ARSCH IM FÜR ANATOMIE, PHYSIOLOGIE UND WISSENSCHAFTLICHE MEDICIN, IN VERBINDUNG MIT MEHREREN GELEHRTEN HERAUSGEGEBEN voN Dx, JOHANNES MÜLLER, ORD. ÖFFENTL. PROF. DER ANATONIE UND PIYBIOLOGIE, DIRECTOR DES KÖNIGL. ANATON. MUBEUNS UND ANATOM. THEATERS ZU BERLIN, JAHRGANG 1845. MIT FUNFZEHN KUPFERTAFELN. BERLIN. VERLAG VON VEITET COMP. ö RL R » \ b | N | re 3 f u a, nr Anke ftE. Ga KRONE Er 2 a > VERRDBBER EN Baar ne Den A 9 SS y 26 Ani rn, Bun Eder HE ELTT RER UT, Mia ı Pl ’ [2 Inhaltsanzeige. Bericht über die Leistungen im Gebiete der Anatomie und Physiologie der wirbellosen Thiere in den Jahren 1843 und 1544. Von Car! Theodor v. Siebold zu Frei- burg im Breisgau . . .» . . SA « Bericht über die Fortschritte der ikrosfopiat :hen Anatomie im Jahre 1844. Von K. B. Reichert ö Jahresbericht über die Fortschritte der vergleichenden fer mie der Wirbelibiere. Vom Herausgeber. 1844 Ueber einen dem Lepodisiren anneetens verwandten Fisch von Quellimane. Von Dr. Wilh. Peters. (Hierzu Taf. 1— II) BEN ai. Veber die Einmündung eines RRGERRORRN in die linke Vena anonyma. Beobachtet von Dr. Carl Edlen v. Pa- truban, K. K. Professor der Anatomie zu Innsbruck. Ber.) .. .. 0.0. De Ai auslk Beobachtung einer Theilung des Ductas rcbionn, Von Prof, Syitzer in Copenhagen. (Hierzu Taf. V. Fig. 1.) Seile, 21 Beschreibung einer Missgeburt mit vollständiger Wirbelspalte und einem Darmbruche in der Rückgrathshöhle. Von Dr. C. E. Levy, Professor der Geburtshülfe in Copenhagen. (Hierzu Taf. V. Fig. 2. und Taf. VI.) . re Ueber Epiphyten auf Weichselzöpfen. Erwiderung auf den in diesem Archiv 1844. S, 411—419, gedruckten v. Wal- ther’schen Aufsatz gleicher Aufschrift. Von Dr. Guens- burg in Breslau. (Hierzu Taf. VL) - . . . 2... Einige physiologische Versuche an Fröschen. Von J. G. Emil Harless la BR Versuche zur Bestimmung der ee die durch den Ductus thoraeicus dem Blute zugeführt wird. Von Dr. F, Bidder in Dorpat 3 IRRE Mikroskopische Untersuchung eines puerperalen Osteophyts der ionern Schädeloberfläche. Von Dr. Otto Köstlin in Stuttgart. (Hierzu Taf. VIIL) . SR Ueber den Stoffverbrauch bei der Muskelaktion. Von Dr. Helmholtz . . E Hua Ueber die Schädelformen er rer Von Dr. A. Bepius ER Nachträgliche Bemerkungen über den inneren Bau des Glas- körpers. Von Ernst Brücke - Versuch einer Theorie der Wellenbewegung des Blutes in den Arterien. Von H. Frey in Mannheim. (Hierzu Ta- FEIERN rg a a Ueber die harnsauren Sedimente. Von W. Heintz. . . . Ueber das Verhalten der optischen Medien des Auges gegen Licht- und Wärmestrahlen. Von Ernst Brücke. Ein Awarenschädel. Von J. J. von Tschudi . .». :, Mikroskopisch - neurologische Beobachtungen. Vom Professor Purkinje MW. Ueber eine Funktion der Glottis. Von Dr. Bergmann in Göttingen . 2... Seite, 22 34 43 46 60 72 84 130 132 230 262 277 281 296 Nichtehemischer Beitrag zur Kritik der Lehre vom Color ani- malis. Von Dr, Bergmann in Göllingen . Be Ueber die granulirte Leber und Niere und ihr Verhältniss zur tuberkulösen und krebsigen Dyskrasie. Ein Beitrag zur pathologischen Anatomie von Dr, H. Eichholtz zu Kö- nigsberg in Pr. : Ant. Beiträge zur Lehre von der Yorke un E. R Pc Privatdocent zu Heidelberg . sei Ueber die Ablagerungen anorganischer Substanzen auf dem Pie. xus choroideus. Von Dr. E. Harless. (Hierzu Taf. XII.) Ueber das Vorkommen eines Processus vaginalis peritonaei beim weiblichen Fötus. Von Prof. Herrm. Meyer, Pro- sektor in Zürich. (Hierza Taf. XIII. Fig. 1. 2) . Ueber die Gattung Gregarioa. Von J. Henle. (Hierzu Ta- fel XI. Fig. 3—7.) : ar Age Ueber den Bau des elektrischen Organes bei dem el Malapterurus electricus Lacep. Von Dr. Wilb. Peters, (Aus briefl. Mittheilung.) (Hierzu Taf. XII. Fig. S—11.) Beiträge zur Strukturlehbre der Niere. Von Dr. Jos. Ger- lach, prakt, Arzte in Mainz. (Ein in der Gesellschaft deutscher Aerzte in Paris gehaltener Vortrag.) (Hierzu Taf. XI. Fig. 12— 15.) : Anatomische Untersuchungen über die sogenannten leuchten- den Augen bei den Wirbeitbieren. Von Ernst Brücke. (HiesznlTaf. RU Kig-16) : : > on“ Beitrag zur nähern Kenntniss der motorischen Nervenwirkun- gen. Von A. W. Volkmann A Se: A Zur physiologischen und pathologischen Anatomie des Lungen- gewebes, Von Dr. H. Eichholtz zu Königsberg in Preussen ee Pbysiologische Langen über die Statik. he Fische, Von Joh. Müller Ueber die neue Zungendrüse . 363 369 375 378 387 406 430 456 465 vi Entdeckung des Baues des Glaskörpers. Von Adolph Han- nover. (Hierzu Taf. XIV. Fig. 1. 2.) H Einige Beobachtungen über den Bau der Linse bei Säugethie- ren und dem Menschen. Von Adolph Hannover Ueber den foetalen Zustand des Auges bei der Form des Co- loboma. Von Ad. Hannover. (Hierzu Taf. XIV. Fig. 3—10.) Ueber Filarien im Blute von Raben. Von Prof. A. Ecker in Basel. (Hierzu Taf. XV. Fig. 1. 2.) fer Ueber ein Gelässsystem in eingepuppten Filarien. Von Prof. A. Ecker in Basel. (Hierzu Taf. XV. Fig. 3. 4.) Ueber die Malpighischen Körper der Niere. Von F. Bidder in Dorpat tee ee Ueber Flimwerbewegungen in den Primordialnieren. Von A. Kölliker a Ueber den feineren Bau der Leber. Von C. Krause in Hannover. (Hierzu Taf. XV. Fig. 5-9) . . . 2... Bemerkung über Lepidosiren paradoxa. Briefliche Mittheilung. Von J. Heckel Seile. 467 So eben ist erschienen: Zusätze zur Lehre vom Baue und den Verrichtnngen der Geschlechtsorgane, von Dr. E. H. Weber, Prof. der Anatomie und Physiologie zu Leipzig. Mit neun Tafeln Abbildungen. (Besonderer Abdruck aus den Abhandlungen bei Begründung der k. 8. Gesellschaft der Wissenschaften z. Geburtstagsfeier Leibnitzens ) schmal 4. broch. Preis 1 Thlr, 10 Sgr. Leipzig, den 20, August 1846. Weidmann’sche Buchhandlung. So eben erschien und ist in allen Buchhandlungen zu haben: Holländische Beiträge zu den anatomischen und physiologischen Wissenschaften, herausgegeben von Dr. van Deen, Dr. F.C. Donders und Dr. Jac. Moleschott. Bandes 1. Heft. gr. 8. Preis ä Heft 15 Nur. Inhalt des ersten Heftes: Ueber die leizten Endigungen der feinsten Bronchien, von Jac. Moleschott. — Zur Frage, auf welche Weise der Sauerstoff der Luft bei der Respiration vom Blute aufge- nommen wird, von G. J. Mulder. — Vorläufige Beinerkungen von einigen an der Medulla oblongata von Rana lemporaria (Land-Frosch) gemachten Versuchen, von J. van Deen. — Nikroskopische und mi- krochemische Untersuchungen thierischer Gewebe, von Donders. — Zur pathologischen Anatomie der Perichondritis laryngea, von J. H. Jansen. — Versuche zur Bestimmung des Wassergehaltes der vom Menschen ausgeathmeten Luft, von Jac. Moleschott. — Vorläufige Mittheilungen von van den Broek.. — Untersuchungen über die Galle, von G. J. Mulder. August Bötticher’sche Buchhandlung in Utrecht Bei August Hirschwald in Berlin ist so eben erschienen und in allen Buchhandlungen zu haben: Der Winterschlaf nach seinen Erscheinungen im Thierreich, dargestellt von Dr. H. C. L. Barkow, ordentlichen Professor der Medizin und Director des Anatomie-Instituts an der Königl, Universität zu Breslau, gr. 8. mit 4 Steintafeln. Preis 3 Thlr. In der Gebauerschen Buchhandlung in Leipzig erschien so eben: E. Zeis, Professor, Der Assistent, 4 oder die Kunst, bei chirurgischen Operationen zu assistiren. broehirt. 1846. 1 Thlr. 10 Sgr, Erschienen ist: Liscovius, Dr. K. F. $., Physiologie der menschlichen Stimme für Aerzte und Nichtärzte. gr. 8. 21 Ngr. Joh. Ambr. Barth in Leipzig. Janus. Zeilschrift für Geschichte und Literatur der Mediecin. So eben erschien in meinem Verlage: Das drilte Ileft des Janus, Zeitschrift für Geschichte und Literatur der Medicin, herausgegeben von Dr. A. W. E. Th. Henschel. gr. 8. 16% Bogen. Preis 1 Thlr. 7% Sgr. Dieses Heft enthält Beiträge von den Herren Prof. Stenzler ia Breslau — G. N. R. Dr. Fr. Harless — Herz. S. Mein. Leibarzt G. N. R. Dr. F. Jahn — Dr. Fr. Seitz, K. Milt. u. pr. Arzt in München — E. Littre, Mitgl. d. Ac.R. d. Inscript. et bell. lettr. — K. E. Chr. Schneider, Prof. in Breslau — W. Greenbill, Prof. in Oxfort — dem Herausgeber — den Herren Dr. Thierfel- der in Meissen — D. €. G. Carus, Geh. Med. R., Leibarzt S. M. d. Königs von Sachsen — ferner Recensionen. Das im April erschienene zweite Heft enthielt Beiträge von den Herren Prof. Dr. Vullers in Giessen — Prof. Dr. Heusinger in Marburg — dem Herausgeber — dem Herrn G. M. R. Dr. F. Jahn, Herz. Sachs. Mein. Leibarzt — MBecensionen — Preisaufgaben — Miseellen. Für die Gediegenheit dieses Journals sprechen genügend die ge- achteten Namen der Herren Mitarbeiter, so wie des Herausgebers. Jede Buchhandlung ist in Stand geselzt, die bis jetzt erschienenen 3 Hefte zur Einsicht vorzulegen. Breslau, im Juli 1846. Eduard Trewendt. Für praktische Aerzte und Chirurgen. Iın Verlage von Huber und Comp. in Bern ist so eben er- schienen: Das zweite Ileft von: Dr. Carl Emmert's Beiträge zur Pathologie und Therapie mit besonderer Berücksichtigung der Chirurgie. 16 Bogen. gr. 8. brochirt. 2 fl. oder 1 Thlr. 10 Ngr. Inbalt: I. Aufsätze und Abhandlungen (Grundzüge zu einem na- turwissenschaltlichen System der Krankheiten des Menschen. — Von dem Brande). 1]. Operationsfälle ete. Inhalt des ersten Heftes (12% Bogen. Preis 1 fl. 12 kr, oder 22% Ngr.): I. Aulsätze und Abhandlungen (ein Blick auf den egenwärtigen Stand der Heilkunde. — Ueber Blutgeschwülste an den Extremitäten. welche durch Zerreissung von Venen entstehen. — Ueber Entzündung. — Ueber Hyperämie). U. Operationsfälle ete. Beide Hefte zusammen für 2 fl. 42 kr. oder 1 Thlr. 20 Ngr. u BERICHT über die Leistungen im Gebiete der Anatomie und Physiologie der wirbellosen 'Thiere in den Jahren 1843 umd 1844; von Carı TuEoDor v. SıEBoLd zu Freiburg im Breisgau. Eine alle wirbellosen Thiere umfassende zootomische Arbeit mit schönen in den Text eingedruckten Abbildungen ist von Owen!) geliefert, in welcher der Verfasser bekundet hat, dass er mit den neuesten Fortschritten der vergleichenden Anatomie vollständig vertraut ist. Ueber die Struktur der Ganglien und den Ursprung der Nerven machte Will?) sehr detaillirte Mittheilungen; der- selbe hat zu diesem Zwecke an Insekten, Krebsen, Annula- ten und Gasteropoden Untersuchungen angestellt und fol- gende Hauptresultate dabei erhalten. Diejenigen Nervenpri- mitivfasern, welche die Ganglien durchseizen, liegen immer nur auf einer Seile eines Ganglion zusammengedrängt. Die Nervenkörper oder gestielten Ganglienkugeln haben ihre Spitzen oder Anhänge parallel mit den Nervenprimilivfasern gerichtet. Im weiteren Verlaufe treten diese Spitzen zwischen diese Primitivfäden hinein; diese Nervenkörper dürften daher als die Anfänge oder Enden der Nervenprimitivfasern zu be- trachten sein, 1) Lectures on the comparative anatomy. 1543 2) Dieses Archiv. 1844, pag. 76, Düller's Archiv. 1845. A “> l-ntsereitwat Durch Lassaigne’s chemische Untersuchungen +) hat sich ergeben, dass die Haut der Seidenraupen, wie die der Coleopteren aus Chitin besteht, welches nicht, wie Horn- stoff, in heissem Aetzkali löslich ist, wohl aber durch ba- sisch salzsaures Kali entfärbt wird. M. Hall») vergleicht die Insekten mit den Vögeln, in- dem ihr Athınen mit den Exeitatoren durch den ganzen Körper verbreitet ist, umd ihre Spinalnerven, in Folge der Vertheilung auf den Tracheen und Luftzellen, den pneumo- gastrischen Nerven analog geachtet werden können. Bei den Insekten besitzt ausserdem noch jedes einzelne Segment ein in seiner Beziehung zum Atmen der Medulla oblongata ent- sprechendes Ganglion. Wird eine Libelle in verschiedene Stücke getheilt, so bewegt sich jedes einzelne Stück auf gleiche Weise fort, wie es vor der Theilung beim Athmen geschehen ist. Will) hat seine Untersuchungen über die facettirten Augen der Insekten fortgeselzt und gefunden, dass auch die Sehnervenfäden der Schmetterlinge nicht bloss mit Pigment, sondern auch, wie bei den anderen Insekten, mit einer Scheide umgeben sind, und dass ferner auch die Käfer und Netzflügler einen Glaskörper besitzen; zugleich entdeckte er einen eigenthümlichen Bewegungsapparat der Pupille in den Augen verschiedener Insekten. Jeder Sehnervenfaden ist näm- lich von vier durchsichtigen Cylindern umstellt, von deren oberem Ende 30 bis 35 zarte Fäden nach dem die Pupille bildenden Pigment abgehen. Will vermuthet nun, dass durch die Kontraktion dieser Fäden die Bewegung der Pupille mög- lich wäre. Brants, welcher verschiedene Bemerkungen über die Seh werkzeuge der Kerbthiere lieferte *), meint dagegen °), dass diese vermeintlichen Bewegungsorgane der Pupillen aus Tracheen bestehen. Ueber die verschiedenen Farben der fa- cetlirten Insekten- Augen, je nachdem man sie bei durchfal- lendem oder auffallendem Lichte mikroskopisch betrachtet, bat sich Schilling %) ausgesprochen. 1) Comptes rendus, Tom. 16. No. 19. 1843. oder Eroriep’s neue Notizen. Nr. 573. pag. 7. 2) Neue Untersuchungen über das Nervensystem. 1844, pag. 50. 3) Dieses Archiv 1543. pag. 349. : 4) neehrit. voor naluurlijke geschiedenis en physiologie. 1543. . pag. 12. 5) Ebenda. 1844. I. 6) Uebersicht der Arbeiten der schlesischen Gesellschaft für va- 3 Von Küster !) wurden die Fühler der Insekten als die Geruchswverkzeuge erklärt, indem jene Organe für stark rie- chende Substanzen, namentlich für Terpentinöl, sehr empfind- lich sein sollen. Es beweist dies aber nichts, da das Ter- pentinöl. von den Tracheen aus die Insekten betäuben und so indirekt die Bewegungen der Fühler unterdrücken kann. Leon Dufour ?) spricht sich von Neuem darüber aus, dass bei den Insekten kein Kreislauf existire. Noch wunder- barer klingt aber seine Behauptung, dass das sogenannte Herz der vollkommen entwickelten Insekten weder hinten noch vorn Oeflnungen besitze. Sehr ausgedehnte Untersuchungen hat Leon Dufour ?) ferner über die Malpighischen Gelässe der Insekten angestellt. Diese Organe sind ihm Gallengefässe und münden immer in den sogenannten Ventricule chylifique ein. Bei den Or- thopieren fand er zweierlei Arten von Gallengelfässen. Bei den Acridiern, Locustinen, Mantiden und Blattarien sitzt nämlich eine grosse Zahl von Gallengefässen am Ende des Magens, welche einzeln und zuweilen (bei Ephippiger) in mehrere Büschel abgetheilt hier einmünden, bei den Gryl- len (Gryllus campestris und Gryllotalpa vulg.) münden sie dagegen mit einem gemeinschaftlichen Ductus choledochus ein. In den Coleopteren variirt die Zahl der Gallengefässe zwischen zwei, drei, vier bis sechs Drüsenkanälen. In den Pentameren kommen zwei oder vier Gallengefässe vor; die zwei Drüsen münden aber bei den Carabiden, Brachelythren und Hydrocanthares, so wie bei den Klateriden, bei Drilus, Lampyris und Malachius mit ihren beiden Enden in den Ma- gen ein; ähnlich verhalten sich Agrilus viridis, Dicerca aenea und Ptosima novem-maculata, während bei Aneylocheira llavo-maeulata und Agrilus bifaseiatus vier Gelässe isolirt in den Ventrikel und zwei Gefässe in den Masldarm einmün- den. Die zu den Gattungen Lycus, Telephorus und Silpha gehörigen Käfer besitzen vier Gallengefässe, Thymalus, Peltis und Clerus dagegen sechs Gallengelässe. Die vier Gelässe von Peltis inseriren sich an ihren beiden Enden in den Ven- trikel; ähnlich verhalten sich die beiden Gallengefässe der Palpieornes, Lamellicornes upd Lucaniden. In den Hetero- terländische Kultur im Jahre 1543. pag. 150. oder Froriep’s neue Notizen. No. 569. pag. 296. 1) Isis. 1844. pag. 647. 2) Comptes Kea. Tom. 19. 1544. pag. 159. oder Institut 1544. pag. 243. 3) Annales des sciences natarelles. T. 19, 1843. pag. 145, oder Froriep's neue Notizen. No. 567. pag. 254. AR 4 meren sind meist sechs Gallengefässe vorhanden, welche ent- weder allein in den Magen oder zugleich auch mit einem gemeinschaftlichen Kanale in den Mastdarm zu münden schei- nen; bei näherer Untersuchung zeigt es sich jedoch, dass sich die sechs hinteren Enden der Gallengefässe nur zwischen den Häuten des Mastdarms verkriechen. Ganz in ähnlicher Weise scheinen die sechs Gallgefässe der Tetrameren mit zwei gemeinschaftlichen Kanälen in den Mastdarm einzu- münden. Die Cureulionen und Xylophagen enthalten nur zwei Gallengefässe, deren hintere Enden an den Mastdarm geheftet sind. Die Longicornes sind jederseits des Magens mit drei Gallengefässen versehen, welche mit zwei gemein- schaftlichen Kanälen an dem Mastdarme festsitzen. In Do- nacia bilden zwei zarte Gallengefässe zwei Schlingen, indem ihre Enden in eine mit dem Magen zusammenhängende Gal- lenblase einmünden, ausserdem sind noch zwei stärkere Blindgefässe vorhanden, welche unterhalb dieser Blase sich in den Magen öffnen. Die sechs Gallengefässe der Chryso- melinen und Trimeren heften sich mit ihrem hinteren Ende an das Rektum an. Die Hymenopteren enthalten meistens mehr als funlzig freie Gallengelässe, während ihre Larven gewöhnlich nur deren vier besitzen. Die Libellulinen, Ephe- merinen und Perliden sind im vollkommenen Zustande mit mehr als zwanzig kurzen und freien Gallengefässen ausge- rüstet, nur sechs Gefässe finden sich bei Panorpa, Sialis, Termes, Phryganea und acht bei Hemerobius und Myrme- leon vor; in den Larven des letzteren Insekts sind die acht Gefässe zugleich auch an den Mastdarm befestigt. In den Wasserwanzen Nepa, Ranatra, Naucoris, Notoneeta und Co- rixa bilden die zwei langen Gallengefüsse eine doppelte Schlinge, deren vier Enden sich in das untere Ende des Ma- gens öffnen, bei Velia und Gerris münden zwei ähnliche Ge- fässschlingen mittelst einer Gallenblase in den Magen ein. In den Reduvinen und in Cimex lectularius sind die vier Ein- mündungen der beiden schlingenförmigen Gefässe kurz vor dem Rektum angebracht, in Ploiaria sind vier freie Gallen- gefässe vorhanden, welche eine variköse Beschaffenheit ha- ben, ähnlich verhält sich Synomastes und Verlusia, ferner Stenocephalus, Alydus, Micrelytra, Gonocerus, Merocoris, Rhopalus und Lygaeus, nur wird hier die Einmündung der Gefässe durch eine Gallenblase vermittelt. Bei Aneurus mün- den die vier varikösen Gallengefässe mit zwei gemeinschaft- lichen Ausführungsgängen weit vom Rektum in den Darm- kanal ein. In Pyrrhocoris und Pentatoma bilden die Gallen- gelässe zwei Schlingen, welche mit zwei Gallengängen in eine blasenförmige Erweiterung übergehen. Die Homopteren Bern: 5 besitzen ebenfalls eine blasenförmige Erweiterung zur Auf- nahme der Gallengefässe; diese sind bei den Cicadinen frei und vier an der Zahl, und bei Cixius und Asiraca paarweise an der Insertionsstelle vereinigt. In Dorthesia characias stel- len die Gallengefässe zwei kleine Ringe dar, welche mit zwei kurzen Ausführungsgängen in den Magen einmünden, wäh- rend bei Psylla vier kurze unsymmetrisch vertheilte Gallen- goftme frei vom Magen abstehen, und bei Chermes und Aphis iese Organe ganz fehlen. Bei den Dipteren. münden die meistens in vierfacher Zahl vorhandenen Gallengefässe weit vom Rektum entfernt in den Magen ein, nur Culex und Psychoda besitzen fünf Gefässe. In Tipula, Ctenophora, Pachyrhina und Anasomera bilden die Gallengefässe zwei Schlingen mit vier Mündungen, in Bombylus, Anthrax, The- reva, Leptis, Dolichopus, Scenops und mehreren Syrphen münden die vier Gefässe paarweise ein, in den Straliomy- den ist für alle vier Gelässe ein gemeinschaftlicher Kanal vorhanden, der bei Subula und Beris sehr kurz und bei Stra- tiomys Chamaeleon sehr lang ist. In Cyrlus, in einigen Syrphiden, Conopsiden, Oesiriden, Museiden sind für die vier Gallengefässe zwei Ausführungskanäle bestimmt, wäh- rend in den Culieiden, Tipularien, Tabanen, Asilen, Empiden, Php einen und Pupiparen für jedes der vier Gallengefässe eine besondere Mündung da ist. Sowohl in den entwickel ten Schmetterlingen, wie in ihren Raupen finden sich sechs Gallengefässe mit zwei Gallengängen vor; bei manchen Rau- pen mündet auf jeder Seite des Magens das eine Geläss für sich von den beiden anderen getrennt ein. Die Hauptresul- tate dieser Untersuchungen stellt L&on Dufour in folgen- den Bemerkungen zusammen. Die lieber der Insekten ist keine parenchymatöse, son- dern eine auseinander gewickelte Drüse (eine längst bekannte Sache), ihr Sekret ergiesst sich in den Theil des Nahrungs- schlauches, der den Chylus bereitet. Da, wo sich die Gal- lengefässe zugleich auch an den Mastdarm heften, durchboh- ren sie niemals dessen Häute, es fällt also die Ansicht, dass auch Harn in ihnen abgesondert werde, weg. Bei einigen heteropterischen Hemipteren, wo diese Gefässe allein in das Rektum zu münden scheinen, fehlt gleichfalls eine Abschnü- runs des Magens; die Stelle des Darmes, au welcher die Gallengefässe einmünden, ist blasenförmig aufgelrieben und der beträchtlich lange, chylusbereitende Ventrikel ist vom Rektum immer durch eine Klappe getrennt. Coleoptera. Von Schiödte ') sind einige anato- 1) Germwar’s Zeitschrift für d. Entomologie. 1544. Bd. 5. p. 474. 6 mische Bemerkungen über den Darmkanal und die Ge- schlechtstheile der Silphen, Necrophoren und einiger ver- wandten Käfer geliefert worden, wobei derselbe darauf auf- merksam machte, dass die zwei gestreiften Polster, welche Kirby unter der Stirn von Neerophorus erkannt und als Geruchsorgane gedeutet hat, auch bei Silpha vorkommen. Ueber Colaspis atra Latr. hat Joly *) verschiedene Unter- suchungen angestellt. Die sechs Gallengefässe dieses kleinen Käfers inseriren sich mit ihrem einen Ende in den Magen, mit dem anderen Ende sind sie dagegen an den Mastdarm befestigt, ohne in denselben einzumünden. Bei den weib- lichen Individuen, welche sich zwischen dem Eierlegen noch mehrmals begatten. konnte Joly keine Spermotheca auffin- den; wegen dieses Mangels eines Receptaculum seminis ist dieser Käfer vielleicht genöthigt, sich mehrmals zu begatten. In den gelegten Eiern bildet sich nach 24 Stunden auf Ko- sten des Doiters ein Blastoderm an der Bauchfläche aus, gegen den vierten Tag hin grenzen sich Kopf- und Schwanz- ende ab, am fünften Tage nimmt man die Leibesabschnitje und erste Spur der Füsse auf der Bauchfläche wahr, am sechsten Tage erscheinen die Antennen und Kauorgane, am siebenten tritt der Oesophagus und Darmkanal, aber ohne Magenabschnürung, hervor, auch die Ganglienkette wird sichtbar. Mit dem achten Tage beginnt die Entwieklung der Augen, welche anfangs aus sechs gelben, aber bald schwarz werdenden Augenflecken jederseits bestehen; auch die Gal- lengefässe lassen sich jetzt am Magen erkennen. Dieser ist aber auf dem Rücken noch weit offen. Am neunten Tage brechen Borsten aus der Haut hervor und die Larve beginnt sich zu bewegen, hierauf werden die Tracheen, jedoch ohne Spiralfäden, deutlich, und am zwölften Tage schlüpft die Larve aus. Das Nervensystem besteht aus zwei Kopfganglien und eilf Bauchganglien, welche anfangs ohne Zwischenfäden ganz nahe beisammenliegen. Kurz vor dem Ausschlüpfen des Embryo bilden sich aber vorn die verbindenden Zwi- schenfäden aus und vier Tage nach dem Ausschlüpfen kom- men auch die hinteren Zwischenfäden zum Vorschein. Nach Morren ?) gehört das Leuchtorgan von Lampyris nicht zu dem Nervensysteme oder Geschlechtssysieme, sondern es ist, eine-Modifikation des Fettkörpers, indem es diesen mit dem Athemsysteme verbindet. Die weisse leuchtende Masse soll 1) Comptes rendus. 1544. No. 10, pag. 368. oder Annales des sciences naturelles. 1544. Tom. 2, pag. 5 2) Isis. 1543. pag. 412. 7 nicht aus Eiweiss, sondern aus Phosphor bestehen, und die Liehtentwicklung in dem Augenblicke vor sich gehen, als Luft durch eine mittelst zweier Klappen verschliessbare Tra- cheenöflnung mit diesen weissen Massen in Berührung kömmt. Daher auch das Leuchten von den Thieren willkürlich her- vorgerufen werden kann. Auch Matteucei !) spricht sich dafür aus, dass die Leucht - Erscheinungen des Johannes- wurms von der wahren Verbrennung einer phosphoresciren- den Substanz herrühre, wobei keine Wärmeentwicklung Statt fände. Orthoptera. Hagen?) fand bei Gryllotalpa das Bauch- mark aus vier Strängen zusammengesetzt, nämlich aus zwei oberen und zwei unteren, von diesen nehmen die oberen Stränge an der Bildung der Ganglien keinen Theil, sondern laufen gerade über dieselben hinweg. Die aus den Ganglien entspringenden Nerven sah Hagen aus den Zwischenräumen der oberen und unteren Stränge hervortreten, Ref.?) hat seine Beobachtungen über das Slimmorgan der zirpenden Acridioideen bekannt gemacht. Der Ton wird hier durch Reiben der inneren Fläche der Hinterschenkel gegen die äus: sere Fläche der Flügeldecken hervorgebracht, indem bei den Männchen, welche allein zirpen, die an jenen Flächen sich vorfindenden T,ängsrippen stärker hervorragen, als ‚bei den Weibehen. Ein diese Töne verstärkender Apparat ist nicht vorhanden. Das dafür ausgegebene trommelfürmige Organ, welches dicht über dem Ursprunge der Dinterschenkel bei beiden Geschlechtern angebracht ist, verslärkt weder den Ton, noch bringt es selbst einen Ton hervor, sondern ist von Ref. für ein Gehörorgan erklärt worden, wofür es schon früher von Joh. Müller ausgegeben worden ist. Nach den speciellen Untersuchungen des Ref. besteht dieses trommel- förmige Organ bei den Acridioideen aus einer weissen Haut, welche in einem hornigen, nach unten ollenen Ringe ausge- spannt ist. Dieser Ring bildet nach oben und aussen häufig eine Wölbung, welche bald mehr. bald weniger die weisse Haut überdeckt. Auf der inneren Fläche dieser Haut ist ein kleines dreieckiges und ein grösseres winkelförmiges Horn- stück angebracht. Mit diesem grösseren Hornstücke ist ein ee: Strang innig verbunden, welcher einen dünnen ortsatz nach dem dreieckigen kleineren Hornstücke absen- det. Dieser Strang besteht aus einer sehr zarlhäuligen, mit 1) Froriep’s neue Notizen. Nr. 583, pug. 169. 2) Entomologische Zeitung 1944. pag. 364, 3) Wiegmann’s Archiv. 1844. Bil. I. pag. 5% 8 einer hellen Flüssigkeit gefüllten Hülle, in welcher eine Ner- venmasse eingeschlossen liegt. Es steigt nämlich vom drit- - ten Brustganglion ein Nervenast schräg in die Höhe, begiebt sich zu dem winkelförmigen Hornstück und schwillt hier ganglienartig an. Dieses Ganglion endigt stumpf abgerundet und liegt in einer Aushöhlung des Hornstückes verborgen. Im Innern dieser Ganglienmasse sind rundliche, körnige Kör- per zu entdecken, zwischen welchen nach vorn eigenthüm- liche, lang gestielte, stabförmige Körper eingestreut liegen, ohne dass ausfindig gemacht werden kann, wie weit und wohin diese dünnen Stiele in der Ganglienmasse und dem dazu gehörigen Nerven verlaufen. Die Nervenmasse dürfte als Gehörnerv, der hornige Ring mit seiner weissen Haut als äusseres Ohr und Trommelfell, und die am Trommelfelle befestigten Ilornstücke, nebst der mit Wasser gefüllten Hülle, als Labyrinth zu betrachten sein. Bei den Locustinen ist das Stimmorgan ebenfalls nur bei den männlichen Individuen an der Wurzel der Oberflügel angebracht, indem hier der scharfe, feste Rand des einen Flügels gegen eine an der un- teren Fläche der sogenannten Trommelscheibe angebrachte, feilenartig raulıe Hornleiste gerieben wird. Zwischen dem Vorder- und Mittel-Rücken ist eine sehr weite Oelluung angebracht, welche in einen .trichterförmigen Tracheenkanal führt. Diese beiden Kanäle setzen sich in die Vorderfüsse fort, geben im Oberschenkel verschiedene Luftröhrenäste ab, ohne dabei von ihrem ansehnlichen Kaliber etwas zu verlie- ren; dicht unter dem Knie erweitern sie sich zu einer läng- lichen Blase, und von jetzt ab verästeln sie sich in verschie- dene kleinere Tracheenäste. An dieser blasenförmigen Er- weiterung der beiden Tracheenstämime besitzen die Locustinen sowohl auf der inneren, wie äusseren Seite der Vorderschie- nen eine Spalte, welche in eine bald mehr, bald weniger geräumige Höhle führt, in deren Grunde nach innen eine, mit dem Trommelfelle zu vergleichende Haut ausgespannt ist. Bei Meconema, Barbitistes, Phaneroptera und Phylloptera befinden sich statt der beiden Höhlen nur zwei seichte Gru- ben unter jedem Knie, bei Saga, Conocephalus, Xiphidiunn, Deetieus, Locusta u. A. sind die Höhlen mässig geräumig und durch eine enge Längsspalte nach aussen geöflnet, bei Pseudophyllus und Acanthodis dagegen sind dieselben äus- serst geräumig und weit geöffnet. Zwischen den beiden Trommelfellen, dem grossen blasenförmigen Tracheenstamme, welchen die Trommelfelle seitlich umfassen, und der vorde- ren Wand des Schienbeins verläuft ein Nervenast des Schen- kelnerven, welcher am Anfange der blasenförmigen Tracheen- erweiterung zu einem mit weissem Pigmente bedeckten 9 Ganglion anschwillt. Von diesem Ganglion läuft eine band- förmige Fortselzung an der vorderen Seite der Tracheener- weiterung herab, in welcher zwischen körnigen Körperchen eigenthümliche gestielle Körper von birnförmiger Gestalt in einfacher Reihe hintereinander liegen, und mit ihren haarfei- nen Stielen weit in die Nervenmasse hineinragen. Es erin- nern diese gestielten Körper ganz an jene gleichfalls mit einem Stiele versehenen Körper in den Gehörwerkzeugen der Grylloideen. Es lässt sich dieses Organ an den Knieen der Locustinen wohl auch als ein Gehörwerkzeug deuten, bei welchem die trichterförmige Trachea auf jeder Seite der Brust höchst wahrscheinlich die Rolle einer Tuba Eustachii spiel. — Der Stridulationsapparat der Locusten ist von Goldfuss') durch hübsche Abbildungen erläutert worden. Der Proventrikulus von Locusta, welcher mit hornigen Lei- sten und Zähnen besetzt ist, und Kaumagen genannt wurde, besitzt nach Goldfuss nur eine sehr geringe Muskelthätig- keit; die beiden Magenanhänge dieser Heuschrecken werden von demselben für zwei, die Verdauung fördernde Absonde- rungsorgane erklärt. Von Rathke ?) sind an den Eiern der Gryliotalpa zwei dicht aneinander liegende Eihäute, nämlich ein mit kleinen Höckerchen versehenes durehsichtiges Cho- rion und eine sehr zarte, glatte Membrana vitellaria erkannt worden. Der Dotter dieser Eier besteht aus einfachen Zel- len und Fetttropfen, um welche sich der Embryo herumbil- det. Auf jeder Seite des noch nicht ausgeschlüpflen Embryo bemerkte Rathke dicht über den Oberschenkeln des’ dritten Fusspaares einen hutpilzartigen Körper von sehr zarter Be- schallenheit, welcher im Innern mit Zellen ausgefüllt ist. Es bleiben diese Organe beim Ausschlüpfen der Embryone an der Eihaut haften, und sind vielleicht Föluskiemen. Das Schleimblatt der Keimhaut verwandelt sich gänzlich zum Darmkanal, und nimmt alle Dottermasse in sich auf, was bei allen Insekten der Fall sein soll. Aus diesem mit Dot- ter gefüllten Magensacke sprossen dann nach vorn und hin- ten Oesophagus und Darm hervor. Kurz vor dem Aus- sehlüpfen besitzt der Oesophagus einen kleinen Kropf, und ist der Magen einfach oval, der Darm fast so lang wie die Speiseröhre und mit vier ungleich langen Malpighischen Ge- füssen versehen. Nach dem Ausschküpfen schwillt der Kropf selinell an, der Magen bekömmt oben dieke muskulöse Wan- 1) Symbolse al Orthoplerorum quorundam oeconomiam. Bonn. dissert; 1543. 2) Dieses Archiv. 1544. pag. 76, 10 dungen mit hornigen Zähnen auf dem Epithelium und mit zwei Aussackungen, während sich die Malpighischen Gefässe vermehren und das Ende des Darmes zu einem Dickdarme anschwillt. Neuroptera. Das Bauchmark von Aeschna sah Ha- gen!) ganz ebenso gebildet, wie bei Gryllotalpa. Nach Hannover’s?) Untersuchungen sind die Ganglienkugeln von Libellula grandis granulirt und ihre Kerne mit klaren Kern- körperchen versehen. Derselbe sah aber aus diesen Ganglien- kugeln keine primitiven Nervenfäden hervortreten; die Ner- venbündel schienen ihm von keinem Neurilem umgeben zu sein. Von den primitiven Nervenfäden musste er es zwei- felhaft lassen, ob sie Röhren sind oder nicht, da sie zu zart und weich waren und die Nervenbündel mit Kernen be- streut waren. Die nach Erichson im engeren Sinne genommenen Neuropteren fand Loew ?) von den Orthopteren dadurch verschieden, dass sie eine geringere Zahl von Gallengelässen, höchstens acht an der Zahl, besitzen und dass die beiden letzten Nervenknoten des Bauchmarks von einander getrennt sind. Von Panorpa communis beschrieb Loew den Ver- dauungskanal und die Geschlechtswerkzeuge mit einem hell- rothen, umgekehrt birnförmigen und langgestielten Recepta- culum seminis. Neben diesem sah derselbe noch ein anderes langes Gefäss in den Eiergang einmünden. Nach weiteren, von Loew angestellten Untersuchungen besitzt Panorpa zwei länglich eiförmige, in den letzten Abdominalsegmenten gele- gene Hoden mit sehr langen und dünnen, zu einem Knäuel verschlungenen Saamenleitern. Bei Hemerobius stellt das Receptaculum seminis eine grosse sacklörmige, kurzgestielte Blase dar, an welcher eine Anhangsdrüse fehlt. Derselbe suchte die von Hegetschweiler gemachten fehlerhaften Angaben über die anatomischen Verhältnisse des Ascalaphus italieus zu berichtigen, ohne sich jedoch auf direkte Unter- suchungen zu stützen, und beschrieb zuletzt noch die männ- lichen Geschlechtstheile von Sialis Iutaria. Newport *) fand an Pteronarcys regalis, einem schö- 1) Vergl. entomolog. Zeitung. 1844, pag. 364. 2) Recherches wicroscopiques sur le sysl&ıne neryeux. Copenha- gen 1544. pag. 71. 3) Germar’s Zeitschrift für die Entomologie. 1843. Bd. 4, ag. 423. je; 4) Annals of natural history. Vol. 13. 1544, pag. 21. oder An- nales des sciences naturelles. 1544. Tom. 1. pag. 183. oder Fro- riep’s neue Notizen. No. 650. pag. 179. 11 nen, vollkommen entwickelten Neuropteron aus Nordamerika, eine Reihe Thoraskiemen. Dieselben bestehen aus acht Paar Kiemensäcken, von welchen dicht über den Luftlöchern der grossen seitlichen Tracheen ein Büschel langer Fäden frei hervorragt. Das erste Paar dieser Kiemen befindet sich zwi- schen Kopf und Prosternum, das siebente und achte Paar am ersten und zweiten Basilarsegmente des Abdomen. Die übrigen Abdominalsegmente scheinen obliterirte Stigmen zu besitzen. Die Fasern oder Fäden der Kiemeu sind unge- gliedert, weich und zart, und enthalten eine Trachee, welche sich an der Spitze in zwei dünne Aeste spaltet. In einer Monographie der Ephemerinen hat Pictet!) sehr dürftige anatomische Bemerkungen über den Darmkanal und das Nervensystem dieser Thiere geliefert und dabei die Geschlechtswerkzeuge ganz mit Stillschweigen übergangen. Hymenoptera. KRef.?) hat über das Receptaculum seminis an den Hyımenopteren aus der Familie der Formici- den, Apiden, Andreniden, Vespiden, Scoliaden, Mautilliden, Sphegiden, Crabroniden, Bembeciden, Chrysididen, Cynipi- den, Ichneumoniden, Braconiden, Evaniaden, Cheloniden, Pteromalinen und Tenthrediniden Untersuchungen angestellt, und dieses Organ bei keinem Weibchen der genannten Hy- menopteren vermisst. Es ist dieses Organ nach zwei Haupt- typen gebildet. Bei den Tenthrediniden nämlich stellt es nur eine bald mehr, bald weniger einfache Ausstülpung der Scheide dar, woran sich weder ein Ductus seminalis, eine abgesonderte Capsula seminalis, noch eine Glandula appen- dieularis vorfindet. Bei den übrigen genannten Hymenopte- ren dagegen ist das Receptaculum seminis sehr complieirt gebaut, indem es stets aus den drei Abtheilungen, dem Du- > elus seminalis, der Capsula seminalis und der Glandula ap- pendieularis besteht. Die Saamenkapsel hat meist eine ku- gelrunde oder birnförmige Gestalt, sie wird fast durchweg von einem Ueberzuge umgeben, der von muskulöser Natur zu sein scheint und in welcher häufig weissgelbe Pigment- körner eingestreut liegen. Die farblose Glandula appendieu- laris ist meist doppelt vorhanden, und mündet in den mei- sten Fällen neben dem Stiele der Saamenkapsel in den Du- etus seminalis ein. Bei wenigen Hymenopteren - Weibchen nimmt der Stiel der Saamenkapsel diese Drüsenmündung auf 1) Histoire naturelle des inseetes neuropteres. Ilde Monographie. Famille des Ephömerines. 1813. p. 79. 2) Germar’s Zeitschrift für die Entomologie. 1843. Bd. 4. pag- 362, 12 und bei Vespa Crabro, Tiphia femorata ergiesst die Anhangs- drüse ihren Inhalt unmittelbar in die Saamenkapsel. Vor der Begatiung zeigt sich die Saamenkapsel leer, nach der Begattung aber mit lebhaften Spermatozoiden gefüllt. Die Arbeiter der Bienen und Wespen erkannte Ref. als verküm- merte Weibchen, an denen man stets die in der Entwicklung zurückgebliebenen inneren Geschlechtstheile, die beiden Ova- rien und Tuben mit dem Receptaculum seminis unterschei- den konnte. Hartig') bestätigte die Ausstellungen, welche von Ratzeburg gegen seine mit den Gallwespen vorgenom- menen Untersuchungen gemacht worden sind. Ueber das Bereiten des Wachses hat sich unter den französischen Naturforschern ein Streit entsponnen. Leon Dufour ?) behauptete, in der Leibeshöhle der Bienen durch- aus kein specielles Organ gefunden zu haben, welches das Wachs secernire, während Milne Edwards’) auf der Bauchseite des Hinterleibs der Bienen einen Drüsenapparat in Gestalt von Hautbeuteln, welche das Wachs absondern, erkannt haben will. Leon Dufour wendet dagegen ein, dass diese Drüsen nichts anderes, als Schleimbeutel, oder adipöse Beutel seien. Derselbe gab eine Uebersicht vom in- neren Baue der Arbeitsbienen, welchen er dieser Streitfrage wegen an dreissig verschiedenen Individuen von Neuem äus- serst sorgfältig untersuchte 4); das Resultat war dasselbe ge- blieben, er hat nichts von einem Drüsenapparale an der un- teren Seite der Hinterleibssegmente gefunden, und ist bei der Behauptung geblieben, dass die zwischen den Bauchsegmen- ten gefundenen Wachsblättchen willkürlich für eine Aus- schwitzung aus darunterliegenden Abdominalorganen erklärt worden wären. _ Strepsiptera. Ref‘) hat seine Untersuchungen über diese merkwürdige Insektenordnung, welche er bei der Na- turforscher - Versammlung zu Mainz mitgelheilt hatte (s. die- ses Archiv. 1843. pag. XXI), in einem besonderen Aufsatze ausführlich niedergelegt. Diptera. Ueber das Nervensystem der Zweillügler hat 1) Ebenda, pag. 396. 2) Comptes rend. 1543. pag. 509. und 1245. oder Iustitat. 1543. pag. 355. oder Froriep’s neue Notizen. No. 609. p. 232. 3) Compt. rend, 1543 pag. 925. oder Institut. 1543. pag. 407. oder Fror. n. Not. No. 607. pag. 200. 4) Froriep’s neue Notizen. No.615. pag. 21. 5) Wiegmann’s Archiv. 1843. Bd, 1. pag. 137. 13 Leon Dufour !) seine Untersuchungen bekannt gemacht. Das Gehirn derselben ist von einer Art fibrösen Cranium umgeben, das Bauchmark besteht aus einem einfachen Strange. mit mehreren Anschwellungen, deren Zahl nach den Fami- lien variirt. Unabhängig von diesem Bauchmarke existirt ein sympathisches Nervensystem. Die Culieiden und Tipuliden sind mit drei Brustganglien und sechs Hinterleibsganglien versehen, während ihre Larven ein nur aus eilf Ganglien zusammengeselztes Bauchmark besitzen. Bei den Tabaniden, Stratiomyden, Thereviden und Leptiden sind nur sieben Bauchganglien vorhanden, von denen das erste sehr ansehn- lich und einziges Brusiganglion ist. Aehnlich verhalten sich die Tabaniden und Bombyliden. In einigen Asiliden-Larven wurden aber von Leon Dufour drei Ganglien mehr, als bei den vollkommenen Fliegen angetroffen. In den Sceno- pinen enthält das Bauchmark nur fünf Ganglien, in den Co- nopsinen nur zwei Ganglien, während es bei den Oestriden und Musciden mit bedeckten Schwingkolben nur aus einem einzigen Ganglion besteht. Die Musciden mit unbedeckten Schwingkolben besitzen in ihrem Bauchmarke zwei bis drei Ganglien. Was die Athemlöcher betrifft, so fand Leon Du- four bei den Dipteren ebenfalls mancherlei Verschiedenhei- ten. Im Allgemeinen befinden sich an der Brust der Dipte- ren zwei Paar Stigmen und an ihrem Hinterleibe fünf bis sechs Paar Stigmen. Diese Hinterleibsstigmen sind bei den Musciden u. A. auf den Segmenten selbst angebracht, bei den Culieiden, Tabaniden, Asiliden u. A. dagegen auf der die Segmente verbindenden Membran. In den Culieiden, Ti- uliden, Tabaniden, Syrphiden, Musciden mit bedeckten chwingkolben und anderen schnell fliegendeu Dipteren sind die Tracheen mit grossen Luftblasen besetzt, welche will- kürlich aufgebläht werden können, und welche den Musei- den mit unbedeckten Schwingkolben und anderen weniger schnell fliegenden Dipteren fehlen. Alle Zweiflügler besitzen am Ende ces kurzen Oesophagus einen nach links hervor- _ ragenden und gestielten Kropf. Die Speichelorgane bestehen immer aus zwei mehr oder weniger gewundenen Blind- schlänchen. In Teichomysa, Drosophila und anderen kleinen Musciden ist der Kropf mit kallösen Wandungen versehen. Dieser Kropf der Dipteren wird von Loew ?) nicht als ein Saugwerkzeug betrachtet, wie dies früher von Treviranus geschehen ist, da er nur in höchst seltenen Fällen Luft ent- 1) Annales des sciences naturelles. 1844. Tom. I pag. 244. 2) Entomologische Zeitung 1513. p. 114 # 14 hält. Gewöhnlich erscheint der Kropf leer, besonders wenn die Dipteren ohne Gier Nahrung zu sich nehmen. So wie dieselben aber mit Gier Nahrung verschlucken, füllt sich der Kropf sowohl mit flüssigen, wie mit festen Stoffen an. Es dient dieses Organ daher als Speisebehälter. Loew glaubt sogar bei den Fliegen eine Art Wiederkäuen bemerkt zu haben, indem häufig ein Tropfen Nahrung an ihrem Rüssel hervortritt, der wieder verschluckt wird. Der stets ansehu- liche Magen ist nach Leon Dufour’s !) weiteren Unter- suchungen bei Tabanus, Asilus, Stratiomys, Bombylus, Do- lichopus, Seenopinus u. A. mit zwei Blindsäcken, bei Syr- phus mit vier Blindsäcken besetzt. Malpighische Gefässe sind fast immer vier vorhanden, in seltenen Fällen, bei Cu- lieiden, kommen auch fünf Gallengefässe vor. In Tipula stellen die Gallengefässe eine doppelte Schlinge dar. Der Inhalt der Gallengefässe ist weiss, gelb oder violett gefärbt. Bei den Sepsiden, sowohl .den männlichen als weiblichen Individuen, mündet auf der Rückenseite des Rektum eine zweilappige Glandula odorifera ein. Auch bei Ochtera fin- det etwas Aehnliches Statt. Die beiden Testikel der Dipte- ren sind bald von einer weissen, bald von einer gelben oder braunen Hülle umgeben und zeigen eine sehr verschiedenar- tige Gestalt. Am hinteren Ende der beiden Vasa deferentia von Culex und Tipula entspricht eine angeschwollene Stelle einer Epididymis. Bei Beris sind diese Stellen zwei Mal länger als der Leib, bei Stratiomys und Sargus so lang als die Hoden, bei Sepsis, Scatophaga, Thereva und Micropeza sehr kurz, und bei Scenopinus und Conops fehlen sie ganz. Von Saamenblasen sind meistens ein Paar, zuwveilen- aber auch zwei und drei Paar in der verschiedensten Grösse und Länge vorhanden; sie fehlen bei mehreren Authomyiden und Museiden. Der Ductus ejaculatorius variirt sehr in seiner Länge. Die Begattungsorgane bieten in ihrer verschiedenen Struktur die grösste Mannigfaltigkeit dar. Die Eierstocks- röhren der Ovarien, welche bald 1 Ei, bald 2 bis 3 ete., “ bald viele Eier enthalten, sind durch ein gemeinschaftliches Ligamentum suspensorium an den Thorax befestigt. Die Eierstöcke selbst haben entweder eine ähren-, büschel-, schei- ben- oder sackförmige Gestalt. Das Organ, in welchem sich bei den viviparen Museiden die Eier entwickeln, nennt Leon Dufour Reservoir ovolarvigere, dasselbe stellt bei mehre- ren Tachinen eine spiralförmig aufgerollle Röhre, bei Sar- cophaga dagegen einen herzförmigen Sack dar. Dieser En- 1) Ann. d. se. nat., a. a. O. 15 tomotom kann sich übrigens immer noch nicht entschliessen, den für das Receptaculum seminis unrichlig gewählten Na- men Glande sebifique aufzugeben. Derselbe beschreibt die verschiedene Form dieses Orgaus, wobei er auch die Be- zeichnung Orbicelles gebraucht, übersieht aber die Drüsen- anhänge dieses Organs ganz und gar. Diese letzteren, welche von Loew Vasa collateria genannt wurden, verdienten wohl eigentlich Glandes sebifiques genannt zu werden. Leon Dufour scheint sich mit dem Inhalte der Hoden und übri- gen Anhänge der Geschlechtstheile nicht näher beschäftigt, und sich nur auf die Untersuchung der äussern Form dieser Organe beschränkt zu haben, was aber nicht ausreicht, wenn man die Bedeutung derselben gehörig verstehen lernen will. Derselbe fleissige Entomotom ') lieferte auch eine Anatomie von Piophila petasionis. Er fand am zweiten Segmente der Larve seitlich zwei lächerförmige, gestielte. Sigmata, während die beiden hintersten Luftlöcher ganz einfach gebildet sind. Diese letzteren dienen vielleicht zum Einathmen, jene erste- ren dagegen zum Ausathmen. Die beiden Speichelkanäle sind länglich und in der Mitte eingeschnürt. Der eiförmige Vor- magen ist an der Basis von vier Blindschläuchen umgeben, welche nach oben ragen, der lange und gewundene Magen ' besitzt an seinem unteren Ende zwei Paar Malpighische Ge- fässe, von welchen jedes mit einem besonderen kurzen Aus- führungsgange versehen ist. Der mässig lange, und gewun- dene Darm endigt mit einem erweiterlen Mastdarme. Im geflügelten Insekte lassen sich zwei langgezogene, birnför- mige Speichelgelässe, ein Vormagen mit einem langgestielten, zweilappigen Behälter, ein langer gewundener, nach vorn ein Mal eingeschnürler Magen und ein enger, kaum gewun- dener Darm nebst Rektum unterscheiden. Die Gallengelässe der geflügelten Piophila verhalten sich wie die der Larve, Im Rektum werden zwei Paar eigenthünliche und konisch gestaltete Wülste wahrgenommen, welche Leon Dufour Boutons charnus nennt. Ref. vermisst diese räthselhaften Organe fast bei keinem Insekte. Die beiden Hoden von Pio- hila stellen zwei gelbe, längliche und hakenförmig umge- ogene Körper dar, an deren unterem Ende zwei blasenför- mige Anschwellungen als Vasa deferentia bemerkt werden. Mit diesen münden zwei nach unten umgebogene Blindka- näle (Vesiculae seminales) zusammen, worauf ein anfangs weiler und nachher enger werdender Ductus ejaeulatorius — 1) Compt, rend. 1544. pag. 233. oder Annales des sciences nal, T. 1. 1544, pag. 365, 16 folgt, der mit einem spiralförmig aufgerollten Penis endigt. Die beiden Ovarien bestehen aus vielen scheibenförmig dicht zusammengestellten, kurzen, dreifächrigen Eierstocksröhren, ihre beiden Tuben treten zu einer sackförmigen Erweiterung (Reservoir ovigere) der Scheide zusammen, in welche noch mehrere andere Organe einmünden, die alle von Leon Du- four 2ur Glande sebifique gerechnet werden, aber gewiss der Capsuls@seminalis und den Glandulae appendiculares ent- sprechen. Da derselbe in dem Reservoir ovigere den langen Penis vorfand, möchte Ref. dieses Organ für eine Bursa co- pulatrix halten. Auch an den Pupiparen hat Leon Du- four !) neue Untersuchungen angestellt, und gefunden, dass hier nur ein grosses rundes Brustganglion vorhanden ist, welches für die. Beine seitlich drei Paar ansehnliche Nerven abgiebt und für die Geschlechtswerkzeuge und Verdauungs- organe nach hinten zwei Paar Nerven absendet. Die Spei- cheldrüsen liegen an der Basis der Hinterleibshöhle, jeder der beiden Ausführungsgänge erweitert sich im Thorax zu einer Blase, von welcher ein langer Kanal durch den Hals in den Kopf tritt, um sich hier mit seinem Gegner vereinigt in den Mund zu öffnen. Dem Verdauungskanale fehlt der gestielte Kropf, der sich bei den übrigen Dipteren vorfindet; der Darm ist ausserdem sehr lang und vielfach verschlungen, die vier Gallengefässe erscheinen gesondert, auch die vier fleischigen Wülste des Mastdarms fehlen nicht, sind auch hier sehr reich mit Tracheen besetzt und sollen nach Leon Dufour’s Vermuthung dazu dienen, die Fäcesmasse in Be- wegung zu setzen. Die beiden Hoden stellen zwei sehr lange aufgewundene Gefässe dar, welche bei Hippobosca und Melophagus mit zwei Paar langen, fadenförmigen Saamen- bläschen, bei Ornilhomyia nur mit einem einzigen Blind- säckchen versehen sind. Die weiblichen Geschlechtstheile dieser Dipteren beschreibt Leon Dufour in derselben Weise, wie es schon im Jahre 1825 (Annales des sciences natu- relles. T. 6. pag. 308.) von ihm geschehen ist, ohne dass die einzelnen Abtheilungen dieser Organe anders und richti- ger gedeutet werden, wozu die Bemerkungen des Ref. (in diesem Archiv. 1837. pag. 425.) über die weiblichen Ge- schlechtswerkzeuge des Melophagus ovinus wohl hätten Ver- anlassung geben können. Man erkennt hier wieder, wie un- zureichend dergleichen Untersuchungen für den gegenwärtigen Standpunkt der Wissenschaft sind, wenn auf die elementa- ren Formbestandtheile der verschiedenen Sekrelionsorgane 4) Comptes rendus. 1844. pag. 1345 17 und ihrer Sekrete bei den Insekten nicht Rücksicht genom- men wird. Lepidoptera. Nach Hannover!) verhält sich die feinere Struktur des Nervensystems von Papilio Brassicae anz ähnlich wie in Libellula grandis (vergl. oben). Von latner ?) sind die Athemorgane der Seidenraupen näher beschrieben worden. Die von den Stigmaten abgehenden grossen Tracheen bestehen aus zwei Häuten, einer inneren, wahrscheinlich aus Zellen zusammengesetzien Schleimhaut, und einer äusseren spiralig-faserigen Haut, welche wahr- scheinlich noch eine seröse Hülle besitzt. Die Entstehung der spiralen Fasern leitet Platuer von kleinen Kügelchen ab, welche sich fadenförmig an einander reihen sollen, von denen er es aber zweifelhaft lässt, ob sie aus Zellenkernen hervorgehen, deren Zellenmembranen verschwunden sind. Zuweilen sollen aber auch neue Fasern durch geheliöngiiße Theilung einer älteren Faser entstehen.” Derselbe beschreibt hierauf die Verzweigungen der Tracheen der Seidenraupe, besonders innerhalb der Ganglien derselben. Er fand aus- serdem in der Haut der Raupe sternförmige Zellen, welche häufig untereinander anastomosiven, und sich fast dureh nichts von den Knochenkörperehen unterscheiden. Nach Robinet?) tritt die Seide der Seidenraupe aus einer ein- fachen Oeflnung an einem konischen Fortsatze der Unter- lippe hervor, welche in einen Kanal führt, der aus der Ver- einigung der beiden Ausführungsgünge der Spinngefässe ent- standen ist. Diese Ausführungsgänge entspringen aus einer Art Reservoir, hinter welchem die langen, die Seide abson- dernden eylindrischen Organe gelegen sind. Die Seide be- findet sich innerhalb der Reservoire und Absonderungsorgane in einem dickflüssigen, gelatinösen Zustande, nimmt im Aus- führungsgange eine dichtere Beschaffenheit an und wird aus- sen an der Mündung ganz fest. Die Seidenmaterie ist immer farblos und verdankt ihre Farbe in gewissen Fällen den Bei- mischungen, welche sie in den Reservoiren erhält. Der Sei- denfaden erlangt seine Festigkeit, auch wenn man ihn uuter Wasser aus der Raupe hervorzieht, Nach Heller *) ist Harnsäure ein sehr reichliches Exkret der Schmeiterlinge, 1) Recherches, a, a. O. pag. 71. 2) Dieses Archiv. 1544. pag. 38. Comptes rendns, 1844. pag. 92. oder Froriep's neue Noti- zen. No, 631. pag 227, 4) Archiv für physiologische und pathologische Chemie und Ni- kroskapie. 1544. Heft 2. par. 132 Müllers Archir. 1815 B 18 indem der sogenannte Jlarn dieser Insekten als Hauptbe- standtheil harnsaures Ammoniak enthält. Die Farbe dieses Harns scheint wie bei dem Harnsedimente kranker Menschen von einem eigenthümlichen Stoffe, dem Uroörythrin, her- zurühren. Ark cohan.ı.d.a, Araneae. Nach Lassaigne') verhält sich die Haut der Spinnen ganz wie das Chitin der Insekten. Bei Aranea domestica fand Hannover ?) die Ganglienzellen klein, sehr weich und granulirt, und hier und da mit Fortsätzen verse- hen, die aber nicht in Nerven -Primitivfasern übergingen. Im Innern der Ganglienzellen lagen zuweilen zwei Kerne, die Nervenfasern erschienen ihm nicht hohl und mit Kernen be- setzt. Von Owen?) erfahren wir, dass die Pigmentfort- sätze, welche als Iris auf der Vorderseite der Linse hervor- ragen, bei den Tagspinnen grün, roth oder braun, und an den hinteren Theilen des Auges schwarz gefärbt sind, wäh- rend die nächtlichen Spinnen dagegen, z.B. Mygale und Ta- rantula, ein glänzendes Tapetum und kein dunkles Pigment besitzen. In einer ausführlichen Arbeit „„über die Lebens- weise der Arachniden‘ hat Menge *) auch den anatomischen Bau der Spinnen in das Bereich seiner Untersuchungen ge- zogen, aus denen Folgendes ganz besonders hervorgehoben zu werden verdient. Menge hat nämlich bei Argyroneta neben den Lungensäcken noch Tracheen aufgefunden, welche er ausserdem auch bei Saltieus und Mieryphantes, nicht aber bei Epeira, Tegenaria, Linyphia, Lycosa, und Thomisus an- traf. Die Mündungen dieser Tracheen sind am Hinterleibe in der Nähe der Spinnwarzen angebracht. In Bezug auf die männlichen Geschlechtsorgane der Spinnen bestäligt Menge das, was Ref. bereits darüber vor einigen Jahren (in Ger- man’s Zeitschrift. Bd. UI. Heft 2. 1840. pag. 423.) vermuthet hatte. Die eigenthümlich organisirten Palpen der männ- lichen Spinnen sind wirklich Begattungsorgane, welche die aus der am Grunde des Hlinterleibs angebrachten männ- lichen Geschlechtsöffnung hervorquellende Saamenfenehlig- keit aufschöpfen und zur weiblichen Geschlechtsöffnung über- 1) Froriep’s neue Notizen. No, 573 pag. 8. 2) Recherches, a. a. O. pag. 71. 3) Froriep’s neue Notizen. No. 597 pag 4) Neueste Schriften der natarforschenden Bd. 4 Heft 1. 1843. . 40, Gesellschaft in Danzig. 19 tragen. Nach Blackwall:) legen die Spinnenweibchen, bei vorausgegangener Befruchtung, innerhalb zweier Jahre und länger zu verschiedenen Malen entwickelungsfähige Eier, ohne sich in dieser Zeit wieder beggttet zu haben. Bei der Be- galtung berühren die Männchen die Vulva der Weibehen mit ihren Palpen, niemals mit ihrem Hinterleibe. Dies ist eine Bestätigung dessen, was Menge und noch früher Duges (Annales des sciences nat. T. VI. 1836. pag. 187.) über die Begattung der Spinnen berichtet haben. Blackwall nimmt den Sitz der männlichen Geschlechtsorgane ausschliesslich in den Palpen an, und ist davon um so mehr überzeugt, als er Spinnenmännchen, deren Gegend am Grunde des Hinter- leibs er verklebt hatte, sich mit den Palpen dennoch begat- ten sah. Blackwall hat aber keine Zergliederungen vor- genommen, welche seine Beobachtungen sehr schön ergänzt haben würden. Treviranus hat nämlich in so fern rich- tig gesehen, als sich die Hoden wirklich am Grunde des Hinterleibes öffnen; es findet aber nach der schon vor eini- gen Jahren ausgesprochen Ansicht des Ref. hier dasselbe Verhältniss Statt, wie bei den Libellulinen, der Penis und die Vesicula seminalis sind bei den Spinnen ebenfalls ge- trennt, und zwar nicht, wie bei jenen, hinter der Brust, sondern in den Palpen angebracht. Gewiss bleibt der Saame auch eine sehr lange Zeit in den weiblichen Geschlechtsthei- len aufbewahrt, vielleicht innerhalb einer Art von Recepta- eulum seminis, daher diese Webehen nach Jahren noch be- fruchtete und entwickelungsfühige Eier legen können. Seorpionides. Kölliker*) sah bei Scorpio euro aeus die Furchungskugelu des Dotlers in späteren Stadien es Furchungsprocesses eine Scheibe bilden, die, von einem Pole des Eies ausgehend, immer grösser wurde und endlich den ganzen Dotter umschloss. Opiliones. Eine sehr ausführliebe Abhandlung über den anatomischen Bau von Phalangium opilio hat Tulk ®) eliefert. Er fand die Haut dieser Afterspinne aus drei chichten bestehen. Die äusserste Schicht ist eine zarte Epidermis, auf welcher viele konische Zellen hervorragen, darunter liegt eine Pigmentschicht, auf welche ein faseriges Corium folgt. Zwischen den männlichen und weiblichen Palpen findet nur ein geringer Unterschied Statt. Die Mus- 1) Reports of british association. 1844. pag. 62 2) Dieses Archiv. 1843. pag. 139. 3) Anvuals of natural history. Vol. 12. 1843, pag. 153. oder Froriep’s neue Notizeu. No. 645. pag- 97. B2 20 keln erscheinen sehr deutlich quergestreit. Der Darm ver- läuft in gerader Richtung von einem Ende des Leibes bis zum andern, beginnt mit einem weiten Pharynx, und ervwyei- tert sich in der Abdominalhöhle zu einem geräumigen Ma- gensacke, der oben und seitlich mit dreissig grösseren und kleineren regelmässig vertheilten Blindsäcken umgeben ist. Diese Blindsäcke enthalten eine körnige Masse, welche sich auch in dem Magensacke vorfindet, hier aber mit den zer- trümmerten und unverdauten Theilen der gefressenen Insek- ten zusammengebacken ist. Die beiden Gefässpaare, welche Treviranus als Gallengefässe genommen, dringen zwischen den Muskeln des Kauapparats "nach vorn, wo sie verschwin- den. Vielleicht sind sie richtiger als Speichelorgane zu deu- ten, während eine Reihe von der unteren Fläche des Ma- gens abstehender Röhren vielleicht die Stelle einer Leber vertreten. Das Herz der Afterspinnen besteht aus einem in drei Kammern abgeschnürten Schlauche, welcher auf der Verdauungshöhle in einer von den Blindsäcken übrig gelas- senen Rinne liegt. Die unter dem Magen verborgenen Ho- den bestehen aus einem Haufen Blindröhren, welche sich zu einem Saamengange vereinigen. An dem Penis lassen sich Körper und Eichel unterscheiden. Der Körper enthält einen Ductus ejaculatorius von horniger Masse, ‚und weicht nach vorn mit zwei kleinen ovalen Platten auseinander, gegen welche die hakenförmige Eichel eingelenkt ist. Der ganze Penis steckt in einer Scheid®, welehe theils in der Höhlung des Sternums, theils an den Bauchwandungen liegt. Dieser ganze Begattungsapparat ist mit besonderen Muskeln ausge- rüstet. Hinter den Hoden erstreckt sich quer über die un- tere Fläche des Magensackes ein häutiger Schlauch mit kör- nigem Inhalte, der an beiden Enden in eine dünne fadenför- mige Röhre übergeht, und sich nach vorn in der Nähe des Ursprungs der grossen Tracheenstämme verliert. Tulk konnte sich die Bedeutung dieses problematischen Organs durchaus nicht erklären. Die weiblichen Geschlechtstheile bestehen aus einer zarten häutigen Röhre, welche sich um die ganze Peripherie der Bauchseite des Abdomen herum- zieht und vorn in einen Biersack einmündet. Der Eiersack liegt zwischen den Windungen des Eierstocks und enthält zwei Fächer; in das rechte Fach mündet das Ovarium und von dem linken Fache tritt der Ovidukt hervor, der sich nach hinten wendet und, nachdem er sich hier umgebogen, in die Legeröhre übergeht. Diese stellt ein langes, plattes und borstiges Organ dar, welches sich längs der Medianfläche hinzieht, aus hornigen Ringen zusammengesetzt ist und vorn mit zwei kurzen, konischen, eingelenkten Anhängseln endigt. 2 Diese mögen während des Legeakts zun Fassen der Eier dienen. Die ganze Legeröhre ist sehr dehnbar und von ei- ner muskulösen Scheide umgeben. An der unteren Fläche dieser Scheide streichen zwei lange Blindröhren hin, welche eine körnige Substanz enthalten und sich in die Legeröhre neben dem Eileiter einzumünden scheinen. Tulk glaubt in diesen Röhren Organe zu sehen, welche zum Absondern. von Gluten bestimmt sind. Das vor dem Oesophagus gelegene Gehirn bildet zwei länglich Kegelförmige Ganglien, welche mit zwei, den Oesophagus umfassenden Schenkeln sich an den vorderen Rahd des Thoraxganglion anschliesst. Aus diesen Gehirnganglien treten in der Mitte zyrei Nervenstämme nach vorn zu dem mittleren zusammengesetzien Augenpaare, und zwei äussere Stämme zu den seitlichen Augen. Das Thoraxganglion besitzt eine sehr ansehnliche Grösse und zer- fällt in eine Querportion und in zwei seitliche Porlionen. Aus der ()uerportion entspringt ein Mittelast nach hinten, der. nachdem er sich gabelförmig getheilt, birnfömig an- schwillt, dann wieder anastomosirt und sich hierauf an den Eierstock, Eierleiter und die Leibeshaut verzweigt. Zwei kurze äussere Seitenäste begeben sich unter Ganglienan- schwellungen an die Zeugungstheile, ein inneres seitliches Nervenpaar läuft weiter rückwärts, schwillt ebenfalls zu ei- nem Ganglion an und verzweigt sich auf der unteren Fläche des Nahrungsschlauchs und auf den benachbarten Eingewei- den. Nach Tulk’s Angabe soll das Ganglion thoracienm von einer Anzahl quergestreifter Muskelbündel nach auf- und abwärts, nach vorn und rückwärts bewegt werden können, was sehr merkwürdig wäre. Das längere zweite Paar der Füsse, welches von den Afterspinnen während der Ruhe in die Höhe gehalten wird, soll Gehörempfindung besitzen. In den mittleren Augen entdeckte Tulk ausser schwarzer Pig- mentschicht und Glasfeuchtigkeit auch eine kleine platte Linse, welche aus concentrischen Lamellen zusammengesetzt ist. Auch Muskeln sah er an diese Augen herantreten. Die seitlichen Augen besitzen eine viel einfachere Organisation. Aus zwei zwischen den hinteren Hüften angebrachten Luft- löchern entspringen zwei grosse seitliche Tracheenstämme, welche dicht hinter dem Thoraxganglion durch einen zarten Bogen untereinander verbunden sind. Die Hauptverzweigun- gen des Tracheensystems befinden sich im Cephalothorax, in welchem auch die Lokomotions-Organe angebracht sind. Tulk konnte eine von den spiralföürmigen Fasern der Tra- cheen verschiedene Membran nicht entdecken, bemerkte aber auf dem Hauptstamme scharf umschriebene Kerne aufliegen. Acari. Nach Dujardin ') besitzen die Acarinen mit zangenförmigen Mandibeln ein einziges Tracheensystem, wäh- rend den mit Klauen an den Mandibeln versehenen Acarinen dagegen ein doppeltes Respirationssysiem eigen ist, von wel- chen das eine zum Ausathmen, das andere zum Einathmen dienen soll. Derselbe ?) behauptet gegen Treviranus, dass er vergebens bei Trombidium nach einem Oesophagus, Ma- gen und Darm gesucht habe und deshalb glauben müsse, dass die organischen Säfte, von welchen sich die Acariuen nähren, in Lacunen des Körperparenchyms gelangen, ohne von bestimmten Wandungen umgeben zu werden, was selbst bei denjenigen Milben Statt finden soll, in welchen sich das eingesogene Blut in einer bestimmten symmetrischen Figur vertheilt. Dujardin konnte übrigens bei Trombidium zwei Speichel- oder. Giftdrüsen unterscheiden. Unter der Basis der beiden Mandibeln bemerkte er eine oblonge, von zwei Lippen umgebene Oeffnung, welche mit zwei grossen Luft- kanälen kommunieirt und zum Ausathmen dienen soll, wäh- rend die feinen Verzweigungen der Tracheen, welche sich unter der Haut ausbreiten, mit Borsten und Haarbüscheln der Hautoberfläche in Verbindung stehen und zum Luftein- athınen dienen sollen. Wilson ?®) lieferte eine genaue Ge- schichte und Beschreibung der Krätzmilbe, welche auch er als die alleinige Ursache der Scabies ansieht. Derselbe will am Hinterleibsende dieser Milbe eine Papille wahrgenommen haben, die er als After betrachtet. Von Sexualorganen ist ihm dagegen nichts aufgefallen, obgleich er die Kier der Krätzmilbe gesehen hat. Auch der Acarus follieulorum ist von Wilson *) beschrieben worden, den er nicht bloss bei Acne punctala, sondern überall, wo sich Talgdrüsen befan- den, antraf. Er sah nicht bloss ihre Einbryone, sondern auch ihre Eier. Nach seinen Beobachtungen bestehen die Maxillarpalpen dieses Thierchens aus drei Segmenten, von welchen das letzte Glied eine Art Klaue bildet. Zwischen diesen beiden Palpen endigt die dreieckige Spitze des Vor- derleibs mit zwei nebeneinander liegenden Stücken, welche ein trichter- oder röhrenförmiges Organ als Sauger umgeben. Jedes Bein, welches mit drei Klauen bewallnet ist, erschien 1) Froriep’s neue Notizen. No. 698, pag. 246, 2) Comptes rendus. T. 19. 1844. pag 1159. 3) A practical and theorelical treatice on Ihe diagnosis, rathology and trealment of diseases of the skin. Lond. 1842 pag. 368. 4) Ebenda pag. 385. oder Annals of the natural history. Vol. 12. 1843. pag 222. vder Philvsophical transactions. 1344. pag. 30% 23 ihm dreigliederig und der Schwanz dicht geringelt. Den After bemerkte Wilson auf der Unterseite nahe am Hinter- terleibsende. Derselbe erkannte die Muskeln, welche die Beine und den Oesophagus bewegen. Der Darm besitzt an seinem Anfange eine braune Farbe, was vielleicht von Le- bersubstanz herrührt. Geschlechtstheile hat Wilson bei die- ser Milbe ebenfalls nicht wahrgenommen. Tulk!) fand ein mit Acarus (Demodex Ow.) folliculorum verwandtes Thier in den Pusteln räudiger Hunde zwischen den Eiterkügelchen sehr häufig. Crustacea. 6) Decapoda. Der Ganglienstrang des Flusskrebses ist, nach Hannover’s?) Untersuchungen, mit seinen Seitenästen von einer Schicht grosser Zellen umhüllt, von welchen sich die eigentlichen Ganglienkugeln bestimmt unterscheiden: Diese letzteren enthalten einen Kern, der einen bis vier Kernkör- perchen einschliesst und zuweilen mit einer doppelten Con- tour umgeben ist. Derselbe Beobachter hat keine Nerven- fäden aus diesen Ganglienkörpern hervortreten sehen, was vielleicht. nach seiner Meinung, nur ein Zufall gewesen ist. Die primitiven Nervenfäden bilden wahrscheinlich Röhren von verschiedenen Durchmessern; werden sie isolirt, so schrumpfen sie zusammen, erhalten Querfalten und doppelte Contoure, wobei ein sehr feiner granulirter Inhalt zum Vor- schein kömmt. Die Nervenfäden sind von eiuer Schicht fei- ner Zellgewebsfäden umgeben, welche auch zwischen ihnen zu bemerken sind und die Untersuchung der eigentlichen pri- mitiven Nervenfäden sehr erschweren. Von Farre ?) wird ein Organ des Hummers, welches an der Wurzel der inneren Fühler angebracht und bisher als Geruchswerkzeug der Krebse bekannt gewesen ist, als Ohr beschrieben, zu welchem vom Gehirnganglion ein Nery herantritt. Im Innern des Sackes, welchen er als Gehörblase betrachtet, sind Otolithen ent- halten, welche nicht aus kohlensaurem Kalk, sondern aus Kieselerde bestehen und nichts anderes als Sandkörnchen sind, die mit dem Wasser durch eine, mit einer Art Klappe versehene Oefluung von aussen aufgenommen werden. Die 1) Annals ol the natur, hist, Vol. 13. 1544, pag. 75. 2) Recherches mieroscopiques, a. a. 0. pag, 67. ’ 3) The London, Edinburgh and Dublin philosophical Magazine. Vol. 23. 1843. pag. 353. oder The philosophical transactions. 1843 pag. 233,’ oder LE riep’s neue Notizen, No. 606, pag. 153. 24 Klappe soll dazu dienen, nur Sandkörnchen von bestimmter Grösse in die Gehörblase einzulassen. Diese Sandkörnchen sollen dann in derselben Weise die Stelle der Otolithen ver- treten, ‘wie bei den Vögeln die Steine im Magen die Zähne erselzen; eine sonderbare Ansicht! Farre will ausserdem dieses Organ auch bei Palmurus und Pagurus nicht aber bei Squilla und den Brachyuren ange roffen haben. Das an der Wurzel der äusseren Fühler angebrachte eigentliche Gehör- organ wird von Farre als Geruchswerkzeug genommen. Von Souleyet:!) ist an der Wurzel der inneren Fühler eines Seekrustenthieres, Lucifer Thomp., ein kleiner run- der, gläßeender Körper entdeckt worden, der ihm ein Ge- hörorgan zu sein schien. Nach Schlemm ?) bestehen die Blindschläuche der Leberdrüse von Astacus fluviatilis aus einer hellen strukturlosen Membran, welche eine Schieht von Zellen umschliesst. Die Zellen dieser Schicht enthalten aus- ser einer körnigen Masse einen bis zwei Kerne. Zwischen diesen Zellen sind eine Menge Bläschen eingestreut, welche vielleicht aus Fett bestehen. Auf der inneren Fläche der Blindröhren erscheint die Zellenschieht durch eine andere zarte und strukturlose Haut abgeschlossen. Die Zellen jener Schicht sind gewiss dazu bestimmt, die Galle abzusondern. Vom Herzen des Flusskrebses sah Schlemm ausserdem zwei Arterien abgehen, welche zuerst eine Arterie für die Hoden oder Eierstöcke abgeben, dann den Darm und Magen mit Aesten versehen und zuletzt an die Leber treten, wo sie sich auf den verschiedenen Leberlappen verzweigen und zwischen den Blindschläuchen zu einem Kapillargefässnetze auflösen. Die Galle des Flusskrebses enthält nach Schlemm’s Untersuchungen weder Bilin, Cholepyrrhin, noch Ichtyocho- lin, sondern nur Cholestearine, Salze und eine schleimige Substanz, und färbt Lackmuspapier roth. Diesen Untersu- chungen fügt dann Schlemm noch eine Beschreibung vom Nervus sympathieus des Krebses hinzu. Joly ?) bestätigt Raihke’s Untersuchungen über die Entwicklung des Fluss- krebses, dass nämlich bei Astacus fluviatilis keine Metamor- phose Statt findet, wie bei Palinurus, Homarus und anderen Decapoden: den Grund sucht Joly darin, dass der Fluss- krebs wenige und sehr grosse Eier im Verhältniss zu den anderen Decapoden legt. Es finden auf diese Weise die 1) Froriep's neue Notizen. No. 600. pag. 81. 2) De hepate ac bile erustaceorum et molluseorum guorandanı. Diss. Berol. 1514. 3) Comptes rendus, 1843. pag. 47. oder Institut. 1843. p, 224. 25 Embryonen eine grössere Menge von Dotter vor, daher sie im Stande sind, sich weiter zu entwickeln, während die anderen Decapoden mit weniger Dottervorrath weit unvoll- komınener entwickelt das Ei verlassen. Derselbe +) zeigt an einem langgeschwänzten Süsswasser-Decapoden, nämlich an Caridina Desmarestii, dass bei der Entwicklung dieses Kreb- ses eine Metamorphose Statt findet. Den eben aus dem Ei geschlüpften Caridinen fehlen die Kiemen, die Kaufüsse, die falschen Füsse unter dem Hinterleibe und die Anhänge des Magens. Es ist dabei interessant, dass diese mit'’Mysis in ihrer übrigen Organisation so nahe verwandte Caridina spä- ter Kiemen erhält, während sich bei Mysis niemals Kiemen einfinden, Eine ausführliche Darstellung der Entwicklung des Hum- mereis hat Erdl?) geliefert. Die Gestalt des Hummer-Em- bryo ist keine sehr auffallende. Die Fühlhörner erscheinen sehr kurz, der Schwanz ist stark entwickelt, die Schwanz- füsse sind sehr klein. Erdl vergleicht mit der Entwicklung des Hummers die des Cancer maenas, und giebt an, dass hier beim Taschenkrebs die Entwicklung des Embryo wahr- scheinlich mit einer Durchfurchung des Dotters beginne, von welchem Prozesse bei Astacus keine Spur wahrzunehmen sei, dass ferner bei Cancer die Augen gleich beim Erschei- nen viel grösser, als beim Hummer und Flusskrebse seien. Beim Cancer geht der Dotter schneller in die Leber über und entwickeln sich die Füsse und Mundtheile später als bei Astacus. Bei Maja und solchen Krebsen, welche sehr kurze Eileiter besitzen, schlüpfen nach Erdl’s Beobachtung die Eier, ehe sie gelegt werden, an der Mündung eines in den untersten Theil des Ovidukts sich öffnenden diekhäuti- gen Sackes vorbei. von wo sie mit einer Schleimschicht überzogen werden, mittelst welcher sie nachher an den Schwanzfüssen hängen bleiben, indem dieser Schleim con- sistent wird und sich zugleich zu.einer Art Eistiel in die Länge zieht. Auch Rathke?) machte eine Abhandlung be- kannt, in welcher derselbe die Entwicklung der Eier von der ersten Bildung des Dotters an bis zur vollständigen Ent- wicklung des Embryo bei den Crustaceen im Allgemeinen verfolgt. Einen Beitrag zur Entwicklungsgeschichte von Por- cellana lieferte Dujardin *). Er fand die Eier von Porcel- 1) Annales des sciences nat. Tom. 19. 1843, pag. 5. oder Fro- tiep's neue Notizen. No. 550, pag. 337. ö 2) Entwicklung des Huminereies. 1843, 3) De animalium erustaceorum generalione. 1544. 4) Comptes rendus. 1843. p. 1204. oder Institut. 1843, p. 188. 26 lana longicornis unverhältnissmässig gross. Die aus ihnen hervorgeschlüpften jungen Thiere gleichen den früher zu Zo& gerechneten Crustaceen. Sie tragen auf dem Cephalo- thorax zwei schwarze sitzende Augenflecke und zu beiden Seiten zwei lange, nach hinten gerichtete, zugespitzte Fort- sätze; unterhalb des Cephalothorax entspringt nach vorn ein langer, röthlicher, ebenfalls zugespitzter Fortsatz, wel- cher in 23 bis 26 Glieder getheilt ist. Die rothe Farbe rührt von einem aus dem Fortsatze hervorschimmernden Kanal her, welchen Philippi bei Pagurus für den Darm- kanal genommen hat, von Rathke für einen Rüssel gehal- ten worden ist, und Dujardin für keines von beiden, son- dern für ein durchaus problematisches Organ erklärt. Auf der unteren Seite des Cephalothorax befinden sich in der Mitte zwei Paar Antennen, von denen die beiden inneren einfach, die beiden äusseren gespalten sind. Hinter densel- ben folgen die Mandibeln und zwei Paar Maxillen. Am Hin- terende des Cephalothorax sind zwei Paar gabelförmig ge- spaltene Füsse angebracht. Hinter dem Cephalothorax tritt das sechsgliedrige eylindrische Abdomen hervor, deren letz- ter Ring eine rautenförmige, mit Borstenbüscheln besetzte Schuppe trägt. Aus einem Aufsatze von Goodsir !) über die männ- lichen Geschlechtswerkzeuge der Crustaceen hebt Ref. Fol- gendes hervor: Zur Brunstzeit der männlichen Crustaceen füllen sich ihre Drüsenzellen mit kleinen Zellen, erstere ber- sten und ergiessen dann die kleinen sekundären Zellen in die Drüsenhöhle. Diese sekundären Zellen füllen sich ebenfalls mit jungen Zellen, während sie nach unten vorrücken. Im Vas deferens angelangt, sind sie sehr gross geworden und von Brutzellen strotzend angefüllt, so dass einige vor der Zeit bersten, denn normalmässig werden die Mutterzellen mit ihrer Brut in die Spermatheca der Weibchen übergeführt, wo dann der Inhalt der Mutterzellen, die Brutzellen oder spermatozoischen Zellen die Saanmenkapsel ganz aufüllen. Goodsir sieht die von Kölliker in der Saamenfeuchligkeit der Crustaceen und Cirrhopoden enthaltenen fadenförmigen Körperchen als Filarien an. Es geht hieraus hervor, dass Goodsir auf diesem Felde. nicht gehörig zu Hause ist, sonst würde er wissen, dass die Spermatozoiden nicht aller Cru- staceen eine starre Zellenform besitzen, sondern dass auch eine grosse Zahl von Crustaceen fadenförmige oder haarför- mige bewegliche Spermatozoiden enthalten. Ref. beruft sich 4) Froriep's neue Notizen. Nu. 627. pag. 161 27 auf Kölliker, der die zellenföormigen Spermatozoiden der Decapoden und deren Entwicklung recht gui beschrieben, aber auch die fadenförmigen Spermatozoiden der Amphipo- den, Laemodipoden, Isopoden und Cirrhopoden ganz richtig erkannt hat. Goodsir stellt ferner in einer Stufenreihe die verschiedene Entwicklung derjenigen Organe zusammen, welche zum Tragen und Schutze der Eier bei den Crusta- ceen dienen und metamorphosirte Beine sind. Derselbe er- klärte bei dieser Gelegenheit, um eine recht lange, durch diese ganze Thierklasse hindurchgehende Stufenreihe dieser Organisationsverhältnisse zu erhalten, dass die zweiklappige Körperschale von Daphne, Evadne u. A. nichts anderes als melamorphosirte Fusspaare seien, was dem Ref. eine sehr gewagle Behauptung zu sein scheint. Eine Abhandlung von Brulle') über die Verwandlung der Anhängsel bei den Krebsen und Insekten in Tast-, Kau- und Bewegungs-Organe enthält nur bereits Bekanntes. Ueber die Reproduktionskraft der Crustäceen hat Goodsir ?) Un- tersuchungen angestellt und dabei die Erfahrung gemacht, dass, so wie man einem Krebse mehrere Phalangen eines Beines wegnimmt, das Thier sogleich das ganze Bein ab- wirft, und zwar immer an einer bestimmten, durch eine Ein- schnürung bezeichnete Stelle. Ueber dieser Stelle befindet sich im Innern eine fibröse, gelatinöse, drüsenarlige Masse, welche gewiss das Organ ist, aus welchem der Keim des neuen, sich wiedererzeugenden Gliedes hervorwächst. Die- ser Keim wächst und treibt die Haut, welche die Wunde Deich anfangs verschlossen hat, vor sich her, bis sie zuletzt erstet und dadurch das entwickelte, zusammengefaltete Glied frei wird. J. Müller?) fand die Kiemen von Gecareinus, einer Land- krabbe, mit harten Fortsätzen zwischen den Blättern ver- sehen, durch welche das Zusammenkleben der Kiemenblätter verhindert wird. Der Mangel dieser Fortsätze an den Kie- men der Fische ist allein vielleicht die Ursache, weshalb diese Thiere an der Luft sterben. Isopoda. Eine Abhandlung über Ligidium Persoonü hat Lereboullet *) mitgelheilt. Ligidium, aber auch Ligia 1) Annales des sciences nat, T. 2. 18544, pag. 271. oder Fro- rip's neue Notizen. No. 650. pag. 309. 2) Reports of british association. 1544. Notices. pag. 65. oder Institut. 1544. pag. 427. 3) Froriep's neue Notizen, No, 611. pag. 265. 4) Comptes rendus. 1543, pag. 1155. oder Annales des sciences nat. T. 20, 1843, pag. 103. 28 und andere Onisciden besitzen an den Mandibeln einen An- . hang in Form eines kurzen beweglichen und gezähnelten Stieles, der mit einem Haarbüschel versehen ist. Bei Ani- locra, Nerocila und Cymothoa sah derselbe die Ober- und Unterlippe zu einer kurzen Röhre verbunden, wodurch sich diese parasitischen Cynrothoaden den saugenden ‚und. parasi- tischen Entomostraceen nähern. Das Epithelium im Magen von Ligidium hat eine hornige Beschaffenheit und. ist mit Borsten besetzt; der Magen enthält ausserdem einen Kauap- parat, an dem sich ein Rückenzahn und zwei seitliche bor- stige Zähne unterscheiden lassen. Hinter diesen Zähnen be- zeichnet ein zweiter Zahnapparat die Stelle des Pylorus. Die vier Gallengefässe besitzen Einschnürungen, öffnen sich in der Gegend des Pylorus seitlich in den Darm, und ent- halten eine Menge runder Zellen von ungleicher Grösse, welche ohne Zweifel Gallenflüssigkeit enthalten. Lere- boullet bemerkte, dass diejenigen Physiologen, welche an- nehmen, die Galle werde von den Parenchymzellen der Le- ber abgesondert, ihre Theorie auf die Zusammenselzung der Gallengefässe dieser Crustaceen stülzen können. In den Ge- schlechtsorganen von Ligidium erkannte derselbe Naturfor- scher ebenfalls Zellen, welche bei den weiblichen Individuen Eier, bei den männlichen dagegen Spermatozoidenzellen dar- stellten, aus welchen bei weiterer Entwicklung die Sperma- tozoiden hervorgehen. Die Alhemorgane bestehen aus unter dem Leibe angebrachten plattförmigen Afterfüssen. Jeder Leibesring enthält einen doppelten Ganglienknoten; im Ab- domen, wo die Leibesringe sehr genähert sind, berühren sich die Ganglienknoten, nur die beiden ersten Abdominalringe besitzen einen gemeinschaftlichen Ganglienknoten. Von Rathke!) haben wir verschiedene anatomische Untersuchungen norwegischer Crustaceen erhalten. Derselbe fand bei Aega bicarinata, einem Isopoden, drei Abtheilungen des Darmkanals, von denen die mittelste die weiteste ist. In die erste muskulöse Abtheilung, welche nach unten birn- förmig angeschwollen ist, mündet ein kurzer gemeinsehaft- licher Ausführungsgang ein, dem jederseits drei mässig lange Fettkörper (Leber) anhängen. Die zweite dünnwandige Ab- theilung des Darmkanals stellt einen bis zum Hinterleibe hinabreichenden Schlauch dar, während die dritte Abthei- lung einen ganz kurzen Darm repräsentirt. Das Herz in Form eines spindelföürmigen Schlauchs und von der Länge des Darms reicht nur wenig in den Thorax hinauf, sendet 1) Noy. Acta Leopold. Vol. XX. P. I. 1843. pag. 25. 29 zwei dicke Gefässstimme nach vorn und mehrere Kiemenge- fässe seitlich nach den Kiemen des Hinterleibs. Die beiden Ovarienschläuche liegen neben und auf der vorderen Seite des zweiten Abschnittes des Verdauungskanals, von denen zwei kurze Eierleiter schräg nach hinten und unten laufen, und die Bauchwand des fünften Brustrings nahe dem Hüft- gelenke des fünften Beines durchbohren. Die Sförmig ge- krümmten Hodenschläuche haben eine gleiche Lage und sen- den zwei lange gerade Saamenleiter nach hinten ab, welche in zwei weile Saamenblasen übergehen. Diese krümmen sich am Hinterende des zweiten Magens schräg nach vorn und münden mit einem kurzen Kanale auf der Bauchseite des letzten Brustringes nicht weit von einander an einer sehr kleinen Papille nach aussen. Das Bauchmark dieser Aega verhält sich wie bei Idothea Entomon. Nur eine ein- zige Ganglienmasse nimmt den Hinterleib ein; es erscheint dieselbe aber aus fünf hintereinander liegenden Anschwellun- gen verschmolzen, welche jederseits fünf Nervenäste an die Kiemenmuskeln abgeben. Das Gehirn besteht aus zwei ver- schmolzenen und quergelagerten Ganglienmassen, von wel- chen die Nerven der vier Fühler mit zwei gemeinschaftlichen Stämmen entspringen. Rathke stellte ferner ein neues, mit Bopyrus verwandtes Genus unter dem Namen Phryxus Hip- polytes auf, welches zwei lappige Kiemen am Hinterleibs- ende besitz. Den innern Bau dieses Schmarotzers fand Rathke wie bei Bopyrus Squillarum beschaffen. Mit dem Darme sah derselbe vierzehn viel Fett enthaltende, gelbe Le- berorgane durch kurze Ausführungsgänge zusammenhängen. Die Ovarien sind zwei einfache weite Säcke, welche den grössten Theil des Thieres ausfüllen. Dieselben vereinigen eich hinten zu einem sehr kurzen, am Ende des Thorax aus- mündenden Ausführungsgange. Die Embryone verhalten sich anz wie bei Bopyrus, ihr Leib erscheint deutlich gegliedert, ist mit zwei Paar Fühlern, mit fünf bis sechs Paar Füssen und mit fünf Paar Kiemen versehen. : Laemodipoda. Ueber die Pyenogoniden theilte Qua- trefages ı) seine Bemerkungen mit; er bemerkte näynlich am kurzen Darmkanale dieser merkwürdigen Thiere zehn Blindsäcke, welche in die zwei Kieferfüsse und in die acht wahren Füsse eindringen. Dieselben können sich abwech- selnd ausdehnen und kontrahiren. Ihre Wandungen bestehen aus einer körnigen Substanz (Leber). Ihr Bauchmark wird aus vier verschmolzenen, aber noch unterscheidbaren Ganglien 1) Compt. rend. T. 19. p. 1152. oder Institat, 1844 p. 424. 30 zusammengesetzt. Ein fünftes Ganglion liegt als Gehirn auf dem Oesophagus. Der Inhalt des Darmkanals wird durch die Kontraktionen der Blindsäcke unaufhörlich hin und her geworfen. Von Kreislauforganen konnte Quatrefages keine Spur wahrnehmen. Die Ernährungsflüssigkeit scheint nur allein dureh die allgemeinen Körperbewegungen umhergetrie- ben zu werden. Von Kölliker ') wurde ein Ei innerhalb der Bruttasche eines Pyenogonum im ersten Entwicklungs- stadium angetroflen, Seiu Dotter war gerade in vier gleiche Kugeln zerfallen, von denen jede Kugel eine kleine runde Zelle in ihrem Innern enthielt, Entomostraca. Van der Iloeven?) widerspricht der Behauptung von Müller (in Tiedemann’s Zeitschrift, Bd. 4. pag. 104.), dass Limulus mit Apus zu denjenigen Crustaceen gehören soll, welche zusammengesetzte Augen mit gemeinschaftlicher glatter Hornhaut besitzen. Apus habe allerdings eine nicht facettirte Hornhaut, bei Limulus habe er sich aber durch sorgfältig wiederholte Untersuchung über- zeugt, dass die Cornea der zusammengesetzlen Augen deut- lich facettirt ist. Von Focke°) wird Polyphemus Kindtü, ein neues_Entomostracon, seiner Grösse und Durchsichtig- keit wegen als ganz besonders zu physiologischen Beobach- tungen geeignet empfohlen. Vogt*) bestäligt die von Jurine an Argulus foliaceus angestellten Untersuchungen; derselbe konnte an vielen Blut- gefässen deutliche Wandungen erkennen, während er wie- derum an, anderen Stellen vergebens darnach suchte. Den Blutlauf beobachtete er in folgender Weise: Das Blut strömt aus dem Herzen vorn durch Arterien in alle Theile des Kör- pers, kehrt durch die Venen in zwei grosse, zwischen den beiden Saugnäpfen und dem ersten Fusspaare gelegene Räume zurück, und von da in die Kapillarnetze des Seiten- schildes, welches Vogt als ein seitliches Kiemenblatt be- trachtel, und von welchem das Blut zu einer Vene vereinigt wieder in das Herz eintritt, Das Gehirn besteht aus drei hellen Blasen, welche dieht beisammen liegen. Nervenfäden konnte Vogt von diesem Nervencentrum nicht abgehen se- 1) Dieses Archiv. 1843. pag. 111. 2) Tijdschrift voor natuurl. gesch., a. a ©. 1843. p, 9. 3) Amtlicher Bericht über die 22ste Versammlung der deutschen Naturf. u. Aerzte in Bremen. Abth. II. p. 108. 4) Beiträge zur Nalurgeschichte der schweizerischen Crustaceen. Neuchatel 1843. Aus d. 7ien Bande der neuen Denkschriften der allg. schweizer, Gesellsch. für die gesammten Natarwissenschaften. 31 hen. Derselbe Beobachter *) erkannte ausserdem, dass die Männchen einer neuen Cyelopsart, Cyelopsine alpestris, ihren Weibchen auf dieselbe Weise, wie es Ref. von Cyelops eastor beschrieben, einen Saamenschlauch an die Vulva kleben. Rathke 2) machte die Mittheilung, dass der Darmkanal von Caligus eurtus an der Basis des Rüssels mil einer äus- serst dünnen und kurzen‘ Speiseröhre beginnt, und dann ziemlich gleich weit nach hinten verläuft. Am Eintritt in den Flinterleib erleidet derselbe eine Einschnürung, bis zu welcher derselbe mit Muskelbündeln an die Leibeswände be- festigt ist und als Magen angesehen werden kann. Leberar- lige Organe fehlen diesem Schmarotzerkrebs. Die Geschlechts- organe desselben verhalten sich wie bei Dichelestiun. Die unregelmässig kegelförmigen Ovarien des Caligus fand Rathke zu beiden Seiten des Rüssels gelegen; ihre beiden Eierleiter laufen neben dem Darmkanale nach hinten, und erweitern sich hier zu einem Uterus, der einige Windungen bildet. Unter diesem Uterus liegt ein durch die ganze Länge des Hinterleibes sich hinziehender Blindkanal, nämlich das Kitt- organ, welches eine dieke, die Eier beim Legen einhüllende Flüssigkeit absondert. Uterus und Kittorgan der rechten und linken Seite besitzen jederseits eine gemeinschaftliche Oefl- nung. Die äusseren Eniribee der männlichen Geschlechts- theile verhalten sich ähnlich, nur nehmen die Saamenblasen, welche den Gebärmültern entsprechen, nicht denselben Um- fang ein, wie diese letzteren. Organe, welche den Kittor- ganen entsprechen, fehlen den männlichen Zeugungsorganen gänzlich. Das Bauchmark, zwei deutlich geschiedene Ner- venstränge, konnte Rathke nicht bis ganz nach dem Hin- terleibsende verfolgen. Dieser doppelte Bauchstrang geht vorn in ein mässig grosses Gehirn über, aus welchem eine Menge Nerven hervorstrahlen, und sich zu den Fühlern, den halbmondförmigen Organen des Kopfendes, zu den Augen, Fresswerkzeugen und Beinen begeben; sogar das hinterste sechste Fusspaar erhält seine Nerven vom Gehirnganglion. Nach Rathke's ferneren Untersuchungen enthalten die bei- den grossen flügelförmigen Anhänge von Nicotho& nur die weiblichen Geschlechtsorgane, nämlich zwei an Grösse und Farbe verschiedene Organe, Das grössere rosenrothe Organ ist das Ovarium, das andere viel kleinere Organ von milch- weisser Farbe »tellt einen gewundenen Kanal dar, welcher I) Ebenda. 2) Nov. Acta. Vol. XX. a. a. ©. paz 58 32 in den eigentlichen Leib hinübertritt, sich hier zur Geschlechts- öffnung begiebt und wahrscheinlich die Funktion eines Kitt- organs ausübt. Der Darm von Nicotho& stellt einen einfa- chen Kanal dar, dem durchaus eine Magenansch wellung fehlt. Rathke fand in den Eiertrauben dieses Schmarotzerkrebses zwei verschiedene Formen von Embryonen, die eine Form besitzt ein Paar Fühler und nur zwei Paar Füsse, während die andere grössere Form mit zwei Fühlern, mit zwei Paar Klammerorganen und zwei abgeplatteten Fusspaaren versehen ist. Erstere Form erklärte Rathke für die männlichen, die zweite Form dagegen für die weiblichen Embryone. Der muskulöse Darmkanal von Chondracanthus Lophii ist nach den Beobachtungen Rathke’s in eine mittlere sehr grosse, vordere kleinere und hintere noch viel kleinere und kurze Abtheilung abgeschnürt. In frischen Exemplaren besitzt die mittlere magenarlige Abtheilung eine Menge dicht stehender kleiner Aussackungen., Von Leberorganen findet sich keine Spur in diesem parasilischen Krebse vor. Seine Ovarien be- stehen aus baumartig verästelten Blindschläuchen von milch- weisser Farbe, welche sich durch die ganze Leibeshöhle aus- breiten. Die beiden Eierleiter begleiten den Verdauungskanal nach hinten bis zum Ende des Thorax, wo sie sich vor ihrer Ausmündung mit zwei einfachen, vom Halse herab- kommenden dicken und ansehnlichen Blindkanälen, wahr- scheinlich den Kittorganen, verbinden. Das Herz stellt einen dünnen, an beiden Enden spitzig zulaufenden Kanal dar, der gleich hinter der halsartigen Verengung des Leibes seinen Anfang nimmt. Das Bauchmark besteht auch hier aus zwei dicht nebeneinander liegenden Strängen, zwischen welchen fünf weit voneinander entfernte Ganglienpaare liegen, deren Lage und Grösse sich nach den einzelnen fünf Leibesabschnit- ten, denen sie angehören, richtet. Sehr auffallend weicht von diesem Baue des weiblichen Chondracanthus Lophii das Männchen ab. Dasselbe ist ausserordentlich klein, besitzt eine länglich ovale Gestalt, und enthält von Eingeweiden nur einen sehr kleinen Kanal, welchen Rathke durch die ganze Länge des Körpers verfolgen konnte und der wahrscheinlich der Darmkanal ist. Bei Lernaea branchialis fand Rathke unter dem dicken Corium eine Schicht sich kreuzender Mus- kelfasern und darunter eine Fettschicht von weisser Farbe nebst Zellgewebe von schwammartigem Ansehen. Diese letztere schwammartige Masse hat Nordmann wahrschein- lich als Leber betrachtet, Rathke konnte aber keinen un- mittelbaren Zusammenhang zwischen diesen Massen und dem Darmkanale wahrnehmen. Der gerade Darmkanal dieser Lernaea war anfangs eng, erweitert sich in seinem Verlaufe, ’ 33 . sich gegen sein Ende hin wieder verengerte. Magen und Darm waren mit vielen Muskelfäden an die Leibeswan- dung befestigt. Die Eierstöcke stellten zwei lange einfache Röhren dar, welche, hinter dem halsartigen Theile des Lei- bes beginnend, allmählig in Eierleiter übergingen und sich an der äusseren Geschlechtsöffnung mit zwei anderen, neben ihnen her laufenden Kanälen vereinigten. Diese letzteren Kanäle, welche höchst wahrscheinlich Kittorgane sind, hat Rathke auch bei Anchorella und Pennellina angetroffen. Nach Kölliker’s ') Beobachiung erscheint bei Ergasi- lus gibbus der Dotter während des Durchfurchungsprozesses, der sich hier über den ganzen Dotter erstreckt, durchaus farblos, erst mit der Entwicklung des Embryo stellt sich die blaue Färbung ein. Etwas Aehnliches bemerkte Kölliker während der Furchung des Eidotlers bei einem eyclopsarti- gen Thiere. Von Will®) ist ein sehr interessanter Schmarotzer be- schrieben und Staurosoma genannt worden. Das kleine Thier bewohnt häutige Kapseln, welche an den Wandungen der Leibeshöhle von Actinia viridis befestigt sind. Es besitzt einen achtgliedrigen Leib und zwei Paar ebenfalls gegliederte, seitlich abstehende Arme, Sein Mund ist einfach und sein Darm weit; der lelztere nimmt fast die ganze Teibeshöhle ein, ersireckt sich zugleich auch in die ersten Segmente der vier gegliederlen Extremitäten und mündet am Ende eines vor der Schwanzspitze hervorgestülpten und gestielten Bläs- chens nach aussen, während ein Blindsack des Darmes noch bis in die Schwanzspitze hinabreicht. An den Seiten des Darmes liegen zwei bandlörmige, weissgelärbte Eierstöcke, welche am sechsten Körperabschnitte ausmünden. Von die- ser Stelle salı Will gewöhnlich zwei dünne lange Eier- schnüre herabhängen. Als Hoden betrachtet Will zwei Blinschläuche, welche neben dem After sich nach aussen öffnen. Dieselben enthalten kleine eylindrische Körperchen, welche Will für Spermatozoiden hält, Zwei andere, fla- schenförmige Drüsenschläuche münden neben der Papille, von welcher die weissen Eierschnüre herabhängen, nach aus- sen. Von einem Gelässsysteme ist keine Spur wahrzuneh- men. Das Nervensystem dieses sonderbaren Thieres besteht aus einem breiten Nackenganglion mit seitlichen Aesten. Ei- nes dieser Nervenpaare schwillt zu einem kleinen Ganglion an. Einige Male fand Will statt dieses Schmarotzers braune 1) Entwicklungsgeschichte der Cephalopoden. 1543. p. 120. 2) Wiegmann’s Archiv, 1814. ba. 1. p. 337. Müller's Archiv. 1845, 34 ‘ Fäden in den Actinien, welche den Eierschnüren vi, rosoma glichen und eine ausserordenllieclle Menge kleiner, einäugiger Krebs -Embryone von der bekannten Gestalt ent- hielten. Wenn auch hiermit nieht bestimmt nachgewiesen ist, dass diese Embryone von Staurosoma herrühren, so ist es doch wohl sehr wahrscheinlich, dass dieses Thier einer von den vielen, oft so ausserordentlich merkwürdig gebilde- ten Schmarotzerkrebsen ist. Cirripedia. Goodsir') bemerkte in einem weiblichen Individuum eines Balanus, balanoides unmittelbar über den Ovarien ein kleines Tihier, welches er für das Männchen dieses Balanus erklärte. Sein Vorderleib bestand aus sechs Abschnitten, der Hinterleib dagegen erscheint ungegliedert. Der erste Leibezabschnitt trug ein kurzes und ein langes Paar Antennen, zwei Augen und dahinter zwei kammförmige Organe nebst zweien langen scharfen Klauengliedern. Die Augen waren gestielt, der Mund schien einen Saugapparat zu bilden, Die zehn Füsse erschienen verkümmert, an der Basis der beiden letzten, etyvas längeren Füsse befanden sich äussere Begattungsorgane, von denen wahrscheinlich zwei Vasa deferentia zu den Hoden abgingen. Ref. kann es durch diese Angaben noch nicht für ausgemacht erkennen, dass dieses Wesen ein männliches Individuum von Balanus sei. Das Organ, was von Hunter bei Balanus Saamenleiter ge- nannt worden ist, fand Goodsir im April mit zahllosen gelben Körnern gefüllt, die er für Eier erklärte; derselbe sieht überhaupt die Hoden von Balanus für Eierstöcke und die Ruthe für eine Legeröhre an. So lange aber Goodsir diese Ansichten nicht durch gründlichere histologische Untersu- chungen bekräftigt, wird man ihm nieht beistimmen können; denn es muss sehr. auffallen, dass derselbe gar nicht von den haarförmigen Spermatozeiden spricht, ‘welche in allen Bala- nen so deutlich vorhanden sind, auch ist Milne Edwards?) bereits gegen Goodsir aufgetreten, indem er sich von dem wirklichen Hermaphroditismus der Rankenfüssler überzeugt hat. Myriapoda, Ueber den inneren Bau dieser Thiere hat Newport) sehr sorgfältige Untersuchungen angestellt. Die 1). The Edinburgh new pbhilosophieal Journal for July. 1843, p. 1. oder Annales des sciences nat. T. I. 1844. p. 107. oder Isis. 1514. p. 898. oder Froriep’s neue Notizen. No. e1. 1844. p.193, 2) Comptes rendus. 1844. p. 1140. 3) Philosophical transaelions, 1843. p. 243. oder Annales des sciences nat. T. I. 1844. p. 58. oder London, Edinburgh and Dublin »hilos. ‚Magazine. Vol. 23, p. 371. oder Annals of the natural history. Vol. 12. 1843. p. 223. oder Froriep’s neue Notizen. No. 597. p. 177. “, 35 ollkommenste Entwicklung des Nervensystems der Chilogna- then schliesst sich nach seinen Beobachtungen an das Ner- vensysten der Crustaceen und Insekten an, die niedrigste Organisation desselben an das der Annulaten. Unter den Chilopoden besitzen die Geophili das am meisten entwickelte Nervensystem, welches aber ganz den Typus des Nerven- systems der Ringelwürmer trägt. Bei Scolopendra, Litho- bius und Seutigera bildet das Nervensystem einen Uebergang zu dem der Seorpione. In den Juliden liegen die Ganglien des Bauchstranges sehr nahe beisammen und sind kaum von den nicht ganglienarligen Theilen des Bauchstranges zu un- terscheiden. Ein jeder Bauchstrang enthält vier verschiedene Partieen von Nervenfasern, nämlich eine obere, eine untere, eine transversale und seitliche. Von diesen vier verschiede- nen Nervenfaserpartieen soll die obere die Bewegung, die untere dagegen das Gefühl vermitteln, was Newport frei- lich nicht durch Experimente constatiren konnte. Die Fa- sern der oberen Nervenpartie sollen ganz gerade gestreckt verlaufen, während die Fasern der unteren Partie krummli- nig verlaufen.» Beide Parlieen sind durch die transversalen Nervenfasern als mittlere Partie getrennt. Die seitliche Ner- venfaserparlie wird auf jeder Seite des Bauchstranges durch die sogenannten Verstärkungsfasern gebildet, welche hier nur von dem hinteren Rande des einen Ganglion zum vorderen Rande des ersten oder zweiten, hinter demselben gelegenen Ganglion herantreten. Jeder der aus dem Bauchstrange her- vortretenden Nerven erhält von diesen verschiedenen Partieen Fasern. Auf diese Weise lassen sich die gleichzeitigen Be- wegungen der den’ gereizten Extremiten gegenüber liegenden Extremiläten durch die Querfasern oder Quercommissuren erklären, ebenso lässt sich die Reflexbewegung der hinteren Extremitäten bei Reizung der vorderen, und umgekehrt durch die Vermittlung der Verstärkungsfasern erklären. In Julus und Polydesmus erscheinen die Fasern der unteren longitudi- nalen Partieen innerhalb der Ganglien breit und weich, neh- mien aber bei dem Austritte und Uebergange in die Nerven- slämme eine feinere Beschaffenheit an. Durch eine Reihe von Experimenten hat Newport an Julus und Lithobius zu zeigen versucht, dass die zwei über dem Oesophagus lie- en Ganglien bloss Organe der Willenskraft sind und mit- in das Gehirn repräsentiren. Sind diese Ganglien vernich- tet, #0 lassen sich an den Myriapoden nur Reflexerscheinun- gen walırnehmen. Das Rückengefäss der Myriapoden fand ewport wie bei den Arachniden in Kammern getheilt, deren Zahl den Leibesabschnilten entspricht, Am Vorder- ende theilt sich ein solches Rückengefäss in drei Aeste, von c2 36 8 N welchen sich der mittlere im Kopfe der Tausendfüsse ver- zweigt, während sich die beiden anderen Aeste seitlich um den Oesophagus nach unten beugen und sich zu einem Mit- telgefässe verbinden, welches über den Bauchstrang entlang läuft. Am letzten Ganglion spaltet sich das Gefäss in Aeste, welche die Nerven begleiten, ebenso gehen vor jedem Gang- lion ein Paar Seitenäste ab, welche sich in vier Zweige spalten und gleichfalls hier die Nerven begleiten, Ausser diesen Gefässen hat Newport noch ein Paar grosse Arte- rien entdeckt, welche direkt von der hinteren und unteren Fläche einer jeden Herzkammer ausgehen. Diese Gefässe sind von ihm systemische Arterien genannt worden. Das Venenblut wird in jedem Segmente durch Kapillarge- fässe, welche um die Wandungen der Segmente herumlau- fen, aufgenommen und durch mit Klappen versehene Oefl- nungen nach den verschiedenen Herzkammern wieder zu- rückgeführt. Die systemischen Arterien treten nicht nur zu den Eingeweiden, sondern begeben sich auch zu den Muskeln und Lungensäcken. Bei den Scorpioniden verhält sich das Blutgefässsystem ganz ähnlich. Das Herz spaltet sich hier im Thorax als Aorta in mehrere Stämme, von welchen wie- der einer als Bauchgefäss das Bauchmark nach hinten be- gleitet und unter den knochigen Querbogen des Thorax fort- laufen. Am letzten Ganglion des Schwanzes theilt es sich in zwei Aeste, welche die endständigen Nervenstämme be- gleiten. Aber auch unter dem Bauchmarke liegt noch ein kleines Längsgefäss, welches seitliche Aeste abgiebt. Einige dieser Aeste leiten das Blut in die Kiemen, von wo dasselbe durch verschiedene Stämme zum Herzen zurückgelangt, wel- ches zu diesem Behufe ebenfalls seitliche, mit Klappen ver- sehene Oeffnungen besitzt. Im Schwanze finden zwischen der Subspinalvene und der Schwanzarterie Seilenanastomo- sen Statt, auch ist hier noch ein Blutgefäss vorhanden, wel- ches sich am Ursprunge der Aorta zu dem Nahrungsschlauche und dem Leberorgane begeben hat, Auch über die Repro- duktionskraft der Myriapoden und Insekten hat Newport!) Versuche angestellt, wobei sich ergeben hat, dass die Fühler und Füsse der Julen und Lithobien bei der nächsten Häutung wieder vollständig erselzt werden, nur erscheinen diese Theile kleiner und etwas unvollkommener entwickelt, Bei den Schmetterlingsraupen konnte Newport etwas Aehn- liches wahrnehmen. Bei diesen Versuchen ergab es sich zu- i) Philosophieal transactions, 1544. pag. 283. oder Institut 1544, pag. 341. 37 gleich, dass leichte Wunden der Insektenlarven heilen, mit Ausnahme derjenigen Fälle, wo durch eine Verletzung ein Bruch von Eingeweiden oder eine zu starke Blutung eintrat. Mollusca. Ueber die Struktur der Mollusken- Schalen sind verschie- dene Untersuchungen angestellt worden. Bowerbank ') weist nach, dass diese Gehäuse aus runden Kernzellen her- vorgehen, welche an der jungen Lippe einer Schale deutlich zu erkennen sind, und sich in prismatische Zellen umwan- deln. Nach Carpenter’s ?) sehr umfassender Arbeit haben die Mollusken-Gehäuse entweder eine prismatisch-zellige oder eylindrisch-röhrige Struktur, oder bestehen aus einer mem- branartigen Muschelsubstanz. Shuttleworth ®) fügt seinen Mittheilungen über den Schalenbau der zweischaligen Mol- lusken des süssen Wassers noch die Bemerkung bei, dass die Erosionen der Schalen nicht von bloss zufälligen Ver- letzungen, nämlich durch chemische Einwirkung des Wassers, durch Reibungen oder durch Anfressen kalkbohrender Thiere herrühre, denn immer seien beide Schalen zugleich abgestos- sen. Diese Verletzungen müssten daher mit den Lebensver- hältnissen der Thiere innig verbunden sein, und könnten nur durch den Bau der Schale selbst erklärt werden; es werden diese Verletzungen wahrscheinlich durch dieselbe Ursache bewirkt, durch welche bei Bulimus decollatus das Abstossen der ersten Windungen veranlasst wird. a Ueber die Gehörorgane der Mollusken hat Kölliker *) Untersuchungen angestellt und gefunden, dass bei Tethys, Tritonia, Pleurobranchaea, Diphyllidia und Hyalaea die Be- wegungen der Otolithen von einem ausserordentlich zarten Flimmerepithelium herrührt, welches die Höhle der Gehör- blasen auskleidet. Auf der anderen Seite war es aber Köl- liker nieht möglich, bei Doridium, Aplysia, Doris, Argo, Gasteropteron und Aeolidia ein solches Flimmerepithelium aufzufinden. Bei Sepia, Loligo und Argonauta sah er von der Gehörkapsel der Embryone einen gekrümmten Kanal ab- . 1) Froriep’s neue Notizen, No. 546, p, 275. 2) Ebenda No. 567. p. 264. oder Annales des sciences nat, T. 1. 154. p. 117. oder Reports of the british association. 1544. p. 1. 3) Mittheilangen der naturforschenden Gesellschaft in Bern, aus dem Jahre 1543. p. 53. 4) Froriep’s neue Notizen, No, 537. p. 133. 38 gehen, der mit sehr langen Wimpern besetzt ist und den erwachsen Thieren fehlt. ’ Cephalopoda. Madame Power ') überzeugte sich durch sehr passend angestellte Versuche, dass Argonauta Argo mit ihren beiden breiten Armen die Schale ausbessert, Dieselbe bemerkte zugleich, dass unter 600 Individuen, welche ihr von diesem Cephalopoden zu Gesicht gekommen waren, sich kein einziges Männchen befunden und dass die Weibehen ihre gelegten Eier unter den Windungen ihrer Schale trugen. Nach den Untersuchungen des John Po- wer?) besitzt Loligo einen vollständigen Nerven-Schlund- ring mit zwei Gehirnganglien und zwei kurzen Sehnerven, welche letzteren mit zwei ovalen Ausbreitungen endigen. Von diesen Ausbreitungen strahlen die Fäden aus, welche die Retina zusammensetzen. Die beiden Augäpfel werden hinten von einer Knorpelschicht, seitlich von einer fibrösen knorpeligen Schicht und vorn von der Hornhaut umgeben. Die beiden ganglienartigen Ausbreitungen der Sehnerven fand Power in einer Feitmasse eingehüllt; die Sklerotika ist mit besonderen Muskeln umgeben. Der Augapfel von Loligo, weleher Humor aqueus und vitreus, eine Krystalllinse und Chorioidea enthält, ist vielfach von den Naturforschern un- tersucht worden, ohne dass die eigenthümliche Anordnung der Fäden des Sehnerven erkannt worden wäre. Nach Po- wer’s Untersuchungen ist jedes Ganglion des Opticus etwas in seiner Mitte eingeschnürt. Nach dieser Stelle hin con- vergiren die Nervenfäden und kreuzen sich dann, indem sie wieder von einander weichen und in die Retina übergehen. Aehnlich verhalten sich auch Octopus und Loligo. Von Kölliker°) ist bei Sepia, Sepiola und Loligo in der Nähe der Augen jederseits eine Oeflnung der Haut erkannt wor- den, von welcher ein enger Kanal zu einem kleinen Grüb- chen führt. In diesem Grübchen war bei Octopus und Ele- done ein runder, papillenartiger, weisser Körper enthalten, weleher bei Argonauta und Tremoctopus Del. Ch. nur von einer ganz geringen, oder gar keiner Hautvertiefung umgeben war. Zu diesem Organe tritt ein besonderer Nerv, welcher aus dem Stamme oder Gauglion des Optikus entspringt, die knorpelige Augenkapsel durchbohrt und durch die Augen- höhle bis zu jener Papille verläuft, ohne unterwegs ander- weitige Aesle abzugeben. Kölliker erklärt dieses Organ 1) Reports ol the british association. 1844. Nolices. p. 74. 2) The Dublio Journal of medical science. Val. 22. 1843, p. 350. 3) Froriep's neue Notizen No. 561. p. 166, [} 39 für ein Geruchswerkzeug. :Savi!) nennt die spongiösen Körper, welche von der Vena cava der Sepien herabhängen, Corpora botryliea. Sie bestehen aus einem Haufen unter- einander durch Kanäle verbundener Bläschen, welche in die Kiemenvenen einmünden und nicht mit der Höhle des Bauch- fells in Verbindung stehen. Sie sollen nicht zum Athmen, sondern zur Absonderung eines wahrscheinlich harnarligen Stofles dienen, welcher sich als braunrothe krystallinische Materie in diesen Organen absetzt. Der walzige, der Länge nach durchbohrte Körper an den Seiten des hinteren Darn- stücks, durch welchen die Höhle, in der die Corpora botry- tica verborgen liegen, mit der Aussenwelt in Verbindung steht, lässt, nach Savi’s Meinung, nicht das Meerwasser aus- und eindringen, sonderu soll bloss dazu dienen, die in der Bauchhöhle angesammelte Feuchtigkeit auszuführen. Die von Delle Chiaje auf den beiden Gallenkanälen entdeckten Organa pancreatica sollen wie die Organa botrylica organi- sirt sein. Auch nach Erdl’s?) Untersuchungen bestehen die schwammigen Venenanhänge der Cephalopoden aus. vielen manniglach mit einander communieirenden Räumen, gleich- sam aus blindsacklörmigen Ausstülpungen der Venen, welche sich von den Blutgelässen aus injieiren lassen. Derselbe Na- turforscher bemerkt zugleich, dass die Cephalopoden ausser dem Blulgelässsysteme auch ein Lymphgelässsystem besässen, in welchen die Blutgefässe eingeschachtelt wären, so dass, wenn man vom Herzen aus vorsichtig injieirt, nur die Blut- gefässe sich mit Injeklionsmasse füllen, und erst dann, wenn man stärkeren Druck dabei anwendet, auch die Lymphge- fässe sich füllen, indem die Blutgefässe zerreissen und die Injeklionsmäasse aus‘ diesen in jene hinübertritt. Owen) machte die Resultate seiner an Nautilus Pom- pilius vorgenommenen und früher mitgetheilten Untersuchun- gen von Neuem bekannt, wobei jedoch die von Valen- eiennes (Archives du Museum d’hist. nat. T. IL. 1842. pag. 257.) über denselben Gegenstund gemachten Beobach- tungen einer besonderen Berücksichtigung unterworfen wur- den. In Bezug auf die Geruchsorgane bleibl Owen bei sei- ner früheren Behauptung, dass die am Eingange des Mundes zwischen den beiden Lippenfortsätzen angebrachten Längs- reihen häutiger Lamellen, welche aus den imneren Lippen- 1) Isis, 1843, p. 417. r 2) Wiegmann’s Archiv. 1543. Bd. I. p. 162. 3) On cephalopods with chambered shells; being Ihe 234 of the Hunterian leetures, 1543. 40 Nervenknoten mit Nerven versehen werden, die Geruchs- werkzeuge sind, wogegen Valenciennes eingewendet hatte, dass an der Basis der beiden Lippenfortsätze eine ganz ähn- ‚liche Lamellenreihe vorgelunden würde und es schwer zu erklären wäre, warum die Natur das Geruchsorgan bei Nau- tilus in drei Partieen getheilt habe. Valenciennes nimmt daher einen kurzen, dicht hinter den Augen hervorragenden Tentakel, welcher von Owen übersehen worden ist, für den Sitz des Geruchsinnes. Es weichen diese beiden Tenta- keln in Gestalt und Organisation von den vier Augenfühllä- den des Nautilus ausserordentlich ab. Sie haben eine drei- kantige Form, sind hohl und besitzen eine zu ihrer Höhle führende Oeflnung, welche von einer kleinen Papille bedeckt ist. In dieser Höhle befindet sich eine Reihe zweizeilig ge- stellter Lamellen, zu welchen zwei neben den Wurzeln der Sehnerven nach aussen vom Nervenschlundringe entsprin- gende Nerven als Nervi olfactorii herantreten. Diese Organe stimmen in ihrer Lage ganz ‘mit denjenigen Organen über- ein, welche Kölliker (s. oben) bei den übrigen Cephalo- poden als Geruchswerkzeuge angesprochen hat, während sie Owen dieser Lage wegen nicht als Riechorgane anerkennen will. Valenciennes betrachtet ferner eine schmale, läng- liche Höhle, welche in den beiden Fortsätzen des den Ner- venschlundring umgebenden Knorpelgehäuses verborgen steckt, als Gehörorgan; er fand in diesen beiden Höhlen eine homo- gene, pulpöse Masse enthalten, zu welcher sich drei auf jeder Seite aus dem oberen Theile des Nervenschlundringes ent- springende Nervenläden als Gehörnerven begaben. Auch ge- gen diese Deutung spricht sich Owen aus und erklärt die erwähnten Höhlen wiederholt für venöse Sinus, zumal da Valenciennes keine Spur von Otolithen in jenen Höhlen angetroffen habe und die Nerven dieses Organes aus dem Ganglion supraoesophageum entspringen sollen, während bei den übrigen Cephalopoden und Gasteropoden die Gehörner- ven immer aus dem Ganglion suboesophageum ihren Ur- sprung nehmen. Owen ') bemerkte ausserdem über die fei- nere Struktur der Tentakeln des Nautilus Pompilius, dass dieselben viele Längs- und Quermuskeln enthalten, und dass der Nerv, welcher sich durch die Axe der Tentakeln hin er- strecke, in ein dichles Zellgewebe gehüllt ist, von welchem die Quermuskeln gleich Radien abgehen; durch diese Vor- richtung soll der Druck, welchen die kontrahirlen Muskeln 1) Ebenda, oder Annals of the natural bistory. Vol. 42. 1843. pag 305. 4 auf den Nerven ausüben könnten, vermieden werden. Vro- lick!), welcher ebenfalls die seltene Gelegenheit hatte, einen Nautilus Pompilius mit dem Thiere zu untersuchen, hat ge- funden,. dass die Kammern der Schale nur Gas enthielten, in welchem Van Breda ausschliesslich Stickstoff ohne Spur von Kohlensäure angetroffen. Das Thier sass nur mit dem Sipho an der Muschel fest. Vrolick’s anatomische Unter- suchungen dieses Thieres stimmten mehr mit denen von Owen, als von Valeneiennes überein. Eine ausgezeichnete Arbeit über die Entwicklung der Cephalopoden haben wir Kölliker ?’) zu verdanken. Nach seinen Untersuchungen schwindet, sobald die Cephalopoden- Eier befruchtet sind, in ihnen das Keimbläschen und wahr- scheinlich auch der Keimfleck, während die Dotterhaut bleibt. Der hierauf eintretende Furchungsprozess beschränkt sich nur auf eine kleine Stelle der Oberfläche des Dotters und geht zugleich nur wenig in die Tiefe. Jeder durch diese Furchungen entstandene Dotterabschnitt enthält in seiner Mitte eine runde Kernzelle. Mit diesem Durchfurchungspro- zesse ist ein anderer eigenthümlicher Prozess nicht zu ver- wechseln, der an den Eiern wahrgenommen wird, während sie noch im Eierstocke befestigt sind. Die Cephalopoden- Eier sind nämlich von einer Kapsel des Eierstocks umgeben, welche mit Stielen in die Höhle des Ovarium hervorragen. Diese Kapseln bersten mit einem unregelmässigen Risse, wenn sich die Eier vom Ovarium lostrennen. Während die Eier aber noch am Eierstocke hängen und mit jener Kapsel um- Ehe sind, geht eine merkwürdige Veränderung an der Ober- äche derselben vor. Die Dotterhaut treibt nämlich Falten der Länge und Quere nach aus, wodurch die innere Fläche derselben ein den Bienenzellen ähnliches Ansehen erhält. In diese Zellen dringen Erhabenheiten ein, welche von der äus- seren Oberfläche des Dotters auswachsen. Es ist dies kein Durchfurchungsprozess, das Keimbläschen verschwindet nicht, dagegen verschwinden diese Falten der Dotterhaut und die Er enheiten des Dolters nach und nach wieder bis zur Zeit der Ablösung der Eier vom Ovarium. Die Keimbläschen zeigen sich fast immer verschwunden, noch ehe die abge- lösten Eier in die Tuben eingetreten sind, daher die Befruch- tung in dieser Zeit an diesem Ort vor sich gehen mag, in- dem die Saamenschläuche von den männlichen Cephalopoden in den Mantel der Weibchen gespritzt werden, hier bersten, 4) Institut, 1543, p. AlA. 2) Entwicklungsgeschichte der Cephaloden, 1644. 