) dass unter übrigens gleichen Umständen die absolute Sauerstoffmasse der Luft in umgekehrtem Verhältnisse steht zu der Temperatur und Luftfeuchtigkeit; 2) dass bei gleicher Temperatur und Luftfeuchtigkeit die ab- solute Sauerstoffmasse in geradem Verhältnisse zum Ba- rometerstande steht, und dass also '3) der thierische Organismus, sofern er stets gleiche Volu- V.. S’=Sy’g‘ oder durch y’ ausgedrückt S’— 128 mina Luft atmet, bei hohen Temperatur- und Luftfeuch- tigkeits-Graden eine geringere, bei hohen Barometerstän- den aber eine grössere Menge von Sauerstoff zugeführt erhält, und das Umgekehrte bei der Umkehr jener Ver- hältnisse eintritt. Alles dies dürfte aber zu dem Schlusse berechtigen, dass die Wechsel, welche die uns umgebende Luft in ihren baro- metrischen und hygrometrischen Verhältnissen erleidet, eben- sowenig wie die Temperaturwechsel bedeutungslos und ein- flusslos für die thierische, wie selbst für die pflanzliche Oeco- nomie seien; dass eine Vernachlässigung dieser Verhältnisse bei Beobachtungen und Untersuchungen über das Athmen und die Entwickelung von Wärme nothwendig zu Resultaten füh- ren müsse, welche mehr oder weniger von der Wahrheit ab- weichen, und dass die Berücksichtigung derselben unabweisbar nothwendig wird. Die Prüfung der Luft auf Kohlensäurege- halt erscheint ausserdem für jene Untersuchungen nicht. un- wichtig; leider haben- wir aber meines Wissens bis jetzt noch kein Mittel, denselben auf so leichte Weise zu bestimmen, wie es uns das Thermometer, Barometer und Psychromeler für die Untersuchung und Bestimmung der andern Verhältnisse ge- statten. Wenn das Gesetz: dass bei Bildung von Dämpfen Wärme gebunden, bei Condensation derselben aber Wärme frei werde, als allgemein bekannt vorausgesetzt werden darf; so kann dies von dem Hutton’schen Gesetze über die Bildung der Nieder- schläge in der Luft, welche stets mit Condensation. von’ Däm- pfen verbunden, als eine Folge dieser betrachtet werden‘ müs- seh, nicht in dem Grade angenommen werden. Der grösseren Zahl meiner Collegen dürfte dies Gesetz aus ganz nahe liegen- den Ursachen fremd sein. Daher hierüber erst’ einige Worte. Die Condensation der Dämpfe kann herbeigeführt werden: entweder durch Vergrösserung des Druckes, unter welchem sie stehen, oder durch: eine Herabsetzung der Temperatur. Aus diesen Beobachtungen leitete: Hutton im Jahre, 1784 129 folgendes Gesetz ab: Wenn zwei mit Wasserdampf gesättigte Luftmassen von ungleicher Temperatur sich vermischen, so entsteht jedesmal ein Niederschlag; sind aber die Luftmassen auch nicht mit Wasserdämpfen gesättigt. so wird doch bei Verschiedenheit ihrer Temperatur die Mischung selber feuchter, und es kann selbst bei einer geringen Feuchtigkeit der einzel- nen Luftmassen geschehen, dass Niederschläge entstehen, sofern nur die Temperalurgrade der Lufimassen sehr verschieden sind. — Es steht nämlich die Spannung der Dämpfe in einem be- stimmten Verhältnisse zur Temperatur, wird diese herabge- drückt, so können die Dämpfe nicht mehr dieselbe Spannung behalten; geht das Fallen der Temperatur bis unter den Grad bei welchem die Dämpfe im Maximum ihrer Spannung beste- hen können, so muss ein Niederschlag erfolgen, und es wird nur so viel Dampf in Dampfform vorhanden bleiben, als das Maximum der Spannung bei der eingetretenen Temperatur er- laubt. Ueber diese Maxima der Spannung von den Dämpfen bei den verschiedenen Temperaturen hat man Tabellen, ein allgemeines Gesetz, nach welchem sie sich berechnen liessen, fehlt zur Zeit noch. Es ist nun klar, dass, wenn zwei Luft- massen von verschiedener Temperatur miteinander vermischt werden, die mittlere Temperatur in der Gesammtmasse eine andere sein müsse, als vor der Mischung in jeder einzelnen der gegebenen Massen. Es wird nämlich die mittlere Temperatur, Den tm, in welcher Formel M und m die Massen, und rm U und t die zu ihnen gehörigen Temperature bedeuten. Däm- pfe, welche sieh in einem Raum befinden, haben in allen Punk- ten die gleiche Spannung. Bei der Vereinigung zweier Dampf- massen ergiebt sich die Spannung aus dem Verhältnisse der Räume und der Spannung der Dämpfe in denselben. Nennt man diese Spannung die mittlere E, so lässt sich aus dem Ver- hältnisse zwischen ihr und derjenigen Spannung RE‘, welche im Maximum der Tension bei der gefundenen mittleren Tem- peratur I’ Statt haben kann, ermessen, in wie weit die Feuch- Müller's Archiv. 1812, 4) 130 tigkeit nach der Mischung zugenommen, und ob es zu einem Niederschlage kommen müsse oder nicht. Bei E grösser als E‘ wird ein’ Niederschlag erfolgen, sonst nicht. Dies die Grund- züge des Hullonschen Gesetzes, welches trotz allen Anfech- tungen sich bewährt hat. So sehr nun auch der Mensch,erhaben ist durch die ihm eingeborne Vernunft über alle anderen Geschöpfe der Erde, so steht er doch mit seiner Materie unter denselben Gesetzen, wie diese. Daher darf man wohl annehmen, dass, beim Athmen, in den Lungen ganz ähnliche Processe vorgehen, wie bei der Vermischung zweier Luftmassen in der Atmosphäre. Wie sich überall‘ ein mit Feuchtigkeit in Berührung tretender Raum schnell mit Dämpfen sättigt nach dem Grade der Temperalur des Raumes, nach dem vorhandenen Luftdrucke und der Span- nung der schon in demselben befindlichen Dämpfe, so kann wohl angenommen werden, dass durch die Thätigkeit der Schleimhäute der Lungen dieses Organ gleich nach jeder Ex- spiration mit Dämpfen im Maximum der Spannung erfüllt, mithin die relative Feuchtigkeit der Luft in ihm h’ = 1,00 sein werde. Dieser Raum, r, wurde zu 120 Kubikzoll, und seine Temperatur zu ’= -+29°%,0 R. angenommen. Dämpfe bei -+29°,0 R. haben aber bei h"—= 1,00 eine Spannung von e' = 20,19, und mit dieser Spannung wirken sie, unbeschadet der in den Lungen noch gleichzeitig vorhandenen Luft in jedem Punkte. Das Luftvolumen für jeden Athemzug v” wurde zu 20 Kubikzoll angenommen, die Dämpfe in demselben haben eine Spannung, e, entsprechend der Temperatur t und dem relativen Feuchtigkeitsgrade der Luft h. Jene Luftmasse in den Lungen r” ist aber gleich 6“; daher wird v“ mit der Spannung e sich mit 6 gleichen Volumen aber mit der Span- nung e'= 2049 verbinden, uud dies durch 7 dividirt die miltlere Spannung in dem Raume r“-+v” geben. Demnach hat man für die Spannung E, welche die Dämpfe in den Lun- gen durch die Vermischung der eingeathmeten 20 Kubikzoll mit: den in denselben vorhandenen 120 Kubikzollen erlangen. ı j | 151 Ge +i1e 7. Aus dieser Grösse lässt sich die Temperatur finden. wel- vl. E= che zu ihr im Maximum der Spannung gehört; und da man weiss, wieviel das Gewicht des in einem pariser Kubikfusse Euft enthaltenen Dampfes im Maximum der Spannung bei den verschiedenen Temperaturen beträgt, so lässt sich durch E er- mitteln: 1) wieviel das Gewicht des Dampfes, bei E Spannung im Maximum und der dazu gehörigen Temperatur T, in einem Kubikfusse Luft betragen, und 2) wieviel der Dampf in den Lungen, also in 140 Kubik- zollen, wiegen würde. Ist nämlich für einen Kubikfuss Luft P das Gewicht des Dam- pfes im Maximum seiner Spannung bei T, und q= 0,0810185 der Coefficient, mit welchem P multiplieirt werden muss, um die Grösse des Gewichtes für 140 Kubikzoll zu geben, so wird das Gewicht des in den Lungen nach der Einathmung vorhan- denen Dampfes sich ausdrücken lassen durch Pq. Der weilere Verfolg wird indessen zeigen, dass diese Operation überflüssig ist, und man sich: darauf beschränken kann, das Endresultat der Rechnung mit q zu multiplieiren. Während man auf diese Weise die Spannung der Luft in den Lungen nach dem Einalhmen ermittelt werden kann, bleibt noch übrig zu untersuchen, welche Temperatur aus der Mi- schung von r” und v” resultirt. Hierzu ist es nun zuerst erforderlich, beide Grössen r“ und v” von denı Dampfgehalte befreit, als trockne Luft dar- zuslellen. Für v” ist diese Grösse in v’ nach I gefunden ); für r” ergiebt sie sich in gleicher Weise, nur muss man darauf Rücksicht nehmen, dass r” die Temperatur U, und die Dämpfe in r“ die Spannung e’ besitzen; dem- nach folgt: ee 9* 132 Um nun die a: Volumen trockner Luft r‘ und v’ oder r” (b’—e‘) e a y” (b’— = ae in Bezug auf ihr Gewicht mit einander eomparabel zu machen, müssen beide auf 0°,0 R. und b= 336’,0 Barometerstand reducirt wverden. Für: v’ erhielten wir diese Grösse nach III, indem das Volumen der trocknen Luft v’, bei t und b/, überging in v bei 0°,0 R. und b, sn dass v’cb’—e) . Net i nd dien er Auf gleiche Weise erhalten wir: r’ "—e) VIH, Er Dim) Nun hatten wir gefunden, dass ein Kubikzoll trockner Luft, bei 0°,0 R. und b=336“,0 Barometerstand, g= 0,423 Gran wiegt; es wird demnach rg und vg das Gewicht der in den Lungen vorhandenen und der eingeathmeten Luft betragen. Drückt man r und v durch die für sie gefundenen Werthe mit r“ und v’ aus, so hat man; 2“ (b’—e v”’(b’—e)g IK "r.g,= een und ve. Da indessen hierdurch nur das Gewicht der trocknen Luft gefunden ist, so muss noch jeder dieser Grösse das Gewicht des Dampfes hinzugefügt werden, um M und m zu erhalten, wenn wir nach der Formel Te n_— nt die durch die Einathmung resullirende mililere Temperatur T’ finden wollen. Die 120 Kubikzoll Luft in den Lungen enthalten Däm- pfe im Maximum ihrer Spannung e’ bei einer Temperatur von ’=+29°,0 R. Ein Kubikfuss Luft enthält unter diesen Um- ständen 28,14 Gran Dampf, mithin befinden sich in 120 Ku- bikzoll Luft p’= 1,95417 Gran Dampf als eine bei den vorlie- genden Annahmen constante Grösse für die Berechnung von M. Es ist also: X, M,d. h, die Masse der Luft in den Lungen _bedg , „2 120x(b/ — 20.49) x0,423 = hdrm) TP 381,675 Tan, so dass b‘ die einzige variable Grösse in dieser Formel ist, 1.95417 aber unter allen Umständen constant bleibt. 133 Für die Masse der geathmeten Luft lässt sich keine sol- che constante Grösse finden, da dieselbe abhängig ist von t und h. Ist nämlich p das Gewicht des Dampfes in einem Kubikfuss Luft im Maximum der Spannung bei der Tempera- tur t, und n= 0,011574 der Coeffieient von p für 20 Kubik- zoll: so hat man bei einer relativen Luftfeuchtigkeit h, das Gewicht des Dampfes in 20 Kubikzollen = phn. Es ist demnach: XI. m, .d. h. die Masse der eingeathmeten Luft v“cb’—te)g 20 (b’—e) 0,423 Zr De . E— br Aus den Grössen 2” (b’—e‘)g ” (b'—e - ENT Bus ’ entwickelt sich nun leicht Mt’ und mt, denn es ist: p undm = un 1’ (b’—e’)g r XI. mer + p) und v“(b’—e)g , mi=tx Terra + phn). Eutspricht nun der Temperatur T’ eine Dunstspannung von E‘, so lässt sich aus dem Verhältnisse von E’ zu E (VI.) leicht entnehmen, ob und in welchem Maasse eine Condensa- lion des Dampfes, und mit dieser eine Erwärmung Stalt fin- den müsse, Sucht ıman für T’ das zugehörige Gewicht der Dämpfe im Maximum der Spannung in einem Kubikfuss Luft, und bezeichnet dasselbe mit P’, so giebt P—P’ (s. p. 131.) die Masse der Dämpfe in Granen, welche niedergeschlagen oder respeclive entwickelt werden müssen, um der Temperatur 'T’ zu enisprechen. Da aber diese Grösse sich auf einen Kubik- fuss Luft als Einheit bezieht, so muss sie noch für 140 Ku- bikzoll berechnet werden, und dazu dient der Coeflicient n ni Be Ira = 0,0810185, welchen man wohl ohne grossen Fehler = 0,081 auselzen kann. So wird denn endlich: XI, Die Masse des in den Lungen durch das Atlımen zu eondeusirenden oder zu entwickelnden Dampfes =(P—P‘) q=(P—P‘) 0,081L=N in preussischen Granen gefunden. 134 Geht man nun von der Annahme aus, dass eine gegebene Masse von Dampf im Stande sei, die Temperatur einer 543 Mal grösseren Masse Wasser um 1°,0 zu erhöhen, so. würde man mit Berücksichtigung der Wärmecapacität des Blutes un- ter der von Clement wahrscheinlich gemachten Voraussetzung, dass Dämpfe im Maximum der Spannung stets dieselbe Masse sogenannter latenter Wärme besitzen, annähernd die Wärme- menge bestimmen können, um welche durch N die Tempera- tur des während einer Athmung den Lungen zugefährten Blu- tes erhöht oder erniedrigt werden müsste. In der beiliegenden Tabelle habe ich die Werthe von N, E, E’ und T’ für dieselben Thermometer-, Barometer- und Luftfeuchtigkeitsstände, welche ich in Bezug auf die Sauer- sloffmengen untersuchte, berechnet, und will hier nur die bei- den obigen Beispiele, als Proben, durchgehen. In dem ersten Falle hatten wir b’ = 324,57, t= -+ 29°,0 R., h= 1,00, e= 20,19, Y=+29°,0R., h‘’=1,00 und e'= 20,19. Daher phn = 28,14 Gran X 0,011574 = 0,32569 Gran, und p’h‘n‘ = p’= 1,95417 Gran. b’—e=b’—e’= 304,38, b(1i+mt)=b(1-+ mt‘) = 381“,675. Daher ist 2 (b’—e' 120xX 304,38X 0,423 15450,3288 ra = ar = a = 40,48033 Gran trockne Luft in dem Volumen r”, mithin 40,48033 + 1,95417 = 42,43450=MN, gleich der ganzen mit Dampf erfüll- ten Masse der Luft in den Lungen nach dem Ausathmen, und 42,43450X +29 = Mt’ = 1230,60050. Ferner: 2 v”(b’—e)g _ 20x304",38x0,423 _ 2575,05480 6,74673 b(i+mt) 381,675 TEE Gran trockne Luft in dem Volumen v”, mithin 6,74673+ 0,32569 =7,07242 = m, gleich der Masse der einzuathmenden Luft, mit Einschluss des darin Dampse ‚und. 7,07242% +29 _-+-205,10018 = Es ist daher MY’ + mt = Tl und M+m=49,50692, en & an = T’= +29°,0 R,, welchen ‚50692 milhin 135 entspricht eine Dunstspannung von 20,49 =E‘, Wir haben nun 6 Volumen Luft mit der Spannung von 20,49 = 6%20,49 = 121,14, und ein Volumen Luft mit der Spannung von 20,19 = 1x20,19 = %0, 19. Milhin in den 6+41 Volumen, d. h. in den 440,.Kühikzollen Jen... 8 21.00 00.0005 #0 Es ist also E= 141,33: 7 = 20'",19. Somit ist E’=E, und dies zeigt an, dass unter diesen Umständen weder neuer Dampf in den Lungen gebildet werde, noch sich von demselben etwas condensire, mithin durch einen derarligen Process auf die Wärme nicht gewirkt werde, alle sich erzeugende Wärme also auf Rechnung des den Lungen zugeführten Sauerstofles gesetzt werden muss. Diese würde aber, um dem Folgenden hier in Etwas: vorzu- greifen, etwa betragen 1°,469 R., also über einen Grad. ‘Es ist aber eine Erfahrungssache, dass die Temperatur des Men- schen in Räumen, deren Temperatur hoch ist, und die ausser- dem einen grossen‘ Feuchligkeitsgrad besitzen, selbst um ei- nige Grade erhöhet werden könne, so dass hier die Rech- nung mit der Beobachtung nahe zusammentrifft. Im zweiten Falle hatten wir b‘= 343,30, t=—20°,0 R., h=0,20, daher e= 0,066, phn = 0,6x0,2x0,011574= 0,0013888, ferner != +29°,0 R., h= 1,00, milhin e’= 20,49 und p’=1.95417, b’—e ward = 343'",234, ’— e'= 323,41, b(A+mt) = 304,5, und b(1+mt‘) = 381,675. Daher ist: r(b'—e‘)g = 120% 323,11%X 0,423 pAt 16101,06360 _ 42.97128 b(A+mt) 381,675 381,675 2 Gran, und 42,97128 +1.95417 = 44,92545 = M; endlich 44,92545% + 29°,0 = 1302,83805 =Mt’. Ferner: w/lb/—e)g _ 20%343,234X0,423 _ 2903,759640 bi--mt) 304,5 7911180455 Gran, und hierzu phn=0,00139 giebt für m9,53754, und endlich 9,53754%— 20°, 0 = —41W,75080 = mt. Es ist daher = 9,53615 136 Mi’-+mt = 1302,83805 — 190,75080 = 1112,08725, und M+ ‘m = 44,92545 + 9,53754 = 54,46299; mithin: Mv-tmt _ 4112,08725 NM-+m ° 54,46299 Die Dünste im Maximum der Spannung wiegen aber in einem Kubikfuss Luft bei der Temperatur von +20°,419R. = 16,337 Gran. Sechs Volumina mit der Spannung von 20,19 = 121”",14, und ein Volumen mit der Spannung 0'066 geben 121,14+ 0,066 = 121”,206, und dies durch 7 dividirt giebt E= 17”',315. Dünste von dieser Spannung, welche einer Temperatur von +26°,724 entsprechen, können aber bei +20°,419 nicht exi- sliren, es muss ein Theil von ihnen durch Condensalion nie- =T=+20°,419 R. dergeschlagen werden. Da nun Dampf im Maximum der Span- nung in einem Kubikfuss Luft bei der Temperatur von +26°,721 ein Gewicht hat von 24,476 Gran, die Dämpfe in den Lungen aber im Maximum ihrer Spannung bei -+-20°,419 nur 16,337 Gran wiegen können, so müssen 24,476 — 16,337 = 8,139 Gran Dampf in einem Kubikfuss, oder 8,139X 0,081 = 0,659259 Gran in 140 Kubikzollen niedergeschlagen werden, und eine dieser Grösse entsprechende Wärme erzeugen können, Die durch die Condensation des Dampfes und den Sauerstoff erzeugte Wärme würde in diesem Falle aber 0°,203 R. weniger betragen, als zur Herstellung von +29°,0 R. erforderlich ist, Die in der beiliegenden Tabelle enthallenen Grössen schei- nen nun zu folgenden Annahmen zu berechtigen: 4) Die Temperatur der Luft steht im umgekehrten Verhält- nisse sowohl zu der Sauerstoffmasse in der Luft, als auch zu der Condensation von Dämpfen in den Lungen und der dadurch möglichen Wärmeentwicklung. 2) Es steht der Baromelerstand im geraden Verhältnisse zu der Sauerstoflmasse, aber im umgekehrten zu der Con- densation der Dämpfe in den Lungen. 3) Die Luftfeuchtigkeit hält ein Mittel zwischen den Wir- kungen der Temperatur und des Barometerstandes, mit 137 der Sauerstoflmasse gleich den Temperaturen, aber entge- gengesetzt den Barometerständen, im umgekehrten, mit der Condensation der Dämpfe in den Lungen aber und der dadurch möglichen Wärmeentwieklung, entgegenge- setzt den Barometerständen und den Temperaturen, im geraden Verhältnisse stehen, 4) Es sind die Wirkungen der Temperatur in jeder Bezie- hung die stärksten, und 5) die Wirkungen des Barometerstandes sind auf die Sauer- stoflmasse in der Luft grösser, auf die Condensation in den Lungen aber geringer als die der Luftfeuchtigkeit. Während nun die allgemeine Annahme den Sauerstoff als eine Quelle der thierischen Wärme ansieht, kann die Conden- sation von Dämpfen in den Lungen als eine zweite betrachtet werde. Es scheint aber aus allen bisherigen Beobachtungen hervorzugehen, dass die Temperatur in den Lungen stets con- stant sei, oder sich doch nur um Weniges ändere, Daher darf man wohl annehmen, dass sofort in den Lungen Wärmeerzeu- gung Statt habe, und zwar nach dem Vorhergehenden durch den eingeführten Sauerstoff und die Condensation der Dämpfe. Wie diese Wärmeerzeugung aber vermittelt werde, ob durch Blut oder nach Brodie’s Versuchen durch die Nerven, kann in sofern hier als ganz gleichgültig angesehen werden, da we- der Blut noch Nerven an sich Wärme erzeugen, sondern nur durch ihre Einwirkung auf andere Körper, oder durch ihre Gegenwirkung gegen solche die Entstehung der Wärme ver- mittel. Wenn nach Durehschneidung von Nerven und nach Aufhebung des Blutstromes die Entwicklung der Wärme auf- hört, und die in die Lungen eingeführte Luft nach und nach erkältend wirkt, so kann daraus wohl nicht mehr geschlossen werden, als dass Wirkungen der Luft u. s. w. auf todte Kör- per nach rein physiealischen Gesetzen erfolgen, — und Or- gane, Theile, in denen das Nerven- oder Blutleben, oder gar beides zerstört ist, sind einem, um mich so auszudrücken, relativen oder selbst dem absoluten Tode verfallen — und 138 dass die Vermittlung des Blutes und der Nerven nöthig sei, um rein physicalische und chemische Wirkungen von: den Ban- den der physicalischen und chemischen Geselze zu befreien, und sie in die Sphäre des Lebens hineinzuziehen und demge- mäss zu modificiren. Wollte man die Erzeugung der Wärme durch Nervenwirkung erklären, so würde man nicht viel An- deres thun, als was die Alomisten den Dynamikern gegenüber bei der Erklärung der Krystallformen: aus einem bestimmten Aneinanderlegen der Atome, gethan haben; nämlich mit einem Umwege gleichfalls bekennen: denletzien Grund der Erscheinun- gen nicht zu wissen. Dahingestellt sei es also: in wiefern das Blut.oder die Nerven als solche bei der Wärmeerzeugung thätig sind, dahingestellt die Art und Weise, wie sie die Erzeugung der Wärme vermitteln; das scheint aber unzweifelhaft, dass leben- diges Blut und Nervenwirkung vorhanden sein müsse,.. wenn nicht die physicalischen und chemischen Wirkungen der ‚Aus- senwelt in ihre eigene Sphäre zurückfallen sollen. Ueber das Wie für jetzt weggehend, können wir uns genügen lassen, zu wissen, dass in der beim Atlımen eingeführten Sauerstofl- masse, und in der in den Lungen entstehenden Condensation von Dämpfen zwei Wärmequellen gegeben sind, deren Wir- kungen nur durch das Blut und die Thätigkeit der Nerven in das Gebiet des Lebens hineingezogen zu werden brauchen, um ihre Kraft im Organismus unter seinen Gesetzen zu ent- wickeln. Da es nun bekannt ist, dass selbst die thäligen, also’dem Zu- tritte von anders temperirter Luft oflenen Lungen ihre Tempe- ralur selten erhöhen oder herabsetzen, sondern meist constant erhalten, wenngleich die aus dem Athmen resultirende ‚mittlere Temperatur von jener für gewöhnlich abweicht, so darf man wohl annehmen, dass in den Lungen sofort der durch das Ath- men mögliche Temperaturunterschied ausgeglichen wird... Da- her glaubte ich denn auch ‚schliessen zu dürfen, dass durch die Wärme, welche eine gegebene Sauerstoflmasse und eine be- 139 stimmte Dampfeondensation zu erzeugen im Stande sind, diese Ausgleichung bewirkt werde. Die beiliegende Tabelle zeigt, dass mit der sinkenden Luft- temperatur und dem dadurch wachsenden Unterschiede zwi- schen der constanten Temperatur der Lungen T’ und der aus dem Athmen resultirenden mittleren Temperatur T’, also mit T’—T’; die geathmete Sauerstoffmasse und die Masse der zu eondensirenden Dämpfe gleichzeitig steigen. Diese Gleichzei- tigkeit und Gemeinschaftlichkeit des Steigens und Fallens zweier Phänomene gegen ein drittes, welches seinerseits auf sie ‘in gleicher Weise influirt, konnte ich nicht für bedeutungslos, nicht für ein Zufälliges halten, und glaubte hierin eine Bestä- tigung obiger Ansicht: dass die Masse des geathmelen Sauer- stoffes und der zu condensirenden Dämpfe dazu bestimmt sein dürfte, den Unterschied zwischen T” und T’ auszugleichen, zu finden. Dazu kam die Betrachtung der Tabelle über den Gang dieser Agentien bei gleicher Temperatur, aber variablem Ba- romeler- und Feuchligkeitsstande. Der Barometerbestand, vor- zugsweise auf das Volumen, und nur mittelbar auf die Feuch- tigkeit wirkend, liesss eben deshalb eine vorwaltende Wirkung auf den Sauersloffgehalt der Luft vermuthen, während von den hygromelrischen Verhältnissen ein Vorwalten der Wirkung auf die Dampfmasse in den Lungen zu erwarten stand. Sollte nun bei gleicher Lufttemperatur das Wärmeverhält- niss in den Lungen nicht. gestört, und die Ausgleichung von T“—T’, als von dem Sauerstoffe und den zu condensirenden Dämpfen herrührend, betrachtet werden, so müssten diese bei- den Potenzen bei den verschiedenen Barometer- und Feuch- ligkeilsständen sich umgekehrt gegeneinander verhalten, ‚und zwar müsste bei dem vorwiegend durch die Sauerstoflmasse wirksamen Luftdrucke dieser im geraden Verhältnisse zu T”, also im umgekehrten zu T“— T’ stehen, und mithin das Ver- hältniss der zu condensirenden Dämpfe das Gegentheil zeigen. Bei den verschiedenen Hygrometerständen müsste aber das Um- gekehrte von dem eintreten, was für die Wirkungen des Luft- 140 druckes vorausgesetzt ward; es mussten nämlich die zu con- densirenden Dämpfe im geraden, die Sauerstoffimengeu im um- gekehrien Verhältnisse zu T”, mithin die zu condensirenden Dämpfe im umgekehrten, und die Sauerstoffmengen im geraden Verhältnisse zu T”—-T’ stehen. Dass dem aber wirklich so sei, zeigt die Tabelle. Hierdurch glaube ich es gerechtfertigt, wenn ich die Aus- gleichung' des Unterschiedes von T“ und T’ in der Masse des geatlımeten Sauerstoffes und der zu condensirenden Dämpfe suchte, und hierüber eine annähernde Berechnung anstellte, Es kam hierbei darauf an, zu ermitteln, welche Wärme- menge, 0, ein gegebenes Gewicht Sauerstoff zu erzeugen ver- möge, und wie gross die Wärmemenge, C/, sei, welche durch Condensalion eines bestimmten Gewiehles Dampf entstehen könne. Da die Werthe C und C’ nun nicht aus anderen That- sachen zu ermitteln waren, indem es noch nicht entschieden ist, in welcher Weise der Sauerstof! im thierischen Körper, in den Lungen, zur Erzeugung von Wärme beiträgt, und man eben so wenig in Gewissheit ist über die Menge von Wärme, welche durch Condensalion der Dämpfe von verschiedenen -Temperaturgraden erzeugt wird, so sah ich mich genöthigt, zu versuchen, diese Werthe von C und C’ aus den für S’ und N berechneten Grösssen zu ermitteln, und zu sehen, wie weit die Summen der so gefundenen C und C’ mit den verschiede- nen Grössen von T“—T’ stimmten. Da die Verhältnisse von S, N und T“—T’ für eine und dieselbe Grösse von t, b’ oder h nicht genügen konnten zur Ermitielung von C und C/, indem eine danach aufgestellte Glei- chung wegen der darin enthaltenen zwei unbekannten Grössen kein bestimmtes Resultat geben konnte; so nahm ich ohne Wahl zwei ziemlich weit voneinander liegende Temperaturen, -+4°,0 R. und +#24°,0 R. mit den dazu gehörigen S‘, N und T“—T‘, und betrachtete S’ und N als Funclionen von CO und C. Die hierauf basirte Rechnung giebt dann C= +0°,630, gleich der Wärme, die ein Gran Sauerstof erzeugt, und = 141 +11°,761, gleich der Wärme, welche durch Condeusation von einem Gran Dampf entsteht. Mit: diesen Grössen habe ich die in der Tabelle aufgeführ- ten Werthe von S‘und N multiplieirt und S‘’C, und NC‘, und S’/C+NC’ erhalten. Legt man aber die Ansicht zum Grunde, dass dieselbe Wärmemenge, welche durch eine gegebene Dampf- menge gebunden ward, wieder frei wird, wenn diese durch Condensalion in den tropfbaren Zustand zurückkehrt; so würde die durch die Condensation erzeugte Wärme, C‘, in allen Fäl- len gleich dem Unterschiede zwischen den zu E und E’ gehö- rigen Temperaturen T und T’sein. Der Werth von C würde dann, bei der Annahme, dass -+12°,0 R., 336‘ Luftdruck und 0,80 Luftfeuchtigkeit für den Menschen genügend sei, =0°,941. Die hieraus für die einzelnen Fälle abgeleileten Grössen scheinen der Natur weit mehr zu entsprechen, wie die obigen. Es ist nämlich die Uebereinstimmung der dureh 0,941 S’+(T—T') erhaltenen Temperaturen mit denen von T/—T’ wie die Tabelle zeigt, genügend; und die vorhandenen Difle- renzen zwischen beiden Werthen dürften eher für das Na- turgemässe von C=0°,941 und =T—T’, als gegen das- selbe sprechen, da es ja bekannt ist, dass die Temperatur des Menschen in Räumen, die mit feuchter Luft von hohen Tempe- raturen erfüllt sind, selbst um einige Grade steigt, und das Ge- fühl von Kälte bei den niedrigen Temperaturen auf einen man- gelhaften Wärmeersalz deutet, Wohl weiss ich, dass diese Berechnungen, diese Annah- men manchen, ja vielen Einwürfen Raum geben. Ein grosser Theil derselben scheint aber vor der Hand noch nicht zu be- seiligen. Die Angaben verschiedener Autoren über das spe- eifische Gewicht der Luft und des Sauerstoffes weichen von- einander ab; die Dunstspannungen werden für dieselben Grade eben so, wie das Gewicht des Dunstes verschieden angegeben; über den Gang der Spannung der Dämpfe hat man noch kein allgemein gültiges Gesetz; ob Dämpfe von verschiedenen Tem- peraluren selbst im Maximum ihrer Spannung stels dieselbe 142 Wärmemenge bei der Condensalion entwickeln, scheint noch unentschieden; wieviel Wärme eine gegebene Masse von Sauer- stoff im thierischen Organismus entwickle, weiss man um so weniger, da man noch nicht einmal weiss, wie, auf welche Weise, der Sauerstoff zu dieser Wärmeentwicklung beitrage. Wenn es ferner auch wahrscheinlich ist, dass die Dämpfe in den Lungen im Maximum der Spannung vorhanden sind, so lässt sich über diese Spannung ebenfalls noch nichts Bestimm- tes sagen, weil man noch nicht weiss, wie dieselbe durch die der sie erzeugenden Feuchligkeit beigemischten Stoffe verän- dert wird. Ueber die Reaclion des thierischen Körpers, über deren Gränzen, sind wir aber vollends im Dunkeln. Alle diese Punkte müssen aber mehr oder weniger auf das Resultat influiren, und bestimmten mich, bei diesen vor- läufigen, annähernden Berechnungen stehen zu bleiben Wie dem aber auch sein mag, die leilerde Idee in dieser Arbeit, hoffe ich,- wie ich es wünsche, wird wenigstens nicht ganz verworfen werden, Ich hofle ferner, wie ich es wünsche, dass durch diesen Versuch andere Arbeiten hervorgerufen werden; um den gewiss nicht unwichligen Gegenstand näher zu beleuch- ten, zu ermilteln, und der Aufklärung zuzuführen, und. die Physiologen und Aerzte mehr auf das Studium und die Be- sprechung von Verhältnissen zu führen, welche von beiden; wie es mir scheint, viel zu sehr vernachlässigt, viel zu sehr obenhin behandelt worden sind. Dass ich die Verfolgung dieses Gegenstandes auf das Ge- _ biet der Praxis, auf Pathogenie und Therapie, hier unterlassen habe, wird wohl dadurch hinreichend entschuldigt sein, dass das Gegebene schon die Gränzen einer brieflichen Mittheilung zu überschreiten droht, Dass aber das Mitgelheilte, selbst in seiner durch die Verhältnisse bedingten Unvollkommenheit, für die Praxis manches nicht Unwichtige enthalte, dass eine genü- gende Ermittlung der in Anregung gebrachlen Fragen für die Praxis nicht werthlos zu sein verspreche, wird denen meiner Collegen, die nieht in den Recepten allein alles Heil suchen, 143 nicht verborgen bleiben, "Schon die nicht in Frage zu stel- lende Verschiedenheit der in die Lungen tretenden Sauerstoff- menge bei den verschiedenen Ständen der Temperatur, des Luft- druckes und der Luftfeuchtigkeit lässt dies vermuthen. Rei- zungszustände in den Lungen. Geschwüre daselbst, dürften schwerlich unberührt bleiben von dieser Verschiedenheit in der Sauerstoffmenge. Sehen wir aber auf.die einer weilern Dis- eussion noch unterliegende Condensalion, und auf die Wär- meerzeugung durch sie und die verschiedenen Sauerstoflmengen, so lässt sich auch in dieser Beziehung eine Verschiedenheit der Wirkung nach den verschiedenen Ständen der Luftwärme, des Luftdruckes und der Luftfeuchligkeit erwarten. Fern davon die Träume von einer sogenannten Thermalwärme zu theilen; einer Wärme, die gewiss als etwas Specifikes nicht existirt, sondern nur, eine Erfindung neuerer Zeit, gemacht wurde, um Wirkungen von Bädern zu erklären, die man auf anderem Wege erklären zu können verzweifelte, einer Wärme, welche als ein räthselhaftes Agens die Bäder und ihre Wirkungen mit dem Mantel des Wunderbaren umhüllen musste, um — die nach dem Wunderbaren haschende Menge zu reizen, anzuzie- hen; fern also davon, diese Thermalwärme für etwas Wirkli- ches zu halten, muss doch angenommen werden, dass die Wir- kungen der Wärme, dieser einigen Naturkraft, verschieden sind nach dem Stofle, an welchem gebunden sie auftritt. Diese Verschiedenheit ist in der Praxis auch schon längst erkannt, und mit vollem Rechte unterscheidet man die trockne und die feuchte Wärme. Dieser Unterschied tritt aber auch in den hier betrachteten Verhältnissen auf. Bei den hygrometrischen Verhältnissen waltet die feuchte Wärme, welche ich in ihrer specielleren Beziehung hier Condensationswärme nennen möchte, vor; bei den barometrischen Verhältnissen dagegen herrscht die trocke, oder, nach der Analogie mit der vorigen, die sauer- stoffige Wärme vor, und in den Temperaturschwankungen ste- hen diese beiden Wärmeformen in einem fast constanten Ver- hältnisse. Daher lassen sich verschiedene Wirkungen von den 444 verschiedenen Phänomenen erwarten, deren nähere Betrach- tung ich aus dem angeführten Grunde unterlasse. Sollten in- dessen die hier niedergelegten Ansichten Anklang finden, so dürfte ich mich nach Zeit und Umständen wohl entschliessen, einzelne von den Resultaten meiner klimatologischen Untersu- chungen in Bruchstücken milzutheilen. Gestalten Sie, ele. elc. Berlin, den 18. December 1841. absolute Sauerstoff} 0,00 Luftfeuchtigkeit =1 gesetzt; auf die durch S’ mögliche durch das Alhmen in den Lungen entste- ® Wärmeerzeugungtstehende mittlere Temperatur T’ und die anstspannung E‘. t bei b’ = 336,0 und h = 0,80 =5 8,0 = 12,8,0 0,9333424 0,83779 Ss 1,867 1,32552 1,640 S’ in Granen 1,177 1,15U1 1°,033 R. s’C 1,757 1,71954 10,543 R. 0,941 5° 0,171 0,111054 |‘ —0,059 N in Granen 2.015 1,308636 | —0°,691 R. NC' 1,406 0,894400 —0°,434 R. T—T‘ 17,803 17,98163 19,613 E 16,15 16,9405 20,19 E’ 25,721 26.358556 29°,000 R. z — 0,087 —0,15261 +0°,343 R. D 3,192 2.459905 0°,343 R. S’CHNC! 3,279 2,61344 0°,000 R. ZN 3,163 2,61354 1°,109 R. 0,941 S’+(T—T‘) 0,000010 | +1°,109 R. D‘ h bei b’ = 336”,0 unn (= -+12°,0R. Ss j ‚98 0,92995 S ıs: in Granen 1,827 „1,820 S’ in Granen s’C 1,151 1°,147 R. 0,911 5° 1,719 | 17,713. N in Granen 0,111 0,129 N in Granen NcC‘ 1,308 | 1°,514R. Nc T—T 0,894 | 1°,033 R. T_T E 17,987 18“,157 E RB’ 16,94 16,94 E \26,387 | 26°,389 R. Ti D -_0,154 | + 0°,051 R. D B’ CNC! 92.459 | 2,662 R. SICHNC ER 2613 | 2%,611R. Tu_Tı MS’+T—T)| | 2613 | 2,7468. |0,918°+(T-T') “ D’ | 0,000 | -+0°,135 R. ‚it der noch in ihnelgen beiden Luftmassen resultirt; T, die zuE Unterschied zwisch- durch das Athmen resultirenden;. T—T‘, Spannung E entsp| condensirten Dampfes angenommen ward; durch $‘ und N, whende mittlere Temperatur, und T—T’ als schen T”—T’ und n T“—T‘ und 0,918’+(T—T‘). ——————— Zu Seite 144. Einfluss der Temperatur t, des Barometerstandes b’ und der Luftfeuchtigkeit h, auf die in der Luft vorhandene absolute Sauerstoflinenge S, die bei 0°0 R., 336’,00 Luftdruck und 0,00 Luftfeuchtigkeit —1 gesetzt; auf die in einem gegebenen Volumen Luft v”’ eingeathmete absolute Sauerstoflmasse in Granen ausgedrückt S’, auf die durch S’ mögliche Wärmeerzeugung S’C, oder 0,941’; auf die durch das Alhmen in den Lungen entste- hende Condensation der Dämpfe oder ihre Niederschläge, in Granen ausgedrückt, N; auf die durch N mögliche Wärmeerzeugung NG’ oder T—T’; auf die in den Lungen entstehende mittlere Temperatur T’ und die ihr entsprechende Dunstspannung E’. t bei b‘ — 336‘ t bei b’ — 336% und h —0,80 4 2 u) und zom" Ss 1,10255 1,07979 1,05771 1,03626 1,01529 0,99467 0,97426 0,95387 0,93331 0,91236 0,89073 0,86814 0,84424 0,83779 Ss S’ in Granen 2,158 2,113 2,070 2,028 1,987 1,947 1,867 1,827 1,786 1,743 1,699 1,652 1,640 S’ in Granen. SC 1°,360 R. 1,332 1,305 1,278 ‚252 1,327 1,177 1,151 1,125 1,099 1,071 1,041 1°,033 R. Ss’C 0,941 5° 2°,031 R. 1,958 1,948 1,908 1,570 1,32 1,757 1,719 1,681 1,640 1,599 1,554 19,543 R. 0,941 S’ N in Granen 0.662 0,590 0,518 0,445 0:374 0,304 0,171 0,111 0,057 0,009 — 0,029 — 0,054 —0,059 N in Granen NC 7°,790 R 6,946 6,090 5,239 4,394 3,571 2,015 1,308 0,671 0,110 — 0,338 — 0,636 —0°,691 R. NC T—T 6°,327 R. 5,510 4,727 3,980 3,270 2,603 1,406 0,445 0,074 — 0,212 —0,400 — 0,434 R. T—T‘ E 17,343 17,363 17,391 17,430 17,485 17,562 17,664 17,503 15,228 18,542 18,947 19,463 19,613 E E’ 117”, 13 11,79 12,57 13,20 13,96 14,66 15,39 16,15 j 17,65 18,50 19,26 20,05 20,19 E’ au 20°,417 R. 21,251 22,057 22,837 23,592 24,324 25,033 25,721 26.387 27,034 27,661 25,208 28,856 29,000 R. I D + 0° ,567 R. + 0,529 + 0,452 + 0,354 ‚238 + 0.122 + 0,029 —0,087 b — 0,130 —+0,001 + 0,261 +0°,343 R. D S'C+-NC 9°,150 R. 8,278 7,395 6,517 5,646 4,797 3,996 3,192 59 ‚796 1,209 0,733 0,405 0°,343 R. SIC+H-NC T’—T' 8°,583 R. 7,749 6,943 6,163 5,408 4,676 3,967 3,279 b 966 1,330 0,732 0,144 0°,000 R, T’—T' 0,941 S’ + (T—T‘) 82,358 R. 7.498 6,675 5 5,140 4,435 3,773 3,163 6 „121 1,714 1,357 1,154 1°,109 R. 0,911 S’+(T—T') D‘ —00225 R. | —0,251 —0268 | —0275 | —0,268 — 0,241 —0,194 | — 0,116 } +0163 | +0,75 | -+0,655 +1010 | -+1°,109 R, D‘ Tree er°H5 se zz cc eypa den | _asamo | 's08”,0.| aaa] ausun | ao | am De | 0,00 020 | 040 | 060 "ann = FARsOR. Ss 0,89950 0,91077 | 0,92204 | 0,93331 | 0,94458 0,95585 S Ss 0,94675 0,94339 | 0,94003 | 0,93667 | 0,93331 0,92995 Ss S’ in Granen 1.760 1,782 1,805 1,527 1,549 1,871 S’ in Granen S’ in Granen 1,853 1,846 1,340 1,833 1,827 „1,820 S’ in Granen s’C 1°,110 R. 1,123 1,137 1,151 1,165 1°,179 R. s’C Ss’C 1°.168 R. 1,164 1,160 1,155 1,151 1°,147 R. S’!C 0,941 S’ 1°,656 R. 1,677 1,698 1,719 1,740 1°,761 R. 0,941 8° 0,941 8° 1°,744 R, 1,737 1,731 1,725 1,719 1°,713 R. 0,941 5° N in Granen 0,1112 0,1112 0,1112 0,1112 | 0,1110 0,1110 N in Granen N in Granen 0,041 0,058 0,076 0,093 0,111 0,129 N in Granen NC’ 1°,309 R. 1,308 1,308 1,308 | 1,306 1°,306 R. NG’ NC' 0°,452 R, 0,687 0,890 1,097 1,308 1°,514 R. NC T—T’ 0°,595 R. 0,894 0,594 0,893 0,893 R. T—T’ T—T'’ 0,0332 R, 0,474 0,614 0,753 0,394 1°,033 R. T—T! E 17,987 17,987 17,987 17,987 17,987 E E 17”,306 17,476 17,646 17,816 17,987 18,157 E E’ 17,06 16,94 16,94 16,94 164,83 E' Ei 16,94 16,94 16,94 16,94 16,94 16,94 E' a 26°,386 R. 26,387 26,387 26,388 26°,388 R. af In. 26°,379 R. 26,381 26,383 206,385 26,387 26°,380 R. u D 0°,195 R. 0,182 0,168 0,154 0,141 | —0°,125 R, D D —0°%,971 R. | —0,765 | — 0,568 | — 0,362 | — 0,154 | + 0°,051 R. D S’ICHNC! 2°,419 R. 2,431 2,445 2,459 2,471 29,487 R. SIC+H-NC/ SIC+HNC’ 1°,650 R. 1,850 2,049 2,253 2.459 29,662 R. SIC+HNC’ ZUR 2°,614 R. 2.613 2,613 2,612 2°,612 R T#“—T’ T’—T’ 2°,621 R, 2,619 2,617 2,615 2,613 2°,611 R. T’—T! 0,941S’+(T—T') | 2°,551 R. 2,571 2,613 2.033 2°.654 R. | 0,9411S’-+{T—T‘) || 0,941 S’++(T—T‘) | 2°,076 R. 2211 2,345 2,478 2,613 2°,746 R. | 0,941$°++(T—T‘) D' —0°,063 R. | — 0,042 0,000 | + 0,021 | + 0°,042 R. D’ D’ —0°,545 R. | — 0.408 | — 0,272 | — 0,137 | 0,000 | +0°,135 R. D‘ rt Tu,nacccaamh$gms ,. |] Es bedeutet: E, die Spannung der Dämpfe, welche in den Lungen, durch Vermischung der eingeathmeten Luft mit der noch in ihnen vorhandenen, als mittlere Spannung aus diesen beiden Luftmassen resultirt; T, die zuE gehörige Temperatur; T“ die constante Lungen- oder Blut-Temperatur; zu +29° R. angenommen; T“—T‘ den Unterschied zwischen der constanten Lungentemperatur und der durch das Athmen resultirenden;. T—T’, den Unterschied zwischen der durch das Athmen resultirenden und derjenigen Temperatur, welche der mittleren Spannung E entspricht, und welche als die latente Wärme des condensirten Dampfes angenommen ward; S’C4HNC), die mögliche Wärmeerzeugung durch S’ und N; 0,9418’+(T—T’), die mögliche Wärmeerzeugung durch S’ und N, wenn -+12°,0 als aine dem Menschen entsprechende mittlere Temperatur, und T—T’ als die durch die Condensation der Dämpfe entstehende Temperatur angesehen würde; D den Unterschied zwischen T“—T’ und S’C-HNC’; und D‘, den Unterschied zwischen T“—T’ und 0,9418’+(T—T‘). ee EEE En m Ueber die freie Bewegung der Sporen von Nemaspora incarnata Pers. Von Dr. H. R, Gorrrert, Professor in Breslau. Dass Sporen sehr vieler Algen im Zustande der Reife eine freie Bewegung zeigen, welche man nicht von äusseren oder physikalischen Ursachen ableiten, sondern nur als eine Erschei- nung des Lebens beirachten kann, wird wohl gegenwärtig von Niemand mehr bezweifelt. Bei den Flechten sah Herr Link, und zwar in den Saamenschläuchen der Limboria stricta, eine langsam fortschreitende thierähnliche Bewegung, die selbst an Exemplaren, welche man vor 30 Jahren gesammelt hatte, noch sichtbar war (Fröriep’s Not, XIl. No. 293. 104.). Meyen (Neues System der Pflanzenphysiologie. Bd. 3. S. 457.) beob- achtet. dass die Sporen von Mucor mucedo sich zuweilen im Wasser noch frei bewegten. Im December des vorigen Jahres zeigle mir Here Candidat, phil. Oschatz ') in Wasser ein: 4) Ich nehme hierbei Gelegenheit die Methode zu empfehlen, de- zen sich Hr. Oschatz zur Aufbewahrung mikroskopischer Objecte be- dient, wodurch es nun in der That möglich wird, sich vollständige - Sammlungen zu mikroskopischen Betrachtungen geeigneter Gegenstände mit Leichligkeit anzulegen. Um Präparate von Hölzern oder festem Gewebe aufzubewahren, benutzte ich früher Einweichen in Oel, und schloss die Glasplatten mit Siegellack oder dem sogenannten Peron- sehen Kitt. Jedoch gelang dies letztere weniger gut, als mit einem Müller’s Archiv. 1842, 10 146 geschlossene Sporen von Phallus impudicus, die um diese Zeit, acht Wochen nachdem sie von der Pflanze entnommen waren, eine zwar langsame, aber deutlich noch bemerkbare rotirende Bewegung zeigten, und hiermit also noch ein Jahr nach der Aufbewahrung in Wasser dasselbe wahrnehmen lassen. Am 4. October dieses Jahres brachte ich die Fäden der merkwür- digen Nemaspora: incarnata Pers., die in meiner Stube auf in Wasser stehenden Weidenzweigen gewachsen war, ins Wasser, worauf sich alsbald die gallertarlige, die Sporen wahrscheinlich einhüllende und die Form des Pilzes bildende Substanz auf- löste, und die ausserordentlich kleinen, länglichten, an beiden Enden aber zugespitzten, ziemlich durchsichtigen, weisslichen nach der Angabe des Herrn Oschatz aus Siegellack und Bleiweiss bereiteten Kitt, oder mit eingedicktem Asphaltlack. Bei einiger Uebaung kann man Objecte hier vollkommen ohne Luftbläscheu verschliessen, die sich in diesem Zustande schon ein Jahr lang gut erhalten haben. Dass sie sich auch noch länger erhalten dürften, glaube ich in Folge einer anderweitigen Erfahrung mit vieler Wahrscheinlichkeit annehmen zu können. Ich bewahre nämlich unter andern schon seit dem 20. Juli 4837 in einem mit einem gut eingeriebenen Glasstöpsel wohl verschlos- senen und mit gemeinem Wasser ganz erfüllten Glase die Blüthe einer Passiflora coeruleo-racemosa auf, die ausser dem Verlust der bunten Farben in ihrer Structur keine Veränderung erlitten hat, sowie auch das Wasser, wie wohl [begreiflich, nicht faulig geworden ist, Bei Objecten, die durch den Druck der beiden aufeinander liegenden Glas- platten leiden könnten, bedient sich Hr. Oschatz einer Zwischenlage von Ringen aus Pflanzenmark, wie sie die Compositee (Helianthus annuus) oder das chinesische Reispapier darbietet. Um stets gleich zarte mikrometrische Schnitte zu erhalten, hat Hr. Oschatz ein In- strument eonstruirt, welches ins Besondere durch eine zweckmässige, von’ dem Mechanicus Nösselt angebrachte Vorrichtung sehr verbes- sert worden ist, indem sie die Hülfe der Hand beim Schneiden ent- behrlich macht, und immer gleichmässige Queersehnitte von 7J45,— tr Linie Durchmesser liefert. Hr, Oschatz beabsichtigt Sammlungen mikroskopischer Präparate herauszugeben, von denen das völlig einge- rahmte, zu mikroskopischen Beobachtungen schon zugerichtete Exem- plar von thierischen Objecten auf 3 Sgr., von Pflanzenobjecten auf 24 Sgr, zu stehen kommt. 147 Sporen frei wurden, zu deren genügender Betrachtung man je- doch eine starke Vergrösserung, 250 Linien Durchmesser, an- wenden muss. Zu meinem nicht geringen Erstaunen sah ich sie sich lebhaft bewegen, und zwar nicht bloss in horizontaler, sondern auch in verlicaler Richtung rotiren, ja selbst Ortsver- änderungen vornehmen, die sich jedoch nur auf einen sehr klei- nen Kreis beschränken. In der verticalen Lage erschienen sie dann als schwärzliche Punkte, so dass ich anfänglich glaubte, zweierlei Sporen vor mir zu sehen, bis ich mich bei genauerer Betrachtung überzeugte, dass nur die eben erwähnte Lage das veränderte Aeussere bewirkte. Ich schloss alsbald eine Menge auf die oben bezeichnete Weise in Wasser ein, und heut noch, am 20. November, indem ich dies schreibe, also nach fast 8 Wochen, geht die Bewegung mit derselben Lebendigkeit vor sich. ‚Als’ich darauf im Jahre 1822 gesammelte Exemplare die- ser Pflanze in Wasser einweichte, bewegten sich die Sporen derselben ebenfalls, obschon mit; viel geringerer‘ Intensität. Wahrscheinlich ist diese merkwürdige Erscheinung unter den Pilzen sehr verbreitet, welche doch wohl nur als eine Lebens- erscheinung angesehen werden kann, da ich wenigstens nicht weiss, welche äussere Ursache sie hervorzurufen im Stande wäre, Obschon die genannte Pflanze nicht selten ist, sie aber doch vielleicht nicht Jedem gleich zu Gebote steht, erbiete ich mich zur Mittheilung derselben, 10* } al Ueber ein eigenthümliches Entozoon im Blute des Frosches. Von Prof. GLuce in Brüssel. In dem Hefte V. Jahrgang 1841. dieses Archivs beschreibt Va- lentin'ein eigenthümliches, in dem Blute eines Salmo beob- achtetes Entozoon. Es ist nach ihm länglich, und mächt mit ein- bis dreifachen seitlichen Foertsätzen sehr lebhafte Bewe- gungen, ' In'seinem Innern enthält es dunkle Kügelchen. Ich‘ habe nun ein diesem sehr ähnliches Thierchen in dem Blute eines Frosches beobachtet, und in dem so eben erschie- nenen zweiten Hefte meiner Untersuchungen beschrieben. . Da dies nur gelegentlich geschehen ist, so dürfte folgende kurze Notiz darüber besser hier ihren Platz finden: Das Blut, in dem das Thier beobachtet wurde, kam von einem Frosche, dem Behufs eines Experiments (um die Ein- wirkung des Blutverlustes auf die Circulation zu beobachten) eine bedeutende Menge Bluts entzogen worden. Es befand sich im Blute des Herzens des eben getödteten Thieres, war’ von langgestreckter Form mit spitz zulaufendem Kopf- und Schwanz- ende, und hatte an der rechten Seite drei längliche Fortsätze, die das Thier mit grosser Lebhaftigkeit aus- und einstülpte. Uebrigens war die Ortsbewegung sehr lebhaft. Eine Organi- sation habe ich nicht beobachtet; der ganze Körper ist sehr durchsichtig, und selbst die von Valentin beobachteten Kü- gelchen fehlten. WUebrigens beobachtete ich in diesem Blute nur eia Exemplar, während Valentin in dem des Salmo de- ren viele sah, Das Dasein von Entozoen im ceirculirenden Blut scheint auf jeden Fall eine häufigere Erscheinung zu sein, und ihre fortgesetzte Beobachtung würde uns vielleicht einer Er- klärung der Erzeugung der Eingeweidewürmer näher bringen, Ueber die nutritiven Vorgänge und ihre Beziehung zu andern Vitalitätsäusserungen. Von Dr. Fr. OzsterLen in Murrhardt (Würtemberg). Die Vorgänge bei dem Akte der Ernährung können wir als die wichtigste Lebenserscheinung eines Organismus betrachten; — immer noch sind sie aber eben so geheimnissvoll als wich- tig. Da es noch nie gelang, sie zum Gegenstande directer Be- obachtung zu machen, — da sie gleichsam an den Grenzen einer noch möglichen Naturforschung liegen — so musste die Speeulalion deren Stelle vertreten. Stützt sich diese so viel als möglich auf die sichere Basis objectiven Wissens, sucht sie nicht nach Willkür wichtige Fragen zu beantworten, so muss sie als brauchbares Surrogat wenigstens so lange betrachtet werden, bis neue Thatsachen sie als unrichtig erkennen lassen, — Wenn sonst die Anatomie, die Chemie, der Kenntniss vi- taler Vorgänge in manches dunkle Gebiet die Bahn brachen, so sind sie gerade hier noch weit von dem Punkte entfernt, nach dessen Erreichung erst die Physiologie ‚des nutritiven Proces- ses sicher zu begründen ist. — Alles dieses dürfte vielleicht die Mängel auch dieses Versuchs wenigstens theilweise ent- schuldigen. Die Entwicklung der organischen Malerie vom ersten Le- ben des Keims an bis zum Tode, die Ernährung, das Wachs- 150 thum, die Reproduction der Gebilde — sind im Wesentlichen ein und dieselbe Lebenserscheinung, nur in ihrem Resultate, und mehr quantitativ als qualitativ verschieden. — Wir kön- nen sie alle als nutritive Vorgänge zusammenfassen, Immer sehen wir eine organische Materie in einer stetigen Verände- rung nach Form und Mischung begriffen, aber mehr oder we- niger rasch und intens, daher mehr oder weniger erkennbar. “Soweit somit die organische Mäterie belebt zu nennen ist, lässt sie unausgesetzt nutritive Vorgänge erkennen; ‚immer müssen sich daher die Bedingungen in ihr vereinigt; finden, welche diese Lebensäusserung möglich machen, und diese können bloss .an der Stelle gesucht werden, welche die nutritiven Vorgänge offenbart, «und bald imehr bald weniger zusammengesetzt ist. Man kann diese Stelle die nutritive Sphäre nennen. Als Facto- ren derselben sind eben die Glieder zu betrachten, welche sie zusammensetzen; also die Parlikelchen der Gebilde, die’ der Schauplatz nutritiver Veränderung sind, — Capillargefässe mit ihrem Inhalte, oder vielmehr die von ihm gelieferte'indifferente Bildungsflüssigkeit, welche das Parenchym tränkt, —"und hierzu können sich noch bei thierischen Geweben peripherische Ner- venverzweigungen 'gesellen. Würde ein Pärtikelchen organi- scher Mäterie an und für sich selbst seine Veränderung nach Form und Mischung vollführen, oder doch bloss durch Imbi- bition einer dasselbe umgebenden Flüssigkeit unterslützt 'wer- den, so stellte dieses die nutritive Sphäre in ihrer einfachsten Gestalt dar. Wir finden dieses bei der organischen Materie in ihren ersten Entwickelungsperioden realisirt, denn hier setzen gewisse, zu festerer Gestaltung gelangte Molecule (Nucleoli und Cytoblasten) und das sie umgebende indifferente Blastema allein die nutritive Sphäre zusammen. Diese gestaltet sich im Allgemeinen um so zusammengesetzter, je weiter ein Gebilde in seiner Entwicklung vorgeschritten, je höher die Stufe der Organisation ist, welche der Organismus überhaupt einnimmt. . Von der Wirkungsweise der Nährflüssigkeit, von dem Ner- veneinflusse bei dem Akte der Ernährung kann hier nicht die 151 Rede sein. ‘Sie haben immerhin, so räthselhaft sie auch noch sind, die Aufmerksamkeit in höherem Grade auf sich gezogen; als die Wirkungsweise der ernährten oder vielmehr sich näh- renden Partikelchen organischer Materie selbst. ‘Doch wird den leiztern in neuerer Zeit mehr Werth beigelegt. Man be- trachtet sie nieht mehr als eine passive, fast zum Tode er- starrte Masse, aufgehängt zwischen Nervenschlingen und zu- strömendem Blute, — von diesem genährt und gesäugt, durch jene erst zu einer Art von Scheinleben befähigt. Es scheint jedoch, als sei die vitale Wirkungsweise der sich nährenden Formelemente selbst noch keineswegs hinreichend gewürdigt, als habe die Physiologie weder des gesunden noch des krank- haft’ veränderten ‘Lebens alle Vortheile aus einer naturgemässe- ren "Ansicht von derselben‘ gezogen. Von ihr soll im Folgen- den allein die Rede sein. — Die neueren Untersuchungen über die Elementar-Zusammensetzung der organischen Gebilde in ihren verschiedenen Entwicklungsperioden berechtigen uns, von einem yitalen, individuellen Thätigsein der Formelemente zu sprechen, ohne dass wir die Grenzen nüchterner Naturförschung überschreiten. ' Ein weiteres Eingehen in diese’ Resultate mi- kroskopischer Forschung erscheint ‘hier überflüssig; | sie sind jedoch als die Basis der folgenden Bemerkungen zu betrachten. — Bei dem innigen Tneinandergreifen, dem gegenseitigen Be- dingen ‘und Bedingtwerden der Lebensäusserungen der organi- schen Materie ist 'es unmöglich, ‚eine einzelne in ihrer Bedeu- tung zu entwickeln, ohne ihre Beziehung zur Gesammimasse derselben zu berücksichtigen. Wenn daher. 'im Folgenden von der Wirkungsweise der Gebilde bei ihrer Ernährung die Rede ist, so muss zugleich das Verhältniss derselben zu den übrigen Thätigkeitsäusserungen in Kurzem berührt werden; es möge somit ein Zurückgehen auf allgemeinere Basen gestaltet sein.; Die organische ‚Materie zeichnet sich ‚dadurch. besonders aus, dass sie unter gewissen Umständen und eine gewisse Zeit hindurch eigenthümliche Erscheinungen offenbart, deren. letzter Grund in ihr selbst zu suchen ist. , Das Eigenthünliche, nicht 152 weiter zu Erklärende derselben erkennt man dadurch an, dass man sie vital nennt. — Diese vitale. Wirkungsweise der or- ganischen Materie hält im Allgemeinen mit der Beschaffenheit der organischen Materie, ihres Substrats, gleichen Schritt, d.h. die Mannichfaltigkeit der Lebenserscheinungen, die aus dem Thä- tigsein organischer Materie hervorgehen, läuft der Mannichfal- tigkeit dieses materiellen Substrats parallel. Diess finden wir bei einer Vergleichung der Organisationsverhältnisse mit den vitalen Thätigkeitsäusserungen eines Organismus. Wenn dieser letztere als der Totalausdruck seiner Gebilde und der diese letzteren zusammensetzenden Formelemente betrachtet werden kann, so ist die Gesammtmasse seiner Lebensthätigkeit auf die- selbe Weise die Additionssumme der vitalen Wirkungsweise seiner integrirenden Gebilde und deren Formelemente, wie sie jedes derselben vermöge seiner individuellen Vitalität zu äus- sern vermag. — Dasselbe wiederholt sich bei der vitalen Wir- kungsweise eines einzelnen Organs, das aus verschiedenen Ge- wreben zusammengesetzt wird. Jedes dieser letztern äussert sich auf seine Weise thätig; die Thätigkeit jenes Organs ist daher aus derjenigen seiner Gewebe, die der letztern aus der- jenigen ihrer integrirenden Formelemente zusammengesetzt, und zur dem Organismus gegenüber erscheint die Totalfanetion je- nes Organs als Ganzes, als Einheit. — Wir können somit sa- gen, dass einer Evolution der organischen Materie vom Einfa- cheren zum Zusammengesetzteren eine Progression der Summe vitaler Thätigkeitsäusserung parallel läuft. — Hierbei kommt jedoch in Betracht, dass, je einfacher die Organisationsverhält- nisse sind, desto vielfacher ein und dasselbe Gebilde sich thä- tig äussern kann, und daher dem Organismus ‚mehrere ver- schiedene ersetzt. So zeigt sich z. B. die äussere Körperhülle eines Polypen auf eine mämnichfachere Weise thätig, als bei einem Wirbelthiere; sie ersetzt ihm z. B. alle Fortpflanzungs- organe, und sein einfacher Darmschlauch leistet ihm dieselben Dienste als dem Wirbelthiere sein zusammengesetzter Dauappa- rat. Je vielfacher jedoch die Richtungen sind, in welchen ein 153 und’ dasselbe Gebilde sich thätig erweist, desto unvollkommener wird jede einzelne bewerkstelligt, und es bleibt daher im All- gemeinen richtig, dass die Mannigfaltigkeit der Lebensthätigkeit derjenigen der Organisationsverhältnisse parallel läuft. Bei den höchst entwickelten Organismen bietet uns die Masse vitaler Thätigkeitsäusserungen eine verwirrende Mannigfaltigkeit dar, und wir werden das Wesentliche derselben vom weniger We- sentlichen, das Primitive vom Accessorischen noch am ehesten unterscheiden können, wenn wir sie in ihrer genetischen Ent- wicklung; in dem Fortschreiten vom Einfacheren zum Zusam- miengesetzteren verfolgen. Hierzu dient uns die Entwicklungs- geschichte jedes einzelnen Organismus, die fortlaufende Reihe der Organismien von der Conferve bis zur Leguminose, vom Polypen bis zum Menschen. Vor Allem wird es darauf ankommen, eine solche Aeus- serung vitaler Thätigkeit aufzufinden, welche allen Organismen und in allen ihren Entwicklungsstufen zukäme. Da sie aber, um wirklich die primitive, die wesentlichste zu sein, bei aller überhaupt lebendig thätigen Materie sich wiederfinden müsste, so würde sie selbst bei allen einzelnen Organen, Geweben, selbst bei den „vitalen‘‘ Flüssigkeiten sich offenbaren müssen. Die Bestimmung jener Thätigkeit müsste zugleich eine solche sein, welche wesentlich, in der Natur jeder organischen Ma- terie, sobald diese Vitalität äussert, begründet wäre, Jedes Partikelchen organischer Materie, welches zu einem individuel- len Leben.sich entfaltet, zeigt vorerst das Bestreben, sich zu ‚entwickeln, zu gestalten, und wird dadurch zugleich in Stand gesetzt, sich als’ solches zu erhalten. Die Richtung der Vita- litätsäusserung, welche aus einer solehen Tendenz hervorgeht, bezieht sich somit rein auf sich selbst, ist eine völlig egoisti- sche. Da dieses Bestreben, sich in’ seiner Individualität zu entwickeln und zu erhalten, jedem Organismus so gut als dem winzigsten seiner Formelemente zukommt, nur in verschieden hohem Grade und mit verschiedenen Mitteln der Realisirung, — so kann es für die vitale organische Materie als characte- 154 ristisch gelten. Dä'es ferner noch niemals eine zu individuel- ler Gestaltung gelangte Materie gab, welche nicht früher oder später aufgehört hätte, diese ihre Individualität beizubehalten, so ist anzunehmen, dass jenes Bestreben ein bedingtes sei, in- sofern es nur eine gewisse Zeit lang zur Realisirung gelangt. Zugleich folgt aus der Thatsache, dass noch nie eine zu indi- vidueller Gestaltung gelangte organische Materie ihrem Ende als solche entging, nothwendig noch weiter, dass das Streben nach Selbsterhaltung vermöge der selbsteigenen Natur jener Materie nur eine gewisse Zeit hindurch dauert, d. h. dass es an und für sich selbst beschränkt ist. — Nicht das Verhält- niss, in welchem jedes organische Gebilde, jeder Organismus zu der Aussenwelt stehen, führt ihr Ende herbei, obschon sie in ihrem Streben nach Entwicklung und Selbsterhaltung man- nichfach von derselben abhängig sind, also auch mannichfach von ihr aus beeinträchtigt werden können. In jeder zu einer Individualität gelangten organischen Materie liegt vielmehr selbst der Keim der endlichen Vernichtung, — sie muss zu Grunde gehen, sobald sie sich einmal individualisirt hat. Doch kann man sagen, dass jeder Organismus in gewissem Sinne sein Streben nach Erhaltung vollkommen realisirt, insofern ihm nämlich stalt der Unsterblichkeit die Fähigkeit geworden ist, sich fortzupflanzen. Um das Streben nach Selbsterhaltung wenigstens bedingt realisiren zu können, scheint jeder Organismus sowohl als das einzelne.Formelement in der Richtung nach innen: zu thätig sein zu müssen. Diese Thätigkeit äussert sich durch eine be- ständige Umwandlung der organischen’ Materie nach Form und Mischung. Diese Materie bleibt somit nie dieselbe, welche sie kurz zuvor gewesen, sie findet keinen Ruhepunkt. Kaum hat sie eine Stufe ihrer Entwicklung erreicht, so schreitet sie zu einer andern fort; sie hat ein beständiges Streben zu werden, ohne zum Sein zu gelangen. Jene Veränderung schreitet‘aber, besonders in: späteren Perioden, so allmählig vor, das dadurch bedingte Anderswerden der Materie ist in kürzern Zeitabschnitten 155 ein so unendlich kleines, dass uns directe Beobachtung ganz und gar keinen Aufschluss giebt. Indem sich jedoch jene Mi- nima einzelner Veränderungen summiren, erreichen sie einen Punkt, wo sie uns bemerklich werden ; man nennt gewöhnlich das Ende solcher läugeren Zeitepochen die Entwicklungsstufen eines Organismus. — Die höchste Intensität der Vitalität kommt dem Keime gleich nach seiner Befruchtung zu, sobald über- haupt organische Materie zu einer Individualität zu gelangen begonnen hat. Hier offenbart sich die Umwandlung nach Forni und Mischung im höchsten Grade, und in der kürzesten Zeit gehen die bedeutendsten Veränderungen vor sich. Das Kleinste enthält gleichsam potentia das Grösseste, das Einfache das Viel- fache, und je mehr es zu diesem sich entfaltet, desto geringer wird das Quantum von vitalem Wirkungsvermögen, welches dem einzelnen Theile zukommt. Dasselbe Quantum nämlich, welches ursprünglich das Einfachere zum Thätigsein befähigle, verlheilt sich gleichsam auf das Mehrfache. Die Materie eines jeden Keims scheint bei ihrem ersten Entstehen eine gewisse Summe von Vitalität als Mitgift zu erhalten; sie kann dieses Kapital vertheilen, verzehren, nicht aber vermehren. —- Etwas Aehnliches bemerken wir bei den Thieren auf verschiedenen Stufen der Organisation. Je einfacher ihre Strueturverhältnisse sind, je geringer die Zahl integrirender Gebilde, mit desto grösserer Intensität äussert sich die Lebensthätigkeit der we- nigen vorhandenen Organe und Gewebe. Jedes Partikelchen besitzt einen höheren Grad von Individualität, so dass sogar von den verschiedenen Stücken, in welche man einen Poly- pen, eine Annelide, zerlegt hat, jedes einzelne zu einem selbst- ständigen Individuum sich entwickeln kann. Woher es eigentlich komme, dass ‘die lebendig tätige Ma- terie ohne Unterlass sich verändert, können wir nicht weiter erklären. Wir wissen aber, dass sie nur insofern eine-leben- dige‘ist, als sie sieh beständig verändert, und dass hierin ein wesentlicher Unterschied von der unbelebten Materie begründet ist. Wir'schen zwar auch'an letzterer gewisse Veränderungen Müller’s Archiv, 1842, 41 156 eintreten, aber das Stetige der Veränderung ihrer: Mischungs- verhältnisse fehlt, und von der gleichzeitigen Umwandlung der äussern und innern Gestaltung, wie sie die belebte Materie dar- bietet, findet sich keine Spur, Der Hauptunterschied von je- nen vitalen Veränderungen besteht jedoch darin, dass bei die- sen die letzte Ursache bloss in der organischen Materie selbst zu liegen scheint, während wir allen Grund haben zu glauben, dass ‘jene ersteren: in. Folge äusserer Einwirkung zu Stande kommen. Können wir unbelebte Stoffe vor dieser letztern be- wahren, so scheinen sie auf unendlich lange "Zeit unverändert zu bleiben, und sie erreichen somit nie ein Ende, weil'sie nie jene Höhe individueller Gestallung erreichen, wie bei der be- lebten Materie der Fall ist. Auf dieselbe Weise verlieren Saa- men, welche nicht zum Keimen gelangen können, die Fähig- keit dazu, also ihre Vitalität, auch nach ausserordentlich lan- gen Zeitabschnilten nicht. Nach dem Bisherigen muss als gemeinschaftliche Vitalitäts- äusserung aller Organismen so wie aller einzelnen Gebilde der- selben, selbst’ des kleinsten seiner organischen Elementartlıeile, während der Dauer ihres Lebens eine unausgesetzte Umwand: lung ihres materiellen Substrats angesehen werden. Jene Vi- talitätsäusserung können wir die nutritive nennen, während ihr nach den Gebilden, welche wesentlichst auf diese Weise thätig'sind, der Name Molecularthätigkeit zukommt. Das, was’ die organische Malerie zu dieser Thätigkeitsäusserung be- fähigt, ist uns gänzlich unbekannt; die Annahme einer eigen- thümlichen Bildungskraft aber völlig unerspriesslich., ‘Vom Standpunkte nüchterner Naturforschung aus können wir alle „vitalen“ Eigenschaften (Energieen) als wesentlich in der or- ganischen Materie und ihrer ganzen Art zu sein begründet an- sehen. — Obschon wir nicht im Stande sind, von ihr aus das Räthsel zu begreifen, so ist doch die Materie allein der Unter- suchung zugänglich, mit ihr haben wir es zunächst zu thun. Können wir Aus ihren Eigenschaften die Thätigkeitsäusserung der organischen Materie nicht erklären, so ist zu bedenken, 157 dass unsere Kenntniss jener Eigenschaften noch "eine "höchst unvollkommene ist, dass wir an ihr bloss dasjenige erkennen, was sie uns erkennen lässt. Da keine andere Thätigkeitsäusserung sich finden lässt, die als eine im gleichen Grade allgemeine und für die organische Materie bedeutsame betrachtet werden könnte, so müssen wir die nutritive Thätigkeit für die wesenllichste, für die primitive anerkennen. Alle andern Vitalitätsäusserungen können ihr ge- genüber bloss als accessorische gelten, und es kann bewiesen werden, dass sie aus jener als aus ihrer gemeinschaftlichen Quelle hervorgehen. Durch Aeusserung nutritiver Thäligkeit giebt sich die organische Materie wesentlich als das kund, was man belebt nennt. — Ihre Tendenz, sich beständig umzuän- dern, bringt eine andere Richtung ihrer Thäligkeitsweise'als unmittelbare Wirkung mit sich, und die organische Materie tritt dadurch in gewisse Beziehungen zur: Aussenwelt. Ein Partikelchen organischer Materie nämlich kann sich bloss 'ein- mal auf eine solche Weise verändern, wie es’ für die Er: haltung seiner Vitalität 'nothwendig erscheint, wie etwa ein brennbares Gas nur einmal brennen kann. Eben dadurch, dass jenes Partikelchen alle Stadien seiner Umwandlung durchläuft, verliert es’ die Fähigkeit, dasselbe noch einmal zu thun, gerade wie der Keim, sobald er seine Entwicklung dnrehgemacht, nieht zum zweitenmale dasselbe vollführen kann. — Je nach der: Beschaffenheit jenes Partikelchens verliert es bald früher, bald später seine Fähigkeit, sich fürder zu verändern, weil der Oyelus seines Umwandlungsprocesses' bald rascher, ‘bald lang- samer verläuft. Da aber nach Vollendung desselben die’ Fä- higkeit dazu unwiederbringlich verschwindet, so folgt daraus; dass an die Stelle jenes Partikelchens ein anderes, jener Ver- änderung fähiges treten muss, wenn anders das organische Ge- bilde seiner Vitalität theilhaftig bleiben soll. Auf dieselbe Weise tritt an die Stelle eines Organismus, welcher mit Vollendung seiner Entwicklung zu Grunde gehen muss, ein frischer Keim, wenn anders die Species bestehen bleiben soll. 44° 158 Aus diesem Gesetze der Nothwendigkeit ergiebt sich das Verhältniss der Aussenwelt, in welches die organische Materie versetzt ist, sobald sie zu einer Individualität gelangt. Sie er- scheint nämlich bis zu einem gewissen Grade an die Aufnahme eines Ersatzes von aussen her gebunden, wenigstens muss nach einer gewissen Zeitperiode frisches Material an die Stelle des zu weiterer Veränderung unfähig Gewordenen treten. Das Bedürfniss nach Ersatzmaterial hat somit seinen nächsten Grund in der beständigen Veränderung organischer Materie. Es wird auf verschiedene Weise erfüllt, je nach der Beschaffenheit des in stetiger Umwandlung begriffenen Gebildes. Für die Ele- mentariheile der Gewebe liefert das Blat oder eine ihm analoge Flüssigkeit, für das Blut, der Chylus selbst, der aus den Ali- menten bereitete Saft, das Ersatzmaterial. — Die Formelemente des Nährsaftes, seine Körperchen, scheinen hierbei auf dieselbe Weise zu wirken, wie die Elementartheile festerer Gewebe. Diese üben eine gewisse Anziehung gegen die Stoffe der pa- renchymötäsen, vom Blute (Plasma) gelieferten Flüssigkeit aus, welche zu ihrer Ernährung sich eignen. Sie bringen in der Mi- schung dieser Flüssigkeit eine solche Veränderung hervor, dass die ihrer eigenen Mischung entsprechenden Stoffe zu Stande kommen. Indem diese letzteren in den organischen Verband des einzelnen Formelements treten, gelangen sie in diesem zu festerer Geslaltung, und werden zu integrirenden Theilen des- selben. Parallel mit dieser Aufnahme von Ersatzmaterial läuft die Abgabe solcher Stoffe, welche nach Zurücklegung ihres Entwicklungscyclus aus dem organischen Verbande: des Form- elements sich lösen, und in die parenchymatöse Flüssigkeit zurücktreten. Die Nothwendigkeit eines Ersatzes von aussen her findet sich bei den verschiedenen Organismen und deren einzelnen Gebilden nicht in gleich hohem Grade. Im Allgemeinen ist sie um so geringer, je langsamer der Umwandlungsprocess der or- ganischen Materie vor sich geht und andererseits, je höher die Intensität des Lebens ist, welche der letztern innewohnt, 159 oder mit andern Worten, eine je grössere Summe von Vitali- tät in der kleinsten Masse organischer Materie angenommen werden kann. Dieselbe Erscheinung offenbart sich somit unter ganz verschiedenen Umständen. Im ersten Falle steht das Ge- bilde auf einer so niedrigen Stufe der Vitalität, sein Stoffwech- sel ist so gering, dass der geringste Zutritt von Ersatzmaterial sein Bedürfniss befriedigt. Im andern Falle kommt der orga- nischen Materie eine solche Intensität ihres vitalen Wirkungs- vermögens zu, dass sie gleichsam längere Zeit hindurch von ihrem Kapitale zehren kann, ohne in demselben Grade einen Ersatz von aussen her zu bedürfen, als es wohl später oder anderswo der Fall ist. — So gestaltet es sich besonders bei jener organischen Materie, in welcher das Zusammengesetzte aus dem Einfachen, das Seceundäre aus dem Primitiven noch in geringerem Grade hervorging. Das Bedürfniss äusserer Stofl- aufnahme wird somit desto geringer sein, je näher jeder Or- ganismus, jedes einzelne Gebilde seiner ersten Entwicklungs- periode steht, oder je homogener seine innere Organisation, oder je geringer und einfacher die Summe seiner Thätigkeits- äusserungen ist, Man könnte hiegegen manche Ausnahme an- führen wollen, z. B. den Gefässreichthum mancher Gebilde, welche im Entstehen begriffen sind. Allein daraus, dass die Gefässverzweigungen unsichtbarer sind als späterhin, folgt noch nicht, dass sie auch in grösserer Menge sich vorfinden, dass in jenem Gebilde während seiner ersten Entwicklung mehr zu seiner Ernährung bestimmtes Blut cireulirt, oder dass das Blut überhaupt mehr bildungsfähiges Material enthält und an die Gebilde abgiebt. Es ist durchaus nicht bewiesen, sogar höchst unwahrscheinlich, dass z. B. das Gehirn, die Muskelsubstanz des Embryo, dadurch so rasch sich entwickele, dass sie aus dem zugeführten Blute mehr Nähr- und Bildungsmaterial er- halten, als späterhin, Vielmehr scheint das Fötusblut wenig oder gar nichts zu jener Entwicklung beizutragen. Woher sollte es diese Materialien erhalten? Das Blat scheint in jener Periode, wie alle Gebilde, bloss in egoistischer Richtung thätig, 160 gleichsam auf. seine eigene Entwicklung bedacht zu sein, und erst später. als ernährende Flüssigkeit zu wirken, wie: auch erst in späteren Perioden das Gehirn dem Totalorganismus ge- genüber seine volle Bedeutung erhält. Man schreibt dem Fö- talblute häufig eine hohe plastische Kraft zu, bewiesen wurde aber’ eine solche keineswegs, auch zeigt es durchaus keine Ei- genschaften, welche eine solehe Annahme rechtfertigen, und es steht in keiner solchen Verbindung weder mit dem Blute der Mutter noch mit der Aussenwelt, um daraus seine hohe Bildungsfähigkeit begreifen zu können. Das Bedürfniss äusserer Stoffaufnahme bringt zunächst eine Menge anderer Thätigkeitsäusserungen der organischen Materie mit sich, die im Wesentlichen alle auf Eins hinauslaufen, und aus der Tendenz nach Selbsterhaltung und beständiger Verän- derung. hervorgehen. Hievon macht selbst die Thätigkeitsweise der Nervengebilde keine Ausnalıme, und nur allmählig und bei den Organismen auf der höchsten Stufe der Organisation stei- gert sich dieselbe zu einer Höhe, welche die Realisirung jener Tendenz unendlich überragt. Bisher ‚war 'von der allgemeinsten, ‚primiliven Vitalitäts- äusserung ‚der organischen Materie, von der nulritiven nämlich im, weilesten. Sinne, des Worts, die Rede. ‚Zu! ihr gesellt sich fast bei allen Gebilden noch eine andere; und nur solche Gebilde,, welche bloss einen mechanischen Nutzen haben, oder überhaupt an ‚den. Grenzen vitaler Materie zu stehen’ scheinen, lassen dieselbe, verinissen, während 'die erstere ‚selbst «meistens auf einer. höchst niedrigen Stufe sich befindet. ‚Sonst aber 'kön- nen, wir.an jedem Gebilde zweierlei Arten von Vilalitälsäusse- rung unterscheiden, mag es thierischer oder pflanzlicher ‚Na- tur, fester. oder flüssiger, auf der .niedersten oder höchsten Stufe der Zusammensetzung sein... Die eine bezieht sich, wie wir gesehen haben, auf. das dieselbe äussernde Gebilde selbst, ist rein. egoislisch, ‚auf eigene Selbsterhaltung berechnet. Die an- dere; Art 'vitaler Thäligkeit ‚bezieht sich auf elwas relativ'zu dem sie äussernden Gebilde Aeusseres. Ihr Zweck ist, zu. der 161 Gesammithätigkeit: desjenigen Ganzen beizulragen „.. welches durch‘ das Zusammentreten aller einzelnen in dieser Weise thä- tigen, Theile'gebildet wird. Dieses Ganze ist somit, je nach seinen integrirenden Theilen, ein sehr, verschiedenartiges.. ‚So muss, den Formelementen eines einfachen Gewebes gegenüber, eben ‘dieses Gewebe als Ganzes gelten, den verschiedenen, ein Organ zusammensetzenden Geweben gegenüber dieses Organ, allen. Organen und Systemen gegenüber der Totalorganismus. In Erfüllung geht jener Zweck durch Aeusserung derjenigen Thätigkeit, welche man gewöhnlich die Function eines Gebil- des nennt. Hier kann sie, im Gegensatz von der nutritiven, dessen allgemeine Thätigkeit, oder auch Function schlecht- weg genannt werden. — Wenn z. B. die Faser eines Muskels sich contrahirt, so ist diese Vitalilätsäusserung ein aliquoter Theil der Thätigkeitsweise des ganzen Muskels, diese letztere eiu ‚Multiplum der Contraclion aller einzelnen Fasern zusam- mengenommen. Ausserdem zeigt sich jene Faser auch noch insofern .thälig, als sie bis zu einem gewissen Grade ein, für sich -Bestehendes ist, 'd. h. ‚sie äussert nutrilive oder Moleeu- larthäligkeit. Man kann somit sagen, dass jedem Gebilde, so- bald es im gewöhnlichen Sinne des Worts functionirt, zweier- lei Lebenssphären zukommen, oder dass sich sein vitales Wir- kungsvermögen nach zwei Riehtangen hin offenbart, gegen sich selbst nämlich oder gegen aussen, für ein höheres Ganzes. Diess gilt selbst von dem Blute und jeder ihm analogen Flüs- sigkeit. In jener Richtung offenbart sich das vitale Wirkungs- vermögen immer und überall wesentlich auf dieselbe Weise, jedes Gebilde ist für sich selbst betrachtet bloss ein Ernährungs- orgän. In der andern Richtung dagegen oflenbart es sich eben so 'verschiedenarlig, als es überbaupt verschieden functionirende Gebilde giebt. Der Werth der erstern Thätigkeitsweise ist überall, derselbe, denn die Selbsterhaltung jedes Gebildes hat für dasselbe ‚immer die gleich hohe Bedeutung. Dagegen ge- winnt die andere Thäligkeitsäusserung im’ ‚Allgemeinen um, so mehr an: Bedeulong, auf einer je höheren Stufe der Zusam- 162 mensetzung das dieselbe äussernde Gebilde steht, oder auch je wichtiger dieses letztere für den Totalorgänismus ist." Ein und dasselbe Gewebe kann jedoch eine sehr verschiedenartige Be- deutung haben, je nachdem es für die Function der Organe, welche es zusammensetzen hilft, von mehr oder weniger Wich- tigkeit ist, — mit andern Worten — je nach dem Grade, in welchem die Function eines Organs von derjenigen jenes Ge- webes abhängt. So ist z. B. die Schleimmembran, welche den Augapfel theilweise überkleidet, für dessen Funetion immerhin weniger wichtig, als die Schleimmembran der Bronchien oder des’ Magens für das Athmen und Verdauen. Ebenso hängt die Funetion eines Muskels nicht in demselben Grade von seinem Nerven und dessen ungestörter Verbindung mit den Nerven- eentris ab, als die des Auges von dem Sehnerven. Indem ein Gebilde seine allgemeine Thätigkeit äussert, wirkt es zunächst nicht sowohl zu seinem eigenen, als viel- mehr zum Nutzen eines höheren Ganzen. Doch lassen. die Ge- bilde hierin eine wesentliche Verschiedenheit erkennen. Viele derselben helfen dadurch. dass sie für das Ganze functioniren, zugleich auch ihre eigene Selbsterhaltung bewerkstelligen. ‘So verhält es sich bei allen Gebilden der vegetativen Sphäre, dem ganzen Dauapparat, der Lungenschleimhaut, ‘dem Blute. Die allgemeine Function dieses letzteren besteht u. A. auch darin, alle die Chylusbereitang vermittelnden Gebilde zu ernähren, zu seiner eigenen Ernährung ist aber dieser Chylus nothwen- dig. — Andere Gebilde liefern dadurch, dass sie funclioniren, diesen Beitrag zu ihrer eigenen Ernährung gar nicht, oder doch nur sehr indireet. Da sie aber nichtsdestoweniger ernährt wrerden müssen, so fallen sie jener andern Reihe von Gebilden zur Last. Man könnte sie als deren Kostgänger betrachten, die zu ihrer Verköstigung bloss insofern beitragen, als ihre Elementartheile nutritiy thätig sind, d. h. auf die ihnen zuge- führte Nährflüssigkeit lebendig einwirken. Hierher gehören alle der sogenannten animalischen Sphäre zugehörigen Gebilde, die Sinnes- und Generalionswerkzeuge. Bekannt ist es auch, wie 163 bei Pflanzen und Thieren durch Hemmung der Generations: organe in ihrer Entwicklung, ‘oder durch Verhinderung ihrer Function der Ernährungsprocess, das: Wachsthum befördert wird. — Je höher das Nervensystem, die Muskelapparate sich entwickeln, desto geringer wird im Allgemeinen die Energie der Vegetation, die Fruchtbarkeit. Die Aeusserung des nutritiven Wirkungsvermögens muss, wie schon oben des Näheren angeführt worden, als die primi- tive gelten. Allerdings äussert sich auch die andere Thätig- keit, die Function des .Gebildes, fast immer und überall zu- gleich mit jener, doch muss sie ihr hinsichtlich ihrer Allge- meinheit und Wesentlichkeit nachstehen. ' Es giebt wohl Ge- bilde, welche bloss nutritiv thätig sind, ohne zugleich zu func- tioniren, nicht aber umgekehrt. Die organische. Materie scheint daher bloss insofern einer Thäligkeitsäusserung für das Ganze, d. h. einer Function fähig zu sein, als sie zugleich nutritiv thätig ist. ‘Jeder Theil muss sich ernähren, seine organische Materie in stetiger Veränderung begriffen sein, um auch ander- wärts, für ein höheres Ganze nämlich, lebendig wirken zu können. Seine organische Materie scheint mit ihrem ganzen Ich im geeigneten Zustande sein und:bleiben zu müssen, um ihre Vitalität in dieser Richlung für das Ganze äussern zu können, welche in sofern als eine höhere betrachtet werden kann, weil ihr ein höherer Werth zukommt. Denn allein die allgemeine Thätigkeitsäusserung hat für den Totalorganismus eine Bedeutung, die nutritive ist bloss für den einzelnen Theil selbst berechnet. Aus der letztern geht aber erst die Fähig- keit zu jener ersteren hervor; die sogenannte Lebensfunction eines Gebildes wird bloss dadurch möglich, dass seine Materie beständig nach Form und Mischung sich verändert, verhält sich somit relativ‘zu dieser Veränderung, wie die Wirkung zur Ursache, obschon auch ‚sie rückwärts wieder auf-.den Stofl- wechsel, auf die nutritiven Vorgänge einwirkt..— Diese An- sicht steht mit den Behauptungen mancher Physiologen in Wi- derspruch, welche sich dahin äussern, dass durch die Lebens- 164 processe (Functionen) eine Umwandlung der organischen Ma- terie herbeigeführt, und daher eine Ernährung nothwendig; ge- fordert werde. So sagt ein ausgezeichneter Physiolöge‘'): „dass: durch die Kraftäusserungen der Gebilde beständig. Ver- änderungen in ihrem materiellen Substrate herbeigeführt 'wür- den“; „dass die in die organische Zusammensetzung der Theile eingehenden Materien durch die Lebensäusserungen' verändert und unfähig gemächt werden, länger darin zu beharren“; „dass au die Stelle der durch die Verrichtungen der Organe abge- nutzten Theilchen neue treten u.'s. f.“ Er findet, dass die Schnelligkeit: des Stoffwechsels bei Thieren mit dem Grade der Combinalion ihres Baues und der Mannichfaltigkeit ihrer Tebensäusserungen, mit. der dadurch bedingten Grösse des Nah- rungsbedürfnisses, mit, ‚der Ausbildung der rein animalischen Apparate, der Nerven- und Muskelgebilde, in genauem: Ver- hältnisse stelın. Man könnte .allesThatsächliche, worauf jener Physiologe seine Ansicht stützt, «anerkennen, ohne deshalb seine letzte Folgerung in Bezug auf:die eigentliche Ursache des Stoffwech- sels und des Bedürfnisses beständiger Ernährung zu unterschrei- ben. .“Dieser Ansicht zufolge würde der Stoffwechsel, die Er- nährung durch die Functionen bedingt, die nutritive Thätig- keitsäusserung im Dienste der letzteren sein. Bei den verwik- kelten Lebensäusserungen eines Organismus auf höherer Stufe der Organisation ist es sehr schwierig’ zu entscheiden, welche primär und bedingend,: welche ‘bedingt: und accessorisch ızu nennen sind, umso mehr, da das Bedingte immer ‘wieder ein Bedingendes istöund' umgekehrt. Wir müssen deshalb auf ein- fachere Verhältnisse zurückgehen, 'wie schon‘ oben‘der -Ver- such gemacht wurde, und ein solches Verfahren dürfte gerade zur entgegengesetzten Ansicht führen. Wir sehen die orgäni- sche Materie des Keims, des Embryo, mit ‘der höchsten Inten- sität sich entwickeln, also nach Torm und Mischung sich ver- 4) Fr. Tiedemann, ‚Physiol. des Menschen. Bd. I. $: 370,376. 165 ändern, und doch fehlen fast ‚alle Spuren: jener sogenannten Lebensfunetionen;; die museulösen Gebilde des Fötus conirahi- ren sich kaum an den Extremitäten, und ‚doch zeigen sie eine raschere Umwandlung ihrer Materie ‚als späler bei einem Hand- arbeiter. Die Testikel ernähren sich viele Jahre: lang, und doch schlummert ihre Function, d.h. die Saamensecretion gänz- lich, oder secerniren sie‘ doch: bloss ein geringes Quantum schleimiger Flüssigkeit. Ein gelähmter Muskel kann noch Jahre laug sich ernähren, und doch contrahirt.er-sich nicht, wenig- stens nicht auf die gewöhnliche Weise. — Den Stoffwechsel, welchen die Knochensubstanz erkennen lässt, werden: wir nicht wohl dadurch erklären wollen, dass sie auf irgend eine Weise „abgenulzt“ wird. ‘Wollte man aber ja eine mechanische Ab- nutzung als Ursache ihres Stoffwechsels betrachten, so: müsste auch in der Substanz der Gelenkknorpel, der Sehnen, der Stofl- wechsel ‚unendlich grösser sein, was nicht der Fall ist, 'son- dern vielmehr das Gegentheil. — Wir sehen bei Pflanzengebil- den, denen überhaupt noch "eine Vitalität zukommt, ein ra- sches Wachsthum, ‚also, einen intensen Stoffwechsel, und doch ist nicht wohl ‚anzunehmen, dass durch die Energie ihrer Fune- tionen, z.. B. der Seeretion, ein solcher ‘gefordert werde. — Dafür, dass bei Thieren. mit einfacherem' Baue, mit wenig ent- wiekelten Apparaten, besonders des animalischen Lebens, der Stoffwechsel gering sei, — dafür haben wir nicht: die: gering: sten Beweise. Wir können bloss sagen, dass die Gebilde des vegetativen Jiebens: weniger zusammengesetzt sind, dass die Nährflüssigkeit in. geringerem Grade ausgebildet scheint, Beim Embryo steht die‘ Ausbildung des Bluts gleichfalls auf einer sehr niedern Stufe, und dennoch ‚geht :der Stoflwechsel mit grosser Intensität vor sich. "Wir haben -aber allen Grund zu glauben, dass die Materie einfach gebauter Thiere der embryo- nären ziemlich nahe steht, «— Es ergiebt sich aus Allem, dass die Intensität der Stofwechsels keineswegs immeri'der Inten- silät des Lebensäusserungen parällel läuft, dass die nutritiven Processe ‚auch da vor sich gehen, wo keine.oder: eine äusserst 166 geringe Function für das Ganze Statt findet, also von keiner Abnutzung ‘der Materie dadurch die Rede sein kann. Nach Tiedemann sollen die Gebilde, welche das vege: tative Leben oder vielmehr die Realisirung des nutritiven Sire: bens vermitteln, um so zusammengesetzter werden, ihre Wir: kungsweise zu um so grösserer Energie sich entfalten, je mehr in Folge 'anderweitiger Lebensfunctionen, besonders der -ani- malischen, die organische Materie abgenützt und unbrauchbar wird.