42 und die daraus entleerten Spermatozoiden durch die antipe- ristaltische Bewegung des Eierleiters bis in die Eierstocks- höhle gebracht werden, vielleicht aber auch durch das Was- sergelässsystem zu den @varien dringen. Die durch den wirklichen, aber örtlich beschränkten Furchungsprozess er- zeugte Dotterzellenschicht entspricht der Keimschicht der Wirbelthiere. Mit der allmähligen Entwicklung dieser Keim- stelle zum Cephalopoden-Embryo, der von einer anfangs scheibenförmigen Gestalt sich nach und nach zu einem wal- zenförmigen Körper erhebt, nimmt der übrige, unter dieser Keimschicht gelegene Dotter die Gestalt eines Fortsatzes an, von dem sich der Embryo abschnürt. Pteropoda. Nach Souleyet’s Bemerkungen !) sitzen bei den nackten Pteropoden die Athemorgane äusserlich, bei den Schalen-Pteropoden dagegen in einer vom Mantel umge- benen Höhle. Das Aortenherz richtet sich in seiner Lage bei den nackten Pteropoden nach der Lage der Kiemen, bei den Schalen-Pteropoden liegt es immer auf dem Grunde der Kiemenhöhle. ° Die Schläge des aus einem Ventrikel und ei- nem Ohre bestehenden Herzens erfolgen höchst unregelmäs- sig. Dieselben können von dem Thiere willkürlich unter- brochen oder beschleunigt werden. Bei gewissen Pteropoden steht mit dem Herzohr ein birnförmiger, an die innere Fläche des Mantels festgewachsener Beutel in Verbindung, welcher vielleicht, während des Stillstandes des Herzens, als Diver- tikulum dienen und Blut aufnehmen kann. Die nackten Pte- ropoden besitzen Greilorgane am Munde, eine weite rüssel- artige Mundhöhle, hornige Kauorgane, eine yon Häkchen starrende Zunge und grosse Speicheldrüsen. Der einfache weite Magen ist von allen Seiten durch die Lebersubstanz eingehüllt, aus welcher sich die Galle durch eine grosse Menge von Oelflnungen ergiesst. Die Schalen - Pteropoden hingegen besitzen eine kleine Mundhöhle, keine Greil- und Kauorgane, sondern nur Rudimente von einer Zunge und von Speicheldrüsen. Die Speiseröhre erweitert sich aber zu einem weiten Kropfe, auf welchen ein mit hornigen, schnei- denden Platten besetzter Vormagen folgt. Die Leber ist hier eine vom Magen gesonderte Drüse, um welche sich der Darm herumwvindet. Bei einigen dieser Pteropoden ist eine langgezggene Blase zu bemerken, welche in den Anfang des Darmes einmündet und an welcher sich die grösseren Gal- lengelässe vereinigen. Alle Pteropoden sind Zwitler; die 1) Comptes rendus. T! 17. 1843. p. 662, oder Froriep's neue Notizen No. 600. p. 81. © 45 männlichen Begatiungsorgane liegen in Form einer Ruthe im Innern des Kopfes verborgen, während der Testikel für sich gesondert, weit nach hinten gelegen, mit den übrigen Ge- schlechtsorganen ausmündet. Etwas Aehnliches findet sich auch bei Bulla, Bullaea, Aplysia, wo beide Mündungen durch eine Furche miteinander in Verbindung stehen. Hieraus zieht Souleyet den Schluss, dass die Ruthe bei den Mollusken nur noch ein einfaches Reizungsorgan sei, und dass die Eier derselben, während sie den Eierleiter durchwandern, von der aus dem Testikel in diesen sich ergiessenden Saamenfeuch- tigkeit befruchtet würden. Das Muskelsystem der Pteropo- den verhält sich wie das der Gasteropoden. Ihre Sinnesor- gane fand Souleyet sehr wenig entwickelt; Augen fehlen; die Schalen-Pteropoden besitzen zwei am oberen Theile des Kopfes angebrachte Tentakeln, während sich bei den nackten Pteropoden vier Tentakel vorfinden, welche den Lippenten- takeln und hinteren Tentakeln der meisten Gasteronoden entsprechen. Als Gehörorgan tragen die Pteropoden an den Ganglien des Nervenschlundringes zwei Bläschen mit einer Menge kleiner kalkiger Krystalle im Innern, welche den Oto- lithen entsprechen. Der Nervenring besteht nur unterhalb des Oesophagus aus Ganglienmasse, oberhalb desselben bildet er nur eine einfache Kommissur. Gasteropoda. Nach Hannover’s Untersuchungen !) sind die Nerven von Helix nemoralis und Limax ater mit einer Schicht grosser durchsichtiger Zellen umgeben. Die Leber von Helix pomalia und der Gasteropoden im Allge- meinen besteht nach Schlemm’s Untersuchungen ?) in ihrer letzten Zusammensetzung aus lappenförmigen Blindschläuchen, zwischen welchen tich Blutgefässe ausbreiten. Diese Leber- lappen enthalten eine Menge sehr kleiner, einzeln zerstreut liegender Bläschen und Gruppen von grösseren bräunlichen Körpern. Erstere sind wahrscheinlich Fettbläschen, und letz- tere die Kerne von Zellen, welche erst zum Vorschein kom- men, nachdem man die Leberläppehen mit Wasser behandelt hat, Die Geschlechtswerkzeuge der Gasteropoden sind von verschiedenen Seiten untersucht und gedeutet worden. Von Laurent ®) ist die hinterste Geschlechtsdrüse der herma- phroditischen Schnecken für Hode und Eierstock, und ihr Ausführungsgang für Eier- und Saamenleiter erklärt worden, ‘ während er das zungenförmige Organ als eine Schleimdrüse 4) Iiecherches, a. a. O, p. 69. 2) De hepate ae bile, ». a, O. p. 18. 3) Institat, 1843, p. 295. 44 betrachtete. Paasch !) analysirte die Geschlechtsorgane der Zwitterschnecken in folgender Weise. Die Höhle, in welche man von der äusseren Geschlechtsöffnung aus zuerst gelangt, betrachtet er als einen gemeinschaftlichen Geschlechtssack, in welchen bei Helix pomatia der Penis, die Bursa hastae amatoriae und die übrigen bekannten Organe einmünden. Von dem hinlersten Theile dieses gemeinschaftlichen Ge- schlechtssackes fängt die Vagina an, welche sich bald zu dem quergefalteten Eierleiter erweitert, der durch ein drüsi- ges, bandartiges Organ an einer Seite verkürzt ist. Dieses Organ nennt Paasch Glandula prostatica. Am Anfange des Eierleiters soll sich zwischen zwei Längsfalten eine Oeflnung befinden, welche in einen als Vas deferens zum Penis ver- laufenden Kanal führt. Das am Ende des Eierleiters be- findliche zungenförmige Organ wird von Paasch wieder einmal als Eierstock angesehen. Am Ende des Eierleiters gelangt man wieder zwischen zwei Längsfalten zu einem en- gen Kanal, der im Ovarium einen Bogen bildet, dann als Nebenhoden frei hervortritt und erweitert zum drüsigen Ho- den verläuft. In diesem Hoden sah Paasch die verschiede- nen Entwicklungsstufen der aus Zellen hervorgehenden Sper- matozoiden-Bündel; im Nebenhoden, dessen innere Fläche flimmert, konnte er niemals Eier wahrnehmen. Das von ihm als Eierstock angesprochene Organ enthielt stets sehr helle durchsichtige Bläschen, welche einen Nucleus einschlies- sen. Im Eierleiter fand er fast immer Spermatozoiden, wel- che sich häufig noch bewegten, auch hier flimmerten die Wandungen. In der langgestielten Blase, welche öfters als Harnblase betrachtet worden ist, fand Paasch eine körnige rothbraune Masse, welcher Haufen von Spermatozoiden bei- gemengt waren. Die am Grunde der Athemhöhle angebrachte, den vorderen Leberrand berührende Drüse von dreieckiger Gestalt, gelber Farbe und blätteriger Struktur erklärt der- selbe für eine Niere, deren Ausführungsgang den Mastdarm begleitet und vor dem After ausmündet. Der von dieser Drüse abgesonderte Harn besteht aus gelben Körnern, welche von einer sehr hellen durchsichtigen Hülle umgeben sind und stets Harnsäure enthalten. Helix nemoralis, hortensis, ar- bustorum weichen mehr oder weniger im einzelnen von die- ser Organisation ab, nicht aber in der Hauptsache. Bei Arion und Limax deutet Paasch die Geschlechtsorgane nach 1) De Gasteropodum nonnullorum hermaphroditicorum systemate genilali et uropo&tico. Diss, Berol, 1842, und Wiegmann’s Archiv. 1843, Bd. 1. p. 71, 45 ähnlichem Prinzipe, wie bei Helix. Derselbe fand aber in der kurzgestielten, sehr diekwandigen Blase jener nackten Schnecken keine Spermatozoiden. Bei Limax cinereus und albus öffnet sich das Vas deferens nicht in den Eierleiter, sondern es läuft dasselbe in der Glandula prostatica hinauf zum Nebenhoden. In Suceinea vermisste Paasch den ge- meinschaftlichen Geschlechtssack, indem die männliche und weibliche Geschlechtsöffnung nebeneinander in einer Grube an der rechten Seite des Kopfes angebracht sind. Auch bei dieser Schnecke mündet das Vas deferens nicht in den Eier- leiter. Bei Planorbis und Lymnaeus liegen die beiden Ge- schlechtsöffnungen am Kopfe hintereinander, bei der ersten Schnecke auf der linken, bei der letzteren auf der rechten Seite. Obgleich Paasch auch in der gestielten Blase von Lymnaeus stagnalis mehrmals Spermatozoiden fand, so be- trachtet er dieses Organ nicht als Bursa copulatrix, sondern als eine die Eischalensubstanz absondernde Drüse. Derselbe erklärt ferner die grösste Form der Spermatozoiden aus Pa- ludina vivipara für einen ganzen Bündel Spermatozoiden, der noch von einer feinen Membran umschlossen ist. In den Nieren von Paludina hat Paasch Harnsäure nachweisen können. Bei den weiblichen Individuen dieser Schnecke er- kannte er einen kurzen, am Ende der Gebärmutter ange- brachten und mit Spermatozoiden gefüllten Sack für eine Saamentasche; am Ende dieser Tasche gelangt man zu einem platten, drüsigen und gelb gelärbten Organe, aus welchem ein enger Kanal zu einem auderen, in der Spitze der Leber- windungen gelegenen kleinen Drüsenorgane tritt. In beiden Drüsen hat Paasch’ farblose Bläschen gefunden, und sieht sich deshalb veranlasst, beide als Ovarien zu betrachten. H. Meckel !) lieferte von der bald als Hode, bald als Eier- stock beschriebenen hintersten Geschlechtsdrüse der Schnecken eine solche Beschreibung, dass dadurch die Annahme ver- schiedener neuerer Naturforscher, nach welcher jene Drüse Hode und Eierstock zugleich sein soll, gerechtfertigt wird. Es sind nämlich hier die Blindsäcke der Hodendrüse in die Eierstocksfollikeln hineingesehoben, so dass beide Organe wie ineinander geschachtelt sind, und die Entwicklung der Eier leicht mit der ersten Entwicklung der Spermatozoiden- Bündel verwechselt wird, da diese auch aus sehr grossen eiähnlichen Zellen hervorgehen. Weiterhin wachsen die Sper- matozoidenfäden, wie bei Hirudo und Lumbrieus, aus kleinen, einer Multerzelle aufsitzenden Bläschen hervor, vereinigen 1) Dieses Archiv. 1544. p. 483 46 sich zu Bündeln und lösen sich ab. Die Ausführungsgänge des Ovarium und Hoden bestehen ebenfalls aus zwei inein- ander steckenden Röhren, von denen die innere Röhre der Epididymis entspricht, geschlängelt verläuft, flimmert und stets mit Spermalozoiden gefüllt ist. In der äusseren, mit einer Tuba Fallopü vergleichbaren Röhre hat Meckel jedoch niemals Eier angetroffen. Das Vas deferens macht an dem zungenförmigen Organe, welches Meckel als Glandula uterina bezeichnet, eine Schlinge (bei Helix pomatia), erweitert sich zu einem Saamenbläschen und geht dann in den engen männ- lichen Halbkanal des Uterus über, der mit einer Prostata verglichen werden kann. Der Verlauf der Tuba ‘konnte ihrer Zartheit wegen nicht weiter verfolgt werden, gewiss ist aber der weite, mit vielen Taschen versehene Halbkanal des Ute- rus ihre Fortsetzung und vertritt die Stelle des Eierleiters oder Uterus. Die zungenförmige Drüse, welche in den wei- ten Eierleiter einmündet, enthält grosse Zellen mit Eiweiss, welches zum Einhüllen der Eier dient. Das untere Ende des prostatischen Halbkanals verwandelt sich in einen ge- schlossenen Kanal, welches frei als Vas deferens hervortritt, während der Eierleiter auf der anderen Seite in eine mus- kulöse engere Vagina übergeht. In der Purpurblase fand auch er, wie Paasch, Spermatozoiden, was auch Ref. be- slätigen kann. Daher dieses Organ den Namen „‚Saamenbe- hälter, Bursa oder Receptaculum seminis“ verdient. Das Vas deferens mündet in eine lange muskulöse Röhre, den Penis, welche bei der Begattung durch Umstülpung den Saamen in die Bursa seminis hinüberlührt. Aehmlich ver- halten sich Lymnaeus und Planorbis. Bei Thetis fimbria umhüllt die Zwitterdrüse die ganze Leber, die Tuba geht in einen kurzen Uterus über, mit welchem eine sehr grosse lappige Schleimdrüse (Glandula uterina) zusammenhängt, die Bursa seminis ist hier kurz gestielt, das Vas deierens nimmt bald nach seinem Austritt aus dem Eierleiter die Ausfüh- rungsgänge eines prostatischen Drüsenanhangs auf und geht dann in einen kurzen Penis über. , Bei Doris fand Meckel eine ähnliche Organisation, nur ist die prostatische Drüse meist rudimentair da, auch besitzt die Bursa seminis einen kleinen gestielten, birnförmigen Anhang und steht durch ei- nen engen Querkanal mit dem Uterus in Verbindung. Bei Pleurobranchaea Meckelü liegt die Zwitterdrüse als breiter Lappen auf der Leber, die Bursa seminis mündet oberhalb der Glandula uterina in den Uterus ein und das Vas defe- rens geht, nachdem es die Penisscheide durchbohrt hat, in einen vielfach gewundenen, langen Penis über. In Tritonia ist die längliche Zwitterdrüse wenig mit der Leber verwach- 47 sen und die Epididymis mit einer ansehnlichen Vesicula se- minalis versehen, das Uebrige verhält sich wie in Thetis. Bei Aplysia, Bullaea Doridium, Umbrella, Gasteropteron und Diphyllidia fand Meckel den männlichen Geschlechtsappa- rat mit dem weiblichen in seinem ganzen Verlaufe verbun- den, nur der Penis ist getrennt, zu welchem von der ge- meinschaftlichen Geschlechtsöffnung, welche bei Aplysia, Bul- laea und Doridium hinter der Mitte des Körpers vor den Kiemen angebracht ist, eine Rinne verläuft. Bei Aplysia Ca- melus besteht die Zwitterdrüse aus beerenartigen Follikeln, und geht der Saamenausführungsgang mit einer Vesicula se- minalis als ein Halbkanal durch den Uterus hindurch und in die äussere, zum Penis führende Furche über. Bei Bullaea aperta und Doridium 'aplysiaeforme mündet aus dem herma- phroditischen Ausführungsgange eine längliche Saamenblase und ein drüsenarliger Lappen als Glandula uterina in die Geschlechtskloake. Umbrella mediterranea und Diphyllidia lineata verhält sich wie Aphysia, nur mündet aus der lang- gestielten Bursa seminis noch ein drüsiges Blinddärmchen in die Scheide. Den Penis von Doridium fand Meckel kurz, sehr muskulös und spiralig aufgewunden in der Peniskapsel verborgen, an seinem Grunde war ein drüsiges Blinddärm- chen angebracht, dagegen besass Gasteropteron einen ausser- ordentlich langen und gewundenen Penis, in dessen Vorhaut ein sehr langes Blinddärmehen einmündete, welche Anord- nung auch in Clio von Meckel erkannt wurde. Quatrefages !) bemerkte die fleischige Körperhaut von Doris mit kalkigen Nadeln durchwebt, welche er auch im Mantel einer jungen Bulla erkannt haben will. Alder und Hancock ?) beobachteten über den ganzen Körper von Moe- liboea ornata ein Flimmerepithelium, fanden dasselbe aber erade an denjenigen Organen, welche gewöhnlich als die Kikien betrachtet werden, am sparsamsten angebracht. Da dieselben überdies ein Individuum, welches dieser sogenann- ten Kiemenanhänge beraubt war, mehrere Tage munter fort- leben sahen, so glaubten sie daraus den Schluss ziehen zu können, dass diese Anhänge nicht die einzigen Organe sind, mit welchen dieser Nacktkiemer athmet. Eine von Peters°) in Mozambike entdeckte und der Ampullaria ähnliche Süss- wasserschnecke soll mit Lungen und Kiemen zugleich ath- 1) Comptes rendus. T. 19, 1544. oder Froriep’s neue Notizen. No. 674. p. 215. 2) Institut, 1843. p. 67. 3) Froriep’s neue Notizen. No. 696. p. 216. 48 men. Miescher ') will erkannt haben, dass Ancylus flu- viatilis in seinem inneren Baue die meiste Aehnlichkeit mit Pleurobranchus habe. Die kleinen, mit Eolis verwandten Nackikiemer haben in der letzten Zeit die Aufmerksamkeit verschiedener fran- zösischer und englischer Zootomen auf sich gezogen. Ihre Organisation ist eine so auffallende und dem bisher erkann- ten Baue der übrigen Gasteropoden so abweichender, dass man sich nicht wundern kann, wenn die einzelnen Beobach- ter in der Deutung der Organe jener Nacktkiemer mit den anderen Beobachtern nicht immer übereinstimmen. Quatre- fages ?) trat zuerst mit der Beschreibung von Eolidina pa- radoxa hervor. Die ganze Hautoberfläche dieses Mollusk er- scheint mit einem Flimmerepithelium bedeckt. Unter der doppelten Hautschicht befindet sich eine doppelte Muskel- schicht, nämlich aus Längs- und Quermuskeln zusammenge- setzt, welche im nicht kontrahirten Zustande keine Quer- streifen besitzen. Ein kontraktiles zartes Gewebe dient die- sem Thiere als Peritonäium und zum Befestigen der Bauech- eingeweide. Die einfache Mundhöhle führt in einen sehr kurzen, zahnlosen Oesophagus, in welchen zwei Speichel- drüsen seitlich einmünden. Vom Oesophagus gelangt man in einen muskulösen Bulbus, von welchem sich ein gerader Darm bis zu dem hinten und oben angebrachten After er- streckt. Der Inhalt dieses Darms wird theils durch Kon- traktionen, iheils durch Flimmerepithelium bewegt. Wäh- rend des Verlaufs des Darmes treten rechts und links aus demselben Querkanäle hervor, welche in einen den Körper umgebenden Randkanal einmünden. Von diesen Querkanälen begeben sich Blindkanäle in die Rückeneirrhen des Thieres, wo sie von einer drüsen- (leber-) artigen Masse umgeben sind. Von Kreislauforganen ist nur ein einkammeriges Rük- kenherz und ein Arteriensystem wahrzunehmen, daher Qua- trefages annimmt, dass sich hier das Arterienblut in grosse Venenbehälter ergiesst, welche im Körper des Thieres zwi- schen den Eingeweiden zerstreut liegen, und von da zuletzt durch zwei mit Klappen versehene Vorhöfe nach dem Her- zen wieder zurückkehrt. Kiemen oder Lungen konnte Qua- trefages ebenfalls nicht auffinden, wenn nicht etwa die 1) Bericht über die Verhandlungen der nalurforschenden Ge- sellschaft in Base), vom Aug. 1842 bis Juli 1844. VI 1844. p. 108. 2) Comptes rendus. 1843. p. 1123. oder Institut. 1843. p. 169. und 191. oder Annales des sciences nat. T. 19. 1843. p. 274. und T. 1. 1844..p. 134. 49 Rückeneirrhen ihre Stelle vertreten, da in den zwischen den Blindsäcken und der Cutis übrig gebliebenen leeren Räumen bei diesem Thiere stets viel Blut enthalten ist. Das schlauch- förmige Ovarium, so wie der gewundene kanalförmige Hode sind in einfacher Zahl vorhanden. Beide Organe münden auf der rechten Seite ineinander und öffnen sich zwischen den beiden linken Tentakeln nach aussen. Vor dieser Mün- dung befindet sich ein Anhang, der vielleicht die Rolle einer Vesicula seminalis spielt. Quatrefages spricht jedoch spä- ter über diese Deutung der Geschlechtsorgane dieser Eolidina selbst wieder Zweifel aus, da er das Thier nicht während der Brunstzeit beobachtet habe. Der Nervenring besteht aus vier Ganglien, welche auf dem Magenbulbus aufliegen. Un- ter dem Oesophagus befindet sich ein kleines Ganglion buc- cale, welches mit dem Nervenringe durch zwei zarte Fäden in Verbindung steht. Von den vier Ganglien des Nerven- ringes gehen die Nerven des Körpers vollkommen symme- trisch aus, und zwar treten die sensitiven und organischen Nerven aus denselben Ganglien hervor. Vorn lassen sich als erstes Paar die Lippennerven, als zweites und drittes Paar die Tentakelnerven und als viertes Paar die Sehnerven unterscheiden, welche letzteren unterwegs zu einem Ganglion anschwellen. Nach hinten entspringen aus der Mitte des Nervenringes zwei Nerven, welche sich bald theilen und sich an das Herz, den Herzbeutel, so wie an die Geschlechtsor- ane begeben. Zwei andere nach hinten hervortretende starke \ervenstämme verbreiten sich auf beiden Seiten an den sym- metrisch gestalteten Darmkanal. Auf diese Weise dienten die beiden vorderen: grossen Ganglien des Nervenringes den sensitiven Tast- und Gesichtsnerven, die beiden hinteren Ganglien dagegen den vegetativen Nerven zum Ursprunge, Zwei seitliche Ganglien senden jederseits zwei starke Ner- venstämme ab, welche als Muskel- und Hautnerven sich an die fleischige Hülle des Thieres begeben und hier mit einem verbreiterten Ende aufhören. Quatrefages macht darauf aufmerksam, dass bei den Rotatorien und nach Doyere auch bei den Tardigraden ganz ähnliche Nervenendigungen, mithin keine Endumbiegungsschlingen, wie bei den höheren Thieren vorkommen. Derselbe Naturforscher glaubt daher, dass bei diesen niederen Thieren eine wahre a dimen der Muskel- und Nervensubstanz Statt finde. Hieran knüpft Quatrefages dann noch einige Bemerkungen über Eolidina als Uebergangsthier, welches die Mollusken wegen der vom Darmkanale ausgehenden Kanäle mit den Acalephen und wegen des Mangels eines geschlossenen Venensystems an Müllers Archiv, 1845, 50 die Crustaceen knüpfe. Derselbe 1) beschreibt in einer an- deren Abhandlung noch verschiedene andere mit Eolidina verwandte Mollusken. Zuerst erwähnt er eine Zephyrina, deren Mundhöhle zwei seitliche hornige Kiefern enthält, welche gekrümmt, an der Spitze abgestutzt und mit kräfti- gen Kaumuskeln versehen sind. Von der Decke der Mund- höhle ragt eine kleine hornige Platte als dritter Zahn herab. Der enge kurze Oesophagus führt in einen runden Magen- sack, von welchem zwei seitliche Kanäle abgehen, die sich nach kurzem Verlaufe gabelig theilen. Die dadurch entstan- denen vier Kanäle laufen an den Seiten des Leibes nach vorn und hinten und schicken Blindkanäle in die fadenför- migen Kiemenanhänge ab. Der Geschlechtsapparat dieses Thieres ist dem Beobachter nicht deutlich geworden. Die Eier werden von diesem Thiere in einer Schnur gelegt, ent- halten einen gelben Dotter, in welchen aber kein Keimbläs- chen gesehen wurde. Das Nervensystem ist wie bei Eolidina gebildet; von Kreislauforganen keine Spur. In der Mitte des Hinterleibsendes bemerkte Quatrefages einen eiförmigen Körper, aus dem er nichts zu machen wusste, wenn er nicht etwa eine Kloake vorstellt. Eine andere Gattung Acteon ist statt der Zähne mit einer Zunge versehen, welche aus vie- len Knorpelstücken zusammengesetzt wie gegliedert erscheint. Vier verästelte Seitenkanäle des Magens anastomosiren, wie bei Zephyrina, durch einen vorderen und hinteren Querka- nal, und tragen seitlich eine Menge Blindbläschen (Coecums ampulliformes); auch der problematische eiförmige Körper ist im Hinterleibe vorhanden. Der Eierstock windet sich schlauchförmig durch die*Leibeshöhle, enthält Eier mit deut- lichen Purkinje’schen Keimbläschen, und nimmt im EBier- leiter den geraden Ausführungsgang des länglichen, sackför- migen Hodens auf. Im übrigen verhält sich Aecteon wie Zephyrina und Eolidina. Die Mundhöhle von Amphorina, einer anderen neuen Gattung, enthält einen sehr muskulösen Schlundkopf, welcher eine Längsspalte gleichsam als zweite Mundöffnung darbietet. Diese Spalte, hinter welcher eine knorpelige und gegliederte Zunge verborgen liegt, wird von zwei gezähnelten Kiefern eingefasst. Von dieser Schlund- höhle geht rechts und links ein Seitenkanal ab, welcher in alle 11 bis 12 eylindrische Leibesanhänge Blindröhren ab- sendet. Ein After fehlt wahrscheinlich, dagegen liegen im Hinterleibsende fünf kleinere, ovale, problematische Körper eingebettet. Das Nervencentrum besteht aus zwei, durch 1) Annales des sciences nat. T. I. 1844. p. 130, 51 eine Kommissur vereinigten Ganglien, aus demselben entsprin- gen die zwei Lippennerven und zwei Nerven, welche sich für die vier Tentakeln gabelförmig theilen, so dass man diese beiden Nerven als das vereinigte zweite und dritte Nerven- paar nehmen kann. Das fünfte Nervenpaar ist allein für die Genitalien bestimmt, da hier alle Cirkulationsorgane fehlen. Dasselbe entspringt isolirt neben den beiden Intestinal-Ner- ven, das siebente und achte Paar, welches für die Muskeln bestimmt ist, verhält sich wie bei Eolidina. Die neue Gat- tung Pelta verbirgt, wie Zephyrina, in der Mundhöhle eine knorpelige Zunge; in den Seiten dieser Mundhöhle münden zwei längliche Blindschläuche, wahrscheinlich als Speichel- organe, ein, während gerade nach hinten ein enger gewun- dener Oesophagus abgeht, der mit einem sphärischen, dick- wandigen Magensacke endigt. Im Inuern dieses letzteren sind vier starke, halbkreisförmige, gezähnelte Kiefer angebracht, welche je zwei einander gegenüber stehen. Der Pylorus führt in einen weiten Sack, der fast die ganze Leibeshöhle mit verschie- ‚denen kurzen Ausstülpungen ausfüllt. Ein After fehlt wahrschein- lich. Ein keulenförmiger Testikel mündet in einen Eierleiter, der mit einem sehr langen und vielfach gewundenen Eierstocke en- i Das Nervencentrum gleicht dem von Amphorina, und giebt vorn nur ein Nervenpaar und hinten nur zwei Nerven- paare ab. In der neuen Gattung Chalidis ist die Mundhöhle mit drei krenulirten Leisten, welche sich vorn vereinigen, ausgekleidet. Der weite Oesophagus stösst in der Mittellinie mit einem kurzen Querkanale zusammen, welcher zwei seit- liche, vorn und hinten blind endigende Darmschläuche mit- einander vereinigt. Das Gehirn stimmte in seinem Baue mit dem von Pelta überein. Quatrefages konnte an den Au- gen dieser verschiedenen nackten Mollusken eine Cornea und dahinter eine von Pigment frei gelassene Stelle beobachten, aus welcher eine Art Krystalllinse hervorleuchtet, während der Cornea gegenüber eine Anschwellung des Optikus in die Pigmentschicht des Auges eindringt. Der Sehnerv ist bei Amphorina sehr kurz, bei Pelta und Chalidis dagegen sehr lang. Quatrefages bestätigt die Untersuchungen des Ref. in Bezug auf das Gehörorgan auch bei diesem kleinen Mol- lusken. Den Hörnerven sah er stets sehr kurz und in der Nähe des Sehnerven entspringen. Die runde Gehörkapsel enthielt nach seinen Beobachtungen immer nur einen zit- ternden Otolithen. Derselbe fand diese Thiere, wie Eolidina, mit einem Flimmerepithelium überzogen; bei Acteon rührt, nach seiner Aussage, die Farbe von polyedrischen Pigment- zellen her, bei Pelta und Chalidis liegen ganz eigenthümliche kleine Zellen unter der Haut, wie überdies alle diese ver- D2 52 schiedenen Mollusken eine Menge oberflächlich gelegener Blindsäckchen besitzen, welche mit einem auf der Haut aus- mündenden Gange zur Absonderung von Schleim verse- hen sind. Diese verschiedenen Mollusken, welche in ihrer Organi- sation eine sehr niedrige Stufe unter den Gasteropoden ein- nehmen, fasst Quatrefages') mit dem Namen Phleben- terina zusammen, und behauptet von ihnen, dass ihr Ath- mungsprozess, ihre Funktion des Verdauens und Blutlaufs innig mit einander verschmolzen seien, daher man bei ihnen die eigentlichen Respirationswerkzeuge verschwunden fände, und daher sie keine Venen, sondern fast nur ein Rückenge- fäss, wie die Insekten besässen. Quatrefages brachte diese Phlebenteren zu verschiedenen Malen zur Sprache und fand sich veranlasst, dieselben auf folgende Weise im Allgemeinen zu charakterisiren. Der Mund der Phlebenteren bildet immer eine senkrechte Spalte, hinter welcher die Mundhöhle mit knorpeliger, zuweilen gezähnelter Zunge gelegen ist. Auf die kurze Speiseröhre folgt ein Magen mit kurzem, fast gra- dem Darme, der mit einem am Hinterleibsende oder seitlich mehr nach vorn angebrachten Alter endigt. Die Leber bil- det nirgends ein gesondertes Organ, sondern wird durch die körnigen, drüsigen Wandungen der Darmsäcke repräsentirt. Mit dem Darmkanale hängt ein doppelter, seitlicher Gefäss- slamm zusammen, von welchem bei den Enterobranchien (Zephyrina, Acteon, Amphorina, Eolidina) die blinden Darm- säcke in die Körperanhängsel eindringen, welehe Darmsäcke und Körperanhängsel bei den Dermobranchien (Pelta und Chalides) fehlen. Ein Circulationsapparat ist meistens nicht vorhanden, nur Eolidina besitzt ein Herz und grössere Ar- terienstämme; alle Phlebenteren sind Hermaphroditen, Die Geschlechtsorgane liegen uusymmetrisch in der Leibeshöhle oberhalb des Darms und der Darmgefässe. Alle sind mit Augen und Gehörwerkzeugen ausgerüstet. Bei allen flimmert die Hautoberfläche, mit Ausnahme des Fusses. Die Blind- därme in den Körperanhängseln vertreten wahrscheinlich die Stelle von Athemwerkzeugen. Die eigenthümliche Organisa- tion der Phlebenteren veranlasst Quatrefages ?) noch zu folgenden Bemerkungen. Bei den meisten Mollusken ist der Bluteirculationsapparat sehr entwickelt, indem er aus einem 1) Comptes rendus. T. 19. 1844. pag. 13. 190. und 1150. oder Froriep’s neue Notizen. No. 614. p. Fix und No. 698. p. 241. 2) Comptes rendus. 1844. pag. 74. oder Annales des sciences naturelles, 1844. Tom. 1. pag, 14. 53 arteriellen und venösen Gefässsysteme besteht, zwischen welchen auf der einen Seite ein Herz und auf der anderen Seite ein Kapillargefässnetz eingelagert ist. Doch kommen unter den Mollusken auch Vereinfachungen dieses Cireula- tionssystems vor, nämlich bei den Phlebenteren, wo das Venensystem fehlt und das Blut sich ausserhalb der Gefässe frei in Lacunen verliert. Der Einfluss der atmosphärischen Luft auf den Ernährungssaft findet bei den Mollusken mit- telst eines Zwischenkapillargefässnetzes Statt, welches” zu einer Lunge oder Kieme entwickelt ist. Bei Phlebenteren ist aber auch dieser Apparat und Prozess sehr vereinfacht, indem nichts von einem lungen- oder kiemenartigen Kapil- largefässnelze existirt. Die Respiration geht hier entweder ganz einfach durch die Haut vor sich oder durch eigenthüm- liche Anhängsel, in welche sich nur Fortsätze des Darmka- nals, nicht aber Kapillargefässnetze hineinbegeben. Ebenso bietet das Nervensystem der Phlebenteren grosse Verein- fachungen dar; so fehlt denselben öfters die transversale Kommissur der Kopfganglien, auch das Ganglion postoeso- phageum und Ganglion labiale vermisst man öfters bei ihnen. Zu diesen Phlebenteren, welche man bisher mit Unrecht zu den Nacktkiemern gestellt hat, dürfte auch Glaucus, Placo- branchus und andere Gasteropoden gerechnet werden, da auch diesen Respirationsorgane und Blutgefäss- Verzweigungen fehlen; ja, Quatrefages geht noch weiter und meint, dass auch noch gewisse Planarien hierher zu rechnen seien. Gegen diese Ansichten des Quatrefages über die Or- ganisation der Phlebenteren hat sich Souleyet !) erhoben und folgende Einwendungen gemacht. Er will sowohl bei Cavolina, Calliopoea, Glaucus und Tergipes, wie bei Eolidina ein Herz und arterielles Gefässsystem gefunden haben. Um sich zu überzeugen, dass Eolidina wirklich kein Venensystem besitze und dass hier das Blut, nachdem es aus den Arte- rien in die Leibeshöhle hinausgetreten ist, von da wieder durch die allgemeinen Körperkontraktionen in das Herz zu- rückgetrieben werde, injieirte Souleyet vom Ventrikel aus den Vorhof. Die Injektionsmasse trat vom Vorhof in die allgemeine Hautbedeckung, ohne dass sie in die Leibeshöhle austrat, indem sie Ströme bildete, welche sich bis in die Kiemenanhänge verfolgen liessen. Er sah nicht allein venöse Gefässe in den allgemeinen Leibesbedecekungen, sondern er- kannte dieselben auch an den Ovarien und an anderen Ein- 1) Comptes rendus. 1544. Tom. 19, p. 355. oder Annals of the natural history, 1844. Vol. 14, p, 342. 54 geweiden; freilich besassen diese Gefässe ausserordentlich zarte Wandungen. Derselbe glaubt, dass die Organe, welche Quatrefages als ein Systeme gatrso-vasculaire betrachtet wissen will, weit richtiger Systeme gastro-biliaire genannt werden könnten. Souleyet erkannte ferner auch bei Acteon ein Herz und vollständiges Gefässsystem. Der Sack, wel- chen hier Quatrefages als einen Magen genommen hat, öffnet sich nach Souleyet’s Untersuchungen nach aussen und ist wahrscheinlich eine Respirationshöhle, aus welcher verästelte Kanäle hervortreten, die mit den Coecums ampul- liformes durchaus in keiner Beziehung stehen. Der eigent- liche Verdauungskanal von Acteon scheint Quatrefages ganz entgangen zu sein. Die Afteröffnung befindet sich auch nicht hinten, sondern vorn rechts auf einer kleinen Erhaben- heit. Ebenso münden sich auch nicht die männlichen und weiblichen Geschlechtsorgane mit einer gemeinschaftlichen Oeffnung nach aussen, wie Quatrefages glaubt, sondern der Ovidukt besitzt eine besondere Oeflnung, welche in einer, vom After aus nach unten verlaufenden Furche verborgen liegt, während die männliche Geschlechtsöffnung an der Ba- sis des rechten Fühlfadens angebracht ist. Quatrefages '!) erwidert auf diese Einwürfe, dass er bereits schon Mehreres in seinen späteren Bemerkungen über die Phlebenteren be- richtigt habe, und giebt auch zu, dass in einigen derselben, z.B. in Tergipes, ein Herz und Blutgefässe anzutreffen seien, dagegen wiederholt er es noch einmal, dass der Zephyrina jede Spur eines Blutgefässsystems und allen Phlebenteren überhaupt das Venensystem fehle. Derselbe läugnet durch- aus die Anwesenheit eines Herzens und eines Arteriensystems bei Acteon, und behauptet, dass von den beiden hohlen Kör- pern, welche man etwa für ein Herz halten könnte, der eine vorn und etwas links gelegene Körper eine Vesicula semi- nalis vorstelle, welche er mit Spermatozoiden angefüllt ge- sehen habe, während der andere, weiter nach hinten gele- gene Körper einer Begattungstasche entspreche. Alder und Hancock ?) liefern zur Kenntniss der in Rede stehenden kleinen Nacktkiemer verschiedene Beiträge. Sie bemerken zuerst, dass die Embryone von Calliopoea und Eolis mit einer Nautilusschale versehen seien, welche nachher ver- schwindet, und dass aus den Enden der Leibesanhänge von 1) Comptes rendus. 1844. Tom. 19. pag. 806. 2) Annals of natural history. Vol. 12. 1843, pag. 233. oder Froriep’s neue Notizen. No. 594. pag. 344. oder Institut. 1844. pag. 119. oder Reports of the british association. 1844. pag. 28. 55 Eolis sonderbare Körper ausgeworfen würden, welche eine elliptische Gestalt und einen langen Haaranhang besitzen, wodurch sie, obgleich sie sich nicht bewegen, an gewisse Spermatozoiden erinnern. Ref. vermuthet, dass diese Kör- per von Nesselorganen herrühren. Dieselben Beobachter wi- dersprechen der Angabe von Quatrefages und behaupten, dass der After von Eolidina nicht am Hinterleibsende, son- dern hier, wie bei den verwandten Arten und Gattungen, seitlich angebracht sei. Da die ganze Körperoberfläche die- ses Thieres mit einem Flimmerepithelium bedeckt ist, so ver- muthen Alder und Hancock, dass hier die Respiration nicht auf die Körperanhänge allein beschränkt sei, sondern dass eine allgemeine Hautrespiration Statt finde. Dieselben bestätigen ebenfalls des Ref. Untersuchungen des Gehöror- gans an den Nudibranchiaten. Die runden Gehörkapseln sa- hen sie bei diesen Mollusken mit den beiden oberen Gehirn- lappen durch kurze Nerven verbunden, die Zahl der Otolithen varıirt nach der Art und Gattung Eolis, Tritonia, Meliboea, Polycera und Doris. Ueber 50 Otolithen von elliptischer Gestalt enthalten die Gehörblasen von Eolis papillosa, wäh- rend in Eolis olivacea und pallida nur ein runder Otolith vorhanden ist. In den stets vor den Gehörorganen ange- brachten Augen unterschieden Alder und Hancock eine sphärische Krystalllinse, welche zwischen der Cornea und Pigmentschicht verborgen liegt; die Tentakeln von Doris wurden von ihnen für Riechorgane ausgegeben. Dieselben !) beschrieben eine neue Gattung von Nacktkiemer unter dem Namen Venilia mucronifera, deren Maul hornige Kiefer und eine mit nach hinten gerichteten Stacheln versehene Zunge enthält, und deren After auf der Rückenmitte des Schwanzes angebracht ist. Das aus dem Magensacke hervortretende Systema gastro-vasculare sahen dieselben bei diesem Thiere bis in die kiemenartigen, seitlichen und mit Flimmerepithe- lium überzogenen Anhänge eindringen und hier mit Blind- säcken endigen. Die beiden Gehörkapseln enthielten nahe an 30 Otolithen. Auch diese Naturforscher ?) berichtigen Mehreres, in Bezug auf den inneren Bau von Eolidina, wel- chen Quatrefages unrichtig aufgefasst hat. Dieselben kön- nen aus seiner Beschreibung von Eolidina keinen Unterschied zwischen diesem Mollusk und Eolis herausfinden. Nach ihren Beobachtungen treten die Fulterstoffe in diesem Thiere nicht 1) Annals of naturel Mae Vol, 13. 1844. p. 161. oder An- nales des sciences naturelles. Tom. 1. 1844. p. 190, 2) Annals of nat, hist. Vol. 14, 1844. p. 125. 56 aus dem Magen in das Systema gastro-vasculare über, und wenn sich einzelne Partikelchen davon wirklich hinein ver- irren, so werden dieselben daraus wieder zurückgeworfen. Ein kurzer Darm leitet die Fäces nach hinten zu dem etwas rechts gelegenen After. Alder und Hancock machen aus- serdem Quatrefages den Vorwurf, dass er den Mittelstamm des Systema gastro-vasceulare für den Mastdarm von Eoli- dina angesehen habe. Sie versichern ferner, dass Proetono- tus ganz wie Eolis ein Begattungsglied besitze. Eine andere neue Gattung der Nudibranchiaten, welche mit Eolis und Calliopoea verwandt ist, wurde von jenen beiden englischen Naturforschern !) Pterochilus genannt. Das Systema gastro- vasculare besteht hier nur aus einem centralen Hauptstamme, die dreieckigen Kiefern haben eine hornige Beschaffenheit, die Zunge ist riemenförmig und gezähnelt und die Gehör- kapseln enthalten nur einen ÖOtolithen. ? Von Allman ?) wurde in Acteon viridis Herz und Ge- fässsystem, so wie die seitliche Afteröffnung deutlich erkannt. Derselbe glaubt, dass das von Quatrefages beschriebene Systema phlebentericum nichts anders als die Leber sei. Den Nervenschlundring fand er aus sieben Ganglien zusam- mengesetzt, die Seh- und Gehörorgane fielen ihm deutlich in die Augen. Die Embryone dieses Acteon erschienen ihm ganz wie die von Doris und Aplysia gebildet, sie waren mit Flimmerorganen versehen und trugen ein kleines, mittelst eines Operkulum verschliessbares Gehäuse. In Bezug auf die Entwicklungsgeschichte der Gastero- poden-Eier beobachtete Kölliker bei Helix pomatia ®) to- tale Furchung des Dotters, und erkannte derselbe in den ech der Eier von Eolidia papillosa *) helle runde ellen. Brachiopoda. Von Vogt) ist die Lingula anatina einer speciellen anatomischen Untersuchung unterworfen wor- den, nach welcher der Stiel dieses Thieres aus einer äusse- ren Hornscheide und einer in dieser enthaltenen Muskelmasse besteht. Den Mantel fand Vogt aus zwei Blättern zusam- mengesetzt, von welchen das äussere die Cilien und das in- 1) Annals of the nat. hist. Vol. 14. 1844. p, 329. 2) Reports of the british association, 1844. Notices. p. 65. 3) Entwickelungsgeschichte der Cephalopoden. p. 120. 4) Dieses Archiv. 1843, pag. 110. 3) Anatomie der Fila anatina. Neuchatel 1843. Aus dem siebenten Bande der neuen Denkschriften d. allg. schweiz. Geseilsch. f. d. ges. Naturwissenschaften. 57 nere Blatt die Kiemen trägt. Die Cilien ragen am Mantel- rande hervor und stellen hohle, längsgerippte Schalte dar, welche glasartig springen und in besonderen Röhren des Mantels eingesenkt stecken. Die beiden Kiemenblätter ent- halten sehr deutliche Gefässverzweigungen. Die Membran, welche die spiralig aufgerollten, röhrenförmigen Fangläden bilden, besteht aus einem äusserst dichten Gewebe von Seh- nenfäden. Jeder hohle Fangarn ist „mit einer muskulösen Haut besetzt, aus deren freiem Rande in dichter Reihe eine Menge hohler Fäden hervorragen, welche sehr biegsam sind und gleich den steifen Cilien in Röhren der Membran stecken. Sie enthalten wahrscheinlich, wie die Höhlen der Arme, eine Flüssigkeit, ohne mit diesen zu kommunieiren. In den ge- wundenen Darmkanal münden an verschiedenen Stellen drü- sige Körper ein, von denen zwei, in der Nähe des Schlun- des gelegen, wohl als Speicheldrüsen gelten könnten. Ge- schlechtsdrüsen konnte Vogt nicht wahrnehmen, dagegen fand er zwei Herzen in Form dünnhäutiger, birnförmiger Säcke vor, von denen das eine Herz auf der linken Seite, das andere hinten auf der rechten Seite liegt. Ueber jedem Her- zen befand sich ein eigenthümlicher Schlauch, der gefaltet war und einen Schlitz besass, von welchem ein dünnhäuti- ge Kanal abging. Für die Bewegung der Schalen ist in der ähe des Schlosses ein Muskel vorhanden. Ausserdem nahm Vogt noch vier andere, in der Mitte der Schale gelegene Muskeln wahr, nämlich zwei schiefe hintere Muskeln und zu beiden Seiten des Mundes zwei schiefe vordere Muskeln, welche sich aber nicht an die Schale, sondern nur an den Eingeweidesack befestigen und daher wohl nur zur Verschie- bung der im Eingeweidesacke enthaltenen Organe dienen mögen. Da aber dieser Sack in seinem ganzen Umkreise mit den Schalen verwachsen ist. so kann die Thätigkeit die- ser Muskeln doch auch auf die Bewegung der Schalen einen Einfluss ausüben. Acephala. Ueber das Nervensystem der zweischaligen Mollusken hat Duvernoy !) folgende allgemeine Uebersicht liefert, Der Centraltheil des Nervensystems der Bivalven esteht aus drei Paar Ganglien und ihren verbindenden Fäden, welche zusammen einen kleineren und grösseren Ner- venring bilden. Das erste Paar dieser Ganglien liegt zu den Seiten des Mauls an der Basis der Palpen, das zweite Paar liegt in den Wandungen des Fusses eingebettet und ist nur vorhanden, wenn ein Fuss da ist. In Ungulina stellt dieser 1) Comptes rendus. 1844. Tom. 19, pag. 1132. 53 Nerventheil nur ein einziges Ganglion dar. Das dritte Gang- lienpaar ist hinten dicht vor dem Sehliessmuskel angebracht und bildet eine bald mehr oder weniger verschmolzene Ganglienmasse. Man kann diese Ganglienpaare, ihrer Lage nach, als Ganglion anterius, inferius und postieum unter- scheiden. Das erste und dritte Ganglienpaar bilden den grös- seren Nervenring, zwischen welchem der Fuss des Muschel- thiers hervortritt. Das zweite Ganglienpaar dagegen schliesst mit dem ersten Paare den kleineren Nervenring. Fehlt das Ganglion inferius, welches auch Ganglion pedale genannt werden kann, so entspringen die Visceral - Nerven aus dem Ganglion anterius. Die Fäden, welche die Nervenringe schlies- sen helfen, geben keine Nervenäste ab. Das Ganglion posti- cum dient jederseits einem Kiemennerven, einem seitlichen und einem hinteren Mantelnerven zum Ursprunge, während ein vorderer Mantelnery aus dem Ganglion anterius hervor- tritt. Ist das Ganglion pedale vorhanden, so liefert dasselbe die Nerven für die Leber, für den Darm und die Geschlechts- organe, so wie für den Fuss selbst. .Bei Pecten vereinigen sich die Nerven des vorderen und hinteren Ganglion zu einen Nervenstrange, welcher am Rande des Mantels hinläuft und Seitenäste für die Tentakeln und Augen abgiebt. Duver- noy vermuthet, dass vielleicht dieser Randnerv sich bei allen denen Acephalen vorfindet, welche in einen offenen, mit Tentakeln befelkien: Mantel gehüllt sind. Das centrale Ner- vensystem der Acephalen ist ausserdem immer symmetrisch angeordnet, und zeigt nur dann keine Symmetrie, wenn die Organe, an welche sich ihre Nerven ausbreiten, unsymme- trisch vorhanden sind, z. B. bei Anomia ephippium. Du- vernoy fand ausserdem in den Ganglien dieses Nervensy- stems ähnliche Zellen, wie sie Hannover aus den Gastero- poden beschrieben hat. Die Farbe der Ganglien zeigt sich bei den Muscheln stets mit verschiedenem Gelb gefärbt. Ueber die Augen verschiedener Acephalen hat Will?) meh- rere interessante Untersuchungen angestellt. Derselbe fand bei Pecten Jacobaeus an der tieferen Mantelhälfte 16 bis 24 Augen und an der flacheren dagegen 35 bis 45 Augen; er sah die allgemeine Hautbedeckung allmählig auf die Selero- tiea übergehen. Die Sclerotica dieser Augäpfel bildet keine vollkommene Kugel, indem die Längenaxe der Augäpfel kür- zer, als der Querdurchmesser ist. Die Hornhaut ist dabei gewölbter, als der übrige Theil des Augapfels. Die Iris zeigt sich grünlich-blau und kontraktil, die Chorioidea be- 1) Froriep’s neue Notizen. No. 622, 1544. pag. 81. 59 steht aus einer äusseren braunen und einer inneren rothen Pigmentschicht. Erstere Schicht wird aus polyedrischen Zel- len, letztere dagegen aus vielen kleinen, runden Zellen zu- sammengesetzt, zwischen welchen letzteren kleine stabför- mige, zugespitzie Körperchen als Tapetum eingestreut liegen. Die hintere Fläche der Iris wird von braunen, länglich run- den Pigmentzellen bekleidet, welche auch eine Art Processus eiliares bilden, die sich an den Glaskörper anlegen. Die Re- tina dieser Augen ist ziemlich dick, die Linse ziemlich platt, hinten convexer als vorn, und besteht nach Will aus rei- henweise geordneten Zellen, während der Glaskörper aus polyedrischen, kernlosen Zellen zusammengesetzt wird. An den Austern fand Will kleine, braungefärbte und metallisch glänzende Augen, welche zwischen den Fühlern des äusseren Mantelrandes verborgen stecken und in grösserer Zahl als bei Peeten vorhanden sind, denn mehr als ein Drittel des Mantelsaums von Ostrea ist zwischen je zwei Tentakeln mit einem Auge besetzt. Bei Anomia electrica und ephippium zählte Will ungefähr zwanzig gelbe oder braune Augen an = Mantelhälfte. Bei Spondylus gaederopus trägt die mitt- ere Falte des gefalteten Mantelrandes gestielte, knopfförmige Augen, welche mit brauner Iris und gelblichrothem oder grünem Tapetum versehen sind. Der Mantel der flachen Schale ist hier überdies mit 90 Augen und der Mantel der tieferen Schale mit 60 Augen ausgerüstet. Bei Lima inflata war es Will nicht möglich, die Augen deutlich zu erkennen, dagegen nahm er bei Pinna nobilis und murieala gelblich- braune, kurzgestielte Augen auf der Byssusseite zwischen dem äussersten Mantelrande und der zunächst befindlichen Falte wahr, wo sie in der Nähe des vorderen Schliessmus- kels dicht gedrängt und am hinteren Mantelrande vereinzelt standen, Bei Arca Noae waren die Augen vollkommen sitzend und deshalb schwer zu finden. An Peetuneulus pi- losus sah Will die Augen theils einzeln stehen, theils in Gruppen zu 20 bis 30 beisammen vereinigt. Die Pupille war hier deutlich rund und die Chorioidea roth. Bei Myü- lus edulis konnte sich Will von der Anwesenheit der Au- gen nicht bestimmt überzeugen, bei Modiola barbata glaubte er Augen bemerkt zu haben. Cardium edule und tubereula- lum trägt seine Augen auf langen Fäden, welche das Thier beim Oeffnen der Schale weit hervorstrecken kann, und welche in grosser Menge die Athemröhre und Afterröhre einfassen. Auch Tellina planata besitzt am hinteren Saume der beiden Mantelhälften unzählbare gestielte Augen. Bei Mactra lactea und stultorum ist der Rand der Athemröhre mit Fühlern besetzt, vor deren Basis die Augen angebracht 60 sind, während bei Venus decussata und verrucata an der Basis der ästigen Tentakeln, welche die Mantelröhre umge- ben, die in Pigmentmasse gehüllten Augen aufsitzen. Bei Solen siliqua und vagina, so wie bei Pholas dactylus liegen sehr kleine Augen zwischen den Tentakeln verborgen. So zahlreich die Augen an den verschiedensten Stellen des Man- tels der Bivalven vorkommen, ebenso beschränkt in Zahl und Lage sind die Augen bei den Ascidien. Will zählte bei Cynthia, Phallusia und Clavellina nur vierzehn Augen, von denen acht der Athemröhre und sechs der Afterröhre ange- hören. Sie sitzen in den Winkeln der Lappen verborgen, welche die Mündung der Athem- und Afterröhre umgeben, Bei Phallusia intestinalis sind die Augen von orangefarbenen Pigmenthäufchen umgeben, auch die Sehnerven sind in der Nähe der Augäpfel von Pigment überzogen. Ihre runde Pu- pille ist von einer dunkelorangefarbenen Iris umgeben, die Chorioidea erscheint hellgelb gefärbt und Glaskörper nebst Linse abgeplaitet. Derselbe Naturforscher ') beobachtete, dass die männlichen Individuen von Tellina planata aus der Afterröhre eine weisse Masse entleerten, welche aus beweg- lichen Spermatozoiden bestanden. Eine weibliche Tellina zog mit der Athemröhre diese Saamenhaufen ein, während sie mit der Afterröhre Fäces auswarf. Will fand nachher diese Spermatozoiden, welche einen cylindrischen Körper und einen zarten Anhang besassen, in den Kiemen des Weib- chens sehr munter wieder, nicht aber in dessen Eierstock. Van Beneden ®) tritt gegen Neuwyler auf, welcher die Bojanische Drüse als den Hoden der Muscheln betrach- tete. Van Beneden nimmt zwar auch den Hermaphrodi- tismus der Muschelthiere an, behauptet aber, dass hier Hoden und Eierstock in einer und derselben Drüse, welche den Darm und die Leber umhülle, vereinigt sei, indem ein Theil ihrer Blindkanäle Saamenfeuchtigkeit, ein anderer Theil der- selben Eier hervorbringe. Van Beneden will nämlich in den Ovarien der Muscheln die Eier mit beweglichen Sper- matozoiden umgeben gesehen haben. So lange derselbe aber nicht im Stande ist, die Entwicklung dieser Spermatozoiden in demselben Organe nachzuweisen, in welchem sich die Eier erzeugen, wird man auf diese Beobachtung keinen Werth legen können. Derselbe Naturforscher geht noch weiter und behauptet, dass die inneren Kiemen der Muscheln die Eier 1) Froriep’s neue Notizen. Nr, 620, pag. 57. 2) Bulletins de l’Acad&mie royale de Bruxelles. T. XI, 1844. pag. 377. 64 zuerst aus den Ovarien aufnehmen, und dass die sich hier entwickelte nackte Brut, welche eine Infusoriengestalt be- sitze, von den inneren Kiemen sich nach den äusseren Kie- men begebe, um in diesen ihr Wimperepithelium abzuwerfen und in ein zweischaliges, mit einem langen Byssusfaden ver- sehenes Thier zu verwandeln. Wer irgend mit Aufmerksam- keit die Entwicklungsgeschichte der Eier von Unio und Ano- donta in den äusseren Kiemen derselben verfolgt hat, den müssen diese Angaben Van Beneden's im höchsten Grade befremden. Der letztere erklärt übrigens die Bojan’sche Drüse für ein Analogon der spongiösen Anhänge, welche an den Hohlvenen der Cephalopoden herabhängen. Eine neue Gattung einfacher Aseidien, welche Philippi!) unter dem Namen Rhopalaea beschrieben hat, und an wel- cher sich ein Thorax und ein Abdomen unterscheiden liess, enthielt in der Kiemenhöhle deutliche Längsgefässe mit nach innen hervorragenden Papillen, ohne dass Quergefässe zwi- schen ihnen wahrgenommen werden konnten. Für die Ent- wieklungsgeschichte der Ascidien ist es von Interesse, dass Kölliker ?). auch in den Eiern von Botryllus und zweien anderen zusammengesetzten Asecidien die eine runde Zelle enthaltenden Furchungskugeln des Dotters wahrgenommen. Ueber die merkwürdigen, unter dem Namen Sagitta be- kannten Thiere sind mehrere Arbeiten erschienen, welche es jedoch immer noch in Zweifel gelassen haben, welche Stel- lung diese Thiergattung im Systeme der wirbellosen Thiere einnehmen, ja Burmeister hat sogar die Frage aufgewor- fen ®), ob Sagitta nicht ein Fisch sein könnte. Ref. sieht sich daher in Verlegenheit, wo er dieses Thier zur Sprache bringen soll und wählt dazu diese Stelle, ohne Sagitta mit Bestimmtheit für ein Mollusk erklären zu wollen. Forbes®), welcher das Thier auch an der brittischen Küste entdeckte, fand den Mund desselben mit einer Borstenreihe besetzt und auf seinem Kopfe zwei schwarze Augen. Sein gerader Darm endigt an derjenigen Stelle des Körpers, wo dieser dünner wird, mit einem After. Auf jeder Seite des Afters läuft ein schwach gewundenes leeres Gefäss, welches blind endigt, nach hinten. Forbes hat das Organ, welches d’Orbigny in der Sagitta als ein Herz bezeichnet hat, niemals bemer- ken können, er konnte vielmehr nur im Hinterleibsende die 1) Dieses Archiv. 1643. pag. 45. 2) Ebenda. pag. 110, 3) Allgem. I lische Literalurzeitung. 1544. Bd, 2. p. 554. 4) Institut. 1543, p. 358, 62 Bewegungen einer körnigen Flüssigkeit unterscheiden. Ein äusseres Flimmerepithelium war an den Thieren nirgends wahrzunehmen. Forbes will dieselben zu den sogenannten Mollusques nucleobranches gerechnet wissen. Eine andere Art, Sagitta hexaptera, ist an der brasilianischen Küste von Darwin +) untersucht worden. Die der Länge nach gefal- tete Mundöffnung ist an einem kegelförmigen, durch einen Hals vom übrigen Körper abgesehnürten Kopf angebracht und zwar am hinteren Theile desselben zwischen zwei flei- schigen Lippen versteckt. Diese Mundöffnung ist auf jeder Seite von acht starken, gekrümmten und hakenförmigen Zähnen eingelasst, welche vom lebenden Thiere beständig vor dem Munde zusammengeschlagen werden. Ausserdem befinden sich dicht am Munde noch zwei Reihen winziger Zähne, welche nach innen ragen. Von Augen und Tenta- keln konnte Darwin keine Spur entdecken. Die beiden seitlichen Flossenpaare, so wie die horizontale Schwanzflosse bestehen nach seinen Untersuchungen aus zarten Fasern, welche wie die Fäserchen einer Federfahne aneinander lie- gen. Darwin sah diese Sagitta mit der Schwanzflosse sich anheften, niemals aber mit mit dem Maule. In der Leibes- höhle derselben war ein zarter Darm enthalten, welcher auf der einen Seite des Körpers an der Schwanzwurzel auszu- münden schien. Eine Leber, ein Herz und Kiemen waren nirgends an dieser Sagitta wahrzunehmen. Der Schwanz- theil derselben erschien im Innern durch eine Scheidewand getrennt. Eine jede dieser beiden Schwanzhälften war mit einer körnigen Säule ausgefüllt, in welcher der körnige In- halt regelmässig, wie die Flüssigkeit in den Gliedern der Chara, auf und nieder cireulirte, und zwar stieg der Strom an der äusseren Seite aufwärts und an der inneren Seite abwärts; ausserdem zeigt sich diese Strömung, welche nach Darwin von Flimmerhaaren herrühren soll, an der Schwanz- wurzel noch einmal so geschwind, wie an der Schwanz- spitze. Von der Schwanzwurzel erstreckt sich zu beiden Seiten des Verdauungskanals ein darmförmiger, ringsgeschlos- sener Eierstock in die Höhe; eine jederseits des Leibes an- brachte kleine, kegelföürmige Hervorragung stellt wahrschein- lich eine Geschlechtsöffnung vor. Darwin vermuthet, dass die im Schwanze eirculirende Masse in die Ovarien übergehe und sich allmählig in Eier umbilde. In diesen Eiern, welche 1) Annals of nat. hist, Vol, 13. 1844, pag. 1. oder Annales des sciences nat. T. 1. 1844. pag. 360, oder Froriep’s neue Notizen. No. 639, pag. 1. 63 auf der See flottiren, konnte Darwin die Entwicklung des Embryo beobachten; derselbe entwickelt sich nämlich ring- förmig um zwei Drittel des Dotters und lässt im Innern ein feines Gefäss erkennen. Der Schwanz löst sich vom Dotter zuerst ab und besitzt bereits eine Flosse; das Vorderleibs- ende des Embryo enthält ein pulsirendes Organ. Ausser dem Dotter- befindet sich in jedem Ei immer noch ein kleines, sehr auffallendes Kügelchen, welches nach Darwin wahr- seheinlich ein Luftbläschen ist und die Eier an der Ober- fläche des Meeres erhalten soll. Krohn !) verdanken wir eine ausführliche Monographie über Sagitta bipunctata. Er fand die Haut, mit Ausnahme des Kopfes, überall derb und glatt. olıne dass sich eine eigentliche Epidermis an der- selben unterscheiden liess, dagegen zeigte sie hier und da eine zellige Struktur. Die Flossen dieses räthselhaften Thie- res sind von der Basis nach dem Rande hin strahlenförmig estreift, was von dichl aneinander gefügten, sehr langen, iegsamen Faser herrührt, die von Muskelfasern ganz ver- schieden sind. Dicht unter der allgemeinen Hautbedeckung liegen zwei breite, gesonderte, aus quergestreiften Längsfa- sern bestehende Muskelbinden, und zwar die eine auf dem Rücken, die andere auf dem Bauche des Thieres. Beide Bin- den lassen eine ansehnliche fleischlose Lücke auf jeder Seite unter der Haut zwischen sieh. Die Häkchen am Kopfe sind hohl, bestehen aus äusserst zarten, der Länge nach verlau- fenden Hornfibrillen, und enthalten wahrscheinlich eine Art Keimpulpe. Der kurze, aus fleischigen Wandungen zusam- mengesetzte Schlund geht in einen gleichmässig weiten Nah- rungsschlauch über, der von Anfang bis zu Ende gerade dureh die Rumpfhöhle hinläuft; diese letztere wird nämlich durch eine vordere und hintere Querscheidewand gebildet, welche sie von der Kopf- und Schwanzhöhle abscheiden. Der Darm durchbohrt hierauf die hintere Scheidewand, ver- engert sich und begiebt sieh in einem sanften Bogen nach unten zu dem vom Schwanzende entfernt liegenden After. Der Darın ist mit einem Flimmerepithelium ausgekleidet, und wird an den Rücken der Leibeswandung durch ein einfaches Haltungsband befestigl, während zahlreiche Fäden zur Be- fesligung des Darms mit den Bauchwändungen dienen. Krohn hat in diesem Darme Fragmente von kleinen Fischen und Crustaceen angetroffen. Von Blutgefässen konnte er an die- ser Sagitta keine Spur entdecken. Die beiden vorn geschlos- 1) Anatomisch- physiologische Beobachtung über, die Sagitta bi- punctata. 1544. 64 senen, auf der innern Fläche nicht flimmernden Eierschläuche verlaufen gerade durch die Rumpfhöhle, sind mit einem schmalen Haltungsbande an die untere Leibeswand angehef- tet und krümmen sich hinten nach oben, um zwischen der oberen Muskelbinde und der Basis der hinteren Seitenflosse rechts und links nach aussen zu münden. Die Eier sind mit einem deutlichen Keimbläschen versehen, und die jüngeren derselben hängen durch kurze Stiele mit dem Stroma der Ovarien zusammen. Die Höhle des Schwanzes von Sagitta ist durch eine Längsscheidewand in zwei Hälften getheilt. Eine jede dieser Hälften birgt einen kleinen Kanal, welcher vor der Schwanzflosse mit einer kleinen wulstigen Oeffnung nach aussen mündet. Die Höhlen der beiden Kanäle, so wie ihre Mündungen sind mit flimmernden langen Cilien be- setzt. Sie enthalten Saamenmasse, welche aus haarförmi- gen, wellenförmig sich bewegenden Spermatozoiden bestehen. Krohn sah die-Entwicklung dieser Spermatozoiden aus Zel- len in jenen Kanälen vor sich gehen. Derselbe bemerkte sehr häufig bei denjenigen Sagitten, deren Eierschläuche sehr ausgebildete Eier enthielten, zwischen diesen sehr lebhafte Spermatozoiden, von denen er aber nicht erfahren konnte, ob sie durch Begattung oder Selbstbefruchtung dahin gelangt waren. Unter der oberen Fläche des Kopfes über dem Schlunde der Sagitta ist ein rundlicher Haupthirnknoten ge- legen, von welchem ein dünnes Nervenpaar nach vorne zu den Muskeln der Hornhäkehen abgeht, während ein zweites Nervenpaar aus demselben Hirnganglion dicht unter der Haut nach hinten läuft und sich vor dem Halse zu einer Schlinge vereinigt. Zwischen diesen beiden Nervenpaaren gehen zwei andere Nervenäste seitlich vom Gehirne ab, biegen nach hin- ten um und treten mitten auf der Bauchfläche des Rumpfes zu einem längsovalen Bauchknoten zusammen, aus welchem diesen Nerven gegenüber zwei andere starke Nervenstämme nach hinten in divergirender Richtung hervortreten und mit einer pferdeschweilartigen Zerfaserung endigen. Diese Ner- venstämme des Bauchknotens senden zarte Nervenäste nach aussen, wodurch ein sehr complicirtes Nervengeflechte unter der Haut des Rumpfes gebildet wird. An der Basis der bei- den, die Nervenschlinge des Kopfes zusammensetzenden hin- teren Gehirnnerven entspringen nach aussen die beiden Seh- nerven, welche nach kurzem Verlaufe zu einem runden Ganglion anschwellen, auf welchem das Auge wie eingebet- tet liegt. Die beiden sphärischen Augen sind von dunklem Pigmente umhüllt, über welchem eine glashelle Wölbung als Cornea hervorragt. Krohn will Sagitta von den Mollusken, zu welchen ihre ersten Entdecker, Quoy und Gaimard, 65 sie rechneten, getrennt wissen, und schlägt vor, sie den An- nulaten einzuverleiben. Vermes Annulati. Den Gliederwürmern hat Quatrefages in der jüngsten Zeit seine volle Thätigkeit zugewendet. Derselbe ') lieferte einen sehr schätzenswerthen Beitrag zur Kenntniss des fei- neren Baues ihres Nervensystems, wobei Eunice, Nereis, Phyllodoce, Aricinella und Glycera genauer in Be- tracht gezogen wurden. An dem Nervensysteme der Eu- nice gigantea konnte Quatrefages vier verschiedene Ab- theilungen unterscheiden, welche er als 1) Gehirn, 2) Sy- steme sous-oesophagien oder proboseidien superieur, 3) Sy- steme sous-oesophagien labial oder proboscidien inferieur, und 4) Systeme sous-oesophagien ganglionnaire oder abdo- minal bezeichnete. Das Gehirn dieser Annelide ist von einer derben Aponeurose umgeben, stellt zwei ansehnliche drei- eckige Ganglien dar, welche hinten miteinander verschmolzen sind. Aus dem Vorderrande des Gehirns entspringen meh- rere einzelne Nerven für die Lippen. Zwei derselben treten in der Mittellinie zu einem kleinen Ganglion cervieale zu- sammen. Ausser den zwei ansehnlichen Seitenstämmen, welche, vom Gehirne abgehend, den Oesophagus umfassen und den Schlundring bilden helfen, wenden sich zwei an- dere feinere Seitenäste vom Gehirne aus nach unten, um sich zu einem Ganglion pharyngeum inferius zu vereinigen, welches Nervenfäden nach hinten absendet und dem sympa- thischen Nervensysteme entspricht. Zwei andere Nerven- äste gehen vom Hinterrande des Gehirns nach hinten ab und bilden einen auf dem Schlunde liegenden, drei Ganglien ent- haltenden Plexus pharyngeus superior. Von den einzelnen, aber untereinander fast verschmolzenen Ganglien des Bauch- marks gehen rechts und links fünf Nerven ab. In Nereis Beaucoudrayi wird das Gehirn aus einer quergestellten Kette mehrerer verschmolzener Ganglien gebildet, deren grösste mittlere Ganglien zwei Nerven nach vorn für das Ganglion ceryicale und zwei nach hinten für den sehr ent- wickelten Plexus pharyngeus superior abgeben. Der Plexus haryugeus inferior ist dagegen sehr wenig entwickelt und esteht nur aus zwei isolirt bleibenden, zu einem länglichen Ganglion anschwellenden Nerven. Die verschmolzenen Gan- glien des Bauchmarks senden immer drei Nervenstämme je- 1) Annales des sciences naturelles. Tom. 11. 1544. pag. 81. Müller's Archiv. 1645, E 66 derseits ab. Bei Phyllodoce pellucida, welche eine fast viereckige Gehirnmasse besitzt, tritt aus der Mitte desselben ein kurzer Nervenast zu einem runden Bläschen der Mittel- linie, welches vielleicht die Bedeutung eines Gehörorgauis hat. Quatrefages sah ferner von diesem Gehirne zwei starke Stämme nach hinten abgehen, welche sich nach kurzem Ver- laufe durch eine Kommissur bogenförmig vereinigen und zwei seitliche Nervenäste abgeben. Vom sympathischen Nerven- systeme war nur ein mittlerer Ast als Systeme sous -oeso- phagien aufgefallen. Sehr merkwürdig verhielt sich in diesem Wurme der Bauchnervenstrang. Die Ganglien waren nicht untereinander verschmolzen, sondern die vorderen quer- ovalen Ganglien waren durch zwei kurze und die hinteren rundlichen Ganglien dagegen durch zwei lange isolirte Ner- venstränge untereinander verbunden. Vom 7ten oder 9ten Ganglion an befand sich zwischen diesen Verbindungssträn- gen noch eine besondere Querkommissur. Diese ganze Gang- lienkette endigte mit einem schlingenförmig umkehrenden Nervenstamme. Aus jedem dieser Ganglien traten ebenfalls nur drei Nerven jederseits hervor. Die von Quatrefages neu aufgestellte Gattung Aricinella besitzt ein sehr einfa- ches Gehirn, welches aus zwei vereinigten Ganglien besteht und nach hinten zwei, ein starkes Ganglion pharyngeum superius bildende Nervenstämme abgiebt. Die Bauchganglien haben eine längliche Gestalt und sind durch doppelte, sehr genäherte Nervenstränge untereinander verbunden. Aehnlich, aber noch einfacher, verhält sich das Gehirn von Glycera, während das Bauchmark dieses Wurmes eine Kette von dicht gedrängten rundlichen Ganglien ohne Verbindungs- stränge bildet. Quatrefages konnte ausserdem am Gehirne und Bauchmarke dieser verschiedenen Würmer eine Hülle von faseriger Struktur unterscheiden, welche mit der Dura mater zu vergleichen ist. Diejenigen primitiven Nervenfasern, welche durch die Mitte des Bauchmarks herablaufen, kreuzen sich in den Ganglien, die seitlichen Nervenfasern treten da- gegen gerade durch die Ganglien hindurch. Derselbe Natur- forscher wollte übrigens an den aus den Bauchganglien ent- springenden Nerven eine obere und eine untere Wurzel be- merkt haben. Demselben ist es zugleich auch gelungen '), an zwei Anneliden die Gehörorgane zu entdecken. Er fand sie ähnlich wie bei den Mollusken gebildet, unter anderen sah er bei Amphicora, einem mit Amphitrite verwandten 1) Compt. rend, 1544. Tom. 19. pag. 195. oder Fror. n. Not, No, 674, pag. 215. 67 Thierchen, an den Seiten desjenigen Leibesringels, welcher die Mundöffnung trägt, die beiden mit Otolithen ausgestatte- ten Gehörkapseln. Quatrefages überzeugte sich ferner !), dass die kleinen leuchtenden Species von Syllis und Po- lyno& keine besonderen Leuchtorgane besitzen, sondern dass, wenn sich diese Thiere bewegten, von den kontrahir- ten Muskeln derselben eine Lichtentwicklung ausging. Die- ses Licht war ein um so stärkeres, je kräftigere Kontrak- tionen der Muskeln Statt fanden. Nach dem Zerbrechen der Anneliden leuchteten auch die einzelnen Fragmente noch fort, so lange die Muskelkontraktionen in denselben anhiel- ten. Die Lichtentladungen ermüdeten übrigens die Thiere und wurden bei den Wiederholungen der Kontraktionen schwächer. Es waren besonders die Muskeln, welche die Borstenbündel bewegten, bei deren Zusammenziehungen jenes Leuchten zum Vorschein kam. Quatrefages machte aus- serdem die Wahrnehmung ?), dass Süsswasser auf die Meer- anneliden wie Gift wirkt, woran höchst wahrscheinlich der Mangel von salzsaurem Natron im Süsswasser Schuld ist. Anderen Untersuchungen dieses ihätigen Zootomen zufolge ®), bietet das Gefässsystem der Kiemen-Anneliden sehr verschie- dene Grade der Entwicklung dar. Bei gewissen Tubikolen ist dasselbe sehr vereinfacht und nicht mehr vollkommen ge- schlossen, wobei die Bluteireulation mit Hülfe von Lacunen vor sich geht. Bei Amphicora z. B. cireulirt das grüne Blut frei in den Interstitien des Leibes; bei der neuen, mit Syllis verwandten Gattung Doyeria Quatr. ist nur ein ein- faches Rückengefäss da. Bei der mit Terebella verwandten Aphlebine Qualr. sollen weder Kiemen, noch Blutgefässe aufzufinden sein, indem hier der farblose ernährende Saft in einem Systeme von Lacunen cireulirt. Die Bewegung dieses Saftes wird durch ein System von Klappen unterhalten, welche aus mehreren vereinigten Flimmercilien bestehen und in der Leibeshöhle hinter der Basis eines jeden Fussstum- mels angebracht sind. Eine neue von Quatrefages *) an der Küste von Bretagne entdeckte und Dujardinia genannte Annelide, welche einer jungen Syllis ähnlich sieht, erinnert 1) Annales des sciences nat. T. 19. 1843. pag. 184. oder Fro- rip's neue Notizen. No. 556. pag. 209. 2) Comptes rendus, T. 17, 1543. pag. 962, oder Froriep’s neue Notizen. No. 600. pag 83. 3) Compt. rend. 1544. pag. 77. oder Annales des sciences nat, T. 1. 1844. pag. 17. ö 4) Ebenda. E2 2. 68 in vieler Hinsicht an die Rotatorien. Sie trägt nämlich an jeder Seite des Leibes, ausser den gewöhnlichen mit Bor- sten besetzten Fussstummeln, noch eine Reihe von Bewe- gungsorganen, welche ganz den Räderorganen analog gebildet sind. Auch die Form ihres Verdauungsapparates und ihre unverhältnissmässig grossen Eier bringen diese Dujardinia den Räderthieren nahe. Auch auf die Geschlechtswerkzeuge der Kiemenwürmer hat Quatrefages !) seine Untersuchun- gen ausgedehnt. Er fand sehr viele Dorsi- und Capiti-bran- chiaten getrennten Geschlechts. Sie tragen ihre Testikeln und Övarien, welche sich übrigens sehr ähnlich sehen, an der Bauchseite der Leibeshöhle unter dem Bauchmarke. Die Spermatozoiden trennen sich von den Hoden, noch ehe sie sich gehörig entwickelt haben, und gelangen erst in der Bauchhöhle zur vollständigen Entwicklung, wo sie dann sehr kleine, mit einem zarten Schweife versehene Körnchen darstellen. Sehr eigenthümlich verhält sich nach Quatre- fages’ Beobachtungen ?) eine Syllis, welche sich vor dem 43sten und letzten Ringe des Leibes einschnürt. An dieser Einschnürungsstelle bildet sich, wie bei Nereis prolifera Müll., ein Kopf aus; sind Augen und Tentakeln entwickelt, trennt sich dieses junge Thier von dem Mutterthiere, beiden Indi- viduen, Mutter und Tochter gleichen sich äusserlich vollstän- dig, sind aber in ihren Eigenschaften sehr verschieden; die Mutter lebt wie früher fort und reprodueirt höchst wahr- scheinlich ihr Schwanzende, während die Tochter dazu be- stimmt ist, sich durch Geschlechtsorgane zu vermehren; ihr Darm wird atrophisch, während sich in ihr Geschlechtsorgane entwickeln, welche zuletzt die Leibeshöhle mit Spermatozoi- den oder Eiern anfüllen. Ueber die Augen von Aleiopa hat Krohn ?) Untersu- chungen ängestellt. Diese Organe sitzen nämlich den beiden verschmolzenen Gehirnganglien unmittelbar auf, so dass ein Nervus opticus nicht unterschieden werden kann. Die Re- tina dieser Augen soll aus zwei Schichten bestehen, aus ei- “ ner äusseren strahlenförmig.. ausgebreiteten Faserschieht und einer inneren Schicht, welche von dieht nebeneinander ge- stellten kurzen und mit ihren Enden gegen den Glaskörper gerichteten Stäbchen zusammengesetzt wird. Zwischen die- 1) Comptes rendus. T. 17. 1843. pag. 423. oder Institut. 1843. p. 292. oder Eroriep’s neue Notizen. No. 588. p. 248. 2) Ebenda und Annales des sc. nat. T. 1. 1844. p. 22. 3) Froriep’s neue Notizen. No. 531. pag. 41. Kr sen beiden Schichten ist dann noch eine rothe Pigmentschicht abgelagert. Die anatomische Beschreibung von Ammotrypane, einer neuen, der Arenicola nahe stehenden, von Rathke aufgestellten Wurmgattung, hat Grube geliefert *). Derselbe fand bei Ammotrypane oestroides einen unregelmässig gewundenen Darmkanal in der Bauchhöhle, bei Ammotry- pane aulogaster dagegen einen geraden Darmkanal. Auf der Grenze zwischen der engen Speiseröhre und dem erwei- terten Darme münden zwei schlauchförmige Blasen als wahre Absonderungsorgane ein. Der doppelte Bauchstrang, welcher auf dem dritten Segmente zur Bildung eines Schlundringes auseinander weicht, lässt in seinem Verlaufe eine Reihe schwacher Anschwellungen erkennen. Das Blutgefässsystem von Ammotrypane ist ebenso wie bei Arenicola entwickelt. In der Nähe der beiden, in den Verdauungskanal einmün- denden Blasen liegt ein sackarlig erweitertes Blutgefäss, wel- ches mit dem Rückengefässe zusammenzuhängen scheint. Auf der Bauchseite befinden sich äusserlich vom öten bis 14ten Segmente Oeffnungen, welche zu kleinen Blindschläuchen führen, an welchen ein halbgefiedertes Blutgefäss hinläuft. Die Federstrahlen dieses Blutgefässes hängen frei und schei- nen blind endigende Blutgelässsäckchen zu sein. Dieselben Blutgelässe trill! man aber auch in den hinteren Körperseg- menten an, wo jene Blindschläuche fehlen, daher die Bedeu- tung dieser Organe schwer zu errathen ist, und Grube es unentschieden lässt, ob sie die Rolle von Geschlechts werk- zeugen oder Schleim absondernden Organen spielen. Zwi- schen den beiden Borstenbündelreihen bemerkte Grube an ‘den Seiten des Leibes feine Oeflnungen, welche die Leibes- wandungen durchbohren, und wahrscheinlich dazu dienen, die Eier aus der Leibeshöhle heraustreten zu lassen. Von Kölliker?) wurden an den Bauchtheilen des zehn- ten bis drei und zwanzigsten Gliedes einer kleinen Nereis je zwei birnförmige Bläschen angetroffen, von denen jedes ein auf verschiedenen Stufen der Entwicklung befindliches Ei enthielt, an welchem bereits Furchungen eingetreten wa- ren. Der Dotier der am meisten in der Entwicklung vor- gerückten Eier war in vier, Embryonalzellen enthaltende, Furchungskugeln zerfallen, andere Eier liessen nur zwei Fur- chungskugeln wahrnehmen, eine jede dieser Kugeln enthielt bald zwei, bald nur eine Embryonalzelle. 69 1) Noy. Act. Acad, Leop. Car. Nat. Car, T. XX. P. I. 1843. p. 195. 2) Dieses Archiv. 1514. p- 111. 70 Nach Will‘) besitzt Chaetopterus pergamenta- ceus, welcher auch im adriatischen Meere bei Triest #or- kömmt, auf der Rückenfläche des Vorderleibes eine schwam- mige Drüse, mit welcher zugleich auch der obere Rand der linsenförmigen Segmente des Mittelleibes und die Fussstum- meln versehen sind. Die Absonderung dieser verschiedenen, aus birnförmigen, mitunter polyedrischen Bälgen zusammen- gesetzten Drüsenmassen leuchtet sehr stark grün. Mikro- skopisch untersucht besteht dieser leuchtende Schleim aus einer feinkörnigen, krümlichen Masse. Hoffmeister, welcher den Lumbrieinen eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt hat ?), gab von Saenuris va- riegata, einer neuen Regenwurmart, eine genauere Be- schreibung. Er fand den Darm mit Leberläppchen dicht be- setzt, welche zum Theil auch das Rückengefäss umhüllen. In der Gegend des Pharynx und Oesophagus finden Anasto- mosen zwischen dem Rücken- und Bauchgefässe Statt, indem ersteres sich in zwei Aeste theilt, welche in der Kopfspitze umbiegen und im fünften oder sechsten Leibesringel auf der Bauchseite sich wieder vereinigen. Am Hinterleibsende geht eine ähnliche Anastomose durch Gabelung vor sich. Am Vorderleibsende entspringen aus der unteren Gefässgabel Sei- tengefässe, welche sich knäulförmig verschlingen; auch in den übrigen Körperringeln liegen solche Gefässknäul, welche mit dem Bauchgefässe zusammenhängen und von den Mus- keln Gefässe empfangen. Ausserdem begleitet ein kleines Längsgefäss den Bauchnervenstrang. Der Blutlauf geht deut- lich von hinten in dem Rückengefässe nach vorn vor sich, welches unterwegs den Darm, die Geschlechtstheile und Muskeln mit Blutgefässen versorgt, während das Blut im* Bauchgefässe von vorn nach hinten strömt und aus den seit- lichen Gefässknäuln das rückkehrende Blut aufnimmt. Zur Seite des Bauchgefässes flottiren in der Leibeshöhle farblose Kanäle, welche mit einer kleinen Papille an den hinteren Enden der Leibesringel nach aussen münden und den Rük- ken des Bauchgefässes umspinnen. Dieselben scheinen eine wasserklare Flüssigkeit zu enthalten und flimmern nur an der äusseren Mündung. Wahrscheinlich sind diese Gefässe Respirationsorgane, für welche das Bauchgeläss nicht bloss die Rolle einer Vena cava, sondern auch einer Vena pul- monalis spielt. Im August beobachtete Hoffmeister die 1) Wiegmann’s Archiv f. Naturgeschichte. 1844. Bd. 1. p. 331. 2) Ebenda. 1343, Bd. 1. p. 153. und De vermibus quibusdam ad genus Jumbrieorum pertinentibus. Diss. Berol. 1842, 71 Ovarien vom 8—1?ten Leibesringel im strotzenden Zustande. Sie bildeten ebenfalls Gefässknäul, welche in ihrem hinteren sackförmigen Ende eine körnige Masse enthielten, am vor- deren Ende aber sich zu einem Receptaculum erweiterten, dessen innere Fläche flimmerte. Eine zu beiden Seiten der Mittellinie angebrachte, Querspalte liess sich als Vulva an- sprechen. In dem hinteren Theile der Eierstockskanäle wa- ren rundliche kernlose Körperchen kenntlich, am vorderen Ende dieser Kanäle dagegen waren mehrere dieser Körper- chen, etwa fünf bis sechs (Eikeime?), von einer gemein- schaftlichen, zarten, ovalen Hülle umgeben, über welche sich, nachdem diese ganze Masse gelegt war, sich noch eine zweite festere Hülle hinwegzog, deren eines Ende in einen Fortsatz auslief. Hoden wurden nicht deutlich erkannt, viel- leicht sind gewisse birnförmige Organe dafür zu halten, welche’ im zehnten Ringel von den Leibeswandungen frei in die Bauchhöhle hervorragen, ohne dass sich aber in ihnen Spermatozoiden und äusserlich männliche Geschlechtsöffnun- gen wahrnehmen liessen. Bei Enchytraeus albidus sah Hoffmeister die Begattung, wie bei Lumbrieus, ohne Be- gattungsorgane vor sich gehen. Von den beiden Ovarien dieses Wurms war oft nur eines entwickelt. Das von Henle abgebildete lange, geschlängelte Organ. enthielt nach Hoffmeister’s Beobachtung niemals Eier, diese fanden sich nur in den Säcken des eilften und zwölften Ringels vor, was Ref. bestätigen kann, indem jenes lange, geschlängelte Organ höchst wahrscheinlich ein respiratorisches Wasserge- fäss vorstellt. Auch bei diesem Wurme konnte Hoffmei- ster über die männlichen Geschlechtsorgane nicht ins Reine kommen. Grube :) beschrieb einen Wurm, Lumbriculus va- riegatus, der vermuthlich Müller’s Lumbricus variegatus ist. Derselbe zeichnet sich durch sein Blutgefässsystem aus, indem vom Rückengefäss rechts und links in jeden Leibes- ringel ein Gefässbüschel hineinragt, der durch blindendigende Seitenäste wie gefingert erscheint, welche Organisation übri- gens Treviranus (Beobacht. aus d. Zootomie und Physio- logie. 1839. pag. 59.) an jenem Wurme schon gekannt hatte, Grube fand eine ganz ähnliche Blutgefässbildung, in einem anderen neuen Regenwurme, Euaxes filirostris, der sich durch einen langen, ungegliederten Rüssel auszeichnete. H. Meckel?) erklärte beim Regenwurme die drei Paar 1) Wiegmann’s Archiv. 1844. Bd. I, pag. 200. 2) Dieses Archiv. 1844. pag. 476. 72 gestielten Bläschen, welche man früher als Hoden betrachtet hat, für die Saamenbläschen, die drei anderen Paare birnförmi- ger Bläschen dagegen, welche bisher für Ovarien gegolten hatten, für die eigentlichen Hoden. Die Entwicklung der Spermatozoiden beobachtete Meckel hier ganz wie bei Hi- rudo, wovon weiter unten berichtet werden wird. Auf die- sen Hoden liegt ein rundlicher, weissgelber Lappen auf, in welchem sieh die Eier entwickeln. Als Eier werden von Meckel nämlich jene merkwürdigen Bläschen erklärt, in welchen die sonderbaren, den Naviculae ähnlichen Spindel- zellen enthalten sind, welche der Bildung von Dotter vor- Ausgehen sollen. Diese Annahme bedarf indessen wohl noch einer bestimmten Bestätigung. Uebrigens tritt Meckel auch der Meinung bei, dass die Eier bei Lumbrieus, sich vom Ova- rium trennend, frei in die Leibeshöhle fallen. Quatrefages!) sah bei einem mit Nais. verwandten Meerwurme am Kopfe :drei Augen, von denen jedes zwei bis drei Linsen enthielt; ausserdem trug auch jeder Körperring neben den Pedicellen ein Auge, welches durch starke Ner- venäste mit dem Bauchmarke zusammenhing. Nach Hannover’s Untersuchungen ?) ist der Ganglien- strang von Hirudo medieinalis in einem Pigmentgewebe eingehüllt und dann noch von einer Faserschicht umschlos- sen, welche aus Längs- und Querfasern besteht. Die Gan- glienkugeln des Blutegels besitzen nur kleine Kerne; ein gros- ser Theil der Nervenfasern durchsetzt die ganze Bauchgan- glienschnur. Derselbe sah aus den Ganglienkugeln unmittelbar Nervenfasern sowohl im Gehirne, wie in den Bauchganglien des Blutegels hervortreten. Fr. Müller) hat bemerkt, dass bei Clepsine aus jedem Ganglion des Bauchmarks jederseits immer nur ein Nervenstamm abgeht. Bei Clepsine tessulata und marginata besitzt der Magen auf jeder Seite sieben blind- sackförmige Anhänge, von denen nach Müller bei Cleps. tessulata der letzte Blindsack sich ungetheilt, bei Cleps. mar- ginata dagegen verästelt bis zum Saugnapf hinaberstreckt. Der Darm dieser Egel besitzt vier Paar seitliche Blindanhänge und oberhalb des Magens noch vier andere Paare von Blind- anhängen; auch beobachtete Müller in diesen Clepsinen ein dünnhäutiges kontraktiles Rückengefäss, ein Bauchgefäss und zwei Seitengefässe, von denen das Rückengefäss mit Klap- 1) Comptes rendus. T. 19. 1844. p. 193. oder Froriep’s neue Notizen. No. 674. pag. 215. 2) Recherches mieroscopiques sur le syst&ıne nerveux. p, 72. 3) Wiegmann’s Archiv. 1844, Bd. 1. p. 370 73 pen versehen war. Derselbe ’) bemerkte ferner bei Clepsine complanata, bevor sie Eier legte, auf beiden Seiten der Bauch- fläche eigenthümliche fadenförmige Organe hervorragen, wel- che gewiss bei dem Fortpflanzungsgeschäfte irgend eine Funk- tion zu erfüllen haben. Noch ist hervorzuheben, dass Mül- ler Clepsine tessulata öfters in Copula angetroffen hat, während er Clepsine complanata niemals in gegenseitiger Begattung angetroffen. De Filippi?) giebt die |Regelmässigkeit des Blutlaufs in Nephelis und Clepsine nicht zu. Diese Blutbewegungen sollen auch nicht von den Gefässen selbst ausgehen, sondern von den Kontraktionen des Körperparenchyms abhängig sein. Filippi wiederholt es noch ein Mal, dass bei Clepsine auf den Darmanhängseln ein Gefässgeflecht mit Mündungen in den Darm angebracht sei, von welchem Geflechte kleine Zweige nach den zwei grossen Seitengefässen abgingen. H. Meckel’) beobachtete in den neun Hodenpaaren von Hirudo die Entwicklung von Spermatozoiden aus Zellen, welche durch einen noch nicht bekannten Bewegungsapparat in rotirender Richtung umhergetrieben werden. (Nach des Ref. Beobachtung rührt diese Bewegung von der Anwesen- heit eines Flimmerepitheliums her.) Die Saamenzellen ver- wandeln sich allmählig in eine Scheibe (discus), welche mit kleinen gekernten Bläschen äusserlich besetzt erscheint. Diese Bläschen wachsen nach und nach zu Spermatozoidenfäden aus und lösen sich, zu mehreren Bündeln vereinigt, von dem Diskus los. Grube, welcher die Entwicklungsgeschichte der Clep- sine dazu benutzt hatte, um einem grösseren Publikum die in der neuesten Zeit gewonnenen Erfahrungen über die Bil- dung des thierischen Körpers aus dem Eie vorzuführen *), hat in einer besonderen Schrift seine darüber angestellten speziellen Untersuchungen niedergelegt ). Die weiblichen Geschlechtsorgane der Clepsine bestehen nach Grube aus zwei, in der Mittellinie des Leibes dieht nebeneinander lie- Baden, röhrenförmigen Organen, welche grünlich oder röth- ich gefärbt sind und nach den Seiten hin fünf Schlingen in 1) Frid. Müller: De hirudinibus eicca Berolinum hucusque ob- servalis, Diss. Berol. 1844. p. 33 2) Isis, 1843. pag. 415. 3) Dieses Archiv. 1544. pag. 476. 4) Ueber die Bildung des thierischen Körpers aus dem Ei. 1844, 5) Untersuchungen über die Entwicklung der Anneliden. Heft 1. Untersuchungen über die Entwicklung der Clepsinen. 1844. 7a beinahe rechten Winkeln absenden, wodurch das Ganze ein gefiedertes Ansehen erhält. Nach Filippi besteht jedes die- ser Organe aus drei ineinander steckenden Röhren. Grube sah die innerste, sehr enge Röhre mit runden Ausstülpungen versehen, in welchen Dotterkugeln enthalten waren. Da bei den brünstigen Clepsinen die jene enge Röhre zunächst umgebende, sehr weite Röhre von Eiern strotzt. so nimmt Grube an, die enge Röhre sei Ovarium und Eierleiter zu- gleich, aus welchem später die Eier irgendwie in die weite Uterusröhre hinübergelangten. Derselbe hat die kurzen, von Kügelchen strotzenden Blindkanälchen, welche nach Filippi bei Clepsine paludosa zu 6, bei Olepsine complanata zu 4 am hintersten Ende der äussersten weiten Röhre herabhän- gen, nicht wahrnehmen können, glaubt aber, dass sie mit der innersten Röhre, von welcher er ein Mal vier in einer Uterusröhre bemerkt haben will, zusammenhängen und viel- leicht keimbereitende Organe sein könnten. Grube erkannte ausser den beiden gewundenen Saamenausführungsgängen, welche Filippi nur allein gesehen hatte, auch 10 Paar an den Seiten des Leibes gelegene rundliche Hoden; zwar konnte er einen Zusammenhang zwischen den Hoden und den Aus- führungsgängen, wahrscheinlich seiner Zartheit wegen, nicht entdecken, da aber in beiden Organen Bündel von haarför- migen Spermatozoiden anzutreffen waren, so durfte daraus Grube auf die wahre Bedeutung dieser Organe schliessen. In den Eiern von Clepsine konnte Grube vor der Entwick- lung des Embryo, ausser dem Keimbläschen, Molekularkör- perchen, Fettkörperchen und Kernkugeln wahrnehmen; an- faırgs, so lange das Keimbläschen noch da ist, fehlen die Kernkugeln, welche erst auftreten, nachdem das Keimbläs- chen verschwunden ist. Dieses verschwindet übrigens schon, noch ehe die Eier gelegt sind. Ehe die Eier gelegt werden, ergiesst sich hinter der männlichen Geschlechtsöffnung, an welcher niemals ein Penis wahrzunehmen ist, aus der hier angebrachten Vulva eine farblose Schleimmasse, welche diese Umgegend des Leibes gürtelförmig umgiebt. In diesen Gür- tel werden die Eier hineingelegt, worauf das Thier sein Vorderleibsende daraus, wie aus einer Schlinge, hervorzieht. Die Schleimmasse rundet sich alsdann ab, erhärtet und bil- det die äussere gemeinschaftliche Hülle des Eierklumpen. Die Zahl der Eier beträgt in einer solchen Hülle bei Clepsine complanata gewöhnlich 5 bis 7, die Zahl derselben bei Cleps. bioculata nur 3 bis 4. Bei dem Durchfurchungsprozesse die- ser Eier entstehen nur 8 Meridianfurchen, daher der Dotter der Clepsineneier niemals brombeerartig zerklüftet. In jedem der Dottersegmente entsteht ein kleiner kugelförmiger, mit 75 einem grauen Centrum versehener Körper, welchen Grube Wandungskugel oder Wandungsballen nennt und welcher höchst wahrscheinlich der Embryonalzelle von Kölliker entspricht. Diese Wandungsballen werden von den Dotter- segmenten ausgestossen und nach dem einen Pol des Eies hingedrängt, wo sie sich vermehren und zuletzt ein dreiecki- ges Feld bilden, das als Embryonalfeld die Grundlage zur Leibeswandung des Embryo abgiebt. Es entstehen hier zu- erst zwei Bauchwülste, in welchen sich eine doppelte Längs- reihe von weisslichen, einen Kern enthaltenden Kugeln, als künfliges Bauchmark, entwickeln; am vorderen Ende dieser doppelten Kugelreihe lässt sich ein Kreis von ähnlichen Ku- geln als künftiger Schlundring unterscheiden. Aus den Sei- ten der beiden Längskugelreihen gehen ähnliche Kugelreihen in rechten Winkeln ab, welche sich vielleicht in Nerven- stäimme umwandeln. An den eben ausgeschlüpften Embryo- nen sind weder Augen, noch Blutgefässe, noch ein Hinter- leibsnapf zu finden, auch scheint der Mund noch zu fehlen. Die Thiere saugen sich übrigens mit ihrem Mundende an die Bauchfläche ihrer Mutter fest, und zwar so lange, bis sich der Hinterleibsnapf abgeschnürt und ausgebildet hat. Der von den Leibeswandungen umschlossene Dottersack besitzt anfangs noch keine Einschnürungen, diese entstehen auch erst später, wobei der Inhalt allmählig aufgezehrt wird, jetzt bekömmt der Leib äusserlich auch Ringeln, das Gefässsystem tritt nach und nach deutlich hervor und endlich entwickeln sich zuletzt noch die Augen. Oersted'!) nimmt bei den Nemertinen die über dem Maule gelegenen und von Rathke als Gehirn angesprochenen Körper für Herzen und die davon abgehenden Fäden nicht für Nerven, sondern für Blutgefässe, Die Seitengruben am Kopfende, welche willkürlich geöffnet und geschlossen wer- den können und aus deren dünnem Hautüberzuge die rothe Farbe des Blutes hindurchschimmert, sieht Oersted als Re- spiralionsorgane an. Das rüsselförmige Organ, welches die emerlinen am Kopfende aus- und einstülpen, wird von demselben als Zeugungsglied genommen, und aus Tetrastemma varicolor genauer Dasselbe enthält hier in sei- ner Mitte einen pfriemenartigen Körper von kohlensaurem Kalk, dem zur Seite vier bis fünf nägelförmige Körper lie- gen, welche wahrscheinlich als Reserve später an die Stelle des verlorenen Pfriemens treten. Ref. wird bei Betrachtung 4) Entwurf einer Eintheilung der Plattwürmer. Copenhagen 1814. pag. 17. 76 dieser Organe an den Liebespfeil gewisser Helixarten erin- nert. Ovarien oder Saamendrüsen fand Oersted (bei No- tospermus llaceidus) als birnförmige Säckchen an den Seiten des Leibes herab liegen. Dieselben sollen einzeln an der äusseren Oberfläche des Leibes ausmünden. Die Spermato- zoiden sah Oersted in Bündeln beisammen. Auch Qua- trefages ') hat bei Nemertes, welcher Wurm getrennte Geschlechter besitzt, die Spermatozoidenbildung erkannt und überhaupt gefunden, dass Nemertes durch Anordnung des Blutgefässsystems und des Mundapparats den Blutegeln sehr nahe steht, aber durch den Geschlechtsapparat und den feh- lenden After wieder an mehrere Helminthen erinnert. Der- selbe will auch bei mehreren Nemerten in den Augen eine Art Glasfeuchtigkeit, und zwischen den Augen und dem Ge- hirnganglion verbindende Sehnerven wahrgenommen haben ?). Vermes Turbellarii. Oersted hat verschiedene anatomische Bemerkungen über die Planarien geliefert °). Derselbe beobachtete unter anderen bei Monocelis zwei Sehnerven, welche von beiden Seiten her zu den in der Mittellinie des Leibes verschmolze- nen Augen traten; an diesem Auge, welches innerhalb des gemeinschaftlichen Glaskörpers zwei kugelförmige Linsen ent- hält, vermisste derselbe bei Monocelis unipunctata alles Pig- ment. Derselbe will in den Mesostomen eine eigenthümliche Muskellage unter der Haut erkannt haben, welche am Vor- derleibsende angebracht ist und sich nach hinten in zwei Streifen theilt. In dieser Muskelmasse sollen die einzelnen Muskellasern wie pfriemenartige Körper zu mehreren bei- sammen in Scheiden eingeschlossen sein. Es sind diese von Oersted für Muskelbündel erklärte eigenthümliche Zellen, welche aber von Muskelfasern ganz verschieden sind und den Ref. an die sogenannten Nesselorgane erinnern. Oersted hat ferner an den Blutgefässen der verschiedenen Rhabdo- eoelen niemals Pulsationen und Undulationen wahrgenom- men, dagegen sah er (bei Planaria Ehrenbergii) in den Ge- fässen fadenförmige Klappen in flimmernder Bewegung, welche Flimmerlappen Ref. auch noch in anderen Rhabdo- 1) Comptes rendus. 1844. p. 77. oder Annales des sciences nat. T. 1. 1844. p. 20. 2) Compt. rend. T, 19. 1544. p, 193. oder Froriep’s neue No- tizen. No. 674, p. 215. 3) Entwurf einer Eintheilung der Plattwürmer, a. a. O. 77 coelen beobachtet hat. Ueber die Geschlechtswerkzeuge der Plattwürmer erfahren wir durch Oersted wenig. Qua- trefages ‘) hat in diesen Thieren den Hermaphroditismus erkannt, und ihr Nervensystem aus einem doppelten, vor der Mundöflnung gelegenen Ganglion bestehen sehen, von wel- chem die Nervenfäden ausgehen, so wie er auch in den Au- gen derselben eine Krystalllinse wahrgenommen hat. Von Darwin?) sind verschiedene Land- und Seeplana- rien untersucht worden. ‘Die Landplanarien, welche er in verschiedenen Gegenden heisser Zonen antraf, besitzen, wie Planaria lactea, einen verästelten Darmkanal. Ihr Rüssel ist, ganz wie bei Planaria, vom Thiere losgetrennt noch sehr lange reizbar. Die Oeffnungen für den Rüssel, so wie für die Geschlechtsorgane sind als Querschlitze auf der Bauch- Näche der Thiere hintereinander angebracht. Die Augen va- riiren in Zahl und Gruppirung je nach den verschiedenen Arten. Die Reproduktionskraft fand Darwin bei diesen Landplanarien in einem sehr hohen Grade ausgebildet. Bei einer neuen Seeplanarie, Planaria oceanica, welche sich durch zwei, auf einer halsförmigen Ilervorragung stehende Zipfel auszeichnet, erkannte Darwin im Nacken einen viereckigen hellen Raum, in dessen Mitte innerlich ein dunkler Fleck und äusserlich eine Oeflnung angebracht war, dahinter folgte ein zweiter heller Raum, in welchem ein anderer dunkler Fleck mit einem Gefässe verbunden war. Noch weiter nach hinten lag die Mundöffnung. Der daraus hervorstülpbare faltige Rüssel war mit einem eilfästigen Darmkanale ausge- rüstet, Bei Planaria macrostoma, einem anderen Seeplatt- wurme, bemerkte Darwin die Mundöffnung sehr weit nach hinten. Dieselbe führte zu einem sehr langen, gewundenen Rüssel mit drei Haupt - Darmzweigen, von denen die beiden hinteren sich bogenförmig vereinigten, während der dritte vordere am Kopfende abgestutzt endigte. Ein ebenfalls neuer Seeplattwurm, Planaria ineisa, besass nach Darwin vier Oellnungen auf der Mittellinie der Bauchfläche, von denen die vorletzte zu einem sehr faltenreichen Rüssel führte, der ausgebreitet den Umfang des Leibes erreichte. Die beiden vordersten Oeflnungen standen auf zwei kleinen kontraktilen Papillen. Aus einer anderen Seeplanarie bildete Darwin die neue Gattung Diplanaria, welche mit einer doppelten vorderen Mundöllnung, aus welcher zwei Rüssel hervorge- — 1) Compt. rend T. 19. p. 193. oder Froriep's neue Nolizen. No. 674. p. 215. 2) Annals of natur, hist, 1844, Vol. 14. p. 241. 78 schoben werden können und mit zwei hinteren Geschlechts- öffnungen versehen waren. Beide Oeffnungen hingen mit verästelten Gefässen zusammen. Eine doppelte Reihe von Organen, welche auf jeder Seite des Mittelleibes im Innern verborgen lagen, glaubte Darwin als Eiergruppen betrach- ten zu müssen. Vermes Rotatorii. Kölliker und Naegeli ') sahen an den Eiern der Me- galotrocha albo-favicans die bekannten Furchungen des Dot- ters. Ausserdem waren Kölliker bei allen eiertragenden Individuen innerhalb der Leibeshöhle zehn bis zwanzig zit- ternde Körper aufgefallen, welche’ frei in der Flüssigkeit der Bauehhöhle flottirten, eine birnförmige Gestalt und eine Länge von 0,01 Linien nebst einem fadenförmigen Anhang von 0,04 Lin. besassen. Da sich diese Körper mannigfach sehlän- gelten, nahm sie Kölliker für Saamenfäden und glaubte so an diesen Räderthieren einen Hermaphroditismus erkannt zu haben. Ref. wirft hier aber die Frage auf, ob diese beweg- lichen Körper nicht etwa die von Ehrenberg beschriebenen Zitterorgane gewesen sind? Vermes Helminthes. Einen den Gordiaceen angehörigen langen Fadenwurm hat Ref. als Mermis albicans erwähnt ?); die weiblichen In- dividuen desselben sind mit einer weit vom Hinterleibsende entfernten Geschlechtsöffnung versehen und bringen einfache runde Eier hervor; die Männchen derselben unterscheiden sich von den männlichen Gordien durch einen am Hinter- ende des Leibes angebrachten doppelten, hornigen Penis. Den Verdauungs- und Fortpflanzungsapparat verschiedener Trichosomen beschrieb Dujardin °®). Nach seinen Unter- suchungen besitzen einige Trichosomen, namentlich Trichos. eontortum und inflexum einen dicken Penis mit einer kurzen glatten Scheide, während andere Arten, z. B. Trichos. sple- naeum Duj. (aus Spitzmäusen und Lerchen), mit einem sehr dünnen und biegsamen Penis ausgerüstet sind, dessen lange Scheide (Praeputium) durch sich kreuzende Runzeln ein rauhes Ansehen hat. Bei den zu diesen letzteren Trichoso- 1) Froriep’s neue Notizen. No. 596. 1843. p. 17. 2) Entomologische Zeitung 1543. d. 79. 3) Anuales des sciences nat. Tom, 20. 1843, pag. 332. 79 men gehörigen Weibehen ragt von der Vulya ein sonderba- rer Anhang in Form eines kurzen Cylinders frei nach hinten. Die ovalen Eier, welche im einfachen Ovarium entstehen, werden im unteren Ende des ebenfalls einfachen Uterus noch von einer besonderen Schale umgeben, welche aber die bei- den Polenden der Eier frei lässt, so dass alsdann die innere Eihülle als kurzer abgerundeter Anhang aus diesen beiden Stellen hervorragt. Ref. fand die Eier anderer Trichosomen und der Trichocephalen ganz ähnlich beschaffen. Dujar- din bemerkte übrigens an den Trichosomen der Spitzmäuse keine Spur von Querringeln, erkannte aber auf der Bauch- seile zwei breite Längsbänder, welche mit vorspringenden Körnern bedeckt waren. Aehnliche Bemerkungen über den inneren Bau von Triehosomen sind auch von Rayer gelie- fert worden !). Valenciennes?) fand in der Pylorusgegend des Pfer- demagens eigenthümliche Geschwülste auf der inneren Fläche desselben, welche einen zähen Schleim mit einer Menge klei- ner Rundwürmer enthielt. Die Geschwülste waren zwischen der Schleimhaut und fibrösen Schicht des Magens eingebettet und mündeten mit einer oder mehreren Oeflnungen in die Magenhöhle. Es konnten an diesen sehr kleinen Würmern männliche und weibliche Individuen unterschieden werden. Ihr Mund besass nichts Ausgezeichnetes, das Schwanzende der Männchen war spiralig aufgerollt, an beiden Seiten von einem Hautsaum eingefasst und an der Spitze mit zwei her- vorragenden gekrümmten Ruthen von ungleicher Länge ver- sehen. Im Innern dieser Würmer nt Valenciennes einen sehr langen Rüssel von brauner Farbe bemerkt zu ha- ben, welcher weit aus dem Maule hevorgeschoben werden konnte; die etwas längeren und dickeren, am Schwanzende ungesäumten Weibchen besassen eine am Ende des ersten Körperdrittels ausmündende kurze Scheide, welche sich in einen nach unten und oben verlaufenden doppelten Uterus spaltete. Bei einem in der Begattung überraschten Pärchen hatte das Männchen die Gegend der weiblichen Geschlechts- öllnung spiralförmig umschlungen. Da Spiroptera megastoma nur einen Penis besitzen soll, so zweifelle Valenciennes daran, dass diese von ihm beschriebenen Würmer zu der 1) Archives de m&deeine comparde. Paris. No. 2, et 3. 1843. pag. 180, 2) Comptes rendus, 1543. pag. 71. Sur des tumeurs vermi- neuses de lestomac du cheval, et sur les entozosires, qu’elles con- tiennent, 80 eben erwähnten?Helminthenart gehören, aber gewiss mit Un- recht, da Ref. sehr viele Spiropteren mit doppelten, ungleich langen Ruthen kennt, und dieselben bei Spiroptera me- gastoma des Pferdes gewiss bisher nur übersehen wor- den sind. Nach Gurlt‘) sind die kleinen, in den aneurismatischen Gekrösarterien des Pferdes vorkommenden, 6—7 Linien lan- gen Varietäten des Strongylus armatus unbewaffnet. Diese jungen Thiere, welche früher für Varietäten des eben er- wähnten Strongylus angesehen worden sind, erhalten bei späteren Häutungen die fehlenden Zähne im Maule. Auch das Schwanzende der Männchen sah Gurlt bei dem Häu- tungsprozesse sich verändern. Kölliker?), welchem wir schöne Untersuchungen über die Entwicklungsgeschichte der Helminthen zu verdanken ha- ben, verfolgte in den doppelten Geschlechtsorganen der weib- lichen Ascaris dentata die Eier durch alle Stadien der Ent- wicklung hindurch. Er fand, dass der Eierstocksschlauch an seiner Spitze aus einer einfachen Reihe von Zellen bestehe, deren aneinander stossende Wandungen schwinden und so den Kanal des Eierstocks bilden. Im Innern dieser Röhren entstehen zuerst zwischen den Elementarkörnchen einzelne grössere, runde Körper als künftige Keimflecke der Eier, um welche sich eine Hülle als Keimbläschen bildet. Vermuthlich wird dann noch später der Dotterkörnerhaufen, welcher nach und nach diese Keimbläschen umschliesst und verdeckt, von dem Chorion umgeben. Kölliker bestätigt ferner die über Strongylus auricularis und Ascaris acuminata gemachten Angaben Bagge’'s und des Ref., dass alle Eier, die durch den im Fundus des Uterus angesammelten Haufen eigenthüm- licher Körperchen (Spermatozoiden) getreten waren, die er- sten Spuren der Entwicklung des Embryo zeigen. Seine Beobachtungen darüber stützen sich auf Ascaris dentata, acuminata, Strongylus aurieularis, dentatus und Oxyuris am- bigua. Derselbe kann sich aber nicht entschliessen, jene eigenthümlichen, zellenförmigen Körperchen im Grunde des Uterus für Spermatozoiden zu erklären, da die Spermato- zoiden von Oxyuris vermieularis, welehe übrigens, ausser Mayer, noch Niemand beschrieben habe, eine fadenförmige Gestalt besitzen. Ref. kann indessen versichern, in Oxyuris vermicularis niemals fadenförmige Spermatozoiden beobachtet zu haben; vermuthlich hat sich Kölliker durch diese un- 1) Wiegmann’s Archiv f. Naturgeschichte. 1844. Bd. 1. p. 322, 2) Dieses Archiv. 1843. p. 69. 81 richtigen Angaben Mayer's verleiten lassen, die birnförmi- gen Spermatozoidenkörper, welche er im unteren Theile der männlichen Geschlechtsorgane von Oxyuris ambigua ange- troffen, für Bündel von Saamenfäden zu halten. Nach Köl- liker’s Beobachtung nimmt die Dotterhaut der Eier von Ascaris dentata an dem Durchfurchungsprozesse keinen An- theil. Dieser geht in der Weise vor sich, dass sich in der Mitte des Dotters eine erste Embryonalzelle bildet, welche sich nach und nach vermehrt, während der Dotter, welcher den ganzen Haufen von Embryonalzellen gemeinschaftlich umsgiebt, allmählig schwindet. Indem sich die immer kleiner werdenden Embryonalzellen zuletzt zum Embryo umwan- deln, geht mit dem Chorion dieser Eier eine merkwürdige Veränderung vor. Es bildet sich nämlich an beiden Enden der ovalen Eier ein schnurartiger Fortsatz aus, der sich im- mer mehr verlängert und zuletzt zerfasert, Bei Ascaris ni- pEPrenoss, acuminata und suceisa vermehrt sich die Em- ryonalzelle in ähnlicher Weise, wie bei Ascaris dentata, durch endogene Zellenbildung, jedoch mit dem Unterschiede, dass die Dottermasse nicht den Embryonalzellenhaufen ge- meinschaftlich umgiebt, sondern dass jede neue Embryonal- zelle von einem Theil des Dotters umhüllt wird, was die Furchung des Dotters veranlasst. Von Svitzer') ist Trichina spiralis in Dänemark bei einer 30—40jährigen fetten Frauensperson angetroffen wor- den, und zwar in den Muskeln der Arme und Beine und im Zellgewebe der Haut des Leichnams. Der Wurm war auch hier innerhalb mehrerer Cysten in krystallinische Glasmasse umgewandelt. Das Thier selbst hat Svitzer übrigens ver- kehrt betrachtet, indem er den Längsstrich, welcher die Höhle des muskulösen Oesophagus andeutet, und bei allen jungen weiblichen und männlichen Nematoden fast immer zu sehen ist, für einen Penis erklärt. Die Reihe kleiner Körperchen, welche Svitzer als Eier betrachten zu können glaubt, ist nichts anderes, als der Dotterrest, denn Trichina spiralis ist ja nur ein unentwickelter junger Rundwurın, worauf man immer noch nicht Rücksicht nehmen will. Am weitesten ist hierin Klencke gegangen ?), welcher den allerdings rich- tigen Satz, dass die Helminthen nicht durch Generatio aequi- voca entstehen, sondern durelı Ueberwandern sich von einem Thiere auf andere fortpflanzen, recht schlagend beweisen I) Bibliothek for Laeger. Copenhagen 1843. No. 2. p. 336, 2) Ueber die Kontagiosität der Eingeweidewürmer. 1544. p. 111. Müllers Archiv, 1845, F 82 wollte. Derselbe benutzte nämlich den körnigen Körperin- halt von Trichina spiralis, welchen er als Eier angesehen, zu Injektionsversuchen, und will so die Trichina spiralis von einem Hunde auf andere übergepflanzt haben. Ein ganz neuer Rundwurm aus dem Dünndarme des Menschen ist von seinem Entdecker Dubini ') mit dem Na- men Agchylostoma duodenale belegt worden. Der Wurm ist 4% Lin. lang, bewohnt das Duodenum und obere Ende des Jejunum, und ist von Dubini in 100 Leichen minde- stens zwanzig Mal angetroffen worden. Er besizt eine gelb- liche, röthliche oder braune Farbe. Von dem cylindrischen Körper zeigt sich der Kopf nicht geschieden, die runde Mundöffnung ist von vier umgebogenen Häkchen eingefasst, welche auf vier konischen Erhabenheiten stehen. Der unten keulenförmig angeschwollene Oesophagus bleibt vom schwarz- gefärbten Magen (Darm?) getrennt. Der Schwanz der weib- lichen Individuen läuft in eine stumpfe Spitze aus, der der Männchen breitet sich dagegen fächerförmig aus. In dieser membranösen Ausbreitung, welche eine Art Trichter bildet, hat Dubini eilf blinde Anhängsel bemerkt, welche er als Nebenorgane der männlichen Geschlechtswerkzeuge betrach- tet; in der ganzen Organisation dieser membranösen Aus- breitung des Schwanzes erkennt Ref. die Schwanzklappe eines männlichen Strongylus. Der Darmkanal wird entwe- der vom Eierleiter, welcher elliptische Eier enthält, oder vom Saamenkanal umschlungen. Der letztere läuft in der Mitte des Leibes in eine Art Saamenbläschen aus, und geht von hier verdünnt zu der Genitalöffnung am Schwanze hinab, wo ein keulenförmiger Penis angebracht ist. Gruby und Delafond ?:) fanden unter 250 Hunden das Blut von fünf Individuen mit sogenannten Filarien be- haftet, welche Ref. als die auf der Wanderung begriffene Brut irgend eines Rundwurms ansieht. Die Hunde erschie- nen mit diesem verminösen Blute ganz gesund. Fütterung, Ruhe, Bewegung und Aderlasse übten durchaus keinen Ein- fluss auf die Zahl, Gestalt und Lebhaftigkeit dieser Filarien aus. Die Transfusion solchen verminösen Blutes, welches von seiner Fibrine befreit war, machte das Blut eines ge- sunden Hundes sieben Monate hindurch verminös, so lange 1) Schmidt’s Jahrbücher. Bd. 41. 1844. p. 186. aus Omodei: Annali univ. di medicina. Aprile 1843. Tom. 106, p. 5. 2) Comptes rendus. 1544. p. 687., auch in der Oesterr, mediz. Wochenschrift. No. 28. 1844. p. 772, oder in Froriep’s neuen Notizen No, 645. p. 106. 83 wurde derselbe bis jetzt beobachtet. In Fröschen, welchen solches Blut injieirt war, konnten acht Tage lang Filarien beobachtet werden; dieselben verschwanden, als auch die Blutkörperchen des Hundes im Blute des Frosches zu ver- schwinden anfıngen. Wurde jenes verminöse Blut in seröse Höhlen und in Zellgewebe lebender Hunde injieirt, so gingen die kleinen Filarien zu Grunde. Klencke ') hat die mit einem Deckel dehiscirenden braunen Eier im Eierleiter des Distomum hepaticum fälsch- lich für Cysten und die in einem solchen Ei eingeschlosse- nen Dotterzellen für eben so viele Eier erklärt. Diesen Irr- thum möchte man Klencke allenfalls noch vergeben; wenn derselbe aber behauptet, dass er diese Eier, nachdem er sie aus ihren Cysten hervorgedrückt habe, Hunden und Katzen mit dem besten Erfolge eingeimpft habe, so weiss man wirk- lich nickt, was man dazu sagen soll, da derselbe offenbar nur die einzelnen Dotterzellen der zerquetschten Eier zur Impfung benutzt hat, und dennoch damit das Distomum he- paticum von einem Thiere auf andere übergepflanzt haben will. Wer kann so etwas glauben! Aber auch mit infu- sorienartigen Stabthierchen, welche Klencke in der Gallen- blase neben alten Leberegeln, in den Darmsekreten und im Blute der Schafe gefunden haben will und für die Brut der Leberegel erklärt, pflanzte derselbe das Distomum hepalicum auf Hunde und Kaninchen über. Ein von Dujardin ?) im Darme der Sorex araneus aufgefundenes Distomum erinnerte, ehe es Eier bekam, an ein in der Leber von Limax vorkommendes Distomum, so dass Dujardin auf den Gedanken kam, jenes Doppelloch habe sich in Limax zuerst entwickelt und sei später in den Darmkanal der Spitzmäuse übergewandert, um hier zur Ge- schlechtsreife zu gelangen. Ref. muss diesen Gedanken thei- len, zumal da mit Distomum echinatum etwas ganz Aehn- liches vorgeht. Dieses Doppelloch entwickelt sich nämlich in Lymnaeus-Arten und kömmt aber erst, nachdem diese Schnecken von Enten, Gänsen, Kormoranen und Kranichen verschluckt worden, im Darme dieser Vögel zur vollständi- en Geschlechtsreife. Dujardin macht aus jenem Distomum er Spitzmäuse die neue Gattung Brachylaimus, zu wel- cher noch mehrere andere Distomen gezogen werden, aus deren Schlundkopf die beiden blinden Darmschläuche ohne Oesophagus unmittelbar hervortreten. Dujardin theilt die 1) Ueber die Kontagiosität der Eingeweidewürmer, p. 120. 2) Annales des sciences nat, T. 20. 1543. p. 8 54 hierher gezählten Distomen je nach der Lage der männlichen Geschlechtswerkzeuge in mehrere Unterabtheilungen. Bei ei- nigen Bachylaimen mündet nämlich das männliche Geschlechts- organ vor dem Bauchnapfe aus, bei anderen dagegen in der Mitte zwischen Bauchnapf und Hinterleibsende, während der Eierleiter sich vorn nach aussen öffnet, Am Hinterleibsende dieser Tremaloden führt eine Oeflnung zu einer kontraktilen Höhle, von welcher vier gewundene, unter einander anasto- mosirende Seitenkanäle nach oben abgehen, die hier und da mit undulirenden Cilien versehen sind. Ref. erkennt aus dieser Beschreibung das den Trematoden eigenthümliche Ex- kretionsorgan, so wie das in verschiedenen Trematoden vor- kommende, mit Flimmerlappen ausgerüstete Gelässsystem, welches Dujardin von jenem Auswurfsorgane nicht unter- schieden hat. Nach Kölliker ') entwickeln sich die Eier von Disto- mum tereticolle in der Art, dass sich mitten in der dichten körnigen Dottermasse die ersten Embryonalzellen bilden, sich vermehren, den Dotter durchbrechen und denselben nach und nach gänzlich aufzehren. Die Embryone sind wurmartig, bewegen sieh sehr träge, und lassen, ausser ei- nem dunkeln Theile im Kopfende und einem anderen kanal- artigen, durch den Leib sich hinziehenden Theil, keine wei- tere Organisation in ihrem Innern erkennen. Ein von Will?) in den Wasserkanälen der Bero& ru- fescens entdecktes Distomum mit geringeltem Leibe und ein- ziehbarem Schwanzende nebst ungestieltem Bauchnapfe ent- hielt ein gabelförmiges Exkretionsorgan, welches seine beiden Seitenäste bis zum Mundende hinaufsendete, wo sich beide unter einem spitzen Winkel vereinigten. Rathke ®) beschreibt Phylline Hippoglossi Ok. als Tri- stoma hamatum, und behauptet mit Recht, dass dieser Wurm nicht zu Tristoma elongatum gerechnet werden könne (wie dies Diesing gethan hat), sondern als selbstständige Gat- tung und Art bestehen bleiben müsse, indem sich dieser Schmarotzer durch die Anwesenheit von vier hornigen Häk- chen auf der nur wenig konkaven Fläche des Hinterleibs- Napfes und durch viele strahlenförmig geordnete Wärzchen auf diesem Saugnapfe auszeichnet. Nach Rathke soll die männliche Geschlechtsöffnung in einiger Entfernung hin- 1) Dieses Archiv. 1843. p. 99. 2) Wiegmann’s Archiv. 1844. Bd. I. p. 343. 3) Noy. Act. Acad. Leop. Car. Nat. Cur. T. XX. P, 1. 1843, pag. 238. 85 ter dem Munde auf der Mittellinie des Bauches angebracht sein, was jedoch nieht richtig ist, dieselbe ist nämlich nach des Ref. Erfahrung ganz vorn neben der linken Sauggrube nach aussen am scharfen Seitenrande des Leibes angebracht, von wo ein langer Penis sich schräg nach der Mittellinie des Leibes hinbegiebt. Johnston (in den Annals of natu- ral history. Vol. 1. 1838. pag. 431. Pl. 5. Fig. 3.) hat da- von eine recht gute, von Rathke nicht gekannte Abbildung geliefert. Die beiden in der Mitte des Leibes gelegenen grösseren, rundlichen Organe sind gewiss die Hoden, wäh- rend ein anderes, ebenfalls aus dem Innern weisslich hin- durchschimmerndes und vor den beiden Hoden gelegenes rundes Organ, welches Rathke ebenfalls zu den männlichen Geschlechtswerkzeugen rechnet, entweder eine Vesicula se- minalis interior oder ein Keimbläschenorgan darstellt. Henle :) bemerkte in einem sehr lesenswerthen Be- richte über die Arbeiten im Gebiete der rationellen Patholo- gie seit Anfang des Jahres 1839 bis Ende 1842 (Parasiten), . dass sich in den Seitengefässen der Cercaria echinata, deren Vorderleib bis zum Bauchnapfe überall mit kleinen Dornen besetzt ist, an vielen Stellen Flimmerbewegungen zeigen, und dass viele Exemplare grössere und kleinere kugelige, den sogenannten Glaskörpern -der Blasenwürmer ähnliche Körperchen vorfinden. Dieselben sind oft concentrisch ge- streift. wie mit einem centralen dunkeln Kerne versehen, und zerbrechen beim Drucke. Diese Körperchen kennt auch Ref. aus mehreren anderen Cercarien, sie stecken in der Höhle des Exkretionsorgans und sind bei Cercaria Ephemera von Ehrenberg (Symbolae physicae) für Eier gehalten worden. Dujardin?) erkannte in den mit drei ovalen einfachen Eihüllen umgebenen Eiern der Proglottis pistillum, eines von ihm in Sorex araneus entdeekten Bandwurms, die bekann- ten, durch 6 Häkchen ausgezeichneten Embryonen. Die 7 bis 14 ersten Glieder des Bandwurms, welcher am Kopfe einen Hakenrüssel besitzt, sind nach Dujardin geschlechts- los und bilden den Hals des Thieres, die 5 bis 6 folgenden Glieder enthalten nur männliche Geschlechtstheile, welche sich am Vorderrande eines jeden dieser Glieder durch einen oblongen, querliegenden Hoden und einen seitlich ausmün- denden Lemniscus zu erkennen geben. Ein bis zwei darauf 1) Zeitschrift fur rationelle Medizin. Herausgegeben von Henle und Pfeufer. Bd. Ill. Heft 1. 1844. p. 6. 2) Aunales des sciences nat, T. 20. 1843. p. 342. 86 folgende Glieder sollen hermaphroditisch und die fünf letzten nur weiblich sein. Ref. ist der Meinung, dass sich bei Pro- glottis die allmählige Entwicklung der Glieder vom Halse aus nach hinten nicht anders, als bei den übrigen Band- würmern verhalte. Die Entwicklung der mannlichen Ge- schlechtswerkzeuge in den stets hermaphroditischen Band- wurmgliedern beginnt nämlich früher und rückt schneller vorwärts, als die der weiblichen Geschlechtsorgane; ferner strotzen in den hintersten sogenannten reifen Gliedern die Eierbehälter so sehr von Eiern, dass die männlichen Zeu- gungsorgane, welche in diesen Gliedern keineswegs fehlen, sondern ihre Funktion bereits beendigt haben und collabirt sind, dadurch ganz in den Hintergrund gedrängt werden. In den ovalen Eiern eines den Darm von Salmo Umbla bewohnenden, wahrscheinlich neuen Bothriocephalus bemerkte Kölliker ') zwischen spärlichen Dotterkörnern ein grosses Keimbläschen. Innerhalb dieser Eier bildet sich nach Köl- lıker eine Brut von Zellen aus, welche, je stärker sie sich vermehren, die Dottermasse auseinander drängen. Diese letztere nimmt immer mehr ab und schwindet zuletzt ganz, während aus den immer kleiner gewordenen Embryonalzel- len ein mit den 6 Häkchen bewaffneter Embryo hervorgeht. Auffallend ist es übrigens, dass mit der Entwicklung des Embryo auch das ganze Ei an Umfang zunimmt. Unter dem Namen Dithyridium hat Valenciennes?) einen kleinen bandwurmartigen, in der Bauchhöhle von La- certa viridis schmarotzenden Helminthen beschrieben, wel- cher keine Gliederung besitzt, sondern nur quergefaltet ist. Der Leib trägt am Kopfende vier Saugnäpfe und führt jeder- seits zwei wellenförmig gebogene Längskanäle in sich. Im Innern des Parenchyms waren besonders nach vorn unre- gelmässige eckige Körnchen und nach hinten eine gelbliche Masse von zelligem Ansehen enthalten, welche letztere Va- lenciennes als die erste Anlage von Geschlechtsorganen betrachtete. Jedenfalls ist dieser Schmarotzer ein noch jun- ger, nicht gehörig entwickelter Bandwurm, der noch nicht verdient, zu einer besonderen Gattung erhoben zu werden, Klencke °) theilte auch über die Cestoden höchst merk- würdige Dinge mit, von denen er nicht erwarten konnte, dass sie Helminthologen glauben sollen. Derselbe erkannte 1) Dieses Archiv. 1843. p. 91. 2) Comptes rendus. 1844. p. 544. oder Annales des sciences nat. T. II. 1844. p. 248. oder Froriep’s neue Notizen. No. 727. p. 5. 3) Ueber die Kontagiosität der Eiogeweidewürmer, p. 147. 87 nämlich in den Eierstöcken (!) der Taenia Solium und ser- rata die lebenden Jungen als „7 — 5; —1 Linie grosse Würmehen mit zart geringeltem Körper und einem spitzen Fortsatze am Kopfe. Er hat diese jungen Tänien vierzehn Tage in reinem Wasser lebend erhalten, und, nachdem er sie hierauf hatte vertrocknen lassen, mit warmem Wasser wieder ins Leben gerufen. Dieselbe Bandwurmbrut benutzte Klencke mit Glück zur Ueberpflanzung des Bandwurms auf Katzen und Ziegen, indem er jene Brut dem Getränke dieser Thiere beimischte. Rokitansky !) beobachtete den Verkreidungsprozess auch am Cysticereus cellulosa, welcher, wie es scheint, nur in den willkürlichen Muskeln des Menschen vorkömmt; die- ser Blasenwurm nimmt im Gehirn die graue Substanz am häufigsten ein und soll verkreidet alsdann von einem blossen verkreideten Tuberkel schwer zu unterscheiden sein; in ei- nem solchen Falle, meint Rokitansky, könne die Diagnose desselben nur durch das gleichzeitige Vorhandensein anderer lebender Cysticereen mit Sicherheit fesgestellt werden. Eine solche Schwierigkeit in der Diagnose mag allerdings eintre- ten, wenn man den Gebrauch des Mikroskops verschmäht, mittelst welches man auf das Leichteste und Bestimmteste einen abgestorbenen Cysticercus an den zurückgebliebenen unvergänglichen Jläkchen des Hakenkranzes herauskennt. Bendz ?), welcher mehrere Individuen eines unter der Haut eines wassersüchtigen Maulwurfs gefundenen Cysticereus un- tersuchte, bemerkte auf dem Boden der Schwanzblase meh- rere kleine rundliche Hervorragungen von verschiedener Grösse, welche aus zelligem Gewebe bestanden, und durch Fäden mit der Schwanzblase zusammenhingen. Aus diesen Körpern sollen sich neue Cysticercen entwickeln und später ablösen, so dass sich also diese Blasenwürmer mittelst Sprossenbildung vermehren. Derselbe Beobachter vermuthet ferner, dass sich auch Coenurus cerebralis durch Abschnü- rung kleinerer Blasen erzeugen können, und dass vielleicht die kleinen Coenurus-Blasen, welche neben einer grösseren Coenurus-Blase zuweilen im Gehirne eines Schafes vorkom- nen, auf diese Weise entstanden sein könnten. Von Klencke®) sind die im Leibe von Gysticercus verbreiteten Glas- oder Kalkkörperchen für die Eier dieses Thieres genommen worden. Die Ueberpflanzungsversuche, 4) Handbuch der pathologischen Anatomie. Bd. II. p. 367. u. 839. 2) Isis. 1514. p. 513. 3) Ueber die Kontagiosität ete. p. 25. u, 101. 83 welche derselbe mit diesen vermeintlichen Eiern anstellte, fielen wieder ganz befriedigend aus. Bei Coenurus cerebralis muss es Klencke übersehen haben, dass dieser Blasenwurm dieselben Glaskörper besitzt, daher er hier mit Fragmenten, welche mehrere oder einzelne Köpfe besassen, die Ueber- pflanzungsversuche anstellte, und zwar, wie es sich erwar- ten liess, mit dem besten Erfolge. Auch Goodsir :) hat den Fehler wiederholt, und die scheibenförmigen Kalkkörperchen im Halse der Coenurus- Köpfchen für Eier genommen. Er will an diesen Eiern nicht bloss Eihüllen, Dotterhüllen, Keimbläschen und Keimfleck gesehen haben, wobei ihn das concentrische Gefüge dieser Kalkkörperchen irre geleitet hat, sondern er will sogar auch die Durchfurchung des Dotters an diesen Eiern gesehen ha- ben; höchst wahrscheinlich hat Goodsir die unter dem Pressschieber leicht in vier Stücke zerbrechbaren Kalkkörper- chen für durchfurchte Eier gehalten. Wenn sich Goodsir vergeblich nach dem Wege umgesehen haben will, auf wel- chem diese Eier aus dem Halse der Coenurus-Köpfe nach aussen gelangten, kann man sich natürlich darüber nicht wundern, Mayor hat die Brut von Echinococeus ganz richtig beschrieben. Derselbe bezeichnet die Bläschen, welche die Brut in sich entwickeln und aus der inneren Fläche der Mutterblase hervorsprossen, mit dem Namen Capsules de l’Echinocoque, und unterscheidet sie so von der eigent- lichen Mutterblase, welche er Hydatide nennt. Der zarte innere Hautüberzug, welcher die innere Fläche der Mutter- blase auskleidet und aus welchem die Capsules de l’Echino- coque hervorsprossen, wird von ihm Membrane capsulaire genannt. Derselbe behauptet ganz richtig, dass in einer Cyste Hydatiden (Echinoeoccus-Blasen) vorkommen kön- nen, von welchen einige sehr viele Capsules de l’Echino- coque, andere nur sehr wenige enthalten, und endlich solche, welche keine Spur derselben besitzen. In einer recht guten Monographie wurde von Livois?) der Unterschied zwischen einer serösen Cysie und einem Echinococcus klar auseinan- der gesetzt. Derselbe will in keiner Echinococcus-Blase die kleinen Echinocoecen vermisst haben, hält aber die bekann- 1) Transactions of the royal society of Edinburgh, Vol. 15, 4844. p. 561. 2) Livois: Recherches sur le Echinocoques chez l'homme et chez les auimaux. Paris 1843. Vergl. The british and foreign medi- cal review. No. 33, 1844. p. 194, 89 ten, schon oft besprochenen Kalkkörperchen im Innern der Echinococcus-Brut für Eier oder Keime, und kann keinen Unterschied zwischen Echinococcus hominis und veterinorum herausfinden. In einer von Thiel!) geschriebenen Dissertation befin- det sich eine durch Scherer angestellte chemische Analyse der Membranen der Echinococeus-Blasen, nach welcher die- selben aus Albumin bestehen, während ihr flüssiger Inhalt aus Wasser und Salzen ohne Spur einer albuminösen Sub- stanz zusammengesetzt ist; 1000 Theile der ganzen Masse hinterliessen eingetrocknet 26,79 festen Rückstand und ver- brannt 4,57 Asche, welche aus schwelfelsaurem, phosphor- saurem und kohlensaurem Natron, aus Chlornatrium und phosphorsaurem Kalk bestand. Es waren also in diesem fe- sten Rückstande 22,22 Proteinsubstanz und 4,57 Salze ent- halten. Die vier Saugnäpfe der Echinococeus-Brut werden wieder einmal von Thiel für eben so viele Mundöffnungen gehalten. Die jungen Echinococeen sollen nach Abwerfen des Hakenkranzes und der Saugnäpfe in Acephalocysten übergehen, was aber Thiel nicht direkt beobachtet hat. Von den charakteristischen Häkchen des Hakenkranzes der Eebinococeus-Brut, so wie von dem blätterigen Bau der Echinococeus - Blasen hat Ref. eine Abbildung geliefert. Nach Lebert soll im Innern der noch lebenden und sich en Thiere Flimmerbewegung vorkommen. Unter sich bewegenden Thieren hat Lebert?) doch wohl die Brut des Echinococeus verstanden. Es wäre zu wünschen gewesen, dass derselbe auch noch genauer angegeben, an welcher Stelle er in der Brut jene Flimmererscheinung wahr- genommen habe, dem Ref. wenigstens ist dies noch dunkel geblieben. Von Rokitansky°), welcher übrigens noch von Ace- haloeysten spricht, ist der Echinococeus hominis in den Biken und im Herzfleisch sehr selten gefunden worden. Einen Fall von Echinococeus veterinorum in den Wandun- n der rechten Herzkammer eines Rindes hat Alessan- rini*) mitgetheilt. Ein von Diekson°) mitgetheilter Fall, wo ein nosseliger; mit melicerisartiger Substanz ge- füllter Sack in der Leber eines 25 Jahre alten Menschen 1) Thiel: Ueber den Echinocaceus. Dissert, Würzburg 1544, 2) Dieses Archiv, 1544, p. 217, 3) Handbuch für patholog. Anatomie. Bd. Il. p. 364. u. 465. 4) Isis. 1843. p. 628. 5) Schmidt’s Jahrbücher. Bd. 39, 1843. p. 294, 90 Hydatiden von der Grösse eines Nadelknopfs bis zu der eines Eies und mehrere andere eingeschachtelte Hydatiden enthal- ten hatte, bezieht sich gewiss auf Echinoeoceus hominis. Wilson'), welcher einen Fall von Echinococeus hominis in der Leber beobachtet hat, waren höchst wahrscheinlich die Stränge am Hinterleibsende der jungen Echinoeoecen auf- gefallen, durch welche diese mit den Echinococcus-Kapseln zusammenhängen, er hielt aber diese Thiere für eine beson- dere Art von Blasenwürmern, für welche er den Namen Cysticercus pedunculatus vorschlägt. Rose?) theilte drei Fälle von Echinococcus hominis mit, in welchen Echinocoecus-Blasen aus einem Leber- abscess, ferner durch die Lungen nach oben und durch den Darmkanal nach unten entleert wurden. Auch in einem Affen fand derselbe die Lungen, die Leber, das Omentum und Mesenterium mit Echinococeus-Blasen besetzt. Rose konnte von der inneren Fläche dieser Blasen eine zarte Schicht abtrennen, welche mit sphärischen, einen Kern ent- haltenden Körperchen besetzt war und in welchen Ref. die unter dem inneren Epithelium der Echinococeus-Blasen ver- borgenen Kalkkörperchen zu erkennen glaubt. Zwei Fälle von Hydatiden - Bildungen innerhalb der Bauchhöhle, welche durch Gairdner und Lee beobachtet wurden ?), haben die Aufmerksamkeit der Aerzte und Hel- minthologen auf sich gezogen, indem Goodsir die patholo- gischen Gebilde in beiden Fällen mikroskopisch untersucht hat und ganz eigenthümlich beschaffen angetroffen haben will. Derselbe meinte nämlich, dass diese Gebilde von zwei neuen Arten Blasenwürmern herrührten, welche er Disco- stoma Acephaloeystis und Astoma Acephalocystis nannte. Ref. konnte sich übrigens aus der Beschreibung und Abbildung des ersteren Blasenwurms durchaus keinen rechten Begriff von diesem Parasiten machen, und vermu- thet, dass das Ganze am Ende nur eine grosse abgestorbene Echinococeus-Kolonie gewesen ist, wenigstens spricht die Menge der Blasen, ihre verschiedene Grösse und Ineinander- schachtelung, so wie die durch Zusammendrückung entstan- 1) Dublin medical press, No. 309. Dec. 1844 p. 361. 2) London medical Gazette. 1844. Jul. p. 525. 3) The Edinburgh medical and surgical Journal. 1844, Octob. p. 269. Cases and observations illustrating Ihe history and patho- logical relations of Iwo Kinds of hydatids, hitherto undescribed. By Gairdner and Lee with mieroscopical observations by Goodsir. Vgl. auch das Archiv für physiologische und palhologische Chemie und Mikroskopie. 1844. Heft 3. p. 231, 9 dene unregelmässige Gestalt und Zerreissung derselben da- für. Sehr häufig verwandelt sich der flüssige Inhalt der Eehinococeus-Blasen, nach ihrer Berstung, sammt den zer- rissenen und in der Auflösung begriffenen Häuten derselben in eine gallertige Masse, welche wie ein Gelde-Ueberguss die übrigen noch unverletzten Echinococeus-Blasen einhüllt. In obigem Falle mag etwas Aehnliches Statt gefunden ha- ben, daher die Masse, in welcher die blasenförmigen Körper eingebettet lagen, nach Entfernung der letzteren ein honig- wabenartiges Ansehen zeigten. Dass die ganze Masse von keiner Cyste umgeben gewesen ist, spricht nicht gegen den Echinococeus, da dieser in seltenen Fällen auch nicht enky- stirt vorkömmt. Der zweite Fall lässt sich vielleicht eben- falls auf Echinococcus reduciren, da auch ineinander ge- schachtelte Blasen der verschiedensten Grössen vorhanden waren und auf der inneren Fläche derselben hervorspros- sende Brut bemerkt worden war. Ueber die Filarien, welche Goodsir in der gallertigen Umgebung der Blasenkörper an- etroffen haben will, wagt Ref. kaum ein Urtheil zu fällen. Nur so viel muss Ref. bemerken, dass er in der Abbildung derselben keine Fadenwürmer erkennt. Schwarz ist der mittlere körnige Theil dieser fadenförmigen Körper, wie Goodsir behauptet, wahrscheinlich nicht gewesen, sondern eher farblos, und ist nur bei durchfallendem Lichte unter dem Mikroskope schwarz gesehen worden. Es werden über- haupt bei der Angabe der Farben mikroskopischer Gegen- stände von den Beobachtern die Verhältnisse, unter welchen sie gesehen worden sind, namentlich ob bei durch- oder auffallendem Lichte, noch viel zu wenig beachtet. Klencke!) hat die käsige Masse, welche sich häufig in dem wässerigen Inhalte der Echinococeus-Blasen nieder- schlägt, für den Eierstock dieser Blasenwürmer erklärt und mit dieser Eierstocksmasse die glücklichsten Uebertragungs- versuche angestellt. An den Wandungen der Echinococeus- Blasen hat er Mundöflnungen und Darmröhren, in der Echi- nococeus-Brut dagegen Eier wahrgenommen, welche letzte- ren sich zu Klumpen vereinigen und mit einer Cyste umgeben sollen. Solche Cysten würden dann Acephalocysten genannt, seien aber eigentlich nichts anderes, als enkystirte Ovarien. -Helminthes dubii. Scortegagna?) hat zwei neue Würmer durch Chabert’s Oel abgetrieben, welche er Lum- 1) Ueber die Kontagiosität der Eingeweidewürmer, pag. 14. pag. 83 u. d. f, 2) Omodei: Annali etc. 1844. Nov. pag. 301, 92 bricus rostratus und Filaria policotoma genannt, aber nicht näher beschrieben hat. Von Erdl:) sind jene beweglichen Fäden in den Venenanhängen der Cephalopoden, auf welche übrigens schon Krohn (in Froriep’s neuen Notizen, 1839, No. 234. pag. 214.) aufmerksam gemacht hatte, beschrieben und abgebildet worden. Sie stellen längliche Schläuche dar, welche sich winden, verlängern, umbiegen und mittelst eines Flimmerepitheliums schnell im Wasser umherschwimmen. An dem Kopfende, wo Erdl eine Mundöffnung gesehen ha- ben will, konnte Ref. immer nur eine grubenartige Vertie- fung wahrnehmen, mit welcher sich diese Wesen anzusaugen vermochten. Im Innern derselben waren kugelige Körper- chen von verschiedener Entwicklung hintereinander aufge- reiht, von welchen die am meisten entwickelten Individuen sich durch einen Wimperüberzug infusorienartig bewegen konnten. Ref. glaubt in diesen Schläuchen mit ihrem infu- sorienartigen Inhalte die Larven eines dem Generationswech- sel unterworlenen Thieres zu erblicken. Zugleich macht Ref. auch auf die Aehnlichkeit aufmerksam, welche jene in- fusorienartigen Körperchen mit den räthselhaften, von Joh. Müller beschriebenen ungeschwänzten Psorospermen (in diesem Archiv, 1841, Taf. XII. Fig. 3. a. g. und Fig. 9. a.) zeigen. Goodfellow ?) bemerkte im Blute und in dem ausge- brochenen Mageninhalte eines Typhuskranken Myriaden sehr beweglicher Thierchen von „45 — 745, Linien Länge, an welchen er weder Kopf- noch Schwanzende unterscheiden konnte. Dieselben Körperchen wurden von ihm auch im blutigen Exsudate der Mund- und Nasenschleimhaut, so wie 48 Stunden nach dem Tode in der Aorta, Carotis, Vena cava und in der Magenflüssigkeit erkannt. Ref. kann in die- sen Wesen nichts anderes erkennen, als die alle faulenden und gährenden Flüssigkeiten in so zahlloser Menge beleben- den Vibrionen. Ebenso schliessen sich die von Hammer- schmidt °) im Harne der Schlangen gefundenen neuen En- tozoen, welche in ihren Bewegungen für Spermatozoiden gehalten werden können, in ihrer Gestalt an Bodo und an die Schwanzmonaden an. Die nach Gruby’s und Dela- s 1) Wiegmann’s Archiv. 1843, Bd. I. p. 162. 2) The Lancet. 1844, Oct. p. 45. oder The London medical Gazette. 1844, Aug. p. 724. 3) Archiv für physiologische und pathologische Chemie und Mi- kroskopie. 1844. p. 83, 93 fond’s gemachten Beobachtungen i) im Pansen und Netze der Wiederkäuer während der Verdauungszeit vorkommen- den vier Arten von lebenden Thierchen gehören höchst wahr- scheinlich in dieselbe Kategorie der in gährenden Substanzen sich entwickelnden Infusorien. Das Pferd soll während der Verdauungszeit sogar sieben Arten dieser Thierchen im Coe- eum und Colon. enthalten, während im Magen des Hundes nur zwei Arten, im Magen des Schweines nur eine Art die- ser Monaden gefunden werde, was mit der Verdauung ve- getabilischer und animalischer Nahrungsstoffe in einem engen Zusammenhange stehen soll. Von Klencke ?) sind im Blute derjenigen Menschen, welche häufig an Schwindel litten, kleine schlangen- und fischähnliche Thierchen verschiedener Grösse entdeckt wor- den. Dieselben sollen sich sehr lebhaft bewegen, theils schlängelnd schwimmen, theils raupenartig kriechen, woraus man sich wohl kein deutliches Bild dieser Wesen machen kann; wirft man aber einen Blick auf die von Klencke ge- lieferten Abbildungen dieser Haematozoen, so wird man sich überzeugen, dass sie nichts anderes vorstellen, als jene Vi- brionen, welche sich in allen faulenden thierischen Flüssig- keiten, in faulendem Blute, faulendem Eiweiss ete. entwik- keln und auch in faulenden Geschwüren fast nie fehlen ®). Aehnlich wird es sich wahrscheinlich auch mit den in den Beulen eines Syphilitischen von Brunetta *) aufgefundenen Würmern verhalten. Ein im Blute der Frösche vorkommendes Haematozoon ist von Gruby °) mit dem Namen Trypanosoma sangui- nis belegt worden. Das Wesen besteht aus einem läng- lichen platten Körper, der an beiden Enden fadenförmig aus- läuft, an dem einen Seitenrande ausgezackt ist und sich um seine Längsaxe dreht. Dieser eine Seitenrand des Körpers ist aber von einem Flimmerlappen gesäumt und erscheint nur durch optische Täuschung zackig. Auch Mayer°) be- 1) Comptes rendus, 1543. p. 1304. oder Froriep’s neue Noti- zen. 1843. No, 609. p. 233. 2) Neue physiologische Abhandlungen. 1843. p. 165. Fig. 25. 3) Vogel: Icones histologiae patbologieae. Tab. XI. Fig. X. 4) Vergl. die Nachrichten über den Gelehrtencongress zu Lucca, mediz, Sektion. Allg, Augsburger Zeitung vom 14. October 1843, Beilage. p- 2247. 5) Comptes rendus, 1543. p. 1134. oder Annales des sciences nat. 1844. Tom, 1. p. 104, Pl. 1, B. oder Froriep’s neue Notizen. 1843, No. 604, p. 152. 6) De organo electrico el de haematozois. 1843. p. 10, Tab, II, Fig. 10. 11. 94 obachtete im Blute des grünen Grasfrosches zwei verschie- dene Thierchen, von welchen das eine, Paramaecium lo- ricatum oder costatum, eiförmig, ‘schräg gestreift und vorn mit Cilien besetzt gewesen sein soll, während das an- dere, Amoebarotatoria, langgestreckt, von sehr veränder- licher Gestalt und mit einem seitlichen, räderartigen Flim- merapparate versehen war. Beide Thierformen gehören gewiss auch zu dem von Gruby beschriebenen Trypano- soma; ebenso wird das von Hyrtl:) im Seitenkanale einer Forelle entdeckte Entozoon, welches mit den von Valentin im Blute dieses Fisches beobachteten Würmern überein- stimmte, hierher zu rechnen sein. Eigenthümliche bewegliche Wesen nahm Will?) in den Höhlen der Mägen, der Athemröhren und der Geschlechts- organe von Diphyes Kochii wahr. Sie waren länglich, an beiden Enden zugespitzt, glatt und etwas abgeplattet, schwank- ten zwischen der Grösse von -- — „;, Lin. und schlängelten sich sehr lebhaft umher. Sie hingen sich auch mit dem ei- nen knoplförmigen Ende ihres Körpers an und bewegten den freien Theil schlangenförmig hin und her. Von innerer Struktur war nichts zu erkennen. Aehnliche bewregliche Körperchen hat Will auch in Ersaea pyramidalis, truncata und elongata bemerkt. Vielleicht sind diese Wesen die Sper- matozoiden der genannten Röhren - Quallen. Pseudohelminthes. Von Goodsir °) sind die in den niederen Crustaceen und Cirrhopoden sich entwickelnden haarförmigen Spermatozoiden unbegreiflicher Weise für Fi- larien erklärt worden. Berres *) hat die Spermatozoiden im Allgemeinen für Thiere erklärt. Derselbe will bei den menschlichen Spermatozoiden im Innern des Körpers eine granulöse, verschiedenartig gruppirte Masse gesehen haben, welche bei manchen Individuen eine Art von Fluktuation an sich wahrnehmen lassen. Bei einigen glaubte Berres in der Achse des Körpers eine mit farbigem Stoffe gefüllte Röhre bemerkt zu haben, und bei den meisten war ihm in der Gegend des Schwanzes ein lichtes rundes Bläschen, viel- leicht ein Magen oder Eierstock (?) aufgefallen, woraus er den Schluss zog, dass die Spermatozoiden des Menschen mannigfaltig organisirte Thiere seien; auch will er an die- sen Spermatozoiden bemerkt haben, dass sie durch Ein- 1) Dieses Archiv. 1843, p. 238. 2) Horae tergestinae. 1544. p. 78. und 81. 3) Froriep’s neue Notizen. 1844. No. 627. p. 163. 4) Oesterr. mediz. Jahrbücher. 15843. p. 141. 95 schnürungen ihrem Körper verschiedene Gestalten geben können. Ref. muss das von Mayer') als neues Entozoon un- ter dem Namen Acanthosoma Chrysalis beschriebene Thier für einen Pseudohelminthen erklären, denn er erkennt in diesen von Mayer auf der äusseren Oberfläche des Magens und zwischen den Platten des Omentums der Rana esculenta angetroffenen kleinen Würmchen die Larven einer lebendig gebärenden Tachina, welche Fliege wahrscheinlich von dem Frosche verschluckt worden war. Die aus dieser Fliege nach- her hervorgekrochenen Maden hatten sich instinktmässig durch die Häute des Froschmagens gebohrt und waren so zwischen die Platten des Peritonäums eines Frosches, statt in die Lei- beshöhle einer Raupe gerathen. Die hornigen Organe an dem einen Ende dieser vermeintlichen Helminthen, welche Mayer für die männlichen Begattungsorgane nehmen wollte, waren die spitzen Kiefer dieser Tachinen - Larven, deren Leib stets mit Gürteln von nach rückwärts gerichteten Sta- cheln besetzt ist. Fliegenmaden, welche sich in der kariö- sen Kniegelenkhöhle eines Soldaten entwickelt hatten, sind von Hampeis*) als problematische Helminthen beschrieben worden. Echinodermata. Ein neues von J. Müller?) unter dem Namen Phascolo- soma seutatum beschriebenes Thier ist durch zwei scharf abgesetzte, harte, lederarlige Scheiben bemerkenswerth, von welchen die eine Scheibe an dem Uebergange des Körpers in den Rüssel schief von oben nach unten angebracht ist, und die andere das Ende des Leibes bildet. Beide Scheiben bestehen aus einem verdiekten Theile der allgemeinen Haut- bedeckung mit strahlenförmigen Erhabenheiten. Die After- öffnung liegt dicht hinter der vorderen Scheibe, die Muskeln des Rüssels befestigen sich an die innere Fläche der End- scheibe. Die beiden Genitalschläuche, so wie der gefässar- tige Strang an der Leibeswandung und am Darme verhalten 1) Medizinisches Correspondenzblatt rheinischer und westfäli- scher Aerzte, 1544. No. 5. p. 73. oder Dieses Archiv. 1844, p. 409. Taf. X. Fig. 5—8, oder Froriep’s neue Notizen. 1844. No, 635. pag. 296. 2) Oesterr, mediz. Wochenschrift. 1544, p. 729. 3) Wiegmann’s Archiv. 1544. Bd, I. p. 166. 96 sich nach Müller’s Untersuchungen ganz wie bei Phascolo- soma granulatum. Costa!) erweiterte die Beobachtung des Quatrefages über die durchlöcherten Kalkkörperchen der Holothurien und insbesondere der Synapten, indem er zeigte, dass die Anker, welche mit Knorpelmasse auf ihren Schilden eingelenkt sind, vermittelst besonderer Muskeln bewegt werden; auch bestätigt derselbe das Vorkommen kleiner beweglicher Körper (Sper- matozoiden) innerhalb der Geschlechtstheile von Synapta. Von Rathke?’) sind in der warzigen Haut der fusslosen Holothuria inhaerens Müll. ankerföürmige und netzförmige Kalkkörperchen entdeckt worden, wodurch sich dieses Thier also für eine Synapta zu erkennen gegeben hat. Dieses Thier besitzt übrigens einen Kalkring hinter den Tentakeln und zwei Eierstöcke, welche aus zwei bis drei spindelför- migen, zu einem kurzen engen Ovidukt sich vereinigenden Schläuchen bestehen, wogegen ihm Athemorgane fehlen. Eine bei Christiansund gefundene, wie eine Erbse geformte kleine Holothurie nannte Rathke Holothuria flava. Von dem mit zehn Tentakeln besetzten Munde derselben laufen fünf seichte Furchen bis zum After, die übrige Körperober- fläche ist von Warzen bedeckt, welche Kalkplatten und An- ker enthalten, Füsse und Athemorgane fehlen auch hier. Auf den fünf Kanten von Holothuria fusus Müll. befinden sich Reihen kleiner Auswüchse ohne Saugnäpfe, auf den Zwischenräumen des Körpers dagegen laufen andere Reihen von Auswüchsen herab, welche mit Saugnäpfen versehen sind, Die Cutis dieser Holothurie enthält Kalkplatten von unregelmässiger Form, die fünf Längsmuskeln der Haut zei- gen sich nur schwach entwickelt. Die Geschlechtswerkzeuge sind verzweigt, der Darm macht mehrere Windungen und die beiden Athemorgane bilden baumartige Verästelungen. Von Quatrefages‘) wurde das getrennte Geschlecht der Holothurien und auch der Asterien bestätigt. Einige Bemer- kungen über die feinere Struktur der Kalkgehäuse verschie- dener Echiniden hat Carpenter *) mitgetheilt. Quatrefages *) erkannte an den eingelenkten Stellen der Arme von kleinen Ophiuren, nämlich da, wo die Mus- 1) Annales des sciences nat. T. 19. 1843. p. 394. 2) Nova acta Acad. nat. Cur. Vol. XX. P. 1. 1843. p. 136. 3). Comptes rendus. T. 19. 1544. oder Institut. 1844. pag. 244. oder Froriep’s neue Notizen. No. 674. p. 215. und No. 684. p. 26. 4) Annals of nat. history. Vol. 12. 1543. p. 387. 5) Annales des sciences nat. T. 19. 1843. pag. 187. oder Fro.- riep’s neue Notizen. No. 586, pag. 213. keln angebracht sind, Phösphorescenz, ohne dass ein be- stimmtes Leuchtorgan wahrzunehmen war. In Bezug auf die Fortpflanzung der Seesterne nimmt Sars') an, dass bei Echinaster sanguinolentus und Asteracanthion Mülleri die im Frühjahre von den Eierstöcken sich loslösenden Eier in die Bauchhöhle fallen und durch besondere Oelfuungen an der Bauchseite hervorkommen. Die Eier werden alsdann in eine vermittelst Einbeugung der Bauchfläche der Scheibe gebildete Bruthöhle aufgenommen, wo mit ihnen der bekannte Durch- furehungsprozess vor sich geht. Der ganze Doiter verwan- delt sich auf diese Weise in einen ovalen, mittelst Flimmer- epithelium herumschwimmenden Körper. Später heftet sich das infusorienartige Junge mit vier kolbenförmigen Warzen an die Wandungen der Bruthöhle fest, sein Körper flacht sich seitlich ab, wobei auf einer Fläche Teutakeln in fünf Doppelstrahlen hervorbrechen. Der Rand der Scheibe nimmt jetzt eine fünfeckige Form an, an den fünf Spitzen kommen augenartige Flecke zum Vorschein und in der Milte der Ten- takelflläche bricht die Mundöffnung durch. Sars sah jetzt die Anheftungsorgane verschwinden, und vermuthete, dass die Madreporenplatte vielleicht ein Ueberbleibsel dieser An- heftungsorgane ist. Ein eigenthümliches kleines Strahlthier, welches in einem medusenartigen Zustande acht birnförmige, einen einfachen runden Krystall enthaltende Randkörper an sich trägt, soll nach Kölliker's?) Meinung das Junge eines Seesternes sein. Eine sehr wichtige Abhandlung über Pentacrinus haben wir J. Müller®) zu verdanken. Nach seinen Untersuchungen besitzen die Stengelgebilde dieses Crinoiden keine Muskeln, indem der Stengel, unabhängig vom Willen des Thieres, nur durch die Anwesenheit einer elastischen Interartikularsub- stanz biegsam ist. Die Skeletbildung gehört der dorsalen Seite des Thieres an, was die Crinoiden überhaupt von den Asteriden unterscheidet. Die Sehnen und Muskeln liegen theils zwischen den Gliedern, theils in der Axe der Skelet- stücke von Pentacrinus; in dem mittleren Theile der Haupt- körpermasse stecken die Verdauungswerkzeuge verborgen, während die Geschlechtstheile von den Pinnulae getragen 1) Wiegmann’s Archiv. 1544. Bd. I, p. 169. oder Froriep's neue Notizen. No. 721. p. 263. oder Annales des sciences nat. T. 2. 1544. p. 190. 2) Froriep's neue Notizen No. 534. p. 81. 3) Veber den Bau des Pentacrivus Caput Medusae. Aus den Albandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Berlin a. d. J. 1811. Berlin 1513. p. 177. Müllers Arebiv, 1615, G 98 werden. Die Skelettheile stellen in ihrer feineren Zusam- mensetzung ein Netz- oder Gitterwerk dar. Nach Entfer- nung des Kalksalzes bleibt von diesen Skelettheilen eine thie- rische Grundlage zurück, welche an der Oberfläche des Thie- res ein zusammenhängendes Häutchen bildet. Dieses Häutchen ist bei Comatula zugleich der Sitz der Farbe. Die Glieder des Stengels von Pentacrinus sind mit fünf Ecken und fünf Einbiegungen versehen. Durch die Axe sämmtlicher Stengel glieder zieht sich ein Kanal, von welchem Seitenkanäle in die Axe der vom Stengel abstehenden Cirrenglieder hinein- treten. Die Stengelglieder sind mittelst fünf, durch den gan- zen Stengel sich hindurchziehender Sehnen unter einander verbunden. Ausserdem vermittelt noch eine eigenthümliche elastische, von sehr zarten, in Bogen verlaufenden Fäden ge- bildete Interarlicularsubstanz die Verbindung zwischen je zwei Gliedern. Eine ähnliche Interarticularsubstanz befindet sich zwischen den Gliedern der Stengeleirren. Durch den Sten- gel, die Cirren, die Arme und Seitenäste des Pentacrinus er- streckt sich innerhalb der hohlen Axe ein aus Längs- und Cirkelfasern gebildetes Gefäss, welches nach Müller’s Mei- nung zur Verbreitung der Ernährungssäfte dient. Die Bil- dung neuer Glieder geht am Stengel durch Interpolation zwischen den alten Gliedern vor sich, während sich die Glieder in den Cirren sowohl an der Basis, wie an der Spitze derselben vermehren, niemals aber durch Interpolation neue Glieder zwischen den alten Gliedern der Cirren entstehen. Die fünf Kelchradien des Pentacrinus bestehen aus drei Stücken, von denen das oberste zur Aufnahme der Arme mit 2 Gelenk- flächen versehen ist. Das erste und zweite, das zweite und dritte Kelchglied, so wie das dritte Kelchglied und die dar- aufsitzenden untersten Armglieder sind auf der Bauchseite durch Muskeln beweglich verbunden. Bei Comatula verhält sich dies ähnlich, nur fehlen die Muskeln zwischen dem zweiten und dritten Kelchgliede. An den Armen und den Pinnulae sind ebenfalls nur an der Bauchfläche die Muskeln angebracht, deren Primitivfasern mit glatten Rändern ohne Querstreifen oder Anschwellungen verlaufen. Die Streckung der Glieder geschieht durch die elastische Interartikularsub- stauz. Es kommen aber auch unbewegliche Nahtverbindun- gen an den Armen der Crinoiden vor, welche Müller Sy- zygien nannte. Die Glieder der Arme und Pinnulae sind auf der Ventralseite halbmondförmig ausgehöhlt, wodurch eine Rinne entsteht, welche sowohl bei Pentacrinus, wie bei Co- matula mit einer weichen Haut (Perisoma) brückenartig über- aogen wird. Dieses Perisoma verbindet die Kelchradien un- tereinander und ist unabhängig von der Rinne der Arme mit 99 einer Längsfurche versehen, deren Ränder von zarten kleinen und weichen eylindrischen Fühlerchen besetzt sind, welche sich verkürzen und verlängern können. Diese Fühlerchen erscheiuen inwendig hohl, an ihren Enden aber geschlossen und abgerundet, und sind an ihrer ganzen Oberfläche wieder mit kleineren cylindrischen Tentakeln besetzt. Diese Ten- takelrinnen münden ineinander und laufen zuletzt in einen den Mund umgebenden Tentakelring aus. Das Perisom der Scheibe ist bei Pentacrinus mit dünnen, durchlöcherten Kno- chenplättchen inkrustirt. Durch die Poren dieser Knochen- lättchen soll Wasser in die Nähe des im Kelche liegenden ingeweidesacks gelangen können. Bei anderen Crinoiden erscheint dieses Perisom, statt jener Kalkplättchen, mit mi- kroskopischen, stabförmigen Kalktheilchen durchsetzt. Die Eingeweide des Kelchs und Scheitels der Crinoiden werden von einer besonderen sackförmigen Haut umhüllt, in welcher hier und da netzförmige Kalkkörperchen abgelagert sind. In der Mitte der Leibeshöhle befindet sich eine spongiöse Masse, um welche sich wie um eine Spindel der Darm herumwin- det. Dieser beginnt bei Comatula am Ende des kurzen Oeso- phagus mit einem Blindsacke und verläuft bis an sein Ende gleich weit. In die Höhle dieses Darms springt von der spongiösen Spindel eine Art Lamina spiralis hinein, erstere enthält Reste von Entomostraceen und verschiedene Arten von Navicula, Actinoeyelus und Coseinodiseus. Die faltige Afterröhre der Comatulen zeigt auf ihrer Schleimhaut Wim- perbewegung. Die Falten dieser Afterröhre wirken vielleicht als Kiemen. An den Armen des Pentacrinus und der Co- matula erstreckt sich zwischen den zwei häutigen Kanälen des Perisoms, welche in der Rinne der Glieder untereinander liegen, ein Nervenstrang hindurch, der jeder Pinnula gegen- über elwas anschwillt und aus jeder seiner Anschwellungen einen Faden in die Pinnula absendet. Der untere Kanal in den Armen der Crinoiden verengert sich gegen die Scheibe hin und scheint zuletzt ganz aufzuhören, wenn er nicht viel- leicht, wie es bei Comatula das Ansehen hat, in die Höhle des Kelchs einmündet, Von diesem Kanale gehen bei Pen- tacrinus kurze konische Divertikel ab, welche zwischen zwei Gliedern bis zur Interartikularsubstanz eindringen. Der obere Kanal, welcher zunächst unter der Tentakelfurche hinläuft, scheint die Fühlerchen mit Flüssigkeit zu bear. ar Der- selbe ist bei Pentaerinus einfach; bei Comatula durch eine senkrechte Scheidewand getheilt. Von den Armen geht die- ser Kanal auf die Scheibe über, richtet sich ganz nach dem Verlaufe der Tentakelfurche und mündet zuletzt am Munde in die mittlere spongiöse Masse der Aal ein. Die G 100 Oeffnungen der Geschlechtstheile, welche Thompson au den Pinnulae gesehen haben will, müssen nach Müller’s Angaben durch Dehiscenz entstehen. Diese Geschlechtstheile stellen dickwandige Schläuche dar, welche bei einigen Indi- viduen der Comatulen nur Eier, bei anderen nur Spermato- zoiden enthalten. Diese letzteren bestehen aus kugeligen Körperchen mit zarten, fadenförmigen und beweglichen An- hängen. In der Basis des Kelchs steckt ein Säckchen ver- borgen, welches nach den Seiten die Gefässe für die Cen- tralkanäle der Arme und Cirren, nach oben einen Kanal in die spongiöse Spindel der Leibeshöhle und bei Pentacrinus zugleich nach unten einen ähnlichen Kanal in den Stengel sendet. Dieses Gefässsystem enthält wahrscheinlich einen Nahrungssaft, der ihm aus der Leibeshöhle zugeführt wird. Acalephae, Eine von Will') gelieferte sehr fleissige Arbeit hat viel zur Vermehrung unserer Kenntnisse über die feinere Struk- tur der Quallen beigetrageu. Nach seinen Untersuchungen besteht der Verdauungsapparat der Rippenquallen (Eucharis, Cydippe und Bero&) aus einem rundlichen, plattgedrückten Sacke, welcher in der Axe des Körpers liegt, ohne das hin- tere Ende desselben ganz zu erreichen. Der Grund des Ma- gens mündet durch zwei verschliessbare Oeffnungen in ein trichterförmiges Organ, welches den Grund des Magens um- fasst. Diese beiden Oeffnungen sind daher als After zu be- trachten. Der Magen wird von einer eigenen Haut gebildet, welche nach innen aus einer Zellenschicht, nach aussen da- gegen aus Ring- und Längsfasern besteht. Am Munde und im Fundus des Magens sind bewegliche Wimpern ange- bracht. Die Verdauung der Nahrungsstoffe, welche meist aus kleinen Crustaceen und bei Bero& aus anderen Rippen- quallen bestehen, sah Will äusserst schnell vor sich gehen. Der Trichter reicht vom Magengrunde bis an die äussere Oberfläche des Hinterleibes, wo er mit zwei Ausführungs- gängen sich nach aussen öffnet. Aus diesem Trichter ent- springen verschiedene gleich weite Kanäle, welche in die verschiedenen Theile des Körpers eindringen, hier theils in- einander münden, theils in ein am Munde gelegenes Ringge- fäss übergehen. Es ist dieses Gefässsystem, welches durch die beiden Ausführungsgänge Wasser aufnimmt oder austösst, f 1) Horae tergestinae oder Beschreibung und Anatomie der bei Triest beobachteten Acalephen. 1844, 101 wobei dann auch Fäces mit abgehen ‘können, wohl nichts anderes, als ein Athemorgan. Diese Wassergefässe der Rip- penquallen bestehen aus einer, mit Längsfasern versehenen feinen Haut, und sind mit einem sehr zarten Wimperepithe- lium ausgekleidet, durch welches eine doppelte Wasserströ- mung an der einen Seite hin, an der anderen zurück bewirkt wird. Die Wassergefässe werden zugleich von Blutgefässen begleitet, welche mit einer grünlich schimmernden Flüssig- keit gefüllt sind, in welcher runde oder länglich runde Kör- perchen von intensiv rother Farbe schwimmen. Diese letz- teren bestehen aus einer dünnen Haut und einer gallertartigen Masse, in welcher ein ziemlich grosser weicher Kern, von dem hauptsächlich die rothe Farbe herrührt, eingeschlossen ist. Neben diesen rothen Körperchen sah Will bei Cydippe brevicostata, einer neuen Art, noch viele ebenso grosse grün- liche Kügelchen mit runden, scharf begrenzten Kernen. Diese Blutkörperchen schienen sich fast gar nicht zu bewegen und rückten nur hier und dort von der Stelle. Will konnte an diesen Gefässen kein Kapillargefässnetz erkennen, so wie sie ihm überhaupt nur am Magen und an den Respirationsorga- nen deutlich wurden. Die Geschlechtsorgane ziehen sich an den Rippen herab, wobei eine jede Rippe von einem Ova- rium und einem Hoden eingefasst ist. Die acht Hoden und acht Eierstöcke einer hermaphroditischen Rippenqualle glei- chen sich in ihrer äusseren Form ausserordentlich. Sie stel- len Streifen dar, welche nach aussen mehr oder weniger verästelte Vorsprünge bilden. Alle Abtheilungen eines Ho- den münden in ein einfaches Vas deferens, welches unter der ganzen Rippe hinläuft; ähnlich verhalten sich die ein- zelnen Abtheilungen eines Ovarium, dessen einfacher Eileiter dem Vas deferens gegenüber auf der anderen Seite der Rippe herabläuft. Will konnte niemals diese beiden Gänge inein- ander münden sehen, aber auch niemals ihre Mündungen nach aussen entdecken. Die lebhaften Spermatozoiden der Rippenquallen sind oval und besitzen einen zarten Haaran- hang. Die Eier derselben erscheinen durch enges Aneinan- derrücken im Eierstocke polyedrisch und im Eierleiter läng- lich rund. Die Zeugungsfähigkeit dieser Rippenquallen scheint sich sehr früh zu entwickeln, denn Will hatte schon bei Beroön von 4 Zoll Länge die Eier und Spermatozoiden voll- kommen ausgebildet gefunden; an diesen Thieren war aber, mochten sie klein oder erwachsen sein, ausser der Brunstzeit kaum eine Spur von Geschlechtsorganen wahr- zunehmen, Will erkannte nicht, wie Grant und Patterson, den mit Ganglien besetzten Nervenring am Munde, beobachtete 102 aber am entgegengesetzten Ende des Leibes zwischen den beiden Ausführungsgängen des Trichters ein Nervenganglion, von welchem sieh sehr zarte Fäden in die Körpersubstanz und die verschiedenen Organe begaben. Mit diesem Ganglion hängt durch einen Stiel ein Gehörbläschen zusammen, wel- ches von einer dicken Haut gebildet wird, einen Haufen Kry- stalle enthält und bei Bero& einen leichten Anflug von Roth besitzt. Die Krystalle lösen sich unter Aufbrausen in Salz- säure auf, lassen innerhalb der Gehörblase keine zitternde Bewegung an sich wahrnehmen, Will konnte aber auch in diesem Organe kein Flimmerepithelium entdecken. Der Mus- kelapparat der Rippenquallen zerfällt in gleichmässig starke Längs- und Ringmuskeln, welche von durchscheinender glat- ter Beschaffenheit sind und bei Verkürzung Querfulten er- halten. An den Fangläden dieser Quallen, welche sich aus- serordentlich stark zusammenziehen, sind keine Saugnäpfe zu bemerken, auch wird ihre Ausdehnung nicht durch den Eintritt einer Flüssigkeit bewerkstelligt. Die kontraktilen Blasen, welche die Fangfäden in aufgerolltem Zustande auf- nehmen, treiben sie durch ihre Zusammenziehung aus sich hervor, ohne aber ihre Entfaltung und die Entwicklung ihrer einzelnen Fädchen zu bewirken. Die feinere Struktur der Fädchen ist schwer zu ermitteln. Dieselben bestehen aus zweierlei Arten von Zellen, von denen die eine Art helle durchsichtige Zellen darstellen, die mit einer Flüssigkeit und feinkörniger Masse angefüllt sind, während die zweite Art von Zellen rund und grobgekörnt erscheinen. Es verursachen diese Fangfäden bei der Berührung durchaus keine nesselnde Empfindung. Die äusserste Hautschicht von Eucharis ist durchsichtig, amorph und faltet sich bei den Koutraktionen des Thieres; unter dieser Haut liegen platte, durchsichtige und verästelte Zellen, welche bei Bero& rufescens braun ge- färbt erscheinen. Die Warzen des Leibes, durch welche sich Eucharis auszeichnet, sind ganz mit denselben Zellen besetzt, wie die Fangfäden. Auch sie kleben wie die Fangfäden an Gegenstände fest, wobei sie feine fadenförmige Organe aus- schiessen. Bei Bero& bemerkte Will eine ziemlich derbe und amorphe Epidermis, welche mit granulirten Körperchen dicht besetzt ist. Die Rippenplätichen bestehen aus eng an- einander gereihten langen Cilien, welche auf runden gekern- ten Zellen aufsitzen, auch die Schwingplättchen der Tenta- keln sind ähnlich beschaffen. Die Substanz des Körpers be- steht aus polyedrischen, kernlosen Zellen. An einer lebenden Bero& rufescens sah Will die Rippen nie leuchten, sondern nur in der Nähe des Afters kam durch Berührung ein star- 103 ker gelblichrother Funke zum Vorschein, wogegen bei Eu- charis nicht blos bei Berührung ein Punkt in der Nähe des Alters, sondern auch die Rippen mit bläulichgrünem Lichte leuchteten :). Ueber den anatomischen Bau von Cephea Wagneri, einer neuen Schirmqualle, bemerkte Will Folgen- des: Die Cotyledonen dieses Thieres besitzen an ihrer Spitze eine kleine Oeflnung als Mund, welche zu einer länglich runden Magenhöhle in den Cotyledonen führt. Im Stiele dieser Cotyledonen verengt sich die llöhle eines jeden Ma- gens zu einem gefässähnlichen Gange, welcher sich mit den in den Armen befindlichen Gefässstämmen verbindet. Das Wassergefässsystem dieser Qualle ist in der Scheibe des Thieres mit einer weiten Höhle versehen. Ausser diesen Wassergefässen, welche unter den Randkörperchen der Scheibe nach aussen münden, konnte Will noch besondere Blutgefässe unterscheiden, welche braune Kügelchen enthal- ten. Die vier sogenannten Athemhöhlen sind mit einem bo- genförmigen, gefalteten, die Geschlechtsorgane repräsentiren- den Bande eingefasst, welches sich bei den untersuchten Exemplaren als Hode auswies. Jedes der vier Bänder ent- hielt nämlich dicht aneinander gereihte, flaschenförmige Drü- sen, welche ihren Inhalt, eylindrische, mit langen feinen Haaranhängen versehene Spermatozoiden, nach unten auslee- ren. Die zwischen den neun Randeinschnitten steckenden Ge- hörbläschen schliessen eine Menge sechseckiger Krystalle ein. Die Safteirkulation, welche Will im Stiele der Gehörkap- seln wahrnehmen konnte, rührt von dem Flimmerepithelium eines dort befindlichen Wassergefässes her. Die Substanz der Scheibe besteht aus Zellen mit undurehsichtigen Kernen. Die Ring- und Längsmuskeln liegen sämmtlich auf der un- teren Seite der Scheibe, ihre Primitivfasern sind bald leicht gewellt, bald stark eingeknickt und dann quergestreift. Bei einer anderen neuen Schirmqualle, Polyxenia leucostyla, er- kannte Will an den Randfäden eine Art Gliederung, indem die Substanz derselben in kürzeren und längeren Zwischen- räumen durch dunkle Querstriche abgetheilt ist. Wurde ein solcher Randfaden gepresst, so zerliel er in ebenso viele Glieder, als vorher Abtheilungen da waren. Diese Randfä- den können nicht eingezogen werden, sondern rollen sich nur an der Spitze auf. Auch in dieser Scheibenqualle war Will im Stande, die Blutgefässe von den Wassergefässen 1) Veber die Rippenmqusllen vergl. auch Will's Untersuchungen in Froriep's neuen Notizen. No. 509, p. 65. 104 zu unterscheiden. Die Geschlechtstheile, welche sich auf der ganzen äusseren Fläche der unteren Magenwand ausbrei- teten, gaben sich bei den wenigen untersuchten Exemplaren als Ovarien zu erkennen. Die Randkörperchen schwankten in ihrer Zahl zwischen sechs und zwölf, waren dünn ge- stielt und enthielten nur ein einziges, vollkommen rundes Kalkkörperehen. welches das Gehörbläschen fast ganz aus- füllte. Bei Cytaeis tetrastyla Esch. nehmen die Hoden als vier dicke Wülste die Seiten des röhrenförmigen Magens ein. Die Wassergefässe werden auch hier von Blutgefässen be- gleitet, ebenso erscheinen auch die vier Randfäden, wie bei Polyzenia, gegliedert und können auch nicht eingezogen, son- dern nur aufgerollt werden. Randkörper hat Will an die- ser Akalephe nicht wahrnehmen können; dagegen beobach- tete er an einer anderen neuen Cytaeis polystyla ungeslielte Gehörbläschen auf kleinen Höckern unterhalb der Basis der Randfäden. welche eine grosse Anzahl intensiv rothgelb ge- färbter, rundlicher Kalkkörperchen mit unregelmässigen, zak- kigen Umrissen enthielten. Die Eierstöcke lagen hier als ein netzarliges, weitmaschiges Gewebe am Magen. Die Ge- schlechtsorgane ziehen sich bei Geryonia pellueida nov. spec. paarweise an beiden Seiten der Bogengefässe hin, und rei- chen mit dem einen abgerundeten Ende bis nahe an das Ringgefäss, mit dem anderen zugespitzten Ende, an welchem sich die Ausführungsgänge befinden, bis an die Stelle, wo die Gefässe an die Basis des Stiels übergehen. Sie bestehen aus je zwei gewundenen Schläuchen, deren jeder seinen be- sonderen Ausführungsgang hat, so dass also in jedem Indi- viduum acht Hoden oder acht Eierstöcke vorhanden sind. Die Männchen unterscheiden sich weder in der Gestalt und Grösse ihres Körpers, noch in der Form ihrer Geschlechts- drüsen von den weiblichen Individuen und enthalten die nach dem gewöhnlichen Typus geformten Spermatozoiden. Wie Eier oder Saamenmasse hier nach aussen gelangen, blieb Will gänzlich verborgen; die Wasser- und Blutgefässe konnte derselbe deutlich unterscheiden. Die Gehörbläschen fand er am Ring-Wassergefässe in sehr unbeständiger Zahl vor. Gewöhnlich sass neben den vier grossen Randfäden auf jeder Seite ein Gehörbläschen, und neben den kleinen Rand- fäden nur auf einer Seite ein einziges solches Organ. Ein jedes dieser Gehörbläschen besteht aus einer ziemlich dicken Haut und enthält ein bis neun und auch mehr runde Kalk- körperchen, welche sich nicht bewegten, sich aber in Salz- säure auflösten. Ueber der amorphen Epidermis dieser Schei- benqualle waren Will noch durchsichtige, vielfach verästelte 105 Zellen aufgefallen *). An Diphyes Kochii, einer neuen Röh- renqualle, bemerkte Will eine sehr grosse, mit Wimpern ausgekleidete Schwimmhöhle, ihre Röhren, an vrelchen die Mägen befestigt sind, endigten mit einer länglich runden Höhle, welche ebenfalls mit Wimpern ausgekleidet ist. Will nimmt diese Röhren und Höhlen nicht, wie Eschscholtz, für eine Safthöhle, sondern für Athemorgane, in welche sich zuweilen Fäces verirren. Die Form der kontraktilen Mägen ist ausserordentlich veränderlich. Etwas über dem Magen sind die Fangfäden und eine runde, kurz gestielte Blase (viel- leicht Geschlechtsorgan) angebracht. Im Innern dieser Blase bemerkte Will eine kleine, mit Flimmercilien besetzte Höhle, welche mit dem Kanale der gemeinschaftlichen Röhre durch einen Gang in Verbindung stand und fast immer Entozoen (?) enthielt. Diese letzteren, welche auch in die Athemhöhle und in die Mägen gelangen konnten, sind vielleicht, wie Ref. vermuthen möchte, Spermatozoiden gewesen. Die mit stum- pfen Stacheln besetzten Fangfäden tragen an ihren Enden ein eigenthümliches Fangorgan, welches aus verschiedenen Fadenzellen besteht. In diesem Fangorgane, von welchem noch ein kurzer Faden als Fortsetzung des Fangfadens her- abragt, befindet sich eine länglich runde Blase, in welche die Substanz des Fangfadens unmittelbar übergeht. Inner- halb dieser Blase steckt ein bohnenförmiger Körper mit dun- keln Querstreifen, der gepresst in eine Menge kleiner, läng- lich runder Körperchen zerfällt. Dicht neben diesen Körper- chen liegen fünf bis sechs grössere Fadenzellen, welche ganz mit den Fadenzellen der Aktinien übereinstimmen. Bei Er saea nimmt Will die freistehende Röhre, welche von Esch scholtz für eine kleine Schwimmhöhle des Saugröhren stückes erklärt worden ist, als die Fortsetzung der Athem- höhle. Auch bei dieser Röhrenqualle hat Will in der als Geschlechtsorgan betrachteten Höhle wurmartige Entozoen angetroffen. Von Philippi?) ist Physophora tetrasticha genauer beschrieben worden. Derselbe konnte die in den äusseren ser enthaltene Flüssigkeit nirgends daraus hervor- drücken. Die hohle Axe dieses Thieres, welche nach oben über die Schwimmhöhlenstücke hervorragt, enthält nach Philippi’s Untersuchungen keine Luft, besitzt aber unten zwischen den Fangarmen eine Oeflnung, welche vielleicht 1) Veber die Wasser- und Blatgefässe der Schirmquallen vergl’ aueh Will in Froriep's neuen Notizen. No 621. p. 71. 2) Dieses Archiv. 1543. pag. 5®. 106 ein Mund ist, während die Höhle der Axe als Magen ange- sprochen werden kann. Von den zwischen den Armen nach unten herabragenden traubenförmigen Organen möchte der- selbe Naturforscher die kurzen Trauben für Ovarien und die längeren Trauben für Hoden ansehen. Die Randkörper von Pelagia, Cassiopeia, Rhizostoma, Oceania hat Kölliker') untersucht. Sie sind mit einem Häufchen Kıystalle von kohlensaurem Kalke gefüllt und an ihren inneren Wänden mit Flimmerhaaren ausgekleidet. Bei Geryonia fehlte der Wimpernüberzug in den runden Blasen, welche hier nur einen runden Krystall enthielten. In der- selben Qualle fand Kölliker einen von einer Scheide um- hüllten Strang, der sich vom Mittelpunkte der Scheibe nach den Randkörpern hinzog und da, wo er diese berührte, keu- lenförmig anschwoll. Vielleicht waren dies nervenartige Theile. Bei einer neuen Oceonia des Mittelmeers bemerkte Kölliker an der oberen Seite der Basis der Randkörper einen Haufen braunrother Pigmentzellen, in welchem ein glasheller, rundlicher Körper eingebettet lag und an welchem nach oben eine runde Oeflnung angebracht war. Kölliker verglich diese Organe mit Augen, während er die pigment- losen Randkörper für Gehörbläschen nahm. Hollard ?2) erklärt die Tentakeln an der unteren Lei- besfläche ‚von Rotaria für Respirationsorgane: die Cirkulation soll nach seiner Meinung durch die von der Verdauungshöhle ausgehenden vielfachen Verzweigungen der, eine Nahrungs- flüssigkeit enthaltenden Kanäle gehen. Die Ovarien sollen Blindsäckchen darstellen, und die Eier durch die Kauäle der Saugtentakeln nach aussen geschaflt werden, so dass diese Qualle gewissermaassen zwischen den Medusen und Actinien in der Mitte steht. Ein kleines Zoophyt, welches wahrscheinlich der Ju- gendzustand einer Meduse ist, wurde von Dujardin®) un- ter dem Namen Stauridium beschrieben. Dasselbe besteht aus einem verästelten Polypenstocke, an dessen Enden keu- lenförmige Verdiekungen mit vier in ein Kreuz gestellten Ar- men die Thiere bildeten. Die Arme derselben waren an ihren angeschwollenen Enden mit Angelkapseln besetzt; ähnliche Angelorgane enthielten auch die verästelten Stiele der Thiere. 1) Froriep’s neue Notizen. Nr. 534. pag. Sl. 2) Comptes rendus. 'T. 17, 1843. pag. 675. oder Froriep's neue Notizen. No. 610. pag 247, 3) Comptes rendus. T. 16. 1843. pag. 1132. oder Annales des sciences nat. T. 20. 1343. pag. 370. 107 Durch die Axe dieser Stiele verlief eine Röhre, welche mit Flimmereilien ausgekleidet war. Bei guter Nahrung sprossten an der Basis dieser Stauridien zwei bis drei rothe Knospen hervor, an welchen man die Armrudimente übereinanderge- schlagen wahrnehmen konnte. Zuletzt nahmen diese Kno- spen ganz die Gestalt einer Syncoryne Sarsii an. Die ‚acht bis zehn Arme, welche am Rande des glockenförmigen Lei- bes dieser jungen Thiere sassen, waren gabelförmig gespal- ten, wodurch die freigewordenen jungen Medusen auch an die Eleutheria des Quatrefages erinnerten. Dujardin schlug für diese Thiere, deren Arme sich immer mehr ver- ästelten, den Namen Cladonema radiatum vor. Auch in die- sem Entwicklungszustande waren die Enden der Arme mit Angelorganen besetzt. Die Magenhöhle zeigte fünf blindsack- förmige Ausstülpungen, der Mund war mit fünf runden Tu- berkeln besetzt und die Scheibe des Körpers enthielt einen Randkanal, in welchen radiale Kanäle einmündeten. Beide Arten von Kanälen flimmerten auf ihrer inneren Fläche. Ob mit diesem Zustande die Metamorphose der von Dujardin beobachteten Meduse wirklich schon beendigt war, möchte Ref. in Frage stellen. Pol'ypr. Ueber den inneren Bau der Bryozoen theilte Allman!) das Bekannte mit. Nach Darwin’s Beobachtungen) be- wegen sich die vogelkopfartigen Anhänge der verschiedenen Flustren noch fort, auch wenn die Polypen selbst abge- schnitten oder völlig zerstört sind. Ueber die Ursache der pendelartigen Schwingungen dieser Organe konnte Krohn®) weder bei Cellaria avieularis, Bicellaria ciliata, Flustra avi- eularis, noch bei Mollia ins Klare kommen. Nur über das Schliessen der scheerenförmigen Organe erhielt er durch die Entdeckung eines ansehnlichen Muskels Aufschluss, auch an den pinzeltenförmigen Organen der Retepora cellulosa fand Krohn einen solchen Schliessmuskel angebracht. Einfacher verhalten sich die an den Telegraphinen eingelenkten Stacheln und Borsten, welche sich abwechselnd heben und senken, und welche Bewegung nach Krohn von einem an der Ba sis dieser Organe angebrachten kurzen, aber starken Muskel herrührt, 1) Institut. 1543. p. 454. 2) Naturwissenschaltliche Reise. 1544. Th. 1. p. 252. 3) Froriep's neue Notizen. No. 533. p. 70. 108 Laurent’s Behauptung '), dass Hydra aurantiaca Eier hervorbrächte, welche bald Stacheln besässen, bald ohne Stachela wären, kann Ref. nicht bestätigen. Bei einer an der Küste von Danzig entdeckten Coryne squamata bemerkte Rathke?) unterhalb der Tentakeln glatte, knospenartige Auswüchse von verschiedener Anzahl und ohne bestimmte Ordnung auf kurzen Stielen. In diesen entwickelten sich zu- letzt Spermatozoiden von birnförmiger Gestalt und mit zar- tem beweglichen Schwanzanhange. Eier will Rathke nie in diesen Knospen gefunden haben, wohl aber in der Ver- dauungshöhle. Dieselben waren von zwei Häuten umgeben, liessen aber kein Keimbläschen im Innern erkennen. Der Magen dieser Coryne setzte sich als enger Kanal bis in deu Fuss oder Stiel hinab fort. An den Leibeswandungen un- terschied Rathke zweierlei Substanzen, eine äussere feste und eine innere rothgelbe, lockere Substanz. In der äusse- ren Substanz lagen krystallhelle, ovale Körperchen eingebet- tet, von denen es unbestimmt blieb, ob sie Nesselorgane wa- rehh oder nicht. Die innere Substanz enthielt Zellen mit röthlichen Körnern und entsprach wohl einer Leber. Ein von Quatrefages °®) als neu beschriebener Polyp, Synhydra parasita, besitzt‘einen wahren, im Innern horni- gen Polypenstock, welcher zweierlei Arten von Individuen trägt. Die eine Art ist mundlos, keulenförmig und enthält die Geschlechtstheile, die andere dagegen ist sackförmig und mit Mund- und Verdauungsorganen versehen. Die Darm- höhlen der verschiedenen Individuen eines Stockes stehen untereinander in Verbindung. Die Wandungen des’ Polypen- Körpers lassen acht Schichten unterscheiden. Eine gänzlich durchsichtige, homogene und sehr dünne Schicht bildet die Epidermis, welche sowohl am Körper und an den Tenta- keln der Polypen, wie auch an dem gemeinschaftlicheu brei- ten Boden, dem eigentlichen Polypenstocke, wahrgenommen werden kann. Unter der Epidermis breitet sich überall eine etwas dickere, aus dicht gedrängten körnigen Bläschen zu- sammengesetzle Schicht als Corium aus. Innerhalb dieser Schicht steckt im allgemeinen Boden die netzförmige, hor- nige Polypenstockmasse. Die dritte Schicht besteht aus Längsmuskeln, welche sich von dem Kopfende der Polypen 1) Institut, 1843. p 174. 2) Wiegmann’s Archiv. 1544. Th. 1. p. 155. oder Annales des sc. nat. T 2. 1844. p. 200. 3) Annales des sciences naturelles. Tom. 20. 1543. p. 230, und Tom. 1. 1844. p. 11. 109 bis zu ihrem unteren Ende hinabziehen und von Quermus- keln umgeben sind. Darunter entspricht eine vierte körnige Schicht dem Zellgewebe, auf welche als fünfte Schicht zarte muskulöse Fäden folgen, welche netzförmig untereinander verbunden sind. Hierauf bilden wieder zusammenhängende Längsmuskeln die sechste Schicht, während die beiden letz- ten Schichten aus einer dicht gedrängten Masse grösserer und darauf folgender kleinerer, weissgefärbter Zellen beste- hen, von denen die eine die Schleimhaut und die andere das Epithelium der Darmhöhle repräsentirt. Diese beiden letzten Schichten sind daher nur an dem Körper der Polypen deut- lich. In der Umgegend der Mundöffnung stecken in der Haut eine Menge eigenthümlicher Bläschen mit feinkörnigem In- halte, und an den Tentakeln liegen in derselben Hautschicht ovale Körper eingegraben, aus denen ein kurzer Stachel her- vortreten kann. Diese Synhydra pflanzt sich auf dreierlei Weise fort, nämlich durch Knospen, welche auf dem ge- meinschaftlichen Boden hervorsprossen, durch Eier und durch Knospen, welche sich von den Polypen ablösen. Die er- steren Knospen bleiben sitzen, bekommen anfangs nur vier Tentakeln, die sich nach und nach verdoppeln und zuletzt sich bis auf 36 vermehren. Die Eier fand Quatrefages innerhalb des gemeinschaftlichen Bodens. Sie hatten eine sphärische Gestalt und enthielten einen orangefarbenen Dot- ter ohne Keimbläschen. Wie diese Eier gelegt werden, ist nicht ermittelt worden. Die zur Fortpflanzung dienenden Polypen waren stets kleiner, als die ernährenden Polypen, es fehlten ihnen sowohl Tentakeln, wie ein Maul, ihr freies abgerundetes Ende war mit jenen ovalen Körpern besetzt, aus welchen kurze Stacheln hervorgeschoben werden konn- ten. Aus diesen kolbenförmigen Polypen, in welche sich die Darmröhre fortsetzt, wachsen die sich lostrennenden Knospen hervor. Diese letzteren sind anfangs rundlich und röthlich gefärbt; auch in sie erstreckt sich die Darmröhre hinein. Die Knospen nehmen nach und nach eine längliche Gestalt an, schnüren sich an der Basis durch und fallen dann ab; sie nehmen eine weisse Farbe an und erhalten Tentakeln, zwischen welchen das Maul dehiseirt. Nach den Beobachtungen von Van Beneden ‘) ver- mehren sich die Campanularien durch Knospen und Eier. 1) Mömoire sur les Campanulaires de la cöle d’Ostende, in den Mömoires de l'’Acad@mie royale de Bruxelles. T. 12. 1844. oder Institut. 1843, pap. 155. oder Froriep’s neue Notizen, No. 662, pag. 17. 110 Erstere entstehen, wie bei den Hydren, als einfache Aus wüchse, aber in bestimmter Zahl und Entfernung von ein- ander, was die regelmässige Gestalt der Polypenstöcke von Campanularia bedingt. An denselben Stöcken entwickeln sich gewisse Knospen in den Winkeln der Zweige zu Eier- kapseln. In diesen werden bei Campanularia geniculata sehr viele Eier erzeugt, von welchen die vorderen, wenn sie sich zu jungen Polypen entwickelt haben, schon auskriechen, während die hinteren Eier sich noch in einem unreifen Zu- stande befinden. Die ausgekrochenen Embryone haben die Gestalt von Scheibenqnallen, sind mit Randeirren versehen, zwischen deren Basis kapselförmige Sinnesorgane angebracht sind. Diese jungen Campanularien schwimmen nach Art der Schirmquallen frei umher und sind gewiss schon oft für erwachsene Medusen genommen worden. Ein solcher Polyp setzt sich später mit dem auf der unteren Fläche des Schirms befindlichen Munde fest, stülpt seinen Schirm nach oben um, wodurch die Randeirren zu wahren Mundtentakeln werden. In der Tiefe des eingestülpten Rückens der Scheibe, welche zugleich ihre Sinnesorgane einbüsst, bildet sich eine Oefl- nung zum bleibenden Munde aus, wodurch die Grundlage zu einem neuen Polypenstocke gegeben ist. In einer anderen Abhandlung lieferte derselbe Naturforscher ') eine genaue Beschreibung der Tubularien. Er konnte in den ausgestreck- ten hohlen Tentakeln dieser Polypen Querscheidewände un- terscheiden, wodurch keine Flüssigkeit, wie bei Hydra, in den Armen hin und her strömen kann. Diese Arme besitzen ausserdem weder äusserlich, noch innerlich Flimmerorgane und ebenso wenig Angelorgane, sondern nur Zellen, deren nähere Beschreibung aber Van Beneden unterlassen hat. Zuweilen haben die Polypen und ihre Arme eine röthliche Farbe, welche von eingestreuten Körnern herrührt. Der Magen erhebt sich zwischen den Tentakeln in Form eines Rüssels, an dessen Ende sich die Mundöffnung befindet. Die- ser Magen, welcher auch als Mundhöhle betrachtet werden kann, geht ohne Abgrenzung in die gemeinschaftliche Höhle des röhrenförmigen Polypenstockes über, an deren Wandun- gen eine körnerführende Flüssigkeit mit Hülfe eines Flimmer- epilheliums auf- und niedersteigt. Nur bei Coryne besitzt jedes Individuum eine für sich abgeschlossene Magenhöhle, dagegen fehlt diesem Polypen und auch der Hydractinia jene Saftbewegung im Innern. Der Polypenstock der Tubularien, 1) Recherches sur l’embryogenie des Tubnlaires, in den Me- moires de l’Acad. d. Bruxelles, a. a. 111 wo ein solcher da ist, hat eine weiche, pergamentartige oder hornige Beschaffenheit, und wird bei Eudendrium äusserlich von Sandkörnern inkrustirt. Männliche Zeugungsorgane will Van Beneden in den Tubularien niemals bemerkt haben, und was Krohn (s. unten) für Spermatozoiden angesehen habe, seien nur Blutkörner gewesen. Nach Van Beneden vermehren sich die Tubularien auf fünf verschiedene Weisen. 1) Es bilden sich einfache Knospen aus, die sich vom Po- lypenstocke nicht trennen; 2) es wachsen in der Nähe der Tentakeln Knospen hervor, welche sich, nachdem sie sich zu einer glockenartigen, mit vier Randeirren versehenen Schirmqualle ausgebildet haben, vom Polypenstocke trennen. Diese jungen Tubularien hat Van Beneden in ihrer wei- teren Ausbildung zwar nicht verfolgt, will sie aber auf kei- nen Fall für weibliche Individuen, wofür sie Ehrenberg erklärt habe, gelten lassen; er nimmt von ihnen an, dass sie sieh festheften und so einem neuen Polypenstocke zum Ur- sprunge dienen, ohne dass er diese Umwandlung direkt be- obachtet hätte. 3) Als dritte Art der Fortpflanzung gilt ihm die Entwicklung eines Eies, welche innerhalb einer Knospe vor sich geht. Hier sah Van Beneden nämlich einen Dot- ter ohne Keimbläschen und ohne Furchungsprozess sich in einen Embryo umwandeln. Dieser Embryo zeigte eine hy- draartige Gestalt, trug acht Arme (bei Syncoryne nur vier Arme), und wurde durch Dehiscenz der Knospenhülle frei. 4) Als vierte Fortpflanzungsweise sollte sich ein ähnlicher Dotter traubenartig vermehren und eine Menge, mit einem Keimbläschen versehene Eier hervorbringen, an denen jedoch Van Beneden die Entwicklung von Brut nicht direkt be- obachtete. Ref. möchte daher fragen, ob hier bei No. 4. Van Beneden nicht den Durchfurchungsprozess eines Eies für eine Eiervermehrung angesehen und bei No. 3. denselben Prozess ganz übersehen habe. 5) Zur fünften Fortpflan- zungsweise rechnet Van Beneden die Vermehrung, welche Cavolini, Wagner und Low&n gesehen haben, indem eine freie junge Tubularie Brut entwickelte, wodurch sich am Ende doch diese Individuen als Weibchen zu erkennen ra überhaupt dürften sich die verschiedenen, von Van eneden beschriebenen Vermehrungsarten der Tubularien durch eine andere Auffassung einfacher herausstellen. Der- selbe Naturforscher *) stellte die verschiedenen Ansichten über die Fortpflanzung der Tubularien und verwandten Po- lypen mit den seinigen zusammen und machte auf die Ver- I) Dieses Archiv. 1844. pag. 110, 112 wandtschaft aufmerksam, welche zwischen den Bryozoen und Medusen in dieser Beziehung statt findet. Auch Krohn ') hatte schon früher die verschiedenen Beobachtungen und An- sichten der älteren und neueren Naturforscher über die Ver- mehrungsweise der Polypen untereinander verglichen und gezeigt, dass die Gestalt der Weibchen, ihr bis zum Abster- ben bleibender Zusammenhang mit dem Polypenstocke, oder ihre Ablösung, und der Zeitpunkt der Eierentwicklung an ihnen je nach den verschiedenen Arten der Polypen ausser- ordentlich variiren. Bei Syncoryne Sarsii und einigen Cam- anularien haben die Weibchen eine medusenartige Gestalt, Bei Campanularia Cavolinii stellen sie ausgehöhlte, mit zahl- reichen 'Tentakeln besetzte Scheiben dar, bei Campanularia dichotoma trägt das glockenförmige Weibchen nur vier Rand- eirren. Der Scheibenrand desselben ist zugleich mit acht rundlichen Vorsprüngen versehen, welche krystallhelle, in Säure auflösliche Kerne enthalten und den Randkörpern der Medusen entsprechen. So lange diese weiblichen Individuen noch mit den Polypenstöcken zusammenhängen, dringt die Saftströmung aus den Stämmen und Zweigen des Stockes bis in jene hinein. Bei den abgelösten, frei umherschwim- menden Weibchen erkennt man ebenfalls eine deutliche Strö- mung von Körnern, jedoch fliessen niemals zwei Körnerrei- hen in entgegengesetzter Richtung aneinander hin. Ob man die bei Tubularia indivisa und Syneoryne glandulosa an der Basis der Polypen und bei Eudendrium racemosum und Syn- coryne parasitica auf den Enden der Zweige hervorsprossen- den Gebilde für Eier oder Weibchen deuten soll, lässt Krohn dahingestellt sein. Bei Pennaria Cavolinii entwickeln sich an jedem Polypen zwei kurzgestielte Behälter, in deren von einer achsenartigen Verlängerung des Polypenstockes durch- setzten Höhle Spermatozoiden zur Ausbildung kommen. Bei Tubularia indivisa entsprechen dergleichen Saamenkapseln in Lage und Anordnung ganz den weiblichen Organen. Bei Eudendrium racemosum bilden die männlichen Geschlechts- organe auf besonderen Zweigen sitzende Büschel von perl- schnurförmig aneinander gereihten Saamenkapseln. Die Sper- matozoiden besitzen bei allen diesen Polypen einen kurzen Anhang und gleichen denen der Medusen. Krohn will nie- mals weibliche und männliche Geschlechtsorgane oder Indi- wen auf einem und demselben Polypenstocke angetroffen haben. 1) Dieses Archiv. 1543. pag. 176. 113 Peach!) sah in Wasser, in welchem er Sertularien und Campanularien aufbewahrte, kleine, mit Flimmerhaaren bedeckte Körperchen herumschwimmen und wollte sie für die Eier jener Polypen halten, während sie von Forbes für Medusen-Embryone erklärt wurden. Kölliker?) erkannte an den Jungen von Sertularia Cavolinii, wenn sie die Eier- kapseln des Polypenstockes verliessen, eine medusenartige Gestalt, in welcher sie durch Kontraktionen ihres scheiben- förmigen Körpers frei umherschwammen. Ihr Scheibenrand war mit 24 Fühlfäden besetzt, zwischen welchen acht Rand- körper sassen, die aus einem rundlichen Bläschen und einem von diesen eingeschlossenen runden Krystalle bestanden. Diese Organe, deren Krystalle aus kohlensaurem Kalke be- standen, wurden von Kölliker mit Gehörbläschen verglichen. Die bei den Sertularien vor sich gehende Bildung der eierer- zeugenden Theile ist von Forbes°) mit der Blüthe der Pflanzen verglichen worden, indem jene Theile aus einer Metamorphose des Polypenstammes und seiner Aeste ganz ebenso hervorgehen, wie die Blume aus der Metamorphose des Stengels und der Blätter einer Pflanze entsteht. Jene eierhervorbringenden Theile der Sertularinen können hiernach in sechs Arten geschieden werden. 1) Bei Plumularia cri- stata u. a. bilden sie schotenartige, gerippte Auswüchse, de- ren Querrippen den Seitenästen und deren Längsrippe dem Mittelstamme des Polypenstockes entsprechen. 2) Bei Thoa muricata bilden diese Eierkapseln beerenartige, mit Stacheln besetzte Auswüchse, welche durch Verkürzung des Stammes und Verwandlung der Polypenzellen in Stacheln entstanden sind. 3) Bei Sertularia rosacea und Plumularia pinnata ha- ben die Eierkapseln eine eiförmige, runzelige Beschaffenheit, 4) Bei vielen Sertularien, bei Thujaria und Antennularia be- sitzen dieselben Organe eine oblonge, öfters dreieckige, fla- schenförmige, zuweilen zusammengedrückte Form. 5) Thoa Beanii und haleeina bringen retortenförmige, und 6) Cam- yanularia und Laomedea dagegen ganz einfache Eierkapseln hervor. In diesen Kapseln entwickelt sich die weiche Masse statt zu einem Magen, vielmehr zu einer eiererzeugenden Placenta. Nach Forbes kommen bei dieser Kapselbildung auch ähnlich, wie bei den Pflanzen, Monstrositäten vor, in- dem nämlich ein Stamm nur theilweise sich in eine Eier- 1) Institut. 1843, p. 454. 2) Froriep’s neue Notizen. No. 534. pag. S1. 3) Keport of the british association. 1544. Notices, p. 68, und Annals of natur, bist, 1544. Vol. 14. p 355 Müllers Archiv. 1815. 1 114 kapsel verwandelt und einzelne Aestehen nicht in diese über- gehen, sondern Polypen tragend bleiben. Von Allman') wurde ein neuer, zwischen Actinia und Lucernaria stehender Polyp beschrieben, dessen anatomischer Bau sich ganz wie bei Actinia verhielt. Seine geknopften, in zwei Reihen gestellten Tentakeln enthielten eigenthüm- liche Körperchen, aus deren Beschreibung Ref. die sonder- baren beweglichen Nesselorgane der Actinien wiedererkennt. Auch an Lucernaria hat Allman ganz ähnliche Nesselorgane wahrgenommen. Will?) ist geneigt, anzunehmen, dass das Nesseln der Aktinien nicht durch die von Wagner beschrie- benen Orgaue, sondern durch andere runde, mit einer hellen Flüssigkeit gefüllte Bläschen bewirkt werde, welche sich an den Armen und den Nesselsträngen der Aktinien in grosser Menge vorfinden und leicht platzen. Von Bailey °), welcher aus den, die grünen Arme einer grossen rothen Aktinie dicht besetzt haltenden Nesselorganen die langen dünnen Fäden hervorschnellen sah, wurden diese Theile für Kieselnadeln gehalten. Die getrennten Geschlechter der Actinien wurden von Quatrefages bestätigt *). Huschke°) fand vollkommen regelmässige und ziemlich gleich grosse, aber nicht krystallinische Körperehen in der Hülle am Stiele von Veretillum Cynomorium, welche mit Salzsäure brausten und vielleicht Otolithen vorstellen dürften. Ein der Virgularia verwandtes Zoophyt ist von Dar- win®) in Südamerika entdeckt worden, und enthielt in sei- nem dünnen, geraden und fleischigen Stengel eine elastische, steinichte Axe. Der Stengel selbst endigt mit einem wurm- förmigen Anhang, der in zwei Abtheilungen geschieden ist und kleine gelbe, runde Eier einschliesst. Die steinichte Axe ist an diesem unteren Ende von einem durchsichtigen, reiz- baren Sacke umgeben, in welchem eine körnige Flüssigkeit eireulirt, Will?) bemerkte am Körper der einzelnen Polypen des Aleyonium acht Furchen, in welchen acht einfache, weisse Längsgefässe verborgen steckten. Diese verliefen nach vorn und schickten in acht stumpf-konische, ausserhalb der Arme 1) Report ol Ihe british association. 1844. Nolices. p. 66. 2) Horse tergestinae, a. a. ©. p. 54. 3) Annals of Ihe nat. hist. Vol. 12. 1843. p. 88. 4) Froriep’s neue Notizen. No. 674. p. 215. oder 684. p- 26. 9) Sömmering’s Lehre von den Eingeweiden und Sinnesorga- nen des menschlichen Körpers, umgearbeitet. 1844, p, 80, 6) Naturwissenschaftliche Reise. 1844. Th. 1. p. 116. 7) Froriep’s neue Notizen. No, 599. p. 68. 115 gelegene Warzen sowohl, wie in die Arme einen Ast. Die Aeste der Warzen breiteten sich zu einem Netze aus, wäh- rend die Aeste der Arme an der hinteren Fläche derselben emporstiegen und jedem Seitenläppchen einen Zweig abga- ben. Die Hauptstämme dieser Längsgefässe Lraten ‘zwischen den Armen hindurch, um sich zum Munde und von da zu den Magenwandungen hinabzubegeben. Von hier sah Will acht Gefässe. als Fortsetzung dieses Gefässsystems auf die Querscheidewände des Leibes hinübertreten und sich an den Geschlechtsorganen vertheilen. Da, wo die Polypenkörper in die allgemeine Substanz des Polypenstockes übergehen, wollte Will zwei concentrische Gefässringe erkannt haben. Jedenfalls aber erstreckte sich am unteren Ende der acht Längsgefässe ein Kapillargefässnetz in die Substanz des Po- lypenstockes. Diese Gefässe waren sämmtlich mit selbst- ständigen Wandungen versehen und enthielten eine Flüssig- keit nebst vielen weissen Kügelchen von -—', Lin. im Durch- messer, welche in Salzsäure nicht auflöslich waren. Die Leibeshöhle dieser Polypen. so wie die mit ihr zusammen- hängenden Röhren des Polypenstockes waren nach Will’s Untersuchung mit einem Flimmerepithelium ausgekleidet. Infusoria. Von Griffith‘) wird gegen Rymer Jones, Dujar- din u. A. die Anwesenheit eines Darmkanals mit Magen- säcken bei den sogenannten polygastrischen Infusorien in Schutz genommen, dessen Existenz nur durch seinen In- halt erkannt werden könnte, so wie durch den Weg, den der Inhalt des Darmkanals im Innern der Infusorien durch- mache. ; Focke?) beobachtete, dass die von Paramaecium Aure- lia verschluckten Farbestoffe in kugeligen Häufehen durch die Substanz des Körpers dieses Thieres wandern, wobei sich letztere immer dichter um den Farbestofl anlegt. Diese Paramäcien fressen ausserdem nach Focke's Untersuchun- gen, so lange sie einfach sind oder sich zur Quertheilung vorbereilen, hören aber zu fressen auf, wenn sie in der Längstheilung begriffen sind. Derselbe bemerkte bei Loxo- des, Paramaecium, Bursaria, Spirastrum, Nassula, Vorticella, Carchesium u. a. im Parenchyme Körner von bestimmter 1) Annuls of natural history. Vol. 11, 1543. p. 435. 2) Amtlicher Bericht über die 22ste Versammlung deutschtr Na- turlorscher und Aerzte in Bremen 1844. 2te Abth. Ran. 116 und gleicher Grösse, welche den Bewegungen der mit Nah- rungsstoflen erfüllten Höhlen folgen. Bei Euplotes, Kerona und Stylonychia konnte Focke diese Erscheinung nicht wahrnehmen. Die Fortpflanzung dieser verschiedenen Infu- sorien geschieht im Sommer durch Längs- und Quertheilung oder Sprossenbildung, daher die neuen Individuen immer eine dem Mutterthiere ziemlich gleiche Grösse zeigen. Im Spät- herbste und Winter sah Focke sehr blasse Exemplare von Loxodes Bursaria, deren in der Mitte des Leibes gelegenes und von Ehrenberg für Hode genommenes dunkles Organ in mehrere Kreise abgegrenzt war, von welchen jeder Kreis ausser zwei kontraktilen Blasen wieder ein dunkles Organ enthielt, so dass diese Kreise als junge Individuen nicht zu verkennen waren, deren Austritt aus dem Körper der Mutter auch wirklich beobachtet wurde; es ist deshalb jenes dunk- lere Organ nicht als Hode, sondern vielmehr als Uterus zu betrachten. Es wäre im höchsten Grade wünschenswerth, dass Focke seine interessanten Untersuchungen hierüber in speciellerer Weise recht bald veröffentlichte. Owen !) beschreibt die Fortpflanzung der sogenannten polygastrischen Infusorien durch Theilung oder Knospenbil- dung als die gewöhnliche Vermehrungsweise, und vergleicht die Infusorien mit Zellen, nur mit dem Unterschiede, dass jene Infusorienzellen einen Mund und Geschlechts werkzeuge esitzen. Es sollen die Infusorien nach Owen’s Meinung dazu dienen, fortwährend die sich zersetzenden thierischen und pflanzlichen Stoffe zu verschlucken und so die einmal auf der Erde vorhandenen organischen Materien zu erhalten. Barry?) fügte diesen Bemerkungen hinzu, dass ihn viele Abbildungen, welche Ehrenberg zu Volvox, Monas, Chla- mydomonas und Gonium geliefert, an den Theilungsprozess der Zellen erinnerten. Kützing glaubt in den Bacillarien oder Diatomeen ebenso viel vegetabilisches, wie animalisches Leben erkannt zu ha- ben ?), und meint daher, dass es in vielen Fällen nicht mög- lich sei, die Grenze zwischen beiden Reichen genau zu be- stimmen, indem niedere thierische Bildungen in vegetabilische und umgekehrt letztere in erstere unmittelbar übergingen. Kützing hat früher mit Ehrenberg die Bacillarien, nach- 1) The Edinburgh rew philosophical Jonrnal. No 69. 1843. p- 155. oder Isis. 1544. p 505. oder Institut. 1844. p. 119. oder Frariep’s neue Notizen. No. 591. p. 292. 2) The Edinburgh new philosoph. Journ. No. 70. p. 214. 3) Anatomie, Physiologie u. Systemkunde der Tange. 1843. p. 4. 117 dem er in ihren Kieselpanzern Stickstoflgehalt entdeckt hatte, für Thiere gehalten, seitdem er aber eine grosse Menge höher entwickelter Formen dieser Organismen lebendig ken- nen gelernt und bei ihnen kugelige Anschwellungen der ein- zelnen Glieder, nach Art der Conferven, beobachtet hat, ist ihm ‘die Thierheit dieser Wesen zweifelhaft geworden und hält sich für überzeugt, dass man Achnanthes, Micromega, Berkeleya und andere mit demselben Rechte für Pflanzen, als man die Frustuliae, Cymbeliae, Navieulae, Surirellae ete. für Thiere in Anspruch nehmen kann. Die Desmidieen, welche Ehrenberg, jedoch fraglich, zu den Infusorien rech- net, enthalten nach Kützing in ihren Zellen wirkliches Amylon, daher Micrasterias, Desmidium, Scenodesmus, Staur- astrum, Euastrum und auch Closterium entschieden Pflanzen sind. Derselbe Naturforscher spricht sich in einer anderen Abhandlung ') noch ausführlicher über denselben Gegenstand aus. Als organischer Inhalt findet sich in den Bacillarien oder Diatomeen eine gelbbraune Substanz vor, welche an- fangs überall gleichmässig im Innern des Kieselpanzers ver- breitet ist, nachher sich in mehrere Lappen zertheilt, oder in mehrere bald grössere, bald kleinere Kugeln zusammen- zieht. Diesen Inhalt bezeichnet Kützing als substantia onimica, während ihn Ehrenberg für den Eierstock er- lärt hat. Diese Substanz nimmt bei manchen getrockneten Diatomeen eine grüne Farbe an, auch durch Salzsäure än- dert sie ihr Braun in ein schönes Grün um, wogegen Alko- hol aus ihr einen grünen Farbestoff auszieht, der sich ganz wie Chlorophyll verhält. Ausserdem kommen noch kleine farblose Kügelchen innerhalb der Diatomeen vor, welche von Ehrenberg für Saamendrüsen angesehen werden, aber von Kützing als Oeltröpfehen erkannt worden sind. Die von Ehrenberg als Magenblasen betrachteten Körper hat Kützing ebenfalls als solche verdächtigt, da er sie niemals mit Indigo sich blau färben sah, was dem Ref. ebenso wenig geglückt ist. Alle Diatomeen sondern aus den Oeffnungen ihrer Scha- len eine schleimige Substanz (substantia gelinea) ab, welche in vielen Fällen die Masse der Individuen zusammenhäilt. Diese Oeflnungen werden von Kützing, wie gewöhnlich, als ein rundes, in der Mitte und an beiden Enden jederseits der Schale angebrachtes Loch und als eine dazwischen be- findliche Längsspalte beschrieben, allein die mittlere Oeflnung, so wie die Endöffnungen, welche Ehrenberg für Geschlechts- Öffnungen und Mundöffnungen ausgegeben hat, existiren in !) Die kieselschaligen Bacillarien oder Diatomeen. 1344. p. 20. 118 der That nicht, wenigstens kann sie Ref. nicht als solche anerkennen, es sind im Gegentheil Verdiekungen in der Schale dieser Diatomeen. Sehr viele Diatomeen ordnen sich gern nach gewissen Regeln, wenn sie in Menge beisammenliegen, und heften sich mit ihrer schleimigen Substanz fest; diese letztere wächst auch zuweilen zu einem einfachen oder ver- ästelten deutlichen Fuss (Stipes) aus, bei gewissen Arten nimmt diese schleimige Substanz die Form einer Röhre an, in der sich die Diatomeen ebenfalls regelmässig ordnen. Die Vermehrung der Diatomeen geht nach Kützing höchst wahr- scheinlich auf dreifache Weise vor sich: 1) durch Entwick- lung der gonimischen Substanz, 2) durch Theilung und 3) durch saamen- oder knospen-ähnliche Gebilde. Von der Anwesenheit eines fleischigen Fusses oder flimmernder Cilien, mit welchen nach Ehrenberg sich die Diatomeen oder Ba- eillarien fortbewegen sollen, hat sich Kützing nicht über- zeugen können, auch dem Ref. ist dies nicht gelungen, wie sollte sich auch aus der mittleren runden Oeffnung der Kie- selpanzer (vergl. Ehrenberg) ein Fuss hervorstrecken kön- nen, da eine solche Oeffnung ja gar nicht existirt. Kützing kömmt zuletzt zur Frage, ob die Diatomeen Pflanzen oder Thiere seien, und spricht sich zwar mehr für die pflanzliche Natur derselben aus, nimmt aber doch an, dass in ihnen mit einer vorherrschenden organisch-vegetabilisch-be- lebten Substanz zugleich auch eine organisch-anima- lisch-belebte Substanz verbunden sei, und die Diatomeen mithin Organismen seien, in welchen die thierische mit der vegetabilischen Natur vereinigt sei. Kützing suchte dem Satze, dass es keine Grenze zwischen Pflanzen- und Thier- welt gebe, in einer besonderen Schrift!) noch mehr Geltung zu verschaffen, indem er durch direkte Beobachtung nach- wies, dass das Infusorium Enchelys pulviseulus sich in einen Protococeus und zuletzt in eine Öseillatoria umwvandelte, ferner, dass das Infusorium Chlamydomonas pulvisculus in Stygeoelonium überging, wobei Tetraspora lubrica oder ge- latinosa, Palmella botryoides, verschiedene Protococeus- und Gyges-Arten als verschiedene Entwicklungsformen zum Vor- schein kamen. Allein so richtig diese Beobachtungen sind, so wenig richtig kann der von Kützing daraus gezogene Schluss betrachtet werden. Erst muss jedenfalls festgestellt werden, welche von jenen kleinen Organismen wirklich Thiere und welche wirklich Pflanzen sind, denn man kömmt 1) Ueber die Verwandlung der Infusorien in niedere Algenfor- men. 1544. 119 jetzt immer mehr zur Ueberzeugung, dass Ehrenberg eine zahllose Menge von niederen Algenformen und verschiedene Entwicklungsstufen derselben als selbstständige, infusorienar- tige Thiere beschrieben hat; man vergleiche nur Thuret’s Untersuchungen über die Bewegungsorgane der Algenspo- ren*), und man wird hier eine Menge beweglicher Organis- men finden, welche als Monadinen und Volvoeinen von Eh- renberg in seine Klasse der Infusorien aufgenommen wurden. Hält man sich an diese Klassifikation Ehrenberg’s, so wird man leicht bei der Verfolgung der Entwicklung von Algen zu solchen Fehlschlüssen verleitet. Auch Unger?) hat sich durch die interessante Entdek- kung, dass die Sporidien der Vaucheria elavata mit Flimmer- epithelium im Wasser herumschwimmen, verführen lassen, zu glauben, dass sich Pflanzen in Thiere und umgekehrt Thiere in Pflanzen verwandeln könnten. Aber Ortsbewe- gung und Flimmerorgane, mögen diese aus einem Flim- merepithelium oder aus einzelnen schwingenden Geiseln be- stehen, können nicht über die Thierheit eines organischen Wesens entscheiden. Freie Ortsbewegungen kommen in Menge bei den niederen Algen vor; diese Bewegungen rüh- ren entweder von Flimmerorganen oder von anderen noch nicht erkannten Ursachen her, werden aber auf keinen Fall von willkührlichen Kontraktionen und Expansionen eines Organs bewirkt, diese Eigenschaft gehört nur der Thier- welt allein an. Vor der Hand kann man also noeh an gar keine Aufhebung der Grenze zwischen Thier- und Pflanzen- reich denken, worüber sich Ref.) in einem besonderen Pro- gramme ausgesprochen hat, indem er darauf aufmerksam ge- macht, dass aus den Entdeckungen von Unger und Thuret nichts weiter geschlossen werden darf, als: Flimmerepi- thelium und Flimmerorgane sind nicht mehr aus- schliessliches Eigenthum des Thierreichs. Ein anderer Moment, der als Unterschied zwischen Thier und Pflanze hervorgehoben werden muss, ist der, dass die nach Art der Infusorien mit einem Flimmerepithelium herum- schwimmenden Sporidien 1) keinen innern Willen besilzen, mit welchem sie die Richtung ihrer Bewegungen bestimmen, und 2) bei aller Beweglichkeit des ganzen Körpers wegen Maugel an willkührlicher Kontraktion und Expansion, welche 1) Annales des seiences nat. Bolanique. T. 19. 1943. p- 266. 2) Die Pflanze im Momente der Thierwerdung. 1543. i 3) De finibus inter regnum animale et vegelabile constituendis Erlangae 154, 120 nur wahren Thieren eigen sind, stets starr bleiben. Ferner dürfte noch ein Unterschied darin zu finden sein, dass ge- wisse Pflanzen -Eier (Sporidien) ein Flimmerepithelium be- sitzen, während die Thier-Eier niemals mit einem solchen versehen sind, sondern erst, nachdem sie sich in Embryone umgewandelt haben, Flimmerorgane erhalten. Die Spongien, aus denen Grant bewimperte infusorienartige Körper als Brut hervorkommen und im Wasser herumschwimmen sah, sind immer noch Pflanzen, da jene Körperchen nichts an- deres, als bewimperte Sporidien gewesen sind. Kützing') muss Ref. falsch verstanden haben, wenn er meint, derselbe betrachte die Bewegungswimpern der Vaucherien-Keime als etwas von den nur dem Thierreiche eigenthümlichen Flim- merorganen ganz verschiedenes. Flotow?°) hat in einer sehr ausführlichen Abhandlung über Haematococeus pluvialis ebenfalls darauf aufmerksam gemacht, wie verschiedene Entwicklungsformen dieses Pflänz- chens leicht als Infusorien betrachtet werden könnten, indem einzelne Formen derselben mit Ehrenberg’s aufgestellten Infusorien- Gattungen Chilomonas, Cryptomonas, Gyges, Chla- mydomonas, Pandorina, Chaetoglena, Chaetotyphla die grösste Aehnlichkeit haben. Man wird durch diese Beobachtungen von Neuem daran erinnert, wie nothwendig es ist, die Infusorien- Klasse einmal erustlich von allen fremden Beimischungen zu sichten, aus welchen die abentheuerliche Behauptung, dass sich Pflanzen in Thiere und Thiere in Pflanzen verwandeln könnten, immer und immer wieder neue Nahrung schöpft. 4) Ueber die Verwandlung der Infusorien, a. a. O. p. VIl. Anm. 2) Nov. Act. Acad. nat. Curios. T. 20. P. 2. 1844. p. 413. BERICHT über die Fortschritte der mikroskopischen Anatomie im Jahre 1844; von KLUB. Reıch ER. — Für die Erweiterung unserer Kenntnisse über die Zellen- . genesis ist der Furchungsprozess seit der Entdeckung der Dellenbildung um Inhaltsportionen durch Nägeli von der wichtigsten Bedeutung geworden. Immer wahrscheinlicher wird es, dass jedes organische Geschöpf seine Entwickelung mit einer Zellenbildung desjenigen Materials beginnt, aus welchem der Aufbau des Organismus durch weitere Diffe- renzirung hervorgeht. Indess sind die Verhältnisse und Er- scheinungen, unter welchen dieser Prozess, der nur von Aeusserlichkeiten den Namen „Furchungsprozess‘“ erhalten hat, auftritt, wie es scheint, bei den verschiedenen Thieren noch sehr abweichend und lassen ein einheitliches Prinzip noch kaum errathen. So liegen uns aus dem Jahre 1844 zwei Arbeiten vor, die eine von H. Ratlıke (De animalium erustaceorum generatione, Regiomonti 1844), die andere von E. Grube (Untersuchungen über die Entwickelung der An- neliden [Clepsine], Königsb. 1844), welche in dieser Bezie- hung manches Räthselhafte bringen. Nach Rathke lassen sich im Dotter der Krustaceen vor der Befruchtung die Formelemente und die Dotterflüssigkeit unterscheiden. Die letztere, von eiweissartiger Beschaflen- heit, ist an Masse stets geringer, als die Formelemente. Die Formelemente sind theils Fettkörper von mehr oder weniger harter Konsistenz, theils Zellen. Die letzteren enthalten eut- 122 weder flüssiges Fett oder flüssiges Eiweiss von verschiede ner Färbung und Konsistenz, oder in seltenen Fällen neben dem Eiweiss ein von koagulabiler Flüssigkeit gelärbtes Bläs- chen, gleichsam einen Kern, der stets frei in der Zelle liegt. Die Grösse der Zellen ist im Ganzen bedeutend, und erreicht bei Gammarus fluviatilis sogar den Durchmesser von -; Par. Tin. Nach der Befruchtung sah der Verfasser nur bei Car- cinas Maenas, Gammarus fluviat. und Locusta einen gewöhn- lichen Furchungsprozess. Dagegen will Rathke gefunden haben, dass sowohl bei den Flusskrebsen, als bei den Spin- nen gleich nach der Befruchtung nur aus einem Theile der primären eiweisshaltigen Zellen des unbefruchteten Dotters dureh direkte Umwandlung sich die Zellen des Keimes oder Bildungsdotters (Ref.) konstituiren. Die übrigen primären Zellen hingegen verwandeln sich in sogenannte Follieuli oder sekundäre Zellen des Dotters, indem dieselben in grösserer oder geringerer Anzahl mit den anderen Formelementen, nebst einer geringen Menge Dotterflüssigkeit, von Membranen umhüllt werden. Die Zahl dieser Follikel ist bei den ver- schiedenen Spezies verschigden; bei Daphnia pulex zählt der Verfasser 50; in anderen Eiern sind sie zahlreicher. Es werden beim Flusskrebs 6 eiweisshaltige und 20—25 fett- haltige Zellen und andere Körperchen in die Dotterfollikel aufgenommen; beim Gammarus fluviatilis von den ersleren Formelementen 20, von den anderen fast 50; bei Crangon vulgaris von den ersteren nur 5, von den letzteren dagegen fast 100. Aus Grube’s Untersuchungen über die Entwickelung der Clepsine entnehmen wir für diesen Bericht Folgendes: Der Dotter des Clepsineneies enthält nach der Belruchtung: molekulare Körperchen theils frei, theils mehrere in Hüllen eingeschlossen von 0,0013” Durchm. ohne merkliche Bewe- gung, ferner Fettkörperchen theils frei, theils in Hüllen, fer- ner Molekular- und Fettkörperchen gemeinschaftlich in Hül- len von 0,0004—0,0013” Durchm., endlich Kernkugeln, d.h. ganz farblose, durchsichtige, kugelige Körper ohne irgend einen charakteristischen Glanz, ebenso gross und grösser als die Fettkörperchen von 0,0006 — 0,0013” Durehm. Bei dem Furchungsprozess zeigt sich nun das Eigenthümliche, dass vor den Furchen, die die Hauptmasse des Dotters durchsetzen, an zwei Polen, an dem einen Pole jedoch über- wiegender (thätiger Pol), ein weisser Punkt ins Auge fällt, welcher sich zur kreisrunden Scheibe vergrössert und einen grauen Mittelpunkt enthält. Beide Theile nehmen an Um- fang zu, und werden nun Polarringe genannt. In ihm fin- den sich namentlich molekulare Körperchen, aber anfangs 123 auch Fettkörperchen. An erhärteten Eiern zeigt sich, dass diese Masse von dem einen Pole durch den Durchmesser des Dotters zu dem anderen hindurch geht. Während dann an der Hauptmasse des Dotters die Furchungslinien erkannt worden, sieht man gleichzeitig, dass auch in der, am thäti- gen Pole sichtbaren Dottermasse einzelne Kugeln auftreten, die von Grube, weil sie künftig die Leibeswand des Em- bryo bilden, die Wandungsballen genannt werden. Diese Wandungsballen vermehren sich, wie es scheint, auf Kosten der übrigen Dottermasse, welche hauptsächlich Molekular- körperchen und Kernkugeln abgiebt, und den eigenen Fur- chungsprozess nur etwa bis zur Theilung in acht Furchungs- kugeln ausführt. Ausserdem wird die Zahl der Wandungs- ballen noch dadurch vergrössert, dass die schon gebildeten sich fernerhin theilen und demgemäss kleiner werden. An diesen Wandungskugeln erkannte der Verfasser, ohne dass ihm andere Arbeiten über den Furchungsprozess bekannt waren, jene bekannten hellen Flecke. Bei der Theilung der Wandungskugeln scheinen auch diese hellen Kugeln sich zu theilen. Von der Anwesenheit einer Membran an den Wan- dungskugeln hat sich Grube, wenigstens an den grösseren, nicht sicher überzeugen können. Doch bemerkte er bei sanf- ter Kompression und günstiger Verletzung der Rinde einer Kugel, in Folge dessen die Masse aus dem Innern hervorge- presst wurde, dass der molekulare Inhalt von der Kontour etwas zurückwich. Die Kontour zeigt sich als eine einfache glatte Linie, umgeben von einem röthlichen Schein; der Raum zwischen ihr und den zurückweichenden Elementar- theilchen erschien bläulich. Der Verfasser schliesst daraus, dass zwar eine Rinde von zäher Beschaffenheit um die Ku- gel herum sich befinde, ist aber nicht geneigt, dieselbe für eine Membran zu halten. In Betreff der Kernkugeln der Wandungsballen blieb es ungewiss, ob sie Blasen, oder viel- mehr eine farblose, kernkörperlose Gallertkugel darstellen. Sie sind jedenfalls nieht starr, verändern leicht ihre Formen, und lassen sich durch starken Druck in mehrere kleine zer- stückeln. Die Entstehung der Wandungsballen glaubt der Verf. sich dadurch erklären zu können, dass die Kernkugeln eine eigene Anziehung auf die molekularen Körperchen ausüben und die letzteren auf diese Weise von den Fettkörperchen trennen. Indess wird nach des Ref, Ansicht durch die At- traktion der festeren Bestandtheile des Dotters zu Klümpehen oder Häufchen nicht die Trennung der flüssigen Masse, in welcher die festeren Theile suspendirt sind, bedingt, so dass 124 Ein die Hauptschwierigkeit bei der Entstehung der a anngesballen noch zu erklären übrig bliebe. €. Bruch verdanken wir eine durch die Reichhaltigkeit ihrer Beobachtungen sich auszeichnende Schrift über das körnige Pigment der Wirbelthiere in physiologischer und pathologischer Hinsicht. (Untersuchungen zur Kenntniss des körnigen Pigm. ete. mit zwei Tafeln, Zurich 1844.) Die Farbenerscheinungen im thierischen Körper rühren, wie auch sonst in der Natur, hinsichtlich der nächsten Ursachen, entweder von einer eigenthümlichen Anordnung und Flächen- bildung gewisser Gewebe her, oder von einem sogenannten Pigmente, das im chemisch fein vertheilten Zustande in den Körpern sich befindet und das Symptom einer eigenthüm- liehen Lichtbrechung zeigt. Die ersteren, auch wohl „‚en- toptisch“ genannten Farbenerscheinungen zeigen sich: am -Tapetum, an den schillernden Farben der Federn, Schuppen, zum Theil an der vorderen Fläche der Iris, unter dem Peri- tonäum der Fische ete. Die Bestandtheile sind hier entwe- der durchsichtig und bei Anwendung des Chlors tritt keine Veränderung ein, oder die entoptische Färbung ist doch mehr oder weniger unabhängig von einer etwa ausserdem in ihnen enthaltenen Pigmentfarbe (Ref.). Die Pigmente, welche sich meistentheils durch Chlor von den Körpern entfernen lassen, kommen im thierischen Körper entweder an flüssige, so namentlich als gefärbtes flüssiges Fett, als Hämatin, oder an mehr oder weniger feste Bestandtheile gebunden vor. Zu den letzteren Pigmenten gehört nun das körnige Pigment, d. h. kleine, mikroskopische, rundliche oder eylindrische Körperchen öfters von unmessbarer Feinheit, die durch Chlor ihres Farbstoffes beraubt werden können, und dann als farblose Körper ohne sichtbare Formverände- rung zurückbleiben. Ihr Pigment ist gelbbraun, schwarz in mannigfaltigen Abstufungen. Alles körnige Pigment erscheint auf einer gewissen (?Ref.) Entwickelungsstule in Zellen ein- geschlossen, die konstant wenigstens einen vollkommen durehsiehtigen Kern mit 1—4 Kernkörperchen besitzen. Um diesen Kern herum liegen die Pigmentkörncehen in einer durchsichtigen, zuweilen auch gefärbten, mehr oder weniger zähflüssigen Substanz eingebettet, und von einer stets farb- losen, durchsichtigen Zellenmembran eingeschlossen. Das normale körnige Pigment findet sich im Augenpigmente, in der Oberhaut, in den sogenannten pigmentirten Faserzellen (Schwann’s sternförmige Pigmentzellen), in den Lungen. Ref. entnimmt aus den zahlreichen Untersuchungen hierüber Folgendes: - 125 Bei den Menschen und den Säugethieren besteht die Pigmentschicht der Choroidea aus polyedrischen, meist sechs- eckigen platten Zellen, die sich auf der ganzen Choroidea in einfacher Schicht, auf dem Corpus ciliare und der hin- teren Wand der Iris bis zum Pupillarrande in mehreren La- gen übereinander, beim Kalbe, Pferde, Schafe auch auf der vorderen Wand der Iris, doch hier wiederum in einfacher Schicht, sich fortziehen. Die Zellen liegen meist dicht an- einander: doch will der Verfasser beim Kalbe auch eine dünne Intercellularsubstanz bemerkt haben. Die grössten Zellen hat das Kaninchen, die kleinsten der Mensch. Der Kern der Zelle liegt mehr oder weniger central in je- ner, der Retina zugewendeten Abtheilung der Zelle; ge- meinhin dicht an der Wand, so dass er dieselbe auch wohl hügelartig hervortreibt. In seltenen Fällen sah Bruch auch zwei Kerne (beim Menschen und beim Pferde). Die Pigmentkörnchen sind am grössten bei den Säugethieren, am kleinsten beim Menschen, und rund. Am reichsten an Pigmentkörnchen sind die Zellen der Wiederkäuer, des Ka- ninchens, am ärmsten die des Hundes, der Katze und des Menschen. Sie liegen bald mehr um den Kern und dek- ken denselben theilweise oder ganz, oder gegen die Periphe- rie der Zelle hin, oft dicht an der Membran, so dass die- selbe ganz unsichtbar wird und die Kontour der Zelle mit Körnchen bedeckt erscheint. Durchgehends nehmen sie, wie schon Henle beobachtete, jene der Choroidea zuge- kehrte Abtheilung der Zelle ein, so dass eine umgeklappte Choroidea nach dieser Seite hin wie von einem hellen Saum begrenzt erscheint, in welchem die Kerne gemeinhin sicht- bar sind und der fälschlich für die Kontour einer eigenen Membran gehalten worden ist. Doch eine Verdickung der Zellenmembran an dieser Stelle, deren Henle erwähnt, fin- det, wie Bruch ganz richtig angiebt, nicht Statt. Der Ver- fasser bestätigt auch, dass die Zellen auf dem Tapetum der Thiere von Pigmentkörnchen frei seien. In den Pigment- zellen des Kaninchens sind ausserdem zahlreiche grössere und kleinere Fetttröpfehen enthalten. Die von Hannover sogenannten pigmentirten Deckel und Pigmentscheiden konnte der Verf. hier nicht bemerken, was auch dem Ref. bisher nicht gelungen ist. Bei den Vögeln gleichen die Zellen der Pigmentschicht des Auges hinsichtlich der Anordnung denen der Säugethiere, Hinsichtlich der Form sollen nach Bruch diejenigen Zellen, welche sich an der Choroidea vorfinden, auffallend sich un- terscheiden. Sie stellen nämlich, nach ihm, spitze Kegel dar, die mit der abgerundeten, pigmentfreien Basis gegen die 126 Stäbehenschicht gekehrt sind, während das äussere linde in eine oder mehrere Spitzen .oder Wurzeln ausläuft, An der Basis plalten sie sich gegenseitig polyedrisch ab. Die Formen der Zellen in der Pigmentschicht werden biernach mil dem Cylinder-Epithelium verglichen. Referent muss nach seinen Beobachtungen au Augen von Hühnern des Verfassers Angaben widersprechen. Bruch selbst macht bei Gelegenheit seiner Untersuchungen an Fisch- augen auf die künstlichen Formen aufmerksam, welche die Zellen der Pigmentschicht wegen des zähflüssigen Inhaltes bei Zerrungen annehmen können. Bei den Fischen ist nun aller- dings der zähe Zelleninhalt, in welchem die Pigmen!körnchen eingebeltet sind, von mehr flüssiger Beschaffenheit, als bei den Vögeln. Daher sind die künstlichen Formveränderungen die- ser eigentlich nur scheinbaren Zellen. da ihre Membranen be- reils zerslört sind und nur der Inhalt der Zelle vorliegt, hier viel mannigfalliger, unbestimmter und dadurch auffälliger. Bei den Vögeln findet Aehnliches Stalt. und die von Bruch be- schriebenen Formen der Zellen erscheinen dem Referenten als solche Zerrungsprodukte, die sich von denen bei den Fischen wegen der grösseren Zähigkeit des Zelleninhaltes durch grös- sere Beständigkeit auszeichnen. Da ein zu mikroskopischen Untersuchungen geeignetes Präparat nicht anders, als durch Entfernung und Abziehen der Pigmentschicht von der Cho- roidea erhalten werden kann, so ist eine Zerrung der Zellen in der Richtung des senkrechten Durchmessers des Auges oder der Axe der von Bruch-beschriebenen Kugeln unvermeidlich. Mag man darauf die Pigmentschicht gesondert oder auch zu- gleich mit der Stäbchensehicht unter das Mikroskop legen, man ist niemals sicher, normal beschaffene Zellen vor sich zu haben. Referent stützt demgemäss seine Ueberzeugung, dass die von Bruch beschriebenen Zellen Kunstprodukte seien, nicht sowohl auf eine gesicherte Beobachtung normaler Zellen, als vielmehr darauf, dass die Formen der vermeintlichen nor- malen Zellen je nach der Behandlung des Präparales in einem und demselben Auge und an den gleichen Stellen verschiede- ner Augen variiren, und dass die an ihren Meinbranen leicht zu zerstörenden Zellen der Pigmentschicht einen zähflüssigen Inhalt besitzen. Betrachtet man ein behutsam abgetrenntes und mit der Aussenfläche auf der Glasplalte ausgebreitetes Stück der Pigmentschicht, namentlich an den Schnitträndern, wo die Seitenansichten der Zellen zu Tage treten, so erscheinen viele derselben oval geformt. Der Längsdurchmesser liegt in der Richtung der Dicke der Pigmentschicht. Die Zellen zei- gen sich in der Haupimasse dunkel von dem Pigment. Gleich- wohl sieht man nicht allein an demjenigen Ende, welches der 127 Stäbehenschicht zugekehrt ist, sondern auch an dem entge- gengeselzien, der Glasplalle zugewendeten ganz helle, durch- sichtige Säume. Anfangs ist man geneigt, diese lichten Stellen für den optischen Ausdruck der vielleicht durch Diffusion von Wasser erfolgten Veränderung zu halten. Indessen auch ohne Anwendung des Wassers ist das Phänomen sichtbar, und über- dies überzeugt man sich durch Kompression des Präparales, dass die lichten Stellen von einer zähflüssigen Inhaltsmasse der Zelle herrührt. die keine Pigmen!körnchen enthält. und dass es schon jelzt sehr zweifelhaft ist, ob die Zellenmembran unversehrt geblieben. oder ob nicht vielmehr die Inhaltsmasse der Zelle allein vermöge ihrer zähflüssigen Beschaffenheit die vermeintliche Pigmentzelle konstituirt. Ist die Ablrennung der Pigmentschicht gewaltsamer erfolgt. dann haben die von den Membranen befreiten Inhaltsınassen der Zellen bald eine mehr eylindrische. bald und häufiger jedoch eine mehr oder weniger zugespitzte Kegellorm. Die Spitzen der Kegel sind gegen die Cloroidea und in dem Präparat gegen die Glasplalte gewen- det. Sie bestehen allein aus der pigmentfreien Inhaltsmasse und enthalten zuweilen ein rundes. einem Feltiropfen ähn- liches Körperchen. Auf den ersten Blick scheint es oft, als ob die helle Masse dem dunkel gefärbten Theile des Kegels nur aufsitze. Inzwischen lehren genaue Untersuchungen, dass vielmehr beide Massen ein Ganzes bilden, indem einerseits die hellere Masse an ihrem freien Rande konlißuirlich in den der dunkeln ausläuft. und indem anderseits die letztere nicht sel- len mit einer oder mehreren Spilzen, ganz so, wie Bruch die Enden seiner Kegel beschreibt und zeichnet, in die helle Masse sich forlsetzt. Endlich bei noch gewallsameren Zerrun- gen erlangt man die Formen, welche Bruch beschreibt, und bei welchen die in eine oder mehrere Zacken auslaufenden Spitzen der Kegel frei endigen, ohne von lichter Masse um- geben zu sein. Diese Formen sind jedoch bei gewöhnlicher Behandlung des Präparates die seltneren, und ich möchte fast glauben, dass Bruch bin und wieder die hellere Masse an diesen Spitzen übersehen habe. Von Membranen lässt sich an allen diesen Formen nichts mehr nachweisen. Unter solehen Umständen muss die Ansicht des Ref., dass die beschriebenen Formen der vermeintlichen Pigmentzellen nur Kunstprodukte seien, gerechtfertigt erscheinen. Bringt man das in Abrechnung, was, bei der Zerrung des Präparates nach einer bestimmten Richtung, als künstlich erzeugt ange- sehen werden kann, so lässt sich wohl von den Formen der Zellen in der Pigmentschicht der Vögel aussagen, dass diesel- ben nicht wesentlich von denen bei den Säugelhieren abwei- ehen. Doch müssen die Zellen bei den Vögeln nicht allein 128 in der Abtheilung, die nach der Stäbehenschicht gewendet ist, sondern auch in der enlgegengesetzien nach der Choroidea hin pigwentfreie Inhallsmasse besitzen, da sie bei den künst- liehen Formen auch hier sich deutlich zu erkennen giebt. Es lassen sieh übrigens ähnliche künstliche Formen, wie bei den Vögeln, auch bei den Säugelhieren hervorbringen. Aber bei den Vögeln geschieht dieses leichler, und die Konlouren der künstlichen Formen sind schärfer, was wohl darin seinen Grund hat, dass die Inhaltsmasse der Zellen zähflüssiger ist und die Pigmenutkörnchen nach Zerstörung der Membran nicht so leicht sich freimachen. Bei den Fröschen übertrifft die Höhe der Zellen in der Pigmentschicht des Auges gemeinhin etwas die Breite, so dass man an ein Uebergangs-Epithelium erinnert wird. Die Pig- mentkörnchen liegen mehr nach der Peripherie hin. Die Zel- len enthalten ausserdem einen grossen, ovalen Kern, und die bekannten blassen, orangefarbenen Feltlropfen (? Ref.). Bei den Fischen ist die Untersuchung am schwierigsten; nach des Ref. Ansicht vorzüglich deshalb, weil der Inhalt der sehr leicht zerstörbaren Membran der Pigmentizellen fast wie flüssiges Fett sich verhält Beim Hecht bestehl nach Bruch die Pigmentschicht aus sechseckigen oder kugelrunden Zellen von sehr verschiedener Grösse und Farbe, je nach dem Ge- halt des körnigen Pigments. Sie enthalten konstant einen runden oder ovalen Kern, und zuweilen ein oder mehrere Bläschen oder Kugeln von dunkler Farbe, ganz ähnlich klei- neren Pigmentzellen. Sie zeichnen sich durch ihre Empfind- hiehkeit gegen äussere Einflüsse und durch die Elastizität der Zellenmembranen aus. In Folge der letzteren (? Ref.) verän- dern sie ihre Gestalt in die wunderlichsten Formen. Der Verfasser giebl an, dass die Zellen, namentlich die eckigen, bei Zusatz von Wasser oder Essigsäure ihren Inhalt ergiessen. Ref. zweifelt nicht, dass die Pigmentzellen auch bei den Fi- schen Membranen besilzen. doch wollte es ihm bisher nicht gelingen, an den Präparaten dieselben nachzuweisen. Wie leicht hier die Membranen der Zellen zerstört werden können, davon überzeugl man sich schon bei dem ersten Einschnilt, den man in die Choroidea macht, und bei Beachtung der Ver- änderungen, die die anfangs platten Schnittränder bei dem Ausfliessen der Inhallsmassen der zerstörten Zellen erleiden. Daher möchten wohl die Veränderungen der Formen nieht auf die Elastizität der Menıbran, als vielmehr auf die Beschaf- fenheit des zähflüssigen freien Inhaltes zu schieben sein. — Hier bei den Fischen allein, und zwar nur an denjenigen Zel- len, die die Zwillingszapfen berühren, konnte Bruch jene von Hannover beschriebenen Pigmentscheiden vorfinden. Sie um- 129 fassen die Spilzen der Zwillingszapfen (nicht der Stäbe) mit mehreren Zacken und Ausläufern. Ueberall sind sie vom kör- nigen Pigment bräunlich oder schwärzlich gefärbt, doch sitzen sie nicht auf der Oberfläche auf, sondern sind in der faden- ziebenden, eiweissarligen Masse eingestreul, die sich beim Druck so, wie die Inhaltsnasse der übrigen Pigmentzellen verhält. Die Scheiden überziehen nicht die ganzen Zwillings- zaplen, wie lannover vermuthel. sondern reichen kaum bis renzlinie, welche die Spitzen der Zapfen von ilıren eln trennt. Bruch fand auch nicht. wie Hannover, dass die Pigmentscheiden in durchlöcherten Pigmenizellen stecken. Der Verfasser kann schliesslich den Gedanken nicht unterdrücken, dass die Pigmentscheiden wohl nur verzerrte Pigmentzellen darstellen, die beim Abziehen der Retina folgen. Referent muss nach seinen Untersuchungen dieser Ansicht vollkommen beistimmen, und hält die Zweifel über die Dar- stellung Hannover’s von dem Verhältniss der Stäbchen- schieht zu der Pigmentschicht durchaus gerechtfertigt. | Die gefärbte Oberhaut ist von der ungelärblen nur ‚durch die Ablagerung von Pigmenlistoffen unlerschieden. Die- ser Pigmentstofl ist bei den bunten Farben gefärbtes Fell, bei den gelben, braunen, schwarzen Färbungen körniges Pigment. In der Haut des Menschen ist das körnige Pigment, wie be- kannt, in der untersten Zellenschiehl der Epidermis abgelagert, entweder durchweg (Neger). oder stellweise (Pubes, areolae mammae ete.). Au den Brusiwarzen von Männern und Wei- bern fand Bruch nur gefärbte gelbe und rölhliche, körnige oder glatte Kerne. und nicht Zellen mit körnigem Pigment. wie Simon. Diese Beobachtung hängt wohl mit der Ansicht des Verfassers zusammen, dass in der untersten Epidermis- schicht nur Kerne vorkommen. Obschon mehrere achtbare Forscher eine gleiche Ansicht ausgesprochen haben, so kann Ref. nach erneuten Untersuchungen nicht anders, als dahin sich erklären, dass dieselbe mindestens unerwiesen is. Feine Durchschnilte der Haut und Conjuneliva lelıren zwar, dass die öfters gelblich schimmernden Kerne, die an dunkeln Haul- stellen von der Auflagerung sehr kleiner Pigmentkörnchen gekörnt erscheinen. in der untersten Schicht der Epidermis diehter beisammen liegen. Jedoch sieht man in der Umge- bung derselben stets flüssige Masse, in welcher molekulare Körperelhen und auch grössere. Felttröpfchen ähnliche Kügel- chen, desgleichen an den gefärbten Hautstellen Pigmentkörn- chen eingebettet sind, Diese Masse erscheint hin und wieder mit einem oder auch mil mehreren Kernen zugleich in runde Abtheilungen gesondert. Wenngleich nun der Nachweiss einer Membran an diesen Kugeln dem Ref. nicht gelingen wollte, Müller's Archiv, 1815. E 130 so kann die mögliche Anwesenheit derselben doch nicht in Abrede gestellt werden, wenn man, wie doch ganz nothwen- dig, beachtet, dass die direkte Erkenntniss der Membranen unter Umständen nicht selten unmöglich wird, dass ferner Zellenmembranen an sich generirender Zellen und junger Zel- len sehr leicht zerstörbar sind, dass endlich die Anfertigung geeigneter Präparate olıne bedeutende Zerrung und Druck dieser fraglichen Epidermisschicht nicht erfolgen kann. Die letzteren Gründe gestalten selbst die Möglichkeit, dass auch die scheinbare, nicht geformle Masse durch Zerstörung der vorhandenen Zellen entstanden sei. Man kann daher aus den Erscheinungen der Präparate, die wir uns zu verschaffen im Stande sind, auf das normale Verhalten der untersten Epider- misschicht noch gar keinen gesicherten Schluss machen. Bei dem Schweine, Kalbe, Pferde ist die Oberhaut auf der äusseren Haut der Augenlider, auf der Conjuneliva zu- nächst der Cornea und am Rande der Nickhaut durch alle Schichten gefärbt. Auch hier ist gewöhnlich das Pigment in einer Abtheilung der Zellenhöhle enthalten, während die an- dere frei ist. Die schwarze Färbung der Klauen und Hufe _ ist gleichfalls den in den untersten Schichten derselben vor. kommenden Pigmentkörnchen zuzuschreiben. Die dunkle Farbe der Haare hängt ab, theils von den Pigmentkörnehen in der Marksubstanz. theils aber auch, wie es scheint. von der Rin- densubstanz, die mit einem Farbstoff inprägnirt sein muss, der durch Chlor sich nicht entfärben lässt. Bruch ist der Mei- nung, dass das Haar sich aus Pigment entwickele, indem die Stelle, wo sich ein (dunkles) Haar bildet, durch einen schwar- zen Fleck charakterisirt ist. der aus Pigmentkörnchen besteht. (! Ref.) In den Federn der Vögel kommt nur ein Farbstoff vor, nämlich das körnige Pigment, wodurch sich alle Nuangen von Gelb, Roth. Braun. Schwarz erklären; die schillernden Farben gehören zu den sogenannlen entoptischen. Alle Farben finden sich hauptsächlich an dem äusseren unbedecekten Theile der Feder. Das körnige Pigment findet sich in den Zellen des Markes der Haupt- und Nebenschäfte der Feder. Ausserdem ist auch die Rindensubstanz der Schäfte und die Strahlen von einem Pigmente gefärbt, welches gleichmässig in der Substanz verbreitet ist und durch Chlor entfärbt werden kann. Die Veränderungen der Farben des Gefieders sind theils bedingt dureh Abstossung der alten und Bildung neuer Federn, ferner durch Abstossung der gefärbten Endstrahlen, wie beim Ver- schwinden der Hochzeitskleider, endlich aber auch dadurch, dass sich der Farbstoff in den Federn erst nach ihrer Ent- 131 wiekelung absetzt, wie bei Jder Entstehung mancher Hoch- zeitskleider. Die sternförmigen Pigmentzellen, von dem Ver- fasser pigmentlirle Faserzellen genannt, werden als weitere Entwickelungsstufen jener, in der Choroidea und in der Haut vorkommenden, epithelienarligen Pigmentzellen betrachtet Die Aeste verschiedener, sternlörmiger Zellen sollen untereinander kommuniziren (?Ref.). Die spiralföürmigen Endigungen sol- cher Aeste, wie sie von Peters und dem Referenten in dev Culis bei Fischen beobachtet wurden (eonf. Müller’s Ar- ehiv 1841. p. CCIX. segg.), scheint Bruch nicht beobachtet zu haben. In Betreff der Ausbreitung dieses Pigments im Thierreich erwähnt der Verfasser der Anwesenheit derselben in der Schleimhaut der Kiemenhöhle beim Mai, im inneren Olır der Testudo Midas, in den Nieren von Salmo Muraena. Merkwürdig ist es, dass beim Skeik diese Pigmentzellen in einem Muskel nicht def Verlauf der Gefässe, sondern, wie int, den Bündeln folgten. Dieser Muskel erstreckt sich ‚dem Peritoneum zu beiden Seiten der Wirbelsäule von Brustwirbeln bis zum Becken. Auch das Pigment in den Bronchialdrüsen und Jungen gehört hierher und liegt in dem Bindegewebe. Die Form der Zellen nähert sich jedoch mehr der runden. Chlor enlfärbt hier die Pigmentkörnchen langsam und nicht vollstäng. Vo- gel findet die Pigmentmolekule hier auch durch eckige Form und durch die Grösse (bis zu +45” Durchm.) ausgezeichnet. Sie sollen ferner nach diesem Verfasser in den meisten Fällen nieht in Zellen eingeschlossen sein. (Götling. gelehrie Anzeig. No. 161. 