‘ Damit reimt sich aber nicht wohl zusammen, dass ge- rade die Nervensubstanz einen sehr geringen Stoffwechsel zeigt, dass das’ arterielle Blut für die Gehirnmasse weniger eine ma- teriell ernährende, als vielmehr zu einem andern Dienste be- stimmte Flüssigkeit zu sein scheint. — Wenn auch die Ent- wicklung der Gebilde des vegetativen Lebens mit derjenigen des animalischen gleichen Schritt hielte, so würde daraus noch nicht folgen, dass jene durch diese letztere bedingt sei. Die die Ernährung vermittelnden Apparate treten zuerst auf, bei Thieren, deren höhere animalische Functionen auf einer sehr niedrigen Stufe sich befinden, also die bedeutende Entwicklung jener ersteren nicht bedingen konnten. Erst allmählig gesellt sieh jenes höhere, rein thierische Leben zu dem vegetativen hinzu und kann nicht wohl dieses letztere bedingt haben, viel- mehr dürfte mit der höhern Entwicklung der vegetativen Ge- bilde erst die Möglichkeit einer höhern, animalischen Lebens- sphäre gegeben sein. — Ebenso zeigt ein Gebilde in seinem materiellen Substrate nicht deshalb einen Stoffwechsel, hat nicht deshalb ein Bedürfuiss sich zu ernähren, weil es funclio- nirt hat, sondern es kann bloss deshalb functioniren, weil seine Materie beständig sich umwandelt, sich ernährt, oder mit an- dern Worten, weil es nutriliv thätig ist. Deshalb ist auch ein Vergleich dieser Vorgänge mit einer Flamme, welche das Holz verzehre, und erlöschen müsse, wenn nicht neues Holz hinzu- kommt; ein ziemlich unglücklicher. Nicht die Flamme ist es, welche bewirkt, dass das Holz’ brennbar ist oder brennt, son- dern das Holz und seine Fähigkeit, brennbare Gase zu ent- 167 wickeln, macht das Entstehen einer Flamme erst möglich. — Ein weiteres Eingehen in diese Verhältnisse würde hier’ zu weit führen. Indem die organische Materie eines Gebildes in der Rich- tung nach innen und für ein höheres Ganze thätig ist, äussert sie ihr vitales Wirkungsvermögen auf eine divergirende Weise, denn der Modus jener Vitalitätsäusserungen ist für jede ein eigenthümlicher. Diess ist aber bei den verschiedenen Gebilden nicht in gleich hohem Grade der Fall, vielmehr entfernt sich der Modus der nutritiven Thätigkeit bei den einen in hohem Grade von dem der Function für das Ganze, während bei an- dern beide einander parallel laufen. So giebt es Organe und Gewebe, deren Function so ziemlich mit ihrer nutritiven Thä- tigkeitsäusserung, also auch mit ihrer Ernährung zusammen- fällt; der Modus .der einen ist so ziemlich der der andern. Diess gilt besonders von den secernirenden Gebilden, . Indem sich diese ernähren, secerniren sie auch, obschon ihr Stoff: wechsel nur gering zu sein scheint, um so mehr, da sie gröss- tentheils aus Gefässen und Kanälen zusammengesetzt sind. — Ein ähnliches Verhalten zeigen überhaupt alle Gebilde, wel- che dadurch, dass sie functioniren, zu ihrer eigenen Ernährung zugleich beitragen, d.h. alle, welche das sogenannte vegetative Leben vermitteln. Beide Richtungen ihres Wirkungsvermögens stehen sich ziemlich nahe, die eine lässt sich aus der andern leichter begreifen. Das Wesentliche ihrer Function, bloss das Blut und seine Kanäle ausgenommen, besteht auch darin, dass sie secerniren. Bei jenen Gebilden, welche das höhere anima- lische Leben vermitteln, ist eine Offenbarung ihres Wirkungs- vermögens für das Ganze gleichfalls bloss in sofern möglich, als ihre organische Materie nulritiv thätig ist. Das gegensei- tige Verhältniss dieser beiden Vitalitätsäusserungen: ist jedoch ein anderes, der Modus derselben ist ein ganz verschiedenarti- ger, dissimiler. Daher lässt sich auch der eine aus dem an- dern nicht begreifen, indem sie specifisch voneinander verschie- den sind; eine Muskelfaser ernährt sich z. B. unter Mitwirkung 168 ihrer eigenen Vitalität, sie kann sich 'aber auch 'contrahiren; und obschon hier ein und dieselbe‘ Materie beide Arten von Thätigkeit äussert, sind diese doch in hohem Grade dissimil. — In noch höherem Grade ist dies 'bei dem Nervengewebe der Fall. Schon diese Verhältnisse lassen erwarten, dass die gegen- seitige Einwirkung der Vitalitätsäusserungen eines Gebildes in jenen beiden Richtungen sehr verschieden sich gestallen müsse. Jedes Gebilde kann bloss dann auf normale Weise funetioni- ren, wenn’ seine Ernährung nicht gestört ist, wenn es also auch seine nulritive Thätigkeit auf'normale Weise äussert. Diese Ernährung geht aber nicht überall auf dieselbe Weise und mit derselben Intensität vor sich. Da nun überdiess die Function der Gebilde nicht immer gleichen Schritt mit der In- tensität des Stoffwechsels, der Ernährung hält, so folgt dar- aus, dass die Aeusserung 'nulritiver Thätigkeit für die allge- meine Function desselben Gebildesnicht überall von gleicher Bedeutung ist. Bei den secernirenden Gebilden hält die Er- nährung so ziemlich" gleichen Schritt mit ihrer allgemeinen Function, und jene kann nicht ‘wohl vom normalen Verhalten abweichen, ‘ohne dass auch diese letztere gestört würde: Bei Pflänzen, bei Thieren mit einfacher Organisalion oder im Em- bryoleben’ zeigt sich dasselbe’ bei allen Gebilden mit ‘wenigen Ausnahmen. * Anders gestaltet es sich zum Theil bei den Ge: bilden, ‘welche’ das sogenannte animalische Leben vermitteln helfen. Die Aeusserung des nutritiven Wirkungsvermögens hat bei einigen ‘derselben einen bedeutenderen Einfluss auf deren Funetion als bei andern, 'wie sie auch an und für sich bei den einen eine höhere Intensität zeigt als bei andern. In dieser Beziehung kann ‚man im Allgemeinen sagen, dass der Einfluss der nutritiven Thätigkeit auf die Funelion eines Gebildes um so ‘grösser ist, mit je grösserer Intensität jene selbst auftritt: Mit andern Worten — ein Gebilde kann um so weniger sein vitales Wirkungsvermögen für ‘das Ganze offenbaren, ohne auclı zugleich materiell auf normale Weise sich zu ernähren, je in- — 169 tenser ‚dieser sein Ernährungsprocess und Stoffwechsel ist. Hie- bei ist auch zu berücksichtigen, dass das zugeführte Blut für die Nerven- und Muskelgebilde zwar gleichfalls die Materialien zu ihrer Ernährung abgiebt, aber ausserdem scheint es noch unmittelbar für ihre allgemeine Function von hoher Wichtig- keit zu sein, was besonders deutlich bei dem Gehirne der Fall ist. Der Durchmesser der blutzuführenden Gefässstämme giebt daher keinen richtigen Maassstab für ihr Nährbedürfniss ab. Wenn die ungestörte Fortdauer’ nutritiver Vorgänge als die wesentliche Bedingung der allgemeinen Function eines Ge- bildes gelten muss, so scheint auch umgekehrt diese letztere von hohem Einflusse auf jene zu sein, obschon, wie aus der Natur der Sache hervorgeht, nicht in demselben Grade. Mit Aufhebung seiner Nutrition wird jedes Gebilde völlig ausser Stand gesetzt zu functioniren; hebt man dagegen die Function auf, ohne die organische Materie des Gebildes zu beeinträchti- gen, so ernährt sich dieses fort, wenn auch allmählig und nach längern Zeitperioden Störungen der Nutrition eintreten. Diese letztern müssen schon deshalb zu Stande kommen, weil das- selbe Gebilde in jenen beiden Richtungen thätig sich: äussert, somit eine Störung der einen auf die andere unmittelbar ein- wirkt. So ist dieselbe Muskelfaser bei ihrer Ernährung auf vitale Weise thätig, zugleich aber contrahirt sie sich auch, und dieses letztere kann sie nicht in ungewöhnlich erhöhtem oder vermindertem Maasse, ohne dass eine Rückwirkung auf jene andere, so wesentliche Aeusserung ihres Wirkungsvermögens entstände. Jene beiden Richtungen stehen in einem gewissen feindlichen Verhältnisse zu einander, 'so wie sie in bedeuten: dem Grade unter sich dissimil sind. Wenn eine Muskelfaser mit besonderer Energie und ungewöhnlich lange sich contra- hirt, so kann sie nicht wohl zur selben Zeit mit entsprechen: der Intensität bei ihrer Ernährung mitwirken, und es tritt des- halb endlich eine Periode ein, wo sie jener Contraetion nicht mehr fähig ist, sondern in der andern Richtung, 'd. h. nutri- tiv thätig ‚auftreten muss. Aehmnlich verhält es sich bei dem 170 Nervengebilde, nicht aber bei den Gebilden: des vegetativen Lebens, z. B. den secernirenden, wenigstens nicht in demsel- ben Grade. : Da die secernirende und die nutritive Vitalitäts- äusserung ‘einander homogen sind, so kann ein Gebilde lange Zeit hindurch in erhöhtem Grade secerniren, und doch zugleich auch bei seiner ohnediess geringen Ernährung mitwirken. Aus demselben Grunde muss aber auch eine Aufhebung der Secre- tion in höherem Grade die Ernährung beeinträchtigen, und da- her wird ein Gewebe, welches nicht mehr secerniren' kann, schneller atrophisch ‚als ein Muskel, der sich nicht mehr‘con- trahirt. — Aus dem Bisherigen dürfte 'erhellen, dass das wech- selseitige Verhalten zwischen allgemeiner und nutritiver 'Thä- tigkeit auf manche Erscheinungen der „Reizbarkeit‘ einen be- trächtlichen Einfluss äussert. Es scheint von der höchsten Wichtigkeit, dass die beider- seitigen Vitalitätsäusserungen eines Gevildes in dem richtigen Verhältnisse zu einander stehen; sie, müssen. einander gerade genügen. Die Ernährung eines Gebildes wird immer bei einer anhaltend vom Normale abweichenden Function desselben noth- leiden, sobald sie und der Stoffwechsel mit einer solchen In- tensität vor sich gehen, dass sie überhaupt eine solche Ein- wirkung offenbaren können. In der Nervensubstanz scheint der Stoffwechsel gering zu sein, doch haben wir auch durchaus keinen Grund, denselben ganz zu läugnen, wie Manche wol- len. Ein Muskel, der sich nicht mehr gehörig contrahirt, schwindet allmählig, ‘obschon es nach meinen Erfahrungen Jahre anstehen kann, ehe die Muskelsubstanz selbst ein ver- mindertes Volumen erkennen lässt. Umgekehrt nimmt ein ge: ' hörig geübter Muskel an Volumen zu, sein Gewebe wird ’'straf- fer, eonsistenter, die einzelne Faser tiefer geröthet. Anders verhält es sich bei der Nervensubstanz, z. B. dem Gehirn; Bei. Individuen, welche viele Jahre lang ihr Gehirn ziemlich brach liegen liessen, oder aber geistigen Arbeiten ‚nachhingen, zeigt es doch keine auffallenden Differenzen seines Volumens, wie denn überhaupt von allen Vitalitätsäusserungen; organischer nn | 174 Materie die geistige am wenigsten an ein Materielles gebunden scheint. Im jugendlichen Alter scheint jedoch die Gehirnmasse in. Folge angestrengter geistiger Thätigkeit einiger Zunahme fähig zu sein, wenigstens dürften einige Erfahrungen ‚hiefür sprechen. —: Die Nerven fand man zuweilen hypertrophisch, doch lässt sich aus den bekannten Fällen für unsere Frage keine Aufklärung verschaffen. Bei Blinden steigert sich: be- kanntlich das Gefühl, das Gehör zu einem hohen Grade ; würde man die beirefienden Nerven’ mit denen solcher Individuen ver- gleichen, welche lange Zeit an Lähmung der Gefühls- und Ge- hörnerven gelitten haben, so dürfte sich vielleicht doch ein merklicher Unterschied ergeben. Santorini *) fand bei einem Blinden, dessen Gehör ausnehmend scharf gewesen, den Ge- hörnerven 'an seinem Centralende stärker als gewöhnlich. Die allgemeine Function eines Gebildes ‚äussert auch dann einen merkwürdigen Einfluss auf dessen Ernährungsweise, wenn sie nicht bloss quantitativ, sondern auch’ qualitativ vom Nor- male abweicht. Im letztern Falle scheint die Vitalität des Ge- bildes überhaupt eine andere zu werden, dieses muss. daher bei seiner Ernährung ‚auf eine ‚andere Weise' als; sonst thätig sich äussern. Diese secundäre Alteration der. nutritiven. Vor- gänge wird um so stärker und merklicher eintreten, je, grösser jene qualitative Abweichung der Funclion vom Normale ist, und zugleich mit je grösserer Inlensilät die Ernährung, der Stoffwechsel vor sich gehen. "Daher: weicht die Nutrition des Nervengewebes äusserst sellen sichtbar vom Normale ab, ob- schon qualitative Funclionsstörungen so. häufig, freilich mei- stens auch flüchtig sind. — Bei dem Muskelgewebe scheint .da- gegen die andere Bedingung, nämlich: eine wirklich qualitalive Veränderung ‚der Contractionen zu fehlen, — Ein secernirendes Gebilde kann’ nicht wohl in seiner Funclion eine andauernde qualitative Veränderung erleiden, ohne dass auch seine Ernäh- zung allmählig vom Normale abweicht; Hier. besonders ‚wird nn 4) Sömmerring, üb. das Organ d. Seele. Königsb. 1796. S.1% Müller's Archiv. 1842. 12 172 aber auch eine qualitalive Alteration der aus dem Blute abge- schiedenen Flüssigkeit zu berücksichtigen sein. welche letz- tere zugleich den Ernährungsprocess des Gebildes beeinträchti- gen kann. Wenn z. B. bei gewissen Wassersuchten die Nieren einen Harn absondern, der in seiner Mischung verändert ist, so leidet rückwärts ihre Ernährung Nolh, ihre Organisation zeigt endlich deutliche Alterationen, und hieraus muss wiederum eine noch beträchtlichere Alteration der Seeretion hervorgehen. Manche Fälle der Br ight’schen Nierenkrankheit scheinen sicher hierher zu gehören. — Gebilde, welche ihre Function auf die Art verändern, dass diese endlich mit der Function ganz anderer Gebilde übereinkommt, zeigen allmählig eine merkwür- dige Veränderung ihrer nutritiven Vorgänge. Sie ernähren sich nämlich gleichfalls auf dieselbe Weise, wie jene Gebilde, deren Function sie nachahmten, und endlich stimmen sie in ihrer Organisation mit den lelzteren überein, so dass man sie für eine künstliche Copie derselben halten könnte. — Entfernt man die Epidermis der Haut, kommt das Corium lange Zeit hindurch in Berührung mit gebildetem Eiter oder einer andern Flüssigkeit, dient das Coriam nieht mehr als empfindendes Or- gan u. s. f, so äussert sich sein vitales Wirkungsvermögen nicht mehr als Corium, sondern als Schleimmembran, und end- lich wird es zu einer solchen. Ebenso wandelt sich eine Schleimhaut in ein Corium mit Epidermis um, wenn sie, län- gere Zeit in Berührung mit atmosphärischer Luft, mechanisch drückenden Körpern, bleibend als Hautbedeckung functioni- ren musste, — Edlere Organe, deren Function von hoher Be- deutung für den Organismus ist, können nicht leicht durch Alteralion ihrer Function eine solche Umwandlung erfahren. Theils gestattet eine solche ihre Organisation nicht leicht, theils könnte ihre Function unmöglich lange genug so bedeutend vom Normale abweichen, da das Leben überhaupt früher zu Grunde ginge. — Merkwürdig ist es, dass manche Organe gerade da, wo ihre Function gar nie sich äussern konnte, wo sie also ihre eigentliche Bestimmung dem Organismus gegenüber nicht er- 173 füllen konnten, —in ihrer Ernährungsweise häufige Störungen erleiden. — In diesen Zustand von beständigem Schlummer ihrer eigentlichen Funetion sind der weibliche Uterus, die Mamma besonders häufig versetzt. Es gilt auch als Thatsa- che, dass kein Uterus so häufig palpable Organisationsstörungen zeigt, als derjenige, welcher seine Bestimmung. — schwanger zu werden — nie erfüllen konnfe. Dasselbe gilt von der Milchdrüse. Schon im Bisherigen wurde öfters erwähnt, dass versehie- dene Gebilde ihr nutritives Wirkungsvermögen in verschiede- nem Grade offenbaren, dass also ihr Stoffwechsel mit verschie- dener Intensität vor sich geht. Es bleibt noch übrig, über die Schwankungen der nutritiven Energie bei demselben Organis- mus, demselben Gebilde Einiges zu bemerken. — Man könnte die Balın, welche die Vitalität der organischen Materie über- haupt, also auch das nutritive Wirkungsvermögen durchläuft; am natürlichsten in drei Stadien eintheilen. Im ersten Sta- dium kommt der organischem Materie eine so intense Vitalität zu, dass sie in ihrer raschen Entwicklung und beständigen Ver- änderung nach Form und Mischung kaum oder gar nicht an eine Stoffaufnahme von aussen her gebunden erscheint, Diese Periode schliesst mit der Geburt, überhaupt dem Selbstständig- werden eines Individuums. — Späterhin äussert die organische Materie ihr Streben nach Selbsterhaltung, somit nach beständi- ger Umwandlung immerhin mit beträchtlicher Energie. Jene hohe und individuelle Selbstständigkeit jedoch kommt ihr nicht mehr in demselben Grade zu, wie vordem, und sie ist nun, um jenes Streben wenigstens bedingt zu realisiren, an Stofl- aufnahme von aussen her gebunden. Dieses Stadium schliesst sich mit dem Beginne des höheren Alters, sobald die Abnalime der Vitalität überhaupt auch nach aussen siehtbar auftritt, Im lefzten Stadium zeigt sich somit jenes Streben nach: Selbster- haltung ‚vermindert, der Stoffwechsel geht mit immer’ geringe- zer Intensität vor sieh. Daher ist auch das Bedürfnis äusserer Stoffaufnahme geringer worden, die Umwandlung der sparsamer 12* 174 aufgenommenen Alimente in Nährflüssigkeit verliert an Intensi- tät. Das Blut selbst besitzt nicht mehr so wie früher die Fä- higkeit, Bildungsinaterial zu entwickeln, sein eigenes nutritives Wirkungsvermögen hat an Intensität verloren, und es nähert sich wieder seinem Zuslande während der Fötalperiode, hat eine nicht viel. höhere Bedeutung als es damals halte, freilich aus ganz entgegengeselzten Gründen, Dieses Stadium schliesst sich mit der Vollendung der Entwicklungssiufen der individua- lisirten Materie, mit dem Tode. — Aus den jelzt eintretenden Veränderungen der organischen Materie geht nicht mehr das hervor, was man Leben nennt, wovon der Grund gleichfalls unbekannt ist, man wollte sich denn mit Umschreibungen einer räthselhaften Thatsache oder leeren Phrasen zufrieden geben. Es giebt Gebilde, deren organische Materie diese Entwick- lungsbahn viel schneller durchläuft als der Totalorganismus, dessen inlegrirende Theile sie sind. Ihr Leben beschreibt so- mit kleinere Kreise in einem grösseren. Am auflallendsten lässt sich dieses an jenen Gebilden bemerken, welche bloss wäh- rend gewisser Perioden des Fölallebens oder noch kurze Zeit nachher auftreten, um alsbald wieder zu schwinden, So ver- halten sich z. B. die Wolff’schen Körper, die Thymus, Ne- bennieren, Pupillarmembran, der Nabelstrang. Ihre Entwick- lung geht im Allgemeinen rascher vorwärts als die der übri- gen, zu einem längeren Leben bestimmien Gebilde, Möglich wäre es daher, dass sie auch früher als andere bei ihrer Er- nährung an eine Stoflaufnahme von aussen gebunden sind, dass somit das Blut des Fötus schon für sie das ist, was es für andere erst nach ‘der Geburt wird, — nämlich eine ernährende Flüssigkeit. — Hat die organische Materie dieser Gebilde ihre Entwicklung vollendel, so geschieht mit diesen, was beim Er- mährungsprocesse mit gewissen Stoffen der organischen Elemen- tartheile geschieht, — sie treten aus dem organischen Verbande. Betrachten wir den einzelnen Organismus als integrirenden Theil seiner Species, so geschieht mit ihm nach Vollendung seiner Entwicklungsbahn dasselbe, — er tritt aus dem Ver- 175 bande seiner Species. Indem jene Gebilde schwinden, schwin- det auch ihr ganzer nulriliver Apparat, die Blutgefässe u. s. f. Man will häufig in diesem ‘Schwinden der Blutgefässe, in dem Cessiren der‘ Ernährung dureh das Blat die nächste Ursache erblicken, warum solche Gebilde, z. B. der Schwanz, die Kie- men einer Froschlarve, atrophisch werden und schmelzen. So ‚wenig dieselben aber dadurch entstehen, dass ihnen Blut zu- geführt wird, so wenig schwinden sie zunächst deshalb, weil sich diese Zufuhr allmählig vermindert. Sie erhalten bloss des- halb weniger Blut und zuletzt keines mehr, weil sie gleichsam keins mehr verlangen, weil ihr nutrilives Wirkungsvermögen, die Vitalität, in welcher dasselbe begründet ist, allmählig ab- nimmt und endlich ganz erlischt. Sie fallen nun vom Ganzen ab, wie die Blätter vom Baume, — weil ihre Zeit um ist. — Etwas Aehnliches zeigen manche Gewebe, welche nicht abfal- len, sondern integrirende Theile des Organismus bleiben, je- doch beschränkt auf eine sehr niedrige Stufe der Vitalität. Sie erreichen auch das Ziel ihrer Entwicklung rascher als andere Gewebe, weil sie lebenslänglich auf einer niedrigeren Stufe sle- hen bleiben, So zeigt sich, um nur ein Beispiel anzuführen, die Sehnensubstanz früher entwickelt und gleichsam reif als die eines Knochen, und noch mehr als die eines Muskels; sie durchläuft von der ersten Umwandlung der Zellen au eine kleinere Zahl von Entwicklungsstufen "als diese, und bleibt ihrem ursprünglichen Zustande näher als 7. B. das Knochen- oder Muskelgewebe. Die Vitalität ihrer ‘organischen Materie muss ‘somit gleich von Anfang an von geringerer Energie ge- ‚wesen sein. Wenn wir, wie im Bisherigen versucht wurde, die Er- nährungsvorgänge nicht als eine isolirle Vitalitätsäusserung be- trachten,; wenn wir sie in innigster Verbindung mit andern auflassen,''so muss daraus auch für eine wissenschaftliche' Pa- thologie, d.h. für eine Physiologie des Organismus im’kranken Zustande ein belrächtlicher Gewinn sich’ ergeben. "Manches im Obigen Geäusserte, oft nur kurz Angedeutete, findet auch 176 auf die abnormen Zustände der nutritiven Vorgänge seine An- wendung, um so mehr als es zum Theil aus einer vergleichenden Untersuchung dieser lelziern seinen Ursprung nahm. — Unter einem krankhaften Zustande des nulritiven Processes werden wir. eine solehe Abweichung desselben vom normalen Verhal- ten zu verstehen haben, wie sie sich mit einem gesunden Le- ben nicht verträgt, mag nun jene Abweichung vom Normale aus anderweiligen Alterationen hervorgegangen oder die Ursa- che dieser letzteren sein. — Nach dem oben Angeführten kön- nen wir unter Störungen der Ernährungsvorgänge nicht bloss solehe begreifen, in deren Folge greifbare Alteralionen der Or- ganisation entstehen; diese stellen vielmehr bloss die höchste Stufe jener Störungen dar. Der Ernährungsprocess ist kein so stereolyper, der selbst innerhalb der Grenzen normaler Vi- talitätsäusserung, d. h. der Gesundheit in immer gleichförmi- gem Typus vor sich ginge, dessen einmal eingetretene Abwei- chung vom normalen Verhalten nothwendig eine Alteralion der palpablen Organisation zur Folge haben müsste. Der Vitali- tätszusland ‚aller die nutritiven Sphäre bildenden Glieder, also auch der sich nährenden Formelemente selbst ist ein wandel- barer. Immer schmiegt sich der nutritive Process, somit auch, und besonders die Molecularlhätigkeit, den jeweiligen Zustän- den des Organismus wie einzelner Gebilde an, und eben aus diesen innigen Wechselbeziehungen geht die Möglichkeit her- vor, dass der, nutritive Process auch vorübergehende Störungen erfahren kann, ohne dass sich diese durch palpable Verände- zungen des materiellen Substrats kundgeben. Um diese letz- teren möglich zu machen, müssen manche Momente zusam- menwirken, welche nicht immer vereinigl sich vorfinden, Das Gebilde, dessen Ernährung gestört ist, muss eine solche Inten- sität des Stoffwechsels zeigen, dass überhaupt seine organische Materie eine andere werden kann. Abgesehen von der ver- schiedenen Art krankhafter Störung muss diese auch in sol- chem Grade und so lange Zeit hindurch Statt finden, dass eine palpable Alteration einzutreten im Stande ist; die Länge der rn 177 hiezu erforderlichen Zeit und die Intensität der Störung wer- den im Allgemeinen mit dem Grade der materiellen Ernährung und der Intensität des Stoffwechsels in umgekehrtem Verhält- nisse stehen müssen. Wollten wir somit bloss solche Zustände dieser oder jener Gebilde in einer Störung ihrer nutritiven Vorgänge begründet betrachten, welche greifbare Alterationen ihrer Organisation selbst darbielen, so würden wir willkürlich die verwandtesten Erscheinungen trennen. Es würden zwischen früheren und spä- teren Perioden einer und derselben krankhaften Störung scharfe Grenzen gezogen, und oft würden wir eine Erscheinung für ein Product, ein Residuum früherer Störungen erklären, während sie doch als die krankhafte Störung selbst in ihren weiter vor- geschrittenen Stadien gelten muss. Natlürlicher gestaltet sich dagegen Alles, sobald wir den Abweichungen des Ernährungs- processes vom gewöhnlichen Verhalten die erforderliche Ausdeh-, nung; geben wollen. Dann werden wir von gradativen Difleren- zen Zustände ableiten können, in welchen sonst qualitativ ver- schiedene Krankheilsprocesse erblickt wurden; was andern Pa- thologen ihrer ganzen Natur nach voneinander abweichende „Krankheiten“ sind, wird uns bloss ein zu verschiedenen Ent- wicklungsstufen schreitender Zustand dieses oder jenes alterirten Gebildes sein. Die Fabrieation schön abgerundeter nosologischer Systeme, mögen sie sogenannte natürliche oder künstliche sein, — gewinnt freilich hierbei wenig; sie widerspricht aber auch jeder nach objeclivem Wissen strebenden Pathologie. Je mehr wir scheinbar Verschiedenartiges auf quantitative Differenzen zurückführen, das Accessorische von dem Primitiven, Wesent- lichen in der Krankkeitserscheinung zu sondern im Stande sind, desto leichter muss uns ein Eindringen in das Wesentliche der kraukhaften Zustände selbst werden. Ueber R die Ursache der Todtenstarre Von Ernst BrRUECKE. Im Jahre 4811: machte Nysten in seinen Recherches de phy- .siologie et de chimie pathologique eine Reihe von Beobachtun- gen und Versuchen über die Todtenstarre bekannt, aus denen er den Schluss ‘gezogen hatte, dass dieselbe von der vitalen Contractilität der Muskeln herrühre, indem er drei‘'Stadien derselben annahm: das des Lebens des Individui, das der Reiz- barkeit nach dem Absterben desselben, und das des Rigor. Nysten hatte hier 'einem einzelnen Phänomen zu Gefall- en ein Gesetz erfunden, dessen Vorhandensein er nicht be- weisen konnte, und das das Gepräge der Unwahrscheinlichkeit trug, da eine’ so ungeheure und dauernde sponlane Steigerung einer vitalen Kraft, da, wo sie dem Erlöschen nahe ist, 'in"der Natur keine Analogie findet. Im Jahre 1833 zeigte A. G-Som- mer,) dass jenes Gesetz die Erscheinungen des Rigor nicht ein- mal erklärt, und somit war der dernier effort de la vie contre Paelion des forces chimiques auf immer begraben. Es ist jetzt unsere Pflicht, die Theorie Sommer?s, ‘die er in seiner diss. de signis mortem hominis absolutam ante pu- tredinis accessum indicantibus (Hauniae 1833) niederlegte, einer - genauen Krilik zu unterwerfen. Sommer glaubt den Rigor einer Contraction der Muskeln aus physicalischen Ursachen 179 zuschreiben zu müssen. Nun können wir, wenn ein Körper aus physicalischen Ursachen sich zusammenzuzielien strebt, die Gewalt, die er hierbei auf ein mechanisches Hinderniss aus- übt, als ein Product aus drei Grössen ansehen, nämlich: seiner Masse, der Kraft, die ihn bewegt sich zusammenzuziehen und der Spannung; d. h. der Verhältnisszahl für die Differenz sei- ner gegenwärtigen Grösse und derjenigen, welche er zu der- selben Zeit haben würde, wenn jenes Hinderniss seine Zusan- menziehung nicht beeinträchtigt hätte. ‚Wenden wir dies auf Beuger und Strecker eines Gliedes an, so sei :@ gleich der Masse der Beuger, ‘a gleich der Masse der Strecker, 6 bedeute die Kraft, welche die Beuger, g die, welche die Strecker bewegt - sich 'zusammenzuziehen, e sei die Spannung der Beuger, „ die der Strecker. Wenn nun, wie bei der Todtenstarre, eine Fi- sation des Gliedes Statt finden soll, so muss abe = aßy wer- den. Wir wissen aber, dass, wenn wir ein Glied.beugen, ehe die Todtenstarre eintritt, dasselbe’ in einer ganz andern Lage fixirt wird, als wenn wir dasselbe gestreckt hätten; wir müs- sen also annehmen, dass’ durch die Lage, die wir einem Gliede geben, eine von den Grössen, die jene Producte bilden, be- stimmt wird. Dass «a und « nicht durch dieselbe bestimmt werden können, sieht jeder leicht ein, e und » können auch nicht solehergestalt durch sie bestimmt werden; denn wenn wir ein Glied einer Leiche beugen, so vermindern wir die Spannung der Beuger, und vermehren die der Strecker, und doch: wird das Glied in gebeugterer Stellung fixirt, als’ wenn wir es vrohin gestreckt hätten, und umgekehrt; es bleibt also nur übrig anzunehmen, dass 5 und $ durch die Stellung, die wir willkürlich einem Gliede ‘geben, bedingt werden, wozu wir um so weniger berechtigt sind, da wir für eine solche An- nahme nicht den entferntesten Grund, ja nicht einmal einen teleologischen Zweck anzugeben wissen. Wir sehen uns also genöthigt, zu der Ansicht derjenigen zurückzukehren, die die Todtenstarre vom Gerinnen der Säfte ableiteten, und zu sehen, ob''sie der Walırheit näher ‚steht. 180 J. Müller ') bemerkt in Rücksicht auf diese Meinung, dass es nicht zu leugnen sei, dass durch das Gerinnen des Blutes und der Lymphe in den kleinen Gelässen in den Gebilden, denen sie angehören, die Cohäsion vermehrt werde, es frage sich aber, ob diese Vermehrung. der Cohäsion allein zur Be- wirkung der Erscheinungen des Rigor hinreiche. Sommer wendet gegen dieselbe ein: Nexum eausalem inter phaenomena illa non adesse, probant casus, ubi rigor 'gravis ante sanguinis coagulationem aceidat, vel sanguinis in cadavere coagulatio im- perfecte procedat. Diese Einwände machen nur zweifelhaft, ob das Gerinnen des Faserstoffes im Blute und in der Lymphe Ursache des Rigor sein könne, wenn sich also später heraus- stellen sollte, dass das Gerinnen von Faserstoff, der nicht mehr ein Theil des Blutes und der Lymphe ist, Ursache der Todten- starre sein kann, so werden dieselben hierauf keine Anwen- dung finden. Wir wissen, dass die mit Blutgefässen versorgten Gebilde des Organismus sich in der Weise aus dem Blute ernähren, dass jedes einzelne die ihm adäquaten Theile im structurlosen Zustande aus demselben anzieht, und sie zu Theilen seiner selbst organisirt. Im Blute nun existirt Faserstoff im structur- losen Zustande, und in verschiedenen Geweben finden wir ihn organisirt wieder ?). Diese Gewebe also ziehen structurlosen, 4)’ Handbuch der Physiologie des Menschen. 2) An dieser Stelle könute der Einwand gemacht werden, dass die Ansicht, als bestehe das eigentliche Gewebe, der wirklich orga- nisirte Theil derjenigen Gebilde, die wir als faserstoffhaltige bezeich- nen, zum Theil aus Faserstofl, zwar allgemein verbreitet und wohl kaum bezweifelt, aber dennoch nicht durch absolute Beweise bestätigt ist; denn die besten chemischen Analysen lassen uns noch in Zweifel, wieyiel sie von dem dargestellten Faserstoff dem wirklich organisirten Theile der analysirten Gebilde verdanken. Nehmen wir aber an, dass die obige Ausicht wirklich irrthümlich sei, so würde daraus eben fol- gen, dass aller dargestellter Faserstoff siructurlos in jenen Geweben vorhanden gewesen sei, und somit involvirt diese Annahme schon das, was wir durch die enigegengesetzte zu beweisen suchen; denn dass 181 d. h. flüssigen Faserstoff aus dem Blute an und organisiren ihn zu Theilen ihrer eigenen Substanz. Würde nun der Faserstoff sogleich, wie er aus dem Gefässsystem heraustritt, organisirt, so müssten Wachsthum und Ernährung jener Gewebe auf die Theile derselben sich beschränken, die unmittelbar an die Wan- dungen eines Gefässes grenzen, Aınd jene Gewebe müssten mit- hin durch wahre Apposition wachsen, wie ein unorganisches Gebilde. Wir wissen aber, dass diejenigen Gewebe, welche wir bis jetzt als faserstoffhaltige kennen, nicht durch Apposi- tion wachsen, sondern durch Intussusception; es muss daher der Faserstoff im flüssigen Zustande das ganze Gewebe durch- dringen, um an jeder Stelle organisirt werden zu können. Hieraus folgt, dass in den fraglichen Geweben ein gewisses Quantum flüssigen Faserstoffs enthalten sein muss. Es kommt nun darauf an, zu entscheiden, ob der flüssige Faserstoff der Gewebe nach dem Tode eben sowohl gerinnt, wie der des Blutes, oder nicht; denn gerinnt er, so folgt daraus grössere Consistenz jener Gewebe im Allgemeinen, Rigidität der Mus- keln ins Besondere, und somit Todtenstarre. Dadurch, dass man Fleischextract und Eiweiss unverändert in den Muskeln wiederfindet, muss man auf die Vermuthung gebracht werden, dass auch der Faserstoff bei seinem Durchtritt durch die Ca- pillargefässwand seine specifischen Eigenschaften nicht verliert, zur Gewissheit aber wird diese Vermuthung dadurch, dass Wöhler in dem ausgepressten Safte der Muskeln zwar Ei- weiss und Fleischextract, aber keine Spur von Faserstoff fand; denn wäre dieser noch flüssig gewesen, so hätte er mit aus- gepresst werden müssen, Später werde ich Gelegenheit finden zu zeigen, dass. der Faserstoff der Muskeln genau unter den- selben Umständen gerinnt, wie der des Blutes. jener Faserstoff nicht allein auf Rechnung des Blutes und der Lym- phe zu schieben sei, davon überzeugt sich jeder leicht, wenn er die Veränderungen, welche ein Muskel durch verdünnte Essigsäure erlei- det, unter dem Mikroskope beobachtet. 182 Obgleich nieht die Muskeln allein, wie Sommer tichtig bemerkt, dem Rigor unterworfen sind, sondern alle im leben- den Körper flüssigen Faserstoff enthaltenden Gebilde’), so sind doch durch sie die auffallendsten Phänomene der Todten- starre bedingt, und wir wollen deshalb die verschiedenen Ver- änderungen, welche sie bis zum Ende derselben durchlaufen, einzeln betrachten, und sie mit den entsprechenden Verände- zungen des Blutes vergleichen. Das: Blut, nachdem man es vom Organismus getrennt hat, wird nach: kürzerer ‘oder längerer’ Zeit zweiner gleichförmigen, consistenten Gallerte, indem, wie J. Müller gezeigt hat, der flüssige Faserstoff desselben gerinnt. Schüttet: man das Blat vor dem Gerinnen, oder während des Gerinnens, in ein an- deres Gefäss, so nimmt das Coagulum die Form desselben an, und behält dieselbe in der folgenden Periode bei; ist der Act des Gerinnens. aber einmal beendigt, so findet dies nicht mehr statt, und das Coagulum kann sich in kein zusammenhängen- des von neuer Form‘ verwandeln.‘ Die Versuche Schröder's van der Kolk und Anderer zeigen, dass das Gerinnen des Blutes keine directe Folge der veränderten Temperatur, der Ruhe, atmosphärischer Einflüsse u.s. w. ist, sondern (die Folge vom Sterben des Blutes, oder richtiger der Blutzellen. ' Nach dem Gerinnen des Blutes beginnt langsam und allmählig' ein zweiter Act, der‘der Ausscheidung des Blutwassers, indem das Coagulum sieh zusammenzieht und einen Theil der in ibm ein- geschlossenen Flüssigkeit austreibt. Das Blutwasser ist zuerst limpid und von gelblicher Farbe; nach kürzerer oder längerer Zeit; jenachdem die Putrescenz früher oder später beginnt, fängt es an sich rotlv zu färben, indem an der Oberfläche ‘des 'Coa: gulums die Zersetzung desselben beginnt, und dadurch ein Theil 4) Die durch das Gerinnen .des’Fettes erstärrenden ziehe ich. hier nieht mit in Betracht, da ihr Zustand ein ‚wesentlich anderer ist, und von anderen Einflüssen bediogt wird. 183 des mechanisch gebundenen Farbestoffes frei wird. Von hieran schreitet: die Sepsis langsam und stelig fort. Vergleichen wir nun mit diesen Veränderungen, welche das Blut .erleidet, nachdem 'es dem Einflusse des Lebens des Individui entzogen ist, diejenigen, welche mit den’ Muskeln unter gleichen Umständen vorgehen. Es fragt sich zuvörderst: Wann gerinnt der Faserstoff der Muskeln? Der Faserstofl des Blutes gerinnt, wenn‘ der 'organisirte, der ‚lebende Theil des Blutes, die Blutzelle, stirbt; hiernach muss der Faserstoff der Muskeln gerinnen, wenn der organisirte, der lebende Theil des Muskels. die Muskelfaser, stirbt. ‘Dass aber die Todtenstarre wirklich eintritt, sobald der Muskel seiner Lebensäusserung, der Contraclion, unfähig wird, ist durch‘ die Erfahrungen Ny- sten’s und Sommer’s vollkommen ausser Zweifel gesetzt; ja Sommer sagt mit klaren Worten: ıVeluli sanguinis coa- gulatio pro morte ejus haberi potest, ita eliam rigorem mus- eulorum pro morte eorum habere possumus. Mit dem Gerinnen des Faserstofls im Blute ist keine Vo- lumenveränderung desselben verbunden, wovon ich'mich über- zeugt habe, nachdem ich Blut in einem Kolben mit einer'nach Graden eingetheilten Röhre aufgefangen, und, um ein scharfes Niveau zu ‘erhalten, einige Tropfen ‘Oel auf dasselbe ge- gossen hatte; es ist also zu erwarten, dass mit dem Faser- stoff der Muskeln dasselbe statt finden wird, und deshalb bringt der Act des Gerinnens keine Bewegung der Glieder hervor: Wenn man vor der Entwicklung oder während der Entwick- lung der Todtenstarre, d.h. vor dem Gerinnen’ des Faserstoffes der Muskeln, oder während desselben die Stellung eines Glie- des ändert, so wird das 'Glied in der Lage steif, in die man es gebracht hat. © War ‚aber in dem Gliede ‘die Todtenstarre schon vollkommen entwickelt, d. h. war der Act des Gerin- nens schon beendigt, so stellt sich die Todtenstarre in ihm, einmal aufgelioben, nicht wieder her. Diess sind Thatsachen, zu deren Erklärung ich nur auf ihre Analogieen beim Gerinnen des Blutes aufmerksam zu: machen brauche. Eben so natürlich 184 erklärt sich nach der oben aufgestellten Theorie das von Som- mer beobachtete Faetam, dass man den Rigor in einem Theile einesMuskels aufheben kann, ohne dass deshalb auch die übri- gen ersehlaffen, und die Bemerkung von Busch ''), dass ein Muskel während der Todtenstarre weit schwerer zerreissbar ist, als vor und nach derselben. Nachdem der Act des Gerinnens beendigt ist, beginnt die zweite Periode, in der das Coagulum anfängt sich zusammen- zuziehen, und einen Theil der von ihm eingeschlossenen Flüs- sigkeit austreibt. Ziehen sich nun die geronnenen Muskeln zu- sammen, so werden die überwiegenden die entsprechenden Glie- der um so viel bewegen, dass die in ihren Antagonisten da- durch hervorgebrachte Spannung ihr Uebergewicht' compensirt; auf diese Weise entstehen jene zuerst von Louis ?), später von Sommer beschriebenen Bewegungen. Was die ausge- schiedene Flüssigkeit anlangt, so ist es mir in dieser Periode noch nicht gelungen, mit Bestimmtheit auszumitieln, wo die- selbe bleibt, ich muss daher zweifelhaft lassen, ob ein Theil derselben in das Gefässsylem übergeht, oder ob überhaupt in dieser Periode nur soviel ausgeschieden wird, als durch Endos- mose und Capillarattraction an die Oberfläche gelangt, um das dort verdunstende Wasser zu ersetzen. Erst wenn die Todten- starre die Acme überschritten hat, sammelt sich in queeren Einschnitten, welche man um diese Zeit in grössere Muskel- massen macht, Flüssigkeit an, und jetzt befindet sich der ge- ronnene Muskel in dem Stadium, in dem sich das: geronnene Blut befindet, wenn das Blutwasser, anfängt sich rotlı zu fär- ben. Von nun am nimmt die Todtenstarre langsam und all- mählig ab, und endigt mit völliger Lysis der Glieder; dann folgen die Symptome der nächsten Periode, die Güntz ?): weit- läuftig und genau. beschrieben hat. 1) Experiments quaedam de morte. Halae. 1819. 2) Leitres sur la cert. d. sigues de la mort. 3) Leichnam des Menschen... Leipzig; 1827. 185 Es fragt sich nun, welche Momente sind es, die den Ri- gov verstärken, welche, die ihn schwächen können. Nach der obigen Erklärung muss man erwarten, dass der Rigor um so slärker sein werde, je besser die Muskeln genährt sind, um so schwächer, je schlechter sie genährt sind; und dass sich dies wirklich so verhalte, bestätigen Nysten und Sommer nach ihren Beobachtungen einstimmig. Der verhältnissmässig schwache Rigor, der oft nach typhösen und putriden Fiebern beobachtet worden ist, mag darin seinen Grund haben, dass hier der structurlose Faserstoff der Muskeln ebenso verändert war, wie der des Blutes in jenen Krankheiten zu sein pflegt, und deshalb unvollkommen gerann. Diejenigen Beobachtungen, nach denen die Todtenstarre in einzelnen Fällen gänzlich fehlte, haben sich, wie schon Sommer bemerkt, nicht bestätigt, und nur ein eioziges Mal salı derselbe keine merkliche Todtenstarre in einem paralytischen Gliede, dessen Ernährung gänz- lich gestört, und das überdiess wassersüchtig war. Was die Dauer der Todtenstarre betrifft, so fragt es sicli zuvörderst: Wann und in welchen Muskeln tritt dieselbe frü- her, wann und in welchen Muskeln später ein? Diese Frage redacirt sich, wie schon aus Nysten’s Beobachtungen her: vorgeht, auf die: Unter welchen Umständen und in welchen Muskeln erlischt die Reizbarkeit nach dem Tode des Individui früher, in welchen Muskeln und unter welchen Umständen später? Diese Materie ist von Nysten und Sommer so weit- läuftig behandelt worden, dass ich wenig hinzuzufügen habe. ich glaube jedoch auf den grossen Einfluss aufmerksam machen zu müssen, den Krämpfe, die dem Tode kurz vorhergehen, auf das frühere Eintreten des Rigor haben. Schon früher theille mir Herr Dr. ©. G. Mitscherlich die bei seinen vie- len Versuchen an Thieren gemachte Beobachtung mit, dass die Reizbarkeit der Muskeln nach dem Tode um so früher erlischt, je mehr die Energie derselben durch Krämpfe erschöpft ist; ich selbst habe mit Strychnin vergiftete warm- und kaltblütige Tbiere acht Mal früher starr werden sehen, als Thiere von 186 derselben Species, die durch Verblutung oder Zerstörung des Gehirns getödte twaren. Hiernach ist, wie.ich glaube, auch der von Sommer, angeführte Fall zu beurtheilen, indem er, wie er. ‚behauptet, einen Tetanus rheumaticus unmittelbar in Todten- starre der affieirten Muskeln übergehen sah, obgleich diese Aus- sage mit seiner ‚früheren, er habe den Rigor nie früher als 10 Minuten nach dem Tode eintreten gesehen, in Widerspruch steht. Dass die Temperatur des umgebenden Medii keinen so bedeutenden Einfluss auf das frühere oder. spätere Eintreten der Todtenstarre hat, als man wohl zu glauben geneigt sein möchte, erklärt sich daraus, dass. bei ' warmblütigen. Thieren nach, dem Tode noch Wärme erzeugt wird, wie diess die Ver- suche von Busch und die von Redemann !) beweisen, und dass die, Muskeln 'kaltblütiger Thiere eine Temperatur unter 0° ertragen können, ohne ihre Reizbarkeit zu verlieren. Wenn man, die Leiche eines warmblütigen Thieres nach und nach. bis unter 0° erkalten' lässt, so verfällt sie zuerst in Todlenstarre, dann gefriert ‚sie; entschieden muss ich aber der, Behanptung Sommer’s widersprechen, dass nach dem Aufthauen kein Ri- gor zurückbleibe. Sommer scheint diese Beobachtung, wie seine meisten übrigen, an Menschenleichen gemacht zu ‚haben, wo es wohl‘nicht ohne Schwierigkeit war, zu bestimmen, ‚ob die; Leiche im. Innern schon wieder jaufgethaut sei oder nicht, dieser Umstand, so wie der, dass bei einer einmal’ gefroren gewesenen ‚Leiche die, Sepsis sich sehr rasch. entwickelt, und somit der Rigor sehr bald ‚schwindet, waren die,Ursache, dass Sommer denselben übersah,. Will man sich vonder 'Rich- tigkeit meiner Angabe überzeugen, muss man einzelne Extre- mitälen von kleineren Thieren, wie Tauben und Kaninchen, gefrieren lassen, und. sie. bald: nach ‘dem Aufthauen untersu- chen, dann findet man in ihnen.alle Zeichen. des Rigor. deut- lich ausgesprochen. , Diese Erscheinung findet auch ihre voll- kommene Analogie, in dem, Verhalten des Blutes. Setzt man 4) De caloris ratione in asphyctieis. Bonn 1835. 187 frisch gelassenes Blut einer hinreichend niedrigen Temperatur aus, so gerinnt es erst, und dann gefriert es; lässt man es wieder aufthauen, so bleibt es geronnen, geht aber bald in Fäulniss über. Wesentlich ebenso verhält es sich mit den kaltblüligen Thieren, nur dass bei ihnen die Niedrigkeit der Temperatur weniger Einfluss auf die Lebensdauer der Muskeln hat. Einem Frosche schnitt ich beide Hinterbeine ab, that dan eine mit dem Oberschenkel zu unterst in ein Reagens- glas mit destillirtem Wasser, und dieses in eine kaltmachende Mischung. Das Wasser fror bis zum untern Viertheile des Unterschenkels, nachdem es wieder aufgelhaut war, waren die Muskeln des Oberschenkels völlig todtenstarr, die des Unter- schenkels reagirten aber noch auf den Galvanismus, wenn man den Strom durch sie selbst hindurchleitete, wogegen von dem am obern Ende gereizten Nerven aus keine Zuckungen mehr erfolgten. Nach einer Stunde war die ganze Extremität tod- tenstarr. ' Was die Frage anbetrifft: Aus welchen Ursachen schwin- det die Todtenstarre früher, aus welchen später? so reducirt sich dieselbe auf die: Aus welchen Ursachen tritt die Sepsis früher, aus welchen später ein? In Rücksicht hierauf habe ich zu den reichen Beobachtungen von Nysten, Güntz und Sommer nichts Neues hinzuzufügen. Dass, vom Tode des Individui an gerechnet, die Todtenstarre um so früher sehwin- dei, je früher dieselbe eingetreten ist, ist natürlich, da die die Sephis vorbereitenden Einflüsse vom Augenblicke des Todes des Muskels anfangen, auf denselben einzuwirken; imgleichen scheint es nicht unwahrscheinlich, dass dieselben Einflüsse, welche die Lebensdauer der Muskeln nach dem Tode des In- dividui verringern, auch bisweilen die Putrescenz derselben be- günsligen können, weshalb oft nach frühem Eintritt des Rigor kurze Dauer desselben beobachtet ist. Die Annalıme aber, dass früher Eintritt der Todtenstarre an sich kurze Dauer der- selben bedinge, ist aus einem voreiligen post hoc ergo propter hoc hervorgegangen, denn bei den Thieren, welche ich mit Müller’s Archiv. 1842. 13 188 Sirychnin vergiftele, hatte die Todtenstarre ihre gewöhnliche Dauer, obgleich sie durchschnittlich achtmal früher eintrat, als nach andern Todesarten. Imgleichen werden in kaltes Was- ser versenkte Leichen sehr früh todtenstarr, und bleiben es sehr lange, da das Wasser die Wärme besser leitet, aber die Putrescenz weniger begünstigt, als die atmosphärische Luft. Hier glaube ich diesen Aufsatz schliessen zu dürfen. Möge es mir gelungen sein, die Todtenstarre auf denselben einfachen Grund zurückzuführen, auf den mein hochverehrter Lehrer das Gerinnen des Blutes zurückführte, ein Problem, das früher nicht minder räthselhaft war als sie, und sich doch u ii digend löste. . Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Filarien. ar Von # Dr. C. Vocr. (Hierzu Tafel X. Fig. $—15.). Im Herbste dieses Jahres hatte ich, anderer Zwecke wegen, die Nickhaut eines eben getödteten Frosches unter das Mikros- kop gebracht, als ich zu meiner Ueberraschung in den noch mit Blut gefüllten Gefässen dieser Haut einige kleine, lebhaft sich bewegende Würmchen gewahrte. Sie hatten im Ganzen eine cylindrische Gestalt, doch erschien das eine Ende mehr stumpf, das andere zugespitzt. Nur Spuren eines körnigen Wesens liessen sich in dem glashellen Körper erkennen. Ihr Durchmesser war etwa gleich der Dicke eines auf die Kante gestellten Blutkörpers; während sie etwa dreimal so lang, als der grösste Durchmesser eines Blutkörperchens waren. Bei genauerem Nachsuchen fand ich nun alle Gefässe desselben Frosches von solchen Würmehen wimmelnd; offenbar eirculir- ten also diese Organismen im Kreislaufe des lebenden Thieres. Valentin. dem ich die Thierchen sogleich zeigte, hatte, wie er auch in seiner Schrift über die Kopfnerven erwähnt, die- selben schon öfter im Froschblute gesehen. Bei der Untersu- chung der Eingeweide fanden sich überall in der Bauchhöhle die ebenfalls schon von Valentin (Rep. 6. S. 53.) beschrie- benen Poppenhülsen von brauner Farbe, in welchen dieser Beobachter Filarien gesehen hatte. Da wir die Würmehen für 13° * 190 Embryonen von Eingeweidewürmern hielten, so wurden diese braunen Körper genau untersucht, waren aber alle leer. Ich fand unter mehreren Fröschen noch einige, welche solche Würmchen im Blute zeigten; in allen waren auch die braunen Puppenhülsen vorhanden; — nie aber fand sich ein Wurm, stels nur eine körnige, fettähnliche Masse darin. In anderen Fröschen, deren Blut keine Würmchen enthielt, fand ich die Puppenhülsen in ungeheurer Anzahl. Sie waren aber nicht bloss braun, sondern die meisten schienen weiss oder gelblich von Farbe. In all diesen hellgefärbten Ky- sten fanden sich Würmer, in jeder einer, und zwar stets im Innern des faserigen Balges eingeschlossen. Daneben, wie Va- lentin sie öfters fand, sah ich keine. Die eingeschlossenen Filarien waren drehrund, durchsichtig, mit abgestutztem Kopf- und zugespitztem Schwanzende, und es liessen sich leicht das Darmrohr und der gelbliche Eierstock in ihrem Innern unter- scheiden. Die Aehnlichkeit der Gestalt zwischen diesen in Kysten eingeschlossenen Filarien mit den im Blute schwim- menden war unverkennbar. Aus diesen Beobachtungen ging schon ein gewisses Wech- selverhältniss hervor. Zeigten sich weissliche Kysten am Darme (zunächst unter der Peritonealhülle), an der Leber, der Milz, so konnte ich sicher darauf rechnen, keine Würmer im Blute zu finden. Fand ich deren im Blute, so waren nur braune, leere Kysten zu sehen. f In einem Frosche fand ich in der Bauchhöhle zwei grosse, mehr als zolllange Filarien. Sie bewegten sich sehr lebhaft in dem Raume zwischen Leber und Pericardium. Ausgenommen die Grösse, liessen sie sich von den in den Kysten eingeschlos- senen Nematoideen durchaus nicht unterscheiden. Die weib- lichen Geschlechtstheile dieser Filarien waren strotzend von Eiern und Embryonen erfüllt. In den letzten Enden der Ei- leiter zeigten sich ganz unreife Eier mit Keimbläschen und körnigen Keimflecken, weiter dunkle, mit Dottermasse erfüllte; in den unteren Theilen der Eileiter sah man mehr oder minder % 191 ausgebildete, noch in den Hüllen zusammengerollte Embryonen; endlich ganz unten enthüllte Embryonen. Diese theilten mit den im Blute lebenden Würmchen die gleiche Grösse, den stumpfen Kopf und das spitze Schwanzende, waren aber sehr steif, wie es schien, etwas platter, und in ihrem Innern konnte ich einige helle Bläschen zuweilen sehen, deren Bedeutung ich nicht kenne. Hält man diese verschiedenen Thatsachen zusammen, so scheint sich die Entwicklung dieser Filarienart in folgender Weise zu gestalten. Die Embryonen werden wahrscheinlich von der Mutier an dem Orte, wo ich die beiden grossen Exem- plare fand, abgesetzt, da dieser Platz bei Fischen und Repti- lien der geeignetste scheint, um Wanderungen anzutreten. Die Jungen bohren sich dann in die grossen Gefässe ein. Sie cir- euliren eine Zeit lang mit dem Blute, und werden endlich an geeigneten Stellen (den Baucheingeweiden) abgesetzt. Hier ni- sten sie sich ein, es entstehen durch Entzündung der Gewebe Faserkysten um sie her, in welchen sie eine Weile leben und wachsen. Zur Geschlechtsreife gelangt, brechen sie in die Bauclihöhle durch, und die dort von ihnen erzeugten Jungen beginnen den gleichen Lebenslauf. - Wenn es demnach durch Miescher’s Untersuchungen namentlich festgestellt ist, dass filarienartige Würmer nur Eut- wicklungszusiände sein können von andern, verschieden ge- stalteten Entozoen, so scheint aus den angeführten Beobach- tungen hervorzugehen, dass andere Filarien ihre ganze Lebens- periode durchmachen, ohne je wesentlich ihre Form zu ändern; wenigstens sehen, wenn überhaupt die Beobachtun- gen richtig aneinander gereiht sind, die erwähnten Filarien ihren im Eileiter enthaltenen Embryonen bis auf geringe Un- terschiede sehr ähnlich. f Ich hatte die in den vorigen Zeilen mitgetheilten Thatsa- chen meinem Freunde, Hrn. Prof. Miescher in Basel mitge- theilt. Er sagt mir darüber Folgendes. „Die einzelnen Er- scheinungen waren mir bekannt, und auch jetzt sche ich die 192 kleinen Nematoiden im Froschblute fast regelmässig; über den Zusammenhang der einzelnen Thatsachen bin ich jedoch noch nicht im Reinen.“ ‚Die ausgebildeten Jungen sehe ich vor der Schwanzspitze auf der Seite etwas angeschwollen.“* Dieselbe Bildung hatte ich auch gesehen, aber nur an einigen der vielen hundert Jungen, welche ich aus dem Eileiter drückte, und hielt sie deshalb für mechanische Verletzung !). Bern, im December 1841. Erklärung der Figuren. Taf. X. Fig. 8, Gefäss der Membrana nielitans mit jungen Filarien. Fig. 9. Kyste aus der Leber. - 10. Der Wurm darin. 41. Uhnreife Eier mit Keimbläschen. Ei mit körniger Dotiermasse erfüllt, 43. u. 14. Noch im Eie befindliche Embryonen. 45. Im Eileiter enthaltene, enthüllte Embryonen. . Di _ 1 4) Bei dieser Gelegenheit dürfte es passend sein, auf eine Beob- achtung von F.J. Schmitz über Entozoen (Trematoden) in den Blut- gelässen einer Kröte, Rana bombina, aufmerksam zu machen. F, J. Schmitz, de vermibus in ceireulatione viventibus. Berol. 1826, 8. c. Tab, Anmerk. d. Herausgeb. Ueber parasitische Bildungen. Bericht von J. Muerzer über einige mit Herın A. Rerzıus untersuchte palhologisch-anatomische Gegenstände, gelesen in d. Königl. Acad. d. Wissensch. zu Berlin am 3. März 1842, (Hierzu Taf. VIII, und IX.) I. Ueber eine eigenthümliche Krankheit der Schwimmblase beim Dorsch, Gadus callarias. Als Hr. Retzius und ich uns im August vorigen Jahres in Bohuslän mit Zergliederung verschiedener Meeresthiere beschäf- tigten, untersuchten wir die Eingeweide mehrerer Fische. Wir sahen in der Nähe des Darms im Gekröse die drüsigen, von Urn. Stannius beschriebenen Körper. Sie stehen mit Lymph- gelässen in Verbindung, welche den Schein von Ausführungs- gängen hervorbringen. Aber mit Recht werden diese Körper als dem Pancreas fremdarlig von Stannius bezeichnet. Bei einem Dorsch, Gadus callarias, befand sich ein solcher Körper in der Nähe der Gallenblase *). Dieser Dorsch war zugleich von einer Krankheit ergriffen, welche den Gegenstand der ge- genwärtigen Mittheilung ausmacht. Der grosse Fisch schien, obwohl sein Schwanz ungewöhnlich mager war, zum Essen 4) Die im Archiv 1840 p. 132. in der Anmerkung und Jahresbe- richt p. 172. von mie angenommene Coexistenz eines drüsigen Pau- ercas mit Appendices pylorieae bei Lota beruht auf einem Irrthum. . Müller. 194 geeignet; indess erklärte man uns, dass er wie andere seines Gleichen mit magerm Schwanz, krank und zum Essen untaug- lich sei. Er wurde daher zum Skelet bestimmt. Beim Weg- nehmen des Fleisches zeigte sich der Sitz der Krankheit in der Schwimmblase. Diese enthielt eine grosse Menge einer weiss- - gelblichen, kleisterartig consistenten, fadenziehenden, schmieri- gen Materie, welche sich auf den angeschwollenen und rothen innern Wänden der Schwimmblase erzeugt halte. Der grösste Theil der Masse war zum Fliessen weich, dicht an den Wän- den der Schwimmblase waren indessen an einer Stelle bedeu- tend härtere Massen, welche der innern angeschwollenen Haut anbingen, und von der Erweichung, in welche die übrige Masse übergegangen war, noch nicht befallen schienen. Hier schien das Gewebe der Schwimmblase namentlich der innern Haut einen mit der kranken Maälerie infiltrirten dicken Stock zu bilden. Die Menge der pathologischen Materie war so an- sehnlich, dass sie ein Gefäss füllen konnte, gross genug, um gegen 6 Unzen Wasser zu fassen. Diese Materie war ohne Ge- ruch und roch auch nach mehreren Tagen noch nicht faul. Ganz frisch unter dem Mikroskop untersucht, zeigle die Masse eine sehr uniforme Zusammenselzung. Man sah ausser ‚grösse- ren und kleineren Kügelehen in dem schleimigen Vehikel lau- ter eigenthümliche Körperchen, welche sich schon beim ersten Blick als verschieden von Allem, was bis jetzt in pathologi- schen Materien vorgekommen, zu erkennen gaben. Diese Kör- perchen können im Allgemeinen kurz nicht besser bezeichnet werden, als wenn man sie mit einer rippenlosen, bauchigen Navicula oder Agardh’s Frustulia coffeaeformis ver- gleicht. Sie bestehen aus zweien, mit der Höhlung einander zugewandten länglichen Schalen von elliptischem Umfang und convexer Aussenfläche. Indessen berühren sich diese Schalen an den meisten Körperchen dieser Art nicht mit ihren Rändern, sondern stehen beträchtlich voneinander ab. Oben und unten sind sie ganz voneinander getrennt und durch nichts verbun- den. In der Mitte aber sind sie durch eine unregelmässige 195 Masse verbunden, welche zugleich einen Theil des Bauchs eines jeden Schälchens ausfüllt. Die verbindende Masse zeigt mehr oder weniger deutlich einige theils grössere, theils kleinere Kü- gelehen, die sich in derselben auszeichnen. In einer eigenen Haut scheint diese Masse nicht enthalten zu sein. Bei einzel- nen der doppeltschaligen Körperchen sind die Schälchen schief gestellt, so dass sie mit dem einen Ende zusammenhängen, mit dem andern auseinanderweichen. Noch andere sind mit ihren Rändern in ganzer Länge wirklich verbunden, und stellen ein elliptisches Körperchen dar, über welches in der Mitte der Länge nach eine Theilungslinie herabläuft, bald in ganzer Länge, bald nur in einem einzelnen Theile ihrer Länge deutlich. Diese haben noch mehr Aehnlichkeit mit der bezeichneten Abbildung einer sogenannten Frustulie.e An einzelnen sind beide Schäl- chen zwar noch mit ihren Rändern verbunden, aber oben und unten zeigt sich ein deutlicher Einschnitt, welcher die eintre- tende Trennung anzeigt. Man sieht auch einzelne Hälften, d.h. aus einer einzigen Schale bestehende Körperchen, an wel- chen sich nichts mehr von der Verbindungsmasse erkennen lässt. Uebrigens sind alle Körperchen an Grösse gleich. Ihre Länge beträgt 0,00058— 0,00068 Zoll. Aus diesen Körperchen besteht der weiche, fliessende Theil der Materie, und eben solche sind auch in der noch festern Masse enthalten. Der bei weitem grösste Theil der Körperchen ist ganz frei, ohne umhüllende Materie, ohne einschliessende Haut. In- dessen geben sich auch Körperchen zu erkennen, die zu einem Haufen verbunden sind, so dass 3, 4 und mehr in unregelmäs- _ siger Lage ein Klümpchen bilden. Manche dieser Haufen sind _ ohne einschliessende Haut, an anderen ist diese dagegen ganz deutlich wahrnehmbar. Im Innern dieser Zellen sind die Kör- perchen an ihren Formen und ihrer Grösse zu erkennen, doch scheinen sie noch ungespalten zu sein. Es giebt auch Zellen, worin die Körperchen noch unausgebildet scheinen, und worin man nur einige stärkere Körner bemerkt. In Weingeist auf- u 196 bewahrt, haben sich diese Sirueluren ganz so, wie sie im frischen Zustande gesehen und abgebildet wurden, erhalten. Wenn es erlaubt ist, schon jetzt einen Schluss auf die Entwicklung der Körperchen zu machen, so entwickeln sich mehrere in einer Zelle. Diese wird dann aufgelöst, ohne sich zu spalten, die Körperchen werden frei, bilden ihren Inhalt aus, und theilen sich dann der Länge nach; sie bleiben noch . eine Zeit lang durch den Inhalt in der Mitte verbunden, bis ‚sie sich. ganz lösen und der Inhalt frei, und vielleicht der Grund zu einer gleichen Entwicklung wird. } Was die Stelle dieser Körper unter den organischen Bil- dungen betriflt, so liegt der Gedanke an Navieulae und ver- wandte Formen von Infusorien nahe, indessen lässt sich diese Analogie schon dadurch beseitigen, dass die Schälchen keine Kieselpanzer sind, indem sich nach dem Verbrennen der Ma- terie keine Spur mehr von ihnen erkennen lässt. Die Kohle der Materie lässt sich übrigens sehr schwer einäschern. Gegen jene Uebereinstimmung spricht vollends auch die Entstehung der Körperchen in Zellen, der Mangel der den Navieulae und verwandten Formen eigenen Poren, endlich der Ort der Bil- dung, der in mehrerer Hinsicht ganz eigenthümlich ist. Noch niemals sind Naviculae in pathologischen, in Organismen all- seitig eingeschlossenen Materien beobachtet worden. Wir nen- nen den Ort der Bildung der Körperchen eigenthümlich, denn sie haben sich in einem Organ gebildet, welches lufthaltig, und dessen Luft in einem im Wasser lebenden Thiere von al- len Seiten völlig abgeschlossen ist, und von der Schwimmblase selbst erzeugt wird. Die Schwimmblase der Gadus besitzt kei- nen Luftgang; was Cuvier ehedem in den Legons d’anatomie comparee für einen doppelten Luftgang gehalten, sind zwei blinde Anhänge am obern Ende der Schwimmblase, welche in keiner Verbindung mit dem Schlunde stehen. Die fraglichen Körperchen sind ohne Bewegung, von spe- eifischer Organisation; in dieser Hinsicht schliessen sie sich an die Bildungen in den Pusteln und Bläschen bei Flussfischen an, _ 197 welche unter dem Namen der Psorospermien in einem in der physicalischen Klasse der Academie gehaltenen Vortrag beschrie- ben worden. Beide sind unter sich wieder so verschieden, wie es Gattungen von organischen Körpern sind. Verglichen mit den kleinen Bildungstheilchen der Organismen, den Zellen ‘und den Formen, welche die Zellen in den Geweben der thie- rischen Körper annehmen, so zeigen sie eine gänzliche Ver- schiedenheit von diesen. Alle pathologischen Gebilde, welche an dem Leben des Organismus, worin sie vorkommen, An- theil haben, bestehen aus Zellen oder Formveränderungen von Zellen, ähnlich den Zellen (und ihren Formveränderungen), aus welchen der ganze Organismus besteht, und deswegen sind alle bis jetzt bekannten krankhaften Bildungen dieser Art ho- molog zu nennen. Die einst vom Krebse aufs Gerathewohl angenommene Heterologie des Gewebes, d. h. die Eigenthüm- lichkeit seines Gewebes und Verschiedenheit von gesunden Ge- webeformen haben sich nicht im geringsten bestätigt, und sind als widerlegt anzusehen. In allen Formen des Krebses sind die Bildungstheilchen Zellen und Formen von Zellen, wie sie in gesunden Theilen vorkommen, und wenn diese Zellen eine gewisse Productivität haben, dass sie in sich junge Zellen er- zeugen, so ist dieses eine Eigenschaft, welche den Zellen des gesunden Körpers in gleicher Weise zukommt. Die Psorospermien hingegen und die eben beschriebenen Bildungen haben eine so bestimmte, von allem, was an den Zellen der Thiere beobachtet worden, so gänzlich verschiedene Organisation, dass sie die einzigen heterologen pathologischen Bildungen wären, wenn es deren überhaupt gäbe, und wenn sie nicht selbst vielmehr individuell belebte organische We- sen wären. Fernere Beobachtungen müssen lehren, ob die Abmage- rung des Schwanzes bei den Gadus constant mit der Krank- heit der Schwimmblase verbunden ist. Die Abmagerung des Schwanzes scheint unter den Gadus nicht ganz selten zu sein. Denn die Fischer in Bohuslän kennen sie als eine Krankheit, 198 welche den Dorsch untauglich zum Essen macht. Das Fleisch des Schwanzes zeigte übrigens in unserm Falle nichts von der kranken Materie. Unter den Fischen des Mittelländischen Meeres, welche Hr. Peters gesammelt hat, befindet sich ein pathologisches Prä- parat von gänzlicher Atrophie des Muskelfleisches am Schwanze von einem Merlan, Gadus merlangus. Das Fleisch hört mit einer scharfen Grenze am Anfange des Schwanzes auf. Am ganzen Schwanze aber ist nichts als Haut und Knochen, und nicht die geringste Spur von Muskeln. Leider ist die Schwimm- blase nicht aufbewahrt. II. Ueber pilzartige Parasiten in den Lungen und Lufthöhlen der Vögel. Schimmel in den Lungen und J.ufthöhlen von Vögeln, die bald nach dem Tode untersucht worden, sind schon öfter be- obachtet und zum Theil so kurz nach dem Tode und in sol- chem Zusammenhange mit den dem Tode vorausgegangenen Erscheinungen gesehen, dass mit einiger Wahrscheinlichkeit angenommen werden konnte, es haben sich dieselben bei ei- ner krankhaften Disposition der respiratorischen Schleimhaut schon während des Lebens erzeugt. Dahin gehören Mitthei- lungen von ©. Mayer, Jäger, Heusinger, Theile, Des- longehamp. Die Herren Mayer *) und Emmert untersuchten einen Holzheher, Corvus glandarius, der in der Nacht gestorben und den Tag vorher. traurig und schwerathmend gewesen, am folgenden Morgen, und fanden einen haarförmigen Schimmel in der Verzweigung der Bronchien an solchen Stellen, die in eine speckartige Masse entartet waren. Die Fäden hatten Auschwel- lungen am Ende. Im Innern der Lungen erschien der Schim- mel nicht haarig, sondern als Körnchen ohne Stiel. Er er- 1) Meckel’s Archiv für Physiologie. I. 310. 199 hielt sich 3 Tage lang, ohne zuzunehmen, und verdarb, als er befeuchtet wurde. Jäger!) beobachtete einen grünen Schim- mel in den Luftsäcken eines Schwanes, deren Wände zu einer Dicke von 1—14‘” und zu knorpeliger Consistenz entartet wa- ren. Hr. Heusinger ®) untersuchte einen Storch wenige Stun- den nach dem Tode; die Wände der Luftsäcke waren sehr verdickt und in Lamellen spaltbar, von denen die innerste mit dichtem, langem Schimmel bedeckt war. In den unveränder- - ten Luftsäcken zeigten sich hie und da ganz kleine weisse Pünktchen. Die einfache Verdiekung der Luftsäcke ohne Schimmelbildung sah Heusinger häufig bei Stubenvögeln und Hausvögeln. Hr. Theile °) untersuchte einen Raben, der in der Nacht gestorben war, am folgenden Morgen, und fand in der iubereulösen Lunge Stellen, die mit dichtgedrängtem Schimmel von graugrünlicher Farbe besetzt waren. Rudolphi ‘) er- klärte die Schimmelbildung im lebenden thierischen Körper für unmöglich, ohne dieses Urtheil hinreichend zu begründen. Die vorher erwähnten Fälle sind alle nicht so vollständig unter- sucht, dass sie ein hinreichendes Material zur Beurtheilung der- selben an die Hand geben. Indessen weiss man, dass auch am lebenden menschlichen Körper an Theilen, welche einer Zersetzung unterworfen waren, oder abgestorben sind, Schim- mel sich bilden können. Man hat dies z. B. bei der Gangraena senilis und an den Wunden von Blasenpflastern einige Tage vor dem Tode bemerkt °). Waren die Luftsäcke und Lungen der Vögel stellenweise so entartet, dass während des Lebens örtliche Zersetzungen eingetreten sind, so ist kein Grund vor- handen, die Entstehung von Schimmel an jenen Stellen im le- 1) Meckel’s Archiv für Physiologie. II. 354. 2) De generatione ımucoris in organismo animali. Jenae 482., Heusinger: Bericht von der König]. zootom. Anstalt zu Würzburg. 41826. 29. 3) Heusinger’s Zeitschrift für organische Physik. I. 331. 4) Physiologie. I. 292. 5) Die Fälle sind i, d. zweiten Schrift von Heusinger erwähnt. 200 benden Körper als unmöglich in Zweifel zu ziehen. Eine ganz andere Frage ist aber, ob die Schimmelbildung im lebenden Körper als Ursache pathologischer Veränderungen und Ursache des Todes auftreten könne, und ob gewisse Schimmel auf den gesunden Oberflächen des lebenden Körpers zu keimen ver- mögen. In Beziehung auf diese Frage sind die vorerwähnten Fälle sämmtlich nicht conclusiv. Mit dem Gegenstand gegen- - wärliger Abhandlung stehen sie gleichwohl, wie sich weiter- hin ergeben wird, in einem ganz engen Zusammenhange, näm- lich durch die in den meisten dieser Fälle erwähnte, bald speckarlig, bald tuberculös, bald als Verdickung bezeichnete De- generation der Luftsäcke, auf welcher die Schimmel aufsassen. Die Beobachtungen der Herren Bassi und Audouin über den Pilz, der die Seidenwürmer während ihres Lebens zer- stört, sie in Mumien verwandelt und der Inoculation fähig ist, diejenigen des Herrn Schönlein !) über den Pilz des anstek- kenden Kopfgrindes des Menschen, und des Herrn Hannover?) über eine auf Wassersalamandern wachsende Alge, die sich auf Wunden und kranken Stellen erzeugt, und ebenfalls der Inoculation fähig ist, haben der Frage von der Entwicklungs- fähigkeit vegetabilischer Wesen auf lebenden Thieren ein neues Iuteresse gegeben, und sie entschieden bejahend beantwortet. Denn in diesen Fällen, besonders den beiden ersten, erfolgt die progressive Entwickelung des Vegelabile, ohne dass eine örtliche Zersetzung das Keimen der Saamen eingeleitet hat und das weitere Wachsthum bedingt. Von besonderem Interesse ist die Entdeckung von der vegetabilischen Natur des anstek- kenden Kopfgrindes, über welche kürzlich auch von Hrn. Gruby Beobachtungen mitgetheilt sind. In der That, man kann sich leicht durch das Mikroskop überzeugen, dass die Massen der Porrigo lupinosa aus nichts als vegetabilischen Gebilden beste- hen. Es sind kurze, theilweise ästige Fäden, die durch an- 4) Müll. Archiv. 1839. 82. 2) Ebendas. 339. 201 einander gefügte Zellen ein der thierischen Structur fremdes, gegliedertes Ansehen erhalten. Die Scheidewände der Glieder sind an den meisten Stellen gerade, gegen das Ende der Fä- den runden sich allmälig die Zellen ab und werden durch Aus- einanderfallen der Glieder offenbar Sporen, deren man eine grosse Menge von gleicher Gestalt in der Substanz der Tinea findet. Anderes aber als diese Fadenpilze und ihre Sporen kommt in der ganzen Masse der Porrigo lupinosa nichts vor. Das Gebilde hat grosse, Aehnlichkeit mit dem Gährungspilz, von dem es sich durch die Form seiner. Zellen unterscheidet, welche bei der Torula cerevisiae oval sind, und sich rosen- kranzförmig verbinden, während sie in der Porrigo lupinosa nur wie dicht aufsitzende kurze walzenförmige Gliederchen aus- sehen und die Ränder der Fäden gerade bleiben. Offenbar ge- hört der Pilz der Porrigo lupinosa zur Gattung Oidium Linck, er hat z. B. die grösste Aehnlichkeit der Fäden mit Oidium aureum des Holzes (Nees v. Esenbeck, System der Pilze und Schwämme, Fig. 44.), von dem er sich bloss durch den Sitz, die Farbe und die Gestalt der ganzen Massen unterscheidet. Will man mit Hrn. Corda alle Fadenpilze, welche durch ein- fache Trennung ihrer Glieder fructificiren, und bei welchen alle Glieder zu Sporen werden können, in eine einzige Gat- tung Torula bringen, so gehören der Pilz des Fermentes und der Pilz der Tinea in dieselbe Gattung Torula. Hr. Dr. Berg in Stockholm hat im Herbste vorigen Jah- res zur Zeit meiner Anwesenheit daselbst in der schwedischen Gesellschaft der Aerzte die Beobachtung mitgetheilt, dass die Aphthen der Kinder eine ganz ähnliche Structur, wie der an- steckende Kopfgrind besitzen, nämlich aus einem äsligen Fa- dengewebe bestehen. Von diesen Gesichtspunkten aus hat nun auch die Schim- melbildung in den Lungen und Lufthöhlen der Vögel ein ganz anderes Interesse als ehedem. Ueber diese liegt nun auch eine neuere Beobachtung von Hrn. Deslongehamp vor, welche im Juni 1841 der Akademie der Wissenschaften zu Paris vor- nn 2a 202 gelegt wurde.“) Der Verfasser hatte keine Kenntniss der älte- ren in Deutschland über diesen Gegenstand gemachten Erfah- rungen. Die Beobachtung betrifft eine Eidergans, Anas mol- lissima, Dieses Thier fing 3 Wochen vor seinem Tode zu kränkeln an, es war weniger lebhaft, frass weniger, und sein Athmen war gehindert, so dass es bald grosse Anstrengungen machte, um Luft aufzunehmen, zugleich wurde das Thier sehr mager. Als es todt gefunden wurde, war es noch warm, An demselben Tage wurde es secirt. Die Wände der Luftsäcke waren mit zahlreichen Plaques von Schimmel besetzt. Die meisten derselben hatten einen runden Umfang und waren er- hoben, besonders in der Mitte, sie hatten 2 —3 Millimeter, bis einige Centimeter Durchmesser. Die grösseren halten einen unregelmässigen Umfang, und waren durch Zusammenfluss von mehreren benachbarten Plaques entstanden, deren Erhebungs- centra die Stellen ihrer ursprünglichen Entwickelung errathen liessen. Dergleichen Plaques fanden sich überall, wo die Luft- säcke sich ausbreiten, auf den Nieren, den Därmen (die Därme liegen jedoch nicht in Luftsäcken!), den Beckenknochen, in den Luftsäcken, die zu den vorderen Extremitäten sich ver- längern, in den Bronchialröhren. Die Kanäle der linken Seite waren mit'schon altem Schimmel besetzt, dessen Sporen sehr entwickelt und schmutzig grün, und in Köpfchen auf geraden Fäden vereinigt waren. Die Schimmel in den Bronchialkanä- len rechter Seite waren farblos. Die Basis, auf welcher die Schimmelfäden aufsassen, bildete eine gelbe, zähe Schichte, die im Umfang dünner, im-Centrum dicker war. Diese leicht ablösbaren gelben Platten schienen ohne irgend eine Organi- sation zu sein. Hr. Deslongehamp hielt sie für albuminöse Exsudate, die sich in Folge der Reizung der Schleimhaut durch die Schimmelbildung entwickelt hatten. Unter den Plaques zeigte die Schleimhaut eine entsprechende Gefässinjection. Die Schimmel waren mattweiss auf den kleinen Plaques, die grossen 4) Annales des sciences naturelles. T. XV, 371. 203 in der Milte graugrün, das Uebrige weiss. Sie bestanden aus durchsichtigen, nicht artieulirten Fäden, die wenig oder nicht verzweigt waren. Diese bildeten ein dichtes Gewirre, dazwi- schen eine Menge von kleinen, runden oder ovalen Bläschen von gleichen Durchmesser wie die Fäden, weiss an den weis- sen, grün an den grünen Stellen. An den ausgebildetsten Stel- len endigten die Fäden in eine Agglomeration von grünen Spo- ren; einzelne endigten in eine Scheibe, von welcher die Sporen abgefallen schienen. Die Pilzbildung in den Lungen der Vögel ist von uns in einer Art beobachtet, welche in einer Hinsicht an die letzt erwähnte Beobachtung erinnert, in anderer aber sich davon entfernt, indem die Bildung von Schimmelfäden völlig unter- geordnet war oder selbst ganz fehlte, dagegen die gelblichen Plaques selbst mit ganz bestimmter pilzartiger Form auftraten. In einem der Fälle war die Erscheinung so sehr auf letztere beschränkt, dass von Schimmelfäden auch nicht eine Spur wahrgenommen wurde, obgleich eine mikroskopische Untersu- ehung angestellt wurde; im zweiten Falle war die Schimmel- bildung zwar an einzelnen Stellen deutlich, fehlte aber an der grossen Mehrzahl derjenigen pathologischen Bildungen, welche hauptsächlich die Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. Ein- mal sind die Parasiten in Stockholm beobachtet, einmal in Ber- lin. Das Präparat, welches jetzt zunächst zur Untersuchung gedient hat, befindet sich seit längerer Zeit im anatomischen Museum des Carolinischen Instituts zu Stockholm in Weingeist. Es ist von einer Stryx nyctea, gelbe, zähe und dichte, runde, plalte, auf der Oberfläche concentrisch geringelte, in der Mitte verliefte Körper besetzen die Schleimhaut der Lungen und aller Luftsäcke der Brust- und Bauchhöhle bis in die Achselhöhle, auch die Knochen des Beckens, soweit sie von den Luftsäcken berührt werden, die Luftröhre und die Hauptstämme der Bron- chien sind frei. Diese Eule war aus Lappland angekommen und lebte einen Winter in Stockholm. Sie war mattherzig und engbrüstig, gegen Weihnachten fing sie an zu erkranken Müller's Archiv. 1842. 14 hr we und starb später an Kurzathmigkeit. Das Gefieder war voll- ständig und hatte seinen vollkommenen Glanz. Sie wurde von Herrn Retzius secirt. Der in Berlin ‚beobachtete Fall betrifft eine alte Rohrweihe (Falco rufus), die hier geschos sen im Winter 1839 bis 1840 nach dem zoologischen Mu- seum gekommen ‘war. Der Studirende Herr Dubois fand dort frisch die krankhafte Bildung, Er brachte mir ein Bauchstück des Rumpfes mit den Nieren, worauf einige platte, napfartig ausgehöhlte, zähe, weisse Körperchen von 4 bis 14“ Durchmesser fesisassen, fragend, was diese Körper- chen seien. Ich untersuchte sie mikroskopisch, konnte aber trotz ihrer so regelmässig sich wiederholenden bestimmten Form platterdings keine Struetur erkennen, sah vielmehr überall nur eine dichte, wie geronnene Masse. Zu einer weiter fort- gesetzten Untersuchung reichten die sehr sparsam vorhandenen Körperchen nicht. Da ich, was ich davon erhielt, durch die Untersuchung verbraucht, so wurde nichts davon aufbewahrt. Hr. Dubois hatle, wie er mir noch kürzlich mitgetheilt, die fraglichen Körper in viel weiterer Verbreitung, nämlich in den Luftsäcken der Brust bis in die Achselhöhlen bemerkt. Diese Erscheinung von Körpern, die in ihrer bestimmten Ge- stalt wachsen, blieb mir yöllig räthselhaft. Für eine Exsuda- tion konnte ich sie nicht halten, denn sie hatten damit nicht die geringste Achnlichkeit. Die Form ist an dem Stockholmer Exemplar völlig gleich, aber die Ringe auf der Oberfläche mehr ausgebildet. Wir haben auch in Stockholm vergebens nach einer bestimmten Structur gesucht. Hr. Retzius gab die eine Hälfte des Präparats an das hiesige Museum ab, was mir Ge- legenheit gewährte, mich längere Zeit hindurch dieser Unter- suchung zu widmen, und einer verborgenen Structur der Kör- per nachzuspüren. Es ist schwer, an der so dichten Masse hinreichend feine Durehschnitte mit dem Rasirmesser zu ma- chen. Die Untersuchung wird dadurch auch erschwert, dass beim Durchschneiden die Structur zum Theil durch Druck zerstört und verschoben wird. Seither ist es jedoch nun schon E 205 recht oft gelungen, sich zu überzeugen, dass diese Massen wirk- lich eine Structur besitzen. Doch es ist zuerst nöthig, die all- gemeine Form genau zu beschreiben. Die Körperchen sind auf der Oberfläche platt, im Umfang ziemlich regelmässig abgerundet. Die Scheiben variiren im Breitendurchmesser von +—2 Linien und mehr. Ihre Form bleibt sich beim Wachsthum vollkommen gleich, aber sie er- höhen sich beim Wachsen wenig, und wachsen mehr in die Breite; im entwickelten Zustande haben die meisten +— Lin. Höhe. Die confluirten grösseren Massen sind indess 1—2Lin. und mehr dick. Ihre völlig glatte, und an den älteren auch harte Oberfläche hat meistens in der Mitte eine Vertiefung, zuweilen, besonders bei jungen, ist die Oberfläche napfförmig ausgehöhlt und nur der Rand erhaben, bei älteren sieht man auf der Oberfläche immer einige regelmässige, ringförmige, mit dem Rande concentrische erhabene Zonen von meist gleicher Breite; die letzte bildet den abgerundeten Rand, die Mitte der älteren und grösseren zeigt oft statt der Vertiefung einen cen- tralen Nabel, um welchen die erhabenen Zonen hergehen, Unter dem obern Rande sind die Körper meist etwas schmaler, bei einigen ist dieser so stark abgesondert, dass ein deutlicher niedriger Fuss oder Stiel der Scheibe entsteht. Die untere Fläche, womit sie aufsitzen, ist flach. Mit diesen haftet das Körperchen zwar fest, aber wenn man es losschält, so bleibt die Schleimhaut unverletzt und zeigt sich nur wenig rauh, zu- weilen hängt die Schleimhaut auch eine kurze Strecke an den seukreeht abfallenden Seiten an. Alle diese Bildungen sind so . durchaus regelmässig und gleichartig bei allen Unterschieden der Grösse, dass man beim ersten Blick an dis Bild eines Pilzes, z.B. einer Peziza, erinnert wird. Hunderte von ihnen sind über die Wände der Lufthöhlen und Lungen zerstreut. An einigen Stellen fliessen mehrere scheibenförmige Kör- per zusammen, die dann zum Theil ihre eigenen concentrischen Kreise, aber eine oder mehrere Zonen am Umfang gemeinsam haben. So erkenut man freistehende Massen, die aus 2, 3, 4 14° A 206 Körpern confluirt sind. An zwei Stellen jedoch, in der Nähe der Theilung der Luftröhre, und dann ferner in einem Sacke unter den Lungen sind die Massen so zahlreich geworden, dass keine isolirten Körper mehr sichtbar sind, vielmehr die ganzen Wände der Luftsäcke in eine 1—1+ Linien dicke, knorpel- artig harte Schwarte aus derselben Substanz verwandelt sind, an deren Oberfläche man die scheibenförmigen Körper nur an den Systemen concentrischer Ringe erkennt. Diese zuletzt er- wähnten Luftsäcke zeichnen sich auch dadurch aus, dass die pa- thologische Ablagerung mit einem ganz weichen und zarten, leicht abstreifbaren Schimmel bedeckt ist. Es scheinen dies Säcke zu sein, deren Zugänge durch den pathologischen Process völ- lig geschlossen worden sind. Die Oberfläche der pilzartigen Körper oder Plaques ist mit Ausnahme der letzterwähnten Stellen ganz glatt und hart. Ueberhaupt aber ist die Masse sowohl in ihrem isolirten als confluirten Zustande innerlich und äusserlich fast gleichförmig fest, ohngefähr zum Durch- schneiden so wie die Rinde von Schweizerkäse oder holländi- schem Käse. Das Epithelium der Schleimhaut geht nicht dar- über hin, sie selbst haben auch keine eigene Haut. Es erleidet keinen Zweifel, dass die pilzartigen Körper das- selbe sind, was Hr. Deslongehamp Plaques nennt, und was er für Exsudate der Schleimhaut gehalten. Obgleich er ihre Gestalt nicht so genau beschreibt, als es hier geschehen, so zeigt doch seine Abbildung der Plaques eine Andeutung der concenirischen Ringe der Oberfläche. Er giebt stalt der Ver- tiefung in der Mitte eine Erhabenheit an; dies war in den von uns gesehenen Fällen die seltenere Form, die Vertiefung in der Mitte und die Napfform aber so häufig, dass sie bei dem all- gemeinen Bilde dieser Körper hervorgehoben werden muss. Es kömmt auch vor, dass der pilzartige Körper im Allgemei- nen napfförmig ist, sich aber aus der Vertiefung wieder ein Umbo erhebt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass in den von Mayer, Jäger, Heusinger, Theile beschriebenen Fällen von Schimmelbildung in den Lungen und Lufthöhlen von Vö- 207 geln dieselbe Subslanz im confluirten Zustande vorhanden war, und dass sie die von Mehreren erwähnten tuberkelartigen Mas- sen oder speckartigen Verdickungen der Wände der Lufthöhlen ausmachte. In der weichen Lage von Schimmel an den zwei erwähn- ten Stellen liess sich das von Hrn, Deslongehamp angege- bene wiedererkennen, obgleich dieser Schimmel nicht vollstän- dig von ihm beschrieben ist. Er besteht zum Theil aus farb- losen Fäden, welche in der Oberfläche der confluirten Plaques wurzeln. Diese Fäden sind selten nach den Seiten getheilt, und haben, was übersehen worden ist, deutliche Gliederung; die Glieder sind lang, an der Verbindung derselben ist das untere Glied oft kolbig. Diese Art Schimmelfäden sind ganz farblos. Hier und da zeigt die Schimmellage schmutzig grüne Färbung, da zeigten sich immer eine grosse Anzalıl der von Hrn. Deslongehamp abgebildeten geköpften Schimmelfäden von farblosem Stiel und grünem Köpfchen. Die Stiele, oft von beträchtlicher Länge, waren ebenfalls deutlich gegliedert, was von Hrn. Deslongehamp übersehen worden; die Glie- derung in grossen Abständen geschieht hier durch einfache Scheidewände ohne Veränderung des Durchmessers der Fäden. Die Endköpfehen bestehen aus dem kolbigen Ende des farb- losen Stieles und den grünen ovalen Sporen, mit welchen das kolbige Ende überall dicht besetzt ist. Zwischen den farblo- sen, kopflosen Fäden sieht man überall auch abgelöste Sporen von ganz ähnlicher Beschaffenheit, wie an den Sporenträgern. Offenbar ist dieser Schimmel ein Aspergillus. Wir halten den eben beschriebenen Schimmel, welcher in allen früheren Mittheilungen hauptsächlich die Aufmerksamkeit auf sich gezogen, für durchaus Nebensache, wofür ausser den aus der Siructur der Plaques hervorgehenden Gründen, schon der Umstand spricht, dass er sich an unserem Präparat nur an den völlig destruirten Stellen findet, dass er hingegen an allen Stellen fehlt, wo die pilzartigen Körper noch isolirt sind, und die Schleimhaut noch freie Oberfläche darbietet, In dem 208 in Berlin beobachteten Fall ist von Schimmel gar nichts wahr- genommen worden, während die pilzartigen Körper vollkom- men entwickelt, aber isolirt waren. Dagegen sind die Plaques “ oder pilzartigen Körper selbst als das den Tod herbeiführende Product anzusehen, und diese braucht mau nur einmal gesehen zu haben, um sich zu überzeugen, dass zu einer solchen Bil- dung keine kurze Zeit des Lebens hinreichte. Dass sie Ex- sudate seien, wie Hr. Deslongehamp vermuthet, dagegen spricht ihre ganz eigenthümliche Form, und das Wachsthum in dieser specifischen Form von den kleinsten Anfängen. Uns sind keine Exsudate von dieser Art bekannt, welche vielmehr einem individuell organisirten Wesen entspricht. Ihre Zähig- keit und Dichtigkeit, die gleichwohl völlig frei von Vertrock- nung ist, widerspricht eben so sehr, und endlich der Mangel einiger Uebereinstimmung in der Structur mit den Exsudaten. Hr. Deslongehamp konnte durchaus keine Structur an den Plaques finden, und so ist es wiederholt auch uns ergan- gen. Feine Durchschnitte, welche meist doch noch trübe aus- sehen, und dadurch ihre Dichtigkeit anzeigen, erschienen meh- rentheils wie eine structurlose geronnene Masse unter dem Mi- kroskop. Gleichwohl gelang es in einzelnen Fällen an glück- lichen und hinreichend feinen, mit einem Rasirmesser (gemach- ten Durchschnitten bei 450maliger Vergrösserung, mit der gröss- ten Deutlichkeit feine Fäden zu erkennen, welche sich ver- zweigen und miteinander anastomosiren; man sieht sie oft mit vollkommen reinen Conturen über Strecken hingehen, sich theilen, an anderen Stellen sich in ein dichtes Netzwerk von gleichen Fäden verlieren. Diese Fäden waren ungegliedert und auffallend feiner als die gegliederten Schimmelfäden, von wel- chen vorhin die Rede war; und mit welchen sie auch im gan- zen Habitus keine Aehnlichkeit hatten. Ausser Fäden wurden sehr oft auch viel diekere, rundliche oder unregelmässige Kör- per in der Masse eingestreut wahrgenommen, nicht selten diese letzteren Körper zu vielfach aufgetriebenen kürzeren oder längeren Strängen verlängert, die sich zuweilen gabelig theilen. * 209 Ein Inhalt in diesen Schläuchen wurde nicht wahrgenommen. Die erst erwähnten verzweigten Fäden haben eine so reine vege- tabilische, und insbesondere pilzartige Form, und sind dem thie- rischen Gewebe so völlig fremd, dass kein Zweifel über ihre vege- tabilische Natur obwalten kann, worüber ich wich freue, von bo- tanischer Seite das Zeugniss der Herren Linck und Klotzsch anführen zu können. Einen von Hrn. Linck gesehenen Durch- schnitt hat Hr. J. C. Schmidt, in Auffassung vegetabilischer mikroskopischer Gebilde so geübt, die Güte gehabt, sogleich zu zeichnen. Beiderlei Formen, die ästigen Fäden und die ge- ballten Schläuche oder Körper, welche ein weniger vegetabi- lisches Ansehen haben, aber auch den thierischen Formen gänz- lich fremd sind. sind bei 600maliger Vergrösserung dargestellt. In den frei stehenden pilzartigen Körpern gelang die Beobach- tung der pilzarligen Fäden seltener, wahrscheinlich weil es hier viel schwerer ist, gehörig feine Durchschnitte zu machen; öfterer und leicht gelang es in den dicken confluirten, mit Schimmel bedeckten Masser, weil diese eine viel grössere, fast knorpelartige Festigkeit haben, und bei ihrer Grösse und leich- ten Fixation gute Durchschnitte viel leichter zuliessen, als die auf der dünnen Schleimhaut frei aufsitzenden isolirten Körper. In mehreren Fällen gelang indess die Beobachtung der ästigen Fäden auch in den kleineren, ganz isolirt stehenden, und von Schimmel ganz freien pilzartigen Körpern sehr gut an ver- schiedenen Stellen und in verschiedener Tiefe der Körperchen. Der Schimmel bifdet an den bezeichneten Stellen nur einen dünnen, weichen, haularligen Ueberzug, aber die davon ver- schiedenen Fäden in den Plaques liessen sich durch die ganze Dicke der Massen erkennen. Wäre die Schimmelbildung im Allgemeinen auf allen pilzarligen Plaques vorhanden gewesen, so wäre einiger Grund gewesen, die Fäden im Innern der Plaques als Wurzeln des Schimmels innerhalb eines patholo- gischen Bodens anzusehen. Aber wie schon erwähnt, die frei stehenden Plaques ‘waren ganz frei von Schimmel und von völlig glalter, harter Oberfläche, und nur sehr selten liess sich 210 auf senkrechten Durchschnitten am Rande ein einzelnes aus der Oberfläche hervorstehendes Fädchen erkennen. Da aber in den von Schimmel freien Plaques in den verschiedenen Tiefen der Masse oft genug und völlig unzweifelhaft die den Plaques eigenen Fäden gesehen wurden, so sind diese als ihre eigenen Elemente anzusehen. Je öfter die Untersuchung wiederholt wurde, um so mehr hat sich die Vermuthung befestigt, dass die ganze dichte Masse der Plaques aus durcheinander gefilz- ten, sehr feinen anastomosirenden Fäden gebildet sei, welche beim Durchschneiden wegen Zähigkeit grösstentheils in einen zerworfenen und verflossenen Zustand versetzt werden, so dass nur ausnahmsweise längere Fäden, welche von dem Druck nicht leiden, erkannt werden. Vielleicht ist dieses Gewebe auch von einem thierischen exsudirten Stoff durchdrungen. Sind die pilzartigea Körper selbst für Pilze zu halten, so sind diese Pilze jedenfalls von den hier und da auf ihnen auf- gesprossten Schimmelfäden verschieden. Die den Aspergillus eigenen geköpften Fäden können nicht als Sporenträger der Plaques angesehen werden. Denn Pilze, wie die Plaques, wel- che Sporidien gleich einem Aspergillus hätten, giebt es keine. Diese Sporidien gehören vielmehr nur zu den farblosen, auf den Plaques nistenden Fäden. Auf Durchschnitten, welche den letzten Boden und die darauf sitzende Schimmellage zugleich treffen, sieht man nichts von einem Uebergange. Der feste Boden hört mit ganz scharfem Rande auf. Das wie ein leicht abwischbarer Schleim auf der Oberfläche der festen pa- thologischen Producte liegende Schimmelgebilde ist daher, wie oft auch diese Erscheinung von verschiedenen Beobachtern ge- sehen wurde, als eine nur secundäre Erscheinung anzusehen. Die Erscheinung von Fadenpilzen auf anderen Pilzen ist be- kanntlich eine sehr häufige Erscheinung. Es ist nicht einmal von besonderem Interesse, zu wissen, ob dieser Schimmel vor oder nach dem Tode sich auf den Pilzen entwickelt habe. Denn sind erst Pilze auf der Lungenschleimhaut in solcher zer- störenden Ausdehnung während des Lebens erzeugt, so ist das 211 Keimen von Schimmelsporen auf diesen Pilzen während des Lebens eines Thieres gewiss nicht schwieriger als nach dem Tode, da das Keimen nicht von dem Leben des Thieres, scn- dern von einer Pflanze abhängig ist, derjenigen, die dem Schim- mel zum Boden dient. Die Stelle der pilzartigen Körper oder des in ihnen vor- kommanden Fadengewebes im Systeme der Pilze zu bestim- men, möchte für jetzt voreilig und noch unmöglich sein, da es nicht gelungen ist, die Fructification zu beobachten. Es ist sicher, dass unter der freien Oberfläche keine Sporenschläu- che stehen, und eben so wenig solche nach aussen hervorragen. Darum könnten die fraglichen Bildungen nicht zu den Hyme- nomyceles gerechnet werden, wenn man nicht annehmen wollte, dass die Fructification wie noch in anderen Fällen beim Licht- mangel unausgebildet geblieben sei. Unter den übrigen Pilzen erinnern die fraglichen Bildungen an die Sclerotien, bei denen bis jetzt noch keine Fructification wahrgenommen werden konnte. Die Untersuchung frischer Sclerolien, Sclerotium se- men und ein anderes Selerotium auf Ulmenblättern, zeigt keine rechte Uebereinstimmung. Die Substanz besteht aus einem verworrenen Gewebe von Fäden von stärkerem Durchmesser, ausser welchen nichts anderes vorhanden ist. Sclerotium com- planatum, aus dem Herbarium des Hrn. Linck, zeigte etwas mehr Aehnlichkeit, und es war schwieriger, in der Masse ein Gewebe von Fäden zu erkennen. Aber die Fäden in unserem Fall sind klarer, und verlaufen in der übrigen unklaren, und wie geronnen aussehenden Masse mehr gestreckt dahin. Der zierliche Bau von Dacryomyces stillatus ebendaher hatte gar keine Uebereinstimmung. Die vorgetragenen Beobachtungen dürfen keine allzu grossen Hoffnungen erregen oder vorhandene vermehren in Beziehung auf weitere mikroskopische Forschungen über die Ausschläge und die Contagien des Menschen. Denn je mehr sich die Kennt- niss der in einigen Krankheitsformen als Ursache wirkenden organisirien Wesen erweitert, um so mehr befestigt sich auch 212 die Ansicht, dass diese Verhältnisse nur eine besondere Pro- vinz der contagiösen Erscheinungen bilden, und als solche in der Beobachtung unvermischt mit fremdarligen und ohne Ge- neralisation gepflegt werden müssen, und dass sie auf die grosse Mehrzahl der ansteckenden Krankheiten nicht angewandt wer- den können, Erklärung der Abbildungen. Taf, VIII. Fig. 1. Körperchen aus der kranken Schwimmblase des Dorsches. Fig. 2. Pilzartige Körper aus den Lufthöhlen der Stryx nyctea. Fig. 2a. Durchschnitte derselben. Fig. 3. Mikroskopische Ansicht einer der mit Schimmel bedeck- ten Stellen; a. Schimmelläden; . Sporidien des Schimmels; ec. oberer Theil der confluirten Plaques; d. Fäden darin; e. bauchige Körper. Fig. 4. ‘Die letzteren in ihren verschiedenen Formen, Taf. IX. Fig. 1. Fäden im Innern der Plaques bei 600maliger Vergrösserang (von Hrn. Schmidt gezeichnet). Fig. 2. Die bauchigen Körper bei 600maliger Vergrösserung (von Hrn. Schmidt gezeichnet). Fig. 3. Durchschnitt des Rumpfes von Stryx nyctea mit den pilzarligen Körpern in den Lultböhlen und Lungen. A. Wirbelsäule; B. Lungen; €. Rippen; D. Lultröhre; E.E. Die beiden Lufthöhlen, worin die Oberfläche der Plaques mit Schimmel bedeckt ist. Ueber einen Eingeweidewurm von Testudo Mydas. Tetrarhynchus eysticus. Von Prof. Mayer in Bonn. (Hierzu Tafel X. Fig. 1—7.). An dem ganzen Darmkanale, insbesondere an dem Dünndarm einer frischen jungen Testudo Mydas, fand ich eine grosse Menge rundlicher kleiner, graulich weisser Knötchen zerstreut aufeitzen. Sie befanden sich unter dem Peritonealüberzuge der Gedärme. Ihre Grösse betrug im Durchschnitte 2 Linien im Durchmesser. Sie bestanden aus einem Balge, in welchem eine weissgraue, dickliche, käseartige Materie enthalten war, so dass sie der Miliaria tuberculosa, wie man sie bei 'an Scro- pheln und Tuberkeln leidenden Menschen antrifft, ähnlich sa- hen. Als ich aber den Inhalt dieser Knötchen unter das Mi- kroskop brachte, nahm ich in jedem Tuberkelchen, eingesenkt in jene käseartige Materie, ein helles ovales Bläschen mit einem eingeschlossenen Entozoon wahr. Die Grüsse dieses ovalen Bläschens betrug ? Linie. Bisweilen waren zwei solcher Bläs- chen in einem Knötchen vorhanden. Die Blase, worin das Entozoon enthalten war, erschien hell, und zeigte nur wenig körniges Ansehen. In dieser Blase oder in ihrer Flüssigkeit schwamm nun frei das Entozoon selbst, indem es sich mei- stens zwar milten und oben, öfters aber an den Seiten der Wand der Blase befand. Das Entozoon selbst war von der Grösse von + Linie, ebenfalls oval, am vorderen Ende stärker, F 214 am hintern schwächer eingebogen oder eingekerbt. Diese Form war jedoch veränderlich, indem das Thier sich lebhaft eontrahirte und expandirte, und so bald eine mehr rundliche, bisweilen längliche Gestalt annahm, Diese Bewegungen des Entozoons waren ziemlich lebhaft und hielten bis zum Aus- trocknen desselben an. An der vordern Einkerbung oder am Kopfende des Entozoons bemerkte man vier Grübchen oder Oeffnungen nebeneinander liegen. Es bestand das Thierchen aus einer äussern Hülle oder Haut, welche derb wie bei den Trematoden erschien. Der Körper desselben bestand aus zwei Abtheilungen. In dem äussern grössern Scheibenausschnitt bemerkte man Kugeln oder Blasen verschiedener Grösse von 345 bis „5 Linie, mit mehr oder minder gekörntem Inhalte, ähnlich denselben Organen in dem Körper der Cystica und Cestoidea. Die innere, von jener eingeschlossene Scheibe bildete einen abgegränzten Sack mit ganz fein gekörntem Inhalt und den wesentlichen Organen des Thieres. Man salı nämlich bald, sowohl so lange das Entozoon in seinem Sacke eingeschlossen, als insbesondere lebhaft, wenn es aus ihm nach Zerreissung desselben ausgetreten war, vier Stränge oder Kanäle; — denn es liess sich anfangs ihre Natur nicht klar erkennen, — in einer regelmässigen Figur neben und wie ineinander verschlun- gen vor sich liegen, an welchen sich eine lebhafte wurmför- mige Bewegung wahrnehmen liess. Bald zeigte es sich, dass man hier vier Scheiden vor sich hatte, in welchen eben so viele Rüsselorgane zurückgezogen waren, und welche nach und nach durch solche wurmförmige’Bewegungen sich entwickel- ten, und nach auswärts zum Vorschein kamen. Es zeigle sich jetzt ein Wulst an dem vordern Rande, und nach und nach, oder an verschiedenen Exemplaren, traten nun die vier langen gezahnten Rüssel des Thieres heraus. Sie befanden sich nämlich in eben so vielen Kanälen oder Därmen eingestülpt, welche nach ihrem Austrilte sichtbar wurden. Es waren vier miteinander ziemlich parallel. laufende Gänge, mehr oder min- 215 der geschlängelt verlaufend, und nach unten oder hinten in eben so viele rundliche Säcke oder Magen endend. Die Rüs- sel waren in diese Kanäle eingestülpt, so dass sie sich wie der eingestülpte Finger eines Handschuhes ausstülpten, und ihre innere Oberfläche nun eine äussere wurde. Sie sind also eben- falls hohl, und enthalten ausgestülpt einen Kanal oder bilden eine Röhre, welche die Fortsetzung jenes innern Darmkanales ist. Ihre äussere Fläche ist nun mit Zähnen von sehr schö- nem Baue versehen, und gleichsam übersäet. Man bemerkt acht grosse, hakenförmig gebogene Zähne im Umkreise, und sehr viele kleinere und kleinste. An jedem Rüssel kann man der grossen Hakenzähne gegen 80 der Länge nach zählen, was 640 für jeden Rüssel, und 2560 für alle vier Rüssel aus- machen würde. Der kleinen Zähne sind noch gegen 1900 an jedem Rüssel, an allen vier Rüsseln 7600, und so zusammen also 10,160 Zähne vorhanden. Das Aus- und Einrollen der Rüssel geschieht sehr lebhaft. An der Spitze jedes Rüssels er- scheint eine Grube, welches die Saug- oder Mundöffnung sein wird. So ist dieses Entozoon einem Polypen oder Sepie ähn- lich, welcher seine Fangarme, wie ein gezahntes Schwert, in den Magen zurückziehen und verbergen kann. Wir haben also hier einen in eine besondere Cyste ein- geschlossenen, aus einer einfachen Blase oder einem einfachen Lappen (Lobus) bestehenden, mit vier Rüsseln versehenen Wurm vor uns, Er gehört also zur Ordnung der einfachen Cystel- minthi. Vermöge seiner vier Rüssel ist er als Tetrarhynchus zu bezeichnen. Somit wäre er Tetrarhynchus ceysticus zu be- nennen. Rudolphi hat bei Testudo Mydas, und zwar in den Häuten des Magens derselben, einen Tetrarhynehus gefunden, welchen er Tetrarhynchus macrobothrius nennt und abbildete _ (Synopsis Entozoorum pag. 131. und Tab. Il. Fig. 11, 12, 13.). Er war 4% Linien lang, fast 4 Linie breit, halbvierseitig, zeigte grosse seitliche Gruben und vier Rüssel mit dreifacher Haken- reihe. Er ist also wesentlich von unserm Entozoon verschie- den, und es verhält sich unser Tetrarhynchus eysticns zu dem , 216 Tetrarhynchus macrobothrius wie Cysticercus oder Echinococ- cus zur Taenia. Es spricht diese Beobachtung wieder für die Ansicht, dass die Ordnung Cystica von der der Cestoidea nicht wesentlich verschieden sei. Denn erstens ist die Vesicula caudalis bei mehreren Cestoidea vorhanden; zweitens besitzen solche Ve- sicula caudalis mehrere Cystica nicht, wie z. B. schon unser Entozoon, Anthocephalus interruptus u. s. f. Es könnte da- her die Ordnung Cystelminthi nur in sofern stehen bleiben, als sie bloss als Blasenbewohner von den freien Cestoidea ab- gesondert würden. Und so würde auch unser Tetrarhynchus eyslicus dem Genus Tetrarhynchus der Cestoidea gegenüber stehen, wobei dieses mit dem Genus Scolex zu verschmelzen wäre, etwa als Scolex Tetrarhynchus um so mehr zu bezeich- nen, als Anthocephalus, Bothriocephalus corollatus und Gym- norhynchus ebenfalls Tetrarhynchi sind, so dass der Name Tetrarhynchus nicht wohl als Geschlechtsname gelten darf. Unser Tetrarhynchus eysticus hat grosse Aehnlichkeit mit Echi- nococcus, und wäre etwa auch Echinococeus corollatus zu be- nennen. Die bis jetzt beobachteten Echinococei sind Taenien; unsere Species aber ist ein Bothrioeephalus mit vier Gruben, aus welchen die vier Rüssel sich entwickeln. Erklärung der Abbildungen. Taf. X. Fig. 1. Ein Stück des Dünndarmes von Testudo My- das jun., woran man die kleinen graulich weissen Tuberkeln oder Knötchen zerstreut ‚sieht, in natürlicher Grüsse bei zusammengezoge- «nem Darme. Fig. 2. .Die ganze Cyslis des Tuberkels; a. die äussere Blase, worin die käseartige Masse enthalten ist; 5. die innere helle Cystis; ce. das Entozoon. Fig. 3. 