1844, bei Gelegenheit einer Kritik über die vorlie- gende Abhandlung Bruch’s.) Endlich werden noch die Zellen des Corpus luteum den Pigmentzellen zugezählt. In dem Kapitel „Genese des körnigen Pigments“ giebt uns der Verfasser die Ansicht. dass alle physiologischen und pathologischen Pigmentbildungen, mit vorläufiger Ausnahme derjenigen, die von Gallenstofl herrühren, ihre Materie aus dem Blut, namentlich aus dem Hämalin hernehmen .‚An allen Orten, wo eine Sekretion, sei es auf dem normalen. Ernäh- rungswege. oder auf dem entzündlichen. Statt findet, können neben den übrigen Bestandtheilen des Blutes auch freier Blut- farbstoff und ganze Blutzellen abgesetzt werden. Dieser ex- sudirte Farbstoff erleidet, je nachdem er in Berührung mit der Atmosphäre oder anderen Sekreten kommt, chemische Veränderungen, die seine Farbe modifiziren, und wird in den Organisalionsprozess mit hineingezogen, ohne ein wesentlicher Bestandtheil des zu bildenden Gewebes zu sein. De nach der J4 132 Organisalionsstufe des letzteren wird ıman ihn daher bloss im- bibirt oder an Elementarlheile (Körnehen) gebunden oder in Zellen eingeschlossen finden.“ Gegen diese Angabe hal sich wohl mit Recht bereits Vogel (a. a. ©.) dahin ausgesprochen, dass es bis jelzt nicht gelungen sei, durch Reagenlien aus dem Hämalin eine pigmen!- ähnliche Materie darzustellen, dass gegen die Beweise Bruch’s von der Verwandlung eines Extravasals in Pigmentzellen der Umstand spräche, dass dieselben sehr häufig wieder verschwin- den, olıne Melanose zu bilden, dass endlich auch. die Ergeb- nisse aus der Entwiekelung der Thiere dagegen wären, indem das Pigment in der Pigmentschicht des Auges in sehon vor- handenen Zellen sich abselze. was Ref. bestätigen kann, und zwar olıne Extravasat, da das Blut dureh Abgabe seines Lig. sanguinis nur T Yalhrungssloff der sich entwickelnden Anlagen wird ihrer Zellen darreiche. Man darf nicht annehmen, fährt Vogel fort, dass die Farbstoffe eine sölche streng geschlossene Gruppe bilden, dass die einen elwa nur aus den anderen ent- stehen können. Der Verfasser macht darauf aufmerksam, dass durch Zusalz von Reagenlien an sich farblose Stoffe gefärbt würden, wie z. B. Protein dureh das Kochen mil Salzsäure. Referent weiset endlich darauf hin, dass farblose Bildungsdot- terzellen bei der Verwandlung in Blulzellen allmählig. und öfters unter Verhältnissen gefärbt würden, die die Annahme eines schon vorhandenen anderen Farbsloffes nicht gestatten. Eine Bestäligung seiner Ansicht ‚findet Bruch auch in der Entwiekelung der Pigmentkörper, die er auf Grund- lage der Elemenlarkörnchen-Theorie nach Henle und Ande- ren in zwei Theile zerfällt: in die Bildung der Elementar- körnchen und dann in die der eigenllichen Pigmentzellen. Aus den Veränderungen. welche die Blulextravasate und de- ven Umgebungen bei drei zu verschiedenen Zeiten (vor einigen Tagen, vor vier Monalen. vor einem Jahre) erfolgten apoplek- tischen Zufällen im Gehirn erlitlen halten, hat der Verfasser auf folgende Entwiekelung dieser Formbestandtheile geschlos- sen. Zuerst gerinnt der Faserstoff im Extravasalte; dann bil- den sich nach Iheilweiser Verflüssigung des geronnenen Fa- serstoffes, und während die Blutzellen ihren Fa:bstoff abgeben, runzlig, eckig und körnig werden. Elementarkörnchen. Diese Elementarkörnchen nehmen Hämatin auf und verwandeln sich so in Pigmenikörnehen, die demgemäss aus Farbstoff und ei- nem proleinarligen Stoff bestehen. Gleichzeitig sammeln sich nun diese Körnchen in Haufen und stellen dann die Gluge”- schen Entzündungskugeln dar, welche sehr bald einen deut- lich hellen oder granulirten Keingvon 0,0029 — 0,0037 ent- halten, Die Körnchen, welche, durch ein farbloses Cement 133 verbunden, zu den genannten Kugeln verwandelt werden. sind theils farblos, theils aber auch gelblich, rölhlichbraun und schwarzbraun in allen Nuangen. Daher sind die Gluge’schen Entzündungskugeln bereils als der Anfang der Pigment-Zellen- billung anzusehen, welche daun schliesslich durch das Ent- stehen der Zellenmembran vollendet wird. — Dasselbe Resul- tat in Belreff der Pigment - Zellenbildung ergiebt sich auch beim normalen Pigment. Denn Valentin sah (nämlich im Jahre 1835! Rel.) in der Pigwmentschicht der Choroidea des menschlichen Embryo vor der zelinten Woche nur Kerne und um dieselben Pigmentkörnehen. jedoch keine Zellenmem- branen. Bei Erwachsenen ferner zeigen sich nie leere Zellen, in denen das Pigment abgelagert sein könnte. Auch in dem Pigment der Haut können die Pigmentzellen anfangs nur oline Zellenmembran sein. da nach des Verfassers Ansicht die un terste Epidermisschicht keine Zellen besitzt. Endlich hat Kölliker bei Jen Cephalopoden während der Entwickelung beobachtet, dass die Pigmentzellen durch Umlagerung von Pigmentkörnchen um seine Embryonalzelle entstehen, ohne von einer währnelmbaren Membran umgeben zu sein. Daraus folgert Bruch. dass die Pigmentzellen ihre Membranen erst um einen schon vorhandenen und vorauf gebildeten Hanfen Körnehen mit einem Kern sich entwickeln. Es ist also eine Zellenbildung um Inhöltsportionen, wie sie während der Pur- chung und namentlich von Nägeli bei der Pollenbildung be- obachtet werden. Der Unterschied bestehe nur darin, dass keine Furchung Stall finde Da, wo die Pigmentzellen arın an Pigmeniköruchen sind, können die lelzteren entweder gleich bei der Entstehung in geringerer Zahl vorhanden ge- wesen, oder wohl auch später theilweise verschwunden sein. Für die sekundäre Bildung von Pigmentkörnchen innerhalb einer Zelle, wie es Vogel annahm, sprächen am meisten noch die sternförmigen Pigmentzellen, die zu allen Zeiten s»irotzend von Körnchen seien. Referent hält die Beobachtungen, auf welche Bruch seine Ansicht von der Pigmentzellenbildung slülz!. weder für zureichend, noch für so hinlänglich gesicherte Thalsachen, dass nicht von den verschiedensten Seilen her ihnen zu wi- dersprechen wäre, Doch würde diese Kontroverse Nichts weiter fördern. Daher beschränkt sich Ref., darauf aufınerk- sam zu machen, dass ihm die Auffassung Bruch’s und meh- rerer anderer Forscher von der Zellenbildung Mach Nägeli nicht richlig zu sein scheine. Nägeli’s Zellenbildung um den Inhalt oder um Inhaltsporlionen ist nämlich nicht eine Membranbildung um einen beliebigen Haufen wunderbar ver- einigler Körnehen sammt Flüssigkeit, welcher nachträglich 134 den Inhalt der Tochlerzelle bildet. sondern sie ist viel- mehr eine Zellenbildung um den Inhalt oder um die In- haltsporlionen der Mutllerzelle. Hiernach bestehl ein grosser und wesentlicher Unterschied zwischen der Zellen- senesis Bruch’s nach der Köruchentheorie und Nägeli’s. Die Erscheinungen der Furchung sind bei der Zellengenesis nach Nägeli rein Nebensache, können füglich fehlen, und fehlen selbst bei dem Furchungsprozess der Eier bei der Bil- dung der ersten Furchungskugel. In dem Abschnitt „chemische Thatsachen‘ werden zulelzt eine Reihe vorläufg noch mangelhafter Experimente milgelheill, zum Beweise der Ansich!, dass das Pigment der Pigmentkörnchen verändertes Hämalin sei. Der Umstand, dass Chlor den Pigmen!körnchen den Farbstoff entzieht, ohne sie selbst in Form, Grösse, Molekularbewegung zu verändern, lei- tet darauf hin, dass wir es nichl elwa bloss mit festgewor- denem Farbstoff zu thun haben, sondern dass letzlerer an eine organische Malerie gebunden sei. Diese Materie kann Fell oder eine Proteinverbindung sein. Die Anwesenheil von Felt in den Pigmentkörnchen wird ziemlich allgemein ange- nommen, ohne dass man dasselbe nachzuweisen im Stande wäre. Vielleicht verhindert eine eiweissarlige Hülle an den- selben die Reaklion auf Weingeist und Aelher. Bei der Un- tersuchung der Choroidea frischer Kalbs- und Schweinsaugen zeigte sich die Gegenwart von Hämatin. Da das Hämatin jedoch sich nie so rein darstellen lässt, dass nieht ein Theil Globulin damit verbunden wäre, so lässt sich auch hier auf die Anwesenheil des lelzleren, d.h. auf eine Proteinverbin- dung. schliessen, der mil jeder Exsudalion von Blulfarbsloff zugleich austritt. Zum Beweise, dass das Pigment aus Blut- farbstoff entstehe, scheint dem Verfasser noch besonders die Thalsache von Wichtigkeil, dass das Blut durch Kohlensäure dunkler, fast schwarz wird, so dass es nur des Zutrilts von Kohlensäure bedürfe, um Piginen! aus dem ausgelretenen Blule zu erzeugen. Obschon Bruch seine Arbeil eine Sammlung von That- sachen nennl. so trelen in derselben bald offener, bald mehr verborgen Ansichlen hervor, die weiler gelien, und von wel- chen einige von dem Referenten noch einer näheren Bespre- chung wertli gehallen werden. Es ist, wenn ich sagen soll, eine allgemeine Sitte. zu der auch der Verfasser sich hält, alle Zellen» die ein körniges Pigment führen, als verwandte, einem gemeinschaftlichen, histologischen Entwickelungsgesetz angehörende Gebilde zu belrachten. So werden von Bruch, so wie von anderen Forschern, zu dem „kernigen Pigment,“ welches als allgemeiner Name dieser Gewebe-Abitheilung ge- 135 braucht wird, einerseits die sternförmigen Pigmentzelleu, an- derseits die Zellen der Pigmentschicht der Choroidea, so wie die pigmentirte Oberhaul gerechnet. Bruch sagt ausdrücklich, dass die slernförmigen Pigmentzellen nur als weitere Eut- wickelungsstufen der anderen Pigmentzellen, die er für Epi- thelialgebilde erklärt, anzusehen seien, und beruft sich dabei auf Schwann, der bereils dieses erwiesen habe (Mikrosk. Unters. p. 87... Schwann hat allerdings die sternförmigen Pigmentzellen als veränderte Pigmentzellen der Pigmentschicht in der Ciioroidea betrachtet. Hierbei kam cs ihm indessen, wie es mir scheinl, weniger darauf an, die histologische Ver- wandischaft beider Gewebe nachzuweisen, als vielmehr die Entstehung der eigenthümlichen Form der sternförmigen Pig- wmentzellen aus runden, einfachen Zellen zu veranschaulichen. Schwann hal die Pigmeutzellen, vunde sowohl, als sternför- ige, nicht zu den Epithelial- und Ilorngebilden gerechnet, sondern beide, so wie auch das Gewebe der Kıystallliuse ele. zu der Klasse seiner selbstständigen, zu zusammenhängenden Geweben vereiuigleu Zellen. Es ist hier nicht der Ort, aus- einauderzusetzen, inwielern der Charakter dieser Klasse kein histologisch-genelischer sei, und daher die darin enthallenen Gewebe auch nicht zu Verwandlen erhoben würden; Referent verweisel in dieser Beziehung auf seine Schrift: „Bemerkungen zur vergleichenden Naturforschung ete. Dorpat 1845. Uns lieg! vielmehr die Frage zunächst, auf welche Erscheinungen hin die pigmentirte Epidermis, die Pigmentschicht der Choroi- dea und die sternförmigen Pigmenizellen als histologische Ver- wandle angesehen werden können? Die genannten Gebilde haben zuerst das Gemeinschafl- liche, dass sie sich aus Zellen eulwickeln, dass dieser Umstand keine histologisch-genelische Verwandtschaft begründen könne, bedarf wohl kaum der Erwähnung. Sie zeichnen sich sämmt- lich ferner dadurch aus, dass sie Pigmentkörnchen in ihrem Zelleninhalte führen. Auch diese Uebereinstimmung kann un- möglich eine histologische Verwandtschaft bestimmen. Denn die Pigmentkörnchen sind ja nur ein Bestandtheil des Zellen- inhaltes, und wohin würde das führen, wollte man bei Be- stimmung ‘der histologisch-verwandlen Gebilde darauf Rück- sieht nehmen! Die Fellkügelchen kommen z. B. als Zellen- inhalt vor: iu den eigentlichen Fettzellen; sie finden sich ferner zuweilen in den Kuorpelkörperchen, iu der Eizelle, in den Bildungsdotlerzellen, ja fast in allen Zellen von Anlagen für die verschiedensten Gewebe, Muskeln etc. Auch die Pigment- körnehen werden in viel ausgebreilelerem Maasse in den ver- schiedensten Gebilden angetroffen, als der Verfasser angegeben. So ist bekannt, dass die Ganglienkugeln schr häufig bräunliche 136 Pigmentkörnchen enthalten. Fs ist ferner Thatsache, dass die Bildungsdotlerzellen öfters Pigmentkörnchen führen. so beim Frosch, namentlich bei Rana fusca, wo nicht allein die Zellen der I/mhüllungshaut. sondern auch die der Anlage des Wir- belsystems Pigment enthalten. Ein Blick auf diese Reihe von Gebilden. die sich durch die Uebereinstimmung eines Theiles ihres Zelleninhaltes auszeichnen, lehrt zur Genüge, dass die histologische Verwandtschaft dadurch auf keine Weise be- gründet werden könne. Wenn nun aus den übereinstimmenden Erscheinungen der angeführten Gebilde sich keine histologische Verwandt- schaft ergiebt, so ist auf der anderen Seite nicht schwer nach- zuweisen, dass in Betreff des Punkles, von welchem die Be- gründung einer solchen Verwandtsebaft abhängt, nämlich hin- sichtlich des histogenetischen Entwickelungsgesetzes der uns hauptsächlich bekannten Formverhältnisse, unter ihnen keine Uebereinstimmung vorgefunden wird. Nach diesem. Geselz müssen die Epidermis und die Pigmentschicht der Choroidea als Epithelialgebilde angesehen werden, aber bei den sternför- migen Pigmentzellen können wir dieses auf keine Weise. Bruch sagt, die letzteren seien nur eine weitere Entwicke- lungsstufe der beiden ersteren. Indessen kann Niemand be- haupten, dass die sternförmigen Pigmentzellen zu irgend einer Zeit ihrer Entwickelung einen Zustand offenbaren, in welchem sie mit einem Epithelialgebilde verglichen werden könnten, denn, wie gesagt, dass sie sich aus runden Zellen herausbil- den, beweiset Nichts in dieser Beziehung. Anderseils zeigen die weileren histologischen Verwandlungen der Epithelialge- bilde, was sich z. B. am Nagel. am Haar etc. beobachten lässt, dass das histogenelische Gesetz der Epithelialgebilde nirgend zu solchen Formen führt, wie sie die sternförmigen Pigment- zellen offenbaren. ') 1) Schon im Jahresbericht dieses Archivs 1541 (p. CXCHI) und später 1842 (p. CCLXXV) hatte Ref. Gelegenheit, auf die Verände- rungen, welche die Epithelien im weiteren histologischen Entwicke- lungsgange erleiden, aufmerksam za machen. Fernere Untersuchun- gen haben meine Erlahrungen vermehrt, so dass es bereits möglich ist, das histogenrtische Gesetz der Epithelialgebilde genauer lestzuselzen. Ref. glaubt dieses hier mit wenigen Worten um so passender unter- nehmen zu können, weil einerscits bereits Henle (Canst. Jahresb. 1845. p. 16.) ähnliche Beobachtungen mittheilt, und anderseits es er- freulich sein muss, auch an einer zweilen Gewebe -Abtheilung die Betrachtungsweise durchführen zu können, welche Ref. in der eben angelührten Schrift an den bindegewebartigen Gebilden versucht hat. — Auf der jüngsten histogenetischen Stule der Epithelialgebilde sehen 137 Hiernach müssen die slernförmigen Pigmentzellen von den Epithelialgebilden getrennt werden. Sie bilden bis jetzt wir die elementaren Zellen in einfachen oder mehrlachen Schichten ohne Vermiltelung einer irgendwie bedeutungsvollen Intercellularsub- slanz einiger mil ihren Membranen an den Berührungsstellen sich an- einanderlegen, so dass dieselben mehr oder weniger ausgeprägte po- Iyedrische Formen annehmen. Die Zellen, welche das Gewebe zu- sammensetzen, können dabei einen sehr verschiedenen individuellen Habitus zeigen. Es gehören hierher die gewöhnlich sogenannten Epi- thelien: pflasterförmiges oder zylinderförmiges, flimmerndes oder lim- merloses Epithelium — Auf der zweiten Stufe verwachsen mehr oder weniger die sich berührenden Zellenmembranen, so zwar, dass anlanzs noch schwache Andeutungen derjenigen Stellen sichtbar sind, wo die Verwachsung geschehen, wie z. B. nicht selten bei den Epi- thelien der Gelässe, der Bursae mucosae, der Sehnenscheiden, und überhaupt in dem Epithelium an der freien Fläche geschlossener Höh- len, späler aber auch diese Zeichen der früheren Berührungsstellen der Zellen verschwinden, wie in der eigentlichen Nagelsubstanz, Die Höhlen der Zellen verlieren sich in dem Grade, als die Verwachsung vorschreitet, und sind zulelzt nicht mehr markiert; auch die Kerne verkümmern mehr oder weniger und fehlen auch wohl gänzlich, so dass wir schliesslich eine gleichlörmige Substanz vor uns haben, die von den Rudimenten der Kerne dunkel geBleckt erscheinen kann. Man verfolgt diese Umwandlung der Epithelien sehr gut an der eigent- lichen Nagelsubstanz, an der Rindenschicht des Haares, an der inne- ren Haarwuzrelscheide. Die Epithelialgebilde auf dieser Entwicke- lungsstufe haben im mikroskopischen Habitus Aehnliehkeit mit der letzten Entwickelungsstufe bei den Gebilden der Bindesubstanz (a. a. O. p. 150 segq.). doch ist der histogenelische Bildungsgang ein ganz verschiedener, da hier keine Intercellularsubstanz bei dem Ver- wachsen der Zellen in Betracht kommt. Eigenthümliche Ausprägun- gen können die Gebilde auf vorliegender Entwickelungsstufe dadurel erhalten, dass die verwachsenden Zellen verschiedene Pormen (runde, längliche, spindelförmige) haben, ferner durch das Verhalten der Kerne, durch die Neigung der Substanz zur Faltenbildung, — Auf der dritten Stufe, deren Ausbildung sehr gut an der inneren Haar- wurzelscheide zu beobachten ist, sieht man in der gleichlörmigen Masse, wie es scheint, an denjenigen Stellen. wo die Kerne verküm- mern, eine Resorplion eintreten, so dass das Gewebe in die bekann- ten gelfensterten Membranen verwandelt wird, Hierher gehören die enannten Haarscheiden, ferner die sehr zahlreichen gelensierten Mem- Bine in der mittleren Arterienhaut, überhaupt in den Gelässwan- dungen. Eigenthümlichkeiten bieten diese Membranen dann vorzüglich nach der Form und Grösse der Oeffnungen, die durch Resorption entstanden. — Endlich auf der letzten genetischen Stufe verwandelt sich das Epithelialgebild« durch fortschreitende Resorption der Masse von den Fenstern aus allmählig in ein Fasernetzgebilde. Nicht ohne Mühe, da die Oefflnungen sehr schmal sind, lässt sich dieser Bildungs- gang an der Rindensubstanz des Haares verfolgen, leichter an ver- 138 ein durchaus selbstständiges Gewebe, und nirgend lässt sich ein anderes, genelisch-verwandles Gewebe, es seien denn die einfacheren Formen derselben, nachweisen. Der Umstand, dass sie in ihrem Inhalt ganz gewöhnlich Pigmenlkörnchen führen, ist für sie charakterislisch. Mit der Ansicht Bruch’s, dass die sternförmigen Pig- mentzellen als weitere Entwickelungsstufen der pigmenlirlen Epidermiszellen und der Zellen der Augen-Pigmentsehicht an- zusehen seien, hängt die Aufstellung jenes schun von ver- schiedenen Seiten mit Beifall aufgenominenen Geselzes zusam- men, dass nämlich alle Pigmentzellen in ihrer Entwickelung dem Typus des Mutiergewebes folgen (p. 22.). In Geweben, die aus Zellen bestehen, bleibe daher die Pigmentzelle eine einfache Zelle; in der Sclerolica, Corium etc. dagegen. die nach dem Verfasser aus faserigem Gewebe gebildel wurden, werde sie faserig und zur sternförmigen Pigmentzelle. Zahl- veiche Analogieen fänden sich auch in palhelogischen Bildun- gen. Der Krebs schreitet zur Faserbildung in der Culis, in den Muskeln, im Uterus, dagegen thut er dieses nie oder höclıst sellen im Gehiru, in der Leber, in der Milz. Vogel, der dieses Geselz in seiner Wichligkeil für palhologische Neubil- dungen in dem Art. „Entzündung“ des Wagner’schen Wör- terbuches der Physiologie bereils nachgewiesen hal, schlägt vor, dasselbe „das Gesetz der analogen Bildung“ zu nennen. In der angeführten Kritik über die vorliegende Arbeit Bruch’s beschreibt Vogel das Gesetz so: In der Regel folgen Jie neuen Bildungen, und bei der ersten Entwickelung die se- kundären, accessorischen dem Typus des Haupt- oder Multer- gewebes, sowohl normal als pathologisch. Obschon Vogel bestimmter, als Bruch, über das soge- schiedenen Präparaten der Gefässwände während der Ausbildung des Thieres. Auch in der schon ausgebildeten Tunica ınedia der Arte- rien sind so zahlreiche Uchergangsstulen vorhanden, dass man diesen Entwickelungsgang leicht übersieht. Die Rindensubstanz des Haares, die Fasernetze der Gelässwandungen, vielleicht auch das elastische Gewebe gehören hierher. Nach den Maschen und nach dem Verhal- ten der sie umgebenden Fasermasse können die Fasernetzgebilde schr verschiedene Eigenthümlichkeiten zeigen. — Es ist eine auffallende Erscheinung bei den Epithelialgebilden, dass die mehr differenzirten Entwickelungsstufen, in welchen die ursprünglichen Zellen verwach- sen sind, im normalen Zustande nicht frei an den inneren oder äus- seren Oberflächen des Körpers zu Tage liegen, sondern selbst noch eine Decke von einem Epithelialgebilde erhalten, welches mehr oder weniger deutlich die ursprünglichen Zellen erkenuen lässt; so an dem Haare, an dem Nagel, an den Gefässen. 139 nannte Geselz der analogen Bildung sich ausspricht, so muss man doch gestehen, dass manche Ausdrücke (wie z. B. sekun- där. accessorisch, Mutlergewebe) einer näheren Erklärung be- dürfen, und dass demgemäss der Sinn desselben nach des Ref. Ansicht um so weniger deullich zu Tage liegl, als auch die augeführlen Beispiele die nölhige Erläuterung kaum geben durften. Je mehr Anhänger daher das Geselz sieh schon er- warben, um so nolhwendiger wird es. die Erscheinungen zu prüfen, welche in irgend einer Weise mit ihm in Verbindung zu bringen sind und zur näheren Bestimmung desselben die- nen können. Bei den normalen primären Bildungen findet das Ge- setz der analogen Bildung. wie auch sehon Vogel andeulet, keine Anwendung. In der Entwickelung der Organe und Systeme, so wie der Gewebe des Körpers geht Alles an Ort und Stelle den eigenen Diferenzirungsgang nach dem das Ganze beherrschenden Plane. Es liegt in der Entwickelung des Thieres die unzweifelhafte Thatsache vor, dass die ver- schiedensten. dicht beisammen gelagerten Gewebe für sich die Entwickeluug durehmachen. jedes nach seinem hislogene- tischen Geselze im Sinne des allgemeinen Entwickelungsplanes. Hätte das Geselz der analogen Bildung hier seine Gültigkeit, so müssle es auch seine Wirkungen äussern, und es wäre dann unbegreiflich. wie die Gewebe untereinander durch so gauz diflerente histogenetische Charakter sich auszuzeichnen vermögen, und nicht vielmehr die auflallendsten histologischen Uebereinstimmungen und Verwandischallen zu erkennen ge- ben. Die normalen sekundären, accessorischen Bildun- gen können verschieden sich darstellen. Wenn eine Muskel- faser sich weiter entwickelt und vergrössert, wenn das Gehirn Ausstülpungen macht für die Anlage de$ Nervus oplicus und Relina ete., so können diese Bildungun sekundär genaunl wer- den. Indessen lieg! dieses Phäuomen wohl nieht dem obigen Geselze zum Grunde, da ja nicht ein Gewebe oder ein Organ naclı einem anderen bestehenden in der Bildung sich richtet, sondern nur seine eigene Entwickelung mit Vergrösserung der Masse weiler forlselzt. Ks bleiben daher nur übrig die Er- scheinungen des normalen Wachsthums und der Regeneration, bei welchen die Neubildungen nicht eine weitere Forlent- wiekelung der bestehenden Organe und Gewebe begründen, sondern nur zur Vergrösserung und zum Ersatz derselben dienen. Wenn Zälne andauernd wachsen, wenn die Epithe- lien sich regeneriren, wenn die Feltzellen sich vermehren ele., so sind hier die Fälle gegeben, wo Neubildungen neben be- stehenden anderen Gebilden Statt finden. Auf der einen Seite haben die sich neu bildenden Gewebe ganz gleiche Ge- 140 bilde neben sich, an der anderen ganz verschiedene, wie z. B. bei dem Epithelium, Bindegewebe, Nerven, Gefässe. Wollte man das Gesetz der analogen Bildung hier in Anwendung bringen, so müsste man sagen, die neue Bildung kehre sich hier wenigstens in der histologischen Entwickelung nur nach der einen (gleichsam nach seinem Muttergewebe) und nicht nach der anderen Seite. Eine solche Behauptung liesse sich nur dadurch stützen, dass man das eine bestehende Gebilde zum Muttergewebe erhebe. Indessen vergrössern, vermehren und regeneriren sich auch Gewebe, denen man die Bedeu- tung eines Haupt- oder Muttergewebes nicht vindieiren kann, und ausserdem ist durch die Auffassung eines Hauptgewebes gleichzeitig ausgesprochen. dass nicht das Gewebe an sich, sondern vielmehr eine Beziehung desselben zur ganzen Or- ganisation des Körpers den Gang der histologischen Ent- wiekelung bestimme. Wenn man aber auch zugeben wollte, dass z. B. eine Fettzelle oder eine Muskelfaser auf die Ent- wickelung einer anderen beim Wachsthum und bei den Re- generationen irgendwie direkt influire, so ist dennoch die Art und Weise, wie die Neubildung zu Stande kommt, we- sentlich anders, als bei den Bildungen, welche, nach dem angeführten Beispiele zu urtheilen, unter dem Gesetz der analogen Bildung stehen. Hier soll sich nämlich ein Gewebe in seiner histologischen Ausbildung nach dem histologischen Charakter eines anderen daneben liegenden und von ihm ver- schiedenen richten. Bei dem Wachsthum und bei der Rege- neration dagegen würden wir indifferente Zellen haben, die sich histologisch vollkommen entsprechend dem genetischen Charakter des beiliegenden Gebildes entwickelten. Andere normale sekundäre Bildungen, die nicht in die Kategorie der oben besprochenen gehörten, sind dem Ref. nicht bekannt. Die sternlörmigen Pigmentzellen, die von Bruch und Vogel zur Begründung des Geselzes der ana- logen Bildung angeführt werden, entstehen oder bilden sich ebenso, wie jedes andere Gewebe während der Entwicke- lung des Thieres primär, wovon man sich bei den Einbryo- nen von Rana fusca, temporaria, esculenta elc. überzeugen kann. Die sternförmigen Pigmentzellen können sich aber auch vermehren, vielleicht auch regeneriren, und dann als sekundäre Bildungen gelten. Wären nun die sternförmigen Pigmentzellen auch Epithelien, was sie in der That nicht sind, so liegt doch kein Grund vor, anzunehmen, dass sie bei sekundären Entwickelungen sich anders verhalten sollten, als bei den primären, oder anders als die übrigen Gewebe, wenn sie sich vermehren oder regeneriren. Es wird diese Forderung um so dringender, wenn man bedenkt, dass das 141 Gesetz der analogen Bildung bei einer solchen Bedeutung doch manche Widersprüche hervorruft. Ref. mag nicht wei- ter den Punkt berühren, dass das Bindegewebe, um dessent- willen die Pigmentzellen faserig werden sollen, nach seinen Untersuchungen gar kein faseriges Gebilde sei, aber dass ein Gebilde von einem bestimmten typischen Charakter dem Ty- pus eines differenten Gebildes folgen könne, das erscheint ganz unbegreiflich. In Betreff der Anwendung des Gesetzes der analogen Bildung bei den pathologischen Neubildungen erlaubt sich Ref. kein entschiedenes Urtheil. Doch möchten hier wohl zunächst die pathologischen Regenerationen und Wachsthums- Erscheinungen zum Ersatz entlernter Theile des Organismus von den Afterproduktionen zu trennen sein. Jene verhalten sich wesentlich ebenso, wie die normalen sekundären Bil- dungen, nur unter abnormen Verhältnissen. Auch die After- produktionen, insofern sie Hypertrophieen bestehender Ge- webe darstellen, machen hierin keinen wesentlichen Unter- schied. Ueber andere pathologische Produkte erlaube ich mir kein Urtheil. Jedenfalls aber dürfte man auch hier nicht verlangen, dass ein Afterprodukt mit einem etwa vorhande- nen eigenen histogenetischen Charakter in seiner Entwicke- lung dem Typus eines anderen, von ihm differenten Gevwre- bes folge. Soll daher das Gesetz der analogen Bildung eine natur- gemässe Bedeutung haben, so könnte es nur die sein, dass man behauptete, in den Organismen fänden sich die Gewebe von verschiedenem histologischen Charakter jedes Mal nur auf bestimmten Stufen der eigenen typischen Entwickelung miteinander verbunden. Damit ist aber nicht ausgesagt, dass gerade das eine Gewebe in seiner Entwickelung dem Typus des anderen gefolgt sei. dass es etwa laserig würde, weil das andere faserig sei; denn beide treten ja gemeinschaftlich auf, und überdies hat jeder Typus seine eigene unabänder- liche Weise, von der kein Gewebe abgehen kann, und die es, bei gewissen Geweben, selbst unmöglich macht, dass sie z. B. die faserige Natur annehmen, Die Frage nach dem Grunde des jedesmaligen Zusammentreflens verschiedener Ge- webe nur in einer bestimmten histologischen Ausbildung führt weit von unserem Wege ab, zu der so schwierigen Untersuchung der Bedingungen der Organisation. Die Haupt- sache bleibt überdies zunächst nachzuweisen, ob ein solches Gesetz der analogen Bildungen, das in der von dem Ref. angeführten Bedeutung passender ,„‚das Gesetz korrespondi- render Bildungen‘“ zu nennen wäre, in der Natur auch wirk- lich so besteht, wie es von vornherein wahrscheinlich ist, 142 und auf welche Weise dasselbe sowohl in normalen, als unter abnormen Verhältnissen in den Organismen ausgeprägt sich darstellt. Zur Lösung dieser Aufgabe scheinen dem Re- ferenten nicht einmal die Vorarbeiten zur Genüge vorhanden zu sein. C. F. T. Krause untersuchte die Oberhaut und die Anhänge derselben (Art. „Haut‘ des Wagner’schen Hand- wörterbuchs für Physiologie, Bd. II. p. 108 segq.). Der Verfasser unterscheidet drei oder genauer vier Schichten. Unmittelbar auf der freien Fläche der Lederhaut liegt eine durchsichtige, völlig texturlose, halbflüssige, zähe Schicht von „- — „+, Dicke, welche das Cytoblastem der Epi- dermiszellen darstellen soll und von Henle nicht ganz pas- send die intermediäre Haut genannt worden ist. An diese schliesst sich ohne scharfe Grenze die aus Kernen und Kern- zellen gebildete Epidermis, an welcher sich drei, kontinuir- lich ineinander übergehende Schichten aufiassen lassen. Die innerste Schicht enthält, in einem durchsichtigen Cytoblastem eingebettet, eine grosse Anzahl ovaler, senkrecht nach der Lederhaut gerichteter Kerne, meistens von „1-‘“ Länge und 3,“ Breite, Selten finden sich hier kleine Zellen vor. Die mittlere, hellere und durchsichtigere Schicht besteht aus grösseren Zellen von „tz — 4; Durchmesser, ohne Zwi- schensubstanz; nach aussen hin werden die Zellen flacher. Ihre Kerne sind selır blass, zart granulirt, von weniger scharfen Umrissen als die Kerne der innersten Schicht, mei- stens auch etwas grösser als letztere. Die oberflächliche oder äussere Schicht könnte man nach der bekannten Be- schaffenheit vorzugsweise Hornschicht nennen. Die mittlere und innerste Schicht entsprechen dem Mucus Malpighii. Referent hat bereits sich darüber ausgesprochen, dass die Art und Weise, wie man zu einem geeigneten mikro- skopischen Präparate von der Epidermis gelange, die Annahme nicht zuliesse, dass die sogenannte innerste Schicht der Epi- dermis auch im normalen Zustande hauptsächlich nur Kerne und freies Cytoblastem enthalte und keine Zellen, weil in dem Präparate unversehrte Zellen sich nicht darstellen lassen. Ausserdem konnte sich Ref. auch nicht überzeugen, dass das Corium unmittelbar von einer freien Schicht Cytoblastems, der von Henle sogenannten intermediären Haut (die wohl von der festen intermediären Haut desselben Verlassers an den Schleimhäuten getrennt werden muss), bedeckt sei. Die besten Präparate, um sich von dem Verhalten des mehrfach geschichieten Epitheliums zu seinem Substrate zu unterrich- ten, liefern feine Durchschnilte von der Cornea. Man kann sich recht dünne Präparate mit der Scheere selbst von der 143 irischen Hornhaut verschaffen, wenn man die Schnittchen von dem Rande abnimmt, der dem Epithelium zugewendet ist, und dabei verzichtet, die ganze Dicke der Hornhaut un- nöthiger Weise zu durchschneiden. Werden dann die Schnitt- chen mit Essigsäure behandelt, so überzeugt man sich bald, dass die Kerne unmittelbar bis an die sehr deutlich sich mar- kirende Grenze der eigentlichen Substanz der Hornhaut rei- chen. Jühmeilen trennt sich in Folge des Druckes das Epi- thelium von der Cornea, und die zwischen beiden befindliche Lücke kann für ein solches freies Cytoblastem gehalten wer- Auch wird man die Zweifel des Ref. über die An- ass die Kerne in der untersten Schicht des Epithe- einem freien Cytoblastem liegen, gerechtfertigt fin- den, indem dieses Cytoblastem oft fast durchgängig in rund- liche, oder in Folge des Druckes in die Länge gezogene Abtheilungen gesondert ist, die.die Kerne enthalten. Bei den in die Länge gezogenen Abtheilungen standen die ovalen Kerne, wie es Krause beschreibt, mit dem Längsdurchmes- ser gegen die Cornea; wo eine solche Zerrung der zähen Masse möglichst vermieden war. trat dieses Lageverhältniss der Kerne nicht deutlich hervor. Die Fellenstierhhhähen habe ich, wie gesagt, an diesen Abtheilungen nicht darstellen können, was unter den obwaltenden Umständen kaum be- fremden dürfte, Die Dicke der Oberhaut ist nach den einzelnen Körper- stellen desselben Individuums und bei verschiedenen Personen von auffallender Verschiedenheit, indess bezieht sich die letz- tere vorzüglich auf die äussere oder Hornschicht der Ober- haut, die zwischen ;;-'“ und 1” variirt, während die tiefe und mittlere Schicht ziemlich konstant die Dicke von „4 bis zu „1,“ Durchm. besitzen. Bei der Hornschicht dagegen verhält sich die Dicke an Ort und Stelle gleichmässig an den Spitzen der Papillen und zwischen denselben; bei der mittleren und tiefern Schicht ist sie an den Spitzen geringer, wobei nicht selten Differenzen im Verhältniss von 5:12 sich ergeben. Die Färbung bei brünetten Individuen und Nationen der weissen Race rührt von der hellbräunlichgelben Farbe der Kerne, vorzüglich in der tieferen Schicht, und von einer gelblicheren Nuance der Hornschicht her. Auch die dunkle- ren Färbungen am Warzenhofe, am Serotum ete. werden hauptsächlich durch die dunkelbraune Farbe der scharf kon- tourirten Kerne bedingt. Ausserdem finden sich einzelne braune Zellen vor, doch ist der Farbstoff nicht an Körn- chen, wie es schien, gebunden, sondern gleichmässig in dem Nlüssigen Inhalt und wohl auch in der Zellenwand (?Ref.) 144 ausgebreitet. Diese Färbung geht nicht durch die ganze Masse der innersten Schicht, sondern ist in Häufchen und Nestern von Kernen und Zellen vertheilt. — In Betreff der Färbung der Negerhaut weichen die Resultate Krause’s in mehrfa- cher Hinsicht von denen Henle’s ab. Die Färbung be- schränkt sich nicht auf den Mucus Malpighii, sondern findet sich auch in der Hornschicht. In der tiefsten Schicht ver- hält sich die Färbung nicht wesentlich anders, als an ‘den gefärbten Hautstellen der weissen Rage: sie ist nur saturir- ter. Pigmentkörnchen lassen sich weder durch Behandlung mit Essigsäure, noch durch Druck darstellen. Auf der Spitze der Papillen sind die gefärbten Theile (Kern und Kernzellen) mehr in der Fläche ausgebreitet, in den dunkler erscheinen- den Zwischenräumen zwischen den Papillen in Nestern von —1- — 35° Durchmesser, welche auf den ersten Anblick leicht für Pigmentzellen Beten werden können. In der mittleren Schicht, desgleichen in der Hornschicht in geringer Anzahl sind auch wirkliche Pigmentzellen anzutreffen, deren Pigmentkörnchen durch Essigsäure und Druck sich isoliren lassen. Von den Pigmentzellen der Augen-Pigmentschicht unterscheiden sie sich namentlich durch den dunkel gefärbten Kern. Ref. bemerkt in Beziehung auf die Isolirung der Pig- mentkörnchen, dass Essigsäure und Druck bei einem zäh- flüssigen Zelleninhalte, wie es in den untersten Schichten der Epidermis vorhanden ist, sehr leicht nicht ausreichen dürfte, die etwa darin enthaltenen Pigmentkörnchen zu iso- liren. Dass aber sehr kleine, dunkel erscheinende Körnchen in der zähflüssigen Masse der untersten Epidermisschicht von der Haut eines dunklen Warzenhofes enthalten sind, das lässt sich bei 500facher Vergrösserung des Präparates wohl kaum bezweifeln. Das Haar ist von Krause als ein von der Oberfläche des Coriums sich erhebender Hornfaden in der Art betrach- tet, dass die um den Haarkeim befindliche Epidermis zu den Substanzen des Haarschaltes, jene dagegen an dem Haarbalge zu den Haarwurzelscheiden sich verwandeln. Der grössere peripherische Theil der Epidermidal-Zellen an dem Haar- keim, der Hornschicht vergleichbar, wird zur Rindensubstanz und der einfachen Epidermis des Haarschaltes. Die an dem Gipfel des Haarkeims gebildeten Zellen (entsprechend den Zellen der tieferen Epidermisschichten) gehen in die Mark- substanz über. Die Haarwurzelscheiden sind als Verwand- lungen der Epidermiszellen des Haarbalges anzusehen, die äussere als unmittelbare Fortsetzung der tiefen und mittleren Schicht der Oberhaut, die innere als veränderte Hornschicht daselbst. — Diese Ansicht nähert sich derjenigen Henle’s 145 und differirt von derjenigen des Ref., die in dem Jahresbe- richt (Müller’s Archiv 1841. p. CLAÄXV.) ausgesprochen wurde. Hier hatte Ref.. gestützt auf den Gang der histolo- gischen Entwickelung der Zellen in den Theilen des Haares, nachgewiesen. dass sowohl der Haarschaft mit dem Marke und seiner Epidermis, als auch die Haarwurzelscheiden von der Zellenschicht im Grunde des Haarbalges und auf der Oberfläche des Haarkeims. nicht aber von den Seitenwänden des Haarbalges sich bildeten. Abweichend sind ferner auch melırere Angaben Krause’s über die histologische Beschaf- fenheit der einzelnen Bestandtheile des Haares. Die Zellen, welche für den Haarschaft bestimmt sind, sollen sich in glatte. spindelförmige Fasern verwandeln, die dann zuerst an ihren Enden, und später, wie es scheint, ihrer ganzen Länge nach in feinere Fibrillen zerfallen. Das Haarmark be- steht im Allgemeinen aus rundlichen oder polyedrischen Zel- len mit Kernen, die der Länge nach aneinander gereiht sind. Ganz auffallend ist dem Ref. der Widerspruch Krause’s gegen die Angaben Henle’s und des Ref. in Betreff der hi- stologischen Beschaffenheit der inneren Haarwurzelscheide. Sie soll keine durchlöcherte oder gefensterte Membran dar- stellen. sondern aus länglichen, platten, mit ihren Längs- durchmessern der Haarwurzel und den Wänden des Haar- balges parallel gerichteten, meist kernlosen Zellen bestehen. Sie hätten starken Zusammenhang ihrer Länge nach, daher die Scheide durch Druck in längliche, faserähnliche Bänder von ungleicher Dieke zerreisse, welche, wenn sie noch theil- weise miteinander verbunden blieben, das Bild einer gefen- sterten Membran wiedergeben. Die Beobachtungen , auf welche diese Angaben gegründet sind, hat namentlich Kohl- rausch zuerst gemacht. Obgleich nun zugestanden werden muss, dass bei den gewöhnlichen Manipulationen ein Theil der Lücken der gefensterten Membran künstlich sehr leicht erweitert wird, so kann doch Ref. versichern, dass er sich Präparate verschaffen konnte, an welchen ein Theil dieser Membran weder dem Druck, noch einer Zerrung ausgesetzt war, und dennoch die Lücken in derselben, die sonst durch- aus uniform und ohne irgend eine Spur von Zellenkontou- ren sich zeigle, zur Anschauung traten. Die von Kohl- rausch beschriebene Beschaffenheit der inneren Haar waurzel- scheide finde ich nur im unteren Theile, da, wo sie in der Bildung begriffen ist. 5 Mandl theilte der Akademie der Wisseuschaften zu Pa- ris die Resultate seiner Beobachtungen über die Beschaffen- heit des Epitheliums des Darmkanals mit. wobei er höchst merkwürdiger Weise Flourens als denjenigen Forscher be- Müller's Archiv. 1845, . K 146 zeichnet, welcher das Vorhandensein desselben ausser Zwei- fel setzte und seinen Bau durch bisher unbekannte Beobach- tungen erläuterte. Henle hat in seinem Jahresbericht (a. a. OÖ.) dieses Verfahren reeht treffend bezeichnet. Der Ver- fasser behauptet, dass das Epithelium des Darmkanals über- all aus zwei Schichten oder Lagen bestehe, oder, wie wir sagen, ein mehrfach geschichtetes sei. Unmittelbar auf dem Schleimhautsubstrat liege eine Schicht von Formelementen, welche verschiedene Entwickelungsstufen der Zylinder-Epi- thelien darstelle. Zuerst sehe man kleine Kügelehen, z,,; Mm. im Durchmesser, in ein Cytoblastem eingebettet, dann grös- ‚sere Kügelchen mit einem Nucleolus, hierauf elliptische Glo- buli mit einem oder zwei Nucleoli, und endlich noch weiter gegen die Höhle des Darms hin die letzteren Körperchen von fein granulirter Masse umgeben, die allmählig der zylin- drischen Form sich nähern. Ref. hat niemals Etwas der Art an dem Epithelium des Darmkanals beobachtet. Auch ist ihm niemals eine Stelle vorgekommen, aus welcher sich überhaupt auf eine mehrschichtige Natur dieses Epitheliums hätte schliessen lassen. Die zweite Lage wird nach Mandl aus den fertigen Zylinder -Epithelien gebildet. Die zylinder- förmigen Zellen sollen an ihrem freien Ende von einer durch- sichtigen amorphen Membran bedeckt sein. Diese Beobach- tung beruht auf einer optischen Täuschung, bedingt durch die etwas verdickte Zellenmembran an der frei gegen die Höhle gewendeten Fläche. (Compt. rend. 1844. p. 889. und 890.) Hiermit steht auch die Angabe Mandl’s im Zusam- menhange, dass die Cilien bei dem Flimmer-Epithelium auf einer besonderen, die Basis der Zellen überziehenden durch- sichtigen Haut aufsitzen. (Anat. mieroscop. p. 177.) Ecker entdeckte Flimmer Epithelium in den halbkreis- förmigen Kanälen des Gehörorganes bei Petromyzon mari- nus. Die Zellen waren von verschiedener Form: oval, rund- lich, flaschenförmig, eckig, mit Kern und körnigem Inhalt. Keine einzige Zelle trug mehr als ein Flimmerhaar von etwa 705 Mm, Länge, während der Längsdurchmesser der Zelle im Durchschnitt fast „3; Mm. betrug. Die Bewegungen der Cilien waren peitschenförmig schwingend; zuweilen sah man die Cilien in ihrem oberen Theile sich biegen und dann schnell gerade strecken, wodurch die ganze Zelle hin und her bewegt wurde. (Müller’s Arch. 1844. p. 520. u. 521.) Quekett beobachtete eine doppelte Bewegung der Wim- pern an den Kiemenreihen der Muscheln. (Medical Gazett. Mai, 3. 1844. — Paget, Bericht über die Fortschritte der menschlichen Anatomie etc. im Jahre 1843 und 1844. p. 27.) Ausser der gewöhnlichen gekrümmten oder in vertikaler 147 Ebene schlagenden Bewegung zeigt sich eine leichte Bewe- gung der Wimper um sich selbst, indem letztere sich um ihre eigene Axe in dem Raume eines Viertheils eines Zirkels dreht. Es wird diese Bewegung mit dem Schlagen eines Ruders beim Rudern verglichen. Untersuchungen über das Knorpelgewebe bei Knor- pelfischen und Mollusken machte A. Valeneiennes (Compt. rend. Tom. XIX. p. 1142.). Die Knorpel der Chondropte- rygier sind ausgezeichnet durch eine grosse Anzahl von Konorpelkörperchen, die sehr regelmässig und konstant sich ordnen, so zwar, dass selbst Gattungen danach bestimmt werden können. Bei den Rochen und anderen Plagiostomen dieser Familie ist die regelmässige Ordnung überraschend. In der Peripherie der Knorpel liegen die elementaren Zellen ziemlich dicht nebeneinander und bilden eine Art Perichon- drium; nach Innen zu, wo die Zellen in der Fundamental- Substanz verschwinden, sieht man ihre Kerne nach allen Seiten strahlig sich ausbreiten, von einander sich mehr und mehr entfernen und an Grösse zunehmen. Die Cytoblasten sind mit sehr kleinen Körnchen von kaum ;!; — 44; Mm. gefüllt. Zuweilen enthalten die Kerne auch keine Körnchen. Bei den Haien (Squalus glacialis) haben die Knorpelkörper- chen oder, wie der Verfasser sagt, die kernähnlichen Bläs- chen eine längliche Form, zuweilen röhrenförmig, und sind in geraden, parallelen Reihen geordnet. Aehnlich verhalten sich, in Betref! der Anordnung der Knorpelkörperchen, die Störe. Bei den Chimären sind die sehr kleinen Körperchen in kreisförmigen Reihen vertheilt. Die Chorda dorsalis hat bei diesen Fischen keine knorpelartige Struktur. Auch die Wirbelsaite der Lamprete gleicht völlig der bei den Stören. Bei Squalus sgatina ist die Form der Knorpelkörperchen ähnlich jener bei den Haien, doch sind sie in schrägen Rei- hen geordnet und in Gruppen von gleicher Grösse. — Der Kopfknorpel bei den Mollusken (Calmar) stimmt hinsichtlich der mikroskopischen Textur mit den Knorpeln der genann- ten Fische, namentlich der Haie, überein; die Knorpelkör- perchen sind kleiner, und die Fundamentalsubstanz gering. Ein ausführliches und sehr reichhaltiges Werk über die Knochen und Zähne haben wir durch Freiherrn E. v. Bibra erhalten. (Chemische Untersuchungen über die Zähne und Knochen des Menschen und der Wirbelthiere, mit Rück- sichtsnahme auf ihre physiologische und pathologische Ver- hältnisse. Schweinfurt 1844.) Obschon die Beobachtungen sich hauptsächlich auf die chemische Beschaffenheit der ge- nannten Gebilde beziehen, so ist doch auch die Textur ge- bührend berücksichtigt, was aus den folgenden Angaben sich K2 148 zur Genüge ergiebtl. Den Durchmesser der Markkanälchen der menschlichen Röhrenknochen fand der Verfasser zu 0,06 bis 0,07 Min., das heisst, der der Hauptkanälchen, die durch Seitenkanälchen sich untereinander in Verbindung setzen. Die relative Grösse der Knochenkanälchen bei den verschie- denen Thiergattungen (Säugethieren) nimmt ab nach der Grösse des Thieres, doch nicht im gleichen Verhältnisse, so dass das Gesetz nur bei ganz grossen und kleineren Thier- gattungen augenfällig wird. Durchschnittlich haben in einem und demselben Individuum die Kanälchen der Schädelkno- chen einen etwas grösseren Querdurchmesser, als die der zylindrischen Knochen. Der Verfasser fand ferner. wie Miescher, dass die Markkanälchen in der Nähe der Röhre menschlicher Röhrenknochen sich öfters erweitern, während sie durch den ganzen (Querschnitt des Knochens ziemlich von gleichem Durchmesser bleiben. In der Nähe überknor- pelter Gelenkenden laufen sie in blinde Endigungen von run- der oder auch seitlich in die Länge gezogener Form aus. An den Schädelknochen einer kleinen Fledermaus und einer Hausmaus waren keine gegenseitige Verzweigungen der Ka- nälchen wahrzunehmen, obgleich der Knochen ohne voran- gegangene Schleifung unter dem Mikroskop bei durchfallen- dem Lichte beobachtet werden konnte, Es schien vielmehr, als münde ein und dasselbe Kanälchen mit der einen Seite gegen die äussere, mit der anderen gegen die innere Fläche des Knochens ohne weitere Verzweigung aus, kleine, selten vorkommende Ausläufer abgerechnet. Bei dem schon etwas stärkeren Schädel des Maulwurfs zeigten sich radienartige Verzweigungen. In den Hautknochen von Dasypus niger findet sich ungefähr in der Mitte ein Hauptkanal, der fast korallenartig sich vielfältig nach allen Seiten hin verästelt. Der Hauptkanal wird mit der Markröhre zylindrischer oder mit den Markzellen kurzer Knochen verglichen. — Bei ver- schiedenen erwachsenen menschlichen Individuen zählte v. Bibra 34-50 Kanälchen auf die Quadratlinie, ohne Rück- sicht auf ganz kleine Verbindungskanäle.. Beim Maulwurf liegen in einer Linie vom Periost an bis zur Markhöhle kaum mehr als 4— 5, bei der Hausmaus wohl noch weniger. — Beim menschlichen Fötus erscheinen die Kanälchen unregel- mässiger in der Form, nicht so scharf an den Rändern be- grenzt und von ungleicher Grösse. Bei den Vögeln verhalten sich die Markkanälchen nach den angeführten Beziehungen auf dieselbe Weise, wie bei den Säugethieren. Der Querdurchmesser der Kanälchen ist jedoch kleiner, so zwar, dass diese bei den grösseren Vö- geln stets enger sind, als bei den Säugethieren von ent- nu 149 sprechender Grösse. während die kleineren und kleinsten Vögel in Bezug auf die Grösse des Durchmessers nicht hin- ter den kleinsten Säugethieren zurückbleiben. Dasselbe fin- det bei den Amphibien Statt. In den Fischknochen wurden theils Bildungen angetrof- fen, welche den Markkanälchen vollkommen entsprachen, theils ihnen ähneln, theils aber auch keine Spur von ihnen zeigen. Der Knochenschild des Hausen hat vollkommen aus- gebildete Markkanälchen, welche ziemlich in einer Reihe an der äusseren Oberfläche liegen; es scheint aus einzelnen, übereinander liegenden Schichten zu bestehen. Der Haut- knochen des Störs dagegen zeigt, bei durchfallendem Licht auf einer hellen, transparenten Grundfläche gesehen, dunklere, grössere und kleinere Flecke, die sich verästelnde Verzwyei- gungen aussenden. Der spitze, hakenförmig gekrümmte Dorn ist hohl, und besitzt Kanälchen, welche, wie bei den Zäh- nen, quer von der inneren Höhle nach der Oberfläche ver- laufen. Doch sind die Kanälchen deutlicher verästelt, als bei den Zähnen. In den Dornfortsätzen der Rücken wirbel des Hechtes sieht ınan Kanälchen, zwei bis drei Mal dicker als die Markkanälchen des Menschen, vom Wirbelkörper aus längs des Dornfortsatzes ihren Verlauf nehmen. Sie sind auch durch kleinere Kanälchen unter einander verbunden; sie zeigen sich hohl, und ragen über die Substanz des übri- gen Knochens hervor. Beim Kabeljau und: bei der Scholle konnten keine Spuren von Kanälchen gefunden werden. In Betreff der Knochenkörperchen der Säugethiere hat der Verfasser nicht einen solchen Wechsel in der Grösse gefunden, als bei den Markkanälchen. Indessen sind die der Schädelknochen stets und bei allen Thieren etwas grösser, als die der übrigen Knochen; auch werden weniger helle und ungelüllte Körperchen daselbst angetroffen. Die Kno- chenkörperchen der Vögel scheinen etwas kleiner, als die der Säugethiere, weniger oval, bei einigen fast dem Dreieck sich nähernd. Bei den Aınphibien ist das Verbältniss der Grösse, wie bei den Vögeln, die Porm dagegen gleicht mehr jener der Knochenkörperehen der Säugethiere. Die Kno- chenkörperchen oder deren analoge Bildungen bei den Fi- schen sind verschieden. Beim Hecht, bei einigen Cyprinus- Arten, bei einer kleinen Scholle fanden sich rundliche Kno- ehenkörperchen, so gross wie die der menschlichen Knochen, ohne Ausläufer und hell. Bei Cobitis fossilis zeigten sich in den Schädelknochen dunkle Flecke, von der Grösse der Kno- chenkörperchen, doch olıne scharfe Begrenzung, ohne deut- liche Verzweigungen, von körnigem Ansehen. In den Fort- sätzen der Rückenwirbel von Muraena anguilla fanden sich 150 3 neben solchen ähnlichen Flecken einzelne zerstreut liegende, schärfer begrenzte Körperchen, ähnlich den Knochenkörper- chen höherer Thiere. Bei Pleuronectes platessa wurden länglich-ovale Körperchen angetroffen, ähnlich den Corpus- cula radiata, doch ohne seitliche Verzweigungen. Dieselben vereinigten sieh öfters mit ihren Enden und stellten wirk- liche Kanäle dar. Beim Kabeljau kamen vollkommene Kno- chenkörperchen vor, zwischen denen auch solche Flecke, wie sie bei Cobitis fossilis beschrieben wurden, sichtbar wa- ren (Wirbelfortsatz). Beim Hausen sind die Knochenkör- perchen ebenso deutlich, wie bei den höheren Thieren; im Knochenschilde der Störe dagegen fehlen sie. An dem Knochenknorpel überzeugte sıch v. Bibra, dass die Markkanälehen nicht durch eine Lamelle der Fundamen- talsubstanz gebildet werden, sondern eine eigene einfache Wandung haben, die dieker ist, als die einzelnen Knorpel- schichten. um die Kanälchen, und öfters frei über denselben hervorsteht. Die Oeffnungen der feinen Strahlen der Kno- chenkörperchen in den Wanudungen der Markkanälchen konnte de Verfass nieht wahrnehmen, obschon ihre Existenz kaum zu bezweifeln sein möchte. — Die Lamellen, welche sich am Knochen und Knochenknorpel in der Fundamental- substanz um die Markkanälchen bei Erwachsenen unterschei- den lassen, liessen sich weder beim Fötus, noch an den Knochen eines vollkommen ausgetragenen Kindes wahrneh- men, was bereits Miescher beobachtete. Behufs der Festsetzung des Stoffwechsels in den Kno- chen hat v. Bibra gleichfalls Thiere mit Krapp gefüttert. Bei einer jungen, noch nicht flüggen Taube, die 4 Grammen Krapppulver erhalten hatte und nach drei Stunden getödtet wurde, zeigten sich die Knochen des Flügels und Fusses schon dem freien Auge vollkommen roih gefärbt; an den Apophysen war die Färbung lebhafter. Unter dem Mikro skop erschienen die Markkanälchen am tiefsten roth gefärbt. Um dieselbe herum lagen hellere gefärbte Kreise, korrespon- divend den Lamellen des Knochenknorpels; sodann folgte ein schmaler weisser Streif, der wieder von rothen Ringen (an- deren Markkanälchen, Ref.) begrenzt war. In den Schädel- knochen waren nur die Markkanälchen schön roth gefärbt. Eine zweite Taube, täglich mit 6 Grammen gefüttert, wurde nach drei Tagen getödtet. Die rothe Färbung war stärker; zwischen den tief dunkelrothen Markkanälchen war die Zwi- schensubstanz gleichmässig heller roth. Hier zeigte sich auch deutlich, dass die Knochenkörperchen sich nicht, wie Mandl behauptet, durch stärkere Färbung vor der Fundamentalsub- stanz, in welcher sie liegen, auszeichnen. Ausserdem er- ®. 151 schien hier am äussersten Rande des Knochens ein tief dun- kelrother Streif, in welchem jedoch das Verhältniss der Fär- bung der Markkanälchen zu der Umgebung mit den Knochen- körperchen desselben war. Bei alten Tauben und Kaninchen ist anfänglich nach der Krappfütterung »ur das Knochen- mark auffallend roth gefärbt. Nach vier Tagen sind auch die Markkanälchen in den Röhrenknochen roth, die Kopf- knochen dagegen unverändert. Späterhin erscheinen endlich die bekannten Ringe, die von Aussen nach Innen im Quer- schnitt des Knochens fortschreiten. Das Verhältniss der Färbung in diesen Ringen, betreffend die Markkanälchen und ihre Umgebung, ist dasselbe, wie oben angegeben. Der mark- freie Humerus alter Tauben blieb lange Zeit unverändert; ihre Markkanälchen färbten sich selbst später, als die Kopf- knochen. Hieraus scheint hervorzugehen, dass die Markka- nälchen die Wege sind, auf welchen der Stoffwechsel vor- zugsweise Slatt findet, so zwar, dass bei jungen Thieren wenigstens zuerst das Knochenmark betheiligt ist. Bei alten Thieren dagegen beginnt die Umwandlung der neu zugeführ- ten Theile an der äusseren Oberfläche des Knochens, wahr- scheinlich auch durch Vermittelung der hier sich öffuenden Markkanälchen. Der Stollwechsel in den Knochen wurde auch durch einen anderen Versuch erwiesen, der gleichzeitig die Expe- _ rimente Chossat's bestätigte und erweiterte. Zwei eierle- gende Hennen erhielten zur Nahrung Kartoffeln, Gerstenkör- ner (ausgesuchle) und Brunnenwasser; ausserdem wurde der einen ein Schälchen mit zerstossenem Mörtel hingestellt. Nach acht Tagen legte die andere Henne, welche keinen Mörtel erhalten halte, nur Eier mit dünner, zerbrechlicher Schale, und später mit einer dünnen, weichen Haut verse- hen. Nach drei Wochen legte sie keine Eier mehr. Nach sechs Wochen wurden beide Hennen getödtet und der Kalk- gehalt in dem Femur, Tibia, Humerus bestimmt, woraus sich ergab, dass in den Knochen derjenigen Henne, welcher der Mörtel entzogen ward, die anorganische Substanz der Knochen ungefähr 10 pCt. geringer war, als bei der anderen Henne. Auch die Markkanälchen zeigten sich erweitert. Aus den chemischen Resultaten in Betreff! der Knochen entnimimt Ref. Folgendes: Die Talkerde ist, wie v. Bibra glaubt, als phosphorsaures Salz in den Knochen enthalten. Die kohlensaure Kalkerde wechselt hinsichtlich der Quanti- tät nicht allein bei den verschiedenen Gallungen, sondern auch bei v. schiedenen Individuen einer und derselben Art. Die Salze, wealibe man in dem Wasserauszuge frischer und geglühler Kuochen findet, das kohlensaure Natron, das 152 5 schwefelsaure Natron, Chlornatrium, Kalkerde, Talkerde und Phosphorsäure, sind ein Gemenge, herrührend theilweise aus den Gefässen des Knochens, theils aber auch durch den Schwelel- und Phosphorgehalt des Knorpels, durch Zer- setzung in der Glühhitze gebildet (p. 100.). Der Eisengehalt mit der geringen Menge Mangan kann der Flüssigkeit der Gefässe des Knochens zugerechnet werden. In den Knochen aller Wirbelthiere lässt sich, wie schon Daubeny gezeigt, das Fluor nachweisen. In den Knochen emes ervwvachsenen Mannes fand sich in 25,628 Grm. 0,003 Kieselerde; ähnlich ist das Verhältniss bei den Säugethieren und Vögeln. Von Arsen war keine Spur zu entdecken; desgleichen von Kali. In den Fischknochen findet sich Thonerde (p. 115.). Das Fett ist auch unabhängig von der Markhöhle in der Knochensub- stanz vorhanden. Als Mittel der Menge der anorganischen Substanz in Knochen erwachsener Menschen ergab sich 68,52, für die Säugethiere etwa 69—70 pCt., wobei das Fe- mur zu Grunde gelegt ist. Bei Lepus timidus fand sich die grösste Menge vor, 75,15 pCt. Bei den Vögeln wechselt die Menge der anorganischen Substanz in den Ordnungen und selbst in Fainilien. Die Scharrvögel haben die grösste Menge, namentlich die Wildhühner und Tauben: Tetrao per- dix 79,62 pCt., Columba turtur 84,33 pCt. Die kleinste Menge findet sich bei den Klettervögeln, 68,64 pCt. Im All- gemeinen ist der Gehalt der Knochenerde bei den Vögeln grösser, als bei den Säugethieren. Bei den Amphibien da- gegen ist die anorganische Substanz geringer, als bei den noch höheren Wirbelthieren; die grösste Menge haben die Schildkröten, 67,0 pCt.; die Molehe und Salamander haben nur 51,7— 58,2 pCt. Bei den Fischknochen lässt sich kein bestimmtes Verhältniss feststellen; selbst die Knorpel- und Kunochenfische geben keinen genauen Anhaltspunkt. Jedoch ist die Menge der anorganischen Substanz geringer, als bei ‚höheren Wirbelthieren. Beim Hai fand v. Bibra 46,82; beim Flussaal 39,46 pCt. Bei den Säugethieren und Vögeln haben im Allgemeinen die Röhrenknochen mehr anorganische Substanz, als die kurzen Knochen; die Kopfknochen halten ungefähr die Mitte. — Der Knochenknorpel vom mensch- lichen Feinur 0,3 pCt., vom Femur des Ochsen 0,12 pCt., des Hundes 0,1 pÜt., der Gans 0,11 pCt. Asche. Er ent- hält Schwefel. Flourens hat neue Versuche angestellt, um die schon im Jahre 1842 (Recherches sur le d@velopp. des os ete.) ge- machten Behauptungen, dass der Knochen innerhalb des Pe- riost durch Bildung neuer Schichten von Aussen und Re- sorption der innersten Schichten wachse, zu bestätigen. Es 153 wurden bei Hunden ein Stück einer Rippe mit Zurücklas- sung der Beinhaut ausgeschnitten. Nach einigen Tagen hatte sich innerhalb der Beinhaut zwischen den Rippenenden ein Knochenkern gebildet. Derselbe vergrössert sich allmählig, setzt sich nach ein und zwanzig Tagen durch eine faser- knorpelige Masse mit den Enden der Rippe in Verbindung, und ist nach vier Monaten auch durch Knochensubstanz mit der Rippe in’ vollkommene Kontinuität getreten. Der Ver- fasser fügte ferner bei Kaninchen und Hunden einen Ring von Platin zwischen Beinhaut und Knochen einer Tibia, wie Duhamel, und beobachtete, wie dieser Ring allmählig an der Oberfläche von Knochenschichten bedeckt wurde, und nach und nach, wie es sich Hunter dachte, durch Re- sorbtion der unter ihm gelegenen Knochenmasse in das In- nere der sich solcher Gestalt vergrössernden -Markhöhle ge- langte. Flourens brachte ferner Stückchen von Kaninchen- rippen in die Markhöhle der Tibia eines Hundes, und sah dieselben unter anfänglicher Anschwellung des Knochenmar- kes und Vergrösserung des Knochens sich allmählig verklei- nern und vollständig resorbirt werden (Compt. rend. 1844. Tom. XIX. No, 14. p. 621 segqq.). Offenbar sind die Ex- perimente von grösserem Interesse für die Lehre von den Knochenbrüchen und Knochen-Entzündungen, als für die Erklärung des normalen Wachsthums des Knochens. Die Versuche mit der Krappfütterung von Duhamel und Flourens sind von Brull& in Gemeinschaft mit Hu- gueny wiederholt, und haben zu anderen Resultaten ge- führt (Compt. rend. Tom. XIX. p. 518 seqq.). Wurden Thiere zu verschiedenen Malen mit Krapp gefüttert, so zeigte sich, dass die weissen Schichten der Röhrenknochen nicht vollständig weiss waren, sondern in einzelnen Gegenden rolh, in anderen weiss erschienen. Sie bemerkten ferner, dass die weissen Stellen in dem Grade zunehmen, je länger das Thier zur gewöhnlichen Nahrung zurückgekehrt war und eine je kürzere "Zeit die Krappfütterung Stalt gefunden hatte. Daraus schlossen sie, dass die rothe Farbe nicht, wie Duhamel glaubte, bloss mit der Knochensubstanz selbst (bei stattfindender Resorption während der Bildung) ver- schwinde, und dass die weisse Farbe nicht allein neugebil- deten Knochenschichten angehöre. Es wurde sodann der Versuch mit dem sechswöchentlichen Schwein wiederholt, das vor der Tödtung während eines Monats mit Krapp und dann sechs Wochen mit gewöhnlicher Nahrung gefüttert worden war. Es land sieh hier, dass die innerste weisse Schicht, die nach Duhamel vor der Krappfütterung gebil- det sein sollte, nur scheinbar durch den Kontrast mit der 154 mittleren lebhafter roth gefärbten Schicht weiss sich dar- stelle, und bei genauer Betrachtung hellroth sich zeige. Man sieht in ihr gefärbte dünne, konzentrische Streifen und Züge mit farblosen abwechseln, und die Färbung allmählig gegen die Markhöhle hin abnehmen. Auch die dunkler rothe, mitt- lere Schicht besteht aus solchen abwechselnden feinen La- gen gelärbter und farbloser Knochensubstanz. Die Färbung nimmt aber auch hier gegen die innere Schicht hin an In- tensität ab, so dass zwischen beiden ein allmähliger Ueber- gang Statt findet. Endlich lassen sich auch in der äusseren weissen Schicht, die nach Duhamel nach der Krappfütte- rung entstanden sein sollte, ganz hellrothe Züge erkennen. Die Beziehungen der drei einzelnen Knochenschichten in ihrer Bildung zu den Zeiten vor, während und nach der Krappfütterung sind hiernach nicht haltbar. Die Verfasser schliessen aus ihren Untersuchungen, dass die Röhrenkno- chen an ihrem Körperstück (denn an den Apophysen fehlen die Erscheinungen) nach der Dieke wachsen vermittelst dün- ner Lagen, die sich von Aussen anfügen, dass die Knochen- lagen, von Krappfütterung roth gelärbt, sich allmählig wie- der entfärben, und dass die Färbung der Knochensubstanz durch den Krapp ganz unabhängig von ihrer Bildung Statt habe. Die erste Schlussfolgerung ist nach des Referenten Ansicht aus dem, was bis jetzt von den Verlassern vorliegt, um so weniger erwiesen, als das Auftreten farbloser Schich- ten durch die allmählige Dekoloration zu deuten wäre. Ueberhaupt möchte gegenwärtig nach den Resultaten der genannten Forscher und den Ergebnissen der v. Bibra’schen Versuche wohl zweifelhaft sein, ob die Vergrösserung des Knochens durch die Erfolge nach der Krappfütterung erklärt werden könne. Auch scheinen dem Ref. bei den Untersu- chungen über das Wachsthum des Knochens die nächsten Gesichtspunkte zu wenig berücksichtigt zu sein, ob nämlich das Wachsthum nur durch einfache Vergrösserung der be- stehenden Bestandtheile des Knochens bedingt sei, oder ob eine vollständige Entwickelung neuer Knorpelmasse und Os- sifikation derselben Statt finde, ob ob endlich beides zugleich die Vergrösserung bewirke. Ueber den Verknöcherungsprozess liegen Untersuchungen von Platner vor. Ref. kenn} dieselben nur aus dem Aus- zuge, den Henle im Canstatt’schen Jahresbericht gegeben. Von Platner’s allgemeiner Physiologie, worin diese Unter- suchungen p. 98. enthalten sind, habe ich bis jetzt nur das erste kleine Heft acquiriren können. Des Verfassers Resul- tale, die Henle mittheilt, stimmen im Wesentlichen ganz mit den Beobachtungen überein, die Bidder gemacht 155 hat, und über welche im vorigen Jahresberichte gespro- chen wurde. In dem oben angegebenen Werke v. Bibra’s sind auch die Form- und besonders die Mischungsverhältnisse der Zähne untersucht. Die Röhren in der eigentlichen Zahn- substanz scheinen sich in ihrem Verlaufe bald zu verengen, bald zu erweitern. Nach der äusseren Oberfläche des Zahns verästeln sie sich am Rande des Schmelzes und der Rinden- substanz; selten setzen sie sich beim Menschen mit vereng- tem Durchmesser in die letztere Substanz fort. Bei Thieren beobachtete der Verfasser. was IHenle bereits an mensch lichen Zähnen wahrgenommen !), dass an Bruchstücken die Kanälchen als frei hervorstehende Röhrenfragmente sichtbar werden, die bei Behandlung mit verdünnten Säuren biegsam und durchsichtig wurden. Daher sei kein Zweifel, dass die Zahnröhrchen, wie die Markkanälchen der Knochen, aus einer Röhre bestehen, die eine organische Grundlage, mit anorga- nischer Substanz verbunden, zur Wandung hat. v. Bibra hat in dem Zahnknochen vieler menschlichen Zähne neben den Röhrchen auch Bildungen gesehen, die den Knochenkör- perchen ähnlich sind. Von einer grösseren dunkeln Stelle aus treten radienartige Verzweigungen hervor, welche sich iheils in andere nahe gelegene Flecke verästeln, theils auch spitz verlaufen oder in die Zahnröhrchen münden. Sie sind grösser, als die Knochenkörperchen, haben auch keine so regelmässige Form, wie diese, und können als Ablagerungen von Kalksalzen oder jener Substanz angesehen , werden, welche die Zahnröhrchen theilweise ausfüllt. Sie liegen bis- weilen reihenweise um die Zahnhöhle, etwa in der Mitte zwischen dieser und der Rindensubstanz, und erstrecken sich auch nach der Krone des Zahns hin. In der Rindensubstanz menschlicher Zähne sind die Knochenkörperchen bei einigen Zähnen vorhanden. bei anderen nicht, wobei es gar nicht auf die Stärke der: Rindensubstanz ankommt. Indessen wer- den doch in den Fällen, wo die Knochenkörperchen fehlen, dunkle Flecke in der Rindensubstanz angetroffen, die in ihren Formen den eben beschriebenen, in der Zahnsubstanz bis- weilen vorkommenden äbnlich sind. Die Knochenkörperchen zeigen sich in den meisten Fällen, wo sie vorhanden, schein- bar unregelmässig vertheilt oder in einzelnen Partieen zu- sammengestellt. An den Nadeln des Schmelzes alter Thiere I) Diese Bemerkung beruht auf einer Verwechselung, denn ich inachte diese Beobachtung und sie ist im Archiv 1836, Jahresbe- richt IL, niedergelegt. Anmerk. d. Herausg. 156 sieht man stets ein adhärirendes Pulver, welches v. Bibra für das erhärtete Bindemittel hält, das J. Müller zwischen den Nadeln des Backenzahnes beim Kalbe als weiche Sub- stanz beobachtete. Es scheint dieselbe chemische Beschaf- fenheit zu haben, wie die Nadeln. Der Verfasser macht fer- ner darauf aufmerksam, dass bei Behandlung feiner Durch- schnitte des Zahnknochens und selbst des gewöhnlichen Kno- chens mit verdünnter Salzsäure kleine, mehr oder weniger deutlich ausgeprägte rhombische Säulen von phosphorsaurer Talkerde sichtbar werden, die den Beobachter leicht zu Täu- schungen veranlassen können. Aus den Untersuchungen des Verfassers über die Thier- zähne hebt Ref. folgende Angaben hervor. Die Rindensub- stanz wurde bei einem alten Hirsche auch auf der ganzen Oberfläche des Schmelzes eines Backenzahns ausgebreitet gefunden. Bei Diekhäutern und Wiederkäuern zeigte sich, dass die Substanz des Zahnknochens, dem Schmelze zunächst, diesen letzteren ringförmig umschloss. Bei Lepus timidus sah man den Schmelz eines Backzahns an einem Querdurch- schnitt kontinuirlich in die Rindensubstanz übergehen. Bei den Stosszähnen des Elephanten und Schweines bedeckt die Rindensubstanz die Oberfläche des Zahnes; Schmelz ist nicht vorhanden. Die gelbe Farbe, welche die Aussenseite der Schneidezähne mancher Nager bedeckt, rührt von Eisenoxyd im Zustande des Hydrates her, das vorzugsweise, wie es scheint, in den Kanälen der äussersten Rindenschicht, aber auch in der Substanz, in welcher jene laufen, deponirt ist. Die dunkle Substanz an den Zähnen der Grassfresser darf mit diesem Pigmente nicht verwechselt werden. Die Zähne des Wallrosses haben keinen Schmelz. Sowohl bei Pflan- zenfressern, als bei Fleischfresseru finden sich an der eigent- lichen Zahnsubstanz jene dunklen, den Knochenkörperchen ähnlichen Formen vor, wie beim Menschen. Bei den Fischen wurde der Schmelz an den Zähnen nur bei Haien und beim Flusshecht gefunden. Die Zähne der Säge eines Sägefisches sind in ziemlich regelmässigen Abständen von grösseren Kanälen durchzogen. Um dieselben bemerkt man dunkle Grenzen, wie sie um die Markkanälehen des Knochens beobachtet werden. Bei Behandlung der Durchschnitte mit verdünnter Säure liessen sich um diese Kanäle ganz deut- lich, genau wie an den Röhrenknochen der Säugethiere, als konzentrische Ringe unterscheiden, welche, so wie dort, aus Knorpelschichten bestanden, Das mikroskopische Bild gleicht vollkommen dem eines Durchschnitts vom Röhrenknochen eines Säugethieres, nur fehlen die Knochen- körperchen. 157 In Betreff des Gehaltes der Zähne an organischer und unorganischer Substanz bemerkt v. Bibra, dass durchschnitt- lich der Zahnknochen mehr anorganische Substanz habe, als der Knochen. Wie Lassaigne fand der Verfasser, dass die Backenzähne reicher an erdigen Bestandtheilen sind, als die Eck- und Schneidezähne desselben Thieres. Auffallend ist die geringe Menge der Knochenerde in den Stosszähnen des Elephanten (56,52 pCt.) und des Schweines (69,37 pCt.). Der Gehalt an organischer Substanz beim Menschen beträgt nach dem Verfasser 6,64 und 5,97 pÜt. (Berzel. 2,0 pCt.). Die Thierzähne haben mehr organische Bestandtheile; beim Pferde 19,73 pCt. Manche Thierzähne haben eine sehr auf- fallende Menge von phosphorsaurer Talkerde. Beim Hirsch und einigen Pferdezähnen ergaben sich etwa 3 pCt., beim Schwein und beim Elephanten steigert sich diese Menge auf 6.21, 6.43, 7,84, 8.20 und 12,01 pCt. Die Angelegenheit des sympathischen Nerven ist von Neuem von Kölliker zur Sprache gebracht. und zu den Beweisen, welche bereits Bidder und Volkmann von der Unabhängigkeit desselben angeführt, werden neue Beobach- tungen hinzugefügt: (Die Selbstsländigkeit und Abhängigkeit des sympathischen Nervensystems durch anatomische Beob- achtungen bewiesen von A. Kölliker. Zürich 1844.) Der Verfasser hatte die löbliche Absicht, den Streit, der in Be- treff des sympathischen Nerven und seiner eigenthümlichen Faserelemente entstanden war, vorurtheilsfrei zu beleuchten, wobei denn schliesslich den streitenden Parteien in gewissen Beziehungen Recht und Unrecht gegeben wird. Dem Ref. scheint dieses Unternehmen, wie sich aus dem Folgenden entnehmen lässt, nicht überall geglückt zu sein, da die Einwürfe gegen Bidder und Volkmann einerseits nicht begründet sich zeigen, anderseits sogar gegen Behauptungen und Ansichten sich wenden, die in der Bidder - Volk- mann’schen Schrift gar nicht ausgesprochen sind. In letz- terer Hinsicht giebt Kölliker unter Anderen an, Bidder und Volkmann hätten die von den Aerzten so willig auf- genommene Ansicht, dass der Sympathieus direkt auf eine mystische Weise die Ernährung, Absonderung ete. beherr- sche. Die Verfasser aber schreiben nur p. 67. ihres Wer- kes, .„.die dünnen Fasern dienen zur Vermittelung organi- scher Prozesse ete.“* Ueber die Art und Weise, wie dieses elle. lassen sie sich gar nicht aus, und die Ansichten, ie Kölliker hierüber mittheilt, möchten im Wesentlichen auch diejenigen sein, welche andere Forscher vor ihm ge- habt ar ausgesprochen haben, wenngleich immerhin nur als Hypothese. Kerner behauptet Kölliker, die genannten 158 Verfasser hätten die dünnen Fasern deshalb sympathische genannt, weil sie nur in den Ganglien des Sympathieus ih- ren Ursprung nehmen. Bidder und Volkmann haben aber (conf. p. 83. a. a. O.) den dünnen Fasern deshalb den Na- men „sympathische‘‘ gegeben, weil sie in dem Sympathicus vorherrschen; und p. 85. führen sie ausdrücklich an, dass die sympathischen Fasern bei den Säugern wenigstens nicht ausschliesslich vom Gehirn und Rückenmark entspringen ete. Auch erlaubt sich Ref. darauf aufmerksam zu machen, dass Kölliker an einigen Stellen (p. 11., p. 23., p. 26. ete.), ebenso wie Valentin, die Angabe Bidd. und Volkm., dass eine Verdünnung der cerebrospinalen Nervenfasern in den Endschlingen Statt finde, in solcher Deutung zu seinen Ansichten benutzt, als ob diese Verdünung in dem Verlaufe des Nerven vorkomme, wovon kein Wort in der Abhandlung gefunden wird. In Betreff der übrigen Einwürfe Kölliker’s ist zu- nächst hervorzuheben, dass derselbe die Scheidung der dün- nen sympathischen und der stärkeren cerebrospinalen Fa- sern als zwei verschiedene Nervenfasern für nicht begründet hält, und zwar, weil die von B. und V. angegebenen Merk- male der sympathischen Fasern 1) nieht durchgreifend sind und 2) als unwesentlich sich darstellen. Nicht durchgrei- fende Erscheinungen sind: die einfachen Kontouren, weil nicht selten (B. u. V. fanden es bisweilen, p. 18.) auch dop- pelte Kontouren sich zeigen; der gewöhnliche Mangel ei- nes bemerkbaren Inhalts, weil nicht selten geronnener In- halt in Streifen und Pünktchen (Frosch, Schildkröte) oder in grösseren unregelmässigen Massen (Fisch, Säugethiere) vorkomme; ferner die blasse, ins Graue oder Gelbe spielende Färbung, weil dieselbe namentlich bei Säugethieren (B. und V. fanden die Färbung gerade bei Säugethieren intensiver, als bei den Fröschen, p. 18.) nicht selten so dunkel sei, wie frisch untersuchte grobe Fasern; endlich die Neigung zur Bildung von Varikositäten, die oft fehlen, namentlich bei sorgfältiger Behandlung. (B. und V. ..die Neigung zur Kno- tenbildung sei unverkennbar Folge von Veränderungen, wel- che durch Essigsäure, Wasser, Quetschung begünstigt wer- den. und die in der Mehrzahl frischer und sorgfältig be- reiteter Präparate fehle.“) — Zu den unwesentlichen Merk- malen der sympathischen‘ Fasern rechnet Kölliker ihre geringe Breite, weil Grössenverhältnisse an und für sich überhaupt keinen spezifischen Unterschied zu begründen ver- mögen, und weil nach B. und V. Messungen und Valen- tin’s Angaben Mittelgrössen zwischen feinen und groben Fasern vorkommen. Damit man diese letztere Angabe Köl- liker’s würdige und das geringe Gewicht derselben beur- theilen könnte, müsste Ref. die Tabelle von B. und V. genauen Messungen (p. 23. 24.) hierüber mittheilen, was hier zu weilläuflig wäre. Aus diesen Messungen hatte sich ergeben, dass, wenn man die am häufigsten vorkommenden mittleren Grössen der dünnen und dicken Fasern berechnet, beide ziemlich weit auseinander liegen. Dieser konstante Grössen- Unterschied wurde nun als hauptsächlichster Unterscheidungs grund von zweierlei Nervenfasern benutzt, da, wenn in den Nerven nur eine Art Fasern vorkäme, die mittleren Grössen am häufigsten, die Extreme dagegen am seltensten vorkom- men müssten. Allein diesen Schluss nennt Kölliker mit Valentin seltsam, da es auch Ausnahmen von dieser Regel gäbe. Als Beispiel wird angeführt, dass die Spirogyra adnata auch zweierlei Zellen besitzt, nämlich kleinere und doppelt so grosse, und — der Verfasser nimmt nun an, dass dieser Grössenunterschied weiter keinen Unterschied begründe, als dass nicht alle Zellen gleich lang durch endogene Zellenbil- dung sieh vermehren. — Auf diese Annahme hin, hält der Verfasser es für möglich, dass auch die feinen und groben Nervenfasern der Verschmelzung grösserer und kleinerer Zel- len ihren Ursprung verdanken konnten, und also kein Unter- schied vorhanden sei (!!Ref.). Noch schlagendere Beweise gegen die Beachtung des konstanten Grössenunterschiedes der genannten Nervenfasern findet Kölliker 1) darin, dass es noch an anderen Orten (Gehirn, Rückenmark, Sinnesner- ven) feine Nervenfasern gebe, die, abgesehen von der leich- ten Zerstörbarkeit (die bekanntlich nicht Eigenschaft der feinen sympathischen Fasern ist, Ref.) durch einfache Kon- touren, ihre Varikositäten, und den meist ungeronnenen In- halt ganz mit denen der Rückenmarksnerven und des Sym- pathieus übereinstimmen und ganz unmöglich alle vom Sym- pathieus abstammen können. Das Letztere ist nicht noth- wendig, und die Unterscheidung von mehreren verschiedenen feinen Nervenfasern für die Zukunft sehr wahrscheinlich (Ref.). 2) Sollen B. und V. selbst gewöhnliche breite Fa- sern beschreiben, die während des Verlaufes zur Peripherie (B. und V. sagen Endschlingen) so dünn und auch sonst den sympathischen Fasern so ähnlich werden, dass sie nicht mehr von denselben zu unterscheiden sind. Da nun, schliesst der Verfasser, B. und V. selbst in manchen Nerven es durchaus unmöglich fanden (p. 55. heisst es: „doch ka- men hin und wieder Fasern vor, von welchen sich nicht mit Sicherheit sagen liess, welcher Faserklasse sie angehör- ten“), bei gewissen Nervenfasern zu entscheiden, ob sie zu der einen oder anderen Faserklasse gehören, auch die Phy- 160 siologie keinen Unterschied ‚zwischen der Verrichtung der groben und feinen (sympathischen) Fasern kennt (Kölliker giebt diese Unterschiede in seiner Abhandlung [p. 33.) selbst an), so geht aus Allem unbestreitbar hervor, dass die mi- kroskopische Untersuchung zur Aufstellung besonderer, sym- pathischer Fasern keineswegs berechtigt, und selbst die hy- pothetische Annahme eines, obschon noch unaufgedeckten, anatomischen Unterschiedes von der Hand gewiesen wer- den muss. Referent kann weder nach dem, was in der Schrift B. und V.'s vorliegt, noch nach seinen eigenen Erfahrungen die Gründe Kölliker’s gegen die Unterscheidung der cerebro- spinalen und sympathischen Nervenfaser für gerechtfertigt halten. Auf das Einzelne näher einzugehen, würde den Jah- resbericht zu weit ausdehnen. Wer sich für die wichtige Unterscheidung der betreffenden Nervenfasern interessirt und vielleicht aus eigenen Erfahrungen kein Urtheil hierüber hat, dem ist Ref. zunächst anräthig, beim Durchlesen der Köl- liker’schen Schrift stets auch die von Bidder und Volk- mann zur Hand zu nehmen. Denn abgesehen davon, dass Kölliker nicht immer glücklich in der Deutung der Worte dieser Forscher gewesen ist, bleibt es wichtig bei der Be- urtheilung der Schlussfolgerungen beider Parteien, stets die ganze Eigenthümlichkeit der cerebrospinalen Faser, die ja von der sympathischen unterschieden werden soll, vorge- führt zu’ sehen, was B. und V. stets thun, Kölliker aber an den wichtigsten Stellen unterlassen hat. Im Uebrigen lassen sich die Ergebnisse der Untersuchungen beider Par- teien, wie dem Ref. scheint, in folgenden Worten ausdrük- ken. Beide Parteien und viele andere Forscher, die bisher vorliegenden Gegenstand untersucht haben ,„ unterscheiden konstant grobe und dünne Fasern in einem und demselben Nerven, in den verschiedensten Nerven und bei den ver- schiedenen Wirbelthieren. Kölliker, der gegen die Unter- scheidung ist, widerspricht sich in seiner Arbeit selbst, worauf schon Henle in seinem Jahresbericht (p. 26.) hin- weiset, indem er theils widerlegende, theils bestätigende, theils erweiternde Resultate aufzählt, die allein aus der Un- terscheidung solcher Fasern hervorgehen könnten. Dass dieser Grössenunterschied in den Nervenfasern als keine leere De- monstration der Natur angesehen werden dürfe, beweiset der bei den übrigen Geweben auch von Kölliker zugestandene regelmässige Mangel desselben. Das Beispiel, welches Köl- liker als Ausnahme anführt, kann gar nieht in Betracht ge- zogen werden. Bidder und Volkmann haben nun die beiden Faserarten, deren Trennung, wie Henle bemerkt, so 161 natürlich und leicht sich ergiebt, auch noch durch andere Merkmale mit Rücksicht auf die Kontouren, den Inhalt, die Färbung derselben näher bestimmt. Dass diese Merkmale in den meisten Fällen vorhanden sind, das hat und dürfte wohl Niemand leugnen können. Gleichwohl gestehen B. und V. zu, was auch Kölliker und andere Forscher behaupten, dass im einzelnen Fällen die Unterscheidung der Faserarten nach den angeführten Eigenthümlichkeiten nicht gelinge, und dass mitunter das eine oder das andere Merkmal der sym- pathischen Faser nicht vorgefunden wurde, und die letztere dann sich ähnlich, wie die cerebrospinale Faser verhalte. Bidder und Volkmann haben nun diese seltenen Fälle als Ausnahme hingestellt, deren Erklärung noch späterer Erfah- rungen vorbehalten bleibt, und um so weniger durch die- selben die gesetzliche Norm stören zu müssen geglaubt, als nach dieser ja die von Allen zugestandene Unterscheidung der beiden Nervenfaser-Elemente faktisch ermöglicht ist und fortdauernd geschieht. Kölliker dagegen ist der Ansicht, dass diese einzelnen Fälle zur Richtsehnur der Beurtheilung des Unterschiedes der beiden Faserelemente gemacht werden müssten. und somit der Unterschied derselben wegfalle, ob- schon der grösste Theil seiner Beobachtunggauf der Unter- scheidung beider Faserelemente beruht. Auf welcher- Seite hier das Gezwungene in der Schlussfolgerung liege, ist leicht einzusehen. Kölliker treibt die Sache auf die Spitze, selbst auf die Gefahr hin, dass er die Spitze gegen seine eigenen Arbeiten richtet. Henle sagt ganz richtig, dass, wenn wir nicht jede Faser der einen oder der anderen Gruppe zutheilen können, wir uns dieses schon bei verwandten Gebilden, wie bei gar vielen histologischen Eintheilungen gefallen lassen müssen. Was würde wohl auch daraus werden, wenn man dem systematischen Zoologen und Botaniker die Berechtigung zu der Schlussfolgerung nehmen wollte, die Bidder und Volkmann gemacht haben. Hierzu konımt, dass wir eine vollkommen sichere und charakteristische Unterscheidung ver- wandter Gebilde, wie im vorliegenden Falle, nur bei genauer Kenntniss des genetischen Gesetzes in der Form und Mischung festzusetzen im Stande sind. Referent darf behaupten, dass uns die Kenniniss des histogenetischen Gesetzes der Nerven- faser-Elemente gegenwärtig fast gänzlich fehlt. Die bisher bekannt gewordenen Kennzeichen sind sowohl bei der cere- brospinalen, als bei der sympathischen Nervenfaser nur ver- einzelt dastehende mikroskopische Erscheinungen hinsichtlich der Form und Mischung, und daher kann es nur zu leicht geschehen, dass wir nicht allein die genannten beiden Ner- venfaser- Elemente von einander. sondern. wie die Erfahrung Mäller's Archiv, 1815, I 162 lehrt, diese selbst von anderen Faserelementen nicht mit Si- cherheit an dem gewöhnlichen Merkmale zu unterscheiden vermögen. Daraus folgt aber nicht, dass wir das, was in der Regel leicht und natürlich unterschieden werden kann oder als verschieden sich zu erkennen giebt, nicht unter- seheiden dürfen oder sollen, dass wir auf ein Mal unterlassen sollen, was wir so häufig zu ihun genöthigt sind und alle Tage ihun. Referent wiederholt daher von Neuem, dass die Unterscheidung und Trennung der cerebrospinalen und sym- pathischen Nervenfaser, wie sie Bidder und Volkmann zu- erst unternommen, durchaus naturgemäss ist, dass die Unter- scheidungsmerkmale, welche die Verfasser angegeben, diejenigen sind, an welchen wir die genannten Faserelemente in der Re- gel eıkennen können, dass der übrigens gleichgüllige Name nicht unpassend gewählt wurde. da diese dünnen Fasern gerade im Sympathieus enorm vorherrschen, dass endlich auch die physiologischen Ergebnisse diese Trennung rechtfertigen, da die eine Faserart zur Vermittelung psychischer, die andere zur Vermittelung organischer Prozesse zu dienen scheint. Kölliker hat ferner in seiner Schrift die meisten Re- sullate der Bidder- Volkmann’schen Beobachlungen in Be- treff des Verlagfes und der Ausbreitung der dünnen sympa- Ihischen Faser bestätigt. Ohne Beobachtungen anzuführen, wird aber mit Valentin behauptet, dass die aus den Spinal- ganglien kommenden sympathischen Fasern durch die Rami communicantes hindurch im Grenzstrange erst eine Sirecke weit auf- und abwärts verlaufen (lex progressus), bevor sie zu den Eingeweiden gehen. Desgleichen stimmt der Verfasser hinsichtlich der Mischungsverhältnisse der dünnen und cere- brospinalen Fasern in den unwillkürlichen Muskeln und in den nieht sensibeln Schleimhäuten mit den genannten For- schern vollkommen überein. Dagegen versucht Kölliker nieht nach eigenen Beobachtungen und Zählungen, sondern nach denen, die Bidder und Volkmann gemacht haben, nachzuweisen, dass die von diesen Forschern daraus gezogenen Schlussfolgerungen in Belreff der Mischungsverhällnisse der sympathischen und cerebrospinalen Fasern der Nerven in den willkürlichen Muskeln, besonders aber in der Haut und in der sensibeln Schleimhaut so unmöglich seien, dass er nach Mit- theilung einer, nach seinem Ermessen zusammengestellten Ta- belle der hierauf bezüglichen Zahlenwerthe jede weitere Dis- kussion für überflüssig hält (p. 24.). Referent gesteht offen, dass ihn diese Behauptung nicht wenig in Erstaunen seizle, da ihm gerade dieser Theil der Bidder- Volkmann’schen Schrift mit grosser Umsicht und einem zu bewundernden Fleisse ausgearbeitet, und die gewonnenen Resultate von aus- ”. 163 serordentlicher Wichtigkeit zu sein scheinen. Aber mein Er- slaunen steigerte sich, als ich bei genauer Revision bemerkte, auf welche kaum zu entschuldigende Weise Kölliker in diesem Theile seiner Kritik verfahren ist. Es siod hier nicht bloss Missverständnisse vorhanden, wie Volkmann bemerkt (Wagn. Handwört, für Phys. Heft 10. p. 394.); es ist nicht bloss der Mangel an Umsicht in der Beurtheilung des Wer- thes und der Bedeutung der Zahlen, wie sie aus den einzel- nen untersuchten Fällen hervorgeht; es fehlt nicht bloss die viehtige Unterscheidung dessen, was als Regel oder als Aus- nahme aufzufassen sei; es findet sieh endlich bei Zusammen- stellung der Tabelle nicht bloss eine mangelhafte Berücksich- tigung der Nervenstämme, die ausschliesslich in einem gleich- arligen Gebilde sich verzweigen, und derer, die dieses nicht thun:z — Kölliker hat sogar unterlassen, solche Angaben in die Tabelle aufzunehmen. die die Schlussfolgerungen Bid- der’s und Volkmann’s bedingen, wie z. B. in Betreff der Ratte, bei welcher die Hautnerven mehr feine Fasern ent- halten, als die der Katze und des Hundes, desgleichen in Be- tvefl des Frosches, die p. 53. angegebene regelmässige gleiche Anzahl dünner und dicker Fasern in den Haulnerven; wogegen von dem letzteren Thiere die Ausnahme hinsicht- lich des Kiefernerven, die ungünstig gegen die Schlussfolge- rungen der genannten Forscher ausfällt, in der Tabelle allein sich vorfindel. Ein näheres Eingehen auf diesen Gegenstand hält Ref. für überflüssig. und verweiset vielmehr auf den Volkmann’schen Aufsatz über Nervenphysiologie (a. a. O.)!). 1) Es lässt sich dieses Verfahren Kölliker’s wohl nicht anders deuten, als dass er die Arbeit Bidder’s und Volkmann’s zu flüch- tig durchgenommen habe. Es ist dieses leider ein Fehler des Ver- fassers, der ihn schon ölters zu Ungerechtigkeiten gegen andere For- scher und nicht selten zu dem Glauben veranlasst, als seien die von ihm gemachten Beobachtungen neu und eigenthümlich. So liegt gende jeizt ein Aufsatz desselben Verfassers: „Ueber die Entwicke- ung der Blutkörperchen bei den Säugethieren“ (Henle’s u. Pfeuf. Zeitschrift. 1846. p. 115 segg.), vor, in welchem derselbe über die Bildung des Herzens und der Gelässverzweigungen neue Beobachtun- gen mitzutheilen glaubt, während bereits in meinem Werke: „Ent- wickelungsleben etc. 1840, p. 21. und 138 segq.,“ ferner im Jahres- bericht dieses Archivs 1841. p. CLXXXIV., desgleichen ebendaselbst 1842. p. CCXCII,, auch in meinen „‚Beiträgen ete. 1843. p. 39. und 63,," dieselben Resultate von meinen Beobachtungen vorgelragen wurden. Olbschon es dem Ref. angenelim sein muss, so manche sei- ner Beobachtungen und Resultate (auch in der Entwickelungsge- sehichte der Cephalopoden kommen derzleichen Am vor) durch ıi% 164 Von grösserer Wichtigkeit sind Kölliker’s Unlersuchun- gen in Betreff des Ursprunges der Nervenfasern von deu Ganglieukugeln, wodurch ein neues Moment für die Selbst- ständigkeit des Sympathieus gewonnen wurde. In den lelzien Jahren hat besonders Helmholtz mil Zuversicht ausgespro- chen, dass er bei mehreren wirbellosen Thieren ganz deutlich den kontinuirlichen Zusammenhang der Nervenfasern mil den Fortsätzen der Ganglienkugeln gesehen habe. (Vergl. den Jah- resbericht Müll. Arch. 1843. p. CXCVIIL.) Desgleichen be- schreibt auch Hannover einen solchen Zusammenhang, wor- über im vergangenen Jahre berichtet wurde. Er verfolgte ihn namentlich im wirbellosen Thierreich, aber auch bei Wirbel- thieren. Darauf trat Will auf, worüber im Folgenden der Bericht gegeben wird. In der vorliegenden Arbeit von Köl- liker erhalten wir die Mittheilung, dass der Verfasser nicht allein in grösserer Ausdehnung beim Frosch in den Ganglien der Rückenmarks- und Hirunerven und des Sympalhicus, sondern auch in den Spinalganglien der Schildkröte und der Katze, im Gangl. Gasseri der Katze und des Meerschweinchens, im Gangl. thoraeie. IV. der Katze den Ursprung der Nerven- fasern (dünnen) von den Ganglienkugeln verfolgt habe. Man muss ein Ganglion mit möglichster Schonung fein zerlasern, und nach isolirten, noch in ihren Scheiden liegenden Ganglien- kugeln forschen. Dann sieht man unter günsligen Umständen den Forlsatz einer Ganglienkugel in grösserer oder geringerer Entfernung, selten dieht an denselben oder weiter davon ab, als 0,015“, ziemlich plötzlich, doch ohne scharfe Grenze eine einen Forscher bestätigt zu schen, der bisher gerade nicht grosse Vorliebe für ihn verrathen hatte; obschon es ferner in wissenschaft- licher Hinsicht zuweilen überflüssig sein mag, die Vorgänger aus dem Gebiete eigener Beobachtungen namhalt zu machen: so darf man doch mindestens die Forderung an Jeden stellen, dass er nicht bloss solche Beobachtungen und Ansichten aus den Schriften Anderer sich heraus- nähme, an denen sich der Widerspruch geltend machen kann, dage- gen andere, übereinstimmende Thatsachen weglasse. Kölliker hat aber in dem genannten Aulsatze nur die eine Angabe über die Bil- dung der Gefässverzweigungen durch die Kontraktionen des Herzens aus meiner Schrift: „‚Entwickelungsleben ete.,“ zur Polemik berück- sichtigt, die mit den seinigen übereinstimmenden Beobachtungen des- selben Werkes über die Bildung des Ilerzens, der nächsten grossen Gefässstämme, der Gefässe in der Area vasculosa dagegen sind aus- gelassen, Auch weiss der Verfasser nicht, dass ich in allen den spä- tern Mittheilungen nach erneuten Beobachtungen die erstere Ansicht über die Geläss- und Blutbildung als einen Irrthum, und die letztere für alle Fälle als allgemein gültig hinzustellen mich veranlasst sah. 165 andere Natur annehmen. Er bekommt dunkle Konlouren, leicht granulirten Inhalt und wellige Ränder und setzt sich so in eine feine Nervenfaser fort. In einigen Fällen sah der Verfasser Nervenfasern von 0,02’ und darüber mit den Gan- glienkugeln und ihren Fortsätzen in Verbindung. Ganglienku- geln, Fortsälze derselben und die mit diesen zusammenhängen- den Nervenfaser-Rudimente werden von der bekannten. aus Remak’schen Fasern gebildeten Scheide umgeben, die nur Ein zusammenhängendes Ganzes bildet. F. Will gab eine .. vorläufige Mittheilung über die Struk- tur der Gauglien und den Ursprung der Nerven bei wirbellosen Thieren.® (Müller’s Archiv 1844. p. 76 segq.) Die centralen Theile des Nervensystems sind überall von zwei Hüllen einge- schlossen, die in seltenen Fällen (T'helis, Ascidien) durch einen bemerkbaren Zwischenraum von einander enlfernt liegen. Die innere Hülle oder das eigentliche Neurilem schickt bei den Ganglien (nicht bei den Nerven) Fortsätze in das Innere hinein. in Folge dessen die Ganglien in die bekannten Abtheilungen geschieden werden, die bei den verschiedenen Thieren an Grösse, Form, Zahl sehr verschieden ausfallen. Als Inhalt der Ganglien führt der Verfasser an: die genannten Scheidewände, die Gan- glienkugeln und eine zwischen denselben liegende körnige Ausfül- lungsmasse, welche nicht selten Pigment enthäll, Nervenprimi- tivfasern, und verschiedene Arten nicht konstant vorkommender Zellen. Bei allen wirbellosen Thieren lassen sich nach Will zweierlei Ganglienkugeln unterscheiden. Die einen haben im- mer nur einen Anhang, der eine Röhre darstellt und sich nie in Zweige spaltet. Zwischen der Hülle und der inneren Zelle (Kern der Ganglienzelle nach And. Ref.) befindet sich bei ihnen eine glashelle Masse, die bei Anwendung von Wasser, Säuren, Kali chromieum kernig wird. Bei der zweilen Art von Gan- glienkugeln liegen in der glashellen Masse viele kleine runde Zel- len, in denen kein Kern erkennbar ist. Diese runden Zellen treten bei Quetschung der Ganglienkugeln nicht leicht heraus, sondern bleiben an der Ilülle hängen. Man sieht an diesen Nervenkörpemehen sehr häufig melırere Anhänge nach einer oder nach entgegengesetzten Seiten hin abgehen. Dieselben sind der Länge nach gestreift, und spalten sich in geringerer oder grös- serer Entfernung von der Ganglienkugel in zwei oder drei Aeste, die wiederum feinere Aeste abgeben und nicht selten in einzelne Fasern zerfallen. Die grösseren Zweige haben in unbestimmten Zwischeoräumen Varikositäten, die kleineren laufen in ganglien- arlige Anschwellungen zusammen, aus denen wieder Fasern nach allen Richtungen hervorgehen. Die Anschwellungen zeigen in der Mitte eine kernarlige dunkle Stelle. Die körnige Masse zwischen den Ganglienkugeln ist in manchen Fällen roth, oran- 166 genfarbig, röthlich grau gefärbt, und umgiebt zuweilen das ganze Nervenkörperehen, so dass es scheint, als ob das Pigment inner- halb derselben liege(?). Auch in den Nervenwurzeln wurde diese granulirte Masse zwischen den Nervenprimitivfasern verfolgt, bis sie in einiger Entfernung von Ganglien aufhört und die durch die Nervenfasern veranlassten Längsstreifen wieder deutlich hervorireten. (Blutegel.) Allmählig führt uns der Verfasser durch eine Reihe von Beobachtungen an den Blutegeln, bei der Thelis, an Lymnaeus stagnalis zu dem unmiltelbaren Nachweis des konlinuirlichen Zusammenhanges der Anhänge der Ganglienku- geln erster Art mit den Nervenfasern. Er weiset nach, dass beim Blutegel die Nervenkörper mit ihrer Spilze oder ihrem Anhange nach den Nervenprimilivfasern hin gerichtet sind, und dass sie im weiteren Verlauf zwischen die Primiliv- fäden treten. Er sah ferner bei der Thelis, dass die Nerven- körperchen, die hier in eigenen gesliellen Kapseln eingeschlos- sen sind, nur miltelst ihres Anhanges, der durch den Stiel der Kapsel an den Nerven läuft, mit den durchsetzenden Nerven in Berührung kommt. Er beobachtete endlich an den seitlichen Schlundganglien vonLymnaeus, desgleichen an jenen in der Nähe der Geschlechtstheile bei Aplysia gelegenen und a. m., dass die bezeichneten Anhänge von der Ganglienkugel ab allmählig an Breite abnehmen, dann aber im weiteren Verlaufe eine gleiche Dicke beibehalten und ein solches Ansehen gewinnen, dass man sie von den andern Nervenprimitivfasern nicht mehr unterschei- den kann. Die Bedeutung der zweiten Art von Ganglienkugeln lässt sich gegenwärtig noch nicht genügend erläutern. So wären wir endlich dahin gelangt, den kontinuirlichen anatomischen Zusammenhang der Ganglienkugeln und Nervenfasern als eine kaum mehr zu bezweifelnde Thatsache anselhn zu können. Gleichwohl wird die Schwierigkeit bei Untersuchung, und der Umstand. dass die bisherigen Beschreibungen über diesen Zusammenhang nicht übereinstimmen, überall ein volles Ver- trauen zu den Resultaten derselben, wie Ref. glaubt, noch. nicht zu erwecken im Stande sein. Dasselbe war bis noch vor kur- zer Zeit bei Bidder und dem Referenten dersFall, obschon die Resullate der Bidder-Volkmann’schen Untersuchungen auf das Unzweilelhafteste eine Vermehrung der Nervenfasern in den Ganglien herausgestellt hatten. Indessen haben die neue- ren Mitlheilungen hierüber uns veranlasst, den Gegenstand einer neuen Prüfung zu unlerwerfen. Aus diesen Untersuchungen hal sieh auch uns ergeben, dass ein konlinuirlicher anatomischer Zusammenhang zwischen Ganglienkugeln und Nervenfasern in der That statlfindet. Wir haben im Verlaufe von etwa acht Tagen bei Wirbellhieren (Fische, Vögel) solche Präparate uns zu verschaffen vermocht, dass etwa in zehn Fällen auch der 167 geringste Zweifel über den kontinuirlichen Zusammenhang von Nervenfasern und Ganglienkugeln schwinden musste. Wenn diese vorläufige Miltheilung den Histologen, wie wir glauben, von Interesse sein wird. so mögen wir anderseits es doch nicht zurückhallen, dass unsere Beobachtungen über die Art und Weise dieses Zusammenhanges in wesentlichen Punkten von denen unserer Vorgänger abweichen. Wir hoffen noch im Verlaufe dieses Jalıres unsere Ergebnisse hierüber mit!heilen zu können. In Betreff der Endigung der Nerven hat Krause (a. a. O, p- 112.) in der Lederliaut von neuem die Endschlingen gesehen, und zwar so, dass eine Nervenfaser in jeder Papille eine Schlinge bildet, oder dass öfters eine Fibrille unter mehreren Papillen fortläuft und in jede eine Schlinge hineinschickt. Um die Ner- venschlingen zu sehen, ist es gul, die Haul mit Salpetersäure zu behandeln. Die Nervenfasern haben in diesen Schlingen eine Breite von 743“ und eine Dicke von 5 — 44”. Eine peripherische Theilung der Nervenfasern in den Augen- muskeln des Hechts sahen J. Müller und Brücke. Es sind ibnen selbst Beispiele vorgekommen, wo an einer und derselben Nervenfaser zwei und selbt drei aufeinander folgende Theilungen überseben werden konnten. (Müll. Physiologie Bd. I. p. 524 4te Auflage.) Nach Savi (eludes anat. sur le syst. nerv. et sur l’org. elecir. de la torpille 1844) theilen sich die Primi- livfasern der Nerven auf den Plättehen der elektrischen Organe der Zitterrochen derartig, dass ein zusammenhängendes Netz da- durch gebildet wird. Auch in den Vater’schen Körperchen sind Theilungen der Nervenfasern beobachtet. (S.u.) Für die Nerven-Endigungen sind ferner die sogenannten Pacinischen Körperchen von Bedeulung geworden, und Ref. glaubt den Be- richt über die mikroskopische Struktur derselben, welche na- mentlieh durch Ilenle und Kölliker gegenwärtig am genausten beschrieben wurde, bier passend anfügen zu können. Zuvör- derst haben wir jedoch der historischen Notiz zu gedenken, die wir im Jahre 1845 über den eigentlichen Entdecker dieser Kör- per erhalten haben. Langer in Wien verdauken wir den Nachweis, dass Abraham Vater, Professor der Anat. und Bot. zu Wittenberg, ein Schüler Ruysch’s, zuerst diese Körperchen als Papillae nerveae beschrieben habe. (Oestreichische mediceinische Wochen- schrift No. 22 p. 665. seqg. 1845.) Vater entdeckte sie zu- erst bei einer genaueren Präparation des Plexus brachialis. Sie wurden darauf von I. G. Lehmann in seiner Diss. de con- sensu parlium 1741 (im zweiten Bande der Disputat. anatom. selectar. Hall.) beschrieben. Eine genauere Mittheilung über den Plexus brachialis und die Papillae nerveae zugleich mit Teichnungen gab Vater in dem Commereio litterario Norimber- 163 gensi. Auch in Anmerkungen des Museum analomicum Vat. 1750 wurde eine Beschreibung und Erklärung dieser Körper- chen wiederholt. Sie finden sich nach Vater an den Verzwei- gungen der Hautnerven, oder hangen an denselben wie Früchte an der Aehre. Sie sind im Unterhautzellgewebe in Feitkapseln anzulreflen, aus welchen sie mil Kraft herausgepresst werden. Ihre Form ist oval oder konisch. Vater sah sie an den Haut- nerven in der Ellbogengegend, in der Hohlhand, auf der Planla und dem Rücken des Fusses. — Auch Joan. Leonh. Fischer soll nach Langer in seiner Beschreibung der Nerven der unteren Extremität (Deseript. anal. nervor. lumbor. et sacral. el exlre- mitat. inferior. Lips. 1791. p. 2.) die Papillae nerveae Vateri gekannt haben. Er hielt sie für Ganglien. Die genauste mikroskopische Beschreibung der Vater’schen Körperchen. so können wir sie jelzt passend nach Langer nen- nen, haben Henle und Kölliker gegeben. (Ueber die Pacini- schen Körperchen an den Nerven des Menschen und der Säu- gelhiere, mit drei Tafeln. Zürich, 1844. 4.) Die Vater’schen Körperchen finden sich ausser beim Menschen bei allen bis jetzt untersuchten Haussäugelhieren: bei der Katze, dem Hunde, Och- sen, Schafe, der Ziege und dem Schweine; desgleichen bei Affen (Hapale). Bei wilden Säugethieren, bei Vögeln, Amphibien, Fi- schen konnten sie noch nicht entdeckt werden. Sie stehen bei allen Thieren in unmittelbarem Zusammenhange mit den Haut- nerven in den Gegenden, wo sie bisher angetroffen wurden. und zwar so, dass eine primmitive Nervenfaser sich direkt in die innerste Kapsel des Körperchen hinein begiebt und daselbst, wie es scheint, stels endigt. Im Mesenterium der Katze begleiten sie auch die sympatbischen Geflechte; doch bemerkte Ref., dass nur eine Nervenfaser von dem Charakter der breiten oder ce- rebrospinalen Faser die Verbindung mit dem Vater’schen Kör- perchen unterhält. Ihre Zahl variirt; an einer Extremität des Menschen, bei welchem sie am häufigsten vorkommen, wurden 150 — 350 vorgefunden. Man triflt sie hiev namentlich an den Aestchen. die sich in die Haul der Fioger und Zehen ein- senken. Im Mesenterium der Katze wurden 50—200 Körper- chen gezählt. Wie die Zahl, so ist auch die Gruppirung durch- aus unregelmässig; bald sind sie ganz isolirl, bald zu zwei oder (drei oder zu grösseren knauelarligen Haufen vereinigt. Bei dichler Aneinanderlage wird auch wohl eines in die Höh- lung des andern aufgenommen. Drei Male sahen die Verfas- ser eine rosenkranzlörmige Anreihung zweier Körperchen an einer und derselben Nervenfaser,. indem die Endigung der letz- teren nur in dem zweilen stallfand. I. und K. unterscheiden an dem Vater'schen Körperchen, wie Pacini, das eigentlicheKörperchen und den Stiel, darch den 169 das erstere an dieNervenstämme geheftet ist; an beiden ist ferner hinsichtlich der Struktur die Nervenfaser und die Umhüllung zu sondern. Die Gestalt der Körperchen ist meist elliplisch oder ei- förmig, seltener verkehrt eiförmig. Beim Menschen sind sie ge- wöhnlich in der Kichtung der Längenaxe mehr oder weniger gebo- gen, und sie werden dann halbmond- oder nierenförmig, selbst S- förmig. Bei den Thieren sind sie meist grade; doch sieht man auch bier ziemlich häufig das „innere System“ der Kapseln der Verfasser gleichzeilig mit dem Nervenende gekrümmt, (Ref.) Die Grösse va- riirt. Beim erwachsenen Menschen haben sie im Mittel 0,8— 1,2’ Länge, und 0,45— 0.6” Breite. Sie erscheinen überall halbdurch- siehtig, glänzend, mit einem weissen Centralstrang, der, wie Ref. sich überzeugte, von dem inneren, dichter beisammenlie- genden System der Kapseln herrührt. Die Länge des Stieles beträgt beim Menschen im Mittel 1,5” in der Länge und 0,04 ie der Breite. Die Inserlion des Stieles geschieht oft genau in der Mitte des einen Endes (Stielendes H. K.; centraler Pol Pac.) des elliplischen Körperchens, oft aber auch mehr seitlich davon, so dass beide Enden abgerundet sind. Die Verfasser besläligen ferner, dass die Umhüllung des Körperchens aus einem System von häutigen Kapseln bestehe, die durch ein eiweisshalliges Fluidum von einander getrennt werden. Die inneren Kapseln liegen jedoch meistentheils ganz dicht an- einander, enthalten keine oder nur äusserst wenig Flüssigkeit; ihre Form wird dadurch mehr gestreckt, fast ganz cylindrisch, auch machen sie öfters, wie schon an ihrem freien Ende einen von den äusseren Kapseln verschiedenen, gekrümmten Verlauf; und wurden daher wohl passend nach H. und K. als „das System der inneren Kapseln‘ besonders aufgefasst. Nach aussen von ihnen nimmt dieFlüssigkeit in den Spatia intercapsularia allmählig zu. und die Form derselben nähert sich mehr und mehr der all- gemeinen Form des Körperchens. Die äusserste Kapsel wird von einer Bindesubstanz in gewöhnlicher Weise umgeben. Die innerste oder „centrale“ Kapsel umschliesst den Nerven nicht enge, sondern bildet eine „‚centrale* Höhle. die beim Men- schen eine milllere Breite von 0,022” hat und elwa 0,40’ lang ist, und in deren Mitte der Nerve, umgeben von einer mehr zähen, ölters weniger durehsichligen, chemisch noch nicht näher bekannten Flüssigkeit, fortläuft. Die Form dieser centra- len Kapsel und ihrer Höhle ist eylinderisch, an dem freien Ende des Körperehens abgerundet, öfters gekrümmt, meist kolbenför- mig erweitert, an dem Stielende gegen die Nervenfaser hin all- mählig zugespitzt. Der grösste Abstand der einzelnen Kapseln von einander beträgt beim Menschen 0,02’, bei der Katze 0,013”. Die Zahl der Kapseln unterliegt grossen Schwankun- gen. An grösseren Körperehen wurden zwischen 40 und 60 170 gezählt, von denen etwa die Hälfte dem System der inneren Kapseln angehört. Die einzelnen Kapseln werden nicht sellen durch quer oder schräg laufende Wände miteinander verbunden, wodurch die Zwischen -Kapselräume verschiedentlich abgetheilt werden können. An dem freien Ende des Körperchens finden sich solche Querwände zuweilen mehrfach hintereinander zwi- schen den einzelnen Kapseln, so dass ein dunkel schimmernder Streifen sich markirt. Auch liegen hier die Kapseln öfters nä- her bei einauder. Dieses sowohl, als der Umstand, dass wegen der Krümmung der inneren Kapseln daselbst die Abtrennung der einzelnen Schichten Widerstand findet, mag, wie die Ver- fasser mit Recht bemerken, Pacini zu der Auffassung eines Ligamentum intercapsulare veranlasst haben. s Am Stielende werden die Kapseln von der Nervenfaser durchbohrt. Hier müssen, schreiben die Verfasser, sämmiliche Kapseln mit den Rändern der Durchgangsöffnungen unmittel- bar den Nerven berühren und daselbst endigen, oder in ent- sprechende, konzentrische Röhren um den Nerven sich fort- selzen und so in die Umhüllung des Stieles übergehen. Pa- eini ist der lelzieren Ansicht; die Verfasser glauben, dass Beides Statt findet; Referent muss nach seinen Beobachtungen Pacini beisiimmen. Die Umhüllung nämlich des Stieles oder der Nervenfaser in demselben, also mit einem Wort das Neu- rilem, ist der Länge nach gestreift, und erweiset sich als aus Schichten der Bindesubstanz gebildet, die übereinander um den Nerven gelagert sind. An dem inneren System der Kap- seln des Körperchens sieht man nun häufig ganz deutlich die einzelnen Schichten des Neurilems unmittelbar in die Wan- dungen der Kapseln übergehen, so dass es vollsländig das An- sehen hat, als ob die Schichten des Neurilems im Stiele nur durch die Infiltrirung von Flüssigkeit zwischen ihnen an der Endigung des Neıven in das Körperchen sich verwandelt hät- ten. Die äusserste Schicht des Neurilems stellt so die äus- serste Kapsel, die innerste die Wandung der centralen Kapsel dar. An einzelnen Kapseln ist der unmittelbare Uebergang in die Scheiden des Stieles nicht zu verfolgen, weil das Präparat eine deutliche mikroskopische Unterscheidung nicht zulässt. Bei den äusseren Kapseln ist die Entleerung des Fluidums vortheilhaft für Veranschaulichung dieses Verhältnisses. Doch liegt nach des Referenlen Ansicht nicht eine einzige evidente Erscheinung vor, die es wahrscheinlich machte, dass die Kap- selwandung von dem Stiel wirklich durchbrochen würde. Wohl aber kann es geschehen, dass zwei Kapseln vielleicht nur in eine Schicht der Umhüllung des Stieles übergeben, da die Schichten des Neurilems unvollständig von einander ge- sondert sind. Mit der bezeichneten Ansicht über die Verbin- 171 dung der Umhüllung des Stieles und der Kapseln stimmt auch überein das Verhalten des sogenannten Stielfortsatzes, das ist desjenigen Theiles des Stieles, welcher die Kapseln zu durch- brechen scheint und den Nerven von der Insertionsstelle ab zu der centralen Höhle geleitel. Derselbe ist ungefähr konisch geformt, mit der Spilze gegen die centrale Höhle gerichtet, indem während des Durchganges des Stieles durch die Kap- seln eine Schicht nach der anderen von Aussen nach Innen von der Umhüllung des Stieles entfernt wird und in die Kap- seln übergeht. Dieser Uebergang geschieht bei dem System der äusseren Kapseln gemeinliin ziemlich plötzlich. so dass auf dem scheinbaren Längsdurchschnilt des Körperchens die Kapselwandungen. wie die Federfasern einer Fahne der Fe- der an den Schaft, so hier an den Slielfortsatz sich anzu- selzen scheinen. — Die Verfasser haben an den Kapseln öf- ters Gefässe bemerkt. Die Kapselwandungen bestehen aus Schichten von Binde- substanz, in denen die länglichen Kern-Rudimente mit der Längenaxe nach dem Längsdurchmesser des Körperchens ge- richtet sind. Henle und Kölliker denken sich jede Kapsel- wandung aus zwei Schichten zusammengesetzt, aus einer äus- seren Schicht, in welcher die Fibrillen der Quere nach ver- laufen, und aus einer inneren mit Längsfibrillen. Auf dem scheinbaren Querschnitt sollen die Pünkichen der Bindege- webefibrillen sich nirgend schöner als hier beobachten lassen (p. 17 segq.). Naclı des Ref. Untersuchungen lassen sich in den Kapselwandungen nicht zwei Schichten unterscheiden. Die Querstreifen an denselben und die Pünktchen des schein- baren Querschnittes der quer verlaufenden Fibrillen sind die optischen Bilder von künstlich erzeugten Querfalten der Kap- selwandungen, die, sich selbst überlassen, vielmehr in der Rich- tung der Längenaxe des Körperchens sich in Falten legt und in Fasern spalten lässt. Es giebt wolıl selten eine so gute Gelegenheit, sich davon zu überzeugen, dass das Bindegewebe nieht aus Fibrillen zusammengeselzt sei, als grade an den Kapseln der Pacini’schen Körperchen. (Vergl. Reichert, Vergleichende Untersuchungen über das Bindegewebe etc. Dor- pat 1845. p. 65 segqq.) Auch konnte Ref. hier, wie an an- deren Orten, sich nicht davon überführen, dass jene blassen, geraden, stellenweise verästelten und in Essigsäure unlöslichen Fasern, wie sie von Henle und And. in der Lamina fusca, Zonula Zinnii beschrieben werden, als normale histologische Formgebilde anzusehen seien. Sie stellen sich hier ganz deut- lich als durch Zerrung entstandene Fasern der innersien, in Essigsäure unverändert bleibenden Kapselwandungen dar, die sich ausserdem weniger leicht spalten lassen. 172 Von besonderer Wichtigkeit ist die Entdeckung der Ner- venfaser in dem Vater’schen Körperchen. In der Regel dringt eine Nervenfaser von dem in der Nähe befindlichen Nerven- stämmehen durch den Stiel hindurch in die centrale Höhle des Körperchens und endigt daselbst. H. und K. beobachte- ten auch, dass zwei delegirle Nervenfasern (Taf. 111. Fig. 4.) durch eiuen gemeinschaftlichen Stiel in zwei gesonderle cen- trale Kapselhöhlen eintraten, deren inneres System der Kap- seln von einander geschieden waren und mit der Umhüllung des Stieles in Verbindung standen, deren äussere Kapseln da- gegen kontinuirlich zusammenhingen und der äusseren Form nach scheinbar zum Theil als verschmolzen sich darstellten. Auch dem Referenten ist ein ähnlicher Fall vorgekommen. Dass bei den rosenkranzförmig aneinander gereihlen Vater’- schen Körperchen die Nervenfaser erst in dem äussersten Kör- perchen endige, wurde schon erwähnt. In dem Stiele ist die Nervenfaser durchaus nicht verschieden von anderen Cerebro- spinal- Nervenfasern; sie hat beim Menschen 0,006 — 0,008”, bei der Katze 0,0044 — 0,0077” Durchmesser. So wie sie aber in die centrale Höhle des eigentlichen Körperchens ein- tritt, ändert sich ihr Habitus plötzlich und nähert sich dem der sympalhischen Faser durch Verkleinerung des Breitendurch- messers, durch den Mangel doppelter Kontouren, durch die ins Graue oder Gelblich - Graue spielende Färbung (Ref.). H. und K. geben an, dass die Faser je nach der Lage des Körperchens in zwei verschiedenen Formen erscheine: entwe- der als ein gleichförmiger, blasser Streifen von nicht viel ge- ringerer Breite, als die Faser des Stieles, 0,006‘ beim Men- schen, 0,003—0,006°” bei der Katze; oder als ein ebenfalls gleichförmiger, aber viel schmalerer, nicht als 0,001” messen- ‚der und von dunkeln Rändern eingefasster Streifen. Da durch das Rollen eines Körperchens um seine Längenäxe dieselbe Faser jelzt in der einen, dann in der anderen Geslalt zur Ansicht tral, so schlossen sie, dass der eylindrische Nerven- faden des Stieles in der centralen Höhle sich abplalte, und, je nachdem er von der Fläche oder der Kante aus geschen wurde, in den beschriebenen beiden Formen erscheine. Beide Formen können übrigens auch an derselben Nervenfaser sicht- bar werden, wenn diese in ihrem Verlauf Drehungen erleidet. Auch kommen l’älle vor, in welchen die Nervenfaser in ihrem Verlaufe eine kleine Strecke das Ansehen darbietet, wie in dem Stiele; hier scheint sie sich wieder verdickt zu haben, wenigstens ist die Breitenzunahme grade an solchen Stellen nicht zu verkennen. Die Verfasser glaubten anfangs, dass die Nervenfaser des Vater’schen Körperchens beim Eintritt in die centrale Kapsel die Hülle und die Rindenschicht verliere, und 173 als sogenannter Axencylinder allein fortlaufe. Indessen spräche gegen diese Deulung der Umstand, dass in einzelnen Fällen der centrale Nervenladen während des Verlaufes in der cen- tralen Kapsel plötzlich eine Strecke weit wieder das Ansehen gewöhnlicher Cerebrospinalfasern annimmt. Die Nervenfaser endigt in der überwiegenden Mehrzahl von Fällen in der centralen Kapsel. Bei dieser Endigung er- kannten die Verfasser konstant eine knopflörmige Anschwel- lung und sehr häufig, nämlich bei jedem zweiten bis vierten Körperchen, eine gabelförmige Theilung. Die knopfförmige En- digung geschieht in sehr verschiedenartigen Formen, bald mehr von homogenem und blassem, bald mehr von körnigem An- sehen. Bisweilen lag die Anschwellung dem Grunde der Kap- sel dicht an, meist jedoch befand sie sich in einiger Entfer- nung von ihm. Dass diese Anschwellung der blossen Faser eine Ganglienkugel sei, davon konnten sich H. und K. nicht überzeugen. Die gablige Theilung erscheint in mannigfaltigen Abstufungen. Von einer einfachen, ganz unbedeutenden seit- lichen Wucherung der Endanschwellung bis zur Theilung der Faser selbst in Aeste von 0.02—0,05° Länge fanden sich alle möglichen Zwischenstadien verwirklicht. Die Aeste zeig- ten den Charakter der Faser; nur war ihre Breite etwas ge- ringer und ihr Verlauf mehr oder weniger bogenförmig. Sie endiglen ebenfalls mit einer meist kleinen Anschwellung. In zwei Fällen wurde eine dreifache Theilung der Faser beob- achtet. Die Aeste verlaufen entweder sämmilich in einer und derselben centralen Kapsel, oder die letztere macht ihnen ent- sprechende Ausbuchtungen. Für die Entwiekelungsgeschichte der Vater’schen Kör- perehen ist die Beobachtung von Interesse, dass beim neugebor- nen Kinde die Zahl der Kapseln gering ist und meist ohne Flüssigkeit. In dem Abschnitt ., Varietäten“ besprechen die Verfasser die Abweichungen, welche die Gestalt einzelner Körper und ihrer Theile betreffen, und die abnormen Verbindungen der Vater’schen Körperchen untereinander. In letzterer Be- ziehung werden verschiedene mehr zusammengeselzte Formen von Valer’sehen Körperchen unter dem Ausdruck „seitliche Verbindungen und Verschmelzuugen“ nach Analogie der Dop- ee aufgefasst und abgelheilt. Bei einer so geringen enniniss von der Entwiekelung der Vater’schen Körperchen scheint dem Referenten ein solches Verfahren sehr gezwungen und noch durchaus unbegründet zu sein. Die Verfasser ge- ratlıen auch mit sich in Widerspruch, indem sie früher die Tlheilung der Nervenfaser als eine normale Erscheinung be- 174 trachtelen, hier aber in die Kalegorie der Doppelbildung hin- einziehen. Die Frage, ob die Vater’schen Körperchen nach Cru- veilhier u. A. als pathologische, oder nach Pacini als nor- male Produkte anzusehen seien, wird von den Verfassern wohl mit Recht zu Gunsten der zweiten Ansicht entschieden. Gleichwohl möchte es noch schwer halten, denselben ihre Stelle in der Reihe der normal thätigen Organe anzuweisen. Sie glauben aber, dass die Vater’schen Körperchen, wie Pa- eini es angab, den elektrischen Organen der Fische an die Seite zu selzen seien. F. J. €. Mayer besprach die Struktur der Vater’schen Körperchen in seiner Abhandlung: „Die Pacini’schen Kör- perchen.“ (Eine physiologische Abhandlung zum funfzigjäh- rigen Doktorjubiläum des Prof. €. F. Harless etc. Bonn 1844. 4to.) Der Verf. fand diese Körperechen auch beim Dachs und Fuchs; auch beim Frosch sollen ähnliche Organe vorkommen. Der in der centralen Kapsel verlaufende Ner- venfaden, so wie die Fortselzung desselben in den Stiel hin- ein, ist bereits von Mayer geselien, jedoch anfangs wenigstens nicht richtig gedeutet worden. Späterhin, wie es scheint, nachdem die Arbeit von Henle und Kölliker bekannt war, wird derselbe von ihm mit dem Axencylinder verglichen. In näherer Beziehung zu der peripherischen Ausbreitung der Nerven stehen auch die von Savi entdeckten follikulösen Organe bei den Zitterrochen. (Trait€ des phenomenes electro- physiologiques des animaux par C. Matteueci suivi d’etudes anatomig. sur le systeme nerveux et sur l’organe elecetrig. de la torpille p. P. Savi. Par. 1844. 8.) Conf. Jahresbericht über die Forlschritte der vergleichenden Anatomie der Wir- belthiere im J. 1843. (Müll. Arch. 1844. p. 50.) Ueber den Verlauf und das Verhalten der Nervenfasern haben wir Mittheilungen von van Deen und Budge. — Van Deen’s Beobachtungen über das Verhalten der Nerven- wurzeln zu den Fasern des Rückenmarks nähern sich den Angaben Stilling’s und Wallach’s. (Microscopische Waar- neming etc. Van der Hoeven en de Vriese Tydschrift. Elfde Deel. St. 2. p. 118. — Henle’s Jahresbericht a. a. O. p- 25.) An einem Längsdurchschnitt aus der Lendengegend eines in Weingeist erhärteten Rückenmarks vom Kalbe ver- flochten sich die Fasern der Nervenwurzeln und die des Rük- kenmarks auf eine sehr unregelmässige Weise; nirgends ging dabei auch nur eine einzige Faser der ersleren in die des Rückenmarks über. Die Rückenmarksfasern halten alle so ziemlich einen longitudinalen, die Fasern der Nervenwurzeln in der Mitte einen queren, nach der Eintritisstelle in das 175 Rückenmark hin einen schräg nach oben oder nach unten ge- richteten Verlauf. Die Nervenfasern der Nervenwurzeln sind daher nieht als Fortselzungen der Rückenmarksfasern an- zusehen. Budge’s Beobachtungen an Fröschen weichen von denen Stilling’s ab. (Ueber den Verlauf der Nervenfasern im Rük- kenmark des Frosches, Müll. Arch. 1844, p. 160 seqq.) Der Verfasser untersuchte an frischen Präparaten. Besonders gün- slig für die Untersuchung ist der Conus medullaris. Schon bei geringer Vergrösserung erkennt man bei mässigem Druck des Präparates neben den Ganglienkugeln Längsfasern und Querfasern. Von einem grossen Theile der Längsfasern lässt sich nachweisen, dass sie Fortsetzungen der in den Conus med. eintretenden Nervenwurzeln sind. Sie entspringen von hier in zwei Bündeln, von denen das obere sowohl, als das untere, doch dieses in einem mehr oder weniger grossen Bogen, nach vorn fortlaufen. Die queren Fasern scheinen nur Verbindungs- fäden zwischen den Ganglienkugeln oder deren Umhüllungen zu sein. Eigentliche quere Nervenfasern wurden nicht beob- achtet. Dagegen biegen sich die abgerissenen Längsfasern sehr leicht, und nehmen in Folge dessen eine solehe Richtung an, dass sie für quere Fasern irrthümlich gehalten werden können. Dass es in dem Conus eigene, nicht mit den Nervenwurzeln zusammenhängende Längsfasern gäbe, scheint dem Verfasser unwahrscheinlicb. Budge untersuchte auch das dem Conus zunächst liegende Stück des Rückenmarks, aus welchem die 8, 9, 10 Nervenwurzeln entspringen. Mit blossen Augen kann man die Fasern der Nervenwurzeln von der Inserlionsstelle an im queren Verlauf bis zur grauen Substanz verfolgen. Die hier viel schwierigere mikroskopische Untersuchung ergab schliesslich, dass die hinteren und vorderen Bündel der ge- nannten Nervenwurzeln nach dem Gehirn hin in Längsfasern sich fortseizen, dass jedoch die vorderen Bündel viel mehr, als die hinteren das Rückenmark in seiner Dieke durchdringen, bevor sie den Verlauf nach vorn annehmen. In Betreff der Hypophysis cerebri des Menschen be- merkt Henle (a. a. ©. p. 29.), dass dieselbe nirgends. Ner- venfasern enthalte. In ihrem vorderen grösseren Theile finden sich Kerne und die gewöhnlichen, etwas grobkörnigen Zellen mit hellem Kern, welcher 1— 3 Kernkörperchen einschliesst; die hintere kleine Hälfte besteht aus sehr grossen weichen Zellen von unregelmässiger Gestalt, von welcher oft zwei durch eine Kommissur verbunden sind, viele in blosse Ver- längerungen ausgehen. Die Körperchen der Zirbeldrüse haben naclı Henle grosse Achnliehkeit mit den Epithelium- zellen der Plexus choroidei. 176 Ueber die Struktur der Muskelfibrille des primitiven, gestreiflen Muskelbündels hat Goodfellow eine neue, nicht wahrscheinliche Ansichl aufgestellt. (On the structure of vo- luntary muscle. London physiolog. Journ. 1844. Jan.) Jede Fibrille besitze nämlich nach ihm eine eigene Scheide und sei von queren Scheidewänden durchsetzt, durch welche die Quer- streifung bedingt werde. In den Zwischenräumen zwischen den Septa lägen rechtwinklige Körperchen oder Scheibchen. Wenn die beiden letzteren Angaben wohl mit Recht Beden- ken erregen, so scheint doch die Ansicht, dass die Fibrillen ihre eigene Scheiden besitzen, vielleicht in Zukunft mehr Gründe für sich gewinnen zu können (Ref.). Ueber die Natur der Blutkügelchen schrieb Enzmann (Haeser’s Archiv IV. 4). Der Verfasser sucht besonders zu erweisen, dass die Blutkörperchen in ihrer äusseren Erschei- nung sehr wandelbar seien, je nach den Umständen und Ver- hältnissen, unter welchen sie beobachtet werden. In der Mitte eines langsam fliessenden Blutströmchens an der ausgespannlen Schwimmhaut erwachsener Frösche sollen die Blutkörperchen stets (ein Fall ausgenommen) eine sphärische Gestalt haben. In feinen Strömchen, wo sie nur einzeln neben einander schwimmen, erscheinen sie heller als ihr Medium, vollkommen durebsichtig und ohne Spur von Kernen; in Strömchen von grösserem Jumen zeigen sie sich dunkler als ihr Medium (!). War der Blutstrom nach einer yorausgegangenen Beschleuni- gung ruhig geworden, so traten mannigfallige Formverände- rungen der Blutkörperchen bei ihrer Fortbewegung auf. Alle Gestalten waren mehr oder weniger eckig und in die Länge gezogen. Bei beschränkten Respirationsbewegungen und lang- samer Strömung des Blutes in sehr engen Gelässen verwan- deln sich die Blutkügelehen durch den Einfluss der Gefäss- wandungen (?) in die Leinsamenform. Das abgerundele dickere Ende schwimmt nach vorn; das hintere spitze adhärirt bis- weilen an der Gefässwandung. in Folge dessen das Körperchen mehr in die Länge gezogen wird. Stockt der Blulstrom län- gere Zeit in einem Gefässe, so ändert sich der Umriss des Blutkörperchens in eine Ellipse mit grosser Excentrieilät um. Nicht selten macht die Hülle des Blutkügelchens bei der Fort- bewegung wellenförmige Faltungen, die sich am Rande als Auszackungen markiren. In kleinen Buchten der Blulström- chen gerathen die Blutkörperchen in eine rotirende Bewegung und nehmen dabei die Form der Kugel an. Bei Beschränkung des Luftzutritts zu den Respirationsorganen halten sie die Ge- stalt von Ellipsen mit sehr geringer Excenlricilät, so dass sie fast kreisrund erschienen; ihr Flächeninhalt war aber minde- stens drei Mal grösser, als der solcher Blulkügelchen. die aus- 177 serhalb der Gefässe beobachtet werden. Im Uebrigen waren sie plan und durchsichtig, wie Glimmerblätichen. Die Blut- kügelehen ausserhalb der lebendigen Ader erscheinen stets dunkler, als das umgebende Medium; auch ist ihre häulige Hülle deutlicher. Wird Froschblut mit einem unten besenar- tig zerfaserten Holzstäbchen im Uhrglase durch Rühren von dem Faserstoff befreit. so sind die meisten Biutkörperchen el- liptisch; ein grosser Theil derselben zeigt sich aber auch drei- und viereckig mit abgerundeten Ecken. die Seiten unter ver- schiedenen Winkeln gegen einander geneigt. Die elliplischen Blutkügelchen sind anfangs plan und erhalten erst nach eini- ger Zeit eine Verliefung von einer Seite. Bei einigen stellen sich mannigfaltige Verbiegungen ein. Der Verfasser giebt fer- ner an, dass einzelne elliptische Körperchen nach längerer Zeit einen Einriss erhalten, der sich längs der grossen Axe hin- zieht. Nicht selten theilen sich die Ränder des Einrisses in zwei Blälter, von denen das eine nach oben, das andere nach unlen sich umzurollen strebt. Noch später entstehen auch andere Einrisse in verschiedenen Richtungen. so dass die kleine elliptische Schüssel in 5, 6 und mehr unregelmässige Dreiecke und Vierecke zu zerfallen strebt. Wird Froschblut sogleich nach seinem Austritt aus der Ader mit einer dicken schleimi- gen Flüssigkeit vermischt, so erscheint ein grosser Theil der Blutkügelchen vollkommen sphärisch, ein noch grösserer aber walzenförmig, an den Enden etwas konisch und abgerundet, in der Richtung der Axe auf der einen Seile mit einer rin- nenarligen Vertiefung, die nicht ganz bis an die Enden reicht. Auch beim Menschen sollen die Blutkörperchen unmittelbar nach dem Austritt aus dem Gefässe vollkommen sphärisch sein und erst späler den nabelförmigen Eindruck annehmen. Enzmann glaubt aus seinen Beobachtungen schliessen zu müssen, dass die Grundform aller Blutkörperchen die der Ku- gel sei, und dass die Abweichungen von derselben durch äus- sere Umstände herbeigeführt werden (? Ref.). Ueber die Bildung der Blutkörperchen haben wir Beob- achlungen von Prevost und Lebert (Ann. d. sc. nat. 1844. Bd. I. p. 265 segqq.). Die Untersuchungen sind an Frosch- embryonen und am Nühnchen gemacht, und dabei vielfach auch andere Gewebe berücksichtigt. Referent, der die Schwie- rigkeiten soleher Untersuchungen um so melr würdigen ge- lernt hat, je länger er sich mit diesem Gegenstande beschäftigte, kann das Material, das sowohl die vorliegende, als auch an- dere neuere embryologische Schriften geliefert haben. für den Jahresbericht seiner Veberzengung nach um so weniger ge- eignet halten. je öfter dasselbe als eine sichere Grundlage zu weiteren Forsehungen und Kombinationen benulzt zu werden Müller's Archiv. 1815. M 178 scheint. Wir sind aber über das, was die ersten Arbeiten hierüber geleistet haben, im Wesentlichen nicht hinausgekom- men, nur dass man hier seine Beobachtungen mehr der einen, dort der anderen Tagesansicht anschliesst, Wenn man die in der That gemeinhin leicht zugänglichen Erscheinungen, aus welchen die bisherigen, scheinbar oft so natürlich sich erge- benden, hisltogenelischen Gesetze konslruirt sind, etwas genauer nach den heutigen Anforderungen der Wissenschaft erwägt, so wird man mit Erstaunen gewahr, auf wie schwachen Füs- sen wir noch stehen. Von Prevost’s und Lebert’s Anga- ben mögen folgende hier ihren Platz finden. Nach 34stündi- ger Bebrütung sind die Blutkörperchen des Hühnchens noch rund, nur elwas plalt, fast farblos, von 0,0035— 0,005’ Durch- messer; der Kern erscheint nur undeullich. In der 42sten Stunde sind sie scheibenförmig, gelbröthlich, mit einem excen- irischen Kern versehen; die Grösse des Durchmessers ist im Mittel 0.0045 — 0.0055. In der 48sten Stunde zeigen sich auch elliptische Blutkörperehen mit einem kernkörperhalligen Kern, deren Zahl sieh dann bedeutend vermehrt. Am vierten Tage ist rothe Färbung entschieden deutlich; die elliptischen Blutkörperchen sind vorherrschend; die Grösse hat abge- nommen. Vom achten Tage ab bemerkt man auch farblose Blutkörperchen, von platier Form, schwach biconvex, zum Theil mit einem Kern versehen; die Grösse beträgt 0,0025 bis 0,0035”, Von denselben Verfassern ist auch die Entwickelung der Kapillargefässe im Schwanz und den Kiemen von Frosch- und Tritonen-Larven, desgleichen an Hühner- Embryonen ver- folgt. Prevost und Lebert konnlen nicht wahrnehmen, dass die Kapillargefässe, wie Schwann vermulhele, Kölli- ker dagegen später wirklich beobachtet haben will, durch Verwachsung sternförmig verästelter Zellen entstehen. Auch sind ihnen die aus des Referenten Untersuchungen hervorge- gangenen Resultate unbekannt geblieben, nach welchen die Bildung des Blutes und der Gefässbabnen gleichzeitig gegeben sei, indem eine solide Anlage durch Differenzirung der cen- tralen Zellenmasse (Blut) von der peripherischen (Gelässwan- dung) sich in die genannten Gebilde verwandele. Die Ver- fasser behaupten vielmehr, dass Gefässwandung und Blut sich gesondert bilden, und zwar zuerst die Gefässstämme und de- ren Aesie. Es soll diese Bildung auf die Weise zu Stande kommen, dass sich das Gefässblatt in Folge diffundirter Flüs- sigkeit ablöse und die Entstehung von Intercellularräumen ver- anlasse (a. a. ©. p. 286.). Die weitere Ausbildung der Ge- fässbahnen erfolgt dann nach derselben Ansicht, und zwar so, dass die bereits vorbandenen Gefässe einen kleinen seitlichen 179 Auswucls zeigen, der sich verlängernd mit einem ähnlichen Fortsatz eines anderen Gelässes oder direkt mit dem lelzteren sich in Verbindung selzt (a. a. ©. p. 281.). Auch bei den Frosch- und Tritonenlarven sahen die Verfasser zwischen den bestehenden Arlerien und Venen neue Verbindungsäste als In- tercellularräume zwischen den auseinauderweichenden Zellen im Schwanze sich herausbilden (a. a. ©. p. 221.) (? Ref.). Zu einem ähnlichen Resultat ist auch E. A. Platner ge- langt. (Müll. Arch. 1844. p. 525.). Auch dieser Forscher sprieht sich, nach seinen Beobachtungen an den Schwänzen von Froschlarven und jungen Tritonen, gegen die Schwann’- sche Hypothese aus. Die Kapillargefässe scheinen ihm nicht unabhängig von bereils vorhandenem Gelässe zu entstehen. Man sieht vielmehr, dass ein völlig geschlossenes und stumpf endigendes kapillares Blutgefäss nach einiger Zeit einen ganz dünnen, sich unmerklich verlierenden, gekrümmten Ausläufer aussendel. der an anderen Stellen mit einem ähnlichen Fort- salz zu einem gemeinschaftlichen kapillaren Gefässbogen sich vereinigt hat. Anfangs ist derselbe zu eng, um Blutkörper- chen hindurchzulassen, und er scheint durch eine feinförnige Masse verstopft zu sein. Man unterscheidet an ihm sehr früh schon doppelte Kontouren, nirgend aber elwas von Zellen und Kernen. Letztere müssten also späler sich bilden. Hiernach weicht die Ansieht Platner’s von jener der oben genannten Verfasser, wie mir scheint, besonders dadurch ab, dass die seitlichen Auswüchse nicht als Intercellularräume, sondern als Erweiterungen der bestehenden Gefässwandungen anzusehen sind. Doppelte Kontouren sind sonst an kapillaren Gefässen kaum wahrzunehmen (Ref.). z Ueber die Struktur der Regenbogenhaut hat ©. R. Hall nach seinen anatomischen Untersuehungen Folgendes er- schlossen. (Edinburgh Medical and Surg. Journ. Juli 1844; Froriep’s N. Not. 1844. No. 667. Bd. XXXI. p. 97 seqggq.) Die Iris ist ein ausserordentlich gefässreiches Gewebe, das durch Gefässe mit der Choroidea, den Ciliarfortsätzen, der Selerolica und Cornea verbunden und reichlich mit Nerven versehen ist, die sich beim Menschen wahrscheinlich als fa- denförmige Streifen zeigen. Sie soll auf beiden Seiten mit der Membran der wässrigen Feuchtigkeit und mit Pigment be- deckt sein. Allein von dem Pigment an der vorderen Fläche hängt die Färbung ab. Die Regenbogenhaut enthält bei den Säugelhieren und Vögeln, nicht aber bei den Fischen und manchen Reptilien, konzentrische Mukelfasern, die sich beim Menschen und bei den Säugelhieren an der hinteren Ober- Näche der Popillar-Portion befinden, bei den Vögeln dagegen in weit breiterer Lage bis zu einer weit BUTOIE Non Entfernung M 180 vom Ciliarrande sich erstrecken. Der Verfasser läugnet je- doch die gestreifte Zeichnung der Muskelfaser in der Iris der Vögel (? Ref.). Nach Bruch (a. a. ©.) ist die Farbe der Iris durch mehrere zusammenwirkende Momente bedingt. Die braunen Färbungen rühren durchgehends von eingestreuten Pigment- zellen her; die grauen, blauen, grünen Nüangen sind entop- tisch. Auch muss die Uvea hei den Färbungen der Iris mitwirken, da nach ihrer Entfernung fast alle Farbe verlo- ren geht. In Betreff der drüsigen Gebilde sind Krause's An- gaben über den Bau der Hautdrüsen beim Menschen beach- tungswerth. (Wagn. Handwörterbuch für Phys. Bd. I. p: 126 segq.) Nach dem Verfasser sind die Talgdrüsen als traubenförmig aggregirte Drüsen anzusehen, Sie bestehen aus länglich-rundlichen Bläschen, deren grösste Breite zwi- schen „'- und +“ variirt, während ihre Länge etwas be- trächtlicher ist; ihr Hals ist oft kaum halb so weit, als ihr Fundus. Die grösseren Drüsen lassen vier bis zwanzig Acini unterscheiden, die um einen kurzen (+—+’“ langen und 1; breiten), zuweilen ästigen Ausführungsgang gruppirt sind. Es kommen auch Talgdrüsen vor, die aus einem flaschenför- mig gestalteten Drüsenschlauch bestehen. Sie umgeben nicht bloss paarweise von zwei Seiten, sondern beliebig von allen Seiten den Haarbalg, in den sie einmünden. Oft finden sie sich grösser und zahlreicher an den Bälgen feiner, kurzer Wollhaare, so dass diese ganz darin versteckt liegen, und der Haarbalg vielmehr in den Drüsenbalg einzumünden scheint. Die Benennung „‚Haarbalgdrüse“ hält Krause nicht für völ- lig zutreffend, da an den kleinen Schamlefzen und auch an anderen Stellen des Körpers mitten unter den Haaren ein- zelne Talgdrüsen ganz gesondert von den Haaren ausmün- den. An den Schamlefzen hat Henle jedoch feine Härchen vorgefunden (Ref.). Sie fehlen gänzlich in der Hohlhand und Fusssohle, auf dem Rücken der dritten, oft auch der zweiten Zehen- und Fingerglieder, am Penis mit Ausnahme der Wurzel desselben. Krause unterscheidet an den Talg- drüsen, was Henle nicht gelungen war, eine dünnhäutige Wandung (Tunica propria, Ref.) und ein dieselbe ausklei- dendes kleinzelliges Epithelium, eine Fortsetzung der Wur- zelscheiden des Haarbalges. Die Absonderung ist ursprüng- lich flüssig, verdiekt sich aber bald zu einer fast weichen Masse, welche abgestossene Epithelienzellen einschliesst. An der Eichelkrone und dem Halse, auch schon an einem Theile der inneren Platte der Vorhaut finden sich statt der Talg- drüsen andere Drüsen von maulbeerförmiger Aggregation. 181 Sie liegen tief unter der Hautoberfläche, sind rundlich, 4 bis 1“ gross. Die rundlichen Acini haben „; — 1; Durchmes- ser, und sind mit grossen (12 Durchm.) belegt. Die grös- seren Drüsen besitzen im Innern einen Hohlraum von 4 Durchm., und sind, der Form nach, den kleineren Schleim- drüsen ähnlich. Der röhrenförmige Drüsenschlauch der Schweissdrü- sen zeigt nach Krause bei durchfallendem Lichte doppelte Kontouren. Seine Wandung besteht aus dünnen Zellstofl- fibrillen und hat eine Dicke von „45“. Inwendig ist die- selbe mit einem fest anhangenden Epithelium belegt, welches aus rundlich-eckigen und länglich-runden, im Mittel „I. grossen Zellen zusammengesetzt ist. Sehr selten kommen kegelförmige Zellen vor. Die Kerne haben „+ im Durch- messer. Das Lumen des Tubulus nebst den Zellen, welche dasselbe grösstentheils ausfüllen, ist „.— +1; breit, zuwei- len an einigen Stellen etwas weiter, an anderen etwas en- ger. Bei den grossen Schweissdrüsen der Achselhöhle er- reicht das Lumen eine Breite von z;‘“ und mehr. Der Drüsenknäuel besteht nur aus dem spiralförmig gewundenen Drüsenschlauch, dessen Windungen locker durch Bindege- webe zusammengehalten werden. An einem Knäuel von 1 Länge und 4“ Breite betrug die Länge des vollständig ge- löseten und entwickelten Knäuels 2’ Anastomosen zwi schen den einzelnen Drüsenknäueln kommen nicht vor, da- gegen vereinigen sich wohl die Ausführungsgänge zweier Drüsen zu einem gemeinschaftlichen Gang. Die korkzieher arligen Windungen sind in frischen Präparaten, die nicht mit Lig. kal. carbon. behandelt sind, weniger deutlich. In der Epidermis ist die Wandung des Ausführungsganges von eng aneinander gedrängten und spiral gestellten Zellen der Hornschicht gebildet, welche ohne deutliche Grenze in das Epithelium des Ganges übergeht. Die Länge des Ausfüh- rungsganges beträgt an den Schweissdrüsen der Augenlider +’, an denen der Achselhöhle und des Oberschenkels unge- fähr 14°, an denen der Fusssohle 2°” und mehr. Die Breite desselben ist stets geringer, als das Lumen des zusammen- ee Drüsenschlauches; meistentheils beträgt sie „4. is „5. In der Nähe der Oberfläche der Lederhaut. und öfters auch bei dem Abgange von dem Knäuel ist der Aus- führungsgang etwas verengert und in dicker Epidermis etwas plattgedrückt. Seine Mündung zeigt sich gemeinhin nicht merklich erweitert, mit Ausnahme an der Hohlhand- und Sohlenfläche, Die Schweissdrüsen finden sich an allen behaarten und auch nicht behaarten Stellen der Haut. An den Lippen ver- 182 breiten sie sich bis in die Nähe des rothen Randes, an deu Augenlidern bis zum Grunde der Bälge der Wimpern, an der Nase bis zum Eingange der Nasenlöcher, am Penis bis zum freien Rande der Vorhaut. Während sie an der Hohl- hand und in der Fusssohle in den bekannten Reihen sich ordnen, liegen sie an den übrigen Stellen des Körpers oft gruppenweise zu 3—4 nahe beisammen und lassen leere Hautstrecken von 1 — +. Ihre Grösse variirt von „7; bis 13°, doch finden sich die über +’ grossen hauptsäch- lich in der Achselhöhle. Von den rundlichen Knäueln mes- sen die meisten 7?;”, namentlich in der Hohlhand und Fuss- sohle. Die länglichen Knäuel, welche, mit den rundlichen gemischt, hauptsächlich an den übrigen Körpexstellen ange- troffen werden, haben einen Längsdurchmesser von „;— 5 u Die mittlere Grösse kann auf 4“ Durchmesser nach allen Richtungen angegeben werden, oder 0,002422 Cub. Lin. Nur in der Inguinalgegend und an den Grenzen der Achselhöhle finden sıch einzelne grössere bis zu 4’ Längsdurchm. In der Achselhöhle selbst sind die Schweissdrüsen ausserordent- lich entwickelt; ihre Knäuel haben meistens +— 1" im Durchmesser, einzelne sind sogar 14 — 12” gross. Der Tu- bulus des Knäuels ist „— — ;', der Ausführungsgang aber nur „'r‘“ breit. Nach "den Zählungen Krause’s kommen auf einen Quadratzoll Haut von der Stirn 1258 Schweissdrü- sen, von den Wangen 548, von den vorderen und seitlichen Flächen des Halses 1303, von der Brust und Bauch 1136, vom Nacken, Rücken und Gesäss 417, von der inneren Seite des Vorderarms 1123, von der äusseren Seite daselbst 1093, von der Hohlhand 2736, vom Rücken der Hand 1490, von der inneren Seite des Oberschenkels 576, von der äusseren 554, von der inneren Seite des Unterschenkels 576, von der Sohlenfläche des Fusses 2685, vom Rücken des Fusses 924. Die Schweissdrüsen der Achselhöhle können wegen ihrer ansehnlichen, von d&r mittleren ganz abweichenden Grösse mit denen des übrigen Körpers hinsichtlich der Anzahl nicht unmiltelbar verglichen werden, weil eben bei der vergleichen- den Zählung der Drüsen an verschiedenen Hautstellen die mittlere Grösse von }‘“ Durchm. von dem Verfasser in Be- rücksiehtigung genommen wurde. Wenn man mit Krause die Hautoberlläche zu 15 Pariser Quadratfuss veranschlagt und, mit Ausschluss der Achselhöhle, auf einen Quadratzoll (mit einer Zuschlagsumme für Hand und Fuss) im Durch- schnitt 1000 Drüsen rechnet, so würde die Haut des ganzen Körpers, mit Ausnahme der "Achselhöhle, ungefähr 2,331,248 Schweissdrüsen von 4” Durchm. besitzen. Der Verfasser bestätigt Giralde’s Angabe, dass durch e 183 Behandlung der Haut mit Salpetersäure, wodurch das Epi- thelium der Schweissdrüsen gelb gefärbt wird, die Unter- suchung sehr erleichtert werde. Behufs der Zählungen legte Krause die gleich grossen Stückchen der Haut nebst Fett- haut aus den verschiedenen Gegenden des Körpers in ver- dünnte Salpetersäure (3 Theile Wasser, 1 Theil Salpeter- säure), worin sie zwei Tage blieben. Alsdann wurden die Stückchen zwei Tage gewässert und schliesslich in Schwe- feläther aufbewahrt, worin sie sich längere Zeit unverändert erhalten. Nach Platner sollen die Ausführungsgänge der Schweiss- drüsen aus drei Membranen zusammengesetzt sein, einer in- neren Schleimhaut, einem äusseren serösen Ueberzuge und einer mittleren Haut, deren Fasern spiralförmig gewunden seien. (Henle’s Jahresbericht, a. a. OÖ. p. 32.) G. Simon untersuchte die Tyson’schen Drüsen an der Eichel, und fand, dass dieselben nicht allein keine Talg- drüsen, sondern überhaupt gar nicht von drüsiger Natur sind. Wurde der Penis in heisses Wasser getaucht, so liess sich von jenen, den Tyson’schen Drüsen enisprechenden Erhöhungen die locker gemachte Epidermis leicht abziehen. Darunter zeigte der Hügel kleine papillenartige Hervorragun- gen, bei deren Zerfaserung sich Bindegeweblasern darstellen liessen. An senkrechten Durchschnittchen, die von einem solchen Penis mit und ohne Epidermisüberzug gemacht wa- ren, erkannte er jene Hervorragungen, ungefähr sechs bis zehn auf einem Hügel, als Papillen, die vollständig mit den gewöhnlichen Tastwärzchen übereinstimmten. Indem der Verfasser nur nach den Organen suchte, von denen das Smegma praeputii abgesondert würde, entdeckte er an der Eichel kleine weissliche Flecke, die nicht über die Oberfläche hervorragten, sondern von einem unter der Cutis gelegenen Körper herzurühren schienen, über welchen sich zuweilen eine kleine Vertiefung markirte. Unter dem Mikroskop er- kannte man, dass dieser Körper aus einem rundlichen oder ovalen Säcke bestand, dessen oberes Ende mit einem dünnen Halse auf der Epidermis ausmündet. Der herausgedrückte Inhalt hatte dieselben Bestandtheile, wie das Smegma praeput. Die Wandung des Sackes liess doppelte Kontouren und bei nicht ausgedrücktem Inhalt konzentrische Streifen erkennen. Gewöhnlich konnten an einer Eichel nur zwei bis drei, in einem Falle sechs solcher Säcke aufgefunden werden; auch hat sie der Verfasser etwa an zehn Leichen unter den vie- len untersuchten gesehen. Beim Pferde halte Simon nur etwas grössere gewöhnliche Talgdrüsen walhrgenommen. (Müll. Arch. 1844. p. 1 seqgq.) 184 In Betreff der Lungen sucht Horner dürch Experi- mente nachzuweisen, dass zwischen den Blutgefässen der- selben und den Lungenbläschen eine unmittelbare Kommuni- kation Statt finde. (American Journ. of med. Sc. April.) Wurde nämlich vermittelst eines in die Luftröhre angebrach- ten Rohres eine Wassersäule in die Lunge geleitet, so füllte. sieh gleichzeitig die linke Herzhälfte mit Wasser, und auch aus der durchsehnittenen Aorta floss Wasser. In den Pul- monalarterien und in der rechten Herzhälfte fand sich nur wenig Wasser vor. Da bei Aufhebung des Druckes der Wassersäule die Lungen auf ihr gewöhnliches Volumen zu- rückkehrten und kein Oedem sichtbar war, so schloss der Verfasser, dass die Füllung der genannten Theile nicht in Folge einer Infiltration und Diffusion entstanden sein konnte. Ferner wurde die in den Lungenbläschen vorhandene Luft durch das Wasser in die Pulmonalgefässe, namentlich in die Arterien getrieben, die, wenn sie vorher unterbunden waren, von der eingetretenen Luft stark ansehwollen. Wurde Luft in die Lungen gepumpt, so drang dieselbe rasch durch Ar- terien und Venen, vorzüglich durch erstere in die Lungen. Liess man jetzt statt der Luft Wasser eintreiben, so sah man dasselbe in vollem Strom aus Arterien und Venen her- ausfliessen. Dem Referenten scheinen die angeführten Ex- perimente keinen vollgültigen Beweis für die Ansicht des Verfassers zu liefern, da hier, wie bei anderen Injektionen, in Folge einer Zerreissung der Zwischenwand zwischen den Gefässen und Lungenbläschen die unmittelbare Kommunika- tion veranlasst sein kann. Uebrigens ist der direkte Ueber- tritt der Luft in das Blut auch aus manchen andern Grün- den sehr unwahrscheinlich. Die Untersuchungen Rainey’s über die innerste Struktur der Lungen wiederholen nur Bekanntes. (Fror. N. Notiz. Bd. XXXIV. p. 250.; Lond. medic. Gazette, April 1845.) Der von Guillot bekannt gewordene Auszug seiner Untersuchungen über die innerste Struktur der Leber bei Säugethieren und dem Menschen lässt die Resultale des Ver- fassers noch nicht so übersehen, dass eine Mittheilung mög- lich wäre. (Compt. rend. 1844. No. 21. p. 1111.) Julians Evans beschreibt an der menschlichen Milz eine Reihe von durchscheinenden Gefässen, die einen kleineren Durchmesser haben, als die kleinen Milzkörperchen, und scheinbar aus ihnen entspringen. Der Verfasser hält sie für Lymphgefässe, so wie die Malpighischen Körperchen für Iymphatische Drüsen. Die kleinen Gefässe vereinigen sich allmählig zu Stämmchen, welche zu den Malpighischen Kör- perchen verfolgt werden können. Aus den letzteren sollen 185 sie, nach zahlreichen Windungen, in geringerer Anzahl, aber grösser hervortreten, und durch den Stiel des Körperchens weiter verlaufen. (Lancet. April 6. 1844.) Aus der für unsere Kenntniss des Geschlechtsapparats hermaphroditischer Thiere wichtigen Abhandlung H. Meckel's entnehmen wir einige Mittheilungen über die Entwickelung der Spermatozoen. Beim Blutegel finden sich die Bil- dungsstufen ihrer Samenfäden in den 9 weissen Bläschen zu jeder Seite des Nervenstranges, die bald für Hoden, bald für Ovarien gehalten wurden. Wie bei den Vögeln entwickeln sich hier die Samenfäden in Mutterzellen mit einem deut- lichen centralen Kern. Innerhalb der Höhle derselben zeigen sich zuerst kleine runde Körperchen, die so zahlreich wer- den, dass der Kern der Mutterzelle nicht mehr sichtbar ist. Später markirt sich im Centrum an der Stelle des Kernes eine durchsichtige, elastische, homogene Scheibe, um welche herum die grösser gewordenen runden Körperchen, von der . Mutterzellenmembran umgeben, gelagert sind. Dann schwindet die Membran der Mutterzelle, und die genannten Körperchen, mit einem deutlichen centralen Fleck (Kern) versehen, sitzen an der Scheibe fest. Der Diseus verändert sich weiterhin nieht mehr, dagegen werden die an ihm haftenden Bläschen länglich, und später, durch Auswachsen des einen Poles, zu Fäden mit einem etwas sich verdickenden, festsitzenden Ende, von 0,036“ Länge. Diese Fäden pflegen sich mit ihren pe- ripherischen Enden bündelweise zu vereinigen und allmählig von dem Discus in solchen Bündeln loszureissen. In dem Nebenhoden findet man dann diese Bündel, von einer feinen Membran umhüllt, als Faserzylinder von, ungefähr 0,032 Länge. Aehnlich ist die Genesis der Samenfäden bei Lum- brieus. — Bei den Gasteropoden liegt in dem Hodenfollikel an der Tunica propria ein Epithelium von bräunlichen, po- Iyedrisch sich begrenzenden Zellen, in welchen sich 1— 3 und mehr helle Kerne bilden. Andere, im Allgemeinen klei- nere, braune Zellen, enthalten nur gelbe Körnchen; dagegen wird ihre Zellenmembran von Aussen mit einer Menge hel- ler, gekernter Bläschen umgeben, die die Anfänge der Zoo- a darstellen. An dem festsitzenden Ende der Bläs- chen wachsen allınählig Fäden hervor, die mit ihrer knopf- een Anschwellung anfangs mit der Mutterzelle in Ver- bindung bleiben. Später schwinden die Bläschen an den Fäden, und letztere lösen sich nach vollkommener Ausbil- dung von ihrer Mutterzelle los. Diese Beobachtungen wei- chen in mehrfacher Hinsicht von denen Kölliker’s und Stein’s ab. Für eine komplizirtere Organisation der Spermalozoen 186 hat sich von Neuem Pouchet ausgesprochen (Compt: rend. 1844. p. 820.). Er führt namentlich an, dass sich auf der Oberfläche der Samenfäden eine Art Epithelium befinde, welches von dem Körper durch eine sehr dünne Schicht Flüssigkeit getrennt würde (? Ref.). Dieses Epithelium werde, wie die Epidermis bei gewissen Larven, abgeworfen, und zwar bei einigen Spermatozoen in einzelnen Lappen. An den Samenfäden des Kaninchens und einiger anderen Säu- gethiere war indess keine Spur von einer inneren Organi- sation zu bemerken. Von den Spermatozoen der Frösche erwähnt Pouchet, dass sie einige Stunden nach der Emis- sion ihre Köpfehen verlieren und dass der übriggebliebene Faden allmählig zusammenklappe, indem seine beiden Enden zugleich zusammengedreht würden. Im Winkel bliebe jedoch eine kleine Oese offen, die von unaufmerksamen Beobachtern für das Köpfchen gehalten worden sei (? Ref.). Die letztere Beobachtung sowohl, als die von der Anwesenheit eines Epitheliums sind bereits schon früher von Mandl in seiner Anatomie generale (p. 496.) und in seinem Traite du mi- eroscope (p. 150.) mitgetheilt, und der Verfasser nimmt jetzt diese Entdeckungen neuerdings für sich in Anspruch. (Compt. rend. 1844. p. 891.) Die Eier des Regenwurms zeigen sich nach Meckel (a. a. ©. p. 481.) in den kleinsten Formen als gelbliche Zellen, angefüllt mit runden und länglichen Körnchen, die den Kern oder das Keimbläschen zu verdecken scheinen. Später haben die Körnchen an Grösse zugenommen und sämmtlich in eine Form sich verwandelt, die den Naviculae sehr ähnlich sind und auch als solche von Hoffmeister beschrieben worden sind. Neben diesen Körperchen sieht man an einzelnen Eichen von etwa 0,02‘ Durchmesser eine dunkle, feinkörnige Masse, die jedoch zuweilen sich der Be- obachtung entzieht. Aus der späteren Entwickelung des Ei- chens zum Thiere ergiebt sich, dass die feinkörnige Masse als Bildungsdotter anzusehen ist, der unter allmähligem Ver- schwinden der spindelförmigen Körperchen oder des Nah- rungsdotters sich zum Thiere entwickelt. Nach dieser Dar- stellung scheint der Bildungsdotter später, als der etwa vor- handene Nahrungsdotter in den Eichen aufzutreten. Ueber den Ursprung und die Verwandlung der Cor- pora lutea haben wir eine anerkennungswerthe Abhandlung von H. L. Zwicky erhalten. (De corpor. luteor. origine atque transformat. Diss. inaug. Turiei 1844.) Der Verfasser unterscheidet eine Evolutions- und Involutionsperiode der gelben Körper. Der Anfang der Evolutionsperiode wird um und in die Zeit der Brunst der Säugelhiere verlegt, wenn 187 die Graaf’schen Follikel, unter dem reichlicheren Zufluss des Blutes zu den Ovarien, anschwellen, und bei den Schwei- nen die Grösse einer Kirsche, bei den Kühen die einer Ka- stanie reichlich übertreffen. Diese Bestimmung scheint dem Referenten ziemlich willkürlich zu sein; da man auch ausser der Brunstzeit kleine und grosse Graaf’sche Follikel vorfin- det, die in ihrem Verhalten nur graduell von denen ver- schieden sind, aus welchen etwa die Eichen bei der Brunst ausgestossen werden. Entweder trennt man daher den Graaf’schen Follikel und das Corpus luteum nicht mehr von einander, und dann würde die Evolutionsperiode des Corpus luteum mit der Entstehung des Graaf’schen Follikels ihren Anfang nehmen. Oder die Trennung verbleibt so, wie sie sich einfach ergeben hat, und dann beginnt die Evolu- tionsperiode des Corpus luteum nach dem Heraustritt des Eichens aus dem vollständig gereiften Graaf’schen Follikel. Gleichwohl ist die Kenntniss des Zustandes des reifen Graaf’- schen Follikels nothwendig, um die Evolutionsperiode des gelben Körpers erläutern zu können. Zwicky beschreibt an der Kapsel des Follikels mehrere, namentlich zwei Schich- ten von Bindesubstanz, deren innere, der Membr. granulosa zugewendete, sehr zahlreiche, nicht regelmässig geordnete, runde und längliche Kerne besitzt, während die äussere, all- mählig in das Stroma übergehende durch mehr längliche und dünnere, in parallelen Reihen liegende Kerne ausgezeichnet ist; die Scheidung der Kapsel in zwei Schichten hält er je- doch für unwesentlich (p. 10.). Innerhalb der Kapsel liegen in einem eiweissartigen Fluidum gekernte Zellen, theils als Membran an der Wandung, theils aber auch frei suspendirt und zu Flocken vereinigt. Von diesen Zellen gebildet, er- heben sich von der inneren Oberfläche der Kapsel mit vielen Gefässen versehene, sehr zahlreiche Falten und Zotten. (Re- ferent fand die Membrana granulosa stets gefässlos; die von ihr überzogenen Zolten empfangen ihr Substrat und die Ge- fässe von der Kapselwand.) Der Verfasser unterscheidet hier aueh zwei Formen von Zellen. Die kleineren Zellen sind mehr in die Länge gezogen, treten als Faserzellen auf, die zuletzt in Bindesubstanz sich verwandeln. Sie bilden sich aus den kleinen, runden und gleichmässig gekörnten Zellen jüngerer Follikel. Die zweite Form der Zellen zeich- net sich durch die Grösse aus, ist fein granulirt, enthält Fett- kügelchen, hat eine runde oder elliptische Gestalt, deutliche Kernkörperchen, und geht erst später, ‘wenn sie nicht zer- stört wird, in Fasern über. Wenn diese Zellen eine gewisse Grösse erreicht haben, so platzen sie oder werden oblong und nach der einen oder anderen Seite hin zugespilzt, ‚so 188 dass sie den Faserzellen ähnlich werden. Sowohl aus der Darstellung, als aus den Abbildungen des Verfassers geht hervor, dass er wohl nicht immer die künstlichen Formen beachtet habe, welche die runden Zellen der Membrana granulosa wegen des zähen Inhaltes bei Zerrungen der Graaf’schen Follikel leicht annehmen (Ref.). Auch freies Fett in Tropfen und Kugeln kommt im Graaf’schen Fol- likel vor. Bei dem Austritt des Eichens wird zugleich ein Theil des Inhaltes der Kapsel ergossen, und bei den Schweinen wenigstens (wahrscheinlich bei allen Säugethieren, wenn- gleich in verschiedener Menge, Ref.) sammelt sich in der entstandenen Lücke Blut an. Nach dem Verfasser rührt das ergossene Blut iheils von den Gefässen her, welche unmit- telbar bei der Dehiscenz der Kapsel verletzt werden, theils aber auch von denjenigen Gefässen, die zwischen den Zotten im Innern zurückbleiben und nach plötzlicher Aufhebung des Druckes, den die Flüssigkeit bisher auf sie ausgeübt hat, in Folge des sehr schnell jetzt zuströmenden Blutes zu sehr ausgedehnt werden und schliesslich zerreissen. Zwicky weiset darauf hin, dass eine ähnliche Erscheinung, nämlich eine Hämorrhagie, in der Bauchhöhle öfters beobachtet wor- den, wenn bei Bauchwassersucht eine grosse Menge Flüs- sigkeit durch Paracentesis schnell entleert wurde. Unmittel- bar nach der Ausstossung des Eichens ist der jetzt in das Corpus luteum sich verwandelnde Graaf’sche Follikel klei- ner, als vorher, wenn auch Bluterguss Statt findet. Dann aber tritt eine Vergrösserung auf, indem die vorhandenen Zellen theils an Umfang zunehmen, theils neue Zellen bilden, bis die entstandene Lücke durch eine überall gleichmässig wuchernde Masse angefüllt ist. Zugleich verwandelt sich ein Theil der Faserzellen in Bündel unreifen Bindegewebes, welches die ganze Masse der Kapsel durchsetzt und die im dem Corpus luteum sich ausbreitenden Gefässe trägt. Ein anderer Theil dieser Zellen liegt zerstreut unter den mehr oder weniger runden, grösseren Zellen. Wo ein Bluterguss nach dem Austritt des Eichens Statt hat, wie beim Schwein, da soll auch der geronuene Faserstoff von der Peripherie nach dem Centrum hin allmählig in Faserzellen sich ver- wandeln (? Ref.). Ist so von der wuchernden Masse die Kapsel geschlos- sen, so beginnt die Involutionsperiode. In dieser Zeit sieht man bekanntlich das Corpus luteum an Umfang abnehmen und sich in eine Masse verwandeln, die nicht mehr von dem Stroma des Eierstocks unterschieden werden kann. Zwicky ist nun der Ansicht, dass die Verminderung des Umfangs der 189 Corpora lutea auf zweifache Weise zu Stande komme, theils dadurch, dass die elementaren Bestandtheile an Zahl verrin- gert würden, theils durch Verwandlung derselben in kleinere Formen. Letzteres geschieht auf die Weise, dass die grös- seren runden oder ovalen Zellen, nachden sie sich auf einen gewissen Umfang ausgedehnt haben, in längliche, schmale Formen übergehen und zuletzt die Gestalt von Fasern an- nehmen. Ausserdem bemerkte der Verfasser, dass in den ab- nehmenden Corpora lutea eine sehr zahlreiche Menge freier Kerne, ganz von dem Ansehen der in den grösseren Zellen eingeschlossen Kernen, desgleichen auch eine unbestimmte granulose Masse, ähnlich dem Kontentum der grösseren Zel- len. neben den unversehrten Zellen frei sich vorfinde. Er schloss daraus. dass die grösseren Zellen in dieser Zeit platzen, und Hülle und Kontentum allmählig in späterer Zeit, wo der Inhalt des Follikels solider wurde, resorbirt werden. Für das Platzen der grösseren Zellen spricht auch der Um- stand, dass in den älteren Corpora lul. viel freies Felt, das vorher in Zellen eingeschlossen war, vorkommt. Die Ab- nahme der Vergrösserung der Corp. lut. schreitet übrigens so weit vor, dass auch eine Resorption der Faserzellen wahrscheinlich wird. Zu einer gewissen Zeit findet man daher im Corp. lut. nur Faserzellen und Fett. Die Faser- zellen vereinigen sich dann, werden länger, feiner und er- scheinen als eylindrische, gleichmässig dünne Fasern. Zu- gleich werden auch die Kerne länglich und schmäler, so dass namentlich bei Kühen die Masse ein Ansehen von unent- wickeltem Bindegewebe zeigt, und bald nicht mehr von der Kapsel und vom Stroma das Ovarium zu trennen ist. Bei den Schweinen erhält sich die Kapselwand längere Zeit iso- lirt. Daraus geht dann hervor, dass die Corp. lutea niemals ganz resorbirt werden, sondern nur durch die Verwandlung in ein dem Stroma ähnliches Gewebe dem Auge des Beob- achters sich entziehen. Die Zeitdauer der Veränderungen des Corp. lut. ist bei den verschiedenen Thieren sehr ver- schieden; bei den. Kühen möchte sie mehrere Jahre umfas- sen. Schliesslich vergleicht Zwieky die Wucherung der Membrana granulosa nach dem Austritt des Eicheus aus dem Follikel mit den Granulationen einer eiternden Wunde oder eines Abscesses. Wharton Jones behauptet den deutschen Embryologen gegenüber von Neuem, dass die gelbe Substanz der Corpora lutea ein neu hinzutretendes Produkt und nicht eine Umbildung des Gewebes des Graaf’schen Follikels sei. (Lond, med. Gazette, January 1844.) 190 Hilfsmittel. Lacauchie empfiehlt zur Untersuchung der feineren Struktur der Organe die Injektion der Gelässe mit Wasser, so dass dadurch die Substanz der Organe entfärbt, infiltrirt und die einzelnen Theile derselben mehr voneinander geson- dert werden. Besonders traten die Lymphgefässe dann deut- licher hervor. (Etudes hydratomiques et mierographiques. 1er Mem. Paris. 8. 4 planches.) Nach Plattner werden blosse Zellenkerne durch jo- dige Säure (Jodwasserstoff, in welchem Jod aufgelöset worden) gelärbt und drutlicher erkennbar gemacht. (Grund- züge einer allgemeinen Physiolog. Hft. II. p. 99.) Durch Chromsäure sind nach Ramau die feinsten Blut- gefässe mehr sichtbar zu machen, besonders in Folge von Injektionen mit dieser Substanz. Waren Gewebe einige Wo- chen in eine Mischung von Chromsäure und Wasser (1:17) gelegt, so zeichneten sich die Gefässe durch ihre gelbe Farbe aus, die sie auch beim Eintrocknen behalten. (Uit het gebied der mikroskop. Ontloek. Heise, Arch. voor Geneesk. D.II.; . 325.) 5 Ein wichtiges Hilfsmittel für Untersuchungen jeder Art sind bekanntlich Querdurchschnitte organischer Gebilde. Die Weichheit derselben legt diesem Unternehmen öfters unüber- windliche Schwierigkeiten in den Weg, namentlich wo es auf mikroskopische Durchschnitte ankommt. Man hat die- sem Uebel auf mannigfache Weise durch Erhärtung der or- ganischen Substanz vermittelst chemischer Reagentien abzu- helfen gesucht. Schon Purkinje und namentlich auch Henle haben dasselbe nicht minder zweckmässig durch ein- faches Eintrocknen der Substanzen erreicht. Es werden die Gebilde in nicht zu dieken Stücken bei mässiger Wärme ohne Zerrung und Spannung bis zu -einer Härte getrocknet, bei welcher sie sich leicht in jeder Richtung durchschneiden lassen. Die feinen Späne und Durchschnittehen werden dann in Wasser aufgeweicht, und erlangen öfters ein ziem- lich normales Ansehen wieder. Referent bemerkt, dass diese Methode der Untersuchung nur Geübteren zu empfehlen ist, nachdem man sich stets vorher auch auf andere Weise von der Beschaffenheit eines Gebildes unterrichtet hat. Die Ein- wirkungen des schneidenden Instrumentes und des Eintrock- nens bringen unvermeidlich Abänderungen von dem normalen Zustande des Gebildes zu Stande, die bei den meisten Ge- weben durch das Aufweichen in Wasser nicht sämmtlich beseitigt werden können. Die Gebilde der Bindesubstanz 191 sind, dieser Untersuchungsmethode nach, am meisten zugäng- lich. da. wie es scheint, beim Eintrocknen weiter keine Ver- änderung, als der Verlust des Wassers eintritt, bei dessen Zusatz die Bindesubstanz wieder ganz das normale Ansehen wiedergewiunt.. Ausserdem hat sich die Untersuchung von eingetrockneten und wieder aufgeweichten Querschnittchen in manchen Fällen auch da vortheilhaft gezeigt. wo es sich um die einfache Bestimmung der Nebeneinanderlage und der Sehiehtung von Gebilden handelte. In weiterer Ausdehnung hat H. J. Stadelmann diese Methode der Untersuchung in der Histologie angewendet. (Sectiones transversae partium elementarium eorporis humani. Diss. inaug. Turiei 1844.) Der Verfasser hat sich auf diese Weise Durchschnilte von kaum mehr als 0,002 — 0,003 “ Dicke zu verschaffen gewusst. Nachdem derselbe darauf auf- merksam gemacht, dass beim Bindegewebe durch das Ein- trocknen künstlich Risse entstehen, und dass die röhrigen Gebilde, namentlich die Samenkanälchen, beim Aufweichen in Wasser eine geringere Weite zeigen, als im frischen Zu- stande, beschreibt er die Beschaffenheit und die Grösse der Elemente an den @uerschnittichen von den meisten fase- rigen Gebilden, desgleichen von der Niere und von der Darmwand. An dem Querschnitt des Nackenbandes zeigen die Fa- sern runde oder einförtnige, auch drei-, vier- und mehrseitige Begrenzungen, in deren Mitte gewöhnlich ein dunkler Punkt, von einem Schatten herrührend, sichtbar ist. Der Durch- messer der Fasern beträgt 0,0033 — 0,0027“. Die Zwischen- räume zwischen ihnen sind meist gering. Die elastischen Fasern der gelben Bänder des menschlichen Körpers gleichen denen des Nackenbandes, sind jedoch viel dünner, zuweilen 0,0009 — 0,0020 ”‘, meist 0,0012 — 0,0016 breit. Bei dem Bindegewebe (Muskelsehne) bemerkt man an Querdurehschnitten sehr kleine, scharf umschriebene Kreise von mehr oder weniger hellen Linien umgeben, die den Fi- brillen angehören sollen. Ihr Durchmesser betrug 0.0006. Referent fand das Ansehen von feinen Längs- und Quer- schnittchen der Sehnen ganz übereinstimmend. Ausser den etwa vorhandenen feinen Linien, die das schneidende Messer erzeugt hatte, erschien das Blättchen vollkommen durchsich- tig und gleichförmig homogen. An querdurchschnittenen, gestreiften Muskeln waren die ea Muskelbündel von ovaler, drei- oder vierseitiger orm,. Die meisten Muskelfasern hatten einen Durchmesser von 0,022 — 0,0268", seltener 0,012 — 0,015‘ oder 0,0336", Die Fibrillen zeigten sich als kleine runde Punkte, einige 192 dunkler, andere heller mit einem eigenthümlichen Lichtglanz, ungefähr von 0,0007‘ Breite. Sehr häufig erschienen die Fibrillen gegen die Wandung des Bündels hin dunkler, als in der Mitte, zuweilen hatten sie das Ansehen von Strahlen, die von der Mitte ausgingen. Irgend eine Erscheinung, die auf eine Lücke oder einen Kanal in der Mitte des Bündels, wie ihn Jacequemin, Skey, Valentin beschreiben, hin- deuten könnte, war nicht sichtbar. Die Fibrillen füllen die primitiven Muskelscheiden zuweilen nicht vollkommen aus. Die primitiven Muskelbündel liegen oft dicht aneinander, nur dureh die sehr dünne Scheide getrennt. In anderen Fällen bleiben grössere Zwischenräume zwischen mehreren Bündeln, von denen der Verfasser glaubt, dass sie durch Intercellular- substanz ausgefüllt werden (?Ref.). In ihnen zeigt sich zu- weilen ein durchschnittener Zellenkern: innerhalb der Bün- del zwischen den Fibrillen kamen dergleichen nicht vor. In dem Bindegewebe zwischen den sekundären Muskelbündeln fanden sich nicht selten Gefässe und Nerven durchschnitten, und hier bemerkte der Verfasser, dass die kleineren Gefässe gewöhnlich ringsum von Nervenfasern umgeben verlaufen. — Die durchsehnittenen platten, ungestreiften Muskelfasern zei- gen gemeinhin unregelmässige, winklige, eiförmige, von dunk- len Linien umschriebene Kontouren. Zuweilen haben sie einen perlmutterähnlichen Glanz; selten sind sie gelblich und körnig. Zwischen ihnen kommen häufig schwarze Pünktchen vor, bisweilen reihenweise geordnet. Die runden Figuren hatten einen Durchmesser von 0,0012”; bei den grössten eckigen Fasern betrug der Längsdurchmesser 0,0022 bis 0,0024. Der @uerdurchschnitt der Nervenfasern ist meistens rund. oder doch rundlich, seltener oval, im Durchmesser 0,0008 — 0,0084'”. Ueberall zeigt sich im Querschnitt einer Nervenfaser deutlich ein centraler Fleck, der dem Cylinder axis entsprach. Er ist rund oder oval; öfters stellt er eine Spalte dar, welche entweder in dem längeren oder in dem kürzeren Querdurchmesser liegt. . Nicht immer nimmt der Flecken grade die Mitte ein. Seine Grösse ist sehr verschie- den. Bald erscheint der Cylinder axis wie ein kleines Pünkt- chen, bald grösser als die Hälfte des Durchmessers der gan- zen Faser, gewöhnlich um so grösser, je breiter die Faser ist. Aus den Messungen ergaben sich Verhältnisse, wie folgt: die ganze Faser 0,0023‘, Cyl. ax. 0,0010; d. g. F. 0,0040”, Cyl. ax. 0,0011; d. g. F. 0,0059, Cylind. axis 0,0021; d. g- F. .0,0075‘, Cyl. ax. 0,0025‘; d. g. Faser 0,0080, Cyl. ax. 0,0031” u. s. w. Je nach der Einstel- lung des Mikroskopes erscheint der Cylinder axis hell und 193 die Rindensubstanz dunkel, oder umgekehrt. Im letzteren Falle sind die Kontouren der Fasern schärfer, daher diese Ansicht die entsprechendere sein möchte. Das Bild gewährt dann den Anschein, als ob die Rindensubstanz den Cylinder axis wallartig umgebe. Die Begrenzungen der Faser sind nicht selten doppelt und dunkel; die Substanz erscheint glänzend, nicht körnig, obschon zuweilen etwas rauh. Zwi- schen den Fasern werden zuweilen Zwischenräume sichtbar, die von feinkörniger Substanz angefüllt sind. Stadelmann machte auch Querschnittehen vom getrockneten Rückenmark, und glaubt diese Methode zur genaueren Untersuchung des Verlaufes der Nervenfasern empfehlen zu können. Bisweilen konnte er an dem Schnittchen die Ganglienkugeln unter- scheiden. Die durchschnittenen Nierenkanälchen zeigen sich meist von ovaler, seltener von runder Form; der Durchmesser be- trägt 0,005 — 0,022”, meistens 0,011 — 0,013“. In der Marksubstanz kommen auch noch grössere vor, doch dürften leicht die Röhrchen der Länge nach durchschnitten sein. Meistentheils sind sie von den gemeinhin zerstörten Zellen angefüllt, doch bleiben auch Lücken, bald in der Mitte, bald nach der Peripherie hin zwischen der Ausfüllungsmasse und der Tunica propria. Die Substanz zwischen zwei oder meh- reren Höhlungen der Röhrchen ist nicht breiter, als 0,0016 bis 0.0014, und entspricht demnach so ziemlich der Breite zweier Röhrchenwandungen. Die Intercellularsubstanz (mit diesem Worte möchte wohl einiger Missbrauch getrieben werden, Ref.) scheint daher sehr gering zu sein. In der Rindensubstanz finden sich auch durchschnittene Malpighi'- sche Körperchen, und zwar um so häufiger, je näher der Oberfläche. Sie erscheinen in ovaler, seltener in stumpf- winkliger Form, umgeben von einer strukturlosen Membran, die sich durch den lichteren Glanz von jener der Röhrchen unterscheidet. Die Grösse beträgt 0,035 — 0,066‘ und mehr, meist 0,043 — 0,05”; die Dicke der Membran ist 0,003 bis 0.005. Man sieht in ihnen auch die durchschnittenen Ka- net iigmn und nicht selten auch grössere Gefässe. Sie iegen zu zwei, drei und zu mehreren beisanımen, oft nur 0,01”, selten 0,1”, meistentheils 0.045” voneinander ab- stehend. Durchschnitie von der Spitze der Papillae renales zeigen neben den Harnkanälchen grössere runde und ovale Körper von 0,04 — 0.1389” Durchm. Sie bestehen aus einer eigenthümlichen, fibrösen Membran von 0,0038 — 0,0116” Durchm., und sind von Pflasterepithelium ausgekleidet. Sie entsprechen den durchschnittenen Ausführungsgängen der Papilla renalis. Müller's Archiv. 1845. N 194 Um zu erfahren, in wie weit diese Methode der Unter- suchung in der deskriptiven Anatomie anwendbar sei, durch- schnitt der Verfasser das Ileum in querer Richtung, und es liessen sich an dem Präparat die einzelnen bekannten Schich- ten gut unterscheiden. Die Verdienste Leeuwenhoeck’s um die mikrosko- pische Anatomie wurden in drei holländischen Dissertationen besprochen: Franc. Lesueur Fleck: Dissert. de Antonii Leeuwen- hoeckii meritis in quasdam partes anatomiae mieroscopicae. Lugd. Batav. 1843. Svo. (de musculis, de lente erystallina). Hiddo Halbertsma: Dissert. de Ant. Leeuw. meritis in quasd. part. anat. mieroscop. ec. II. tabul. Daventriae 1843. 8vo. (de sanguine, de vasis et circulatione, de ossibus, de dentibus). Nic. Henric. van Charante: Dissert. de Ant. Leeuw. merit. in quasd. part. anat. mieroscop. Lugd. Bat. 1844. Svo. (de nervis, de pilis, de epidermide, de materia ad dentes haerente). Referent ist bis jetzt noch nicht zum Besitz dieser Dis- sertationen gelangt, hofft aber im folgenden Jahresbericht Näheres mittheilen zu können. Von Gurlt und Hertwig ist eine zweite Auflage der „Vergleichenden Untersuchungen über die Haut des Menschen und der Haus-Säugethiere, und über die Krätz- oder Räude- milben‘ erschienen. Sie ist durch die seit 1835 bekannt ge- wordenen Beobachtungen über diesen Gegenstand vermehrt. H.ain.d b: ü,c:h!e:r. L. F. Marchessaux: Nouveau manuel d’anatomie ge- nerale, histologie et organogenie de lhomme. Paris. 12, Will. Horner: Spec. Anatomy and Histology. Philadel- phia 1843. 2 Vol. Burggrave: Histologie ou Anatomie de texture, .e. 12. planch. Gand. 1844. 8vo. Mandl: Anatomie microscopique. {1 Serie 10 Livr. Pa- ris. Fol. JAHRESBERICHT über die Fortschritte der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere; vom HERAUSGEBER. 1844. Unter den vergleichend anatomischen Arbeiten haben ei- nige die Verfolgung einzelner organischer Systeme durch alle Klassen der Wirbelthiere zum Zweck, andere ergründen die Anatomie einzelner Klassen, und noch andere machen uns mit nenen einzelnen Thatsachen von Gattungen und Arten bekannt. Arbeiten der ersten Art lieferten Köstlin, Guil- lot, Simon. Der erstere machte sich die beschreibende Auatomie des Schädels in den Klassen der Wirbelthiere zur Aufgabe (Köstlin, der Kopf der Wirbelthiere, Stuttg. 1844), und er hatte Gelegenheit, ein sehr reiches Material in den Museen des Inlandes und Auslandes zu einer ebenso nütz- lichen als kenntnissreichen Arbeit zu benutzen. Die Natur der Materie bringt es mit sich, dass ich mich auf die An- zeige beschränken muss. N. Guillot (Exposition anatomique de l’organisation du centre nerveux dans les quatre classes d’animaux vertebres. Paris 1844. 4.) sucht die identischen Theile des Gehirns der verschiedenen Wirbelthiere nach der Vertheilung der grauen Massen auf dem Längsfasersystem. Die Zahl der grauen Anhäufungen sei konstant; in allen Klassen liegen auf der cerebralen Radiation drei graue Centralmassen auf, überall lasse sich die erste mit der ersten, die zweite mit der zwei- ten, die dritte mit der dritten vergleichen. Die erste dieser Ns 196 Massen ist beim Menschen die graue Rindensubstanz des grossen Gehirns, welche bei den Fischen nur mehr eine graue Anschwellung am Ende des Längsfasersystems des Gehirns bildet. Die zweite graue Masse ist das Corpus striatum des Menschen und der Säugethiere, die dritte ist der Thalamus’ optieus derselben. Diese Anschwellun- gen können ihre Lage bis zu den Fischen herab verän- dern, behalten aber ihre Succession hinter einander und las- sen sich daran erkennen. Die drei grauen Massen liegen auf dem vordern Theil des aus dem Rückenmark ausstrahlenden Fasersystems oder auf dem grossen Gehirntheil dieser Fase- rung auf, eine andere graue Masse krönt den hintern oder kleinen Gehirntheil der aus dem Rückenmark kommenden Fasern. Bei allen Thieren giebt es eine Verbindung zwi- schen dem vordern Fasersystem und seinen Ganglien, und dem hintern und seinem Ganglion. Der Verf. meint damit das Mittelgehirn, die Corpora quadrigemina, welche er La- melle intermediaire nennt, deren Veränderung den grössten Antheil an der Gestaltveränderung des Gehirns in den ver- schiedenen Klassen hat. Die hintere Insertion dieser La- melle intermediaire ist konstant am kleinen Gehirn, die vor- dere variirt; bald befindet sich die vordere Insertion an der vordersten grauen Masse des cerebralen Systems, wie bei den meisten Fischen, bald fixirt sie sich auf der zweiten grauen Anschwellung bei einigen Fischen und vielen Repti- lien, bald endlich ist sie auf die letzte der drei cerebralen grauen Massen implantirt, wie bei einigen Reptilien, den Vögeln, den Säugethieren und dem Menschen. Wenn die zweite graue Masse im Innern des grossen Ventrikels unter der Lamelle intermediaire (also innerhalb der Lobi optiei) erscheint, so liegt sie über der hintersten Anschwellung, wenn sie vor der Lamelle intermediaire liegt, so ist sie aus- sen sichtbar und drängt sich zwischen diese und die vor- dersite Gehirnmasse, wie bei den Aalen. Die hinterste Anhäufung der grauen Masse des vordern Systems sucht der Verfasser bei den Fischen in dem, was man Lobi in- feriores nennt, die er also den Thalami optiei der höheren Thiere identifieirt, was jedenfalls gewagt ist, da sie bei ei- nigen Fischen einen Ventrikel enthalten. Die mittlere An- häufung,. das Analogon des Corpus striatum sei bei den Fischen nicht in demselben Niveau, wie die hinterste ent- wickelt, sie habe sich in der Tiefe der Gehirnmasse aus- gebildet, als eine Anschwellung auf dem Boden des gros- sen Ventrikel. Diese zweite Masse könne sich zuweilen, wie bei den Rochen, mit der ersten confundiren (dann sind aber doch die drei Massen nicht konstant, wie es der Verf. 197 anfangs will). Bei der Insertion der Lamelle intermediaire liegt immer, auch bei den Fischen, die Glandula pinealis, welche der Verf. bei manchen Anatomen vermisst, über die er aber in den neuern deutschen Arbeiten z. B. im Archiv vollstän- dige Mittheilungen hätte antreffen können, wenn er sie gekannt hätte. Die dritte und hinterste Anhäufung von grauer Masse am vordern oder Pyramidensystem der Längsfaserang‘ er- scheine bei den Ophidiern, Batrachiern und Eidechsen, wie bei den Fischen an der Basis des Gehirns, sie bilde jeder- seits einen länglich-rundlichen grauen Körper, beide sind durch eine Furche getrennt, in welcher das Infundulum her- vortritt. Die Hypophysis liegt dann unmittelbar unter den genannten grauen Massen. Bei einer zweiten Gruppe von Reptilien, den Schildkröten, tritt diese Anhäufung nicht an der Basis des Gehirns hervor, vielmehr haben diese Organe gänzlich ihre Lage verändert, sie liegen über dem vordern Längsfasersystem, im Innern der Ventrikularhöhle hinter dem Corpus striatum (der Verfasser hätte auch die Kro- kodile anführen können). Die zweite und mittlere graue Anhäufung, Corpus striatum, ist bei den Schildkröten an- sehnlich im Seitenventrikel, klein bei den Schlangen, Ei- dechsen, bei den Fröschen bildet sie nur eine kleine Masse von grauer Substanz auf der Oberfläche des Seitenventrikels auf jeder Seite. Es ist unnöthig, dem Verfasser weiter durch die Vögel und Säugethiere zu folgen, da sich die Hauptfrage natürlich nur um die Deutung des Gehirns der Fische bis dahin dreht, wo man die Thalami und Corpora striata an den Stellen liegen sieht, wo sie bei den Vögeln, Säugethieren und dem Menschen liegen. Die Lamelle inter- ımediaire reicht bei manchen Fischen vom kleinen Gehirn bis zur vordersten grossen Masse oder den Hemisphären (Pleu- ronectes, Cyprinus, Clupea, Esox), bei den Rochen, wo die vorderste und zweite graue Masse sich mehr oder weniger confundiren, endigt sie an dieser confundirten Anschwellung, bei den Aalen endigt sie an der zweiten Anschwellung, welche hier aussen hervortritt. Bei den Reptilien ist die Wölbung der Lamelle intermediaire auf der Oberfläche jeder- seits von einer Anhäufung grauer Substanz bedeckt, wodurch der Lobus optieus entsteht. Das vordere Ende variirt bei den Reptilien; bei denjenigen Reptilien, bei welchen die dritte graue Masse unter dem Gehirn liegt, inserirt sich diese Lamelle am hintern Theil des zweiten Organs, bei den Che- loniern aber, wo das zweite Organ im Ventrikel liegt, am hintern Theil des dritten Organs, Thalamus, wie bei den höhern Thieren. Der Verfasser erklärt sich gegen die frühere noch man- 198 gelhafte Vergleichung des Gehirns der Fische mit dem des Fötus der höheren Thiere, aber die neueren Untersuchungen über die Erklärung des Fischgehirns in Deutschland sind ihm unbekannt. } Simon (Philos. transact. 1344.) lieferte eine verglei- chende Untersuehung über die Schilddrüse. Nach ihm sind die Drüsen ohne Ansführungsgänge in der Nähe des Abganges der Carotiden der Vögel nicht als Thymus-, sondern als Schilddrüse zu betrachten. Er be- schreibt auch die Schilddrüse des Störs, welche zwischen der Art. branchialis und der Mitte des Kiemengerüstes liest. Diese Deutung ist vollkommen richtig; in der That enthält dieses Organ des Störs dieselben Follikel, wie die Schilddrüse der Säugethiere und des Menschen. Es ist jedoch dem Verf. unbekannt geblieben, dass diese Drüse des Störs bei den Plagiostomen längst bekannt ist. Ste- nonis entdeckte sie zuerst in den Rochen und sie ist eben- dort auch von Retzius in seinen Observ. änat. chondropt. beschrieben. Bei den Knochenfischen hat der Verfasser die Drüse nur beim Aal gefunden; Spuren davon scheinen indess nach Stannius Beobachtungen bei allen Knochenfischen vorzukommen. Dass Simon die Schilddrüse der Störe mit der Nebenkieme der Knochenfische vergleicht, wie auch in Deutschland schon vorgekommen ist, ist ebenso abenteuer- lich, als dass die Nebeukiemen des Stockfisches von Monro einst als Mandel, tonsilla angesehen wurden. Der Stör be- sitzt die Nebenkieme und die Schilddrüse zugleich, und beide treten auch, wie eben vernommen, in den Knochenfischen zugleich auf. Der Verf. führt einiges unter uns schon Be- kannte von der Identität der kiemenarligen und drüsigen Form der Nebenkiemen bei verschiedenen Fischen an, ohne den eigentlichen Bau dieses Organes zu kennen. Man muss sich verwundern, dass der Verf. gar keine Kenntniss von den in Deutschland erschienenen Arbeiten über die Anato- mie der Nebenkiemen hat, die ihm wenigstens aus dem Ar- chiv hätten bekannt sein müssen. Peters beschrieb einen, dem Lepidosiren annectens ver- wandten, mit Lungen und Kiemen zugleich versehenen Fisch aus den Sümpfen von Quellimane in Afrika. (Monatsbericht der Akad. der Wissensch. zu Berlin, December 1844, und Müll. Archiv 1845. 2.) Dieses Thier, welches während der trocknen Jahreszeit in der Erde in einer Hülle von Blättern lebt, gleicht in seiner äussern und innern Organisation bis auf mehrere sogleich anzuführende Punkte so völlig dem Lepidosiren annectens, dass es wahrscheinlich damit iden- tisch ist, yorausgesetzt, dass die Unterschiede auf Rechnung 199 der bisherigen nur unvollständigen Kenntniss- des Thieres aus dem Gambia kommen. Zusammensetzung des Schädels, Wirbelsäule, kiementragende und kiemenlose Kiemenbogen, Lungen, Darmkanal, Geschlechtsorgane, Hirn, Herz, äussere Form, Schuppen, Zähne, verhalten sich ganz wie bei Lepi- dosiren annectens. Abweichend von dem, was wir bisher von letzterem erfahren, sind die Brust- und Bauchflossen, die Lippenknorpel, die durchbohrenden Naslöcher und die Existenz äusserer Kiemenfäden. Die Brust- und Bauchflos- sen bestehen nicht bloss aus einem einzigen artikulirten Glied oder Strahl, sondern ausser diesem aus Knorpelstrah- len, welche von dem untern Raıfde des Stammgliedes oder Hauptstrahls der Flosse ausgehen und an welche sich noch feinere Knorpelfäden anlegen. Diese Art Flossenbildung, dass die Strahlen seitlich vom Hauptstrahl abfallen, ist ganz ei- 'genthümlich, und man kennt unter den Fischen kein anderes Beispiel davon, als an der Rückenflosse des Polypterus. Die Naslöcher sind doppelt, und das hintere liegt an der Gau- menseile der Oberlippe, wie bei Lepidosiren paradoxa, de- ren Lippenknorpel in gleicher Weise vorhanden sind. Aeus- sere Kiemenfäden sind drei hinter dem Kiemenloch; sie sind unverästelt und sehen daher Tentakeln ähnlich; man findet sie sowohl an jungen Exemplaren von ein paar Zoll, als an ausgewachsenen von 2 Fuss Länge, Die Vorderseite die- ser Fäden ist von einer Fortsetzung der äusseren Haut ge- bildet, die Hinterseite ist zur federförmigen Vertheilung der Blutgefässe bestimmt; diese Seite ist dicht mit feinen Zellen bedeckt. Die Gefässe sind Verlängerungen von den Gefässen der innern Kiemen, die Arterien nämlich von den Kiemen- arterien, die Venen von den Kiemenvenen. An jedem kie- mentragenden Kiemenbogen liegen, wie bei andern Fischen, zwei in entgegengesetzter Richtung verlaufende Gefässe, die Arterie und Vene der Kieme. Die Kiemenvenen gehen zur Aorta, welche auch die Aortenbogen der kiemenlosen Kie- menbogen aufnimmt. Die vorderste Kieme an der vorderen Wand der Kiemenhöhle ist eine wahre Kieme, keine Pseu- dobranchie. Sie erhält einen Ast der Kiemengarterie und giebt eine Kiemenvene, die sich als Carolis anterior verhält. Merkwürdig ist ein Ast der Kiemenarterie der vordersten Kieme zur Haut und den Muskeln an der Unterseite des Kopfes, eine Thatsache, welche in der Ichthyologie verein- zelt dasteht und nur daraus zu erklären ist, dass die Kie- menaärterie vom Herzen nicht bloss dunkelrothes. sondern zum Theil auch hellrothes Blut bringt, welches dem Herzen von den Lungen aus zugeführt worden. Der Vorhof des 200 Herzens ist unvollkommen getheilt. Die Milz ist vorhanden und liegt hinter dem Magen und Anfang des Darms. Für die Identität dieses Fisches mit Lepidosiren anne- cetens spricht, dass der Fisch aus dem Gambia, nach einer neuern Bemerkung von Jardine in den Annals of nat. hist. VII. 24., auch Fäden über der Brustflosse hat, welche in- dessen von Jardine verkannt und für aceessorische Flossen- strahlen gehalten worden sind. Da diese äussern Kiemenfäden und auch die Flossen- strahlen der amerikanischen Lepidosiren paradoxa fehlen, wie seither durch Heckel,(M. Arch. 1845. 534.) nachgesehen ist, so gehören die afrikanischen und amerikanischen Thiere zwei sehr nahe verwandten, aber verschiedenen Gattungen an, und ist daher der von Owen früher für Lepidosiren anneciens gewählte, dann aufgegebene Gattungsname Pro- topterus herzustellen. J. Müller lieferte eine Untersuchung über den Bau der Ganoiden. (Monatsbericht der K. Akad. d. Wiss. zu Berlin. Dechr. 1844. Erichson’s Archiv 1845. I. p. 91.) Blain- ville hielt die Palaeoniscus des Zechsteins für den Stören verwandt, und Cuvier verglich sie wegen ihrer Schuppen, wegen des verlängerten obern Schwanzlappens und wegen der Schindeln am Rande der Flossen den noch lebenden Lepisosteus und Stören; aber die Idee, dass diese Fische eine besondere Abtheilung des Systems bilden, war Cuvier fremd, und seine Ansicht beschränkt sich darauf, dass die Palaeoniscus und Dipterus entweder zu den Lepisosteus (unter den Knochenfischen) oder zu den Stören (unter den Knorpelfischen) gehören. Agassiz hat das Verdienst, die Uebereinstimmung im Schuppenbau mit den Lepisosteus und Polypterus in allen Knochenfischen der älteren Formationen bis zur Kreide erkannt, die Ganoiden als eigene Ordnung aufgestellt und ihre fossilen Gattungen unterschieden zu ha- ben. Die Grenzen dieser Ordnung sind aber bis jetzt unbe- kannt geblieben, weil man die Eigenthümlichkeiten in dem inneren Bau der Ganoiden nicht kannte. Agassiz legte die Charaktere der Orduung der Ganoiden in die meist wink- lichen, rhomboidalen oder polygonalen, immer mit Schmelz bedeckten Schuppen, und rechnete dahin die Familien der Lepidoiden Ag., Sauroiden Ag., Pyenodonten Ag., Coelacan- then Ag., Sclerodermen Cuv., Gymnodonten Cuv., Lopho- branchier Cuv., Goniodonten Ag., Siluroiden und Acipenseri- den; neuerlich auch Lepidosiren. Unter diesen sind die Scle- rodermen, Gymnodonten, Lophobranchier, Goniodonten und Siluroiden so völlig übereinstimmend mit den übrigen Kno- chenfischen gebaut. dass der Begriff eines Ganoiden in dieser 201 Zusammenstellung eine wesentlichere Bedeutung verliert, und da die Siluroiden nur zum Theil beschildet, meist aber nackt sind, auch unter den übrigen Knochenfischen Schilder mit einfachen Schuppen abwechseln, wie bei den Cataphracten, so war es dermalen unmöglich, zu sagen, was eigentlich ein Ganoid sei. und es konnte daher die Aufnahme mancher Fa- milien unter sie mehr oder weniger willkürlich sein. Aus Müller’s Untersuchungen ergiebt sich jetzt, 1) dass die Ga- noiden eine scharf geschiedene Abtheilung zwischen den eigentlichen Knochenfischen und den Selachiern bilden; 2) dass die Störe in der That Ganoiden; 3) dagegen die Selerodermen, Gymnodonten, Loricarinen, Siluroiden, Lo- phobranchier den Ganoiden fremd sind und zu den übrigen Knochenfischen gehören; 4) dass es nackte und beschuppte Ganoiden giebt. Die anatomischen Charaktere der Ganoiden liegen in dem Bau des Herzens und der Blutgefässe, der Athemorgane, der Geschlechtstheile und der Sinneswerk- zeuge. Eine fundamentale Differenz der Fische liegt in dem Bau des Truncus arteriosus. Bei den eigentlichen Knochen- fischen sind nur zwei Klappen am Ursprung des Bul- bus arteriosus. Bei den Plagiostomen und Stören fehlen diese Klappen, dagegen finden sich innerhalb des Truncus arteriosus selbst drei oder auch mehr Längsreihen von Klap- pen und in jeder Reihe zwei bis fünf Klappen. Die Cyclo- stomen haben die zwei Klappen wie die Knochenfische, aber der muskelartige Bulbus fehlt hier ganz. Bei Untersuchung der lebenden Ganoiden Polypterus und Lepisosteus fand sich, dass sie in diesem Punkt ganz von allen Knochenfischen ab- weichen und im Klappenbau den Plagiostomen und Stören gleichen; sie haben sogar mehr Klappen im Truncus arte- riosus, als irgend ein Knorpelfisch. Polypterus hat 6, näm- lich 3 vollständige und 3 unvollständige Längsreihen, Lepi- sosteus 5 gleiche Längsreihen von Klappen. Bei den Pla- giostomen und Stören ist das Maximum aller Klappen 15, beim Lepisosteus sind ihrer 40 und beim Polypterus gegen 50. (Der langschnautzige Lepisosteus, L. bison Dekay, hat noch viel mehr Klappen, nämlich 8 Reihen, 4 vollständige Reihen jede aus 9 Klappen und 4 unvollständige Reihen kleinerer Klappen dazwischen, im Ganzen gegen 60.) Dieser Charakter der Ganoiden, welcher nunmehr die Störe, Spa- tularien, und den Polypterus und Lepisosteus vereinigt, reicht hin, die Sclerodermen, Gymnodonten, Lophobranchier, Lori- carinen, Siluroiden von den Ganoiden auszuscheiden. Alle diese haben die zwei Klappen zwischen Herzkammer und Bulbus und nichts weiter. Auch Lepidosiren gehört nicht zu den Ganoiden, ebenso wenig zu den Knochenfischen, 202 sondern ist Repräsentant einer eigenen Abtheilung der Fische, Dipnoi. Die Verschiedenheit in der Anordnung der Klappen ist gleichzeitig mit einem tiefern Unterschiede im Bau des Trun- eus arteriosus verbunden. (Monatsbericht der Akademie. Februar 1845.) Entweder nämlich besitzt der Truncus ar- teriosus 'der Fische eine Lage von Muskelfleisch, die aussen liegt und mit einer scharfen Grenze aufhört, und dies ist bei den Plagiostomen und Ganoiden der Fall, oder er besitzt kein eigenes Herz des Truncus arteriosus, und das sind die Knochenfische und die Cyelostomen. Bei den Oyelostomen schwillt die Arterie nicht einmal an, die Anschwellung bei den Knochenfischen ist aber dem Muskelfleisch fremd. Die Masse, welche man für Muskel gehalten hat, liegt hier nicht aussen auf, und obgleich sie innen scheinbare trabeculae carneae bildet, so hat sie doch weder den mikroskopischen Bau der Muskeln, Querstreifen, wie ihn die aussen liegende Fleisch- ‘lage bei den Plagiostomen und Ganoiden besitzt, noch zeigt sie irgend eine Spur von Kontraktilität gegen Elektrieität, Eis, Schnee, ätherisches Senföl u. a.; sie setzt sich ununter- brochen in die mittlere Haut der Arterien fort und hat das Ansehen wie Henle’s graue Faserbündel der mittleren Ar- terienhaut der höheren Thiere. Bei den Knochenfischen ist diese im Bulbus so sehr entwickelte Substanz iu hohem Grade elastisch. Die Elastieität der grauen Bündel in den Arte- rien der höheren Thiere kann man nieht direkt prüfen, ebenso wenig ist aber ihre angenommene organische Kontraktilität beobachtet und um so mehr fraglich, da die organische Kon- traktilität, die man bloss an den kleinen Arterien sicher kennt, von der äusseren Haut der Arterien herrühren kann. Wenn die grauen Bündel der Arterien bei dem Menschen und den höheren Thieren gleich elastisch wären, wie das fragliche Gewebe im Bulbus der Knochenfische, so eni- hielte die Cirkelfaserschicht der höheren Thiere zweierlei ela- stische Formen. wovon die eigentlich sogenannten elastischen Fasern die andern Bündel umweben, ungefähr wie Kaut- choukfäden, die mit metallischen Spiralen umgeben sind (wie die Federn der Hosenträger). Die Elastieität der grauen Bündel des Bulbus der Knochenfische und ihre Fortsetzung an der Kiemenarterie rührt jedenfalls nur von ihnen selbst und nicht von umwickelnden elastischen Fasern her, denn die letzteren fehlen darin gänzlich. Man hat bis jetzt nur die eine Art von elastischen Fasern, nämlich die des elasti- schen Gewebes der höheren Thiere, beachtet. Es giebt aber mehrere Formen von elastischem Gewebe in der Thierwelt. Eine andere ist das vom Referenten beschriebene elastische 203 Gewebe in der Zwischengelenksubstanz des Pentacrinus und der Comatulen; diese Fäden sind wellig und unverzweigt, eine ähnliche Form von elastischem Gewebe kommt in den Arterien der Fische vor, und liegt nach aussen von der grauen Schicht an der Kiemenarterie der Knochenfische, er- scheint auch in den Arterien der Plagiostomen und Cyelo- stomen wieder. Es sind ganz gleichartige, unverzweigle Fasern, welche zu regelmässigen, wellenförmig gebogenen Bündeln vereinigt sind. Die Feder am Schloss der Mu- scheln gehört wieder einer andern Form von elastischem Gewebe an. Nur die Plagiostomen und Ganoiden besitzen einen Ring von Muskelfleisch mit Querstreifen aussen auf dem Truncus arteriosus. Es giebt daher unter den Fischen ähnliche Un- terschiede im Bau dieses Truncus, wie bei den Amphibien; alle nackten Amphibien besitzen ein Aorlenherz, allen be- schuppign fehlt es. Ein wesentlicher Unterschied der Ganoiden und Plagio- stomen gegen die Knochenfische besteht in der Anordnung der Sehnerven, bei allen Knochenfischen gehen sie ohne Vermischung kreuzweise übereinander weg; bei allen Pla- giostomen und Ganoiden sind sie zu einem Chiasma ver- bunden. Eine andere Eigenthümlichkeit der Ganoiden betrifft die Athemorgane. Kein eigentlicher Knochenfisch, d. h. mit 2 Klappen am Bulbus, besitzt jemals Spritzlöcher oder eine überzählige respiratorische Kieme am Kiemendeckel, wie die Kiemendeckelkieme der Störe, ausser welcher die Störe die Pseudobranchie der Knochenfische haben, Bei den Ganoiden kann sowohl das Spritzloch, als die Kiemendeckelkieme vor- handen sein, worin sie sich wieder den Plagiostomen nä- hern. Denn diese haben eine accessorische vordere Halb- kieme und Spritzlöcher. Dass sie einzelnen Gattungen der Plagiostomen fehlen (wenigstens das Spritzloch), kommt auch bei einzelnen Gatlungen der Ganoiden vor. Lepisosteus hat, wie der Stör, eine respiratorische Kiemendeckelkieme und eine Pseudobranchie zugleich, aber das Spritzloch der Störe fehlt ihm und dem Scaphirhynehus und ist nur durch einen blinden Kanal am Gaumen angedeutet, wie bei Carcharias, dagegen hat Polypterus (ohne Kiemendeckelkieme und ohne Pseudobranchie) das Spritzloch. Seaphirhynchus hat eine Kiemendeckelkieme, aber kein Spritzloch; Spatularia, ein nackter Ganoid, hat keine Kiemendeckelkieme, wohl aber Spritzloch und Pseudobranchie. Aehnliche Variationen in Hinsicht der Existenz der Spritzlöcher und Pseudobranchien wurden früher bei den Plagiostomen angezeigt, und es wurde 204 nachgewiesen, dass, wo sie fehlen, sie im Fötuszustande vorhanden sind. Referent hat neulich beobachtet, dass die Ganoiden ohne Kiemendeckelkieme, Polypterus und Spatu- laria wenigstens einen Ast der Kiemenarterie zum Kiemen- deckel besitzen, der bei keinem Knochenfisch vorkömmt. Das Auge der Ganoiden ist ohne Spalt der Retina, ohne Processus faleiformis, ohne Choroidaldrüse, und verhält sich in dieser Hinsicht wie bei den Plagiostomen. Die Geschlechtsorgane des Polypterus haben nur mit denen der Störe Aehnlichkeit. Bei beiden verlängert sich die Bauchhöhle in einen Trichter, der sich in den Harnlei- ter einsenkt. Bei den Stören senkt er sich frühzeitig in denselben ein und scheint nur zeitweilig offen zu sein; denn der Verf. fand ihn bei mehreren jungen sowohl als alten Stören blinddarmförmig geschlossen in den Harnleiter hän- gend, bei andern offen. Alle Ganoiden haben eine Spiral- klappe im Darm (und wenn sie bisher beim Lepjsosteus vermisst wurde, so hat sie Ref. neulich gefunden, aber sie ist nur im Rudiment vorhanden, vor dem Mastdarm, und macht nur 3 Windungen). Der übrige Theil der Abhand- lung ist zoologisch. Von demselben Verfasser erschien die ausführliche Ab- handlung über Branchiostoma. J. Müller, über den Bau und die Lebenserscheinungen des Branchiostoma lubrieum Costa, Amphioxus lanceolatus Yarrell. Berlin 1844. Aus d. Abhandlungen d. Akad. der Wiss. z. Berlin v. J. 1842. Ber- lin 1844. p. 79. Es ist darüber schon aus dem Monatsbe- richt der Akademie von 1841 im Archiv 1842, Jahresbericht p- CCXV., berichtet. James Stark handelt von der Existenz einer knöcher- nen Struktur in der Wirbelsäule der Haifische und Rochen. (Transactions of the royal society of Edinb. Vol. XV. p. IV. 1844. p. 643.) Der Verfasser scheint die Unterscheidung des weichern Rindentheils der Wirbel von dem völlig ossi- fieirten centralen Theil derselben bei den Haifischen und Ro- chen für eine neue Entdeckung zu halten, dann hat er aber von der vergleichenden Osteologie der Myxinoiden, Abhand- lungen d. Akad. a. d. J. 1834, die er anführt, eine sehr un- vollständige Kenntniss, und hat besonders die Erläuterungen über die Haifischwirbel p. 240. übersehen, auch was über das Verhältniss des Rindentheils zum dünn auslaufenden cen- tralen Theil am vordern Stück des Rückgraths der Rochen gesagt ist, ist bekannt. Der Verf. kennt auch nicht die Mittheilungen über die Entstehung des corticalen und centralen Theils der Wirbel in den Abhandl. d. Akad. a. d. J. 1838 p. 249. und die speciellen Beschreibungen der Wirbel vieler Haifischgat- 205 tungen, welche ich zu Agassiz Werk, Recherches sur les poissons fossiles, T. III., geliefert und welche auch beson- ders herausgekommen sind in J. Müller et L. Agassiz No- tice sur les vertebres de squales vivans et fossiles. Neuchatel 1843. 4. Von einem Hai mit ganz knorpeligen, weichen Wirbeln, wie Echinorhinus hat, findet sich bei J. Stark keine Kenntniss. Bekanntlich ist die Kenntniss aller Eigen- thümlichkeiten der Wirbel in den verschiedenen Haifischgat- tungen wichtig für die Erkenntniss der Fossilien. Interes- sant war mir in dieser Hinsicht die Beschreibung der Wirbel von Selache, die mir fehlten. sie sind aus concentrischen abwechselnden Schichten von Knochen und Knorpel gebil- det, also wie ich es von Squatina beschrieben. Was Stark von den Wirbeln der Chimaera sagt. welche sehr solid und mit konischen Facetten an den Enden, wie gewöhnlich, ver- sehen sein sollen. beruht auf einem Irrthum und der Ver- wechselung mit irgend einem Haifisch; denn bekanntlich hat Chimaera gar keine Wirbel, sondern eine Chorda, deren sehr merkwürdiger Bau in den Abhandl. d. Akad. a. d. J. 1838 p. 238. beschrieben ist. Ich ergreife diese Gelegenheit, etwas von den Wirbeln der Cestracion, die nicht bekannt waren und deren Kenntniss für die fossilen Cestracionten der ältesten und mittleren Formationen wichtig ist, zu sa- gen. Sie besitzen einen knöchernen centralen Theil. um die Wirbelhöhlen, auswendig bestehen sie aus weicher Knorpel- masse. Der knöcherne Theil besitzt einige wenige Längs- furchen. die mit Knorpel ausgefüllt sind. Agassiz vermu- thet wichtige Aufschlüsse über die Anatomie jener Fauna der alten Formationen aus der Untersuchung des jetzt leben- den Cestracion Philippi, der selten ist und von dem ich noch in keiner europäischen Sammlung ein Exemplar in Weingeist bemerkt habe. Ich habe diesen Hai neulich in Weingeist erhalten und kann versichern, dass sein Bau sich in keinem Punkt von der Anatomie der andern Haifische entfernt. Der Darm besitzt die Schraubenklappe. Die Nahrung besteht aus Würmern und ganz kleinen Schnecken. Ich habe neu- lich auch ein Exemplar des Pristiophorus in Weingeist un- tersucht. Die Wirbel sind ossilieirt. H. Boursse Wils diss. de squatina laevi. Lugd. Bat. 1844. 8. Summarische anatomische Beschreibung der Squa- tina vulgaris Risso. Steenstra Toussaint über Squalus glaueus in Tijd- schrift voor nat. gesch. X. 1843. p. 103. Beschreibung der gerollten Darmklappe eines Haien, Nähere Angaben über die Gattungs- und Speciescharaktere fehlen. Wahrscheinlich war es jedoch Carcharias glaucus, von welchem, wie von 206 der ganzen Gattung Careharias, ich diese Form der Darm- klappe in den Abhandl. der Berl. Akad. 1835. p. 326. ange- geben habe. Tellkampf hat den blinden Fisch der Mammuthhöhle in Kentucky, Amblyopsis spelaeus Dekay, anatomisch be- schrieben. Die Augen sind bei diesem Thier so klein, dass sie bisher übersehen wurden, sie sind nur ; Linie gross und stellen ein mit einer schwarzen Membran überzoge- nes, farbloses Körperchen dar. Der Darm hat 2—3 Bind- därme. Die Schwimmblase ist einfach, vorn der Länge nach tief getheilt. Der After liegt sehr eigenthümlich vor dem Becken, vor den Bauchflossen, wie bei Aphredoderus unter den Percoiden, aber Amblyopsis ist ein Weichflosser, wel- cher der Typus einer neuen Familie, Heteropygü Tellk., werden zu müssen scheint, (Müll. Archiv f. Anat. u. Phys. 1344. p. 381.) Ecker hat die Flimmerbewegung im Gehörorgan von Petromyzon marinus entdeckt. Ebend. p. 520. Unsere Kenntnisse über den Bau des Proteus anguinus sind durch Hyrtl’s Untersuchungen wesentlich erweitert worden. (Med. Jahrb. d. österr. Staates. 48. Bd. Wien 1844. p. 257.) Der Vorhof des Herzens ist äusserlich ein- fach, inwendig unvollkommen getheilt. Es giebt zweierlei Lungenvenen, die einen gehen zum Herzen, die andern, näm- lich die hintern, entleeren sich theils in die Eierstocks- oder Hodenvene, theils in den Stamm der Cava posterior. (Die vordern Lungenvenen waren neulich bereits von Rusconi gesehen. Giornale dell J. R. Istituto lombardo. Milano 1843. T. VI. p. 288. Froriep’s Neue Not. No. XXVI. p. 295. Siehe den vorigen Jahresbericht p. 60.). Der Anfang der Aorta bildet gleich über dem Herzen einen Bulbus; bevor sie den Herzbeutel verlässt, schwillt sie zu einem zweilen Bulbus an. Das Stück zwischen dem-hintern und vordern Bulbus enthält zwei Reihen halbmondförmiger Klappen, deren jede aus zwei Klappen besteht; die Tritonen haben nur eine Reihe. Auf jeder Seite sind drei Aortenbogen, die Zweige derselben in die Kiemen verhalten sich wie die Arterien der Placenta. Jedes Kiemenbüschel besteht aus ästigen Reiser- chen, welche von ihrer untern Fläche 10 — 15 Blättchen in paralleler Richtung und sich imbrieatim deckend angeheftet tragen. Die Blättchen sind nicht mit einfachen, sondern vielfach gekerbten Rändern versehen, und die Arterie läuft an all jenen Buchten, ebenso viele Krümmungen bildend, hin, um zuletzt aus der Basis des Kiemenblättchens unzertheilt wieder auszutreten und mit den Zweigen der übrigen Blält- chen vereinigt in den correspondirenden Aortenast sich ein- 207 zusenken. Die Arterie hat somit gar keine Netze gebildet, sie ist auch nicht kapillar geworden, da man sie mit freiem Auge sehr gut unterscheidet. Darauf folgt die Beschreibung der Aeste aus den Aortenbogen, der vorderste giebt die Ca- rotis externa und interna ant., nach der Verbindung des mittlern und hintern Bogens entsteht aus der Aortenwurzel , die Carotis int. post. und die Art. pharyngo-pulmonalis. Ich übergehe die Aortenäste. Die Nieren - Glomeruli werden durch Gefässe grossen Kalibers (4—+’) gebildet. Die ein- tretende Arterie schlängelt sich in diesem Fall, ohne sich zu spalten, und tritt am andern Ende des Knäuels wieder aus, um in Kapillarnetze überzugehen. Die Glomeruli liegen in einer Linie, parallel der Längsaxe des Organs, es sind nur 28. Hat man nur das Wohlvenensystem injieirt, die Arterien aber nicht, so bleiben die Glomeruli ungefüllt und füllen sich auch nicht, wenn eine noch so gelungene Injektion durch die Harnleiter erfolgt. (Hierbei erklärt sich der Verf. gegen Bowman’s Ansicht von dem Zusammenhang der Kapseln der Glomeruli mit den Harnkanälchen.) Die Querfortsätze aller Wirbel des Proteus sind durchbohrt und lassen eine Arterie durch, die eben so lang, als der Körper des Thieres durch Nebenäste der Aorta zusammengesetzt wird. Schwanz und hintere Extremitäten entleeren ihr Blut in die Pfortader der Niere. Die untere Hohlader nimmt nebst den Nieren und Genitalvenen auf die oberen Lumbalvenen (die letzte hängt mit der Pfortader zusammen), die vereinigte Eierstocks- (oder Hoden-) Lungenvene, mehrere Lungenvenen aus dem hintern Ende der Lungen und die Venae azygeae. Der Stamm der Hohlader nimmt zuletzt die Lebervenen auf. Eine grössere Vene, die das Blut der Bauchdecken sammelt, dringt in die convexe Leberfläche, um im Parenchym sich in eine zur Cava gehende Lebervene zu entleeren. Die Pfort- ader der Leber nimmt, wie beim Frosch, auch die Jacob- son’sche Bauchvene auf. Rusconi beschrieb den Bau der Zunge beim Chamae- leon und den Vorgang beim Ausstossen und Verlängern der- selben; er bestätigte die Ansicht, welche Duvernoy von diesem Mechanismus vorgetragen. (Müll. Arch. 1844. p. 508.) Ueber den Bau der Geschlechtstheile und Harnwerkzeuge bei den Amphibien hat Duvernoy gehandelt. (Comptes rendus de l’acad. roy, de Paris. T. XIX. p. 948., Institut 1844. p. 399.) Vertheilung der Harnkanälchen in den Nie- ren bei den Salamandern und Tritonen; Vertheilung der Pfortader der Nieren. Der Verf. glaubt, dass die Glomeruli der Amphibien ihr Blut von der Vena adferens oder Pfort- ader der Nieren erhalten. Ausführung des Saamens in den 208 Ureter bei den nackten Amphibien. Duvervoy hat auch von den Drüsen gehandelt, die mit der Kloake der Salaman- der und Tritonen verbunden sind, und von der warzenarti- gen Ruthe der männlichen Tritonen, welche Dufay zuerst beschrieb. (Comptes rendus. T. XIX. p. 948.) Jaequinot et Hombron, Remarques sur quelques Fan de l'anatomie et de la physiologie des Procellaridces. ur zoologisch. Comptes rendus hebd. de l’Acad. de Paris. Tom. XVIIT. p. 353. Heming, Ueber die Bewegungsmuskeln der Schwanz- und Schwanzdeckfedern des Pfaues. Jardine et Selby, Annals et Magazin of nat. history. Novbr. 1844. Froriep'’s N. Notiz. T. XXXI. p. 245. R. Owen, Osteologie der Dinornis, gigantischer fossi- ler Vögel aus der Familie der Strausse von Neu - Seeland. Transact. zool. soc. Vol 3. p. 3. London 1844. Barkow lieferte schätzbare Beiträge zur Kenntniss des Arteriensystems der Säugelhiere und Vögel. (Nov. act. nat. Cur. Vol. XX. p. 2.) Beschrieben sind die Arterien von Sus seropha, Arctomys eitillus, Seiurus vulgaris, Cricetus vulgaris, Mustela martes, Mustela vulgaris, Canis familiaris, Felis catus, Erinaceus europaeus. Von besonderem Interesse sind die Mittheilungen über die Arterien des Penis des Men- schen und die Arteriae helicinae, welche die Kenntniss der- selben wesentlich vervollständigen. Die letzteren sind Er- weiterungen der Arterien, welche sich feiner zur weitern Ver- breitung fortsetzen, womit meine neuen Untersuchungen, deren Ergebniss ich im Archiv'1841. 421. mittheilte, übereinstimmen. Was ich in einzelnen Fällen sah, die dünnere Fortsetzung der Arterie, ist Regel. Das Wesen der Art. helicinae lässt sich am Bestimmtesten als variköse Erweiterung der klei- nern Arterien auffassen, vras auch die Bildung dieser Arte- rien im Corpus cavernosum urethrae des Pferdes umfasst, wo der dickere Theil der Arterien traubig ist. Dieser Um- stand widerspricht der sonst beim Menschen möglichen Auf- fassung der Arteriae helicinae als Schlingen mit dickerem und dünnerem Schenkel. Was den Zweck der Art. helicinae be- trifft, so kömmt die Alternative in Betracht, ob sie durch Anhäufung des Blutes als Ursache der Erection mitwirken oder mehr Folgen derselben sind. Die erstere Ansicht wird durch das Vorkommen derselben beim Neugebornen begün- stigt, gleichwohl spricht sich der Verfasser mehr für die letztere aus. Es scheint mir dabei auch in Betracht zu kom- men, dass die Erweiterungen des Arteriensystems auch aus- ser der Ereetion unter dem ganzen Druck des Arteriensy- stems stehen, während dagegen ausser der Erection das Blut 209 ın den inneren Venen des Penis, wie in allen Venen, ohne Widerstand der Wände und durch die Vis a tergo fliesst. Während der Erection wird der freie Abfluss des Blutes aus den Venen des Penis gehemmt und das Blut steht dann auch in dem inneren Venensystem des Penis unter Druck nach allen Richtungen. Der Verfasser beschreibt auch Er- weiterungen des Arteriensystems bei verschiedenen Arte- rien der Vögel, z. B. am Ursprung der Aorta und der aus ihr entspringenden Stämme, in den Carotiden des Hahns und der Taube, in der Art. mesent. sup. der Gans, inkonstante Erweiterungen in der Art. pudenda des Podiceps suberista- tus, der Art. penis der Gans, und die nur zeitlich sich aus- bildenden Erweiterungen in den Brütearterien des Podiceps suberistatus. Diejenigen der Art. pudenda des Podiceps und der Art. penis der Gans leitet der Verf. aus mechanischen Ursachen ab, wie an den Penis-Arterien des Menschen und der Säugethiere; diejenigen am Brutorgan scheinen vorüber- gehend aus dynamischen Ursachen zu entstehen. Die Er- weiterung der Art. mesent. sup. vor dem Abgeben der Rami intestinales zeichnet sich nach Tiedemann’s Beobachtungen noch dadurch aus, dass sie gegen 16 sichelförmige Klappen enthält, zwischen welchen die kleinen Arterien entspringen und nach allen Richtungen ausstrahlen. Der Verf. fand die Klappen meist schon vor dem Ursprung des ersten Ramus intestinalis beginnend, die vordern Klappen sind eirkelförmig, die hintern wie Valvulae conniventes. Bei einem Individuum waren 8 starke, eirkelförmige Klappen vor dem ersten In- testinalaste, darauf folgten noch 10 netzförmige Klappe zwischen dem Ursprunge der Intestinalarterien, bei einem andern Individuum von längerem Stamm der Arterie waren 3 eirkuläre und 15 netzförmige Klappen vorhanden. Zwi- schen der äussern und mittlern Haut des Arterienstammes liegt eine von Längslasern gebildete Schicht. Beobachtungen am lebenden Körper über etwaige aktive Kontraktion sind nieht angestellt. Einen ganz interessanten Beitrag zur vergleichenden Osteologie leisten die Beobachtungen von Breschet in den Annales d. se. nat. 1844. I. p. 25. über die Anomalien des Jochbeins, namentlich die von ihm gesammelten Fälle von einem Os orbitale posterius als Abgliederung vom Jochbein beim Menschen und bei Thieren; am Jochbein des Fötus des Menschen beobachtete er gewöhnlich nur einen Knochen- kern, einige Mal salı er aber am Orbitaltheil des Jochbeins noch einen zweiten Knochenkern, in ein paar Fällen waren 3 Knochenkerne vorhanden. Am häufigsten scheint das Os orbitale posterius bei den Affen als besonderes Stück vorzu- Müller's Archiv, 1845. 0 210 kommen. Dieser Knochen entspricht dem Os frontale s. or- bitale posterius der Amphibien. Vergl. Laurillard in der neuen Ausgabe von Cuvier’s Lec. d’anat. comp. T. II. p. 381. Der auf Taf. 8. Fig. 1. abgebildete Schädel kann nicht von einer Myrmecophaga sein, wie er bezeichnet ist, sondern ge- hört einem Dasypus an. Hein gab eine anatomisch - physiologische Untersu- chung über die Nerven des Gaumensegels bei der Ziege, Hund, Schaf, Kalb. (M. Archiv für Anat. und Phys. 1844. p- 297.) Die Gaumenzweige vom zweiten Ast versehen ausser den Zweigen zur Schleimhaut auch den unpaaren Muskel und den Gaumenheber. Der dritte Ast des Trige- minus giebt einen Ast zum Gaumenspanner. Zweige des Glossopharyngeus versehen den Muskel des vordern Gaumen- bogens. N. vagus giebt mit dem R. pharyngeus des Glosso- pharyngeus Zweige zum Gaumenheber und zum Azygos, dann auch mit dem Schlundast des Vagus Zweige zum Musculus pharyngopalatinus und zur Schleimhaut, N. acces- sorius giebt auf demselben Wege, wie der Vagus, seine Fä- den zum Gaumen. Eschrieht undersögelser over Hvaldyrene. 2. Abhandl. Copenh. 1844. 4. enthält die Beschreibung der äusseren Fö- tusformen bei zwei nordischen Balaenopteren mit Anwen- dung auf die Physiologie und Zoologie, 6 Fötus des Finn- wales der norwegischen Küsten und 2 Fötus der B. boops Fabr. (longimana Rud.). Wir kommen darauf im nächsten Jahresbericht zurück, wenn über den anatomischen Inhalt ®Jer dritten und vierten Abhandlung der Undersögelser, welche im Jahre 1845 erschienen sind, zu berichten ist. C. Mayer lieferte eine vergleichende anatomische Un- tersuchung über die Zunge als Geschmacksorgan. (Nov. act. nat. Cur. T. XX. P. 2. 1844. p. 721.) Es ist darin die Aus- bildung und Zahl der Papillae vallatae in vielen Säugethieren angegeben, bei einigen Vögeln kommen kleine Wärzchen vor, Ente, Strix bubo, Papagei. Beim Papagei geht ein feiner Ast des fünften Paares zur Zunge, welche Längsfalten mit zahlreichen grossen Wärzchen besitzt. Der Frosch hat knopfförmige oder pilzförmige Wärzchen. Bei Pleuronectes rhombus bemerkte der Verf. auf der linken Seite der Zunge 6 grosse Papillae vallatae in einer Reihe, auf der rechten nur einige ganz kleine Papillen zerstreut. _ Der Verf. erwähnt auch, dass er bei jungen Hunden und Katzen durch stärkere Zerrung des Zungenastes des fünften Paares jedesmal eine Krümmung der Spitze der Zunge hervorgebracht (ohne Zwei- fel Reflexbewegung, die nur dann zu vermeiden ist, wenn 2A man den vorher durchschnittenen Nervus lingualis an seinem Zungentheile reizt). Remak hat die von ihm entdeckten kleinen Ganglien an den Herznerven des Kalbes, an den Bronchialzweigen des Vagus des Ochsen und ein am r. laryngeus sup. an der Aussenseite des Kehldeckels beim Schaf vorkommendes Gan- glion beschrieben und abgebildet. (M. Archiv f. Anat. und Phys. 1844. p. 463.) L. Fick, über das Labyrinth des Elephanten. (M. Ar- chiv f. Anat. und Phys. 1844. p. 431.) Die Schnecke hat 25 Windung, ist aber so flach, dass die Kuppel nur ganz wenig über die Ebene der grössten Schneckenwindung her- vorragt.- Dem Verf. schien das Schneckenfenster zu fehlen, eine aus der Scala tympani sich öffnende schmale Spalte wird als Aquaeductus cochleae gedeutet, kann aber wohl als rundes Fenster angesehen werden, da diese Stelle des Knochens noch innerhalb des, auch beim Elephanten blasen- artigen Tympanum gelegen sein musste. Der Verf. hatte die Güte, mir das ausgezeichnet schöne Präparat zur Ansicht zu schicken. Bei Vergleichung desselben mit dem Schläfen- bein eines jungen Elephanten stellte sich dies als das Wahr- scheinlichste heraus. J. C. Mayer, Zur Anatomie des Llama. Froriep’s N. Notiz. Tom. XXIX. p. 97. Owen, Sektion eines Orang-Utang-Weibchens. Jar- dine, The Annals and Magaz. of nat. hist. Juni 1844. Sup- plementary number. Froriep's N. Notiz. T. XXX. p. 294. Vrolik gab eine ausführliche Anatomie des Haba (Nieuwe Verhandel. van het K. Nederl. Instituut van We- tensch. X. Amsterdam 1844. p. 207.) Dem Babirussa eigen sind die bei Sus und Dicotyles fehlenden, von Vrolik ent- deckten Luftsäcke hinter dem Schlund, welche sich mit zwei Oeflnungen in den Schlund öffnen. Der Magen ist in zwei Säcke getheilt, wovon der linke noch einen Anhang hat. Eingeweide, Knochen- und Muskelsystem sind auch be- schrieben. . Ueber den Bau der Loris handelten W. Vrolik und Schroeder van der Kolk, der erstere in den Nieuwe Ver- handelingen van het K. Nederl. Instituut van Wetenschap- pen_te Amsterdam X. 1844. p. 75., der letztere in Tijd- schrift voor natuurl. Geschied. XI. 1844. Vrolik unter- suchte Stenops tardigradus, gracilis und javanicus, bei welchen die von Schroeder beschriebenen Eigenthümlich- keiten des Darms, Darmeinschnürungen, wurmlörmiger Fort- satz, Verengung des Dünndarms vor der Einmündung ver- misst wurden. Schroeder fand diese jedoch in einem zwei- 02 212 - ten Exemplar des St. javanieus wieder und machte es wahrscheinlich, dass der von Vrolik für St. javanieus ge- haltene Affe nicht diese Art, sondern St. tardigradus war. In Hinsicht der Organbeschreibung von Vrolik verweise ich auf die Abhandlung. Die Wundernetze gehören sowohl den Venen, als Arterien an, wie man es schon von den ähn- lichen der Faulthiere erfahren hat. Die Zunge der Stenops besitzt eine theils knorpelige, theils häutige Scheibe an der Unterseite, nahe der Spitze. Pierquin, Sur l’absence de circonvolutions dans le cerveau d’un Ouistiti. Comptes rendus hebdom. de l’Acad. de Paris. Tom. XVII. p. 191. Joly und Lavocat, Anatomie der Giraffe. Comptes rendus hebdom. de l’Acad. de Paris. Tom. XVIH. p. 493. Froriep’s N. Notiz. Tom. XXIX. p. 87. Alfr. Tulk and Arthur Henfrey, Anatomieal mani- pulation or the methods of pursuing practical investigations in comparative analomy and physiology. London 1844. 8. * p * Der physiologische Jahresbericht hat sich für diesmal verspätet. Verzeichniss der Schriftsteller, deren Werke oder Abhandlungen im Jahresberichte genannt werden. Älder 47. 54. 55. 56, Delafond 82. 93. Alessandrini 89. Dickson 89. Allman 56. 107. 114. ‚Dubini 82. Dufay 208. Bailey 114. Dojardin 22. 25. 78. 83. 85. 106. Barkow 208. Davernoy 57. 207. Barry 116. Bendz 87. Ecker 146. 206. van Beneden 60. 109. 110. 111. Enzmann 176. Berres 94. Erdl 25. 39. 92. v. Bibra, E. 147. Eschricht 210. Blackwall 19. Evans, Julians 154. Boursse, H. 205. Bowerbank 37. Farre 23. Brants 2. Fick, L. 211. Bruch, ©. 124. 180, De Filippi 73. Brücke 167. Fleck, F Lesueur 194. Brull& 27. 153. Flotow 120. Branetta 93. Flourens 152. Budge 174. Focke 30. 115. Burmeister 61 Forbes 61. 113. Carpenter 37. 96 Gairdner 90. van Charante, Nic. Heur. 194. Goldfuss 9. ß Costa 96. Goodfellow 92. 176. Goodsir 26. 27. 34. 88. 94. Darwin 62. 77, 107, 114. Griffith 115. van Deen 174. Grube 69. 71. 73. 121. 2 214 Graby 82, 93. Guillot 184. 195, "Gurlt 80. 194. Hagen 6. 10, Halberisma, Hiddo 194. Hall, €. R. 179. Hall, M. 2. Hammerschmidt 92. Hampeis 95. Hancock 47 54. 55. 56. Hannover 10. 17. 18. 23 43. 72. 164. Hartig 12. Heckel 200. Hein 210. Heller 17. Helmholtz 164. Heming 208. Henfrey, Arth. 212. Henle 85. 168. 175. Hertwig 194. Van der Hoeven 30. Hoffmeister 70. Hollard 106 Hombron 208. Horner 184. Hugueny 153. Huschke 114. Hyrtl 94. 206. Jacquinnt 208, Jardine 200. Joly 6. 24. 25. 212. Jones, Wharton 189. Klencke S1 83. 86. 87. 91. 93. Kölliker 19. 30. 33. 37. 38. 44% 56. 61. 69. 78. 80. 84. 86. 97. 106. 113. 157: 168. Köstlin 195. Krause, C. F. T. 142. 167. 150. Krohn 63. 68. 107. 112 Küster 3. Kütziog 116 117. 118 120. Lacauchie 190. Langer 167. Lassaigne 2. 18. Laurent 43. 108. Lavocat 212. Lebert 89, 177. Lee 90. Leon Dufour 3. 12. 13. 14. 15, 16. Lereboullet 27. Livois 88. Loew 10. 13. Mandl 145. Matteucci 7. 174. Mayer, C. 210. Mayer, T. J. C. 174. 211 Mayer 93. 9. Meckel, H. 45. 71. 73. 185. 186. Menge 18 Miescher 48. Milne Edwards Morren 6. Müller, Fr. 72. 73. Müller, J. 27. 95. 97. 167. 200. 202. 204. 205. Nägeli 78 Newport 10. 34. 36. Oersted 75. 76. Owen 1. 15>39. 40, 116 208. 211. 12. 34, Paasch 44. Paget 146. Peach 113. Peters 131. 198, Philippi 61. 105. Pictet 11. Pierquin 212. Platner 17. 154. 179. 183, Plattner 190. Pauchet 186. Power, John 38. Power, Mad. 38, _ Prevost 177, Quatrelages 29. 47. 48. 50, 52. 54. 65. 66. 67. 68. 72. 76. 77. 96. 108. 114, Quekett 146. Rainey. 184. Ramau 190. Rathke 9. 25. 28, 31. 84, 96, 108. 121, Rayer 79. Reichert 136. 171. Remak 210. Robinet 17. Rokitansky 87. 89. Rose 90. Rusconi 207. Sars 97. Savi 39. 174. Schilling 2. Schiödte 5. Schlemm 24. 43. Schroeder van der Kolk 211. Scortegagna 91. Shuttleworth 37. v. Siebold, €. Th. 7. 11. 12. 31. 78. 119. Simon, G. 183. Simon 195. Souleyet 24. 42. 53. Stadelmann, H. J. 191. Stark, James 204. Steenstra Toussaint 205. Svitzer 81. > Tellkampf 206. Thiel 89. Thuret 119. Tulk 19. 23. 212. ” Unger 119. Valenciennes 79, 86, 147. Vogel 131. 138. Vogt 30. 56. Vrolik 41. 211. Will 1. 2. 33. 58. 60. 70. 84. 94. 100. 103. 105. 114. 165. Wilson 22. 90. Zwicky, H. L. 186. ‚a IT, P ET % va Per Mi Rt re „e- Ben 3 u IN UN PN] Ans .iEk bau > i For bh här RL \ -. PD DE 1 IE # : a) 1 me is kon "2 er PER ; SE er Ka I RR ug ji j wartet ‚ot ine W N N ER LT 727 u h I #* ” 3a 4 u ‚claims Be. B ; a Gedruckt hei Sulına Sipe&uteld in Bora I 3 m Ueber einen dem Lepidosiren annectens ver- wandten Fisch von @uellimane; ß von % Dr. Wırn. Perees. Hierzu Taf. I-UI. In den Sümpfen von Quellimane lebt ein dem Lepidosiren anneetens des Gambia sehr ähnlicher Fisch. der von den Ein- Indo& plur. Mado@ genannt wird und eine Länge von ss erreicht. Er stimmt mit Lepidosiren und insbeson- dere mit dem Fisch des Gambia in der äussern Form, in den " Zähnen, im ganzen Skelet, in den kiemenlosen und kiemen- tragenden Kiemenbogen, in den Lungen, im Herzen, in allen übrigen Eingeweiden so völlig überein, dass man ihn für das- selbe Thier halten kann. In einigen andern Punkten weicht er aber theils von dem ab, was bisher von der Gattung Le- pidosiren bekannt war, theils von den bis jetzt bekannten Ei- genschaften der afrikanischen Art Lepidosiren anneetens ab. Von der 6 tung Lepidosiren überhaupt (soweit sie bekannt ist) entfernt er sich dureh die Existenz äusserer Kiemenfäden ausser den inneren Kiemen und durch den Besitz knorpe- = ssenstrallen am Rande ‚des langen Flossenstraliles, sowohl der Bauchflossen als Brustflossen. Von den bisher be- kannten Eigenschaften des Lepidosiren anneetens unterscheidet er sich durch Naslöcher, welche die Lippe durchbohren, und dareh Lippenknorpel, und stimmt darin mit der amerikani- Nüller's Archiv. 