5. Die innere Cyste besonders, c. das Entozoon darin. Fig. 4. Das Entozoon allein, 100 Mal vergrössert, An dem- selben bemerkt man den äussern Discus c und den innern Discus e, E = sodann die vier Rüssel dddd und ihre Scheiden, und deren Ausmün- dung nach vorn am Mund f. Fig. 5. Das Entozoon mit entwickelten Rüsseln, wobei man die vier nun leeren Darmkanäle mit einem Magen endend erkennt, Das Uebrige wie in Fig. 4. Fig. 6. Ein Stück von einem noch nicht ganz entwickelten Rüs- sel, wobei die Zähne nach einwärls einander gegenüber gekehrt sind. Fig. 7. Ein Stück von einem völlig entwickelten Rüssel mit der Saugmündung nach vorn. 217 Bemerkung zu dem vorhergehenden Aufsatze. Von Dr. Peters. Der hier von Herrn Professor Mayer beschriebene Wurm dürfte doch wohl nicht von Rudolphi’s Tetrarhynchus macrobothrius spe- eifisch verschieden sein. Denn an den Rudolphi’schen Original- exemplaren finde ich die Haken der ausgestülpten Rüssel ebenfalls rund herum in alternirenden Längsreihen stehend, so dass wohl p. 453. seines Werkes alternatis st. ternalis zu lesen ist. Die äussere Form dieses Wurmes variirt sehr, wie Rudolphi selbst p. 689. bemerkt, und das Vorhandensein einer Cyste kann ebenfalls nicht zur Unter- scheidung dienen, da alle diese Würmer sich wahrscheinlich in Cysten entwickeln, wenn man sie auch im ausgebildeten Zustande zuweilen frei in den Höhlen vorfindet. .4 m 8 E Ueber eine in den kranken und normalen Haarsäcken des Menschen lebende Milbe. Von Dr. Gustav Sımon, practischem Arzte in Berlin. (Hierzu Taf. XI.) | T iR In Beziehung auf das Zustandekommen der Acne konnte an die Frage aufwerfen: entstehen die diesen Ausschlag bildenden Pustelu durch das Erkranken irgend eines bestimmten, in der Haut vorhandenen Organes, wie der Talgdrüsen, der Haar- säcke u. dgl., oder werden dieselben durch Entzündung und Eiterbildung in dem eigentlichen, aus Fasern bestehenden Ge- webe der Cutis, ohne vorausgegangene Erkrankung eines andern Theiles der Haut, hervorgebracht? Ich untersuchte, um diese Frage zu entscheiden, den Inhalt der bei lebenden Personen geöffneten Acnepusteln. Sowohl in den kleinen, schnell sich öffnenden Pusteln, welche mit dem Namen Acne simplex be- legt werden, als auch in den grösseren, lange als blosse, mehr oder weniger geröthete Verhätunrgen der Haut bestehenden, der Acne indurata, fand ich ausser Eiter auch öfters kleine, längliche, weisslich aussehende Körper. Brachte ich diese un- ter das Mikroskep, so bemerkte ich in denselben immer ein Haar, welches von jenem weisslichen Körper rings umschlos- sen war. Die Gestalt dieses Körpers, so wie sein Verhalten zum Haare, setzten es ausser Zweifel, dass derselbe der Haar- sack war. Von einem normalen Haarsacke unterschied er sich nur dadurch, dass er viel weicher war und wie macerirt er- schien, so dass er sich bei einem geringen Drucke in viele u. Di; r7 219 Stücke theilte. Einige Mal sah ich auch noch Theile der Talg- rüsen mit dem Balge in Verbindung. In kleinen Acnepusteln and ich gewöhnlich nur einen Haarbalg, in grösseren mehrere. Liessen sich in der aus den Acnepusteln gedrückten Masse sol- che weissliche Körperchen nicht erkennen, so bemerkte ich doch, wenn ich den ganzen Inhalt unter das Mikroskop brachte, in demselben oft ein oder mehrere Haare, die zuweilen schlin- genförmig zusammengebogen, oder spiralförmig gewunden wa- ren. Wenngleich es nach diesen Befunde wahrscheinlich wird, dass die Acne in einem Erkranken der Haarbälge ihren Grund hat, so liesse sich auf der andern Seite aber auch recht gut annehmen, dass die zu der Acnepustel nlasenng gebende © Entzündung ic dem eigentlichen Gewebe der Culis ihren Ur- sprung nimmt, dass bei dem Eintritte der Eiterung die Haar- bälge aus ihrer Verbindung mit der Haut getrennt, und bei dem Aufbruche der Pustel mit ausgestossen werden. Ein von den Acnepusteln verschiedener Krankheitszustand der Haut schien mir hierüber Aufschluss geben ‘zu können. Häufig näm- lich findet man, und zwar besonders bei Personen, welche mit Acnepusteln behaftet sind, punktförmige, und meist schwärz- lich aussehende Flecke auf der Haut, die von der Anhäufung einer Settartigen Materie in kleinen Vertiefungen der Haut herrühren, und mit dem Namen Mitesser (Comedones, Acne punctata) belegt werden. Nicht selten sieht man nun, dass dureh die Entzündung der Umgegend eines oder mehrerer sol- cher Comedonen eine wirkliche Acnepustel sich bildet, und öfters erkennt man auch bei Acnepusteln, deren erstes Ent- stehen man nicht zu beobachten Gelegenheit hatte, an dem Vorhandensein eines oder mehrerer schwarzen Punkte auf den- selben, dass sie auf gleiche Weise müssen entstanden sein Liesse sich nun nachweisen, dass die Mitesser auf irgend eine Weise veränderte Haarbälge sind, so würde die Annahme, dass die Acnepusteln durch Erkranken der Haarbälge erzeugt wer- den, sehr an Wahrscheinlichkeit gewinnen. Nach der Angabe vieler Autoren enistehn die Mitesser durch abnorme Anhäufung Müller’s Archiv. 1812. 415 7 a 220 ” * in den das Hauttalg absondernden Drüsen, die man früher für einfache Bälge hielt. Diese Drüsen münden indess nur an den ganz haarlosen Stellen, wie der Eichel und den Nymphen frei # auf die Oberfläche der Haut, an den andern Körperstellen ste- ben ihre Ausführungsgänge immer mit den Haarbälgen in Ver- bindung. Dies geben wenigstens fast alle neueren Beobachter an, und auch ich konnte bei meinen Untersuchungen in der Haut des Gesichts niemals eine für sich bestehende Talgdrüse finden. Wo eine solche vorhanden zu sein schien, zeigte im- mer der ganz fehlende oder wenigstens nicht zur Hautober- fläche reichende Ausführungsgang, ‚dass der zur Drüse gehörige Haarbalg abgeschnitten worden war. Ging hieraus schon mit Sicherheit hervor, dass jene Grübehen der Haut, in denen die die Comedonen bildende fettarlige Masse gefunden wird, nicht die Talgdrüsen sein können, so ergiebt sich aus den folgenden Beobachtungen wohl mit Gewissheit, dass dieselben Haarbälge sind. Frühere Untersuchungen haben gelehrt, dass die aus den Comedonen gedrückte Masse aus kleinen Zellen besteht, von denen viele mit Feit gefüllt sind *). Oefters fand ich auch den Inhalt der Mitesser ganz‘ so beschaffen, häufig bemerkte ich ausserdem aber ein oder mehrere Haare darin. Letz- | tere waren in der ausgedrückten Masse entweder unregelmäs- sig zerstreut, ‚und nach verschiedenen Richtungen gekrümmt, oder lagen sämmtlich parallel nebeneinander. Dies sah ich besonders häufig bei recht grossen und an der Spitze schwarz gefärbten Comedonen der Nase. Die Anzahl der in einem so- chen Comedo befindlichen Haare war zuweilen ausserordentlich gross, und belief sich in manchen Fällen bis auf einige vierzig. Die Haare in den grösseren Mitessern der Nase hatten noch das Eigenthümliche, dass sie am obern Ende nicht vollkommen spitz zuliefen, sondern wie rundlich abgeschliffen aussahen. Noch deutlicher zeigte die Untersuchung der Haut von Leichen, 4) Henle, Symbolae ad mm villorum iotestinalium. Berol. 1837. pag. 6. Not. » 7 221 dass die Comedonen krankhaft veränderte Haarbälge sind. Trug ich nämlich von der mit Mitessern besetzten Haut der Nase durch senkrechte Schnitte dünne Lamellen ab, und betrachtete diese unter dem Mikroskope, so stellten sich die Comedonen als unten geschlossene und mit ihrer Mündung bis zur Ober- fläche der Haut reichende Säckchen dar. Sie hatten ganz die Form der Haarbälge, nur waren sie um ein Beträchtliehes wei- ter als die normalen, wie die Vergleichung mit ganz regel- mässig beschaffenen Haarbälgen von den entsprechenden Haut- stellen anderer Leichen zeigte. Im Innern der erweiterten Haarsäcke bemerkte man sehr viel angehäuftes Hauttalg, und entweder nur ein oder eine grössere Anzahl von Haaren. Wenn viele Haare vorhanden waren, konnte man von der Scheide, die im Normalzustande den unteren Theil des Haares innerhalb des äusseren Balges umgiebt, nichts bemerken, sondern sämmt- liche Haare schienen frei in dem äussern Balge zu liegen. Durch Druck liess sich das Hauttalg aus der Mündung des Haarbalges heraustreiben. Sind demnach die Mitesser als kranke Haarbälge anzusehn und wandeln dieselben sich zuweilen in Acnepusteln um, so ist es sehr wahrscheinlich, dass auch in den Fällen, wo diese Pusteln nicht aus einem Comedo ihren Ursprung nehmen, ein Erkranken der Haarbälge zu ihrer Entstehung Veranlassung giebt. Ob diese Vermuthung richtig ist, müssen fernere Untersuchungen lehren. Ausser den erwähnten Bestandtheilen fand ich aber in der aus den Comedonen lebender Menschen genommenen Masse noch einen andern, den ich Anfangs nicht zu deuten wusste. =... darin nämlich öfters einen etwa 7; Linie lan- dünnen Körper, der an dem einen Ende abgerundet war, und an dem andern, etwas diekeren, wie mit kurzen Zacken besetzt erschien. Anfangs glaubte ich, dass vielleicht die Haarsackdrüsen der Nase anders, wie an den übrigen Körperstellen gebaut wären, und dass ich beim Ausdrücken des Comedo den Ausführungsgang einer solchen Drüse mit einem noch daran befindlichen Stücke der letztern mit her- 15* 222 ausgerissen haben möchte. Hiergegen sprach indess theils theils der Umstand, dass das dünnere abgerundete Ende jenes Körpers vollkommen geschlossen erschien, theils der, dass das dickere zackige Ende immer auf gleiche Weise gestaltet war, was bei dem abgerissenen Stücke einer Drüse nicht wohl der Fall sein konnte. Ich setzte deshalb meine Untersuchungen fort, suchte den erwähnten Körper, wenn ich ihn in der aus den Mitessern gedrückten Masse bemerkte, jedes Mal durch Hin- und Herschieben des Deckglases gehörig zu isoliren, und gelangte endlich zu der Annahme, dass derselbe ein Thier sein müsse, denn bei stärkeren Vergrösserungen glaubte ich deut- lich Kopf, Beine, Vorder- und Hinterleib unterscheiden zu können. Diese Annahme wurde zur Gewissheit, als ich in einem Falle, wo ich das zu untersuchende Object nur sehr mässig zwischen zwei Glasplatten zusammendrückte, deutliche Bewegungen an demselben wahrnahm, Seitdem habe ich diese Beobachtung so oft von Neuem gemacht, dass ich von deren Richtigkeit auf das Bestimmteste überzeugt bin. Auch habe ich vielen der hiesigen Naturforscher und Aerzte lebende Exem- plare gezeigt, die von allen sogleich für Thiere erkannt wur- den, Da mir das Vorkommen lebender, früher nicht bekann- ter Thiere in der Haut des Menschen eine sehr auflallende Er- scheinung zu sein schien, so machte ich mir gleich Anfangs den Einwand, dass diese Geschöpfe möglicher Weise erst wäh- rend der Untersuchung durch das angewendete Wasser oder auf irgend eine andere Weise sich der aus den Comedonen genommenen Masse konnten beigemengt haben. Zwar waren die Thiere in der Regel von Feitzellen dicht umhüllt, und wurden erst sichtbar, wenn man diese mässig auseinanderdrückte, doch schienen mir diese Gründe noch nicht ganz genügend. Ich befreite deshalb zwei wohl gereinigte Glasplatten durch starkes Erwärmen über einer Spirituslampe von allen etwa daran befindlichen organischen Bestandtheilen, drückte mit ei- ner auf dieselbe Weise gereinigten Haarnadel bei einem leben- den Menschen den Inhalt eines Comedo aus, brachte diesen, N EEE BE 223 ohne Wasser oder eine andere Substanz hinzuzuthun, zwischen die Glasplatten, und fand nun auch hier die Thiere. Dass letztere nicht auf, sondern wirklich innerhalb der Haut geses- sen hatten, ergab schon die Betrachtung mit der Loupe, mit- telst welcher man die Thiere erkannt haben würde, wenn diese frei auf der Haut sich befunden hätten. Auch wenn ich bei Personen, in deren Comedonen Thiere enthalten waren, mit ei- nem Messer über die Haut hinschabte, und die so abgelösten Theile unter dem Mikroskop betrachtete, so nahm ich niemals Thiere darin wahr, sondern diese zeigten sich immer erst, ‚wenn der Inhalt der Mitesser ausgepresst wurde. Im Ganzen habe ich bis jetzt bei drei lebenden Menschen Thiere in den Comedonen aufgefunden, nämlich bei einem Manne von 40, einem andern von 30, und einem dritten von 22 Jahren. Alle drei sind gesunde und sehr reinliche Leute. Die Comedonen hat- ten bei allen dreien ihren Sitz auf der Nase gehabt. Bei sieben andern lebenden Personen, bei denen ich den Inhalt der Mitesser untersuchte, konnte ich in diesem keine Thiere wahrnehmen. Nachdem ich mir auf die angegebene Weise die Gewiss- heit verschafft hatte, dass in der Haut lebender Menschen eine eigenthümliche Art von Parasiten vorkömmt, schritt ich dazu, diese auch in menschlichen Leichen aufzusuchen. Ich wählte zu diesem Zwecke sechs Leichen, von denen vier sehr viele, zwei aber nur wenige Comedonen auf der Nase hatten. Von der Haut des genannten Theiles trug ich durch senkrechte Schnitte dünne Lamellen auf die Weise ab, dass in jeder von diesen einige Comedonen sich befanden. Als ich diese Lamel- len unter das Mikroskop brachte, bemerkte ich, dass die Com- edonen, die sich deutlich als erweiterte und mit vielem Haut- talg angefüllte Haarsäcke darstellten, fast sämmtlich Thiere ent- hielten, von denen sogar viele noch lebten. Beim Zusammen- pressen des Hautstückes konnte ich diese gewöhnlich zugleich mit dem Sebum aus der Mündung des Haarbalges herausdrük- ken. Auffallend war es mir bei der Untersuchung dieser Haut- slücke, dass auch viele darin befindliche Haarsäcke, welche 224 mir von ganz normaler Weite zu sein schienen, Thiere beher- bergten. Ich nahm deshalb, um mir von der Weite und übri- gen Beschaffenheit der ganz normalen Haarsäcke eine gehörige Anschauung zu verschaffen, Haut von der Nase zweier Leichen, bei denen keine Spur von Mitessern zu bemerken war, brachte dünne Stückchen davon unter das Mikroskop, und fand auch hier in vielen Haarsäcken ein oder mehrere Thiere. Im Gan- zen sind bis jetzt zehn Leichen von mir untersucht worden, zwei von neugebornen Kindern, eine von einem Kinde von drei Jahren, und sieben von Erwachsenen beiderlei Geschlechts. Bei acht derselben, von denen sechs Mitesser hatten, fand ich theils in den krankhaft erweiterten, theils in den regelmässig beschaflenen Haarbälgen der Nase und der nächsten Umgebung derselben Thiere. Die Haarbälge anderer Körperstellen habe ich bis jetzt noch nicht untersucht. Die einzigen Leichen, in denen keine Thiere bemerkt wurden, waren die der beiden neugeborenen Kinder. Nicht leicht, glaube ich, wird mir Jemand den Einwand machen, dass die bei todten Menschen wahrgenommenen Thiere während des Lebens derselben noch nicht vorhanden gewesen, sondern erst in die Leichen hineingekrochen sein könnten, da ich oben Beweise genug für das Vorkommen derselben bei lebenden Personen angeführt habe. Für diejenigen indess, welchen etwa die dort beigebrachten Gründe noch nicht ge- nügend erscheinen sollten, führe ich noch folgende Thatsache an: Von Herrn Dr. Troschel erhielt ich vor einiger Zeit ein Hautstück, welches dieser bei der Exstirpation einer klei- nen Geschwulst an der Oberlippe einer 40jährigen lebenden Frau mit ausgeschnitten hatte. Dasselbe war von dem dicht unter dem einen Nasenflügel gelegenen Theile der Oberlippe und enthielt, wie die unmittelbar nach der Operation von mir angestellte Untersuchung ergab, eine Menge von Thieren, die theils einzeln, theils zu zweien bis dreien beieinander in den Haarbälgen sassen. Die auf diese Weise aufgefundenen Thiere hatten nicht alle 225 eine ganz gleiche Gestalt, sondern zeigten Unterschiede, welche, wie später angegeben werden soll, von dem verschiedenen Al- ter derselben abhängig waren. Die Form, welche ich am häu- figsten beobachtet habe, ist 0,085 bis 0,125 Linien lang und ungefähr 0,020 Linien breit (Fig. 2.). Der Kopf, welcher sich nach vorn zu verschmälert, besteht aus zwei seitlich gelegenen Körpern (Palpen) (Fig. 2. «) und einem zwischen diesen befind- lichen Rüssel (Fig. 2. 2.). Die Palpen sind aus zwei Gliedern zusammengeselzt, einem hinteren längeren und einem vorderen kürzern. Letzteres scheint am freien Ende kleine Zacken zu haben. Der Rüssel, welcher zuweilen die Palpen überragt, an- dere Male weiter als diese zurücksteht, gleicht einem länglichen Rohre. Auf dem Rüssel liegt ein einem Dreieck gleichendes Organ, dessen sehr kurze Basis am hinteren Theile des Rüs- sels sich befindet, dessen Spitze sich aber nicht ganz bis zum vorderen Rande desselben erstreckt. Bei starker Vergrösserung sieht man, dass jener drejeckige Körper aus zwei nebenein- ander liegenden Spitzen oder Borsten besteht. Der Kopf geht unmittelbar in den Vorderleib über, der etwa den vierten Theil der Körperlänge ausmacht, und etwas breiter ist als der oberste Theil des Hinterleibes. Zu beiden Seiten des Vorderleibes sitzen vier sehr kurze Füsse (Fig. 2. c.), von denen jeder einem kurzen Kegel gleicht, dessen Basis aus den Seitentheilen des Vorderleibes entspringt. In der Regel bemerkt man an jedem Beine drei dunkele Queerlinien, die das Vorhandensein drei besonderer Glieder anzudeuten schei- nen. Zwischen diesen Linien befinden sich oft kürzere, min- ‚der deutliche und unregelmässig vertheille Queerstreifen, die wie feine Falten ausschn. An der Spitze jedes Fusses nimmt man bei starker Vergrösserung drei dünne Krallen wahr, eine lange und zwei kürzere, Diese Krallen laufen gewöhnlich spilz zu, einige Mal indess schienen sie mir oben abgerundet zu sein. Von dem nach vorn gerichteten Theile der Basis jedes Fusses erstreckt sich ein, aus einer Doppellinie bestehen- der Streifen queer über den Vorderleib bis zur Mittellinie, so 226 dass im Ganzen: vier vorhanden sind. In der Mittellinie steht jeder dieser Streifen mit dem zunächst dahinter gelegenen durch einen öfters nur leicht angedeuleten Längenstreifen in Verbin- dung. Die Queerstreifen laufen wahrscheinlich rings um den Vorderleib herum, wenigstens kamen sie mir auf dem Rücken der Thiere eben so deutlich wie auf der Bauchfläche derselben vor. Was die Gestalt des ganzen Vorderleibes beirifft, so ist derselbe fast überall gleich breit, und höchstens in der Mitte, in der Nähe des zweiten Fusspaares, etwas breiter als an den 3 übrigen Stellen. An den Vorderleib schliesst sich ohne. Unterbrechung der Hinterleib (Fig. 2. d.) an, welcher an seinem vordersten Theile nur um ein sehr Geringes dünner ist, als der Vorderleib, sich allmählig aber verschmälert und hinten abgerundet endet. Seine Länge übertrifft die des Vorderleibes ungefähr um das Drei- fache. Am ganzen Hinterleibe bemerkt man in kurzen, regel- mässigen Abständen voneinander stehende, feine Queerstreifen, die durch Falten oder Einschnürungen erzeugt werden müs- sen; denn wenn man die Ränder des Hinterleibes ‚bei nicht zu geringer Vergrösserung betrachtet, so sieht man zwischen je zwei Falten eine kleine Hervorragung, wodurch die Ränder das Ansehn erhalten, als wären sie feilenartig gekerbt. Die | gleich zu beschreibenden, im Innern des Hinterleibes enthalte- nen Massen verhindern oft das deutliche Erkennen der Queer- streifen, doch lassen diese sich, wenigstens stellenweise, bei einiger Aufmerksamkeit immer auffinden und am ganzen Hin- 1erleibe leicht dadureh wahrnehmbar machen, dass man durch starkes Zusammenpressen des Thieres ein Platzen des Hinter-_ leibes und den Austritt der Conlenta bewirkt. Im Innern des Hinterleibes bemerkt man eine bei durch- fallendem Lichte braun oder schwärzlich aussehende Masse, die aus kleinen Körnern zusammengesetzt zu sein scheint. Diese Körner haben Aehnlichkeit. mit dem Inhalte. der Pigmentzellen, sind jedoch grösser und weniger regelmässig, als die in diesen befindlichen Körner, Dieselben füllen zuweilen den ganzen . 227 Hinterleib ziemlich gleichmässig aus, häufig befinden sich zwi- sehen denselben aber auch helle, durchscheinende Stellen von nicht immer gleicher Grösse, die ziemlich das Ansehen von Fetttropfen haben. Diese heilen Stellen, die rund, oval oder beinahe viereckig sind, haben mitunter über die dunkele Masse das Uebergewicht, in welchem Falle dann die letztere nur einen Rand um die hellen Stellen bildet, und dadurch dem Hinterleibe das Ansehn giebt, als wäre dieser ganz mit Zellen angefüllt. Diese Zellen sind zuweilen so gross, dass nur’ eine, hinter der andern im Leibe Platz hat; in andern Fällen liegen zwei Reihen nebeneinander, und zuweilen wechseln auch grös- sere und kleinere Zellen ganz unregelmässig miteinander ab, Einige Mal sah ich die beschriebenen Massen auch bis in den Vorderleib sich erstrecken. Nach hinten zu reicht bei vielen Thieren der Inhalt bis an das Ende des Hinterleibes, bei an- dern hört jener in einiger Entfernung von dem abgerundeten Ende des Hinterleibes mit einer scharfen Grenzlinie auf. Im obern Theile des Hinterleibes habe ich mehrere Mal einen deut- lich braun gefärbten, länglichen, nach vorn in’ eine feine Spitze auslaufenden Körper bemerkt, der auch aus Körnern zu bestehen schien, doch bestimmtere und regelmässigere Contouren zeigte, als-die übrige Masse. Bewirkte ich durch Pressen eine Ruptur des Leibes, so traten eine Menge einzelner Körner von der angegebenen Art hervor, ein Organ von bestimmter Construction liess sich dabei aber nicht unterscheiden. Die zweite Form, in der ich die fraglichen Thiere ange- troflen habe, gleicht der vorher beschriebenen fast ganz, und unterscheidet sich von derselben nur durch einen kürzeren Hin- terleib (Fig. 3.). Kopf und Vorderleib sind nämlich durchaus eben so gebaut, wie bei der ersten Form, der Hinterleib ist aber nur 4 bis 14 Mal so lang als der Vorderleib. Der Hin- terleib verschmälert sich entweder auch hier allmählig, und endet wie bei der ersten Form, oder er nimmt nach hinten zu nur wenig an Breite ab, und sieht am Ende wie rundlich abgestulzt aus. (ueerstreifen sind auch hier auf dem Hinter- 228, ' leibe deutlich zu erkennen. Im Allgemeinen lässt sich zwi- schen dieser und der vorigen Form keine bestimmte Grenz- linie ziehn, sondern es findet durch viele Zwischenstufen ein allmähliger Uebergang von der einen zur andern statt. Eine dritte Form ist besonders durch den sehr kurzen und zugleich hinten zugespitzlen Hinterleib ausgezeichnet (Fig. 4.). Letzterer ist nämlich noch kürzer, wie bei der vorigen Form, und bildet am Ende einen spitzen Winkel oder eine nur am äussersten Ende abgerundete Spitze. Ausserdem erscheinen bei der Lage des Thieres auf dem Bauche oder dem Rücken die Seitenlinien des Vorderleibes stärker gebogen, was von einer stärkeren Erweiterung des Vorderleibes in der Gegend des zweiten Fusspaares, und von einer grösseren Verengerung des- selben in der Nähe des letzten Fusspaares herrührt. Durch diese Gestaltung des Vorder- und Hinterleibes hat der ganze Körper des Thieres Aehnlichkeit mit einer kurzen Rübe. Die- ser Form fehlen die Queerstreifen auf dem Hinterleibe. Eine vierte Form endlich kömmt hinsichtlich ihres ganzen Habitus und der beträchtlichen Länge ihres Hinterleibes am meisten mit der ersten überein, weicht von dieser indess be- sonders dadurch ab, dass sie statt vier Fusspaare deren nur drei hat (Fig. 1.). Ausserdem sieht das ganze Thier zarter aus und die Umrisse desselben erscheinen minder dunkel und scharf; es ist immer merklich schmaler als die erste Form, und dabei entweder eben so lang als diese, oder zugleich auch kür- zer, welche Verkürzung indess nicht bloss durch geringere Länge des Hinterleibes, sondern durch verminderten Umfang in allen Dimensionen zu Wege gebracht wird. Der Kopf des Thieres ist im Verhältniss zu den übrigen Theilen desselben länger, und verschmälert sich nach vorn weniger. Der Vor- derleib ist um so viel, als die Ansatzpunkte des fehlenden Fuss- paares betragen, kürzer und seitlich mehr nach aussen gewölbt. Der Hinterleib erscheint wegen des Fehlens aller Queerstreifen ganz glatt. Die körnige Masse im Innern des Hinterleibes ist beschränkter und meistens auch blasser. 229 In welche Abtheilung des Thierreichs gehört nun nach den angegebenen Characteren dieser Parasit? Um diese Frage zu entscheiden, habe ich den Rath des Hrn. Dr. Erichson eingesholt. Nachdem derselbe gemeinschaftlich mit mir eine grössere Anzahl von Exemplaren untersucht hatte, die zum Theil in seiner Gegenwart aus den Comedonen lebender Men- schen genommen worden waren, gab er sein Urtheil ungefähr in folgender Weise ab: Helminth ist das fragliche Thier nicht, sondern seine ganze Organisation, namentlich die deutlich vorhandenen Fusspaare, verweisen es in die grosse Abtheilung der Insecten im Linne- schen Sinne. Nach der weiteren Eintheilung derselben, wie sie jetzt besteht, gehört jener Parasit, da er keinen vom Thorax abgesetzten Kopf, keine Antennen und vier Fusspaare hat, zu der Klasse der Arachniden, und nach der Form der Mund- theile zu der Ordnung der Milben. Der am Kopfe befindliche Rüssel (Fig. 1. b., Fig. 2. 5.) ist die bei allen Milben in ent- sprechender Form vortretende Unterlippe, die beiden darauf liegenden Borsten sind die Mandibeln, und die neben dem Rüs- sel vorhandenen zweigliedrigen Körper (Fig. 1. a., Fig. 2. a.) die Maxillarpalpen. Jedenfalls sind die oben beschriebenen Formen verschiedene Entwickelungsstufen einer Milbe, und zwar ist die als die vierte Form bezeichnete (Fig. 1.) die erste Stufe, denn eine sehr grosse Anzahl von Milben hat in der Jugend nur drei Fusspaare. Die zuerst beschriebene Form (Fig. 2.) ist die zweite Entwicklungsstufe, und die Formen mit verkürztem Hinterleibe (Fig. 3., Fig. 4.) sind noch spätere. Da es wahrscheinlich ist, dass bei dem völlig ausgebildeten Thiere der Hinterleib ganz eingehn werde, so hat man Grund anzunehmen, dass die letzte Entwicklungsstufe bis jetzt noch nicht bekannt ist. Die Bestimmung der Familie und Gattung ist auch deshalb noch nicht thunlich. Im Allgemeinen kömmt eine solche Metamorphose, wie sie bier in Beziehung auf die allmählige Verkürzung des Hin- terleibes wahrgenommen wird, bei den Milben nicht vor, son- 230 dern diese behalten nach den bisherigen Erfahrungen, selbst wenn noch ein Fusspaar nachwachsen muss, später dieselbe Form bei, in welcher sie aus dem Ei kamen; indess hat Har- tig') bei einer in Kieferngallen lebenden Milbe (Oribata ge- nieulata Latr.) eine Metamorphose beobachtet und beschrieben, die der des Hautparasiten ganz analog ist. Mit auf der Haut schmarotzenden Milben kann die in den Haarsäcken lebende nicht verwechselt werden, denn die Krätz- und Räudemilben haben lange, deutlich gegliederte Beine mit Heftläppchen, und nicht die geringste Verwandlung, denn sie kommen sogar schon mit vier Fusspaaren aus dem Ei. Eher noch könnte an eine Verwandtschaft mit den Vogelmilben (Dermanyssus) gedacht werden, welche Anfangs nur sechs Füsse haben; die madenförmige Gestalt indess, welche die Haarsackmilbe in ihren ersten Entwicklungszuständen zeigt, so wie die auflallende Kürze ihrer Beine, entfernen sie von jenen. Das von Donn& ?) im Vaginalschleim aufgefundene Thier (Trico-monas vaginalis), welches dieser Beobachter zu den In- fusorien rechnet, das indess nach Andern wahrscheinlich zu den Milben gehört, unterscheidet sich nach Donn&’s Be- schreibung und Abbildung in vielen Punkten von der in den Haarsäcken vorkommenden Milbe. Es ist nämlich oft nur dop- pelt so gross, als ein Blutkörperchen, und höchstens +} Linie lang, hat einen runden oder elliptischen Körper, der vorn mit einem peitschenförmigen Anhange, und auf der einen Seite mit mehreren feinen Fäden versehen ist. Da also aller Vermuthung nach das in den Haarbälgen lebende Thier in seinem vollkommen ausgebildeten Zustande noch nicht beobachtet worden ist, so wäre es, wenn auch 1) Forstl. und forstnaturwissenschaftl. Conversationslexicon von G. L. und Tb, Hartig. Berlin 1834. S. 737. 2) Physiologisch- pathologische Untersuchungen über Eiter u. s. w. von Julius Vogel. Erlangen 1838. S. 129. 231 nicht eben wahrscheinlich, doch wenigstens möglich, dass diese letzte Entwicklungsstufe eine schon bekannte Milbe. ist. In keinem Falle aber könnte dieselbe, aus den vorher angeführten Gründen, eine von den parasitisch auf der Haut vorkommen- den sein, sondern diese Milbe müsste die merkwürdige Eigen- schaft besitzen, im Jugendzustande innerhalb des menschlichen Körpers, und nach erlangter vollständiger Ausbildung ausser- halb desselben zu leben. Fernere Untersuchungen werden die- sen Gegenstand wohl bald besser aufklären; vorläufig indess will ch das von mir aufgefundene Thier, nach seinem Vorkommen in den Haarbälgen, mit dem Namen Acarus follieulorum bezeeichnen. Ungefähr sechs Mal habe ich, theils in den Comedonen Lebender, theils in den Haarsäcken von Leichen, einen herz- förmigen, an dem stumpfen Ende mit einem kurzen Fort- satze versehenen Körper gefunden (Fig. 8.). Derselbe war etwas länger als der Körper einer Milbe breit ist, hatte gewöhn- lich eine bräunliche Farbe und sah aus, als wäre er mit einer körnigen Masse gefüllt. In den Ilaarsäcken von Leichen lag er immer dicht neben einem Thiere, mit dem er jedoch nicht in Verbindung stand. Dieser Umstand, so wie der, dass jener Körper mit keinem Theile des menschlichen Organismus Aehn- lichkeit hat, giebt der Vermuthung Raum, dass derselbe mit den Milben in irgend einer Beziehung stehe. Er könnte z.B. eine Eischaale sein, aus welcher ein Thier ausgeschlüpft ist. Ueber die Bewegungen der Thiere habe ich Folgendes be- obachtet: Die Palpen können nach verschiedenen Richtungen bewegt, so wie eingezogen und vorgestreckt werden. Letzte- res gilt auch von dem Rüssel, den man deshalb bald über die Palpen herausragen, bald weiter als diese zurückstehen sieht. Die Füsse werden gleichfalls in verschiedenen Richtungen be- wegt, und oft bemerkt man, dass die Thiere dieselben lange Zeit pendelartig hin und her ziehn. Dies geschieht entweder mit allen Füssen zugleich, oder nur mit einem oder eini- gen. Auch können die Füsse eingezogen und wieder vor- 232 ° gestreckt werden. Der Thorax ist der Krümmung fähig. und ebenso wird der Hinterleib häufig nach dieser oder jener Gegend gekrümmt. Durch diese Bewegungen bewirken die Thiere, wenn man sie in einer Flüssigkeit unter dem Mikro- skope betrachtet, zuweilen kleine Ortsveränderungen. Indem sie mit den Füssen Bewegungen, ähnlich wie zum Schwim- men machen, und zugleich den Hinterleib hier- oder dahin wenden, rücken sie eine kurze Strecke weit fort, oder drehen sich ‘auf die Seite, wenn sie vorher auf dem Rücken oder Bauche lagen. Beträchtlich sind indess die Ortsveränderungen, die auf diese Weise hervorgebracht werden, nicht. Eiomal habe ich indess gesehen, dass ein Thier, welches ich in dem Haarsack einer Leiche noch lebend fand, sich beinahe um so viel, als die Körperlänge desselben betrug, vorwärts bewegte. Es kroch nämlich an einem Haare fort, wobei es dieses mit den Füssen umfasste und auf diese Art gleichsam an demselben hinauf kletterte. Was die Häufigkeit des Vorkommens der einzelnen For- men betrifft, so ist mir die vierbeinige mit langem Hinterleibe, die ich oben als die erste bezeichnet habe, öfter als die übri- gen zu Gesichte gekommen. Gar nicht selten, doch nicht ganz so oft als diese, beobachtete ich die zweite, mit kurzem, aber nicht zugespitztem Hinterleibe. Verhältnissmässig sehr selten sah ich die dritte Form mit zugespitztem Hinterleib, und die vierte mit drei Fusspaaren; denn während ich von den beiden ersten Formen schon über hundert Exemplare untersucht habe, sind mir bis jetzt von der dritten nur zehn, und von der vier- ten nur sechs Exemplare vorgekommen, die ich aber jedes Mal sehr deutlich gesehen habe, so dass ich mich namentlich über das Fehlen des einen Fusspaares bei der vierten Form auf das Bestimmteste zu überzeugen im Stande war. Bei einem und demselben Menschen kommen Thiere von verschiedener Ent- wicklungsstufe vor. So fand ich einige Mal bei Leichen in einem und demselben Haarsacke ein Exemplar mit vier Fuss- paaren und langem Hinterleib, und ein anderes, viel dünneres 233 und kürzeres, mit drei Fusspaaren. Auch in dem Inhalte des- selben Comedo sah ich diese beiden Formen beieinander. Ebenso nahm ich bei denselben Personen, bei denen die eben erwähnte achtbeinige Form sich zeigte, aueh in der Regel die kurze, mit abgerundetem Hinterleibe wahr. Die achtbeinige Form mit zugespitztem Hinterleib habe ich 7 Mal in den Comedonen eines lebenden Mannes gefunden. Zugleich war bei diesem Menschen die andere kurze Form mit acht Beinen häufig zu- gegen, während sich nur wenige Individuen der langen acht- beinigen wahrnehmen liessen. Ausserdem habe ich die kurze Form mit spitzem Hinterleib noch drei Mal in Leichen neben den andern Formen bemerkt. Die Menge der in einem Comedo vorhandenen Thiere variiel, Bei Leichen fand ich darin in der Regel zwei bis sechs, und dies war auch die bei Lebenden am gewöhnlichsten vor- kommende Anzahl; einige Mal habe ich indess bei lebenden Personen auch eine beträchtlich grössere bemerkt, denn ich sah z. B. einmal elf (Fig. 5.), und ein anderes Mal sogar drei- zehn. In den normalen Haarsäcken nimmt man am häufigsten nur eins oder zwei, selten drei oder vier wahr. Die Milben sitzen meistens der Mündung des Haarbal- ges näher als dem Grunde desselben, doch sah ich sie in den Comedonen von Leichen auch zuweilen fast ganz in der Tiefe des Haarbalges. Die Längenachse des Thieres läuft stets mit der des Haarbalges parallel; der Hinterleib ist fast immer der Mündung, der Kopf dem Grunde des Haarbalges zugekehrt (Fig. 6.), und höchst selten nur beobachtete ich die entgegen geselzte Lage. Vier Mal habe ich auch gesehn, dass ein Thier mit einem kleinen Theil des Hinterleibes im Haarsacke, mit dem übrigen Körper aber in dem Ausführungsgange einer Talg- drüse steckte, der in den Haarsack mündete. Ich glaubte An- fangs, dass das Thier nur auf dem Hautstücke in der Gegend des Ausführungsganges läge, und dass hierdurch der Anschein entstände, als befände es sich innerhalb dieses Ganges, doch überzeugte ich mich zuletzt ganz sicher von dem Eingeschlos- 234 sensein desselben in jenem Kanale. Erstens nämlich konnte ich das Thier durch das stärkste Versghieben des Deckglases durchaus nicht aus seiner Lage bringen, und zweitens bildeten in einem Falle die Wände des Ausführungsganges acht kleine Ausbuchtungen, welche genau den Stellen entsprachen, an wel- chen die Füsse der Milbe sich befanden (Fig. 6.) Brachte ich den Inhalt der Mitesser, unmittelbar nachdem ich ihn aus der Haut lebender Menschen genommen hatte, zwischen zwei Glas- platten, und wendete ich keine zu starke Compression an, so fand ich die Tkiere immer lebendig und sah sie, besonders wenn ich ein Tröpfchen Oel zwischen die Glasplatten gethan hatte, öfters noch nach acht oder zwölf Stunden sich bewe- gen. Im Wasser erhielt ich sie, wahrscheinlich weil dieses zu schnell verdunstet, nicht so. lange. Eine zu starke Compres- sion durch die Glasplatten suchte ich Anfangs dadurch zu ver- hindern, dass ich zwischen diese dünne Kautschukstücke brachte, später überzeugte ich mich indess, dass diese Maassregel nicht einmal erforderlich ist, und dass bei vorsichtigem Auflegen des Deckglases Raum genug für die Bewegungen der Thiere übrig. bleibt. In Leichen iraf.ich die Milben, wie schon erwähnt, öfters noch lebendig an, und zwar war dies einige Mal sogar in Lei- chen von Menschen der Fall, die schon sechs Tage zuvor ge- storben waren. Untersucht man die auf einer Glasplatte vertrockneten Thiere, so findet man sie in der Regel zu einem dünnen Häut- chen zusammengeschrumpft, an welchem sich die ursprüngliche Gestalt gar nicht mehr gehörig erkennen lässt. Das Einzige, was man bei getrockneten Exemplaren meistens noch deutli- cher, als bei lebenden wahrnimmt, sind die Queerstreifen auf dem Hinterleibe. Am besten behielten die todten Thiere ihre Form bei, wenn ich sie zwischen zwei mit Oel. bestrichene Glasplatten that, und den Zutritt der Luft dadurch abhielt, dass ich die Ränder der Gläser mit Siegellack oder Kitt be- strich. 235 Wie ich glaube, wird es für Andere keine Schwierigkei- ten haben, die beschriebenen Thiere ebenfalls aufzufinden; denn wenn mehrere an Mitessern leidende lebende Personen unter- sucht werden, so stösst man dabei wahrscheinlich auf eine, bei welcher die Thiere vorhanden sind. Den Inhalt der Mit- esser lebender Menschen kann man sich leicht auf folgende Art verschaffen: Drückt man mit einer Haarnadel oder einer zu- sammengebogenen feinen Sonde auf die Umgegend eines Co- medo, so dringt aus der erweiterten Mündung des Haarsackes ein dünner, länglicher Körper hervor, der, seiner Gestalt und seiner oft schwarz gefärbten Spitze wegen, von dem gemei- nen Manne für einen Wurm gehalten wird. Wenn man die- sen. wurmförmigen Körper mit einer spitzen Nadel völlig aus der Haut heraushebt, ihn auf eine Glasplatte bringt und mit einer andern mässig auseinanderdrückt, so bemerkt man, wenn Thiere vorhanden sind, diese unter dem Mikroskope immer sogleich. Da die aus den Mitessern Lebender genommene Masse ziemlich weich ist, so lassen die Milben sich durch vorsichtiges Hin- und Herschieben des Deckglases auch leicht isoliren. Ausserdem kann man die Thiere sowohl in den krank- haft veränderten, als in den normalen Haarsäcken von Leichen an den früher bezeichneten Hautstellen aufsuchen, und wird vermuthlich dabei leicht zum Ziele kommen, denn die Thiere müssen wohl nicht selten sein, da ich sie unter zehn Leichen, welche ich untersucht habe, nur bei denen zweier neugebore- nen Kinder nicht wahrnahm. Wird die Haut auf die früher bezeichnete Weise in dünne Lamellen geschnitten, und werden diese mässig zwischen zwei Glasplatten zusammengedrückt, so sieht man die Thiere in den Haarsäcken sitzen, aus deren Mündungen sie sich durch stärkeren Druck oft herauspressen lassen, Da indess das Hauttalg der Leichen sehr zähe ist, so lassen sich hier die Milben in der Regel nicht so leicht isolirt darstellen, wie aus dem Inhalte der Comedonen lebender Men- schen. Auch solche Personen, die die Thiere vorher noch nicht gesehen haben, erkennen dieselben, wenn sie in den Müllers Archiv. 1842. 16 236 Haarsäcken sitzen, oft Anfangs nicht gehörig; hat man sich aber mit der Gestalt des Thieres erst gehörig vertraut gemacht, so bemerkt man es selbst in etwas dick gerathenen Hautstück- chen auf der Stelle. Diese Erfahrung habe ich bei mehreren meiner Bekannten gemacht, denen ich die Thiere zeigte. Ueber den Einfluss, den die Haarsackmilben auf die Ge- sundheit der damit behafteten Menschen ausüben, lässt sich in diesem Augenblicke noch nichts Sicheres bestimmen; da indess in mehreren Fällen, trotz des Vorhandenseins jener Thiere, die Beschaffenheit der Haut sowohl als der Haarsäcke eine ganz normale zu sein schien, so darf man wohl vermuthen, dass dieselben dem Wohlbefinden keinen besondern Eintrag thun. Möglicher Weise aber könnten sie auch, besonders wenn sie in grosser Menge vorhanden sind, durch Reizung der Talg- drüsen zu einer zu starken und regelwidrig beschaffenen Ab- sonderung von Hauttalg Veranlassung geben, Hierdurch könnte dann ein Erkranken der Haarbälge und das Zustandekommen von Comedonen und Acnepusteln bewirkt werden, Sollten sich in der Folge Beweise für die Richtigkeit dieser Annahme auffinden lassen, so würde diess nicht ohne Einfluss auf das therapeutische Verfahren bei der Acne sein, welche von den Meisten als ein aus fehlerhafter Mischung der Säfte entsprin- gendes Leiden angesehn und demgemäss behandelt wird. Erklärung der Abbildungen. Taf. XI. Fig. 4. Eine Haarsackmilbe mit drei Beinen. a. Die Maxillarpalpen. 6. Der Rüssel mit den darauf liegenden Borsten. c. Die mit drei feinen Krallen versehenen Beine. d. der Hinterleib, welcher keine Queerstreilen hat. Diese Form ist als die erste Ent- wicklungsstufe anzusehn, iu Fig. 2. Eine Milbe mit‘ vier Beinen und langem, mit feinen Queerstreifen versehenem Hinterleib. a. Die Palpen. 5. Der Rüssel mit den darauf liegenden Borsten. c. Die Füsse. d. Der Hinterleib, der mit feinen Queerstreifen versehen ist. Diese Form ist für die zweite Entwicklungsstufe erklärt worden. 937 Fig. 3. MNilbe mit vier Beinen und mässig verkürztem, hinten abgerundetem und mit Queerstreifen versehenem Hinterleib. Dritte Entwicklongsstufe. ' Fig. 4. Milbe mit vier Beinen, sehr verkürztem und hinten zu- gespitztem Hinterleib. Letzterer hat keine Queerstreifen. Vierte Ent- wicklungsstufe. Fig. 5. Der Inhalt eines bei einem lebenden Menschen ausge- drückten Mitessers, in welchem sich elf Thiere befinden. Fig. 6. Eiu normaler Haarsack einer Leiche, in welchem zwei Thiere sitzen. a. Der Haarsack. 5. Das Haar. c. die Thiere. Fig. 7. Ein Haarsack einer Leicbe mit einer daran befindlichen Talgdrüse. In dem in den Haarsack mündenden Ausführungsgange der Drüse steckt ein Thier, welches mit seinem Hinterleibe in den Haarsack hineinragt. An den Stellen, wo die Füsse des Thieres lie- gen, bildet der Ausführungegang der Drüse mehrere Ausbuchtungen. a. Der Haarsack. 5. Das Haar. c. Die Haardrüse. d. Der Auslüh- rungsgang derselben. e. Das darin sitzende Tbier. F ig. 8. Herzförmiger Körper, der einige Mal in den Haarsäcken neben den Thieren bemerkt worden ist. Fig. 1. 2. 3. 4. und $. sind bei ungefähr 300lacher, die übrigen Figuren be schwächerer Vergrösserung gezeichnet. Bald nach der ersten, von Seiten der hiesigen Gesellschaft naturforschender Freunde gemachten Mittheilung über das von mir aufgefundene Thier, zeigte mir Hr. Professor Henle in Zürich durch ein Schreiben vom 3ten März d. J. an, dass er schon im verflossenen Herbst in den Haarbälgen des äussern Gehörganges ein kleines Thier wahrgenommen, und eine vor- läufige Mittheilung darüber in dem dortigen öffentl. Beobachter im December vorigen Jahres gegeben habe. Nach einigen An- gaben, welche ich über dasselbe von Hrn. Professor Henle er- halten, hat es Achnlichkeit mit dem von mir beschriebenen; ob es mit diesem indess identisch ist, bin ich im Augenblick noch nicht zu bestimmen im Stande. 16° Ueber die Geschlechtsverhältnisse der Myriapoden und einiger anderen wirbellosen Thiere, nebst Be- merkungen zur Theorie der Zeugung. Von Dr. Frieorıch Stein, (Hierzu Taf. XI., XII. und XIV.) Die folgende Abhandlung giebt eine gedrängte Darstellung des Inhalts meiner Inaugural-Dissertation, die nicht in den Buch- handel gekommen ist, und im vergangenen Sommer erschien unter dem Titel: De Myriapodum partibus genitalibus, nova generationis theoria atque introductione systematica adjeclis. Berolini MDCCCXLI. In dem Vorworte hatte ich verspro- chen, in diesem Archive den Gegenstand noch weiter auszu- dehnen, und mich über das ganze Gebiet der Zeugung zu ver- breiten, Weiter angestellte Beobachtungen überzeugten mich aber bald, dass ich mit dieser Arbeit nicht so schnell fertig werden würde, als ich die Verbreitung der von mir durch die Untersuchung der Myriapoden gewonnenen Resultate wünschte, Zudem entging es mir nicht, dass ich mich auf einem Boden bewegte, auf dem man gar zu leicht ein Spiel vorgefasster Meinungen und Theorien werden kann. Ich zog es daher vor, alles Theoretische möglichst auszuschliessen, und selbst man- cherlei, was ich in meiner Dissertation als gewiss hingestellt hatte, nur bedingungsweise gelten zu lassen, zumal die mir hier vorgeschriebenen engen Grenzen alle Weitläufigkeiten un- tersagten. Aus diesem Grunde musste ich auch den ersten 239 Abschnitt meiner Dissertation, der von der systematischen Stellung der Myriapoden handelt, ganz übergehen. Ich bin jedoch sehr gern bereit, denen, die sich für den behandelten Gegenstand interessiren, die mir noch zu Gebote stehenden Abzüge der Original- Abhandlung mitzutheilen. B Ueber den Bau der Geschlechtstheile der My- riapoden. Aus der Familie der Chilognathen untersuchte ich beson- ders Lithobius forfieatus und Geophilus subterraneus. Die Männ- chen von Lith. forficatus kann man schon äusserlich von den Weibchen an den letzten Körpersegmenten unterscheiden. Hier bemerkt man nämlich eine herzförmige Lamelle (Fig. 6. a.), die an ihrem vordern Rande mit zwei hervorragenden, zwei- gliedrigen Warzen (b. 2.) versehen ist. Trennt man das letzte Segment vom Körper und drückt es mittelst zweier Glasplat- ten behutsam zusammen, so treten die ziemlich complicirten äusseren Genitalien hervor, die aus zwei hornigen, ausgebuch- teten Lamellen (Taf. XII. Fig. 3. a. a.) und zwei Klappen (b. 5.) bestehen, die den Penis einschliessen. Die Klappen (Fig.3. 5.5.) sind an dem obern Rande der Lamellen vermittelst Muskeln befestigt und können sich seitlich bewegen, so dass der Penis hervortreten kann. Dieser ist ein hohles, häutiges Behältniss (Fig. 3. c.), an der Spitze in fünf Lappen getheilt und von glockenförmiger Gestalt. Sowohl auf seiner äusseren Ober- fläche, als am obern Rande, bemerkt man viele Haare; im gewöhnlichen Zustande ist er zusammengefaltet (Fig. 4.);, wenn er aber in die weibliche Scheide gedrungen ist, glockenförmig ausgedehnt. Das Weibchen unterscheidet sich äusserlich vom Männ- chen dadurch, dass statt der beiden Warzen zwei dreigliedrige lange Haken (Fig. 5. a, a,) vorhanden sind. Zwischen diesen 240 Anhängseln und dem After liegt der Eingang zur Scheide, die sich weiter nicht auszeichnet. (Fig. 5. 5. ist die ausgestülpte Scheide.) Die innern männlichen Geschlechtstheile bestehen aus einem mittlern Gefässe, dem Hoden, zwei länglichen, seitlichen Schläu- chen, die wir als Nebenhoden bezeichnen wollen, und aus vier Drüsen; sie liegen unter dem Darmkanal, an dem sie durch verschiedene feine Ligamente befestigt sind. Der Hoden (Fig. 1. a.), ein länglicher, spindelförmiger Schlauch, ist mit seinem hintern Ende an den Darmkanal befestigt, steigt ein Stück längs des Darmkanals nach unten herab, wendet sich dann wieder ein Stück aufwärts, und mündet mit seinem untern, fadenförmigen Ende in den Zusammenfluss der beiden sehr langen seitlichen Gefässe (Fig. 1. 5. 5.), die sich bis zu den ersten Körpersegmenten hinauf erstrecken. Aus der Vereini- gungsstelle der drei Gefässe führen zwei Ausführungsgänge (e- e.) in den Penis; neben ihnen liegen auf jeder Seite ein Paar lancettförmige, milchweisse Drüsen (d. d.), die aus Zel- len gebildet werden und in der Mitte einen Hauptausführungs- gang zeigen, in den andere, feine, seitliche Zweige münden. Ob die Ausführungsgänge der Drüsen in die Vasa deferentia des Hodens münden, wie Treviranus ') behauptet, oder un- mittelbar in den Penis übergehen, habe ich nicht ermitteln können. Die Behauptung von Treviranus, dass die Drüsen Theile des Fetikörpers seien, bedarf wohl keiner Widerlegung; noch weniger die Ansicht von Leon Dufour?), nach der die Drüsen, deren feineren Bau er ganz falsch beschreibt und abbildet, die Hoden sein sollen; die drei andern Gefässe hält er für Samenblasen. Marcel de Serres?) endlich hat nach 1) Vermischte Schriften anatomischen und physiologischen In- halts. Bd. II. Neunte Abhandlung. S. ‘25. 2) Annales des sciences naturelles. 4824. Tome VI. p. 81—99. 3) Sur le vaiseau dorsal. Memoire du Museum d’histoire natu- relle. Tome V. p. 13—20. 241 seiner bekannten oberflächlichen Weise, die schon von J. Mül- ler in der Anatomie des Scorpions und anderwärts gerügt worden ist, über die Geschlechtstheile der Myriapoden so viel fabelhafte und seltsame Dinge vorgebracht, dass es sich nicht der Mühe verlohnt, auf ihn Rücksicht zu nehmen; ich will nur von Neuem darauf aufmerksam machen, wie wenig man seinen Mittheilungen Glauben beimessen darf. Uebrigens wird meine Deutung der Geschlechtstheile durch die Untersuchung der in ihnen enthaltenen Flüssigkeiten weiter unten vollkom- men bestätigt werden. Die weiblichen Geschlechtstheile (Fig. 2.) sind ganz nach demselben Typus gebaut, als die männlichen, und es sind auch hier drei wesentliche Theile vorhanden, nämlich das Ovarium, das sogenannte Receptaculum seminis, und zwei Paar Drüsen. Das Ovarium (Fig. 2. a.) ist ein einfacher, blindsackartiger Schlauch, der sich etwa auf ein Drittel des Körpers dicht un- ter dem Darmkanal hinzieht und in der Gegend, wo die Mal- pighischen Gefässe in den Darm münden, in den etwas schmä- lern Eierleiter übergeht. Dieser (Fig. 2. 5.) scheint in der natürlichen Lage nur ein einfaches Gefäss zu bilden. Doch kam es mir zuweilen vor, besonders wenn ich die einzelnen Theile etwas auseinander zog, als theilte er sich nicht weit von sei- nem hintern Ursprunge in zwei Hälften; dies glaube ich na- mentlich bei einer kleinen Art von Lithobius, die in unsern Kieferwäldern unter Moos sehr häufig lebt, und vielleicht der Lithob. variegatus Leach. ist, öfter gesehen zu haben. Indessen bier ist ein Irrthum leicht möglich. Das Receptaculum semi- nis (Fig. 2. c. c.) besteht nach der Nomenclatur, die v. Sie- bold eingeführt hat, aus einer kurzen, gefässartigen Capsula seminalis (Taf. XIV, Fig, 29. a.) und einem ganz kurzen Ductus seminalis (Fig. 29. 5.), der sich etwas hinter der Mitte des Oviduets zu beiden Seiten desselben inserirt. Die vier Drü- sen (Fig. 2. d.d.d.d.) liegen paarweise auf beiden Seiten des Eileiters, sind von gleicher Grösse und nicht, wie beim Männ- chen, miteinander verwachsen. Die Ausführungsgänge (Fig.2.e.) 242 sind einfache, häutige Röhren, und viel länger und freier, als die nicht sehr aus dem Drüsenkörper hervorragenden männli- chen. Sonst sind die Drüsen ganz wie bei den Männchen ge- baut, und die Ausführungsgänge scheinen wie beim Männ- chen erst dicht vor dem Ende des Oviducts in denselben zu münden. Vergleicht man die männlichen und weiblichen Geschlechts- theile miteinander, so stellt sich ein auffallender Parallelismus heraus, der auch durch die innere Natur der verglichenen Theile bestätigt wird. Ich mache hier darauf aufmerksam, weil er vielleicht weiter unten einiges Licht auf die Bedeutung des Receptac. seminis werfen wird. Das Ovarium entspricht näm- lich dem mittlern Gefässe oder dem Hoden, die beiden Re- ceptacula den beiden seitlichen Gefässen und die vier Drüsen kommen beiden Geschlechtern zu. Dabei ist ferner nicht zu übersehen, dass die Theile, welche am männlichen Geschlechts- apparat höher entwickelt sind, im weiblichen in der Entwick- lung zurückbleiben und umgekehrt. Mit Lithob. forficatus stimmt die zweite, kleinere Art, die aus dieser Gattung noch bei uns vorkommt, fast ganz überein, nur ist der Hoden viel länger, und macht wohl drei bis vier grosse Windungen; auch sind die Drüsen viel länger, schmä- ler und bandartiger, und nähern sich in ihrem ganzen Bau mehr den Geschlechtsdrüsen von Geophilus, wie wir sie wei- ter unten werden kennen lernen. Auch ist in den Männchen die zweite Drüse jedes Paars, die schon bei Lithob. forficatus etwas verkümmert war, bis auf ein kleines Rudiment ver- schwunden. Von Cryptops“ hortensis standen mir nur zwei frische Weibchen zu Gebote; ich bemerkte jedoch hinsichtlich der Geschlechts- Organe keine wesentliche Abweichung von Li- thobius. Viel leichter kann man sich verschiedene Arten der Gat- tung Geophilus verschaffen; ich untersuchte besonders Geoph. subterraneus, den man aus unsern Gärten das ganze Jahr hin- 243 durch ohne Mühe erhalten kann Die Anatomie dieser kleinen Thiere erfordert aber grosse Geduld, und es verursacht gros- sen Zeitaufwand, um nur erst die allgemeinsten Structurver- hältnisse zu erkennen. Mit den männlichen Geschlechtstheilen kommt man trotz der angestrengtesten Beobachtungen fast nie ins Reine, da sie so complieirt sind, und sich bei einer neuen Untersuchung immer wieder von einer andern Seite zeigen. Der Bau der weiblichen Geschlechtstheile (Fig. 8.) bietet we- niger Schwierigkeiten dar; auch an ihnen unterscheidet man Oyarium, Receptaculum und Geschlechtsdrüsen. Das Ovarium (Fig. 8. a.) ist, wie bei Lithobius, ein langer, blindsackartiger Schlauch, der allmählig sich in den Eierleiter verschmälert, welcher, ohne deutliche Scheide, im letzten Segmente unter einer fast halbkreisformigen Lamelle (b.) endigt. Die zwei Oeffnungen, die man noch im letzten Segmente bemerkt (c. c.), könnten zur Annahme doppelter äusserer Genitalien veranlas- sen, allein bei näherer Untersuchung zeigt sich, dass sie die- selbe Bedeutung haben, als die ähnlichen Oeffnungen, die sich an den leizten Körpersegmenten oder den Basalgliedern der hintersten Fusspaare (so bei Lithob. forficatus Fig. 10. a., wo man in einer Grube mehrere Queeröffnungen wahrnimmt) be- finden. Fig. 9. stellt die mit vielen rundlichen Oefinungen versehene Bauchseite des vorletzten Körpersegmentes von Geo- philus dar. Diese Oeffnungen finden sich an den genanuten Stellen bei beiden Geschlechtern; ihr Zweck ist mir ganz un- bekannt geblieben. Bisweilen glaubte ich feine, seidenartige Fäden aus ihnen hervordringen zu sehen, doch habe ich inner- lich keinen Spinnapparat entdecken können. Sollte dieser aber spälerhin wirklich einmal aufgefunden werden, so würde dies noch ein Grund mehr sein, die Myriapoden zu den Arach- niden zu bringen, für welche Stellung ich in meiner Disser- lation die weiteren Gründe angeführt habe. Geschlechtsdrüsen (Fig. 8. d. d.) sind nur ein Paar vor- handen, sie sind sehr lang, bandartig, und gehen hinten all- mählig in den Ausführungsgang über, der in das Ende des 244 Oviduets mündet. Ihre feinere Structur (Taf. XIV. Fig. 30.) ist höchst einfach, denn der ganze Körper der Drüse besteht aus dicht nebeneinander liegenden Zellen, in deren Mitte sich ein einfacher Ausführungsgang befindet. Die Receptaeula lie- gen im drittletzten Leibessegmente, und bestehen aus einer ei- förmigen Capsula seminalis (Taf. XIU. Fig. 27. a.), und aus . einem langen, feinen Ductus seminalis (5.), zwischen dessen dicken, musculösen Wänden der eigentliche Ausführungs- gang liegt- Die männlichen Geschlechtstheile (Taf. XI. Fig. 7.) be- stehen aus einem Paar Geschlechtsdrüsen und einem höchst zusammengesetzten Hoden. Beginnen wir die Beschreibung der Deutlichkeit halber vom Penis aus, so gehen von ihm zwei Vasa deferentia (a. a.) aus, die sich etwa im sechsten Kör- persegmente, von hinten gerechnet, gabelförmig vereinigen (b.). Der gemeinschaftliche Stamm, den wir, so lange er gelässartig bleibt, Nebenhoden nennen wollen, geht durch mehrere Seg- mente ziemlich geradlinig nach vorn, wendet sich nach links, und steigt auf dieser Seite wieder bis zum Ursprung (b.) des gemeinschaftlichen Stammes herab, verschmälert sich hier sehr, und geht dann in einen knotenförmig aufgeblasenen Behälter (d.), den ersten Ventrikel über. Das hintere Ende desselben wird wieder gefässartig und theilt sich bald in zwei Aeste (e. und f.), wovon der eine (f.) in seinem Verlaufe nach hin- ten fadenförmig bleibt, sich dann aber wieder eben so weit nach vorn umwendet, und hier zum zweiten Ventrikel (g. g-) erweitert; der andere Ast (e.) theilt sich gleich darauf wieder in zwei Aeste (Ah. und ö.), wovon der eine sogleich zum dritten Ventrikel (n.) anschwillt, während der andere (i.) fadenförmig bleibt und sich (bei m.) in den Zusammenfluss der Enden (o.p.) des zweiten und dritten Ventrikels inserirt. In der natürlichen Lage und Grösse gleicht der ganze Hoden einem zarten, milch- weissen Bande, das unter dem Darmkanal befestigt ist. Die Geschlechtsdrüsen (A. %.) können wir mit Stillschweigen über- En 245 gehen, da sie in allen Verhältnissen genau mit den weiblichen übereinstimmen. Vergleicht man mit den eben dargestellten Untersuchungen das, was Joh. Müller !), St. Kutorga°) und Leon Du- four ?) über die Geschlechtstheile der Scolopendra morsitans und Sceutigera mitgetheilt haben, so sieht man, dass sich die Geschlechtswerkzeuge sämmtlicher Chilognathen auf einen ge- meinschaftlichen Typus zurückführen lassen. Die weiblichen Geschlechtstheile bestehen nämlich bei allen aus einem einfa- chen, schlauchartigen Ovarium, zwei Samenbehältern und zwei oder vier Geschlechtsdrüsen. Von den männlichen Geschlechts- theilen repräsentiren das mittlere Gefäss von Lithobius, die drei Ventrikel von Geophilus, der aus wurmförmigen Schläuchen bestehende Büschel von Scolopendra (nach J. Müller), und das mittlere gewundene Gefäss (Fig. 5. c. bei Leon Dufour) von Scutigera den Hoden, die übrigen gefässartigen Theile er- geben sich als Nebenhoden und Vas deferens. Auch zum männlichen Geschlechtsapparate gehören bei allen Gattungen entweder ein oder zwei Paar Drüsen. Ich gehe nun zur Betrachtung der Geschlechtsorgane der Chilopoden über, die ihres festen hornartigen Hautskelettes wegen der anatomischen Untersuchung so grosse Schwierig- keiten darbieten. Aus der Gattung Julus kommen bei uns viele Arten vor; welche man davon zur Untersuchung der Ge- schlechtstheile wählt, ist fast ganz gleichgültig, da der Bau der einzelnen Arten nur in Kleinigkeiten abweicht. Ich habe beson- ders den an dem Orte meiner Beobachtungen sehr häufigen Julus foetidus Koch, der sich durch den am Aftersegment be- findlicehen und unter den Bauch zurückgekrümmten Haken aus- zeichnet, zergliedert. 1) Die Anatomie der Scolopendra morsitans. Isis, 1829. p. 549 bis 552. 2) Miscellanea zootomico -physiologica. Petropol, 1834. 3) a. 0, 246 Die weiblichen Geschlechtstheile öffnen sich dicht hinter dem Kopfe, auf der Bauchseite zwischen dem zweiten und dritten Segmente. Hier bemerkt man nämlich zwei grosse ei- förmige Vulven (Fig. 15.) von fleischighorniger Beschaffenheit, die durch Muskeln, welche an ihrem hintern und untern Ende befestigt sind (a. a.), zwischen den Füssen aus dem: Körper hervorgestülpt werden können. Der Eingang (b.) in eine jede Vulve liegt an der innern Seite derselben in einer breiten und länglichen Grube (e.). Ausserdem bemerkt man in jeder Vulve zwei kurze Blindgefässe (d.d. e. e.), wovon das eine (d.d.) am Ende blasenartig erweitert ist, Beide scheinen eine sehr un- tergeordnete Bedeutung zu haben und sie geben gewiss kein wesentliches Moment bei der Zeugung ab. Zu jeder Vulve gehört ein einfaches Ovarium, das sich von hier aus bis in die letzten Körpersegmente erstreckt. Beide Eierstöcke liegen dicht aneinander, und erscheinen, mit blossen Augen gesehen, als zwei lange Schnüre. Eine Abbildung davon scheint mir bei der Einfachheit der Sache nicht nothwendig. Die männlichen Geschlechtstheile bieten bei ihrer unge- meinen Kleinheit — denn sie sind nur mit dem zusammenge- setzten Mikroskope genau aufzufinden — viel grössere Schwie- rigkeiten dar. Die äusseren Geschlechtstheile erkennt man aber ohne Mühe schon mit blossen Augen als einen sehr zu- sammengesetzten Apparat von Anhängseln. Mit der Loupe kommt man über ihre Zusammensetzung aber auch noch nicht ins Klare, und sogar das zusammengesetzte Mikroskop lässt immer noch den Zusammenhang dieser Anhängsel mit dem Vas deferens dunkel. Der Apparat, von dem wir sprechen (Fig.16.) liegt im sechsten Segmente, das ohne Füsse ist, zwischen dem siebenten und achten Fusspaare. An der Stelle der in den andern Segmenten vorhandenen Bauchlamelle ist eine ellipti- sche Oeffnung, die von zwei lancettförmigen, im natürlichen Zustande dicht aneinander liegenden, hornartigen Platten (Fig. 16. a. a.) verschlossen wird. Unter diesen liegen zwei kräf- tige, ästige, abgerundete Stücke (b. 5.), an deren Grunde eine 247 häutige Blase (e.e.) liegt, die mit einem langen Ausführungs- gange (d.d.) versehen ist. Das Ende desselben steckt in einer hornig-häutigen, hohlen, an der Spitze gespaltenen Kapsel (e.e.); deren Bau die Abbildung besser ausdrückt, als es sich mit: Worten beschreiben lässt. Jede dieser Kapseln scheint ein Penis zu sein. Endlich bemerkt man noch ein viertes Paar horniger Anhängsel (f.f.). Zwischen diesen sämmtlichen Anhängseln liegen dichte, musculöse Massen, die den Ursprung der Vasa deferentia, die vielleicht mit den Blasen (c. c.) zu- sammenhängen, verhüllen. Da dem Ringe, der die äusse- ren Geschlechtstheile enthält, die beiden Fusspaare und die Bauchlamelle der anderen Segmente fehlen, so liegt die Ver- muthung sehr nahe, dass das erste Paar (a. a.) der Anhängsel durch Metamorphose der Bauchlamelle, das zweite (5. 5.) und vierte Paar (f.f.) durch Metamorphose der beiden Fuss- paare entstanden sei. Diese Ansicht scheint durch die Be- trachtung der Geschlechtstheile von Polydesmus complanatus bestätigt zu werden, wo der Geschlechtsring noch ein voll- ständiges Fusspaar zeigt, und dafür nun auch die Anhängsel, welche die äusseren Geschlechtstheile ausmachen, viel einfa- cher als bei Julus sind. Die beiden Vasa deferentia (Taf. XIV. Fig. 35.) erstrecken sich durch etwa 6—8 folgende Segmente, liegen dicht neben- einander, und sind in fast regelmässigen Zwischenräumen durch kurze, schiefe Queergefässe verbunden. Der eigentliche Hoden (Taf. XI. Fig. 17.) unterscheidet sich vom Vas deferens nur durch die seitlichen, blasenartigen Fortsätze (a. a. a. a.). Zwi- schen je zwei Queergefässen (b. 5,) liegt immer ein Paar Ho- denbläschen (a.a.). Hieraus folgt, dass Treviranus t) die Hoden der Chilopoden gänzlich verkannt hat, denn was er Tab. IX. Fig. 4. g.g. des angeführten Werkes abgebildet hat, sind nicht einmal die Vasa deferentia, sondern ohne Zweifel die sehr langen Speichelgefässe dieser Thiere, die sich leicht 4) I. e. p. 45. 248 beim Abreissen des Kopfes oder der ersten Körpersegmente mit herausziehen. Ganz wie bei Julus sind die innern Geschlechtstheile der Gattungen Polydesmus, Craspedosoma und Polyzonium gebaut; des Beispiels halber habe ich noch die Hoden aus einem noch nicht ganz ausgewachsenen Exemplare von Polydesmus com- planatus Fig. 18. abgebildet. Die äussern Genitalien zeigen jedoch bei den verschiedenen Gattungen einige Modificationen, die hier zu betrachten nicht der Ort ist. Schliesslich will ich noch die, von den Julinen in mehre- ren Puneten abweichenden Geschlechtstheile der Glomeriden beschreiben, da Brandt '), der nur aufgeweichte Exemplare untersuchte, von ihnen in diesem Archive eine falsche Dar- stellung gegeben hat. Auch bei diesen Thieren liegt die Oefl- nung der männlichen ‚wie der weiblichen Geschlechtstheile in der vordern Gegend des Körpers dicht hinter dem Kopfe. Die Männchen unterscheiden sich von den Weibchen durch einen sonderbaren Appendicularapparat (Fig. 11. a,a.), den auch Brandt kannte und beschrieb, und der ihn offenbar verleitete, die Mündung der Geschlechistheile am After zu suchen. Ver- gleicht man aber diesen Apparat mit dem nächstvorhergehenden Fusspaare (Fig. 11.5.5.), so kann man keinen Augenblick in Zweifel sein, den ganzen Apparat für das letzte, ausserordent- lich entwickelte Fusspaar zu erklären, das keinen andern Zweck haben kann, als bei der Begattung das Festhalten des Weib- chens zu vermitteln, Die äussern Geschlechtsöffnungen liegen aber bei beiden Geschlechtern an den Basalgliedern des zweiten Fusspaares. Hier bemerkt man bei den Weibchen (Fig. 12.) an jeder Fuss- wurzel einen stumpfen, kegelföürmigen Körper (a.), die Vulva, welche 'an der Spitze eine breite Spalte (5.), den Eingang in die Vulva, zeigt. Von jeder Vulva erstrecken sich fast bis zum After die beiden dicken, einfachen, schlauchartigen, dicht ne- 4) Müller’s Archiv. 1837. p. 320 —27. 249 beneinander liegenden Ovarien, die ganz mit denen der Gat- tung Julus übereinkommen. — Die äussern männlichen Ge- schlechtstheile sind zwei hornige, kegelförmige Papillen (Fig. 43.a.), an der Spitze mit einem Kranze von Borsten umge- ben, aus denen der blasenartige Penis (d.) ein wenig hervor- ragt. In jeden Penis mündet ein kurzes Vas deferens (Fig. 14. a.a.), das kurz vor der Insertion in den Penis eine blindsack- förmige Erweiterung (Fig. 13. 2.) zu bilden scheint, — doch ist hier von meiner Seite eine Täuschung möglich, da es mir nur einigemal gelang, den Penis mit dem Anfange des Vas deferens herauszupräpariren, daher ich dieses in der Zeichnung auch nur durch Punkte angedeutet habe — in welches ein gelbes, lappiges, gefingertes Organ (Fig. 13. c.) zu münden scheint. Die Vasa deferentia (Fig. 14. a. a.) vereinigen sich bald in den sehr breiten und weiten Nebenhoden (2.), an des- sen Ende zwei Schnüre (c.c.), aus Hodenbläschen gebildet, sitzen. Diese Hodenbläschen sind runde, undurchsichtige Ku- geln, die sich nach hinten zu allmählig mehr anhäufen, und durch sehr feine und kurze Queergefässe miteinander und mit dem Nebenhoden in Verbindung stehen. Im Winter, wo der Fetikörper, der im Sommer fast die ganzen Geschlechtstheile umhüllt und die Erkenntnis des Zusammenhanges der einzel- nen Theile sehr erschwert, nicht so vorherrscht, lässt sich der angegebene Bau der Hoden noch am leichtesten beobachten. Vergleicht man meine Mittheilungen mit den Beobachtun- gen von Brandt, so sieht man, dass kein Wort passt, und Brandt’s Irrthümer lassen sich bei seiner sonstigen Genauig- keit nur dadurch erklären, dass ihm gar keine frischen Thiere zu Gebote standen. In einem spätern Zusatze *) hat er aber selbst schon einige Irrthümer berichtigt. Wir sehen hieraus, dass auch die Geschlechtstheile sämmt- lieher Chilopoden nach einem ganz bestimmten Typus gebaut 4) Rapport prealable etc. Bulletin scien. des sc. de St. Piters- bourg. Tome VI. No. 24. 250 sind, der aber dem bei den Chilognathen herrschenden Typus ganz entgegengesetzt ist, was schon daraus hervorgeht, dass in den Geschlechtstheilen der Chilopoden stets die Duplicität vorwaltet. Der gemeinsame Typus im Bau der weiblichen Ge- schlechtstheile der Chilopoden springt nach den vorhergehen- den Beschreibungen sogleich ins Auge. Die männlichen Ge- schlechtstheile der Chilopoden sind bei sämmtlichen Julinen ganz gleich, die bei den Glomeriden beobachtete Form lässt sich aber auf den Typus der Julinen zurückführen, wenn man annimmt, dass die kurzen Queergefässe der beiden Vasa defe- rentia weggefallen, und die beiden Vasa deferentia in ein ge meinsames Gefäss, den Nebenhoden, verschmolzen sind. Was den eigentlichen Hoden anbetrifft, so sind die Hodenbläschen, die schon bei Julus sehr nahe aneinander standen, bei Glome- ris sich noch näher gerückt, 11. Ueber das Geschlechtsleben der Myriapoden. Bevor ich zur Schilderung des Inhalts der Geschlechts- theile gehe, will ich die wenigen Beobachtungen über die all- mähligen Veränderungen der Geschlechtstheile im Verlaufe der Entwickelung des Thieres mittheilen. Die Beobachtungen von Gervais!) und mir?) haben gelehrt, dass auch die Chi- lognathen eine Metamorphose bestehen. Hierzu mag man noch die Bemerkung fügen, das in der frühesten Jugend bei Lithob. forficatus an den letzten Segmenten immer zwei oder drei un- gegliederte Fussstummel gefunden werden. So lange diese Fussstummel vorhanden sind, ist keine Spur von Geschlechts- theilen aufzufinden, sondern man bemerkt nur um den Nah- rungskanal grosse Haufen von losen Zellen, aus denen bei einer 4) Annales des sciences natur. Tome VII. p. 35 —60. 2) Wiegmann’s Archiv. 1838. p. 347. 251 & neuen Melamorphose des Thieres, wo die Fussstummel ver- schwinden, und nun alle 15 Fusspaare vorhanden sind, die ersten Rudimente der Geschlechtstheile zu entstehen scheinen. Zu dieser Zeit beobachtet man nämlich einen feinen, spindel- förmigen Schlauch unter dem Nahrungskanale, der bei allen von mir untersuchten Individuen von gleicher Beschaffenheit war, so dass man also nicht sagen kann, ob man ein Männ- chen oder ein Weibchen vor sich habe, sondern dieser Schlauch ist potentia Hoden und Ovarium. Bei ältern Individuen ist dieser Schlauch in einigen weit mehr aufgeschwollen und ey- lindrisch, in andern ist er schmal und spindelförmig geblieben. Das scheint der Anfangspunct realer Geschlechtsdifferenz zu sein. Viel später, wenn die Thiere schon die halbe Grösse der Erwachsenen haben, treibt der männliche Schlauch eine kleine Anschwellung zu beiden Seiten seines untern Endes hervor, welche sich allmählig verlängert (Fig. 26. a.), und so nach und nach die Grösse der erwachsenen Nebenhoden er- reicht. die oft noch länger sind, als der eigentliche Hode. Zu dieser Zeit bemerkt man auch im Weibchen die Genesis des Receptaculum. Die Genesis der Geschlechtsdrüsen habe ich noch nicht hinlänglich genau verfolgt, sie scheinen aber um dieselbe Zeit zu entstehen. Betrachten wir nun den Inhalt der männlichen Geschlechts- theile von Lithobius, so zeigen sich schon nach der ersten Entwicklung des Hodenschlauches Bildungen in ihm. Es la- gert sich nämlich eine dichte, körnigzellige, gelbliche Materie ab, die sich aus der plastischen Flüssigkeit des Hodenschlau- ches, wie aus einem Cytoblastem bildet. Der Kürze wegen will ich die aus dem Cytoblastem hervorgehende gelbliche Masse Siroma nennen, weil sie die Grundlage der später auftreten- den Zellen und Samenfäden bildet. Fig. 21. ist ein schr ver- grössertes Stück eines solchen Hodenschlauches, aus dem das Sitroma hervordringt. Untersucht man dieses näher, so zeigt es sich, dass eine Menge kleiner Bläschen oder Körner dicht zusammengelagert sind. In etwas älteren Individuen, wo schon Müllers Archiv. 1942. 47 252 die Nebenhoden etwas entwickelt sind, bemerkt man durch die durchsichtige Haut des Schlauches hindurch 6— 8 parallele Reihen von wasserhellen grössern Bläschen gebildet, in deren Mitte ein dunkler Kern enthalten ist (Fig. 22.). Zerschneidet man den Schlauch, so sieht man, dass die Bläschen deutlich mit einem Zellenkern (Cytoblast) versehene Zellen sind, wel- che gleiehsam in die übrige Substanz des Stromas eingebettet liegen. In andern Individuen ist der Cytoblast j Zellen siehtlich grösser geworden, wie Fig. 23. zeigt; di lasse des Stromas mit den darin enthaltenen grösseren Zellen ist aus dem Hoden eines erwachsenen Thieres, indem man hier und da noch das Entstehen neuer Samenzellen beobachtet. In noch anderen Individuen sieht man den ganzen Hodenschlauch mit grösseren Zellen und langen Haarbündeln ausgefüllt, von dem Stroma sind kaum noch einzelne Reste zu bemerken, die jetzigen Zellen weichen aber von den vorhin beschriebenen dadurch ab, dass sie in ihrem Innern eine oder eben so häufig zwei jener vorhin beschriebenen, mit einem Cytoblasten ver- sehenen Zellen enthalten. (Vergleiche Fig. 20. a. a. a. a.). Un- tersucht man viele der in einem ziemlich reifen Hodenschlau- che enthaltenen Zellen, so findet man einzelne Zellen, die von der eben als Regel hingestellten Structur der im Hoden ent- haltenen Zellen mehr oder weniger abweichen, die aber, als noch in der Bildung begriffen, einiges Licht auf den Zusam- menhang aller im Hoden enthaltenen zellenartigen Theile zu werfen scheinen. Ich fand nämlich bisweilen in den grössern Zellen drei kleinere, mit einem Cytoblasten versehene Zellen enthalten, Fig. 24.5. Einmal bemerkte ich ausser diesen drei kleineren Zellen noch einen Kern im Innern der grossen Zelle, Fig. 24.c. Mehrmals zeigten sich in jeder der zwei, in einer grössern Zelle enthaltenen kleineren Zellen zwei Cytoblasten, . Fig. 24. a, Als Norm für die im Hoden enthaltenen Zellen gelten aber immer nur die beiden Formen Fig. 20. a..a..a.a. Ich werde diese Zellen künftig Samenkörper nennen, da sie sich nicht weiter verändelh oder umwandeln, und da sie, 253 wie sich weiter unten ergeben wird, wesentliche Gebilde im Hoden sind. Es muss bei ihrer Betrachtung sogleich auf- fallen, dass sie hinsichtlich ihres Baues so ganz und gar mit den bereits aus den meisten Thieren bekannten Eikeimen über- einslimmen. Ein reifer Samenkörper besteht nämlich immer aus einer structurlosen Haut, die der Dottermembran der Eier oder dem Bär’schen Bläschen entspricht, und eine Flüssig- keit einschliesst, in der eine körnig-punktförmige Masse, ana- log di n 1 otterzellen des Eies schwimmt. In dieser Flüssig- keit liegt ein zayeites Bläschen, entsprechend dem Purkinje- sehen Keimbläschen der Eier, eben so oft aber auch zwei; und jedes dieser Bläschen enthält einen an seiner innern Wand anliegenden dunklen, kernigen Fleck, der dem Wagner’schen Keimfleck der Eier entspricht. Diese vollkommene Uebereinstimmung der Samenkörper mit den Eikeimen zeigt sich denn auch ganz deutlich, wenn wir die Eikeime von Lithobius selbst betrachten. Die meisten im Ovarium enthaltenen Eikeime zeigen die Form Fig. 32 d., die also von den Samenkörpern gar nicht zu unterscheiden ist. Aber während die Samenkörper auf dieser Stufe stehen blei- ben, entwickeln sich die Eikeime noch weiter. Es entwickeln sich nämlich die punktförmigen Massen in dem Raume zwi- schen Dotterhaut und Keimbläschen zu neuen Zellen, den Dot- terzellen; auch erweitert sich der Umfang des Eikeimes durch Wachstum der Dottermembran bedeutend (Fig. 32. e.). In den entwickeltsten Eiern schwindet zunächst der Keimfleck gänzlich, und das Keimbläschen schimmert durch die um sich _ wuehernden Dolterzellen nur noch als ein heller Hof hindurch, Endlich schwindet auch das Keimbläschen gänzlich, und das reife Ei zeigt sich nur als eine einfache Zelle, die ganz mit Doiterzellen ausgefüllt ist, Diese Dotterzellen (Fig. 34.) las- sen sich jelzi deutlich als Zellen, die eine körnig-punktför- ige Masse einschliessen, erkennen. — Ausserdem bemerkt n im Fierstock hier und da einige andere Formen von un- entwickelten Eikeimen, die in Fig. 32. unter a. bc. vorge ı 254 stellt sind. Die Zellen des weiblichen Geschlechtssystems von Lithobius stimmen also mit denen des männlichen ganz über- ein, nur entwickeln sich die weiblichen Zellen noch weiter als die männlichen, insofern bei ihnen Keimfleck und Keim- bläschen ganz vergehen, und dafür eine zahllose Menge junger Zellen, die Dotterzellen, entstehen. Auch habe ich unter den weiblichen Zellen nie solche, mit zwei Keimbläschen im In- nern, die doch in den männlichen Geschlechtstheilen sehr ge- wöhnlich waren, auffinden können, man müsste denn hierher die nur einmal von mir beobachtete Form Fig 32. a. rechnen, wo im Innern der Zelle sogar mehrere Zellen und Zellenkerne zu sehen sind. Allein gegenwärtig möchte ich diese Form eher einem Beobachtungsfehler zuschreiben, da ich sie bisher nicht wieder habe auffinden können. Schwierig ist nun die Frage, wie man sich die Genesis der Samenkörper und der Eikeime zu denken habe. Beide entwickeln sich offenbar ganz gleich, da bis zu einer gewissen Zeit Hode und Eierstock gar nicht zu unterscheiden sind. Die namentlich über den Hoden mitgetheilten Beobachtungen bieten uns zwar ein ziemlich hinreichendes Material, indessen sind doch zwei verschiedene Auflassungsweisen immer noch mög- lich. Früher stellte ich mir die Genesis dieser in den Ge- schlechtstheilen enthaltenen Zellen so vor: Um einen Kern des Stromas colliqueseirt ein Theil des Stromas, so dass helle Höfe entstehen, um die sich eine Membran legt. (Fig. 22.). Sodann bilden sich im Innern der Zelle neue Kerne, um wel- che ebenfalls durch Verschwinden der punktförmigen Flüssig- keit helle Höfe entstehen, um die sich eine neue Zellenmem- bran bildet. Dies wären die Figuren 24. a. b.c. Namentlich verleiteten mieh aber zu dieser Ansicht die im Ovarium auf- gefundenen Zellenbildungen Fig. 24. a. d.c. Die ersten Zellen, die im Stroma eingebettet sind, wurden so als die Mutterzellen für alle übrigen Bildungen angesehen. Allein sobald ich Schlei- den’s Beobachtungen über die Genesis der Zellen bei den Pflanzen und besonders Sch wann’s treflliche Untersuchungen 255 über die Uebereinstimmung der Thiere und Pflanzen hatte ken- nen lernen, musste mir jene Ansicht unwahrscheinlich werden, ich stellte selbst neue Untersuchungen an, und glaube mich jetzt zu der Behauptung berechtigt, dass die Bildung der Eier und der Samenkörper, wie die der meisten thierischen und vegeta- bilischen Zellen von Cytoblasten ausgeht. Die vonSchwann angeregte Frage, ob das Keimbläschen der Zellenkern, und der Keimfleck das Kernkörperchen sei, wage ich jetzt dahin zu beantworten: Aus dem Cytoblastem des Hodens oder des Ovariums bil- det sich eine Masse kleiner Körner, das Stroma, hervor. Diese Körner, die Cytoblasten der künftigen Zelle, sind ihrer Natur nach selbst kleine Bläschen, wie wir an den entwickeltern Eiern sehen können, wo man sehr häufig im Innern des Wag- ner’schen Keimflecks einen Haufen kleinerer körniger Massen von der umgebenden Membran des Keimflecks unterscheiden kann, wie dies aus Fig. 32. c. erhellt, aber auch sonst von mir an den Eikeimen von Julus und andern Evertebraten häufig genug wahrgenommen worden ist. Beständig bemerkt man indessen den Wagner’schen Keimfleck, sowohl bei den Eiern der Myriapoden, als auch bei denen anderer Thiere, deutlich von einer Menge kleiner Kerne ausgefüllt, wie dies in den Fig. 32. d.e., und in Fig. 38. an dem Keimfleck der Eier von _ Lumbrieus zu sehen ist. Diese kleineren Kerne im Innern des Keimflecks mögen demnach analoge Productionen innerhalb der Membran des Keimflecks sein, wie die Dotterzellen im Innern der Dotterhaut. Vergleicht man den Kern der Zellen in Fig. 22. mit dem in Fig. 23, so fällt sogleich der bedeu- tende Unterschied in der Grösse auf. Der Keimfleck ist also selbst ein sich bis auf einen bestimmten Punkt entwickelndes Bläschen. Dieses Bläschen, wenn es noch einfacher Kern ist, wird Oytoblast eines neuen Bläschens, des Keimbläschens; als Cytoblast giebt jenes sich dadurch zu erkennen, dass es’ an der Wand des Keimbläschens dicht anliegt. Das Keimbläschen entwickelt sich schneller als das innerhalb desselben jetzt als 256 Cytoblast fungirende Bläschen, der Keimfleck. Auch inner- halb des Keimbläschens können Productionen vorkommen, wie- wohl ich solche nur selten wahrnahm, ich ziehe dahin Fig. 32. b. c. In Fig. 32. 5. ist der Keimfleck durch die gegebene An- sicht nicht wahrnehmbar; es wäre aber auch möglich, dass die innerhalb liegende Zelle der Keimfleck wäre, wogegen mir “aber die zu bedeutende Grösse zu sprechen scheint. Zuweilen treten zwei Keimflecke als Cytoblasten eines Keimbläschens auf, wie in Fig. 24, a. Um das Keimbläschen endlich bildet sich- eine neue Membran, indem jetzt das Keimbläschen als Cytoblast fungirt, und damit ist im Allgemeinen die Bildung des Samenkörpers oder Eikeims vollendet, nur dass innerhalb der entstandenen Membran, besonders bei den Eiern, neue Productlionen, die Dotterzellen, auftreten, ähnlich wie sich in- nerhalb des Keimflecks neue Gebilde zeigten. Der Grad des Wachsthums steht zwischen dem Bär’schen Bläschen und dem Keimbläschen in demselben Verhältnisse, wie zwischen Keimbläschen und Keimfleck. Ebenso, wie zwei Keimflecke als Cytoblasten des Keimbläschens auftreten können, ebenso können zwei Keimbläschen (Fig. 20. a. a.), bisweilen sogar drei (?) (Fig. 24. b. c.) als Cytoblasten des Bär’schen Bläs- chens auftreten. Die Namen Dotterhaut, Keimbläschen, Keimfleck, sind aber ganz unnöthige Namen, da ein ähnliches Verhältniss von drei ineinander geschachtelten Bläschen bei jeder primitiven Zelle des thierischen Organismus vorhanden zu sein scheint. Denn mit demselben Reehte könnte man, wie ich es vorhin auch gethan habe, dir drei wesentlichen Theile des Samenkörpers eben so benennen; dasselbe gilt von den Ganglienkörpern des Nerven- systems ele. Mit Recht wird man daher, wie es Schwann schon vermulhete '), die Eier, und demgemäss auch die Sa- menkörper als eine primilive Zelle ausehn, deren Kern das Keimbläschen und deren Kernkörperchen ‚der Keimifleck ist. 4) Mikroskopische Untersuchungen. $. 49. und S. 258. 257 Wir kehren nun zur weitern Betrachtung der männlichen Geschlechtstheile zurück. Unmittelbar nach der Entwicklung des Keimbläschens der Samenkörper, oder richtiger des Kerns der werdenden Samenzelle, bemerkt man in dem vorhandenen körnigen Stroma feine wellenarlige Linien, die in Bündeln ne- beneinander auftreten, dies sind die künftigen Samenfäden oder Spermatozoen. Ihre Genesis ist mir nicht ganz klar gewor- den; zwar weiss ich bestimmt, dass sie aus dem körnigen Stroma hervorgehen, aber ob sich ein einzelnes Korn des Siroma zu einem Samenfaden verlängert, indem es nach zwei Seiten hin auswächst, eine Genesis, die bei vielen Evertebraten vorkommt, oder ob mehrere linienförmig aneinander gereihte Körner verschmelzen, wage ich nicht zu entscheiden. Dass diese Samenfäden aber aus dem körnigen Stroma hervorgehen, lehrt die Genesis der Samenfäden im Receptaculum seminis der weiblichen Lithobien, wovon wir weiler unten handeln werden. Es kommt auch eine Genesis der Samenfäden inner- halb von Zellen sehr häufig vor (solche ist zuerst von R. Wag- ner!) bei den Vögeln beobachtet worden); daher könnte man sich verleiten lassen, unsere Samenkörper für die Mutterzellen der Samenfäden zu halten, allein die Samenkörper sind be- ständig im reifen Hoden bei vollkommen entwickelten Samen- fäden vorhanden; auch lässt sich an ihnen nie etwas bemer- ken, das nur im Entferntesten auf Veränderung ihres primi- tiven Zustandes hindeutete. Auch finden sich im reifen Samen, dessen Spermatozoen die lebendigsten Bewegungen äussern, slels die meisten und ausgebildelsten Samenkörper, so dass man gar nicht zweifeln darf, dass sie bei der Befruchtung selbst eine selır wesentliche Rolle spielen. Ueberdiess ist die Beob- achtung der Genesis der Samenfäden aus dem Stroma des Re- ceplaculum seminis die beste Widerlegung jener Conjeetur. Im Hoden der erwachsenen Lithobien (Fig. 25. stellt ein Slück eines solchen dar) sieht man schon durch die Haut des 4) Müller’s Archiv. 1836. S, 225— 31. 258 Hodens die dicken, wurmförmig gekrümmten Haarbündel, die aus vielen feinen Haaren zusammengesetzt sind, hindurchschim- mern, auch einzelne Samenkörper, doch diese weniger, da sämmtliche Haarbündel dicht unter der Gefässwand des Hodens liegen, während die ungeheure Menge der Samenkörper den ganzen innern Raum desselben ausfüllt. Schneidet man den Hoden queer durch (Fig. 20.), so wird durch die Gewalt des eindringenden Wassers, das bei der mikroskopischen Beobach- tung angewendet wurde, ein Theil des Inhalts herausgetrieben. Stand das untersuchte Thier nicht in der Brunstzeit, so blei- ben sämmtliche Theile, die herausgeflossen sind, ruhig liegen, wie dies besonders im Winter und im ersten Frühjahr der Fall ist. Fig. 20. ist nach einem im Winter zergliederten Männ- chen entworfen; zu dieser Zeit sieht‘ man an den Haaren nur schwache Bewegungen und Zuckungen, meistens lösen sich die Haarbündel durch das hereindringende Wasser in unordentlich durcheinander liegende Massen von Haaren auf. Die Haarbündel sind schon 1816 von Treviranus !) im Hoden von Lithobius gesehen, aber nicht als Spermatozoen- bündel erkannt worden, sondern er beschrieb die Bündel als einen grossen Eingeweidewurm, der constant den Hoden von Lithobius bewohne. Als einen solchen hat er ihn Taf. VI. Fig. 2. B. des angeführten Werkes abgebildet. Hätte er da- mals grössere Sorgfalt auf diese Bündel verwendet, und ein gutes Mikroskop zur Hülfe genommen, so würde er schon die erst für die neueste Zeit aufbehaltene Entdeckung der haar- förmigen Spermatozoen der Insecten gemacht haben. Nähern sich die Chilognathen der Brunstzeit, so bemerkt man an den Haarbündeln, wenn sie aus den Hoden treten und mit Wasser in Berührung kommen, schon einige Bewegungen, die aber nur schwach siud, und sich bloss in dem durch v. Siebold besonders bekannt gewordenen Phänomen der Oesenbildung zu erkennen geben. Diese Oesenbildung ist nur #).a. 2.0, S. 45: [3 259 ein Anfang der grösseren Vitalität der Haare, die sich später in der wirklichen Brunstzeit auf eine so ausgezeichnete Weise bemerklich macht; denn die Oesenbildung scheint ihren Grund in dem Bestreben der einzelnen Haare zu haben, sich von dem ganzen Bündel trennen zu wollen, um den ihnen immanenten Rotationstrieb zu befriedigen. Leben aber die Thiere in der Brunst, was man jederzeit an den stark angeschwollenen Ge- schlechtsdrüsen, die von einer kreideweissen Molecularflüssig- keit strotzen, wovon auch die Nebenhoden dick angeschwollen sind, leicht erkennen kann; so lösen sich die an der durch- schnittenen Stelle des Hodens herausdringenden Spermatozoen- bündel mit ungemeiner Heftigkeit in die einzelnen Haare auf, und jedes einzelne Haar rollt sich nun mit grosser Schnellig- keit spiralförmig zusammen (Fig.19.) Hiermit fängt aber der eigentliche Lebensact dieser Haare erst an, denn auf dem er- sten Anblick scheint so ein spiralföürmig zusammengerolltes Haar heftig auf derselben Stelle, auf der es gerade liegt, im Kreise herumgeschleudert zu werden, was wohl eine halbe Stunde lang währt; bei näherer Betrachtung ergiebt sich dies aber als eine optische Täuschung, da es nur die einzelnen Windungen der Spirale sind, die sich unaufhörlich schlängeln und zittern, wie wenn mehrere nebeneinander liegende Ströme immer in demselben Bette kreisten und ineinander zurückkehrten. Die- ses wunderbare Phänomen, das der ganzen Samenmasse das Ansehn giebt, als fänden selbstständige Ströme in ihr statt, ist den Chilognathen eigenthümlich, kann aber zum Theil mit ähnlichen Strömungen im brünstigen Samen von Lumbricus und Helix, die schon länger bekannt sind, verglichen werden. Nach einiger Zeit erlischt die Vitalität der Haare, die Spiralen schnellen in regelmässigen Absätzen plötzlich und ruckweise auseinander (Fig. 19. a. 5.), und endlich liegen sie regungslos ausgestreckt (Fig, 1.c c.) Einzelne schon zum Theil abge- rollte Spiralen können sich mit dem noch spiralig aufgewickel- ten Ende, indem sich der abgewickelte Theil irgend wo fest- hält (Fig. 19. d.), wie an einem Stiele heben und senken, und 260 den erhobenen scheibenförmigen Theil frei im Kreise herum- schnellen und schwenken. . In der Gattung Geophilus finden sich dieselben Haarbün- del und auch ganz dieselben Samenkörperehen. Diese Theile ‚ entstehn hier in den drei Ventrikeln, die zur Brunstzeit da- von strotzen. Im Winter waren die Ventrikel bisweilen fast ganz entleert. Hinsichtlich aller übrigen Verhältnisse des Ge- schlechtslebens stimmen sie ganz mit Lithobius überein, nur der Umstand ist noch beachtenswerth, dass man besonders im Winter und auch zu andern Zeiten, die Haare im Nebenhoden und in dem doppelten Vas deferens sämmtlich spiralförmig auf- gerollt findet, ohne dass diese Theile vorher unter Wasser ge- bracht worden wären (Fig. 31.), was ihnen dann ein von den übrigen Theilen des Hodens abweichendes Ansehn giebt. Erst nicht sehr weit vom Anfange des dritten Ventrikels bemerkt man eigentliche Haarbündel. Aber nie habe ich. an diesen Spi- ralen des Vas deferens eher Bewegungen gesehen, als wenn wirklich Wasser zu ihnen trat. Hieraus folgt, dass auch an- dere Einflüsse als Wasser die Haare zur Spiralbildung zu be- stimmen vermögen; eine Frage, die v. Siebold in seiner vor- treflichen Abhandlung *) nieht: zu beantworten wagte. Die Nebenhoden von Lithobius enthalten nichts als eine dickflüssige, weisse, punktförmige, unorganisirte Flüssigkeit. Eine ähnliche Flüssigkeit wird von den männlichen, wie von den weiblichen Geschlechtsdrüsen, die, wie in ihrem Baue, so auch in ihren Functionen übereinstimmen, secernirt. Von den weiblichen Geschlechtstheilen bleibt nun noch ein höchst bedeutungsvolles Organ, das sogenannte Recepta- culum seminis übrig. Es hat v.Siebold das grosse Verdienst, zuerst in accessorischen Organen des Eierleiters haarförmige Spermatozoen entdeckt zu haben. Das Dasein von belebten Theilchen, die man nur als Producte des männlichen Samens 4) Ueber die Spermatozoen der Crustaceen etc, Müller’s Ar- ehiv. 4836. S. 13— 52, 261 kannte, in besondern, vom Oviduetus getrennten Organen, kann zunächst nicht anders erklärt werden, als dass man an- nimmt, sie seien in Folge des Begattungsaetes in die weibliche Scheide und von hier durch den Ductus seminalis in die Capsula seminalis gelangt. Gleichwohl stösst man bei dieser Hypothese auf unendliche Schwierigkeiten. Zunächst frägt man sich, warum die Spermatozoen, wenn sie das befruchtende männliche Prineip sind, nicht auf gradem Wege zu den Eiern fortgehen, anstatt die langen und engen Ductus seminales auf- zusuchen, zumal dies nach v.Siebold’s eigenen Untersuchun- gen z. B. bei Cimex bidens, und namentlich bei den Lepi- dopteren, so sehr erschwert ist? Was soll aber ihr Verweilen in der Capsula seminalis? Währte dieser Aufenthalt nur eine kurze Zeit, so liesse man sich diess gefallen; aber wenn er Monate lang dauern soll, wie diess v. Siebold selbst aus sei- nen, in Wiegmann’s Archiv *) mitgetheilten Beobachtungen sehr lebendiger Spermatozoen in den Samenkapseln von Vespa rufa, die er im Januar zergliederte, folgert, so weiss man gar nicht, was eine so lange der Befruchtung vorhergehende Be- gattung bezwecke, da sie gegen alle Analogie in der höhern Thierwelt streitet, wo die Spermatozoen spätestens nach 3—4 Tagen zu den Eiern gelangen. Diese Beobachtung aber, die v. Siebold nur einmal an Vespa rufa gemacht hat, kann man zu jeder Jahreszeit an den erwachsenen weiblichen Lithobien und Geophilen wiederholen. Immer findet man, auch mitten im Winter, die Capsula, wenn auch nicht beständig ganz erfüllt, doch immer mit einer solchen Menge haarförmiger Spermatozoen verschen, dass man sich hinlänglich überzeugt, jede Capsula seminis eines erwachsenen Weibchens müsse eon- stant Samenthiere enthalten. Untersucht man jüngere Weib- chen, so bestätigt sich, was man aus dem constanten Vorkom- men von Spermalozoen in der Capsula schon vermuthen musste, Jass diese nämlich nicht durch die Begaltung erst in diese An- 4) 1839. S. 107. 262 hängsel der weiblichen Geschlechtsorgane gelangen, sondern hier erzeugt werden. In sehr jungen Individuen bemerkt man nämlich die ganze Kapsel von einem dichten, gelblichweissen Körper ausgefüllt (Fig. 27. e.). Diesen Körper kann man durch einen geschickten Druck aus der Kapsel heraustreiben und man sieht nun, dass er eine körnige Masse ausmacht, die man beim weitern Zerdrücken als ganz identisch mit dem Stroma des primitiven Hoden- und Eierstockschlauches erkennt. Bei an- dern Individuen sieht man auf der Oberfläche des consistenten Körpers vereinzelte Haare, die der Masse des Stromas ein krau- ses Ansehn geben. Bei noch andern Individuen ist der consi- stente Körper mehr vermindert und rings um ihn herum lie- gen Spermatozoen. Fig.28. zeigt eine ähnliche Form; die im vordern Theil der Capsula liegenden Spermatozoen lassen deut- lich das Phänomen der Oesenbildung erkennen. Fig. 29. end- lich ist die Kapsel eines brünstigen Weibchens, sie ist ganz mit Samenfäden erfüllt, die sich während der Beobachtung zu heftig rotirenden Spiralen aufwickelten. Von der Richtigkeit dieser Beobachtungen habe ich mich durch vielfache Zergliede- rungen überzeugt, und glaube daher die paradoxe Behauptung aufstellen zu können, dass in den weiblichen Geschlechtsorga- nen der Chilognathen ein eigener Apparat für Bildung belebter Fäden sei, die hinsichtlich ihrer Eigenschaften ganz mit den Samenfäden des Hodens übereinkommen. Da der consistente Körper, das Stroma, schwindet, je mehr die Haarbildungen zunehmen, so ist klar, dass sie aus diesem hervorgehen müs- sen, wahrscheinlich durch Auswachsen der einzelnen Körner des Stroma. Es bleiben uns nun noch die Zeugungsflüssigkeiten der Chilopoden abzuhandeln übrig, worüber jedoch nicht viel zu sagen ist. Die weiblichen Geschlechtstheile, die den Eiern der Chilognathen ganz gleich gebildete enthalten, übergehe ich ganz. Was den Samen der Chilopoden anbetrifft, so ist er da- durch ausgezeichnet, dass er nie Haarbildungen hervorbringt, CA te 263 sondern nur Zellen. Bei den Julinen sind sowohl die eigent- lichen Vasa deferentia und ihre Queeräste (Fig. 35.) mit vie- len, sehr kleinen, wasserhellen Bläschen angefüllt (Fig. 35.a.a.), als auch die gemeinsamen: Vasa deferentia der Hodenbläschen (Eig. 36. a. a. b.). Die Hodenbläschen (Fig. 36. ce. c.) enthalten aber grössere Zellen, die eine punktförmige Flüssigkeit um- ‘schliessen (Fig. 36. d.). Ausser diesen beiden Arten von Zellen ist im ganzen männlichen Geschlechtssystem von Julus keine Spur von andern Bildungen vorhanden. Bei Polydesmus fand _ ich im gemeinschaftlichen Vas deferens und im Hodenbläschen vereinzelt stehende Reihen von einerlei Zellen (Fig. 39). Bei Glomeris endlich strotzten die Vasa deferentia, so wie der ge- meinsame Stamm derselben (Fig. 37.) von einer zahllosen Menge elliptischer Zellen; aber an diesen Theilen habe ich niemals eineSpur von Bewegung wahrnehmen können. In den Hoden- bläschen von Glomeris kommen ausserdem noch runde Scheib- chen, ähnlich denen in den Hodenbläschen von Julus vor. III. Ueber die Geschlechts- Verhältnisse anderer Evertebraten, nebst theoretischen Bemer- kungen. Unter den von mir ‘über die Myriapoden mitgetheilten Un- tersuchungen waren es besonders zwei Beobachtungen, die ge- gen die herkömmlichen Ansichten über das befruchtende Prineip in eine feindliche Stellung traten, nämlich das wirkliche Ent- stehen von Spermatozoen in den weiblichen Geschlechtstheilen und das Dasein von Eiern ähnlichen Zellen im Hoden, die sich als wesentliche Bestandtheile zeigten, und nicht in Samenfäden verwandelten. Um zu prüfen, was von diesen beiden Beob- achtungen zu halten sei, untersuchte ich die Geschlechtsver- hältnisse anderer Evertebraten, namentlich die unserer einhei- mischen Mollusken, Crustaceen und Annulaten, und gelangte zu folgenden Ergebnissen. 264 , Carus erkannte zuerst, dass im traubenförmigen, unter der Leber gelegenen Organ der hermaphroditischen Schnecken reife Eier und lange, sich spiralförmig aufrollende Fäden vor- kommen, die er für sehr entwickelte Wimpern hielt. Bald darauf wies‘aber Henle die wirklichen Wimpern nach, und er, wieR, Wagner, erklärten die beweglichen Fäden für Sper- matozoen. Ganz kürzlich bestritt aber Koelliker ') wieder das gleichzeitige Vorkommen von wirklichen Eiern und Sper- matozoen im traubenförmigen Organ, indem er sich auf seine, aur im Winter an Lymnaeus und Planorbis angestellte Beob- achtungen beruft. Allein im Frübjahre, wenn sieh unsere Eymnäen- und Planorbisarten begatten, überzeugt man sich leicht. dass jene Forscher über das Vorhandensein wirklicher Eier im traubenförmigen Organ nicht getäuscht worden sind. Ich habe sehr oft in der Begattung begriffene Lymnäen aus- einander gerissen, fand aber steis im traubenförmigen Organ beider Individuen ganz denselben Inhalt, so dass ich mich ge- nöthigt fand, alle übrigen Theile des Geschlechtsapparates für accessorische drüsige Organe, das traubenförmige Organ aber allein für den wesentlichen zu erklären und ihm männliche und weibliche Function zugleich zuzuschreiben, so zwar, dass ein Theil des Inhalts dieses Organs in dem einen Individuum bei der Begaltung befruchtet wird, ein anderer Theil des In- halts desselben Organs aber in das entsprechende Organ bei dem andern eindrinogt und befruchtet. Ich fand nämlich im traubenförmigen Organ brünstiger Thiere constant sehr grosse Eier mit deutlichem Keimbläschen und Keimfleck (oft waren die Eier so mit Dotterzellen angefüllt, dass das Keimbläschen ganz verdeckt wurde), ferner kleine, scheibenförmige Zellen ohne deutlichen Kern und die bekannten langen ‚Samenfäden. 4) Beiträge zur Kenntniss der Geschlechtsverhältuisse und der Samenflüssigkeit wirbelloser Tbiere, nebst einem Versuch über das Wesen und die Bedeutung der sogenannten Samenthiere von Albert Koelliker. Berlin 1841. S. 30, 265 In den blinden Endigungen des traubenförmigen Organs sieht man die Eier von sehr verschiedener Grösse, die kernlosen, scheibenförmigen Zellen haben aber eine ganz constante Grösse. Ausserdem findet man im traubenförmigen Organ kleinere und _ grössere Haufen von einer körnigen, gelblichweissen Masse, die dem Stroma im’ Hoden der Myriapoden fast gleichkommt. Die scheibenförmigen Zellen, die schon Treviranus gesehen hat, sind keineswegs optische Täuschungen, wozu die Oesen der Haare Veranlassung gegeben hätten, wie v. Siebold frü- her vermuthete, sondern es sind deutlich Zellen mit diner punkt- förmigen jFlüssigkeit erfüllt. Ich möchte sie mit den Samen- körpern im Hoden der Chiloguathen vergleichen, obgleich sie weder Kern noch Kernkern zeigen. Dass die Samenfäden nicht aus ihnen hervorgehen, sondern aus den einzelnen Körnern des elliptische oder kugelförmige Haufen bildenden Stromas, schei- nen folgende Beobachtungen darzuthun. Von den Haufen des Siroma gingen nämlich bei einigen nach allen Seiten sich aus- breitende, geschlängelte Samenfäden aus, die also mit dem einen Ende in der körnigen Masse wurzelten, während das andere Ende frei hervorragte. Dann fanden sich andere kleinere Hau- fen, von denen sich schon Parthien ausgebildeter Samenfäden abgelöst halten, so dass noch unausgebildete Samenläden mit leeren Feldern um die körnige Masse herum abwechselten. Noch häufiger waren kleine Häufchen Stroma, von welchen nach einer Seite hin ein grosser Büschel von sich schlängeln- den Samenfäden ausliei. Letztere Haufen hatten dadurch ein. kometenartiges Ansehn, so dass die kleine, noch übrig geblie- bene körnige Masse vom Stroma den Kern des Kometen, das daran hängende Büschel von Samenfäden aber dessen Schweif darstellte, Oder um die Sache durch ein anderes Bild, das Koelliker bei einer ähnlichen Gelegenheit gebraucht, vorstel- lig zu machen, die Häufchen von Körnern mit dem Büschel von Samenfäden gleichen einem Büschel Eisenstäbehen, die an dem Pole eines Magneten hängen und darum mit ihren andern Enden divergiren. Solchen magnetischen Erscheinungen noch 266 ähnlicher wurde der Anblick, wenn drei bis vier solcher Bü- schelhaufen nebeneinander lagen, und die divergirenden Enden der Fäden aufeinander stiessen. Zerquetscht man einen sol- chen Haufen, so sieht man hier und da, wie noch einzelne Samenfäden an ihren Enden eine Anschwellung zeigen. Bier- aus glaube ich den Schluss ziehen zu dürfen, dass die Samen- fäden der Lymnäen durch Auswachsen der körnigen Zellen des Stromas entstehen, eine Genesis, die bereits von andern Forschern in verschiedenen Thiergruppen festgestellt worden ist und di@ wir auch oben bei den Myriapoden als die wahr- scheinliche vermutheten. Dieselben Theile, die ich constant im traubenförmigen Or- gane von Lymnaeus antraf, fand ich auch bei den Gattungen Helix, Limax und Planorbis, wenn sie nur brünstig waren. Dass also wirkliche Eier, Samenfäden und scheibenförmige Zellen in demselben Organe vorkommen, steht mir ganz fest. Vergleichen wir hiermit die von Koelliker an den Kamm- kiemern des Meeres angestellten Beobachtungen, so finden wir, dass namentlich das, was er über den Inhalt des Hodens von Turbo neritoides !) mittheilt, mit dem Inhalte des traubenför- migen Organs von Lymnaeus stagnalis bis auf das Fehlen der Eier völlig übereinstimmt, welche hier natürlich nicht vorkom- men können, da Turbo getrennten Geschlechts ist. Koelliker fand im Hoden ähnliche Körnerhaufen mit strahlenförmig sich ausbreitenden Samenfäden und beobachtete deutlich die Genesis der Samenfäden durch Auswachsen einer einzigen kleinen kör- nigen Zelle. Die von ihm auf Taf. I. Fig. 5. gegebenen Zeich- nungen stellen fast genau das dar, wis ich über den Inhalt des traubenförmigen Organs von Lymnaeus aufgenommen habe, nur dass er den Inhalt der scheibenförmigen Zellen (Fig. 5. d.), die ich mit den Samenkörpern verglich, mit deutlichen kleinen Zellen angefüllt darstellt. Bei Lymnaeus zeigten aber diese Zellen nur eine trübe, punktförmige Flüssigkeit. Das Verhältniss 4) aa. 0. S. 26—27. = 267 in der Grösse der scheibenförmigen Zellen zu den kleinen kör- nigen Zellen des Stroma ist aber bei Lymnaeus grade so, als es Koelliker in Fig. 5. d., und 5, e. darstellt. Koelliker fasst diese Beobachtungen ganz anders auf, als dies eben von mir geschehen ist. Er sagt; „Nach dem, was ich sahe, muss ich glauben, dass alle diese sonderbaren Gestalten, diese Büschel, diese Sterne, erst ausserhalb des Hodens entstehen (?), in dem Augenblicke, wo man die Samenflüssigkeit mit Wasser ver- dünnt, denn in demselben fand ich immer die Samenfäden, körnigen Kugeln (so nennt er die Haufen, die ich Siroma ge- nannt habe) und feinkörnigen Massen regellos gelagert, doch so, dass die letztern Theile im Hoden, die erstern im Ductus deferens vorwalteten. Diese Ansicht, dass die Samenfäden erst ausserhalb der Hoden in Folge polarer Attraclion, eiwa wie Eisenfeilspäne an dem Magnet, an die Körnerkugeln und fein- körnigen Massen sich ansetzten, wird dadurch beinahe zur Ge- wissheit erhoben, dass ich sah, wie sie sich auch an die Aus- senfläche des Ductus deferens, und alle freiliegenden Hoden- kanäle dieht aneinander gelagert ansetzten, so dass dadurch ganz das Bild eines ungeheuren Flimmersaumes entstand.“ Sollte sich vielleicht im Hoden von Turbo das Phänomen der Wimperbewegung zeigen, wie im Ausführungsgang des Irau- benförmigen Organs von Lymnaeus, und so das Bild des Flim- mersaumes erzeugt haben? Da ich die Büschel und Sterne siets innerhalb des traubenförmigen Organs von Lymnaeus fand, so ist wohl an keine organische Attraclion zu denken. Die Deutung des Hodeninhalts von Turbo scheint mir übrigens, ver- glichen mit meinen Beobachtungen an Lymnaeus nicht ganz riehlig zu sein. Die Körnerkugeln, welches runde, aber auch elliptische und unregelmässige Aggregate von kleinen, körnigen Zellchen sind, sollen mit der Entwicklung der Samenfäden in keinem Zusammenhange stehn, sondern diese Zellen aus Zell- chen hervorgehn, die einzeln frei im Hoden liegen, und die doch mit den einzelnen körnigen Zellchen der Körnerkugeln eine ganz gleiche Grösse und Baschaffenheit haben, so dass sie Müller's Arcbir. 1842. 18 “ I 268 E offenbar nur von dem Körneraggregate abgetrennte Körner sein können, grade so, wie es auch bei Lynmnaeus der Fall ist. Um endlich die grossen freien Zellen (Fig. 5. d.), die den schei- benförmigen Zellen von Lymnaeus entsprechen, unterzubringen, so nimmt Koelliker an, dass diese platzen, und der ausge- _ schüttete Inhalt seien die einzelnen freien Körner, die sich dann in Samenfäden umwandelten. Hieraus sehen wir, dass der Inhalt eines wirklichen Ho- den (von Turbo neritoides nämlich) mit dem Inhalt des trau- benförmigen Organs der hermaphroditischen Schnecken (z. B. von Lymnaeus) bis auf das Vorhandensein wirklicher Eier bei den letztern, ganz und gar übereinstimmt. Es frägt sich nur, wie man sich unter der Voraussetzung der Richtigkeit der Beobachtung, dass das traubenförmige Or- gan, seinem Inhalte zufolge, Hode und Eierstock zugleich sei, den Begattungsact, und demgemäss den Zusammenhang der ‘verschiedenen Ausführungsgänge bei den hermaphroditischen Schnecken zu denken habe. Fast alle Forscher stimmen jetzt darin überein, dass die grosse zungenförmige Drüse (der Ho- den von Cuvier) weder Eikeime noch Samenflüssigkeit pro- ducire, und dass sie nur für ein accessorisches Organ zu hal- ten sei. So nennt sie z.B. R. Wagner in der schönen ana- tomischen Darstellung der Geschlechtsverhältnisse der herma- phroditischen Schnecken von Dr. Erdl ') den zungenförmigen Anhang, das traubenförmige Organ wird als keimbereitende Drüse bezeichnet, und vom Hoden ist weiter keine Rede. Nun zeigt aber die Beobachtung der Copulation dieser Thiere, dass die Begatiung eine kreuzweise ist, dass nämlich das Indivi- duum A seinen Penis in die Scheide von B führt und B be- fruchtet, während A selhst durch den in seine Scheide geführten Penis von B befruchtet wird; wir wissen ferner, dass in den Penis ein Vas deferens mündet, das meist von der Stelle frei her- 4) Reisen in "der Regentschaft Algier von Dr. M. Wagner. 111,269. ee ee Fr A A e 269 abläuft, wo der Ausführungsgang des traubenförmigen Organs der zungenförmigen Drüse begegnet, und sich in den soge- nannten kettenförmigen Eierleiter erweitert; es bleibt also kein anderer Schluss möglich, als anzunehmen, dass sich an der oben bezeichneten Stelle der einfache Ausführungsgang des iraubenförmigen Organs in zwei Wege zertheile, von denen der eine das zum Penis verlaufende Vas deferens, der andere aber der kettenförmige Oviductus ist. Die unmittelbare Beob- achtung hat zwar diese Vermuthung noch nicht bestätigt, al- lein nur durch sie würde die kreuzweise Begattung und die Vereinigung von Hoden und Eierstock in einem einzigen Or- gan erklärt. Durch denselben Begattungsact gäbe also jedes Individuum einen Theil‘ des Inhalts seines traubenförmigen Or- gans (Samenfäden und scheibenförmige Zellen) vermittelst des Vas deferens in den Oviductus des andern, von wo aus diese Theile in das traubenförmige Organ gelangten, und die hier befindlichen Eier befruchteten; mit andern Worten, aller Her- maphroditismus, der mit einem gegenseitigen Befruchten und . Befruchtetwerden verbunden ist, wäre wirklich Geschlechts- differenz; nur organische Elemente eines fremden Individuums derselben Species könnten auf die Eikeime einer hermaphrodi- tischen Schnecke einwirken, aber nicht die gleich beschaffenen, von ihr selbst produeirten. Wäre v.Siebold’s Schluss, den er aus dem Bau der Geschlechtstheile der Distomen zog, rich- tig (er sagt nämlich ’): „Aus dem oben beschriebenen Bau der -Distomen geht nun klar hervor, dass sich diese Thiere selbst befruchten, es wird bei ihnen diese Befruchtung auf eine eben so unwillkürliche Weise, wie das Verdauungsgeschäft vor sich gehen‘), so dürfte bei den hermaphroditischen Schnecken, wo dem Wesen nach dieselben Verhältnisse vorhanden sind, ‘gar keine Copulation zweier Individuen statt finden, sondern da in einem und demselben Organe die befruchtenden und die zu 1) Die Spermatozoen der Enthelminthen. Müller’s Arch. 1836. 8, 232. 18 * n: 270 befruchtenden Elemente vorhanden sind, so müsste auch bei diesen Thieren die Befruchtung eben so willkürlich, als das Verdauungsgeschäft vor sich gehen. Die Annulaten scheinen die oben vorgetragene Hypothese zu bestätigen. Bei ihnen besteht in jedem Individuum der männliche und weibliche Geschlechtsapparat getrennt für sich, und mündet auch mit gesonderten Wegen nach aussen, Nach meinen Untersuchungen halte ich die Matrix von Sanguisuga für die weiblichen Organe, die mit Bläschen versehenen beiden Schnüre aber für die männlichen. Wie R. Wagner, so habe auch ich in der Matrix unzweifelhaft Eier beobachtet. Dass aber die grossen Zellkörper in den Hodenbläschen, die ein all- gemeines Attribut der meisten Annulaten zu sein scheinen, keine Eikeime sein können, sondern dem befruchtenden Prin- eip zugezählt werden müssen, scheint mir eine Beobachtung, die ich im vergangenen Frühjahr an einem grossen brünstigen Exemplare von Lumbricus terrestris anstellte, ausser Zweifel zu setzen. Die anatomische Auseinandersetzung der Geschlechts- theile des Regenwurms liegt zur Zeit noch immer im Argen, und auch ich vermag nicht die Ausführungsgänge und den ge- nauen Zusammenhang aller einzelnen Theile mit Bestimmtheit nachzuweisen; ich will daher nur kurz angeben, was ich ge- sehen habe. Im vordern Theile des Körpers fallen nach Hin- wegnahme der Haut zwei grosse wurstartige Körper sogleich in die Augen. Sie scheinen den männlichen Functionen vorzu- stehen, denn ich fand in ihnen viele haarförmige Spermatozoen, und jene grossen, sonderbaren Zellkörper, die aus den Hoden- bläsehen von Sanguisuga schon länger bekannt, und von Henle getreu abgebildet worden sind. Mit ihnen stehen wohl die klei- nen Bläschen in Zusammenhang, die von Samenfäden strotzen, an denen ich das wunderbare Phänomen der sogenannten to- talen Bewegung der ganzen Samenmasse zuerst aus eigner Än- schauung kennen lernte. Unter diesen wurstartigen Körpern liegen am Nahrungskanal angeheftet drei andere Körper von gleicher äusserlicher Beschaffenheit, die ich für die weiblichen er 271 Organe halte. Ich fand in ihnen eine grosse Anzahl langer Schläuche (Fig. 38.), welche ganz mit kleinen Zellen angefüllt waren, und in welchen eine (bisweilen 2) grosse helle Blase — offenbar das Keimbläschen — lag, an dessen innerer Wand ein grosser körniger runder Fleck — der Keimfleck — sichtbar war. Hieraus folgt, dass die grossen Zellkörper, die sich bei allen Hirudineen finden, keine Eier sein können, und dass die mit Bläschen versehenen Schnüre, die jene Körper und die Samenfäden enthalten, männliche Organe sein müssen. Diese grossen Zellkörper stehen aber zur Genesis der Samenfäden in keiner Beziehung, da man diese aus den feinkörnigen Zellen, die sich namentlich in dem sogenannten Nebenhoden der Hi- rudinen finden, hervorgehen sehen kann. Dies ist auch das Resultat von Koelliker’s Untersuchungen. Er sagt ’): „Die runden Bläschen längs des Nervenstranges sind die Hoden, die zwei weissen, aus gewundenen Kanälen bestehenden Organe die Nebenhoden, die sich’in den Schlauch des Penis münden. Für diese Ansicht spricht das Vorkommen der feinkörnigen Zel- len und der Faserbündel in den Hodenbläschen und Nebenhoden, und die beobachtete Entwickelung der Samenfäden aus den fein- körnigen Zellen; unerklärt jedoch bleibt die Bedeutung der grosskörnigen Kugeln in den Hodenbläschen.“ Die grossen Zellkörper im Hoden der Annulaten scheinen _ mir, wie die Samenkörper der Chilognathen und die scheiben- förmigen Zellen der hermaphrodilischen Schnecken, wesentlich mit zur Befruchtung zu gehören. Die Begattung der Annula- ten bestände demnach, wie bei den hermaphroditischen Schnek- ken, darin, dass das eine Individuum aus seinem Hoden die befruchtenden Elemente in die Matrix des andern abgiebt, und sich dafür dieselben Elemente in seine Matrix aus dem Hoden des andern eintauscht. So wenig aber ein Ringelwurm durch Einführung seines Penis in seine eigene Matrix sich befruchten kann (der einzige von Ferd. Schultze beobachtete Fall von 1) a. 2.0. S. 24, 272 Selbstbegattung eines Bandwurms beweist nichts, da der Penis durch irgend eine Biegung des Körpers zufällig in die Oeffnung der Scheide gerathen sein kann, und da es duchaus über alle Erfahrung hinaus liegt, dass eine solche Immission des Penis eines hermaphroditischen Thieres in seine eigene Scheide eine wirkliche Befruchtung zur Folge gehabt habe) so wenig wird dies durch den beständig statt findenden Contact der in dem- selben Behältniss vorhandenen Samenflüssigkeit und Eikeime der hermaphroditischen Schnecken geschehen. Dass auch sonst noch im Hoden ausser den Samenfäden Zellen vorkommen, aus welchen keine Samenfäden entstehen, beweisen auch die Isopoden. Schon v.Siebold hat vor län- gerer Zeit darauf aufmerksam gemacht. Er äussert sich dar- über !): „Nicht mit Stillschweigen darf ich es übergehen, dass mir zwischen den Haarbündeln eigenthümliche Körper aufsties- sen, die fast wie Eikeime aussahen, und die aus einer zä- hen Masse von rundlicher Gestalt bestanden, aus deren Mitte ein rundlicher Kern hervorschimmerte, neben dieser kommen auch häufig sehr kleine ovale Körperchen vor, welche in ihrem Innern eine feinkörnige Masse beherbergten. Was ich aus die- sen Beimischungen des Samens jener beiden Kellerwürmer (Oniscus und Porcellio) machen soll, weiss ich bis jetzt nicht „zu sagen.“ Was hier v. Siebold von Oniscus und Porcellio sagt, kann ich auf alle unsere einheimischen Isopoden ausdeh- nen. Bei den vielen Arten aus den Gattungen Oniscus, Por- cellio, Armadillo und Asellus, die ich untersuchte, fand ich stets sehr grosse Samenkörper in bedeutenden Mengen neben den ausgebildeten, sehr langen haarförmigen Spermatozoen. Die Hoden der Isopoden sind nach einem sehr constanten Ty- pus gebaut. Sie bestehen meistens aus zwei Stämmen, von denen jeder auf der Aussenseite mit drei Aesten versehen ist. Letztere enthalten die sehr kleinen, bereits von v. Siebold 4) Ueber die Spermatozoen der Crustaceen etc. Müller’s Ar- chiv 1836. S. 28. 273 erwähnten körnigen Zellen, aus denen sich wohl die Samen- fäden entwickeln mögen; in den beiden Hauptstämmen beflndet sich aber ein grosses, aus haarförmigen Spermatozoen zusam- mengesetztes Bündel, unter welchem sehr bedeutende Mengen grosser, mit einem körnigen Flecke versehener Zellen liegen. Diese Zellen des Hodens sind von den Eiern der weiblichen Isopoden fast gar nicht zu unterscheiden, und sie bestehen, wie diese, aus einer grössern Zelle, welche einen grossen, dun- keln, wie aus vielen aggregirten Körnern zusammengesetzten Kern in sich schliesst. Bei den Insecten hat Treviranus unter den Samenfäden neben kleinern körnigen Zellen ebenfalls grössere entdeckt, und sie mit den Pollenkörnern der Pflanzen verglichen !). Diese Beobachtungen nöthigten mich, auf diese Zellen des Hodens, aus welchen sich keine Samenfäden entwickeln, und die in sehr vielen Fällen den Eiern zum Verwechseln ähnlich sind, ein grösseres Gewicht zu legen, und sie durch den be- sonderen Namen der Samenkörper von den anderen Zellgebil- den des Hodens, dem Substrate der Spermatozoenbildung, zu unterscheiden. Ja ich kam auf die Vermuthung, dass sie das wesentlichere Product des Hodens sein möchten, da in grossen Thierabtheilungen (man denke nur an die Malacostraka, Chi- lopoden und Räderthiere) gar keine Samenthiere vorkommen, dafür aber stets Zellen vorhanden sind. Letztere Thatsache spricht schon gar zu sehr gegen die Ansicht, welche die Sper- matozoen für das befruchtende Princip nimmt. Wird aber meine Beobachtung von der Genesis der Spermatozoen in dem Receptaculum der weiblichen Chilognathen bestätigt, so ist jene Ansicht ganz und gar beseitigt. Gegen die Deutung der Spermalozoen als des befruchten- den Prineips spricht namentlich auch Paludina vivipara, wel- 4) Ueber die organischen Körper des thierischen Samens. Zeit- schrift für Phys. von Tiedemann und Treviranus. V., I. 136 bis 154. 274 che getrennten Geschlechtes ist, Denn hier bemerkt man im Grunde der Matrix der weiblichen Individuen gleichzeitig mit ganz reifen Embryonen, die bereits mit Schalen versehen sind, einen Haufen höchst lebhafter Spermatozoen. Wären diese Spermatozoen durch den Begattungsact in die Matrix gelangt, so müsste man annehmen, dass sie, nachdem sie die hier be- findlichen Eikeime befruchtet hätten, ihre Vitalität beibehiel- ten, um später neue Generationen von Eikeimen zu befruch- ten. Ein neuer Begaltungsact braucht dann sobald nicht wie- der statt zu finden. Ieh wage eine solche Ansicht nicht zu vertheidigen, sondern es scheint mir einfacher; eine Genesis von Spermatozoen in der weiblichen Matrix anzunehmen, wo- mit dann freilich erklärt ist, dass die Spermatozoen nicht das befruchtende Element sein können. Zu dieser Ansicht treibt mich die Beobachtung der in der weiblichen Matrix vorkom- menden Spermatozoenformen. Diese variirten nämlich sehr bedeutend in Grösse und Gestalt, ich fand grössere von wurm- förmiger Gestalt, und kleinere haarförmige, zwischen beiden Extremen aber auch Mittelformen und Uebergänge. Die von v. Siebold beschriebenen zwei Arten von Spermatozoen, die im Hoden von Paludina vorkommen, hat bereits Koelliker ') für verschiedene Entwickelungsstufen ein und derselben Art erklärt; aus meinen Beobachtungen, die leider, ehe ich zu einem ganz gewissen Resultate gelangte, unterbrochen wurden, folgte dann, dass auch in der Matrix verschiedene Entwicke- lungsstufen der Samenfäden vorkämen, und diese also wohl schwerlich aus den männlichen Geschlechtstheilen hierher ge- langt sein können. Aus allen diesen Beobachtungen habe ich in meiner Dis- sertation, vielleicht zu voreilig, folgende Schlüsse gezogen: 4) Die Samenläden können nicht das befruchtende Princip sein. 2) Der Contact einer primiliven Zelle des Ovariums (Eikeim) mit einer primitiven Zelle des Hodens (Samenkörper) 4) a. a. ©. S. 63. 275 bewirkt die Befruchtung des Eies. 3) Die Samenfäden, die sich durch ihre grosse Beweglichkeit auszeichnen, haben den Zweck, den unmittelbaren Contact einer Eierstockszelle und einer Hodenzelle zu vermitteln. Ich weiss recht gut, wie viel sich gegen diese Folgerun- gen einwenden lässt, anch lege ich selbst keinen sonderlichen Werth darauf; gleichwohl will ich noch einige Gründe dafür anführen, da die Spermatozoentheorie den meisten Physiologen nicht genügt, und es immer gut ist, auf die Möglichkeit einer andern Deutung der bis jetzt bekannt gewordenen Beobach- tungen aufmerksam gemacht zu haben. R. Wagner hat in der Samenflüssigkeit der höhern Thiere constant Zellen neben den Spermatozoen erkannt, die sich nicht weiter umwandeln. Ich habe ähnliche Bildungen bei vielen Evertebraten nachgewiesen, auf ihre Uebereinstimmung mit den Eikeimen aufmerksam gemacht und daran erinnert, dass sie in mehreren grosseu Thierabtheilungen als die einzigen Pro- duclionen des Hodens anftreten. Da ferner der neue Organis- mus sich aus einer Zelle (dem Ei) entwickelt, und die Zelle im thierischen wie im pflanzlichen Organismus der ursprüngliche Heerd des Lebens ist, wie man auch aus dem Nervensystem ersieht, dessen wesentliches Element, die Ganglienkugeln, selbst Zellen sind (ich verglich darum in meiner Dissertation die Sa- menkörper der Chilognathen mit den Ganglienkugeln, und die Samenfäden mit den Primitivfasern des Nervensystems) so ist es wahrscheinlicher, dass das befruchtende Element eine Zelle, als ein Samenfaden sei, welcher eine secundaire, durch Meta- morphose von Zellen hervorgegangene Bildung ist, während das Ei als primitive Zelle gleichsam den Urleib des Lebens- princips, die Möglichkeit des ganzen künftigen Organismus dar- stellt. Erwiesen sich die Samenkörper im Hoden als die den Eiern im Ovarium entsprechenden Bildungen, so würde man sagen können, dass durch den Begattungsact die Anlage des ganzeu männlichen Organismus (die primitive Hodenzelle oder das Samenkörperchen) mit der Anlage des ganzen weiblichen 276 Organismus ‚(der primitiven Eierstockzelle, dem Eie) in Be- rührung komme. Zweck dieses Actes sei, den Gegensatz, in dem beide zeugenden Individuen, und demnach auch die. von ihnen produeirten Keime, das Samenkörperchen und das Ei, zu einander stehen, aufzuheben, ein neues Individuum hervor- zubringen, in dem die Geschlechtsdifferenz vernichtet und da- mit der Gattungsbegrifl, der nirgends in der Natur frei für sich existirt, sondern nur den beiden Geschlechtern als das sie aneinander Fesselnde zu Grunde liegt, realisirt wäre, Dass das erzeugte Individuum im Verlaufe seiner Entwickelung wie- der einem bestimmten Geschlechte angehört, und nicht den Gattungsbegriff darstellt, kann seinen Grund nur in den be- stimmten äussern Verhältnissen haben, unter denen sich der Keim entwickelt. Die Besorgniss, mich nicht zu sehr in theo- retische Betrachtungen zu verlieren, wozu hier nicht der Ort ist, verhindert mich an der weitern Ausführung solcher hypo- thetischer Gedanken. Nur daran will ich noch schliesslich er- innern, dass der Begattungsact der Pflanzen in dem blossen Contacte einer ‘männlichen Zelle (des Pollenkorns) mit einer weiblichen (dem Embryosack) zu bestehen scheint. Auch für den Fall, dass Schleiden?’s geistreiche Theorie die richtige ist, ist die Pflanzenzeugung wesentlich Contaet zweier Zellen. In Schleiden’s Lehre, in der mit Recht der ganze. Sperma- tozoenkram ignorirt ist, den Meyen, verleitet durch die Be- trachtung der Geschlechtsverhältnisse der Kryptogamen (ich werde darüber an einem andern Orte handeln und zeigen, ‚dass die vorgeblichen Spermatozoen in den sogenannten Antheren der Moose und Charen den thierischen Samenfäden nicht ver- glichen werden können), auch bei den Phanerogamen wollte geltend machen, liegen hauptsächlich zwei Bestimmungen, ein- mal und zumeist die, dass der Embryo eine auf die Axe ge- pfropfte Zelle des Blattparenchyms ist. Wäre diese Bestim- mung allein als das Wesentliche festgehalten, so wäre die Pflan- zenzeugung keine geschlechtliche Zeugung, sondern nur eine Fortpflanzung durch Knospen; das Pollenkorn wäre eine Knospe. 277 die sich aber nur zu einer neuen Pflanze entwickelte, sobald sie einer von der Pflanze selbst zweckmässig organisirten Stelle, dem Eichen, oder genauer dem Embryosack inoculirt würde. Da nun aber der auf einen andern Stamm gesetzte Impfling seine Natur beibehält, und nicht die des Stammes annimmt, so wäre die Bastarderzeugung der Pflanzen unmöglich. Daher musste Schleiden noch eine andere Bestimmung hinzutreten lassen, er räumte eine dynamische Einwirkung des Embryo- sacks auf den Pollenschlauch ein, und übertrug damit dem Embryosack eine männliche Function. Eigentlich hebt aber diese zweite Bestimmung die erste auf, und umgekehrt. Denn ist eine dynamische Einwirkung des Körpers, auf den gepfropft wird (hier des Embryosacks), auf das Pfropfreis (hier das ver- längerte Pollenkorn) zugegeben, so ist damit der Begriff des Pfropfens selbst aufgehoben, da eine solche Einwirkung beim eigentlichen Pfropfen nicht vorkommt; jener Vorgang bei der Pflanzenerzeugung ist also kein Pfropfen mehr. Wird aber jene Einwirkung aufgegeben, damit man den Zeugungsaet aus dem blossen Begriffe des Pfropfens erklären könne, so ist es keine geschlechtliche Zeugung mehr, und die Bastardbildung bleibt unbegreiflich. Es bleibt demnach nur das einfache Re- sultat für die Pfllanzenzeugung, dass zwei Zellen es sind, das Pollenkorn und der Embryosack, die einander berühren müssen, damit in der einen von ihnen die Bildung einer neuen Pflanze vor sich gehe. Ob dies nun das Pollenkorn, wie Schleiden will, oder der Embryosack, was mir natürlicher scheint, sei, dies ist nicht so wesentlich, als das Factum, dass der Contact zweier, von verschiedenen Pflanzenblättern (als solche sind die Antheren und Pistille nach der Metamorpho- senlehre zu betrachten) und darum Pflanzenindividuen (vergl. Joh. Müller Physiologie. II, 592.) produeirter Zellen die Be- fruchtung bewirke. 278 Erklärung der Abbildungen. Taf. XII. Fig. I. Die männlichen Geschlechtstheile von Lithob. forficatus. a. Hoden. 2.5. Nebenhoden. c.c. Vasa deferentia. d.d, Geschlechtsdrüsen. e. Darmkanal. f. Malpighisches Gefäss. Fig. 2. Weibliche Geschlechtstheile von demselben Thiere. a. Eierstock. 2. Eierleiter. c.c. Receptaculum seminis. d.d.d.d Ge- schlechtsdrüsen. e. Deren Auslührungsgang- Fig. 3. Aeussere männliche Geschlechtstheile. a. a. Lamellen. b.b. Klappen. c. Penis. Fig. 4. Zusammengelalteter Penis. Fig. 5 Anhängsel am letzten Segmente des WVeibehena. a.a. Ha- ken. 5. umgestülpte Scheide. Fig. 6. Anhängsel am letzten Segment des Männchens, a. La- melle. 5.5. Zweigliedrige Warze. c. Hervorragende Klappen der äus- sern Genitalien. Fig. 7. Männliche Geschlechtstheile von Geophilus subterraneus, a.a. Vas deferens. 5. Vereinigungsstelle zum gemeinsamen Stamm. c.c. Nebenhode. d. Erster Ventrikel, e.f. Zwei aus dem ersten Ven- trikel hervorgehende Stämme. g. Zweiter Ventrikel. A.i. Zwei aus dem Aste e. hervorgehende Zweige. m. Vereinigungsstelle des zwei- “ten und dritten Ventrikels. n. Dritter Ventrikel. o. p. Verbindungen des zweiten und dritten Ventrikels, (Diese männlichen Geschlechts- theile sind nach 400maliger Vergrösserung, die der folgenden weibli- chen nur nach 25maliger dargestellt.) Fig. 8. Der untere Theil der weiblichen Geschlechtstheile des- selben Thieres,. aber in kleinerem Maassstabe. a. Eierstock. 5. La- melle. c. c. Zwei Gruben (nicht Geschlechtsöffnungen). d.d. Ge- schlechtsdrüsen, e. e. Receptaculum seminis. Fig. 9. Vorletztes Körpersegment eines Geophilus, von der Bauchseite gesehn, um die sonderbaren Oefnungen a. a. zu zeigen. b.b. Letzte Fussglieder. Fig. 10. Basalglied eines der Hinterfüsse von Lithob. forfieatus, um die in einer vertieften Grube liegenden Queeröffnungen a. a. zu zeigen. Fig. 41. Die beiden letzten Fusspaare eines Männchens von Glo- meris. a.a. Das letzie Fusspaar, sehr vorwiegend ausgebildet. 2. b. Das vorletzte. Fig. 42. Aeussere weibliche Geschlechtstheile von Glomeris. a. Vulva. 5. Eingang zu derselben. c. Basalglioder des zweiten Fuss- Paares. “ Fig. 43. Aeussere männliche Geschlechtstheile von Glomeris. a. Hornige Kapsel des Penis. 5. Erweiterung des Vas deferens. e. Die fingerförmige Dräse. d. Häutiger Penis. Fig. 14. Innere männlichen Geschlechistheile von Glomeris. a.a. Vas deferens. 5. Nebenhode. c.c. Hodenblasen. 279 Taf. XIIl. Fig. 15. Aeussere weibliche Geschlechtstheile von Julus foetidus. a. a. Die Endigungen von Muskeln. 5.5. Eingang zur Vulva. c.c. Grube, in der die Eingangsspalte liegt. d.d.e.e, Kleine Blindgefässe. Fig. 16. Aeussere männlichen Geschlechtstheile ebendaher. a.a. Das äusserste Paar der Anhängsel. 5.5. Das zweite, starke und ästige Paar. c.c. Blase. d.d. Deren Ausführungsgang. e.e. Scheide des Penis (?). f.f. Drittes Paar von Anhängseln. Fig. 17. Innere männlichen Geschlechtstheile ebendaher. a. a. Hodenblasen. 5.5. Queergelässe, welche die beiden Ausführungsgänge der Hodenblasen verbinden. Fig. 18. Hoden von Polydesmus complanatus. Fig. 19. Haarförmige Spermatozoen aus dem Hoden von Litho- bius forficatus. a. Ein wieder aufschnellendes Haar. 5. Ein weiter aufseschnelltes Haar. c. Ein auseinander gewickeltes Haar. d. Ein sich mit dem aufgewickelten Theil festsetzendes Haar. e.e. Spiralig aufgerollte, rotirende Haare. Fig. 20. Ein Stück eines reifen Hoden von Lithob. forlicatus. a.a.a. Samenkörper. 5.5. Lange Haarbündel. c. Ein Stück Hoden- schlauch mit dem durchscheinenden Inhalte. \ Fig. 21. Ein Stück eines sehr jungen Hodenschlauches mit her- vorströmendem Inhalte. Ebendaher. Fig. 22. Ein Stück eines weiter entwickelten Hodenschlauches. Ebendaher. Fig. 23. Ein, Samenkörper keimender Haufen Stroma. Fig. 24. a.b.c. Verschiedene Entwickelungsstufen von Samen- körpern des Lithobius. Fig. 25. Stück eines reifen Hodens desselben Thieres. Fig. 26. Junger Hode desselben Thieres mit eben heryorspros- senden Nebenkader. a. Fig. 27. Receptaculum seminis eines jungen Geophilus. a. Ca- psula semioalis. 6. Ductus seminalis. c. Consistentes Stroma. Taf. XIV. Fig. 28. Receptaculum seminis von Lith. forficatus, theils mit sich drillenden Haaren (a.), theils mit Stroma angelüllt. Fig. 29. Receptaculum seminis eines brünstigen Lithobius, aber bloss mit Samenfädeu angefüllt, die theils Oesen bilden, theils sich in —. Spiraleu zusammenrollen. a. Capsula. 6. Ductus se- minalis. Fig. 30. Stück einer stark vergrösserten Geschlechtsdrüse von Geophilus. Fig. 34. Theil des Vas deferens und Nebenhoden von Geo- philus. Fig. 32. Verschiedene Entwickelungsstufen der Eikeime von Geophilus, a.b.c. Die frühere. d. Die gewöhnliche Form. e. Die reife Form. Fig. 33. Oesen bildende Samenfäden. 280 Eig. 34. Dotterzellen aus den Eiern von Lithobius. Fig. 35. Vasa deferentia von Julus foetidus. a.a. Die kleinen, körnigen Zellen. Fig. 36. Stück des Hoden von Julus terrestris. a.a. Die klei- neren Zellen. 2. Desgleichen. c.c. Cie Hodenblasen mit hindurch- schimmernden Samenkörpern. d. Diese einzeln. : Fig. 37. Tbeil vom Nebenhoden eines Glomeris mit den hin- durchschimmernden, zahllosen, spindellörmigen Samenzellen. Fig. 38. Eikeim von Lumbricus terrestris. Fig. 39. Ein Stück vom Hoden eines Polydesmus complanatus im jüngern Alter, mit kleinen Zellen gefüllt. Fig. 40. Inhalt der Hodenbläschen von Glomeris. Die meisten Zeichnungen stellen den Gegenstand nach 100maliger Vergrösserung dar, die Zeichnungen des Inhalts der Geschlechtstheile sind meist nach 300maliger Vergrösserung; Fig. 1. 2. 11. nach der Loupe, und Fig. 37., 39. und 40. nach 600maliger Vergrösserung. Ueber Entophyten auf den Schleimhäuten des todten und lebenden menschlichen Körpers. Von Apoırn Hannover. (Hierzu Taf. XV.) Bekanntlich ist die Hefe eine Pflanzenbildung. Die Bierhefe besteht aus einer unzähligen Menge von runden oder ovalen Bläschen, von verschiedener Grösse und mit einer durchsich- tigen Flüssigkeit angefüllt. In den Bläschen zeigt sich ein heller Fleck, den ich für den Kern der Pflanzenzelle ansehe; der Fleck ist kein Vacuum oder optisch von der Sphärieität der Zelle herrührend; denn er hat verschiedene Grösse, liegt bald in der Mitte, bald gegen eine der Seiten, und ändert sei- nen Platz, wenn man die Zellen rollen lässt; ferner habe ich, doch seltener, zwei helle Flecke in einer Zelle beobachtet. Die Bläschen vermehren sich durch eine kleine Verlängerung der Zellenmembran, die nach und nach grösser und runder wird, und jenen hellen Fleck in der Mitte erhält; zuletzt son- dert sich eine selbstständige Zelle von der Mutterzelle ab. Von diesem Wachsthum rühren die ovalen, zugespitzten und stun- denglasförmigen Zellen der Hefe her. Die neue Zelle kann sich aus der Mutterzelle im Verlaufe einer Viertelstunde ent- wickeln, so dass man ziemlich leicht ihr Wachsihum verfolgen kann, aus der Schnelligkeit des Wachsthums der mikroskopi- schen Pflanzenzellen erklärt sich die Schnelligkeit der Zunahme der ganzen Masse. 282 Auch im diabetischen Urine (Diabetes mellitus), wenn er zu gähren anfängt, zeigt sich ein Gährungspilz. Zur Diagnose kann man daher nicht allein die Gährung benutzen, indem man den Urin einige Tage in einer Flasche stehen lässt, dar- auf den Pfropfen abnimmt, wonach ein starkes Aufbrausen folgt, sondern man überzeugt sich auch von der Gährung des zuckerhaltigen Urins durch die Gegenwart des mikroskopischen Gährungspilzes. Der diabetische Urin ist anfangs gewöhnlich ') wasserhell; einige Tage später zeigt sich in ihm der Gährungs- pilz: es bildet sich eine Nubecula, die stärker wird und aus sehr kleinen runden oder ovalen Zellen besteht, von welchen mehrere sich in eine Reihe vereinigen; sie sind anfangs bedeu- tend kleiner als der Gährungspilz des Biers, und man wird keinen Kern in ihnen gewahr. Nach und nach bildet sich ein schwächeres oder stärkeres weisses Sediment, worin die Zel- len an Grösse und Menge zugenommen haben, und bei ihrer höchsten Entwicklung (z.B. in diabetischem Urin, der ein hal- bes Jahr gestanden halte) oval, zugespitzt und grösser als die Zellen der Bierhefe sind, in ihrem Innern mit 1 —4 grösseren oder kleineren hellen Flecken (Kernen) versehen, die dasselbe Aussehen haben wie in den im Sedimente auch vorkommenden einfachen Zellen. Die Zellen vereinigen sich oft in Reihen, oder sitzen nebeneinander mit den Spitzen, unvollständige Sterne bildend u. s. w. Diesen Pilz des gährenden diabeti- schen Urins sehe ich für verschieden von dem Pilze der Bier- hefe an. — Indem ich Bierhefe zum diabetischen Urin that, zeigte sich zwar eine starke Gährung; es bildete sich aber in der mit einem Stöpsel versehenen Flasche nur der Gährungs- pilz der Bierhefe; in einer andern Flasche, die oflen gelassen wurde, bildete sich dagegen zugleich der gewöhnliche, im dia- betischen Urine vorkommende Gährungspilz. Meyen (Wiegmann’s Archiv für Naturgeschichte, 1838. 4.2. p.98— 103.) führt mehrere Fadenpilze an, die sich ausser 4) Eine Ausnahme macht der unten anzuführende Fall. 283 dem eigentlichen Gährungspilze, Saecharomyce, in gährenden Flüssigkeiten bilden; in wiefern irgend einer von diesen mit dem Fadenpilze übereinstimmt, den ich an mehreren Stellen des todten und lebenden menschlichen ‚Körpers beobachtet habe, vermag ich nicht zu entscheiden. Nur mache ich hier die vorläufige Bemerkung, dass die Pflanze, zu deren Beschrei- bung wir gleich übergehen, möglicherweise zu den Gährungs- pflanzen gerechnet werden muss, oder zu Pflanzen, die ihre Entstehung analogen Verhältnissen verdanken. Die mikroskopische Pflanze besteht aus feinen, geraden Fäden, die von einfachen, parallelen Rändern mit ziemlich scharfer Contour begrenzt sind. Sie sind entweder wasser- hell, oder man sieht einen Inhalt aus kleinen runden Molecu- len (Zellsaftkügelehen), deren Circulation ich jedoch nicht beobachtet habe; in andern Fäden ist der Inhalt mehr nebe- lich, und mitunter in ziemlich bestimmten Zwischenräumen abgesetzt, als ob der Faden in Zellen abgetheilt wäre, welches indessen nicht der Fall ist. Die Fäden sind stark verzweigt ohne bestimmte Anordnung bald nach einer, bald nach beiden Seiten, ohne dass die Zweige dünner als der Stamm: werden. Dagegen varürt ihre Dicke; denn man sieht Fäden, welche doppelt so dick als gewöhnlich sind; die Enden sind sehr sel- ten dicker als der übrige Theil des Fadens. Die Pflanze scheint sich nur durch Theilung zu vermehren, wenigstens habe ich weder Sporen in ihrem Innern (wenn man nicht sonst jene Abtheilungen dafür ansehen will) oder auswendig angeheftet gesehen; oft wird man bei den abgehenden kürzeren oder län- geren Zweigen gewahr, dass sie durch eine Queerlinie von dem Hauptzweige getrennt sind. Ich glaube, dass die Pflanze dem Geschlechte Leptomitus Agardh angehört, doch wage ich nicht sie genauer zu bestimmen, weshalb ich sie ferner nur „Fadenpilz“ nenne. Ich fand diese Pflanze zuerst in der Speiseröhre. Die Farbe ihrer Schleimhaut ist in normalem Zustande gewöhnlich hellroth gelblich, oft bräunlich oder grünlich, besonders in Müller's Archiv. 1842, 19 284 Längsstreifen gefärbt, welches theils von Erbrechen, die der Patient kurz vor seinem Tpde gehabt hat, theils von einer Aufsaugung der anliegenden gefärbten Theile herrühren kann, wie man das Nämliche am Magen und an den Gedärmen von Aufsaugung der Galle, des Darminhaltes beobachtet. Die Schleimhaut ist entweder glatt, oder mehr oder weniger un- eben sammetartig, oft mit einem grauen oder bräunlichen Schleime oder einer breiigen Masse bedeckt, welche im nor- malen Zustande aus Epitheliumzellen und mukösen Zellen oder Kugeln besteht; mitunter findet man auch die von Schön- lein in iyphösen Darmgeschwüren zuerst beobachteten gros- sen Krystalle. Die verschieden gefärbte breiige Masse kann eonsistenter werden und in so grosser Menge vorhanden sein, dass sie die ganze Speiseröhre anfüllt. Seltener, jedoch am häufigsten im untern Theile der Speiseröhre gegen die Cardia findet man zugleich Exeoriationen, wo das Epithelium in Längs- streifen fehlt, oder Exulcerationen, die als kleine Erhöhungen anfangen, die in der Mitte röthlich und vertieft werden, und es wird in ihrem Umfange ein gekräuselter Wall von Epithe- liumzellen aufgeworfen; sie haben die Grösse eines Hirsekorns, können aber auch den dritten Theil der ganzen Länge der Speiseröhre einnehmen, so dass mehrere zusammenfliessen; sie sind rund, oval, oder sitzen längs der Falten; die Ränder sind gezähnelt, und der Grund röthlich. Dieser Zustand der Spei- seröhre ist indessen keine bedeutende Aflection; die Symptome während des Lebens des Kranken deuten nicht darauf hin; denn nur bei einem einzigen Patienten, der an Exulcerationen litt, und dessen Speiseröhre mit jener breiigen Masse angefüllt war, bemerkte man Schlingbeschwerden 24 Stunden vor sei- nem Tode; bei mehreren andern Patienten mit ähnlicher Af- fection fanden sie nicht statt. Den übrigen pathologischen Zu- stand der Speiseröhre lassen wir hier unberührt. Ausser der genannten Pflanze, welche besonders in jener breiigen Masse und in dem gekräuselten Walle, der die Ex- ulcerationen umgiebt, seltener dagegen und in geringerer Menge 285 in dem blossen Schleime vorkommt, findet man öfters den ge- wöhnlichen Gährungspilz; endlich zeigen sich noch einige sehr feine nadelförmige Theile, die keine Fragmente des Fadenpilzes sind, die aber sicherlich zu den übrigen Pflanzenbildungen in nahem Verhältnisse stehen. Langenbeck (Auffindung von Pilzen auf der Schleim- haut der Speiseröhre einer Typhus-Leiche, Fror. Not. 1839. No. 252.) fand bei der Section eines an Typhus abdominalis Verstorbenen ausser den Darmgeschwüren einen dicken, mem- branösen Ueberzug auf einem Theile der Rachenhöhle und der ganzen Speiseröhre bis zur Cardia mit aphthösem Ansehen. Der Ueberzug bestand aus einem etwa 4“ dicken, lockeren, gelblich opaken, auf der Oberfläche gleichsam wollig erschei- nenden Lager, das der Schleimhaut des Oesophagus fest ad- härirte. Unter dem Mikroskope sah man, dass es aus einem Pilze zusammengesetzt wurde, dessen Thallus aus verwirrten, äsligen, äusserst zarten Fäden bestand, die aus einer einfachen Reihe etwas 'gestreckter Zellen ohne soliden Zelleninhalt oder Zellenkerne zusammengesetzt wurden; Einschnürungen an der Berührungsstelle von je zwei Zellen waren nicht bemerklich. An der Aussenfläche der Fäden zeigten sich globöse oder ovale wasserhelle Zellen von etwas grösserem Durchmesser als die Fäden und mit einem, seltener mit zwei scharf begrenzten, excentrischen Zellenkernen versehen. In einigen Fällen hatten diese Zellen, die nach L. den Schimmelsporen durchaus ent- sprachen, eine grünliche Färbung. Sie sassen einzeln an der Berührungsstelle von je zwei Zellen des Fadens; von den Fä- den getrennt lagen sie in grösseren Massen zwischen ihnen, Auf Queerdurchschnitten schienen ihm die Thallusfäden aus der Substanz der Schleimhaut hervorzuwachsen. Ob in den Darm- geschwüren und in dem Darminhalte Fäden oder Sporen sich vorfanden, konnte nicht mit Gewissheit entschieden werden. Da kein Zeichen beginnender Zersetzung in der Leiche wahr- zunehmen, weder im Magen noch in der Speiseröhre eine Spur von Flüssigkeit vorhanden war, so kann man kaum vermuthen, 19 286 dass die Pilze das Product einer Zersetzung nach dem Tode seien, oder sich in einer kurz vor dem Tode genossenen gäh- rungsfähigen Flüssigkeit gebildet haben. L. vergleicht diesen Pilz mit der Muscardine der Seidenwürmer und ‘meint, dass ihre Entwickelung auf der Schleimhaut im Typhus, wenn sie nicht zufällig gebildet sei, sondern constant vorkäme, mögli- cherweise Ulceration und Ulcera hervorbringen könne, ja dass sich die Contagiosität der Krankheit aus einer Uebertragung der Schimmelsporen auf andere Individuen erklären liesse. (Valentin’s Bemerkung zu dieser Beobachtung s. Reperto- rium 1840. 5. p. 46.) Wenn der Fadenpilz, den Langenbeck beschreibt, der- selbe ist, den ich beobachtet habe, welches ich nur vermuthen kann, so sind die angeführten runden oder ovalen Zellen mit Zellenkern nicht die Sporen des Fadenpilzes, sondern die Zel- len des Gährungspilzes, und es hat demnach in dem von Lan- genbeck beschriebenen Falle der Fadenpilz sich gleichzeitig mit dem Gährungspilze entwickelt. Dagegen ist seine Meinung von dem Vorkommen dieser Entophyten im Typhus, und ihr Verhältniss zu dieser Krank- heit nicht richtig, wenigstens nicht, was ihre Bedeutung als Contagium anbetriffb, obgleich man sie etwas häufiger im Ty- phus als in andern Krankheiten, und auch im lebenden Kör- per bei diesem Leiden findet. Dies wird aus der beigefügten Tabelle (A.) erhellen; sie enthält die Resultate von Untersu- chungen der Speiseröhre von 70 Patienten, die voriges Jahr in der medieinischen Abtheilung des königl. Friedrichs-Hospi- tals gestorben sind. Die Reihe ist mit wenigen Ausnahmen, wo ich nicht Gelegenheit hatte die Speiseröhre zu untersuchen, ungefähr vollständig für die Monate October, November und December. Die Zahl hätte sich leicht vermehren lassen kön- nen, wenn anders eine Statistik hier von sonderlichem Werthe gewesen wäre. Aus den gesammelten Beobachtungen sieht man, dass von 70 Fällen Entophyten in der Speiseröhre 14 Mal vorhanden waren; sie schienen etwas häufiger in chronischen 287 Krankheiten als in acuten; übrigens kamen sie in den ver- schiedenartigsten Krankheiten vor; weder das Alter des Kran- Tabelle A. Die Speiseröbre in Febris typhoidea.........-. F typh.c. Angina gangraenosa .. F. typh. c. Perforat. intestin. . F. typh. c. Pneumonia ...... FE: brah. e. Poeum. et Perf. intest, N Ale > MO ERRALH Phthisis c. Enteritide .... . - . Phtbisis e. F. typh. ........ Pneumonia . . 2... cl...» Poeumonia c. Hydrothorace . .. Diesalin). 2% Re a Pleuropneumonia c. Peritonitide . Carditis... . . Ba ae Delirium tremens ........ s Delirium tremens ce. Ictero .... . Phrenitis ...... 2.0... Perforatio spontanea ventriculi . . Gastritis ehronica . . 2... +.. Seirrhus ventrieuli c. peritonit. . . Peritonitis c. Enteritide...... . - Peritonitis e. Bronchitide... .. . Peritonitis vel Phlebitis puerperalis Cirrhosis hepatis. . . . . Braun: Degenerstio ovariorum et Äscites Diptrophia uleri et vesicae urinariae eh... ale arsaena ce » von ee Ten er oder einer breiigen Masse in grösserer Menge be- deckt. ohne | mit | Entophyten. nen od. Ex- ulcerationen von dersel- ben Masse bedeckt. Excoriatio- ohne | mit Entophyten. 1 > 1 1 1 3 6 1 2 1 1 6 1 2 2 1 |7 1 vr ı l 1 1 2 ie 1 1 3 1 3 1 3 ı 11 1 1 1} I 2 2 1 1 ı [1 >| 10 70 288 ken noch seine Constitution, noch was er kurz vor seinem Tode genossen hatte, noch die Dauer des Todeskampfes haben Bedeutung rücksichtlich ihres Vorkommens gehabt; eben so wenig Einfluss hatte die Jahreszeit (die Temperatur) auf ihre Entwickelung. (S. Tabelle B.) Leicht wird sich die Frage aufdrängen, ob nicht die Pflan- zenbildung erst nach dem Tode vor sich geht, so wie der Schimmel auf faulenden animalischen und vegetabilischen Sub- stanzen wächst und die Entwickelung in der Speiseröhre wäre alsdann ohne weiteres Interesse. Aus der Tabelle ©. sieht man indessen, dass die Verschiedenheit des Zeitraums, bevor die Section vorgenommen wurde, ohne Einfluss ist. — Was aber Tabelle B. von Schleim oderleien Excoriatio- breiigen Ei od. Ex- Masken u an Die Speiseröhre grüsserer be et Menge be- bed ur im deckt. EOBEIE ohne | mit || ohne | mit ‘punsad Entophyten. || Entophylen. Diisnberit er ale: Dewemhern.. 0 zei. u 2. lei BT er. RS a u Tabelle €. Du 28) 21—30 Stunden nach d. Tode . [19 Ueber 30 Stunden nach dem Tode . [16 1 14—-20 Stunden nach d. Tode . j © | 37 10]. 9 [70 1 1 1 3 289 besonders gegen die Meinung spricht, dass Entophyten erst nach dem Tode entsichen, ist, dass ich sowohl den Fadenpilz als den Gährungspilz in dem lebenden menschlichen Körper gefunden habe, und zwar nicht allein auf der Schleimhaut der Mundhöhle, der Zunge und der Speiseröhre, sondern auch auf der Schleimhaut der Blase. Auf der Zunge fand ich den Fadenpilz bei einem Kran- ken, der an F. typhoidea mit Darmgeschwüren und nervösen Symptomen litt. Am:19ten Tage der Krankheit zeigte sich eine Art Krise, darauf folgte ein Rückfall, und der Kranke bekam später Erysipelas faciei. Drei Tage vor seinem Tode war die Zunge mit einem dunkeln, festen, feuchten und kle- brigen Schorfe belegt. Am folgenden Tage konnte man den Schorf in grossen Stücken abziehen; sie waren auswendig grau, auf der gegen die Zunge kehrenden Fläche weiss; die Zunge selbst war roth, sammtartig und rein. In diesem Schorfe und in weit bedeutenderer Menge auf seiner Oberfläche als in der gegen die Zunge kehrenden Fläche, worin sich grösstentheils sur Epitheliumzellen zeigten, fand ich den beschriebenen Fa- denpilz mit vielem moleculösen Inhalte in den Fäden. Abends löste sich der Schorf gänzlich; am folgenden Tage starb der Kranke. Die Schleimhaut der Speiseröhre war bei der 30 Stun- den später verrichleten Section mit einer geringen Menge grau- gelblichen Schleimes bedeckt, der nur eine geringe Anzahl Fäden enthielt. Bei einem andern Typhuspatienten mit ähnlichen Sym- ptomen war die Zunge mit einem braunen Schorfe bedeckt, der sich in grossen Stücken löste. Ihre Oberfläche war braun und trocken, und bestand nur aus eingetrockneten Epithelium- zellen, die gegen die Zunge kehrende Fläche war weiss und feucht. In dieser Fläche zeigten sich unter dem Mikroskope Epitheliumzellen in geringer Menge, ferner ‚der Fadenpilz in grosser Masse, und die Zellen des Gährungspilzes in so unge- heurer Anzahl, dass sie den ganzen Gesichtskreis des Mikro- skopes bedecken konnten. Am folgenden Tage war die Zunge 290 etwas dunkel gefärbt und enthielt eine geringere Menge des Fadenpilzes, dagegen den Gährungspilz in grosser Masse. In dem dunkeln zähen Schleime auf den Rändern der Oberlippe kam der Gährungspilz in Masse vor, aber nur wenige Fäden. Fünf Tage später starb der Patient und bei der 15 Stunden nach dem Tode vorgenommenen Section zeigte sich die Schleim- fläche der Speiseröhre mit einer breiigen, verwirrten, gelbli- chen Masse bedeckt, die den Fadenpilz in ungeheurer Menge enthielt. In der lockeren, gelblichen, körnigen Masse, welche die Schleimhaut des Ileum bedeckte, konnte ich hier eben so wenig wie'bei Untersuchungen des Magens, des übrigen Thei- les des Darmkanales oder der Darmgeschwüre von anderen Kranken den Fadenpilz nachweisen, weshalb ich vermuthe, dass er nur gewissen Parlieen der Schleimhäute eigenthüm- lich sei. — Die zwei letzten Beobachtungen sind vom Monate December, und es ist vielleicht nicht überflüssig zu bemerken, dass weder diese noch andere der beobachteten Kranken in- wendig Hefe erhalten hatten. Bei einem Manne, der an diphtheritischen, kleinen, weiss- lichen Geschwüren an dem Zäpfchen, den Mandeln und wahr- scheinlich auch der Hinterfläche des Rachens litt, kam der- selbe Fadenpilz in ziemlich bedeutender Menge vor; die Fäden sassen tief in der Masse, schienen etwas feiner als gewöhnlich, und waren auch vorhanden in einem graugelblichen Ueberzuge der Zunge; ich fand sie täglich, länger als eine Woche, und der Kranke, der sich übrigens wohl befand, wurde bald nachher durch eine Kamphermixtur als Gargarisma geheilt entlassen. Den Gährungspilz allein habe ich in verschiedener Ent- wickelung auf der Zunge einer Frau mit Erysipelas faciei be- obachtet; die Zunge war braun und trocken und wurde dar- auf feucht; die Kranke war bald nachher geheilt. — Bei vie- len andern Kranken mit ähnlichem Aussehen der Zunge fand keine Pflanzenbildung statt. Ich habe ferner denselben Fadenpilz im Soor (Muguel) der Neugebornen auf der Zunge, dem Gaumen und der innern 291 Fläche der Lippen gefunden. Die Fäden hatten die gewöhn- liche Form und kamen in grosser Menge vor. Der Gährungs- pilz war gleichfalls vorhanden und sah den Pflanzenzellen der Bierhefe durchaus ähnlich; viele hatten zwei Kerne. Auch im Muguet bei Erwachsenen kommt sowohl der Fadenpilz als der Gährungspilz vor. Endlich habe ich im diabetischen Urine (Diabetes mellitus) ausser dem gleich anfangs beschriebenen in diesem Urine vor- kommenden Gährungspilze, den Fadenpilz mit seinen zahlrei- chen Verzweigungen, Abtheilungen und körnigem Inhalte in den Flocken, die im Urine umherschwammen, wiedergefun- den. Tags darauf starb der Kranke und bei der nach Ver- lauf von 22 Stunden gemachten Section fanden sich Exulcera- tionen, Jer Länge nach den Falten der Speiseröhre folgend. Sie waren von einer breiigen Masse bedeckt, die auf der Ober- fläche eine schmutzig dunkelgrüne Färbung hatte und fast al- lein aus dem Fadenpilze bestand; die darunter liegende Masse war graugelblich, und enthielt zugleich Epitheliamzellen; sie hing der Schleimhaut ziemlich fest an und liess sich mitunter nur mit Schwierigkeit abschaben. Die Blase war gesund. Nach den zuletzt angeführten Beobachtungen kaun man wohl nicht bezweifeln, dass sowohl die Bildung des Gährungs- pilzes als des Fadenpilzes im lebenden menschlichen Körper vor sich geht, und es leuchtet zugleich ein, dass man nicht nöthig hat anzunehmen, dass die Totalität der Lebenskraft auf ihr Minimum reducirt sein müsse, um sie hervorzurufen, ob- gleich sie vielleicht durch ein locales Sinken der Kräfte be- gründet wird. Das Vorkommen des Gährungspilzes im dia- betischen Urine während des Lebens des Kranken ist leichter zu erklären; die Zuckerhaltigkeit des Blutes und des Urins gestatten seine Bildung, Schwieriger erklärt man sich dage- gen, wie der Fadenpilz in anderen Krankheiten und an andern Stellen des Körpers entsteht, wenn man nicht seine Zuflucht nehmen will, auch diese Pflanze als Gährungsproduel zu deu- ten, und selbst alsdaun können wir uns nicht erklären, wie 292 das gegenseitige Verhältniss beider ist, weshalb der Fadenpilz nicht constant unter sonst übereinstimmenden Bedingungen vorkommt, weshalb der Gährungspilz bald gleichzeitig vorhan- den ist, bald nicht, weshalb die Gährung überhaupt an einigen Stellen vor sich geht und an andern nicht; der Gährungspro- cess selbst ist hier vielleicht schon pathologisch. Es scheint eine gewisse Lebenswirksamkeit für das Wachsthum des Fa- denpilzes nothwendig zu sein; denn ausserhalb des Körpers wächst er nicht, nicht im Wasser, nicht einmal in Verbin- dung mit thierischen Theilen. Vielleicht bedarf man nicht jener Erklärung, weil auf der Haut des menschlichen Körpers ein Epiphyt, Porrigo, wuchert, der kaum auf einem Gährungs- processe beruht. Der Epiphyt und der beschriebene Entophyt wären dann analoge Producte, deren Vorkommen wahrschein- lich auf dieselbe Art und Weise gedeutet werden müsste, und es würde auf dieselbe Art und Weise zu entscheiden sein, ob die Rolle, welche diese Pflanzenbildungen in der Natur und im Organismus spielen, ihnen selbst angeht, oder dem Boden, worauf sie gedeihen, und aus welchem sie zum Nachtheile des Organismus ihre Nahrung ziehen. Ich will bei dieser Gelegenheit der Porrigo lupinosa W. mit einigen Worten gedenken. Schönlein (zur Pathogenie der Impetigines, Müll. Arch. 1839. p. 82, Tab. III. Fig. 5.) hat zuerst Audouin’s Untersuchungen der Muscardine der Seidenwürmer die verdiente Aufmerksamkeit in Betreff der Hautkrankheiten des Menschen gewidmet; er entdeckte die Pilznatur der Porrigo. Auch Remak (zur Kenntniss von der pflanzlichen Natur der Porrigo lupinosa W. Med. Zeit. 1840. No. 16.) ist zu demselben Resultate gekommen, das wohl Nie- mand mehr bezweifelt; er sieht die Pilze nicht für ein zufäl- liges Product dieser Krankheit an, oder als ihre Ursache, son- dern für die Krankheit selbst. Nur über die Pflanze selbst füge ich hier einige Bemerkungen hinzu. Bei Untersuchung der Borken wird man zwei Hauptformen gewahr: die eine be- steht aus Fäden. die viele Aehnlichkeit mit dem Fadenpilze BEI 293 der Schleimhäute besitzen; sie sind besonders häufig in der Basis der Borken, haben verschiedene Dicke, sind ästig, ha- ben am öftersten Zellsaftkügelchen in ihrem Innern, sind ge- wöhnlich zwar etwas kürzer und feiner, haben aber wie ge- sagt übrigens die vollkommenste Aehnlichkeit mit dem Faden- pilze der Schleimhäute. Die andere Form hat grosse Aehn- lichkeit mit dem Gährungspilze; sie unterscheidet sich aber dadurch, dass die einzelnen Bläschen mehr durchscheinend sind, schärfere Contour haben, keinen deutlichen Kern zeigen, sich gewöhnlich in Reihen vereinigen oder sich verlängern, während man in ihrem Innern Abtheilungen der Queere nach sieht. Diese verlängerten Formen bilden den Uebergang zu den wahren Fäden: oft besteht ein Theil des Fadens nur aus einer der verlängerten Formen, und der übrige Theil hat das Ansehen des eigentlichen blassen Fadens. Gerade durch dies letztere Verhältniss unterscheiden sich, wie ich glaube, diese Fäden von dem Fadenpilze der Schleimhäute, welche höchst wahrscheinlich sich nur durch Theilung vermehren, während ich im Innern von dicken Fäden der Porrigo grosse Körner (Sporen) beobachtet habe. Bei den ersten Untersuchungen, die ich von der Porrigo anstellte, glaubte ich dieselben Ele- mente wie in dem Entophyten der Schleimhäute vor mir zu, haben, nämlich den Gährungspilz und den Fadenpilz; der er- stere hatte am meisten Aehnlichkeit mit dem Gährungspilze des diabetischen Urines, mit Ausnahme der Kerne; die Fäden schienen mir durchaus gleich, und die geringe Nichtüberein- stimmung dieser beiden Pflanzenbildungen glaubte ich dem ver- schiedenen Boden und den verschiedenen Medien, worin sie wachsen, zuschreiben zu müssen, Meine Ungewissheit über, ihre Identität ist noch nicht gänzlich gehoben, Der Gährungs- pilz zeigt die grössten Verschiedenheiten in den verschiedenen gährenden Flüssigkeiten, und dasselbe gilt von dem Fadenpilze selbst bei demselben Subjecte. Jedenfalls ist die Aehnlichkeit zwischen den auf der Haut und den auf den Schleimhäuten 294 vegetirenden Pflanzen überaus gross, und der Unterschied kann höchstens nur specifisch werden, niemals aber generisch. Ueber Tinea favosa siehe noch Gruby, Müller’s Ar- chiv. 1842. p. 22. Soviel mir bekannt ist, hat man beim Menschen keine anderen Epiphyten oder Entophyten als die beschriebenen ent- deckt. Bei Thieren kennt man mehrere. Vor allen ist zu nen- nen die Muscardine der Seidenwürmer, deren Contagiosität durch Audouin erwiesen ist (Ann. d. sc. nat. 1837. 8. p. 229. p- 257. 1838. 9. p.5.). Clavaria entomorrhiza wächst auf einer Raupe in China und wird da als Arzneimittel gebraucht (Westwood, Annals of nat. history, 1841. Nov. L. p. 217.) ?). Laurent beobachtete die Entwickelung eines Pilzes in den Eiern von Limax agrestis (L’institut, 1839. 288. Juillet. p. 229.). Hygrocroeis intestinalis auf dem Darmkanale von Blatta orientalis ist von Valentin beschrieben (Repertor., 1836. 1. p: 110.). Mehrere andere Bildungen bei Thieren sind ange- führt von Jahn (zur Naturgeschichte der Schönlein’schen Binnenausschläge oder Entexantheme, 1840. p. 155. $. 20.). ‚Unter den Wirbelthieren habe ich die Contagiosität der Achly'a prolifera beiFröschen und Wassersalamandern bewiesen (M üll. Arch. 1839. p. 338. 1842. p.73.). Tremella meteorica wächst auf dem Salmo eperlanus und ist tödtlich für denselben nach Ehrenberg (Fror. Not. 1839. 218. 314.). Bei Vögeln scheint die Bildung eines Mucors auf den Lungen und den Luftsäcken nicht ungewöhnlich zu sein, doch ist er von Allen erst nach „dem Tode der Thiere beobachtet. Etatsrathı Reinhardt hat mir mitgetheilt, dass er vor 15 Jahren einen Mucor auswendig auf den Lungen einer Anser segetum, später dasselbe bei einer Alca torda und bei einem jungen Cormoranus Carbo gefunden 1) Die Clavarien scheinen nur auf todten Raupen, Schmetterlin- gen und Käfern vorzukommen. Annierk. d. Redaction. 295 hat. Owen fand einen Mucor in den Lungen von einem Phoenicopterus ruber. (Phil. mag. Jan. 1833. new Series, Vol. I. p. 71.), Eudes Deslongehamps auf den Lungen einer Anas mollissima (Ann. d. sc. nat. 1841. XV. p. 371.), Ser- rurier undRousseau bei mehreren andern Vögeln, bei einem Cervus Axis und einer Testudo indica (Linstitut, 1841. 393. Juillet. p. 230.). Noch wäre die Aufmerksamkeit auf die Sto- macace der Haussäugethiere und den Croup zu lenken *). Copenhagen, den 20. März 1842. *) Zur Literatur des hier abgehandelten Gegenstandes gehörig füh- ren wir hier noch die eben erhaltene Abhandlung von J. H. Bennett an: on the parasitic fungi found growing in living animals, aus Trans- actions of the R. soc. of Edinburgh, Vol. XV. p. 2. Edinb. 1842. Die Abhandlung enthält Beobachtungen über Porrigo lupinosa, über einen Fadenpilz in den Sputa und Lungen eines Menschen, der an Paeumothorax litt, und über Conferven auf Cyprinus auratus. Anmerk. d. Redact, Erklärung der Abbildungen. Taf. XV. Fig. 1. Die Zellen der Bierhefe. a. Entwickelung derselben, Fig. 2. Die Zellen im diabetischen Harne, der zu gähren anfängt. Fig. 3. Dieselben 10 Tage später. Fig. 4. Der Gährungspilz im diabetischen Harne, der ein halbes Jahr gestanden hatte. Fig. 5. Verschiedene Formen des „Fadenpilzes“ der Schleim- häute des todten und lebenden menschlichen Körpers. Fig. 6. Dieselben Fäden in Masse, Fig. 7. Aus Porrigo lupinosa W. Formen, dem Gährungspilze ähnlich, Pig. 8. Aus demselben: Formen, dem „Fadenpilze“ der Schleim- häute ähnlich, Fig. 9. Aus demselben: Darstellung beider Formen iu Masse. Berichtigung. Seite 77. Zeile 5. v. ob. lies reife st, froie, Einige Resultate aus Untersuchungen über die Anato- mie der Araneiden. Von Dr. Eovaro Gruss (Aus brieflicher Mittheilung an den Herausgeber) Seit einiger Zeit, besonders aber in dem verflossenen Winter, ist meine Thätigkeit der Anatomie der Spinnen, und zwar der eigentlichen Araneiden, zugewendet gewesen. Wer sich die- sen Gegenstand zur Untersuchung wählt, sieht wohl von vorn herein, dass er nicht zu der Hoffnung berechtigt ist, der Wis- senschaft viele und wichtige, ungeahnete Blicke in die Orga- nisation dieser Thiere zu eröffnen, da so auserlesene Beobach- ter, wie Meckel, G. R. Treviranus, Joh. Müller und Brandt sich mehr als vorübergehend damit beschäftigt haben. Doch ist auch bekannt, zu wie verschiedenen Resultaten die- selben gelangt sind, und es musste also dieses die nächste Auf- gabe sein, jene Abweichungen in Einklang zu bringen, oder nachzuweisen, worin ein Irrthum begangen, und wie er etwa zu erklären sei. — Inzwischen war dies nicht mein nächster Zweck, sondern meine Untersuchungen beschränkten sich anfänglich nur auf eine Art der Spinnen, die durch ihre Lebensweise so auflallende Argyronecta aquatica, die vermuthlich noch nie oder doch nicht gründlich anatomisch untersucht war. — Und so war gleich mein erster Fund ein glücklicher; ich ent- deekte an ihr — damals noch unbekannt mit den Beobachtun- 297 gen eines ähnlichen Verhältnisses bei andern Spinnen — das Zusammenvorkommen von Lungen und Tracheen, und wollte nun zunächst erfahren, in welchem Verhältniss diese beiden Respiralionsorgane zu einander ständen, ob die Natur hier ver- schwendet habe, oder ob sich beide in ihren Functionen er- gänzten. Hierbei musste ich auf der einen Seite die äussern Lebensverhältnisse der Spinne, auf der andern vor allem ihr Gefässsystem studiren. Je mehr Schwierigkeiten sich der Un- tersuchung entgegenstellten, desto mehr bemühte ich mich, in dieser Anatomie vollkommen zu Hause zu sein, und gelangte so zu Resultaten, die im schlimmsten Falle sich nur wenig von der Wahrheit entfernen werden. Gleichwohl galt alles Gewonnene nur von einer Art, wel- che überdiess eine Uebergangsstufe bildet; ich hatte noch keine sichere Vergleichungspunkte für die Arbeiten der oben genann- ten und anderer Naturforscher, und begann nunmehr die Zer- gliederung der übrigen, bloss durch Lungen athmenden Ara- neiden. Auf diese Weise zog ich in den Kreis meiner Beob- achtungen die Gattungen Epeira, Lycosa, Tegenaria, Salticus und Tetragnatha, und hoffe ihnen bald noch mehrere hinzuzu- fügen. Ist dieses geschehen, so gedenke ich die ausführliche, von Zeichnungen begleitete Beschreibung zu veröffentlichen, erlaube mir aber vorläufig, Sie um die Mittheilung einiger der hauptsächlichsten Resultate durch Ihr Archiv zu bitten. 4) Die Mundtheile der Spinnen sind oft und noch ganz neuerlich von Herrn Dr. Erichson auseinandergesetzt und gedruckt worden; ich kann indessen diesem geehrten Entomo- logen nicht beistimmen, wenn er denselben die Oberlippe ab-, und eine Zunge. zuspricht, wie es auch Treviranus und Brandt und Ratzeburg ihun; man müsste denn überein- kommen, mit dem Namen Zunge auch einen über dem Ein- gang zum Schlunde gelegenen Theil zu bezeichnen, wenn er nur weich ist. Was diese Naturforscher Zunge nennen, befin- det sich aber in der That über jenem Eingang, und entspricht also nach der bisher üblichen Bezeichnung der Oberlippe der 208 Insecten oder dem Epipharynx der Hymenopteren. Duges hat sich für dieselbe Deutung entschieden, So wie dieser Theil von oben her den Eingang zum Schlunde bedeckt, so von unten die Unterlippe, zu deren Sei- ten (aber doch noch etwas mehr nach: vorn) die Maxillen mit ihren Tastern stehen. Die mit Giftsäcken versehenen, in Ha- ken endenden Greiforgane, welche zu vorderst ihren Platz haben, werden fast durchgängig mit den Mandibeln der In- secten verglichen, indess zeigen sie mehrere abweichende Ei- genthümlichkeiten, namentlich, dass sie vor dem Theil, der den Mund von oben bedeckt, also vor der Oberlippe oder dem Epipharynx stehen, dass sie nicht ein-, sondern zweigliedrig sind, und nach allen Richtungen bewegt werden können, end- lich, dass sie ihre Nerven von dem über dem Schlund gele- genen Ganglion erhalten. Nichts desto weniger wird man Latreille’s Deutung, der in ihnen Antennen sieht, und der Mac-Leay zum Nachfolger hat, zurückweisen müssen, da sowohl die Anwesenheit jener Giftorgane dafür spricht, sie als Fresswerkzeuge zu betrachten, als auch die wechselnden For- men, unter welchen sie bei den Acariden erscheinen. 