1815, 1 2 schen Art L. paradoxa. nach deren Beschreibung von Bi- schoff. Leicht kann er mit L. anneetens völlig identisch sein, wenn es sich heraussiellen sollte, dass der Fisch des Gambia’in den abweichenden Punkten, der Bildung der Flos- sen, der äussern Kiemenfäden, der Naslöcher, der Lippenknor- pel noch nicht vollständig bekannt wäre. Die Brust- und Bauchflossen besitzen den von der Haut überzogenen langen knorpeligen gegliederten Strahl, aber zu- gleich am untern Rande dieses einen von der Haut des Kör- pers gebildelen häuligen Saum, in welchem man schon, wenn man ihn gegen das Licht hält, eine sehr grosse Anzalıl feiner knorpeliger Flossenstrahlen erkennt. Sie fallen seitlich schief von dem Stamm der Flosse ab. Schneidel man die Haut auf, so sieht man. dass die secundären Flossenstrahlen Knorpel sind, welche ungegliedert und ungetheilt sind, mit der Basis nieht in den Knorpel des Haupistrahls übergehen, sondern nur daran gefügt sind, auch viel zahlreicher sind, als die Glieder des Haupfstrahles. Auf diese seeundären Flossenstrahlen legt sich noch ein feinerer Flosseubart, auch von der Haut bedeckt Der feinere Flossenbart besteht aus 2 Lagen von noch zahl- zablreichern Knorpelfäden, welche die Enden der secundären Flossenstrahlen zwischen sich nehmen. Diese äussersten Knor- pelfäden sind auch ungelheilt und ungegliedert und bestehen aus verklebten Fasern, wie der Flossenbart der Haifische. Die secundären Flossenstrahlen sind gewöhnliche Knorpel. Der Hauptstrahl der Brusiflosse ist in ganzer Länge mit den Nebenflossenstrahlen besetzt, welche gegen das Ende immer kürzer werden und an ‚dem breitesten Theil der Flosse nahe der Basis, bei ausgewachsenen Fischen von 2 Fuss Länge, eine Länge von 3 Linien haben. An den Bauchflossen ist das erste Drittel ohne Nebenstrahlen und ohne Hautsaum, der übrige Theil der Flosse ist mit ähnlichem Hautsaum und ähnlichen darin enthaltenen Knorpelstrahlen besetzt, der Saum ist nur schmäler als an der Brustflosse. Diese Flossen glei- chen also einer, von einem Stamm seitlich abfallenden Feder- 3 fahne und solehe Brusiflossen und Bauchflossen sind bis jetzt von keinem andern Fische bekannt. Die einzige Analogie dazu liefern die abgesonderten Rückenflossen des Polypterus bichir, welche aus einer Flossenstange und einer davon ausgehenden Flossenfahne bestehen. Aeussere Kiemenfäden sind 3 vorhanden, sie stehen über der Brustflosse, hinter dem Kiemenloch, alle 3 dicht überein- ander. Die beiden oberen sind gleich lang, nämlich gegen 4, der dritte untere ist kleiner, zuweilen sehr klein. Alle Exem- plare, die ausgewachsenen mit reifen Eiern im Eierstock so- wohl, als die jungen, haben diese Fäden. Exemplare von 1 und 2 Fuss Länge haben sie von ziemlich gleicher Länge, in den jün ern sind sie etwas dünner, in den ältern breiter. Diese Fäden sind immer einfach, nicht äslig, platt, am Ende zugesßitzt. Die vordere Fläche der Fäden ist von der ge- färbten Haut des Thieres gebildet, die hintere zeigt ein wei- ches, sammtarliges, ungelärbtes Ansehen. Die Gefässe ver- theilen sich auf der hinteren Seite federarlig. In der Miltel- linie der hinteren Fläche ist ein ungefiederler Streifen, gleich dem Schaft der Feder. Die Sitenfelder zeigen, mit dem Ver- grösserungsglase betrachtet, unzählige kurze, zottenartige Fä- den, welche auf der ganzen Breite dieser Felder aufsitzen Qrich bloss in einer Reihe) und nach aussen gerichtet sind. Sie sind so kurz, dass sie über den Seitenrand der Fäden nicht v ragen. Die innern Kiemen tragen keine Zotten, son- dern ihre. Blätter. sind quergefaltet. „ Zupdiesen äusseren Kiemenfäden gehen Arterien von den innern Kiemenarterien, und es gehen Venen von ihuen zu den innern Kiemenvenen zurück. Zuerst mögen aber die grössern Gefässe erwähnt werden. Das Herz besteht aus einer Kammer mit Bulbus arlerio- sus und. einer Vorkammer, Die Kammer ist durch einen Seh- nenfaden nach "rechts und unten an den Herzbeulel befestigt, sie hängt mit der Vorkammer durch eine einzige grosse Oell- nung zusammen, und diese Oeffaung wird oben von einer 1 * 4 halbmondförmigen. muskulösen Klappe, von unten durch eine quere Fleischlage der Kammer begrenzt, welche hier nach der Rückseite (gegen die Eintrillsstelle der Venen in die Vorkam- mer) an eine ansehnliche dicke, runde Knorpelplatte des Her- zens befesligt ist. Von diesem Knorpel läuft ein faltenarliger “ Fortsalz gekrümmt in die Rückwand des Vorhofes aus, wel- cher die Einmündung der Lungenvene in den Vorhof um- giebt. Von dem Knorpel geht auch eine Längsfalte ab, welche vorn bis auf die Alviovenlrieularklappe slösst; sie theilt den Vorhof unvollkommen in eine rechte und linke Abtheilung. In die rechte ergiesst sich der Stamm der Körpervenen, in die lioke der Stamm der Lungenvene. Da die genannnte Falte den Vorhof nur an der Rückseite seiner Höhle theilt, die Com- mupicalion des gemeinsamen Höhlentheils des Vorhofes mit der Kammer aber einfach ist, so ist der Vorhof insofern ein einfacher. In dem gekrümmten Bulbus arleriosus befindet sich die bekannte doppelte longitudinale, dicke und lange Klappe mit leichter schraubenförmiger Windung an den Wänden herlaufend. Es sind jeder Seits 6 knorpelige Kiemenbogen, der vor- derste und hinterste siod sehr dünn, zwischen den Bogen 5 Durchgänge. Ueber dem vordersten Bogen sitzt’ eine ein- fache Reihe Kiemenblätter an der Haut der vordern Wand der Kiemenhöhle. Der zweile und dritte Kiemenbogen 'sind kiemenlos, der vierte und fünfte tragen jeder eine doppelte Reihe von Kiemenblättern, welche bis zur Hälfte ihrer Höhe an eine häulige Scheidewand, Duplieatur der Schleimhaut an- gewachsen sind. Der sechste Kiemenbogen verhält sich wie der erste, über ihm sitzt eine halbe Kieme ‘oder einfache Reihe von Blättern an der hiutern Wand der Kiemenhöhle. „Das Ende des Bulbus wird durch die ee Ver- bindung der Ihe und kürzern Längsklappe in 2 Räume getheilt. Diesseits und jenseits des Bogens enter die Gefässstämme, diesseils ein Stamm für die erste Kieme und = oO die 2 kiemenlosen Aortenbogen, jenseils einer für die hinteren Kiemen. Jeder von beiden Stämmen Iheilt sich für seine Seite sogleich wieder, so dass 4 Arterienslämme gegen die Kiemen treten. Von den 4 Arterienslämmen, welche jederseits gegen die Kiemenbogen treten, gehen der erste und zweite in die kiemen- losen Kiemenbogen und bilden daran Aortenbogen bis unter den Schädel, wo sie zur Bildung der aorta descendens zusam- menfliessen. Der Arterienstamm für den zweiten Kiemenbo- gen giebt aber, ehe er auf diesen übergeht, noch die dünnere Kiemenarterie für die erste oder Halbkieme. Der Ast für die erste oder Halbkieme giebt wieder, ehe er diese erreicht, einen Ast nach vorwärls ab in die Muskeln und die Haut an der Unterseite des vordern Theils des Kopfes, eine Anomalie von dem Verhalten der Kiemenarterien anderer Fische, welche sich daraus erklärt, dass das Blut, welches aus der Herzkam- mer dieses Thieres kommt, schon zum Theil oxydirt ist, durch den von den Lungen kommenden Antheil des Venenbluts. Der Aortenbogen des zweiten Kiemenbogens oder erste Aortenbogen giebt, ehe er sich mit dem folgenden unter dem Schädel vereinigt, auch noch eine starke Arterie ab, die hin- tere Kopfarterie, carolis posterior; sie geht unter dem knor- peligen Seitentheil der Schädelbasis nach vorwärts, giebt einen starken Ast dureli die Oeflnung, aus welcher der dritte Ast des Trigeminus kommt, in den Schädel, und andere Zweige, die sich in den äusseren Theilen des Kopfes verbreiten, na- mentlich einen starken Ast nach aussen, welcher einen Zweig des Trigeminus begleitet. Der Aortenbogen des dritten Kiemenbogens oder der zweite Aortenbogen vereinigt sich unter dem Schädel mit dem Ende des vorhergehenden zur Wurzel der Aorta descendens ihrer Seite, welche aus einer rechten und linken Wurzel in der Mitte zusammengesetzt wird. Der Aortenbogen des dritten Kiemenbogens oder der zweite Aortenbogen giebt eine feine lange Arterie zu den äussern Kiemenfäden, die auf der Haut 6 des Körpers stehen. Dieser Ast geht aus dem oberen Theil des Aortenbogens ab. Der dritte von den 4 Arterienstämmen, die von dem tan- cus arteriosus für jede Seite abgehen, geht zum vierten Kie- menbogen, welcher eine Kieme träg!, und der vierte Stamm zum fünften Kiemenkogen, welcher ebenfalls kiementragend ist. Diese beiden Kiemenarterien verlaufen an ihren Kiemenbogen bis ans obere Ende ihrer Kiemen, sich allmählig verdünnend, und Aeste in ihre Kiemenblätter abgebend. Das dünn gewor- dene Ende eines jeden von beiden setz! sich dann bis unter die Haut des Körpers zu den äusseren Kiemenfäden fort, als Kiemenarterien der äussern Kiemenfäden. Die letzte Kieme, welche eine Halbkieme ist, bekömmt ihre Kiemenarterie nicht vom truncus arteriosus, sondern in umgekehrter Richtung von dem Ende des obern Theils der Kiemenarterie des vorlerge- henden Kiemenbogens. Daher verdünnen sich Kiemenarterie sowohl als Kiemenvene dieser Kieme, abweichend von den andern Kiemen, nicht in umgekehrter, sondern in ‚gleicher Richtung. Die Kiemenvenen liegen an den kiementragenden Kiemen- bogen bei den Kiemenarterien, die Arterie liegt über der Vene, sie fangen dünn an dem unteren Ende der Kiemen an und werden immer stärker gegen das obere Ende der Kiemen, Kie- menäsle aus den Kiemenblättern aufnehmend. Die Kiemen erhalten ihre Zweige nicht von Aortenbogen, sondern von 2 an jedem kiementragenden Bogen liegenden parallelen Gefäs- sen, der Kiemenarlerie und Kiemenvene des Bogens. Die Kiemenvene der allervordersten Kieme geht nicht zur Aorta, sondern, ohne sich mit den andern Stämmen zu verei- nigen, von dem oberen oder dorsalen Theil der Kieme ab nach einwärts, und verzweigt sich als carotis anlerior unter dem Kopf in einen äussern und innern Ast, wovon der letz- tere stärker ist und am Rande des os basilare in eine feine Oefinung des Knorpels Iretend, verschwindet. Die Kiemenvenen der drei lelzten Kiemen vereinigen 7 sich, aus dem obern oder dorsalen Ende ‚der Basian heraus- tretend, die hinterdig. mit der vorletzten, diese dann mit der vorhergehenden und ‚dieser Stamm der Kiemenvene vereinigt sich mit dem hinteren Aortabogen unter dem Schädel. Die Stämme der Kiemenvenen der ersten und zweiten der 3 letzten Kie- men nehmen auch die Venen von den 3 äussern Kiemenfä- den auf, Die Lungenarterie entspringt allein aus der linken Aor- tenwurzel. Sie läuft zuerst eine Strecke an der linken Seite des Schlundes herab, schlägt sich ‚dann an die untere Seite über den Schlund nach der rechten Seite und dann erst an die Rückseite des Schlundes zur Mitte zwischen beiden Lun- gen und theilt sich später. Im Ursprung unterscheidet sich die Lungenarterie, wie man sieht, nicht wesentlich von andern Körperarterien, die aus der Aorta Blut erhalten, und dies könnte es zweifelhaft machen, ob die Lungen des Lepidosiren wirklich Lungen sind; diese Natur wird aber bewiesen theils durch die directe Ein- mündung der Lungenvene ins Herz, theils und noch bestimm- ter, dass aus den Aesten des Iruncus arteriosus schon Körper- arterien entspringen, nämlich die oben angezeigten. Zwischen der Haulstelle des Körpers, wo die äussern Kiemenfäden sitzen, und den innern Kiemen ist eine geraume Strecke der hintern obern Wand der Kiemenhöhle. Nimmt man hier die Schleimhaut weg, so sieht man sogleich ‚die Ge- fässverbindungen zwischen den inneren und äusseren Kiemen. Es sind 5 dünne, gegen 8“ lange Stämmchen nahe bei ein- ander, 3 R' Arterien, 2 Venen der äusseren Kiemen. Die erste der Arterien entspringt aus dem zweilen Aor- tenbogen, die beiden andern sind Verlängerungen der Arterien der drittletzten und zweitleizten Kiemen über ihre Kiemen hinaus. Die beiden Venen ergiessen sich in die Kiemenvenen der drittletzten und zweitletzten Kiemen, wo diese eben aus ihren Kiemen hervorgetrelen sind. Die Blutkörperchen sind elliptisch und gegen 8 Mal so gross, als die des Menchen. Das Gehirn ist in den Abbildungen erläutert, desgleichen die Durchgänge des oplieus. des Trigeminus mit drei Aesten, wovon der erste und zweite an der Oberseite des Kopfknor- pels, der dritte Ast an der Unterseite desselben heraustrilt, des vagus. Letzterer giebt die Nerven der Kiemen, den ramus pneumogastricus, den Seitennerven und einen Haulast, ramus oceipitalis. Von letzterem entspringen die Nerven der äusse- ren Kiemenfäden. Eine ausführliche Beschreibung der Nerven, die ohne die Beschreibung der Muskeln nicht verständlich sein würde, mag bis zu einer späler zu liefernden anatomischen Monographie verschoben werden. Von den Sinnesorganen ist noch zu erwähnen, dass die Augen vier gerade Augenmuskeln besitzen, sie liegen in einem häutigen, am Schädel befestigten Trichter, der die orbita ersetzt. Vor der Stimmritze liegt, in der untern Wand des Schlun- des verwachsen mit der Schleimhaut des Schlundes, eine läng- lich viereckige, weisse, faserknorpelige Platte, von dieser ent- springen die Muskeln, welche die Stimmrilze seitlich einfas- sen. Die weite häutige Luftröhre wendet sich von der Unter- seite des Schlundes um die rechte Seite der Speiseröhre nach deren oberer Seite, um zu den unter dem Rückgrath gelege- nen Lungen zu gelangen. Diese reichen vom Anfang bis ans Ende der Bauchhöhle. Die Milz der Lepidosiren war bis jetzt nieht gesehen und vermisst worden. Sie ist ziemlich lang und liegt hinter dem Magen und Anfang des Darms etwas naclhı rechts, ist aber von dem peritoneum des tractus intestinalis mit bedeckt und daher verhüllt. Am Klappendarm liegt unter dem peritoneum auch eine Schicht schwarzes Pigment. Die weiblichen Geschlechtstheile sind bekannt, die Hoden der Männchen haben einen gewundenen Ausführungsgang am äussern hintern Rande der Hoden. b) Die einseitige Oeflnung der Cloake liegt nicht constant auf derselben Seite, sondern bei verschiedenen Individuen bald auf der einen, bald auf der andern. Die Zusammensetzung des Schädels ist in den Abbildun- - gen erläutert.. Der von einer zur andern Seite reichende Kno- chenbogen, Kiefergaumenbogen, welcher die Zwischenkiefer, Oberkiefer, Gaumenbeine und pterygoidea zugleich vertritt, entwickelt an seinem mittlern Theil den bekannten Zahnfort- salz, ‘der mit einer dünnen Lage Schmelz bedeckt ist. Die Struclur des Kuochens, von welehem er ohne Grenze ausgeht, geht in die Structur des Zahnforlsatzes über, wie man an ei- nem feinen Schliff unter dem Mikroskop sieht. Die starken Markeanäle des Knochens setzen sich oline Unterbrechung in den diehtern Zahnfortsatz fort, verzweigen sich aber hier fei- ner und zuletzt in dem dichtesten Theil nahe der Oberfläche äusserst fein, bis sich die zartesten Zweige in ein nur bei den starken Vergrösserungen sichtbares, äusserst feines Netzwerk auflösen. Die beiden kleinen besondern Zähne, welche lose vor dem grossen Zahnfortsatz des Kieferbogens stehen, sind als Labialzähne anzusehen. Sie silzen beweglich auf dem vor- dern Ende eines Knorpelstücks auf, welches über dem Kiefer- bogen an der unteren Fläche des os elhmoideum liegt und die Fortsetzung des knorpeligen Vomer ist. Dieses Knorpelstück läuft nach beiden Seiten in die Nasencapseln aus, ohne Unter- brechung. Es ist weder nöthig, noch möglich, diesen beiden Zähnen ein Verhältniss zu einem sonst Zähne tragenden Kno- chen der Thiere anzuweisen. Da die Zähne der Fische primi- tiv gar nicht den Knochen augehören, sondern von der Schleim- baut aus an die Kieferknochen, Gaumenbeine, pterygoidea, Vomer und selbst den Keilbeinkörper anwachsen, oder auch nicht anwachsen, so kann es auch Zähne geben, welche nicht einmal den Knochen entsprechen, wie die Labialzähne der Petromyzon uud die Mundschleimhautzähne des Bagrus geni- dens u. a. 10 Die Chorda besteht, wie gewöhnlich, aus einer Scheide und einem sehr zarten markigen Inhalt. Die dicke Scheide besteht ‘ganz aus querlaufenden Fasern, wie bei den Cy- elostomen und Stören. Der Chordeninhalt besteht aus s lang- gestrecklen Zellen, welche sich an den Enden in Fasenn, zer- spliltern. Auf den pröcessus spinosi sitzen unmittelbar die aus mehreren Stücken gegliederten ossa superspinalia. Die Flossenstrablen der verticalen Flossen sind unverzweigt, un- gegliedert, viel zahlreicher als die ossa superspinalia und ste- hen daher sowohl über den Interstitien der letztern, als über den Enden derselben. Diese Strahlen bestehen aus verkleb- ten Knorpelfasern, sind ohne Artieulation, hier und K. aber in Knötchen verknöchert, an diesen Stellen Ptzen? sie strahlige Knochenkörperchen, sonst sind sie überall nur faserig, aber steif. Die ossa superspinalia haben eine knöcherne Rinde, in- wendig bestehen sie aus zelligem Knorpel. Die Strahlen der Rückenflosse bilden übrigens zwei Reihen, eine „rechte und eine linke, immer liegen zwei nebeneinander. Die Schuppen liegen in häuligen Capseln und sind dach- ziegelförmig. Ihr Bau ist bekannt. Die Farbe des Thiers ist bräunlich, unten gelb, mit brau- nen oder schwarzen Flecken. Das Thier von Quellimane lebt während der trocknen Jahreszeit in der Erde in einer Hülle von Blättern. Die Fischnatur desselben wird begründet durch die Be- schaffenheit der Wirbelsäule, durch die Strahlen der verticalen und horizontalen Flossen, durch die Lage der Harnblase, die Spiralklappe des Darms, den Mangel des pancreas, das Ge- hörorgan ohne Fenster, die Zahl der Gehirnnerven, durch die um" Nasencapseln, Lippenknorpel, durch die Suspension des Schul- tergürtels am Schädel, durch die Kiemendeckelknochen, durch die Seitenlinie und die Schleimcanäle. Sollten die bei diesem Thiere gefundenen neuen Thalsa- chen bei Lepidosiren wirklich fehlen, was kaum wahrschein- lich ist, so wäre es Typus einer neuen Gallung Rhinoeryplis 11 Pet.. und könnte Rh. amphibia heissen. Sonst würde es ohne Zweifel mit Lepidosiren auneelens identisch sein. ') Erklärung der Abbildungen Taf. I—Ill. Tafel I. Figur 1. Vorderer Theil des Thieres mit den äusseren Kie- menfäden und den Brusiflossen. Figur 2. Bauchflossen dssselben, Figur 3. Schematische Darstellung der Kiemengefässe: l Erster Ast des truncus arteriosus. Y‘ Vorderer Ast, theilt sich in die Arteria submaxillaris Ia und die Kiemenarterie Ib. 1? Erster Aortenbogen, Fortsetzung von I, daraus I? die ca- rotis post., c,c äussere Äeste derselben, ec‘ innerer Ast dringt in den Schädel bei 3 Taf. Il. Fig. 3. Il Zweiter Aortenbogen, giebt ab |‘ die Arterie zu den äus sern Kiemenfäden, 4) Anmerkung des Herausgebers. Exemplare des Tbieres verschiedenen Alters sind in der zweiten Naturaliensendung des Dr. Peters hier angelangt, Die vorsichenden Nachrichten, wovon ein Auszug der Akademie der Wissenschaften zu Berlin am 5. December v. J. mitgetheilt und in dem Monatsbericht der Akademie abgedruckt ist, sind hauptsächlich aus den brieflichen Mittheilungen und Abbil- dungen von Peters (vom Juni 1844 aus Quellimane) zusammenge- stellt, einiges minder wesentliche Detail nach der von ihm eingesand- ten Injection und nach der Untersuchung der andern eingesandten Exemplare ergänzt. Es scheint mir kaum zweifelhaft, dass bei wei- terer Untersuchung des Lepidosiren annectens sich das noch finden wird, was jetzt noch fehlt. Dass dieser äussere Kiemenfäden hat, wird schon jetzt gewiss, Denn Jardine hat neuerlich in den An- nals of nat. hist. T,. VII. p. 24. von dem Thiere des Gambia Fort- sätze über der Brustflosse beschrieben und abgebildet, welche nichts anders als die äussern Kiemen sind. Er hat sie verkannt und für accessorische Flossenstrahlen gehalten. Ferner frägl sich nun, ob Lepidosiren paradoxa auch Flossen wie das Thier von Quellimane hat, was auch schwer zu bezweifeln, und ob auch hier äussere Kie- menfäden vorhanden sind. Davon wird es abhängen, ob diese sonst so ganz übereinstimmenden Thiere zusammengehören oder der von Owen früher vorgeschlagene, dann von ihm aufgegebene Gattungs- name Protopterus (Pr, anguillaris) für das Thier vom Gambia wieder herzustellen ist oder nicht. 12 Il Kiemenarterie der ersten der 3 hintern Kiemen, welche sich über die Kiemen hinaus verlängert als II, Arterie zu den äussern Kiemenfäden. IV Kiemenarlerie zur zweitletzten Kieme. giebt ab die Kie- menarterie der letzten Kieme IV’ und eine Arterie zu den äussern Kiemenfäden IV”, A Kiemenvene der ersten Kieme, verwandelt sich in die ca- rolis anterior, A’ innerer Ast, driugt bei 4 Taf. I]. Fig. 3. in den Knorpel ein, A? äusserer Ast. B, C, D Kiemenvenen der 3 letzten Kiemen, B und © neh- men die Kiemenvenen der äussern Kiemenfäden B‘ und C auf. E Arteria pulmonalis. s j FE Aortawurzel, Ka G Aorta descendens. y Tafel II. Figur 1. 2. 3. Schädel von oben, von der Seite, von unten: a Ethmoideum. 5 Frontale inel, frontale post. e Parietale. d Basilare, d’ knorpeliger Vomer. e Occipitale laterale, auf der Aussenfläche knorpelig, inwendig knöchern. e‘ Bogen des ersten Halswirbels, schliesst sich innigst an das Hinterhaupt an. Die beiden Schenkel des Bogens legen sich unter dem Rükenmark und über dem Ende der Chorda aneinander. / Koorpeliger oberer Seitentheil des Schädels. f‘ Kuorpeliger unterer Seitentheil des Schädels. 2 Quadratbein. 8‘ Knorpeliger Gelenkkopf für den Unterkiefer, h Gaumenkieferbogen, ein einziger Knochen vom rechten bis linken Unterkiefergelenk, In der Mitte verwandelt er sich in die Kieferzahnmasse i. i‘ Labialzähne. 7%: Nasenknorpel, %’ Fortsatz desselben, der sich nach unten zwischen das vordere und hintere Nasloch schlägt. 2 Vorderer Oberlippenknorpel, endigt hinter dem hintern Nasloch. ” Hinterer Oberkppenknorpel, sein befestigter Theil verläuft an der Seite des Schädels bis zum knorpeligen Seitentheil desselben. U Untere Lippenknorpel, U‘ unpaariger, (I? paariger vorderer, U® paariger hinterer. m Unterkiefer, m‘ mit Schmelz belegter Zahntheil des Unter- kiefers, m” os angulare des Unterkiefers. rn Zungenbein, unter dem knorpeligen Schläfentheil des Schä- dels befestigt, auch mit dem obern Kiemendeckelknochen durch Band verbunden. o, o' Kiemendeckelstücke. p Eigenthümlicher Knochen in einer Gelenkgrube, wo der koor- pelige Schädel, das os oceipit. lat. und basilare zusammenstlossen, eingelenkt, Er sieht nach rückwärts abwärts, liegt im Fleisch _ 15 und steht durch Muskeln und fibröse Haut auch mil dem Schul tergürtel in Verbindung. Er scheint dem eigenthümlichen Kno- chen der Batrachus vom Hinterhaupt zum Sehultergürtel zu ent- sprechen. — " p‘ Superscapulare, ein kleines davor liegendes Knochenstück zur Suspension‘ des Schultergürtels, am Schädel seitlich dureh Band- massegbefestigt, und wieder durch Band dem Schultergürtel q ver- bund N ehahergeıcı, auf jeder Seite ein Knochen, beide unten in der Dlitte zusammenstossend. Dieser’ Knochen scheint clavieula und scapula zusammen vorzustellen, wie bei andern Fischen, - ” Wurzel der Extremität, s Glieder derselben, £ Secundäre Strahlen. . x Hintere ausgehöhlte Facelte der basis eranii, worin das Ende der Chorda aulgenommen wird, die Facetle wird nach oben vom oecipitale laterale begrenzt, 1° Wo der nery. opticus eine häulige Stelle des Schädels vor dem Schläfenbein durchbricht, 1 Durchgang für den 1. Ast des Trigeminns. 2 Durchgang für den I. Ast des Trigeminus, 3 Durchgang für den III, Ast des Trigeminus und Carotis post, 4 Kleine Oeffnung für die carotis anl. von der erste Kieme. 5 Durchgang für den vagus. Figur 4. Nasenknorpel beider Seiten, im Zusammenhang mit der mittleren sie verbindenden Koorpelmasse, woran vorn die 2 La- iegt das Ethmoideum. 7 bialzähne ; sitzen, über dem mittleren Theil li Figur 5. Untere Lippenkoorpel besonders. Tafel Il. Figur 4. Kopf von unten. « Vordere Nasöffnung, sichtbar bei geschlossenem Maul, igur 2. „Gaumenseite des Mauls. «& Vordere, 1 hintere Nas- öffnung der einen Seite, Nasenknorpel der andern Seite, %‘ Nasen- höhle aufgeschnilten, 2 Lippenknorpel, q’ Vomer, A Gaumenkieferbein, i Zahnfortsatz desselben, i' Labialzähne, Figur 3. a, Blutkörperchen des Lepidosiren , verglichen mit 5 Blutkörperchen. des I enschen. "Figur 4, -Mikeoskopische Ansicht von einem feinen Schliff des rend. | igu Rü« ines äussern Kiemenfadens mit den feder- R "5a. Die Zotten abgelöst bei stärker Ver- 14 4 Nervus olfaclorius. 2 N. optieus. 3 N. trigeminus. 4 N. acustieus. . ”, “r Pr 4 5N vagus. o a 4 _ Figur 8 Binstlone zergliedert, a Glieder des) Hauptstrahls. 5 Secundäre Flossenstrahlen: c Tertiäre Knorpelfäden, sie.sind dop- pelt rechter und linker Seite, die eine Hällte ist weggenommen. - Figur 8*. Durchschnitt Brustllosse. a Durchschnitt des Haupisi ahls. 5 Secundärer | - _e,c Doppelte tertiäre St : Figur 9. Verbindung der Rückenflosse mit den irbeln. «fikore. a' Höhle derselben. 5 Rippenartige knöcherne Fortsätze en befestigt. c Bogenstücke. c’ Canal für Rücken- mark. .d Os spinosum. e,,f Superspinosa. & Flossenstr: rech- ter und linker Seite. ! Figur 9*. Seitenansicht. r Figur 10. Ein Stück einer Schuppe vergrössert. ®.:@ Ueber die kinmündung, e eines Lymphaderstam- mes in die linke Vena : anonymaz; Bra das 0. RL Kon yon 3 Parnunan, K. K. Pr ) essor. der Kanone ch Innsbruck. Hierzu Tefa ıv IV. Lymphgefässsystems des Menschen widmele, ne die hier- orlige anatomische An mil tauglichen und instruktiven Präparaten | dieses b) ‚stems rudarken wendete ich unter an- dern meine volle neu auf den fraglichen Ueber- gang der Lymphadern. in en, s em indem ich es nie unterliess, bei dem bald ngsam ellen Uebertritt des Quecksilbers allsogleich® n ER, 5 und wie diese irrung des Metalles Statt eeogn, es. ‚ist mir "aber so we- , als me gelungen, ERR. eutlich. ‚durch anatomische Pain Punkt nach: isen, an. welchem‘ ‚die Einver- leibung von Lymphadern i in hen geschehen; gar oft füllten sich, ohne dass die Se im Fohmann’schen Cy- linder (d ich” mich zur Erfüllung dieses Systems meist bediene) plö ali fiel, zugleich mit den vasis efferentibus ei- ner oder mehrerer Lymphdrüsen einzelne, austretende Blut- rr was vorzüglich bei een Gekrös-, Intercostal und Idrüsen einige Mal sich ereignete, und ich konnte selbst bei der genauesten und sorgfältigst angestellten Nach- Indem ich dieseh Ri vorzüglich, der Bearbeitung des 16 suchung keine Spur von Extlravasalion in oder um die beiref- fenden Lymphaderplexus auffinden, so, dass ich durch diese so oft gemachte Erfahrung fast verleitet wurde, mit Hew- son, Fohmann, Ph. Meckel., Lippi und Anderen einen solchen Uebergang innerhalb der Lymphdrüsen anzuneh- men, um so mehr, da ich diese Erfahrung so oft bei gesun- dem Verhalten der Lymphadern und bei den mannigfalligst abgeänderten Injeetionsmelhoden gemacht habe, ja N der Meinung, dass vielleicht manche der einzelnen Drüse ngrup- pen vorzugsweise diese Einrichtung besilzen, da z. B. der Uebergang bei den Gekrösdrüsen des Jejunum der zweiten Reihe sich bei weitem öfter zeigte, als bei denen der ersten oder drilten. Allerdings kann über diesen so wichtigen Punkt so lange nicht mit Bestimmtheit entschieden werden, als nicht auf andere Art, als durch Erfüllung mit Merkur, dieser Ge- genstand aufgeklärt sein„wird. Als ich im August 1842 in Leipzig die hochgeehrten Herren Gebrüder E. und ‚BE. I. Weber, besuchte, halte der Herr. Prosector Dr. BE. Weber die Güte, mir ein Iveflliches Präparat zu zeigen, an dem vom Beckensaugader - Gellechte aus sämmtliche Lympbader- plexus der Bauch- und Brusthöhle sammt dem Duetus tho- racicus und den. benachbarten Venen mit kaller Injehfions: masse vollkommen erfüllt waren, und es dürfte die Benutzung dieser von Herrn Professor E. H. Weber zuerst angegebenen Einspritzungsmaterie a; namentlich bei Bearbeitung des Lymph- adersystems, treffliche Dienste leisten. Ich bemühe mieh nun schon seit längerer Zeit, die vasa inferentia einen er drüsen mit verschiedenen Materien geeignet einzusprilzen, und + a Lx 4). Ich bediene mich schon seit längerer Zeit der nach A. Yen Angabe bereiteten kalten Masse @. Lauth’s Handbuch der prakt. Anat. 2. B. p- 476); obwohl für manche Zwecke auch die‘ von Shaw (in dessen Anleitung zur Anatomie. Nach der 3. Ausgabe aus dem Engl. übersetzt, Weimar 1823. p. 461.), Nitzsch, Er Weber und Retzius verschieden modificiıten Injectionsmaterien zu kalten Einspritzungen sehr brauchbar sind. 17 und habe eine Reihe derarliger Injeetionen, die ich mit Leim-, Hausenblasen-, Harz-, Wachs-, Dextrin-Massen gemacht halte, vor mir, ohne jedoch ein nützliches Resultat erzielt zu haben; so eben bin ich nun mit den Versuchen beschäfligt, kalte Mas- ‚sen zu diesem Zwecke zu verwenden; und werde alle mög- liche Aufmerksamkeit darauf verwenden, mit zweierlei gefärb- ten derartigen Injeetionsmalerien die einführenden Gefässe der Lymphdrüsen, und die nächst anliegenden Venen, die theils klappenlos sind, theils, trotz der hie und da stehenden Klap- e ganz’ leicht vom Stamme gegen die ugleich zu erfüllen, um auf diese Art pen, dennoch die Zweige zu aufn die erwünschte Aufl lärung zu finden; ich werde nicht erman- geln, über diese Untersuchungen dann genau in diesen Blät- tern Bericht zu erstatten. Ich widmete von 11 Leichen vier zur Präparation der Hauptstämme des aufsaugenden Systems, an denen diese bis zur Einmündung in die Venae jugulares internae und sub- claviae der linken, wie der rechten Seite dargestellt wurden; als ich nun am 27. März v. J. die Injection der Venenstämme an der oberen Brust-Aperlur mit gewöhnlicher Wachsmasse gemacht. und auch den Milchbrustgang vom I1ten Rücken- wirbel an mit Harzmasse erfüllt hatte, verrichtete ich die Ein- sprilzung der Saugadern des Plexus Iymphalicus axillaris, ju- gularis inferior, so wie der Lymphadern des Herzens und der linken Lunge, da die rechte im ganzen Umfange zellicht- fbrös der Brustwand adhärirte; an diesem Objecte fanden sich nun, ausser der am gewöhnlichen Orte Statt findenden Einmündung des Milchbrustganges, am Vereinigungswinkel der linken Dros- sel- und Schlüssel - Blutadern zur linken ungenannten Vene linkerseits noch zwei Iymphstämme, von denen der eine aus dem linken untern Drosselgeflecht, der andere aus dem linken Achselgeflechte sich in die nahen cardinalen Venenstämme ein- s n '); an der rechten Körperhälfte mündeten auf ziem 1) Vide Taf, IV. T und U. Müller's Archiv. 1845. 2 18 lich symmetrische Weise ebenfalls zwei Hauplstämme in die Jugular- und Sehlüsselbein-Vene !). Da die Erfüllung der Saugadern des plexus jugularis inferior an dieser Seite nicht ganz vollständig gelang, so blieb es zweifelhaft, ob nicht den- noch ein oder der andere Stamm der aus den Lymphaderge-. flechten austretenden Gefässe unerfüllt geblieben; allein die genaueste Nachforschung zeigle keine weiteren Einmündungen von Saugaderstämmen in Venen. Ich muss hier zugleich an- führen, dass ich beinahe bei jeder Präparation dieser Partieen diese Hauptstämme fand, ja nicht selten noch mehrere; womit auch die Erfahrungen von Ph. Meckel, W. Cruikshank, P. Mascagni, ©. F. Ludwig, Lauth übereinstimmen. Bei Erfüllung der oberflächlichen Saugadern an der äus- seren Oberfläche der linken Lunge zeigten sich in Kurzem einzelne Drüsen des Bronchial- und Mediastinal-Saugadernetzes eingespritzt, und um die Injeelion vollständiger auszuführen, band ich den Stahl-Tubulus an ein fast 1 Linie W. M. hal- tendes einführendes Lymphgefäss; plötzlich zeigte sich, dass eine Schicht Merkur zwischen der vorderen Gefässwand der Vena anonyma sinistra und der im Innern enthaltenen Injec- tionsmasse sich ausbreitete, welche allmählig nach aufwärts ge- gen die linke innere Drosselvene und nach abwärts gegen die obere llohlvene sich ergoss; in der festen Meinung, dass das Quecksilber innerhalb einer Drüse in die Venen über- gegangen, sperrte ich sogleich den Hahn des Rohres und suchte die Stelle des Ueberganges auf; indess konnte ich bei der sorgfältigsten Eutwicklung der eingesprilzten Drüsen nirgends eine Spur des erfolgten Uebertrilies ausmittelo; als ich nun die letzten Vasa eflerentia lüftete, stiess ich auf einen Haupt- stamm, der aus 5 Drüsen die ausführenden Gefässe sammelnd hinter der linken Arteria subelavia aufsteigend, sich in den schnabelähnlich verengten Endtheil des Milchbrustganges-£Li- nien weit vor dessen Einsenkung entleerte (s. Taf. IV. a, a, a 1) Vide Tafel IV. BR. und S. 19 bei 0*). zugleich aber auch auf einen fast eben so mächti- gen Stamm, welcher aus einer schr grossen Bronehialdrüse sich entwiekelnd. nach einem Zuge von fast $ W, Zoll, die Vena anonyma sinistra aufsuchte. und sieh in selbe ergoss (s. Taf. IV. X, Y. Z. b). Es könnte leicht entgegnet werden. dass dieses Gefäss (b) dennoch eine aus dem Innern des Geflechtes kommende Vene sei; allein jedermann, welcher sich nur einige Mal mil der Bearbeilung des Saugadersystems beschäftigt hat, dürfte wohl auf den ersten Blick die mit Mer- kur sich füllenden Venen von Lymphadern unterscheiden. Die schlichte, gleichmässig eylindrische Form, die dendritische Verzweigung. so wie der Inhalt eharakterisiren derlei kleinere Blutadern hinlänglich, da gleich slarke Saugadern einen kno- tig, fast herzähnlich unterbrochenen Verlauf (von der eigen- thömlichen Stellung der Klappen herzuleilen), seltene Spaltung in höchst sparsame Aesle zeigen; mein geehrter Herr College. Prof. Dr. Ulrich, der bei der Injection der Lymphgefässe sehr oft die Güle halle, mir zu assisliren, unterschied gleich- falls auf der Stelle jenes Gefäss als Lymphader. Das Präparat wurde nochmals vorgenommen; und bei ei- nem zweiten Versuche, wobei der Tubulus einem andern vas inferens adaptirt wurde, ergoss sich abermals das Quecksilber durch diesen Lymphgang in die Vena anonyma sinistra, er- füllte aber in Einem sämmtliche nah gelegenen Lymphdrüsen strotzend, ohne dass eine einzige kleine austretende Vene injieirt worden war. Nachdem durch die ausge- zeichneten Arbeiten .eines M. Hall, J. Müller, Panizza, Lauth und Hyrtl die Vebergänge von Lymphaderstämmen in verschiedene Venenbezirke bei Vögeln, Amphibien und Fi- schen bekannt geworden sind, dürften ähnliche Einmündungen | am menschlichen Körper nicht als heterogen erscheinen; man- che Beobachtungen des trefllichen Fohmann, so wie der höchst interessante von Prof. ©. G. Wutzer in diesem Ar- ehiv (Jahrgang 1834) mitgetheilte Fall deuten wohl sehr dar- auf hin. 9% 20 Die Abbildung (Taf. IV.) wurde naclı dem frischen Präpa- rate enlnommen; die vasa in- und efferentia nur schematisch angezeigt; das Präparat, welches später getrocknet wurde, be- findet sich in der hiesigen anatomischen Colleelion, und steht jedem wissenschaftlichen Forscher zur näheren Prüfung bereit Kupfererklärung. R Tafel IV. A. B. C., 5. 6.7. Rückenwirbelkörper. D. E. Zwischenwirbelknorpel. F. Stamm der vena cava descendens. G. Vena anonyma dextra. H. Vena anonyma sivistra. I. Vena subelavia dextra, K. Vena subelavia sinistra. L. Vena jugularis int, dextra. M. Vena jugularis int, sinistra, N. Der Bogen der Vena azygos. O. Ein Stück der V. hemiazygos. P. Uebertritt der letzteren in die erstere. . Ductus thoracicus. ‘. Bulböse Anschwellung nahe an der Eiomündung desselben, R. Rechter Saugaderstamm, von einigen Achseldrüsen aus erfüllt. S. Ein ähnlicher Stamm, vom untern Drosselgellecht ausführend. T. Ein Lymphaderstamm aus dem linken Achselgeflecht. U. Ein ähnlicher vom linken Plexus jugularis inf, W. Eine grosse Bronchialdrüse, aus welcher ein mächtiger Lymphstamm a, a, a, in den Ductus thoracieus einläuft. Eine zweite ähnliche Lymphdrüse. Y. Mehrere dieselbe aufsuchende Vasa inferentia. Z. Einzelne vasa efferentia zum Plexus mediastini post. b. Der aus dem plexus bronchialis hervorziehende Lymphstamm mit seiner Einmündung in die nahe Vena anonyma sin. Beobachtung einer Theilung des duetus thoraciecus; von Pror. SvITZER in Copenhagen. Hierzu Taf. V. Fig. 1. Die Beobachtung, welche ich mitzuthcilen babe, betrifft den Lymph- Brustgang einer menschlichen Leiche. Der ductus thoracieus fängt, wie gewöhnlich, auf dem ersten Lenden- wirbel an, und geht bis zum 4iten Rückenwirbel (d) ein- fach in die Höhe. Hier giebt er einen Ast ab (e), der dicker ist als der ductus thoraeicus selbst. Dieser läuft vor der aorla pectoralis, biegt sich dann hinter diese Schlagader, geht über den Körper des ilten und 1Nten Wirbels, schlingt sich um die vena azygos (f) und unter einem geraden Winkel mün- det er sich in den ductus !horacicus ein. Erklärung der Abbildung. Tafel V. Figur 1. . Körper der Wirbel. . Kopf der Rippen. . Aorta, . Vena azygos. Ductus thoracicus. . Theilung desselben. Schlinge um die Aorta. f. Schlinge um die vena azygos. sprap» u a Beschreibung einer Missgeburt mit vollständiger Wirbelspalte und einem Darmbruche in der Rückgrathshöhle; von Dr. C. E. Levy. Professor der Geburtshülfe in Copenhagen, Hierza Taf. V. Fig. 2. und Taf. VI. Eine Bauernfrau in der Umgegend von Ringsted auf See- land, Mutter mehrerer wohlgebildeter und rüstiger Kinder, hatte während der letzten Schwangerschaft keine auflallende Kränklichkeit erlitten und glaubte noch nicht völlig ausgetra- gen zu haben, als sie Anfangs October 1842, nachdem sie während dreier Tage keine Fruchtbewegungen gespürt hatte, Geburtsschmerzen fühlte, die binnen kurzer Zeit den Mutter- mund thalergross erweiterten, worauf der Wassersprung mit Entleerung einer überaus grossen Menge Fruchtwasser und einiger Blutklumpen eintrat. Hierdurch, so wie durch das vorliegende Gesicht des Kindes, fühlte die Hebamme sich be- wogen, den Arzt, meinen verehrten Freund, Dr. Hahn, her- beiholen zu lassen, der später die Fusswendung und Extraetion des Kindes mit grosser Leichtigkeit vornahm, und mir nach- her das geborne Monstrum zur näheren Untersuchung gütigst zuschickte. Das Kind, das nirgends Spuren der Fäulniss darbot, ist weiblichen Geschlechts mit völlig entwickelten äusseren Ge- schlechtsthejlen. Der Körper und die ganz normalen Extre- 23 mitälen scheinen wohlgenährt und der Reife ziemlich nahe entwickelt; die Schulterbreite beträgt über 4% Zoll; die Länge des Kindes von der Fusssohle bis zum Supraorbitalrand. als dem höchsten Punkt 13%”. Sieht mau das Kind von vorn an, ist die Stellung des hemiacephalischen Kopfes am meisten auf- fallend, indem er mit der Gesichtsfläche völlig nach oben und sehief zur linken Seite gekehrl. wegen Mangel des Halses den Schultern unmittelbar aufzusitzen scheint. Das Gesicht selbst ist links verzogen, und sowohl Mund als Nase durch eine Ha: senscharle und Gaumenspalte linker Seite defigurirt. An der Hinterfläche des Kindes bemerkt man, dass ungefähr 3 Zoll hinter dem Supraorbitalbogen die normale Stirnhaut in einen dunkelrother, dünnhäutigen, eollabirten und nach hinten und unten weit geöffnelen Sack übergeht, der, fast 24 Zoll „breit, über 13 Zoll herabhängt, an den unterliegenden Knochen I" i- nur schwach adhärirt. Diese, allem Anschein nach r ana Sackhaı ut ist innerlich mit einer dünnen Schicht einer ei nguinolenten Masse bekleidet; selbst aber ist a Haut durchsichlig, einer serösen Membran am ähnlichsten. nterhalb dieses Buck ip gleichsam als dessen Fort- zung, $ ! wan eine düu öthlich durchscheinende Mem der Stelle der mittleren Rückenhaut sich bis zur Lendenregion herabstrecken, von der umliegenden normalen Haut scharf begrenzt, dennoch aber unmittelbar in diese über- gehend. Der UVebergang ist seitwärts durch zwei schwach con- vergirende, und nach unten zu oberhalb des Kreuzbeins durch eine schmale Bogenlinie markirt; und gleich ausserhalb der obern Hälfte der Seitenlinien ist die normale Haut mit einer Längenreihe langer dunkler Haare besetzt, wodurch der Ueber- gang um so slärker auffällt. Weiter war beim äusseren Anblick nichts Auffallendes; in der Nabelschnur verhiellen die Gefässe sich normal. Die innere Untersuchung fingen wir mit einer Längen- spallung der röthlichen durchscheinenden Rückenmembran an, die, wie es sich erwarten liess, die hintere Wand des, seiner 24 ganzen Länge nach oflenen Wirbelcanals ausmacht. Die Oefl- nung. ist hier aber so. bedeutend, dass die Bogentheile der Wirbel überall sei zu mangeln scheinen. Die ge- öffnete Membran "hat an hrer Innenfläche ganz das Aussehen einer glatten serösen Haut und bekleidet als solche auch die vordere Canalwand; vom Rückenmark selbst ist keine Spur vorhanden; die Fibrillen aber der meisten Spinalnerven findet man zu beiden Seiten, theils frei flottirend, theils der serösen Haut angeheftet. Wo nach unten in der Nähe der letzten Lendenwirbel die normale Haut wieder anfängt, ist auch der offene Wirbelcanal noch durch eine fibröse Bekleidung nach hinten gedeckt. ä „Im. obersten tiefer liegenden Theil der Spinalhöhle, wo sich dem monströsen Kopfe nähert, liegt ein % Zoll nd 3 Zoll breiter, überall sesthlössenen) Autinkäntiger Höhle dar, die eine leicht angewachsene Darm ge e und, wie es sich beim 2 zeigte, durch eine ii verborgene, länglicht ovale Oeffnung mit der rec höhle communieirt. — Wo sich nach oben die äusser häutige Bekleidung der Rückgrathshöhle an "den knöchernen Kopftheilen zu verlieren scheint, zeigt sich eine runde, erb- sengrosse, durchscheigende Blase, die mit einem dünneren Stiel aus einer länglichen Knochenspalte hervorragt; geöffnet ent- leerte sie eine klare wässerichte Flüssigkeit, und eine‘ feine Sonde drang mit Leichtigkeit von hier aus in die Pharynx hinein, so dass die Blase als ein kleines diverticulum pharyngis zu. betrachten ist. — Begierig, dem Verhältniss der innern Ein- geweide nachzuforschen, gingen wir zur Untersuchung der Bauch - .d Brusthöhle über. _ y Im Unterleib war die Grösse der Leber gleich auffallend; noch mehr aber der-Mangel des Magens, der Milz und des Dünndarms. Von dem Darmkanal war nämlich nur das nor- 25 male Rectum, $. Romanum, Colon descendens und ein Theil des ransversum zu finden, welche durch eine Oefinung am Dia- phragma sich in den übrigen, in der Brusthöhle gelegenen Theil des Darmkanals fortsetzten. Die überaus grosse Leber war normaler Bildung; nur ging vom hintern Rande nach links hin ein kleiner Lappen aus, der, wie ein tuberculum papillare geformt, sich durchs Diaphragma zum Theil in die linke Brust- höhle hineinstreckte. An den Lebergefässen war nichts Norm- widriges zu entdecken; der ductus choledochus stieg in bogen- förmiger Richtung nach hinten und rechts hinauf und mündete in einen geschlossenen, gleich oberhalb der Diaphragmaöffnung gelegenen Darm, der, wie es sich später zeigte, das unterste Ende des in der rechten Brusthöhle enthaltenen Magens aus- machte. Längs der unteren Leberfläche, doch ohne Zusammenhang mit dieser, sah man einen dünnen Strang, der neben der Na- belvene zum Nabel hin verlief und, genauer untersucht, für eine Arteria omphalomeseraica gehalten werden musste. Vom Nabel nämlich streckte er sich unterhalb der Leber zur flexura eoli hin, machte hier eine Biegung nach hinten und oben und liess sich bis in die Arteria meseraica supr. verfolgen. Beim Durehgange durch den Nabel theilte diese Arterie sich in meh- rere feine Seitenäste, die sich im Zellgewebe zu verlieren schienen; nur ein miltlerer Ast war noch über 1 Zoll vom Unterleibe in der Nabelschnur sichtbar. Die Nabelgefässe, wie die grösseren Gefässe des Unter- leibs, waren normal; so auch der Urachus, die Blase, die Ure- teren und die Nieren; nur die Nebennieren fehlten gänzlich. — Die inneren Geburtstheile waren vollständig entwickelt. — Das Zwerchfell endlich hatte seinen muskulösen und seh- nigten Theil und war, wie gewöhnlich, nach unten mit dem Peritonaeum, nach oben mit der Pleura und dem Pericardium bekleidet; an seinem hintersten Theil zeigte sich ein wenig nach links hin eine grosse querovale Oeflnung, die durch die Leber gedeckt war und durch deren Gefässe und hinteren 26 Appendix gleichsam in zwei mit einander communieirende, eine rechle und eine linke Oeffnung. getheilt war, wovon eine jede in ihre Brusthöhle hineinführte. Nachdem der Brustkasten, woran das ungemein breite Brustbein und die linker Seite fast lineären Intercostalräume sich bemerkbar machten. geöflnet war, sah man, nach Weg- nahme der grossen Thymusdrüse, in der rechten Brusthöhle nach innen und vorn die rechte Lunge und mehr nach aussen und hinten einen grossen länglichen geschlossenen Sack, dureh dessen dünne seröse Haut die Windungen der Gedärme hin- durchschienen; in der linken Brusthöhle lag das Herz vom Pe- rieardium umgeben nach innen und vorn, in der Milte die linke Lunge, und nach aussen und hinten ein kleiner geschlos- sener seröser Sack, der in länglicher Form einen festen bräun- lichrothen Inhalt durchscheinen liess. Von diesem summari- sehen Ueberblick gingen wir zur näheren Untersuchung der einzelnen Theile über. Das Herz war nalürlicher Form und Grösse; sein rechter Ventrikel sehr geräumig, der linke klein und ganz nach hin- ten gelegen; die Atrien normal. Die unverhältnissmässig dünne aorla adseendens gab den trucus innominalus nach oben ab und ging in den noch dünneren Bogen über, von dem die linke Aorta und Subelavia ihren Ursprung nahmen; die aorta descendens war eine direkte Fortsetzung der sehr grossen ar- teria pulmonalis. + Die linke Lunge war völlig normal. Der an ihrer Aus- senseile gelegene seröse Sack war ein Peritonäalsack, der die Milz enthielt und nach unten in der Zwerchfellsöffoung mit dem Darmsacke der rechten Brusthöhle communieirte. Auch die rechte Lunge war übrigens nermal, nur etwas kleiner als gewöhnlich, und mehr nach vorn durch den grossen serösen Darmsack gedrängt. Dieser, der die ganze Länge der rechten Brusthöhle einnahm, war ovaler Form, nach oben schmaler, breiter nach unten, von wo aus sich linkshin eine schmalere Produklion in die Zwerehfellsöffnung hineinstreckt. "Geöffnet 27 fanden wir ihn den Magen, den Dünndarm und den oberen Teil des Dickdarms enthalten und durch eine Rückgrathsöfl- nung mit dem Darmsack am Nacken in Verbindung. Der Magen, von langgestreckter Form und fast senkrech ter Richtung, war in der oberen Brusthälfte durch die vor- wärts gekehrte Cardia mit der kurzen Speiseröhre verbunden, von wo aus er sich mit seinem blinden Sack naclı unten bis in die Zwerchfellsöffnung herabstreckte. Von dem in der Nähe der Cardia, aber mehr nach hinten und innen gelegenen Py- lorus sah man den Zwöllfingerdanm ausgehen, der nach sei- ner zweiten. Biegung sich in die Rückgrathsöffnung herab- senkte, so dass die in der Spinalhöhle gefundene Darmschlinge durch das untere Ende des Duodenums und das beginnende Jejunum gebildet wurde. Das wieder in die Brusthöhle zu- rückgebogene Jejunum setzte sich nun ins zusammengeschlän- gelte leum und Coecum und weiter in das normal gebildete Colon fort, dessen transverseller Theil durch die Zwerchfells- öffnung in den Unterleib herablrat. Merkwürdig war noch hier ein dem obern Theil des Dünndarms durch ein eignes Mesenteriolum angehefteter Darmanhang, der, im Aussehen und Struktur dem übrigen Dünndarm ganz ähnlich, ankerför- mig gebildet war und überall verschlossen; geöffnet entleerte er eine, dem gewöhnlichen Darminhalte ähnliche, graugrün-" liche, breiartige Materie, so dass er, mit Ausnahme der Ferm, das Aussehen einer abgeschnürten Darmpartie darbot. Somit war denn das Verhältniss der Eingeweide insofern aufgeklärt, als einleuchten musste, dass durch die präternatu- relle Oeflnung am Diaphragma zwei zusammenhängende sack- förmige Produktionen des Peritonäums, eine grössere rechts und eine kleinere links in die Brusthöhle hineingedrängt wa- ren, wovon die rechte wieder wahrscheinlich durch eine Spalte der Rückenwirbelkörper sich in den Rückendarmsack fort- setzte; — eine Wahrscheinlichkeit, die auch durch Untersuchung der interessirten Kuochenparlie zur Gewissheit gebracht wurde. Nachdem wänlich alle Eingeweide der Brusthöhle vor- 28 siehtig losgetrennt und zur Seite gelegt waren und die Pleura an beiden Seiten weggenommen war, fanden wir die Wirbel- säule, von vorne angesehen, in folgendem Zustande. Die untersten Rückenwirbel prominiren stark nach vorn; und schon am zehnten, dessen Körper ungewöhnlich breit ist, fängt eine Theilung an, indem er nach oben zwei unter einem spitzen Winkel zusammenstossende Articulationsflächen dar- bietet, die mit dem aus zwei durch eine dünne Knorpelscheibe vereinigten Seitenflächen bestehenden 9ten Wirbelknochen ver- bunden sind. Von hieraus aber spaltet sich der ‚obenliegende Theil des Rückgrahts in zwei unzusammenhände ‚und asymme- trische Hälften, deren jede in verschiedener Rich ng gegen basis cranii hinaufsteigt. Die rechte Hälfte erstreckt sich erst über 1 Zoll nach oben und aussen bis zur ersten Costa, macht hier eine knieförmige Biegung nach hinten und innen, und zuletzt eine kleine Biegung nach oben gegen pars condyloidea oss. oceipilis, womit sie articulirt; so dass diese Hälfte ihrer Länge nach eine Sförmige Krümmung darstellt. — Die linke Hälfte steigt erst ungefähr einen halben Zoll grade aufwärts, macht dann eine Biegung nach hinten und aussen, und erstreckt sich in dieser Richtnng ganz unter pars condyloidea sinistra hin, womit sie ohne deutliche Artieulation zusammenhängt. In der rechten Hälfte, die im Ganzen vollkommener entwickelt ist, lassen die einzelnen Wirbelkörper mit ihren Ossifications- punkten und Zwischenknorpeln sich deutlich genug erkennen; in der linken aber, die kürzer und weit weniger entwickelt ist, finden sich an mehreren Stellen Verschmelzungen der ein- zelnen Wirbelkörper, und die Knochenkerne liegen unordent- lich in den Knorpelmassen zerstreut. Hieraus erklärt sich die grössere Kürze der ganzen linken Brustseite; hiervon sind auch die linkerseits lineären Intercostalräume und unordentlichen Verschmelzungen der Rippen abhängig, so wie auch die nach links hin schiefe Stellung des Kopfes. Endlich muss noch bemerkt werden, dass sich nur an der Aussenseite jeder Wir- belhälfte eine Reihe processus transversi vorfindet, zur Bestä- 29 tigung der Ansicht, dass die vorliegende Missbildung als eine Spaltung und nicht als Duplieität der Wirbelknochen zu be- trachten ist. Als Folge der angegebenen Richtung der beiden Seiten- hälften muss auch die zwischenliegende Spalte selbst eine etwas Sförmige Richtung annehmen, von unten nämlich nach oben und aussen, dann nach hinten und innen, und zuletzt auf- wärls sich in die Spalte an der basis cranii fortsetzend. Die Spalte hat ihre grösste Breite (über 4 Zoll) nach unten, wird schen bei der ersten Biegung schmaler, und am schmalsten oben gegen den Kopf zu, wo sie kaum 1 Linie breit ist; ihre ganze Länge beträgt in gerader Richtung über 13 Zoll. Auch die Rippen sind, wie schon bemerkt, besonders lin- kerseits, sehr verbildet; ihre Zahl an jeder Seite ist 11. An der rechten Seite finden sich nur partielle Verschmelzungen der knöchernen Theile der 9ten und 10len und der knorp- li a öpfe der 8ten und 9ten Rippe. Links aber, wo die Intercostalräume überali auffallend schmal sind, fanden Ver- schmelzungen statt zwischen capitula der 3ten und 4ten Rippe. zwischen der 5ten, dem gemeinsamen Anfang der 6len und 7ien und der damit arlieulirenden Sten Rippe, end- lich zwischen den knorplichten capitula der 9ten und 10len Rippe. Die 6le und 7te Rippe sind dazu noch defect, indem mehr als ein Viertel des knöchernen Körpers ganz fehlt. Werfen wir noch zuleizt einen Rückblick auf die ver- kümmerte basis cranii, finden wir nach Wegnahme des früher beschriebenen dünnhäuligen Sackes und der fibrösen Bekleidung der Knochen, dass mit dem übrigen lacunar cranii auch squama ossis oceipilis ganz fehlt. Dagegen liegen zu beiden Seiten die partes condyloideae, die rechte in transverseller. die linke in mehr schräger Richtung mit ihren inneren Flächen aufwärts gekehrt und mit ihren vorderen Enden einander so nahe, dass der kaum lineare Zwischenraum der Spalte der von ihnen ge- decklen Halswirbel vollkommen entspricht. Die Spalte erstreckt sich aber noch ein wenig länger nach vorn in eine knorplichte 30 Hervorragung hinein, die, ohne Andentung einer pars basilaris ossis oceipilis, als elivus Blumenbachii zu betrachten ist, da man unmittelbar vor derselben ein verkrüppeltes corpus oss. sphenoidei sieht mit Spuren der ala parva, die den rudimen- tären partes horizontales oss. frontis angrenzen. Zwischen diesen finden sich in der Tiefe Spuren einer Lamina eribrosa oss. ellımoidei, und vor derselben an jeder Seite die unge- fähr 3° hohen Rudimente der pars perpendicularis oss. frontis. Vor den parles condyloidaae liegt beiderseits die pars petrosa oss.temp., woran der porus aeusticus int. und die Erhebungen der canales semieireulares sichtbar sind; mehr nach innen das foramen jugulare. Vor den partes petrosae finden sich in dev Tiefe die rudimentären alae magnae oss. sphenoidei und mehr nach aussen an jeder Seite ein sowohl mit partes pelrosae als mit partes condyloideae durch Knorpel zusamenhängendes, fla- ehes und schwach eoncaves Knochenfragment, wie es scheint, Rudiment des Scheitelbeins. Z Die gauze basis eranii hat eine schiefe Stellung, und, da die partes condyloideae die obere Halsparlie der Wirbelsäule vollkommen decken, muss, als Folge der verkehrten Riehlang der Halswirbel, der Kopf das Aussehen gewinnen, als sässe er unmittelbar auf den Schultern an. Schliesslich muss noch bemerkt werden, dass die Wurzeln aller Cerebralnerven, mit Ausnahme der olfactorii. melir oder weniger deutlich in ihren respektiven Austrillspunkten an der basis cranii zu erkennen sind. Aus dieser delaillirten Besehreibung geht hervor, dass die vorliegende Missgeburt sehr complieirter Natur ist, indem sie eine Anencephalie mit spina bifida anteroposterior und zugleich eine hernia diaphragmalica und spinalis darbietet. Dass sie schon in einer sehr frühen Periode des Embryolebens entstan- den sein muss. ist unzweifelhaft; ob gleichzeitig oder durch ein gegenseiliges Causalitätsverhältniss der einzelnen Missbil- dunger. und in solchem Falle wie sich dieses in der pallıo- 31 genelischen Reihenfolge gestaltet haben mag, — alles dieses, müssen wir mit Bedauern bekennen, wissen wir nicht. So viel mir bekannt, ist, mit Ausnahme der von Prof. Svitzer *) bierselbst im Archiv f. Anat. u. Physiologie Jahrg. 1839 p. 35. 38 beschriebenen, keine ähnliche Missgeburt noch beobachtet; mit dieser aber ist die Aehnlichkeit so gross, dass eben dadurch die Annahme eines eigenen Typus wohlbegrün- det scheinen mag Durch Vergleichung beider Präparate merkte ich mir mehrere Punkle, die von Svitzer theils über- sehen theils weniger richlig gedeutet sind und die ich hier nachträglich mitzutheilen mir erlaube. So fand ich in dem von ihm beschriebenen Monstrum den pharynx und besonders die ganze obere Hälfte des oesophagus dermassen verengt, dass nur eine sehr feine Sonde vom Magen aus zur Mundhöhle hindurch zu bringen war. Am Kopfe beschreibt Svitzer einen nach hinten herabhängenden membranösen Sack, dessen längliche Oecfinung nach unten sieht und die innerlich mit einer plastischen Membran überzogen schien und mit einem serösen purulenten Fluidum gefüllt war. Einen ähnlichen Sack habe auch ich an ıneinem Monstrum beschrieben; eben aber am Svitzer'schen Präparate wurde es mir am klarsten, dass an beiden dieser membranöse Sack ein zerplatzter Gehirnsack ist. Im Svitzer’schen Falle nämlich besteht der Sack deut- lich genng aus einer äusseren fibrösen und einer innern serö- sen Membran, und im Innern des Sackes findet sich ein rudi- menläres Seplum; die genannte plastische Membran an der inneren Oberfläche des Sackes ist gewiss nur eine sehr dünne Schicht Cerebralmasse. wie sie in bydrocephalischen Säcken nich! selten vorkommt, und das serös-puralente Fluidum wird wahrscheinlicher für Serum mil aufgelöster Cerebralmaterie zu 1) Das von Svitzer beschriebene Monstrum gehört: dem Uni- versitätsmuseum in Copenhagen und ist mir zur näheren Vergleichung gütigst von Prof. Eschbricht dargeboten worden. 32 halten sein. Was die Natur des Sackes am meisten aufklärt und von Svitzer ganz übersehen worden ist, ist der Verlauf der Cerebralnerven an der untern Fläche des Sackes, wo die meisten in voller Integrität und gewöhnlicher Ordnung, wie es scheint aus dem Innern des Sackes entspringend, eine Strecke fortlaufen, bis sie ihre respektiven Ausgangsöffnungen an der basis cranii erreichen. Wie am Svitzer’scher Monstrum die Gesichtsfläche mehr entwickelt und symmetrisch ist, so gilt dasselbe von der basis eranii, wo ohne alle Spaltung pars basilaris oss. occipilis, elivus Blumenbachii und sella tureica mit der glandula pinealis den Mittelgrund bilden, indem die partes ‚eondyloideae, petrosae und alae magnae oss. sphenoidei ziemlich symmetrisch an bei- den Seiten entwickelt sind. Die mehr detaillirte Untersuchung der Wirbelkörper und Rippen musste aus Schonung für's Praeparat unterbleiben; doch so viel gelang es mir zu erforschen, dass wenn Sy. von einer Oeflnung zwischen Hinterhaupt und Rückgrath als Aus- trittsstelle der Nackendarmschlinge spricht, dieses anders zu verstehen ist, indem nämlich in seinem Falle wie in dem mei- nigen die Oeflnung durch eine vollkommene Spaltung der Wir- belkörper bedingt wird, die auch in diesem Falle sich bis zum Iten Rückenwirbel erstreckt. Endlich mag es nicht übersehen sein, dass die Nebennie- ren, die in meinem Monstrum ganz fehlten, im Svitzer’schen zwar zugegen, aber äusserst klein und unentwickelt sind. Erklärung der Abbildungen. Tafel V. Figur 2. Ansicht der Rückenfläche des Monstrums. a Zerplatzter Hirnsack. 5 Clivus Blumenbachii. e Porus acustieus internus. d Foramen jugulare. e Blasenlörmiges diverliculum pharyngis, f Die aus dem geöffneten serösen Sacke hervorgetretene Darm- schlinge. 33 g Die dünnhäutige röthliche Bedeckung des offenen Wirbel- canals mit auhängenden Nervenwaurzeln. h Die offene Spinalhöhle. Tafel VI. Figur 1. Der Brustkasten mit, den beiden geöffneten Peri- tonäalsäcken. "a Die Speiseröhre, 5 Der Magen. ce Ein Theil des Düondarms. “ d Das a örmige isolirte Darmstück. e Der B rm mit dem processus vermicularis. f Die Milz. g Ein papillärer appendix hepatis. h Die obere Fläche des Zwerchfells. Fig. 2. Die Ansicht der von vorne skeletirten Wirbelsäule und Rippen mit dem angrenzenden Theile der unteren Kopffläche. Müller’s Archir 1845. 3 Ueber Epipbyten auf Weichselzöpfen. Erwiderung auf den in diesem Archid" 1844 S. 411 —419 gedruckten von Walther’schen Aufsatz gleicher Aufschrift; von Dr, GuENsBURG in Breslau. Hierzu Taf. VII. Meine über ein und ein halb Jahr unausgesetzt fortgeführten Untersuchungen über die Elementarzusammensetzung des Weich- selzopfs und seine Bildungsgeschichte halten noch nicht die- jenigen Resultate herbeigeführt, welche mich zu monographi- scher Behandlung des Gegenstandes bestimmen könnten. Die Versuche der Einimpfung auf Pflanzen und Thierzelle hatten noch nicht den Spielraum, um in absoluter Geltung hingestellt werden zu können; ebensowenig konnle ich bisher die vor der Bildung des Weichselzopfs entstandene eigenthümliche Ma- terie, die mir zur Untersuchung versprochen wurde, erlangen. Die letztere wird namentlich in ihrem chemischen Verhalten von meinen Freunden, den Herrn Drn. Weigert in Lands- berg und Stern in Czenstochau, die mir durch Zusendung vortrefflicher Präparate ihre Gefälligkeit und wissenschaftlichen Eifer im ausgezeichneten Grade gezeigt haben, sorgfältig un- tersucht werden. Wenn ich nun im Vorsatze der gründlichen Fortführung dieser Arbeiten weder durch die unvollständigen Mittheilun- gen, welche Deutsche Journale über eine im August 1843 an die Academie der Wissenschaften zu Paris von mir gemachle 35 Mittheilung. noch durch die Arbeiten Gleichgesinnter erschül- 'ert bin, rufen mich doch entgegengeselzie Beobachtungen eines so achtbaren Forschers als v. Walther zur Erwiderung und zur zeilweiligen Mittheilung. Die Einwürfe, welche von Walther mir gemacht hat, lassen sieh von vorn herein zurückweisen. Einmal sind die p 412 genannten Quellen meiner Beobachtungen unzureichend; es ist mir nie in den Sinn gekommen, kurzweg das Vorkom- men eines eigenthümlichen Mykoderm in dei Haarbälgen des Weichselzopfs anzugeben. Die Gazette des höpilaux, die No- tizen und die Centralzeitung haben eine möglichst abgekürzte Nachricht aus den Comptes rendus de l’Academie des Sciences gegeben, und damit ihren Zweck als Zeitung erfüllt. Ob aber auf eine Zeitungsnachricht eine Kritik zu begründen sei, zeigt eben v. Walther '). Fürs zweite sind v. Walther’s gegentheilige Beobach- tungen an Triehomen geführt, die durch Sublimat zur Aufbe- wahrung vorbereitet sind. Diese Präparation zerstört, wie ich schon im August 1843 an die Akademie der Wissenschaften berichtete, die Fadenpilze völlig und sind darum alle alten Präparate der Art für das Ergebniss null und nichtig. Der reifartige Anflug auf allen Haaren, fehlt bei den Haaren frischer Trichome völlig; welche Unzahl von Haaren unter dem Mi- kroskop nach einander ich auch belrachtet hätte; ich fand die Haare bis auf das sellne Vorkommen kleiner Sporenkörn- chen stels von dem reinen seidenarligen Glanze, welcher von 4) Aehnlich ist es mir mit einer vorjährigen Untersuchung über eine Krankheit der Kückenmarksnerven ergangen. Die Wichtigkeit des Falls resultirte aus der mikroskopischen Untersuchung der patho- logischen Gebilde und war diese in aller Sorgfalt vorgenommen und mitgelheilt. Die Zeitung l’Experience excerpirt nur das rohe palho- „!ogische Ergebniss und wird als Quelle von den Referenten der "Oesterreich. Med. Wochenschrift und Neuen Med. Chirurg. Zeitung angezogen, welche mich mit Vorwürfen belasten, dass ich die mi- kroskopische Untersuchung versäumt habe. 3 36 den Cylinderfasern des Haars herrührt, Die Losstossung des Epithetialüberzugs ist der einzige Connivenzpunkt unserer Beobachtungen: aber auch die reichen Veränderungen, welehe das Haar des Weichselzopfs erleidet, sind v. Walther nicht vorgekommen. Willkommner, als diese nolhwendigen Negationen dürften vielleicht positive Mitiheilungen sein, welehe ja immer das wirksamsie Kriterium sind. Die Epiphylen wurden von den Pathologen mit Lebhafligkeit erfasst, und liessen ein neues Licht für die Kontagienlehre erwarten. Es ist hier nieht der Ort geschichtjeh zu entwickeln, welche Uebertreibungen, welche Verdächtigungen alle die hierher gehörigen Thatsachen erfahren haben. Indem ich auch mit zur Aufklärung dieser wichtigen Phänomene beilragen, ihren Werth für die 'Konta- gienlehre ermessen wollte, stellte ich mir folgende Fragen zur Untersuchung: 4) Sind die an den bekannten Fundörlern auf und in dem menschlichen Körper beobachteten Gebilde Fadenpilze: sind sie einander gleich oder tragen sie gesonderte Gattungs- und Art-Charaktere an sich? 2) Auf welchen Elementargebilden kommen sie vor, und wie verändern sie dieselben, und welche Fundörter giebt es für sie überhaupt? 3) Auf welche Gebilde desselben Individuums lassen sie sich übertragen, und auf welche andre individuelle Organi- sationen? 4) Wie geschieht die Verbreitung, bringen sie in der Wiedererzeugung auch die Krankheit hervor, oder sind sie nur Krankheitsprodukte? Demnach 5) Sind sie selbst die Kontagien oder die Träger der- selben? Die meisten Epiphytenbildungen entstehen aus einfachen kugligen Zellen, die zum grössten Theile einfache runde, Kerne enthalten, sich gliedförmig reihen, oder in Häufchen grappiren. Zu Gliedern gereiht, bilden sie sich mit allmäligem 37 Verschwinden der intereellularen Zwischenräume zu Röhren empor. welche dann ihrerseits durch Eniknospung, oder endo- gene Zeugung Körnehen oder ausgebildele Zellen zu Tage fördern, die denselben Entwiekelungsphasen verfallen. Wenn die Körnchen zweiter Blldung auch unter äussern Anregungen kreisförmiger oder, wirbelnder Bewegung fähig sind: so fehlt den Hauptgebilden stels diese Fähigkeit. Die Gebilde, welche man unter der Bezeichnung Epiphyten zusammenfasst, sind demnach gesonderte, zusammengeselzie Organismen, oline Fähig- keit selbstbestimmter Bewegung; sie erfüllen demnach den Be- grifi der Pflanze. Vermöge ihrer niedern Entwicklungsstufe und der Fortpflanzungsweise gehören sie zu den Pilzen. Wenn v. Walther das in der plikösen Materie von ihm gefundene Epiphyt nicht zu den Fadenpilzen rechnet, bleibt ihm nur übrig. eine neue grosse Klasse dafür zu schaffen. Er fand Häufchen von plattrunden und plaltovalen Zellen mit ei- nem oder mehren Kernen, die keine molekulare Bewegung zeigen. Haben andre Beobachter je behauplet, dass sie die konslituirenden Zellen eines Pilzes die dieser Bewegung ge- funden hätten? Nur von den Sporen ist diese Eigenthümlich- keit sehr häufig beobachtet und ein Gleiches fand von Wal- ther in der Bewegung seiner Körnchen. Die verschiedenen Pilzbildungen auf und in dem Men- schen zerfallen in zwei Reihen: Die eine Reine derselben er- scheint in organischen Se- und Exkreten, bevor die Periode der Fäulniss beginnt. Sie stehen in ihrer Entwicklung der Gattung Torula sehr nahe; sind aber demungeachtet nicht im- mer Ursache oder Produkt der Gährung, sondern eines eigen- thümlichen Zersetzungsprocesses. Sie kommen nämlich in den genannten Flüssigkeiten vor, welche dnreh Beibehalten der sauren Reaktion und entschiedne Ausbildung ihrer Bestandtheile in ursprünglicher Gestalt darihun, dass sie noch nicht in den Zustand der Gährung eingetreten sind. Am häufigsten sah ich diese Formen im Urin, und zwar in einer grossen Reihe pathologischer eiweissloser, oder sehr 38 wenig eiweisshaltiger Urine. Nach 10 bis 14 Tagen zeigten sich Pilze, die aus vollkommen kugligen, dunklen, 0,005 Mill. Durchmesser (220 M. Vergrösserung) habenden Zellen bestan- den. Sie waren in Gruppen sphärisch geordnet, oder in Glieder gereiht ohne weitere Ausbildung; zwischen ihnen waren un- regelmässig zerstreut Kügelehen von 0,0025.Mill. Durehmesser, von grösserer Durchsichtigkeit als die Mutterzellen und leb- hafter molekularer Bewegung.” Sie unterscheiden sich von den Kügelchen,.welehe das harnsaure Ammoniak bildet, dadurch, dass sie durch Erhitzung bis 100° €. sich nicht auflösen, von den im Urin häufigen Entzündungskugeln und Körnchenzellen durch ihre Opaecität und das Fehlen des eigenthümlichen Kern- inhalts, Diese Pilze des Urins stehen der Familie Torulaceae (Corda) am nächsten. Vier und zwanzig Stunden nach der Entleer fand ich die Pilze im Urin eines an chronischer Leberkrankheit Leiden- den; besonders häufig im Urin Pneumonischer, welche rasch dem Stadium der Hepatisation entgegengingen. Zu beachten ist, dass sie nie'im Urin Typhöser 'vorgefunden wurden, ob- wohl dieser am schnellsten der Zersetzung zueilt. Die Bildung dieser Pilze auf proteinhaltigen Flüssigkeiten, namentlich Eiweiss, welche Andral und Gavarret gefunden haben, konnte ich trotz 12 Versuche niemals erkenuen. Trotz der Untersuchung von mehr als 100 Auswürfen Phthisischer habe ich bei frischen Präparaten nie Pilzfäden gefunden, und ebensowenig kann ich ihr Vorkommen im schwarzen Zungenbelag lebender Typhuskranken bestätigen. 36 Stunden nach dem Tode und später finden sie sich auf den Lippen wie auf dem grössten Theil der innern Oberfläche des Traetus in- testinalis der Typhusleichen. " Eine kleinere aber wichtigere Reihe von Pilzbildungen — reiner Epiphyten — hat mit den vorerwähnten Formen die all- gemeinen Geselze der Entwicklung gemein; sie ist aber sowohl von diesen als gegenseitig in ihren einzelnen Formen durch entscheidende Charaktere getrennt. Hierher gehören die in 39 der linea, menlagra, Irichoma, porrigo lupinosa el decalvans, dem Soor aufgefundenen Formen. Das Myeoderma plicae (Myeoderma nannte ich die Form nach Analogie und Aehnlichkeit mit den von Gruby bezeich- neten Formen) oder trichomaphyton hat in der Haarwurzel zwischen den Zellkernen der Haarcylinder und der Ausstrah- lung des Axencylinders, zwischen Würzelscheide und diesen Zellkernen, im Axencylinder, zwischen den Epithetialfragmen- ten des Haarüberzugs seinen Sitz. Die Fadenglieder sind äusserst selten, schmal, und haben im Innern keine Andeutung der intercellularen Zwischenräume. Die Sporenzellen sind sehr zahlreich, länglichrund, glatt und manchmal an genabelten Stellen miltelst eines sehr kurzen Stromafadens an der gliedarligen Abgrenzung des Hauptfadens eingelenkt. Am häufigsten findet man diese Zellen einzeln und in grossen Häufchen, und bisweilen in einem sehr fein- fadigen Hypothallus suspendirt. Diese Zellen bleiben in Essig- säure, so wie in einer bis zu 100° C. erhitzten Flüssigkeit unverändert, Lig. kal. caust. ‚und Tinct. Jodi löst sie völlig auf. Einzelne Zellen haben von 0,0025 — 0.005 M. Durchmes- ser, enthalten punktförmige Molekularmasse, und selten ausge- bildete Kerne. Die kleinkörnige Masse, welche sich in frischem Quellwasser um sie ausbreitet, tritt in lebhafte Molekularbe- wegung. Die Veränderungen, welche das Trichomaphyt anf die Haare ausübt, sind kurz gefasst Verdickung der Wurzelscheide, Erfüllung und bauchige Auftreibung des Axencylinders, Aus- einandertreibung der einzelnen Oylinderfasern des Haarss ei ein- Spaltung desselben, ährenförmige Loslösung der Haarfa- sern zu selbstständiger Bildung, büschelförmige Endspaltung und Inei ndergreifen der Haarbüschel des Wurzelhaars und der neuen Produktion; Verdickung des Epithelialüberzugs und endlich Verkümmerung vieler Haarcylinder. Synthetisch liesse sich wohl die Idee fassen, dass die pli- köse Materie — in welcher von Walther das Verdienst ge- 40 bührt, die Trichomaphyten gefunden zu haben — von der Wurzelscheide aus in den Axencylinder eindringt, du h An- füllung derselben die verschiedenen Loslösungen der einzelnen Haarfasern bedingt, und an der Spaltungsstelle ergossen das Blastem für die neue Haarbildung hergiebt. Fern sei es von mir, diese Hypothese mit irgend welcher Wahrscheinlichkeit hinzustellen; sie dringt sich ebenso auf, wie das noch häufi- gere Vorkommen dieses Gebildes ausserhalb des Haars dagegen spricht. Besser ist es, ungesäumt weitere Thatsachen zu su- chen und seine Unkenntuiss zu gestehen, als sich durch Hy- pothesen bestechen zu lassen. j Die gegebnen Data über das Vorkommen des Trichoma- phyt und die Veränderungen der Haare werden am einleuch- tendsten bezeichnet durch Auswahl einiger aus der grossen Zahl gesammelter Abbildungen. Die Präparate gehören sehr verschiedenen, frisch abge- sehnittnen und noch unversehrten Weichselzöpfen an: Fig. I. und Il. stellen das Trichomaphyt im Allgemeinen dar: a einfache Gliederreihung auf einer i aser; b di- stichische Reihung um einen Haardurchschnitt; ce eine grosse Keimzelle mil vier Kernen 0,015 M. im Durchmesser; d Erguss des Trichomaphyts aus dem Axencylinder. Fig. III. bis V. Verhalten des Trichomaphyts in der Wur- zelscheide und Veränderungen derselben. j Fig. II. Die Wurzelscheide hat einen verdickten Epithe- lialüberzug b; das Trichomapbyt a dringt zwischen den Axen- eylinder ce, der mit einer feinkörnigen Masse Ilt ist, und die Keimfasern der _Wurzelscheide ein. gehe Fig. IV. Die Wurzel ist in die Breite gedehnt. Die döppelreihig> an. die Ausstrahlungen. des Axeneylinders gelager- ten + des Trichomaphyts Einzen in den Asgpeglinder, b Epithelialzellen, ce Axencylinder. | 4 Fig. V. Die Kernfasern und Entwickelungszellkerne der Wurzelscheide a sind dicht zusammengedrängt. Der Zwischen- nz 4 raum zwischen ihnen und den Ausstrahlungen des Axeneylin- ders d c ist von den Zellen des Trichomaphyts b ausgefüllt. Fig. VI. bis X. Veränderungen des Haars im Haarkörper. Fig. VI.,Der Cylinder der Axe ist mit einer feinkörnigen Masse ef, ae einzelnen Cylinderfasern des Haars aaa lö- sen sich wie der Blüthenstand einer Spica ab. Die Zellen des Epiphyts von einem feinen Hypothallus durchzogen b lagern auch zwischen den Fragmenten der Epitheliumzellen. Zur Unterscheidung: 5 Fig. VII. Die Markröhre ist mit den 0,015— 0,02 Mill. im Durchmesser habenden Eiern eines Insekls erfüllt. Geglie- derte Reste dieses Insekis a. a. b. b lagern sich IEHIünge an die Aussenseite des Haars. “Fig. VIU. Erfüllung und‘ schlauchförmige Ausdehnung a kröhre b; das Trichomaphyt “ yon feinem Hypothal- 4 Mehre Schläuche b. b durch welche die Mark- röhre unverletzt "hindurchgeht. £ Fig. X. Auseinanderlreibung der Haarfasern durch Erfül- lung der Markröhre — Sprengung des Ilaars, 2 das Tri- chomaphyt, 3 der Epithelialüberzug, 4 die einzelnen losgelösten Haarfasern. Fig. XI. bis XIV. Verbindung der Haare und Endigung derselben. Fig. XI. Das büschelförmig gespaltene und in feine Fa- sern gelöste untere Haar, greift in die Haarfaser- Büschel des obern Haars ein, aa Büschel des untern, bb Büschel des obern Haars. Fig. XII. Die Fasern a sind vor ihrer Auflösung zum Büschel getreunt; in die Zwischenräume lagert sich das Tri- chomaphbyt b; — (nicht der Keim des neuen Haars?) “Fig. XIV. a verkümmertes, langgezogenes und in Knoten geschlungenes Haarende. Durch den eng anliegenden schup- penarligen Ueberzug und den seidenarligen Glanz unterscheidet sich dies Haarende wie die andern von Leinwandfäden und 42 andern zufälligen Beimischungen des Weichselzopfs — b Zak- ken- und hakenförmige Endigung, e gegliedertes Haarende, d Fortsetzung der Markröhre bis in die Spitze. x Ausser diesen pathologischen Veränderungen befinden sich auch eine grosse Zahl von Haaren in völlig unveränder- tem Zustande in den Weichselzöpfen. Welches das Verhält- niss der gesunden und kranken Haare sei, werden weitere Nachforschungen ergeben. Soviel zur Erledigung der Streit- frage. Die Frage über die kontagiöse Potenz des Trichomaphyls, über die Genesis des Triehoms bedarf noch vieler Untersuchun- gen und verbleibt künftigen Besprechungen !). 4) Anmerkung des Herausgebers. Ob die Epiphyten an den Weichselzöpfen eine aussergewöhnliche oder häufige Erscheinung sind, müssen weitere Beobachtungen lehren. Bei der hier von einem in der Untersuchung der Epiplyten geübten Beobachter Dr. Mi ter angestellten mikroskopischen Untersuchung über Weichselzopf sind keine Epiphyten gefunden worden. Einige physiologische Versuche an Fröschen; von J. G. Emır Haruess. Die Frage, die ich mir stellte, war die: wie verhalten sich die Reaktionen des Nervensystems auf angebrachte Reize unter dem Einfluss eines permanenten schwachen galvanischen Stroms? Zu diesem Ende wurde ein Exemplar von Rana esculenta (im Februar) decapitirt, der eine Pol einer Kette von 20 Ober- Näche an die Haut, der andere an das Rückenmark gebracht. Natürlich entstanden bei Schliessung der Kette tumultuarische Convulsionen in allen Muskeln; sie waren aber nicht mit einem Male, wenn sie ihre grösste Stärke erlang! hatten, vorüber: sondern sie nahmen einen deutlich intermittirenden Typus an. Intermissionen, die nicht von der Periodicität in der Kette, sondern nolhwendig von der der Nerventhätigkeit abhängig waren; welche ja auch in so vielen physiologischen und pa- thologischen Vorgängen unverkennbar hervortreten- Dieses Experiment eignet sich vorzüglich gerade diese Periodieität in der Nerventhätigkeit nachzuweisen, denn die Zuckungen er- neuerlen sich nach 3—6 Sekunden ganz ohne äussere Veran- lassung von selbst, nachdem das Präparat vollkommen zur Kuhe gekommen war; dies dauerte oft 1—2 Minuten. Nach dieser Zeit treten durchaus keine Zuckungen mehr spontan ein, und dann ist der Augenblick für die jetzt zu erwäh- nenden weitern Experimente gekommen. Bringt man nämlich 44 Essigsäure an die Schwimmhaut, so entstehen die heftigsten Reflexbewegungen, aber in einer andern Form als gewöhnlich: nicht so, dass sie eine Beugung der untern Exlremiläten. ein Entfernen des Reizes zu bewirken scheinen, sondern in der Form des telanischen SIreckens, ohne irgend erkennbare Zweckmässigkeit, die sonst den Reflexbewegungen eigen zu sein scheint. Dieses führte zunächst auf die Idee, dass durch den galvanischen Strom eine solche Erregung des Rückenmarks erzeugt wird, wie sie bei der Narkotisirung mit Opium ete. gewöhnlich ist. Es wurde daher versucht, ob leise Erschüt- terungen des Tisches ebenfalls diesen allgemeinen Tetanus er- zeugen können, und in der That das gelindeste Anschlagen mit einem Hämmerchen an den Tisch hatte die heftigsten 7—8 Sekunden andauernden Convulsionen zur Folge. Die nächste Frage war nun diese: sind diese tetanischen Zuckungen direkt oder reflektirt erzeugt? Zu dem Ende wurde ein Schenkel amputirt, sein Nerv blos gelegt, isolirt, armirt, der andere Pol an einer Hautstelle applieirt und nun die Versuche ganz so wie vorher wiederholt, und zwar mit denselben Resultaten, ja jede Schallwelle, der der Tisch als Resonanzboden diente, reichte hin, stets von Neuem den Tetanus zu erzeugen. Da. durch wurde es gewiss, dsss diese Bewegungen direkt nicht reflektirt waren, denn dass das Rückenmark durch einen gal- vanischen Strom in Beziehung auf reflektomotorische Thätig- keit nieht ersetzt werden kann, glaubt wohl Jeder. Gleich- wohl aber wollte ich auch hiergegen einen direkten Beweis; ich öffnete den Wirbelkanal, legte motorische und sensitive Wurzeln gesondert zusammen, beide isolirt, jene mit dem Kupfer-, diese mit dem Zink-Pol in Berührung. Nun traten wohl auf Erschütterung dieselben Erscheinun- gen ein, aber Reizung mit Essigsäure hatte durchaus keinen Erfolg; was nothwendig gewesen wäre, wenn jene Zuckungen refleklirt erzeugt worden wären. Wird aber durch die Erschütterung in dem Nerven eine Veränderung erzeugt, die sich unter dem Einfluss des galvani- 45 schen permanenten Stroms in der Form des Telanus erzeugt, oder geht in der Kette eine solche vor, durch die eine In- tensitäls-Verstärkung oder Umkehrung der Polarität bewirkt wird? Zuerst müsste man sich genau überzeugen, ob bei der Erschütterang die Berührungspunkte fest fixirt blieben, ob nicht eio schnell auf einander folgendes Oeffnen und Schliessen der Kelte stattfindet. Ich beobachtete demnach genau mit einer Loupe die Punkte, an welchem die Pole das Präparat berührten, während ein Gehülfe leise an den Tisch schlug; die Platten selbst waren durch eine Schrauben-Vorrichlung fixirt. Ich überzeugte mich, dass kein Verrücken stattgefun- den hatte und sun war noch übrig zu sehen, ob die Zuckun- gen eintreten, wenn bei Fixation der Platten der Verbindungs- draht allein erschüttert wurde; dieser wurde daher jetzt ver- längert, an einem Staliv auf einem andern Tisch befestigt, gering erschüttert und auf der Stelle trat der Telanus in dem Präparat auf dem ersten Tisch ein. Es war also klar, dass durch Erschütlerung einer Voltaischen Kelte in ihr eine Ver- änderung des Stroms erzeugt wird; welche? — musste der Mul- tiplikator lehren; es ist eine Veränderung der Intensität, denn die Nadel schwingt nach derselben Richtung wie bei Schliessung der Kelte; aber bei jeder Erschütterung mit grösse- ren ÖOseillationen. Dies erklärt diese so auffallende Erscheinung an den Froschpräparaten, die jedoch nur zur Zeit der grössten Reiz- barkeit eintreten, nämlich vor ihrem Erwachen aus dem Win- terschlaf, Er Versuche zur Bestimmung der Chylusmenge, die durch den Ductus thoraceieus dem Blute zugeführt wird; von Dr. F. Bıpper in Dorpat. Die Frage, welche Quantität von Chylus und Lymphe durch den duct. Ihoracieus in einer gewissen Zeit dem Blute beige- mischt werde, ist von den Physiologen älterer und neuerer Zeit zwar schon öfters aufgeworfen worden, ohne dass jedoch die Beantwortung derselben mit dem Ernste erstrebt wurde, den die Folgerungen, welche in Bezug auf den gesammten Stoffwechsel sich hieran knüpfen lassen, nicht nur rechtferti- gen, sondern selbst zu erfordern scheinen. Zuerst scheint Lieberkühn (dissert. anal. de fabrica et aetione villorum intestin. hominis $. 23. pag 27) diese Ange- legenheit berührt zu haben, und zwar sucht er sie auf fol- gende Weise zu erledigen. Die Höhle einer jeden Darmzotle soll + Kubiklinie gross sein ($. 15.),. auf dem Raum einer Quadratlinie stehen aber 35 Zotten ($. 16.), folglich enthält ein ganzer, 18 Fuss langer und 2 Zoll breiter Darmkanal 500000 Zotten, und die Capacität aller Zottenräume zusammen beträgt 4 Kubikzoll. Da ferner die Entleerung und Anfällung der Zotten in jeder Minute sich zweimal wiederholt, so wer- den von den Zotten aus in einer Stunde 2.4.60 = 480 Ku- bikzoll Milchsaft ins Blut geführt, und da 1 Kubikzoll Chylus 47 etwa 5 Drachmen wiegt, so werden in einer Stunde 25 Pfd. Chylus vom Darmkanal aus dem Blut beigemischt. — Dies Ergebniss spricht so deutlich dafür, dass bei dieser Berechnung Fehler begangen sein müssen, dass man es fast unbegreiflich finden muss, dass Lieberkühn an der Richtigkeit der Grös- sen, mit denen er gerechnet halte, durch das Faeit seiner Rech- nung nicht zweifelhaft wurde. Er giebt zwar auf der einen Seite zu, dass er möglicher Weise die Capacität der Zotten zu gross angenommen habe, und dass die Zolten wohl niemals vollständig erfüllt seien; indessen sucht er dies wiederum zu com ren durch die vielleicht zu langsam angenommene Entleerung und Anfüllung, so wie durch die wahrscheinlich zu niedrig veranschlagte Zahl der Zotten. Jedenfalls gesteht er hiermit selbst ein. dass die dieser Berechnung zu Grunde gelegten Grössen nach keinem auch nur annähernd sichern Maasse bestimmt werden können. Cruikshank (€. und Mascagpi, Geschichte und Be- schreibung der Saugadern, überselzt von Ludwig, Leipzig 1789— 1794, Bd. I., pag. 26.) giebt an. dass er in einigen Versuchen am Mesenterium der Hunde den Milchsaft in einer Sekunde eine Strecke von 4 Zoll ganz deutlich zurückle- gen geseben habe; Genaueres über die hierbei befolgte Unter- suchungsmethode findet sich a. a. ©. nieht. Wenn man je- doch diese Angabe zur Berechnung der Geschwindigkeit des Chylus benutzt, so legt derselbe in dem genannten Organe, wie schon Mascagni selbst anführt, in einer Minute 20 Fuss zurück; diese Geschwindigkeit muss aber in dem duct. thorae., dessen Rauminhalt ungleich geringer ist, als der aller übrigen Lymplıgelässe zusammengenommen, selbst noch grösser wer- den. Gesetzi nun, der Brustgang eines Hundes habe 1° Durch- messer gehabt, so betrug der Querschnitt desselben 0,785 U’”. Es wurde also in einer Minute entleert eine Flüssigkeitssäule von 20 Fuss Länge und 0,785“ Basis, also von 2261,8 Ku- biklinien, oder etwa 1,3 Kubikzoll Masse. Da nun das speci- fische Gewicht des Chylus zu 1,022 angenommen werden darf, 48 ein Par. Kubikzoll Wasser aber 319,45 Gran M. @. wiegt, so wiegt. ein Kai), Chylus 326,47 Gran oder über 5 Drachmen. _ Die ganze, in einer. Minute aus dem duet. tho- racieus enlleerte. Menge Chylus x von 1,3 KR. da- her gegen 7 Drachmen, und in einer Stunde müssten auf diesem Wege also 7.60—=420 Drachmen oder ungefähr 45 Pfd. M. Gew. neuer Masse ins Blut eingeführt werden. Mag der zu jener Beobachtung benutzte Hund noch so gross und stark gewesen sein, so viel Chylus hat der duel. thoraeı. eus in. der r augegebenen Zeit sicherlich nicht liefern Kol : die Bewegung des Chylus ist daher von Oruikshank ohne Zweifel selır überschätzt worden, und seine Fe eignen sich also eben so wenig zur Beantwortung der hier behandel- ten ‚Frage. = Im Gegensatz zu diesen, die Menge des Chylus ohne Zwei- fel überschätzenden Angaben, werden wach u," r (elementa physiolog. VII. pag. 233.) täglich nur 4—6—8 Unzen Chy- lus bereiteit. Da das dort angeführte Cilat mir nicht zugäng- lich war, so kann ich über die Untersuchungsmethode, die zu jenem Resultate führte, auch nichts Näheres mittheilen. Wenn man die angegebene Zahl auf den vom Darmkanal herkom- menden Chylus allein bezieht, so wird sie der Wahrheit wyahr- scheinlich ziemlich nahe kommen, aber: die ganze, im Laufe von 24 Stunden durch den duetus thoracieus hindurchgehende Flüssigkeitsmenge ist damit,sicherlich viel zu niedrig bestimmt. Magendie (Pr&cis element. de physiolog. 1825. Tom. 2: pag- 183.) erhielt aus dem, beim lebenden Hunde mittlerer Grösse am Halse geöffneten duelus thoraeicus in fünf Minuten eine halbe Unze Flüssigkeit. Unter der Voraussetzung, dass die Bildung und Fortbewegung derselben gleichmässig erfolgt, werden in einer Stunde 6 Unzen, in einem Tage also 12 Pfd. Chylus ins Blut ergossen. Das Gewicht des Hundes zu 45 bis 50 Pfd. angenommen, wurde also täglich ein dem vierten Theil des Körpergewichts gleichkommendes Quantum. Flüssig- keit dem Blute beigemischt. Da Magendie das Zusammen- 49 drücken des Unlerleibes mit der Hand als ein den Ausfluss der Lymphe unterstützendes Mittel empfiehlt, so hat er es wahrscheinlich auch in dem angeführten Experimente benutzt, wodurch die Menge des gewonnenen Clylus wohl zu gross ausgefallen sein mag. Collard de Martigny (Magendie Journal de physio- log. VIII, pag. 176.) stellte denselben Versuch bei Kaninchen an. In einem Falle gewann er in 10 Minuten 9 Gran Chy- lus, in einem zweilen in 7 Minuten 5 Gran. Unter der An- nahme einer ziemlich gleichmässigen Fortdauer des Flusses waren im ersten Fall in 24 Stunden 9.6.24 = 1296 Gr. — 2% Unzen, und im zweilen 5. 8,5. 24 = 1020 Gr. = 2% Un- zen ins Blut ergossen worden, oder, das Körpergewicht dieser Thiere zu etwa 3 Pfd. veranschlagt. Y;— +5 des letzteren. Andere Versuche über diesen Gegenstand kenne ich nicht. Da die Ergebnisse derselben aber nicht bloss zur Beurtheilung der Schnelligkeit des Flusses im duet. thoracicus, sondern mehr noch zu einer quantitativen Bestimmung des in den Körper- theilen Statt findenden Stoffwechsels benutzt werden können, so hielt ich es der Mühe nicht unwerth, die Sache nochmals aufzunehmen. Das von mir dabei befolgte Verfahren war fol- gendes: Zu den Versuchen dienten Katzen und Hunde. Da ich die seltene operalive Geschicklichkeit des französischen Phy- siologen mir nicht zutrauen durfte, und überdies es für die Pflicht des Experimentators halte, alle Viviseetionen auf die Fälle zu beschränken,. wo dieselben wirklich ganz unvermeid- lich sind, so operirte ich nicht an lebenden, sondern an un- mittelbar vorher getödieten Thieren. Das Tödten geschah durch Strangulation, um Blutverlust und dadurch beschleunig- ten Eintritt des Milchsaftes in die Venen möglichst zu vermei- den. Sobald am Ange des getödtetlen T'hieres keine Reflex- bewegungen mehr einträlen, wurden das Brustbein und die vordern Enden der Rippen entfernt, die Lungen der linken Seite zurückgeschlagen, der immer sehr deutlich hervorlre- Nüller's Archiv, 1845. 4 50 tende duet. ihoracie. entweder mil einem Faden umsehnürt oder mit den Fingern comprimirt, darauf oberhalb durehsehnit- ten, und mit einigen Messerzügen nach unten etwa in der Strecke eines Zolls frei präparirl, um ihn bequem in eine un- tergehallene Glasschaale zurücklegen und den austretenden Inhalt in dieser auffangen zu können. In zwei bis drei Mi- nuten können alle diese Vorbereitungen zum Versuch vollen- det sein. Die durch die gehemmie Weilerbewegung bedingte Ansammlung des Chylas ist in dieser kurzen Zeit nich! so bedeutend, dass sie das Resultat des Versuchs in erheblicher Weise beeinträchtigen könnte, und zur grössern Sicherheit liess ich die erste, zuweilen in einem kurzen Strahle hervor- stürzende Menge Chylus unberücksichligt, und fing nur die folgenden, gewöhnlich tropfenweise hervoriretenden Quanlitä- ten auf. Dieses Ausfliessen dauerte verschieden lange, und die Versuche mussten bald früher, bald später unterbrochen werden; es schien dies von der rascheren oder langsameren Gerinnung des Chylus abzuhängen, wodurch die Oeffnung verstopft wurde. Zuweilen hörte der Ausfluss sehon nach zwei Minuten auf, obgleich die Milchgefässe von Inhalt strotz- ten; in diesen Fällen gerann aber auch der entleerte Chylus fast augenblicklich an der Luft. Andere Male dauerte das ununterbrochene Ausfliessen bis acht Minuten, und hörte auch dann keinesweges wegen Entleerung der ILympbgefässe auf, sondern theils wegen Gerinnung des austrelenden Chylus, theils auch wohl wegen Erlöschens der bewegenden Kräfte. Vor allen Dingen hat man sich nun aber die Frage zu stellen, ob auf diesem Wege, der nächst dem von Magendie bezeichnelen der einzige sein möchle, auf welchem der ange- regle Gegenstand erledigt werden kann, derjenige Grad von Sicherheit und Zuverlässigkeit in den Ergebnissen erreicht werden könne, der allein zu ferneren auf die letzteren zu gründenden Folgerungen berechtigen darf. Dass an eine mathe- matisch genaue Bestimmung der Chylusmenge hier nicht ge- dacht werden dürfe, versteht sich von selbst; ich will selbst 51 zugeben. dass die Breite des Irrthums hier so beträchtlich sei, dass das Resultat zwischen 1 und 2 + 1 schwanke. Aber ich glaube, dass der Beweis nicht schwer zu führen sei, dass die hier gewonnenen Zahlen immer hinter den normalen Wer- then der ins Blut strömenden Chylusmasse zurückbleiben, und dass demnach die Folgerungen, zu denen sie etwa benutzt wer- ‚ niemals eine die Wahrheit überschreitende Ausdehnung erlangen können. Hierüber lässt sich Folgendes bemerken: Es ist zuerst kein Grund zu fürchten, dass die Schnellig- keit des Chylus in dem duct. thorac. in dem Maasse wech- selnd sei, dass eine ungefähre Berechnung der durchtretenden Menge unausführbar sei. Im Gegentheil lässt sich darthun, dass einerseits die Bereitung (dieses Fluidums von äussern Ver- hältnissen ziemlich unabhängig ist, und andererseits der Wech- sel, der in der Wirksamkeit der verschiedenen Propulsions- mittel der Lymphe ohne Zweifel Statt findet, in dem duct. thorae. ausgeglichen und zu einer ziemlich gleichmässigen End- wirkung zurückgeführt werde. Die gänzlich mangelnde oder sehr reichliche Zufuhr von Nahrungsmitteln hat nämlich auf die Menge des Chylus, wie es scheint, gar keinen Einfluss. Ich habe bei Thieren, die in 24—36 Stunden nich!s und nicht einmal Wasser zu sich ge- nommen hatten, und deren Magen und Dünndarm völlig leer war und wie reingewaschen sich ausnahm, den duct. thorae. in demselben Maasse gefüllt, und dieselbe Menge Chylus her- geben gesehen als bei solehen Thieren, die längere Zeit hin- durch sehr reichlich genährt worden waren. Vom Darmkanal is muss also der duet. thorac. einen verhältnissmässig nur 3 Theil seines Inhalts beziehen. Auch weiss man ja schon längst, dass die in den Magen eingeführten Getränke der Hauptsache nach von den Blutgefässen aufgenommen wer- den; und wenn auch die durch die Verdauung aus den festen Speisen extrahirten Stoffe in der That ausschliesslich in die Chylusgefässe eintreten sollten, so bilden sie doch immer nur einen unbedeutenden Theil der dem Blute beizumischenden 4” 52 Chylusmenge. Denn die letztere beträgl, wie wir sehen wer- den, in 24 Stunden nicht viel weniger als die gesammie Blut- masse, von welcher das Gewicht der läglich genossenen festen Speisen einen nur geringen und das Gewicht der aus densel- ben ausgezogenen Nahrungssloffe nalürlich einen noch klei- neren Bruchtheil ausmachen muss. Differenzen in der Qua- lität des Chylus fehlen hierbei nicht, und übereinstimmend mit anderen Beobachtern habe auch ich denselben bei den genann- ten Carnivoren nach reieblicher Nahrung regelmässig intensi- ver weiss gefunden, als nach vorhergegangeneın Fasten. Die die Bewegung des Clıylus und der Lymphe bedin- genden Momente: die Contraction der betreffenden Gefässe selbst, der auf dieselbe ausgeübte Druck bei der peristallischen Bewegung des Darmkanals, bei Muskelaclionen anderer Theile, bei der Contraction der zellstoffigen Gebilde, bei den Respi- ralionsbewegungen — müssen zwar in den kleineren Gefässen dieser Art eben so beträchtliche Schwankungen in dem Fort- gange des Inhalts zu Folge haben, als sie selbst unregelmässig erfolgen; und so haben denn auch mehrere Beobachler bei Vi- viseclionen eine bald langsamer, bald rascher wechselnde Ent- leerung und Anfüllung der Lymphgefässe gesehen (Magen- die, Poiseuille u. A.). In dem duct. thorae. aber, in dem alle Lympligefässe endlich zusammentreffen, müssen die ver- schiedenen Impulse, unter denen dieselben stehen, sich aus- gleichen, und zu einer conlinuirlichen Wirkung sich vereini- gen. Hierfür sprechen nun auch die bisherigen Erfahrungen, indem aus dem Milchbrustgange, sowohl wenn er beim leben- den Thhiere geöffnet, als auch wenn er beim so eben gelödte- ten auf die angegebene Weise behandelt wurde, der a stets ganz gleichmässig und continuirlich hervortrat. Von dieser Seile wäre also gegen die bezeichnelen Ver- suche kein erheblicher Einwand zu machen; man muss aber ferner noch fragen, ob die die Propulsion des Chylus bedin- genden Verhältnisse hierbei nicht so wesentlich gestört wer- den. dass eine befriedigende Lösung der Frage unmöglich 53 werde. Auch dieses Bedenken lässt sich Iheils ganz hinweg- räumen, Iheils sogar zur keanieung des hier sich darbieteu- den Resultates benutzen. Da die Resorbtion durch die Lymphgefässe bekanntlich auch noch ziemlich lange Zeit nach dem Tode anhält, so wird man vorausselzen dürfen, dass in den 8—10 Minuten, die ich zu jedem Experiment brauchte, die Einführung neuen Stoffes in diese Gefässe sich nicht wesentlich verringerte; war dies dennoch der Fall, so musste die Quantität Chylus, welche der duet. thorae. mir lieferte, geringer sein als im Leben und un- ter normalen Verhältnissen. Dagegen war in den kleineren Lymplhstämmen, wie an den Extremitäten, an den Rumpfwänden u. s. w., die Bewe- gung des Inhalts olıne Zweifel verringert, indem die Haupt- triebfeder dazu. die Zusammenziehung der Muskeln an diesen Organen, wegliel. Die Chylusgefässe in den Darmwänden machen wohl die einzige Ausnahme davon; denn da die peri- stallische Bewegung des Darmkanals beträchtlich vermehrt wird, sobald durch Oeflnung der Bauchhöhle der Zutritt der almosphärischen Luft zu demselben gestattet ist, so wird der in den Darmwänden enthaltene Chylus ohne Zweifel rascher fortgeschafft. Wird aber eine solche Oeflnung in den Baueh- wänden so gross gemacht, dass der von denselben ausgehende Druck auf den Inhalt der Bauchhöhle im Ganzen und auf die an der hinteren Wand der lelzteren befindlichen Lymphstämme verringert oder gar aufgehoben wird, so wird der Chylus von hier aus nicht weiter hinaufgeschaflt werden. Dies wird über- haupt um so schwieriger geschehen, als durch das Stocken der Respirationsbewegungen das ohne Zweifel wichtigste Mit- tel zur Fortschaflung des Inhalts der grossen Lymphstämme in Baueh- und Brusthöhle genommen wird, wofür die durch den Einfluss der Atmosphäre vielleicht hervorgerufene leb- haftere Contraelion dieser Gelässe schwerlich einen entspre- chenden Erfolg bietet. "Wenn ferner die sogenannte Saugkralt des Herzens auf 54 die mit dem letzteren zusammenhängenden grossen Venen- stämme, und namentlich auch auf die Jugularis am Halse ein- wirkt, so wird näher gegen das Herz hin an der Einmün- dungsstelle des duct. thorac. dieser Einfluss sich nicht wieder geltend machen müssen. Mit dem Cessiren der Herzaction und des Blutlaufs wird also auch noch dieses, die Bewegung der Lymphe im duct. thorac. befördernde Moment! wegfallen. Nur ein Umstand wird bei der oben angegebenen Ope- rationsmethode als den Ausfluss der Lymphe begünstigend an- gesehen werden können, nämlich die mit Durchschneidung des duct. thorac. entfernten Impedimente, die im gesunden Zu- stande dem weiteren Fortgange der Lymphe und ihrem Erguss ins Venensystem sich entgegenstellen. Immer aber werden diese Impedimente nur gering sein. Denn wenn das Poi- seuillesche Hämodynamometer in der Jugularis einen Druck von 3—4” Par. Quecksilberhöhe anzeigt, so wird derselbe gegen das Herz hio noch mehr abnehmen, folglich das Hin- derniss, das die fortschreitende Lymphe zu überwinden hat, und der dazu erforderliche Kraftaufwand noch geringer sein müssen, als jenes Maass. Der Endeffekt der die Lymphbewe- gung bewirkenden Kräfte liesse sich bestimmen durch Einfüh- rung des Poiseuilleschen Instruments in den duet. thorae. Mir sind indessen ein Paar Versuche der Art leider missglückt. Jedenfalls wird jener Effekt den geringen Hindernissen ange- messen sein; und wenn man erwägt, wie stark die Jugularis vor dem comprimirenden Finger anschwillt, wie schwach da- gegen der duct. thorac. — wie in jener der Druck nur we nige Linien Quecksilberhöhe beträgt, und in diesem noch geringer sein muss, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass das genannte Instrument zum Messen der Propulsionskraft des Chylus, in der Nähe seines Ueberganges ins Blut, -noch nicht fein genug ist. Und wenn dem so ist, so wird der die Lymphbewegung im duct. thorac. über die Norm beschleuni- gende Einfluss, der durch die Durchschneidung dieses Gefässes etwa gesetzt wird, gewiss nicht unterschätzt. wenn. wir ihn 55 als Aeqnivalent für alle die erwähnten Umstände gelten las- sen, die den Lauf des Chylus mehr oder weniger verlang- samen müssen. Dennoch darf man behaupten, dass die auf die oben be- zeichnete Weise in einem Versuche von bestimmter Zeitdauer gewonnene Chylusmenge das ganze Quantum Lymphe noch nicht hergiebt, das im gesunden Zustande in derselben Zeit in die Blutgefässe eintritt. Denn bei diesen Versuchen kam im- mer nur der in die linke vena jugularis communis eintretende einfache oder mehrfache J,ymphstamm in Betracht; der duet. thorae. dexter oder minor, so wie andere nicht selten Statt findende Anastomosen zwischen Blul- und Lymphgefässen mussten unberücksichtigt bleiben. Und wenn das, was die letzteren hergeben, auch ungleich weniger ist, als das von dem linken Milchbrustgange herrührende, so wird dies Verhältniss doch immer dazu dienen könnem, die Ueberzeugung zu befe- stigen, dass die nun mitzutheilenden Versuche Zahlenbestim- mungen liefern, die hinter der Wahrheit wohl zurückbleiben, in keinem Fall aber — und das ist hier besonders wichtig — über dieselbe hinausgehen. — So viel zur Verständigung über die Sicherheit und Treue, die diesen Experimenten zugestan- den werden zu können scheint. Erster Versuch. Ein grosser Kater wog 11% Pfd. Med. 6G., der duct. Ihorac. desselben zerfiel in drei Stränge, von denen nur zwei geöffnet werden konnten, der dritte unberück- sichligt bleiben musste. Während 27 Minuten, die nach der Sekundenuhr gemessen wurden, fand der Ausfluss in grossen, langsam hervortretenden Tropfen Statt, und hörte dann plötz- lich auf. Es wurden in dieser Zeit 15 Gran Chylus aufge- fangen, in einer Stunde waren also 24.15 = 360 Gr. = % Un- zen ausgetreten, in 24 Stunden demnach 14 Pfd. Bringt man den dritten übergangenen Lymphstamm auch noch in Anschlag, so wären in 24 Stunden wohl 2 Pfd. entleert worden. — Die Lympligefässe in Bauch- und Brusthöhle zeigten sich stark 56 gefüllt von ziemlich hellem Inhalte; Magen und Darmkanal waren völlig leer. Zweiter Versuch. Eine Katze wog 7% Pfd.; der ein- fache duct. thorae. lieferte in 6 Minuten 45 Gran Chylus, in einer Stunde also 450 Gr. und in 24 Stunden 22% Uuzen; der Chylus war milchweiss, Magen und Dünndarm von Spei- sebrei stark gefüllt. Dritter Versuch. Eine Katze wog 7 Pfd.; der ein- fache duct. thorae. entleerte in 4 Minuten 20 Gran, in einer Stunde also 300 Gran, in 24 Stunden 7200 Gr. = 15 Unzen — 1% Pfd. Auch dies Thier war reichlich gefüttert worden. Vierter Versuch. Ein Kater wog 10% Pfd.; in einer Minute gab der duct. thorac., nachdem der erste heraustre- tende Strahl nicht aufgefangen worden war,, 8 Gran, dann hörte durch vollständige Gerinnung an der Oeflnung der Aus- fluss plötzlich auf. In einer Stunde hätte dieses Thier also 60.8=480 Gr. = 1 Unze, und in 24 Stunden demnach 2 Pfd. liefern müssen. Der Chylus war milchweiss, Darm und Magen von Speiseresten erfüllt. Fünfter Versuch. Ein Kater wog gegen 7 Pfd.; der Brustgang gab in 5 Minuten 23 Gran, in 24 Stunden also 6624 Gr. = 1 Pfd. 1 Unze 1 Drehm. — 175; Pfd. In einem sechsten Versuch an einer 9% Pfd. schweren trächtigen Katze gab der duct, Ihorac. in 4 Minuten 65 Gran, in 24 Stunden also mehr als 4 Pfd. Doch konnte dieser Ver- such nicht weiter berücksichtigt werden, da jene beträchtliche Menge Chylus durch Druck auf die Unterleibswände heraus- befördert wurde. In fünf Versuchen an Katzen verhielt sich demnach das Körpergewicht zu der auf 24 Stunden berechneten Chylus- menge wie 45:8, 45:11, 28:5, 41:8, 70:11; also im Mittel wie 229:43, oder wie 5,34:1. Da nun nach Valentin’s Be- rechnung der Bluimenge — die, wenn auch nicht frei von Mängeln, doch die beste unter den bisher zu diesem Zwecke benutzten Methoden ist, — dieselbe bei den Katzen zum Kör- 57 pergewicht sich verhält wie 1:5,75. so würde bei diesen Thie- ven innerhalb 24 Stunden ein dem Gewicht der ganzen Blut masse gleichkommendes und an Volumen dieselbe noch. über- treffendes Quaninm von Flüssigkeit aus dem Milchbrustgange ins Venensystem ergossen werden. Siebenter Versuch. Ein Hund wog 48 Pfd.; der duet. thorac. gab in 4 Minuten 23 Drachmen Chylus, in einer Stunde also 375 Drachmen oder 4% Unzen; folglich in 24 Stun- den über 9 Pfd. In der letzten Minute des Versuchs floss übri- gens wegen Gerinnung der Chylus sehr spärlich, so dass die gewonnene Chylusmenge olıne Zweifel geringer war als unter normalen Verhältnissen. Als nach Beendigung des Versuchs der duct. thorae. unterbunden wurde, schwoll er von sich an- sammelndem Chylus noch sehr beträchtlich an, Magen und Darmkanal zeigten sich von Speisen mässig erfüllt. Achter Versuch. Ein Hund wog 51% Pfd.; der duct. Ihorae. lieferte in 5 Minuten 134 Gran, in einer Stunde also 1608 Gr. und in 24 Stunden demnach etwa 6% Pfd. Die Oeffnung in den Bauchmuskeln bei Wegnahme des Brustbeins mit den Rippen war unvorsichtiger Weise so gross gemacht, dass die Baucheingeweide sich hervordrängten, der Druck auf die Lymphstämme also wegfiel; auch hier wurde daher ohne Zweifel weniger entleert, als unter normalen Verhältnissen; die Chylusgefässe am Darm und Mesenterium waren auch nach Beendigung des Versuchs noch stark erfüllt von milch- weissem Inhalt. In diesen beiden letzten Versuchen verhielt sich die auf 24 Stunden berechnete Chylusmenge zum Körpergewicht wie 28:144 und 40:309 = 68:453 = 1:6,66. Nach Valentin’s Bestimmung verhält sich aber bei Hunden die Blutmenge zum Körpergewicht wie 1:4,5; demnach würde die in 24 Stunden ins Venensystem übergeführte Chylusmenge etwa % der gän- zen Blutmasse gleichkommen. So viel aber auf der einen Seite ins Blut gelangt, eben so viel muss auf der andern Seite aus demselben entfernt wer- 58 den, um den mittleren Grad von Anfüllung der Blutgefässe, und die hiermit zusammenhängenden gesundheitsgemässen Ak- tionen derselben zu erhalten, Die Aufnahme neuen Stofles ins Blut erfolgt nun bekanntlich auf doppelten Wege, miltel- bar durch das Lymphsystem und unmittelbar durch das Blut- gefässsystem selbst. Der Unterschied zwischen diesen beiden Wegen lässt sich dahin bestimmen, dass die Blutgefässe ge- wöhnlich nur das wirklich von aussen an den Organismus herankommende aufnehmen, z. B. almosphärische Luft, Ge- tränke und andere Flüssigkeiten, während die Quelle, aus der die Lymphgefässe schöpfen, vielmehr innerhalb der Grenzen des Organismus liegt, und in dem von den Blutgefässen in alle Organe expedirten Ernährungsfluidum, dem thierischen Wasser u. s. w. zu suchen ist; eine Ausnahme bilden zwar die Chylusgefässe des Darmes, aber auch sie nehmen die äus- sern Stoffe doch erst nach erfolgter Verarbeitung durch die Verdauungsorgane, also nicht unmittelbar auf. Während das, was die Blutgefässe aufnehmen, nach Verschiedenheit der äus- sern Verhältnisse an Quantität und Qualität sehr wechselnd ist, z. B. schon nach der Menge und Beschaffenheit der ge- nossenen Gelränke sich richten muss, — sind die während des gesunden Lebens ziemlich regelmässig erfolgenden Ernäh- rungsprozesse, so wie die von der Aufnahme äusseren Stoffes bis auf einen gewissen Punkt unabhängigen, und an die Le- bensäusserungen der verschiedenen Organe eng gebundenen Zersetzungsprodukte die stetige Quelle des Inhalts der l,ymph- gefässe. Der Stoffwechsel, der im Organismus vor sich geht, beschreibt demnach einen zweifachen Kreis, einen grössern, die Aufnahme von Stoffen aus der Aussenwelt und die Rück- gabe an letztern betreffend, und einen kleineren zwischen je- nen beiden Endpunkten des Stoffwechsels gelegen und durch die Circulation der Materie innerhalb des Organismus selbst gegeben, beide aufs Vielfachste in einander greifend, einander bedingend und ceorrigivend. Eine quantitative Bestimmung der von aussen her in den Organismus eintretenden und aus dem- 59 demselben ausgeschiedenen Stofle liefern die Messungen und Wägungen, denen man die eingeathmete Luft, Nahrungsmittel und Getränke, so wie die verschiedenen Exerete unterworfen hat. Wenn es sich hiernach erweist, dass ein erwachsener Mann täglich im Durchschnitt 8 Pfd. zu sich nimmt, die, mit Ausnahme des als Darmexerement Abgehenden, ins Blut über- gehen, und wenn eben so viel Masse auf den verschiedenen Wegen aus dem Körper ausgeführt wird, so wird der tägliche Wechsel in dieser Beziehung elwa den zwanzigsten Theil des Körpergewichts oder den vierten Theil der Blutmasse ausma- chen. Ein Maass aber für den innerhalb der Grenzen des Organismus selbst Statt findenden Umlauf der Materie geben uns die Beslimmungen der Flüssigkeifsmengen, die der duct. thorae. dem Blule beimischt. Dieser Wechsel ist ungleich rascher, er kann in 24 Stunden 4 oder 4 des Körpergewichts belragen, und dem Gewicht der ganzen Blutmasse gleich kom- men. Dass in dieser Beziehung bei verschiedenen Geschöpfen beträchtliche Differenzen vorkommen, ist schon im voraus zu vermulhen, und wird auch durch die hier milgelheilten Ver- suche bestläligl. Grösser noch, als diese Unterschiede zwi- schen Hund und Katze, werden höclıst wahrscheinlich die zwi- schen Säugenthieren und Vögeln oder gar zwischen diesen und Amphibien und Fischen sein. Eben so muss vorausgesetzt werden, dass die verschiedenen Organe des Körpers je nach ihrer lebendigen Thätigkeit in sehr verschiedener Weise bei diesem Wechsel betheiligt sind. Ilierauf näher einzugehen, ist gegenwärtig nicht meine Absicht; die milgetheiten Expe- rimente sollten nur ein Versuch sein, für diesen Wechsel des Stolls innerhalb des Gesammtorganismus einen quantilaliven Ausdruck zu finden. Mikroskopische Untersuchung eines puer- peralen Osteophyts der innern Schädel- oberfläche, von Dr. Orro Köstuın in Stutgart. Hierzu Taf. VII. Soviel ich weiss, existirt keine genaue mikroskopische Unter- tersuchung des puerperalen Osteophyts der Schädelknochen, ich theile daher die folgende mit, welche nach einem exqui- siten Falle gemacht worden ist. Das Osteophyt fand sich im hiesigen Katharinenhospitale bei einer Wöchnerin, die drei Wochen nach ‚ihrer Niederkunft an einem typhösen Fieber gestorben war, ausser der vorhergegangenen Schwangerschaft liess sich keine Ursache für jene Neubildung von Knochensub- stanz entdecken. Das Osteophyt überzog die ganze innere Oberfläche der Schädelknochen und zwar sowohl die Decke als die Basis, in Form eines ununterbrochenen, durchscheinen- den Blättchens von der Dicke eines feinen Postpapiers, nur am vordern Ende des Sinus longitudinalis superior erreichte es fast die Dicke einer Linie. Bei der Wegnahme des Schä- delgewölbes und ebenso bei der Losreissung der dura mater von der Schädelbasis blieb die dünne Schicht durchaus in Verbindung mit den Schädelknochen; auf der andern Seite hing sie aber auch mit diesen nicht fest zusammen, sondern 61 liess sich von ihnen fast überall ganz leicht in grossen Stücken abziehen. Die Farbe des Osteophyls war auch im frischen Zustande maltweiss; seine geringe Dicke brachte im Allgemei- nen eine bedeutende Biegsamkeit desselben hervor; nur am vordern Ende des Sinus longiludinalis, wo es einer gewöhn- lichen, dünnen Knochenplatte glich, erschien es härter und weniger biegsam. Bei der geringen Masse, welche sich mir zur Untersuchung darbot, konnte das chemische Verhalten kaum geprüft werden. Mineralsäuren entwickelten aus dem Osteophyt besonders aus seinen knochenähnlicheren Stücken viel Gas; Gerbstofllösang gab schon nach einstündigem Kochen des Osteophyts einen schwachen, aber deutlichen Niederschlag. Hiedurch wäre koh- lensaurer Kalk und gewöhnlicher Leim wahrscheinlich gemacht. Was nun die eigentliche mikroskopische Untersuchung beirifft, so gewährte sie natürlich um so mehr Interesse, als bei dieser Osteophytenbildung, wenn sie überhaupt die Ele- mente des Knorpel- oder Knochengewebes enthielt, die ver- schiedenen Melamorpliosen jener Elemente sowohl dem Raume als der Zeit nach sich näher liegen mussten, als in irgend ei- nem andern Falle von Knochenbildung. An wenigen Stellen des Osteophyts bildete dieses, nach- dem es durch Schaben möglichst dünn und durchsichtig ge- macht war, auch bei sehr starken Vergrösserungen eine struk- turlos mbran, auf welcher wenige sehr feine Körner sassen (Fig. & Von Fasern zeigte diese Membran keine Spur; in der Anordnung der Körner liess sich keine Regelmässigkeit erkennen; sie zeichneten sich durch ihren Glanz und eine leichte gelbe,Färbung aus. An den meisten Stellen waren diese Körner viel zahlreicher und verdeckten einen grossen Theil der strukturlosen Membran. Sie nahmen an Grösse zu, indem einzelne für sich zu wachsen schienen. andere aber entschieden zu grösseren Körnern zusammenflossen (Fig. 2.); jetzt schied sich in ihrer Masse selbst allmählig ein hellerer Rand von einer dunklen Mitte, und wenn diese vollständig getrennt waren, 62 so fand sich in der Regel auch schon ein feines Korn. das excenlrisch an dem hellen Saume anlag. IHliemit (Fig. 3.) war nun aber eine vollständige Zelle mit Hülle, Inhalt und Kern gegeben; die erste erschien durehsichlig, die beiden andern dunkel. Diese drei Abtheilungen liessen sich zum Theil schon an kleinen, meist aber erst an grössern Körnern unterscheiden. Wie diese, wenigstens theilweise. durch Verschmelzung der kleineren Körner entstandeu, so wuchsen auch die Zellen zum Theile entschieden dadurch, dass mehrere zu einer grösseren zusammenflossen (Fig. 6.). Die grössten Zellen zeigten aber wie die kleinsten, immer eine durchsiehtige, ziemlich dicke Hülle. einen dunkeln Inhalt und einen dunklen, excentrischen, unter der Ilülle liegenden Kern; einzelne Zellen enthielten zwei und mehrere Kerne; diese blieben klein und liessen keine Kernkörperchen erkennen (Fig. 4.). Bei Entfernung des Focus zeigten die Zellen einen dunkeln Rand und eine sehr glänzende Mitte; sie hatten also eine glatte, stark gewölbte Oberfläche (Fig. 4. d.). Ihre Form war bald kreisförmig, bald elliptisch, selten stumpfwinklig, ihre Farbe gelblich. Bei den grössten Zellen überwog die Höhle mit ihrem dunkeln Inhalte bedeu- tend über die kleinen Kerne und die mässig dicke, einhüllende Membran. Die eben beschriebeuen Zellen liessen sich an den mei- sten Punkten des Osteophyls durch einfaches Befeuchten und Schaben, besonders der innern Oberfläche, leicht isoli deutlicher traten sie bei der Maceration im wa ren; noch hervor, und hierbei zerfielen einzelne Stücke des Osteophyts vollstän- - dig in feine Körner und in Zellen von verschiedener Grösse. In. dem Ansehen der Zellen zeigte sich durehaus»kein Unter- schied, ob sie durch Schaben oder durch Maceriren isolirt wor- den waren. Nur einmal fand ich in einem macerirlen Stück- chen zwischen den Zellen auch einzelne Glugische Entzün- dungskugeln. Der Gang, welchen hiernach die Entwickelung der ur- sprünglichen Körner des Osteophyts bis zur ausgewaschenen 63 Zelle nahm, stimmt offenbar nicht mit der Darstellung über- ein, die Schwann von der Entstehung der Zellen, und be- sonders der Knorpelzellen giebt. (Mikroskopische Unter- suchungen pag. 207 fl.) An keinem Punkte des Osteo- phyts war zuerst ein Kern vorhanden , um welchen sich erst später die Zellenmembran bildete; sondern so weit ich die Sache untersuchte, war das Verhältniss immer dieses, dass in dem anfänglichen Korne selbst, nachdem es theils durch eigue Ausdehneng, theils durch Verschmelzung mit andern Körnern gewachsen war, eine Scheidung in Kern, Zellenhöhle und Zellenmembran- ver sich ging. Hiernach wären also die Zellen des Osleophyts denjenigen beizuzählen, wo die ur- sprünglichen Elementarkörnchen nicht die Kerne darstellen, um welche die Zelle sich anlegt, sondern wo die Abgrenzung der Zelle mit oder vor der Kernbildung geschieht (Henle, Allg. Anat. p. 162.). Die Entzündungskugeln, welche ich an einer Stelle des Osteophyts fand, waren zu sparsam, als dass sie im Allgemeinen als die frühere Entwicklungsstufe der Östeophytizellen angesehen werden könnten. Die Zellen des Osteophyts glichen auffallend den gewöhnlichen Fettzellen; sie erlitten aber bei der Behandlung mit Essigsäure und Aether keine von den Veränderungen, welche Henle (l. c. p. 393.) unter denselben Umständen von den Feltzellen anführt. Dass sie wirklich Felt enthielten, liess sich indess mit Wahrschein- lichkeit aus den ziemlich zahlreichen Fettinseln schliessen, welche sich nach dem Schaben oder Pressen einzelner Stücke über das Gesichtsfeld ausbreiteten. Die reifen Osteophytzellen waren durch ihren Inhalt offenbar völlig ausgedehnt; bisweilen brachten die Kerne eine schwache Hervorragung der Zellen- membran hervor. Die ersten Veränderungen, welche die Zellen in den fe- stern Schichten des Osteophyls erlitten, bestanden im Verluste der regelmässigen Form, des grossen lichtbrechenden Vermö- gens und des dunkeln Inhaltes; zugleich nahm die Zahl der excentrisch liegenden Kerne zu. oder traten diese doch deut- 64 licher als früher hervor. Ich muss jetzt vor Allem auf Fig. 5. verweisen, in welcher mehrere dieser Veränderungen ausge- prägt sind. Die hier abgebildete Zelle hat von der Dunkel- heit ihres Inhaltes und von dem Glanze ihrer Oberfläche we- nig verloren; der helle Saum aber, welcher die Zellenmembran darstellt, ist an zwei Stellen, und zwar gerade da, wo Kerne sitzen, leicht ausgeschnitten. Man bemerkt solche Kerne an vier Punkten der Peripherie, und ein fünfter Kern scheint auf der dem Beobachter zugekehrten Seite die Zellenmembran etwas emporzuheben; von diesem Kerne gehen nach den vier andern Kernen breite helle Streifen, ohne Zweifel leistenar- tige Erhebungen der Zellenmembran aus, Wir hälten also hier ein Collabiren der Zellenmembran und im Zusammenhang hiermit die Bildung von leistenarligen Hervorragungen, welche die excentrischen Kerne verbinden !). Von dieser Zellenform ist ein direkter Uebergang zu derjenigen, welche in Fig. 7. dargestellt ist. Die Zellen sind unregelmässig, stumpfeckig ge- worden; an ihrer Peripherie sieht man meist eiue grössere Zahl von Kernen, welche mehr in, als unter der Zellenmem- bran zu liegen scheinen. Der eigenthümliehe Glanz ist ganz verschwunden, und die Zellen unterscheiden sich kaum mehr durch eine etwas dunklere Färbung von dem umgebenden Ge- webe. Vergleichen wir nun hiermit Fig. 9., so fällt vor allem der völlige Mangel der Zellenhülle auf; die Zellen sind hier beller, als die Intercellularsubstanz, geworden, und stellen mehr nur helle Lücken im Gewebe dar. Um nun Fig. 7 u.9. unter sich zu verbinden, dazu wird Fig. 8. genügen. Man sieht hier von a bis f die Zellenmembran zuerst nur stellenweise ein- reissen, dann in immer grösseren Umfange verschwinden und mit der Intercellularsubstanz zusammenfliessen; diese erhält gegenüber von der Zellenhöhle eine immer dunklere Färbung. Die Kerne sind bei Fig. 8. und Fig- 9. e. in grösserer Zahl 1) Die Figar 5. hat grosse Aehnlichkeit mit derjenigen, welche Henle auf der fünften Tafel als Figur 8. giebt. 