2) Was die Beschreiber Znngenbein nennen, ist nichts anders als die gebogene Speiseröhre selbst, deren Wandung aber fast ganz eine hornige Consistenz angenommen hat, und welche allerdings durch einen besondern, durch das Centrum des Magenringes hindurchtretenden Muskel nach oben gezogen werden kann, so wie Brandt es angegeben hat. 3) Brandt hat die wahre Gestalt des im Cephalothorax gelegenen Magens an Epeira erkannt, dass er nämlich einen in 5 Paar Blindsäcke auslaufenden Ring bildet, und in der That scheint diese Form den meisten oder allen Araneiden zuzu- kommen. Doch bleibt noch zu untersuchen, ob der Magen ein wirklicher Ring mit ununterbrochener Höhlung ist, oder ob hier der Schein trügt, und ob die vordersten Zipfel sich nur so aneinander legen, dass äusserlich eine Ringform gebildet wird. Bei Argyronecta und den Epeira- Arten, die ich betrachtet, 299 ist letzteres der Fall, und die Höhlung des ringartigen Magen- körpers, von welchem die Zipfel ausgehen, kein in sich ge- schlossenes Rohr, sondern vorn durch eine mittlere Scheide- wand unterbrochen. Wahrscheinlich entspricht dieser Magen dem Saugmagen der Insecten, die wie die Spinnen von flüssi- ger Nahrung leben. 4) Ueber den Ausdruck Fetitkörper bedarf es einer be- sondern Verständigung. Wenn man damit die Gesammtmasse bezeichnet, welche im Hinterleib das Darmrohr, die Genitalien und Spinnwerkzeuge einhüllt, so hat man Unrecht, sie mit dem Fetikörper der Insecten zu vergleichen, weil jene Masse nicht nur den Ueberschuss der Ernährung, das Fett, enthält, sondern auch eine Menge Höhlungen umschliesst — lauter blinde Erweiterungen des Darmrohrs —, und von vielen ex- cernirenden Gefässen durchzogen wird, also ein Aggregat von sehr verschiedenen Theilen darstellt. Durch eine meistens et- was feslere Consistenz, Absonderung in Klümpehen und die netzarlige Veriheilung der Blutgefässe auf ihrer Oberfläche ge- winnt sie ein drüsiges Ansehen, und konnte daher von Man- chen für eine Leber gehalten werden. Trennt man jedoch die excernirenden Blindkanäle, die ‚blinden Ausläufer des Darm- kanals und die Blutgefässe voneinander, so bleibt nur Fett übrig; dies also erst wäre der Fettkörper der Insecten. 5) Achnliche Anhäufungen von blossem Fett lassen sich auch, doch von geringerem Umfange, im Cephalothorax der Spinnen nachweisen. 6) Die Endplatte der Spinnwarzen ist nicht von einfachen Löchelchen durchbohrt, sondern trägt lauter winzige, unten angeschwollene Röhrchen, deren sehr feinen Kanal ich bei starker Vergrösseräng erkannt habe. Die Untersuchungen von Blackwall über diesen Gegenstand haben dasselbe Resultat geliefert, indessen wäre die unrichtige Vorstellung von der siebarligen Durchlöcherung der Spinnwarzen, welche sich in so manche Lehrbücher der Zoologie eingeschlichen hat, schon durch die Abbildung von Rösel widerlegt gewesen, mit der Müller's Archiv, 1612, 20 300 auch Latreille’s Beschreibung übereinstimmt. Dass die Röhr- chen einziehbar seien, wie beide angeben, habe ich bisher nicht wahrnehmen können. 7) Aus dem Mangel aller äussern Begattungsorgane an den Oeffnungen der Genitalien bei Argyronecla, und aus der Beschaffenheit des aus dem Endglied der Palpen hervortreten- den Organs bei den Männchen glaubte ich schliessen zu dür- fen, dass dasselbe nicht sowohl als Reizmittel bei der Begat- tung, als vielmehr zum Uebertragen des Saamens dienen müsse, und dass es demnach die freilich undurchbohrte Ruthe zu nen- nen sei. Bei dem Durchlesen des Aufsatzes von Dug£s in den Annales des sciences naturelles (1836) überraschte es mich, zu finden, dass dieser Naturforscher, wenn auch ganz im Vor- übergehen, dasselbe vermuthet, eine Aeusserung, die wohl trotz ihrer Neuheit allgemein zu wenig berücksichtigt ist. — Jetzt aber hat die Beobachtung den so fraglichen und vielbesproche- nen Gegenstand zu meinen Gunsten entschieden, indem mich Herr Oberlehrer Menge in Danzig, der schon Jahre lang die Lebensweise der Spinnen zu seinem Studium gemacht, brieflich versichert, die Uebertragung des Saamens durch den Löffel des Palpen-Endgliedes bei mehreren Gallungen und wieder- holt gesehen zu haben, und er beabsichtigt seine Untersuchun- gen hierüber in Kurzem zu veröffentlichen. 8) Die Tracheen, welche Argyronecta ausser den Lungen besitzt, entspringen sämmtllich aus 2 kurzen, hinter diesen mün- denden, Stämmen, und zeigen die Eigenthümlichkeit, dass sie sich durchaus nicht verzweigen, sondern von ihrem Anfang an ungetheilt bis zu ihrem Ende verlaufen, wie Nervenfasern. 9) Das Gefässsystem der Spinnen ist bisher weder in al- len Haupipunkten erkannt, noch die Gefässe weit genug ver- folgt worden. Alle Beobachter stimmen darin überein, dass von dem im Hinterleibe gelegenen Herzen Gefässe in den so- genannten Fettkörper treten, einige haben sich über ihre Na- tur gar nicht erklärt, andere sie für Arterien gehalten. Wie also gelangt das Blut in das Herz hinein? Bei genauerm Nach- 301 forschen wird man sich überzeugen, dass das Herz seitliche Oeffnungen besitzt, und dass es von einem stellenweise weit abstehenden, mit einer besondern Haut ausgekleideten Raum umgeben ist, mit welchem es durch jene Oeffnungen commu- nieirt. — Wenn es mir nun bisher nicht gelungen ist, auf di- rectem Wege das physiologische Verhältniss zu ermitteln, in welchem beide zu einander stehen, so dürfte kaum zu bezwei- feln sein, dass in jenem zwischen die Hälften des Fettkörpers herabsteigenden Behälter sich das Blut ansammelt, und durch die Oeflnungen in das Herz dringt, während die vom Herzen abgehenden Gefässe es in den Körper führen. So wie aber das Herz nach hinten in ein feines, gegen den After hin gehendes Gefäss verläuft, so lässt es sich auch - in den Cephalothorax hinein verfolgen, und ich habe hier min- destens bei eirer Art Epeira auch die Hauptäste der Verthei- lung deutlich unterschieden. 10) Bei der grossen Uebereinstimmung der Spinnen mit den Scorpionen im innern Bau drängte sich mir die Vermu- ihung auf, dass auch bei ihnen das Herz ein ähnliches Ver- halten zeigen würde, und ich hegte den lebhaftesten Wunsch, ein solches Thier selbst zu zergliedern. Die Erfüllung dessel- ben. verdanke ich der Güte des Herrn Medicinalrath Rathke, der mich mit einem grossen Buthus erfreute. Was ich an mei- nen Spinnen nicht ohne Anstrengung entziffern konnte, war hier in den grössesten Buchstaben ausgeprägt, die seitlichen Spalten des Herzens so ansehnlich, dass man sie bequem mit blossem Auge erkennen konnte, doch ihre Anzahl bedeutend vermehrt und den Abdominalringen entsprechend. Ja ich hatte hier Gelegenheit, aufs deutlichste den Mechanismus einzusehen, mittelst dessen sie sich öffneten. In dem um das Herz liegen- den Behälter bemerkte ich hier und da einiges Gerinnsel, wel- ches wolıl nichts anders als Blut sein konnte. 41) Durch diese Organisation des Herzens ist auf eine grosse Aehnlichkeit in der Cireulalion mit den Crustaceen hin- gewiesen. So habe ich denn auch bis jetzt keine venösen 20% 302 Gefässe entdecken gekonnt, wohl aber beim Scorpion häntige Ausbreitungen zwischen den Muskeln des Cephalothorax be- merkt, wie sie bei-den Crustaceen beschrieben werden. 42) Die beste Beschreibung vom Nervensystem der Spin- nen hat uns Treviranus, und zwar nach Untersuchung einer Brasilianischen gegeben, doch weicht auch sie etwas von mei- nen Resultaten ab. — Die Centralmasse des Nervensystems, im Cephalothorax gelegen, besteht aus zwei durch eine enge Lücke getrennten Partieen. Die obere kleinere, welche den durch jene Lücke tretenden Oesophagus in einer kleinen Strecke bedeckt, sendet Nerven für die Augen und Mandibeln, und hinterwärts ein,Paar überaus zarter, von Brandt entdeckter Fädchen für den Magen ab, und ist durch eine mittlere Fur- che in zwei Hälften getheilt. Die untere Partie besteht aus 6 ganz aneinander gerückten Ganglienpaaren, deren Nerven sternarlig ausstrahlen. — Das ste, oft übersehene Paar, ver- sorgt die Maxillen, das 2te, 3te, 4te, 5te die Extremitäten, das 6te bildet den Ursprung der in den Hinterleib tretenden Fäden, unter denen die für die Spinnorgane bestimmten die ansehnlichsten sind, und steht an Grösse den übrigen nach. Die obere Partie, das Gehirn, liegt so weit nach hinten, dass man sie erst in der Breite des 2ten Fusspaares zu suchen hat. Den 4ten Mai 1842. Beiträge zur Analomie der Actinien. Von Prof. Erpı zu München Die grosse Menge von Actinien, welche ich in Triest zum Untersuchen bekam, machte mir es leicht, über die Sexual- verhältnisse dieser Thiere die vollste Aufklärung zu erhalten. Es stellte sich gleich am Anfange der Untersuchungen heraus, dass die Actinien getrennten Geschlechts seien, und männliche und weibliche Individuen in ziemlich gleicher Anzahl existiren. Der Mantel dieser Thiere bildet auf der dem Magensacke (also inneren) zugekehrien Oberfläche stark hervorspringende Mus- kelleisten, die von oben nach abwärts laufen, unmittelbar in die radienarligen Muskelbündel der Fussscheibe übergehen und Iheils zwischen sich, theils in sich (da jede Leiste aus 2 an- einander liegenden Lamellen besteht) Spalten lassen. Auf den Muskelleisten erheben sich besonders deutlich und gross bei der grünen Aclinie, weniger bei der weissarmigen, einzelne, mei- stens halbmondförmige Forlsätze der Muskelmasse, und auf diesen sitzen die Geschlechtstheile. Diese scheinen bei den Männchen und Weibchen auf den ersten Blick ein vielfach geschlungener dieker Darm zu sein, der mit einer Kante an der Muskelmasse festsilzt: bei näherer Untersuchung erweist er sich bandarlig, gefaltet, seine Falten liegen frei auf einer Seite, auf der andern aber sitzen sie auf einer dünnen haut- arligen Verläugerung der Muskelsubslanz fest aufgewachsen aul. 304 Diese Verlängerung erstreckt sich bei der grünen Aclinie noch weit, bei der weissarmigen dagegen gar nicht über das Ge- schlechisorgan hinaus, ist ganz mesenteriumarlig, und lässt bei ersterer an ihrem freien Rande die eine Art der vielfach ge- schlungenen Därmchen (Leber?) ansitzen, während diese bei der weissarmigen unabhängig von den Geschlechtstheilen an einem besonderen Mesenterium hängen. Das Geschlechtsorgan ist bei Männchen und Weibehen gefaltet, bandartig, aus locke- rer Masse bestehend, mit schon bei schwacher Vergrösserung sichtbaren Körnchen durchsetzt, welche bei den Weibchen Eier, bei den Männchen Hodenbläschen sind. Letztere schei- nen nicht gleichförmig durch die Substanz des Geschlechtsor- ganes vertheilt zu sein; man findet sie meistens, grössere und kleinere untereinander, in einzelne Gruppen zusammengestellt. Die einzelnen Bläschen sind rund, oval, oder, wo sie sehr dieht beisammen stehen, etwas eckig, von einem dünnen Häut- chen gebildet, welches dicker bei jüngeren, bei reiferen Bläs- chen dünner ist, und leicht den Inhalt durchsehen lässt; die- ser ist in Strängen angeordnet, welche an einem Punkte des Bläschens (wie bei Veretillum) scheitelförmig zusammenge- drängt sind, von da aus gegen die Peripherie divergiren, bei Compression sich aufrollen und in die einzelnen Spermatozoen zerfallen. Der Leib dieser ist oval, am freien Ende etwas breiter, gegen den Schwanz sich verschmälernd; der Schwanz ist 6— 8 Mal länger als der Körper, höchst fein, sehr schwer bei einzelnen, leicht bei ganzen Haufen von Spermatozoen sichtbar, da sie in der Regel alle die Schwänze nach einer Richtung kehren. Ihre Bewegung ist ganz dieselbe, welche man gewöhnlich bei den Spermatozoen der Polypen bemerkt. Die Eier der weiblichen Thiere sind meistens oval, selte- uer rund oder eckig, wenn sie schr Zusammengedrängt liegen, scheinen "ganz 'gleichförmig durch die Masse des Eierstockes vertheilt zu sein, sind gelblich und undurchsichtig im reiferen Zustande und grösserer Ausbildung, desto heller und durch- scheinender aber je jünger sie sind. Das Chorion ist ziemlich 305 dünn, die Doitermasse reichlich und gelb, das Keimbläschen mit einem’ einfachen Keimflecke versehen. Je mehr die Geschlechtstheile entwickelt sind, desto mehr scheinen sie sich nach abwärts gegen den Fuss des Thieres zu senken, so dass man oft Actinien findet, deren untere Leibes- hälfte sehr erweitert und mit den strotzenden Geschlechtsthei- len angefüllt ist, während die obere schmal, zusammengezogen und leer gefunden wird. Bei manchen zeigt sich gar keine Spur von Geschlechtstheilen, bei anderen nur schwache Ru- dimente derselben; bei ersteren sind sie wahrscheinlich kurz vor der Beobachtung ausgeleert worden, bei letzteren dagegen regeneriren sie sich eben. Constante Unterschiede zwischen Männchen und Weibchen konnte ich ausser der Färbung des Geschlechtsorganes, wel- ches hellgelb beim Männchen, dunkel, bräunlich beim Weib- chen ist, nicht finden. Oftmals trifft man Männchen und Weibchen nebeneinander auf Steinen oder Conchylien sitzen, manchmal aber sind bloss Weibchen oder bloss Männchen beisammen. 1 In den (sogenannten) Nesselorganen fand ich diesmal eine bedeutende Abweichung von der Form, welche ich früher be- kannt gemacht habe. An dem Theile des Fadens, welcher unmittelbar am eylindrischen Bläschen ansitzt, bemerkte ich jedesmal eine Anschwellung, die bei verschiedenen Arten ver- schieden, bald kürzer, runder, bald aber länger, und jedesmal mit zahlreichen Dornen ringsum besetzt ist. Ob nun diese Formation wechselnd sei, mit der Ausbildung der Sexualor- gane zusammenhänge, und nach dem Ableben dieser wieder verschwinde, oder ob sie mir bei den früheren, freilich sehr häufig und genau angestellten Beobachtungen entgangen sei, kann ich nicht entscheiden. Jedenfalls zeigte die Lebensthä- tigkeit dieser Organe eine viel grössere Steigerung, als dies im Herbste der Fall ist. Die Bläschen und Fäden strotzten, letz- tere schossen sehr behende bei leiser Irritation oder Befeuchlen mit süssem Wasser hervor, waren gleich beim Austrelen steif 306 und prall gespannt, mit scharfen Conturen versehen, nach kur- zer Zeit aber schwanden sie, wurden schlaff, schwer sichtbar — wahrscheinlich durch Entleerung der in ihnen enthaltenen Flüssigkeit. An den Nesselfäden der weissarmigen Actinie sass zwischen den einzelnen Nesselorganen noch ein eigenthümli- ches Organ. Es liess einen linsenförmigen, gelblichen Körper erkennen, der mit einem kurzen Stiele festsass, und aus einem zarten, structurlosen Häutchen mit flüssigem Inhalte zu beste- hen schien. München, den 17. Mai 1842. Beobachtungen über die Schwimmblase der Fische, mit Bezug auf einige neue Fischgattungen. Von SEN EDLER. (Gelesen in der Akad. der Wissensch. zu Berlin am 16. u. 23, Juni 1842.) I. Ueber zellige Schwimmblasen und Lungen. Die älteren Angaben über lungenartige Organe oder zellige Schwwimmblasen bei Fischen von Severinus, Schoepf, Brous- sonet, Brodbelt hatten sich nicht bestätigt, aber Cuvier entdeckte eine wirkliche zellige Sehwimmblase gleich der Lunge eines Reptils bei Lepisosteus und Amia. Ich habe diese Structur auch bei einigen andern Fischen gefunden, so bei der Gattung Erythrinus Gronov, wo ich sie schon vor einiger Zeit anzeigte. Die Schwimmblase hat eine vordere und hin- tere Abtheilung, die Zellen befinden sich in der hinteren Ab- theilung. Diese Beobachtungen waren an E. unitaeniatus Ag. angestellt *). Hr. Agassiz hatte bei Herausgabe der Pis- ces brasiliensis von Spix die Schwimmblase eines Ery- thrinus, nämlich des E. macrodon Ag. untersucht, aber sie nur als gross angegeben, ohne eines zelligen Baues zu erwäh- nen. Hr. Valentin ?) hat nun in Folge der diesseitigen Beob- 4) Eine Abbildung lieferte Jacobi in seiner Inauguraldissertation: De vesica aörea piscium cum appendice de vesica a@rea cellulosa Ery- thrioi. Berol. 1840. 4. 2) Repertorium für Anat, u, Physiol. VI. 1844. p- 180. 308 achtungen eine andere der von Hrn. Agassiz beschriebenen neuen Arten von Erythrinen, die er von Hrn. Agassiz selbst erhalten, E. brasiliensis, untersucht, und bei dieser Art fan- den sich keine Zellen der Schwimmblase, so dass die von mir beobachtete Bildung nicht bei allen Arten der Gattung vorzu- kommen schien. Will man den Begriff der Gattung wörtlich nach der Cuvier’schen Definition, d. h. mit hechelförmigen Gaumenzähnen nehmen, so bleibt die Zellenbildung derSchwimm- blase in der That ein Gattungscharacter. Der dahin gehörende E, salvus Ag. verhält sich nämlich im zelligen Bau der Schwimmblase ganz so wie E. unitaeniatus. Hr. Agassiz hat aber den Begriff der Gattung insofern weiter gefasst, dass er zur selbigen Gattung auch diejenigen seiner Erythrinen zählt, welche vor den hechelförmigen Zähnen am Gaumen noch eine Reihe stärkerer kegelförmiger Gaumenzähne besitzen, wie sie Hr. Agassiz bei seinem E. macrodon und E. brasiliensis beschreibt. Ich habe beide Arten untersucht, beide haben nichts von Zellen. Diese Erythrinen haben viel grössere Hundszähne. Hiernach kann man die Erythrinen in 2 Untergatlungen zer- fällen. h Erythrinus Cuv. Müll. Einfach hechelförmige Gaumenzähne. Die grösseren Hunds- zähne unter den Kieferzähnen sind verhältnissmässig kurz, die Schwimmblase zellig. Arten 41. Erythrinus unitaeniatus Ag. Synon. Synodus erythrinus Bl. Schn., zu- folge Untersuchung des Bloch’schen Original- exemplares. Die Exemplare mit der Längsbinde haben immer auch den dunkeln Fleck am Kie- mendeckel, welcher bei Synodus erythrinus angegeben ist. 2. Erythrinus salvus Ag. Macrodon M. Vor den hechelförmigen Gaumenzähnen eine Reihe grös- serer kegelförnmiger Gaumenzähne, unter den Kieferzähnen 309 einzelne sehr grosse Hundszähne. Die Schwimmblase ohne Zellen. Arten 1. Macrodon Trahira M. Synon. Erythrinus Macrodon Ag. Synodus malabarieus Bl. Schn. zufolge Untersuchung des Bloch’schen Originalexemplares. Dass er aus Malabar kommen soll, beruht offenbar auf einem Irrthum, . Maerodon brasiliensis M. Synon. Erythrinus brasiliensis Ag. In der Familie der Siluroiden kommen mehrere Fälle von zelligen Schwimmblasen vor, abgeschen von den kammerigen Schwimmblasen der Gattungen Bagrus und Arius Val. Hier ist die Schwimmblase durch unvollkommene Scheidewände in- aD wendig nur in einige wenige grosse Abtheilungen gebracht, so dass 2 Reilien jederseits communicirender, in der Mitte ge- trennler Kammern entstehen, während eine unpaare vordere, aus welcher der Luftgang entspringt, beide Reihen verbindet. Dahin gehört auch, was Cuvier (Leg. d’anat. comp.) die zel- lige Schwimmblase des Silurus felis L. nennt und abbildet. Aber beim Platystoma fasciatum fand ich eine Verbindung des kammerigen Baues mit einem eigenthümlichen platten, zel- ligen Sanm an den Seiten und am hintern Umfang der Schwimm- blase., In diesem verzweigen sich feine Luftkanäle, nach vorn hin verwandelt sich der zellige Saum jederseits in einen plat- ten freien zelligen Flügel. Platystoma lima und corus- cans haben nichts davon, sondern nur Kammern. Bei einer neuen Galtung von Welsen sind die zelligen Säume durch einen Kranz von kleinen Blinddärmchen ersetzt. Pimelodus macropterusLichtenst. (Wiedem. Zool. Mag. 1. 1819, p. 59.) hat eine schr kleine herzförmige plalte Schwimm- blase, an den Seiten und am hintern Umfang mit einen Kranze kleiner Blinddärmehen zierlich umgeben, vorn, wo bei Pla- Iystoma faseiatum die zelligen Flügel abgehen, befindet sich jederseits ein sehr langer weiterer Blinddarm. Dieser schon 310 vor langer Zeit beschriebene Fisch, welcher in Hrn. Valen- eiennes’ Arbeit über die Welse fehlt, bildet mit dem Pimelo- dus etenodus Ag. eine neue Gattung unter den Siluroiden mit weiten Kiemenspalten, deren: Charactere folgende sind: Genus Calophysus Müller et Troschel (Msc. über neue Gattungen und Arten der Welse). Keine Zähne am Gaumen. Eine Reihe stärkerer Zähne am Oberkiefer und Unterkiefer, hinter welchen in dem einen oder andern noch eine Reihe kleinerer Zähne. Der erste. Strahl der Bauchflosse und Rückenflosse am Ende einfach gegliedert, ohne Zähne. Zugleich eine lange Fett- flosse. 6 Barlfäden. 7 Strahlen der Kiemenhaut. Arten 4. Calophysus macropterus M. T. " Synon.. Pimelodus macropterus Lichtenst. a. a. O0. Am Oberkiefer eine Reihe (20) platier schmaler Zähne, hinter dieser eine zweile Reihe niedrigerer Zähne, im Unterkiefer nur eine ein- zige Reihe Zähne (30). 2. Calophysus etenodus M. T. Pimelodus ctenodus Ag. Eine der merkwürdigsten Schwimmblasen beobachtete ich bei einem 1819 von Hrn. Lichtenstein beschriebenen, seither vergessenen Fische, Pimelodus filamentosus Lichtenst. (Bagrus filamentosus Müll. Trosch.) Dieser Fisch, mit Bartfäden dreimal länger als sein Körper, hat zwei hinterein- ander liegende, ganz getrennte glatte Schwimmblasen, beide durch und durch zellig, aus der vorderen geht der Luflgang, die hintere enthält nich!s von einer gemeinsamen mittleren Höhle. Das ganze Innere besteht aus kleinen lufthaltigen Zellen. Die zelligen Schwimmblasen schienen die Analogie der » Lungen und der Schwimmblase zu bestätigen, und besonders wurde diese Analogie durch den mit Lungen und Kiemen zu- gleich versehenen Lepidosiren unlerstülzt, welcher von Hrn. Owen [ür einen Fisch erklärt wurde, indem er sich zugleich auf die zellige Schwimmblase des Lepisosteus beriel. Dies 311 machle'es nothwendig, den Begriff beider Organe anatomisch und physiologisch festzustellen. Es lag am nächsten, zum Be- grif® der Lunge anzunehmen, dass sie von der ventralen Wand des Schlundes aus sich entwickele, zum Begriff der Schwimm- blase, dass sie von der dorsalen Wand des Schlundes ausgehe. Aber diese Ansicht lässt sich zufolge der von mir angestellten Beobachtungen nicht mehr festhalten. Bei den Erythrinen mün- det der Luftgang der Schwimmblase in die Seite des Schlun- des ein, und bei Polypterus sogar in die ventrale Wand. Hr. Geoffroy St. Hilaire, der die zellenlosen sackförmigen doppelten Schwimmblasen mit gemeinsam grossem Schlitz im Schlunde beschrieben und abgebildet, hat diese merkwürdige Thatsache übersehen und geradezu das Gegentheil angegeben, dass die Oeffnung sich im oberen Theil des Schlundes befindet, und die späteren Beobachter ‘sind ihm auf diesem Irrthum ge- folgt. Dieses Organ öffnet sich also ganz wie eine Lunge in den Schlund. Die wesentliche Eigenschaft einer Lunge ist aber, dass sich die Blutgefässe darin wie in einem Athemorgan vertheilen, dass die Arterien, umgekehrt wie im übrigen Kör- per, dunkelrothes Blut zuführen, die Venen hellrothes Blut ab- führen. Dies ist bei Polypterus nicht der Fall. Die Arte- rien der Säcke entspringen aus der Kiemenvene der letzten Kieme, welche nur eine halbe Kieme ist; ihre Venen ergiessen sich in die Lebervenen. Die Lage der Mündung entscheidet also auch nicht, sie kann bei einer wahren Schwimmblase rund um den Schlund wandern. Aber auch die zelligen'Schwimmblasen sind keine Lungen, denn ich fand bei den Erythrinus, dass ihre Gefässe sich ganz verschieden von denen eines Athemorganes verhalten, dass ihre Arterien aus den Arterien des Körpers entspringen, ihre Venen in die des Körpers zurückgehen '). Ebenso ist es an der zelligen Schwimmblase von Platystoma fasciatum und 4) Archiv. 1841. p. 227. 312 an dem ausser der Schwimmblase vorhandenen ventralen Luft- kropf der Tetrodon. Hierdurch ist bewiesen, dass die Schwimmblase in allen Fällen, mag sie zellig sein wie eine Reptilienlunge, oder nicht, mag sie ventral, lateral oder dorsal vom Schlund ausgehen, Schwimmblase bleibt, und dass Lungen und Schwimmblasen anatomisch und physiologisch völlig verschieden sind. Beiderlei Organe kommen darin überein, dass sie sich als Ausstülpungen aus dem Schlunde entwickeln, dies theilen sie noch mit anderen Bildungen mit den Tuben und Luftsäcken der Kehlkopfgegend. Es giebt indess noch ein anderes gemein- sames Fundament ihrer Formation, und in diesem muss man einen gewissen Grad von Analogie anerkennen, während man jede Aehnlichkeit in Bezug auf die physiologische Bedeutung der Lungen zur Respiration läugnen muss. Es giebt nämlich auch an den Lungen einen nicht respiratorischen Theil, die Luftröhre und ihre Aeste, Dieser besitzt seine besonderen Blut- gelässe, die Vasa bronchialia, sie verhalten sich wie alle ernährenden Gefässe des Körpers, und gerade entgegengesetzt den Lungengefässen; es ist bekannt, dass sich dieses nutrilive System bis in die Substanz der Lungen verzweigt. Die Schwimmblase und ihr Gefässsysiem kann daher dem nicht respiratorischen Theil der Athemwerkzeuge verglichen werden. Stellt man sich vor, dass bei einem Thier mit einem Lungen- sack das respiratorische Blutgefässsystem sich verkleinere, bis es Null wird, so bleibt ein Sack übrig, der sich ferner nicht mehr von der Schwimmblase unterscheidet. In der vergleichenden Anatomie der Myxinoiden wurden die beiden entgegengeseizten Gefässsysteme auch an den Kie- men nachgewiesen. Bei einigen Fischen mit weniger als vier Kiemen wird ferner das respiratorische Gefässsystem an den "kiemenlosen Kiemenbogen völlig auf Null redueirt, d. h. an dessen Stelle ist ein Aortenbogen, und es bleibt nur das nu- tritive übrig. Bei Amphipnous Cuchia Müll. (Archiv 1840) geschieht diese Reduction bis auf den Verlust der mehrsten 313 Kiemen, so dass nuräm zweiten Kiemenbogen eine eigentliche Kieme bleibt, auch bei den nackten Amphibien gelıt zur Zeit der Verwandlung das respiratorische Gefässsystem der Kiemen, nämlich Kiemeharterie und Kiemenvene derselben völlig verlo- ren, und verwandelt sich in einen Aortenbogen. So gewiss die Schwimmblase der Fische keine Lunge ist, eben so wenig kann die Entwickelung einer wahren Lunge bei Fischen als unmöglich geläugnet werden. Dem Wesen nach besteht die Lunge aus einem Sack mit einem respiratorischen Gelässsystem. Dieser Sack kann an verschiedenen Stellen ge- legen sein, er kann von der ventralen Seite des Schlundes aus- geben, er kann aber auch auf jeder Seite des Schlundes oder aus der Kiemenhöhle sich entwiekeln, er kann innerhalb der Rumpfhöhle, er kann auch ausserhalb derselben liegen. Letz- teres ereignet sich in der That bei zweien Fischen. Taylor hat sie zergliedert und gezeigt, dass sich die Blutgefässe auf den Säcken wie auf einem Athemorgan verbreiten, d. h. dun- kelrothes Blut zuführen und hellrothes abführen. Die Organe kommen bei einem Wels und einem Aal vor, die auf dem Lande zu athmen dadurch befähigt werden, gleichwie die La- byrinthfische durch die Labyrinthkiemen befähigt werden auf das Land zu gehen. Der erste ist Silurus fossilis Bloch, Silurus singio Buch., Heteropneustes fossilis Müll. '), Saccobranchus singio Val. Seine Athemsäcke gehen von der Kiemenhöhle aus und liegen in den Rückenmuskeln. Der zweite ist Unibranchiapertura Cuchia Buch., Amphi- pnous Cuchia Müll. Hier sind der erste und vierte Kie- menbogen völlig kiemenlos, der dritte Bogen hat nur eine glatte Hautleiste ohne Kiemenblättchen, der zweite eine kleine Kieme. Der Luftsack geht jederseits von der Kiemenhöhle aus, und reicht nicht weit über den Kopf hinaus. Taylor stellte dieses Thier zwischen die Fische und Amphibien, aber es ist ganz entschieden ein Fisch und steht Symbranchus (mit 4 Kie- 4) Archiv für Anat. u. Physiol. 4840. p. 115. 314 ’ men) am nächsten. Bei dem verwandten Monopterus ist schon der vierte Kiemenbogen kiemenlos, und trägt statt des Kiemengefässsystems einen einfachen Aortenbogen. Hr. Wal- ker hat den Cuchia in Bengalen neuerdings auch im le- benden Zustande untersucht, ‘die Beobachtungen von Taylor besläligt, und hat bemerkt, dass das Thier Schleimporen am Kopfe wie andere Fische, und kleine, in der Haut versteckte Schuppen wie der Aal hat. Ich habe das Thier kürzlich trok- ken selbst untersucht. Die Gelenke der Wirbel sind wie bei Symbranchus, die Wirbelkörper haben conisch ausgehöhlte Facetten, wovon die vorderen sehr flach, die hinteren sehr tief sind. Der Schädel artieulirt mit dem ersten Wirbel, wel- cher letztere einen mittleren Gelenkkopf hat wie bei Sym- branchus, ausserdem artieuliren Kopf und Wirbel wie auch sonst durch Seitenfortsätze. Die unpaare Kiemenöffnung soll nach Taylor in der Mitte durch eine Scheidewand getheilt sein, was vonSymbranchus abweichen und sich Monopte- zus nähern würde, es wurde aber keine solche Scheidewand gesehen. h Lepidosiren, von Natterer entdeckt, hat keine Kie- menhöhlungen, wie die vorgenannten, sondern eine eigentliche zellige Lunge mit einer unpaaren ventralen Stimmritze, wie aus den Untersuchungen der Herren Owen und Bischoff hervergeht. Die Lungen erhalten dunkelrolhes Blut aus der Kiemenarterie, und die Lungenvenen geben das oxygenirte Blut in den Vorhof des Herzens ab, was für einen Fisch höchst eigenthümlich ist, da das oxygenirte Blut der Kiemenhöblen- lungen der beiden vorher erwähnten Fische nicht erst zum Herzen gelangt, sondern sich mit dem Blut der Kiemenvenen zum Arteriensystem des Körpers vereinigt. Lepidosiren paradoxa soll nach Hrn. Bischoff 2 Vorhöfe haben, wovon der eine das dunkelrothe Körpervenenblut, der andere das hell- rolhe Lungenvenenblut aufnimmt, wie bei einem Amphibium. Lepidosiren anneetens hingegen soll nach Hrn. Owen nur einen gemeinschaftlichen Vorkof haben, der beiderlei Venen 315 aufnimmt. Nach der ersten Angabe wurde das Thier für ein Amphibium, nach der zweiten für einen Fisch erklärt. Die von Bischoff beobachtete, von Owen geläugnete Perforation der Naslöcher kann nicht entscheiden, da einige Fische, die Myxinoiden, wirklich einen durchbohrenden Nasengang besitzen. Einige waren geneigt, beide Thiere für ganz verschiedenen Klas- sen angehörend zu betrachten. Ihr Aeusseres und Inneres ist aber so völlig übereinstimmend, dass sie ohne Zweifel Arten einer und derselben Gattung sind. Die Verwickelungen, in welche die vergleichende Ana- tomie durch diese scheinbar anomalen Facta versetzt worden, lösen sich durch die folgenden Combinationen, Consequenzen tieferer anatomischer und physiologischer Studien. Man konnte es bisher als einen durchgreifenden und fun- damentalen Unterschied der Amphibien und Fische ansehen, dass bei jenen die Urinblase vor dem Mastdarm, bei diesen hinter ihm gelegen ist, dass bei den Fischen die Urogenital- öffnung, wenn vom After geschieden, hinter demselben liegt. In beider Hinsicht verhält sich Lepidosiren als Fisch. Von jener Anordnung findet sich in der That unter den Amphibien keine Ausnahme. Aber das Branchiostoma lubricum (Amphioxus lanceolatus) stört diesen Plan unter den Fi- schen, da bei ihm die sonst vor dem Bauch gelegene Kiemen- öffnung in der Mitte des Bauches mit dem Porus zusammen- fällt; durch welchen Samen und Eier abgehen, weit vor dem After. Da bei den Knorpelfischen regelmässig Oeffnungen der Bauchhöhle in der Nähe des Afters vorkommen, so kann, um jene Anomalie bei Branchiostoma zu erklären, der Porus abdominalis in der Mitte des Bauches als eine Fusion der Kiemenspalte und jener Bauchspalten angesehen werden. Einen viel wichtigern Unterschied der Amphibien und der Fische habe ich in der Osteogenesis der Wirbelsäule gefunden. Bei den Fischen entsteht die Wirbelsäule nach meinen Beob- achtungen aus 5 Theilen, einem centralen ringförmigen, der Ossification der Scheide der Chorda, zwei oberen und zwei Müllers Archiv. 1842. 21 316 unteren sich damit verbindenden Stücken, wovon das obere Paar das Rückenmark umwächst und den oberen Dorn bildet, die unteren am Schwanz um die Art, caudalis sich zum un- teren Dorn verbinden, am Rumpfe aber in die den Fischen eigenen unteren Querfortsätze oder Querfortsätze der Wirbel- körper auslaufen und die Rippen tragen, wenn sie vorhanden sind. Andere Wirbelthiere haben diese unteren Stücke nie am Rumpf, und (zuweilen) nur am Schwanze. Dieser funda- mentale Unterschied ist für die Stellung der Lepidosiren ent- scheidend, denn sie verhält sich darin entschieden als Fisch. Was nun die Streitfrage über die Einfachheit oder Dop- peltheit, des Vorhofes bei Lepidosiren betrifft, so glaube ich, dass die Stellung derselben von der Entscheidung dieses Punktes gar nicht abhängig gemacht werden kann, wie sich aus den folgenden Combinationen ergiebt: 4) Ein Thier, das 2 verschiedene Venenstämme, der Körper- venen und Lungenvenen, in einen einfacheu Vorhof des Herzens aufnimmt, hat dem Wesen nach eben so viele Theilungen des einfachen Vorhofes, da die Muskelsubstanz des Herzens sich bei allen Thieren auf einen Theil sowohl der Körpervenen als der Lungenvenen fortsetzt, und die Venenstämme bis an eine bestimmte Grenze sich selbst- ständig zusammenziehen, also in jeder Beziehung die Ei- genschaften des Herzens theilen. Sobald also in einen ein- fachen Vorhof ein Körpervenenstamm und ein Lungen- venenstamm eingehen, so ist es durchaus eben so viel als wenn zwei Vorhöfe vorhanden sind, die eine gemein- schaftliche Basis haben, d. h. deren Scheidewand keine vollkommene Trennung bewirkt, und umgekehrt wenn letzteres, so ist es dem Wesen nach ganz dasselbe als wenn in einen Vorhof sich die Körpervenen und Lungen- venen ergiessen. Das Wesentliche im letztern Falle liegt weniger in der Einfachheit oder Doppeltheit des Vorhofes, als darin, dass sich der Lungenvenenstamm zum Körper- 317 venenstamm gesellt, was aber für alle Lungen characteri- stisch ist, während es bei den Kiemen nie vorkommt. 2) Daher ist es ein Character der Kiemen bei Amphibien und 3) Fischen, dass die Kiemenvenen unmittelbar in die Körper- arterie sich fortsetzen und kein Herz dazwischen liegt, oder mit anderen Worten, dass die Kiemenvenen nicht zum Herzen wie die Körpervenen gehen. So verhalten sich auch die von den Kiemenhöhlen ausgehenden Luft- säcke des Heteropneustes und Amphipnous. Es ist ein Character der Lungen, aber deswegen nicht allein der Amphibien, dass die Lungenvenen zu den Körpervenen - oder zum venösen Theil des Herzens gehen. 4) 6) 7) Kiemenarterienast und Kiemenvenenast einer Kieme sind zusammen (nicht funclionell sondern in der Metamorphose identischer Theile) Aequivalent eines kiemenlosen Aorten- bogens, sowohl bei Fischen als bei Amphibien, denn sie werden in einander verwandelt. Dieser Fall ereignet sich in der Verwandlung der Amphibien, und in gleicher Weise an einzelnen Kiemenbogen des Monopterus, des Cuchia und der Lepidosiren. Daher können in diesen Combinationen die Kiemengefässe eines Kiemenbogens einem Aortenbogen, und ein Aorten- bogen den Kiemengefässen eines Kiemenbogens substituirt werden. Arterielle Aeste von Kiemenvenen sind daher Aequivalente von Aesten eines Aortenbogens, und beide können einan- der substituirt werden. Betrachtet man die Kiemenarterie und die Kiemenvene des letzten Kiemenbogens von Polypterus als einen Aorten- bogen, so wird der Ast der Kiemenvene zur Schwimmblase Lungenarterie, und die zur Leberhohlvene gehenden Venen der Schwimmblase werden Lungenvenen. 8) Es fehlt daher, damit die lungenartige Schwimmblase des Polypterus Lunge werde, nichts als dass das Capillar- nelz des vierten Kiemenbogens eingehe und die Stämme 21° 318 der Kiemengefässe in einen Aortenbogen verwandelt wer den, wie es bei Monopterus wirklich geschieht, dann hätte Polypterus eine Lunge, und dieser Schritt ist bei Lepidosiren geschehen. 9) Die Kiemenhöhlenlungen sind Verlängerungen der respi- ratorischen Kiemenblutbahn in die Kiemenhöhle, die sonst nichts davon aufnimmt und sonst nur eine nulrilive Blut- bahn hat, oder es sind Verlängerungen der respiratorischen Kiemenblutbahn in sackfürmige Verlängerungen der Kie- menhöhle, Das ist ihr Unterschied von den eigentlichen Lungen. 40) Die Lungen im engern Sinne, wie sie unter den Fischen nur Lepidosiren hat, haben ihre Arterien aus der arte- riösen Herzkammer oder aus den Körperarterien, nämlich den Aortenbogen, und geben ihre Venen immer zum Her- zen gleich den Körpervenen. 41) Wenn die Lungen und Kiemen zugleich vorhanden sind, so entspringt die Lungenarterie nie aus den Kiemenvenen selbst, sondern es ist immer zugleich ein an den Kiemen vorbeigehender Aortenbogen vorhanden, der, ehe er sich mit dem Zusammenfluss der Kiemenvenen zur Aorta ver- bindet, die Lungenarterie abgiebt, so ist es bei allen Pro- teiden. Hr. Owen hat zwar bei Siren lacertina das erstere abweichende Verhältniss gesehen, indess habe ich bei Untersuchung der Siren lacertina den zur Lungen- arterie gehörigen aus dem Truncus arteriosus kom- menden und wieder mit dem Zusammenfluss der Kiemen- veuen verbundenen Aortenbogen gefunden. 319 II: Ueber einen Springfeder-Apparat zur Ver- dünnung und Verdichtung der Luft der Schwimmblase bei einigen Gattungen der Siluroiden, und ähnliche Structuren bei an- deren Fischen, Die mehrsten Fische sind nicht im Stande, willkürlich die Luft der Schwimmblase zu verdünnen. Die Muskeln der Schwimmblase sind der Verdichtung der Luft bestimmt. Ganz verschieden ist eine bei mehreren Gattungen von Flussfischen von mir entdeckte Einrichtung, wo die Verdichtung und Ver- dünnung unter die Aclion zweier im Fische selbst wirksamer und entgegenstrebender Kräfte gesetzt sind, so zwar, dass die Verdichtung beständig wirksam ist, und von der Elastieität einer Feder herrührt, die Verdünnung aber von der Action und Ausdauer vitaler Muskelkräfte abhängt, welche die Feder ausser Erfolg setzen. Diese Fische werden ohne Intension die- ser Kräfte in der Tiefe schweben, welche ihrem specifischen Gewicht bei dem Zustande der Verdichtung der Luft in der Schwimmblase entsprieht, durch die Wirkung der Muskeln aber nach der Oberfläche steigen, umgekehrt von dem Verhalten der mehrsten Fische. Die Silureiden, bei denen ich diesen Ap- parat beobachtet habe, besitzen enge Kiemenspalten. Es sind die Gattungen Auchenipterus, Synodontis, Doras, Ma- lapterurus und Euanemus n. gen. Diese Fische haben am ersten Wirbel jederseits einen grossen Fortsatz, der mit einer schmalen dünnen Platte.am Wirbel entspringend, zuletzt sich zu einer grossen runden Platte ausdehnt. Der Fortsatz ist die elastische Feder, welche mit ihrem plattenförmigen Ende die Schwimmblase jederseits der vorderen Fläche tief eindrückt, Ein dicker Muskel entspringt von der inneren Fläche des Helms des Schädels und heftet sich an die Platte; wenn er wirkt, #0 hebt er sie von der Schwimmblase ab, setzt die Feder aus- ser Thätigkeit und verdünnt die Luft der Schwimmblase. Zieht 320 man den Muskel an und lässt dann vom Zuge nach, so springt die Knochenfeder von selbst zurück durch die Elastieität, und verdichtet wieder die Luft des Behälters. Die neue Gattung und Art von Siluroiden, welche auch den Springfederapparat besitzt, hat folgende Kennzeichen: Gattung Euanemus Müll. Trosch. (Msc. über neue Welse.) Enge Kiemenspalten, Körper seitlich zusammengedrückt. Der Helm ist von der Haut bedeckt. Die Zähne am Ober- kiefer und Unterkiefer hechelförmig in einer Binde, keine an Vomer und Gaumenbeinen, der erste Strahl der Rük- ken- und Brustflosse ist ein Dorn. Die Rückenflosse steht ganz vorn und ist klein. Ausserdem eine sehr kleine Feit- flosse. Afterflosse sehr lang. Strahlen der Bauchflossen viel zahlreicher als bei anderen Siluroiden. Augen von der Haut bedeckt. 6 Bartfäden. Art Euanemus colymbetes M. T. aus Surinam, B. 7. P. 1, 11. D, 1, 6. A. 44. V. 14. Diese Structur erinnert an die sonderbare, von Brous- sonet!) entdeckte Einrichtung an der Schwimmblase der Ophidien, welche immer noch der Aufklärung bedarf, die sie bloss durch Untersuchung mehrerer Arten von Ophidien erhal- ten kann. Bei Ophidium barbatum sind am ersten Wirbel 2 Knochenstücke eingelenkt, welche durch Muskeln vorwärts gezogen werden können, von ihren Spitzen ist ein Faden quer zu dem halbmondförmigen Knochen gespannt, der in das vor- dere Ende der Schwimmblase ragt und zwischen zwei dicken Knochenfortsätzen vom vierten Wirbel liegt. Durch eigene Muskeln wird der halbmondförmige Knochen von der Schwimm- blase entfernt. Broussonet hat zweierlei Individuen von Ophidium barbatum (mit schwarzem Saum der verlicalen Flossen) von ganz abweichender Structur der Schwimmblase gesehen. De la Roche) hat die eine von beiden, nämlich 41) Philosoph, Transact. Vol. 71. p. 437. 2) Annales du museum d’hist. nat, T. XIV. p. 275. 321 die oben bezeichuete, beschrieben, aber noch eine andere, ganz abweichende Varietät kennen gelehrt, welche letztere seitdem wieder von Rathke :) beobachtet ist. Bei der zweiten Va- rielät ist der Stopfen der Schwimmblase ein keilförmiger Kno- chen, die Knochenfortsätze zu den Seiten des vordern Theils der Schwimmblase sind hier sehr dünn, die Schwimmblase hat einen vordern und hintern Hals und in letzterem eine eigene röhrige Einstülpung, die in der Mitte durchbrochen, nur von Schleimhaut geschlossen und sonst von Gallerte gefüllt ist. Die dritte Varietät von O. barbatum hat nichts von einem knö- chernen Stopfen, die Schwimmblase ist lang, ohne Hals. Die Muskeln, welche sonst die Knochen ziehen, und die Bändchen setzen sich hier an die Schwimmblase selbst. Ich habe von der ersten von Broussonet und De la Roche geschenen Form 3 Individuen, von der zweiten von De la Roche und Rathke gesehenen 2, von der letzten nur von Broussonet gesehenen Form 1 Individuum untersucht. Die Erklärung der Verschiedenheiten durch Geschlecht wird widerlegt durch die dreifache Abweichung, vom Alter rühren sie eben so wenig her, denn es wurden junge und alte Thiere mit gleicher For- mation von mir gesehen. Es sind daher 3 Arten unter Ophi- dium barbatum verborgen. Dafür spricht, dass andere Ar- ten auch andere Modificationen des Apparates zeigen. Die Ophidien jener 3 Kategorien haben denselben schwarzen Saum der verticalen Flossen, dieselbe Zahl der Flossenstrahlen und Kiemenhautstrahlen, dieselbe Länge der Bartfäden. Die Indi- viduen der ersten‘Form mit halbmondförmigem Knochen wer- den aber grösser und kräftiger, sie haben 5—6 gezälnelte Stachelehen am ersten Kiemenbogen, die Fische der zweilen und dritten Kategorie nur 4 solche Stachelchen. Die Spitze des Eihmoideum ist bei der ersten Form hakenförmig gekrümmt. Die ersten mögen O. barbatum ferner heissen, die zweilen können ©. Rochii, die dritten ©. Broussoneti heissen; 4) Müll, Archiv. 1838. p. 423. 322 äusserlich lassen sich beide letztere jetzt noch nicht anter- scheiden. Ophidium Vasalli, breviberbe, imberbe sind bis jetzt noch nicht untersucht worden. ©. Vasalli bietet eine Variation des Apparates dar, die sich an die zuletzt beschrie- bene anschliesst, aber doch wieder deutlich davon verschieden ist. Die Schwimmblase ist äusserst kurz, kuglich, hat hinten eine Oeffnung von der innern Haut und Gallerte geschlossen. Es ist kein knöcherner Stopfen vorhanden, die Muskeln ziehen an 2 dünnen Knochenplatten, die vorn in der Haut der Schwimmblase liegen. Diese Platten sind jederseits durch eine an der Wirbelsäule eingelenkte Knochenplatte wie durch eine Feder zurückgehalten. Die Muskeln wirken den Federn ent- gegen, und erweitern die Schwimmblase nach vorn, Diese Muskeln sind ausserordentlich viel länger und dicker als bei den vorhergehenden Arten, ihr Ursprung ist nicht hinten am Cranium, sondern vom Vomer. 3 Exemplare. Bei O. breviberbe aus Brasilien befindet sich im vor- dern Umfang der länglichen Schwimmblase, die keine hintere Oeflnung hat, eine quere dicke Schwiele mit einem henkel- förmigen Fortsatz aussen am vordern Ende der Blase. Durch diesen Handgriff ist quer eine Chorda gespannt, die jederseits an einer knopfförmig endigenden, an der Wirbelsäule einge- lenkten Knochenplatte befestigt ist, Diese Knochen sind auch durch Bändchen an den Grund der Schwimmblase geheftet. Indem die Knochen durch Muskeln vorwärts gezogen werden, wird der Grund der Schwimmblase mittelst der Chorda und den Bändchen von dem Körper der Blase entfernt, und diese erweilert. O. imberbe s, Fierasfer imberbis hat eine längliche Blase vorn mit einem Halse. Vor dem Halse ist sie wieder wei- ter, hier ist sie seitlich von 2 Knochenplatten festgehalten. Lange Muskeln ziehen am vordern Umfang der Blase, der keine Kno. chen enthält, und der sich leicht von der obern Wand der Schwimmblase abbewegt. 10 Exemplare wurden untersucht. 323 Uebereinstimmend mit den Fierasfern ist der Bau der Schwimmblase bei einem Fisch von unbekanntem Fundort, welcher der Typus eines neuen Genus unter den Ophidien ist, das sich von den Fierasfern durch den Mangel der Brustflossen auszeichnet. Encheliophis Müll. Keine Brustflossen. Die Kiemenspalten beider Seiten sind durch Vereinigung der Kiemenhäute in der Mitte ver- bunden. Der After liegt viel weiter nach vorn als bei den Ophidien sogleich hinter den Kiemen. Strahlen der Kiemenhaut 6. Art Encheliophis vermicularis M. 4 Zoll lang. Der Körper läuft nach hinten ganz spitz aus. IIL Ueber eine Familie der Weichflosser mit Gehörknöchelchen der Schwimmblase, mit Bemerkungen über die Systematik der Weichflosser. Die Verbindung der Schwimmblase mit dem Gehörorgan durch Gehörknöchelchen, wie sie von Hrn. Weber bei den Cyprinus, Cobitis und Silurus entdeckt wurde, kommt allen Gattungen der wahren Cyprinoiden (nach Abzug der Cy- prinodonten), auch der schuppenlosen Aulopyge Heck., und ebenso allen mit einer Schwimmblase versehenen Gattungen der Siluroiden zu. Die Gattungen Hypophthalmus, Ce- topsis und Pygidium Meyen Wiegm. Arch. 1835 2. 269 (Eremobius Val.) sind ohne Schwimmblase. Die Familie der Loricarien ist von den Siluroiden durch den Besitz der Nebenkiemen verschieden, ist auch ohne Schwimmblase. Ich habe die den Cyprinoiden und Siluroiden eigene Verbindung der Schwimmblase mit den Gehörknöchelchen auch bei den Erythrinen und einer Abtheilung der Salmonen gefunden, unter welchen letzteren schon Hr. Heusinger die Gegenwart der 324 D Gehörknöchelchen bei Gasteropelecus anzeigte. Die Gat- tungen unter Cuvier’s Salmoniden, welche die Gehörknö- chelchen besitzen, sind Gasteropelecus, Myletes, Tetra- gonopterus, Chalceus, Citharinus, Serrasalmo, Pia- buca, Hydrocyon, Anodus, kurz alle Gattungen, welche aus Artedi’s Gattung Characinus entstanden sind. Hierher gehört auch die neue Gattung Hemiodus Müll. Im Zwischenkiefer eine Reihe Zähne, wie runde Blätt- chen, am Rande gezähnelt, im Unterkiefer keine Zähne. Fetitllosse. Art Hemiodus crenidens M. B. 5, D. 11. A. 11. V.II, Brasilien. Die Verbindung der Schwimmblase ohne Gehörknöchel- chen mit dem Labyrinth durch lufthaltige Kanäle, wie bei Clu- pea, findet sich noch bei anderen Gattungen unter Cuvier’s Clupeiden, so bei Engraulis und Notopterus. Beim Ka- pirat gehen vom vordern Umfang der Schwimmblase zwei weite Kanäle durch ansehnliche Oeflnungen zum Labyrinth, bei Engraulis verhält es sich ganz so wie bei Clupea. Bu- tirinus hat die Verbindung nicht, die Schwimmblase schickt vorn zwei blind endigende Blinddärmehen ab. Die Stelle, welche Cuvier den Erythrinen angewiesen, nämlich unter den Clupeen, ist unpassend. Sie weichen von allen Clupeen durch die Gehörknöchelchen der Schwimmblase und durch die Gestalt der letzteren ab, welche ganz wie bei den Cyprinen in eine vordere und hintere zerfällt. Genau die- selben Verhältnisse finden sich bei den oben erwähnten Cha- raeinen, die Gasteropeleews, Myletes, Tetragonopte- rus, Chalceus, Citharinus, Serrasalmo, Piabuca, Hy- drocyon, Anodus, Hemiodus haben nicht bloss die Ge- hörknöchelchen, sondern auch die getheilte Schwimmblase der Cyprinen, sie unterscheiden sich auch von allen übrigen Sal- monen Cuvier’s, dass sie keine sichtbaren Nebenkiemen be- sitzen, worin ihnen wieder die Erythrinen gleich kommen, 395 welche gleichsam Hydrocyon öhne Fellflossen sind. Die Fetiflosse, auf deren Gegenwart Cuvier seine bunt zusam- mengesetzte Familie der Salmonen gründete, kann nicht zur Bildung natürlicher Familien benutzt werden, sie kommt vor und fehlt in verschiedenen Gattungen einer und derselben sicher begründeten Familie, der Siluroiden. Ich vereinige alle mit einer getheilten Schwimmblase und mit Gehörknöchelchen ver- sehenen beschuppten Fische ohne die grossen Schlundzähne der Cyprinen, ohne sichtbare Nebenkiemen, mögen sie eine Feit- flosse haben oder nicht, mögen sie bezahnt, halbbezahnt (He- miodus) oder zahnlos (Anodus) sein, in eine neue Familie, welche ich Characini nenne, und welche zu den sichersten und schärfsten Familien der Fische gehört. Die Gegenwart oder der Mangel der Zähne ist in einer und derselben natür- lichen Familie völlig untergeordnet. In vielen Familien giebt es bezahnte und zahnlose Gattungen, so sind unter den Clu- peen die Chaetoessus, unter den Salmonen die Coregonus, unter den Siluroiden die Hypophthalmus zahnlos. Die Characinen haben sackförmige Eierstöcke, welche die Eier selbst ausführen, diese fallen nicht in die Bauchhöhle, wie es bei den Salmen der Fall ist. Gleich den Charaeinen mit Fett- flosse verhalten sich auch in dieser Hinsicht die Erythrinen !). Nach Abzug der Characinen von den Salmonen Cuvier’s bleibt noch ein Gemisch von Fremdartigen übrig, vereint durch die Fettflosse. Alle diese haben kiemenartige Nebenkiemen. Ich theile sie nochmals in 2 Familien, die eigentlichen Sal- mones oder Salme und die Scopelini. Unter den Salmones verstehe ich bloss die eigentlichen Salmo mit ihren Untergattungen, bei welchen die von Rathke entdeckte Eigenthümlichkeit vorkommt, dass die Eier in die 4) In meinem Briefe an Prof. van der Hoeven über Lungen und Schwimmblasen, abgedruckt im Archiv. 1841, p. 227., ist ein Fehler zu verbessern, indem die den Salmo eigene Auslührung der Bier unrichtig den Erythrinus zugedacht wird. 326 Bauchhöhle fallen und durch eine Oeffnung derselben ausge- führt werden, während der Samen der Männchen durch einen eigentlichen Samengang abgeht. Ihr Oberkiefer ist bei den meisten, gleichwie bei den Häringen, zusammengesetzt, Sie haben eine einfache Schwimmblase, ohne Gehörknöchelchen. Hierher gehören die Gattungen Salmo, Osmerus, Corego- nus, Thymallus, Mallotus, Argentina, wahrscheinlich auch Microstoma. Die Scopelinen sind Fische mit einer Fetiflosse, ohne Schwimmblase, ihre Zähne sind nur im Zwischenkiefer wie bei den Esoces, und der Oberkiefer begleitet oft nur wie eine Leiste den Zwischenkiefer. Ihre Eierstöcke verhalten sich nicht wie bei den Salmones, sondern sind wie bei andern Fischen Eiersäcke, in welche die Eier fallen, und aus welchen sie aus- geführt werden, wie man bei Aulopus und Saurus- sehen kann. Hierher gehören die Gattungen Aulopus, Scopelus, Saurus, Odontostomus. Es sind gleichsam Esoces mit einer Fetiflosse. Sie sind sämmtlich von mir untersucht. Zur Gattung Odontostomus Cocco gehört ausser O.hyalinus auch O. Balbo Nob., Scopelus Balbo Risso. Dieser Fisch erinnert durch sein merkwürdiges Gebiss ganz auffallend an Chauliodus, und wurde auch in der Arbeit über die Nebenkiemen als ein Chauliodus angesehen, so dass das von Chauliodus bemerkte auf ihn zu beziehen ist. Die Zähne in dem sehr langen Zwischenkiefer sind klein, sehr gross die Gaumenzähne und die des Unterkiefers, die am Ende einen Widerhaken besitzen. Alle die grossen Zähne lassen sich an ihrer Wurzel nach hinten umlegen, ohne dieses kann das Maul nicht geschlossen werden. Nach dem Umlegen richten sie sich von selbst wieder auf. Cuvier’s Esoces sind eine gute Familie, wenn man die fremden Einschiebsel entfernt, so Chauliodus, Stomias, Mi- erostoma. Stomias gehört dem Bau des Mauls nach nicht dahin, denn er hat ausser den grossen Zähnen am Zwischen- 327 kiefer und Gaumen auch sehr kleine am Oberkiefer. Den Sto- mias wird Chauliodus folgen müssen. Microstoma besitzt nach Risso und Reinhardt eine Feitflosse, und der Zwi- schenkiefer ist ohne Zähne, vielmehr stehen die Zähne nach Reinhardt wie bei Argentina am Rande des Vomer. Alle Esoces haben bedeckte unsichtbare Nebenkiemen, aber die Schwimmblase ist nicht allgemein, wie sie nach Cuvier sein sollte. Die Sairis haben keine. Cuvier’s Clupeen sind ein Gemeng der verschiedensten’ Familien. ‘Ich unterscheide eine Gruppe mit kiemenartigen Nebenkiemen, die Zähne sind meist im Oberkiefer und Zwi- schenkiefer, oder sie fehlen auch ganz. Gattungen: Clupea, Alosa, Chatoessus, Engraulis, Thryssa, Elops, Buti- rinus. Alepocephalus scheint auch hierher zu gehören, er wurde von Cuvier zu denHechten gebracht wegen seiner Zähne, die bloss im Zwischenkiefer stehen, nachdem ihn Risso unter den Clupeen aufgestellt. Allein er ist unter den Hechten fremd wegen seiner kiemenartigen freien Ne- benkiemen. Eine andere Gruppe bilden die Gattungen ohne Nebenkie- men, die auch im Oberkiefer und Zwischenkiefer Zähne haben. Notopterus, Chirocentrus, Stomias (ohne Schwimm- blase), wahrscheinlich auch Chauliodus. Die vorgenannten sind von mir untersucht, sie haben keine Nebenkiemen, Chau- liodus ist noch zu untersuchen. Noch eine Familie bilden die Sudini durch den Bau ihres Kopfes und ihre mosaikartig zusammengesetzten Schuppen. Die Gattungen sind Sudis, Heterotis und Osteoglossum. He- terotis Ehrenb, und Sudis Spix (non Cuy.) verschiedene Gattungen. Osteoglossum formosum ist auch der Typus einer besondern Gattung. Endlich müssen die Lepisosteus und Polypterus eine besondere Familie, Lepisostini bilden durch die eigenthüm- liche Structur ihrer Schuppen. (Die Tetragonurus und 328 die Macrurus haben im Bau der Schuppen keine Achnlich- keit mit ihnen.) Die Cyprinoiden umfassen die Weichflosser mit Gehör- knöchelchen der Schwimmblase, grossen Schlundzähnen, meist auch Nebenkiemen, d. h. die in den meisten Gattungen sicht- bar und unbedeckt sind. Die Cobitis gehören dazu, ihre von Knochen eingeschlossene Schwimmblase ist dasselbe, was sich in mehreren Gattungen der Siluroiden ereignet, Clarias, Heterobranchus, Heteropneustes Müll. (Saccobran- chus Val.) und Ageniosus. Bei den letzteren liegt die Schwimmblase in einer kleinen knöchernen Blase, die von den ersten Wirbeln gebildet wird, an den Seiten offen und in der Mitte durch eine knöcherne Scheidewand getheilt ist. Bei Ageniosus militaris schiekt sie durch 2 kleine Oellnungen nach hinten 2 freie Blinddärmchen ab. Die Cyprinodonten von Agassiz, umfassend die von Cu- vier zu den Cyprinoiden gezählten Gattungen, welche Zähne besitzen, wovon mehrere Gattungen lebendiggebärende sind, sind eine gute Familie, doch ist zu erwarten, dass sich auch hier noch zahnlose finden werden. Ihre Charactere lege ich darin, dass sie bei dem Habitus und den Schuppen der Cypri- nen, keine grossen Schlundzähne, eine einfache Schwimmblase “ohne Gehörknöchelchen und keine Nebenkiemen besitzen. Die Mormyren bilden eine besondere Familie. Unter den Aalen Cuvier’s sind die Ophbidien fremd ge- gen die eigentlichen Aale. Bei den ersteren gehen Eier und Samen in die Bauchhöhle und von dort aus. Ammodytes ist ganz von den Aalen auszuschliessen, die Abwesenheit der Bauchflossen entscheidet nicht über die Stellung der Fische, Diese Gattung hat aber nicht einmal die Form der Aale. Die Sturionen, die einzigen mit Schwimmblase unter den Konorpelfischen, können mit keiner Familie von Knochenfischen zusammengebracht werden. Sie stimmen durch die mehr- fachen Reihen der Aortenklappen, durch die Oeflnung des 329 Herzbeutels in die Bauchhöhle, durch die respiratorische vor- derste halbe Kieme (wie bei Plagiostomen), welche kein Kno- chenfisch besitzt, durch ihre Pseudobranchie am Spritzloch, durch ihre Wirbelsäule mit den Knorpelfischen, und weichen dadurch von allen Knochenfischen ab, von denen sie die Zu- sammensetzung des Kiemendeckels haben, Ueber ! die Entwickelung der Seesterne. Von Mr ST RTe: (Aus brieflicher Mitiheilung an den Herausgeber.) Ich habe in. der letzten Zeit mich viel mit der Entwickelung der Seesterne beschäftigt, und an zwei Arten (Asterias san- guinolenta und A.angulosa) gefunden, dass diese Thiere durch freiwillige Einbiegung der Basis ihrer Strahlen gegen den Mund eine gut geschlossene Höhle — eine Bruthöhle — bilden, in welche Höhle die Eier aufgenommen werden und wo sie aus- schlüpfen, und die Jungen sehr lange, sogar nachdem sie schon radiair geworden sind, verbleiben. Wenn die Jungen aus den Eiern geschlüpft, und die 4 Haftorgane am Vorderende ausgewachsen sind, kann die Mutter ihre Bruthöhle öffnen, hebt aber zufolge eines an einem so niederen Thiere unerwar- teten Instinctes den Rücken in die Höhe empor, und spaziert so mit ihren 60— 70 Jungeu, welche vermittelst ihrer 4 Haft- arme an den Wänden der Bruthöhle festsitzen, wie gewähnlich herum. Dem Herrn Dr. Krohn aus Heidelberg, welcher im vorigen Jahre mich hier besuchte, habe ich diese Entdeckung zur Ueberzeugung an wohl erhaltenen Spiritusexemplaren ge- zeigt. Uebrigens habe ich in der Zoologia norvegica, einer Fortsetzung der Zoologia danica von Müller, die gegenwärtig unter der Presse. sich befindet, die ganze Entwickelungsge- schichte der Seesterne, wie ich sie bislier kennen gelernt habe, beschrieben und abgebildet. Zur Anatomie der Sepiola. Von Dr. Wırn. Prrers, Gehülfen am anatomischen Museum zu Berlin. (Mitgeth, in der Gesellsch, naturforschender Freunde am 20, April 1841.) (Hierzu Taf. XVI.) 41. Von den Dintenorganen. Grant t) beschreibt den Dintensack bei Sepiola als einen grossen, fast quadrangulären Sack, aus drei Lappen bestehend, von denen die beiden seitlichen eine nierenförmige Gestalt und eine vordere dicke, drüsige, weisse Wandung besitzen. Owen ?) hat dagegen bei seiner Rossia palpebralis (Sepiola pal- pebralis Gervais et Vanbeneden) einen ganz verschiede- nen Bau des Dintensacks beobachtet, indem er hier ganz die einfache Form hat, wie sie von den übrigen Cephalopoden bekannt ist, Während eines längern Aufenthalts am Mittelländischen Meere hatte ich besonders auch meine Aufmerksamkeit auf den Bau der Cephalopoden gerichtet, und so war ich sehr über- rascht, bei verschiedenen Individuen von Sepiolen einen ganz verschiedenen Bau der Dintenorgane zu finden, während die Thiere im Uebrigen sich durchaus nicht voneinander unterschei- den liessen. Die einen halten nur einen einfachen Sack, wie ihn 1) Transact. of the zool. society of London. Vol. 1. 1835. A. p. 82. 2) Sir J. Ross, second voyage. London 1835. 4. Appendix, natural history. pl. C. Fig.’ 3. r. Müller's Archiv, 1812. 22 330 die übrigen Thiere dieser Abtheilung der Mollusken besilzen, während andere Individuen mir im lebenden Zustande jeder- seits neben dem Darmkanal ein schwarzes pulsirendes ‚Organ zeigten. Die Contraclionen dieses Organes erfolgten an beiden Seiten durchaus zu gleicher Zeit, und wiederholten sich un- gefähr alle 1—2 Secunden. Zuerst glaubfe ich, zwei acces- sorische Herzen vor mir zu haben, fand aber bald, dass sie durchaus nieht mit Gefässen, sondern einzig und allein mit einem miltlern Dintensack in Verbindung ständen, und ihre schwarze Farbe von ihrem Contentum, der Dinte, herrühre. In Spiritus wurde die vordere Wand dieser pulsirenden Seiten- säcke, wie alle durchscheinenden musculösen Theile solcher Weichthiere, undurchsichtig und weiss, und ich würde diesen Theil jetzt mit Grant für nichts als eine glandulöse Anschwel- lung genommen haben, wenn nicht die Contraetion am leben- den Thiere mich zu einer genaueren Untersuchung desselben angeregt hätten. Hieraus ergab sich denn, dass er aus zwei einander ähnlichen länglich ovalen Körpern besteht, welche übereinander liegend nur am äussern Rande zusammenhän- gen. Der grössere dieser Körper ist 4—5’“ lang, und ıbe- steht aus einem geschlossenen Schlauche, der grösstentheils aus Muskelfasern gewebt ist, und nur in seinem Centro eine geringe Menge körniger Masse enthält, die mikroskopisch un- tersucht aus mehrkernigen Zellen besteht. Aeusserlich wird er von einer feinen, structurlosen Membran umschlossen, wel- che in die dünnere Wandung des Dintensacks übergeht. Der andere, nur halb so grosse Körper, welcher ganz in dem Din- tensacke eingeschlossen liegt, hat ein metallisch glänzendes Ansehen, und besteht aus einer äussern harten, geschlossenen Hülle, welche ebenfalls im Innern eine drüsige Masse ent- hält. Sein äusserer und innerer Rand sind gleichmässig convex gebogen, während der äussere Rand des grösseren Kör- pers einen Einschnitt zeigt, der ihm eine mehr nierenförmige Gestalt verleiht. Was den Zweck dieser Körper anbelangt, so dient der Muskelkörper offenbar dazu, die Dinte aus den 331 Seitensäcken in den Mittelsack zu treiben, während der klei- nere Körper bei der Absonderung der Dinte eine Rolle zu spielen scheint. Dieser so ganz verschiedene Bau der Dintenorgane bei den Sepiolen schien mir von .hinlänglicher Wichtigkeit zu sein, um, ungeachtet aller sonstigen Uebereinstimmung, zwei ver- schiedene Species, wo nicht zwei verschiedene Gattungen dar- aus zu bilden. Durch fortgesetzte, und zu verschiedenen Jah- reszeiten wiederholte Untersuchung über diesen interessanten Gegenstand gelangte ich indess zu dem Resultat, dass diese Verschiedenheit keine wesentliche sei, sondern höchst merk- würdiger Weise nur auf einer temporär verschiedenen Entwicke- lung der Dintenorgane bei diesen Thieren beruhe, welche bis jetzt wenigstens bei keinem andern Cephalopoden beobachtet worden ist. Bei einem Individuum nämlich fand sich nur ein mittlerer Dintensack, an beiden Seiten des Darms lag aber noch ein obliterirtes Körperchen, welches mit dem Dintensack noch durch einen Strang zusammenhing, und von mir sogleich als Rudiment der Seitenorgane betrachtet wurde. Diese An- sicht bestäligte sich durch die verschiedene Entwickelung der Brücke, welche die seitlichen Säcke mit dem Mittelsack ver- bindet. Bei einigen Individuen ist sie nämlich so breit, dass diese Grenze fast gar nicht zu unterscheiden ist, während bei andern die Abschnürung schon sehr weit vor sich geschritten ist (vergl. Fig. 8. und 9.). Wovon übrigens diese Entwicke- lung und Rückbildung der Dintenorgane abhängt, das ist mir nicht gelungen, herauszubringen, da die Grösse, Verschiedenheit des Geschlechts und mehr oder minder grosse Entwickelung der Geschlechtsorgane durchaus keinen Einfluss darauf auszuüben scheint. Auch muss ich es zweifelhaft lassen, ob dieser Wechsel jährlich vor sich geht, obgleich dies mir wahrscheinlich ist aus dem Umstände, dass unter den im Spätsommer und Herbste gefangenen Thieren sich wenigstens eben so viele Individaen ohne als mit den seitlichen Organen befanden, während unter ungefähr 50 im Frühjahr (April, Mai) gefangenen sich nur ein 99 * .. 332 » einziges Individuum mit einfachem, 'sackförmigem Dintenor- gane befand t). 2. Von den Sexualorganen. a) Männliche. Bei’ diesem Theil kann ich nicht unterlassen, Grant’s eigue Worte anzuführen, indem, obgleich seine Darstellung hiervon sehr unrichtig ist, dieselbe doch unverändert in die schönen Werke von F@russac (Cephalopodes) und R. Wagner (Tabulae zoolomicae) übergegangen ist. In seiner Beschreibung der Sepiola ]. e. pag. 84. heisst es: In the male the testiele, of a light purple colour, and lying at ihe boltom of the ca- vity of the mantle, as the ovary of the female, consists of innumerable minute glandular caeca, conlained in a loose sac, which sends out a vas deferens to a wide convoluted epidi- dymis. This terminates in a slender lengthened tubular penis on the left side, which appears to possess minute appendices at its termination, like the rectum. Nach meinen Untersuchungen findet eine viel grössere Uebereinstimmung mit den übrigen Cephalopoden in dem Bau dieser Organe statt, als man aus dem von Grant Angeführten vermuthen sollte. Der Hoden ist dreilappig, und geht in einen 4) Was die Unterscheidung der Species der Sepiolen anbelangt, so scheint mir die Verschiedenheit der bis jetzt aufgestellten euro- päischen Arten noch nicht hinlänglich bewiesen zu sein. Die Nizzaer Arten haben dieselbe Erweiterung der Schulpe, wie sie sich bei S. grantiana Fr. findet, und die geringere Breite des Hautlappens, welcher Mantel und Kopf verbindet, so wie das Vorhandensein eines untern Augenlides können kein specifisches Merkmal abgeben, da er- stere überhaupt sehr variirt, und ein unteres Augenlid allen Sepio- len zukommt. Letzteres ist auch von Owen bereits bemerkt, aber wohl zu gering angeschlagen worden, wenn er (l. c. pag. XCII.) sagt: in Sepiola there is a slight fold benealh the eye. 338 Nebenhoden über, der ihn hufeisenförmig umgiebt. Das Innere des Hodens bildet eine unregelmässige Höhle, in welche die Hodensubstanz rippenförmig hineinragt. Diese Rippchen ent- stehen durch das Aneinanderlegen von Strängen, welche man versucht sein könnte für Kanäle zu halten. Doch enthalten weder bei Sepiola noch Octopus u. A. diese Stränge Kanäle, sondern sie sind solide aus aneinandergereihten Cylinderepi- thelialzellen zusammengesetzt; die Samen - Absonderung ge- schieht unmittelbar in die Centralhöhle des Hodens, und wird nicht erst aus Kanälchen in dieselbe ergossen, wie man es wohl dargestellt hat. Die Oberfläche des Hodens überzieht ein feines structurloses Häutchen, auf dem sich Gefässe und Nerven verzweigen. Der Nebenhoden bildet einen ziemlich regelmässig runden Strang, der bald nachdem er vom Hoden abgegangen, zu seiner grössten Breite anschwillt, in der Mitle seines Verlaufs sich sehr verdünnt, und darauf bis zu seinem Ende an Dicke wieder zunimmt. Das Innere des Nebenhodens zeigt einen doppelten Kanal, einen halbmondförmigen grösseren, welcher an der äusseren Seite des Bogens, den der Neben- hoden bildet, verläuft, und einen kleineren, welcher im Durch- schnitt ein rundes Lumen zeigt und an der entgegengesetzten Seite des Nebenhodens hingeht; der äussere Kanal mündet in den Hoden, und endet blind gegen das andere Ende des Neben- hodens, so wie er auch von dem kleinern Kanal vollkommen ge- trennt ist. Dieser letztere setzt sich unmittelbar in das Vas de- ferens fort. Bemerkenswerth ist, dass die Höhle des Nebenhodens mit Flimmerepithelium ausgekleidet ist. Was das Vas deferens anbelangt, so ist es ein sehr feiner, äusserst zerreissbarer Kanal, der in der natürlichen Lage der Organe fast ganz verborgen ist. Es ist dreimal so lang als der Nebenhoden, und windet sich mit seinem Ende um die Basis des grossen Spermatopho- rensacks, in den es zuletzt hineinmündet. Meist findet man auch Spermatophoren in dem Vas deferens selbst, welche aber nie nebeneinander, sondern stels einzelo hintereinander gelagert 334 sind. Ein accessorisches Säckchen, welches in das Vas deferens einmündet, findet sich hier ebenfalls, und zwar findet die Vereinigung mit demselben bald nach seinem Abgange aus dem Nebenhoden statt. Der Sack, welcher die Spermatophoren enthält, ist sehr gross, und die ihn bildende zarte Membran lässt schon von aussen die Form dieser Körperchen deutlich erkennen. Er mündet in einen sehr kurzen Penis, der etwas länger erscheint, wenn der Sack nicht angefüllt ist. Die Spermatophoren stehen in ihrer Form durch die in- nere, schraubenförmig gewundene Spiralröhre denen von Lo- ligo am nächsten. Der allgemeine Bau dieser Organe ist jetzt hinlänglich bekannt, doch möchten einige Bemerkungen über die Zusammensetzung des Spermatophorensacks nicht ohne. In- teresse sein. Derselbe wird aus einem ausserordentlich feinen Kanälchen zusammengesetzt, das sich spiralförmig aufrollt, so dass die grosse Spirale, welche der Sack bildet, nur secundär ist. Betrachtet man dieses Kanälchen durch das zusammen- gesetzte Mikroskop, so erkennt man eine äussere zarte Hülle, welche unmittelbar die aufs schönste in spiraler Ordnung ge- lagerten Bündel der Spermatozoen umschliesst. In der Basis des Mantelsackes neben den eigentlichen Ge- schlechtsorganen liegt noch ein fettartiger Körper, der meist von gelblicher, zuweilen auch von purpurrother Farbe ist, und von Grant offenbar für den Hoden genommen ist. Er ist aus ziemlich dicken Strängen zusammengesetzt, welche mit ihrem einen Ende alle nach einem Punkte hin zusammenliegen, so dass man anfangs wohl auf die Idee kommen kann, dass man es mit einer aus Blinddärmcehen zusammengesetzten Drüse zu thun habe. Es ist dieser Körper aber nichts als ein lose zu- sammenhängendes Conglomerat von Körnchen, welche mikros- kopisch sich entweder als Feitzellen, oder als Zellen mit kör- nigem Kern, ähnlich den Eiweisszellen des Drüsengewebes, zu erkennen geben. Dieser Körper ist übrigens nur den Männ- chen eigen, und ist ebenfalls bei den übrigen Cephalopoden vorhanden, unter denen namentlich Loligo sich durch die aus- 339 “ serordentliche, mehrere Zoll grosse Ausdehnung desselben aus- zeichnet. 6) Weibliche Geschlechltsorgane. Dass man: den eigentlichen Eileiter übersehen, und die Nidamentaldrüsen für Eileiter genommen, ist bereits von O wen in seiner vortrefllichen Beschreibung der Rossia palpebralis nachgewiesen '). Die Nidamentaldrüsen bei Sepiola sind verhältnissmässig sehr gross; ihr Bau ist ganz so, wie er von Sepia bekannt ist: Auch die vor ihnen liegende, aus Blinddärmehen zusammen- gesetzte rothe Drüse feblt nieht, und verhält sich wie bei Sepia. Bei der letztern finde ich an der vordern Seite dieser Drüse zwei halbmondförmige, mit ihrem concaven Rande nach innen gewandie Vertiefungen, welche mir die Ausführungs- stellen zu sein scheinen; bei Sepiola findet dasselbe statt, nur wird die Beobachtung durch die viel grössere Kleinheit sehr erschwert. Seiner Bedeutung nach kann man dieses Organ als eine accessorische Nidamentaldrüse belrachten. Der Eier- stock bietet nichts Bemerkenswerthes dar. Eine Eileiterdrüse, wie bei Sepia, Loligo u. A., wo die Eier erst durchgehen müssen, ehe sie die Mündung des Eileiters erreichen, ist nicht vorhanden. Dagegen erweitert sich die vordere Seite des Ei- leiters an seinem Ausführungsgange zu einem grossen Blind- sack, dessen Wandung merklich dicker, als der übrige Theil des Eileiters ist. Dieser Sack legt sich in Falten zusammen, und verdeckt mit denselben meist gänzlich den Ausführungs- gang des Oviducts. Auf den Falten findet man fast ohne Aus- nahme kleine nadelknopflörmige Körperchen aufsitzen, in denen, 4) 1. e. p. XCVIM. These bodies have heen described in Se- piola, as the oviduet, but Ihey are equally distinet form the true elle- went Lube in that genus as in Irossia; the true oviduct being single in Sepiola, as in Sepia, and forming by its termination the, erescen- lie glandular organ, which lies between and behind tie, two large accessory glands above mentioned, 336 wenn man sie auseinanderzieht, sich sogleich die Spermato- phoren der Männchen wieder erkennen lassen. Es lassen sich 3 Zustände, in denen man diese Samen- maschinen auf dem Eileiter vorfindet, unterscheiden; entweder sind sie nur erst eben geplatzt, und man erkennt noch voll- kommen deutlich den Spermatozoensack nebst dem projectilen Apparat und den Spiralröhren, oder es sind nur noch die letz- teren deutlich erkennbar, und das übrige ist in ein kolben- oder retortenförmiges Ende verwandelt, das weiter keine Struc- tur erkennen lässt. In einigen Fällen fand ich statt dieses structurlosen kolbenförmigen Endes einen Körper, der schr viele Achnlichkeit mit einem Entozoon (Echinorhynchus) hatte, an dem sich jedoch nicht die geringste Bewegung wahrnehmen liess. Um diesen Körper herum, so wie in der Spiralröhre, waren Spermatozoen in grosser Anzahl vorhanden. Uebrigens habe ich bis jetzt bei den übrigen Cephalopoden kein solches Vor- kommen der Spermatophoren am weiblichen Eierleiter be- merkt. Nur bei Argonauta Argo sah ich zuweilen an der Schale neben dem Eierstocke eine Masse, welche Rudimente von Spermatophoren zu enthalten schien '). Erklärung der Kupfertafel. Taf. XVI. Fig. 4. Männchen von Sepiola in natürlicher Grösse, um die Geschlechtsorgane in Situ zu zeigen. a. Rechte Kieme, d. seit- liche Lappen des Dintensacks, c. Darın, d, Alter, e. Hoden, f. Neben- hoden, &. Vas deferens, Ah. Spermatophorensack, i. Penis, /. Fettorgan. Fig. 2. Mäonliche Sexualorgane, einzel. a. Hoden, 5. Neben- hoden, c. Vas delerens, d. Einmündung desselben in den Spermato- phorensack e., ‚f. Penis, g. accessorisches Säckchen, welches in das Vas delerens mündet. Fig.3. Hoden und Nebenhoden von der hintern Seite betrachtet, um die Zusammensetzung des erstern aus drei Hauptlappen zu zeigen. 4) Kürzlich theille mir auch mein Freund, Professor Erdl in München, mit, dass er das Vorkommen von Spermatophoren auf dem Eileiter von Sepiola beobachtet habe. x 337 Fig. 4. Einzelne Zellen des Cylioderepitheliums aus dem Ne- benhoden. Fig. 5. Fettkörper, welcher den männlichen Thieren eigenthüm- lich ist. Fig. 6. Weibchen von Sepiola mit einfach sackförmigem Din- tenorgan. a. Leber, 5. Darmstück (aufgeschnitten), c. Dintensäck, d, dessen Mündung in den Darm, e. Eierstock, F.F. blättrige Nidamental- drüsen, g. accessorische Nidamentaldrüse, aus Blinddärmen zusammen- eselzt, h. faltige, erweiterte und verdickte Wandung an der Mün- &n; des Oviducts, i. Mündung des Oyiducts. Fig. 7. Ein Stück des Oviducts mit den geplatzten Spermato- phoren c.c.c. Fig. 8. Dintenorgane mit seitlichen contractilen Organen in na- türlicher Grösse, wo die Abschnürung der Seitensäcke schon weit vorgeschritten ist, a. Darm, 2.2. seitliche Anhänge des Rectums, ce. mittlerer, d.d. seitliche Dintensäcke, Fig. 9. Dieselben, wo die Abschnürung kaum begonnen hat. Fig. 10. Contractiler Muskelschlauch (a) des seitlichen Dinten- sacks, nebst dem daran hängenden Drüsenschlauch (6); e. Einschnitt des äussern Randes des musculösen Organs. Fig. 41. Spermatophore von Sepiola. a. Aeussere Hülle, 2. Sper- matozoensack, c. projectiles birnlörmiges Organ, d. äussere Spirale, e. innere Spirale. Fig. 41b. Dieselbe in natürlicher Grösse, Fig. 42. Theil des Spermatozoensacks, um zu zeigen, wie die- ser aus einer runden, äusserst feinen Spiralröhre zusammengesetzt ist, Mit der Loupe angesehen, Fig. 13. Primäres Kanälchen des Spermatozoensacks, mit dem zusammengesetzten Mikroskop betrachtet, wobei die spirale Lagerung der Spermatozoen deutlich erscheint. Fig. 14. Spermatozoen von Sepiola, Fig. 15. Entozoenähnliche Production in den Spermatophoren, welche auf dem Eierleiter des Weibchens gefunden worden. a. Rüs- sel, 6. drüsige Organe, ce, Spermatophorenröhre, welche noch die Sper- matozoen d.d. enthält. Fig. 46. Kolbenförmiges Ende einer Spermatophore vom Eier- leiter der Sepiola mit der anhängenden Röhre (b) und Sperma- tozoen (c). Ueber das peripherische Nervensystem des Dorsch, Gadus Callarias. Von Pror. Dr. Srtannıvs. $. 1. Nervus olfactorius. Die N. olfactorii sind äusserst dünn. Jeder hat 3 Wurzeln: zwei seitliche feinere und eine mittlere stärkere. Die innerste derselben ist am dünnsten und feinsten und erscheint grau; die mittlere, dickste ist weiss; die dünne äussere erscheint etwas grauer, als diese. Diese drei Wurzeln kommen von der unteren Seite ihres Lobus olfactorius.. Die dicke mittlere Wurzel entspringt dicht neben der Commissura interlobularis und neben den weissen Fasern, welche in den Lobus olfacto- rius ausstrahlen. Bis zu diesen lässt sich auch die äussere Wurzel verfolgen. Die dritte Wurzel habe ich mehrmals ver- misst, Die 3 Wurzeln jedes Geruchsnerven legen sich bald dicht an einander, ohne dass jedoch ihre Fasern sich vollstän- dig mit einander vermischten. Beide Nerven verlaufen in einem vom Os frontale prineipale gebildeten Canale auf einer Fort- setzung der die Hirnhöhle von der Augenhöhle trennenden fibrösen Membran gerade vorwärts, liegen eine ziemlich weite Strecke lang dicht neben einandeg und trennen sich endlich, indem sie divergiren, Jeder Nerv bildet nämlich vorn ein rundes, weiches, graues Ganglion (Tuberculum olfactorium), das reichlich mit Blutgefässen verschen ist. Das Tuberculum 339 liegt am vorderen Ende des unteren Halbcanales des Os fron- tale principale zwischen Os frontale prineipale und Os fron- tale anterius. Aus jedem Tuberculum olf. entspringen zwei weiche, graue Geruchsnerven, die sogleich in zahlreiche kleine Faden zerfallen, welche in die Nasengruben sich ausbreiten. $. 2. Nervus opticus. Die weissen Nervi optiei sind die dicksten Nervenstämme des Körpers. Sie entspringen aus den Lobis opticis, welche von den zahlreichen sie zusammensetzenden Faserbündeln ge- wissermaassen umfasst werden. Sie kreuzen sich vollständig, ohne Föden auszutauschen. Indess ist die Commissura trans- versa Halleri sehr stark und deutlich. Der aus dem linken ‚ Lobus optieus entspringende, für das rechte Auge bestimmte Sehnery verläuft unterhalb des rechts entspringenden, für das linke Auge bestimmten Nerven. Sie durchbohren die fibröse Membran, welche die Augenhöhle von der Hirnhöhle trennt und erhalten von derselben eine starke, dicht anliegende Scheide. Jeder Nerv inserirt sich hinten in der ‚Axe des Auges; neben ihm einwärts begeben sich Gefässe und Nervi ciliares in dasselbe. $. 3. Nervus oculorum motorius. Jeder entspringt an der Commissura ansulata, neben dem Loche (vgl. darüber Gottsche in Müller’s Archiv 1834 S. 61... Er kömmt hinter dem Lobus inferior hervor nnd schlägt sich über diesem Lobus inferior aufwärts. Er verläuft vorwärts, einwärls von den Wurzeln des Trigeminus und etwas unterhalb derselben .und legt sich innerhalb der Hirn- höhle an diese dicht an, ohne sich mit ihnen zu verbinden. Er durchbohrt die fibröse Membran, welche die Augenhöhle von der Hirnhöhle trennt und tritt in die Augenhöhle. Mei- stens tritt der ungetheilte Stamm durch, der sich dann sogleich in einen inneren dünneren und einen äusseren dickeren Ast theilt. Einmal sah ich diese Theilung vor dem Eintritte des 340 Nerven in die Augenhöhle, wo denn die beiden Aeste durch 2 Oefinungen austraten. Der dünnere Ast vertheilt sich aus- schliesslich in den Musculus reetus superior. An den stärke- ren Ast legt sich ein sehr feiner, unmittelbar aus dem Gang- lion. des Trigeminus kommender, anscheinend mit dem Ganglion Sympathici in Verbindung stehender Zweig an, welcher mit 2 feinen Zweigen des Oculorum motorius die Rami ciliares bildet. Diese verlaufen, dicht an die Art. cen- tralis retinae geheftet, zum Auge, in das sie an der Seite des N. opticus eintreten. Einige Male glaubte ich zur Seite des dickeren Astes des Oculorum motorius ein sehr kleines Gang- lion ciliare zu erkennen, konnte aber bei mikroskopischer Untersuchung keine Ganglienkugeln entdecken. Nach Abgabe der Rämi ciliares theilt sich der grössere Ast des Oculorum motorius in 3 Zweige; der obere derselben tritt unterhalb des N. opticus, mit dem er sich kreuzt, in den Musc. reetus in- ternus; der kürzere untere begiebt sich in den Muse. reetus inferior; der längere untere tritt unterhalb des Muse. reetus inferior zum Musc. obliquus inferior. $.4. Nervus quartus. Ein sehr dünner Nerv, welcher zwischen dem Lobus opticus und dem Cerebellum hervorkömmt. Er entspringt mit 2 feinen Wurzeln zwischen dem Lobus opticus und dem eigent- lich sogenannten Lobus posterior, anscheinend aus dem vor deren Theile dieses letzteren. Er tritt seitlich unter dem Lobus opticus nach vorn. Er verläuft unterhalb der Wurzeln des Trigeminus und begiebt sich durch eine eigene Oeflnung der häutigen Scheidewand in die Augenhöhle, nach vorn und oben von derjenigen des Oculorum motorius. Er verlänft an der Seite des Septum der Augenhöhle vorwärls und aufwärts, kreuzt. sich mit dem N. ophthbalmieus des Trigeminus, tritt unter das Os frontale anterius (laterale) und verbreitet sich, in 3. Zweige getheilt, ausschliesslich in den Musc. obliquus superior. Er ist der längste ungetheilte Nerv. 341 „ $. 5. Nervus sextus. Ein dünner Nerv, entspringt mit 2 Wurzeln aus den un- teren Pyramiden der Medulla oblongata, verläuft zur Seite des Lobus inferior in der Hirnhöhle schräg vorwärts, ‚auswärts und abwärts, legt sich an die Innenseite des Ganglion trige- mini dicht an, scheint mit demselben Fasern auszutauschen, und verlässt die Hirnhöhle mit dem Trigeminus. Ausnahms- weise sah ich ihn einmal durch die Bündel des Ramus oper- eularis trigemini durchtreten. Nachdem er mit dem 'Ganglion trigemini die Hirnhöhle verlassen, begiebt er sich, getrennt von demselben, in die Augenhöhle, und tritt plötzlich in zahlreiche, etwas hellgrau aussehende Fäden gespalten in den Musculus rectus internus. $. 6. Nervus trigeminus. Seine starken Wurzeln treten hervor zwischen dem Lobus opticus und dem Lobus posterior sensu strietiore. Ich fand in der Regel 4 Wurzeln, welche am Lemniscus entspringen. Diese bilden vielfach vermischt ein sehr starkes, röthlich graues Gan- glion, das vorzüglich innerhalb der Hirnhöhle liegt, und sich nur wenig aus derselben heraus erstreckt, am vorderen Rande des Keilbeinkörpers und der Knochenstücke, welche Cavier als der Ala magna entsprechend ansieht. Nicht alle Fasern des Trigeminus gehen in das Ganglion ein; namentlich gilt dies von zahlreichen Fäden, welche, über dem Ganglion weggehend, den R. maxillaris bilden helfen; doch enthält die- ser Ast auch aus dem Ganglion stammende Fasern. Besonders sind es die tiefer gelegenen Wurzeln, welche in sehr zahlrei- che Fäden gespalten in das Ganglion ausstrahlen. 1. Der erste und vorderste Ast des N. trigeminus ist der in die Augenhöhle tretende Ramus ophthalmicus. Er verläuft in 2 parallele, oder etwas divergirende Zweige gespalten vor- wärts und aufwärts, tritt unter die fibröse Membran, welche die Augenhöhle von der Hirnhöhle trennt, liegt anfangs an der 342 Innenseite des oberen Theiles der Augenhöhle, und legt sich später an die Innenwand des Os frontale principale, nament- lich an die Aussenwand der Leiste, welche dessen grosse Längs- rinne begrenzt. Der äussere Ast giebt drei Zweige ab, welche schräg nach aussen und vorn verlaufen, und unter dem vor- springenden Rande des Os frontale principale in die Augen- höhle gelangen. Sie verzweigen sich nach Abgabe einiger Fäden für die häutige Begrenzung der Augenhöhle unter der äusseren Haut des Kopfes zwischen Auge und Nasengruben. Der innere Ast schiekt, nachdem er durch einen Zweig mit dem äusseren sich verbunden, und ebenfalls einen Zweig für die obere vordere Begrenzung der Augenhöhle abgegeben, einen Zweig ab, der das Os frontale prineipale und die ihm aufliegende oberflächliche Platte durchbohrt. Dieser Zweig verbreitet sich theils unter der äussern Haut oberhalb der Au- genhöhle, theils in die Fortsetzung des Schleimkanales, welche auf dem Stirnbeine unter dessen vorragender Platte verläuft. Der innere Ast sendet hierauf einen dünnen, vorwärts laufen- den Zweig ab, der an der vordern Umgebung des Auges endet. Nun verschmelzen die beiden Aeste des Ramus ophthal- micus. Der so gebildete Stamm verläuft in einem oberflächli- chen Kanale des Os frontale prineipale vorwärts. Er schickt Reiser in die vordere Fortsetzung des Schleimkanales, dann einen einwärts und aufwärts verlaufenden Zweig, ‚der mit einem Zweige des R. canalis mucosi anastomosirt, und in dem vordersten Theile des Schleimkanales, der in Cuvier’s Os näsale liegt, sich verbreitet. Der Stamm sendet darauf einen R.nasalis ab, der hinter, zwischen und an den beiden Nasen- gruben seiner Seite in der Haut sich verbreitet. Nach Abgabe dieses Zweiges tritt der Stamm des R. oph- thalmicus durch den Zwischenraum zwischen Os frontale prin- eipale und Os nasale, schickt einen Zweig ab, der auf der eoncaven Oberfläche des Os nasale nach vorn verläuft und 'sich hier verzweigt. Der Stamm selbst aber tritt unter das Os nasale, und giebt einen, dasselbe durchbohrenden Zweig 343 für den Schleimkanal ab. Nachdem er darauf noch kleine Zweige zur Schleimhaut der Nasengruben abgegeben, endet er vorn neben der Anheftung des Oberkieferbeines in der äussern Haut und im Bindegewebe. 2. Der Ramus masxillaris superior ist etwas dicker als der Ramus ophthalmieus und liegt nach aussen von ihm. Er verläuft mit dem R. canalis mucosi und anfangs auch mit dem R. maxillaris inferior am untern Boden der Augenhöhle vorwärls, und tritt an deren vorderem Ende über die Basis des Os palatinum und über die hier liegende Muskelpartie weg. Bier schickt er zwei Zweige ab, welche an der untern Fläche des ersten Os suborbitale sich ausbreiten, und einen andern, der am hinteren Rande des Os maxillare superius abwärts ver- läuft und hier unter der äusseren Haut sich verbreitet. Der Stamm des Nerven setzt sich unter dem inneren Bogentheile des Oberkieferbeines durchtretend fort bis zum innersten Theile des Zwischenkiefers. Hier spaltet er sich in mehrere Zweige von ungleicher Dicke, welche strahlenartig divergiren. Ein Paar feine Zweige treten in den Knochen als R. dentales. Andere dickere verlaufen längs des Vorderrandes des Zwi- schenkiefers auswärts, als Rami labiales, Andere treten ein- wärts an die Mittellinie des Zwischenkiefers und verbreiten sich theils unter der Schleimhaut, theils treten sie unter die äussere Haut. 3. Der Ramus canalis mucosi ist bedeutend dünner als der vorige, verläuft am Grunde der Augenhöhle auswärts von ilım über der hier liegenden Muskelschicht und über dem Os palatinum, und theilt sich in zahlreiche Zweige, welche an den im 2ten, 3ten und 4ten Os suborbitale liegenden Theil des Schleimkanales sich begeben, die Knochen durchbohren und an den Schleim absondernden Kanal treten. Ein anderer Zweig verbindet sich mit einem Zweige des Ramus oph- thalmicus. 4, Ein starker Ast ist der Ramus maxillaris inferior. Er verläuft, von dem oberen Bauche des Oberkiefermuskels be- 344 deckt, vor dem an den Unterkiefer sich anheftenden Schläfen- muskel abwärts und auswärts, giebt 2 Muskelzweige an die genannten Muskeln ab, und tritt unter dem zweiten Bauche des Oberkiefermuskels dicht über dem äusseren Ende des Os palatinum zum Winkel des Unterkiefers. Er giebt einen obe- ren Zweig ab, der über dem Unterkiefermuskel zur Haut der Mundhöhle, welche zwischen Oberkiefer und Unterkiefer liegt, gelangt. Ein abwärts verlaufender Zweig theilt sich mehrfach. Zwei seiner Zweige verlaufen in der Nähe des Unterkieferge- lenkes nach aussen: der eine derselben wendet sich an dem hinteren Drittheile des Unterkiefers oberflächlich unter der äus- seren Haut schräg abwärts und vorwärts, und endet am Boden der Mundhöhle zwischen dem Muse. genioglossus ünd dem Un- terkieferrande in der Schleimhaut; der andere verläuft auf- wärts und tritt in den Zwischenraum zwischen dem oberen Rande des Unterkiefers und dem Lippenknorpel, längs welchem er von hinten nach vorn verläuft und in der Haut der Lippe endet. Der Stamm des R. maxillaris inferior begiebt sich dann an die Innenseite des Unterkielers und theilt sich in 2 Zweige, welche in Kanälen des Unterkiefers nach vorn verlaufen, einen oberen und einen unteren. Der obere ist der Ramus dentalis, der im oberen Kanale des Unterkiefers nach vorn verläuft. Ehe er in denselben 'ein- tritt, giebt er dünne Rami musculares an den Muskel der In- nenseite des Unterkiefers, und einen stärkeren Ramus’genio- hyoideus ab. Dieser verläuft anfangs an der Innenseite ‘des Unterkiefers, bedeckt von dessen Muskel, giebt dem letzteren einige feine Zweige, tritt dann eiwa in der Mitte des Unter- kiefers von diesem weg auf die häutige Ausbreitung, welche zwischen dem Unterkiefer und dem M. geniohyoideus sich findet, tritt auf den M. geniohyoideus, verläuft. eine Strecke weit unter der Haut unmittelbar auf diesem Muskel, und’ ver- theilt sich endlich in ihm da, wo die beiden ‘Muskelbäuche sich trennen. Nach Abgang dieses Astes verläuft, wie schon 345 erwähnt ward, der Ramus dentalis im obern Kanale des Un- terkiefers nach vorn. Nach Abgabe sehr feiner Zweige ver- lässt er den Unterkieferkanal als ziemlich starker Ast an dessen Vorderseite und tritt durch ein hier befindliches Foramen nach aussen und vorn. Er begiebt sich dann aufwärts nach dem oberen Rande des Unterkiefers hin, und spaltet sich hier in mehrere Zweige von verschiedener Stärke. Einige verlaufen nach vorn und verbreiten sich in der Gegend der Verbindung beider Unterkieferhälften in der Haut. Ein stärkerer Zweig tritt nach hinten über den Lippenknorpel und erstreckt sich als Nervus labialis inferior, immer zwischen Lippenknorpel und Haut gelegen bis zur Verbindungsstelle des Lippenknorpels mit dem Oberkiefer, unterweges zahlreiche feine Hautzweige für die Lippe abgebend. Der untere Ast des Ramus maxillaris inferior tritt in den unteren ÜUnterkieferkanal, bildet mit dem Ramus mandibularis ab operculari einen Plexus, verbindet sich mit ihm und ver- läuft unter Abgabe kleiner Zweige, welche in die Knochen- substanz dringen, nach vorn. Er verlässt als ziemlich dicker Stamm den unteren Unterkieferkanal unterhalb der Austritts- stelle des vorigen Nerven. Er giebt einige dünne Zweige nach vorn zur Haut, welche die Symphyse der beiden Unterkiefer- hälften bekleidet. Der Stamm selbst aber tritt, in drei dicht aneinander geheftele Zweige gespalten, in den Bartfaden. 5. Der Ramus opereularis tritt vor dera vorderen Rande des Os temporale, bedeckt von der Aponeurose des Gaumen- muskels, nach aussen, und theilt sich sogleich (noch unter der genannten Aponeurose liegend und vor dem Eintritte in einen Knochenkanal) in 2 Zweige: einen dünneren hinteren und einen dickeren vorderen. a) Der vordere tritt nach Abgabe von zwei dünnen Ver- bindungsfäden zum hinteren durch einen kurzen Kanal des Os temporale, gelangt auf die Aussenfläche des Os tympanicum, giebt hier dünne Muskelzweige ab für den dicken, am vordern Rande des Praeopereulum befestigten gemeinschaftlichen Muskel- Müllers Archiv, 1842. 23 346 bauch des Ober- und Unterkiefers, setzt sich auf dem Os symplecticum abwärts fort und giebt Zweige ab, welche durch die Lücke zwischen dem Os symplecticum und dem Praeoper- eulum treten und an die im Praeopereulum liegenden Fort- ‚ selzungen des Schleimkanales sich verbreiten. Darauf begiebt sich der Stamm des Nerven selbst durch den vorderen Theil dieser Lücke, gelangt so an die Innenfläche des Os jugale, und begiebt sieh zur Innenfläche des Unterkiefers. Nach Ab- gabe mehrerer Zweige, von denen einer mit einem Zweige des R. maxillaris inferior durch die Lücke des Unterkiefers an des- sen Aussenfläche tritt, verläuft endlich der Stamm des Nerven in der unteren Längsrinne des Unterkiefers vorwärts, und ver- bindet sich hier mit einem Zweige des Maxillaris inferior. b) Der hintere Ast des Ramus opereularis tritt durch einen Kanal des Os temporale nach innen und hinten unter den an der Innenseite des Os temporale liegenden Muskel, und giebt einen Zweig ab, der an den in der Rinne des Praeoperculum liegenden Ast des Schleimkanales tritt. Der Stamm des Nerven steigt an der Innenseite des Os temporale und des Praeoper- culum längs dem hinteren Rande des Os styloideum, und dann längs des ganzen Zungenbeins an der Innenfläche der Radii branchiostegi abwärts. Er giebt nach und nach ab: 1) einen Zweig, der zwischen dem Suboperculum und dem ersten Ra- dius zwischen den beiden Blättern der Membrana branchoi- stega verläuft, von dem ein Zweig ausgeht, der zwischen den ersten und zweiten Radius tritt; 2) zwischen jeden Zwischen- raum zweier Radien einen Zweig, der schräg abwärts verläuft und in Muskelfasern und Haut sich vertheilt. Der Stamm des Nerven durchbohrt endlich die Membrana branchiostega zwi- schen dem 5ten und 6ten Strahl, tritt nach aussen und ver- _ zweigt sich hier, 6. Zwischen dem R. opereularis und dem R. ophthalmi- cus entspringen noch 3 Zweige isolirt aus dem Ganglion N. trigemini: a) Der äusserste derselben ist dünn, verläuft eine Strecke 347 an der Innenseite des Museulus temporalis, und: verzweigt sich zuletzt in diesen Muskel. b) Der zweite ist ebenfalls dünn. Er tritt: unmittelbar vor der knorpeligen Umgebung des Gehörorganes gerade auf- wärts, durchbohrt das Os frontale posterius, und verzweigt sich hier unter der Haut des Kopfes. c) Der dritte Ast ist der dickste. Er entspringt neben dem R. ophthalmicus, verläuft dicht vor dem M. temporalis, zwischen ihm und dem M. oculi rectus externus nach aussen, gelangt an die hintere Grenze der Augenhöhle, verzweigt sich an der Innenfläche der hintersten Ossa infraorbitalia und an der in denselben liegenden Schleimröhre, so wie auch mit we- nigen Reisern an die zum Auge sich fortsetzende Oberhaut. 7. Der vorderste tiefste Ast des Trigeminus ist der R. pterygopalatinus. Er ist dünne, liegt dicht an dem vordersten Ganglion N. sympathiei, steht mit ihm in: Verbindung und steigt an der Seite des Os sphenoideum und des Vomer an- fangs unter dem Gaumenmuskel, hernach. nachdem er diesen durchbohrt, dicht unter der Schleimhaut des Gaumens gelegen, ganz gerade vorwärts, Er giebt dem Muskel und der Schleim- haut unterweges einige Zweige und theilt sich endlich in zwei Zweige: einen äusseren und einen inneren. Jener vertheilt sich unter der Schleimhaut, die das Os palatinım bekleidet, dieser gelangt zu den Zähnen des Vomer und verbreitet sich hier in Haut und Muskelsubstanz. 8. Der Ramus lateralis entspringt mit 2 Wurzeln aus dem Ganglion Gasseri; die stärkere kömmt aus dessen äusserem Theile, die dünnere aus seiner inneren grauen Masse. Diese dünne Wurzel kreuzt sich, indem sie nach innen von den nach vorn gerichteten Wurzeln des Trigeminus aufsteigt, mit den leizteren. Er steigt dann von seinem Ursprunge aus in der Hirnhöhle gerade aufwärts und gelangt zu einem kurzen Ka- male des Os parietale, Dicht vor seinem Eintritt in ‚denselben legt-sich ein dünner Ast des Vagus, der von: hinten schräg vorwärts sich erstreckt, an ihn an, Er verlässt den Schädel 23° 348 durch das äussere Foramen des Canalis ossis parielalis, über das bei grösseren Schädeln eine kleine dachartige Wölbung weggeht, verläuft dann nach innen von den Ossa supratem- poralia, anfangs von Muskelsubstanz, gleich darauf nur von der äussern Haut ‘bedeckt, schräg nach aussen und hinten. Bei seinem Austreten aus der Schädelhöhle oder unmittelbar vor demselben theilt sich der R. lateralis in zwei Aeste: einen äus- seren und einen inneren. ' Aus dem äusseren entspringen zwei, aus dem inneren entspringt ein Nervenfaden, die sich auswärts zur Haut des Hinterkopfes begeben. Beide Aeste des lateralis vereinigen sich sehr bald wieder zu Einem Stamme, der unter den am Hinterkopfe liegenden knöchernen Röhren des Schleim- kanales (Bakker’s Ossa supratemporalia) weggeht. Aus die- sem: Stamme; entspringen noch einige dünne, auswärts und ein- wärts gerichtete Zweige, welche theils für die Kopfhaut, theils für den an die genannten Röhren des Schleimkanales sich ver- breitenden Ast des Vagus, mit dem sie sich verbinden, be- stimmt sind. Hierauf giebt der Lateralis trigemini einen starken, nach hinten und oben gerichteten Ast ab, den Ramus dorsalis, der dicht unter der Haut, über dem Rückenmuskel schräg aufwärts zur Rückenflosse verläuft. Er erhält zuerst einen sehr dünnen Verbindungszweig aus dem Stamme des Lateralis trigemini; darauf legen sich feine Zweige, die aus mehreren R. dorsales der vor der Rückenflosse liegenden Spinalnerven stammen, an ihn an. Ehe er zur Rückenflosse gelangt, giebt er mehrere abwärts verlaufende dünne Zweige ab, welche unter der äus- sern Haut oberhalb des Seitenkanales sich verbreiten, und zum Theil an Fäden des oberen Astes des Lateralis Vagi sich anlegen. Bis zu seiner Ankunft an dem vordersten Theile der Rük- kenflosse verläuft er unmittelbar unter der äusseren Haut. Längs der Rückenflosse sich erstreckend, wird er jedoch bedeckt von den: oberflächlichen Flossenmuskeln, Von jetzt an erhält er als Randnervenstamm des Rückens aus dem R. dorsalis jedes 349 Spinalnerven einen Verbindungszweig; bisweilen sind deren auch zwei vorhanden. Aus dem 'so gebildeten gemischten Randnervenstamm entspringt mit einfacher oder mit doppelter Wurzel für jeden Zwischenraum zwischen zwei Flossenstrahlen ein Nerv. Dieser Flossennery steigt am hintern Rande seines Strahles auf, nachdem er zuvor einen unter dem Flossenstrahle anfangs quer vorwärts verlaufenden Zweig abgegeben, der als- bald am vorderen Rande desselben Flossenstrahles emporsteigt. Zwischen den beiden ersten Rückenflossen liegt der Randner- venstamm wieder unmittelbar unter der Haut und giebt zarte aufwärts steigende Zweige zur Haut des Rückens ab. Zwi- schen der 2ten und 3ten Rückenflosse aber bleibt er von den oberflächlichen Flossenmuskeln bedeckt. Uebrigens verhält er sich an diesen beiden Flossen hinsichtlich seiner Verbindungen mit dem Rückenaste des Spinalnerven und der aus ihm ent- springenden Flossennerven, wie an der ersten Flosse. Am Ende der dritten Rückenflosse ist er äusserst dünn geworden, und setzt sich nun als Grenznery der Schwanzflosse in die Bahn der Schwanzuerven fort, Die oberflächlichen Flossenmuskeln erhalten ihre Nerven nicht aus dem Randnervenstamm des Rückens, sondern un- mittelbar aus den Rückenästen der Spinalnerven. Nach Abgabe des R. dorsalis verläuft der Stamm des R. lateralis trigemini unmittelbar unter der Haut, anfangs dicht über dem Os suprascapulare, dann hinter der Scapula und ihr parallel hinterwärts und abwärts. Hier kreuzt er sich mit dem Ramus superior lateralis Vagi. Hinter der Scapula theilt sich der Stamm in 2 Aeste. Einer derselben, der Ramus ventralis anterior, verläuft auf dem Humerus unmittelbar unter der äusseren Haut ab- wärts, tritt dann, auf dem Muskel des Humerus gelegen, etwas vorwärts, und giebt zahlreiche Hautzweige ab, von denen einige unter der Haut des Vorderrandes des Humerus sich verbreiten. Einer seiner Zweige verbindet sich mit dem Aste der Brust- flosse, welcher vom R. ventralis des Aten Spinalnerven stammt. 350 Andere Zweige. legen sich an die äussersten Verzweigungen der Rami ventrales der vorderen Spinalnerven an, Der Stamm des Ramus ventralis anterior endet in der Kehlflosse, nachdem er sich ‚mit den für diese bestimmten Aeste vom R. ventralis des 5ten und 6ten Spinalnerven verbunden. Der zweite Hauptast des R.lateralis trigemini ist.der R. ventralis posterior. , Er kreuzt sich zuerst mit dem Hauptaste des R. lateralis‘ vagi, tritt abwärts von ihm, läuft ihm alsdann anfangs parallel, unmittelbar unter der äussern Haut, wendet sich hierauf von ihm ab, indem er bogenförmig schräg hinter- wärts und abwärts sich erstreckt. So gelangt er dicht hinter dem After zur Bauchflosse. Er geht während seines Verlaufes über der Brustflosse zahlreiche Verbindungen mit den feinen Fäden der Spivalnerven ein, welche zwischen der oberen Mus- kelschicht und der Rippenmuskelschicht abwärts trelen. Diese verbinden sich zum Theil auch mit ‘dem R. lateralis Vagi su- perior, so dass weite Schlingen und feine Geflechte unter der Haut entstehen. ‘An der Bauchflosse angekommen, bildet, er den unteren Randnervenstamm, der ‘durch ein Fädchen von dem R. ventralis jedes Spinalnerven verstärkt wird. Auch er tritt ‚unter, die ‚oberflächlichen Flossennerven. ‘In den Raum zwischen je zwei Flossenstrahlen geht immer ein Zweig von ihm ‚ab; der’in der Regel der Hauptnerv dieses Interstitiums ist; und ebenfalls einen unter dem Flossenstrahl quer vor- wärts gehenden Zweig für den Vorderrand des Flossenstrah- les abgiebt. Bisweilen ist dieser Zweig aus dem R. lateralis nur unter- geordnet, indem der Hauptzweig jedes Interstitiums zweier Flossenstrahlen mitunter unmittelbar aus dem R. ventralis des Spinalnerven stammt, und: dann durch ein dünnes Verbindungs- fädchen mit dem: Stamme des N.lateralis in Verbindung steht. Der untere Randnervenstamm des Körpers endet als unterer Randnervenstamm der ‚Schwanzilosse. 351 8, 7. Nervus acusticus. Der N. acustieus entspringt mit 5 ziemlich starken Wur- zeln an der unteren Begrenzung der oberen Seitenfascikel der Medulla oblongata unter und hinter den Wurzeln des Trige- minus. Nur einzelne Fäden seiner hinteren Wurzel treten in der Bahn des Vagus aus. Seine vorderste Wurzel ist die stärkste; sie begiebt sich vorwärts und theilt sich in mehrere Zweige, welche für die Ampullen des vorderen und des äusseren halb- eirkelförmigen ,Kanales bestimmt sind. Drei Wurzeln begeben sich abwärts zum Sack des gros- sen Gehörsteines. Eine hinterwärts verlaufende Wurzel theilt sich in zwei Aeste, welche für die Ampullen des hinteren und des äusse- ren halbcirkelförmigen Kanales bestimmt sind. $. 8. Nervus glossopharyngeus. Er hat 2 Wurzeln, Seine grössere Portion ist Theil der hinteren Wurzeln des Vagus, löset sich von ihnen und em- pfängt die kleinere Portion. Diese, eine äusserst dünne Wur- zel, entspringt selbstständig mehr nach vorn an der Grenze des Lobus posterior und des Lemniscus. Beide Wurzeln legen sich aneinander, laufen quer auswärts durch die Theile des Gehörorganes und verlassen die Hirnhöhle durch ein’Foramen des Felsenbeins, Unmittelbar nach seinem Austritte aus der Hirnhöhle bil. det der mässig starke, weisse Stamm des N. glossopharyngeus ein starkes Ganglion. Hierauf theilt er sich in 2 Aeste: 4) Einen vorwärts laufenden R. anterior s. 'gustatorius. Dieser geht an der Aussenseite der Schädelbasis vorwärts bis in die Nähe der Austrittsstelle des Trigeminus, tritt: darauf unter die Schleimhaut des Gaumens, wendet sich auswärts und theilt sich in mehrere Zweige. Mehrere derselben ver- breiten sich vor der Pseudobranchie und seitwärts von ihr unter der Schleimhaut des Gaumens, einer geht aber an der Bu 352 Pseudobranchie, der er einen Zweig giebt, vorbei und verbreitet sich dann ebenfalls unter der Schleimhaut des Gaumens, ‘2) Einen auswärts verlaufenden stärkeren R. branchialis, der sich in 2 Zweige theilt. Der eine derselben ist ein äus- serst dünner R. muscularis für die Anheftungsmuskeln des er- sten Kiemenbogens; der andere ist für den ersten Kiemenbogen bestimmt. Gleich nachdem‘ er an demselben angekommen, theilt er sich in 2 Aeste: einen schwächeren, oberflächlichen, der unter der dicken, mit zahnförmigen Fortsetzungen beklei- deten äusseren Haut des Kiemenbogens: verläuft und hier sich vertheilt: R. superficialis und einen stärkeren R. profundus an- terior. Dieser verläuft in der Tiefe, in der Nähe der Basis der Kiemenstrahlen. Am Ende des ersten Kiemenbogens an- gekommen, theilt er sich, sehr viel schwächer geworden, in zwei Zweige, von denen der vordere unter die Schleim- haut des hinteren Theiles des Gaumens sich verbreitet, der andere nach hinten unter die Schleimhaut, welche die mitt- leren, die Kiemenbogen verbindenden Knochenstücke beklei- det, sich begiebt. $. 9. Nervus vagus. Dieser Nery besitzt 2 mehr hinterwärts und eine mehr vorwärts entspringende Wurzel. Jene entspringen an der Aus- senseite der Corpora restiformia, an der Grenze dieser und des Lobus vagi, diese unmittelbar hinter den Wurzeln des Trige- minus aus dem eigentlich sogenannten Lobus posterior. Aus der vordern Wurzel entspringt der Ramus aecessorius ad la- teralem trigemini, der gleich nach seiner Trennung von den übrigen Fäden ein eigenes kleines, innerhalb der Hirnhöhle ge- legenes Ganglion bildet. Nachdem sich von den Wurzeln des Vagus noch die Portio major Glossopharyngei getrennt hat, verlaufen jene auswärts und verlassen die Hirnhöhle durch ein starkes Foramen jugulare des Os oceipitale laterale. In diesem Foramen bilden die meisten Fasern des Vagus ein dik- kes Ganglion, an dem indess einige Faseikel nicht Theil zu 393 nehmen scheinen. Unmittelbar nach dem Austritte aus der Schädelhöhle entsteht ein zweites Ganglion, an welchem der erste Kiemenast des Vagus nicht Theil nimmt, indem er ein eigenes Ganglion bildet. Der N. vagus verlässt. die Hirnhöhle durch ein Foramen des Os oceipitale laterale. Von seinen zahlreichen Aesten ver- laufen die meisten auswärts und abwärts: Rami branchiales und pharyngei, einer aufwärts R. ad ossa supratemporalia ca- nalis lateralis, zwei hinterwärts: der eine innerhalb der Bauch- hölile, der andere ausserhalb derselben, R. lateralis. 4. Rami branchiales. a) Der vorderste Ast des Vagus ist dünn, bildet nach sei- nem Austritte aus der Hirnhöhle ein’ eigenes längliches Gan- glion und theilt sich in 2 Zweige: einen vorderen schwächeren und einen stärkeren hinteren. a) Der vordere Zweig spaltet sich nach Abgabe eines schwachen R. museularis für die Muskeln der Kiemenbogen ab- wärts in 2Zweige. Der erste derselben verläuft einwärts, tritt unter die Schleimhaut des Gaumens und vertheilt sich unter der Haut in der Gegend der Ossa pharyngea superiora seiner Seite. Der zweite ist der hintere Ast, R. profundus posterior, für die erste Kieme. Er ist viel dünner als der Kiemenast des Glossopharyngeus und verläuft in der Tiefe an der Basis der Kiemenblättchen, hinterwärts vom R. branchialis des Glos- sopharyngeus. 8) Der stärkere hintere Zweig ist der Hauptast für die zweite Kieme. An dieser angekommen, theilt er sich in zwei Zweige: einen R. superficialis für die dieke, mit zahnarligen Fortsätzen besetzte Haut des 2ten Kiemenbogens und einen R, profundus anterior, der gleich dem des Glossopharyngeus sich verhält, Auch er'setzt sich am Ende fort unter die Schleim haut der die Kiemenbogen in der Mitte verbindenden Kno- chenstücke, b) Der zweite Ast des Vagus entspringt meistens aus dem gemeinsamen grossen Ganglion; indess sah ich ihn zweimal mit 354 einem eigenen getrennten Ganglion versehen. Er theilt sich in zwei Zweige: einen dünnen vorderen, welcher den R. pro- fundus posterior für: den zweiten Kiemenbogen bildet, und einen stärkeren, welcher sich nach Abgabe eines Kiemenmus- kelzweiges in 2 Zweige: einen R. superficialis und einen R. profundas anterior für den dritten Kiemenbogen spaltet. c) Der dritte, aus dem gemeinschaftlichen Ganglion ent- springende Ast des Vagus spaltet sich in 2 Zweige: einen schwächeren R. profundus posterior für den dritten Kiemen- bogen, und einen stärkeren, welcher sich nach Abgabe eines Kiemenmuskelzweiges in den R. superficialis und R. profundus anterior für den vierten Kiemenbogen theilt. Der R. profun- dus posterior des vierten Kiemenbogens stammt aus dem ersten R. pharyngeus. ' 2. Rami pharyngei. Sie sind zahlreich, entspringen aus dem gemeinschaftlichen Ganglion und verlaufen den Kiemen- ästen parallel. Der vorderste giebt den R. profundus posterior für den vierten Kiemenbogen ab. Sie verbreiten sich theils in den Muskeln, welche dem Bogen des Schlundknochens zur An- heftung dienen, theils in der Muskelhaut des Pharynx, theils dringen sie bis in die Schleimhaut desselben. Ein Ast tritt in der Nähe der Mittellinie des Schlundes in die Tiefe und be- giebt sich zu den oberen Schlundkopfknochen, vertheilt sich theils in die sie anheftenden Muskeln, theils dringen seine Zweige in die Zahnplatte selbst. Aus den R, pharyngeis des Vagus erstrecken sich an die seillichen queren Venenstämme locker geheftet jederseits 2 Fä- den zum Vorhofe des Herzens. 3. 'Ramus ad ossa supratemporalia canalis lateralis. Er entspringt entweder als besonderer Ast aus dem Ganglion des Vagus oder: ist, was ich seltener sah, ursprünglich Theil des N. lateralis, von dem er aber sogleich"abgeht. In beiden Fäl- len verläuft er schräg aufwärts und hinterwärts, tritt unter dem unleren Schenkel von Cuvier’s Surscapulaire an das Opereulum. Hier angelangt giebt er zuerst einen Zweig ab, 355 R. opereularis, der durch die Muskelmasse, welche das Oper- eulum an den Stamm heftet, hindurehtritt und sich dann unter der Haut der Innenfläche des Operculum ausbreitet. Ein Fa- den tritt selbst an die Aussenfläche des Operculum und ver- breitet sich unter dem äusseren häutigen Ueberzuge desselben. Die Fortsetzung des Astes schlägt sich aber unmittelbar hinter dem Opereulum aufwärts und theilt sich in mehrere Zweige, welche sich an die knöchernen Röhren, in die hier der Sei- tenkanal sich fortsetzt (Ossa supratemporalia Bakker) ver- breiten, Ein Zweig verbindet sich auch mit dem Stamm des hier hervortretenden R. lateralis trigemini +). 4. Der R, lateralis ist der hinterste Ast des Vagus. Er theilt sich gleich nach seinem Ursprunge aus dem Ganglion in einen schwächeren R. superior und einen stärkeren R. inferior, Beide verlaufen am oberen Rande der Kiemenhöhle dicht an der Oberfläche der Niere hinterwärts. Noch in der Kiemen- höhle giebt der R. superior einen dünnen Zweig ab, der unter der Haut ihres hintersten Theiles sich verbreitet. Hierauf tritt der R. superior unter die Scapula weg und gelangt so unter diellaut des Rückens. Er verläuft oberflächlich auf den Rük- kenmuskeln unter dem Seitenkanale, und giebt diesem zahl- reiche feine Zweige. Er steht durch feine bogenförmige Haut- zweige in Verbindung mit dem stärkeren R. inferior. Auch die zwischen der obersten Muskelschicht und der Rippenmus- kelscliicht abwärts tretenden Fäden der Spinalnerven legen sich, Schlingen bildend, an seine feinen Zweige an. Er geht endlich, allmählig sehr dünne geworden, im zweiten Dritt- iheile der Länge des Thieres in den R. inferior über. Der R. inferior tritt unter dem Humerus an die Aussenfliche des 1) Diesen früher schon beim Störe beschriebenen, und dem R. aurieularis Vagi der Säugethiere verglichenen Ast habe ich bei allen von mir untersuchten Knochenfischen: bei Pleuronectes, Corregonus, Salmo, Oyclopterus, Clopea, Cyprinus, Cottus angetroffen. Ich werde bei einer anderen Gelegenheit ausführlicher über denselben handeln. 356 Rückens. Er verläuft hier gleichfalls dicht unter der Haut, an der Grenze der oberen und mittleren Muskelschicht, ab- wärts von der Seitenlinie. Er nimmt, sehr feine Hautzweige und lange Verbindungsfäden zum R. superior abgebend, all- mählig an Dicke ab. Als ein ziemlich dicker Stamm tritt er aber dann, wenn der R. superior äusserst fein geworden ist, zum Seilenkanal und verläuft unter demselben, ihm beständig feine Zweige abgebend, eingehüllt in das silberfarbne Pigment, bis zur Schwanzflosse, wo er ganz unkenntlich wird. 5. Der Ramus intestinalis jeder Seite entspringt mit Fä- den für den hintersten R. branchialis, die sich bald von ihm trennen, aus dem gemeinsamen Ganglion des Vagus. Der linke R.intestinalis tritt dann über die Niere, zum Theil selbst durch deren Substanz und über dem zipfeligen Anfange der Schwimm- blase zur Speiseröhre, giebt zahlreiche R. oesophagei ab, sen- det tiefer einige dünne Zweige zum Diaphragma und sendet dann auswärts einen Ast zur Schwimmblase, der in der Nähe des Ursprunges des linken Zipfels zu ihr tritt, ihre Häute durchbohrt und in der Blutdrüse sich vertheilt. Ehe dieser Zweig aus dem linken R.intestinalis entspringt, ist dieser eine Verbindung mit dem Sympathieus eingegangen. Der Stamm des linken R. intestinalis geht dann an der Seite der 'Speise- röhre, ihr eng anliegend und zahlreiche Zweige austheilend, abwärts zu der convexen Seite des Magens. Ein Zweig des linken R. intestinalis erstreckt sich in Begleitung von Gefässen, quer durch das Mesenterium zur Leber. Die letzten Verzwei- gungen des linken R. intestinalis lassen sich bis in die Nähe der Einmündung der Appendices pyloricae verfolgen. Der R. intestinalis der rechten Seite verhält sich anfangs gleich dem der linken Seite. Er erhält aber nicht, wie jener, einen isolirten Verbindungszweig vom Sympathicus, tritt viel- mehr mit den aus den grossen Ganglien der rechten Seite kommenden Stämmen des Sympathicus an den Gefässen ab- wärs, ohne sich dicht an die Speiseröhre zu legen, und bildet endlich mit jenen Stämmen (R.splanchnieis) des Sympathieus 357 im Mesenterium einen starken Plexus coeliacus.. Aus die- sem Plexus treten starke Zweige mit den Gefässen der Blut- drüse der Schwimmblase zu dieser, andere zur Speiseröhre, zum Magen, zur Leber, zur Milz und zu den keimbereitenden Geschlechtstheilen. ı Diese Zweige sah ich immer dicht ange- heftet an den Gefässen der genannten Theile. $. 10. Nervus spinalis primus et secundus. Kein Nery ist rücksichtlich seines Ursprunges so vielen individuellen Abweichungen unterworfen, als dieser; nicht sel- ten verhält er sich sogar an der rechten Seite anders, als an der linken. Als Norm darf, meiner Ansicht nach, folgendes Verhalten betrachtet werden: Er entspringt mit einer starken hinteren und zwei starken vorderen Wurzeln. Sämmtliche Wurzeln verlassen den Canalis spinalis durch ein gemeinsames Foramen intervertebrale, das an der Grenze des Hinterhauptsbeines und des Processus spi- nosus des ersten Rückenwirbels liegt. Unmittelbar nach dem Austreten trennt sich die hintere Wurzel in 2 Bündel, von welchen jedes ein eigenes Ganglion besitzt. Indem die vorde- ren Wurzeln an die beiden Bündel der ursprünglich einfachen hinteren Wurzel sich anlegen, entstehen 2 Nervenstämme. Die Abweichungen sind folgende: 41. Von der einfachen hinteren Wurzel lösen sich noch im Canalis spinalis Fäden, welche zur zweiten vorderen Wur- zel sich begeben. Alle Wurzeln verlassen in diesem Falle den Canalis spinalis, verbunden durch ein Foramen intervertebrale, oder die beiden künftigen Nervenstämme treten isolirt aus. 2. Es entsprechen den beiden vorderen Wurzeln 2 ge- sonderte hintere Wurzeln. In diesem Falle liegen die beiden vorderen Wurzeln oft ungewöhnlich weit auseinander, so dass die erste, welche dann in der Nähe des Vagus entspringt, eine ziemlich lange Strecke 358 im Canalis spinalis rückwärts verläuft, ehe sie zu ihrer Aus- trittsstelle gelangt. Die Elemente der beiden ersten Spinalnerven verlassen den Canalis spinalis in diesem Falle durch besondere Oeffnungen. 3. Es sind eine hintere und 2 vordere Wurzeln vorhan- den. Die zweite vordere Wurzel spaltet sich in der Rücken- markshöhle in 2 Bündel, von denen das erste mit der hinteren und der ersten vorderen austritt, das zweite aber zum Ramus motorius für die hintere Wurzel des Rückenastes des dritten Spinalnerven wird. 4. Vorhandensein von 2 hinteren und 2 vorderen Wur- zeln. Austritt durch eine gemeinsame Oeffnung. Bildung dreier Ganglien, von denen zwei den beiden Ramis anterioribus seu veutralibus angehören, das dritte sehr kleine aber für die Rami posteriores seu dorsales bestimmt ist. 5.. Vorhandensein von 3 vorderen und 2 hinteren Wur- zeln. Austritt durch 2 getrennte Knochenspalten. Bildung zweier Ganglien. Immer entstehen also aus den genannten Wurzeln wenig- stens 2 Nervenstämme. Die Rami dorsales derselben sind sehr fein. Jedem Nervenstamme gehören zwei an: ein auswärts und etwas vorwärts verlaufender, der die an das Hinterhaupt sich befestigenden Muskelbündel versorgt und in der Haut zu enden pflegt, und ein schräg aufwärts und hinterwärts verlaufender für die obere Schicht der Rückenmuskeln. Ihre Rami ventrales sind dagegen stark. Der ursprüng- lich einfache Stamm des R. ventralis theilt sich sogleich in 2 Aeste: einen oberflächlichen dünneren und einen tiefen stär- keren. Die Rami superficiales beider Nerven verlaufen auf der Nierensubstanz schräg nach aussen und zugleich ein wenig nach hinten. Sie vertheilen sich in der Muskelmasse, welche an Cuvier’s Os suprascapulare, an’ der Scapula und am oberen Theile des Humerus sich befestigt. 359 Die Rami profundi verlaufen nebeneinander, etwas bedeckt von der Nierensubstanz schräg hinterwärts und auswärts. Der erste R. profandus spaltet sich in 2 Aeste: einen vorderen und einen hinteren. Der vordere ist der R. sternohyoideus. Er verläuft längs des Vorderrandes des Humerus auf der Bauch- haut abwärts, giebt einige Hautzweige ab, welche am Vorder- rande des Humerus sich verbreiten, und endet in dem Muscu- lus sternohyoideus. Der hintere Ast des R. profundus trägt zur Bildung des Nervenplexus der Brustflosse bei. Der Ramus profundus des zweiten Spinalnerven theilt sich gleichfalls in zwei Aeste, welche beide für die Brustflosse be- stimmt sind. $. 11. Die übrigen Spinalnerven. Der erste der folgenden Spinalnerven besitzt in der Regel 2 vordere und eine hintere Wurzel, welche letztere näher au der Medulla oblongata entspringt, als die vorderen. Die zweite vordere Wurzel trägt zur Bildung des Ramus dorsalis des nächstfolgenden Spinalnerven bei. * Von den 31 folgenden Spinalnerven jeder Seite entspringt jeder mit 3 Wurzeln: 2 hinteren und einer vorderen, welche letztere alsbald in 2 Stämme sich spaltet, so dass gewisser- maassen statt der gewöhnlichen 2 Wurzeln 4 vorhanden sind. Die beiden hinteren oder oberen Wurzeln jedes Nerven liegen dicht nebeneinander: nirgend aber erkennt man ihren Ursprung aus einer einzigen, anfangs ungetheilten hinteren W urzel, viel- mehr kommen sie völlig getrennt aus dem Rückenmarke. Die eine dieser beiden hinteren Wurzeln jedes Spinal- nerven ist für seinen Rückenast, die andere für seinen Bauch- ast bestimmt. Die für den Ramus dorsalis bestimmte hintere Wurzel verlässt den Kanal des Rückenmarkes zwischen je zwei oberen Dornfortsätzen, schwillt dann in einiger Entfernung von der Austritisstelle in ein längliches, halbdurchsichtiges Ganglion 360 an!) und verläuft an dem hinteren Rande des entsprechenden Processus spinosus nach dem Rücken. Während dieses Ver- laufes legt sich, ziemlich lange nach geschehener Ganglienbil-. dung, ein Verbindungsast von dem nächst vorderen Spinal- nerven an die genannte Wurzel an. Dieser Verbindungsast entsteht durch Spaltung der vorderen Wurzel; er verläuft mit der ihm entsprechenden. hinteren Wurzel des R. dorsalis an dem Rückenmarke aufwärts und hinterwärts, verlässt mit_ihr den Canalis spinalis, verlässt aber diese Wurzel, indem er schräg über den entsprechenden und den folgenden Processus spinosus nach hinten und oben verläuft. Hinter diesem nun legt er sich an die nächst folgende Radix posterior Rami dor- salis an. So entsteht der Ramus dorsalis, der also Elemente zweier der Reihe nach aufeinander folgender heterologer Spi- nalnervenwurzeln enthält. Dieser Ramus dorsalis verläuft nun schräg aufwärts zum Rücken und geht nach Abgabe eines R. muscularis oder zweier (an den Stellen wo Flossenmuskeln vorhanden sind) in den längs des Rückens verlaufenden Rand- nervenstamm des Lateralis trigemini über. Die zweite für den Bauchast bestimmte hintere Wurzel verläuft, bald einfach bald in Bündel gespalten nach aussen, verlässt den Canalis spinalis durch das Foramen interverte- brale, bildet auf dem Körper des ihr entsprechenden Wirbels ein Ganglion und geht hierauf mit dem zweiten Bündel der ihr dicht anliegenden vorderen Wurzel eine Verbindung ein. So entsteht der Stamm des R. anterior. Von dem Vorhandensein zweier hinteren Wurzeln für je- den Spinalnerven habe ich mich bis zum 35sten Rückenmarks- nerven überzeugt. Das Ganglion der für den R. dorsalis be- » stimmten hinteren Wurzel liegt anfangs sehr weit von deren Austritisstelle entfernt, rückt später derselben jedoch immer 4) Mit Unrecht hat Swan dasselbe geläuguet. Ich habe es nie vermisst und bei mikroskopischen Untersuchungen stets Ganglienkugeln darin angetroffen. . 361 näher. Vom 30sten Spinalnerven wird die zweite hintere Wur- zel schon äusserst fein, und vom 35sten Spinalnerven an ist sie als gesondertes Element nicht mehr zu erkennen. Rami anteriores. Aus jedem derselben entspringt zuvörderst ein dünner, “ rückwärts verlaufender Zweig für die auf dem Wirbelkörper, und an der Basis des Processus transversus oder Pr. spinosus inferior liegende Muskelpartie, dann ein stärkerer R. super- fieialis für die mittlere Muskelschicht, namentlich für die Mus- kelbündel, welche sich an den mit den Rippen verbundenen Gräthen befestigen. Was die Fortsetzung der Stämme oder: die R. profundi s. ventrales anbetrifft, so begeben sich: der hintere Ast vom R. profundus des 1sten Spinalnerven, die Rami profundi des 2ten und 3ten Spinalnerven und ein Ast des R. profundus des 4ten Spinalnerven an die Brustflosse. Der andere Ast des R. pro- fundus des 4ten Spinalnerven verläuft vorwärts und abwärts und vertheilt sich in der Fortsetzung des Bauchmuskels, wel- eher zwischen Kehlflosse und Humerus liegt. Der R, profundus des 5ten Spinalnerven giebt einen nach vorn gerichteten Zweig ab, der theils vor der Kehlflosse in der Haut, theils in dem Muskelbauche der Kehlflosse endet. Für die Kehlflosse sind ferner bestimmt die R. profundi der. 6len und 7ten Spinalnerven. Was die Dicke dieser Rami profundi anbetriflt, so fand ich die des isten und 2ten, so wie des 5ten und 6len bedeu- _ tend, die des 4ten und 7ten mässig, die des 3ten sehr unbe- trächtlich. Jeder der übrigen Rami profundi verläuft zwischen zwei Proc, transversis, geht dann schräg über die Spitze des hin- teren Pr. transv. abwärts und steigt dann als R. intercostalis zwischen zwei Rippen unmittelbar ‘auf dem Peritoneum zum Bauche hinab. Müller's Archiv. 1842, 24 362 $. 12. Die Nerven der Schwanzflosse. Die hinter der letzien Rückenflosse liegenden Spinalnerven verhalten sich folgendermaassen: Die Elemente eines jeden trelen aus einem gemeinsamen Foramen intervertebrale heraus. _ Nachdem das Ganglion gebildet ist, legen sich die Wurzeln geflechtartig aneinander, und so entsteht ein Rücken- und ein Bauchnervenstamm. Die Bauchnerven verlaufen an den Wir- belkörpern schräg und bogenförmig abwärts und vereinigen sich an der Bauchseite der Wirbel zu 5 oder 6 dicken Stämmen. Aus diesen Stämmen strahlen zahlreiche geflechtartig verbun- dene Zweige aus, welche unmittelbar vor der Basis der Flosse durch Querstämme miteinander verbunden werden. In diese Querstämme, deren Summe einen Bogenabschnitt bildet, gehen die hintersten Elemente des äusserst fein gewordenen Lateralis trigemini mit ein, der so auch den Randnerven der Flosse bil- den hilft. Von diesem Randnerven aus begiebt sich in jeden zwischen 2 Flossenstrahlen liegenden Zwischenraum ein Längs- nerv. Nach Abgabe eines feinen Muskelzweiges spaltet er sich gabelförmig, und jeder dieser Zweige verläuft neben einem Flossenstrahl nach hinten. Gleich den Nerven der Bauchseite verhalten sich auch die- jenigen der Rückenseite. $. 13. Nervus sympathicus. Die vorderste gangliöse Anschwellung des N. sympathicus liegt dicht unter der Austrittsstelle des N. trigeminus, eng an- geheftet an dessen Ganglion und den aus demselben hervor- gehenden Nerven. An dieses grosse Ganglion legt sich der hier verlaufende Stamm des N. abducens dicht an, und steht allem Anscheine nach durch Fäden mit demselben in Verbindung. Aus diesem Ganglion entspringt ein dünner Zweig, der fast quer auswärts verläuft, an dem hinteren Rande des zur Seite des Os sphe- noideum und des Vomer liegenden Gaumenmuskels mit dem 363 R. anterior glossopharyngei sich kreuzt und in die Nebenkieme seiner Seile tritt. Ein sehr feiner Zweig aus demselben begiebt sich an die vorderste Kiemenvene, welche er zu ihrer Kieme begleitet. Von diesem Ganglion aus erstreckt sich der Stamm des N. sympathieus gerade_hinterwärts, tritt unter der Haut und Muskelschicht des Gaumens zum R. anterior des: Glossopha- ryngeus, legt sich an diesen Ast an und bildet, dicht an ihm angeheftet, ein längliches Ganglion, trennt sich dann von ihm und gelangt zur Austrittsstelle des N. glossopharyngeus, über dessen Ganglion er wveggeht, ohne durch Fäden mit ihm in Verbindung zu treten. Einmal vermisste ich das Ganglion am R. anterior glosso- pharyngei, fand es aber am Stamme des Nerven dicht unter dessen Austrittsstelle aus der Hirnhöhle. Gerade hinterwärts verlaufend, erreicht der Stamm des Sympathicus die Austrittsstelle des Vagus und bildet unterhalb seiner noch eng verbundenen Aeste zwei dicht nebeneinander liegende, verbundene Ganglien, welche durch Fäden mit dem N. vagus in Verbindung stehen. ‚Von diesem Ganglion aus verlaufen ziemlich dicht an der Seite des hintersten Endes der Schädelbasis gelegen 2 Stämme nach hinten. Der eine begiebt sich zur Austrittsstelle des er- sten Spinalnerven und bildet ein Ganglion, das sowohl mit dessen Ramus anterior, als mit dem zweiten Stamme des Sym- palhieus in Verbindung steht. Dieser letztere bildet nun so- gleich ein vor dem Körper des ersten Wirbels liegendes gros- ses Ganglion: G. splanchnicum, von welchem aus der Grenz- strang zum R. anterior des 2ten Spinalnerven sich begiebt. Aus jedem Ganglion splanchnicum entspringen Gefässzweige für den Stamm der Aorta, und selbst für die den Circulus ce- phalieus bildenden Gefässstämme. ! Das Ganglion splanchnieum jeder Seite hat besondere Ei- genthümlichkeiten. Das der rechten Seite ist grösser, als das linke, und liegt etwas mehr auswärts, als dieses. Aus dem 24° 364 linken G. splanchnicum geht ein Nerv hervor, welcher durch die Nierensubstanz einwärts und etwas abwärts verläuft, unter den Musculus retractor pharyngis, also zwischen ihn und die obere Wand der Speiseröhre tritt und hier abermals ein Gan- glion bildet. Aus diesem geht ein kleineres Fädchen für die Nierensubstanz hervor, so wie mit doppelter Wurzel ein stär- kerer Ast, der in die Bahn des linken R. intestinalis vagi über- geht, unmittelbar vor Abgang seines Schwimmblasenasies. Fer- ner geht aus dem linken Ganglion splanchnieum hervor ein starker Ast von weisser Farbe (R. communicans), welchr un- mittelbar unter dem Körper des 1sten Wirbels, also über dem Muse. retractor pharyngis von links nach rechts verläuft und in das Gangl. splanchnicum der rechten Seite übergeht. Aus- nahmsweise sah ich 2 dünnere Rami communicantes; einmal auch beobachtete ich, dass der R. communicans dicht hinter seinem Ursprunge aus dem linken G. splanchnieum noch ein kleineres Ganglion bildete. Aus dem rechten Ganglion splanch- nicum geht dann ein Ast hervor, der unter dem zipfeligen An- hange der Schwimmblase hinterwärts verläuft. Er bildet als- bald 2 verbundene Ganglien, welche ringförmig die Eingeweide- arterie umschliessen. Aus dem kleineren, elwas höher gelege- nen entspringen Fäden für die Nierensubstanz und ein Zweig für die Eingeweidearterie.e Aus dem grösseren gehen ausser mehreren Fäden für die Nierensubstanz und kleineren Gefäss- zweigen drei starke R. splanchnici hervor. Nach Abgabe von Zweigen für die Geschlechtstheile begeben sie sich, dicht an- geheftet an die Eingeweidearterien und neben dem R. intesti- nalis Vagi dextri in das Mesenterium, und bilden hinter dem Magen mit Zweigen dieses R. intestinalis einen Plexus coelia- eus. Von diesem aus begeben sich Zweige des Sympathicus durch das Mesenterium in Begleitung‘ der Gefässe, und zum Theil auch mit Zweigen des R. intestinalis Vagi dextri zur Blutdrüse der Schwimmblase, zum Magen, zum Darmkanal, zu der Leber, zur Gallenblase und zur Milz. Der Grenzstrang des Sympathicus erstreckt sich von der 365 Austrittsstelle des R. anterior des 2ten Rückennerven ‘zur Seite der Wirbelkörper nach hinten. Er liegt an der Bauchfläche der Nieren oder wird von deren Substanz ein wenig bedeckt. Er empfängt vom R. anterior jedes Spinalnerven einen oder zwei Verbindungszweige und bildet von Stelle zu Stelle deut- liche Anschwellungen. Beide Grenzsträuge stehen unterhalb der Gefässe, die zwischen ihnen liegen, durch die diese um- spinnenden Zweige vielfach in Verbindung untereinander. Hin- ten gegen das Ende der Nieren bildet die Hauptmasse des lin- ken Grenzstranges den Plexus spermaticus, zu welchem der rechte Grenzstrang wenige oder in manchen Fällen gar keine Fasern herzugeben scheint. Eine verhältnissmässig sehr schwa- che Fortsetzung des linken Grenzstranges erstreckt sich nach hinterwärts, empfängt noch Wurzeln von den beiden folgenden Spinalnerven und geht darauf in den rechten Grenzstrang über. Dieser lelztere tritt in den Canalis processuum spinosorum in- feriorum, theilt sich noch mehrmals in zwei Stämme von un- gleicher Stärke, welche sich früher oder später wieder verei- nigen und bald mehr an der rechten, bald mehr an der linken Seite verlaufen. Der Stamm selbst lässt sich im Kanale der untern Dornfortsätze bis hinter die zweite Bauchflosse ver- folgen. Seine Zweige umspinnen mit zahlreichen Fäden die Blutgefässe. $. 14. Der Plexus spermaticus ist ausserordentlich stark und besteht grossentheils aus Nerven- strängen, welche äusserlich eine weisse Färbung besitzen. Wäh- rend seine Wurzeln aus dem Grenzstrange des Sympalhicus äusserst schwach und dünn sind, zeichnen sich die Aeste und Zweige des Plexus durch ihre Stärke und Dicke aus. Fast jeder einzelne der zahlreichen Zweige ist stärker, als die Wur- zeln, Viele dieser Nerven fand ich bei einzelnen Individuen mit verhältnissmässig dicken, grauen gangliösen Anschwellun- gen versehen, vermisste letztere jedoch in andern Fällen. Dann aber nahm ich, hei mikroskopischer Untersuchung, zwischen 366 den Primitivfasern und zwischen den äusserst reichlich vorhan- denen gelatinösen Nervenfäden zahlreiche Ganglienkugeln wahr. Aus diesem Plexus gehen starke und viele Aeste und Zweige für die Harnblase und für die keimbereitenden Geschlechtstheile ab. Der stärkste derselben ist ein dicker Nervenstamm für Hoden oder Eierstöcke, der in einzelnen Fällen dem N. opti- cus an Dicke wenig nachstand. Das reichliche Vorkommen der sogenannten gelatinösen Nervenfäden (Valentin’s Scheidenfortsätze) in den Nervis spermalicis ist um so auflallender, als dieselben im eigentlichen Grenzstrange des Sympathicus vermisst werden. Ueber einige chemische Mittel, welche zur Unterschei- dung zwischen der Muskelfaser und der mittle- ren Arterienhaut dienen. Von Dr. JuLıus Bupcr, Privatdocenten an der Universität Bonn. Zur Unterscheidung zwischen Muskelfaser und mittlerer Ar- terienhaut giebt man drei Merkmale an. Das eine bieten mi- kroskopische Untersnehungen, ein zweites physiologische Ex- perimente, das dritte chemische Reagentien. Die Primitivfaser der meisten intensiv roth gefärbten Mus- keln ist durch ihre Querstreifen characterisirt; die der blass- gefärbten Muskeln an (ziemlich unregelmässigen, oft kernhal- tigen) Cylinderstreifen erkenntlich. Die Ringfaserhaut der Ar- terien (nach Henle, allg. Anat. p. 498.) ist der letztern über- aus ähnlich, nähert sich also der Muskelfaser. Reizt man die meisten der quergestreiften Muskeln bei einem lebenden Thiere, so erfolgen rasch lebhafte Contraclio- nen; reizt man einen cylindrischen, so zieht sich z. B. der Darm nur an der gereizten Stelle ringlörmig langsam zusam- men und kehrt nur allmählig zu seiner frühern Ausdehnung zurück; reizt man endlich eine Arterie, am besten eine von mittlerer Grösse, welche man unter dem Mikroskope beobach- ten kann, so entsteht ebenfalls Contraction, aber nur ungleich langsamer, und nicht auf die Stelle der Reizung beschränkt, sondern über eine grosse Strecke hin. Fast ganz gleiche Be- obachtung macht man an der gereizten Harnblase, auch sie 368 zieht sich im ganzen Umfang zusammen. Die Arterienhaut macht also auch in Betreff ihrer Contraction einen sehr be- stimmten Uebergang zum ausgebildeten Muskel. Ich werde im Folgenden zeigen, dass auch die chemische Verschiedenheit eben so wenig als die genannten eine durch- aus durchgreifende ist, vielmehr auch sie Uebergänge zwischen beiden Organtheilen nachweist. Man weiss übrigens durch die Analysen von Scherer (Annalen d. Chem. u. Pharmae. von Liebig und Wöhler, XL. p. 51.), dass man mittlere Arterienhaut betrachten kann = Protein +2 At. Wasser. Die Muskelfaser soll nach den meisten Angaben in con- centrirten und verdünnten Mineralsäuren sich auflösen, und ein Zusatz von Kaliumeisencyanür und Cyanid eine Fällung be- wirken, was hingegen in der ebenfalls erfolgenden Lösung der mittleren Arterienhaut nicht der Fall sei, sie werde von dem blausauren Salze nicht getrübt +). — Der Muskel soll sich nach Berzelius in Essigsäure in Gallerte verwandeln, welche in kochendem Wasser sich leicht löst; wohingegen die mittlere Arterienhaut durch Essigsäure nicht geändert werde. 4) Leibmedieus Dr. Retzius hat schon gezeigt, dass die saure Lösung von mittlerer Arterienhaut von Kaliumeiseneyanid gefällt wird, Müller’s Physiologie. 4. Auflage. 1. 471. Derselbe hatte aber be- obachtet, dass sich aul diese Weise die Tunica dartos, das subeutane Zellgewebe, das Zellgewebe in der Fossa trausversa hepatis, in der Umgebung der Nieren und überhaupt das interstitielle Zellgewebe ver- halten. Siehe Ärsberättelse om svenska läkare sällskapets arbeten, lem- nad den 6. Oct. 4840, af C. U. Sonden. Stockholm 1841; p. 10. Demnach hat die mittlere Arterienhaut in dem Verhalten zum Kalium- eisencyanid eben so viel Aehnlichkeit mit Zellgewebe als mit Muskel, oder vielmehr, wie aus Budge’s Versuchen zu schliessen, Kalium- eisencyanid taugt eben so wenig um eine Aehnlichkeit als um Verschie- denheit derselben zu beweisen. In ihrem chemischen Verhalten sind Muskel, Zeilgewebe und mittlere Haut der Arterien anderweitig be- kamntlich sehr verschieden, Anmerkung der Redaction. 369 Bei Wiederholung dieser Versuche, die ich sämmtlich in Gegenwart des Dr. Marquart anstellte, ergaben sich einige Resultate, welche bemerkenswerth scheinen: 4. Bei einiger Erwärmung (aber auch in der Kälte) lösen sich Arterienhaut und Muskel in Salpetersäure — concentrirter wie verdünnter — auf, jene vollständiger als diese. Wird zu der durchfiltrirten Lösung des Muskelfleisches, welche stark gelb erscheint, etwas destillirtes Wasser zugetröpfelt, so ent- steht alsbald eine flockige Trübung, welche sich nach 12 Stun- den als Sediment zu Boden gelegt hat. Filtrirt man, so ent- steht zuweilen nochmals Trübung durch Zutröpfeln von Was- ser; bleibt sie aus, so wirkt die Lösung von Kaliumeisencya- nür und Cyanid nicht ein. — Hat man zu derselben Menge saurer Muskellösung eben soviele Tropfen des blausauren Ei- senkalis, als zu der andern Wasser, hinzugegeben, so entstand eben solche Trübung, wie durch dieses, und es setzte sich auf gleiche Weise ein Sediment ab. — Wurde statt der Lösung des blausauren Salzes dies selbst angewandt, so fehlte die Trü- bung. — Je concentrirter die Salpetersäure, desto slärker die Trübung. \ Aus dieser oft wiederholten Beobachtung folgt: dass das Kaliumeiseneyanür und Cyanid nicht als Reagens auf die salpetersaure Lösung des Muskelfleisches zu betrachten ist, sondern die Trübung nur durch das Wasser entsteht, in welchem jenes Salz aufge löst ist. . Giebt man zu der schön gelben, filtrirten Lösung der mitt- leren Arterienhaut einige Tropfen destillirten Wassers, so bleibt sie aufangs hell und klar, wie zuvor; aber schon nach 5 bis 6 Stunden ist eine Trübung erfolgt, nach 24 Stunden ein voll- sländiges Sediment. Hieraus folgt: dass destillirtes Was- ser in der salpetersauren Lösung des Muskelflei- sches’ und der mittleren Arterienhaut eine Fällung bewirkt, nur mit dem Unterschiede, dass die letz- tere später eintritt, vielleicht auch elwas geringer 370 ist. Eine wesentliche Verschiedenheit bieten also in dieser Beziehung beide Organtheile nicht dar. 2. Giesst man in ein Probiergläschen reine concentrirte Salzsäure, in ein zweites eben soviel einer Lösung des Mus- kelfleisches in concentrirter Salzsäure, und in ein driltes eine gleiche Menge solcher Lösung der miltleren Arterienhaut, und giebt in ein jedes einige Tropfen des gelösten Kaliumeisencya- nür und Cyanid, so entsteht je nach der Stärke der Lösung eine geringere oder grössere Trübung, welche durch Zusatz von mehr Wasser aufgehoben wird. — Destillirtes Wasser ver- ändert hingegen keine der Lösungen. Hieraus folgt: dass die Trübung, welche in der salzsauren Lösung sowohl von Mus- kelhaut als mittlerer Arterienhaut entsteht, nicht durch die organischen Stoffe, sondern durch Einwirkung der Säure auf das blausaure Salz hervorgerufen wird; dass also das Ka- liumeiseneyanür oder Cyanid nicht als Reagens auf die salzsaure Lösung der genannten Stoffe gel- ten darf. } 3. Weil eoncentrirte Schwefelsäure organische Stoffe zu sehr verändert, resp. verkohlt, habe ich mit derselben keine Versuche angestellt. F 4. Wird die concentrirteste Essigsäure (Acetum glaciale) oder auch verdünnte Säure mit Muskelfleisch erhitzt, so wird es in eine weiche, gallerlartig durchscheinende Masse verwan- delt, welche zum Theil in der Essigsäure gelöst ist, die eine schwach bräunliche Färbung davon angenommen hat. Wird die Flüssigkeit abfiltwirt, und werden einige Tropfen von einer Lösung des Kaliumeiseneyanür oder Oyanid hinzugegossen, so entsteht nach einiger Zeit eine ganz schwache Trübung. Die nicht gelöste grössere Masse des Muskelfleisches soll nach Ber- zelius durch Kochen mit Wasser völlig gelöst werden, was Simon (Medie. Chemie. I. p. 31.) nicht so fand. Nach häu- figer Wiederholung dieses Versuches mit den verschiedensten Arten von Säure muss ich die Angabe von Simon bestäti- gen. Stets blieben einige Flocken zurück. viel stärker als dies 371 ‚bei der salpetersauren Lösung der Fall war. Das Filtrat der wässerig sauren Lösung zeigte bei Zugiessen von Kaliumeisen- eyanür- oder Cyanidlösung keine Trübung, eben sowenig durch Wasser. ; Wird hingegen die mittlere Arterienhaut mit concentrirter oder verdünnter Essigsäure gekocht, so wird sie zwar am Rande durchscheinend während des Kochens, ist aber heraus- genommen ganz unverändert. Die angewandte Säure abfiltrirt, zeigt, wenn man nicht zu lange kochte und es eine sehr con- centrirte war, durch die zugegossene Solution der blausauren Salze nach einiger Zeit eine sehr schwache Trübung, was bei einer weniger concentrirten Säure nicht der Fall ist. Hieraus folgt, dass das Kaliumeiseneyanür und Cya- nid nicht als Reagens zur Unterscheidung einer Ver- bindung zwischen Essigsäure und Muskelfleisch oder Essigsäure und mittlerer Arterienhaut betrachtet werden kann. Ferner folgt aus dem angegebenen Versuche, dass Muskelfleisch durch Essigsäure zum grossen. Theile gelöst wird, die mittlere Arterienhaut hin- gegen unverändert bleibt; dass also dies die einzige merk- liche Verschiedenheit ist, welche durch Anwendung der Säu- ren in beiden Organtheilen sich zeigt. Ueber die Beweiskraft derjenigen Experimente, durch welche man einen direeten Einfluss der Central- organe auf die Eingeweide zu erweisen suchte. Von A. W. VoLkmann. Nachdem Le Gallois durch eine Reihe von Experimenten, deren Unvollkommenheit merkwürdig genug der Pariser Aca- demie gänzlich entgangen war, zu beweisen gesucht hatte, dass das Rückenmark die Ursache derjenigen Herzbewegungen sei, welche den Kreislauf des Blutes zu Stande bringen, trat Wil- son Philipp auf, und rügte mit Recht eine Menge Verstösse in der Arbeit seines berühmten Vorgängers. Er selbst suchte zu beweisen, dass zwar allerdings das Rückenmark, aber neben ihm auch das Gehirn einen Einfluss auf die Herzbewegungen ausübe. Er sah, dass nach mechanischer Reizung des Gehirns, nach Auftröpfeln von Weingeist und Opium auf dasselbe der Herzschlag sich beschleunigte, dass er nach Benetzung des Ge- hirns mit Tabaksaufguss sich verlangsamte, und dass er nach plötzlicher Zermalmung des Kopfes wenigstens eine Zeit lang aufhörte. Budge wollte sogar die Stelle des Hirns gefunden haben, deren Reizung das Herz in Bewegung setze, und nannte als solche die vordern Stränge der Medulla oblongata !). Er leugnet ausdrücklich, dass Reizung andrer Stellen des Gehirns denselben Einfluss habe. Aber eben so ausdrücklich halte 4) Untersuchungen über das Nervensystem, S. 130 fl, 373 Wilson Philipp versichert, dass jeder Theil des Encephalon, das kleine Gehirn nicht ausgenommen, bei mechanischer Rei- zung eine Beschleunigung des Pulses zu Wege bringe !). Wie- derum sucht Valentin zu zeigen, dass der Balken das Organ sei, dessen Reizung eine Vermehrung und Verstärkung der Herzschläge zur Folge habe *), Diese Widersprüche in den Angaben der Beobachter würden allein ausreichen, die Resul- tate ihrer Versuche als vorläufig unbrauchbar zu bezeichnen; aber Versuche, die ich gemeinschaftlich mit meinem Freunde Bidder anstellte, überzeugten. mich bald, dass auf diesem Wege der Forschung überhaupt nichts erreichbar sei. Indem wir die Experimente unsrer Vorgänger wiederholten und bald das ver- längerte Mark, bald den Balken, und eben so andere Hirntheile reizten, erhielten wir Resultate, welche zuweilen mit den An- gaben des Einen, zuweilen mit denen des Andern, am häufig- sten mit keiner von allen übereinstimmten, und wir hielten es daher für nothwendig, uns zuvörderst darüber zu unterrichten, wie das Herz frisch getödteter Thiere schlage, wenn die Cen- tralorgane des Nervensystems nicht gereizt werden. Hierbei zeigle sich nun, dass in der Mehrzahl der Fälle das Herz frisch getödteter Thiere sich sehr ungleichmässig bewegt, bald schneller, bald langsamer, bisweilen nach träger Bewegung überaus schnell, und dass es, selbst nachdem es geraume Zeit nieht pulsirt, ohne äussern Anlass die Bewegung wieder auf- nehme. Diese Experimente haben den negativen Vortheil zu beweisen, dass alles Experimentiren über die Abhängigkeit des Herzschlags von den Centralorganen unzuverlässig ist. Denn wenn der Typus des Herzschlags nach dem Tode sehr häufig Schwankungen unterliegt, ohne dass irgend eine äussere Ver- anlassung gegeben ist, so bleibt es ungewiss, ob die Schwan- kungen, welche nach Reizung der Centralorgane eintreten durch 1) An experimental inquiry into Ihe laws etc. London 4818. pag. 108 u. 117. 2) Repertorium f. 184. $. 361. 374 diese vermittelt sind, oder nicht. Ich theile zur Erläuterung des Gesagten einige der angestellten Versuche im Detail mit. Versuch 4. Bei einer erhenkten Katze wurde einerseits das Gehirn, andrerseits das Herz mit den Lungen freigelegt. Das Herz hörte ziemlich bald auf zu schlagen, fing aber nach einiger Zeit ohne äussern Anlass wieder an. Es kam abermals zum Stillstande und abermals folgten Pulsationen. Dieser Wechsel von Ruhe und Bewegung wiederholte sich mehrfach, ohne dass die Ursache zu entdecken gewesen wäre und die Perioden der Ruhe mochten wohl einige Minuten gedauert haben, Endlich schien das Herz wirklich still zu stehen, und wir reizten also das Corpus callosum durch Ritzen und Stechen mit einer Na- del, Erst nach einer halben Minute (ungefähr) trat Pulsation ein. Der mechanische Reiz wurde ausgesetzt und die Bewe- gung dauerte fort, etwa eine Minute lang. Nachdem Ruhe eingetreten, reizten wir abermals, aber vergeblich. Wir setz- ten den Versuch lange fort, immer ohne Erfolg, bis sich end- lich auswies, dass das Herz auch gegen directe Reize nicht mehr reagirte. Versuch 2. Bei einer erhenkten Katze wurden diesel- ben Vorbereitungen getroffen, wie bei dem vorigen Thiere. Nach Oeffnung des Herzbeutels wurde der schon matte Herz- schlag viel lebhafter, was jedoch nicht anhielt. Alsbald wur- den die Pulsationen unregelmässig und aussetzend, die Perio- den, wo die Schläge aussetzten, wurden immer länger, bis die Perioden der Ruhe wohl zehnmal länger dauerten als die Pe- rioden des Pulsirens. Wir benutzten diese Zeit der Ruhe, das Corpus eallosum mechanisch zu reizen, zu ritzen, zu stechen, zu schneiden, aber die Erscheinungen blieben vollkommen die- - selben, auch in sofern, als die Perioden, in welchen das Herz stillstand, immer länger wurden. Endlich stand das Herz an- haltend still, und Reizung des Balkens mit Alkohol, welchen W.Philipp in seinen Reizversuchen besonders wirksam fand, vermochte die Pulsation nicht herzustellen. Wir benutzten hierauf das Thier zu andern Experimenten, länger als eine 375 Viertelstunde. Nachdem wir dann das Ganglion coeliacum des Sympathicus gereizt hatten, entstanden einige Contractionen im rechten Vorhofe. Versuch 3. An einem erhenkten alten Hunde. Vier Minuten nach Eröffnung des Brustkastens und Herzbeutels schlug das Herz 26 Mal in einer Minute, 6 Minuten nach Eröffnung: 35 Pulsschläge in einer Viertelminute, dann musste mit Zählen aufgehört werden, weil wir uns wegen der Schnelligkeit der Schläge zu verzählen anfingen. Diese überschnellen Pulsatio- nen verwandelten sich in eine ganz unregelmässige Bewegung, die wir in gleicher Weise nie wieder gesehen haben. Es ent- stand eine wühlende Bewegung in den Muskelbündeln, unge- fähr wie wenn man einen frischen Muskel mit Salz bestreut, Dabei war das ganze Herz ziemlich contrahirt, ein Wechsel von Systole und Diastole fehlte ganz. Nach 7 Minuten stand der Vorhof still, aber in den Ventrikeln dauerten die erwähn- ten wühlenden Bewegungen fort, nur wurden sie immer schwä- cher. Jetzt wurde dasHirn freigelegt und in der Längenspalte (nach 41 Minuten) gereizt, wobei dieselben unregelmässigen Bewegungen verstärkt auftraten, der Vorhof jedoch unthätig blieb. Dann wurde das Corpus callosum 6 Minuten lang ge- reizt, ohne dass die Erscheinung im mindesten sich änderte. Versuch 4. Ein alter Kater, durch Hängen getödtet, wurde zu verschiedenen Experimenten am Gehirn gebraucht. Erst 40 Minuten nach dem Tode wurde das Herz freigelegt, welches nicht mehr pulsirte, jedoch bei directer Reizung sich jedesmal zusammenzog. Auch die Medulla obl. war noch reiz- bar, denn jede Berührung derselben mit den Polen einer gal- vanischen Säule erzeugte Zuckungen der Brustmuskeln. Da- gegen konnte durch Galvanisiren des verlängerten Markes keine Herzbewegung vermittelt werden. Versuch 5. An einem 10 Tage alten Hunde. Das Rük- kenmark wurde am Hinterhauptsbeine, in der Mitte des Rük- kens und in der Lendengegend quer durchgeschnitten. Dann wurde das Herz freigelegt und beobachtet, indem wir bisweilen 376 das Gehirn, bisweilen das Rückenmark oder auch gar nicht reizten. In der Zeit von ungefähr 3 Viertelstunden machten wir nach und nach 21 Beobachtungen, indem wir die Zahl der Herzschläge, welche in 4 Minute erfolgten, notirten. Hier- bei fand sich Folgendes. Aste Beobacht. 29 Herzschläge in 4 Min. ohne Reizung, 2te - 27 - ihtsE - = Ste - 26 - - - - - 4te - 32 - - - - Ste!) - 38 - oo. - - 6te - 39 - = TE E 2 Tte - 32 - ...- - - Ste - 32 - Filnite - - Ite - 26 - a I B P 40te - 23 - nl = = 4ite - 26 - nach Reizung des Dorsalmarks (in Folge welcher die Dorsal- muskeln zuckten), 12te - 17 - ohne Reizung, 43te - 22 - nach Reizung des Lendenmarks, 14te - 20 - in + Min. ohne Reizung, 15te - 24 - ohne Reizung, 46te - 24 - - - 17te - 235 - Bu - 18te - 30 - - 5 19te - 24 - - - 20ste - 22 - - - 21ste - 49 - , nach Reizung des Cervicalmarks. In dieser Versuchsreihe sehen wir zwar den Herzschlag nach Reizung des Dorsalmarks (11te Beobachtung) an, Schnel- ligkeit zunehmen, aber welcher exacte Beobachter wird 'hier- auf das mindeste Gewicht legen mögen? In der 43ten Beob- achtung erfolgt eine ähnliche Beschleunigung bei Reizung des 1) Die 5te Beobachtung geschah 3 Min. später als die 4te. 367 Lendenmarks uud in der 4, 5, 6, 15, 17, 18ten ie sie sich ohne allen äussern Anlass. ) Versuch 6. Ein Hund würde durch einen Schlag auf den Hinterkopf ‘getödtet, 'das Rückenmark in der Mitte "des Rückens und in der untern Lendengegend quer durchschnitten. Die Beobachtungen wurden wie im. vorigen Experiment ange- stellt und die Zahl des Pulses nach Intervallen von 2—3 Mi- nuten notirt. 1ste Beobacht. 30 Herzschläge in + Min. ohne Reizung, 2te - 26 - IR- - us 3te - 19 - =, 1m . 4te - 18 - - = + beigalvanischerReizung der untern Hälfte- des Rückenmarks, öte, - 17 - - = bei gleicher Reizung, 6te - 16 - - = ohne Reizung, Tte - 48 - - - bei Reizung der obern Hälfte d. Rückenmarks. Ste - 18 - - - ohne Reizung, Ite - 7 - ...- - - 10te - 28 - 3] - - (mehrere Minuten später). Versuch 7. Ein junger Hund, ungefähr 12 Tage alt, wurde ersäuft, die Brust eröffnet und die Herzschläge bemerkt: in der 4sten Min, 34 Pulse in 4 Min. ohne Reizung. = Benny H31 = ln. - - Blend areein “ Bene - 26, °- sul - - Sten - 26 = - - - - - - 40ten =. 27 - 0. - - - - - 42ien =. 21 - - - - - - 1dien -.18 - Ä 3 = 5 - AT - ©: Bisher waren die Zusammenziehungen des Herzens regelmässig gewesen, jetzt fingen die Conlractionen der Ventrikel an sel- Müller's Archiv, 1612. 25 368 tener zu werden als die der Vorhöfe, daher beide besonders beachtet werden mussten. Pulsschläge in 30 Secunden. mm N in der 19ten Min. 42 Vorhof, ? Ventrikel, ohne Reizung. - - 20sten - - - 21sten - - - 2östen - 26sten - - - 28sten - -» - S30sten - - +. 32%sten - - - 3ä4sten - - - 3östen - - - 38sten - - - 4isten - - - 4östen - - . 4östen - - 4Isten - 40 36 35 35 B nn 5 0*) 3 bei mechanischer Rei- zung des Corp. callos. ohne Reizung. nach mechan. Reiz. des Corpus callosum. bei Reizung d. Balkens mit Alkohol. bei Abwaschungd. Bal- kens mitlauemWasser. ohne Reizung. Versuch 8. Ein altes Kaninchen wurde durch Hängen getödtet und dann die Beobachtungen wie im vorigen Expe- riment durchgeführt. Beobachtung der Herzbeutel geöffnet wurde und dass die Be- obachtungen 2 Minuten nach Oeflnung des Brustkastens be- gannen, Pulsationen in 30 Secunden, Zu bemerken ist, dass nach der 4ten 2te Minute 70 Vorhof, 70 Ventrikel, ohne Reizung. 70 - 70ER I - . die - bie Tas Ste - 238 31 mo: - 4) Der Stillstand des Ventiikels dauerte 43 Minuten, 369 Pulsationen in 30 Secunden, 40te Min. 24 Vorhof, 16 Ventrikel, ohne Reizung. 42te 2-49 m\,- 7a siıhrs 5 r idte - 100)- 00- . i 46le -- 77 - Oim- : 5 , 49er -.62 -10u40 .- nach Reizung des Balkens. 2iste - 66 - hob ,z ohne Reizung. 23ste-: 48 - : 11 - - ste - 0-12) - : Be“ 2osteu-uindl - Sal = n - Dann hörten alle Pulsationen auf. Versuch 9. An einer trächligen Katze, welche durch Hängen gelödtet worden war, stellten wir verschiedene Beob: achtungen über die Bewegung der Eingeweide an, und erst 20 Minuten nach dem Tode berücksichtigten wir das Herz. Pulsationen in % Minute, mm rn 20ste Min. 100 Vorhof, 8 Ventrikel, ohne Reizung. 2iste - 4100 - 6 - - Abe in BA si Bi = - - Sste =, Malin ud - - 2Itte - 65..0- 3 - - r 34ste - el uubnieus nach Wegnahme des Hin- terhauptbeines. HL ein un u = oline Reizung. een mi dien. 10: 3 lan 404 - BidsinnniOni“ - - - Adler - dh) - 50 = nach Reizung d. Med.obl. '), A7ste - Zul O e ohne Reizung. 49ste - 1 0.110 nach Reizung d. Gangl. coel. 5dsle - Kt Iren] 1 TIERE ohne Reizung. 52ste 1) 0 - 1) Die Reizung geschah mittelst einer kräftigen galvanischen Säule, und wurde 4 Minute lang fortgesetzt; bei jeder Schliessung der Kette wurden die Dräthe der Sänle in das Mark eingestochen. Directe Reizung des Hurzens erzeug!e Pulsationen bis zum Ende des Versuchs. 25° Unter allen Versuchen ist es ein einziges Mal bei einem Kalbe vorgekommen, dass die Zahl der Herzschläge nach dem Tode continuirlich, obschon auch hier nicht gleichmässig, ab- nahm. Selbst bei Fröschen, denen das Rückenmark am ersten Halswirbel quer durchschnitten war, zeigten sich Unregelmäs- sigkeiten im Herzschlag. Der Puls intermittirte mehr oder weniger lange, und fand sich olıne nachweisliche Ursache von selbst wieder ein. Was beweisen nun die Versuche früherer Experimentato- ren, welche nach Reizung gewisser Hirntheile Beschleunigung der Herzschläge eintreten sahen? Durchaus nichts! Sie scho- ben die Vermehrung derselben, wenn sie-eintrat, auf die Rei- zung und meinten, wo sie nicht eintrat, der Reiz habe nicht genug gewirkt!) Jede Wiederholung solcher Reizversuche ist überflüssig, wenn man nicht erst Thierarten ausfindig macht, deren Herzbewegung nach dem Tode einem gesetzlichen Typus folgt. Ich will hinzufügen, dass selbst die Bewegun- gen, welche eintreten, wenn das Herz aufgehört hat zu pul- siren, nichts beweisen, da die Perioden der Ruhe manchmal sehr lange dauern und doch von selbst vorüber gehn. Ich wenigstens wage nicht einmal den merkwürdigen Fall, wo das Herz nach Reizung des Ganglion coeliacum Bewegungen machte, nachdem es über eine Viertelstunde still gestanden (s. oben Versuch 2.) als Folge der Reizung aufzufassen, obschon die Annahme eines Causalzusammenhanges für mich sehr einladend ist, da sie mit dem Beweise der- Selbstständigkeit des sympa- thischen Nervensystems und der Widerlegung der lex progres- sus Valentin’s, die Bidder und ich anderwärts versucht baben, in mancher Verbindung steht. Auch die Abhängigkeit der Darmbewegungen von den Cen- tralorganen hat man durch Reizversuche direct versuchen wollen. 4) Zu den ungültigen Versuchen bin ich genöthigt, meine eignen zu rechnen, in denen ich einen Einfluss des Vagus auf den Herzschlag der Frösche zu beweisen suchte. S. dieses Archiv. 1838. S: 87. 371 Valentin versichert durch Galvanisiren der Nervenwurzeln Magen und Därme in Bewegung gesetzt zu haben. So soll Reizung der Wurzeln des Oculomotorius, Trigeminus und Ac- cessorius Willisii bei der Katze Bewegungen der Därme, und Reizung der Wurzeln der 4 untern Halsnerven Bewegungen des Magens veranlassen '). Budge zog vor, die Centralorgane selbst zu reizen. Er behauptet, durch Reizung des Rücken- marks die Därme bewegt zu haben, durch Reizung der ge- streiften Körper und Sehhügel, besonders auf der rechten Kör- perseite, den Magen (a. a. 0. S. 149.), durch Reizung der Vierhügel den Dünndarm, durch Reizung des kleinen Gehirns endlich den Diekdarm. Bei Reizung des Rückenmarks sollen die Därme sich ungeheuer aufblähen, und diese Aufblähungen der Därme und des Magens sollen activer Art sein! Wir haben ähnliche Versuche in. beträchtlicher Menge ge- macht, haben die Centralorgane gereizt und Bewegungen des Magens uud der Därme gesehen, aber wir haben nichts ent- decken können, was zu dem Schlusse berechtigte, dass diese Bewegungen die Wirkung jener Reize wären. Vielmehr müs- sen wir der Ansicht Wilson Philipp’s beitreten, welcher sagt, dass Reizversuche, die beweisen sollen, dass die Central- organe des Nervensystems die Bewegungen des Speisekanals modifieiren, wegen der Natur dieser Bewegungen ein sicheres Resultat nicht geben können (a. a. ©. S. 139.). Um die Bewegungen des Magens und der Därme in Bezug auf ihre Stärke und ihre Oertlichkeit genau zu beobachten, ist es nolhwendig, die Bauchhöhle zu öflnen, worauf der Luft- reiz bei warmblütigen Thieren sehr starke peristaltische Be- wegungen hervorbringt. Diese Bewegungen entstehen, ver- schwinden, kommen wieder, zeigen sich bald an einer Stelle, bald an der andern, und verursachen ein im Anfange conti- nuirliches Gewühl der®verschiedenen Darmtheile untereinander. Es würde in dieser Periode nicht im entferntesten daran zu 4) De funclionibus nervorum. 8. 65. 372 denken sein, durch Reizversuche ein sicheres Resultat zu ge- winnen, denn wie wäre es bei diesem Chaos von Bewegungen möglich, über das post hoc und propter hoc auch nur mit einiger Sicherheit zu entscheiden? Allmählig werden die Be- wegungen schwächer, und die Perioden der Ruhe werden im- mer länger. Man könnte nun die Centralorgane reizen wollen, um zu finden, ob in Folge des Reizes die Perioden der Ruhe kürzer, oder was dasselbe sagt, die der Activität länger, und zugleich die Bewegungen energischer würden. Solche Expe- rimente würden nur dann einigen Werth haben, wenn sieh die Perioden der Ruhe der Zeit nach, und die Contractionen des Magens und der Därme der Kraft nach mit Sicherheit mes- sen liessen. Vielleicht wird man diesen Ausspruch etwas pein- lich finden und behaupten, dass ein geübtes Auge den Typus der Bewegung und den Grad der Contraction auch ohne Se- eundenuhr und Zollstab schätzen könne. Indess scheint es mir doch, dass solche Schätzungen, bei denen: der Phantasie ein freier Spielraum gelassen bleibt, für die Wissenschaft einen äusserst geringen Werth haben, einen um so geringern, da weder der Typus der peristaltischen Bewegung, noch der Grad der Contraction der Därme in Fällen, wo Reizung nicht statt- findet, eine hinreichende Beständigkeit zeigen. Vielmehr folgt eine Bewegung der andern bald schneller, bald langsamer, und die Contraclionen sind manchmal kräftiger, manchmal schwä- cher. Unter diesen Umständen könnte der Einfluss der Cen- tralorgane auf die Bewegung des Darmkanals höchstens dann auf dem Wege des Experimentes erkannt werden, wenn man eine so eben vorübergegangene Bewegung durch Reizung der Centralorgane sofort wieder hervorrufen könnte, und zwar nicht bloss einmal, wobei der Einfluss des Zufalls sich geltend machen könnte, sondern jedes Mal oder doch in der Regel. Dies gelingt indess nicht. . Da also der Einfluss der Centralorgane auf die Bewegun- gen des Speisekanals während des Fortbestehens der peristal- tischen Bewegungen nicht mit Sicherheit geprüft werden kann, 373 so müsste man bis zum Verlöschen dieser Bewegungen warten und versuchen, dieselben durch Reise des Gehirns und Rük- kenmarks wieder ins Leben zu rufen. Ich bin überzeugt, dass auch auf diese Weise angestellt, das Experiment nicht gelin- gen kana; denn die peristallischen Bewegungen dauern gewiss länger als das Leben der Centralorgane. Ich habe dieselben an einem vom Mesenterium abgetrennten Darmkanal der Katze drei Viertelstunden lang fortbesteben sehen, und glaube be- haupten zu dürfen, dass die Reizbarkeit der Centralorgane dann längst erloschen ist. Wenn aber die Oentralorgane eher sterben, als die Eingeweide aufhören sich selbstständig zu be- wegen, so kann von einer Wiederherstellung der erloschenen Darmbewegungen durch Reizung der Centralorgane natürlich nicht die Rede sein. Uebrigens erlöschen die peristaltischen Bewegungen des Darms so allmählig, dass sehr schwer zu be- slimmen sein möchte, welche Bewegung die letzte sei, die von selbst erfolgen könne. Man muss also nach dem schein- baren Aufhören der peristaltischen Bewegungen mindestens 5 Minuten und länger warten, ehe man wagen darf zu be- haupten, dass die Ruhe, welche eingetreten, eine bleibende sei. Reizte ich nach dieser Zeit dte Centralorgane, so gelang es mir nie, die verschwundene peristaltische Bewegung wieder ins Leben zu rufen. Budge erzählt von Versuchen, welche keinem der bisher erwähnten Einwürfe unterliegen. Er entfernte bei frisch ge- tödteten Thieren nicht nur die Haut der Bauchgegend, sondern auch die Bauchmuskeln, so dass die Eingeweide durch das Bauchfell deutlich hindurchschimmerten und doch vor dem Zu- tritt der Luft geschützt waren. In keinem solchen Falle zeig- ten sich peristaltische Bewegungen, dagegen wurden sie bei Reizung der Centralorgane höchst auflällig, ja es sollen sich sogar die heftigsten Aufblähungen des Magens und der Därme kund gegeben haben. Wir haben diese Versuche an Katzen wiederholt und eben- falls gefunden, dass die vor dem Zutritt der Luft geschützten 374 Därme keine peristaltischen Bewegungen durch das Peritoneum hindurch erkennen lassen. Wir haben dagegen nicht gefun- den, dass nach Reizung der Centralorgane die fehlenden Be- wegungen eingetreten wären. In zahlreichen ‘Versuchen ist uns auch nicht ein einziger Fall der Art vorgekommen, ob- schon die Eingeweide hinreichend irritabel waren, wie die lebhaften peristaltischen Bewegungen bewiesen, die später ein- traten, als wir die Bauchhöhle öffneten. Hiernach müssen wir annehmen, dass die Bewegungen, die Budge beobachtet, auf zufälligen Umständen beruhten. Möglicher Weise hat sogar bei seinen Versuchen ein Missverständniss obgewaltet. Denn wenn Budge von Aufblähung des Magens und der Därme spricht, welche in Folge der Reizung der Centralorgane ein- traten, so darf man fragen, ob die Aufblähung des Bauches, welche er beobachtete, nicht bloss Folge einer Contraetion des Zwergfells war? Freilich will Budge auch bei geöffneter Bauchhöhle aclive Ausdehnung des Magens und der Därme direct beobachtet haben, aber diese Angabe kann kaum einen andern Erfolg haben, als die in Frage kommenden Beobach- tungen zu schwächen. Wir kennen an den Muskeln nur active Contraction, nicht E&pansion. Vortreflliche Beobachter, wie E. H. Weber, haben gezeigt, dass scheinbar active Ex- pansionen nur durch versteckte Contractionen vermittelt wer- den, und die von Budge angestellten Experimente sind so weit enlfernt zu beweisen, dass es eine active Expansion gäbe, dass sie sich auf Dösung des Problems, wenn es ein solches noch geben sollte, gar nicht einlassen. Anlangend den Einfluss der Centralorgane auf Bewegung der Geschlechtsorgane, so hat wiederum Budge denselben durch Experimente zu beweisen gesucht. Bei Reizung des kleinen Gehirns sollen sich ‘die Hoden aufblähen (?) und auf- richten, und zwar bei Reizung der linken Hälfte des kleinen Gehirns der rechte Hoden, und umgekehrt. Budge veısichert, dass er aus der Bewegung der Hoden jedesmal richtig bestimmt habe, welchen Theil des kleinen Gehirns sein Assistent zufällig EL LU Zn DU Ze 375 reizte. Ich bekenne, dass mir diese Angaben im höchsten Grade auffallend sind. Ich habe diese Versuche an einem Hunde und 7 Katern mit aller Sorgfalt wiederholt und auch nicht eine Spur von dem gesehen, was Budge beschrieben. Ich habe die grössten und kräftigsten Kater zu den Versuchen benutzt, und durch die anatomische Untersuchung constatirt, dass in keinem Falle der Cremaster durchschnitten war. In mehreren Versuchen war die Freilegung des kleinen Gehirns und der Eingeweide so schnell vollendet worden, dass bei jeder Ein- führung der Dräthe der galvanischen Säule in .die Tiefe des kleinen Gehirns Zuckungen in der Rückengegend erfolgten. Auch die Irvitabilität des Oremasters wurde mittelst directer Reizung desselben constatirt, aber in keinem Falle konnte durch meehanische oder galvanische Reizung des kleinen Gehirns eine Bewegung des Hoden, viel weniger ein Aufrichten desselben bewerkstelligt werden. Beiläufig ist zu bemerken, dass der Cremaster der Katze ein ausserordentlich zartes Bündel ist, welches auch bei direeter galvanischer Reizung den Hoden nicht aufrichtet, sondern nur um ein sehr Geringes gegen den Bauch anzieht. Nach diesen Versuchen und nach der Erklärung eines ungenannten Kritikers in der medicinischen Central-Zeitung von Sachs (1842, Nr .7.). welcher ebenfalls die Experimente Budge’s nicht bestätigt fand, darf man wohl annehmen, dass die Abhängigkeit der Hodenbewegung vom kleinen Gehirn durch Versuche nieht erwiesen, vielmehr zweifelhaft sei. Zwar ist mir sehr wohlbekannt, dass auch nach Reizung motorischer Nerven die Bewegungen bisweilen ausbleiben, und dass in die- sem Bezuge unsere negativen Resultate weniger beweisen als die positiven unsers Vorgängers. Es wäre denkbar, dass wir bei Reizung der Centralorgane nicht die rechten Stellen ge- troflen, in welchen die motorischen Fasern liegen, es wäre ferner denkbar, dass wir Centralorgane gereizt hätten, als sie die Receptivität bereils verloren halten. Allein wir haben nicht unterlassen, diese Bedenken selbst zu erheben und hier- nach unsere Versuche einzurichten. Die Receptivität der Cen- 376 tralorgane war in vielen unserer Experimente bestimmt nicht verloren, da noch Zuckungen in den willkürlichen Muskeln erfolgten, wenn wir sie reizten. Ferner ist es nicht wahrscheinlich, dass wir andere Stel- len des Rückenmarks und Gehirns reizten, als unsere Vorgän- ger, da wir uns bei den Reizversuchen nach ihren Angaben richteten; da wir ferner, wenn auf Reizung eines Punktes Bewegung nicht erfolgte, einen zweilen, einen dritten u. s. w. reizten, und da wir endlich mit einer starken galvanischen Säule reizten, deren Dräthe wir tief in die Nervenmasse einführten, so dass die galvanische Strömung eine grosse Masse von Faserbündeln ja fast das Rückenmark in seinem ganzen Durchmesser gleichzeitig erregen musste. Ich bin weit entfernt zu leugnen, dass die Centralorgane auf die Bewegungen der Eingeweide einen Einfluss ausüben, vielmehr machen pathologische Erfahrungen diesen Einfluss un- zweifelhaft. Allein die Erfahrungen am Krankenbette bewei- sen nicht, Jass dieser Einfluss ein direeter sei, und die Expe, rimenle an frisch geschlachteten oder gar an lebenden Thieren beweisen dies noch viel weniger. Einen directen Einfluss auf die Bewegung der Eingeweide würden das Gehirn und verlängerte Mark dann haben, wenn die motorischen Nerven in ihnen entsprängen, und im norma- len Zustande von hieraus den Anlass ihrer Thätigkeit erhiel- ten. Dass dem so sei, ist nur Hypothese. Zwar sehen wir, dass bei Leiden der Centralorgane die Bewegungen der Einge- weide in Mitleidenschaft gerathen, aber wir sehen auch, dass bei Leiden der Haut, des Darms, der Leber u. s. w. Convul- sionen entstehen, ohne hieraus zu schliessen, dass die motori- schen Nerven der willsürlichen Muskeln von ihnen entsprän- gen und direct abhängig wären. Vielmehr wissen wir, dass die convulsivischen Bewegungen nur indirect von den gereizten Häuten und Eingeweiden abhängen, und so könnte möglicher Weise Gehirn und Rückenmark einen indireeten Einfluss auf die Bewegungen der Eingeweide ausüben, obschon die 377 motorischen Nerven der letztern vom Sympathicus entsprän- gen. Dass dem so sei, ist die zweite Hypothese, welche der früher erwähnten gegenüber gestellt werden kann. Man könnte sich nämlich denken, dass die Ganglien nicht nur die Ursprungsstellen centrifugaler Fasern wären, welche als motorische Leiter zu den Eingeweiden gingen, sondern auch die Quellen centripetaler Fasern, deren Enden im Ge- birn und Rückenmark liegen. Würden nun Hirn und Rük- kenmark gereizt, so würden auch die oben erwähnten centri- petalen Fasern gereizt; sie würden die erhaltene Erregung ihren respect. Centralorganen, den Ganglien, zuführen, von welchen sie refleclorisch auf die Eingeweide übergehen und Bewegung vermitteln könnte. Beide Hypothesen haben manches für sich und manches wider sich, und bedürfen weiterer Prüfung. Eine definitive Entscheidung, welche von beiden den Vorzug verdiene, wäre nur auf anatomischem Wege erreichbar, aber leider ist dieser einzige Weg so schwierig, dass auch er kaum zum Ziele füh- ren dürfte. Ueber die Augennerven des Delphins (Delph. phocaena). Von Prof. Hermann Stannıus in Rostock, Die einzige, bis jetzt öffentlich bekannt gewordene Untersu- chung der Augennerven des Delphins rührt von Herrn Rapp her. Derselbe theilt Folgendes über diesen Gegenstand mit: „Der N. oculo-motorius geht ‘durch die Fissura orbitalis und theilt sich in zwei Aeste; einer derselben versorgt den M. palpebralis und, den M. rectus "oeuli superior. Der zweite diekere Ast giebt einen sehr kurzen Zweig, der sich mit dem R. ciliaris des N. trigeminus verbindet; die übrigen Zweige ge- hen in den M, choanoides, M. rectus oculi internus, M. rectus oculi inferior und M. palpebralis. Der sehr dünne N. patheticus verbindet sich durch einen sehr dünnen Zweig mit dem R. ophtbalmicus Irigemini, und verliert sich ganz in dem obern sehiefen Augenmuskel. Der N. trigeminus bildet keine Anschwellung ( Ganglion semilunare), oder die grosse Portion des Nerven verdickt sich ganz unmerklich. Das 5te Paar geht durch zwei Löcher aus der Schädelhöhle hinaus, durch die Fissura orbitalis und durch das eiförmige Loch. Der Theil, welcher durch die Fissura orbitalis geht, entspricht dem R. ophthalmicus und dem R. masillaris superior, Aus dem vorderen Aste (R. ophthalmieus und R. maxil- Jaris superior) kömmt ein Zweig zu der Thränendrüse und zu der Bindehaut; ein anderer Zweig verbindet sich mit einem 379 sehr kurzen Zweige des N. oculo-motorius, aus welcher Ver- einigung, ohne dass ein Ganglion ciliare vorhanden wäre, eine grosse Zahl von feinen Nervenfäden hervorgeht. Die meisten begleiten den Sehnerven und begeben sich mit ihm zum Auge; einige gehen zum M. choanoides. Andere kleine Zweige des R. ophthalmieus gehen zum M. palpebralis superior, vectus oeuli superior und reelus oculi internus. Ein anderer Zweig des R. ophthalmieus giebt seine Fäden an den M. rectus infe- tior und externus, obliquus inferior und palpebralis inferior. Der N. abducens ist für den M. choanoides und für den äussern geraden Augenmuskel bestimmt ').* Nach dieser Darstellung sollte man bedeutende Abwei- chungen von der gewöhnlichen Vertheilungsweise der genann- ten Nerven beim Delphin erwarten. Der angebliche Mangel eines Ganglion ciliare, eines Ganglion semilunare, die Ver- schmelzung der beiden ersten Aeste des Trigeminus, die so bestimmt als Ausnalıme hervorgehobene Vertheilung des ersten Astes des Trigeminus in Muskeln, der Mangel des R. frontalis sind um so auflallender, als man die meisten der genannten Nerven und Anschwellungen bei fast allen Wirbelthieren, bis zu den Fischen herab, streng typisch angeordnet antrifft. Sorgfältige Untersuehung dreier Delphinköpfe hinsichtlich des Verlaufes und der Vertheilungsweise der Augennerven hat mich nun zu Resultaten geführt, die von den eben mitgetheil- ten bedeutend abweichen und dagegen zeigen, dass die ge- hannten Nerven in fast allen Beziehungen auch beim Delphine den gewöhnlichen Typus beibehalten. Die Augenmuskeln des Delpbins bieten, wie Rapp völlig richtig auseinandergesetzt hat, bedeutende Eigenthüm- lichkeiten dar. Im Umkreise des Sehnervenloches entspringen sehnig und völlig miteinander verschmolzen die Musculi recti oculi, deren 1) Die Cetaceen zoologisch-anatomisch dargestellt von W, Rapp. Stalig. u. Tüb. 1837. $. 419, 120. 121. 