65 vorhanden, während sich bei Fig. 9. a und b zufällig nur je Ein Kern findet. Durch Fig. 9. ist eine neue Haupistufe in.der Entwick- lung der Osteophytzellen bezeichnet. Wir sahen sie in Fig. 4. zur vollen Reife gelang!; jelzt haben sie nicht nur ihre regel- mässige Form, sondern auch ihren dunkeln Inhalt und ihre Zellenmembran verloren; die Höhle der Zellen bleibt allein als Lücke in der umgebenden, dunkleren Substanz übrig, und in diese sind auch an der Peripherie des Zellenraumes die zahl- reichen Kerne eingesenkt. Unter den weileren Abbildungen lassen Fig. 10. a und b., so wie Fig. 11. a. noch Rudimente der Zellenmembran unter- scheiden; es kommen aber hier schon zackige Ausbuchtungen der Zellen vor, welche in Fig. 12, und 13. einen höhern Grad erreichen, und eich mit eigenthümlichen, dunkeln Punkten im Umkreise der Zellen combiniren. Bei der Untersuchung der festern, knochenähnlichen Schichten des Osteophyts fielen mir sogleich zahlreiche Gruppen von dunkeln Punkten auf, und bei gehöriger Durehsichtigkeit des Objekts fand sich regelmässig in der Mitte einer jeden solchen Gruppe eine Zelle, die sich in Zacken auszuziehen anfing. Diese Verhältnisse sind in Fig. 13. am deutlichsten ausgesprochen. Mit der Entwicklung der dunkeln Punkte in der Umgebung der Zellen entstanden nun auch an den Grenzen der Zellenhöhlen immer mehr dunkle Kerne, welche wohl auch das Ansehen der zackigen Ausbuch- tungen bervorbrachten; man sieht diese Kerne Fig. 11, 12 u. 43, und zwar theils am Rande, theils auf der dem Beobachter zugekebrien Fläche der Zellen. Vergleicht man diese verschie- denen Figuren, und besonders Fig. 11 b. u. 13, so wird klar, dass diese Kerne vorzüglich in Linien angeordnet sind, welche die zwei entferntesten Pankte der länglichen Zellen verbinden. Aus denselben Figuren erhellt, dass diese Linien, auf welchen die Kerne sitzen, leistenartige Erhebungen bilden, welche also gleichfalls nach der Länge der Zellen verlaufen. Diese Leisten weisen uns nolliwendig wieder auf Fig. 5. zurück, in welcher Müller's Arcbiv. 1545. a 3 66 ihre erste Entstehung angedeulet ist. Vergleichen wir aber die dunkeln Kerne, welche an den Grenzen der Zellenräume sitzen, mit den ai in dunkeln a so ist eine ge- genseilige Beziehung derselben nicht zu verkennen. Zieht man in Gedanken von jedem Kerne eine cenlrifugale Linie, so fal- len in diese mehrere der dunkeln Punkte; einzelne der Linien, z. B. in Fig. 13, verästeln sich weiterhin. Auf der andern Seite erscheinen die Punkte für sich selbst in mehrere Zonen geordnet, welche die Zelle zu ihrem Mittelpunkt haben, und von dieser mehr oder weniger weit enlfernt sind. Eine der Punktreihen verbindet in Fig. 13. die grosse Zelle mit einer naheliegenden, kleineren; in derselben Figur sind einzelne Punkte wirklich durch dunkle Linien, welche sich zur Zelle centrifu- gal verhalten, unter sich vereinigt. Dieses ist die letzte Ent- wicklungsstufe, welche die Gewebtheile des Osteophyts er- reichten; die Zellenräume erschienen weder heller noch dunkler, als die umgebende Substanz. Man möchte vielleicht denken, die dunklen Punkte seien nichts gewesen, als die durchschnittenen Kanäle, welche den kalkführenden Kanälchen der gewöhnlichen Knochen entsprä- chen; indess konnte ich ausser den wenigen, oben bemerkten Stellen durchaus keinen Zusammenhang zwischen den einzel- nen dunkeln Punkten entdecken; sie bildeten, wie die Kerne an den Grenzen der Zellenhöhlen, diskrete, dunkle Körperchen; ihre Oberfläche reflektirte bei gewissen Stellungen des Fokus das Licht sehr stark, und es liess sich hieraus eine gewölbte Form der Körperchen abnehmen. Die Zwischenräume der Punkte waren nicht gleichförmig hell oder dunkel, sondern von dunkleren Streifen durchzegen, welche meistens mehrere Punkte verbanden, aber ganz allmählig in die hellere Substanz übergingen. Essigsäure brachte in diesen Theilen nur eine grössere Durchsichtigkeit hervor; dagegen verschwanden die dunkeln Punkte auf Anwendung von Schwefelsäure, und es traten ganz deutlich diskrete, auch in Gruppen verbundene Körperchen hervor. Wenn man Fig. 14, welche diese Kör- 67 perehen darstellt, mit Fig. 13. vergleicht, so muss, wiewohl die beiden Abbildungen aus verschiedenen Theilen des Osteo- phyts genommen sind, die Analogie der Körperchen mit den Punkten auffallen. Wirklich erscheinen jene Gruppen von Körperchen auch nur an denjenigen Stellen, wo vorher die Gruppen von dunkeln Punkten sichtbar gewesen waren; im den jüngern Schichten des Osteophyts konnte ich nach An- wendung von Schwefelsäure nichts bemerken, was nur einiger- massen an jene Körperchen erinnert hätte. Neben der hellern Färbung unterscheiden sich die Körperchen von den dunkeln Punkten noch durch eine etwas bedeutendere Grösse und durch eine bestimmtere Abgrenzung. Es ist nach diesem wohl die Annahme gerechlerligt, dass die durch Schwefelsäure darge- stellten Körperehen nich!s anderes seien, als die mehr isollrten, heller gemachten dunkeln Punkte. Es muss aber hierbei auf- fallen, dass in Fig. 14. von der Zellenhöhle gar nichts mehr sichtbar ist. Es mag dieses von der gleichmässigeren Durch- sielitigkeit herrühren, welche in allen Theilen des Osteophyts dureh die Schwefelsäure entstand, und den Unterschied zwi- schen der Zellenhöhle und der Intercellularsubstanz aufhob, oder doch sehr verminderte. Nur an einzelnen Stellen liess sich noch eine schwache Contur der Zellenräume zwischen den Körperchen auffinden. Dagegen wurden die dunkeln Kerne, welche an den Grenzen der Zellenräume lagen, sehr wahrscheinlich durch die Schwefelsäure ebenfalls in Körper- chen verwandelt, welche sich in nichls von denjenigen unter- seliieden, die aus den dunkeln Punkten hervorgegangen waren, auch die Kerne hatten hierbei ihre dunkle Färbung verloren, und an bestimmter Begrenzung gewonnen. Die Körperchen, welche also ebensowoll den Kernen, als den dunkela Punkten zu Grunde lagen, waren von verschiedener Grösse, im Allge- meinen rundliech, doch nicht von regelmässiger Gestalt, das Licht ziemlich stark reflektirend. Knüpfen wir die lelzlen Beobachtungen an das Frühere an. so fanden sich also in den am meisten entwickelten Schich- AR [4 } 68 ten des Osteophyls, Zellenräume von länglicher Gestalt, an beiden Enden spilz ausgezogen, ohue eigene Zellenmembran, sondern theils von der homogenen Intercellularsubstanz, theils von den in diese eingesenkten, zahlreichen Kernen begrenzt. Nach Linien, welche die Endpunkte der Zellenräume verban- den, sprangen diese leistenarlig nach aussen hervor, und auf den Hervorragungen sassen die Kerne auf. Um jeden Zellen- raum lag allseitig eine Gruppe von diskreten Körperchen, welche in die Intercellularsubstanz eingetragen, und im Allge- meinen doch nicht regelmässig in Linien angeordnet waren, die theils um die Zelle concentrisch herliefen, theils von ihr nach allen Seiten ausstrahlten. Schwefelsäure machte die In- tercellularsubstanz sowie die Kerne und Körperchen heller. Ich habe bisher die Intercellularsubstanz nicht speeiell er- wähnt. Es fanden sich in ihr weder Markkanälchen, noch Knochenlamellen, noch eine faserige Absonderung; sie war nur dadurch ausgezeichnet, dass die Membranen der Zellen sehr innig mit ihr verschmolzen, und dass auf der letzten Entwick- lungsstufe des Osteophyts die dunkeln Punkte aus ihr hervor- traten. Ihre Mächligkeit blieb sich im Verhältniss zu den Zellen während der ganzen Entwickelung der letztern ziem- lich gleich. Die ganze Metamorphose der Osteophytzellen kann jetzt noch einmal kurz auf folgende Weise zusammengefasst werden: In der homogenen, dem Cytoblastem entsprechenden Membran entstanden einzelne und immer mehr Elementarkörner; von diesen schmolzen elliche zusammen, und die grösseren Körner sonderten sich in eine mässig dicke Hülle, einen dunkeln In- halt und einen excentrisch liegenden Kern. Die se gebildeten Zellen mögen zum Theil durch einfache Ausdehnung gewach- sen sein; gewiss vergrösserten sie sich aber auch, indem meh- rere derselben zusammenflossen. Die stark gewölbte, mehr oder minder sphärische Zelle verlor nun weiterhin ihren In- halt; sie wurde heller, weniger turgid und glänzend und von weniger regelmässiger Gestalt; die kleinen Kerne, die ünter 69 ihrer Ilülle sassen, wurden zablreieher. Mit dem Hellerwverden der Zelle verschmolz ihre Membran auf’s innigste mit der In- tercellularsubstanz, und in diese senkten sich dann natürlich die excentrischen Kerne ein. Die letziern vermehrten sich noch weiter, und wurden durch Aufnahme von Salzen dunkler; im Umkreise von jeder Zelle entstand aber aus der Intercel- lularsubstanz eine Gruppe von ähnlichen, dunkeln Körperchen, welehe durch ihre Anordnung theils unter sich, theils mit den Kernen in Beziehung tralen. Denkt man sich nun diese Kör- perchen sowohl unter sich, als mit den Kernen durch dunkle Linien verbunden, die Zellenräume selbst aber durch Aufnahme von Salzen verdunkelt, so erhält man die gewöhnlichen Kno- ehenkörperchen mit dem dunkeln Netze der sogenannten Kalk- kanälchen, in welches ihre Zacken ausstrahlen. Somit lässt die Entwicklungsstufe des Osteophyts, welche in Fig. 13. abgebildet ist, keinen Zweifel übrig, dass das un- tersuchte Osteophyt wesentliche Elemente des Knochengewe- bes enthielt. In der raschen Metamorphose, welche das puer- perale Osteophyt durchläuft, mag schon ein Hauptgrund für die Einfachheit und Klarheit liegen, mit der sich seine Zellen entwickelten; diese Einfachheit scheint aber vorzüglich auch darin begründet zu sein, dass mit der Ausbildung des puerpe- ralen Osteophyts keine räumliche Ausdehnung desselben ver- bunden ist; jede einzelne Zelle durchläuft daher für sich ihre verschiedenen Phasen, ohne sich durch Spaltung oder auf an- dere Weise zu vervielfältigen. Wiewohl nun die mitgelheilten Beobachlungen vereinzelt dastehen, und von den bisherigen Untersuchungen über die Entwicklung des Knochengewebes in mancher Beziehung ab weichen, so ist es doch wohl der Mühe werth, sie mit diesen kurz zusammenzuhalten. Es erhellt aus dem Bisherigen, dass die Höhlen der ältesten Schichten des Osteophyts weder gan- zen Zellen, noch Zellenkernen, sondern nur den Zellenhöhlen entsprechen. Meine Beobachtungen nähern sich daher am meisten der Ansicht, welche Ienle (l. c. p. 835.) über die 70 Bedeutung der Knochenkörperchen ausspricht. Doch konnte ieh nie eine Verdiekung der Zellenwände oder die Bildung von Porenkanälchen beobachten, aus welchen Henle die Ent- stebung der kalkführenden Kanälchen zu erklären sucht; viel- mehr behielten nicht nur die Zellen von ihrer Reife an durch alle späteren Bildungsstufen im Allgemeinen dieselbe Grösse, sondern auch die Zellenmembranen nahmen in ihrer Dicke weder zu noch ab. Freilich ist noch späteren Untersuchungen die Entseheidung darüber vorbehalten, ob im vollständig ver- koöcherten Osteophyt die Kerne mit den umgebenden Körper- ehen zu dem Netz der sogenannten kalkführenden Kanäle sich verbinden, und ob auch im gewöhnlichen Knochen die Grup- pen von dunkeln Punkten der Entwicklung der kalkführenden Kanäle und somit der vollendeten Ossificalion vorhergehen. Wenn sich dieses bestätige, so könnte man die Entstehung der kalkführenden Kanälehen am besten so erklären, dass theils an den Grenzen der Zellenräume, theils in der Intercellular- substanz selbst Kernbildungen auftreten, welche allmählig zu einem ununterbrochenen, zwischen den Knochenkörperehen ausgespannien Netze sich verbinden. Dieses Netz wäre vor- züglieh der Ort, wo die Kalksalze abgelagert werden; in die Zellenräume dagegen, welche allmählig ihren ersten, fetlähn- lichen Inhalt verloren haben, scheinen im puerperalen Osteo- phyt, wie im gewöhnlichen Knochen die Kalksalze am späle- sien einzudringen. Erklärung der Abbildungen. Tafel VI. Alle Figuren sind hei 800facher Vergrösserung gezeichnet. Fig. 4. Elementarkörnchen. Fig, 2. Grössere Körnchen, bei a. zwei zusammengeschmolzen; in den übrigen scheidet sich schon Mitte und Rand. Fig. 3. Zellen, welche ganz oder nahe zu vollendet sind; ein- zeln offenbar aus zwei Theilen zufammengeflossen. Fig. 4. Entwickelte Zellen von verschiedener Grösse und Form, e. und d. stellt dieselbe Zelle dar, nur bei verschiedener Fokaldistanz. 74 Fig. 5. Eine zam ıheil collabirte, mit leistenartigen Erhebungen und zahlreichen Kernen versehene Zelle. Fig. 6. Zellen, welche theils unter sich verschmolzen sind, theils sich wenigstens sehr nahe liegen. Fig. 7. Weiter entwickelte, glanzlose Zellen. Fig. 8. Zellen, an welchen die Membran allmählig verloren geht. Fig. 9. Zellen ohne Membran, in helle Lücken verwandelt, Fig. 10” Zellen mit Rudimenten der Membran; Anfänge von Zacken und vou den limgebenden dunkeln Punkten. Fig. 11. Diese beiden Zellen sollen besonders die Entstehung und Anordnung der Kerne und der dunkeln Punkte klar machen. Fig. 12. Weitere Entwicklung des Bisherigen. Fig. 13. Die höchste Stufe, welche die Zellen des Osteophyts erreichten. Die Gruppe vou dunkeln Punkten und die dunkeln Kerne sind sehr. deutlich. ’ Fig. 14. Eine der Körnergruppen, welche in den ältesten Schich- ten des Osleophyts durch Schwelelsäure zum Vorschein kommen, Ueber den Stoffverbrauch bei der Muskelaktion; von Dr. HeLmnoutz. Eine der höchsten, das Wesen der Lebenskraft selbst unmit- telbar betreffenden Fragen der Physiologie, nämlich die, ob das Leben der organischen Körper die Wirkung sei einer ei- genen, sich stets aus sich selbst erzeugenden, zweckmässig wirkenden Kraft, oder das Resullat der auch in der leblosen Natur thätigen Kräfte, nur eigenthümlich modifieirt durch die Art ihres Zusammenwirkens, hat in neuerer Zeit, besonders klar in Liebig’s Versuch, die physiologischen Thatsachen aus den bekannten chemischen und physikalischen Gesetzen her- zyleiten, eine viel concretere Form angenommen, nämlich die, ob die mechanische Kraft und die in den Organismen erzeugte Wärme aus dem Stoffwechsel vollständig herzuleiten seien, oder nicht. Schon längst hatten die Physiologen aus den Er- scheinungen der Ermüdung und der allmäligen Wiederherstel- lung der Kräfte durch Ruhe ‘gefolgert, dass zur Hervorrufung der mechanischen Effekte gewisse wägbare oder unwägbare Materien verbraucht würden, welche fortwährend durch die vegelativen Lebensprocesse neu erzeugt, sich in gewisser Quan- tität anhäuften, doch konnten kaum Ahnungen über die Na- iur der verbrauchten Stoffe und über den Ort des Umsatzes aufgestellt werden; das einzige auf eine chemische Acnderung 78 in den Muskeln selbst hinweisende Faktum war die Erfahrung, dass das Fleisch zu Tode gehetzter Thiere sich im Geschmacke wesentlich von dem schneller getödteter unterscheidet. Einen genaueren Nachweis über den wirklichen Verbrauch wägbarer Stoffe gaben erst die neueren Harnuntersuchungen von Leh- mann und Simon, in denen sich herausstellte, dass durch Muskelanstrengungen die Quantität der durch den Harn aus- geschiedenen stickstoffreichen Verbindungen, der schwefel- und phosphorsauren Salze vermehrt werde. Noch fehlte aber die Kenntniss aller Anfangs- und Mittelglieder des Processes und des Ortes ihrer Erzeugung, und da die Rückschlüsse auf sie aus den in den Exkretionen gefundenen Endprodukten siets sehr problematisch bleiben mussten, beschloss ich einen ganz directen Weg zu ihrer Erforschung zu versuchen. Beim Be- gion kaum irgend ein positives Resultat hoffend, wurde ich desto mehr überrascht, als selbst die ersten, nur unvollkommen angestellten Probeversuche in die Augen fallende Thatsachen herausstellten, welche durch eine Reihe sorgfältigerer Wieder- holungen vollkommen bestätigt wurden. Indem ich die Re- sultate dieser Versuche hier bekannt mache, kann ich al- lerdings erst einzelne Fakta geben, noch nicht eine voll- sländig zusammenhängende Uebersicht des ganzen Processes, weil zu einer solchen eine viel genauere Kenntnies der che- mischen Eigenschaften und der elementaren Zusammensetzung der sogenannten Extraktivstoffe des Fleisches gehört, als uns die bisherigen Erfahrungen über diese anscheinend wenig be- achtenswerthen Körper gegeben haben; indessen achte ich es vorläufig für nicht unwichtig, auch nur bewiesen zu haben, dass wirklich in den Muskeln selbst eine messbare Umsetzung vor sich geht. Um ı merkliche Veränderungen in der chemischen Zusam- mensetzung der Muskeln durch ihre eigene Thätigkeit hervor- zubringen, müssen dieselben zunächst dem fortdauernd alle Aenderungen ausgleichenden Einflusse des Blutumlaufs entzo- gen, also in abgetrennten Theilen oder an getödtelen Thieren 74 den Versuchen unterworfen werden. Diese Forderung macht nölhig, ‚uns wieder an die alten Märtyrer der Wissenschaft, die Frösche, zu wenden, weil bei den warmblutigen Thieren die Reizbarkeit nach dem Tode zu schnell abnimmt, und die Fischmuskeln auch auf ziemlich intensive Reizmittel verhält- nissmässig, viel schwächer reagiren. Als Reizmiltel wandte ich anfangs einen kleinen 6paarigen galvanischen Trogapparat an, später fand ich es vortheilhafter, eine kleine Elektrisirmaschine zu gebrauchen, mit der ich eine Leydner Flasche lud. Diese war mit einer Einrichtung versehen, um eine Reihe kleiner, schnell hintereinanderfolgender Entladungen zu geben; an dem Drathe nämlich, welcher zur inneren Belegung der Flasche leitet, ist vermiltelst einer gebogenen Glasstange ein zweiter, durch einen Kork verschiebbarer Drath angebracht, welcher dem ersten näher oder ferner gestellt werden kann, um klei- nere oder grössere Funken herauszulocken. Dieser zweite Drath wurde verbunden mit den thierischen Theilen, letztere mit der äusseren Belegung der Flasche; wird nun die Maschine in Thäligkeit gesetzt, so ladet sich die Flasche, entladet sich, sobald sie hinreichende Spannung erlangt hat, um einen Fun- ken von der Länge der Distanz zwischen beiden Dräthen zu erzeugen, ladet sich wieder u. s. w. Die dadurch erhaltenen Entladungsschläge können zu einer viel bedeutenderen Inten- sität beliebig gesteigert werden, als es mit galvanischen Schlä- gen ohne eine sehr grosse Säule geschehen kann. Ausserdem wird ‚es dadurch möglich, auch die’letzten Reste der Reiz- barkeit zu erschöpfen, ohne eine chemische Zerseizung durch deu elektrischen Strom fürchten zu brauchen, welche bei ei- ner grossen galvanischen Säule nicht zu umgehen wäre. Die Versuche wurden folgendermassen ausgeführt: Zwei bis vier Fröschen wurden die Hinterschenkel dicht am Leibe abgeschnitten, von den Füssen im Fussgelenke getrennt, in zwei Partieen getheilt, so dass von jedem Frosch ein Bein zu der einen, das andere zur andern Partie kam, dann schnell von der Haut befreit, durch Abspülen mit destillirtem Wasser 75 vom äusserlich anhäugenden Blute gereinigt, mit einem Tuche ocknet und abgewogen; die eine Parlie blieb ruhig in ei- Ei Schälchen liegen, während die andere auf einer Glasta- fel so ausgebreitet wurde, dass das untere Ende jedes Beins mit dem oberen des nächsten zusammenstiess, die beiden äus- sersten Enden dieser Kelte aber mit den Zuleitungsdräthen von der innern und äussern Belegung der elektrischen Flasche in Verbindung standen, und nun die Scheibe so lange gedreht, als sich noch Spuren von Zuckungen in den Schenkeln zeig- ten. Im Anfange riefen kleine Funken von *— #’, deren bei jeder Rotation der Scheibe etwa 2 erfolgten, und die fühl- bare Erschütterungen in den Fingern erzeugten, wenn man die Drabtenden anfasste, heftige Zuckungen hervor, später mussten die Funken durch Verstellung des stellbaren Draths vergrös- sert werden, wonach sie natürlich seltener erfolgten. Durch 400—500 Schläge war die Reizbarkeit meist in kurzer Zeit erschöpft, während sie in den nicht. elektrisirten Schenkeln fast noch unverändert war. Die beiden Partieen von Schen- keln wurden nun durch Eintauchen in heisses, oder längeres Liegen in kaltem deslillirten Wasser ihrer Reizbarkeit beraubt, was in freier Luft zu lange gedauert hälte; es wurde alsdann das Fleisch von den Knochen abgetrennt, letztere mit einem Tuch getrocknet, gewogen und ihr Gewicht von dem der Schenkel abgezogen, um das des Fleisches zu erhalten, dieses der weiteren Analyse unterworfen. Der mögliche Febler im Gewicht der Schenkel, verursacht durch etwaiges ungleich- mässiges Abtrocknen, mochle bei diesem Verfahren etwa 2 Gran betragen, was bei einer Menge Fleisch von 14 — 3 Drachmen auf das Resultat nicht von wesentlichem Einfluss sein konnte; ausserdem diente als Controlle das Gewichtsverhältniss des am Schlusse der Analyse getrockneten Fleisches. Unter den löslichen Bestandtheilen wurde zunächst das Eiweiss untersucht; zu dem Behuf wurden die Schenkel mehr- mals mit gleichen Mengen destillirten Wassers übergossen, bis der letzte Aufguss nur noch eine geringe Trübung beim Er- 76 hitzen zeigle; die zusammengegossenen Flüssigkeiten wurden aulgekocht, das geronnene Eiweiss abfiltrirt, getrocknet u gewogen; mit dem Eiweiss wird hierbei der Kae ©. gleich coagulirt, doch ist bei Fröschen dessen Menge so ge- ring, dass das erstere kaum wahrnehmbar dadurch gefärbt wird. Da das Eiweiss grösstentheils, vielleicht ganz, aus dem im Fleische zurückgebliebenen Blute herkommt, und der Aus- fluss des letztern aus den abgeschniltenen Gliedern mancher- lei Zufälligkeiten unterworfen ist, zeigte auch die Menge die- ses Stoffes zu unregelmässige Schwankungen, um die etwa vorhandene Zersetzung einer kleineren Menge desselben durch die Muskelaction noch entdeken zu lassen. Die Durchschuitts- zahlen von 6 möglichst genauen Versuchen sind 2,10 Procent des frischen Fleisches in den elektrisirten Portionen, 2,13 in den nicht elektrisirten; der Unterschied von 0,03 ist im Ver- hältoiss zu denen, welche wir bei den andern Bestandtheilen finden werden, so gering, dass wir ihn vorläufig für unwe- sentlich halten müssen; die Unterschiede der Eiweissmengen zusammengehöriger Fleischportionen beliefen sich bis auf ‚2 Procent. In der aufgekochten Flüssigkeit blieben zurück die Ex- iraklivstoffe des Fleisches; um dieselben noch vollständiger auszuziehen, wurde das vom Eiweiss befreite, in andern Ver- suchen auch gleich das frische Blut mit neuen Portionen de- stillirtten Wassers aufgekocht und digerirt. Durch das Aufko- chen wurde zugleich Hemmung jedes etwaigen Anfangs von Fäulniss bezweckt; es wurde jedoch nur einige Augenblicke fortgesetzt, um die Bildung von zu vielem Leim zu verhülen. War das Fleisch ausgezogen, so wurden die Lösungen einge- dampft, entweder bis zur Trockne, wenn beabsichtigt wurde, die in wasserfreiem Alkohol löslichen Extraktivstoffe (das Al- koholextrakt) zu sondern, oder bis zur dünnen Syrupsconsi- stenz, und. zwar auf beiden Seiten bis zu gleichem Gewicht, wenn die in wasserhalligem Alkohol löslichen Bestandtheile (Spirilusextrakt) ausgezogen werden sollten. Zu dem letztern 77 Zwecke wurde die zehnfache Quantität 9Oprocenligen Wein- geistes zu beiden hinzugefügt, so dass durch die Vermischung elwa ein 8Oprocentiger entstand, die Lösung vom Nieder- schlage ( Wasserextrakt) abfiltrirt, vorsichtig zur Trockne in Glasschälchen von bekanntem Gewicht eingedampft und noch warm mit der Schale gewogen, weil sie schon während des Erkaltens ihr Gewicht durch Anziehen hygroskopischen Was- sers verändern. Das Wasserextrakt wurde durch kaltes Was- ser gelöst, wobei der durch das Kochen gebildete Leim zu- zückblieb und ebenfalls dem Gewichte nach bestimmt. Wenn man dafür sorgt, dass alle diese Operationen mit beiden Fleisch- porlionen ganz gleichmässig und unter ganz gleichen Umstän- den ausgeführt werden, erhält man richtige relative Verhält- nisszahlen, selbst bei minder sorgfältiger Bestimmung der absoluten Mengen. Letztere zu bestimmen hat grosse Schwie- rigkeiten, weil es nicht immer gelingt, die Filtra ganz voll- ständig von den schwer filtrirbaren organischen Stoffen aus- zuwaschen; doch habe ich mich durch besondere Versuche überzeugt, dass die zurückbleibenden Quanlitäten zu gering sind, um auf das Resultat von Einfluss zu sein. Für diese Extrakte stellte sich nun in allen Versuchen ohne Ausnahme das Resultat heraus, dass das Wasserextrakt in den elektrisirten Fleischporlionen vermindert, umgekehrt das Spiritus- und Alkoholextrakt vermehrt waren gegen die des nicht elektrisirten Fleisches. Ich führe hier die durch eine Reihe von genaueren Versuchen gewonnenen Zahlenver- hältnisse auf. SI X Alkoholextrakt e auf 100 Theile des frischen o.& leisches. „5 = = & ja) im elek-| ; N elek Ver- g> trisirten [MIN Ce | Hälmiss = « trisirten 4 Fleische. Fleische a:b 1 | 0752 | 0606 | 1,22 u 0,569 0,427 1,33 im 0,664 0,451 1,38 IV 0,652 0,493 1,32 v 0575 | 0433 | 1,33 Auszug mit 95procent. Alkohol. vi | 15020 | 0748 | 4,36 ER Wasserextrakt Spiritusextrakt 3 . b) im E d) im = Bi Dimelikı nichtelek- ee sin elek- nichtelek- ‚Ver- FE visirten | yigirten | bälteiss | trisirten | nisirten hältniss 5» | Fleische. : a:b |Fleische. : c:d z Fleische. | Fleische. va 1,24 1,63 0,79 1,69 1,50 4,13 vi 0,93 4,23 0,76 1,65 1,35 1,22 IX 0,72 0,90 0,80 1,76 1,53 1,15 N ittel 0,95 4,25 0,78 1,70 1,46 1,16 Das oben hingestellte Resultat stellt sich in diesen Zah- len deutlich heraus, wenn auch die Verhältnisse a:b und e:d der zweiten Tafel noch sehr variiren, was zum Theil von der grösseren oder geringeren Intensität der Zuckungen herrühren mag, die in dem nicht elektrisirten Fleisch durch Präparation, Luft, warmes Wasser hervorgerufen werden. Zu bemerken ist noch, dass der Unterschied der Wasserextrakie im Mittel 0,3 ziemlich entspricht dem der Spirilusextrakte 0,24. Was die weitere Trennung der Extraktivstoffe durch Me- tallsalze betriflt, so giebt Sublimat nur einen geringen Nieder- re) schlag; neulrales und basisches essigsaures Bleioxyd einen starken weissen, der aber durch einen Ueberschuss des Fäl- lüngsmiltels wieder iheilweise gelöst wird, daher der Menge nach schwer zu bestimmen ist. In der vom Niederschlag des Wasserextrakts durch das neutrale Salz abfiltrirten Flüssigkeit bewirkt das basische noch eine geringe Trübung, nicht aber in der des Spiritusextrakts. Bei möglichst vorsichtiger Fäl- lung erhielt ich in den Versuchen VIII und IX vom Nieder- schlag durch das neutrale Salz aus dem Spiritusextrakt des elektrisirten Fleisches 1,04 und 1,76, aus dem des nicht elek- trisirten 0.95 und 1,23; aus dem Wasserextrakt des ersteren 1.43 und 1.50; aus dem des lelzteren 1.34 und 1,54 auf 100 Theile frischen Fleisches. Naeh Lehmann’s Untersuchungen über die Harnverän- derungen nach körperlichen Anstrengungen hielt ich es für wicehlig, besonders auch die Schwefelverbindungen zu berück- sichligen; von Schwefelalkalien oder Schwefelwasserstofl, Ver- bindungen, die sehr leicht auch in den kleinsten Mengen zu entdecken sind, fand ich in den Lösungen der Extraklivstoffe keine Spur; die schwefelsauren Salze werden durch Zusatz von Chlorbarium zu diesen Lösungen ausgefällt, doch ist ihre Menge zu gering, um vergleichende Gewichtsbestimmungen zu zu erlauben. Wenn die Extraktlivstoffe nachher abfiltrirt, ein- gedampft und mit Salpeter eingeäschert wurden, zeigte sich in der mit Salzsäure angesäuerten Lösung des Rückstandes keine Spur von Fällung durch Chlorbarium; woraus hervor- geht, dass die schwefelsauren Salze schon vollständig durch das erwähnte Verfahren entfernt waren, und dass ausserdem die untersuchten Extraktivstoffe keinen Schwefel enthalten. Was die Fette betrifft, so habe ich in einem besonders deshalb angestellten Versuche durchaus gleiche Mengen aus beiden Pleischportionen durch Alkohol und Aether ausgezo- gen. Harnstoff habe ich in den Alkoholextrakten nicht fio- den können, Als Ursache der dargestellten Veränderungen betrachte 80 ich den bei der Muskelaktion Statt findenden chemischen Pro- cess; doch könnte vielleicht das Bedenken aufsteigen, dass als solche die Elektrieität oder selbst eine beginnende Fäulniss zu betrachten sei. Obgleich chemische Zersetzungen durch eine so geringe Quanlilät von Elektrieität, wie sie meine kleine Maschine lieferte, bisher noch nicht beobachtet sind, habe ich doch einen Gegenversuch darüber angestellt, indem ich zwei Froschschenkel durch laues Wasser von 30° R. ihrer Reizbarkeit beraubte, dann den einen eben so lange elektrisirte, als sonst die noch reizbaren Schenkel, und ana- lysirte. Die Mengen der einzelnen Extrakte aus beiden Schenkeln waren durchaus gleich. Den zweiten Einwurf könnte man besonders aus der Angabe mehrerer Autoren zu begründen suchen, dass durch Elektrieität ihrer Reizbarkeit beraubte Muskeln und das Fleisch gehetzter Thiere schneller faule, so dass obige Aenderungen Wirkungen der Fäulniss sein könnten. Dem habe ich entgegenzustellen, dass ich er- stens in besonders deshalb mit der erforderlichen Sorgsamkeit zur Vermeidung fremder Einflüsse angestellten Versuchen, in denen ich das gegen Fäulniss so empfindliche Lakmuspigment als Reagens anwandte *), nie eine schnellere Fäulniss des ei- nen oder anderen Theils bemerkt habe, und dass zweitens in den obigen Versuchen nur bei No. VI der Aufguss kalt ge- macht ist, die anderen aber alle nach je 6—12 Stunden auf- gekocht sind, während sich die ersten Zeichen der Fäulniss in den deshalb angestellten Versuchen durch Enlfärbung des Lakmus erst nach 36— 48 Stunden zeiglen. Um die Gültigkeit der gefundenen Resultate auch für an- dere Thierklassen zu prüfen, stellte ich Versuche mit einer Quappe und einer Taube an. Von der ersteren benutzie ich den»Schwanz, den ich durch einen Querschnitt in der Gegend des Afters vom Leibe trennte, und durch einen zweiten Quer- 1) S. meine Abhandlung über das Wesen der Fäulniss und Gäh- rang im vorigen Jahrgang des Archivs. 81 schnilt in zwei ziemlich gleiche Theile theilte; den-einen elek- trisirte ich, indem ich an den zuleitenden Dräthen Nadeln be- festigte und diese in die beiden Oeffnungen des Rückenmark- kanals einstach; die Zuckungen waren bei gleicher Intensität der Elektrieilät unverhältnissmässig schwächer als in den Froschschenkeln, das Fleisch wurde nach Erlöschung der Reiz- barkeit des nicht elektrisirten Theils (nach 4 Stunden) von der Haut und den Knochen getrennt, gewogen und mit kal- tem Wasser infundirt. Ich erhielt: a) im elek- | b) im nicht trisirten elektrisirten Stück. Stück. Verhältniss a:b Eiweiss . . : . Wasserextrakt Spiritusextrakt Viel schwieriger sind die Versuche an warmblütigen Thie- ren anzustellen, wegen des raschen Erlöschens der Reizbarkeit in ausgesehniltenen oder freigelegten Theilen. Die besten Re- sultate erhielt ich noch, indem ich bei einer decapitirten Taube die Zuleitungsdräthe vermittelst Nadeln mit dem grossen Brust- mukel verband. Die des einen stach ich in den Oberarm, zwei aber, welche am andern befestigt waren, auf derselben Seite dicht neben der Krista des Brustbeins ein, und gab dann den elektrischen Schlägen eine mässige Intensität, so dass starke Reflexaktionen dadurch nicht hervorgerufen werden konnten; noch mehr gemässigt musste die Intensität der Schläge werden, als die Reizbarkeit des elektrisirten Brust- muskels anfing, durch die Aktion erschöpft zu werden, weil sonst die refleklirten Zuckungen der ungeschwächten Muskeln eben so stark wurden, wie die des direkt affieirien. Was man übrigens an Zeit verliert durch das schnelle Erlöschen der Reizbarkeit, wird zum Theil ersetzt durch die viel hefti- gere Aktion der gereizten Muskelpartien; so dass das Resultat Müller's Archir 1845. 6 82 der Zerselzungen noch deutlich hervorlvitt. wenn es auch viel geringer ist, als bei den früher angeführten Tliieren. Ich erhielt: a) im elek- | b) im nicht N trisirten elektrisirten hg 3 Muskel, Muskel. ” Eiweiss... .. 2,04 2,13 _ Wasserextrakt 0,64 0,73 0,88 Spiritusextrakt 1,68 1,58 1,06 Unerledigt muss ich allerdings in diesem Aufsatze noch eine der wichtigsten Fragen lassen, ob nämlich der Muskelfa- serstof mit an der Zersetzung Theil nimmt. A priori wäre es wohl wahrscheinlich, weil wir die Proteinverbindungen überall als Träger der höchsten Lebensenergien finden, und speciell in unserem Falle das Erscheinen einer grösseren Quan- tät schwefelsaurer und phosphorsaurer Salze im Urin nach Muskelanstrengungen gerade für eine Zersetzung schwefel- und phosphorbaltiger Verbindungen spricht, indessen war mir eine direkte Entscheidung durch Versuche bisher noch nicht mög- lieh, weil die Fehler, welehe aus der nicht zu regulireuden grösseren oder geringeren Anfüllung mit Blut, der grösseren oder geringeren Anfeuchtung enlspringen, den relaliven Gehalt an festen Theilen nicht genau genug vergleichbar machten. Es schwanken nämlich die beobachteten Abwägungen so, dass bald_.die eine, bald die andere Seite um 4 — 5 Procent grösser ist, und höher möchte sich eine etwaige Zersetzung des Fa- sersioßfs nicht belaufen; die durehschnittliche Menge der festen zurückbleibenden Theile beträgt 20 Procent vom frischen Fleische bei den Fröschen und Tauben, 12,5 bei den Fischen. Gegen eine Zersetzung des Faserstoffs scheint in den obigen Versuchen der.Umstand zu sprechen, dass meistentheils sich die Mengen des verlorenen Wasserextrakts und gewonnenen Spiritusextrakts ziemlich entsprechen. 83 Ich glaube durch die angeführten Facta den versproche- nen Nachweis geführt zu haben, dass während der Aktion der Muskeln eine chemische Umsetzung der in ihnen enthaltenen Verbindungen vof sich geht; die gewonnenen Erfahrungen stehen allerdings noch vereinzelt und ohne inneren Zusam- menhang da, doch habe ich mich hier auf ihre Darlegung be- schränkt, weil meine weifehen Untersuchungen über diesen Punkt, aus denen vielleicht-ein tieferes Versländniss des Pro- cesses hervorgehen möchte. mir noch einer genaueren Begrün- dung und specielleren Durchführung fähig zu sein scheinen, und dazu noch eine genauere Untersuchung der Extraktiv- stoffe nölhig ist, weshalb ich ihre Veröflentlichung noch ver- schieben will. 6* Ueber die Schädelformen der Nordbewohner Dr. A. Retzrus. Aus dem Schwedischen von Dr. F. C. H. Creplin '). Nachdem Herr Prof. Nilsson die Natur und Lebensweise der ältesten Bewohner des Nordens so überzeugend dargelegt und obgleich er im Wesentlichsten die Frage über deren Ab- weichungen in der Schädelbildung von der der jetzigen Be- wohner Schwedens beantwortet hat, so halte ich mich doch, sowohl zufolge Prof. Nilsson’s eigener Ausforderung, als der günsligen Gelegenheit, welche unsere reichen Schädelsammlun- gen darbieten, für verpflichtet, die Schädel der nordischen Völkerarten einer ausführlichen anatomischen Untersuchung und Vergleichung zu unterwerfen. So viel ich weiss, ist bisher wenig dafür gethan worden, die Eigenthümlichkeiten auszumilteln, welche die Schädel der 1) Die Abhandlung, welche hier deutsch geliefert wird, wurde vom Herrn Prof. Retzius in der Versammlung der skandinavischen Naturforscher in Stockholm, 1842, vorgetragen und steht in deren Verhandlungen (Förhandlingar vid de Skandinaviske Naturforskarnes tredje Möte, i Stockholm d. 13— 19. Juli 1842, S. 157 — 201.) ward aber auch in besonderm Abdrucke lür sich herausgegeben. Ihr Titel ist: Om formen af Nordboernes Cranier; al A. Retzius. Stockholm, 1843. 45 S. in gr. 8. Der Uebersetzer. 85 verschiedenen europäischen Volksstämme auszeichnen, Der Gegenstand ist auch bedeutenden Schwierigkeiten unterworfen, da die europäischen Nalionen nach dem Maasse steigender Cultur und lebhafter Handelsverhältnisse schon seit Jahrhun- derten in sehr naher Berührung mit einander gestanden haben. Man muss deshalb um so mehr darauf sehen, dass die Speci- mina, welche zur Untersuchung benutzt werden, von reinem und unvermi-chtem Stamme seien, so wie man auch eben so sorgfältig vermeiden muss, die durch die Einwirkung der Cul- tur wahrscheinlich während zahlreicher Umwechselungen hin- zugekommenen individuelle und andere Abweichungen von der Stammform mit in die Berechnung aufzunehmen. Die Aufgabe ist, anzugeben, was dem grussen Haufen jedes Volksstammes gemeinschaftlich ist, und da die Resultate um so sicherer werden, je ausgedehnter die Gelegenheit ist, zahlreiche Vergleichungen anzustellen, so habe ich zu dem in Rede stehenden Zwecke schwedische Schädel in Menge, theils vom anatomischen Saale, theils von Begräbnissplätzen, gesam- melt und diejenigen Speeimina ausgesondert, welche als von gemischter oder ausländischer Herkunft betrachtet werden konnten, wie die von anomaler Bildung u. s. w. Das vorzüglichste Ergebniss der Untersuchung der schwe- dischen Schädel ist, dass dieselben eine bedeutende Verlänge- rung. der hinteren Lappen des grossen Gehirns anzeigen, so dass diese das kleine Gehirn nicht allein ganz und gar be- decken, sondern dabei auch nach hinten über dasselbe hin- ausgehen. Bei der Vergleichung mit anderen europäischen Völkern habe ich mich vorzüglich auf die zunächst wohnenden östlichen Nachbarvölker, die Slawen, Finnen und Lappen beschränken müssen. Die Schädel von Slawen zeigen eine Verkürzung der hinteren Lappen des grossen Gehirns an, so dass diese nur eben das kleine Gehirn bedecken, wogegen sie eine merkwür- dige Entwicklung in die Breite darbieten. Die Schädel der 86 Finnen bezeugen eine,.etwas grössere Länge der hinteren Lappen des grossen Gehirns, als die der Slawen, doch su, dass sie über das kleine Gehirn kaum merkbar hinweggehen; aber die Entwicklung nach der Breite ist, wenngleich ‚grösser, als bei den Schweden, doch kleiner als bei den Slawen. Bei den Lappen scheinen die mittleren Lappen des grossen Ge- hiros etwas mehr entwickelt zu sein. wogegen die hinteren Gehirnlappen an den Seiten das kleine Gehirn kaum bedecken und eine noch etwas kleinere Entwicklung in die Breile, als bei den Finnen, zeigen. Die Verschiedenheiten ia der Gesichtsbildung sind nicht ohne. Wichtigkeit für die nationalen Charaktere, aber von ge- ringerer Bedeutung, als die Form der Hiroschale. Sie be- schränken sich hauptsächlich auf eine grössere oder geringere Entwicklung der Kieferapparate, zu welchen auch die Joch- beine gerechnet werden. Die'Kiefer sind bei den europäischen Völkern im Allgemeinen wenig heraus- oder vorstehend. Bei den Individuen ächter Europäer, bei welchen das Gegentheil der Fall, ist das Verhalten ‘wohl als eine Abweichung vom Normaltypus anzusehen. Es dürfte bier auch der Ort sein, zu erwähnen, dass die- selbe Verschiedenheit in der Entwicklung der hinteren Ge- hirnlappen bei den amerikanischen Völkern, so wie bei den verschiedenen Stämmen der Bewoliner Asiens und der Südsee aufzutreten scheint; wogegen die Afrikaner, so viel ich weiss, alle nach hinten verlängerte, schmale Köpfe haben. Mehrere der Bewohner Asiens und die meisten der Südsee, Afrika’ und Amerika’s, sowohl die mit kurzen als die mit langen hin- teren Hirnlappen, zeichnen sich durch eine, die Antlitzzüge verunzierende Entwicklung der Kiefer, theils in der Richtung nach vorn, wie die Neger, theils in die Breite, wie die Grön- länder, aus. Wo solche nationale Verschiedenheiten in der Bildung vorkommen, ınüssen sie, so weit anatomische Charak- tere in dieser Hinsicht gültige Zeugnisse abgeben können, eine tief begründete Verschiedenheit in den Stammesverhältnissen 37 erweisen. Man halt jedoch dieser Sache, wie es mir scheint, nicht Aufmerksamkeit genug geschenkt. So findet man noch ziemlich allgemein, dass die Neger, welche lange, schmale Köpfe haben, mit den Papu zusammengestellt werden, bei de- nen sie kurz- und breit sind, dass die Grönländer, welche lange, schmale Köpfe mit breiten Kiefern haben, in eine Klasse mit den Lappen mit kurzen Köpfen und kleinen Kiefern ge- bracht werden, so wie man noch allgemein, unter dem Na- men der Kaukasier, Turanier u. s. w.. die Slawen mit Skan- dinaviern und Germanen u. m. zusammenführt. Um hierin eine Berichligung zu Wege zu bringen, habe ich eine Aufstellung der Völkerschaften nach der Schädel- und Kieferbildung gemacht, welche ich schon im Jahre 1840 der hiesigen Königl. Akademie der Wissenschaften mittheilte, aber aus Mangel an Zugang zu hinlänglich reichen Sammlungen von-Schädeln fremder Nationen noch nicht selbst im Stande war, vollständig zu prüfen. Ich theile sie hier als einen Ent- wurf und in der Absicht mit, Einwürfe oder Erläuterungen hervorzurufen. Diese Aufstellung, welche nur die Völker- schaften aufnimmt, deren Schädel ich Gelegenheit gehabt habe, zu untersuchen, ist folgende: 88 Dolichoce- phalae. Gentes. Brachyce- phalae. Gallier. Celten. Britten. Schotten. Germanen. Skandinavier. Grönländer. Mehrere nord- und süd- amerikanische India- nerstämme, als Carai- ben, Botocuden u. m. Neger. Neuholländer. Slawen. Finnen u.anderetschudi- sche Völkerschaften. Alganen. Perser. Türken, Lappen, Jakuten u. m. Tataren. Kalmucken. Mongolen. Malaien. Mehrere nord- und süd- amerikanische Volks- stämme, als Incas und Charruas u. m. Papu. Da die meisten Charaktere hier auf einer grössern oder geringern Entwickelung der Schädeltheile beruhen, so ist es 1) Dieser Ausdruck ist vom Dr. Prichard entlehnt, welcher denselben jedoch in beschränkterem Sinne für die afrikanische schmale und in die Länge nach vora hin ausgezogene Kopflorm angewandt hat. 39 nothwendig, Maasse in die Beschreibungen aufzunehmen. Ich habe deren Anzahl so viel, als möglich war, ohne allzu- sehr gegen die Vollsändigkeit zu fehlen, beschränkt, und dabei den Meter benutzt. Für die Schädel der Schweden habe ich keine Messungen auf die ganze Sammlung angestellt, welche sich auf 200—300 beläuft, sondern nach mehrmals wieder- holter Musterung 5 Schädel, 4 Männer- und 1 Weiberschädel, ausgewählt, welche die allgemeinsten. innerhalb der ganzen Sammlung vorkommenden Formverhältnisse ausdrücken. Nach- dem die Beschreibungen und Messungen nach diesen gemacht waren, stellte ich wiederum Vergleichungen mit den übrigen Speceimina an und musterte dasjenige, welches alsdaun nicht constant oder allgemein befunden wurde, aus. Da die Wei- berschädel mehr als die Männerschädel in der Grösse variiren, so hielt ich mich besonders an die letzteren, als den nationa- len Typus am vollständigsten darstellend. WVeiberschädel aus der höhern und mittlern Klasse sind im Allgemeinen weit kleiner, als solche von Jandleuten, welches vermuthlich von der verschiedenen Lebensweise und Beschäftigung herrührt. So findet man die Schädel der dalekarlischen Bäuerinnen viel- fällig eben so gross und stark ausgebildet, wie die Männer- schädel. Für die ausgezeichnet kleinen, feinen Weiberschädel habe ich deshalb keine Messungen in die Berechnung aufge- nommen, sondern nur die Form berücksichtigt. Es sei mir erlaubt, zum eigentlichen Gegenstande dieser Darstellung überzugehen, nämlich zu einer Beschreibung der Sehädel der Schweden, verglichen mit denen der nördlichen und östlichen Nachbarvölker. 1. Sehädel von Schweden. Die Form der Hirnschale, von oben angesehen, ist oval. Die grösste Länge ist um % grösser als die grösste Breite, so dass sie sich zu dieser = 1000: 773 oder fast = 9:7 verhält. In mittlerer Zahl ist die grösste Länge (von der Glabella bis zur grössten Convexität des Tuber oceipitale) 0%,190; die 90 Breite nach vorn (zwischen den vorderen Schläfengruben ) 0,107; die grösste Breite nach hinlen (welche gleich hinter die Schläfen fällt) 0,147; der grösste Umfang des Schädels, (über der Glabella und dem Tuber ocecipilale) 0,540; Höhe des Schädels (vom vordern Rande des Rückenmarkslochs, des Foramen magnum, bis zum höchsten Theile des Scheitels) 0,135. Der Umriss ist an den meisten Schädeln vorn an der Stirn etwas querabgestutzt; die Augenbraunenhöcker sind im Allgemeinen stark entwickelt, wogegen die Hirnschale sich hinter der grössten Breite nach dem Nacken hin verschmälert und verlängert durch die Anwesenheit eines, in der Form ei- nes gerundelen Absalzes stark hervorstehenden Hinterhaupts- höckers. Die grösste Breite des Schädels fällt am häufigsten un- terwärts und etwas vorwärts von den Scheitelhöckern, welche vor dem Aufange des Hinterhaupts und mehr an den Seiten der Hirnschale liegen. Diese Höcker fehlen jedoch oft oder sind gerundet und wenig vorragend. Der hintere Theil der Scheitelbeine und der Pfeilnaht gehen abschüssig nach hinten. Die obere Ecke des Hinter- hauptsbeins liegt tief herab; die Ränder der Lambdanaht gehen über die Oberfläche des Hinterhaupts weg in die Seitenflächen des Sehädels. Die Grenzen für die Ansatzstelle der museuli cervieis (Lineae semicireulares majores) vereinigen sich unter einem fast rechten Winkel, welcher unter und vor dem stark vorragenden Hinterhauptshöcker liegt. Dieser Winkel ragt gewöhnlich hervor und bildet bei erwachsenen Männern eine deutliche Protuberantia oceipitalis externa. Auch, wenn man die Hirnschale von der Seite ansieht, zeigt sich der Hinterhaup!shöcker ausgezeichnet gross, wie ein Absatz, oben von einem Eindruck über der Spitze der Lamb- danaht. oder der Stelle, an welcher sich die grosse Fontanelle befand, begrenzt, welches einen wesentlichen Charakter für die Schädel von dieser Form abgiebt. Zufolge dieser bedeutenden Verlängerung am Hinterhaupte 9 kommt die äussere Obröffnung weiter nach vorn zu liegen, als an den übrigen hier in Rede stehenden Schädeln. Stellt man sich nämlich eine Ebene vor, welche durch die beiden äussefen Gehörgänge geht und die Längslinie des 'Schädels winkelrecht schneidet, so trifft diese Ebene, die Längslinie nahe der Mitte; oft trifft sie gerade die Mitte, seltener fällt sie vor dieselbe und bisweilen einige Millimeter hinter sie. Eine andere Folge des langgestrecklen Hinterhaupts ist, dass die Lineae semieirculares der Schläfen sich nicht so weit nach hinten erstrecken, als an den Schädeln mit kurzem Hinter- haupte. sondern, so wie der Angulus mastoideus des Scheitel- beins, ganz und gar an den Seilenlheilen des Schädels liegen, ohne in die Hinterhauptsfläche überzugehen. Es dürfte zu bemerken sein, dass diese Linien sich nach hinten von der Grenze der Anheftungsstelle der Schläfenmuskeln trennen, welche der Schuppennaht näher, querüber zum Jochfortsatze, verläuft. Auch von unten angesehen, zeichnet sich der Schädel der Schweden durch die Verlängerung des Hinterhaupts br} welche den Umriss elliptisch macht. Um diese Verlängerung des Hinterhaup!s zu bestimmen, nehmen wir eine gerade Linie zwischen den beiden äusseren Ohrenöffoungen an. Wird ein Bogen anf dieser Linie als Chorda um die grösste Erhabenheit des llinterbaupis gezogen, so wird die Höhe des Bogens beinahe der Chorda gleich. Es ist zu bemerken, dass die erwähnte Linie den Vorderrand des Rückenmarkslochs trifli. und dass der Bogen damit beginnt, dem Rande der Processus masloidei zu folgen. Der Abstand dieser Spitzen von einander giebt also am leichtesten die Länge der Chorda zu erkennen, während der Abstand des Vorder- randes des Hinterhauptlochs von der Erhabenheit des Hinter- baupts die Höhe des Bogens ausdrückt. Ganz und gar inner- halb dieses Bogensegments fällt die Oberfläche, an welcher sich die Museuli cervicis befesligen, und welche von den Li- neae semieireulares majores begrenzt werden. Diese Ober- 92 fläche (Conceptaculum cerebelli), auf welcher das kleine Ge- birn ruht, ist bei den Schweden fast horizontal, steigt nicht zur Nackenseite des Kopfs hinan, liegt im Grunde des Schä- dels und ist wenig convex. Das Tuber oceipitale, welches das Conceptaculum für die Spitzen der hinteren Gehirnlappen ist, liegt bedeutend hinter dem Rande des Conceptaculum ce- rebelli. Die Form des Hinterhaupts- und Rückenmarkslochs ist oval; seine mittlere Länge 0,036 und seine Breite 0,029; an einigen Schädeln ist es nach vorn und hinten, bei anderen nur nach vorn oder nur nach hinten zugespitzt. Die Proces- sus mastoidei sind in den meisten Fällen gross und stark, so auch nach innen der Länge nach durch eine tiefe, schmale Rinne zum Ansatze der Musculi digastriei (Ineisurae mastoi- deae majores) gespalten. Die Processus pterygoidei stehen fast lothrecht. ° Wenden wir von hier unsere Aufmerksamkeit auf das Knochengerüst des Gesichts, so finden wir, dass dieses, von oben angesehen, wenig über den Umriss der Hirnschale vor- springt; so sind die äusseren Orbitalfortsätze klein, der untere Orbitalrand steht fast lothrecht unter dem obern. Die Joch- höcker (Tubera zygomatica oss. zygom.) liegen gerade unler den äusseren Augenbraunfortsätzen. Diese Bildung beruht auf der miltelmässigen Verlängerung oder Vorwärtsstreckung der Kiefer. Die Jochbögen gehen bei einigen fast gerade nach hinten und erweitern sich erst in der Nähe der Insertion an die Schlafbeine; bei anderen bilden sie einen fast regelmässi- gen Bogen, dessen grösste Convexität in die Mitte fällt. ‘Der Abstand zwischen der grössten Convexität der Jochbögen ist gewöhnlich 0,130 bis 0,135. Das Jochbein selbst ist auswen- dig platt, mitunter übergerundet, gross und hat einen senk- recht absteigenden Jochhöcker, durch welchen die ganze un- tere Kante des Jochbogens stark S-förmig wird und oft eine Ineisur unter dem anstossenden Jochfortsatze des Oberkiefer- beins entsteht. Der Umriss der Augenhöhlen variirt in der Form; bei 93 einigen bildet er eine schief nach aussen und unten stehende Raute mit abgerundelen Ecken, bei anderen ein Parallelogramm mit gleichfalls abgerundeten Ecken; bald ist dieser Umriss oval, bald fast kreisrund, am häufigsten jedoch schief nach aussen geneigt. so dass die Jochbeinsecke gleichsam herabge- zogen ist. _ Der Raum zwischen den Augenhöhlez, welchen die Na- senwurzel und das Siebbein einnehmen, ist im Allgemeinen breit, wie bei den übrigen nordischen Volksstämmen. Die Dimensionen des Umkreises der Augenhöhlenöffnungen varii- ren so bedeutend, dass ihre Ausmessung wenig erläuternd zu sein scheint. Der Gaumen ist im Allgemeinen hoch gewölbt; doch sieht man ihn auch in vielen Fällen vorn abgeplattet. Der Zahnfortsatz des Oberkiefers (Processus alveolaris) ist hoch; die Entfernung der Spina nasalis externa vom Al- veolarrande variirt von 0,020 bis 0,025. Eine nach hinten in der Richtung des untern Randes des Alveolarfortsatzes gezo- gene Linie fällt ein wenig unterhalb der Spitze des Processes mastoideus und in die Mitte des aufsteigenden Asles vom Un- terkiefer. Das Antlilz wird aus dieser Ursache lang. Die mittlere Länge bei Männern, von der Verbindung der Nasen- knochen mit dem Stirnbeine an bis zum Alveolarrande der Vorderzähne, beirägt 0,074. Die Fossa malaris ist an den meisten Schädeln ziemlich tief. Der Unterkiefer ist hoch und von starkem Bau; seine Höhe beträgt nämlich vom Processus condyloideus bis zum hintern Winkel bei den meisten ungefähr 0,075, und etwa 0,035 vom untern Rande des Kinnwinkels bis zum Alveolar- rande, welches nebst den am häufigsten senkrecht stehenden Zähnen die Höhe des Gesichts vergrössert und, da zugleich die hinteren Wiukel fast gerade nach hinten gerichtet sind und mitten unter den Jochfortsätzen der Schlafbeine stehen, so wird der Uebergang vom Jochhöcker zum Kieferwinkel, welcher vom Masseter gefüllt wird, so verlängert, dass die 94 Jochhöcker wenig bemerkbar sind. Die Processus eoronoidei, an welchen sich die Schläfenmuskeln befestigen, liegen mei- stens innerhalb der Jochbeine ‘verborgen. vor der Jochnaht, welches eine Folge der Grösse und Form dieser Knochen ist. Das Kinn ist stark nach vorn aussiehend und erscheint, 'ver- glichen mit dem der Lappen, kantig. Die Zähne stehen im Allgemeinen lothreeht und haben lange Wurzeln. Vergleichen wir diese Beschreibung mit der Darstellung eines schwedischen Schädels, welche Hr. Pr. Nilsson im er- sten Hefte der Skaudinaviska Nordens Urinvanare, Tab. D, Fig. 1, 2, 3, gegeben hat, so finden wir die genaucste Ueber- einstimmung. Dass diese Formen sich im Verlaufe der Zeiten wenig verändert haben, kann man aus den Schädeln ersehen, welche in alten Gräbern gefunden worden sind. Ich kann hier einen Schädel aus der Gegend von Upsala vorzeigen, welcher in der Erde vom IIrn. Hofjägermeister Toltie gefunden und mir vom Hrn. Prosector Dr. Liedbeck gütigst mitgelheilt wor- den ist. In der Gegend, in welcher dieser Schädel nebst dem zu ihm gehörenden Skelele angetroffen ward. ist der Angabe nach in der Vorzeit ein Begräbuissplalz gewesen, in welchem nicht weniger eine Menge von Grabhügeln und Thonurnen, als von Skeleten vorkommt, welche lelzleren in der Richtung von Osten nach Westen in einer ible von 14 Ellen, ‘ohne andere Spuren von alten Ueberbleibseln liegen. Nach der Meinung ausgezeichneter Alterthumsforscher sind diese Skelete am Schlusse des Zeitalters der Leichenverbrennungen oder im Anfange der Einführung des Christenthums in das Land dahin gekommen. Man kann demnach annehmen, dass der in Rede stehende Schädel über 1000 Jahre in der Erde gelegen habe. Er ist durch seine lang-ovale Form, seine schöne Wöl- bung, hübsche Stirn, gerade Gesichtslinie und sein langes Hinterhaupt mit grossem Hinterhauptshöcker ausgezeichnet. Vor mehreren Jahren übersandte der Ir. Probst Abra- ham Ahlquist der K. Akademie der Geschichte und der 95 schönen Wissenschaften 2 Schädel, gefunden auf Öland in Gräbern ans dem Mittelalter; auch diese kann’ ich hier vor- zeigen. Sie haben ganz dieselbe Form, wie der eben beschrie- bene. Der eine hat einen kupfergrünen Ring um die Coro- nalgegend, vermuthlich von einer Erz- oder Kupferkrone her- rührend. Neulich hat mich der Hr. Graf Anckarswärd in den Stand gesetzt, 4 andere schwedische Schädel aus dem Mittel- alter untersuchen zu können. Diese fanden sich in einem nie- drig gewölbten, gemauerten Grabe in der Sorunda-Kirche, in welcher die Eigenthümer von Follnäs ihre Begräbnisse haben. Follnäs hat dem bekannten Folkunga-Geschlechte zu- gehört und davon auch in älteren Zeiten seinen Namen be- kommen; es hat nämlich früher Folkunganäs geheissen. Das Eigenthum soll, nach Verhandlungen, welche sich auf dem Gutshofe befinden, von 1251 bis 1257 den Folkungen Johan Philipsson, Johan Carlsson, Anund Thuresson und Thorkel Knutsson zugehört haben, welche alle 4 in einer Schlacht blieben und aller Wahrscheinlichkeit nach in der Sorunder Kirche begraben wurden. Die übrigen Familien- gräber in Sorunda haben bekannte Besitzer; aber die Grab- stelle der Folkungen war vor der Entdeckung des erwähnten Grabes unbekannt. Aus den Metallarbeiten und den sonstigen Veberbleibseln, welche sich im Grabe fanden, kann man schlies- sen, dass die hier begrabenen Personen von höherem Range gewesen seien. Der eine Schädel trägt das Zeichen eines tie- fen Hiebes auf das Stirnbein, vermuthlich von einer Streitaxt. Alle diese 4 Schädel, von denen ich hier Gipsabgüsse vorzei- geu kann, bielen dieselbe schöne Antlitzbildung, dieselbe ovale Form der Hirnschale, dieselbe starke Ausbildung des Hinter- haupts und dieselbe Insertion der Gehörgänge dar, wie die oben beschriebenen. Tweimal habe ich Fragmente von Schädeln empfangen, welche in anderen Gräbern aus dem Anfange der christlichen Zeitperiode gefuuden worden waren; auch diese Fragmente, 96 welche im anatomischen Museum aufbewahrt werden, haben die oben erwähnte ovale Form. Bei einem Besuche der Kirche des Wreta-Klosters i. J. 1839 zeigte man mir die steinerne Kiste, in welcher die Leiche des Königs Inge, des jüngern, begraben liegt. König Inge starb bekanntlich i. J. 1129. Das Steinstück, welches. die obere Seite der Kiste bedeckt, sitzt so fest an dieser, dass es vermulblich nicht gelöst worden ist, seitdem der Leichnam des Königs hineingelegt ward. In diesem Deckel sind, wahr scheinlich gleich zu Anfange, Oeflnungen angebracht, durch welche man in die Kiste hineinblicken kann. Ich sah durch sie den Schädel der Leiche, welcher ganz losgelöst und rein skeletirt war. Er lag auf der Seite, so dass das Profil voll- ständig zu sehen war, welches völlig mit der bei den Schä- deln der Schweden angegebenen Form übereinstimmte. Aus diesen Thatsachen, welche den Grüften unserer Vor- fahren entnommen worden sind, kann man schliessen, dass deren Schädel dieselben Formen, wie die unsrigen, gehabt ha- ben und dass unsere Schädelform sonach ein Erbstück von ihnen isi, welches sich wohlbewahrt erhalten hat. Ich hätte wohl gewünscht, auch Etwas von den Schä- deln unserer nahe verwandten Nachbaren anführen zu können, habe aber hierzu wenige Materialien erhalten. Nur einen norwegischen Schädel habe ich zu untersuchen bekom- men. Er ist nebst anderen Ueberbleibseln, Schlachtschwert und Rüstung, in einem Grabe der Vorzeit im Berger Kirch- sprengel gefunden worden. Der Professor Sven Lowen, welcher auf seiner Reise nach Spitzbergen die genannte Ge- gend besuchte, brachte diesen Schädel mit her und verehrte ihn dem anatomischen Museum. Er hat die reinste ovale Form, fast stärker ausgeprägt, als in den schwedischen Schädeln, und zeigt dieselbe Antlitzbildung. Es wäre wahrscheinlich leicht gewesen, einige Schädel aus den anatomischen Sälen Kopenhagens zu erhalten; da aber diese lebhafte Handelsstadt schon von älteren Zeiten her von 97 Menschen aus so vielen verschiedenen Ländern und Volks- stämmen bewohnt und besucht worden ist, so konnten solche Speeimina schwerlich als erläulernd angesehen werden; es wäre denn, dass deren Abstammung uns näher bekannt wäre, Dies gilt noch mehr von Deutschland, wo verschiedene Volks- slämme so oft einander verdrängt haben, wo Colonieen von so verschiedenen Nationen angelegt worden und wo noch jetzt Slawen, Franken, Gallier und Germanen so mit einander ver- mengt sind, dass man nur durch höchst ausgedehnte For- schungen befähigt werden würde, zu unterscheiden, was den einen oder anderen von ihuen angehörte. Vom Dr. Wilde in Dublin erhielt ich im vorigen Jahre einen Gipsschädel von Alexander O’Connor, angeblich dem letzten Könige von Irland. Wilde hält den Schädel für ein Specimen der Schädelform der Irländer. Ich sandte ihm dagegen einen Gipsabguss des vorweltlichen schwedischen Schä- dels, welchen ich vom Pros. Liedbeck empfangen hatte. Wir haben beiderseits die Bemerkung gemacht, dass diese beiden Schädel eine so ähnliche Form haben, dass schwerlich eine Verschiedenheit zwischen ihnen zu entdecken sein möchte. 2. Schädel von Slawen. Die in den hiesigen Sammlungen sich befindenden Sla- wenschädel sind: einer von einem Czechen, einer von einem Polen und zwei von Russen. Den Czechenschädel erhielt ich vom Prof. Presl in Prag; der Polenschädel und der eine russische sind vom Hrn. Oberdirektor Schwartz in Gipsab- güssen gegeben worden; das Original zum Polenschädel gehört dem anatomischen Museum in Upsala, der russische befindet sich in der Sammlung des verstorbenen Dr. Spurzheim. Den andern Russenschädel it Hr. Prof. Lowen gütigst mit- getheilt; er bekam ihn aus m Russengrabe auf Spitzbergen. Diese Anzahl ist freilich geringe, und ich würde es mir nicht erlauben, auf so wenige Specimina irgend Schlüsse zu grün- den, wenn ich dabei nicht Gelegenheit gehabt hätte, die äus- Miüller's Archiv. 1846, W/ 98 sere Kopfform von einer grössern Anzalıl lebender Slawen zu untersuchen. Rx Die Hirnschale zeigt, von oben gesehen, eine kürzere oder hinten abgestulzt - gerundete Eiform (forma breviter ovala), deren grösste Länge die hintere oder grösste Breite um nicht voll % übersteigt. so dass die erstere sich zur letztern = 1000:888 oder ungefähr =8:7 verhält. An 3 der ge- nannlen Schädel nähert sich der Umriss einem Vierecke mit abgerundeten Ecken, dessen vordere Seite kleiner als die hin- tere ist; am vierfen, welcher"von einem Russen ist, nähert er sich mehr der runden Form (forma ovato-rotundala). Die Angesichisknochen zeigen sich, wie an den schwedischen Schä- deln, wenn man den Kopf von oben ansieht, wenig über den Umfang des Schädels hervorragend. N Die grösste Länge ist elwa 0,170; die Breite zwischen den vorderen Schläfengruben 0,102; die Breite zwischen der grössten Wölbung der Scheitelbeine hinter den Schläfen 0,151; der Umriss um die Glabella und die grösste Convexität des Hinterhaupts 0,520; die Höhe yarüirt von 0,129 bis 0,153. Auch die slawischen Schädel sind an der Stirn etwas ab- geslutzt, mit starken Augenbraunenhöckern. Die Scheitelfläche ist breit und wenig gewölbt; das Hinterhaupt verlängert sich nicht in ein nach hinten verschmälertes Tuber oceipitale, son- dern läuft mehr lothrecht abschüssig zu den Lineae semieir- eulares majores hinab. Die Scheitelbeinhöcker sitzen am An- fange des Hinterhaupts, welches eine grosse, niedrig gewölbte oder platte Oberfläche bildet, die den grössten Theil der Höhe des Schädels einnimmt und den hintern Theil der Scheitel- beine mit dem hintern Ende der Pfeilnaht , nebst der ganzen Lambdanath befasst. Die Lineae semicireulares majores bilden somit aufs genaueste die untere Kante des hintersten Hinter- hauptsrandes oder des Schädelgrundes. Die Wölbung des Hinterhanpts zunächst über diesen Linien bildet eine Bogen- linie, deren Höhe etwa die Hälfte ihrer Chorda, gerechnet, wie bei den schwedischen Schädeln, zwischen den äusseren 99 Gehöröffnungen durch die Kante des Rückenmarksloches, be- trägt. Dieselben Lineae semicirculares majores vereinigen sich unter einem sehr stumpfen Winkel oder gehen io einander mittelst einer schwachen Biegung über. Dadurch bekommt die Protuberantia. oceipitalis die Form einer transversellen, stumpfer Erhöhung. Die zwei Flächen unter und innerhalb der genannten Grenze, auf welchen die Halbkugeln des klei- nen Gehirns ruhen, sind stark convex und steigen mit dem hintern Theile aufwärts, so dass sie in die hintere Oberfläche des Hinterhaupts übergehen. Die Ansatzstelle für das Nacken- band (Crista oceipitalis externa) steigt zum Theil aufwärts. Das Rückenmarksloch ist von derselben Furm und Grösse, wie an den Schädeln der Schweden. Der Abstand zwischen den Processus mastoidei ist an dem einen russischen Schädel 0.140, an dem andern 0,135. an dem polnischen 0,128, an dem ezechischen 0.114. Von der Seite angesehen, zeigt die Stirn, wegen der vor- ragenden Tubera frontalia ein Antlitzprofil, welches sich dem lothrechten nähert; doch ist die Stirn an dem einen russischen Schädel nach hinten abschüssig. Das Hinterhaupt ist, wie schon angeführt ward, abgestutzt abschüssig und ohne hervor- stehenden Hinterhauptshöcker. Die Insertion des äussern Ge- hörganges fällt hinter die Mitte der Längsachse des Kopfs. Die Oefinungen der Gehörgänge sind so beschaflen, wie an den schwedischen Schädeln; die Processus masloidei_ sind gross; die Lineae semicireulares der Schläfen gehen in die Oberfläche des Hinterhaupts hinein. Die Antlitzbildung gleicht aufs genaueste der der Schwe- den; doch sind die Wangengruben an allen 4 Schädeln flach und der untere Rand der Jochbögen ist schwach $-förmig; die Jochhöcker sind klein; die Augenhöhlenöffnungen, welche horizontal liegen, sind viereckig mit gerundeten Ecken und so gross, wie bei den Schweden. Der Alveolarfortsatz des Oberkiefers ist, so wie auch die Form und Grösse der Kiefer, fast dieselbe. Das Gaumengewölbe ist an allen 4 Schädeln 7% 100 niedrig und vorn platt, gegen den Alveolarrand hinabsteigend. Eine hinter dem Alveolarrande nach hinten gezogene Linie geht unter die Spitze des Processus mastoideus. Der innere Pterygoidalflügel steht fast senkrecht, der äussere ist auswärts gerichtet. 2 Nur an dem einen, nämlich dem ezechischen Schädel, ist der Unterkiefer erhalten; dieser zeigt keine Verschiedenheit von denen der schwedischen Schädel. Wie ich, oben erwähnte, würde ich nach diesen wenigen Schädeln mir nicht erlaubt haben, irgend allgemeine Charak- tere für die Schädelform der in Rede stehenden Völker auf- zustellen, wenn ich nicht an einer Menge lebender Personen von slawischem Stamme, theils Russen, theils Polen und Cze- chen, gefunden hätte, dass die Schädelbildung, wie ich sie be- schrieben habe, im Wesentlichen herrschend sei. Während eines Besuchs bei dem bekannten böhmischen Naturforscher, Prof. Johannes Swatopulk Presls(einem Czechen), legte ich diesem meine Erfahrung über die Bildung der Schädel von Slawen vor. Er sowohl. als ein anderer slawischer Ge- lehrter, welcher zugegen war, erlaubten mir, die Form ihrer Köpfe zu untersuchen. Da Presl meine Angabe bestäligt be- funden hatte, äusserte er: .,ich besitze einen ezechischen Schä- del; wenn dieser die Angabe bestätigt, so schenke ich ihn Ihnen.“ Die Form desselben bestätigte auch meine Ansicht, und ich erhielt ihn zum Geschenk. Ein anderer berühmter Naturforscher, Pröf. Johannes Baptista Purkinje in Bres- lau, auch ein Czeche, welchem ich ebenfalls diesen Gegen- stand vortrug, widersprach meiner Ansicht eben so wenig. Wenn man sonach erwägt, dass von den 200—300 Schädeln von Schweden, welche im hiesigen Museum vorhanden sind, sich nur 3—4 der slawischen Form nähern, ohne dass jedoch einer derselben sie vollständig darböte, dass dagegen die 4 hier angeführten slawischen Schädel sich sämmtlich in der Grund- form so: sehr gleichen, so scheint es, dass diese die charakte- ristische Bildung wirklich ausdrücken. 101 In der Decas tertia von Blumenbach’s Collectio era- niorum diversarum gentium ist ein „Cranium Sarmato - Li- tuani® beschrieben und im Profil abgebildet. In der Figur ist das Hinterhaupt nicht so schräg-abschüssig, wie an den hiesigen slawischen Schädeln. Das Occiput bietet ein abschüs- siges, gerundetes Profil mit einem schwachen Tuber oceipitale dar; der ganze Schädel und das Hinterhaupt sind besonders kurz. In der Beschreibung dieses Schädels sagt der gelehrte Verfasser, er habe ihn hauptsächlich dargestellt, um zu zeigen, wie wenig Camper’s Gesichislinie zureiche, um die Charak- tere für die Schädel der Völkerschaften zu conslituiren. Er bemerkt nämlich, dass, wenn man diesen Sarmatenschädel nur von der Seite ansehe und ihn mit dem eines Negers von Congo, abgebildet auf der 18ten Tafel des Werkes, vergleiche, beide völlig dieselbe Profillinie darbieten, da hingegen sich die grösste Verschiedenheit zeige, wenn man diese beiden Schädel von oben ansehe. Der Negerschädel zeige dann die die Neger charakterisirende, von den Seiten zusammenge- drückte Hirnschale mit höckeriger, gewölbter Stirn, wogegen der Sarmatenkopf, welcher, nach des Verfassers Ausspruche, einem älteren Manne zugehört hat, (eaput) „validissimum, valde crassum et ponderosum“ ist. Dies hat der gelehrte Dr. Prichard so übersetzt '): „Ich habe gegenwärtig den Schädel eines Negers aus Congo und den eines Polen aus Litthauen vor mir, bei welchen die Gesichtswinkel gleich sind; vergleiche ich jedoch den schmalen, seitlich zusammen- gedrückten Schädel des Afrikaners mit dem viereckigen Kopf des Sarmaten ?), so finde ich eine ausserordentliche Ver- schiedenbeit zwischen ihnen.“ Prichard hat hier, meiner 1) „Besearches into (he plıysical History of Mankind,‘ deutsch: Naturgeschichte des Menschengeschlechts, übersetzt von R. Wagner. Leipzig 1840. Bd. I. S. 329. 2) Prichard nimmt an, dass die jetzigen Slawen von den Sar- maten der Vorzeit abstammen. 102 Ueberzeugung nach, die Meinung des Verfassers richtig ver- standen, obgleich die Verdollmetschung so frei ist, dass man mit Grund annehmen kann, der Uebersetzer habe sie haupt- sächlich auf eigene Erfahrung von den breiten Schädeln, dem abgestutzten Hinterhaupt und der abgestutzten Stirn des in Rede stehenden Volks, oder yon dem, was agywohl Blumen- bach, als Prichard die viereckige Form genannt haben, gegründel. Ich muss hierbei jedoch bemerken, dass Prichard im 3ten Theile des eitirtten Werkes, im Capitel von den physischen Charakteren der slawischen Nationen, keine Kennzeichen anführt, welche sie von den übrigen Euro- päern unterscheiden. Was Blumenbach hier unter dem Worte Sarmat verstanden habe, ist nicht klar. Dass der Uebersetzer einen Slawen gemeint habe, erhellt, da er jenes Wort durch Pole wiedergiebt, deutlich. Die Meinung, dass die Lithauer im Grunde Slawen seien, theilen auch Mehrere; Prichard führt selbst nach Adelung an, dass die Sprache der Lithauer % der Stammwörler mit den slawischen Sprachen gemein habe, und es sind diese Gründe, welche mich glauben lassen, dass ich berechtigt sei, hier Blumenbach’s Cranium „Sarmato - Lituani® meine Erfahrung über die kurzen Schädel der slawischen Völkerschaften besläligend anzusehen. Somit dürfte man annelimen können, dass die Gesichts- bildung beim slawischen Volksstamme von der allgemeinen, bei den Europäern vorkommenden wenig verschieden sei, wo- gegen die Hirnschale derselben durch ihre Kürze und ihre An näherung an die viereckige oder kugelrunde Form sich ganz und gar von der langen ovalen Form unterscheide, welche Prichard für die indo-atlantischen Völkerschaften im Allge- meinen annimmt und welche, nach dem von mir Dargelegten, bei deu Schweden so gut erhalten geblieben ist. Mehrere Schriftsteller halten dafür, dass die Slawen, Skandinavier und Germanen ihren Ursprung von demselben Stammvolke nahmen; es scheint demnach kühn zu sein, auf die angeführten Verschiedenheiten der Hirnschale eine andere 105 Ansicht zu gründen. Die Geschichte selbst spricht jedoch für die nationale Verschiedenheit der Slawen schon bei ihrem er- sten Auftrelen im 5ten Jahrhunderte, obgleich sie, wie man meint, lange vor ihrer Erwähnung von den Schriftstellern in Europa weit verbreilet gewesen sind !). Nicht weniger spricht dafür die Beständigkeit, mit wel- cher die Slawen unter fremder Herrschaft und in so vielseiti- ger Berührung mit anderen Volksstämmen ihre Nationalität in Deutschland beibehalten. Den deutlichsten Beweis dafür lie- fern die Czechen in Deulschland, welche dort über 1000 Jahre in Böhmen und in Berührung mit Germanen, auch lange un- ter deutscher Obergewalt, doch noch vollkommen ihre reiche Sprache, ihren Nalionalcharakter und ihre Eigenthümlichkeiten besitzen. Dies zeigt, dass zwischen ihnen und der deutschen Bevölkerung des Landes eine Scheidewand bestehen müsse, welche weder die Zeit hat verwüsten, noch die Politik nie- derbrechen können. } Da ieh unter die slawischen Schädel zwei russische mit eingerechnet habe, so muss ich erwähnen, dass ich die Russen als Slawen betrachtet habe, weil Russlands Bevölkerung zum grössten Theil aus diesem Stamme besteht, welcher im Laufe der Zeiten im europäischen Russland theils durch seine eigene Ausbreitung und Vergrösserung, theils durch Kreuzung mit den übrigen älteren Völkern herrschend geworden ist. In Betreff der Schädel der Russen äussern Blumenbach und Isenflamm auch Etwas, das auf die Form hinzudeuten scheint, welche ich für die charakteristische bei den Slawen angesehen habe. Ich führe hier eine Stelle aus Isenflamm’s „Beschreibung einiger menschlichen Köpfe von verschiedenen Ra- gen“ (a. d. Denkschr. d, phys. med. Soc, in Erlangen), Nürnb. 1813, S. 2, an: „Eine Abbildung und Beschreibung eines Tschudenkopfs giebt uns Blumenbach, Dee, IV, p. 8, und 1) Geschichte von Böhmen, von F. Palacky, Prag 1836, Ba. I, S. 56, 104 bemerkt dabei, dass die ganze Form die Mitte zwischen der eaucasischen und mongolischen Rage halte, so wie er auch in der Schrift: de Gen. hum var., p. XXXII, in der Note, be- merkt, dass viele von den Köpfen russischer Natio- nen, die er besitzt, mehr oder weniger etwas von der mongolischenBildung haben, wasich auch häufig zu beobachten Gelegenheit hatte.“ Isenflamm war näm- lich längere Zeit hindurch Professor an der Dorpater Univer- sität gewesen und halte vermuthlich gute Gelegenheit gehabt, die Schädelform der Russen kennen zu lernen. Unter „etwas von der mongolischen Bildung“ wird deutlich die Kürze die- ser Schädel oder ihre Annäherung an die „Forma quadrata* verstanden. Es dürfte hier auch zu erwähnen sein, dass in des.Gra- fen Anätole Demidoff prachtvollem Voyage dans la Russie meridionale et la Crim&e, Cah. XIII, Beschreibungen und Ab- bildungen von 9 auf der Reise in der Krimm gesammelten Schädeln vorkommen. Von diesen sind 5 aus der Gegend von Kertsch, 2 von Jalta und 2 von Feodosia. Nur 3 von ihnen haben die lange oder ovale Form, und diese sieht man für ältern Ursprungs an und glaubt, dass sie Griechen angehört haben. Die übrigen 6, auch von hohem Alter, ge- hören zu den kurzgeformten mit hohem, viereckigem Hinter- haupte. Von diesen ist bei einem (Taf. 10.) das Hinterhaupt etwas gewölbter, als bei den übrigen, und gleicht in dieser Hinsicht den hier in den Sammlungen befindlichen finnischen Schädeln. Uebrigens ist es dem Verfasser nicht möglich’ ge- wesen, auszumitteln, von welchen Volksstämmen diese Schädel herrühren, da die Krimm während der Länge der Zeiten von nicht weniger als 14 verschiedenen Völkerschaften bewohnt gewesen ist, nämlich: Cimbrern, Alanen, Madshiaren, Khaza- ren, Petshegenen, Warägen, Kumannen, Tataren, Bulga- ren, Circassiern, Armeniern, Juden, Zigeunern, Russen und Kosacken. 105 3. Schädel von Finnen. Fünf von den finnischen Schädeln, welche ich Gelegen- heit gehabt habe, zu untersuchen, erhielt ich theils vom Prof. der Med. Ilmoni in Helsingfors, theils vom Prof. der Anat. daselbst, Bonsdorff; einen sechsten ausgezeichnet charakte- ristischen finnischen Schädel verschaffte ich mir ausserdem durch einen hier wohnenden Künstler, Hrn. Strömer. Den Angaben der genannten Herren zufolge, kann ich von der Aechtheit dieser Schädel so versichert sein, wie es auf solchem Wege möglich ist. Alle 6 Schädel sind von Männern. Die Nirnschale zeigt, von oben angesehen, einen keilför- mig eiförmigen Umriss (forma euneato-ovata), dessen Längs- ah um etwa 4 grösser ist, als die grösste Breite. iese Form des Umrisses hat eine grössere Länge, als die von den Schriftstellern sogenannte viereckige Figur. Die mittlere Länge ist 0,178, die grösste Breite in mittler Zalıl 0,144. die Breite zwischen den vorderen Schläfengruben 0,100. Voru ist die in Rede stehende Figur abgestutzt, in Folge der Stellung der Augenbraunenränder und des Augen- braunenfortsatzes, aber die Stirn ist gewölbt (Frons fornicata). Die Schläfenseiten des Umrisses sind fast gerade, in Folge dessen, dass die Schläfen flach sind. Die Scheitelhöcker, welche stark vorvagen, bilden jeder seinen Winkel beim Ueber- gang in das Hinterhaupt, dessen Wölbung grösser als bei den Slawen ist und fast das Segment einer Kugel ausmacht. Die grössle Breite ist in der Nähe der Scheitelhöcker. Ein besonders hervorstehender oder absatzförmiger Hin- terhauptshöcker kommt an keinem dieser Schädel vor. Der grösste Umkreis der Hirnschale variirt von 0,510 bis 0,537 und kann in mittlerer Zahl zu 0,524 angenom- men werden, u Von hinten angesehen zeigen diese Schädel eine fast vier- eckige Hinterhauptsfläche, welche das Ansehen hat, als wäre sie etwas höher als breit. Die obere Seite dieses Viereckes 106 liegt zwischen den Scheitelhöckern, die untere zwischen den Processus mastoidei, die stehenden Seiten erstrecken sich von den Scheitelhöckern bis zu den Proc. mast. An den slawi- schen Schädeln zeigt sich die Höhe des Hinterhaupts biswei- len fast der Breite gleich, bisweilen geringer; an den schwe- dischen, mit niedrigen, abgeplatteten Scheitelhöckern und weit vor dem Hinterhaupte stehenden Proc. mastoidei, gehören diese letzteren nicht dem Umrisse des Hinterhaupts an. An 5 Speeimina ist längs der Pfeilnath eine Erhöhung, welche sich auch in der einzigen Notiz angemerkt findet; die man bis jetzt von den Schädeln der eigentlichen Finnen be- sitzt, nämlich in einem Briefe vom verstorbenen Prof. Hueck an den Akademiker Sjögren im Bulletin scientifique publ. p- l’Acad. Imp. d. sc. de St. Petersbourg, T. V, p. 316. Der hintere Theil der Pfeilnath, wie auch der Scheitelbeine, bieg sich nach unten in die eben erwähnte, das Hinterhaupt der Finnen auszeichnende, gleichmässige Wölbung, welche beinahe das Segment einer Kugel ausmacht. Die Spitze der Lambdanath liegt höher hinauf, als bei den Schweden, ungefähr gleich der bei den Slawen. Die Lineae semieireulares majores liegen etwas niedriger als bei den Slawen, aber höher als bei den Schweden, vereinigen sich ferner unter einem stumpfen Winkel oder mit einem schwa- chen Bogen, welcher bei den meisten etwas über der hintern untern Grenze des Hinterhaupts liegt. Die Protuberantia oc- eipitalis fehlt bei 5 Speeimina und ist beim 6ten klein. Die grösste Convexität des Hinterhaupts fällt in dessen Mitte, so dass diese Mitte in der Vereinigung der Pfeil- und Lambdanaht lieg. Demzufolge nimmt der Theil des Os oceipitis, welcher die hinteren Lappen des grossen Gehirns bedeckt, eine aufgerichtete Stellung an, und macht so etwa der grossen, gerundeten Wölbung des Hinterhaupts aus. So wie die Processus mastoidei die unteren Ecken des Hinter- haupts an diesen Schädeln bilden, so liegen auch die Partes mastoideae der Schlafbeine in der Fläche desselben. “ 107 Die Höhe des Bogens, welcher von der Kante der Ge- hörgänge um die grösste Convexität des Hinterhaupts gezogen wird, macht etwa % der Chorda desselben Bogens aus. Das Rückenmarksloch ist von gleicher Grösse und Form, wie bei den vorigen; die Crisla occipitalis externa ist wenig erhöht, aber gerade und bedeutend aufwärtssteigend. Die Li- neae semieirculares minores sind stark ausgeprägt, ‚so wie die Processus jugulares. Das Conceptaculum für das kleine Gehirn ist bedeutend ausgebildet und an 5 Speeimina mit dem hintern Theile aufsteigend. Die Incisurae mastoideae zur Anheftung der hevabziehenden Muskeln des Unterkiefers sind tief und eng. Der Abstand von der äussern Seile des einen Processus masloideus bis zu derselben Seite des andern variirt von 0,124 bis 0,135. j Von der Seite angesehen, ist die Stirn gerundet gewölbt, bisweilen ohne Tubera frontalia, bisweilen mit wenig ausge- bildeten. Die Tubera superciliaria sind gross und in eine vor- ragende Glabella vereinigt. Die Insertion der Gehörgänge fällt etwas hinter die Mitte des Längendurchmessers. Ihre Form und Stellung ist wie bei den Schweden und Slawen. Die schon angeführte ebenmässige, kugelrunde Wölbung des Hinterhaupts zeigt sich, von der Seite angesehen, am meisten charakte- ristisch. Die Höhe der Finnenschädel variirt von 0,135 bis 0,147. Die Profillinie des Antlitzes ist fast lothrecht; ihre Höhe von der Nasenwurzel bis zum Alveolarrande ist an 5 Speci- mina 0.070, am 6ten 0.065. Die Entfernung von der grössten Convexität des einen Joehbogens bis zu der des andern variirt von 0,128 bis 0,145. Der untere Rand des Jochbogens ist fast gerade, wegen der wenig nach unten vorspringenden Jochhöcker; die Inci- sur unter dem Jochfortsatze des Oberkiefers ist schwach und die Wangengruben sind seicht. Die vorderen Oeflnungen der Augenhöhlen sind vierseitig, fast rechtwinklig und stehen fast horizontal. Die Höhe (0,030) 108 ist etwas geringer, als die Breite (0,040); die Winkel sind ge- rundet, die Fissurae orbitales externae eng- Die Jochbögen stehen am meisten hinten heraus. Der Gaumen, wenig gewölbt und vorn platt. steigl in einer geneigten Ebene zum Alveolarrande hinter den Vorder- zähnen hinab. Die Höhe des Oberkiefers von der Spina na- salis anterior bis zum Alveolarrande ist bei 5 Specimina 0,020, beim 6ten 0,014. Eine vom Alveolarrande des Oberkiefers nach hinten in derselben Höhe und Richtung gezogene Linie trifft die Spitze des Proc. mastoideus. In der Bildung des Unterkiefers finde ich keinen beson- dern Unterschied von diesem Theile bei den Schweden und Slawen. Das Kinn ist an 5 Specimina breit und abgestutzt, bei einem spitzig. Bei allen 6 hat es auf der Mitte des Kie- fers einen Höcker, welcher zum Alveolarrande in einen niedri- gen Rücken aufsteigt. Die aufsteigenden Aeste sind breit, der hintere Winkel ist etwas herausstehend; die Pr. coronoidei gehen zu den horizontalen Aesten mit einer starken Leiste hinab, welche den vordern Rand der Ansatzstelle der Backen- kaumuskeln bezeichnet. Die Höhe des stehenden Asts ist 0,070, des liegenden 0,035. Diese Beschreibung der finnischen Schädel ist in mehre- ren Stücken verschieden von der, welche Hueck in dem oben eitirten Briefe gegeben hat. Er scheint indessen nur einen finnischen Schädel gesehen zu haben und sich daneben, wie die meisten Schriftsteller, welche nach Blumenbach Beschreibungen von Nationalschädeln geliefert, am meisten an Details der Gesichtsknochen gehalten zu haben. Demzufolge können unsere Angaben nicht vollständig mit einander ver- glichen werden. In einem Hauptumstande kommen sie den- noch überein, nämlich darin, dass der finnische Schädel etwas keilförmiges an sich hat. welches ich durch Cranium cunea- to-ovatum auszudrücken gesucht habe. Hueck hat in einer besondern Abhandlung Nachricht von der Schädelform der den Finnen nahe verwandten Esthen 109 gegeben. (De craniis Estonum. Dorpat 1838.) Vergleicht man diese Beschreibung von Hueck mit der, welche ich hier von den Schädela der Finnen gegeben habe, so zeigen sich bedeutende Verschiedenheiten, welche indessen grösstentheils auf der verschiedenen Beschaffenheit der Länder im Vereine mit den verschiedenen Lebensweisen und geselligen Verhält- nissen u. s. m. beruhen können. Esthland ist flaches Land, während Finnland zum grössern Theile bergig ist; die Esthen sind mehrere Jahrhunderte hindurch leibeigene Arbeiter unter grösseren Eigenthümern und Pächtern gewesen, während die Finnen von alten Zeiten her freie und grösstentheils Eigen- tbum besitzende Bauern gewesen sind. Die Zeit, in welcher sich die Esthen an der Ostsee festsetzten, dürfte eine sehr entfernte sein. Prof. Rud. Keyser hält es für glaublich, dass das Volk an der Ostseeküste, welches Pytheas Ostiaier nennt, Esthen gewesen seien, wie Tacitus’s Aestyer. Finnen und Esthen sind wahrscheinlich lange vor dem Anfange un- serer Zeitrechnung gesondert gewesen und haben nach der Zeit unter verschiedenen Verhältnissen gelebt, obzwar ihre Sprachen noch jetzt so viel Aehnlichkeit haben, dass die esth- nische nur wie eine Mundart der finnischen zu betrachten ist. Hueck meint, gefunden zu haben, dass die viereckige Schädelform unter den Esthen herrschend sei, dass aber, wenn dieselbe Form sich der ovalen nähere, sie dennoch etwas kan- tig sei; die „forma cuneata“ sagt er, werde selten angetroffen. Halte ich mich aber. an seine schönen Tafeln über den esth- nischen Schädel, besonders an das Profil (Tab. 2.), so finde ich, dass dies sehr gut mit den Profilen der finnischen Schä- del übereinstimmt, wie auch mit meiner Beschreibung dersel- ben, während es in mehreren Stücken der eigenen, vom Verf. gegebenen widerspricht. In dieser Hinsicht glaube ich auf den Grund der obigen Beschreibungen folgende Hauptzüge, als die finnischen Schädel bezeichnend, annehmen zu können. Die Schädel der Finnen sind kurz, im Umfange keilför- mig eiförmig, mit grossen, hinten hochliegenden Tubera parie 110 talia. Sie unterscheiden sich von denen der Slawen durch ein-schmäleres, mehr kugelrund-gewölbtes Hinterhaupt, wie auch gerade und flache Schläfen und eine längs der Pfeiluaht laufende Erhöhung der Scheitel. Von denen der Lappen un- terscheiden sie sich, wie nachher ausführlicher gezeigt werden soll, durch einen stärkern Knochenbau, grössere Tubera su- perciliaria, starke Proc. mastoidei, ein längeres Gesichtsprofil, wie auch das kugelrunde Hinterhaupt und die weiter nach hinten liegenden Tubera parietalia und endlich die nach hin- ten laufende Sagittalerhöhung. Es giebt wohl kaum ein europäisches Volk, über dessen Herkunft und Stammverwandtschaft so viel Dunkel bis auf die neuesten Zeiten verbreitet gewesen ist und über welches so viele Mutlhmaassungen aufgestellt worden sind, als das in Rede stehende. Der Reichthum der Sprache dieses Volks, die Schönheit seiner uralten Poesie und sein herrlicher, tapfe- rer und standhafter Nationalcharakter zeugen von grossen Ahnen. Der Prof. R. Keyser in Christiania hat in seiner treflichen Abhandlung Ueber die Abkunft und Volks- verwandtschaft der Normänner (Samlinger til det Norske Folks Sprog og Historie, Bd. VI. 1. 2, Christiania 1839) Licht über diesen Gegenstand verbreitet. Man ersieht nämlich aus seiner Darstellung, dass das gegeuwärtige Finnland seinen Namen von dem Volk erhalten habe, welches vor den Finnen das Land inne gehabt hat, nämlich von den Lappen, welche in den ältesten Zeiten, wie noch jetzt in Norwegen, Finnen genannt wurden, dass die jelzigen Finnen, wie die ilnen stammverwandten Esthen von den slawischen Volksstämmen Tschuden genannt werden, und dass dies Volk bei den äl- ten Geschichtsschreibern unter dem Namen Scythen wieder- gefunden werde. Er zeigt solchergestalt, dass die Seythen, welche noch gegen den Schluss des fünften Jahrhunderts das herrschende Volk an der nördlichen Seite des schwarzen Meeres waren, von diesem Zeitpunkt an zersplittert, ferner durch Germanen und Slawen nach Norden, theils gegen die 111 Gegenden um den Ural, theils gegen die Länder an der öst- lichen Seite des botinischen Meerbusens und der Ostsee ge- drängt worden, kurz, dass die jelzigen Finnen die Ab- kömmlinge der vormals so zahlreichen und mächtigen Scy- then sind. 4. Schädel von Lappen. Die Schädelbildung dieses Nomadenvolks ist von Zeit zu Zeit der Gegenstand der Untersuchung verschiedener Anato- men gewesen, und Lappenschädel fehlen in wenigen anato- mischen Museen von Bedeutung. Man möchte danach schliessen können, dass die Form dieser Schädel wohl beschrieben und bekannt wäre; aber dies ist doch nicht der Fall. Die Ursache hiervon ist walırscheinlich die, dass Niemand, so viel ich weiss, bis jetzt im Stande gewesen ist, auf einmal mehr als ein oder höchst wenige Speeimina zu untersuchen. Blumen- bach hatte in seiner reichen Sammlung ihrer zwei. Die Be- schreibung, welche er von diesen giebt, besteht nur aus eini- gen wenigen Reiben, und diese nimmt dennoch Charaktere auf, welche nicht ganz richlig sind. Sie Jautet so: „Uha- racteres primariiz Cranium pro portione slaturae magnum. Habitus in totum, qualis mongolieae varietati solemnis est. Calvaria fere globosa. Ossa jugalia extrorsum eminentia. Fossa malaris plana. Frons lata.. Mentum prominulum acuminatum. — Alia observata: Palati fornix complanatus. Fissurae orbitales inferiores 'ingentes. Fossae jugulares ultra modum diversae magnitudinis; dextra amplissima.“* Für jetzt besitzt das Museum des carolinischen Instituts 22 Lappenschädel, und würde noch 8 dazu besitzen, wenn nicht die Anzahl von Zeit zu Zeit durch Tausch und Schen- kung an andere Museen vermindert worden wäre. Von den jetzt hier sich befindenden 22 Exemplaren habe ich indessen zur gegenwärtigen Beschreibung nur 16 benutzt, weil die übrigen theils von Kindern, theils von ungewisser Aechtheit sind, da man sie aus alten Kirchhöfen aufgesammelt hat; wo- 112 gegen ich für die 16 nähere Angaben über die Namen, das Alter u. s. w. der Personen besitze. Für mehrere dieser Schä- del habe ich dem Herrn Provinzialarzte Dr. Lindström zu danken, welcher längere Zeit hindurch in Westerbotten ge- wohnt und nicht selten Gelegenheit zur Verrichtung medico- legaler Obductionen an Individuen von diesem Volksstamme gehabt hat. Andere sind von den Herren Prof. Zetierstedt, Provinzialärzten Dr. Waldenström und Dr. Wretholm, und einige von meinem Schwager, denı Ingenieur Wahlberg, welcher sich im Winter 1835 in Lulea- Lappmark aufhielt und jetzt auf Reisen im südlichen Afrika u. m. ist, — wel- chen Herren ich nicht genug für die Mühe danken kann, die sie sich gegeben haben, um das Museum mit diesen interes- sanlen Gegenständen zu bereichern, deren Werth durch die Nachrichten über ihre Abkunft erhöht wird; ein Umstand von um so grösserm Gewichte, als die Lappen auf denselben Kirchhöfen mit den Neuangesiedelten, welche Schweden ‚oder Finnen sind, begraben werden. Man sieht hieraus, wie leicht Irrungen beim Einsammeln von Schädeln an ein und densel- ben Stellen entstehen können. e Von oben angesehen, zeigt der Schädel der Lappen einen Umriss, welcher sich derselben kurzen Eiform nähert, wie der der Finnen, indem die Tubera parielalia gross sind und die Entfernung des einen vom andern bedeutend ist; aber der unterste Theil des Hinterhaupts ist etwas herausstehend und verlängert die Figur, wie auch die Schläfengegenden gewölb- ter sind und dieselbe an den Seiten gerundeter machen. Sieht man die Verticalfigur etwas von vorn, so zeigt sie eine sehr kurze und etwas abgestutzte, umgekehrte Eiform. Das Ant- litz ist, wie bei den übrigen europäischen Nordbewohnern, we- nig über den verticalen Umkreis des Schädels vorspringend. Unter den 16 Schädeln sind 3 von Weibern; 2 von die- sen sind kleiner, als die übrigen, der drilte ist so gross, wie ein Männerschädel. Der grösste Umfang ist an dem kleinsten Schädel, welcher einer ältern Weibsperson angehört hat, 0,470, 113 an dem grössten Männerschädel 0,54U; bei 4 ist er 0,525, also im Ganzen kleiner, als bei einem der vorigen Volksstämme. Die grösste Länge ist an dem kleinsten Schädel 0,155, an dem grössten 0,180; 5 Schädel sind in dieser Dimension unter 0,170, 7 nahe an dieser Zahl, 2 etwas über 0,175 und 2 0, Die mittlere Grösse dieses Durchmessers ist sonach kleiner, als bei den Finnen, nämlich 0,170. Ich habe geglaubt, als mittlere Zahl diejenigen Maasse anselzen zu müssen, welche die meisten Speeimina besitzen. Die grösste Breite fällt nicht, wie bei den Finnen, zwi- schen die Tubera parielalia, sondern nach unten und etwas nach vorn von ihnen, theils auf die Schläfenbeine, theils an den Mastoidealwinkel der Scheitelbeine. Sie variirt von 0,133 bis 0,156. An 12 Schädelna variirt dieser Durchmesser nur zwischen 0,140 und 0,149, und von diesen ist er bei 5 0.147, welche Zahl also am besten als die mittlere betrachtet werden kann. Die kleinste Breite ist an dem kleinsten Schädel 0,091, an dem grössten 0,105, an 9 ist er fast 0,100. Der Längs- durchmesser verhält sich sonach zur grössten Breile wie 1000:865 und übersteigt also dieselbe um fast 4 seiner Länge und die kleinste Breite um etwa 2. An 13 Specimina springt der untere Theil des Hinter- haupts in ein von den Seiten etwas zusammengedrücktes Tu- ber oceipitale vor, während er bei den Finnen dagegen eben- mässig gewölbt, so viel nach oben, wie nach unten, ist. Die hintere Seite dieser Schädel zeigt, wie bei den Sla- wen und Finnen, die Form eines Vierecks mit abgerundeten Eeken, doch gegen die Pfeilnaht sich etwas erhöht. Die 2 oberen Ecken werden von den Tubera parietalia, die 2 unte- ren von den Processus mastoidei gebildet. An den meisten ist der Abstand zwischen den Tubera parietalia bedeutend kleiner, als der grösste Breitendurchmesser des Schädels, wel- cher, wie eben erwähnt ward, zwischen den Mästoidalecken der Scheitelbeine oder der Pars squamosa der Schlafbeine Müllers Arecbir. 1845. 8 114 liegt. Der hintere Theil der Pfeilnaht und der Ossa pariela- lia. ist zwar nach unten abschüssig, aber nicht so gewölbt, wie bei den Finnen, und nicht so schroff niedergehend, wie bei den Slawen. Die Spitze der Lambdanaht liegt etwas. hö- her, als bei den Slawen und Finnen, also weit höher, als bei den Schweden. An 12 dieser Schädel kommt ein kleines, weit nach unten liegendes Tuber oceipilale vor, dessen Wöl- bung verschieden von der der übrigen Hinterhauptsfläche ist. Die Lineae semiecirculares majores liegen etwas höher, als bei den Finnen, treffen sich unter einem sehr stumpfen Winkel und sind nur schwach ausgedrückt; eine Protuberantia oceipi- talis fehlt. Das Conceplaceulum cerebelli steigt zum Theile aufwärts und geht dadurch in die hintere Fläche des Hinter- haupis hinein, wie bei den. Slawen. Zwölf Speeimina haben an der Pfeilnaht eine Erhöhung, welche jedoch nieht nach hinten geht, wie bei den Finnen, sondern millen auf der Scheitel anfängt, sich nach vorn er- streckt und an einigen Schädeln bis auf den obern Theil des Stirnbeins fortsetzt. Die bogenförmigen Schläfenlinien gehen in den Umkreis des Hinterhaupts hinein. Das Rückenmarksloch ist elliptisch, ‚seine Länge ungefähr 0,035, seine Breite 0,031. An 9 Sp. sind die Gelenkknöpfe des Hinterhauptsbeins ungewöhnlich kurz und breit, an eini- gen fast rhombisch, so wie auch bei mehreren sehr heraus- stehend. Die Crista ocecipilalis externa ist schwach ausgebildet, die zu beiden Seiten derselben liegenden Flächen (Concepta- eulum cerebelli) sind stark gewölbt. An 11 Sp. sind die Gruben für die Anheftung der Museuli digastriei (die Ineisurae mastoideae majores) wenig vertieft, dagegen aber ungewöhn- lich breit und offen. Die Lineae semieirculares minores bilden in der Nähe des Rückenmarksloches kleine Kämme. Nur an einem Specimen haben die Proc. mastoidei die bei den Schwe- den, Slawen und Finnen gewöhnliche mittlere Grösse; bei allen übrigen sind sie klein; der Abstand zwischen den äus- seren Seiten dieser Fortsätze variirt von 0,125 bis 0,135 und 115 ist bei den meisten 0,130. Bisweilen ist die rechte Fossa ju- gularis bedeutend grösser, als die linke. > ‘Die Höhe des von den Ohrenöffnungen um.den Hinter- hauptshöcker gezogenen Bogens ist die Hälfte oder noch etwas weniger der Chorda. Der horizontale Theil der grossen Flügel des Keilbeins, welcher die mittleren Hirnlappen aufnimmt, ist ungewöhnlich breit und platt (die Fossae mediae cerebri innerhalb des Schä- dels sind ungewöhnlich weit). Die Processus pterygoidei ha- ben eine etwas vorn abschüssige Stellung; der innere Flügel ist klein, der äussere breit und auswärts gewendet, die Pte- rygoidalgrube etwas flach, die Oeffnung zwischen der Vorder- seite der Proc. plerygoidei und dem Oberkieferknochen (Fis- sura sphenopalatina) gross. Die Stirn zeigt sich, von der Seite betrachtet, bei den meisten Specimina etwas, doch immer we- nig, nach hinten geneigt; an 3 ist sie fast lothrecht. Die Scheitel ist hoch gewölbt und geht zwischen den Scheitel- höckern in die Hinterhauptsfläche über. Das Profil des Hin- terhaupts ist, zufolge der obengenannten Form, dem der Fin- nen, Slawen und Schweden unähnlich. Bei den Schweden war es langabschüssig nnd schmal, bei den Slawen jähabschüs- sig, breit und flach, beiden Finnen kugelrund gewölbt; bei den Lappen ist es im Allgemeinen schroff nach hinten ab- schüssig gegen das Conceptaculum cerebelli herab, dort am meisten vorstehend und, wie schon erwähnt wurde, ein schwa- ches Tuber oceipitale bildend. Die Cerebellaroberfläche des Hinterhauptsbeines zeigt sich von der Seite besonders gut wie eine aufsteigende Convexität, welche sich von der Gegend innen vor dem Proc. mastoideus bis zur Vereinigung der Li- neae semicirculares majores erstreckt. Die Schuppentheile der Schlafbeine sind klein und gewölbt. An der Vereinigung mit den grossen Flügeln des Keilbeins sind sie besonders heraus- stehend. Die äusseren Ohrenöffnungen, welche an den mei- sten Speeimina gerundet sind, liegen meistens hinter, aber in einigen Fällen mitten an der Längsachse des Kopfs. 8° 116 Die grösste Höhe des Schädels ist an ‚dem kleinsten Sp. 0,114, an den ‚2 grössten 0,138, an den übrigen ungefähr 0,129. Die Augenbraunenhöcker des Stirnbeins fehlen gewöhn- lich oder sind wenig entwickelt. ® Fast alle Schädel der Lappen haben dünne Wände, mit wenig ausgeprägten Muskelansalzstellen, und fallen wenig ins Gewicht. Die Profillinie des Gesichts unterscheidet sich wenig von der der übrigen europäischen Nordbewohner; die Höhe von der Nasenwurzel bis zum vordern Alveolarrande variirt von 0,060 bis 0,071. Bisweilen sind die Nasenknochen vorstehend, so auch die Zähne; im Allgemeinen sind die Zahnwurzeln und Alveolen kurz. Der Abstand der Orbitae von einänder ist, wie bei den übrigen europäischen Nordbewohnern, bedeutend. Die vor- deren Oeflnungen der Augengruben sind fast viereckig, mit wenigem Unterschiede zwischen der Breite und der Höhe, ferner mit abgerundeten Ecken. Nur bei einigen wenigen ist die äussere Ecke ein wenig herabgedrückt; bei diesen ist die Breite etwa um % grösser, als die Höhe. In mittlerer Zahl kann die Breite zu 0,039 und die Höhe zu 0,033 angenom- imen werden. Meistentheils sind die Fissurae orbitales unge- wöhnlich gross. Die Jochbeine sind klein und, wie die Jochbögen, wenig herausstehend. Der Jochfortsatz des Oberkiefers ist dagegen gross und bildet an mehreren Speeimina einen Theil des Joch- höckers selbst. Der bogenförmige Ausschnitt unter dem Joch- forlsalze des Oberkiefers, welcher bei den Schweden im All- gemeinen tief ist, aber an den slawischen und finnischen Schä- deln zu fehlen scheint, ist bei 9 der Lappenschädel zwar vor- handen, aber klein und wenig vertieft; an den übrigen 7 fehlt er; indem der Jochkamm zum Jochhöcker in einem heraus- stehenden schwachen, nach unten concaven Bogen aufsteigt. Die Highmorshöhlen werden dadurch nach den Seiten um so mehr ausgedehnt. weshalb auch die Wangengruben die Tiefe 117 verlieren, welche sie an den schwedischen Schädeln gewöhn- lich besitzen. Wegen der geringen Höhe der Jochbeine be- deckt der Jochbogen nur in wenigen Fällen die Spitze des Proc. coronoideus vom Unterkiefer; in den meisten endigl sich dieser unterhalb des Jochbogens, und aus demselben Grunde wird der untere Rand dieses Bogeus an den meisten Schädeln fast horizontal gerade, bei einigen schwach S-förmig. Die grösste Wölbung der Jochbögen wird von den Jochfortsätzen der Schlafbeine gebildet, der grösste Abstand zwischen den äusseren Seiten derselben varüirt von 0,125 bis 0,138, wovon die mittlere Zahl zu 0.130. also bedeutend kleiner, als bei den übrigen europäischen Nordbewolhnern angenommen wer- den kann. Der Alveolarfortsatz ist niedrig; die Höhe von der Spina nasalis anterior bis zum Alveolarrande variirt von 0,010 bis 0,020. Das Gaumengewölbe ist auch niedrig und besonders flach nach vorn. Eine vom obern Ende des Alveolarfortsatzes vom Oberkiefer in derselben Höhe und Richtung nach hinten gezogene Linie 1rit bei 15 Sp. die Ohröffnung; beim 16len geht sie nahe zur Spitze des Proc. mastoideus. Der Unterkiefer ist bei den meisten klein; der‘ horizon- tale sowohl, als der aufsteigende Ast sind niedrig, der hintere Winkel ist sehr stumpf und hberausstehend, der untere Rand des horizontalen Astes in mehreren Fällen convex. Die Höhe des stehenden Astes vom Gelenkknopfe bis zum Winkel va- rüirt von 0,058 bis 0,043; das mittlere Maass ist 0.047 oder 0.048 Der Alveolarforisalz ist ebenfalls niedrig; die Höhe desselben vom Vorderrande bis zum Kinnhöcker variirl von 0.020 bis 0,035 und ist bei den meisten ungefähr 0,020. Die Zahnwurzeln sind auch hier kurz, Schon in der ersten Kindheit zeichnen sich die Schädel der Lappen schr von denen der Schweden aus. Ich habe in der Sammlung einen Schädel von einem zweijährigen Lappen- mädchen. Die Länge desselben ist 0,147, die Breite 0,134, wogegen bei einem schwedischen Kinde desselben Alters der 118 Schädel 0,158 in der Länge und -0,120 in‘ der Breite hat. Beim schwedischen Kinde liegen die Ohrenöffnungen vor der Mitte, beim lappländischen hinter ihr; das erstere hat einen weit hervorspringenden Hinterhauptshöcker, das letztere einen kurzen. Bei dem schwedischen liegt das Receptaculum cere- belli nach unten, beim lappländischen mehr nach hinten, als nach unten. Aus dieser Beschreibung kann man schliessen, dass die Lappen, ‘im Gegensatze zu den Schweden, zu den Völker- schaften mit kurzem Hinterhaupte gehören. In dieser Hinsicht stehen sie unter derselben Abtheilung, wie die Finnen und Slawen, unterscheiden sich aber von diesen darin, dass ihre Sehädel kleiner und dünner sind, mit kleinen Proc. mastoidei und überhaupt wenig ausgeprägten Muskelansatzstellen, ferner durch das nach hinten abschüssigere Hinterhaupt, nebst einem an dessen untern Rande liegenden, von den Seiten etwas zu- sammengedrückten, kurzen Hinterhauptshöcker, so wie durch weiter nach vorn liegende Tubera parielalia. Ausserdem wei- chen sie von den Slawenschädeln durch eine erhabenere Scheitel ab und von den finnischen durch convexe, nicht flache Schläfen. Mehrere ältere und neuere Ethnographen, “unter den Letztern Dr. Prichard, rechnen die Finnen und Lappen zu demselben Volksstamme und sehen beide für die Aborigines des Nordens an. Die Bildung der Schädel widerspricht die- sem, so wie auch die Verschiedenheit der Nationalcharaktere. Die Finnen sowohl, als die Slawen und Skandinavier, schei- nen aus Ländern herzustammen, welche von der Natur mehr begünsligt waren, nämlich von den Gegenden des Kaukasus, während die Lappen, so weit die Sage oder die Geschichte sie verfolgen lässt, den Norden bewohnt haben. Pr. Nilsson hat angeführt, dass Tacitus sie Fenni nenne, wie die Nor- männer sie von den ältesten Zeiten her und noch heute Fin- nen nennen. Procopius nennt sie IZxgıdigyıvoı (schwed. Skridfinnar) (Keyser. a. a. ©. S. 369); bei den Russen 119 heissen sie Lopari, wie bei uns Lappen. So weit man dies Volk verfolgen kann, hat es immer auf einer niedrigen Cultur- stufe gestanden, niemals Ackerbau getrieben, ist es immer un- kriegerisch und anderen Nationen weichend gewesen, welche es verdrängt und seine Länder eingenommen haben. Man meint, dass die Lappen in den ältesten Zeiten einen grossen Theil von Russland bewohnt haben. Pr. Nilsson hat in sei- nem klassischen Werke über die Urbewohner des skan- dinavischen Nordens durch so vielfällige Beweise darge- than, dass die Lappen auch das südliche Schweden bewohnt haben, dass schwerlich ein gegründeter Widerspruch dagegen Statt finden dürfte. Er hat auch gezeigt, dass die Lappen nieht immer und auch nicht überall, wo sie wohnten, Renn- thiere gehabt haben, sondern Jäger und Fischer gewesen sind, dass sie vormals grösseres Ansehen gehabt, Hauptleule beses- sen, Volksversammlungen gehalten haben u.s. w, Prof. Rask nimmt an, dass sie ganz Dänemark bewohnt haben (Nilsson, a. a. ©. H. 3. $S. 12). Ohne Zweifel bestand diese über so ausgedehnte Länder verbreitele Völkerschaft aus mehreren Stämmen von verschiedener Lebensweise und zum Theil ver- schiedenen Sitten. Schon daraus lässt sich schliessen, dass einige Verschiedenheit in der Sehädelbildung entstanden sein müsse. Die Schädel der Urbewohner, welche die Professoren Nilsson und Eschrieht beschrieben ‚haben und welche der Erstere für lappländischen Ursprungs erklärt hat, sind klein, wenig ausgebildet, mit kurzem Ilinterhaupte, niedrigem ‘Ober- kiefer und schwachen Bluifkeelansakstellagfäfnher die Proc. ma- stoidei sind grösser, als an den von mir beschriebenen Lap- penschädeln, wie auch das Hinterhaupt nicht so sehr abschüs- sig nach hinten ist. Diese Verschiedenheilen können jedoch, wie oben bemerkt ward, von lange dauerndem Einflusse ver- schiedener Lebensweise und verschiedenen Climas u. s. w. herrühren, wie wir das Verhalten bei den Finnen und Esthen gesehen haben. Bis jetzt sind jedoch nur wenige Specimina von Schädeln nordischer Urbewohner bekannt; es würde gut 120 sein, wenn durch die Fürsorge betreffender Auctoritäten die Aufmerksamkeit des Publikums auf den wissenschaftlichen Werth dieser Ueberbleibsel der Vorzeit und die Wichtigkeit, sie aufzubewahren, gerichtet würde. Die Schädel und Gerippe, welche man im Jahre 1805 nebst den Grabkammern, in denen sie gefunden worden, beim Pla- niren der Axewallaheide zerstörle, würden, hätte man sie auf- bewabrt, einen grössern Werth gehabt haben, als mehrere der Kostbarkeiten, welche in entlegenen Ländern eingesammelt und mit grossen Kosten an die Museen transportirt werden. Wahrscheinlich sind viele von den Hügeln, welche auf den geebneten Feldern noch sichtbar sind, solche Grabstellen, welche bei den fortlaufenden Culturen allmählig abgeebnet werden, ohne dass der Landmann einen Begriff von ihrer Ent- stehung und Bedeutung hat. Da die Lappen von Blumenbach, wie von den meisten Ethnographen, als mit den Mongolen verwandt betrachtet werden, welche ich zu den Gentes brachycephalae prognathae gestellt habe, so dürfte es nicht aus dem Wege liegen, auch von jenen hier Einiges zu erwähnen. Das anatomische Museum erhielt vor einigen Jahren auf Veranstaltung des Prof. Wahlberg vom Prof. der Botanik in Charkow, Cherniaeff, einen Kalmuckenschädel mit einer Etikette folgenden Inhalts: „Cranium sexus masculini gentis Calmuccorum, desumtum anno 1833 a trunco hujus gentis sceleti inter mortuos derelietos haud humatosque, uti mos gen- tis est, in desertis Caucasieis ad flumen Kyma distrieli Quin- que-montani; cujus rei certus est Doctor de Hoefft, quon- dam inspector rerum medieinalium Gubernii Caucasiensis.“* Schädel von Kalmucken. Der Schädel ist von stärkerem Knochenbau, als bei den Lappen, aber seine Hauptform ahnlich, die Länge 0,168, die 121 Höhe 0,127. Das Hinterhaupt kurz, breit, am meisten nach unten heransstehend. Das Conceplaculum cerebelli aufstehend. Protuberantia und Crista oceipitalis fehlen. Die Lineae semi- eirculares majores des Hinterhaupls vereinigen sich unter ei- nem sehr stumpfen Winkel; das ganze Hinterhaupt ist bedeu- tend schief, mit vorwärtsstehender rechter Seite, Die Spitze der Lambdanaht liegt hoch, die Scheitel ist in der Mitte er- höht, die Scheitelhöcker liegen an der Grenze des Hinter- hanpts. Die Processus mastoidei sind schmal und dünn, die Weite zwischen ihnen 0,130, die Ohrenöffnungen gross und rund, die Felsentheile der Schlafbeine klein. Der aufsteigende Theil des Keilbeinsllügels, welcher in der Schläfengrube liegt, ist gross, der horizontale Theil desselben klein. Das Stirubein neigt sich stark nach hinten, ist schwach gewölbt und ohne Siirnhöcker, wogegen die Augenbraunenhöcker deutlich und die Glabella vorstehend sind; Breite, der Stirn 0,097. Die Orbitae sind nach Form und Grösse, wie bei den Lappen, so auch die Fissurae orbitales und sphenopalatina; die Pterygoi- dalflügel sind auch nach vorn etwas abschüssig, die Wangen- graben tief, unter den Augenhöhlen vertieft. Der Alveolar- fortsalz des Oberkiefers ist gross, etwas vorstehend, der Um- riss halbeirkelförmig. Der Abstand zwischen den beiden Seiten, von der Gegend des dritten Backenzahns gerechnet; ist breit. Diese Breite, welche bei den Schweden, Slawen, Finnen und Lappen gleich, nämlich etwa 0,060, ist, ist bei dem Kalmuk- ken 0,070, wogegen die Länge des Gaumengewölbes nicht grösser, als bei den europäischen Nordbewohnern ist. Die Entfernung der Nasenwurzel vom Alveolarrande ist 0,067, von der Spina nasalis bis zu demselben 0,020. Die Jochhöcker des Oberkiefers sind noch grösser, als bei den Lappen, ohne Ineisur, aber mit unterm, S-förmigem, fast horizontalem Rande. Die äusseren Seiten der Jochbeine bilden, jede ihre, vom äus- sern Augenbraunenfortsatze herabsteigende, nach aussen und hinten abhangende Ebene. Die Breite zwischen den Joch- höckern ist gleich der grössten Breite der llirnschale, 0,143, 122 und besonders breit im Vergleiche zur Stirn, deren Breite 0,098 beträgt. Die grösste Convexität der Jochbögen fällt in ihre Mitte; der grösste Abstand zwischen ihnen ist 0,143. Die beiden Aeste des Unterkiefers, der horizontale so- wohl, als der aufsteigende, sind niedrig; die Höhe des erstern vorn ist 0,029, des letztern 0,058. Die hinteren Winkel sind sehr stumpf, das Kinn abgestutzt, vorstehend, die Zahnhöhlen in beiden Kiefern tief. Es erhellt hieraus, dass der grösste Unterschied zwischen dem Kopfe der Kalmucken und der Lappen darin besteht, dass der Oberkiefer beim erstern gross und breit ist, seine Jochfortsätze stark, seine Wangengruben tief, die Jochbeine herausstehend sind und der Knochenbau stark ist. Mehrere Ethnographen und Physiologen haben eine Stamım- verwandtschaft zwischen. den Lappen und Grönländern ange- nommen, weshalb ich glaube, auch von den Letzteren etwas anführen zu müssen, weil zumal das Museum 2 gut erhaltene Schädel dieses Volksstammes darbietet; der eine ist von einem “ Manne von Upernewik in Westgrönland. der andere vermuth- lich von einer Frau von Nennese in Ostgrönland, beide vom Dr. Vahl mitgebracht. Schädel von Grönländern. Diese Schädel haben einen starken Knochenbau, stark ausgebildete Muskelansätze und einen ovalen Umfang, dessen Länge 0,190 und grösste Breite 0,140, sonach dem der Schwe- den fast gleich ist; aber die vordere Stirnbreite, welche bei den Schweden = 0,107 ist, ist hier nur 0,097. Beide Schädel sind, wenn ich den Ausdruck gebrauchen darf, höckerig, be- sonders der westgrönländische, und der Oberkiefer, die Joch- beine und Jochbögen stehen bedeutend über den Umkreis der Hirnschale hinaus vor. Das Rückenmarksloch ist gross und elliptisch, von Länge 123 0,042, Breite 0,032. An dem einen Specimen ist der Atlas durch Ankylose mit dem Hinterhauptsbeine verwachsen. Das Conceptaculum cerebelli ist gross, gewölbt und bedeutend auf- gerichtet; die Lineae semieirculares des Hinterhaupts treffen unter einem;stumpfen Winkel zusammen; der Hinterhaupts- höcker ist rund. ohne Absatz und von den Seiten zusammen- gedrückt. Die Spitze der Lambdanaht steht niedrig und ist sehr stumpf, der hintere Theil der Scheitelbeine gegen den Hinterhauptshöcker längs abgedacht, ‘die Scheitelhöcker sind niedrig. Die Entfernung zwischen den beiden Gehörgangsöfl- nungen ist beinahe der des vordern Randes des Rückenmarks- lochs von der grössten Convexität des Hinterhauptshöckers gleich. An dem westgrönländischen Schädel ist aussen an der Pfeil- nalıt eine starke Erhöhung, welche sich jedoch auf der Schei- tel eiwas herabsenkt; an deni andern Schädel ist sie schwä- cher und liegt in der Nähe des vordern Endes der Naht. Die Stirn ist niedrig, mit einer schwachen Erhöhung längs der Mitte, ohne Stirnhöcker. Die bogenförmigen Linien der Schlä- fen gehen hoch hinauf gegen die Scheitel und hinten nahe bis zur Lambdanaht. Die Obrenöffnungen, deren Insertion mitten vor die Mitte der Schädellänge fällt, sind klein und die Gänge sind bis zum Ringe des Trommelfells rund. Die Proc. mastoi- dei sind ziemlich gross, die Breite zwischen ihnen ist 0,125. Die grösste Breite des Schädels, welche = 0,135 ist, fällt gleich oberhalb der Proc. mast. Die Schlafgruben sind sehr tief, die Schläfenflügel des Keilbeins klein und wie eingeknif- fen vor der Stelle, an welcher die mittleren Hirnlappen die Schläfenoberflächen aufrecht stehend machen; die Juga sphe- noidalia bilden lange Kämme und Zacken. Die Felsentheile der Schlafbeine sind gross und platt, aber an der Vereinigung mit den Keilbeinsflügeln stehen sie heraus, ia Folge der oben genannten Convexität der mittleren Gehirnlappen. Von vorn angesehen, zeigt sich die Stirn schmal, die äus- eren Orbitalfortsätze springen weit seitwärts hervor, die Au- 124 genbraunenhöcker sind klein, die Glabella ist erhöht. Die Nasenbeine sind ungewöhnlich schmal, obgleich die Breite zwischen den Augenhöhlen dieselbe ist, wie bei den europäi- schen Nordbewohnern. Die Augenhöhlen sind gross, schief gestellt, mit abgerundeten Ecken und der untern äussern Ecke herabgedrückt; die Fissurae orbitales gross. Die Höhe des Umkreises der Orbitalöffnungen ist 0.038, die Breite 0.044. Der Oberkiefer ist hoch, von der Nasenwurzel bis zum Alveolarrande 0,080, mit breiten Keilgruben, Jockhöcker gross, horizontal herausstehend, die Hälfte der Jochhöcker bildend, ferner unten bogenförmig ausgeschnitten, weit zum Alveolar- fortsatze hinabgehend, welcher sehr breit ist, an dem einen Schädel 0,080, anı andern, an welchem 3 Vorderzähne ausge- fallen und die Alveolen nachher zusammengezogen sind, 0,070. Die Entfernung der Spina nasalis vom Alveolarrande ist 0,025. Der Alveolarfortsatz bildet eine breite Rundung, so wie Blu- menbach sie von einem Chinesen beschrieben hat, .