380 Sonderung hier nur eine künstliche sein würde. Diese hier verschmolzene Muskelmasse theilt sich in ein sehr schwaches Stratum internum, das mit 4 äusserst schwachen Sehnen (den MM. reetis) an den Bulbus sich inserirt und ein starkes Stratum externum, das verschmolzen bleibt, den Bulbus trichterförmig umfasst und sich ringförmig im Umkreise desselben an seine den Augenlidern entsprechende häutige Umgebung, befestigt. Rapp hat diesen äusseren Muskeltriehter sehr angemessen M. palpebralis genannt. Derselbe hat 3 Oeflnungen: 1) die erste befindet sich zwischen der Palpebralschicht des M. rect. intern. und rect. superior; sie bildet einen Schlitz zum Durchtritt des Muse. obliquus superior, damit derselbe an den Bulbus sich inseriren könne; 2) eine zweite befindet sich in der Palpebral- schicht des M.rectus inferior zum Durchtritte des M. obliquus inferior; 3) die dritte und grösste liegt am innern Augenwin- kel, wo durch die dem M. rectus internus entsprechende Pal- pebralschicht die Thränendrüse hervorragt. Nur an dieser Stelle liegt sie ausserhalb des Muskeltriehters, denn von hier aus er- streckt sie sich aufwärts und abwärts, um, bedeckt von dem M. palpebralis, längs des vorderen Randes des Bulbus einen Ring zu bilden. Sie liegt vor dem Ansatzpunkte der Musculi obliqui, bedeckt von einer fibrösen Membran. Der Sehnerv und das denselben umgebende Gefässnetz wird von eigenen Muskelbündeln eingeschlossen (M. choanoides), welche einen vollständigen Trichter um die eben genannten Theile bilden und an ihrem Ursprunge ebenfalls mit den M.M. rectis und deren Palpebralschicht innig verschmolzen sind. Die eigentlichen M.recti oculi iragen also sehr wenig zur Bewegung des Bulbus bei; ihre Stelle wird vielmehr von dem an seinem Ursprunge mit ihnen verschmolzenen M. choanoides vertreten; sie stehen dagegen den Bewegungen der Augenlider vor. Die schiefen Augenmuskeln zeichnen sich durch ihre Stärke aus. Nach diesen Bemerkungen gehe ich zu den Augenner- ven über. 381 1. N. oeulorum motorius. Er tritt dicht über dem Trigeminus in einen Schlitz der harten Hirnhaut, ist von ihm und seiner gangliösen Anschwel- lung durch eine Scheide jener Haut getrennt, verläuft auswärts vom R. ophthalmicus trigemini, steht mit den im Wundernetze der Schädelhöhle sich verbreitenden Zweigen des Sympathicus durch einige äusserst feine Zweige in Verbindung, und tritt durch die Fissura orbilalis in die Augenhöhle. Schon vor seinem Eintritt in dieselbe giebt er einen ziem- lich starken Zweig ab, der für den verschmolzenen Rectus und Palpebralis superior bestimmt ist. Der Stamm des Nerven tritt nun unter der Sehne des M. rectus superior, bedeckt vom N. opticus, in den Zwischenraum zwischen diesem und dem Bo- den des M. choanoides an die Innenseite des Sehnerven. Nun geht von ihm die Verbindung zum Ganglion eiliare ab, Diese besteht entweder in 2 dicht nebeneinander liegen- den, äusserst kurzen, ziemlich starken Fäden, oder aus einem etwas längeren, ziemlich starken Faden, oder endlich aus einem äusserst feinen langen Fädchen. Dasselbe verläuft immer un- terhalb des N. opticus. Nach Abgabe des Verbindungszweiges zum Ganglion ci- liare theilt sich der Stamm des Nerven in 2 Aeste: einen dün- neren inneren und einen starken äusseren. Jener begiebt sich in den M, rectus und palpebralis internus; dieser verläuft auf dem M.reetus inferior vorwärts und theilt sich in drei Zweige: zwei äussere schwächere, welche in dem gemeinschaftlichen M. reetus und palpebralis inferior sich vertheilen und einen mittleren, viel stärkeren, der durch die Bündel des M. palpe- bralis inferior durchtrilt und in 3 Zweige getheilt in den M. obliquus inferior da eintritt, wo dieser Muskel den M, palpe- bralis inferior durchbohren will. 2. Nervus trochlearis. Dieser dünne Nerv tritt auswärts vom N. trigeminus in einen Schlitz der harten Hirnhaut; er theilte sich (in 2 Fällen) 382 sogleich in zwei Zweige, welche sich bald wieder zu einem Stamme vereinigten. Er verläuft neben dem Stamme des Ophthalmieus, dem er dicht anliegt. Von diesem letzteren Nerven erhält er gleich nach dessen Hervortreten aus dem Yanglion irigemini einen kurzen dünnen Faden, der vom Ophihalmicus aus schräg vorwärts verlaufend in ihn eintritt. Diese Verbindung, deren auch Rapp gedenkt, habe ich 6 Mal beobachtet. In 4 Fällen sah ich vom N. troch- learis bald nach Empfäng dieses Verbindungszweiges ein dün- neres Fädchen abtreten, das sich alsbald spaltete. Ein Zweig trat an den Stamm des Maxillaris superior trigemini, während der andere in das unter der harten Hirnhaut liegende Gelfüss- netz sich begab. Der Stamm des N. trochlearis verläuft alsdann anfangs auswärts vom R. ophthalmieus trigemini, und tritt mit ihm in die Fissura orbilalis. Während des Eintrittes in dieselbe geht er über dem genannten Nerven weg und trilt über dem An- satzpunkle des gemeinschaftlichen Rectus und Palpebralis su- perior, an der oberen Decke der Augenhöhle verlaufend, in den Muse, obliquus superior. Er giebt demselben zuerst einen kurzen Ast, verläuft dann an der Oberfläche des Muskels mit ihm vorwärts und veriheilt sich in seinem vorderen Theile. 3. Nervus abducens. Er tritt in eine Oeffnung des Keilbeinkörpers, welche seit- wärts von der Sella turcica liegt, und verläuft in einem kur- zen Kanale des genannten Knochens nach vorn. Innerhalb des- selben sieht er durch feine Fäden mit dem Carotidengeflechte des Sympathieus in Verbindung. Indem er diesen Kanal ver- lässt, tritt er unter das Ganglion Gasseri. Später begiebt er sich an die Innenseite des R. ophthalmicus trigemini. Entwe- der tritt er nun geirennt von diesem letzteren in die Augen- höhle (4 Fälle), oder er geht eine Verbindung mit ihm ein (2 Mal beobachtet). In dem ersteren Falle iritt er unler dem R. ophthalmicus durch die Fissnra orbitalis in die Augenhöble, 383 Er liegt anfangs-zwischen dem gemeinschaftlichen Sehnenbauch der Augenmuskeln und giebt plötzlich zahlreiche sehr feine Zweige nach innen hin ab, welche für den Musculus choanoi- des bestimmt sind. Einmal sah ich einen dieser zarten Zweige mit in das Ganglion ophthalmicum übergehen. Die starke Fortsetzung des Stammes des N. abducens tritt nun durch die äussere und innere Sehne des M. choanoides zum M. rectus und palpebralis externus. Er theilt sich alsbald in 2 Acste, welche in dem genannten Muskel sich vertheilen. Das andere Verhalten, das ich an beiden Seiten des näm- lichen Thieres beobachtet, ist folgendes: Der Stamm des N. abducens legt sich eng an den des R. oplithalmieus an. Von ihm erhält er einen starken, aber kurzen Verbindungsast, der vom R. ophthalmicus aus etwas schräg vorwärts verlaufend in den N. abducens übergeht, Durch ihn hat der N. abducens an Dieke zugenommen. Er tritt nun über den Stamm des R. subeutaneus malae vom zweiten Aste des Trigeminus weg in den Zwischenraum zwischen M. rectus (und palpebralis) externus und M. choanoides. Hier zerfällt er plötzlich in zahlreiche Zweige. Zwei äussere starke Zweige ver- ästeln sich im M.rectus und palpebralis externns; drei schwä- chere Zweige treten, dicht aneinander gelegen, zwischen zwei Fascikeln des M. choanoides durch und treten, nachdem sie vorher einen sehr feinen Zweig für den M. choanoides abge- geben, in den Raum zwischen M. choanoides und N. oplieus. Diese Zweige spalten sich noch in mehrere feine Fäden, von denen die meisten in das G. ciliare eintreten, während ein Paar ganz feine Fädchen an dem Ganglion vorbeigehen, um sich später mit den aus dem Ganglion austretenden Fäden zu verbinden. Zwei noch weiter einwärts gelegene Fäden des N. abdu- cens verbreiten sich ausschliesslich im M. choanoides. 4. Nervus ophthalmiceus trigemini. Dieser Ast ist schwächer als der N. oculorum motorius. Er entspriugt aus dem oberen Theile des länglich runden, Müllers Archiv, 1812, 26 384 deutlich und sogar ziemlich stark angeschwollenen, röthlich- grau gefärbten Ganglion der grösseren Portion des Trigeminus. Der 10 bis 42 Mal dickere Ramus maxillaris superior ist durch mehrfache Blätter der harten Hirnhaut und durch Gefässe voll- ständig von ihm gelrennt, liegt viel tiefer als er und mehr nach innen. Noch vor seinem Eintritle in die Augenhöhle giebt er nach aussen einen dünnen äusseren Ast ab, der sogleich in 2 Zweige sich spallet. Einer dieser Zweige, a, tritt in den Zwi- schraum zwischen M. choanoides und M. recius und palpebra- lis externus. Er ist bestimmt für die Thränendrüse, für das fibröse Gewebe, das sich von der Thränendrüse aus zwischen den genannten Muskeln hinzieht, und für ‚den M. choanoides, dem er einen feinen Faden schickt. Ein feiner Zweig, wel- cher zwischen dem M. rectus externus und der erwähnten dieken fibrösen Ausbreitung zum innern Theil der Thränen- drüse verläuft, schien auch dem M. rectus exiernus ein äus- serst feines Fädchen zu geben. Einen sehr feinen Zweig ver- folgte ich durch den M. choanoides in das den N. opticus um- gebende Wundernetz. Der andere innere Zweig, b, tritt in den Zwischenraum zwischen dem M, choanoides und dem N. opticus. Aus ihm gehen hervor 1) ein Paar sehr feine Zweige für den M. choa- noides, 2) einige. unbeständige R. ceiliares longi, welche zwi- schen dem N. optieus und dem Wundernetze zur Scelerotica verlaufen. Sie bilden sowohl untereinander, als mit den aus dem Ganglion ciliare austrelenden Zweigen geflechtartige Ver- bindungen; 3) die Verbindung zum Ganglion ciliare, welche schräg vorwärts und einwärts verläuft. Rücksichtlich dieser Verbindung zum Ganglion wurden Verschiedenheiten beobach- tet: a) der R. communicans ist einfach, stark, lang, und tritt in den hinteren und äusseren Theil des Ganglion ciliare. b) Es sind 2Rami ad Ganglion eiliare vorhanden: ein äusserst feiner kürzerer, der in den hinteren Theil des Ganglion eintritt, und ein längerer, der an die vordere Spitze des Ganglion sich 385 begiebt, ohne anscheinend in die eigentliche Substanz des Gan- glion einzugehen. c) Es ist nur ein äusserst feiner Zweig vor- handen, der in das Ganglion eintritt (Fälle, wo in das Gan- glion Fäden des Abducens, der sich vorher mit dem R. ophı- thalmieus verbunden halte, eingingen). Diesen äusseren Ast des R. ophihalmicus, der also zu- gleich R. laerymalis, museularis and ciliaris ist, habe ich be- sländig beobachtet. Seine Vertheilungsweise bietet aber in den einzelnen Fällen mancherlei Verschiedenheiten dar. So sah ich zweimal eine Verbindung eines Thränendrüsenzweiges mit einem Zweige des N. subeutaneus malae, So vermisste ich die Zweige zum M. choanoides in den Fällen, wo der M. abducens zuvor Zweige vom R. ophthalmieus aufgenom- men hatte. Nach Abgabe dieses äusseren Astes tritt der Stamm des N. ophthalmicus schräg vorwärts verlaufend in die Fissura or- bitalis der Augenhöble und gelangt auswärts vom N. oculo- ram und N. opticus in den inneren Kegel der Augenmuskeln. Indem er nun über dem N. optieus weggehen will, giebt er zahlreiche feine äussere Zweige ab und setzt sich fort als N. supraorbilalis. Die nach aussen von ihm abgehenden Zweige sind rück- sichtlich ihrer Anzahl, ihrer Stärke und selbst ihrer Verlhei- lungsweise verschieden. Beständig haben sie das Eigenthüm- liche, dass sie der Scheide des N. opticus längere oder kürzere Zeit unmiltelbar anliegen. Einige dieser dünnen Zweige Ireten über dem N. optieus, dem sie eine Strecke weit dicht anlagen, weg, begeben sich in das Wundernetz, durchsetzen dasselbe und ireten in die inneren Theile der Thränendrüse. Einige andere Fäden verlaufen unter dem N. opticus, lösen sich zum Theil von ihm ab und verbinden sich mit den aus dem Oiliar- knoten irelenden Nerven geflechtarlig; zum Theil bleiben sie an der Scheide des N. optieus angeheftet und scheinen an ihr sich zu verlieren. Andere Fäden scheinen im Wundernelze zu bleiben; einer verästelt sich im M.choanoides und sendet 26° a un. 386 anscheinend auch ein Fädchen in den Musculus rectus in- ternus. Beständig habe ich einen R. accessorius ad supraorbitalem beobachtet. Er ist stärker als die vorigen, tritt über den N. oplicus weg, giebt sehr feine Zweige ab, welche für das Wun- dernetz und die Thränendrüse bestimmt sind, verlässt den Trich- ter des M. choanoides, indem er ihn durchbohrt, verläuft dicht unter dem M, rectus superior in dem fibrösen Gewebe, das ihn vom M. choanoides trennt, vorwärts und aufwärts, gelangt an die Thränendrüse, und erstreckt sich dann unter dem vor- dersten Theile des M. obliquus superior bogenförmig einwärts. Hier verbindet er sich mit dem R. supraorbitalis. Dieser R. supraorbitalis ist der stärkste Ast und die ei- gentliche Fortsetzung des Stammes des R. ophthalmieus. Er verläuft über dem N. opticus schräg durch die Augenhöhle nach vorn und innen. Nachdem er den Trichter des M. choa- noides verlassen, verläuft er zwischen diesem und dem M, recetus superior, später, nachdem er den letztern Muskel durch- bohrt, unter dem M. obliquus superior nach vorn und innen, und gelangt so zum vorderen oder inneren Augenwinkel. Auf diesem Wege giebt er mehrere (2 bis 4) dünne Zweige ab, welche unter dem M. rectus superior und unter dem M. obliquus superior, bisweilen ungespalten, bisweilen, nachdem sie sich plexusarlig miteinander verbunden, hindurchgehen und zur vorderen oder inneren Wandung der Augenhöhle sich be- geben. Wahrscheinlich sind es feine Rami nasales. Nachdem der R. supraorbitalis am inneren Augenwinkel mit dem R. accessorius sich verbunden, spaltet er sich in meh- rere Aeste, welche theils am inneren Augenwinkel unterhalb der äusseren Haut sich verbreiten, iheils vielfach verzweigt und wieder verbunden oberhalb des Bulbus verlaufen. Hier bilden sie, von vorne nach hinten verlaufend, unter der äus- seren Haut und im Fette sich verzweigend, mehrere Kränze um das Auge, die in verschiedener Höhe liegen. Einzelne sehr feine Fäden treten zwischen die Muskelfasern des Muse. palpebralis superior. j | ee | 387 5. Ganglion ciliare. Ich habe dasselbe nie vermisst. Seine Wurzeln verhalten sich verschieden. Sie stammen aus dem R. externus ophthal= mici, aus dem Stamme des Oculorum motorius, und bisweilen grössientheils aus dem Abducens, der vorher eine Verbindung mit dem Ophthalmieus eingegangen ist. In diesem letzteren Falle sind die Wurzeln vom R. ophthalmicus und vom Ocu- lorum motorius zwar vorhanden, aber ganz ausserordentlich fein und untergeordnet. Aus dem Sympathicus babe ich bisher keine Wurzel zum Ganglion beobachtet. Das Ganglion liegt entweder unter dem N. oplicus, oder etwas auswärts von ihm; in der Regel liegt es ziemlich dicht am Stamme des Oculorum motorius, entfern- ter lag es in dem Falle, wo der Abducens die Wurzeln zu demselben sendete. Es liegt auf dem Wunderneize, das den N. optieus umgiebt, und wird durch dasselbe vom M. choa- noides gelrennt. Es ist bald länglich rund, bald mehr flach und Jinsenförmig und enthält deutliche Ganglienkugeln. Zahl und Stärke der aus demselben tretenden Ziveige ist verschie- den; ich zählte deren 3 bis 8. Diese Zweige verlaufen mei- stens an dem Sehnerven und unter demselben auf dem Wun- dernetze, und durch dieses zur Sclerolica, in welche sie meist nahe au der Eintrittsstelle des Optieus sich inseriren. Ge- wöhnlich bilden sie Geflechte, gehen auch Verbindungen ein mit feinen Zweigen, welche direet aus dem Ophthalmieus kommen. Zweimal salı ich 2 aus dem Ciliarganglion kommende Fäden das Wundernelz durchsetzen und durch den M. choa- noides hindurchirelen, um zu dem am inneren Augenwinkel aus dem M, palpebralis hervorragenden Theil der Thäuendrüse sich zu begeben. llier halle es den Anschein, als ob Zweige des Ganglion eiliare in Muskelfaseru sich begäben, in der That aber gingen sie nur hindurch, Einzelne Fäden schienen mir im Wundernelze sich zu verlbeilen und nicht bis zur Sclerolica vorzudringen. Ueber das Gebiss des Lama. Von Prof. Dr. Stannıus. Die Zahl der Zähne des Lama wird gewöhnlich auf 30 an- gegeben. Davon sollen 14 der Oberkinnlade angehören, näm- lich 2 Schneidezähne, 2 Hundszähne und 10 Backenzähne. Im Unterkiefer wird die Zahl zu 16 bestimmt, nämlich 6 Schnei- dezähne, 2 Huudszähne, 8 Backenzähne. Nach Fr. Cuvier (Dents des mammiferes p. 229.) würden sich also die Lamas von den Kamelen durch den Mangel der 2 kleinen zugespitz- ten (Lücken-) Zähne unterscheiden, welche bei den letzteren zwischen den Hundszähnen und den eigentlichen Backenzäh- nen vorkommen. Mit diesen Angaben stimmen die von J. A. Wagner (Schreber’s Säugethiere, fortges. von J. A. Wag- ner. 5ter Thl. 2ter Bd. Erl. 1837. 4. Seite 1788.) überein; nur äussert Wagner die Vermuthung, dass der abgerückte vorderste Backenzalın, der bei den Kameelen gleich hinter dem Eckzahne steht und diesem an Gestalt ähnlich ist, vielleicht beim jungen Lama vorhanden sein möge. Er fand nämlich hin- ter dem hakenförmigen Backenzahn eine Grube, welche von der Wurzel des Eckzahnes ausgefüllt wird, ursprünglich aber j vielleicht einen zweiten hakenförmigen Backenzahn ‚beherber- gen konnte. 5 ‚ Während also bei alten Individuen nur 2 Schneidezähne im Zwischenkiefer vorhanden sind, finde ich bei einem neu- 389 gebornen Lama deren 4. Beide Paare sind schr klein und meisselförmig, in der Mitte leicht eingekerbt. Der folgende Eckzahn ist sehr wenig grösser und gleich- falls meisselförmig. Zwischen ihm und dem ersten kleinen hakenförmigen Backenzahne findet sich eine weite Lücke; der erste kleine Backenzalın steht dieht an dem 2ten und dieser am 3ten, der 4te ist noch in der Entwickelung begriffen. J. A. Wagner hat auch bei dem jungen Kameele vier Schneidezähne angetroflen (I. &. S, 1787), so dass also das Lama auch in dieser Rücksicht mit dem Kameele übereinstimmt. Das Os interparietale ist sehr gross; der Hinterhauptskamm läuft quer über dasselbe hinweg. In der Stirnnaht findet sich ein ziemlich grosser Nahtknochen. Uebrigens ist dieser Schädel noch in sofern interessant, als seine Zwischenkiefer- und Oberkieferbeine, in viel gerin- gerem Grade auch die Nasenbeine, nach der rechten Seite hin- über gebogen sind, eine Missbildung, welche Gurlt, der sie "beim Pferde und beim Schweine beobachtet, mit der Benen- nurfg Campylorhinus lateralis belegt hat. Ein missgebildetes Pferd dieser Art besitzt das Rostocker Museum ebenfalls. Ueber Gebiss und Schädel des Walross, unter Berück- siehtigung der Frage, ob die Verschiedenheiten im Baue des Schädels zur Unterscheidung meh- rerer Arten der Gattung Trichecus berechtigen. Von Prof. Dr. Stannwıvs in Rostock. g. 1. Während die meisten Zoologen nur eine Art der Gattung Tricheeus anerkennen, sind Andere zur Unterscheidung zweier oder mehrerer Arten geneigt. Pennant zweifelt, ob die Thiere, welche an den Küsten von Nova Zembla, den Vorgebirgen, welche dem Nordpol am nächsten liegen, um Unalaschka u. s. w. vorkommen, mit de- nen vom Golf St. Lawrence einerlei Art sind. „Die Hunds- zähne von den Walrossen des Eismeeres sind viel länger und dünner, haben auch eine Windung und Krümmung nach in- nen zu“ '), Shaw macht auf die Verschiedenheilen aufmerksam, wel- che sich bei Vergleichung der von Jonston und von Cook gegebenen Abbildungen herausstellen. „It should seem, that, in the regions then visiled by Capitain Cook, viz the iey coasts of Ihe American continent, in lat. 70, the Walrus is found wilh tusks much longer, thinner and far more sharp pointed, in 1) Thom Pennant, Thiergeschichte der nördlichen Polarländer. Uebers. von €. A. W. Zimmermann. Leipzig 1787. A. 1. Abth. 2. S. 143. 391 proportion, ihan the common Walrus; and they have a slight inelination to a subspiral twist: there is also a difference in the position of the tusks in the two animals; those of the va- riety figured in Captain Cooks voyage curving inwards in such a manner as nearly to meet at Ihe points, while those of Ihe former divaricate.* Shaw betrachtet jedoch diese Charactere nicht als genügend zur Unterscheidung zweier Arten !). Fr. Cuvier bemerkt am Schlusse seiner Beschreibung des Zahnbaues des Walrosses Folgendes: „Ces dents ont die de- erites d’apres plusieurs teles qui semblent avoir appartenu A deux especes, ä en juger du moins par les proporlions de quelques unes de leurs parties, et non pas seulement par V’etendue de leurs defenses, caraciere qui avait deja fait soup- sonner ä Shaw l’existence de deux especes de morses“ ?). Bei J. B. Fischer findet sich folgende hierher gehörige Bemerkung: „Vix dubium duas sub ipso latere species, alteram borealem. alteram australem (ab Illigero Tr. obesum s. diver- gentem vocatam) quas laniariis plus minus crassis et plus mi- nus convergentibus differre suspieatur cl. Shaw“ °). Am ausführlichsten endlich hat über die Unterschei- dung mehrerer Arten der Galtung Trichecus gehandelt de Fremery *). Die Vergleichung von 14 Schädeln der reichen Holländi- schen Museen führte ihn zur Aufstellung dreier verschiedenen 1) George Shaw general zoology. Vol. 4. p. 4. p. 236. 237. Fig. 68. 68°. 2) F.Cuvier des dents des mammileres considerdes comme ca- racleres zoologiques. Paris 1825. 8. p. 235. 3) 3. B. Fischer: Synopsis Mammalium. Stuttgd. 1829, 8. p: 243. Ich weiss nicht wo Illiger diese beiden Arten unterschie- den haben soll und vermuthe, dass dieser Angabe ein Irrthum zum Grunde liegt. 4) Bijdragen tot de naluurlijke Geschiedenis van den Walrus en de Kennis der Verscheidenheden welke onder deze dieren voorkomen, door N. ©, de Fremerij, in van Hall, Vrolick en Mulder. By- dragen tot de natark. Wetensch. VI. 1831. p. 360 sgg. 392 Arten. © Zwei derselben besitzen divergirende, die dritte con- vergirende Stosszähne. Bei der ersten Art, Tr. Rosmarus, sollen die divergirenden Stosszähne etwa halb so lang sein, als der ganze Kopf, und sollen an der Aussenseite schwach ge- fureht sein, an der Innenseite jedoch bisweilen 2 Furchen be- sitzen. Es sind 5 Backenzähne vorhanden, von denen die zwei hintersten sehr klein sind. Der untere Rand der Nasenöffnung ist wenig vorstehend. Der quere Kamm des Hinterhauptbeines ist (trotz der Jugend der untersuchten Thiere) sehr entwickelt. Die Schädelknoehen haben eine grosse specif. Schwere. - Bei der zweiten Art: Trich. longidens soll die Länge der Stosszähne mehr als zwei‘Dritttheile der Schädellänge betra- gen, oder die letztern sogar übertreffen, Die Stosszähne ha- ben an der Innenseite eine tiefe Furche. Es sind nur 4 Bak- kenzähne vorhanden, von denen der hinterste klein ist. Der quere Kamm des Hinterhauptsbeines ist selbst bei alten Thie- ren minder entwickelt: Die Schädelknochen haben eine ge- ringere specifische Schwere. Die dritte, als zweifelhaft hingestellte Art: Tr. Cookii (vergl. Shaw. Tab. 68.), zeichnet sich durch convergirende Stosszähne aus. Wiegmannt) ist geneigt, die von de Fremery auf- geführten Unterschiede theils als individuelle, theils als sexuelle zu betrachten. Er ist mit Temminck der Meinung; dass sich das Weibchen durch längere und dünnere, das Männchen durch kürzere, aber viel diekere Stosszähne auszeichne. Die gerin- gere Entwickelung der Hinlerhauptsleiste, die geringere Schwere der Knochen, selbst das Zurückbleiben des hintersten Backen- zahnes im Oberkiefer könnle, wenn es wirklich nur sexuelle Verschiedenheit sein sollte, mit Analogieen belegt werden. Die mehr oder minder starke Hervorragung des unteren Randes der Nasenöflnung erklärt Wiegmann nach seinen Beobach- tungen nur für eine individuelle Verschiedenheit. 4) Archiv für Naturgeschichte. Vierter Jahrg. Aster Bd. 5. 128, nn nn I 393 8. 2. Veranlassung zu den folgenden Untersuchungen gab die Vergleichung eines Walross-Schädels der Röding’schen Sammlung in Hamburg mit einem seit längerer Zeit im Ro- stocker Museum bewahrten Schädel. Bei meiner vorletzten Anwesenheit in Hamburg fiel mir nämlich der erwähnte Schä- del der Röding’schen Sammlung deshalb auf, weil am Au- genhöhlentheile seines Oberkieferbeines ein isolirtes Knochen- stück sich vorfand, in welchem ieh aufangs ein Thränenbein zu erkennen glaubte. Eine Abbildung jenes damals noch theil- weise mit Haut überzogenen, ungereiniglen Schädels wurde angefertigt, mit nach Rostock genommen und mit dem hier befindlichen Schädel verglichen. Diese Vergleichung führte zu der Erkenutniss bedeutender Unterschiede, sowohl io der Grösse beider Schädel, als auch ia anderen Verhältnissen. Der Rö- ding’sche Schädel übertraf den unsrigen, offenbar älteren, be- deutend an Grösse, zeichnete sich dabei durch eine geringere Wölbung des Hirntheiles, durch die Anwesenheit eines Fora- men oder eines Kanales im Processus supraorbitalis, im auf- steigenden Fortsatze des Jochbeines und im vorspringenden queren Kamm an der Grenze des Seitenwandbeines und Hin- terhauptbeines und durch manche andere Einzelnheiten aus. Unter diesen Umständen schien eine Vergleichung beider Schädel höchst wünschenswerlh, und auf meine Bitte war Herr Röding gern bereit, den seinigen mir abzutreten. Nach sorgfältiger Reinigung desselben wurden neben den bereits ge- nannten Unterschieden noch manche andere erkannt, so dass immer lebhafter die Vermuthung sich aufdrängte, jene beiden Schädel möchten von zwei speeilisch. verschiedenen Thieren herstammen. Indessen schien es ralhsam und nolhwendig, diese Vermuthung so Tange zurückzuhalten, bis sie durch Verglei- eliung mehrerer Schädel begründet werden konnte. Eine solche Vergleichung wurde nun dadurch möglich, dass Herr Prof. Behn in Kiel mit, grosser Bereitwilligkeit die 4 Schädel, so wie ein Schädelfragment und einen Unterkiefer des Museums der Universität Kiel mir zur Untersuchung über- 394 sendete, eine Gefälligkeit, für welche ieh ihm im höchsten Grade dankbar bin. Drei dieser Schädel gehören sehr jungen Thieren an, wie die Beschaffenheit des Gebisses und das Nichtverwachsensein sämmtlicher Nähte der Schädel- und Gesichtsknochen sehr deutlich zeigt; der vierte dagegen stammt von einem sehr al- ten Thiere: sämmtliche Nähte sind verwachsen; die zwischen dem Jochbeine und dem Jochlortsatze des Schläfenbeines lie- gende Knorpelscheibe ist ossifieirt: die meisten Zähne sind aus- gefallen. Das Kieferfragment stammt ebenfalls von einem sehr alten Tbiere her; die Stosszähne convergiren. Einen anderen Schädel erhielt ich noch nach Abfassung dieser Abhandlung von Herrn Dr. Kröyer in Copenhagen; er ist gleich dem eben erwähnten Kieler Schädel sehr alt. Ich habe also 7 Schä- del verglichen; zweien derselben aus dem Kieler Museum, so wie dem von Kröyer erhaltenen Schädel fehlen die Unter- kiefer. Ausserdem wurden 2 Schädelfragmente und 2 voll- ständige Unterkiefer, so wie zahlreiche Stosszähne von ver- schiedener Grösse untersucht. Um die durch Alter und individuelle Eigenthümlichkeiten begründeten Verschiedenheilen von den specifischen unterschei- den zu können, und um zugleich den Werth der einzelnen Charactere zu bestimmen, handele ich zuerst über das Gebiss, dann aber über die individuellen und durch das Alterstadium begründelen Eigenthümlichkeiten der Schädelbildung. Am Schlusse werde ich den von Herrn Röding erhaltenen Schä- del mit den übrigen vergleichen. 4. Ueber das Gebiss des Walross. $. 3. Rapp!) hat bei einem fast reifen Walrossfötus im Zwischenkiefer 6 Vorderzähne angetroffen, welchen in der einen 4) Naturgeschichtliche Abhandlungen. Herausgegeben von einer Gesellschaft in Würtemberg. Zweiter Band. Stultgard und Tübingen 1828. 8. Seite 107 fl. Ueber das Zahnsystem des Walrosses. 395 Hälfte des Unterkiefers 3, in der andern 2 Schneidezähne ent- sprachen. Derselbe hat ferner nachgewiesen, dass für die bei- den inneren, beim Fötus gefundenen Schneidezähne des Zwi- schenkiefers, welche frühzeitig verschwinden, keine Ersatzzähne vorhanden sind, während für die beiden andern Paare der Milch-Schneidezähne Ersatzzähne vorkommen. Die Milch-Schnei- dezähne des Unterkiefers haben, nach demselben Beoachter, gar keine Ersatzzähne. Die Zahl der Schneidezähne in bei- den Kiefern beläuft sich also wenigstens auf 11. Derselbe Beobachter beweiset, dass der erste bleibende Zahn des Unterkiefers, den man gewöhnlich für den ersten Backenzahn gehalten halte, ein Eckzahn ist, indem er 4) etwas weiter von den übrigen Backenzähnen entfernt stehe, als diese letzteren von einander, indem er 2) auch beim erwachsenen Thiere, selbst dann, wenn er sehr abgenutzt sei, durch grössere Länge und Dicke vor den Backenzähnen sich auszeichne. Der- selbe soll ferner 3) dicht an dem frühzeitig verschwindenden dritten untern Vorderzahn stehen und auf den äussern oberen Schneidezahn stossen. Es soll ihm endlich 4) eine flache in die Quere gehende Vertiefung, die man an der inneren Seite der Krone der Backenzälne finde, fehlen. De Fremery !) und Wiegmann ?) haben die schon von Kersten °) gemachte Bemerkung, dass bei jungen Wal- rossen jederseits 5 Backenzähne im Oberkiefer vorhanden sind, von denen die beiden letzten frühzeitig verschwinden, bestä- tigt. Duerotay de Blainville endlich nimmt in seiner mehr durch die Zeichnungen, als durch den Text grossartigen Osteo- graphie von den eben angeführten Arbeiten durchaus keine No- tiz und handelt im höchsten Grade oberflächlich über das Zahn- system des Walrosses. 4) aa0. 2) 2.20. 3) Capitis Tricheci Rosmari descriptio osteologica, Berolini, 1821. 8. 396 $..4. Ich verweile zuerst bei den Vorderzähnen: des: Zwi- schenkiefers. In dem Schädel a Mus, Kilon. findet sich rech- terseits die Alveole des ersten Schneidezahnes vollständig aus- gefüllt; die des zweilen ist leer; die drilte enthält einen star- ken, konischen, stumpf zugespilzten, an der Spitze schon etwas abgenutzten Schneidezahn. An der linken Seite ist die Alveole des ersten Schneidezahnes fast ausgefüllt, die des zwei- ten ganz ausgefüllt; die dritte enthält einen Schneidezahn, wie rechts. In dem Schädel b. M.K. ist von den Alveolen des ersten Schneidezahnes keine Spur mehr vorhanden; die Alveolen des zweilen sind leer; die dritte Alveole jeder Seite enthält einen zugespitzten, noch nicht abgenutzten Schneidezahn. An dem Schädel e. M. K. ist links die Alveole des ersten Schneidezahnes gar nicht mehr kenntlich, die des zweiten aus- gefüllt und spurweise zu erkennen, während rechts die innerste Alveole zwar ausgefüllt, aber deutlich erkennbar, und die zweile leer ist; die dritte ist beiderseits leer. An älteren Schädeln ist von den Alveolen der beiden innersten Paare der Schneidezähne keine Spur mehr zu erkennen, Sowohl aus diesen, wie aus einigen von Wiegmann.t) angeführten Thatsachen ergiebt sich, dass die 4 innersten Schnei- dezähne des Zwischenkiefers zwar sehr frühzeitig schwinden, dass aber für die Succession des Schwindens derselben und der Ausfüllung ihrer Alveolen keine feste Regel existirt.. Das letzte Paar der Schneidezähne schwindet dagegen ‚erst spät, obschon in der Regel früher, als die 3 ersten Paare der Backenzähne, $..5. Was die Schneidezähne des Unterkiefers anbelangt, so kann ich Rapp’s Vermuthung, dass deren eigentlich“nieht 5, sondern 6 vorkommen, bestätigen. An dem zum Schädel b. Mus. Kil. gehörigen Unterkiefer finde ich nämlich jeder- seits drei, dicht neben einander stehende, fast ganz ausgefüllte 4) a. a. ©. S. 123. 397 Alveolen der Schneidezähne. Auch diese Schneidezähne schwin- den nieht in bestimmter. regelmässiger Folge. An dem zum Schädel ec. Mus. Kil. gehörigen Unterkiefer finde ich beider- seits eine ausgefüllte Alveole des vordersten und innersten Schneidezahnes; rechts sind ferner die Alveolen des zweiten und dritten Schneidezahnes vollständig und spurlos geschwun- den; links ‚dagegen sind die Alveolen des zweiten und dritten Schneidezahnes noch oflen; die des dritten ist am tiefsten. In diesem Falle standen, wenigstens linkerseits, der zweite und dritte Schneidezahn ganz dicht neben einander, während der erste oder innersie vom zweiten ziemlich weit entfernt war. $. 6. Rapp’s Deutung des ersten bleibenden Zalınes des Unterkiefers als Eckzahn ist von de Fremery in Zweifel ge- zogen, von Wiegmann als richtig erkannt worden, Auch ich muss der Rapp’selien. Ansicht beipflichten.. Im Unterkie- fer zweier jungen Thiere (b. und c. Mus. Kil.) sicht die Al- veole dieses Eckzahnes von den. Alveolen der eigentlichen Backenzähne weiler ab, als diese von einander. Ebenso finde ich es an dem Unterkiefer eines Schädels des hiesigen Museums; einigermaassen deutlich auch noch an einem andern Fragmente des Unterkiefers. Dagegen vermisse ich diesen Abstand an 2 anderen Un- terkiefern alter Thiere und bei dem von Tricheeus dubius. Dieser letztere bietet übrigens eine merkwürdige Anomalie dar. Rechlerseits finden sich 4 Zähne, welche gleich weit von ein- ander abstehen und von welchen der erste den Eckzahn dar» stellt; links sind ebenfalls 4 Zähne vorhanden; von diesen ist der vordersie am kleinsten und durch einen Zwischenraum von 4 Linien vom zweiten gelrennt; der zweite und grösste ist wiederum durch ‚einen Zwischenraum von fast 3 Linien vom dritten geschieden; dieser dagegen dem vierten, wie ge- wöhnlich, genähert.| Seiner Stellung und Grösse nach entspricht der vorderste dieser Zähne einem Schneidezahn; ‚der zweite dem Schneidezahn und dem ersten Backenzalın. Wahrschein- lich ist also einer dieser letztgenannten Zühne frühzeitig aus- 398 gefallen oder unentwickelt geblieben, und dadurch ist nicht nur die stärkere Entwickelung des andern, sondern auch die Erhaltung des letzten Schneidezahnes bewirkt worden. Was Rapp über die beträchtlichere Länge und Dicke des Eckzahnes anführt, wird durch meine Beobachtungen be- stätigt. Dagegen finde ich nicht, dass der Eckzahn sich dicht an den dritten Schneidezahn anschliesst; vielmehr ist er bei jungen Thieren von diesem oder dessen Alveole eben so weit entfernt, als von der Alveole des ersten Backenzahnes. Eben so wenig möchte ich in dem Mangel der Querfurche einen Unterschied erblicken, da dieselbe auch am Eckzahn vorkömmt und bisweilen an den Backenzähnen ganz undeutlich ist. Der Eckzahn des Unterkiefers ist also bei jungen Thieren durch grössere Länge, bei älteren in der Regel durch beträcht- lichere Dicke von den Backzähnen unterschieden. Er steht bei jungen Thieren gleichweit entfernt von der Alveole des letz- ten Schneidezahnes, wie von der des ersten Backenzahnes. Bei sehr alten Thieren nähert sich seine Alveole der des er- sten Backenzahnes so sehr, dass beide eben so dicht neben einander stehen, als die einzelnen Backenzähne. Der Eckzahn scheint übrigens erst sehr spät zu schwinden. $. 7. Auf die Länge, die Furchung und die Richtung der Stosszähne oder Eckzähne des Oberkiefers hat de Fremery so grosses Gewicht gelegt, dass er diese Verschiedenheiten so- gar zur Unterscheidung von mehreren Arten der Gattung Tri- checus benutzt hat. Bei seinem T. Rosmarus sollen die Eck- zähne halb so lang sein, als der Kopf, bei Tr. longidens soll die Länge der Eckzähne mehr als zwei Drittheile der Schädel- länge betragen oder die Länge des Schädels übertreffen. Das Missliche dieser Charaktere erhellt schon aus dem Umstande, dass dieselben nur für völlig ausgewachsene Thiere, nicht aber für junge anwendbar sind, denn das stärkste Wachsthum der Eckzähne fällt erst offenbar in eine spätere Lebensperiode in welcher namentlich die beiden innersten Schneidezähne und die beiden letzten Backzähne jeder Seite der oberen Kinnlade 399 schon geschwunden sind. Ilierzu kömmt noch der Umstand, dass auch die Eekzälıne bei sehr alten Thieren an der Spitze bedeutend abgenutzt sind, demnach in späteren Lebensstadien an Länge wahrscheinlich wieder abnehmen. Endlich scheint es ja selbst, als ob die Länge dieser Zähne je nach den Ge- schlechtern verschieden. wäre- Eben so wenig Gewicht möchte ich auf die Furchungen dieser Zähne legen. Ihrer Zahl, wie ihrer Stärke nach sind sie bei verschiedenen übrigens nicht von einander abweichen- den Individuen verschieden, wie ich mich durch Vergleichung einer grossen Anzahl von Walrosszähnen überzeugt habe; ja diese Furchen sind bisweilen an beiden, bisweilen nur an Einem dieser Zähne spurlos verschwunden. Die Convergenz der Eckzähne, welche bei einigen Schä- deln beobachtet wird, veranlasste de Fremery endlich zur Aufstellung einer dritten Art unter der Benennung Tr. Coo- kii. Auch an einem Schädelfragmente des Kieler Museums finde ich etwas convergirende Eckzähne, möchte aber zweifeln, ob dieser Umstand eine Artunterscheidung rechtferligt. Sehr allgemein pflegt übrigens der rechte Eckzahn etwas länger zu sein, als der linke — ein Umstand, der besonders deullich bei allen älteren Individuen hervorlritt. In hohem Alter werden die Höhlen der Stosszähne vollständig ausge- füllt, so dass sie selbst an ihrer Wurzel solide erscheinen. 8.8. Was die Backenzähne des Oberkiefers anbetrillt, so finden sich in den Kieler Schädeln a und b Gruben von ausgefüllten Alveolen des Aten und ölenı) Die des 4ten scheint in der Regel früher ausgefüllt zu werden, als die des öten, denn an diesen beiden Schädeln ist die des 4ten kaum mehr, die des ölem deutlich siehtbar und an dem Schädel ec 1) Obgleich Blainville diese Zähne im Texte seiner Osteogra- phie nirgend berücksichtigt, hat sein trefflicher Zeichner in der Ab- bildung der Schäüdelbasis des Wallrosses die geschlossenen Alveolen derselben sehr gut dargestellt, Müller'« Archiv. 1442. 27 400 der Kieler Sammlung ist von der 4len Backenzahnalveole keine Spur zu entdecken, während die des ten, obgleich ausgefüllt, doch noch sehr deutlich ist. An älteren Schädeln findet man von beiden Alveolen keine Spur mehr. Wenn de Fremery also die Zahl dieser Backenzähne als Crilerien zweier Species betrachtet, so lässt sich vermulhen, dass er Individuen von verschiedenem Alter, als specifisch verschieden angesehen hat. Es möchte schwer zu beweisen sein, dass sich bei einzelnen Walrossen überhaupt nur 4, bei andern dagegen 5 Backen- zähne entwickeln. Von den 3 Paaren der bleibenden Backenzähne erhalten sich die 2 vordersten Paare am längsten, auch das Ste Paar schwindet sehr spät, indess früher, als jene. 8. 9. Von den Backenzähnen des Unterkiefers muss der 4le in seiner zeitlichen Entwickelung grosse Verschiedenheiten zeigen. An dem zum Schädel b. Mus. Kil. gehörigen Unter- kiefer ist von ihm und seiner Alveole keine Spur zu entdek- ken, obgleich die ausgefüllten Alveolen aller Schneidezähne noch kenntlich sind. An dem zum Schädel e. M. K. gehöri- gen Unterkiefer ist dagegen der letzte sehr kleine Backenzahn erst im Durchbruche begriffen. $. 10. Die Ausfüllung der Zahn-Alveolen geschieht dureb schichtweise Ablagerung von Knochenmasse an der Basis, der Innen- und Seitenwand der Alveole. Sobald diese Knochen- masse die Alveole ausgefüllt hat, bleibt sie von der Knochen- substanz der Kiefer lange Zeit durch eine Furche abgegrenzt, deren Form dem Umrisse der früheren Alveole entspricht. Sobald die Wurzel der Zähne vorgeschoben oder resor- birt wird, beginnt, wie schon Wiegmann bemerkt, die Aus- füllung der Alveolen mit concentrischen Knochenschiehten. An einem sehr alten Schädelfragmente der Kieler Samm- lung sieht man im Umkreise der völlig abgeschliffenen, auf einem engen Halse sitzenden Backenzähne, deren Wurzel schon fast vollständig vorgeschoben ist, Wucherungen von Kno- chenmasse, in Gestalt von kleinen warzenförmigen Excrescenzen. 401 2. Ueber die individuellen und durch das Al- tersstadium begründeten Verschiedenheiten der Schädelbildung, $. 11. Der Alveolarrand des Zwischenkiefers ragt bei jüngeren Thieren etwas stärker hervor, als bei älteren, ein Umstand. der wahrscheinlich mit dem Schwinden der Schneidezähne und ihrer Alveolen zusammenhängt. Die vom Zwischenkiefer gebildete Spina nasalis am untern Rande des Nasenloches bildet bei jüngeren Schädeln einen slärkeren Vor- sprung, als bei älteren, Sehr stark ist sie z. B. bei den Kieler Schädeln b und e, schr schwach bei einen alten Schädel N. Rost. Immer bildet ein aufsteigender Forlsatz des Zwischenkie- fers die Seitenwand der Nasenöffnung und verbindet sich an der oberen Grenze der Nasenöffnung mit dem entsprechenden Nasenbeine. Bisweilen aber, wie bei den Kieler Schädeln a und ec, tritt noch eine dünne Leiste dieses Forlsalzes zwischen die das Oberkieferbein und das Nasenbein verbindende Längs- naht und trennt eine Strecke weit diese Knochen. So sielit inan es auch auf der in dem Blainville’schen Werke befind- lichen Abbildung. Indem diese Leiste an einigen Stellen stär- ker, an andern Stellen weniger stark oder gar nieht nach aus- sen hervortrilt und zu Tage kömmt, hat es bisweilen den An- schein, als fänden sich isolirle Knochenstückchen in der eben genannten Naht. Wirklich erwähnt de Fremery eines zwi- schen Nasenbein und Oberkieferbein vorkommenden Ossiculum Wormianum bei seinem aus Labrador stammenden Walross- Schädel. $. 12. Die die beiden Nasenbeine bei jungen Thieren trennende Naht scheint frühzeitig zu verwachsen und zwar geschieht dies so vollständig, dass keine Spur derselben zu- rückbleibt. Statt zweier durch eine Verliefung getrennter con- vexer Erhabenheiten bildet sich dann in der Nasenbein-Gegend 27° 402 eine gleichmässige, gar nicht erhobene, oder in der Milte etwas convexe Fläche. Die inneren Theile des Vorderrandes beider Nasenbeine laufen in der Mitte in eine mehr oder minder vortretende Spitze aus. Beim Schadel a. M. K. ist sie selır stark, bei b. M. K. viel schwächer. An einem alten Schädel fehlt sie gänzlich. Die Länge der herzförmigen Nasenöffnung jüngerer Thiere ist elwas beträchtlicher, als ihre Breite, bei älteren Schädeln findet man dagegen ihre Breite eben so bedeutend als ihre Länge, oder es ist die Breitendimension noch über- wiegend. Die von de Fremery von der Gestalt der Nasenöffnung und der Slärke der Spina nasalis hergenommenen Charactere sind demnach indiviuelle, $. 13. Die Stirnnaht scheint frühzeitig zu verwachsen. Dass rücksichtlich der Gestalt des von den Seilenwandbeinen eingekeilten hintersten Theiles des Stirnbeines mancherlei indi- vidnuelle Verschiedenheiten vorkommen, hat bereits de Fre- mery genügend auseinander geselzt; bei jedem der drei dem Kieler Museum angehörigen jungen Schädel finden sich in die- ser Rücksichl einige Eigenthümlielhkeiten. Der Augenhöhlenlheil des Stirnbeines verbindet sich durch eine Naht mit dem gleichnamigen Theile des Oberkieferbeines und mit dem Angenhöhlentheile des Gaumenbeines. Rück- sichllich dieser Verbindungsweise kommen beträchtliche Ver- schiedenheilen vor: 4. Bisweilen sind die genannten Knochen nur durch eine Naht geschieden, welche keine weitere Lücke besilzt z. B. Schädel a. M. Kil. 2. In andern Fällen befindet sich in dieser Naht ein grös- seres oder kleineres getrenntes Knochenstück z. B. Schädel ce. M. Kil,, Schädelfragment Mus. Rost,, Trichecus dubius lin- kerseils. 3. In anderen Fällen, wo ebenfalls ein gelrenntes Kuo- chenstück an den Grenzen der Augenhöhlentheile der genann- 403 ten Knochen eingekeilt ist, erkennt man deutlich, dass das- selbe dem Muschelbeine angehört z. B. bei einem Schädel des Rostocker Museums. Diesen letzten Fall beobachtete ich eben- falls an einigen Phoken-Schädeln. Sehr wahrscheinlich sind diese eingekeilten Knochenstücke Rudimente des fehlenden Thränenbeines. $. 14. Das Jochbein verhält sich bei einigen Indivi- duen insofern eigenthümlich, als es bisweilen aus 2 getrenn- ten Knochenstücken zusammengesetzt wird, von denen das eine grössere die Verbindung zwischen dem Jochfortsatze des Oberkieferbeines und dem des Schläfenbeines bewerkstelligt, während das Andere jenem aufsitzt und den eigentlichen Augen- höhlenring vervollständigt. So finde ich es an dem Schädel e des Kieler Museum’s linkerseits sehr deutlich, rechts viel un- deutlicher, spurweise auch an dem Schädel a. Dagegen ver- misse ich diese Eigenthümlichkeit an allen übrigen Schädeln, namentlich auch an dem Schädel b des Kieler Museums. Mek- kel*') hat diese Bildung zuerst, aber nur an einem Schädel seiner Sammlung beobachtet, der von Pander und d’Alton?) abgebildet ist. Auch de Fremery hat sie nur einmal ge- funden. Bemerkenswerth ist es, dass dem aufsteigenden Fortsatze des Jochbeines noch ein Knorpelstück aufsilzt, welches den Augenhöhlenring vervollständigt. $. 15. Die Crista oceipitalis Iransversa ist, wie de Fre- mery mit Recht bemerkt, schon bei jungen Thieren verhält- nissmässig sehr stark und gewinnt mit zunehmendem Alter an Höhe wenig. Bei jüngeren Individuen ist blos ihr mittlerer Theil stark ausgebildet, während ihre seitliche Fortsetzung schwach ist; bei älteren Individuen erstreckt sie sich jedoch auch, stark vorspringend, längs der Seitentheile des Hinter- 4) System der vergleichenden Anatomie Thl. 2. Abtheilung 2 S, 547. 2) Die Skelete der Robben und Lamantine. Tab. 2. a. 404 hauptbeins und verbindet sich mit einer scharfen Kante, welche die Schuppe des Schlafbeines unter fast rechtem Winkel von dem Processus mastoideus trennt. Bei älteren Schädeln erlangt sie ferner eine bedeutende Breite, indem die Muskelansätze die hinter ihr liegende Partie des Hinterhauptbeines sehr rauh und uneben machen, was bei jüngeren Schädeln nur sehr we- nig der Fall ist. Uebrigens kann ich Cuvier!) nicht beipflichten, wenn er angibt, die Crista oceipitalis werde allein von den Seiten- wandbeinen gebildet. Sie können allerdings zu ihrer Bildung beitragen; in der Regel wird sie aber durch das Hinlerhaupts- bein gebildet. Die Spina longitudinalis ossis oceipitis ist schon bei jun- gen Schädeln ziemlich stark entwickelt, wie das auch in der Blainville’schen Abbildung so schön wiedergegeben ist, Die Gelenkhöcker am Basilartheile des Hinterhauptbeines stossen bei ganz jungen Individuen dicht au einander (a. c. Mus. Kil.), scheinen sich aber schon sehr frühzeitig von einan- der zu entfernen (b. Mus. Kil.; junger Schädel des Göttinger Museums nach Wagner’s Mittheilung; Blainville’s Abbil- dung.) und stehen bei älteren Individuen weit von einander ab. (Mus. Rost. Mus. Kil.) Die Zahl der foramina condyloidea posteriora beträgt je- derseits bald 1, bald 2, bald ist sie auf beiden Seiten ver- schieden. $. 16. Sehr verschieden ist die Grösse der einzelnen Schädel ausgewachsener Thiere. Der Abstand des Vor- derrandes des Zwischenkiefers vom Vorderrande des Foramen magnum beträgt mindestens 10“ 9“ und höchstens 13 7%. Der grösste Breitendurchmesser (der Abstand der Processus mastoidei) schwankt bei alten Thieren zwischen 7“ 8“ und 41“; der Abstand des oberen Randes des Mecatus auditorius 4) Ossem. fossil. Tome VII. p. 108. 405 einer Seite von dem der anderen Seite schwankt zwischen 6“ 9“ und 10” 9". Nun ist aber derjenige Schädel, (aus der Röding’schen Sammlung) welcher die beträchtlichsten Dimensionen zeigt, keineswegs der älteste; er muss vielmehr jünger gewesen sein, als die andern 4 verglichenen Schädel erwachsener Wall- rosse, wie die Beschaffenheit der Nähte der Kopfknochen und der Zähne auf das bestimmteste nachweiset. Man darf also von der Grösse der Walrosse und der Walrossschädel keinesweges auf ihr Alter schliessen, wie v. Bär in seinen vortreflliehen Untersuchungen ‚über das Wal- ross dies zu ihan geneigt ist. Er vermuihet, dass die jünge- ren Walrosse am meisten nach Süden ziehen und dass über- haupt die Walrosse nach dem Alter sich sondern. „‚Aus einer solchen Sonderung nach dem Alter, sagt v. Bär, ist vielleicht auch die Angabe der verschiedenen Grösse der Walrosse an den russischen Küsten zu erklären, die uns Lepechin gibt und Oserezkowski wiederholt. Die grössten Walrosse, sagt Lepechin sind um Nowaja Semlja und an der Matwejew- Insel, so wie in der Meerenge von Waigats (in der Karischen Pforte); von mittlerer Grösse sind sie an der Timanischen Küste; die Kleinsten finden sich in der jugorischen Strasse. Vielleicht kommen also nur die jüngeren in die jugorische Strasse, wo sie am meisten verfolgt worden.“ Ob das Vorkommen grösserer Wallrosse in bestimmten Gegenden, kleinerer in andern Gegenden auf eine Sonderung von Arten oder von Ragen deutet, kann vorläufig nicht ent- schieden werden; dringend zu wünschen ist es aber, dass Rei- sende, welche die Polarländer besuchen, ihre Aufmerksamkeit den Walrossen mehr zuwenden mögen. 3, Unterschiede eines der untersuchten Wal- ross-Schädel von den übrigen, 8. 17. Die meisten der verglichenen Walross-Schädel ge- hören offenbar einer und derselben Art an und stimmen mil 406 den von Cuvier, d’Alton, Kersten, Blainville gegebenen Abbildungen überein; es bedarf daher keiner genauen Charak- teristik derselben. Der schon öfter erwälnle, aus der Röding- schen Sammlung stammende Schädel unterscheidet sich aber in mehren Punkten von allen übrigen verglichenen Schädeln und von den genannten bildlichen Darstellungen. Sämmtliche Durchmesser seines Schädels sind beträchtli- cher, als die der übrigen Schädel; auf diesen Grössen-Unter- schied halte ich so lange Gewicht gelegt, bis ich den Schädel eines alten Walross von Herrn Dr. Kröyer erhielt, welcher jenem an Umfang bedeutend sich nähert, ohne jedoch seine übrigen Eigenthümlichkeiten zu besitzen. Jetzt, wo ich die Uebergänge kenne, kann ich die Grössen - Unterschiede nicht mehr auffallend finden. Dagegen stellen sich an dem genannten Schädel folgende Eigenthümlichkeiten heraus: 4. Die Wölbung der von den Seitenwandbeinen gebilde- ten Bedachung des Hirnes ist gering. Bei allen verglichenen Schädeln und Abbildungen von Schädeln zeigen sich die Sei- tenwandbeine stark nach aussen gewölbt. Hier dachen sie sich allmählich und ziemlich flach ab. 2. Die Schuppe des Schläfenbeines erstreckt sich verhält- nissmässig weiter aufwärts, als bei andern Schädeln. 3. Die Nasenbeine zeichnen sich durch ihre Länge aus. 4. Von der Stelle, wo die Schuppe des Schläfenbeines, das Os petrosum und das Os parietale zusammenstossen, steigt eine tiefe Rinne in dem Seitenwandbeine jeder Seite aufwärts, von welcher an anderen Schädeln — selbst den viel älteren — nur eine sehr schwache Andeulung sich findet. 5. Die Gelenkhöcker des Hinterhauptbeines, welche sonst bei älteren Thieren an der Basis des Schädels ziemlich weit von einander abstehen, sind hier — bei einem ausgewachsenen Thiere — einander sehr zn Ihre geringste Entfernung beträgt 3“. 6. Der hintere vom Stirubeine gebildete Theil des Pro- 407 cessus supraorbitalis enthält einen kurzen weiten Canal; bei allen übrigen Schädeln ist keine Spur desselben sichtbar. 7. Ebenso ist jeder aufsteigende Fortsatz des Jochbeines von einem sonst kurzen, weiten, nirgend bemerkten Canale durchbohrt. 8. Auch in der Crista oceipitalis befindet sich jederseits 4" 4“ von der Mitte entfernt, ein kurzer, weiler, nur diesem Schädel zukommender Canal. Der Verdacht, dass diese Canäle künstliche sein könnten, wird dadurch beseitigt, dass ich selbst die Haut, die diesen Schädel noch theilweise überzog, enifernt.und mich überzeugt habe, dass die Löcher nicht durch die Haut drangen. 9. Die Gaumenplatten der Gaumenbeine sind nicht nur sehr breit, sondern zeichnen sich auch durch ihre Länge aus. Ob diese Verschiedenheiten wirklich genügend sind, um die Aufstellung einer eignen Art zu rechtfertigen, müssen fer- nere Beobachtungen und Vergleichungen lehren, zu welchen aufzufordern der Zweck dieser Abhandlung ist. Ich schlage vor, die eben charakterisirte abweichende Bildungsform als Trichecus dubius vorläufig zu bezeichnen, 408 Uebersicht der Abstand des Vorderrandes des Zwischenkiefers vom Vorderrand | des foramen magnum . Abstand des Vorderrandes des Ziwischenkiefers vom "Hinterrande der Gaumenplalle der Gaumenbeine Abstand des Hinterrandes der Gaumenplalte "der Gaumenbeine vom Vorderrande des Foramen magnum . Abstand des Vorderrandes der Crista veeipitalis v von der hintern Begrenzung des Foramen magnum . Abstand des vorderen Randes der Nasenbeine - vom Vorderrande | der Crista oceipitalis . Abstand des hinteren Randes der Nasenbeine von der Crista, oceipitalis . . EN. ar re + Länge der Nasenbeine Abstand des hinteren Randes des Foramen infraorbitale vom Vorderrande des Meatus audit. externus Grösster Abstand des unteren Randes des Jochbogens der einen. Seite von dem der anderen, unter dem Abgange des Processus ad-; scendens . . Abstand der Spitze des einen Processus adscendens des Joch- beines von der des Anderen Abstand des tiefsten Punktes dea. Proc. minztordens der einen) Seite von dem gleichnamigen Punkte der andern Seite . Abstand des oberen Randes des Meatus auditorius externus ei ner Seite von dem der andern Seite Abstand der Spilze eines Processus supraorbilalis von der ües Anderen . . Geringsie Breite der Schädeloberfäche vor der Verbindung der Stirnbeine mit den Scheitelbeinen . . . . . . 409 Messungen. a Tl una nn] Pa Tr. Rosmarus. Mus. Ro- Mus, Ro- | M. Kil, d. Mus, Kiloniensis, stock, 1. stock 2, sebe alt, a, b. © Ba 7 42% ‚60 140910) 10 gr | 196 gt zu le ae u Bl ee SEE NE ce 1 BR ll ns a Oh a DB 0, | 8107 || 3m) ro | ac 5" 10” 6” zu 5" 10% 5" 10% 5“ Hyd 5" 6 5” {) zyı gu gu gm ug gu PA) 4" gu vacat 5" zu 5" 0” 4 zu 4" ym 34 zn a” 6" gu gu zu gm| 70 zu | zu gulian zw| 5% ou | serru| 50 gw Ze | var | rar at Sr Bug a 10”10% | 7° gu | 8% 3) rare| 7000| ram 0 4 Ni 6a ligr ou) 0” 0 | 6% ar Darin 6” zu 7 gel 5” zw vacar | 40 | 4% 2 | vacat 2 qm RZ u zu qn 4 yu 31” yu 32 27# gr Abstand des Vorderrandes der Nasenbeine von dem Alveolarrande des Zwischenkiefers . R Breite des Vorderrandes beider Oberkiefer in einer Linie mit der Spina nasalis ee Grösste Breite einer Hälfte des Oberkiefers. Von der vorderen Grenze des Foramen infra- orbitale bis zur Spitze der Spina nasalis ein Bindfaden! umgeleet!.- .". . 2. ebe .. Entfernung des Proc. supraorbitalis von der Austrittsstelle des Slosszahnes aus seiner Alveole. Enlfernung des Proc. supraorbitalis von der Spitze des Proc. adscendens oss. zygomat. . Entfernung des Proc. supraorbitalis von der Spina nasalis 2 2 re > 3 Be Abstand des vorderen Randes des Foramen infraorbitale vom Processus supraorbilalis Grösster Abstand des obern Randes des Meatus auditorius externus von der Sutura temporalis. Abstand des Mittelpunktes der Crista ocei- pitalis von der tiefsten Stelle des Processus ma- stoideus. Abstand des äussersten Theiles der Crista occi- pit. von der tiefsten Stelle des Proc. mastoideus. Abstand des Mittelpunktes der Crista oceip. vom oberen Rande des Meat. audit. extern. Grösste Breite beider Nasenbeine . . . . Abstand des Innenrandes des Proc. plery- goideus vom Aussenrande der Cavitas glenoi- dalis für den Unterkiefer -. . 2... 2. Grösste Breite der Gaumenplatien der Gau- menbemnetwarsan nn va din an l np- va Grösste Länge derselben in der Mittellinie . Breite des Proc. masloideus von der Ver- bindung mit dem Hinterhauptsbeine bis zum vorderen Rande chtan. < we ein-! ai Die geringste Entfernung einer Gelenkfläche des Hinterhauptsbeines von der anderen beträgt an, Her ‚Bastel ne Entfernung beider a. d.Hinterseite d.Schädels. Länge der Stosszähne von ihrem Austritte aus der Alveole bis zur Spilze . °. er 4 zu Ä 6” 6” au ni 39 6” Trichecus dubius. qııu 1; 0 gu 10“ gu gun gan Fr zu z gu 9 [273 0” 6 11" 9 4a gu zu 0” M.Rost. I. zu qq 6° 11” vacat 62 TER 974 2 ji ri 3 7° g9= 9 a beit 6” 3% verwachs. gu 1 yu gu verwachs. Bu gs au 6“ 12” zu 411 Mus, R. 2. zu og gu gm a) Fe 4" 10” 4" 10% au ld gu 41" 4" geu 6” 9 zu 0" 5" 4" verwachs. [7 5 40 9 0 2 9% 1 “ 8 yu au 10% au 10 u 410" yu gu q" 54” 4’ gm 4" 4" nu 3er ar" 6” | vacat verwachhs. verwachs. Triehecus Rosmarus, gu 3” 10” au 11 47 0 4” 40'” gu zu zu 4 au gu gu 6 u gu q" ne 5" 14 0” 6” DIZZ . ou 2 5 gu 4' 410 rel 4" 40” 47 ar 4" 91% hd si 9u 67 au gu DA 6 4” 6 1 Kg g” ou 0 q" 107 eonfluird] 0” 9” y Kal ym 44 10% ann ZI R 1710 | gu ay IK. ic, vacat 4" #7 vacat vacat zu gun 1’ gu gu an gur a . Vv. y 6" 3”0 u gyt DZ org DL 5" | gu gr M.R. fragm.|M.K, fragm, 30 6” au 4" 5" 11” 4" u 5” 9" | vacat vacat vacat vacat vacat v % v Vv. V Vv V 2 v v. v. v v v Y% v 1, u v v. 43" 6” 0” 412 ———— —————___—_—_____L_—_L_Ö—LLL—LL———L_—_—— nn nn Trichecus dubius. M.Rost.ı. | Länge des Unterkiefers in der Mittellinie . [10° 6°] vacat Abstand der Innenfläche eines Proc. coro- noideus v. d. gleichen Punkte d. andern Seite. | 4” 4 | wacat Abstand des Innenrandes eines Gelenkfort satzes von d. gleichen Punkte d. andern Seite. | 5” 0”| vacat | Abstand des Aussenrandes eines Gelenkfort- satzes von d. gleichen Punkte d. andern Seite. | 9” 0 ER 413 ns ee APESSPPSSSEESESESSE Trichecus Rosmarus. K. b, K. c. M.Rost?? | M. Kil. ? vacat 6” 10% 7 0 9" gu gu 6% vacat 3.105451 73240% |,4” 4 | yacat vacat 37 67219365 67 | 310% vacat 6’ guu vacat | vacat 6” 3" 6“ GHV g” 5 Beobachtungen über die Geschlechtsorgane der Plagiostomen, mit Anwendung auf eine Stelle in Aristoteles Naturgeschichte. Von J. MuELLer. (Aus dem Monatsbericht der Königlichen Academie der Wissenschaf- ten zu Berlin. Juni 1842.) Die merkwürdige Aeusserung von Aristoteles über die Zeu- gung der Haifische, Naturgeschichte VI, 10, welche schon ein- mal derGegenstand einer Untersuchung!) gewesen, liefert auch den Ausgangspunkt für die gegenwärtigen Untersuchungen. Es heisst nämlich an jener Stelle: Einigen (Haien) sind die Eier mitten zwischen den Eileitern angehelftet, so bei den Scyllien; weiterhin: der Dornhai hat die Eier unter dem Zwergfell über den Brüsten; und end- lich: die aber unter den Haien glatte genannt wer- den, tragen die Eier mitten zwischen den Eileitern, gleichwie die Scyllien. Rondelet wiederholt die An- gabe von den Scyllien. Bekanntlich ist der Eierstock der 1) J. Müller über den glatten Hai des Aristoteles, und über die Verschiedenheiten unter den Haifischen und Rochen in der Ent- wickelung des Eies. Berlin 1842. Mit 6 Kupfertafelo. Besonderer Abdruck aus den Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Berlin aus dem Jahre 1840. Berlin 1842. 415 Acanthias wie gewöhnlich, und auch |bei vielen anderen Haien und allen Rochen, doppelt, ein rechter und liuker, aber es ist eine von Niemand bisher beobachtete Thatsache, dass die Seyllien und der glatte Hai des Aristoteles, nämlich Mustelus und noch viele andere Haifische nur einen einzigen und zwar rechten oder linken Eierstock besitzen, in ähnlicher Weise wie die meisten Vögel. Dieses ist es, was Aristote- les vor sich halte, wenn er sagle, dass die Eier bei den Scyllien und glatten Haien milten zwischen den Eileitern angeheftet seien, wenn es gleich gewiss ist, dass Aristoteles die Haupt- sache des Unterschiedes, nämlich die unsymmetrische Ein- fachheit des Eierstockes nicht wahrgenommen hat, und wenn er auch bei den Acanthias nicht sagt, dass die Eier, deren Lage er richtig angiebt, zwei getrennte Stöcke bilden. Der Unterschied ist ein durchgreifender nach den Familien der Hai- fische. Der Eierstock ist doppelt bei zwei Familien der Haien, den Haifischen ohne Afterflosse, Spinaces, Scymni und Squatinae, und bei den Haien mit nur einer Rückenflosse und mehr als 5 Kiemenspalten Notidani. Einfach aber ist der Eierstock bei der Familie der Scyllien oder bei den eier- legenden Haifischen und bei der ganzen Familie von Haien, die mit einer Nickhaut versehen sind, also den Carcharias, den Hammerfischen (Sphyrna), den Mustelus und Galeus, und zwar ist der Eierstock in allen diesen Fällen unsymme- trisch. Er liegt zwar bei diesen Haien, wenn sie erwachsen sind und die Eier sich vergrössern, ohngefähr in der Mitte, oder wie Aristoteles sagt, mitten zwischen den Eileitern, aber es ist nur das Ovarium der einen Seite, verschieden nach den Gallungen, so wie es auch bei den Myxinoiden einseilig ist, wo es in seinem Gekröse an der rechten Seite des Darm- gekröses hängt. Bei jungen Seyllien, Galeus, Mustelus, Carcharias, Sphyrna, lässt sich schen, dass das Ovarium das rechte ist, und dass sein Gekröse mit der rechten Platt des Darmgekröses zusaramenhängt. Bei den Scoliodon (Car- charias ohne Säge an den Zähnen) ist es hingegen der linke Müller's Archiv. 1812, 28 416 Bierstock, Abweichende ältere Angaben von doppelten Eier- stöcken beruhen auf den auf diesem Felde so häufigen Ver- wechselungen der Gatlungen.') r Bei den mit einer Nickhaut versehenen Haifischen hat der Verf. ein eigenthümliches epigonales Organ der weiblichen Ge- schlechtstheile gefunden, welches leicht mit den Eierstöcken verwechselt werden kann, es ist immer symmetrisch doppelt. Vor der Wirbelsäule ziehen sich nämlich nach innen von den Eileitern zwei Bauchfellfalten herab, welche vorn mit dem Darmgekröse zusammenhängen, so dass jede Falle an ihrer Seite des Gekröses forlläuft bis unter die Leber. Diese Falten enthalten eine körnige weissröthliche Substanz, von jungen Ei- chen ist darin keine Spur, sie bestehen auch nicht aus Fett,. die Substanz wird von kochendem Alkohol nicht aufgelöst. Die Organe reichen durch den grössern Theil der Bauchhöhle und zwar an der Seile, wo der Eierstock liegt, von hinten bis an diesen heran, auf der anderen Seile, wo kein Eierstock, hört die Falte viel früher auf, Diese Organe sind bisher noch nicht bei weiblichen Haien beobachtet worden, der Verf. hält sie aber für identisch mit einer bei männlichen Haien und Ro- chen seit Monro bekannten Substanz, welche vom Hoden und Nebenhoden sehr verschieden ist. Die inneren männlichen Ge- schlechtsorgane der Haien und Rochen bestehen aus 3 ver- schiedenen Theilen, dem Hoden, dem aus gewundenen Kanälen bestehenden Nebenhoden und der am Hoden befindlichen weiss- lichen seeundären Substanz. Den Zusammenhang des Hodens und Nebenhodens hat der Verf. zuerst schon im Jahre 1836 (Archiv 1836, Jahresbericht LXXXIX.) nachgewiesen, so dass der Nebenhoden nicht ferner als besondere Drüse angesehen 1) Der Eierstock der noch jungen Haien besteht aus queren pa- rallelen Platten, in welchen sich Reihen unregelmässiger Vertiefungen und Einschnitte befinden. Auch bei den Embryen findet sich kein Rudiment des zweiten Eierstockes vor, wenigstens nicht in Embryen der mitllero und spätern Entwickelungsstadien. 47 worden. In neuerer Zeit ist dies durch die Beobachtung der Samenthierchen im Hoden und Nebenhoden bestätigt worden. Der Verf. beschreibt zuletzt die Verschiedenheiten im Bau der Eileiterdrüsen (Brüste von Aristoteles) in den verschiedenen Familien der Haien und Rochen (in der Familie der Haien mit Nickbaut sind sie schneckenförmig gebogen) und im Bau des Uterus. Ueber den Vertumnus thetidieola. Von Dr Arcuvust Kromm Eine sehr genaue, von Hrn. Prof. Otto verfasste, durch treff- liche Abbildungen erläuterte Beschreibung dieses angeblichen, früher schon von Rudolphi in sein Verzeichniss der Entozoen (Entoz. synopsis. p. 573.) eingelragenen und mit dem Namen Phoenicurus varius bezeichneten Schmarotzers der Thetis, findet sich in den neuen Verhandlungen der Akademie der Natur- forscher (Bd. 14. p. 295. Tab. 41.),. Ferner erwähnt sei- ner Hr. delle Chiaje als einer Planarie (Plan. ocellata) in dem ersten Bande seines Werkes über die wirbellesen Thiere des Neapolitanischen Golfs (Tab. 2. Fig. 9—14.), führt ihn aber im dritten Bande (im Capitel über die Thelis) unter Ru- dolphi’s Benennung an. Ich habe diese, nach den überein- stimmenden Ansichten der drei genannten Forscher für selbst- ständige Organismen erklärten Gebilde, öfters untersucht, und sehe mich durch Gründe, welche ich in den folgenden Zeilen auseinandersetzen werde, genöthigt, eine ganz daron abwei- chende Meinung aufzustellen. Hr. delle Chiaje hat die Beschaffenheit der Anheftungs- stellen, wie sie sich nach erfolgter Trennung dieser Gebilde am Körper der Thetis darstellen, näher erörtert. Es sind näm- lich rundliche, vor den grössern Kiemen gelagerte seichte Ver- tiefungen, mit mehr oder weniger flachem Boden, deren Zahl 419 mit der jener Kiemen übereinstimmt, indem sie jederseits so angeordnet sind, dass jeder Kieme immer eine Vertiefung ent- spricht, Bekanntlich werden die Kiemen gegen das hintere Leibesende der Thetis allmählig kleiner. Auf gleiche Weise verringert sich auch der Umkreis der correspondirenden Ver- tiefungen. Wendet man seine Aufmerksamkeit den abgelö- sten Gebilden zu, so findet man nach Hrn. Otto an dem vor- dern diekern Körperende dieser vermeintlichen Parasiten, ver- möge welches sie den Vertiefungen ansitzen, eine runde, ebene, unbewaflnele Saugscheibe, die in ihrer Mitte von einer Oefl- nung, dem Munde durchbohrt ist. Der Mund führt in einen milten durch die Achse des Körpers sich erstreckenden, ge- fässarligen, aus einer zarten Wandung bestehenden Schlauch, den Magen. Die Wandung des Schlauches ist mit zahlreichen Löchern versehen, welche nach Hrn. Otto’s Vermuthung in Gefässe führen, die sich wahrscheinlich in dem gallertartigen Parenchym, aus dem die Hauptmasse des Körpers besteht, zer- ästeln. Aussen um den Magen finden sich zahlreiche blasse, ziemlich ansehnliche Muskelbündel, die bis an die Haut rei- chen, und eben sowohl zur Verengerung als auch zur Erwei- terung des Magens dienen dürften. Ausserdem bemerkt man dicht unter der Haut, sowohl an der Rücken- als auch der Bauchfläche, noch eine Lage starker, parallel nebeneinander vom Munde bis an das hintere Körperende sich erstreckender Fleischbündel, die hin und wieder miteinander anastomosiren. Zwischen den Muskelbündeln, und zwar der Bauchfläche nä- her, verläuft jederseits ein vom Munde bis nach hinten reichen- der Nervenfaden, der in der Mitte seines Verlaufes mit einem, feine Fädchen ausstrahlenden Ganglion versehen ist. So weit die von Hrn. Otto gewonnenen anatomischen Resultate, denen sich wenig erheblich Neues hinzufügen lässt. Die Grösse dieser Gebilde, die man so häufig von der Thetis abgelöst, nach Stürmen am Strande des Meeres, oder auch in den Netzen der Fischer antriflt, variirt ungemein, wie schon Hr, Otto versichert. Ist man hingegen so glücklich, 420 eine Thetis mit ihr noch auhängenden Gebilden zu beobach- ten, so fällt es auf, in welchem genauen Verhältniss das Vo- lum jedes einzelnen derselben mit dem Umfange der respecti- ven Vertiefung vor der Kieme, oder mit der Grösse dieser selbst steht. Man findet nämlich die längsten und stärksten stets am vordern Leibestheile der Thelis; auf diese folgen, je mehr man sich dem hintern Leibesende nähert, immer klei- nere, bis man auf das hinterste stösst, dessen Grösse zu der der vordersten ein oft sehr bedeutendes Missverhältniss zeigt. Diese Grössenabstufung scheint mir schon ein wichliger Ein- wurf gegen die thierisch selbstständige Natur dieser Gebilde. Wären es Thiere, warum sollten gerade die minder entwickel- ten die hintersten Vertiefungen zur Anheftung wählen? Hiesse das nicht, hei ihnen einen Gemeinsinn, eine wechselseitige Uebereinkunft in Bezug auf die Wahl ihres Wohnortes vor- aussetzen? Abgesehen aber von diesem Grunde, der für Man- chen vielleicht nicht überzeugend genug erscheinen möchte, wende ich mich zu andern, die wohl jeden Zweifel über die Natur dieser Gebilde verscheuchen werden. Auffallend ist der schwache Zusammenhang derselben mit der Thetis. Die Lostrennung erfolgt am lebenden Thiere oft unter Umständen, die kein richtiges Verhältniss zwischen Ur- sache und Wirkung zu verrathen scheinen. Es bedarf z. B. nur des Hinübergiessens des Wassers, in dem sich eine lebende Thetis aufhält, aus einem Gefäss ins andere, eines einigermaas- sen unsanften Druckes u. dergl., um die Lostrennung erfolgen zu sehen. Es kann daher nicht befremden, wenn sie während heftiger Stürme oder beim Herausziehen der Netze um so ra- scher und häufiger geschieht. Nichtsdestoweniger stehen diese Gebilde mit der Thetis in der genauesten organischen Verbin- dung, zunächst durch gegenseitigen Uebergang der Hautdecken, dann durch Gefässe und Nerven. Es trifft sich zuweilen, dass man an in Weingeist getödteten Thetis, wo die Gebilde mei- stens sehr bald abfallen, einzelne derselben noch angeheflet findet. Dieser Fall bietet die günstigste Gelegenheit dar, um 421 sich von dem organischen Zusammenhange zu überzeugen. Man nimmt dann ohne Schwierigkeit wahr, wie die Haut der Thetis ohne Unterbrechung auf die Gebilde sich herüberschlägt, wie bei einer nur einigermaassen verstärkten Zerrung der letz- tern, ein Riss an der Uebergangsstelle entsteht, der sich er- weiternd bald die völlige Ablösung herbeiführt. Hr. Otto hat das buntscheckige Ansehen der laut seiner Vertumni, die grossen sammelschwarzen Flecken, die man auf der Rük- kenfläche derselben bemerkt, sehr naturgetreu beschrieben. Diese Hautfarben scheinen für den ersten Blick von denen der Thelis so sehr abzuweichen, dass sie allein schon auf den Ge- danken bringen könnten, die Verlumni für selbstständige Wesen zu halten. Untersucht man aber genauer, so wird man das graugelbe und weisse Pigment der Verlumni an den meisten Stellen der Thetis wiederfinden, wie Hr. Otto selbst zugiebt. Auch das schwarze Pigment, die Ursache der gros- sen Flecken auf der Rückenfläche der Verlumni, zeigt sich bei der Thetis in Form des bekannten dunkeln breiten Strei- fens, der längs dem halbkreisförmigen Rande ihres obern, frei über den Mund hervorragenden Mantellappens verläuft. Betrachtet man, nach erfolgter Ablösung, die Vertiefungen vor den Kiemen, so wird man, wie schon Ir, delle Chiaje anführt, aus der Mitte des Bodens jeder, einen sehr niedrigen, röhrenförmigen, an seinem Ende nach aussen geöffneten Vor- sprung oder Zapfen sich erheben sehen. Die Lage dieses Za- pfeus auf dem Boden der Vertiefung entspricht genau der, wel- che die für den Mund des Vertumnus gehaltene Oeflnung auf der sogenannten Saugscheibe einnimmt. Wenn demnach letz- tere ihrer respecliven Vertiefung dicht anliegt, so kommt der Zapfen wit der Oeflnung in die innigste Berührung. Der Za- pfen ist aber sicher erst nach der Ablösung entstanden, da er die gleichsam eingerissene Verbindungsbrücke darstellt, vermillelst welcher die Gefässe und Nerven der Vertumni und der The- lis ineinander übergehen. Ich halte nämlich die grosse, bis ans Hinterende der Verlumni reichende Centralhöhle, den Magen 92 2 nach Otto und delle Chiaje, für ein Blutgefäss, wahrscheiu- lich eine Vene. Dafür scheint ihre zarte dünne Wandung und die von Nrn. Otto beobachtete Durchlöcherung derselben zu sprechen. Auch dürfte sich die von diesem Schriftsteller ge- äusserle Vermuthung, dass die Löcher der Wandung mit ver- zweigten Gefässen communiciren, insofern bestäligen, als man jenes Centralgefäss für den Stamm der letzteren anzusehen hat. Auf diese Art erklärt sich auch die kanalarlige Aushöhlung des Zapfens und die Oeffnung an seinem Ende, Gleich wie das Gelässsystem, so ist auch das von Hrn. Otto nachgewiesene Nervensystem der Verlumni nur eine De- pendenz des im Körper der Thetis verbreiteten. Gewöhnlich erhält jeder der Vertumni zwei feine Nervenstämmehen, wel- ehe nur sehr untergeordnete Zweige der beiden grossen, vom Hirnknoten der Thelis entspringenden, und weit nach hinten sich erstreckenden Seitennervenstämme sind. Die Stämmchen dringen durch die Wandung des oft besprochenen Zapfens in den Vertumnus, und verhalten sich dann häufig auf die Weise, wie sie Hr. Otto entdeckt hat. Ich füge noch hinzu, dass die Fäden, die aus den beiden durch eine Quercommissur mit einander verbundenen Knötchen hervorstrahlen, sich vielfältig zerästeln und durch wechselseiliges Zusammenfliessen oft sehr sichtliche Geflechte bilden. Doch variirt der Verlauf dieser Nerven, so wie die Form, Grösse und Zahl ihrer Knötchen sehr. Als ceyclisch abgeschlossenes System eines selbstsländi- gen Organismus müsste ihre Anordnung einen festeren Typus zeigen. Trotz des eben beschrieberen, durch Haut, Gefässe und Nerven bewerkstelligten Zusammenhanges des Vertumnus mit der Thetis, ist es mir doch nie gelungen, eine sichtliche Ver- bindung der Muskelbündel beider nachzuweisen. Auch lässt sich an dem, die Zwischenräume der Muskelbündel ausfüllen- den, gallertartigen, aus einer dichten Zusammendrängung von kleinen runden, transparenten Bläschen bestehenden Gewebe, das man von ähnlicher Beschaffenheit in den Maschen de . 423 Fleischbündelgeflechte der Thetis antrifft, kein deutlicher Sub- stanzübergaug wahrnehmen. Diese beiden Umstände dürften das leichte Abfallen der Vertumni erklären, da Haut, Gefässe und Nerven wohl zu schwache Verbindungsmittel sein möch- ten, um die, wahrscheinlich durch die starke Contraelion der Muskelbündel zunächst veranlasste Ablösung zu verhindern. Wie dem auch sein mag, es geht aus dem Vorgetragenen klar hervor, dass die Vertumni nicht Schmarotzerthiere, sondern äussere Organe der Thetis sind. Welchen Antheil diese Or- gane an dem Lebensprocess dieses Thieres haben, lässt sich zur Zeit nicht bestimmen. Ihre Bewegungen am lebenden Thiere beschränken sich auf Anschwellungen und Zusammenziehungen, wie man sie an so vielen Stellen der Thetis erfolgen sieht, und zuweilen auf Krümmungen, wobei der Hintertheil nach vorne umgebogen wird. Löst man sie ab und entzieht sie so- mit dem Nerveneinflusse der Thelis, so bemerkt man an ihnen eine viel trägere, gleiclımässig über alle Theile sich ausbrei- tende Zusammenziehung, wobei ihr Umfang allmählig sich ver- kleinert. Diese Contraction ist wahrscheinlich bloss Folge einer nach und nach erlösckenden Irritabilitätsäusserung, welche sich auf angebrachte Reize, als Stechen, Druck u. s. w. momentan verstärken lässt. Dass aber diese Organe, nachdem sie die Thetis verlassen, sich noch an fremde Körper anheften oder ansaugen, wie Hr. Otto beobachtet hat, ist eine Thatsache, die auf besondern, noch ferner zu ergründenden Verhältnissen beruhen muss, Notiz 4 über die Verbindung der Intervertebral- Ganglien und des Riückenmarkes mit dem vegetativen Ner- vensysiem. Von ©. W. WUTZER. Herr Dr. Fouilloux, Arzt am Hötel-Dieu zu Lyon, re elamirt 1841, im September -Hefte der Archives generales (p- 148 u. f.), die Priorität des im Jahre 1831 von Scarpa ausgesprochenen Salzes: .‚dass die Verbindungszweige des Ner- vus sympalhieus mit dem Rückenmarke der hinteren Wurzel der Spinalnerven allein angehören.“ Da der hierin liegende Irrthum Scearpa’s längst nachgewiesen ist, so könnte man die späte Reclamalion des Hrn. Fouilloux, welche sich auf einen von ihm in der Bibliotheque medicale, April 1824, abgedruck- ten Aufsatz stützt, sich selbst überlassen, wenn nicht durch dieselbe auf die gegenwärtige Lage dieser physiologisch höchst wichtigen Angelegenheit in Frankreich einiges Licht geworfen würde. In der That muss es jetzt, nachdem J. Müller’s treffliche Nervenphysik durch Jourdan in’s Französische über- setzt worden ist, um so mehr auffallen, dass Hr. Fouilloux die Arbeiten von Müller ı), Retzius ?), Mayer) und 3 4) Meekel’s Archiv. B. VI. 1832. p. 85. 2) Ebendas. p. 260. 3) Nova acta academiae nalurae curiosor. Vol. XVI, P. II. 1533 pag. 679. 425 mir *) vollständig ignoriren konnte. Durch sie ist genü- gend dargethan worden, dass die Verbindung der Nervensy- steme des Rückenmarkes und des sympathischen Nerven durch beide Wurzeln der Spinalnerven zugleich vermittelt wird, wie dies die älteren Arbeiten von Scarpa (1779) und Wutzer (1817) bereits richtig angegeben hatten. Indessen beweist uns Hr. Fouilloux abermals, dass Frankreich im Auslande ge- wonnenen Wahrheilen immer noch schwer zugänglich bleibt. 4) Müller’s Archiv. 1834. p. 305. Ueber den Sternaspis thalassemoides. Von Dr. Aucust Kronn. Seitdem Hr. Prof. Otto seine Abhandlung über den Sternaspis bekannt machte (Nova acta acad. natur. curios. T. 10. p. 619. Tab. 50.), ist unsere Kenntniss desselben, insoweit ich unter- richtet bin, durch keine ferneren Beilräge vermehrt worden. So äusserst treu indessen die Angaben des hochverdienten Ver- fassers über die Gestalt und die äusseren Theile des Sternaspis sind, so bedürfen doch mehrere auf den inneren Bau sich be- ziehende Beobachtungen desselben einer Berichtigung und Ver- vollständigung. Es sei mir daher erlaubt, in diesem Aufsalze die Punkte besonders hervorzuheben, welche ich mit den eige- nen Untersuchungen nicht in Einklang brivgen kann. Bekanntlich läuft das eine Ende des Wurms in einen ey- lindrischen, zwei Linien eiwa langen, an seiner Spitze offenen Forlsatz aus, der bald nach innen gestülpt, bald wieder her- vorgestreckt werden kann; gleich dem Rüssel mehrerer ande- rer Anneliden und vieler Gasteropoden. Auf diese Analogie hin hat auch Hr. Prof. Otto nicht angestanden, diesen Theil für den Rüssel des Sternaspis zu erklären. Es wird sich auch diese Ansicht um so leichler aufdringen, als man bei Un- tersuchung der beiden Leibesenden weder einen eigenthümlich geformten Theil, der für den Kopf gelten könnte, noch Spu- ren von Sinnesorganen im Stande ist nachzuweisen. Selbst 427 aus der Untersuchung der innern Organe werden sich keine augenscheinlichen Gegengründe ergeben, so lange man nicht den Nervenstrang entdeckt, sein Verhalten innerhalb der bei- den Leibesenden beobachet und endlich den Hirnknolen aufge- funden hat. Ist dieser erkannt worden, so überzeugt man sich, dass er nicht in der Nähe des angeblichen Rüssels, sondern im entgegengeselzten Leibesende, welches somit das vordere ist, liegt. Hieraus folgt, dass die für den After gehaltene Oeflnung der Mund ist, dass die Aufeinanderfolge der Organe in einer entgegengesetzten Richtung als bisher angenommen ist, statt hat, und dass demnach manche Theile eine andere Deutung zulassen. Daraus geht ferner hervor, dass die gene- rische Benennung des Thieres, nach der Lage des hornigen Schildehens auf der Bauchfläche, zum Theil nicht mehr ganz passend erscheint, da sie aber einmal in die naturgeschichtli- elien Compendien übergegangen ist, nicht mehr geändert wer- den darf. Was zuvörderst den für den Rüssel angesehenen Forstalz anbetrifft, so möchle ich ilım-den Namen eines Aflterrohres beilegen. Ist das Rohr hervorgestülpt, so besteht es zuäus- serst aus einer verdünnten Fortsetzung der Hautdecke, auf welche eine dünne Lage von Längenfasern folgt, die wie Hr. Otto bemerkt, bei ihrer Contraclion das Rohr zurückziehen. Diese Fasern umhüllen das Endstück des Darmkanals, welches in gerader Richtung durch das Rohr verläuft. Die Oeflnung an der Spitze des lelztern ist also der After. Das andere Ende des Nahrungskanals hängt mit einer rundlichen, ziemlich an- sehnlichen, mit einer derben fleischigen Wand versehenen Höhle zusammen, die von Hr. Otto als Kloake bszeichnet wird. (8. p. 624). Sie ist aber nich!s anderes als eine Mundhöhle oder ein Schlundkopf. Das runzlige Epithelium derselben ist mit ansehnlichen schwingenden Cilien dicht besetzt. Diese Deutung wird besonders durch die Lage des Hirnknolens unterslützt. Dicht über dem Munde nämlich, bemerkt man äusserlich 428 eine sehr kleine, runde knopfartige Hervorhebung der am die- ser Stelle sehr verfeinerten und fast durchsichtigen Haut. Es ist der Theil, den auch Hr. Otto gesehen und in der Erläute- rung der ersten und vierten Figur seiner Abbildungen After- bläschen (vesicula analis) genannt hat. (Vergl, p. 622 u. 624 des Textes). Hebt man die Haut in dieser Gegend vorsichtig ab, so trifft man unmiltelbar auf den darunter liegenden Hirn- knoten, der also die Ursache des Hautvorsprunges ist. Auf den Knoten muss aber wahrscheinlich eine Stelle in Hr. Ot- to’s Abhandlung (p. 624.) bezogen werden, wo der Verfas- ser ein merkwürdiges, mit der angeblichen Kloake in Verbin- dung stehendes, vermuthungsweise für ein eigenthümliches Empfindungsorgan gehaltenes Gebilde beschreibt. Der Kno- ten liegt genau über dem Eingange in den Schlundkopf, er entlässt zwei Seiten oder Schlundeommissuren, welche sich in einem Bogen gegen die Bauchfläche herabsenken und hier mit dem Bauchstrange zusammentreffen. Dieser Strang ver- läuft als einfacher dünner Faden auf der innern Fläche der Muskelhülle des Körpers, erreicht das Schildchen und schwillt auf dessen Mitte in einen spindelförmigen, bis an den hintern Rand desselben sich erstreckenden Endknoten an.*) Obzwar dem in den manniglaltigsten Richtungen gewun- denen Darmschlauche, der wohl den Leib um das Vier- bis Fünffache an Länge übertrifft, eine eigentliche Magenanschwel- lung abgeht, so ist er doch nicht überall von gleichmässiger Weite. Namentlich bemerkt man an ihm eine meist in der 4) Diese Anordnung des Nervensystems ist der im Sipunculus nudus (s. Müller’s Archiv 1839) sehr ähnlich. Die Endanschwel- lung entlässt jederseits zahlreiche Nervenfädchen, während aus dem Bauchstrange nur unpaarige aufeinander folgende Aeste entspringen. Genau so wie im Sternaspis verhält sich der Bauchstrang des von mir untersuchten Sipunculus echinorhynchus d. Chiaje (Memor. su la no- tomia degli animali senza vertebre. T.1, p. 133.) Nur fehlt hier der Endknoten. 429 hintern Leibeshälfte verlaufende, elwa anderthalb Zoll lange Erweiterung, die ausserdem durch ihre schwarzbraune Fär- bung vor den übrigen Abtheilungen in die Augen fällt. Diese Farbe rührt dem Anschein nach von einer, aus keulenförmig angeschwollenen Körperchen oder Bläschen zusammengesetzten Substanz her, die mit der gelben flockigen Masse, welche den Darm vieler Anneliden (z. B. des Regenwurms) umgiebt, mehr noch mit dem braunen Ueberzuge des Magens im Blutegel, den Mr. Brandt bekanntlich für die Leber hält, analog zu sein scheint. Demnach dürften vielleicht auch diese keulen- förmigen Bläschen zur Secretion eines gallenähnlichen Saftes dienen. Hr. Otto deulet dagegen ein grosses bräunliches, in der vordern Leibeshälfte liegendes und in mehrere Lappen zertheiltes Organ, das vermittelst feiner Ausführungsgänge in den Darm mündet, als Leber. (p. 624. fig. 3 und 5. P.), Eine genauere Untersuchung dieses, meiner Ansicht nach noch sehr problematischen Organs, wäre sehr zu wünschen. Mir wenigstens ist es nicht geglückt, einen direclen Zusammen- hang zwischen ihm und dem Darme nachzuweisen, obgleich ich eine Verbindung beider durch Blutgefässe wohl beobach- tet habe. Dieht über dem Afterrohre erblickt man jederseits eine scharf umsehriebene rundliche, äusserlich von ziemlich langen dünnen Zöttcehen sehr dicht bedeckte Stelle der llaut, die das Anselien eines ovalen Scheibehens hat. Untersucht man diese beide Scheibehen von innen, so zeigt sich, dass auf jedem ein Büschel von zahlreichen feinen und hohlen, oft gleichsam quer- geringelten, und an eizelnen Stellen varikös erweilerten Fäden festsitzt,. Die Scheibehen erscheinen oft dunkler als die übri- gen Haulstellen gefärbt, was vom Meeresschlamme herrührt, der sich in den Zolten verfangen hat. Hr. Prof. Otto führt diese Scheibehen in seiner Abhandlung (p. 620 a. 623. fig. 2. ©.) unter der Benennung von Slirnwarzen (verrucae fronla- les) an, erwähnt der Zöttchen als eines zelligen Gewebes (tela eellulosa) und nimmt an, dass die hohlen Fäden besondere 430 Kanäle sein, die mit freien Enden in der Leibeshöhle flottirend, sich auf der Oberfläche der scheibenförmigen Haulstellen, durch eine Menge Löcher nach aussen öffnen. (Vergl. fig. 3 u. 5.) Der ganze Apparat soll seiner Vermuthung nach bestimmt sein, Wasser zum Behufe der Respiralion in die Leibeshöhle ein und wieder auszuführen. Das von den Zöltchen gleich wie von einem Schwamme eingesogene Wasser, wird nämlich von den Kanälen aufgenommen, und durch ihre freien offnen En- den in die Leibeshöhle ergossen. Nach meinen Untersu- chungen sind aber die hohlen Fäden oder Kanäle Blutgefässe, wie sich dies zum Theil aus der rothen Farbe ihres flüssigen Inhaltes, zum Theil aus ihrer Einmündung in ein Gefässstämm- chen ergiebt, das längs den Darmwindungen verläuft. Dieser Stamm ist während seines Verlaufes über die oben angezeigle Anschwellung des Darms, besonders stark erweitert und nimmt hinten die Gefässbüschel auf. Iebt man lelztere sammt den Zöttehen ab, so hat es in der That den Anschein, als wären die Scheibchen siebarlig durchbrochen. Doch konnte ich mich nicht deutlich überzeugen, dass sie wirklich durchlöchert seien. Die Zötlchen die den ovalen Haulstellen eine besondere Eigen- thümlichkeit zu geben scheinen, finden sich übrigens auf der ganzen Haut zerstreut, nur sind sie hier erst bei Vergrösserun- gen wahrzunehmen. So lange sich unsre Kennlniss der Ge- fässbüschel und ihres Verhältnisses zu den Scheibchen auf diese unvollständigen Untersuchungen beschränkt, wird sich nalür- lich nichts Sicheres über ihre Funclion angeben lassen. Vor- läufig möchte man sie für Kiemen ansehen, welche entweder mit dem in der Leibeshöhle enthaltenen und auf unbekannten Wegen erneuerten Wasser in Wechselwirkung stehen, oder falls die Scheibehen durchbrochen sind, vielleicht durch die Löcher derselben zu Zeiten vorgestreckt werden, und auf diese Art dem belebenden Elemente gleichsam entgegenkommen. Wäre Leizteres der Fall, so würden sie in mancher Beziehung mit den Caudalanhängen im Priapulus übereinkommen, welche Hr. Sars für Kiemen hält. 431 Ausser dem erwähnten Gefässtanıme auf der Wand des Darms, dessen Aeste an einzelnen Stellen nach Art der Me- senterialgefässe sich zertheilen, habe ich zwar an allen Orga- nen Blutgefässe wahrgenommen, aber nie eine vollständige An- schauung ihres Zusammenhanges gewinnen können. Ich er- wähne nur noch eines Abdominalgefässes über dem Nerven- slrange, das auf dem Endknoten stark anzuschwellen scheint, und deutlich symmetrische Seitenäste abschickt, Es bleibt mir zuletzt übrig, Einiges über die Zeugungs- organe und die Geschlechtsverhältnisse im Sternaspis mitzu- iheilen. Nach Hrn. Prof. Otto’s Untersuchungen hängen von der Bauchfläche zwei dünne, ungefähr drei Viertheile einer Linie lange, an ihrem Ende durchbrochene Fortsätze herab, deren Lage, wenn man nur die vorgefallene Verwechselung der beiden Leibesenden im Auge behält, sehr genau angege- ben wird. (p- 621. fig. 2.). Es sind die von einer verdünn- ten Fortseizung der Haut überzogenen, nach aussen vorsprin- genden Endstücke der beiden Eileiter. Ich muss in Bezug auf den Verlauf derselben, ihren Ursprung aus dem Eierstocke und die Structur des lelzteren auf die naturgetreue Darstel- lung in der Abhandlung verweisen, und erlaube mir hinsicht- lich der angegebenen Lage des Ovariums nur die Bemerkung, dass es nicht in der vordern, sondern in der hintern Leibes- hälfte enthalten ist. Ausser dem Eierstocke fand Hr. Otto in dem einen der von ihm untersuchten Exemplare an der Bauch- Nläche, zwei hinter den Geschlechtsöffnungen gelagerte, cylin- drische helle Körperchen, die wahrscheinlich Hoden sein dürf- ten. (p. 625. fig. 3. S.). Welche Bewandiniss es mit diesen mir nicht zu Gesicht gekommenen Körperchen haben mag, be- darf noch näherer Untersuchung, sicher ist es, dass die Geschlechter beim Sternaspis getrennt sind. Die Gestalt des Hodens slimnıt ganz mit der des Eierstocks überein, nur ist sein Gewebe con- pacler und ausserdem von weissgelblicher Farbe. Die beiden Samenleiter verhalten sich gerade so wie die Eierleiter. Sie verlaufen neben einander nach vorn, verengern sich zuletzt und Müller’s Archiv. 1812, 29 432 treien in ganz ähnliche Bauchforisätze, wie sie das Weibchen hat. Ich brauche nicht zu erinnern, dass ich den Inhalt der Zeugungsorgane beider Geschlechter mikroskopisch untersucht und im Sperma Samenfäden, in den auf verschiedenen Eut- wickelungsstufen gesehenen Eiern die bekannten Elemenlar- theile, das Keimbläschen und den Keimfleck angelroffen habe. Ar Bemerkungen über die Entwickelung der Gräthe des Schedels bei den Säugethieren und über die Entwicklung und Function der Knochenhöhlen. Von Dr. GrorG JAEGER, Die grössere Entwickelung der Grälhe des Schedels bei den reissenden Säugethieren ist hauptsächlich in Verbindung mit der grösseren Entwickelung der den Unterkiefer gegen den Oberkiefer bewegenden Muskel gesetzt worden, welche die Lebensweise dieser Thiere erfordert. Bei einigen Säugelhieren scheint die Grälbe auch ausschliesslich diesen Zweck zu ha- ben, indem sie, wie namentlich bei dem Dachs einen dünnen, senkrecht hervorstehenden Kamm darstellt, dessen Höhe mit dem Alter zuzunehmen scheint, ohne merkliche Zunahme sei- ner Breite oder Dicke, welche auf eine gleichzeitige Entwik- kelung von Höhlungen im Innern dieses Kamms schliessen lassen könnte, Bei mehreren Mustelen und Viverren ist die Anlage zu einem solchen Kamme gleichfalls vorhanden, ohne dass sie jedoch die bei dem Dachs bemerkte Höhe erreichte, Nur an dem Schedel der Viverra narica (Nasua solitaria) war die Grällie von gleicher Beschaffenheit, wenngleich nicht so ausgedehnt, wie bei dem Dachs, und an einem in dem Süss- wasserkalke von Steinheim gefundenen Schädelbruchstücke einer Muslela, die ich mit dem Namen Palaeomephitis Stein- 29° 434 heimensis!) bezeichnete, fand ich den Kamm fast in gleichem Grade entwickelt. Ein aus der Diluvialablagerung von Can- - stadt erhaltenes Bruchstück des Schedels der fossilen Hyäne ?) gab dagegen deutlich zu erkennen, dass mit Entwickelung der Gräthe eine bedeutende Entwickelung der Knochenhöhlen (si- nus) verbunden war, und die Gräthe erschien weniger als ein abgegränzter Kamm, sondern mehr als die scharfe Kante der nach oben unter einem spitzen Winkel gegeneinander geneig- ien Seitenwände des Schedels. Der Raum zwischen diesen und der innern Lamelle der Schedelknochen war mit den im lebenden Zustande wohl mit einer Schleimhaut überzogenen Knochenzellen ausgefüllt, welche sich bis zu der hinteren Her- vorragung der Seitenwandbeine erstreckten, die mit dem Hia- terhauptsbeine durch eine Nath verbunden ist. Die Entwick- kelung dieser Zellen oder Höhlen aus der feinzelligen Di- plo& des Schädels ergab sich aus der Vergleichung der Schädel der verschiedenen Hyänenarlen, und insbesondere aus der Ver- gleichung mehrerer Schädel der gefleckten Hyäne (H. croc- uta), von welcher Freiherr von Ludwig Exemplare von allen Altern dem Königlichen Naturalienkabinet geschenkt hatte. An dem Schädel einer ganz jungen und einer halbgewachse- nen gefleckten Hyäne vom Cap ist zwischen den beiden Bogen, welche die Gränze der Temporalmuskeln bezeichnen, noch ein fast 18° breiter Zwischenraum, welcher von der Apophysis orbitalis des Stirnbeins an rückwärts über die Ossa parietalia kaum etwas an Breite abnimmt. Die Breite dieses Zwischenraums zwischen dem Bogen der Temporalmuskeln beträgt an einem Schädel der H. crocula, in welchem der vorletzte ‘grosse Backzahn schon gebildet ist, die übrigen Back- zähne aber im Durchbrechen und die Milchzähne im Ausfallen 4) Ueber die fossilen Säugelhiere, welche in Würtemberg ia verschiedenen Formalionen aufgefunden worden sind. Stuttgart 1839. pag. 78. Tab. X. Fig. 7. 2) Ebendas. pag. 144. Tab. XIV. Fig. 3. 435 begriffen sind, von der Spitze der Apophysis orbitalis des Stirnknochens bis zu der Nath zwischen beiden Stlirnknochen 42" Die Gränzen jenes Zwischenraums nähern sich aber von jener Apophysis an bis zu der Vereinigung der Seiten- wandbeine immer mehr der Mittellinie, so dass sie an der Sutura coronaria nur noch 4” von dieser abstehen, und an der Vereinigung der Seitenwandbeine mit dem Hinterhaupts- beine die Mittellinie erreichen, ohne sich jedoch zu einer Gräthe (erista) zu erheben. An dem Schädel einer abyssinischen Hyäne, an welchem die Ersalzzähne kaum etwas abgerieben sind, erhebt sich da- gegen eine solche Gräthe schon etwas am Hinterkopfe; an dem Schädel einer merklich älteren H, villosa hat sich hier eine scharfe Gräthe gebildet, die dagegen an dem Schädel einer sehr alten und grossen gefleckten Hyäne nach hinten zu wieder breiter wird. An beiden letztern Schädeln war die. Kranznath nicht mehr sichtbar, indess sie sich bei zwei Schä- deln der IH. striata noch erhalten hatte, bei welchen die Gräthe besonders stark nach hinten zu. hervorragte, so dass bei der gelleckten Hyäne diese Gräthe früher und überhaupt be- deutender nach hinten zu sich zu entwickeln scheint, als bei den übrigen Arten. Dasselbe Verhältniss scheint bei den Eis- bären, bei den Hunden und bei vielen andern Thieren aus der Ordnung der Fleischfresser statizufiuden; ') nur sind bei 4) In gleichem Grade wie bei dem oben angeführten Schädel des Dachses fand ich die Gräthe an dem Schädel des Didelphis phi- lander zumal nach hinten hervorragend. Dagegen fehlt die Gräthe an den Schädeln anderer Marsupialien, die ich vergleichen konnte, namentlich an dem von Macropus major und Hypsiprymnus; bei Dar- gurus Maugei bildet sie eine wenig erhabene Kante, die mit der querzehenden Kante an der Verbindung der Seitenwandbeine mit dem Hlioterhauptsbeine zusammenhängt, und ungefähr im gleichen Grade entwickelt ist, wie bei Arctomys marmota und Bathyergus marilimus, indess bei den übrigen Nagern, namentlich dem Biber, den Cavien, den Haasen, die vorzugsweise pflanzenfressend sind, keine 436 einigen, wie ohne Zweifel bei dem braunen Bären und auch bei den Hunden, namentlich dem gemeinen Wolfe, vorzüglich die Höhlen der Stirnknochen mehr entwickelt, ohne dass sie sich weit rückwärts unter der Gräthe forterstreckten, wie bei der Hyäne. Diese vorzugsweise Entwiekelung der Stirnhöh- len scheint sogar bei dem Hundegeschlecht eigne Varietäten zu bewirken, welche sich durch die sehr gewölbte Slirne aus- zeichnen und darin sich einer Abart der fossilen Bären (Ours a front bombe) nähern. — Dem Obengesagten zu Folge scheint die Erhöhung der Gräthe sowohl als die Entwickelung der grösseren Knochenzellen zwischen beiden Tafeln der Schä- delknochen mit dem Wechseln der Zähne und mit dem Ein- tritt der Mannbarkeit zusammenzutreffen. Während die Ent- wieklung der Gräthe des Schedels als Bedingung der stärkeren Entwicklung der den Unterkiefer bewegenden Muskel das Ueber- gewicht sichert, welches das reifere Thier behaupten soll, ge- währt ihm die grössere Ausdehnung der Knochenzellen zu- gleich eine grössere Ausdehnung der Schleimhautfläche, welche vermöge ihrer Verbindung mit den Nerven der Nasenhöhle und den Respirationsorganen eines theils zu Verstärkung des Geruchsorgans dienen könnte, anderntheils wohl allgemeiner dazu dienen dürfte, die Oberfläche zu vergrössern, auf wel- eher die Umwandlung des venösen Bluts in arterielles erfolgt. Die Erweiterung dieser steht aber mit anderen Veränderun- gen des Körpers namentlich der Ausdehnung des Brusika- stens im Einklange, welche z. B. beim Meuschen insbesondere die Pubertötsentwicklung und die damit verbundene Entwick- lung des Knochensystems begleitet. In grösserem Maasslabe Spur einer Gräthe sich findet, so wie bei den Edentatis, mit Aus- nahme etwa des Dasypus octocinetus, Den Wiederkäuern und Pa- ehydermen aber fehlt sie, so wie den meisten Quadrumanen, jedoch zeigt sich bei mehreren der lelzteren mit fortschreitendem Alter eine Veränderung des Schädels, welche der bei den reissenden Thieren angeführten entspricht. —— 437 sind indess diese Zellen innerhalb der das Schädelgewölbe bil- denden Knochen bei den Dickhäutern und Wiederkäuern an- gelegt. An der Schädeldecke eines grossen Exemplars von Catoblepas Gnu, die so abgelöst worden war, dass ein Theil der innern Tafel unversehrt geblieben, betrug die Höhe dieser Zellen 48‘ Par. Maas. Die Zellen waren durch eine nach der Mittellinie gehende vollständige Scheidewand in zwei Hauptabtheilungen getrennt, von welcher jede wieder melırere nicht ganz symmelrische durch mehr oder weniger hohe Schei- dewände getrennte Abtheilungen hatte. Iede Hauptabtheilung fasste ein halbes Maas Wasser, das nicht in die Zellen der Hornkerne übertrat, welche, wie bei andern Antilopen viel weniger ausgebildet sind, als bei den Ochsenarten. Von letz- teren hatte ich grade Gelegenheit ein Paar Hornkerne des Bos calfer zu untersuchen, welche das Königl. Naturaliencabinet dem Freiherrn von Ludwig verdankt. Die Basis derselben oder die Schnittfläche hatte einen etwas unregelmässigen ge- wölblen Umfang, dessen grosse Durchmesser 74 und 78 be- trugen. Sie war in eine Menge Zellen von verschiedenem Umfange durch etwa 4" dicke knöcherne Scheidewände abge- theilt. Diese nalımen von dem inneren Umfange bis zu der Mitte des Hornkerns an Tiefe zu, welche bis zu 28° betrug. Wasser in diese Zellen gegossen floss durch kleinere Oeflnun- gen in den leeren Zwischenraum zwischen dem Hornkerne und dem Horne selbst. Dieser hohle Zwischenraum war ohne Zweifel durch Eintrocknung des Hornkerns und die zum Theil durch Speckkäfer und ihre Larven bewirkte Entfernung der parenchymatösen Substanz entstanden, welche ohne Zwei- fel den Hornkern mit dem Horne verbunden hatte. Die Aus- delnung der Zellen gegen die Spitze des Hornkerns konnte ich an diesen Exemplaren nicht untersuchen, bei dem gemei- nen Stiere sind dieselben jedoch schr entwickelt, wie dies ins- besondere an den längere Zeit in Torfmooren gelegenen Horn- kernen der Stammrasse des Bos taurus deutlich ist. Indem nämlich die durch Auslaugen in dem Torfgrunde mürb ge- 438 wordene äussere Wandung dieser Hornkerne leicht zerbrochen wird, kommen die grossen Zellen zum Vorschein, welche bei dem fossilen Stiere fast bis zu der Spitze der Hornkerne im Innern sich erstrecken, indess die äussere Oberfläche des Horn- kerns nur kleine Vertiefungen zeigt. Von den Stirnhöhlen des Büffels bemerkt Bailly (Froriep’s Notizen No. 167.) dass sie 6° hoch seien und eines Theils mit der Nasenhöhle, an- dern Theils mit den Höhlen der Hornkerne communieiren, so dass die Luft zu denselben freien Zutritt habe. Dass sie dem Büffel zu Verstärkung des Geruchs dienen, ist aus der von Bailly angeführten eigenthümlichen Haltung des Büflels beim Wittern nicht unwahrscheinlich, wenn gleich der Vortheil derselben zu diesem Zwecke nicht schr einleuchtend ist, da die Geruchsempfindung kaum an Stärke und Deutlichkeit durch diese rückwärts von der Nase gestellten Höhlen gewinnen kann. Diese scheinen mir vielmehr in demselben Verhältnisse zu der Entwicklung der Wiederkäuer zu stehen, wie die Gräthe des 'Schedels bei den reissenden Thieren. Die Entwicklung der Hörner bei den Wiederkäuern ersezt gewissermaasen die voll- ständigere Entwicklung des Gebisses bei den reissenden Thie- ren im mannbaren Alter, und dient zugleich zu grösserer Aus- dehnung des Athmungsapparats, die nach der bei dem Gnu angestellten Messung blos bei einem Theile der Stirnhöhlen schon sehr beträchtlich ist? Diesen Bemerkungen zu Folge können die angeführten Knochenhöhlen der Säugethiere füg- lich mit den Höhlen verglichen werden, welche bei einigen Vögeln z. B. mehreren Nashornvögeln (Buceros) durch ein Netz von Knochenfasern innerhalb des sogenannten Horns oder innerhalb des Schnabels selbst z. B. bei dem Buceros obseu- rus und den Pfefferfressern (Rhamphastos) unterslülzt wer- den, so wie mit den Höhlen, welche in den Röhrenknochen der Vögel sich finden, und deren innere Haulbekleidung mit dem System vonLuftsäcken in Verbindung steht, das bei den Vögeln dazu dient, den Umfang der Respiration zu vermeh- ren. Nach einer Bemerkung von Levaillant (Oiseaux d’Alti- 439 que. Tom V. p. 83.) ist bei allen gehörnten Calaos (Buceros) das Horn im ersten Alter noch kaum erkennbar; es wächst allmählig, indem es mehrere Male seine Form verändert und erhält nur mit dem reifen Alter des Vogels seine vollendete Form. Ich fand diese Bemerkung bestätigt bei mehreren Exem- plaren des Buceros -buceinator vom Cap und bei einem älteren Exemplar schien sogar das Horn an seinem vorderen Ende oflen gewesen zu sein, womit denn also eine unmiltelbare Verbindung der Höhlen des Schnabels mit der äusseren Luft slallgefunden hälte. Mit Sicherheit liess sich übrigens diess nicht behaupten und es wäre ebenso wohl möglich, dass im frischen Zustande diese Oeflnung durch eine feine Haut ge- schlossen gewesen wäre. Bei Buceros coronatus zeigt sich so- gar erst bei dem älteren Vogel eine deutlichere Abtrennung der oberen Leiste des Schnabels, die bei den verschiedenen Arten von Buceros sich mehr und mehr zu dem Grade, wie bei Buceros rhinoceros entwickelt, so däss dabei ebenso eine gradweise Verschiedenheit sich darstellt, wie bei den verschie- denen Gallungen und Arlen gehörnter Säugethiere. Dabei er- giebt sich auch hier wieder zwischen der Entwicklung dieser Höhlen im Innern der Knochen und der Entwicklung der den Hörnern der Wiederkäuer einigermassen entsprechenden Spo- ren der Vögel eine Beziehung zu der Geschlechts-Funclion. Die Sporen des Haushahns namentlich bestehen aus ei- ner geschichtelen Hornsubstanz, welche einen aus zelligler Knochenmasse besiehenden Kern umgibt, der jedoch von der Höhle des Miltelfussknochens geschieden ist, indem er auf die Knochenwandung des letztern nur aufgesetzt zu sein scheint, wie dies oben bei den Hörnern des Gnu in Beziehung auf die Stirnhöhlen bemerkt wurde }). 4) Es ist hiebei bemerkenswerth, dass die Sporen bei dem Haus- hahne namentlich in einer Functionsbeziehung zu den Geschlechts- organen zu stehen scheinen, wie die Geweihe der Hirsche, indem durch Brennen der Sporen nach Columella die Castration des Haushahns bewirkt werden kaun, wie durch Verletzung des neu aufgeselzten Ge- 440 Es wäre hiebei zu untersuchen, ob während der früheren Entwicklungsperiode dieser Knochen das Innere derselben auch blos einer Diplöe gleicht und durch seinen Gefässreichthum iheils das Wachstum der Knochen selbst befördert, Iheils auf andere Weise ihre Bedeulung für dasselbe Verhältniss der Le- bensprocesse zu erkennen gibt, welches später nur unter einer andern Form sich darstellt, welche vielleicht bei den Lauf- vögeln und wohl allgemein bei den Säugethieren die gewöhn- lichste ist. So schr entwickelt diese Knochenzellen bei dem Strauss auch in den Körpern und Fortsätzen der Rückenwir- bel und der Röhrenknochen sind, und dadurch die grosse Leichligkeit der macerirten Knochen wohl erklärbar ist, so scheinen sie doch bei dem Strausse während des Lebens we- nigstens zum Theil eine grosse Menge von Mark zu enthalten, indem ich namentlich die Tarsi des Scelets eines Straussen, aus welchen viel öligte Flüssigkeit ausschwitzte, bedeutendschwer fand. Durch diesen gröseren Gehalt an festem oder halbflüssi- gem Felt würden sich die Strausse an die Säugethiere an- schliessen. Die verschiedenen Knochen des Scelets sind zwar bei einem und demselben Thiere unter sich in Absicht auf Festigkeit und den damit zusammenhängenden Gehalt an Ge- latina, so wie in Absicht auf den Gehalt an Mark im Innern sehr verschieden, die Menge des letztern nimmt aber auf allen Fall mit fortschreitender Entwicklung zu und es findet also eine verhältnissweise sehr bedeutende Ablagerung von Kohlen- stoff (der hier als Repräsentant der brennbaren Stofle gelten mag, welche das Mark enthält) aus dem Blute in den Kno- chen stalt, welche für die Oeconomie des Säugethiers, das bestimmt ist, auf dem Boden sich zu bewegen, dieselbe Be- deutung haben könnte, wie die in den Knochenhöhlen der weihs Hirsche wenigstens auf einige Zeit unfähig zur Zeugung wer- den sollen, und castrirte Hirsche keine Geweihe aufselzen, im Alter castrirle sie nicht mehr abwerfen, und Verletzung der Hoden nament- lich bei Rehen häufig Missstaltung der Geweihe veranlasste, 444 Vögel vor sich gehende Trennung des Kohlenstoffs aus dem Blute durch Erweiterung der Respiralion, welche für sie zum Behuf des schnelleren Ersatzes der Reitzbarkeit der Muskeln erforderlich ist. Mit dieser Ablagerung des Marks in den Kno- chen erhalten insbesondere die Säugelhiere, in geringerem Maasse, wie es scheint, die Vögel und Reptilien einen Vor- ralh eines Stofls, der zur Unterhaltung der Ernährung und Blutbereitung mittelst des den Lungen zugeführten Materials für den Athmungsprocess längere Zeit dienen kann, wenn dem Körper keine Nahrung von aussen zugeführt wird, und der vielleicht insbesondere zu längerer Ausdauer bei grösseren Kraftanstrengungen und anhaltenden Strapazen dienen kann, sofern dadurch eine Bedingung für die Fortdauer des regel- mässigen Ersalzes der Reitzbarkeit durch das Athmen gegeben ist. Wenn bei krankhaften Zuständen überhaupt das kohlen. und wasserstofl-reichere Fett im übrigen Körper zunächst ver- schwindet, so tritt nicht selten bei längerer Dauer derselben, z. B. Consumlions-Krankheiten, oder bei tieferer Ergreifung des gan- zen Organismus, z. B. nach überstandenem typhus abdominalis, die Empfindung einer im Innern der Knochen vor sich gehenden Veränderung ein, die vielleicht durch die theilweise Aufzehrung des Marks in denselben veranlasst ist, was wohl verdiente genauer untersucht zu werden, da über die Veränderungen des Inhalts der Knochen überhaupt noch verhältnissweise wenigere Beob- achtungen angestellt sind, indess über die Veränderungen der Knochen selbst im gesunden und kranken Zustande des Or- ganismus viele Erfahrungen und Versuche gemacht worden sind, die einen schnellen Stoffwechsel in den Knochen und damit eine grössere Bedeutung derselben für die physiologi- schen und pathologischen Processe im Körper überhaupt ver- muthen lassen, als man insgemein bei ihrer augenscheinlichen mechanischen Bestimmung als Hebel der Bewegung des Kör- pers anzunehmen geneigt ist. Die Ablagerung des Fetts im übrigen Körper ist indess nur innerhalb. gewisser Grenzen als normal anzunehmen, indess das Vorhandensein des Marks 442 in den Knochen eine normale Erscheinung bei den Wirbel- thieren ist, welche mit ihrer Oeconomie in unmitlelbarem Zusammenhange zu stehen scheint. Damit dürfte sich viel- leicht die lange Ausdauer des Menschen und mancher Säuge- thiere olıne Nahrung erklären, welehe besonders unter Um- ständen beobachtet wird, unter welchen der Respirationsprocess mehr beschränkt ist, indess die Vögel bei weitem nicht so lange ohne Nahrung ausdauern können. Dieser Ablagerung von brennbaren Stoffen in der Höhle der Knochen entspricht eini- germaassen die Reduction von Quecksilber, das in der Höhle der Knochen wieder in melallischer Gestalt aufgefunden wurde, welcher das nach einer Bleivergiftung beobachtete Vorkommen von metallischem Blei (ob dieses jedoch vorzugsweise in den Knochen gefunden wurde, ist aus der Beobachtung von Bark- hausen (Hufeland’s Journal der pract. Heilk. 1832 p. 121) nicht ganz deutlich), zur Seite stände, so wie die doch wohl aus Auflösung des Eisens in Schwefelsäure erfolgte Bildung von Schwefeleisen in den Knochen fossiler Reptilien, nament- lich des Mastodonsaurus in dem Alaunschiefer von Gaildorf, und in einzelnen Knochen von Ichthyosaurus und die Abla- gerung von Schwefeleisen an viele Belemniten uud Ammoni- ten bis zu völligem Verschwinden der organischen Substanz, oder die sogenannte Umwandlung derselben in Schwefelkies, wie sie häufig im Liasschiefer beobachtet wird. Diesen Pro- cessen entspricht die Bildung von Schwefeleisen durch vege- tabilische Stoffe oder die sogenannte Verkiesung der letztern, so wie von Böhm!) beobachtete Reduction des in Pfeffer- münzöl aufgelösten Kupferoxyds zu Oxydul bei Abschluss der Luft, und dessen wiederholte Verwandlung zu Oxyd beim Zutritt der Luft. Das chemische Verhältniss, das in dem iodten organischen Stoffe in einem einfachen Auslausche der Elemente thälig ist, trilt somit während des Lebens in Ver- 4) Buchner’s Reperlorium NXXIX. pag. 261. Berzelius Jahres- bericht XIII, p. 294, 443 bindung mit den Functionen der einzelnen Organe und ihrer Entwicklung. Es erläutert sich damit der Antheil, den der Chemismus des Lebens an der Form der Organe nimmt, welche in Uebereinstimmung mit ihrer Function und den Abänderun- gen derselben auf ähnliche Weise bei einem und demselben Individuum in den verschiedenen Stadien seines Lebens sich entwickelt, wie in den verschiedenen Typen organischen Le- bens überhaupt, obgleich bei diesen innerhalb gewisser Grän- zen die Elemente des Lebens wechseln und damit mehrere Reihen von Organisationen entstehen, für welche die Aequi- valente des Lebens und der organischen Thätigkeit einen sehr verschiedenen Werth haben können. Beitrag zur Lehre von der Funktion der den Cere- brospinalen Nerven beigemischten sympathi- schen Fäden. Von A. v. Warruer Russischem Arzt. Man kann die Mittheilungen der folgenden Untersuchungen eine vorzeilige nennen, weil 4) durch dieselben mehrere ganz nahe angrenzende, bisher unentschiedene und doch rückwir- kend wichtige Fragen gar nicht berücksichtigt sind, 2) weil sogar durch diese Untersuchungen neue Fragen entstanden sind, deren Beantwortung auch fehlt. Ich würde antworten, dass in einer Zeit, wo viele Kräfte sich der Erforschung der Er- nährung zuwenden, wo durch Henle und andere die abnormen Nutrilions-Prozesse in eine so enge Abhängigkeit von der Be- wegung des Blutes in den Capillaren, und diese wieder von, dem Gleichgewichte der Nerven Aclionen gebracht zu werden scheinen, zu einer Zeit, wo die mechanischen Hülfsmittel zu einer Realisation einer selbstständigen Contraclion und Rela- sation der Gefässe vielleicht durch denselben Forscher endeckt sind, dass zu einer solchen Zeit die gründlichen Untersuchun- gen des Einflusses der Nerven auf die Capillareireulation und die festeste Constatirung der bezüglichen Facla eine sehr wün- schenswerlhe wäre, mit einem Worle, dass wenn diese Ver- hältnisse noch nicht fest stehen, ihre sichere Begründung ge- rade im Tages-Interesse der Wissenschaft liegt. Und sind 445 denn diese Verhältnisse ausgemacht? Von Bichat bis Stil- ling giebt es in dieser Sache so viel Autoritäten als dia- metrale Widersprüche. Dieser Umstand konnte nur abschrek- ken von dem Plane den viel betretenen Weg abermals zu schreiten, wenn es nicht möglich gewesen wäre, es auf eine bisher nicht geschehene Weise zu thun, was, wie man schen wird, der Fall ist. Die unerledigten Fragen betreffend, hat der Verfasser die- ses Abrisses bei diesen Untersuchungen so viel Interesse an dem Gegenstande gefunden, dass er unverweilt die Sache wei- ter verfolgen will, wenn erst der Frühling die starren Frö- sehe wieder ermuntert haben wird. Endlich wird man se- hen, dass es sehr wünschenswerth erscheint für den Fortgang der Untersuchungen die folgenden Beobachtungen bestätigt oder widerlegt zu sehen, daher also ihre frühzeitige Bekannt- machung verzeihlich ist. Die Versuche von [denen die Rede ist, wurden so ange- stellt: die Frösche wurden auf einem Breit befestigt, das.eiu gleichschenklichtes Dreieck darstellte, in dessen gleichen Win- keln zwei Löcher von 4 Zoll Durchmesser angebracht wa- ren. Das ganze Thier wurde so viel als möglich gestreckt, die Zehen-Spitzen mit gewichster Schnur umwunden,und durch den Knoten die Nadeln ins Holz getrieben, welche also die Schwimmhaut selbst nicht verlelzten. So wurden beide Hin- terfüsse über die Löcher gespannt mit steter Vorsorge, (dass die Lage der Füsse und also die Circulation eine möglichst freie sein, wobei sich die supinirle Stellung der Schwimm- haut am besten erwies. Es wurde nach Conslalirung des re- gelmässigen Blutlaufs zur Operalion geschrilten. Diese wurde Anfangs vom Bauche aus gemacht, doch die Thiere überleb- ten sie nicht lange, daher später immer so: Es wurde die Haut auf dem Rücken in der Kreuzgegend eingeschnillen, der hinterste oberste Rand des Darmbeins mit gehöriger Vorsicht den Plexus ischiadieus nicht zu verletzen, mittelst einer Scheere exslirpirt; die Oellnung darf nicht zu ‚gross sein, weil sonst 446 der Prolapsus der Eingeweide die Ansicht und das Weiter- arbeiten stört. Drückt man jetzt genau dem Processus su- perior posterior ossis illium entsprechend die Lunge mit einem breiten, flachen Messerheft berunter, so gelingt es die Aorla dadurch von der Wirbelsäule zu entfernen. In dem Raum der dadurch entsteht sieht man 4—7 sehr feine Fäden sich herüber spannen vom Stamme des Sympa- thicus zum plexus ischiadieus. Diese kann man bei einiger Uebung durchschneiden und zwar so, dass wenn man die Ope- ration öfter vollführt, man der Durchschneidung aller Fäden ziemlich gewiss sein kann. Ich habe eine ziemliche Anzahl von Thieren opfern müssen, bis ich mir Geschick genug er- warb. Man muss sich natürlich hüten die Aorla zu verletzen, an welcher der Sympathicus magnus ziemlich fest anliegt, daher durchschneide man, so nahe zum Plexus ischiadicus als möglich. Macht man es geschickt, streckt den Frosch gehörig, so ver- giesst das Thier fast kein Blut. Man muss sich hüten, die Aorta mit einem Haken zu fassen, oder zu stark zu zerren; indem es geschehen kann, dass auch die Verbindungsfäden der andern Seite zerreissen, wäs natürlich die Reinheit des Experimentes stört. Ich glaube nicht, dass es nötlig sei das Anatomische dieser Beimischungsfäden hier näher auseinander zu selzen, welche so schön von Bidder und meinem hochge- ehrten Lehrer Volkmann in ihrem neuesten Werke über die Selbstständigkeit des Sympathicus aufgeklärt, und nament- lich in Betreff des Ischiaticus über alle Zweifel deutlich sind. Was nun die folgenden Beobachtungen der Cireulation betrifft, so ist das Bild ein so reiches, dass die einzelnen Ele- mente bei einer fruchtbaren Vergleichung auseinander gehal- ten werden müssen. Ich beachtete vorzüglich 1) die Schnel- ligkeit der Bewegung, ihre Continuität oder Intervalle, 2) die Grösse und Form der gebildeten Netze, 3) die scheinbare Menge der Blutkörperchen, 4) den Durchmesser der Gefässe. In diesen Momenten fanden sich Verschiedenheiten im operir- ten und nicht operirten ‚Theil, sonstige blieben aus dem Spiele, — 447 da sich nichts Abweichendes erkennen liess. Was Baum- gärtner und Valentin von der Leichtigkeit der Störung in der Cireulation dureh zufällige Einflüsse gesagt haben, habe ich in seiner ganzen Wahrheit erkannt, und daher, so viel ich konnte, mich bemüht die Schenkel frei zu lagern, jedesmal die grösste Enwickelung der Circulation abzuwarten, nur dann zu vergleichen, wenn das Thier eine Zeitlang ruhig gelegen, da jede Bewegung den Capillarkreislauf hemmt. Um den- noch die accidentellen Einflüsse möglichst zu eliminiren, habe ich halbe Tage lang einen Frosch beobachtet, und nur solche Beobachtungszeiten als gültig anerkannt, wo ich keine acciden- tellen Störungen gewahr werden konnte, auch die Verglei- chung in möglichst kürzester Zeit nach einander an beiden Schwimmhäuten gemacht. So entstand eine ganze Reihe von einander gegenüberstehenden Thatsachen. Was ich also hier als Resultat mittheile, bezieht sich auf den Ausspruch der Mehrzahl jener Beobachtungen. Glücklicher Weise war die Majorität eine sehr überwiegende, so dass die Sicherheit der Resultate eine um so grössere zu sein scheint. Dennoch ist gerade die grosse Veränderlichkeit des Capillarkreislaufs durch zufällige Umstände der Hauptgrund, warum ich diese Zeilen mit Schüchternheit niederschreibe, und ihrer Bestätigung durch andere so dringend bedarf. Hierzu kommt noch ein Umstand: Jeder, der die Sache selbst versucht hat, wird mir zugeben, dass die Messungen der Capillar-Gefässe in der Schwimm- haut schwierig sind durch die Menge des abgelagerten Pig- mentes, durch die Blutbewegung, die Plasmaschicht an den Wänden, die Unruhe des Thiers u. dergl. Ein zweiter Uebel. stand ist die vergleichende Messung an zwei verschiedenen Schwimmhäuten, da man ja leicht zwei Gefässe von normal verschiedenem Durchmesser vergleichen kann. Ich habe nichts besseres gewusst, als mich nach Augenmaass, Form der gebil- deten Netzen, dem scheinbaren Gleichbleiben des Durchmes- sers Irolz der Ramificationen zu richten und habe gesucht durch die Zahl der Messungen die Fehler zu eliminiren. Müller's Archiv. 1842. 30 448 Ich kann ferner versichern, dass ich erst diejenigen Beobach- tungen als gültig annahm, wo ich durch die Section das wirk- liche Zustandegekommensein der Durehschneidung und keine bis dahin unerkannte accidentelle Störung beweisen konnte; auch habe ich die ganze Operalion angestellt ohne Nervendureh- schneidung,; und habe dennoch nicht die zu beschreibenden Erscheinungen geschen. Nach der Operation, wenn die Thiere ruhig wurden, konnnte ‘ich trotz aller Mühe keine Verschiedenheit an den Schwimmhäuten entdecken, meist noch nicht den zweiten Tag, doch zuweilen wohl. Später wurde constant die Bewegung des Blutes schneller, die Netze grösser, es schienen weniger Bluikörperchen da zu sein, als dem Durchmesser der Gefässe entsprechend war; die Schwimmhaut erschien blasser, die Ge- fässe waren um 4— ihres Durchmessers verengt. Ich kann behaupten, dass dieses das sicherste Resultat ist, denn die grösste Zahl der Beobachtungen spricht sich hierfür aus; diese Erscheinungen erhielten sich vom zweiten bis fünften Tag; die Zeiträume stehen nicht ganz fest bei verschiedenen Thie- ren. Darnach trat wieder eine Indifferenzzeit ein, wo keine Verschiedenheit in den Schwimmhäuten erkennbar war, wel- che ich nicht länger als bis zum folgenden Tage währen sah, ja die wohl noch kürzere Zeit dauern mag, denn sie entging mir in einzelnen Fällen. Von nun an wurde das Verhältniss ein umgekehrtes. Es wurde die Circulation langsamer an der operirten Seite; ich sah wohl noch zuweilen dort grössere Netze, doch ist die Zahl dieser Beobachtungen nicht gross, da- her ich zur Zeit nicht viel Gewicht darauf lege; in der Blut- menge war auch kein rechter Unterschied. Der Durchmesser der Gefässe nahm zu bis aufs Normal; wenn irgend eine Er- weiterung stattfand, so war sie viel unbedeutender als die Ver- engerung, und ich muss gestehen, dass ich von ihr nicht über- zeugt bin, Einflüsse, welehe die Blutbewegung beeinträchtig- ten, z. B. Bewegung des Thieres, hoben dieselbe im operirten Theil ganz auf, während sie auf der andern Seite nur ver- 449 mindert wurde. Das ging so fort mit zunehmender Langsam- keit der Strömung bis zum 9., 11., ja 13. Tage. Die Blutbewe gung wurde stossweise auf der operirten Seite, während sie auf der gesunden continuirlich blieb. Allmählig trat nun die Stok- kung in den Capillargefässen ein, die Erscheinungen waren folgende: Die rothe Injection der Capillargefässe begann fleck- weise, es fand die Stockung mehr in den grösseren als kleineren Gefässen statt, letztere blieben meist ganz blutleer, es fand sich öfters ein Gefäss auf eine Strecke mit Blut ge- füllt, im weitern Verlauf leer, es fand sich aber auch das Blut fleckweise stockend und in der Umgebung ziemlich frei, oder langsam, oder stossweise fliessend. Kine Spur von Exsudation konnte ich nicht gewahr werden, die Schwimmhaut wurde zugleich auffallend zerreisslich, die Knochen lösten sich bei unvorsichtiger Behandlung von den Weichtheilen an ‘den Schwimmhäuten los, während dieser Zeit bewegte sich das Blut in dem gesunden Fusse continuirlich fort. Nutritionsver- änderungen, wie sie Stilling und Valentin (de funet. nerv. pag. No. 153.) beschrieben, sah ich nie, vielleicht deshalb, weil meine Frösche nicht über 10—14 Tage lebten. Einige tödtete ich vor dieser Frist und fand den Herzschlag langsa- mer als gewöhnlich. Zweimal ‚ereignete sich etwas, das die- sem Resultate nicht günstig schien. vielleicht aber doch nicht schadet; das eine Mal bildete sich 3—4 Tage, nachdem die Stockung in dem operirten Beine eingelrelen war, eine ganz ähnliche in dem gesunden Beine aus; das Thier tödtete ich, weil ich eine besondere nicht erkannte Ursache dieser Er- scheinung vermuthete, und fand den Herzschlag besonders langsam. Aber es geschah dieses zu einer kalten Zeit gegen Ende des Octobers mit Nachtfrösten, Tagestemperalur von + 1—2° R, und so ist wohl für die Vermuthung Raum, dass sich Wintererslarrung mit ins Spiel mischte, zumal auch meine andern Frösche äusserst träge erschienen und eine lang same Blotbewegung zeigten. Sonst hatte die Durchschneidung der sympathischen Fäden nie eine Verminderung der Energie 30* 450 der Bewegung in der Extremilät zur Folge. Ein zweites Mal war die erste Periode der Erscheinungen normal, der Indiffe- renzpunkt fehlte, und es blieb die Circulation in dem operir- ten Beine schneller als in dem gesunden, ja in dem gesunden zeigte sich zuletzt gar keine Bewegung mehr, aber auch keine rolhe Stocknug. Die Section, die frühzeitig gemacht wurde, zeigte alle betreffende Nervenfäden förmlich durehischnitten und unvereint, die Aorta aber, ob durch die Operation oder durch das contrahirende Exsudat, war an die Wundöffnung hingezo- gen und dort durch Exsudat befestigt, so dass die Iliaca der gesunden Seite schräg über der Wirbelsäule lag und von ihr comprimirt wurde. Bemerkenswerth war nun noch der Um- stand, dass es allerdings eine besondere Stellung des Fusses gab, wo in der zweiten Hälfte der Zeit die Cireulation schnel- ler und klein-netziger war, als auf der kranken Seite, doch war diese Stellung eine künstliche und nur auf Augenblicke zu erzielen. Es bleibt übrig, an diese eigenen Beobachtungen das Ma- ierial von fremder Hand anzureihen und das, was früher schon so sorgfältig von Baumgärtner, Nasse, Arnold und Stil- ling beobachtet wurde, in Einklang zu bringen, Zuerst glaube ich mir nichts anzumassen, wenn ich be- haupte, dass die Art meiner Untersuchungen eine andere war, als die der bisherigen. Soweit mir bekannt ist, hat nur Ar- nold den Blutlauf in der Schwimmhaut nach der Durchschnei- dung des Sympathicus untersucht; er giebt aber nicht an, an welcher Stelle er ihn durchschnitten, und so sind seine Be- obachtungen nicht recht conclusiv. Wir keunen erst durch Volkmann und Bidder, so wie Valentin, den Faserver- lauf im Grenzstrange genau und es ist demnach nicht ge- wiss, ob Arnold auch die in den Plexus ichiadicus gehen- den Fasern durchschnitten hat. Ferner hat Arnold, wenn er auch dieses gelhan, wahrscheinlich von der Bauchhöhle aus durchschnitten, da seine Thiere nur noch etwa zwei Tage ebten, und er nicht ausdrücklich bemerkt, dass er vom Rük- 451 ken aus operirle. $o mussten ihm also die Veränderun- gen der späteren Zeit unbekannt bleiben. Die Resultate der Durchschneidung des Nervus ischiadieus am Schenkel sind in- sofern für uns wichtig, als ja natürlich die sympathischen Fä- den mit durehschnitten wurden. Von keinem Beobachter, als von Valentin, wird aber angeführt, dass er die Thiere lange Zeit nachher beobachtet habe, und dieser beschreibt nur die Ernährungsvorgänge, spricht aber nicht von den mikroskopi- schen Erscheinungen des Kreislaufes. Die meisten Forscher erwarteten die schlagendsten Erfolge unmittelbar nach der Dis- seelion. Hätten Nasse, Stannius, Baumgärtner, Ar- nold sehon die Beimischung der sympathischen Fäden gekannt, sie würden gewiss nach der Analogie des nach der Ausschnei- dung des Herzens so lange forldauernden Herzschlages auch hier der Wirkung des Sympathieus noch länger nach der Operation gewärlig gewesen sein. Sie beobachteten aber, wie es scheint, meist nur kurze Zeit nach der Operation. Baum- gärtner, Arnold und Valentin sahen die Bewegung un- gestört fortdauern. Valentin sagt, der Kreislauf daure „ele- gantissime“ fort; auch mir schien es so, denn die Schnellig- keit vermehrte sich und die Schwimmhaut wurde blasser, wie es auch Nasse sagt. Derselbe findet, dass wenig Blut aus- fliesst bei Einsehnitten. Auch mir schienen die Blutkörperchen vermindert unter dem Mikroskop, vorzüglich im Verhältniss zum Durchmesser der Gefässe, wie diese Erscheinung auch von dem in mieroseopieis erfahrenen Doctor Patruban con- stalirt wurde. Man sah z. B. einzelne Blutkörperchen in Ge- fässen, die für 2—3 neben einander Platz zu haben schienen, eben so die Interstitien zwischen den einzelnen Körperchen zu- nehmen, eine Thatsache, die viel an Gewicht verliert dadurch dass sie ausser Zusammenhang mit den andern Erscheinungen zu stehen scheint. Den Gefässdurchmesser maassen die ge- nannten Beobachler nicht, obwohl dieses durch das Erblassen der Schwimmhaut um ein Hinderniss leichter wurde, und ich möchte mich nicht leicht meiner aus zahlreichen Messungen 452 gewonnenen Resultate begeben. Auch für diejenigen, welche keine Veränderungen fanden, werden die beiläufig ersten 24 Stunden nach der Operation eine Bestätigung. Verlangsa- mung des Kreislaufes habe ich allerdings auch gesehen, ja ich sah ihn stossweise in der kranken uud gleichzeitig conti- nuirlich in der gesunden Seite; ich nehme also auch den die- ses behauptenden Beobachtungen von Stannius und andern ih- ren Werth nicht, bedaure nur, dass die Forscher nicht den Zeitpunkt ihrer Beobachtung angegeben haben, da nur dieses fehlt, um mich mit ihnen in Einklang zu setzen. Erweite- rung der Gefässe, selbt der vom stockenden Blute erfüllten, kann ich als sicher nicht angeben, jedenfalls ist sie sehr ge- ring. Ich muss noch hinzufügen, dass ich den Einfluss zufäl- liger Umstände auf diese Beobachtungen lebhafter gefühlt habe, als ich sie von den Beobachtern beschrieben finde; was ent- weder in meiner Individualität begründet ist, oder davon ab- hängt, dass jene Forscher weniger lange und weniger sorg- fältig beobachteten. Die Folgerungen betreffend, so stimmen wir Valentin vollkommen bei, wenn er sagt: Tamen haee res adeo complicita est, ut pro disciplinae statu multa eruenda posteris relinquantur. Eine einigermaasen befriedigende Theorie dieser Vorgänge kann erst nach vielfacher Bestätigung derselben, möglichst sorgfältiger Wiederholung der Versuche mit Durchschneidung des Nervus ischiatieus, mit Zerstörung desRückenmarks, nach sorgfältiger Wiederholung der Experimente am Halstheil des Sympathicus u. s. f. versucht werden. ‚So viel scheint ohne Uebertreibung gefolgert werden zu können, 1) die angeführ- ten Untersuchungen sind eine Stütze für die Behauptung, dass die bisherigen Untersuchungen zwar manches an Genauigkeit wünschen lassen, dennoch aber die bis jetzt bekannten Er- folge der Durchschneidung des Ischiatieus von der Durch- schneidung der beigemengten sympalischen Fäden abhingen, 2) dass die Durchschneidung des Sympathicus im Stande ist, eine 453 Kelte von Veränderungen einzuleiten, deren Endresultat Ab- weichung im Kreislauf der Schwimmbaut, dann Stockung und Ernährungsstörung der betreffenden Seiteist, 3) dass die Gruppe der Erscheinungen der ersten Periode am besten von der Ver- engerung ‚der Capillar- Gefässe dedueirt werden könne, 4) dass die Verengerung der Capillar-Gefässe schnell genug nach der Operation erfolgt, um den sympalhischen Fäden einen unmit- telbaren Einfluss auf das Lumen der Gefässe zu- vindieiren. Nach der Durelschneidung des Sympathicus am Halse bei warm- blütigen Thieren blieb die Iris (Valentin) 1. c. pag. Nr. 9. 100) unverändert, dann contrahirte sie sich, 5) dass eine Stase im Capillar-Gefäss-System ohne Erweiterung der Gefässe möglich ist, 6) dass demnach die Annahme: Es befänden sich die Gefässwandungen (Arterien?) in einem so veränderten Zustande, dass sie die Blutpropulsion nicht unterstützen kön- nen, etwa durch Mangel an Elasticität, dieselbe Friabilität, die die Schwimmbhaut zeigt, der jetzt gültigen mechanischen Blut- eireulations-Theorie am meisten entspreche. Hierfür ist na- mentlich der Umstand günstig, dass es Zeiten giebt, wo in der operirlen Seite das Blut stossweise fliesst, auf der gesun- den aber continuirlich, 7) dass dadurch, dass die Stockung erst eintrilt, wenn schon die llerzschläge matter werden, die supponirten Veränderungen in den Gefäss-Wandungen keinen grossen Einfluss auf die Blutbewegung haben können, obwohl dieser Einfluss unleugbar erscheint, 8) dass ich nicht ermit- telt habe, ob die Verminderung der Häufigkeit der Herzschläge von der Verwundung überhaupt, oder von der Durchschnei- dung jener Fäden speciell abhängt, was gleich wohl eine neue und wichtige Frage ist. Schliesslich muss ich bemerken, dass ich diese Untersuch- ungen mit einem Plössl’schen Glasmieromeler und Microscop machte, Die Werthe der Theilungen waren in Wiener Li- nien bestimmt, jedoch nicht für die Combination ocular 2 und Objeetiv 1 +2 + 3, die gleichwohl zum Messen allein taug- lich waren. Desshalb sind, da ich mir die Bestimmung der 454 Werthe für diese Vergrösserung selbst nicht zutraute, bei dem Messen, nicht die Grundwerthe, sondern nur die Verhältnisse angegeben, was ich hiermit zu entschuldigen suche. Ich verdanke die Benutzung des Microscops, die in Wien geschah, der ausgezeichneten Liberalität des Herrn Doctor Pa- truban und des Professor Czermak. Von den physiologischen Vorbegriffen der Chinesen. Von Dr. Gottfried Otto Piper, prakt. Arzt io Dresden. 7) Zia einer Zeit wo die Kenntniss des animalischen Körpers so gründlich ist, dass in der Erkenntniss der kleinsten Räum- lichkeiten selbst die Zeitfolgen lebendiger Verwandlung an- 4) Herr Dr. Piper, welcher sich Behufs der Ausarbeitung eines grössern Werkes, insbesondere mit dem Studium des Arabischen, In- dischen und Chinesischen beschäftigt hat, theilte mir bereits vor län- gerer Zeit die interessanten Bemerkungen mit, zu welchen eine ge- netische Betrachtung der chinesischen Schriftzeichen, sowohl in Bezug auf Physiologie als Pathologie Veranlassung giebt, Es wäre zu wünschen, dass diese Untersuchung einmal mit umfänglichen bild- lichen Darstellungen dieser höchst eigenthümlichen und einfachen symbolischen Schriftzeichen selbst veröffentlicht würde, welches mit Hülfe einiger lithographirten Tafeln gar wahl geschehen könnte, — Einstweilen habe ich den Herrn Verf. veranlasst, von dem Wesentli- chen der Sache, wie es auch ohne Abbildungen verstanden werden kann, eine kurze Darstellung zu geben, welche hoffentlich von den Lesern dieser Zeitschrift mit Interesse aufgenommen werden wird. Man erstaunt, mit welcher Reinheit auch hier im Beginn der Entwick- lung der Wissenschaft, gewisse Grundanschauungen erfasst sind, welche spätere Scholastik so oft umdüsterte! Wie sehr stimmt z. B. die in dieser Geschichte der Zeichen des Lebens sich hervorthuende An- schauung mit dem was wir von Heraklit noch über Leben, als ein steles „Werden“ besitzen überein, und wie weit entfernt ist bei des von der spätern abstrusen Vorstellung einer zwischen Seele und Leib in der Mitte stehenden besondern Lebenskraft, D. Carus. 456 schaulich werden, möchte es nicht unangemessen erscheinen, wenn die Erkenntnisse einer dunkelen Vorzeit in Erwägung gezogen werden; einer Zeit, welche kaum bekannt mit den innern Figuren des Körpers, nur von dem Augenfälligen wusste und aus demselben die ersten physiologischen Begriffe abstva- birte. Nun müssen eben die Chinesen, ein Volk, von welchem man keine merkwürdigen Nalurlehren zu erwarten gewohnt ist, in der Eigenthümlichkeit ihrer Sprache ein Mittel geben, die ursprünglichen Begriffe wieder zu erkennen, welche sich von denen anderer Völker nur dadurch unterscheiden, dass noch mit Bestimmtheit wahrzunehmen ist, was bei den Uebri- gen mit der Zeit entstellt oder verdrängt wurde. Diese Beständigkeit des Ursprünglichen liegt darin, dass die chinesische Schrift eine Bilderschrift ist, welche die Bilder sichtbarer Gegenstände symbolisch verwendet, wo man eine Analogie der wesentlichen Eigenschaften erkannt zu haben glaubt. Indem nun Jedes nach seinen objektiven oder einge- bildeten Eigenschaften bezeichnet werden sollte, ist die Schrift völlig auf die damalige Wissenschaft gegründet, und die schrift- lichen Bezeichnungen sind der reinste Ausdruck der damals geltenden Meinungen. Die Bedeutung und der Sinn der com- plieirten Zeichen lässt sich analysiren, wenn man die Bedeu- tungen der conslituirenden Zeichen neben einander stellt; man entdeckt damit einen Abschnitt aus der Geschichte, der Wissenschaften. Indem man die Bezeichnungen der lebenden Wesen, ihrer Organe und Fähigkeiten analysirt, ergiebt- sich die Physiologie der damaligen Zeit. r Um über den Sinn der einzelnen Bezeichnungen nicht ungewiss 'zu bleiben, muss man berücksichtigen, dass die älte- sten Naturerscheinungen sich in der Lautsprache kund geben, während die Schriftsprache erst um die Zeit des Confueius ausgeführt wurde, als es schon eine förmliche Naturwissen- schaft gab, welche man zum Unterschiede von allen übrigen Wis. senschaften, die vortreflliche Wissenschaft. (liang-ischti) nannte. 457 So ist es ein Gedanke der ältesten Zeit, dass, um den Act des Lebens, die Leb- endigkeit zu bezeichnen, das Wort ho gewählt ist, welches ‘zugleich „fiessendes Wasser“ bedeu- tet. Es wird damit, (vielleicht noch bestimmter, als in der griechischen Philosophie, welche dieselbe Vergleichung kennt), Zeugniss abgelegt von dem fortwährenden Stoffwechsel, und dem rastlosen Durchgange der Substanz durch die gleichblei- bende Form. Ueberhaupt wird die Verwandlung und Bewe- gung als das Prineip des Lebens betrachtet, sowohl in den grössesten Dimensionen der Weltgestalt, als in den Einzelwe- sen. Die ganze Erscheinungswelt soll nämlich darauf beruhen, dass ein Theil des Urstoffes von einem Geiste aktiver Bewe- gung durchdrungen ist, und aus der Vielseitigkeit der Bewe- gung die Mannichfaltigkeit der lebendigen Erscheinungen her- vorgeht. Der andere Theil des Urstofles ist mehr indifferent und ruhend, so dass er zwar in eine Richtung jener Bewe- gung hineingezogen werden kann, und sich nun selbst in pas- siver Bewegung befindet, dass aber seine eigentbümliche Natur dieser Bewegung widerstrebt, und bemüht ist, in den Zustand der Ruhe zurückzukehren. So hat man die Selbstständigkeit der Materie, welche ihr Wesen nur vorübergehend der orga- nischen «Bewegung unterordnet, in der allgemeinen Schwer- kraft versinnlicht gefunden. Das erste Sinnbild der lebendigen geslallenden Kraft ist der Wind, welcher den Staub der Erde in aufgerichteten Wolken entführt; und die Bezeichnung „Atom“ ist aus einer solchen Vergleiebung entsprungen. Wenn auch nun in solchen Bildern die wesentlichen Be- dingungen des Lebens kund gegeben worden sind, so hat man doch den Akt des Lebens noch bestimmter bezeichnen wollen, So ist das Bild der Zunge mit dem Bilde des Wassers. ver- bunden worden, d. i. die wasserschöpfende Zunge, und das Zeichen für das Wort ho, leben. Wie also die Zunge durch lebendige Bewegung wiederholt sich etwas aneignet von dem Niiesseuden Wasser, so soll das innerlich bewegle, Wesen die Substanz beherrschen, und vorübergehend seiner Natur an- 458 eignen. Auf solche Weise ist zu dem ursprünglichen Bilde des fliessenden Wassers, welches nur Zeugniss ablegte von dem rastlosen Durchgange der Substanz durch die äusserlich gleichbleibende Gestalt, der Begriff der individuellen Thätig- keit und der Periodicität hinzugekommen. Ausserdem liegt noch in dem besprochenen Zeichen des Lebens eine deutliche Reminiszenz an den Begriff der Schöpfung (hoa), d. i. das Bild des Löffels, welches das Schöpfen und die Schöpfung, Erschaflung bedeutet. So ist das Leben in dem Bilde der Wasser schöpfenden Zunge auch als fortgesetzte Selbstschöpf- ung des Individuums bezeichnet. Endlich wird mit dem Be- griffe des Schöpfens die Lehre begründet von der allgemeinen elementaren Gleichheit der Substanz, welche nur durch for- melle Absonderung sinnliche Verschiedenheiten zeigt. Zu den Zeichen, welche bei Bestimmung physiologischer Begriffe viel bedeuten, gehört das glückliche Vorzeichen, das Zeichen der Beugung nach rechts, das dextrum omen, phiei, und das unglückliche Vorzeichen, der Beugung uach links, das finistrum omen, i. Das dextrum omen bedeutet Alles, was dem individuellen Bedürfniss zu Gute kommt, die Beu- gung nach innen, das Erlangen, das Eigenthum. Das finistrum omen bedeutet die Aufopferung, den Verlust, die Emanation und den Tod, welches alles durch die Beugung nach aussen symbolisch vorgezeichnet werden soll. Man kann daher ohue Zwang diese beiden Zeichen mit neueren Worten benennen, indem man das dextrum omen, das Zeichen der egoistischen, und das finistrum omen, das Zeichen der universalen Lebens- richtung nennt. An die Stelle des letztgenannten Zeichens tritt auch das der Abwärtsrichtung oder Gravitation, (kun). So wird das Zeichen des egoistischen Lebens mit dem Zeichen der Abwärtsrichtung verbunden durch die Einheit, und bedeu- tet unter dem Zeichen der Erde die irdische Existenz, leben, bestehen, sein (tsai). Auf diese Weise sollen in der irdischen Existenz beide Richtungen vereinigt sein, so dass jede durch die andere gebunden ist, und ohne dieselbe keine Lebenswir- — ———— nn 459 kung ausübt. Dem dextrum omen, dem Lebensprineipe oder der Seele wird eine beständige Reaction zugeschrieben gegen das finistram omen, oder der gravitirenden Susbtanz mit der eine Verbindung stattfindet, und das Wesen besteht lebendig, wie ein Vogel durch anhaltende Flügelbewegung sich schwe- bend erhält. Trennt sich die Seele von der Materie, so fol- gen beide ihrer natürlichen Riehtung; die Seele aufwärts (tsu), die Substanz abwärts (lo) und diese Divergenz heisst sterben (tsu-lo, d. i. aufsteigen - absteigen). Somit wird die wesent- liche Richtung des Lebens als eine Diagonale dargestellt, welche nicht die Resultate verschiedener äusserer Anregungen ist, son- dern innerer Gegenwirkungen; das nicht blos in dem Bilde des fliessenden Wassers und der wasserschöpfenden Zunge, sondern auch in dem Zeichen des irdischen Bestandes. Aus diesen Gegenwirkungen entwickelt sich ein periodischer Stoff- wechsel, eine natürliche Seelenwanderung, das Auf- und Ab- leben der angeeigneten Materie, und der ganzen geordneten Lebenserscheinung selbst. Und die sichtbare Ortbewegung ist das erste Bild des Stoffwechsels: wie ein Wesen sieh durch den Raum bewegt, und Ort um Ort einnimmt und verlässt, so soll das lebendige Wesen die verschiedenen Raumtheile der Materie nach einander körperlich einnehmen und verlassen. Es muss mit Bewunderung wahrgenommen werden, wie diese einfachen und unbefangenen Seher der Natur durch alle scheinbare Festigkeit und Unwandelbarkeit der irdischen Er- scheinung sich nicht haben abwendig machen lassen, zu ver- kündigen, dass alle lebendigen Dinge auf einer Wanderung durch das materielle Prineip begriffen sind. Auch die Elemente heissen Bewegungen, Gänge (hing). In den beiden erläuterten Worten wurde das individuelle Leben angedeutet; eine besondere Bezeichnung bleibt für das Leben der Natur, und wird nur so weit als ein Prädikat der Einzelwesen angesehen, als dieselben der Lebensfortpflanzung fähig sind. Das ist das Wort seng, welches bedeutet: leben, erzeugt werden, erzeugen. Wie aber in den anderen Bezeich- 460 nungen des Lebens der Begrif! der Leb- endigkeit und Le- benserneuerung hervortrat, so ist nicht minder in das gegen- wärlige Wort ein gleicher Sinn gelegt, und seng -seng heisst die Wechselfolge von Erzeugungen und Auflösungen. Wenn neben dieses Zeichen des Lebens das Zeichen des menschlichen Geistes geschrieben wird, so bedeutet diese neue Verbindung die Natur (sing). Wie also das Leben mit seiner Verwandlung vor dem menschlichen Geiste steht, so heisst es Natur. Auf solche Weise ist nicht nur, wie in den Worten physis und natura, das Werdende ausgedrückt, sondern auch das Subjeelive der Erscheinung. Da überdiess der Begriff der Zerstörung in dem Worte seng mit inbegriffen ist, so muss derselbe auch in den neuen Begrifl der Erscheinungswelt übergehen, und so liegt auch drittens ausser dem Werden das Anderswerden, oder ausser dem Leben auch das Sterben unzweideutig in dem Worte, welches die Natur als Erscheinungswelt bedeutet. Auf diese Vorstellungen gründet sich eine weitere Defi- nition des Lebens, welche nicht mehr das Verhältniss der ein- zelnen lebendigen Wesen betrachtet, sondern die Bedeutung des Wesens feststellen will, welches sich an den sogenannten lebendigen Geschöpfen offenbart. Das ist das Leben, sing- ming, wörtlich: naturae fatum, oder seng- ming: generalionis (et corruptionis) fatum. Ueber den Sinn der letzteren Benen- nung könnte man im Zweifel sein, ob es heissen solle, das Leben sei ein Schicksal des Auf- und Untergangs (wie doch in den Worten ho, tsai und selbst seng der Begriff der Le- bendigkeit lag), oder ob die Bedeutung vorliege, dass aller Wechsel der Erscheinung und die Wandelbarkeit der Existenz von einem unwandelbaren fatum beherrscht und geleitet werde, welches Leben heisse; damit jede Bewegung auf Leben aus- gehe, und selbst der Tod dem Schicksale unterliege, und ein Lebendigwerden sei, nur in anderer Richtung. Eine Verglei- chung mit der ersteren Benennung naturae fatum, (welche gar keine andere Deutung zulässt. als dass die Natur unter 461 der Herrschaft des Lebens stehe wie unter einem ewigen Ver- hängniss und Schicksal), entscheidet sich für eine analoge Deu- tung des zweiten Namens. Wie das Leben mehrfach als eine diagonale Bewegen dargestellt wurde, so werden die beiden componirenden Mo- tive in der Benennung der lebenden Wesen kund gegeben. Die leberden Wesen heissen Seelenkörper (hoön - pe), und auch die Pflanzen sind unter dieser Benennung mit begriffen. Die thierische Production wird von der pflanzlichen auf merk- würdige Weise unterschieden. Das Wort si bezeichnet die thierische Produetion und zugleich 'die Athmung, den Athem- zug. Diesem Worte entspricht das Zeichen des Hervorgehens, der Selbstständigkeit stehend über dem Zeichen des Herzens, Geistes. Dagegen wird die pflanzliche Erzeugung (mong) be- zeiehnet mit demselben Zeichen des Merzens, welches aber in dem Zeichen der Thür steht. Während also bei der ani- malen Erzeugung der Geist oder das Herz als in einer Kraft- äusserung begriffen gedacht wird, indess ein dadurch beweg- tes, gleichsam ausgeathmetes, Wesen selbständig hervorgeht, so gilt die vegetabile Produetion für eine eigentliche Fortpflan- zung und Seelenwanderung, indem der Geist selbst aus der Thür des Wachsthums geht. Solehe Vorstellung mogte wohl stallfinden, da man wahrnahm, dass die einjährige’Pflanze mit der Samenreife abstirbt, und dass übrigens in der jedesmaligen letzten Stufe des Wachstlums, in der Höhe oder Peripherie der Pflanze, die grösseste TLebensthätigkeit und das Ziel aller Bestrebungen sich offenbart. So nahm man an, dass in den jüngsten Sprossen die vegetative Seele wohne, wie selbst die animale Seele sich nur der jüngst erworbenen Substanz an- nimmt, und die älteste einem fremden Schicksale überlässt. Solcher Weise stellte man die pflanzliche Erzeugung zwischen die Ihierische und den allgemeinen Stoffwechsel. In allen Bezeichnungen des pflanzlichen Lebens liegt der Begrifl des Aufsteigens und sich Ausbreitens, in dem Worte tchung aber, welches die Thiere bezeichnet, wird die Eini- gung und Beziehung auf eine innere Mitte angedeutet. —_ 462 Es scheint auch hinreichend, wenn das thierische Leben mit solchem Attribute abgefunden wird, weil bereits der all- gemeinste Begriff des Lebens durch die Verbindung egoisti- scher und universaler Richlungen bedingt wurde. Desshalb wird bei jeder Lebenstufe nur das Wesentliche bezeichnet; bei den Pflanzen die Ausbreitung, bei den Thieren die Con- centration, und in dem Zeichen des Menschen (zir) die Gleich- setzung der beiden Lebensrichtungen, welche die grösseste Harmonie des Lebens bewirkt, und in der aufrechten Stellung sinnlich erscheinen soll. / Zur Karakteristiik der Biologie dieser fernen Zeit dient noch 'selır vorzüglich die Erläuterung zweier Begriffe, der thierischen Wärme, und des Eingeweides, deren Definition auf einen dritten Begriff, der thierischen Substanz begründet worden ist. Die organische Materie wird unterschieden in die der Bildung gewärtige, und die festgebildete. Die bildungsfähige Materie, das Plasma (tsing) bedeulet zugleich das Feinste im Körper, das halbllüssige, Reife, Vollkommene, die Pupille, den thierischen Samen. Der feste Stof! (tschi) bedeutet zugleich das Befestigte, Vollendete, Richtige, Gegenwärtige. Der Be- griff der Befestigung und Festigkeit geht aus den constituiren- den Zeichen hervor, welche den gleichgewichtig geordneten Reichthum darstellen. Der Begriff des Gleichgewichtes ist nicht neu in diesem physiologischen Kreise, und bei den Definitionen des Lebens schon in Anwendung gekommen. Nun ist hier die Nebenbe- deutung der „Gegenwart“ höchst merkwürdig, und zeigt, wie deutlich die Vorstellungen von Stoffwechsel gewesen sind. Der gleichgewichtig geordnete feste Stoff, die Gestalt, ist alle- mal der Ausdruck der gegenwärtigen Zeit, und das Plasma (tsing) ist besländig reif, in die Festbildung einzugehen, um das durch die Consumtion gestörte Gleichgewicht wieder her- zustellen. Solcher Art sehe man in der leiblichen Erschei- nung die Werke verschiedener Zeiten und Entwicklungsperio- den räumlich neben einander gestellt. j 463 Diese neue Subslauz wird durch die Eingeweide erwor- ben und wie man sich die Erwerbung vorstellte, wird in dem Zeichen des Eingeweides (tsang) ausführlich kund gegeben. Dasselbe besteht zuförderst aus den Zeichen der Angriffsreste und des Hlinterhaltes, und diese Verbindung bedeutet Beute machen. Dazu kommt das Zeichen des Unterthanen, mit der Bedeutung des erbeuteten und verborgenen Gutes der Unter- ihanen. Noch weiter wird hinzugesetzt das Zeichen des Krau- tes, um anzudeulen, dass diese Güter in das Grüne verborgen werden; und endlich wird diese merkwürdige Reihe von Zei- chen mit dem Zeichen des Fleisches beschlossen, wo denn das Ganze die Eingeweide bedeutet. Also werden hier die Eingeweide bezeichnet als unterlhänige Wesen, welche selb- ständige Kraftäusserungen verwenden zur Erbeutung und Ver- bergung fremder Güter in die allgemeine Vegetation des Flei- sches, in welchem sie auch ihren Hinterhalt und ikre äussere Stütze haben. Die Art, wie dieses fremde Gut gewonnen wird, wird bei den einzelnen Organen mannichfach dargestellt, So wird das Zeichen des Magens (’wei) mit dem Zeichen des Ackers geschrieben, um anzudeulen, dass die Verdauung eine Entwick- lung der fremden Substanz ist, und letztere zu der Reife der bildungsfähigen Materie (fi) geschrieben mit dem Zeichen des Marktes, des Kaufens und Verkaufens; ohne Zweifel, um den in diesen Organen stallfindenden, und in dem Wechsel des Ein- und Ausalhmens sinnlich abgebildeten Stoffwechsel zu bezeichnen, und die Alhmungsorgane zu nennen einen Markt, wo Fleiselh und Blut erkauft und verkauft werden, Noch ist es sehr merkwürdig, dass dieses Zeichen der Lunge zu- gleich „diehtes Laub, üppige Pflanzen“ bedeutet, als wenn die alle Sprache wie unsere Physiologie die Funclion der Lunge mit jener der Pflauzenblälter vergleichen wollte. So werden in den Funelionen der Organe die Arten na- türlicher und bürgerlicher Erwerbe und Verkehre abgebildet, um das Gleichgewicht der organischen Einheit, und die Ge- Müller's Archiv. 1612, 31 464 genseiligkeit der mehrfachen Verrichtungen durch die bekann- ten Verhältnisse der menschlichen Gesellschaft anschaulich zu machen. Der Ausdruck dieser gleichgewichtigen Vereinigung und Befestigung ist die thierische Wärme (pü). Das Zeichen be- steht aus dem Zeichen der Abschliessung unter dem Zeichen der egoislischen Riehtung; in demselben steht das Zeichen der Trennung, Auflösung, und das Ganze besteht auf dem Zeichen der Grösse oder grossen Welt, und bedeutet den Feuergeist. Kommt noch das Zeichen des Feuers hinzu, so erscheint der Begriff der innern Wärme. Damit wird die ihierische Wärme dargestellt als das Resullat der egoistischen Absonderung und Abschliessung, entgegen dem Principe der Trennung und Auf- lösung. Indem die thierische Wärme aus der Energie des egoisli- schen Lebens hervorgeht und die im Innern sich regenden mikrokosmischen Trennungen nicht aufkommen lässt, wird derselben auch die grösseste Herrschaft über das dem Körper noch nicht Angehörige zugeschrieben, und desshalb wird der Vogelmagen, welchen man eine Verdauungskraft aufdie fremd- artigsten Dinge ausüben sahe, mit dem vorhin beschriebe- nen Zeichen des Feuergeistes bezeichnet. Wie überall ist auch bei den Chinesen das Leben einer innerlichen Verbrennung verglichen worden, und lassen sich aber, ausser dem bereils Erwähnten, die übrigen Einzelheiten ausserhalb ihres weitreichenden Zusammenhanges nicht gründ- lich und einleuchlend darstellen. Nur das mag noch erwähnt werden, dass der Schleim als die Reform der organischen Materie angesehen, und mit dem Zeichen der aufsteigenden Flamme geschrieben wird, wie man g%syua ypAeyw, brennen, ableitet. Das Zeichen des Schleimes (tan) bedeutet eigentlich das gerinnende Exsudat der Wunde, und man sahe in dem- selben die höchste Entwicklung der feurigen Lebenskraft, weil mit ihm erst die Neubildung begann, nachdem die Wunde vor- her aufgehört hatte zu bluten. — 465 Mit einerVerbrennung wird auch die Fäulniss (lan) ver- glichen, und nur dadurch von dem organischen Lebensprocesse unterschieden, dass an die Stelle der Abgeschlossenheit das Zeichen der Thür getreten ist, dass die elementaren Wirkungen ungehindert ein- und ausgehen, und der vorher individualisirte Körper nicht mehr von den äusseren Dingen abgeschlossen ist; denn die universale Riehtung wird nicht mehr von der egoislischen zurückgehalten. Mit solehber Consequenz gehen diese Lehren aus einander hervor, und beschreiben mit Sicherheit und Unbefangenheit alle Seiten der Naturerscheinung, ohne jemals ausschweifend und phantastisch zu werden. Das gilt nicht nur von den psy- chologischen und physiologischen Ansichten, sondern selbst die Pathologie entwickelt merkwürdige Begriffe von der Natur der Krankheiten, und der Bedeutung eines physiatrischen Vor- ganges. Die Scholastik späterer Jahrhunderte hat indessen Vie- les verdunkelt, und durch eine nicht im ursprünglichen Sinne liegende Erläuterung und Ausführung enitstellt, wie alle bessex ren Lehrer alter Zeit vorübergehend ein gleiches Schicksal erfahren haben. Anmerkung zur vorhergehenden Abhandlung von Professor Dr. Schott in Berlin. Die Arbeit des Herrn Dr. Piper ist in vielem Betracht originell und scharfsinnig, allein sie hat einen viel zu subjecti- ven Charakter, Von den chinesischen Schriftzeichen ist al- lerdings ein Theil erweislich ideographisch, in dem bei weitem grösseren Theile aber deutet nur ein constituirendes Bild ober- flächlich auf die Categorie des Begriffes hin, und alles Uebrige hat bloss phonetische Bestimmung, oder es vereinigt höchstens damit eine ganz einfache den Begriff constituirende. Um so. wohl davon als von der weit mehr naiven als raflinirten 31* 466 Naturbeobachtung der alten chinesischen Schriftbilder sich zu überzeugen, muss man jedes Zeichen in seinem Verhältniss zu anderen betrachten und dabei die noch erhaltenen Reste aus der hieroglyphischen Zeit (in China) vergleichen. Da er- giebt sich dann, dass manches Zeichen, was jelzt mehr oder weniger complicirt erscheint, ursprünglich nur ein rohes Bild des Gegenstandes war, dass man also keine Definition darin zn suchen habe. So z. B. scheint das Schriftzeichen für Himmel aus denjenigen von gross und eins zusammenge- setzt; allein die Figur für Himmel ist aus zweien anderen entstanden und bezeichnet ein auf der Erde ruhendes Gewölbe. Das Zeichen für Thier, welches zunächst die ge- schuppten Amphibien bezeichnet, hat bloss scheinbare Ver- wandtschaft:mit dem Zeichen für Mitte, es erscheint auf ur- alten Documenten als eine dieke Eidechse mit gekrümmtem Schwanze, dann viereckig und olıne Beine, und geht endlich in das Zeichen für Thier über. Eine ganz analoge Entsteh- ung aber hat die Figur für Fisch, Vogel u. s. w. Das Zeichen für Mensch ist ein ausschreitendes Männlein, das aber im Zeitenlauf die Arme verloren hat und den Kopf da- zu. Ganz ähnlich ist das Zeichen für Sohn, Kind (im Ver- hältniss zu den Aeltern) entstanden und bezeichnete eine Fi gur mit aufgehobenen Armen. Einige Zeichen sind blosse Grundstriche, die erweislich nie eine (oder wenigstens nie eine erweisliche) Bedeutung gehabt haben. Alle damit verbunden sein sollenden physiolo- gischen Begriffe haben nur im Gehirn Fourmont’s und einiger viel mehr mit Phantasie‘ als mit Kritik arbeitender Missionare ihr Daseinerhalten, und so hat sie auch Deguignes der Jün- gere, (ein Mann, der beiläufig bemerkt, ohne alle eigene Kennt- niss des Chinesischen war) in das unter seinem Namen her- ausgegebene Wörterbuch des Pater Basilius aufgenommen. "Ich will hier nicht eine Kritik aller Deutungen des Ver- fassers unternehmen. Nur noch einige Beispiele: Der Verfasser sagt: Das Zeichen des egoistischen Lebens .s 467 mit dem Zeichen der Aowärtsrichtung, verbunden durch die Einheit bedeuten unter dem (?) Zeichen Erde die irdische Existenz. Was aber links von Erde steht, ist nur eine Ver- schiebung der Abkürzung des Bildes Hand und versinnlicht mit dem beigefügten {Erde einen siehern Besitz, daher seine ursprüngliche Bedeutung wohnen, sich dauernd ir- gendwo befinden; denn die Bedeutung Existenz ist bloss abgeleitet. Herr Dr. Pipler sieht in dem Zeichen für Eingeweide unterthänige Wesen, welche selbständige Kraftäusserungen ver- wenden zur Erbeutung und Verbergung fremder Güter in die allgemeine Vegetation des Fleisches. Das Zeichen für Einge- weide ts’ang hat aber als Complement einen ebenfalls ts’ang lautenden und eben so oft selbstständig gebrauchten Schrift- charakter, welcher verbergen, verwahren bedeutet.“ Will man also in seiner Verbindung mit dem Zeichen für Fleisch eine Art von Definition suchen, so ist es doch wohl naturge- mässer, die Bedeutung des Complementes in seiner Totalität zu suchen. Fleisch bezeichnet die Kategorie, das beigefügte Verbergen aber deutet darauf hin, dass der hier gemeinte, zum Fleisch (Körper) gehörende Gegenstand verborgen, versteckt, innerlich ist. Dieselbe einfache Hindeutung liegt ja auch in unserem Eingeweide, dem Laleinischen in- testina (von intus, inter) franz. entrailles (aus inte- ralia) u. s. w. Das mit dem Zeichen für Fleisch in der Figur Eingeweide, verbundene Complement wird olıne das Zeichen des Fleisches nur missbrauchsweise und in schlech- ten Drucken zuweilen für das Zeichen Eingeweide geselzt und es bedeutet zunächst: etwas mit Gras bedecken; hier ist das Zeichen Gras die Wurzel der übrigen Complemente, aber auch dieses kommt als selbständiges Zeichen vor: es be- deutet dann treu und wacker im Dienste und ist in seiner Verbindung ‘mit dem Zeichen für Gras blosse phonelische Gruppe wie eine Menge anderer. Ueber die Anwendung von Blut zu Injeetionen anatomisch-pathologischer Präparate. Von Dr. Fredrik Berg in Stockholm. Briefliche Mittheilung an den Herausgeber. ‚Aufgefordert von Professor Retzius nehme ich mir die Frei- heit Ihnen einige meiner Präparate von Blutinjectionen für mikroskopische Untersuchungen der feinsten Gefässvertheilung zu übersenden. Meine Anstellung als Arzt des.hiesigen Fin- del- und Waisenhauses bietet mir, wie in solchen Anstalten gewöhnlich, eine reiche Gelegenheit Leichenöffnungen zu ma- chen. Von der Ansicht geleitet, dass die pathologisch- anato- mischen Untersuchungen einer festeren Grundlage bedürfen, als diejenige der blossen Farben-, Volums-, Dichtigkeits- etc. Unterschiede, wollte ich versuchen diesem Ziele durch Gefäss- injectionen etwas näher zu rücken. Nachdem ich mit ver- schiedenen der gewöhnlichen Injectionsmassen einige nicht be- friedigende Versuche gemacht hatte, fiel mir ein: die Natur füllt die Gefässe mit Blut, wäre es wohl nicht möglich sie nachzuahmen? Es kam alles darauf an, das Blnt für spätere Untersuchung in den Gefässen mit Beibehaltung seiner Farbe zu cogauliren. Dies gelang mir durch Eintauchen des injieir- 5 469 ten Theiles in verdünnter Schwefelsäure, so wie auch den Präparaten durch nachherige Behandlung mit Terpentinöl die nölhige Transparenz für bedeutendere - Vergrösserungen bei durchfallendem Lichte zu geben. Mein Verfahren ist kürzlich folgendes: defibrinirtes frisches Ochsenblut wird wie gewöhn- lich eingesprützt, und, nach Unterbindung der Gefässe, das injieirte Stück in eine Mischung von etwa 1 Theil Schwefel- säure auf 20 Theile Wasser sogleich hineingelegt. Nach sei- ner verschiedenen Grösse lasse ich es hier von 2 — 3 bis -24— 36 Stunden liegen. Die Schwefelsäure eoagulirt das Blut und giebt mit dem laematin eine unlösliche dunkler ge- färbte Verbindung, so dass die Blutfarbe- durch ein nachheri- ges Auswaschen des Präparats in Wasser gar nicht verändert wird. Aus dem so präpariten Theile mache ich entweder frische Schnitte, welche zwischen zwei Gläser gepresst und nachher, am liebsten in der Sonne schnell getrocknet werden, oder, was mirspäter vielleichterund vortheilhalter schien, ich lasse das ganze injieirte Organ schnell trocknen, und schneide dann ohne Mühe aus dem, für das unbewaflnele Auge und in dicken Lamellen, homogen schwarz aussehenden Stücke die dünnsten Scheiben. Diese auf die eine oder andere Art gewonnenen, dünnen, trocknen Scheiben werden in Terpentinöl getränkt, " wodurch alle zwischen den Blutgefässen befindlichen Theile transparent werden, und nacher in Canadabalsam zwischen Glasplatten aufbewahrt, Bei Präparation der Lungen werden sie vor dem Einlegen in Schwefelsäure vollständig aufgeblasen und in diesem Zustande getrocknet. Ich habe Injectionsprä- parate auf diese Art bereitet, die sich schon ein halbes Jahr vollkommen gut erhalten haben, so dass ich an ihrer Unver- änderlichkeit, wenigstens wenn sie, wie die meinigen, im Dun- keln aufbewahrt werden, nicht zweifeln darf. Doch muss ich gestehen, dass viele besonders meiner ersten Versuche verdor- ben worden sind dureh eine eigenthümliche Art von Bleich- sucht, deren Ursache ich mit Bestimmtheit noch nicht habe auffinden können. Zum Theil habe ich sie gesucht im Aus- 470 waschen der Präparate mit verdünnter Salzsäure, deren ich anfangs mich bediente, zum Theil in unvollständigem Austrock- nen des Präparales ehe es eingelegt wurde, zum Theil scheint mir eine chemische Veränderung des anhängenden Fettes da- zu beigetragen zu haben. Auch habe ich gesehen, dass Prä- parate verdorben worden sind, wenn ich sie zu lange in Ter- pentinöl liegen liess. Besonders zum Verderben geneigt sind mir die Nieren gewesen, und vorzugsweise ihre Medularsub- stanz, was wahrscheinlich auf Rechnung zurückgebliebener Urinbestandtheile zu schreiben ist. Oft bilden sich auch feine Kristalle auf dem Präparate, sind aber auch bei bedeutenden Vergrösserungen wenig hinderlich. Ueberhaupt scheint es mir, dass je vollständiger die Einspritzung gewesen, desto besser conservirtsich, unter übrigens gleichen Verhältnissen, das Prä- parat. Ich habe die Aufmerksamkeit auf diese Nachtheile wenden müssen, damit sie hei etwanigen Versuchen meiner Methode vermieden werden können. Von Organen, die ein halbes Jahr in verdünnter Schwefelsäure gelegen und nachher in der Sonne ausgelrocknet worden sind, habe ich dagegen schöne Präparate mit vollkommen gut erhaltenen Blutkörper- chen bekommen, so dass ein Uebermaas in dieser Hinsicht weniger zu befürchten scheint. Die Nachtheile der Volum- veränderung durch Austrocknen, mit Hinsicht auf Messungen der feinsten Gefässe und ihrer Netze, scheinen mir leicht zu beseitigen — um so eher, als das durch die Einspritzung stark ausgedehnte Organ nach dem Auslrockenen beinahe seine na- türliche Grösse wieder erlangt hat. Erwägt man sowohl die Kleinheit, als besonders die eigenthümlich grosse Elastiei- tät der Blutkörperchen, so darf man schon a priori vermuthen, dass sie wohl von keinem anderen Farbestoffe in fester Form für Injectionen der feineren Gefässe ersetzt werden können — und nur für diese ist meine Methode anwendbar. Wegen des relativ geringen Druckes, den man bei dieser Methode anzu- wenden braucht, ist auch die Gefahr des Extravasates weit geringer. Als besondere Vortheile dieser Injeclionsmethode möchte 4741 es mir noch erlaubt sein die Transparenz der Präparate her- vorzuheben, welche erlaubt dass sie mit durchfallendem Lichte und beinahe jeder beliebiger Vergrösserung betrachtet werden können, wiewohl sie natürlicherweise am schönsten aussehen bei einer Vergrösserung, die nicht über 100 geht. Kaum könnte man wohl in dieser Hinsicht der.Natur näher kommen, als wenn man, wie hier, die Blutkörperchen in den Capillar- gefässen zuzählen im Stande ist. Es scheint mir auch, dass die Leichtigkeit, womit ohne alle weitere Umstände diese Ein- spritzungen von einem jeden practisirenden Arzt bei jeder Gelegenheit einer pathologischen Leichenöffnung gemacht wer- den können eine bedeutende Anregung zu pathologischen Forsch- ungen über die Gefässe geben müsse. Im Nothfalle kann selbst das Blut der Leiche, wenn sie nicht zu alt ist, zur Ein- spritzung benutzt werden. Schon der blosse Anblick mit un- bewallnetem Auge eines frischen blulinjieirten Organes lenkt die Aufmerksamkeit auf wichtige Umstände, die bei Leichen- öffnungen nur zu oft übersehen werden, Auch in den stark congestionirten Organen sind nach dem Tode die Arterien in der Regel leer, nur die Venen und die Capillaren von der venosen Seite her ausgefüllt. Diess muss auf Farbe, Volum ete. des Theiles Einfluss haben — ein Einfluss, den man erst nach geschehener Bluteinspritzung bemerkt. So schwinden dadurch z. B. die Farbennüanzen der Leber, die zur Annahme zweier verschiedener Lebersubstanzen Veranlassung gaben — und man sieht also das Phaenomen der rothen und gelben Lebersubstanz, der unter dem Namen der Muskatnussleber an- genommenen Krankheit, nur auf verschiedene Grade von rück- sländiger Blutvollheit der verschiedenen Gefässsysteme der Leber beruhen. Nur zweimal habe ich Gelegenheit gehabt, Blutinjeetionen der Nieren in Morbus Brightii zu machen, bin jedoch zu der Ueberzeugung gekommen, dass dasjenige, was man als Granulationen der Nieren für diese Krankheit charak- teristisch ansieht, nichts als schr erweiterte Malpighische Arte- rienconvolute (bisweilen wie aufgerollt und ausgestreckt) sein dürfte, welche, wenn sie blutleer sind, weisslich aussehen. 472 Organe, die sich im Zustande starker Blutconjestion be- finden, können auch unmittelbar ohne alle weitere Einspritzung nach Coagulation des Blutes in Schwefelsäure zu Präparaten benutzt werden, wodurch ohne Zweifel noch ein Vortheil ge- wonnen wird. Ich habe Versuche in dieser Hinsicht ange- stellt mit der Leichenhyperämie der Haut, mit conjestionirten Schleimhäuten, Leber, Nieren u. s. w. !) Stockholm am 22. September 1842. Fredrik Berg. 4) Die an das hiesige Museum von Herrn Berg gesandten Injec- tionspräparate sind wohlgelungen und’ instructiv.. Diese Methode scheint mir auch für die mikroskopische Untersuchung im ungetrock- neten Zustande derPräparate Vortheile zu gewähren, insofern es darauf ankommt, die Capillaren von anderen Gewebestheilen zu unterscheiden. Anmerkung des Herausgebers. Einige anatomische Beobachtungen von \ F. Fäsebeck zu Braunschweig. 4) Bei der Untersuchung des nervus trigeminus fand ich an zwei Präparaten einen bis jetzt nicht beschriehenen Unter- Zungendrüsen-Knoten (ganglion sublinguale) auf, welcher seine Lage zwischen dem musculus mylohyoideus und der glandula sublingualis, 3” vom vorderen Rande des ersteren, 5‘ von dem hinteren und 2“ von den unteren Rändern der letzteren entfernt, hatte. Er hat die Form einer plattrundlichen An- schwellung von 1“ Länge und ziemlich eben dieselbe Breite. Seine äussere Oberfläche ist etwas convex und die innere mehr platt. Die Farbe desselben ist grauröthlich. Das ganglion sublinguale erhält folgende Aeste: a) einen 11” langen und 4“ dicken Ast ), welcher in der Gegend, wo der hintere Rand des museulus mylohyoideus auf den Unterkiefer trifft von dem nervus lingualis entspringt, und in den hintern obern Theil des Knotens hineintritt. Die- ser Ast giebt 6 — 8 Mundschleimhautzweige, welche zur Schleimhaut des Bodensder Mundhöhle, bis zu den Kronen der Zähne hinauf verlaufen; 4) In einem Falle sah ich diesen Ast doppelt. 474 b) einen Ast von der Chorda iympani, welcher in der Re- gel erst da abgegeben wird, wo die chorda einen Ast zum ganglion maxillare Meckelii giebt, und dann über der äusseren Fläche des nervus lingualis von hinten und unten in das gang- lion eintritt; ce) einige Zweige von dem plexus carolicus externus, welche mit der art. sublingualis zum ganglion gelangen. Aus dem untern und vordern Theile kommen sechs rami glandulares sublinguales, von $“ Dicke, hervor, welche in die glandula sublingualis eindringen und sich darin verzweigen. Ein Ast davon begleitet den ductus Bartholinianus bis zur Schleimhaut der Zunge. 4 2) Beobachtete ich bei der Präparalion der Brusinerven, sechs Knötchen von 1 — 3“ im Durchmesser, welche zwischen dem unteren Theile der Luft- und Speiseröhre, so wie auch zwischen der letzteren und der Wirbelsäule liegen, und vor- züglich aus Aesten des neryus sympathicus, n. vagus und n. laryngeus inferior n, vagi gebildet werden. Aus diesen Knötchen kommen mehrere Zweige hervor, wo- von die meisten zum plexus cardiacus, art. aorta. art. pulmo- nalis, ductus ihoracieus, zur vena cava superior, Luft nnd Spei- seröhre gehen, so wie ich auch einige Zweige deutlich in das pericardium verfolgen konnte. 3) Ausser dem nervus abducens fand ich einen Ast, der von dem ramus superior nervi oculomotorii gleich nach der Spaltung in der Orbita abgegeben wurde, und dann als ein 4° langer Ast zwischen dem musculus rectus superior und ex- ternus, vorwärlsgeht und sich in den letzteren einsenkt. 4) Konnte ich einen 4” langen und +4“ dicken Ast, von dem vordern Theile des ganglion oticum bis in den sinus sphenoidalis verfolgen. Aus dem ganglion olicum fand ich an zwei Präparaten einen Ast zum nervus vidianus gehend, da wo sich letzterer an der apertura posterior canalis vidiani in drei Aeste theilt ’) 1) Auch von Bidder zwei Mal wahrgenommen, 475 6) Fand ich auch den, von Arnold beschriebenen, ramus ad tensorem palati vom ganglion olicum zum museulus tensor palati. 7) An einem Auge eines Walfisches konnte ich deutlich zwei rafni ciliares bis in die cornea hinein verfolgen !). 8) In der Nähe des foramen parielale fand ich eine Ver- bindung der art. temporalis und oceipitalis, woraus ein Zweig als art. parietalis hervorkam, welche durch das foramen pa- rietale ging und sich mit der art. meningea media vereinigte, so wie auch kleine Zweige zu der dura mater abgab. 9) Zuletzt bemerke ich noch, dass ich ein Präparat von einem Manne, welcher viel an Kinnbackenkrampfe litt, besitze, an welchem ich einen dritten Flügelmuskel auffand. Derselbe entspringt von der lamina externa processus pterygoidei und geht breiter. werdend nach aussen, oben und hinten zum Kap- selbande des Unterkiefer. Er hat an der äusseren Seile den musculus pierygoideus externus, die nervi lingualis, alveolaris und temporalis superficialis, an der innern Seite den muscu- lus pterygoideus internus und die chorda tympani. Der Muskel bekommt seine Arterienäste aus der art. pharyngea und maxillaris interna. Ich fand auch einen Nervenast (ramus pterygoideus me- dius) aus dem plexus otieus zu diesem Muskel gehen. 10) Bei einem reifen, wollgenährten männlichen Kinde, welches durch das Fehlen des Unterkiefers sehr entstellt war, zeigle sich slalt eines in die Quere, ein der Länge nach ver- laufender Mund; die Ohren lagen schräg von hinten und oben nach vorn und unlen. Der Herr Medicinalrath Dr. Cramer, welcher dieses Kind in seiner sehr schönen pathologischen Sammlung aufbe- wahrt, eılaubte mir, dasselbe zu seciren, wo sich durch die Untersuchung folgendes ergab: a) Die sümmtlichen Gefässe hatten die entgegengesetzte Sei 4) Von Schlemm zuerst beschrieben, rs 476 tenlage, so dass die Gefässe der rechten Seite die linke, und so umgekehrt, eingenommen hatten. b) Sämmtliche Eingeweide waren umgekehrt, so das z. B. die Leber nach der linken und der Magen nach „= rech- ten Seite u. s. w. lagen. c) Von den Nerven vermisste ich weiter keine, als die neryi alveolares inferiores. Bemerkungen über eigenthümliche Herzen des Arterien- und Venensyslems. Von dJ. Müller. Zu den herzarlig contraclilen Theilen des Blutgefässsystems gehören folgende Bildungen: A. Am Venensystem: 4. Bei allen Wirbelthieren sind die Hohlvenen- und Lungen- venen-Stämme bis an eine bestimmte Stelle contractil. Nach Gruby (ann. d. sc. nat. XVII. 212) soll Flo- urens die pulsatorische active, von der Bewegung der Vorhöfe unabhängige Bewegung bei den Fröschen ent- deckt haben, und es sei von Allison an den Hohlvenen und Lungenvenen aller Wirbelthiere, von ihm selbst aber am Frosch bestätigt, Diese Thatsachen sind aber längst bekannt. Haller, Spallanzani und Wedemeyer ha: ben davon gehandelt, wie ich in meinem Handbuch der Physiologie I. B. Erste Auflage 1833 p. 152 anführte, Keine anderen Venen des Frosches ziehen sich zusammen. 2. Caudal-Venenherz des Aals, Die Pulsation an dieser Stelle war von Leeuwenhoek gesehen, welcher aber die Natur der Sache nicht eingesehen. Marshall Hall ist der Entdecker dieses Herzens, das auch bei Murenaophis vorkommt. 3. Pfortaderherz der Myxinoiden, Der von Retzius ent- deckte Pfortadersack der Myxine (Meckel's Archiv 1826 p- 387) ist ein wahres rhythmisch sich zusammenziehen- ' des Herz, wie ich mich bei der mit Retzius neulich in Bohuslän angestellten Viviseclion der Myxine überzeugte. 484 4. Pfortaderherz und Körpervenenherz des Branchiostoma lu- brieum Costa (Amphioxus lanceolatus Yarrell). Bei der- selben Gelegenheit erkannten wir, dass alle Venenstämme dieses Thieres, vom erkennbaren Anfang bis ans Ende, in der ganzen Länge des Darms, sich activ als Herzen ıhythmisch zusammenziehen, während ein besonderes cen- trales Herz diesem Wirbelthiere fehlt. B. Am Arteriensystem: 1. Muskulöser Bulbus des Truncus arteriosus am Herzen. Er kommtnurbei Fischenund nackten Amphibien vor, Unter den Fischen fehlt er den Cyclostomen (Petromyzon, Ammoeoetes, Myxinoiden). Zwischen ihm und der Kammer liegen bei,den Knochenfischen 2 Klappen, - in ihm bei den Plagioslo- men, Sturionen, Chimären, Querreihen von 3, seltener (in den hintern Querreihen) 4 Klappen. Die Zahl der Quer- reihen ist 2 — 5 nach den Galtungen. 2 Querreihen haben Chimaera, Carcharias, Seyllium, Galeus, 3 Sphyrna, Mustelus, Acanthias, Alopias, Lamna, Rhinobatus, Tor- pedo 3 — 4 Acipenser. 4 Hexanchus, Heptanchus, Cen- trophorus, Trygon. 4 — 5 Raja. 5 Querreihen, oder 5 in jeder der drei Längsreihen haben Seymnus, Mylioba- tis, Pteroplatea und Squalina (welcher Meckel nur 2, zu- schreibt). Axillarherzen. Sie sind von Duvernoy bei den Chi- mären, von J. Davy bei den Torpedo entdeckt. Den ei- gentlichen Rochen Raja fehlen sie. Arterienherzen des Branchiostoma Jubrieum. Bei die- sem Thiere haben Retzius und ich beobachtet, dass die Arterienstämme in ganzer Ausdehnung Herzen sind, so weit wir sie am lebendigen Tbiere sehen konnten, nämlich die ganze Ausdehnung der arteria branchialis mit Bulbillen der Kiemenzweige, die hier vorkommenden zwei Aorten- bogen, und dass der contractile Körpervenenstamm einfach in den contraclilen Arterienstamm umbiegt. Die Contrac- tion schreitet fort. In jeder Minute ziehen sich die Arterien- Pfortader- und Venenherzen einmal abwechselnd zusammen. Mozatsbericht der Akademie der Wissenschaften. Dec. 41841. An den äusseren Hülfsorganen der männlichen Geschlechts theile der Haifsche und Rochen scheint auch ein accesso- risches Herz vorzukommen. J. Davy hat an denselben ein bluthaltiges pulsirendes Organ beobachtet; aber man weiss noch nicht, ob es dem Venensystem oder Arlerien- system angehört. Müllers Archiv 1642. 06, Müller del Steatornis earipensis v.lumb. Taf. ©, Gubmunal se Taf Miller's Archiv 1842 | | | | Miller's Archiv 1842. vo Dr 7 ER Bei 7 > IT BB a a _ N! DHL Bl Re [oa ‘ \ A a 2 - 4 { ! Ebnanand sc. ei Yan: Miller's Archiv 1842. Ä Tauf.V. [ = Eee Miller's Archiv 1842. C. Owinund ar * ui Millers Archiu 1842. U, 7 BERN N A. Hannewır ad.nat ope camıran elaras del, Hiller's Archiv 1842 Taf. VOL. nö u Me u rn Zi 5 u Hüller's Archiv 1842. ae (.Gumand sc, ne GIET TR STE C.Guinand se, Er.Stein del. Müller's Archiv 1842 C.Guinand se. “ Müllers Archiv 184.2 = €. Guinand se, n | 2 I} Rx Me Fi „e> 4 EZ C) I \ | D nl 2 ® I} \, | | y | = ö h e, { FEER Ua 3 12 En 15. ur \ - I} | E ER” F - ER: Müller's Archiv 1842 Dr Peters. del