‚osseum eaput ... praesertim autem singulari fere subglobosa rotundi- tate partis alveolaris maxillae superioris notabile est“ (a.a. O. Dee. V, p. II). Das Gaumengewölbe ist niedrig und gewölbt; die Proc. pterygoidei vorn abhangend, klein, die Pflugschar nebst den Choanen niedrig. Was nächst dem vorstehenden runden Oberkiefer am meisten in die Augen fällt, ist die Stel- lung der Jochbeine. Ihre äusseren Flächen sind nämlich so sehr von oben nach unten und aussen abhangend, dass sie diesen Köpfen von vorn ein etwas pyramidales Ansehen’ ge- ben; vermuthlich dieselbe Bildungsform, welche den Dr. Pri- chard veranlasst bat, seine dritte Formenklasse die pyrami- dale zu nennen. Die Jochbögen selbst sind stark, am meisten convex auf der Mitte; ihre grösste Entfernung von einander, 0,145, ist grösser, als die grösste Breite der Hirnschale, 0,138. Die aufsteigenden Aeste des Unterkiefers sind niedrig; das Kinn ist gerundet, die Breite zwischen beiden Unterkie- ferwinkeln 0,115, die Höhe des aufsteigenden Astes 0,058, die Höhe vom Kinnrande bis zum Alveolarfortsatze 0,031. 125 Eu Diese Verhältnisse, welche mit Blumenbach’'s u. M. Beschreibungen von Grönländer- und Eskimoschädeln über- einslimmen, zeigen, dass diese eine der europäischen fremde Form besitzen, oder dass sie ein Glied in der Reihe der zahl- reichen amerikanischen Volksstämme bilden. Im Museum be- finden sich 2 von Sr. Maj. dem Könige geschenkte Mumien, nebst einem Schädel aus der Gegend von Titicaca. Die Schä- del dieser Mumien sind kleiner, als die der Grönländer, aber auch oval von Form, und haben übrigens Aehnlichkeit mit ihnen in mehrerer Hinsicht. Die Körpergestalt bei diesen, wahrscheinlich den Urbewohnern von Peru, ist klein, und die Stellung so, wie Mehrere sie von solchen Mumien beschrieben haben, nämlich sitzend, mit herabgebogenem Kopfe, krummem Rücken, nach der Brust hinaufgezogenen Knieen, zusammen- gelegten und an die Seiten gedrückten Armen. Dieselbe Stel- lung hatten auch die Skelette, welche man in den Grabkam- mern der Axewalla-Haide fand. Der eine Schädel hat dieselbe lange, in der Mitte eingesenkte Sagillalerhöhung, wie bei dem Westgrönläuder. 126 "0370 'paw ggyo'zem ‘gzy‘o'up |sgy‘o 'xem‘FsF‘o ug |orF'o ‘sEr‘o ‘8sr‘o ‘TpH‘o Gero zem‘gapoangf ° ° " ° ° ° ° °° 9° ° 1opioge Bu 9017 uUap uagasımz ajlaıgql 6770 'paw 'geyoorxeu'zrr'o:uım |zpro'xem‘ggro'um| ES7o 'xem‘ozy‘o u ser‘ Baer Ze Tenayraggs nz sıq sydojsyaemuayony sap apueyyulapI1oA woA ayoyjapegdg SzS‘0 'pau gago pm | ‘org/o'xem ‘O,p’orurgı | ‘zEeg‘o'xem‘org‘o'uım Opg‘o 'seur‘oFs‘o um zu50 s[opzqag sap Zuejmp] a8jssgar) LpV‘o "peu ‘gspo xem‘ggy'o'a wo ısv0 inVo ern ee S[RpRNOg sap ayaag2jssg13 ‘po -sydnegqaayurgg 007°0 'pau ‘soFo'xewm*‘750‘0'ayy |007°0'xew‘L60*0 up zoro LoY'o "07° gaqnadjejgag uadap „9pJ0Auap uaydsımz ayaaquung . . 04F0 peu ‘087‘o’zear ‘gg you] sro 0LF0 1393270 0670 + + stdaeguajarg sap 381 -1Xx3Auor) uaJs5g13 nz sıq eijaq -e[5) J9p U0A SpapgyagsopaZug] TRITT I I ‘uadder. aauurg U9MeIg DEI EZTTERN asseem I9Pp 3y9aısaaqoanN 127 020°0 'pamu ‘sg0‘o'xem ‘050‘0’uıyy gg0°0 £20'0 1900 'pauı | ’8g0'0'zem ‘EFO'O'UI UL 0,00 090°0 6£0'0 0F0'0 0500 2200 080°0 080°0 F20°0 xem ‘090'0 u] | 020°0 ze ‘g90°0-uryy| E20°0 T70°0‘0L0°0'890°0 0870 'pow ‚sEeroxem‘czy‘o'un| SpFo'xeu ‘gzF‘o-ungg spro 780'0 7800 750°0 E00 9800 800 g800 SL0'0 0700 080°0 1100 sero — 0870 6700 gE0°0 nt azyesplojlejoaa]y wnz’qapuesaurywo4 tuuıy ue aaqjassapsajsy "paaSaı] 'p ayoy "Hrn oe fayogay nz sıq ajdouyyuapan) "A Suajamyaagun sap sajsy uapuadtajsjne "p ago 927 gagpassap grau uadunuggaagaoyusäny pagop nee apa -vaajy NZ SIq [ozinawasen] op uoA SPIANIIO sap yo -Q90f Jap IeIIXaAu0y) uarssg4® "P URDSLME TON MP ajlaıg "22000 Sgagfasrap ara Sy2oJsJLemuapppy sap aSupr] 128 Zusatz des Uebersetzers. Herr Prof. Retzius hat in der Sitzung der schwedischen Akademie der Wissenschaften am 20. März 1844 einige spä- terhin von ihm gemachte, hierher gehörende Beobachtungen mitgetheilt, welche man in der Öfversigt af Kongl. Vetenskaps- Academiens Handlingar, Jahrg. 1, 1844, Nr. 3, S. 38—41, und daraus, von mir übersetzt, im Archive skandinavischer Bei- träge zur Naturgeschichte, herausg. von €. Fr. Hornschuch, Th. I. H. 1. S. 149 — 151, abgedruckt findet. Er hatte nämlich im Herbste 1843 vom Prof. Hyrtl in Prag einen bei Grafenegg in Oesterreich ausgegrabenen Ava- ren- und zwei Czechen-, wie vom Medicinalrathe Herzog in Posen zwei Polen-Schädel erhalten. Der Avarenschädel weicht von allen bekannten asiatisch- europäischen Schädeln hinsicht- lich der Höhe der Scheitelhöcker, der zurückgedrückten Stirn und der Kürze des Hinterhaupts ab. Aus seiner Form ist zu schliessen, dass die Avaren (nach Schafarik [Slawische Al- terihümer] ein türkisch-uralisches Bastardvolk) zu den Gentes brachycephalae orihognathae gehört haben. Die ethnographi- schen Charaktere des Schädels sind: „Hinterhaupt kurz (Diam. fronto. oeeip. 0,147 m.), hoch (D. occip. vertical. 0,157 m.); eine senkrechte Linie, von dessen oberstem, durch die Tubera parietalia gebildeten Theile herabgezogen, fällt weit hinter den Theil des Hinterhauptsbeines, auf welchem sich die bogenför- migen Linien befinden. Die grösste Breite (0,137 m.) fällt dicht über die Höhe der Schuppennähte der Schlafbeine. Das Stirnbein, ungewöhnlich hoch und nach hinten steil, hat auf der Mitte (2” über den Augenbraunenbögen) eine querüber laufende Vertiefung und gleich über dieser einen ebenfalls querlaufenden, stark erhöhten Höcker; zwischen diesem und den Scheitelhöckern läuft wieder eine querüber gehende Ver- tiefung, welche die Vereinigung der Pfeil- und Kranznaht trifft. Die Jochbögen sind klein, wenig hervorstehend, die Alveolarfortsätze des Oberkiefers klein, lothrecht; die vorderen 129 Oefinungen der Augenhöhlen rhomboidal, der Gaumen gut ge- wölbt, die Mammillarforsätze klein.“ — Die Meinung Ed ward’s d.Ä. (s. Morren, Mem. sur les Ossemens humains des Tour- bieres de la Flandre, Gand 1832), dass vom Grafen Bruner bei Krems in Oesterreich gefundene Avarenschädel mit den Schädeln der Karaiben und vormaligen Chilenen übereinstim- men, bestreitet Retzius; die beiden lelzteren Völker gehören ihm zufolge zu den Gentes dolichocephalae prognathae. — Die beiden Czechen- und Polenschädel boten ihm, wie die Bildung der‘ Hirnschale eines herumwandernden Slowaken aus Ungarn, sämmtlich die von ihm angegebenen Charaktere des slawischen Volkstammes dar. Retzius’ Angaben hinsichtlich der Slawenschädel fand auch Prof. van der Hoeven an einem polnischen und 12 russischen Schädeln, welche er genau zu prüfen Gelegenheit hatte, völlig bestätigt. (S. die eitirte Öfversigt, Nr. 4. $, 69, und das genannte Archiv, a. a. ©. $. 160.) Müller's Archiv. 1845. 9 Nachträgliche Bemerkungen über den inneren Bau des Glaskörpers; Ersst Brücke. In diesem Archiv (Jahrg. 1843, p. 345—348) habe ich in dem Glaskörper der Schafe und Rinder ein System von struk- turlosen Membranen beschrieben, welches ich damals nur durch Behandlung mit Bleizuckerlösung sichtbar machen konnte; jetzt bin ich im Stande, die ältere falsche Ansicht, von einem zelligen Bau des corpus vitreum direkt aus denselben Versu- chen zu widerlegen, auf welche sie sich stützte. Die mehr oder weniger unregelmässigen Stückchen Eis, aus welchen man in gefrorenen Augen den Glaskörper beste- hend fand, sind nämlich nur in Folge der Gewalt entstanden, die man unvorsichliger Weise zur Trennung der Theile ange- wendet hat, sie haben nichts mit dem Bau des Körpers zu ihun, und in und zwischen ihnen liegen keine andere Mem- branen, als die von mir beschriebenen. Briogt man ein hart gelrorenes Auge in das warme Zimmer bis Cornea und Skle- rotica eben zu erweichen anfangen, macht dann einen Cirkel- schnitt durch beide Häute und zieht sie vorsichtig ab, so behält man einen vollkommen zusammenhängenden Eisklumpen. Fängt nun die Wärme an, ihre Wirkung auf diesen zu äussern, so kann man mit der Scalpellspitze schichtweise Stückchen von 131 dem Glaskörper absprengen, und findet dann die wahren Häute desselben in der Lage, in welcher ich sie beschrieben habe; man kann sie nieht nur an den sich lösenden Eisblätt- chen aufheben, sondern sie auch durch Aufblasen vermiltelst " des Tubulus anspannen. Ich habe sie bis nahe an die Linse verfolgt und auch einzelne Stückchen derselben unter das Mi- kroskop gebracht, jedoch keine Struktur an ihnen wahrneh- men können, wie ich auch von den Fasern, aus denen, nach Pappenheim’s Meinung (Specielle Geweblehre des Auges, p- 183). der ganze Glaskörper bestehen soll, nichts finden kann, und sie für ein durch das Kali carbonieum hervorge- brachtes Kunstprodukt halten muss. Auch den Glaskörper eines Selbsimörders, dessen Leiche hinreichend frisch auf die hiesige Anatomie gebracht wurde, habe ich untersucht und ganz denselben Bau, wie bei den von mir untersuchten Säu- gelhieren gefunden, 9% Versuch einer Theorie der Wellenbewegung des Blutes in den Arterien; von H. Frey in Mannheim. Hierzu Tafel IX. X. XI. Seitdem E. H. Weber (Anatomie, Bd. II. p- 70.) die durch Auslreibung des Blutes aus dem Herzen veranlasste Bewegung des Blutes in den Arterien eine Wellenbewegung genannt hat, geschah fast nichts für die weitere Ausführung dieser Idee. Dr. Spengler (Ueber die Stärke des arteriellen Blutstronis. Müll. Arch. Jahrg. 1844. N. 1.) glaubt die Wellenbewegung des Blutes in den Arterien dadurch erwiesen zu haben, dass er bei Wiederholung der von Poiseuille zuerst angestellten manomelrischen Versuche zeigte, dass der Druck des strömen- den Blutes auf die Wandungen der dasselbe einschliessenden Röhre gerade so gross ist, wie der in der Richtung des Stro- mes Statt findende Druck. Diese Thatsache kann jedoch zu der damit beabsichligten Beweissführung nicht ausreichen. Denn wenn ich z. B. eine mit ruhender Füssigkeit angefüllte feste Röhre habe. und sodann an irgend einer Stelle zuerst den auf die Wandung und hierauf den auf die angrenzende Flüssigkeit ausgeüblen Druck messe, so werden auch hier beide einander gleich sein, obschon keine Wellenbewegung Statt findet. Ferner ist, wie wir bei der Abhandlung der 133 Wellenbewegung sehen werden, in der durch Ausziehung von Flüssigkeit erregten Welle die Spannung gerade um so viel geringer, als die Kraft in der Richtung des erzeugten Stromes beträgt. Dieser Strom kann aber durch die von Dr. Speng- ler angewandte Methode nieht gemessen werden, wohl aber mit dem Instrumente, welches Dr. ©. Mogk (Zeitschr. für rat. Mediz. von Henle und Pfeufer, Bd. Ill. H. 1.) die Stärke des Venenblutstromes gemessen hat. Es bewährt sich auch hier wieder die Regel, dass wir keinen Naturgegenstand aus einer einzigen Erscheinung richtig zu beurtheilen im Stande sind. sondern dass wir zu diesem Zwecke die Gesammtheit der Erscheinungen zu Rathe ziehen müssen. Wir werden da- her in unserer Arbeit dadurch am besten beweisen, dass die Blutbewegung in der That nach den Gesetzen der Wellenbe- wegung erfolgt, wenn wir zeigen, dass die verschiedenen, den Wellen zukommenden Eigenschaften, als Fortpflanzungsweise, Reflex, Durchkreuzung ete., auf die Blutbewegung in den Arterien passen. In dieser Absicht mussten. wir aber zuerst die Wellenbewegung in der elastischen Röhre überhaupt stu- diren. Nun hat aber die Physik meines Wissens keine Ab- handlung über Wellenbewegung der Flüssigkeit innerhalb der elastischen Röhre aufzuweisen, so genau auch sonst dieser wichtige mechanische Vorgang im Wasser, der Luft, auf der elastischen Saite ete. studirt sein mag. Unsere Arbeit bestand daher darin, die Gesetze, welche für andere elastische Mate- rien gelten, auf Jie mit Plüssigkeit gefüllte, elastische Röhre zu übertragen, und, so viel in unseren Kräften stand, durch Experimente zu beweisen, Jass die Anwendung dieser Geselze wirklich Statt haben kann. Bei dieser Auseinanderselzung werden wir siels die Blutbewegung in den Arterien vor Au- gen haben, und die Darstellung dieser an die Gesetze an- knüpfen, welche für die mit Flüssigkeit gefüllte, elastische Röhre überhaupt gültig sind. Zu dieser Arbeit fanden wir uns zunächst durch das Be- sireben veranlasst, die Erscheinungen am Pulse zu erklären, 134 und wir beabsichtigen auch noch in einer weiteren Arbeit, eine Anwendung der hier darzustellenden allgemeinen Gesetze auf den Puls zu liefern. Denn. wissenschaftliche Naturforscher und Aerzte werden nicht daran zweifeln, dass die genaue Kenntniss des mechanischen Vorgangs der Blutbewegung in den Arterien das erste Erforderniss ist, um die an dem Arte- rienpulse vorkommenden Erscheinungen zunächst richlig zu erkennen, einzulheilen und zu benennen, dann zu erklären, und endlich ihren diagnostischen Werth mit Kritik zu beur- theilen. Seit undenklichen Zeiten ist das Pulsfühlen in die ärztliche Praxis eingeführt, seit jeher hat man die Beurthei- lung des Pulses als grosse Kunst geschätzt, und doch fehlt in der Pathologie fast jede Spur einer wahrhaft wissenschaft- lichen Bearbeitung dieser Naturerscheinung. Obschon der Puls nichts anderes ist, als eine Bewegung der Arlerie, so fehlt doch bis auf den heutigen Tag noch durchaus jede Einheit in der Bezeichnung der verschiedenen Formen dieser Bewegung, geschweige denn, dass die Wissenschaft irgend gelungene Er- klärungsversuche derselben aufzuweisen im Stande wäre. Ich glaube, nach diesen wenigen Bemerkungen keiner weitern Entschuldigung dafür zu bedürfen, dass ich die fol- genden Untersuchungen anstellte und veröffentlichte. Einen Vorwurf muss mir die Unvollkommenheit derselben zuziehen, besonders da aus Mangel an mathemalischen Kenntnissen mein Verfahren a priori häufig höchst unsicher ist, z. B. in dem Kapitel über die Fortbewegungsgeschwindigkeit, und ich auf der andern Seite meist nicht im Stande war, dieser Mangel durch Experimente zu ersetzen. Da jedoch dieser Gegenstand in den meisten, von mir anzuregenden Punkten noch so we- nig Bearbeitung erfahren hat, so genügt es mir schon, wenn ich durch den Ausspruch meiner Ansichten bessere Kräfte, als die meinigen sind, veranlasse, umzuarbeilen und zu ver- bessern. 135 Von dem Untersehiede zwischen der Eintreibung von Flüssigkeit in ein festes und der Eintreibung in ein dehnbares Rohr. $1. Durch die Zusammenziehung des linken Herzens wird eine Quantität Blut in den Anfang des Aoriensystems einge- trieben. Wären die Arterien Röhren mit unnachgiebigen Wan- dungen, so würde in demselben Momente eben so viel Blut am Ende dieser festen Röhren ausströmen, als in den Anfang derselben eingetrieben wurde. Bei dieser Fortbewegung müsste aber sowohl die Reibung des Blutes an den Wandungen, als auch der Widerstand am Ende der Röhren überwunden, und überdies der Blulsäule eine gewisse Geschwindigkeit ertheilt werden. Sind die Röhren aber nachgiebig, so wird bei Eintrei- bung neuer Flüssigkeit nicht die ganze Flüssigkeitssäule in Bewegung gesetzt, sondern nur ein Theil derselben. Es ist nämlich nach hydrostatischen Gesetzen bei Eintrei- bung von Flüssigkeil in eine Röhre der Druck der gepressten Flüssigkeit auf die Wändungen gerade so gross, als der auf die Flüssigkeitssäule in der Richtung des Stosses wirkende Druck, und indem nun die Wandungen diesem Drucke nach- geben, findet die eingetriebene Flüssigkeit Raum. Ist die ausdehnbare Röhre elastisch, das heisst, strebt die- selbe mit der gleichen Kraft, durch welche sie aus ihrer Lage verdrängt wurde, in dieselbe zurückzukehren. und nehmen wir an, die ausgelriebene Flüssigkeit habe im elastischen Rohre durch Ausdehnung einer vorliegenden Strecke von beliebiger Länge Platz gefunden, so wird der Druck der ausgedehnten elastischen Wandungen die aufgenommene Flüssigkeit weiler treiben. Man ist nun bei Nichtkenntniss der Wellentheorie geneigt, zu denken. es werde sich in der überall gleich wei- 136 ten, gleich dehnbaren und am Ende geschlossenen Röhre die Ausdehnung des Anfangsstückes, zufolge des grösseren Druckes, welchen dort die Wandungen auf die enthaltene Flüssigkeit ausüben, allmählig über die angrenzenden Stellen verbreiten, die Flüssigkeit aber und die einschliessenden Wandungen bald überall zur Ruhe gekommen sein, indem zufolge dieser all- mähligen Verbreitung des verstärkten Gehalts und der ver- mehrten Ausdehnung an die angrenzenden Partieen bald Aus- dehnung und Flüssigkeitsgehalt, und mithin der Druck der Wandungen auf ihren Inhalt überall gleich sein werden. In dieser ‘Weise findet aber die Vertheilung der in eine elastische Röhre eingetriebenen Flüssigkeit nicht Stalt, sondern die Ausdehnung, welche wir vermehrte Spannung nennen wollen, und die grössere Anfüllung mit Flüssigkeit schreitet gegen das Ende der Röhre zu fort und lässt die durchlaufenen Strecken im Zustande der Ruhe, wie vor der Durchschreitung, zurück. Dies Gesetz ist allen elastischen Materien eigen, und es ver- breitet sich so die vermehrle Spannung, welehe durch Stoss dem Anfange eines aufgespannten Seiles ertheilt wurde, ferner eine durch Stoss bewirkte Verdichtung in der Luft etc. Von der Wellenbewegung der Flüssigkeit im elasti- schen Rohre überhaupt und in dem nach jeder Rich- tung dehnbaren Rohre insbesondere. & 2. Um uns den Vorgang bei und nach der Eintreibung von Flüssigkeit in ein elastisches Rohr zu erklären, wenden wir uns zunächst an die Gesetze der Wellenbewegung einer auf- gespannten elastischen Saite. ‚ Haben wir (s. Wellenlehre der Gebrüder Weber, p. 454) eine gespannte Saite A, B Fig. 1. und darauf die Ausbeugung ba’c, welche dadurch zu Staude kam, dass wir die Punkte b und ce mit den Fingern fixirten, und dann a bis a‘ herauf- 137 zogen, so erhalten wir eine nach A und eine nach B fort- schreitende Welle Fig. 2., deren jede gleiche Länge hat, wie die Welle b ac, aber deren Gipfel b‘ und c’ nur halb so viel Abstand von der ursprünglichen Lage der Saite hat, als der Gipfel a der Welle ba’e Fig. 1. Es wird nämlich a’ Fig. 1. mit gleicher Kraft nach b und nach e gezogen, und bewegt sich demnach in der mittleren Richtung, nämlich von a‘ nach a Fig. 2. Dagegen wird b Fig. 1. durch einen Zug nach a und einen entgegengesetzten nach a‘ in der miltlera Richtung, nämlich nach b‘ Fig. 2. ge- zogen, ebenso c Fig. 1. zufolge des Zuges nach a’ und B in der mittlern Richtung, das ist nach ec‘ Fig. 2. bewegt. — Wir können uns vorstellen, das elastische Rohr sei aus solchen Saiten zusammengesetzt. Haben wir nun alle das elastische Rohr eonstituirenden Saiten an ihren Enden aufgespannt, und allen diesen Saiten in der eben angegebenen Weise eine Aus- beugung ertheilt, so dass die Wellen nach der Aussenfläche des Rohrs zu gerichtet sind, und die beiden Enden dieser Wellen in der Peripherie zweier Kreise liegen, deren Flächen senkrecht zur Achse des Rohres stehen, so erhalten wir eine Welle der elastischen Röhrenwand, deren nach der Längen- achse des Rohres gerichteten Durchschnitt wir Fig. 3. ge- zeichnet haben. Die Welle, welche aus dieser Summe von elastischen Sai- ten gebildet wird, zerfällt, wie wir es so eben für die Welle der einzelnen Saite- angegeben haben, in zwei Wellen von gleicher Länge und halber Höhe, wie wir sie Fig. 4. im Durchschnitte gezeichnet baben, von denen die eine nach A, die andere nach B zu fortschreitet. Ist jedoch diese elastische Röhre an den Enden gesehlos- sen, die Spannung der Wandungen aber durch Anfüllung mit einer unelastischen Flüssigkeit hervorgebracht, welche diesel- ben durch den nach allen Seiten gleichmässigen Druck disten- dirt, so können wir die Saiten, welche die Wandungen zu- sammenselzen, insgesammt auf einer Strecke ba’c Fig. 3. in 138 eine vermehrte Spannung versetzt denken, wie wir so eben für die leere Röhre angenommen haben, ohne dass gleichzeitig der Flüssigkeit eine Geschwindigkeit mitgelheilt wurde. Wir können uns die Erzeugung dieser Spannung ohne Mittheilung von Geschwindigkeil an die Flüssigkeit folgendermaassen sinn- lich vorstellen. Wir schliessen eine Strecke der elastischen Röhre durch zwei an die Wandungen befestigte Scheidewände ein, und erzeugen durch Eintreibung von Flüssigkeit durch eine Oeflnung der elastischen Wand die Zunahme des Inhalts der Röhre und die vermehrte Spannung, und schliessen sodann wieder die gemachte Oeflnung. Denken wir uns nun die Schei- dewände, nachdem die davon eingeschlossene Flüssigkeit zur Ruhe gekommen ist, rasch entfernt, so findet auch jelzt wieder der für dieselbe Welle in den Wandungen der leeren und an den Enden aufgespannten Röhre oben beschriebene Vorgang Statt. Hier aber muss bei der Bewegung von a’ Fig. 3. nach a Fig. 4. und von b Fig. 3. nach b’‘ Fig. 4. der Flüssigkeit gleichzeitig eine Geschwindigkeit in der Richtung nach A und durch Bewegung aller Punkte a’ Fig. 3. nach a Fig. 4. und e Fig. 3. nach ec‘ Fig. 4. der Flüssigkeit eine Geschwindigkeit nach B ertheilt werden. Die enthaltene Flüssigkeit wird die Zerlegung der Welle Fig. 3. in eine nach A und eine‘ nach B zu fortschreitende nicht hindern, wohl aber verlangsamen. Nehmen wir aber an, es sei der im Raume der Welle Fig. 3. enthaltenen Rlüssigkeit eine Geschwindigkeit nach B ertheilt, welche so gross ist, dass die Geschwindigkeit der Por- tion Flüssigkeit, welche im Raume b a‘a’ b enthalten ist, durch den Druck der sie einschliessenden Wandungen. welche die- selbe, wie im vorigen Falle, nach A zu treiben sucht, gerade aufgehoben wird, und dass die Geschwindigkeit der im Raume ca’a‘e enthaltenen Flüssigkeit gerade verdoppelt wird, so wird die nach A fortschreitende Welle Fig. 4.. aufgehoben, dagegen die ganze Welle ba‘c Fig. 3. gegen B hin fortschrei- ten, wie wir es durch die punktirten Bogen a e‘d angegeben haben. Der Vorgang war also der Art. dass bei Hinderung 139 der Bildung der nach A zu fortschreitenden Welle a b’e Fig. 4. durch die entgegengesetzte Bewegung der Flüssigkeit die ganze Spannung der Röhre nach B zu fortgeschrilten ist; gleichzei- tig ist aber die verdoppelte Schnelligkeit der im Raume a’cca’ enthaltenen Flüssigkeit auf die doppelte Masse ac’dde’a ver- theilt worden, und darum die Geschwindigkeit der ion diesem Kaume enthaltenen Flüssigkeit wieder gerade so gross, als die Geschwindigkeit der im Raume ca’bba‘c enthaltenen Flüs- sigkeil war. 4 Wir ersehen daraus, dass, wenn die im gespannten Raume enthaltene Flüssigkeit eine der Druckkraft der gespannten Wandungen gleiche Geschwindigkeit hat, die ganze Welle nach einer Richtung fortschreitet. RR Ist aber die Röhre A B Fig. 6., welche am Ende ge- schlossen und durch die enthaltene Flüssigkeit nach allen Sei- _ ten gespannt ist, an einer Stelle mit einer Welle versehen, welche durch Biegung der dieselbe cousliluirenden Saiten auf einer gemeinschaftlichen Strecke beeb in das Innere der Röhre zu Stande kam, und fehlt dabei der enthallenen Flüs- sigkeit jede Geschwindigkeit, so wird sich auch diese Welle, analog der durch Ausbeugung entstandenen, in eine nach A und eine nach B zu fortschreitende zerlegen, s. Fig. 6., welche die gleiche Höhe und die halbe Länge haben. Bei disser Zer- legung musste der im Raume eba’be Fig. 5. enthaltenen Flüssigkeit eine Bewegung in der Richtung nach B und der im Raume dea’cd enthaltenen Flüssigkeit eine vBoneeune nach A ertheilt werden. Hat aber die im Raume ea’bba‘c enthaltene Flüssigkeit Geschwindigkeit gegen A zu, welehe‘so gross ist, dass die Geschwindigkeit der im Raume ba’b enthaltenen Flüssigkeit, welche durch die Rückkehr. von a’ Fig. 5. nach a Fig. 6. und durch die Bewegung von b Fig. 5. nach b’ Fig. 6. bei der Bildung der Welle ab’e Fig. 6. nach B bewegt werden 140 sollte, durch diese Kraft gerade aufgehoben, dagegen die Ge- schwindigkeit der im Raume ca’c enthaltenen Flüssigkeit, welche durch die Bewegung der Röhre von a‘ Fig. 5. nach a Fig. 6. und von e Fig. 5. nach ce’ Fig. 6. bei der Bil- dung der Welle ac’d gegen A hin bewegt werden sollte, gerade verdoppelt wird, so schreitet die ganze Welle ba’ c nach ac’d Fig. 5. fort. Hierbei ist die ganze Spannung, welche sich nach A hin fortzupflanzen durch die Bewegung der Flüssigkeit gehindert wurde, nach B hin fortgeschritten, und die Geschwindigkeit der im Raume a’cc enthaltenen Flüssigkeit, welche durch den nach gleicher Richtung wirken- den Zug der Spannung verdoppelt wurde, auf die doppelt so grosse Masse ac’dde’a übergegangen. Demnach- ist die Ge- schwindigkeit der Flüssigkeit ae‘ddc’a gerade so gross, als die Geschwindigkeit der Masse ca’bba’c war. Wir sehen also, dass wenn die Röhrenwand nach innen gespannt, und der Flüssigkeit zugleich Geschwindigkeit ertheilt ist, sich diese Spannung nach einer Richtung fortpflanzt, welche der Rich- tung der bewegten Flüssigkeit entgegengesetzt ist. 8. 4. Hat eine Portion Flüssigkeit abed in der Röhre AB Fig. 4. Geschwindigkeit erlangt, ehe die Röhre Zeit hatte, sich auszudehnen, und ist die Geschwindigkeit nach B gerich- tet, so übt diese auf die vor bc gelegene ruhende Flüssigkeit einen Druck und auf die hinter ad gelegene einen Zug aus. Während sich nämlich die bewegte Masse abed vorwärts bewegt, wird auf die Flüssigkeit diesseits und jenseits des Durehschnittes be ein Drnck ausgeübt, und dadurch kommt diesseits und jenseits eine gleich grosse Ausbiegung der Röhre zu Stande. An der Grenze a d entfernt sich aber die Portion Flüssigkeit abc.d von der gegen A zu liegenden Flüssigkeits- säule, und dadurch entsteht diesseits und jenseits des Durch- schnittes ad gleich grosser Zug der Wandungen nach innen. Mit der fortdauernden Annäherung bei bc und der fortdauern- 141 den Entfernung von ad wächst die Ausbiegung bei bc in die Höhe und Länge, und in demselben Maasse die Einbiegung bei ad, bis die punktirt angegebenen Wellen emfhmi mit Einbiegung des Rohres und fb’gie’k mit Ausbiegung des Rohrs entstanden sind. Indem die Geschwindigkeit auf die doppelt so grosse Masse ehgk überging, ist sie um die Hälfte verringert wor- den, und eine dieser verringerlen Geschwindigkeit entspre- chende Aus- und Finbiegung entstanden. Da nun, wie wir oben gesehen haben, die Welle sich nach einer Richtung fort- pflanzt, wenn die Kraft der gespaunten Wandungen der Ge- schwindigkeit der enthaltenen Flüssigkeit gleich ist, so wird jetzt auch die Welle mit Einbiegung nach A und die Welle mit Ausbeugung nach B fortschreiten. Jede dieser Wellen hat die Länge der ursprünglich bewegten Masse abcd, aber die Flüssigkeit jeder Welle nur halb so viel Geschwindigkeit, als die Flüssigkeilsmenge ab ed ursprünglich besass, und endlich die Wandung der Röhre eine der Geschwindigkeit an Grösse gleiche Ein- und Ausbiegung. Wir sehen also, dass blosse Geschwindigkeit der in eine elastische Rölire eingeschlossenen Flüssigkeit eine nach der Richtung der Bewegung fortschreitende ausbeugende und eine nach der entgegengeselzten Richlung fortschreitende einbie- gende Welle erregt, welche an Länge der Flüssigkeitsstrecke mit blosser Geschwindigkeit gleich sind, halb so grosse Ge- schwindigkeiten haben, als diese, und deren Spannungen den Geschwindigkeiten entsprechen. Von der Welle des bloss der Länge nach dehnbaren elastischen Rohres. 8. 5. Ist das dehnbare elastische Rohr aus Ring- und Längen- fasern zusammengesetzl. und erfolgt nun die Aus- und Einbie- 142 gung der Röhre in der bisher besprochenen Weise, so mussten bei der Welle mit Ausbiegung Fig. 3. die Ring- und Längen- fasern eine Verlängerung und Erhöhung der Spannung erfah- ren haben, aber bei der Einbiegung Fig. 5. die Ringfasern eine Verkleinerung der Peripherie und Verminderung der Span- nung, dagegen die Längenfasern eine Verlängerung und gleich- zeitig eine Vergrösserung der Spannung. Diese Struktur des Rohres ändert die oben ausgesprochene Anoahme, als bestünde dies elastische Rohr bloss aus gespann- ten Saiten, also Längenfasern, welche wir zur Erklärung der bei der Welle des gespannten Rohres wirksamen Kräfte sta- tuirten, nicht ab; denn wir können die Ringfasern mit Ge- wiehten vergleichen, welche Behufs der Vergrösserung der Spannung an den elastischen Längsfasern aufgehängt sind. Diese Kräfte steigern in Fig. 3. die Bewegung des Punktes a nach a’ und des Punktes e nach ce‘, ebenso in Fig. 5. die Be- wegung des Punktes a‘ nach a und des Punktes b nach,b‘. — Sind aber die Ringfasern unausdehnbar und unelastisch, und ist dieses Rohr durch Verschliessung der Enden und Anfül- lung mit Flüssigkeit in Spannung versetzt, so wird, wenn wir, wie in $. 2. angegeben wurde, eine Strecke durch Scheide- wände abschliessen, diese abgeschlossene Strecke stärker mit Flüssigkeit füllen, und uns dann die Flüssigkeit in Ruhe und die Scheidewand rasch entfernt denken, die Röhre die in Fig: 8. gezeichnetete Form angenommen haben; denn die Ver- grösserung des Lumen ist bei Starrheit der Ringfasern nach dem zur Achse senkreehten Durchmesser unmöglich, und nur durch Verlängerung der Röhre denkbar. Haben wir nun in Fig. 8. die Welle ba‘c mit ruhender Flüssigkeit erfüllt, so wird sich diese Welle nach dem schon öfters besprochenen Gesetze in die Wellen ac’d und ab/e Fig. 9. vertheilen, von denen erstere nach B, letztere nach A hin fortschreitet. Es wird nämlich a’ nach a, b nach b’ und e nach ce’ gezogen, gleichzeitig der einen Hälfte der Flüssig- keit Geschwindigkeit nach A, der andern nach B ertheilt. 143 Die Wellen Fig. 9. haben aber gleiche Länge und halb so viel Höhe, als die Welle Fig. 8. Hat die Flüssigkeit aber Geschwindigkeit nach B, so wird die Welle a b’ e Fig. 9. durch entgegengesetzte Richtung der Ge- schwindigkeit aufgehoben, dagegen die Welle ac’d durch gleiche Richtung der Geschwindigkeit verstärkt, und wir er- halten die ganze Stelle ac’d nach B hin fortschreitend. Ist die Röhre gerade und sind die Enden derselben fixirt, so ist dieselbe, so lange die Endpunkte und die starren Ring- fasern nicht nachgeben, durchaus keiner Verminderung des Inhalts fähig, und es ist keine Kraft der Welt im Stande, aus einer in die Wandungen gemachten Oeflnung Flüssigkeit her- auszuziehen, denn es ist dann die Röhre durch Ausbiegung nach einer oder der andern Seite, nur einer Verlängerung des Lumen, aber keiner Verkürzung fähig. Eben so wenig ver- mag blosse Mittheilung von Geschwindigkeit an die Flüssig- keit, Wellen zu erregen, da die Verlängerung des Lumen nach der einen Richtung bei Ausbiegung der Röhre Verkürzung des Lumen nach der andern Richtung zur Folge haben müsste, letztere aber unmöglich ist. $. 6: Wie wir so eben gesehen haben, bleibt in der gerade- linichten und bloss der Länge nach dehnbaren Röhre der Bo- gen der Welle bei seiner Fortpflanzung stets in der nämlichen Ebene und nach derselben Seite hin gerichtet, s. Fig. 8. Haben wir aber eine gewundene Röhre AB Fig. 19., welche gleichfalls nur der Länge nach ausdehnbar und mit Flüssigkeit gefüllt ist, so wird, wenn die Röhre aus der Lage a‘ zur Ruhe gekommen, d. h. in die Lage a zurückgekehrt, die Welle also bei b angekommen ist, die Röhre die Lage b’ an- nehmen, der Bogen also, wie bei der gerade-linichten Röhre, bei seiner Fortpflanzung auf derselben Seite und in derselben Ebene bleiben. Ist aber die Welle bei © angekommen, so könnte durch Bewegung der Röhre nach derselben Seite, EMS 144 wie früher, nur Abspannung und Verkürzung bewirkt werden, und es kann sich Spannung und Zunahme des Inhalts nur dann fortpflanzen, wenn die Röhre die punklirt angegebene Lage e‘ annimmt, eben so bei d nur durch Annahme der Lage d'‘. ® Die Erfahrung über die Wellen in den Arterien lehrt, dass sich die Welle durch die Windungen der Röhre unver- ändert und unter stärkerer Wölbung des Bogens fortpflanzt. Wir wenden uns nun in Folgendem zur Angabe der Gründe, aus welchen die Welle in der geraden und bloss der Länge nach ausdehnbaren Röhre die Richtung des Bogens beibehält, dagegen diese Richtung bei Biegungen der Röhre und unter andern Verhältnissen abändern, kann. In der Welle mit blosser Spannungs- und Inhaltszunahme ohne gleichzeitige Geschwindigkeit der Flüssigkeit, ist die un- gleiche Vertheilung der Spannung der Röhre allein die Ur- suche der Fortpflanzung, ‘welche nach $. 2. nach beiden Seiten hin Statt findet. Wir können die vermehrte Spannung, welche in den Wandungen der Röhre auf der Strecke der Welle Statt findet, als Verrückung der Moleküle dieser Wandung aus ihrer gegenseitigen Lage betrachten, in welche dieselben zwar zurückkehren, aber dabei dieselbe Lageveränderung den benachbarten Theilen nach beiden Seiten hin mittheilen, s. Fig. 9. Diese Fortpflanzung der Welle wird in der bloss der Länge nach dehnbaren Röhre dadurch möglich. dass, mit der Fortpflanzung des Verhaltens der Moleküle der Röhrenwand, zugleich die zur Bildung‘ der Bogen nöthige Bewegung mit- gelheilt wird, nämlich die Bewegung der Punkte bb nach b‘b’ Fig. 9. und ce nach c’ ce’ Fig. 9. ele. Bei blosser Geschwindigkeit der Flüssigkeit in der nach allen Seiten dehnbaren Röhre $. 4. Fig. 7. ist dagegen der Druck, welchen die bewegte Flüssigkeit auf die Wandungen der Röhre ausüb!, die Ursache der Fortpflanzung von Span- nungszunahme nach der einen Seite. und die Abnahne des von der enthaltenen Flüssigkeit auf die Wandungen ausgeübten 145 Drucks die Ursache der Fortpflanzung von Spannungsabnahme nach der andern Seite. In der Welle mit Zunahme des Inhalts und der Span- nung nebst Geschwindigkeit der Flüssigkeit wird die nach einer Richtang erfolgende Fortpflanzung der ganzen Span- nungszunahme zur einen Hälfte direkt durch die Röhrenwand als Fortpflanzung des Verhaltens ihrer Moleküle, zur andern Hälfte aber durch den Druck der bewegten Flüssigkeit be- wirkt, denn es wird die direkte Fortpflanzung des Verhaltens der Röhrenwand nach der einen Seite hin durch den Zug der entgegengesetzt beweglen Flüssigkeit aufgehoben, nach der an- dern Seile hin aber durch den Druck verstärkt, welchen die bewegte Flüssigkeit auf die Röhrenwand ausübt. Für die Welle der bloss der Länge nach dehnbaren Röhre ist nun die eine Hälfte der sich fortpflanzenden Welle, näm- lich die direkt durch die Röhrenwand Statt «findende Fort- pflanzung, nach dem oben Gesagten für den Fall erklärt, wo’ die Richtung des Bogens dieselbe bleibt, denn es wird durch diesen Theil der Fortpflanzung gleichzeilig der Röhreuwand die zur Bildung des Bogens nolhwendige Bewegung erlheilt. Dagegen bleibt uns noch zu erklären übrig, wie die andere Hälfte der Spannung durch den Druck, welchen die bewegte Flüssigkeit auf die Wandungen ausübt, herbeigeführt werden kann, da die dadurch erzielte Spannung genau der Schnellig- keit der bewegten Flüssigkeit oder der Grösse des auf die Wandungen ausgeübten Drucks entsprechen muss. In der bloss der Länge nach dehnbaren Röhre kann durch den allei- nigen Druck der bewegten Flüssigkeit keine Erweiterung und Spannung hervorgebracht werden, wenn dieser Druck, wie es in der ganz geraden Röhre Statt findet, nach allen Seiten hin gleich ist. Dagegen kann allerdings in einer gebogenen Röhre der Art durch den Druck der bewegten Flüssigkeit Vergrös- serung des Bogens und Zunalıme der Spannung bewirkt wer- den, denn indem die convexe Partie des Bogens diesem Drucke eine grössere Oberfläche darbietet, als die concave, die Summe Mäller's Archir 1815. 10 146 des nach der convexen Seite hin wirkenden Druckes also grösser ist, als die Summe des nach der concaven Seite hin wirkenden !), so findet eine Bewegung der Röhre unter der Form einer Vergrösserung des Bogens Statt. Da aber bei der Fortpflanzung der Welle in der geraden und bloss der Länge nach dehnbaren Röhre diese schon durch die unmittelbar durch die Röhrenwand geschehende Spannungsfortpflanzung genölhigt wird, die Form eines Bogens anzunehmen, so kann jelzt auch der Druck der bewegten Flüssigkeit zur Vergrösse- rung dieser Spannung beilragen. Haben wir aber auf der gebogenen Röhre AB Fig. 11. eine Welle e a‘ c, welche sich naclı B hin fortpflanzt, so wäre jelzt die direkt durch die Röhrenwand sich fortpflanzende Spannung für sich allein nicht im Stande, ihre Wellenhälfte forlzupflanzen, denn vermöge dieser würde dem Punkte o eine Bewegung nach 0’ ertheilt, und die Röhre die Lage ac’h annehmen. Dabei würde aber das Röhrenstück c h keine Ver- längerung und also auch keine Zunahme der Spannung erfah- ren. so dass also die Fortpflanzung der Welle nur möglich ist, wenn dabei ch die Lage en h Fig. 12. annehmen muss. Diese Richtung des Bogens en h wird aber durch den Druck der daselbst beweglen Flüssigkeit bewirkt, welche vorzugs- weise auf die der convexen Seite des Bogens zu liegende Wand gerichtet ist. Wenn aber die zur Spannungsfortpflan- zung nölhige Rewegung der Röhre durch den Druck der be- wegien Flüssigkeit eingeleitet wird, so ist jetzt auch die di- rekt durch die Röhrenwand geschehende, von Moleküle zu Moleküle derselben fortgehende Spannungsfortpflanzung möglich. 4) Dass der Theil der Oberfläche einer gebogenen Röhre, welche nach der convexen Seile zu liegt, grösser ist, als der nach der con- caven Seite zu liegende, lässt sich durch folgendes einfache Experi- ment beweisen: Biegen wir einen grünen Zweig, so erleidet die der convexen Seite zu liegende Rinde eine grössere Ausdehnung, während die der concaven Seite zu liegende Rinde gefaltet wird. 147 Die dureli den Druck der bewegten Flüssigkeit erreichte Spannung entspricht aber der Grösse dieses Druckes und nicht der Grösse des Unterschiedes im Drucke nach einer Seite hin, welcher Unterschied im stärkern Bogen grösser ist, als im schwächern. Denn obschon diese Spannung nur dadurch her- beigeführt wurde, dass der Druck nach der convexen Seite zu bei eh grösser war, als nach der concaven Seite, so dauert dieser Unterschied in der Grösse des Drucks so lange an, bis das Röhrenstück ce h die nöthige Spannung erreicht hat. Wir können dies durch folgendes Beispiel deutlich ma- chen: Wir binden an eine Glasröhre A B Fig. 13. ein Stück Arterienrohr D und binden letzteres am freien Ende zu. Ueber- dies ist am Glasrohre der Stab ce befestigt, an welchem wir das Ende des Arterienrohrs in beliebiger Entfernung festbin- den können. Wir füllen nun das elastische Rohr und die Glasröhre mit Wasser und bringen den Apparat in das Fig. 14. abgebildete Gefäss E, welches bis zum luftdicht aufsitzenden Deckel F mit Wasser gefüllt ist, und durch welchen die Glas- röhre luftdicht eingekiltet hindurchgeht. Der Druck der Flüs- sigkeitssäule dehnt nun den Bogen des elastischen Rohres der Länge nach aus, obschon auch gleichzeitig das Lumen der Röhre erweitert wird. Die Ausdehnung des Arterienrohres beträgt aber gleichviel an Volumen, was ich am Steigen der Flüssigkeit im Schenkel G messen kann, mag nun die Gestalt, welche ich dem Arterienbogen gebe, gewölbter oder flacher, also der Unterschied in der Grösse des Drucks auf die Wan- dungen beträchtlicher oder minder beträchtlich sein; so dass also die Erweiterung nicht von der Grösse des Unterschiedes im Drucke auf die Wandungen, sondern von der Grösse des Druckes überhaupt abhängt. Ist aber die bloss der Länge rach delinbare Röhre ganz gerade, fehlt also der Unterschied in der Grösse des Druckes auf eine der Wandungen, so kann, wenn die Enden der Röhre fixirt, die Ringfasern unnachgie- big sind und der Druck genau nach der Richtung der Län- genachse des Rohres wirkt. kein Druck in der Welt eine 10* 148 Ausdehnung hervorbringen. Wir kommen durch diese Be- trachtungen zu dem Schlusse, dass bei Fortpflanzung der Welle im Arterienrohre die Mittheilung der Spannung an die folgende Röhrenstrecke sowohl durch den Druck der Flüssig- keit, als den unmittelbaren Einfluss der Röhrenwand bedingt ist, dass aber im geraden Rohre (s. Fig. 9.) die Mittheilung der Spannung durch die unmittelbare Einwirkung der elasti- schen Röhrenwand, aber im geschlängelten Arterienrohre durch die bewegte Flüssigkeit eingeleitet wird, indem dort jene, hier diese Kraft die Richtung des Bogens der zu spannenden oder zu verlängernden Strecke bestimmt. Der Bogen, welchen das der Länge nach dehnbare Rohr beim Durchgange der Welle beschreibt, ändert also beim Uebergange in eine gebogene Stelle des Rohrs, dessen Rich- tung dem aukommenden Bogen der Welle entgegengesetzt ist, die bisherige Richtung mit Beibehaltung der nämlichen Span- nung gerade so um, wie der Bogen, den die Welle der auf- gespannten Saite bildet, wenn diese Welle reflektirt wird, $. 7. Wir haben bis jetzt von einem, das elastische Rohr um- gebenden und befestigenden Medium abgesehen. Befindet sich nun das elastische Rohr in einem verschiebbaren, aber elasti- schen Medium, wofür wir die Substanzen, welche die Arterien des Menschen umgeben, ansehen können, so wird durch den Bogen, den dieses Rohr bein Durchgange der Welle beschreibt, das elastische Medium auf der concaven Seite des Bogens ge- spannt, auf der convexen verdrängt werden Dieser Umstand ändert die bisher betrachteten Gesetze nicht ab, und es kann die elastische Umgebung bei der Er- klärung der bisherigen Vorgänge als der elaslischen Röhre zugehörig betrachtet werden. Ist aber die elastische Röhre auf der einen Seite an eine feste Wand mitlelst elastischer Fäden fixirt, so wird, wenn die Welle eine Ausbeugung nach der entgegengeselzten Seite macht, die Gegenwart dieser Wand 149 nicht zu beachten sein, da dies die Anspannung der elastischen Fäden auf der eoncaven Seite des Bogens und die Zusammen- drückung des elastischen Mediums anf der andern Seite nicht hindert (s. die Welle ba‘c Fig. 15.). Befindet sich aber dann im weitern Verlaufe der Röhre, z. B. bei e, die feste Wand V, so wird die weilere Fort- pflanzung der Welle mit derselben Richtung des Bogens un- möglich. indem die Bewegung der Röhre von e nach ce’ durch den Widerstand der Wand gehindert ist. Es tritt also jetzt wieder der Fall ein. dass die Fortpflanzung der Spannung durch die elastische Membran die Richtung des Bogens nicht bestimmen kann. Es wird daher jetzt wieder in der im vori- gen $. angegebenen Weise die durch Rückkehr des Bogens ca’b in der Lage cab nach der Richtung des Pfeils ausge- triebene Flüssigkeit die Richtung bestimmen, welche der Bo- gen bei Uebertragung der Spannung von ba’c nach ed an- zunehmen hat, und semit die der bisherigen entgegengesetzte Richtung des Bogens bedingen. 8. 8. Wir haben $. 5. erwähnt, dass das gerade, in seinen Ringfasern starre, an den Endpunkten geschlossene und un- nachgiebig befestigte, aber in den Längsfasern elastische Rohr keiner Welle fähig ist, welche durch Verminderung des In- halts, wie wir es für die nach allen Richtungen dehnbare Röhre $.3. angeführt haben. bedingt ist. Ist aber diese Röhre geschlängelt, so verhält es sich anders. Haben wir auf der geschlängelten Röhre AB Fig. 16. eine Strecke be durch Scheidewände isolirt, und ziehen aus dieser Strecke durch eine eingesetzte Röhre Flüssigkeit, bis sie die Lage ba’c an- genommen hat, und denken uns sodann die Flüssigkeit in Ruhe und die Scheidewände entfernt, so wird vermöge des grössern Druckes der stärker gespannten Röhre jenseit b und e Flüssigkeit bei b und e in die geringer gespannte Partie ba‘e hereingezogen und es pflanzt sich so nach beiden Seiten 150 hin Verminderung der Spannung und des Inhalts fort, wobei diese beiden, nach entgegengesetzten Richtungen fortschreiten- den Wellen gleiche Länge haben, wie die Welle ba‘c, aber nur halb so viel Verminderung der Spannung oder Abspan- nung. Hat aber die in der abgespannten Strecke ba’c enthal- tene Flüssigkeit eine der Grösse dieser Spannungsabnahme entsprechende Geschwindigkeit nach A, so wird diese Ge- schwindigkeit in der Portion ba’ durch die entgegengesetzle Wirkung der verminderten Spannung aufgehoben, dagegen die Geschwindigkeit der Porlion a‘c verdoppelt, und so pflanzt sich jetzt wieder die ganze Welle gegen B zu fort, indem allein in dieser Richtung Verkürzung der Röhre, Abnahme der Spannung und des Inhalts derselben bewirkt wird. Wir sehen also auch in der gewundenen und bloss der Länge nach dehnbaren Röhre eine Welle mit Verminderung des Inhalts gerade nach demselben Gesetze entstehen und sich fortpflanzen, wie wir es $. 7. für die nach jeder Richtung dehnbare Röhre angegeben haben, wenngleich die Form der Welle hier eine andere ist. Ebenso wird durch blosse Geschwindigkeit der Flüssig- keit, welche in der. bloss der Länge nach dehnbaren, ‚aber gewundenen Röhre enthalten ist, eine Welle mit Zunahme des Inhalts und der Spannung, welche sich in der Richtung der bewegien Flüssigkeit fortpflanzt und eine nach der ent- gegengesetzten Richtung fortschreitende Welle mit Verminde- rung des Inhalts und der Spannung erzeugt. Jede dieser beiden Wellen hat gleiche Länge, aber halb so viel Geschwin- digkeit der enthaltenen Flüssigkeit, wie die Welle, aus der sie hervorging, ferner den Geschwindigkeiten an Grösse gleiche Vermehrung oder Verminderung der Spannung. Da die Welle mit Verminderung des Inhalts in der Röhre, deren Längenfasern allein dehnbar sind, mit Verminderung der Spannung verbunden ist, so wollen wir sie die abspan- nende nennen und die mit Vermehrung des Inhalts die span- nende, wie wir für die nach allen Seiten dehnbare Röhre in 151 derselben Weise eine einbiegende und ausbiegende Welle un- unterschieden haben. Ist in der oben angeführten Weise das umgebende Me- dium elastisch, so wird durch die Bewegung der Röhre von bac nach ba’c Fig. 16. bei der abspannenden Welle das elastische Medium nach der einen Seite gespannt. nach der andern zusammengedrückt, und es ist somit auch die abspan- nende Welle nicht ohne Erzeugung von Zunahme der Span- nung möglich, jedoch ändert dies in den angeführlen Gesetzen nichts ab. 8.9. Das elastische Arterienrohr wird beim Durchgange der Welle mit Vermehrung des Inhalts weder bloss nach der Pe- ripherie, wie wir es $. 2. angegeben haben, noch wie in $.5. angegeben wurde, bloss der Länge nach ausgedehnt, sondern die Vergrösserung des Lumen geschieht (s. z. B. E. H. We ber’s Anatomie, Bd. Ill. p. 68.) sowohl durch Erweiterung, als Verlängerung; ebenso muss aber auch dann die Welle mit Verminderung des Inhalts gleichzeitig mit Verengerung und Verkürzung des Lumen verbunden sein. Wir werden daher in den folgenden Betrachtungen auf diesen Umstand Rück- sicht nehmen. : Die Art und Weise der Bildung und Fortpflanzung der Welle im elastischen Rohre. $. 10. Nach diesen allgemeinen Betrachtungen über die verschie- denen Arten von Wellen des elastischen, mit Flüssigkeit ge- füllten Rohres wenden wir uns zur genauern Angabe der Entstehungsweise der Welle mit Geschwindigkeit der im Rohre enthaltenen Flüssigkeit und entsprechender Spannung der Wandungen. 152 Es sei an den Anfang eines ungetheilten, gleich weiten und überall gleich elastischen Rohres eine feste Röhre gebun- den, welche gleich grosses Lumen, wie jene Röhre hat, und in welcher ein Stempel hin und her bewegt werden kann. Wir stellen uns ferner diesen Apparat durchaus gleichmässig dureh Anfüllung mit Flüssigkeit gespannt, und an dem Ende, welches der Befestigungsstelle der Spritze enigegengesetzt ist, geschlossen vor. Beschreibt nun der Anfang der elastischen Röhre (s. Fig. 14.) einen Bogen, so wird der Druck der ein- getriebenen Flüssigkeit nach der convexen Seite des Bogens zu stärker sein, und somit nach $. 6. auch die bloss der Länge nach dehnbare Röhre in eine Spannung versetzt werden, welche der der Flüssigkeit mitgelheilten Geschwindigkeit gleich ist. Sind aber die Ringfasern nicht ganz starr, wie in den Arterien, so wird nebst dieser Verlängerung auch eine Erweiterung des Lumen erfolgen, aber auch in diesem ge- mischten Falle Spannung der Röhre und Geschwindigkeit der Flüssigkeit gleich sein. Wir treiben also durch Vorwärtsbewegen des Stempels Flüssigkeit aus dem festen in das elastische Rohr, und theilen die Dauer dieses Aktes in fünf gleich grosse Zeitmomente. Es werde nun im ersten Momente ein Flüssigkeitstheil- chen ausgelrieben. Dies Flüssigkeitstheilchen setze die Mem- bran so in Spannung, dass ein Theil a b Fig. 18. der Röhre, welche 5 solcher Flüssigkeitstheilchen enthält, so in die Länge und Weite vergrössert wird, dass er jetzt Raum für 6 Flüs- sigkeitstheilchen hat. Eine zweile Partie der Röhre, b c Fig. 18., hat noch gar keine Ausdehnung erlitten. sondern befindet sich noch ganz in Ruhe. Das Lumen der Partie ab hat demnach, wie wir in der Figur angedeutet haben, + an Grösse zuge- nommen, und wir haben diese Zahl in unsern Figuren zur Bezeichnung der Welle gewählt, weil dieselbe den Grad der Spannung der Membran, und somit auch die Schnelligkeit be- zeichnet, welche der in diesem Röhrentheile enthaltenen Flüs- sigkeitsmenge mitgetheilt wurde, denn Spannung der Membran 153 und Geschwindigkeit der Flüssigkeitstheilchen sind sich an Grösse gleich. Im zweiten Zeitimomente pflanzt sich in der $. 6. und 9. für die ganze Welle angegebenen Weise die Spannung und Geschwindigkeit und Zunahme des Inhalts von ab Fig. 18. nach be Fig. 19. fort. Zu gleicher Zeit werden durch Wei- terschieben des Stempels in der festen Röhre 2 Flüssigkeits- theilchen ausgetrieben. Dadurch nimmt das Lumen von ab um * der ursprünglichen Grösse zu, denn es wird, wie wir noch angeben werden, dieselbe Strecke ausgedehnt, wenn nur die Dauer der Austreibung gleich ist, mag die Menge der aus- getriebenen Flüssigkeit immerhin verschieden sein. Dem Grade der Spannung an Grösse gleich, sind die Geschwindigkeiten der in der Röhre enthaltenen Flüssigkeit. Im dritten Zeilmomente werden 3 Flüssigkeitstheilchen ausgetrieben. de Fig. 20. befindet sich in Ruhe, das Lumen von cd nahm um }, be 2, ab 2 der früheren Grösse zu, dadurch nalım in gleichem Verhältnisse die Spannung der Röhre zu, und wird der Flüssigkeit eine der Spannungszu- nahme an Grösse gleiche Geschwindigkeit ertheilt. Im vierten Zeitmomente werden 2 Flüssigkeitstheilchen ausgetrieben. ab Fig. 21. nimmt jetzt in seinem Lumen 2, be}, cd 2, de+an Grösse zu, ef befindet sich noch in Ruhe. Die Spannungen sind in entsprechender Weise erhöht und den Geschwindigkeiten an Grösse gleich. Im fünften Zeitmomente wird 1 Flüssigkeitstheilchen aus- getrieben. ab Fig. 22. ist um # seines Lumens vergrössert, be3,ced},de2,eff,fg ist in Ruhe. Entsprechend ver- halten sich die einander an Grösse gleichen Spannungen und Geschwindigkeiten. Im sechsten Zeitmomente werde durch Zurückziehen des Stempels wieder 1 Flüssigkeitstheilehen aus der Röhre heraus- gezogen, In dieser Zeit ging die Welle von ab Fig. 22. nach bg Fig. 23. weiter, mithin verliert das Lumen von ab 4 sei- ner ursprünglichen Grösse. 154 Ganz entsprechend ist die Spannung vermindert, und der Flüssigkeit eine Geschwindigkeit gegen die feste Röhre zu ertheilt. Diese Geschwindigkeit ist das Produkt einer gleich grossen Kraft, wie wir Abnahme der Spannung, In ab haben wir also verminderte Spannung und eine Richtung der Geschwindigkeiten der einzelnen Flüssigkeits- theilchen, welche der Richtung der Geschwindigkeiten der vorausgehenden spannenden Welle entgegengesetzt ist. Diese Welle, welche wir die einbiegende und abspannende genannt haben, pflanzt sich aus dem, $. 3. und 8. angegebenen Grunde nach derselben Richtuug fort, wie die ausbeugende und apan- nende Welle. Im siebenten Zeitmomente soll der Stempel ruhen. Es pflanzt sich jetzt die Welle ag Fig. 23. nach bh Fig. 24. fort, ab ist zur Ruhe zurückgekehrt, hi von der Welle noch nicht berührt worden. Ueber den Reflex, die Durchkreuzung ete. der Wellen. $. 11. Diese Bildungsweise der Flüssigkeitswelle in der elasti- schen Röhre stimmt genau mit der Bildungsweise von Luft- wellen in einer festen Röhre, welche in der Wellenlehre der Gebrüder Weber $. 263. besprochen ist, überein. Wir gin- gen bei unserer Darstellung ins Einzelne, um eben diese Ana- logie mit den in Weber’s Wellenlehre an der eilirten Stelle beschriebenen Luftwellen innerhalb einer festen Röhre darzu- thun. Diese Analogie lässt sich nicht nur auf die Bildung und Fortpflanzung der spannenden oder ausbeugenden und ab- spannenden oder einbiegenden Welle im elastischen Rohre ausdehnen, sondern auch auf den Reflex, die Durchkreu- zung elc. dieser Wellen. Wir unterlassen hier die weitere Detaillirung des Vorgangs beim Reflex, der Durchkreuzung ete. 155 dieser Wellen. weil wir nur das wiederholen müssten, was in Weber’s Wellenlehre über die durch Vorwärts- uud Rück- wärtsbewegung eines Stempels in einer mit Luft erfüllten Röhre gebildete Welle gesagt ist. Wir erwähnen daher nur die Resultate der dort gegebenen Betrachtungen. Die Flüssigkeitswellen in einem elastischen Rohre wer- den von einer Scheidewand so reflektirt, dass nach dem Re- flex die Welle diesseits der Scheidewand sich gerade so von der Scheidewand entfernt, als sie bei fehlender Scheidewand jenseits weiter ginge. Wenn also die, Fig. 24. bezeichnete Welle reflektirt ist, so kommt zuerst die spannende und aus- beugende, dann die abspannende und einbiegende Welle in der Richtung von der Scheidewand her. Dabei wurde die Form der Welle nicht verändert. — Bei der Durchkreuzung zweier Wellen mit vermehrter Spannung summiren sich die Spannungen, während die Geschwindigkeiten der Flüssigkeits- theilchen aufgehoben werden. Nach der Durchkreuzung schrei- tet jede Welle unverändert in ihrer Richtung weiter. Bei der Durelikreuzung einer spannenden und einer abspannenden Welle heben sich die Spannungen auf, dagegen summiren sich die (nach gleicher Richtung wirkenden) Geschwindigkeiten der Flüssigkeitstheilchen. Nach der Durchkreuzung schreitet jede Welle in ihrer ursprünglichen Richtung weiter. Wir haben schon oben (s. $. 2., 4. ete.) erwähnt, wie sieh eine Welle mit blosser Spannung ohne Geschwindigkeit der enthaltenen Flüssigkeit verhält, und wie sich blosse Ge- schwindigkeit ohne Spannung zerlegt. Wir können dies auch noeh dadurch erklären, dass wir die Welle mit blosser Span- nung aus zwei sich darchkreuzenden spannenden Wellen von gleicher Länge, und von gleicher Grösse und gleicher Verthei- lung der Spannungen und Geschwindigkeiten zusammengesetzt betrachten, welche sich demnach in zwei solche, nach entge- gengesetzter Richtung fortschreitende Wellen zerlegt. Jede dieser Wellen nimmt eine gleich lange Strecke des Arterien- rohres ein, wie die spannende ohne Geschwindigkeit, hat aber 156 an jedem Punkte nur halb so viel Spannung, als diese, aber der Spannung entsprechende Geschwindigkeiten. Die Geschwindigkeit ohne Spannung kann angesehen wer- den, als entstanden durch zwei sich durchkreuzende Wellen, eine spannende und eine abspannende, deren Spannungen sich aufheben, deren Geschwindigkeiten sich summiren. Diese . Welle wird sich also auflösen in eine nach der Richtung des Stosses fortschreitende spannende, und eine nach der entge- gengesetzten Richtung fortschreitende abspannende Welle, wel- che beide gleiche Länge haben, ferner halb so grosse Ge- schwindigkeiten der Flüssigkeitstheilchen, als die Welle ohne Spannung und den Geschwindigkeiten entsprechende Span- nung und Abspannung. Ist in einer Welle die Spannung grösser, als die Ge- schwindigkeit, so kann sie in zwei sich durchkreuzende zer- legt werden, die nach entgegengesetzten Richtungen weiter gehen, und deren Spannungen und Geschwindigkeiten unter sich gleich sind. Die der Geschwindigkeit an Grösse gleiche Spannung in der ersten Welle + der Hälfte des Rest’s ihrer übrigen Spannung giebt aber die Spannung der einen und die andere Hälfte des Rest’s ihrer Spannung giebt die Spannung der andern, aus jener hervorgehenden Welle. Diesen Span- nungen an Grösse gleich sind die Geschwindigkeiten der Flüs- sigkeitstheilchen.. Die nach der Richtung der Geschwindig- keiten in der ursprünglichen Welle weiter gehende spannende nimmt immer eine ebenso lange Strecke im Arterienrohre ein, als die Welle, aus der sie hervorgegangen ist, dagegen die nach der entgegengesetzten Richtung weiter gehende span- nende Welle nur eine so lange Strecke einnimmt, als die Länge der Strecke betrug, auf welcher die Geschwindigkeiten geringer waren, als die Spannungen. Haben wir eine Welle, deren Geschwindigkeit grösser ist, als die Spannung, so ist dieselbe zu zerlegen in zwei sich kreuzende Wellen. eine spannende und eine abspannende. Die Geschwindigkeit der spannenden Welle ist gleich der Geschwindigkeit, welche der 157 Spannung entspricht + der Hälfte des Rest’s der Geschwin- digkeit in der ersten Welle, die andere Hälfte des Rest’s der Geschwindigkeit in der ersten Welle giebt die Geschwindig- keit der daraus hervorgehenden abspaunenden Welle. Die Länge, welche die abspannende Welle im Arterienrohre ein- nimmt, ist gerade so gross, als die Strecke, auf der die Ge- schwindigkeit grösser isl, als die Spannung in der Welle, aus der beide hervorgingen; dagegen ist die Länge der spannen- den Welle immer so gross, als die Länge der Welle, aus der sie hervorging, — Werden diese Wellen, nämlich eine, deren Spannung grösser ist, als die Geschwindigkeit, oder eine, de- ren Geschwindigkeit grösser ist, als die Spannung in der Nähe einer Scheidewand erregt, so werden diese Wellen gleichfalls auf die oben angegebene Weise zerlegt. Es wird aber die Welle, welche in der Richtung der Scheidewand weiter geht, dort refleklirt, und es gehen daher 2 unmittelbar auf einander folgende Wellen in einer Richtung weiter, und zwar nach Auflösung der Welle mit überwiegender Spannung zwei span- nende Wellen und nach Auflösung der Welle mit überwiegen- der Geschwindigkeit eine vorausgehende spaunende und eine nachfolgende abspannende Welle, Von der Scala der Spannungen und Geschwindig- keiten, $. 12. Man bezeichnet in der Wellenlehre die Grösse der an jedem Punkte der Welle vorhandenen Spannung und Ge- schwindigkeit durch die Grösse der auf eine Linie gezogenen Senkrechlen, und nennt diese Senkrechten die Ordinaten der Spannungen und Geschwindigkeiten (s. Fig. 25.). Die span- nende Welle wird durch die Senkrechten über, die abspan- nende durch die Senkrechten unter der Linie A B bezeichnet. Die Linie aber, welche die Spitzen aller dieser Senkrechten 158 verbindet, heisst die Scala der Spannungen und Geschwindig- keiten. Diese Scala fällt in der spannenden Welle über, in der abspannenden unter die Linie AB. In der nach einer Richtung fortschreitenden Welle sind die Ordinaten der Span- nungen und &eschwindigkeiten gleich; dagegen sind in der Welle, welche sich in zwei nach entgegengesetzten Richlun- gen fortschreitende spannende Wellen auflöst, die Ordinaten der Spannungen grösser, als die Ordinaten der Gesehwindig- keiten, und in der Welle, welche sich in eine spannende und eine nach der entgegengesetzten Richtung fortschreitende ab- spannende zerlegt, die Ordinaten der Geschwindigkeilen grös- ser, als die Ordinatlen der Spannungen. Wenn die Austreibung der Flüssigkeit in der Art: ge- schieht, dass die ausgetriebene Menge zuerst steigt, dann wie: der fällt, dann wieder steigt, dann fällt und sodann die Aus- treibung aufhört, so erhalten wir, wenn wir die Bildung der Welle in der $. 10. angegebenen Weise entwickeln, eine Scala der Spannungen und Geschwindigkeiten, in der die Spannun- gen und Geschwindigkeiten nicht einfach zu- und abnehmen, sondern zunehmen, abnehmen, wieder zunehmen und nach mehrmaliger Abnahme ruhen. Experimente, welche wir über die bisher betrach- teten Gesetze der Wellenbewegung im elastischen Rohre anstellten. $. 13. Bisher haben wir die Gesetze der Flüssigkeitsbewegung im elastischen Rohre dadurch zu bestimmen gesucht, dass wir die Gesetze der Bewegung anderer elastischen Medien für die mit Flüssigkeit gefüllte elastische Röhre in Anwendung ge- bracht haben. Zur Kontrolie über die Geltung des bisher Ab- gehandelten unternahmen wir folgende Experimente, bei denen 159 mein Kollege, Herr Dr. Weber, so gefällig war, gegenwärtig zu sein. Ich verfertigte eine 6‘ lange Kautschukröhre und befestigte an jedes ihrer beiden Enden eine Injektionsspritze. Indem einer von uns nach ausgezogenen Stempeln die eine Spritze des Apparates, der auf einem ungefähr horizontal befestigten Breite lag, aufrecht hielt, füllte der andere durch Eingiessen in die Oeffnung der zweiten Spritze den Apparat mit Wasser. Nachdem beide Stempel der Spritzen mit Vermeidung von Lufteinschluss aufgesetzt waren, wurden beide Spritzen an dem Brette befestigt, jedoch in solchem gegenseitigen Ab- stande, dass die elastische Röhre nicht vermöge der Entfer- nung beider Sprilzen von einander, sondern nur durch die Anfüllung mit Flüssigkeit gespannt war. Indem nun durch Vorwärlstreiben eines der beiden Spritzenstempel eine Quanti- tät Flüssigkeit so rasch, wie möglich, in die elastische Röhre eingetrieben wurde, konnte man an der elastischen Röhre mehrere rasch auf einander folgende Ausdehnungen und Zu- sammenziehungen fühlen und sehen. Die erste Ausdehnung war die grösste, bei der darauf folgenden Zusammenziehung erreichte die Röhre nicht wieder ihren ursprünglichen Um- fang, den dieselbe vor-der Eintreibung von Flüssigkeit hatte, bikkauf erfolgte eine zweite Ausdehnung, welche bedeutend geringer war, als die erste, hierauf eine Zusammenziehung, welche gleichfalls geringer war, als die erste ete., und nach 4 bis 5 Ausdehnungen und Zusammenziehungen kam die Röhre zur Ruhe. Diese Ausdehnungen und Zusammenziehungen wa- ren am schwächsten in der Mitte der Röhre und am stärk- sten an den beiden Enden derselben. Diese Beobachtungen slimmen mit den oben von uns ausgesprochenen Gesetzen überein. Die erste Ausdehnung in der Mitte der Röhre rührte von dem ersten Vorübergange der Welle her, die darauf fol- gende Zusammenziehung erfolgte nach dem Vorübergange des höchsten Punktes der Spannungs - Scala unserer Welle, die neue Ausdehnung nach dem Durchgange der reflektirten 160 Welle ete. Die Ausdehnungen und Zusammenziehungen wa- ren an den Enden der Röhre am grössten, weil dort der Re- flex Statt fand. Der Theorie nach summiren sich nämlich die gerade zusammenfallenden Spannungen, wenn der bereits reflektirte vordere Theil der Welle sich mit dem noch nicht refleklirten, dem Ende der Röhre zuschreitenden Wellen- theile kreuzt. Wenn wir durch rasches Zurückziehen des Stempels ei- nen Theil des Inhaltes der Röhre enlleerten, so erfolgte zu- erst Zusammenziehung der Röhre, dann Ausdehnung, wobei jedoch die Röhre nicht den ursprünglichen Umfang erreichte, dann eine neue, jedoch kleinere Zusammenziehung, als die erste, dann neue Ausdehnung ele., und nach 4 — 5maliger Wiederholung der Ausdehnungen und Zusammenziehungen Ruhe. Auch hier waren wieder die Ausdehnungen und Zusammen- ziehungen an den Enden der Röhre grösser, als in der Mitte. Auch diese Betrachtung stimmt in derselben Weise mit der für die abspannende Welle aufgestellten Theorie überein, wie wir es bereits für die spannende Welle angegeben haben. Wir haben in unsern theoretischen Belrachlungen gesagt, dass die Röhre nach dem Durchgange der Welle in Bezug auf Spannung und Inhalt zu dem Zustande zurückkehre, in welchem sich dieselbe vor Ankunft der Welle befand. ° Wr werden später noeh die Gründe entwickeln, aus denen sich in der Natur die Sache anders verhält, wovon wir aber einst- weilen, der leichtern Darstellung wegen, abstrahiren mussten. Wir erwähnen hier nur, dass bei unserem Experimente die Welle auf den durchlaufenen Strecken Zunahme des Inhalts und der Spannung zurückliess, dass dies nur auf Kosten des Volumen der Welle geschehen konnte, dass dieser Verlust an Volumen durch Abnahme der Grösse der Ausdehnung und Zusammenziehung der Röhre beim Durchgange der Welle be- merklich war, also wenigstens eines Theils durch kleinere Ordinaten der Spannungen und Geschwindigkeiten bedingt sein musste. Diese Zunahme des ruhenden Inhalts und der 161 Spannung auf den von der Welle durchlaufenen Strecken war beim ersten Durchgang der Welle bei gleichzeiligem grössten Volumen der Welle am beträchtlichsten, und war nach jedem späteren Durchgange der kleiner gewordenen Welle immer unbeträchtlicher. Um die Welle besser, als durch blosses Betrachten und Befühlen der Röhre wahrnehmen zu können, setzten wir in die Mitte der Kautschukröhre ein Manometer in die Wandung ein, nämlich eine Glasröhre, welche von der Kautschukröhre mit horizontalem Schenkel abging, dann in einen absteigenden, sodann wieder in einen horizontalen und endlich in einen langen aufsteigenden überging. Beim Versuche befand sich im horizontal abgehenden Schenkel Wasser, so wie noch in einem Theile des absteigenden, daran grenzte sodann eine Quecksil- bersäule. Dies Manometer ward von mir in der Absicht an- gebracht, den Druck der Flüssigkeit auf die Wandangen der Röhre, also die Spannung derselben zu bemerken, und inso- fern den Durchgang von Wellen an dem Punkte, wo diese Gläsröhre eingesetzt war zu beobachten. Jedoch ist bei die- sem Versuche die Wahrnehmung der Wellenbewegung am Steigen und Sinken des Quecksilbers dadurch gestört, dass das Quecksilber selbstständige, von dem Zustande der Span: nüng in der Röhre unabhängige Bewegungen macht. Denn hätten wir z. B. eine Röhre, welche so lang wäre, dass nach einmaligem Vorübergange einer Welle an der seitlich 'einge- setzten Glasröhre ‘keine refleklirte Welle mehr daselbst an- käme, so würde das Quecksilber bei diesem einmaligen Vor- übergange der Welle nicht bloss einfach gehoben werden und wieder sinken, sodann ruhen, sondern erst nach mehrmaligen Schwankungen zur Ruhe kommen. Wollten wir daher ge- naue Messungen anstellen, so müssten wir den Einfluss dieser Schwankungen kennen, um nach Abzug dieser die von den Wellen erregten zu erhalten. Da wir jedoch keine genauen Messungen, sondern nur im Allgemeinen die Wellenbewegnng in der elastischen Röhre angeben wollen, so werden wir die Müllers Archir 1815, 41 162 an der Quecksilbersäule bei Wellenerregung beobachteten Schwankungen ohne Zahlenangabe erwähnen, später aber noch ein anderes Experiment anführen, wobei dieser Fehler ver- mieden ist. Wenn wir durch einfache Austreibung von Flüssigkeit eine Welle erregten, so wurde das Quecksilber durch die An- kunft der Welle gehoben, und sank wieder nach dem Vor- übergange des Punktes der Welle, an der sich der Höhepunkt der Spannungsscala befindet, ohne jedoch den ursprünglichen Stand zu erreichen; hierauf wurde es durch die Ankunft der reflektirten Welle von Neuem, jedoch nicht ganz bis zum frü- heren Punkte gehoben, sank sodann wieder ete. und kam end- lich nach immer kleiner gewordenen Schwankungen zur Ruhe. Beim Erregen von Wellen. durch Ausziehen von Flüssig- keit sank die Quecksilbersäule zuerst, hob sich dann wieder, jedoch nicht zum früheren Stande, sank wieder etc. und kam nach mehrmaligen Schwankungen zur Ruhe. Auch hier war das Sinken und Steigen vom Vorübergange der Welle‘ be- dingt, und zwar sank die Säule beim Vorübergange der Welle von ibrem vorderen Ende bis zum höchsten Punkte ihrer Scala der Abspannung, hob sich wieder von da bis zum Vor- übergange des Endes der Welle, sank wieder bei der Ankunft der reflektirten Welle etc. Wurde zuerst eine Welle durch Austreiben von ae keit in die Röhre und gleich darauf eine zweite durch Aus- ziehen aus derselben erregt, so wurde die Quecksilbersäule gehoben, und sank hierauf und zwar unter den ursprünglichen Stand, hierauf hob es sich wieder, bis etwas weniges über den ursprünglichen Stand, sank hierauf nochmals unter den- selben und kehrte endlich nach mehrmaligen Schwankungen in den ursprünglichen Stand zurück. Auch diese Beobachtungen stimmen mit unserer Theorie überein. Es schwankte nämlich das die Spannung angebende Quecksilber beim Vorübergehen blosser spannender Wellen über dem ursprünglichen Stand hin und her, beim Vorüber- 163 gehen blosser abspannender Wellen unter dem ursprünglichen Stand, und endlich beim Vorübergehen von abwechselnd span- nenden und abspannenden Wellen bald über, bald unter dem ursprünglichen Stande, und zwar, wenn die spannende Welle zuerst erregt war, mehr über, wenn die abspannende Welle vorausging, mehr unter demselben, weil die zuerst erregte Welle bereits am meisten an Volumen verloren hatte. Dass dies mit der Theorie übereinstimmt, ersehen wir aus den in den Fig. 26., 27. ünd 28. gezeichneten Spannungsscalen, wo wir die Spannungen der spannenden Wellen Fig. 26. über, die Spannungen der abspanneuden Wellen Fig. 27. unter der ursprünglichen Spannung schwanken sehen, dagegen die Span- nungen von abwechselnd sich folgenden spannenden und ab- spannenden Wellen (s. Fig. 28.) bald über die ursprüngliche Spannung sleigen, bald unter dieselbe herabsinken sehen. Ebenso bestätiget dies Experiment den $. 11. aufgestellten Salz, dass die reflektirten Wellen von der Scheidewand gerade so herkommen, wie sie bei fehlender Scheidewand jenseits weiler gegangen wären. Um den $. 11. aufgestellten Satz zu bestätigen, dass bei Kreuzung zweier spannenden Wellen sich die Spannungen summiren, dass bei Kreuzung einer spannenden und einer ab- spannenden Welle sich die Spannungen aufheben, diente fol- gender Versuch: Bei rascher Kompression entstehen zwei nach entgegen- geselzter Richtung fortschreitende Wellen. Hatte ich nun auf der einen Seite in einer gewissen Entfernung von dem Mano- meter comprimirt und gewartet, bis jede von der Kompres- sion herrührende Wellenbewegung verschwunden war, so er regte ich dann durch rasche Kompression auf der andern Seite in gleicher Entfernung von dem Manometer eine Welle, und bemerkte mir, um wieviel das Quecksilber das erste Mal slieg. Hierauf hob ich beide Kompressionen auf, und war die Flüs- sigkeit zur Ruhe gekommen, so komprimirte ich dann rasch und gleichzeitig beiderseits an genau den nämlichen Punkten, 11? 164 Das erste Steigen des Quecksilbers war jelzt doppelt so gross, als beim ersten Versuche. Dieser Versuch beweist den Satz, dass sich bei der Kreuzung zweier spannender Wellen die Spannungen summiren. Komprimirte ich ferner zuerst auf der einen Seite des Manometers, und wartele, bis die Flüssigkeit beruhigt war, hob. dann auf dieser Seite die Spannung rasch auf, während ich in demselben Momente auf der andern Seite in gleicher Entfernung von den Manometer rasch komprimirte, so halle ich eine gegen das Manometer zu fortschreitende abspannende Welle auf der einen, und eine eben dahin gehende spannende auf der andern Seite erregt. Traf ich es nun gerade, dass beide Wellen mit ihren vorderen Enden an dem Punkte, wo das Manometer eingesetzt war, zusammentrafen, was genaue Gleichzeitigkeit der Wellenerregung und ferner gleiche Zeiten für die Zurücklegung der Röhrenstrecken bis: zum Manometer, ferner gleiche Höhe der Scala der Spannung und der Scala der Abspannung in beiden Wellen vorausselzie, so erfolgte in dem Manometer keine Schwankung." ‚In der Regel verfehlte ich jedoch dies Ziel, so dass die eine Welle früher bei dem Manometer ankam, als die andere, so dass dann, wenn z. B. die spannende Welle zuerst anlangte, das Quecksilber zuerst stieg, dann rasch auf den früheren Punkt zurücksank, dann unter diesen Punkt herabstieg. Dieser Versuch beweist den Satz, dass bei der Durchkreuzung einer spannenden und ab- spannenden Welle sich die Spannungsscalen gegenseilig auf- heben, d. h. Interferenz der Spannungen erfolgt. Um durch genaue Angabe des Verfahrens nicht zu weit- läufig zu werden, erwähne ich nur noch, dass ich die Sum- mirung der Abspannungen bei der Durchkreuzung abspannen- der Wellen am Sinken des Quecksilbers erkannte, das bei der Durchkreuzung zweier abspannender Wellen ungefähr doppelt so tief sank, als bei dem Vorübergange der einfachen abspan- nenden Welle. Die bisherigen Versuche betrafen bloss die Gesetze der 165 Spannungsscala. Da aber nach ‘$. 11. die Geschwindigkeits- scalen in vieler Hinsicht von der Spannungsscala abweichen, so stellten wir auch einen Versuch an, wo wir die Geschwin- digkeilen der in der Welle enthaltenen Flüssigkeitstheile be- obachten konnten, und wobei überdies derjenige Fehler weg- fällt, der durch die selbstständigen Schwankungen des Queck- silbers herbeigeführt wird und der Korreklion bedarf. Wir unterbrachen nämlich die Continuität der beschrie- benen Kautschukröhre in ihrer Mitte und stellten die Verbin- ‚dung durch eine kurze Glasröhre, deren Lumen dem der Kautschukröhre gleich kam, wieder her, und füllten sodann die Röhre mit Wasser, welches durch einen Niederschlag von Berliner-Blau gelrübt war. Wie wir später noch sehen wer- den, muss sich die Welle durch die kurze Glasröhre hindurch fortpflanzen, wenngleich mit einigem, durch Reflex bedinglen Verlust an Volumen, der jedoch für unseren Zweck nicht be- rücksichliget zu werden braucht. Erregten wir nun wieder durch Austreibung von Flüssig- keit eine Welle, so bemerkten wir zunächst eine Bewegung der im Wasser suspendirten Theilchen gegen das andere Ende der Röbre zu.” Diese Bewegung musste so lange andauern, als sich die Welle durch die Glasröhre hindurch fortpflanzte. Hierauf erfolgle eine rückgängige Bewegung der Flüssigkeits- theilchen, welche von dem Durchgange der refleklirten Welle bedingt war. Diese rückgängige Bewegung war langsamer, als die vorhergehende; hierauf folgte eine neue, der vorherge- enden entgegengesetzte Bewegung, und nach 6— 10 maligem Hin- und Hergehen kam die Flüssigkeit zur Ruhe, Die letz- ten Balınen, welche ganz innerhalb der Glasröhre Statt -fan- den, wurden nicht nur langsamer zurückgelegt, als die vor- hergehenden, sondern waren auch kleiner. Die Schwankun- gen waren um so länger sichtbar, je rascher die Austreibung geschah. Derselbe Vorgang, jedoch in umgekehrter Ordnung, fand beim Ausziehen von Flüssigkeit aus der Röhre Statt. — Wir 166 - sagten $. 11. etc., dass eine Welle mit blosser Spannung, welche in der Nähe einer Scheidewand erregt wird, sich in zwei auf einander folgende, nach einer Richtung fortschrei- tende Wellen zerlegt. Um diesen Vorgang nachzuweisen, komprimirten wir in einiger Entfernung von der Spritze, und füllten jetzt diese Röhrenstrecke mit Flüssigkeit. Liessen wir mit der Kompression nach, so hätten wir der Theorie nach bei jeder, nach einer Richtung hin erfolgenden Bewegung der Flüssigkeitstheilchen eine Zunahme der Geschwindigkeit, hier- auf Abnahme, hierauf nochmalige Zunahme und dann nach nochmaliger Abnahme Ruhe bemerken müssen; dagegen war das Resultat dasselbe, wie bei einfacher Austreibung der Flüs- sigkeit. Nichtsdestoweniger kann sich doch diese Welle mit blosser Spannung in zwei von gleicher Länge, halber Span- nung und entsprechender Geschwindigkeit der Flüssigkeit zer- legt haben, indem die Form dieser Wellen es mit sich bringt, dass die zwischen beiden befindliche Abnahme und Zunahme der Spannung der Beobachtung unzugänglich ist, denn beide Wellen, deren Länge zusammen 3 Fuss betragen musste, ge- hen so schnell vorüber, dass der äusserst kleine Moment, in welchem Ab- und Zunahme der Spannung erfolgt, nicht be- merkt werden kann. Dasselbe Resultat erhielten wir, wenn wir in einiger Ent- fernung von der Spritze komprimirten und dann Flüssigkeit herauszogen. Wir bemerkten nämlich auch dann zuerst ein- fache Bewegung gegen die Spritze hin, dann von der Spritze weg etc., gerade wie bei einfacher Ausziehung von Flüssigkeit ohne Kompression. — In Bezug auf $. 11. erwähne ich, dass, wenn auf jeder Seite der Glasröhre in gleicher Entfernung von derselben durch rasche Kompression Wellen erregt wur- den, fast keine Schwankung der Flüssigkeitstheilchen bemerk- bar war, während an den komprimirten Stellen die von den mehrmals hin- und hergehenden Wellen erregten Ausdehnun- gen und Zusammenziehungen der Röhre fühlbar waren. Die- ser Versuch bewies, dass sich die spannenden Wellen durch- 167 kreuzten, und im Momente der Durchkreuzung eich die Ge- schwindigkeiten gegenseitig aufhoben, Wurde die eine spannende Welle näher bei der Glasröhre, die andere auf der andern Seite in grösserer Entfernung er- regt, so wurde den Flüssigkeitstheilchen in der Glasröhre erst Geschwindigkeit von der Seite der näher erregten Welle er- theilt, dann trat ein kleiner Moment der Ruhe und hierauf Bewegung von der Seite der entfernter erregten Welle her ein. Diese 3 Akte folgten sehr rasch auf einander. Die Geschwindigkeit der Flüssigkeitstheilchen war, der Beobachtung gemäss, bedeutend grösser, der Theorie nach, doppelt so gross, wenn ich auf der einen Seite durch Kom- pression eine spannende, gegen die Glasröhre zu fortschrei- tende, und auf der andern Seite in gleicher Entfernung von der Glasröhre durch Aufhebung der Kompression eine gegen die Glasröhre zu fortschreitende abspannende Welle erregte, denn bei der Durchkreuzung spannender und abspannender Wellen werden die Geschwindigkeiten verdoppelt. Bewirkte ich in ähnlicher Weise, dass zwei abspannende Wellen von jeder Seite her zu gleicher Zeit mit ihren vor- vordern Enden bei der Glasröhre ankamen, so erfolgte auch hier wieder keine Bewegung der Flüssigkeitstheilchen, weil sich die Geschwindigkeiten der sich durchkreuzenden abspan- nenden Wellen aufheben. $. 14. Wir machen in diesem $. einige Anwendung von den bisher gefundenen Geselzen auf die Blulbewegung in den Ar- terien, müssen jedoch das Meiste zur Vermeidung unnöthiger Wiederholungen noch verschieben. Durch die mit der Systole des linken Ventrikels Statt findende Austreibung des Blutes wird eine vom Herzen nach der Peripherie zu fortschreitende spannende Welle gebildet, an welche sich mit dem Schlusse der Aorlaklappen eine kleine abspannende Welle anschliesst; denn sowie nach vollendeter Austreibung des Blutes durch 168 Vorwärtsbewegen eines Stempels hinter der weiterschreiten- den Welle der früher ruhende Zustand der Röhre und Flüs- sigkeit zurückkehrt, so wäre dies auch in der Arlerie der Fall, wenn der Druck der gespannten Wandungen auf das ent- haltene Blut gegen das Herz zu im Gleichgewicht gehalten würde. Da aber mit der erfolgenden Diastole das Blut durch die gespannten Wandungen gegen das Herz zu getrieben wird, und sich das am freien Rande der Aortaklappen befindliche in die. Taschen dieser Klappen hereinsenkt, so entsteht in der Weise, wie.es für die Rückwärtsbewegung des Stempels $. 10. angegeben wurde, eine kleine abspannende Welle hinter der spannenden. Beide Wellen werden aber in derselben Rich- tung fortgepflanzt. Schliesst aber die Aortaklappe nicht, so dauert die Bil- dung dieser abspannenden Welle bis zum Anfange einer neuen Systole und es schliesst sich daher die jetzt mit der Austrei- bung des Blutes entstehende spannende Welie an die während der Diastole gebildete abspannende unmiltelbar an. Ein auf die Arterienwandungen ausgeübter Druck kann insofern mit einer Welle ohne Geschwindigkeit der enthalte- nen Flüssigkeit und mit blosser Spannung der Wandungen verglichen werden, als dadurch nach beiden Seiten hin sich fortpflanzende Wellen entstehen. Es unterscheidet sich dieser Vorgang aber von den für die Welle mit blosser Spannung 8. 2., 11. ete. angegebenen Gesetzen dadurch, dass jede der durch diesen Druck erzeugten Wellen nicht die Länge der Welle mit blosser Spannung, also hier die Länge der kom- primirten Stelle hat, sondern es hängt, wie wir später noch erfahren werden, die Länge dieser Wellen von der Dauer der durch Druck nach beiden Seiten hin Statt findenden Austrei- bung ab. Findet dieser Druck gerade vor einer Scheidewand Stalt, so gehen die Wellen auch hier, wie wir es $. 11. für die Welle mit blosser Spannung- und ohne Geschwindigkeit angegeben haben, nach einer Seite hin fort. In der letztge- nannten Weise wirkt der Druck, welchen die Exspiration auf 169 die innerhalb des Thorax gelegenen Arterien ausübt. Nach demselben für die abspannende Welle gültigen Gesetze wirkt die Inspiration auf die Bewegung des Blutes in den Arte- rien ein. Von der Fortpflanzungs- Geschwindigkeit der Wellen im elastischen Rohre. ’ $. 15. Da wir die folgenden Angaben über die Fortpflanzungs- Geschwindigkeit der Wellen im elastischen Rohre weder auf mathematischem Wege, noch durch genaue Experimente zu begründen im Stande waren, dieselben vielmehr auf blosser, bei oberflächlicher Betrachtung einleuchtender Analogie mit den für Wellen anderer Medien giltigen Gesetzen beruhen, so ist es leicht möglich, dass sie zum Theil unrichtig sind. Wer- den diese Annahmen einst durch bessere Untersuchungen eine Correetur erleiden, so stösst dies unsere weiteren, auf diesel- ben gegründeten Folgerungen nicht um, sondern wird -diese eben nur corrigiren, Der Gang der später folgenden Unter- suchungen erfordert aber nothwendig eine vorhergehende Kenntniss der Fortpflanzungs-Geschwindigkeit der Flüssig- keitswellen im elastischen Rohre, und wir mussten uns in Ermangelung bestimmter Gesetze mit unsicherer Annahme be- guügen, denn, wie gesagt, macht eine Correctur, welche die von uns angenommenen Gesetze über die Fortpflanzungs- Ge- schwindigkeit auf mathematischem oder glücklicherem experi- menlalem Wege erleiden könnten, die weiteren, auf nicht ganz richtiger Annalıme gegründeten Untersuchungen durchaus nicht unnütz, Wir schieken der Betrachtung über die Fortpflanzungs- Geschwindigkeit die Bemerkung voraus, dass wir die Strecke, welche die Welle im elastischen Rohre einnimmt, Länge der Welle, und die Zunahme, welche der Nüssige Inhalt und das 170 Lumen der Röhre auf der ganzen Strecke der Welle erfährt, das Volumen der Welle nennen. Sind in zwei Röhren von gleicher Weite und Spannung die Wellen an Länge verschieden, und sind z. B. in der dop- pelt so langen Welle die Spannungen gerade so-gross, wie auf der halb so langen Welle, indem ‚die doppelt so lange Welle durch Ausdehnung einer doppelt so langen Strecke ent- standen ist, welche in Summa doppelt so viel beträgt, als die Ausdehnung der einfachen Röhrenstrecke, so können wir die Welle von doppelter Länge als aus 2 hinter einander sich be- wegenden Wellen von einfacher Länge und gleicher Beschaf- fenheit zusammengesetzt betrachten. Diese beiden Wellen wer- den aber dieselbe Fortpflanzungs-Geschwindigkeit haben, als die einfache, nämlich in gleichen Zeiten gleiche Strecken zu- rücklegen, wie diese, und somit wird auch die Welle von doppelter Länge gleiche Fortpflanzungs- Geschwindigkeit ha- ben, wie die Welle von einfacher Länge, ein Gesetz, das ebenso für die Wellen der elastischen Saiten, sowie für die Luftwellen innerhalb einer festen Röhre gilt. Wir wissen, dass auf ein und derselben gespannten Saite Wellen von gleicher Länge, aber verschiedener Grösse der Ausbiegung sich mit gleicher Geschwindigkeit fortpflanzen, und wissen ferner, dass auch in der mit Luft erfüllten festen Röhre Wellen von verschiedener Dichtigkeit in gleichen Zei- ten gleiche Strecken zurücklegen. Ganz dasselbe Verhältniss, wie in der Welle der mit Luft erfüllten festen Röhre, haben wir ia der mit Flüssigkeit gefüllten elastischen Röhre, indem nämlich mit zunehmender Spannung in gleichem Verhältniss das Volumen der Welle und die Geschwindigkeit der Flüssig- keilstheilchen zunimmt. Wir nehmen daher auch für die Flüssigkeitswellen von gleicher Länge und verschiedener Span- nung im elaslischen Rohre z. B. aa und bb Fig. 29. gleiche Fortpflanzungs-Geschwindigkeit an. Wenn sich aber in Röhren von gleicher Weite und Span- nung Wellen von verschiedener Länge und gleicher Spannung, 171 sowie Wellen von gleicher Länge und verschiedener Spannung gleich schnell fortpflanzen, so müssen darin alle Wellen gleiche Fortpflanzungs-Geschwindigkeit haben, ein Gesetz, das ebenso für Saiten von gleicher Dicke und Spannung gilt. Um diesen Satz für die mit Flüssigkeit gefüllte elastische Röhre in der Natur nachzuweisen, unternahmen wir Experi- mente, die jedoch zu keinem sicheren Resultate führten. Ein wichtiges Hinderniss bei Messung der Fortpflanzungs-Geschwin- digkeit ist der Umstand, dass eich beim Hin- und Hergehen einer Welle im elastischen Rohre die Weite und Spannung der Röhre je nach der Beschaflenheit der Welle auf verschie- dene Weise abändert, was, wie wir noch sehen werden, Ver- änderung der Fortpflanzungs- Geschwindigkeit bedingen kann, dass ferner die Fortpflanzungs- Geschwindigkeit der Welle sehr gross ist, und dieselbe dabei nicht oft genug, nämlich etwa 5 bis 6 Mal, hin- und hergeht, und in einer 6 Fuss langen Kautschukröhre nach etwa 5 bis 6 Sekunden, noch schneller aber in einer kürzeren Röhre verschwindet. Unsere Meihode, die wir zur Messung der Fortpflanzungs- Geschwindigkeit anwendeten, war folgende : Wir erregten in der $. 13. beschriebenen, 6° langen, in der Mitte mit einer Glasröhre versehenen, mit einer durch Berlinerblau getrübten Flüssigkeit erfüllten Kautschukröhre eine Welle, und suchten ein stellbares Pendel so zu richten, dass sich dasselbe mit gleicher Geschwindigkeit hin- und her- bewegte, wie die Flüssigkeitstheilchen in der Glasröhre. Die gleichzeitige Beobachtung der Bewegungen des Pendels und der Flüssigkeitstheilchen in der Glasröhre ist aber so schwie- rig, dass wir nicht im Stande waren, das Pendel zu richten. Es schienen uns jedoch, abgesehen von der ersten, bei Aus- treibung der Flüssigkeit veranlassten Bewegung die folgenden Schwingungen, bei denen die Flüssigkeitstheilchen allmählig kleinere Bahnen langsamer zurücklegten, in gleichen Zwischen- räumen auf einander zu folgen. Nun wissen wir aber, dass diese sichtbaren Bewegungen 172 der Flüssigkeitstheilchen in der Glasröhre anfangs Wellen mit grösseren Spannungen und Geschwindigkeiten, als die der folgenden waren, angehörten, und es mussten nach unserer obigen Annahme alle diese verschiedenen Wellen die Röhre in gleichen Zeiten durchlaufen, denn die nach einmaligem Durchlaufen der Röhre noch weiters erfolgenden Abänderun- gen der Spannung und Weite der Röhre sind zu unbedeutend; um einen sehr merklichen Einfluss auf die Fortpflanzungs-Ge- schwindigkeit haben zu können, Unsere Beobachtung, welche indess, wie gesagt, nicht genau genug war, entsprach also un- gefähr der obigen Annahme, nach welcher Wellen von ver- schiedener Spannung und verschiedenem Volumen gleiche Fort- pflanzungs - Geschwindigkeit haben. Ein folgender Versuch bestand darin, mittelst des Pendels und des blossen Taktgefühls zu messen, ob die Flüssigkeits- theilchen in der Glasröhre in derselben Zeit, abgesehen von der ersten Bewegung, gleich oft hin- und hergehen, wenn wir dieselbe Menge Flüssigkeit einmal schneller und das andere Mal langsamer austrieben. Es muss nämlich bei schnellerer Austreibung desselben Quantums Flüssigkeit eine kürzere Welle mit grössern Spannungen und Geschwindigkeiten, aber von gleichem Volumen, wie bei langsamer Austreibung enislehen, beide Wellen aber nach unserer obigen Annahme in gleichen Zeiten gleiche Strecken zurücklegen. Es war auch in der That die Geschwindigkeit der Flüssigkeitstheilchen in der Glasröhre bei schneller Austreibung grösser, und die Welle ging öfter in der Röhre hin und her, als bei langsamer Aus- lreibung, aber die Zahl der Schwingungen schien uns bei jeder Austreibungs- Geschwindigkeit, abgesehen von der ersten Be- wegung, in gleichen Zeiten gleich gross. Wir mussten bei diesem Versuche von der ersten Bewegung absirahiren, weil, wenn die Austreibung nicht sehr rasch geschieht, das durch Austreibung entstehende Weilenende dem refleklirten bereits in der Glasröhre begegnet, die erste Bewegung also länger dauert, als die Welle Zeit braucht, um die eine Röhrenhälfte 173 hin- und zurückzulaufen, während die folgenden Schwingun gen slets Ausdrücke der Zeit sind, in welcher die Welle eine Röhrenhälfte bin- und zurückläuft. Nach Angabe dieser beiden ungenauen Versuche wenden wir uns zur weitern theorelischen Betrachtung der Fortpflan- zungs-Geschwindigkeit. Haben wir zwei Röhren, deren Lumen verschieden ist, so dass das Lumen der einen doppelt so viel Kubikinhalt hat, als das Lumen der andern, deren Wandungen aber gleiche Dehnbarkeit und gleich grosse Spannung besitzen, so ist die Oberfläche der engen Röhre für gleiche Strecken grösser im Verhältniss zur Menge der enthaltenen Flüssigkeit, als die die Flüssigkeitumgebende Oberfläche der weiten Röhre. Denken wir uns nun in jeder dieser Röhren eine Welle, deren Län- gen einander gleich sind, deren Volumen aber in der Art ver- schieden ist, dass das Volumen der Welle in der halb so weiten Röhre die Hälfte von dem Volumen der Welle in der Röhre mit ganzer Weite beträgt, und denken wir uns ferner beide Röhren aus gleich beschaffenen elastischen Fäden con- stituirt, so sind diese Fäden in jeder dieser Wellen gleich stark gespannt. Da aber in der engen Röhre die Menge des zu be- wegenden Inhalts im Verhältnisse zur Oberfläche und Masse der die Bewegung veranlassenden elastischen Wandung gerin- ger ist, als in der weiten Röhre, so wird die Fortpflanzungs- Geschwindigkeit in der engen, mit Flüssigkeit gefüllten Röhre grösser sein. In der engen Röhre werden sich wieder, wie in der weiten, alle Wellen mit gleicher Geschwindigkeit fort- pflanzen, also auch um gleichviel schneller, als alle Wellen der weiten Röhre. Es wird also auch eine Welle der engen Röhre, welche gleiche Länge hat, wie eine Welle der weiten Röhre, und durch dieselbe Zunahme des Inhalts gebildet wurde, wie diese, sich schneller fortpflanzen, als diese, und es werden in dieser Welle der engen Röhre Spannungen und Geschwin- digkeiten grösser sein, als in jener der weiten. — Haben wir 2 Röhren von gleicher Dehnbarkeit, aber verschiedener Span- 174 nung, wobei in der bloss der Länge nach dehnbaren Röhre die Weite beider Röhren gleich sein kann, so ist schon in der leeren Röhre nach Analogie gespannter Saiten die _Fort- pflanzungs- Geschwindigkeit der Wellen der gespannteren Röhre grösser. Haben wir nun in der mit Flüssigkeit gefüllten Röhre 2 Wellen von gleicher Länge und gleichem Volumen, so: wird in der stärker gespannten Röhre, in welcher die durch die Welle der Wandungen zu bewegende Flüssigkeitsmenge die- selbe ist, wie in der schwächer gespannten Röhre, gleichfalls die Fortpflanzungs-Geschwindigkeit grösser sein. Es haben wieder alle Wellen der stärker gespannten Röhre unter ein- ander gleiche Fortpflanzungs- Geschwindigkeit, und somit grös- sere, als alle Wellen der schwächer gespannten Röhre, deren Dehnbarkeit und Lumen dieselben sind, wie die der schwä- cher gespannten Röhre. Es gilt also sehr wahrscheinlich für die elastische, durch Anfüllung mit Flüssigkeit gespannte Röhre das Gesetz, dass sich in der Röhre, deren Weite und Elastieitätsmodulus gleich bleibt, alle Wellen mit gleicher Geschwindigkeit fortpflanzen, dass aber die Fortpflanzungs- Geschwindigkeit in der engern und gespannteren Röhre grösser ist, als in der weiteren oder in der minder gespannten Röhre. Wir können also, wenn wir unsere obigen Ansichten über die Fortpflanzungs - Geschwindigkeit zusammenfassen, sagen; dass sich dieselbe im Allgemeinen nach dem Verhältniss des elastischen oder bewegenden Materials zur Menge der fortzu- bewegenden Flüssigkeit richtet. Die Fortpflanzungs -Geschwin- digkeit ist für Wellen von jeder Länge und jedem Volumen in ein und derselben Röhre gleich, weil mit der grössern Länge der Welle und grössern Oberfläche der die Welle ein- schliessenden elastischen Röhre in gleichem Verhältnisse die Menge der fortzubewegenden Flüssigkeit zunimmt, und in der Welle von gleicher Länge, aber grösserem Volumen die Menge der Flüssigkeit gleichfalls im Verhältniss zur grössern Span- nung zunimmt, die Fortpflanzungs - Geschwindigkeit ist ferner 175 in der engeren Röhre grösser, weil die Menge des elastischen Materials im Verhältnisse zur Menge der fortzubewegenden Flüssigkeit grösser ist, und es ist dieselbe endlich in der ge- spannteren Röhre grösser, weil die Elastieität im Verhältniss zur Menge der in der Welle enthaltenen Flüssigkeit grösser ist. In der Luft pflanzen sich Wellen der dichten und der dünnen Luft mit gleicher Geschwindigkeit fort, weil in der diehteren Luft mit dem Steigen der Elastieität auch die Masse der Luft vermehrt wird. Wenn aber die Menge der in einem Raume eingeschlossenen Luft gleich bleibt, jedoch in einem Falle durch Erwärmung die Elastieität gesteigert wird, so muss sich jetzt auch die Luftwelle schneller fortpflanzen, weil die zu bewegende Menge gleich geblieben, aber die Elastieität erhöht worden ist, ein Verhällniss, wie wir es in Röhren von gleicher Weite, aber verschiedener Spannung haben, während wir das Verhältniss zwischen Elastieität und fortzubewegen- der Masse bei der dichteren Luft mit einer Röhre vergleichen können, welche gleichzeitig weiter und gespannter ist, so dass die-Fortpflanzungs- Geschwindigkeit dieselbe sein kann, wie in einer engern und minder gespannten Röhre. + Es lässt sich zweifelsohne für die Fortpflanzungs-Geschwin- digkeit der Wellen im elastischen Rohre eine mathematische Formel finden, deren Aufsuchung ich jedoch aus Unbekannt- schaft mit der Mathematik andern überlassen muss. Wenden wir diese Betrachtungsweise auf die abspannende und einbiegende Welle an, so kommen wir zu demselben Re- sultate, wie bei der spannenden und ausbiegenden. Von dem Einflusse des Elastieitätsmodulus oder der Aus- dehnbarkeit der Röhre, welche unter gleicher Spannung ver- schieden sein kann, auf die Fortpflanzungs-Geschwindigkeit der Welle, werden wir später sprechen. 176 Verhältniss der Wellenlänge zur Dauer der Aus- treibung der Flüssigkeit. $. 16. Wenn sich in einem und demselben Rohre alle Wellen mit gleicher Geschwindigkeit fortpflanzen, so müssen Wellen von gleicher Länge und verschiedenem Volumen ihre eigene Länge in gleichen Zeiten zurücklegen, hingegen werden län- gere Wellen im Verhältniss zu ihrer grösseren Länge mehr Zeit und kürzere im Verhältniss zu ihrer geringeren Länge weniger Zeit brauchen, um ihre eigene Länge zurückzulegen. Nach der $. 10. gegebenen Darstellung brauchen alle Wellen eben so viel Zeit, um ihre eigene Länge zurückzulegen,. als die Eintreibung des Blutes in die elastische Röhre Zeit zur Bildung dieser Welle erfordert. Da also die Dauer der Ein- treibung des Blutes in die elastische Röhre und die Zeit, welche die Welle zum Zurücklegen ihrer eigenen. Länge braucht, einander gleich sind, so wird auch jene, nämlich ‘die Dauer der Eintreibung, in demselben Verhältnisse zur Länge der Welle stehen, wie wir es für die Zeit, in welcher"die Welle ihre eigene Länge zurücklegt, angegeben haben, das heisst: es wird die Dauer dieser Eintreibung um so grösger gewesen sein, je länger, und um so kleiner, je kürzer die Welle ist, mag nun das Volumen dieser Wellen oder die Menge des ausgetriebenen Blutes gleich oder verschieden sein. Da dies Gesetz für die Beschaffenheit des Pulses von Wichtigkeit ist, so gehen wir hierbei ins Einzelne. Wir neh- men an, das Blut werde in 2 Fällen in gleichen Zeiten aus- getrieben, aber in verschiedener Menge, und zwar werde in einem Falle die einfache, im andern die doppelte Menge Blu- tes ausgetrieben.. Wir theilen für beide Fälle die Dauer der Austreibung in 6 gleich grosse Zeitmomente. Es werde nun bei Austreibung der einfachen Blutmenge im ersten Momente 4, im zweilen 2, im dritten 3, im vierten 3, im fünften 2, im 177 sechsten 1 Blgukriläign ausgetrieben, und es werde in jedem Momente eine Streeke der Röhre ausgedehnt, welche 5 solche Bluttheilchen enthält, so erhalten wir in der $. 1kangegebe- nen Weise die in Fig. 30. bezeichnele Welle ag. Die Zahl, welche wir über jedes Sechstel von der Strecke, welche die Welle einnimmt, setzten, bezeichnet, um wieviel seines Lumens sich ein solches Sechstel verlängert hat, und somit zugleich die Grösse der Spannungen und Geschwindigkeiten. In zwei- ten Falle, wo zuerst 2, dann 4, dann 6, dann 6, dann 4, dann 2 Bluttheilchen ausgelrieben werden, erhalten wir aber die Fig. 31. dargestellte Welle, welche gleiche Länge hat, wie die von Fig. 30. Es hat aber im+ zweiten Falle das Lumen derselben Strecke doppelt so viel Erweiterung erfahren als im ersten Falle; somit’ haben" wir auch im zweiten Falle grössere Spannung und grössere Geschwindigkeiten der enthaltenen Flüssigkeit. Wird nun in einem‘dritten Falle das Blut in der halben Zeit, aber in derselben Menge ausgelrieben, wie wir es im’ ersten Fälle zu Fig. 30. angegeben haben, werden also im ersten Momente 3, im zweiten 6, im dritten 3 Bluttheilchen ausgetrieben, so erhalten wir die Welle ad Fig: 32. Diese Welle ist also halb so lang, als die Wellen Fig. 30. und 31., die Erweiterung, welche das Lumen der Röhre dabei erfuhr, ist für diese halbe Strecke gerade ‘so gross, wie in Fig. 30. für die ganze Strecke, und halb so gross, als die Erweiterung der ganzen Strecke in Fig. 31. "Demnach sind die Spannun- gen und Geschwindigkeiten auf dieser halben Strecke gerade so gross, wie in der ganzen Fig. 31., und demnach ebensoviel grösser, als auf der ganzen Strecke Fig. 30. ag In der engen Röhre ist nach $. 15. die Fortpflanzungs- Geschwindigkeit grösser, als in der weiten; demnach sind die Wellen, welche ihre eigene Länge in gleichen Zeiten zurück- legen, bei.deren Bildung also die Dauer der Flüssigkeits-Ein- treibung gleich war, in der engen Röhre länger, als in der weiten Röhre. Da auch in der gespannteren Röhre die Fortpflanzungs- Müllers Archir. 1615. 12 178 Geschwindigkeit grösser ist, als in der minder gespannten, aber gleich weiten, & so müssen auch hier Wellen, welche ihre eigene Länge mit gleicher Geschwindigkeit zurücklegen, ver- schiedene Länge haben, und zwar muss die Welle in der ge- spännteren Röhre länger sein.. Ebenso muss bei gleicher Dauer der Pintgeibung die Welle in der gespannteren Röhre länger sein, als in der minder gespannten. \ Wir. haben MieBer von der verschiedenen Spannung und der verschiedenen Weite des elastischen Rohres gesprochen, es bleibt uns noch der verschiedene Elaslicilätsmodulus übrig. Die verschiedenen elastischen Röhren machen einen Ueber- gang zur gar nicht ausdehnbaren oder starren Röhre, indem ihre Ausdehnbarkeit eine verschiedene ist. Es wird nämlich eine elastische Saite z. B. durch ein und dasselbe angehängte Gewicht um ein grösseres Stück verlängert, als eine andere, und ebeuso verhält es sich mit der Ausdehnbarkeit der ela- stischen, Arterienwand. _Während nun im starren Rohre die Eintreibung von Flüssigkeit am meisten Kraft erfordert, aber dadurch auch die längste Strecke bewegt wird, so wird der Analogie nach die Eintreibung derselben Menge Flüssigkeit in gleichen Zeiten in das gleich weite, gleich stark gespannte, aber schwieriger dehnbare elastische Rohr eine längere Welle erzeugen, als in dem leichter dehnbaren Rohre. Gilt nun auch hier das bisher über die Fortpflanzungs- Geschwindigkeit: Ge- sagte, so wird wieder das leichter dehnbare Rohr für seine Wellen geringere Fortpflanzungs- Geschwindigkeit haben, als das schwieriger dehnbare, indem bei gleichen Austreibungs- Zeiten und gleicher Menge der ausgetriebenen Flüssigkeit die Welle im schwieriger dehnbaren Rohre länger ist. 179 Von dem Einflusse, welchen eine Abänderung des Rohres in Bezug auf seine Weite, seine Spannung, seine Ausdehnbarkeit und endlich durch Theilung auf die Welle hat, welehe aus einem frühern Röh- renslücke in ein der Art abgeändertes übergeht. $. 17. Abgesehen von Einflüssen, die wir als Reibung bezeichnen können und ‚von denen noch später die Rede sein wird, pflanzt sich in der elastischen Röhre, deren Lumen, Spannung und Dehnbarkeit überall einander gleich sind, die Welle ohne eränderung ihres Volumens, ihrer Länge, der Grösse ihrer Spannungen und Geschwindigkeiten fort. Die Ursache, dass die Welle in einem solchen Rohre bei fehlender Reibung un- gehindert weiter ginge, ist darin zu suchen, dass an jedem Punkte, wo die Welle ankommt, dieselbe Kraft, welche auf Bildung der Welle durch Eintreibung von Flüssigkeit in die elastische Röhre verwendet wurde, wieder einwirkt, und dass bei gleich gebliebenem Objekte dieser Kraft, auch die Wirkung derselben ‚dieselbe bleiben muss. Aendert sich aber das elastische Rohr‘ in der Art ab, dass die Eintreibung der- selben Flüssigkeilsmenge jetzt mehr oder weniger Kraft erfor- dert, so wird an dem Punkte des Uebergangs der früheren Röhre" in diese anders beschaffene, auch die weiter gehende Welle abgeändert werden. Erfordert z. B. die Bildung der- selben Welle in der folgenden Röhrenstrecke mehr Kraft, als in der früheren, so wird bei der Ankunft der Welle die Wir- kung derselben Kraft, welche die Flüssigkeit in die frühere Röhre trieb, nur“den Uebergang einer kleineren Menge von Flüssigkeit in das folgende Röhrenstück zur Folge haben. Es wird also ein Theil der angekommenen Welle vor dem neuen Medium zurückbleiben, und zwar wie beim Uebergange der Welle der Luft aus dünnerer in dichtere Luft refektirt wer- den, d. h. sich von der Stelle der Umänderung der Röhre 42% 150 entfernen, also sich mit einer der früheren entgegengesetzien Richtung bewegen. Aendert sich aber die Röhre in der Art, dass die Eintreibung derselben Flüssigkeilsmenge in einer fol- genden Röhrenstrecke weniger Kraft erfordert, als in einer früheren, so geht beim Uebergange der Welle in die so be- schaffene Röhre eine Welle von grösserem Volumen über, und es wird analog dem Uebergange der Welle aus dichte- rer in dünnere Luft eine abspannende oder einbiegende Welle reflektirt. Da die Welle in einer Röhre, welche gleiche Weite, ur- sprünglieh gleiche Dehnbarkeit, aber grössere Spannung be- sitzt, als eine zweite Röhre nach $. 16. grössere Fortpflan- . zungs - Geschwindigkeit hat, als die Welle, welche in den zweilen minder gespannten Rohre dureli Austreibung derselben Flüssigkeitsmenge in derselben Zeit gebildet wurde, so muss auch die Ursache dieser beträchtlicheren Wirkung, nämlich die Eintreibung, dieser Flüssigkeit in die gespanntere Röhre eine grössere Kraft erfordern, als die Eintreibung in die min- der gespannte Röhre. Wir nehmen nun an, das Lumen der Röhre bleibe sich gleich, aber die Wandung derselben sei von einem gewissen Punkte an stärker gespannt, was z. B. bei der bloss der Länge nach dehnbaren Röhre denkbar ist, und es komme nun eine Welle an dieser Stelle an, ehe diese stär- kere Spannung ohne Geschwindigkeit der enthaltenen Flüssig- keit: Zeit hat, sich nach $. 11. in 2 Wellen zu zerlegen. Hier wird nun bei dem Uebergange der Welle aus der minder ge- spannten in die slärker gespannte Röhre Reflex einer abspan- nenden Welle Statt finden und eine kleinere Welle in der slärker gespannten Röhre weiter gehen, als vor derselben an- gekommen ist. Umgekehrt wird beim Uebergange der Welle aus einer slärker gespannten in eine minder gespannte Röhre Reflex einer abspannenden oder einbiegenden Welle Stalt fin- den, und eine grössere Welle in der minder gespannten Röhre weiter gehen, als vor derselben angekommen ist. Wenn in ein Rohr, dessen Lumen bei gleicher Dehnbar- 181 keit und Spannung nur halb so gross ist, als das Lumen eines zweilen Rohrs, in derselben Zeit halb so viel Flüssigkeit ein- getrieben wird, als in das weite Rohr, so pflanzt sich die kleinere Welle des engen Rohrs schneller fort, als die grosse Welle des weiten Rohrs. Da nun auch hierbei wieder die Wirkung im engen Rohre im Verhältniss zur Menge der ein- gelriebenen Flüssigkeit grösser ist, als die Wirkung im weiten Rohre, so setzt die Bildung der kleinen Welle im engen Rohre eine im Verhältniss zum Volumen der Welle grössere Kraft voraus, als die Bildung der grossen Welle im weiten Rohre. Denken wir uns daher die halbe Menge der Flüssigkeit, welche in ein weites Rohr getrieben wurde, in je zwei Röhren, de- ren Lumen halb so gross ist, als das Lumen des weiten Rohrs, deren Lumina zusammen aber gerade so gross sind, als das Lumen des weiten Rohrs, in gleichen Zeiten eingelrieben, so ist die Summe der Kräfte, welche zur Eintreibung der Flüs- sigkeiten in die beiden engen Röhren erforderlich war, abso- - lute grösser, als die Kraft, welche die Eintreibung der Flüs- sigkeit in die weite Röhre erfordert. Wird aber endlich die ganze Flüssigkeitsmenge, welche vorher auf die beiden engen Röhren vertheilt war, also gerade so viel Flüssigkeit, als in die weile Röhre eingetrieben wurde, in derselben Zeit in eine dieser engen Röhren eingetrieben, so erhalten wir jetzt in dieser engen Röhre dieselbe Strecke erweitert, wie vorher, wo die halbe Flüssigkeitsmenge in eine Röhre von solchem Lumen eingetrieben wurde, aber diese Strecke wird jetzt dop- pelt so stark in ihrem Lumen erweilert oder ausgedehnt, als „vorher, Würden nun die Röhrenwandungen bei grösserer Ausdehnung oder Spannung nicht schwieriger ausdehnbar, so würde die Eintreibung der ganzen Flüssigkeitsmenge in eine Röhre nicht mehr Kraft erfordern, als die Vertheilung dieser Flüssigkeitsmenge auf zwei solche Röhren. Da aber die Aus- dehnbarkeit der Wandungen mit der Ausdehnung abnimmt, so ist es leichter x.a Wandung um die Grösse b auszudeh- nen, als x Wandung um die Grösse b.a, und somit erfordert 182 denn auch die Ausdehnung derselben Röhrenstrecke um das Doppelte mehr als doppelt so viel Kraft, wie die Ausdehnung derselben um das Einfache, daher endlich auch die Eintrei- bung einer Flüssigkeitsmenge in eine Röhre mehr Kraft, als die Summe der Kräfte beträgt, welche nölhig waren, um in je zwei Röhren halb so viel Flüssigkeit in derselben Zeit ein- zulreiben. Demnach erfordert also die Eintreibung der Flüssigkeit in die weile Röhre am wenigsten Kraft, grösser ist schon die Summe der Kräfte, welche nöthig sind, um die halbe Flüssig- keitsmenge in je zwei Röhren von der halben Weite des Lu- men einzulreiben, aber noch grösser die Kraft, welche nölhig ist, um die ganze Flüssigkeitsmenge in eine dieser engen Röh- ren einzutreiben. Haben wir nun eine überall gleich dehn- bare und gleichmässig gespannte Röhre, welche eine Strecke weit grössere Weite besilzt, und dann an einem gewissen Punkte plötzlich enger wird, so wird beim Uebergange‘ der spannenden und ausbiegenden Welle aus der weiteren in die engere Strecke eine Welle von kleinerem Volumen weiter gehen, und ein Theil der angekommenen Welle reflektirt wer- den. Die in dem engeren Rohre weiter gehende Welle wird länger sein, als dieselbe im weiteren Rohre war, weil bei gleicher Dauer der Eintreibung die Welle im engeren Rohre länger ist, als im weiten. Die refleklirte Welle wird aber gleiche Länge haben, wie die angekommene, weil in jedem Momente des Uebergangs ein Theil der Welle weiter geht und ein anderer reflektirt wird. Im engen Rohre sind aber die Spannungen und Geschwindigkeiten grösser, als im wei- ten, weil diese Welle von kleinerem Volumen Wirkung der- selben Kraft ist, wie die voluminösere im weiten Rohre. Umgekehrt verhält es sich beim Uebergange der Welle aus einer engen in eine weite Röhre. Es wird hier eine grössere Welle weiter gehen, und eine abspannende oder ein- biegende Welle reflektirt werden. Die reflektirte Welle ist auch hier der angekommenen an Länge gleich, die weiter ge- 183 hende ist kürzer, als die angekommene, die Spannungen und Geschweindigkeiten ‚derselben aber um so viel geringer, als ihr «Volumen grösser ist, als Idas Volumen der angekomme- nen Welle. B Haben wir es aber.mit einem Rohre zu thun, das eine Strecke weit einfach verläuft, dann aber sich in 2 Aeste theilt, so dass die Summe der Lumina dieser Aeste gerade so gross ist, als das Lumen des Stammes, und die Spannung und Dehn- barkeit des Stammes in den Aeslen dieselben bleiben, so er- leidet die Welle beim Uebergange aus dem Stamme in diese Aeste eine Verkleinerung durch Reflex eines Theils derselben, weil, wie oben angegeben, zum Eintreiben von Flüssigkeit in ein es Rohr weniger Kraft ‚erforderlich ist, als die Summe der Kräfte beträgt, welche nöthig sind, um in derselben Zeit die halbe Flässigkeilsmenge in jedes von zwei Röhren mit halb so grossem Lumen einzutreiben. Je grösser aber die An- zahl der Zweige ist, in welche sich die Röhre theilt und de- ren Summe der Lumina dem Lumen des Stammes gleich ist, w mehr Beeinträchtigung erfährt das Volumen der aus iesem Stamme in die Zweige übergehenden Welle, und desto grösser ist das Volumen der reflektirten Welle. Die Länge der Wellen in den Zweigen ist im Verhältniss zur grössern Fortpflan- zungs- Geschwindigkeit grösser, als die Länge der Wellen im Stamme war. Die Länge der Welle muss im engsten dieser Zweige am grössten, im weitesten am kleinsten sein. Wenn die Länge jeder Welle im Zweige dieselbe wäre, wie die Länge der Welle im Stamme, so wäre die Erweiterung des Lumen für diese Strecke im Zweige im Verhältniss zur frü- hern Weite des Lumen kleiner, als sie im Stamme war, weil eine kleinere Welle in die Zweige übergegangen ist, mithin auch die Ausdehnung, welcher irgend ein Punkt der Röhre des Zweigs beim Durchgange der Welle erfährt, kleiner, als die Ausdehnung eines Punktes des Stammes beim Durchgange der Welle. Da aber die Welle in den Zweigen länger ist, so ist die Ausdelinung, welche irgend ein Punkt der engen 184 Röhre beim Durchgang der betreffenden Welle erfährt, auch vermöge dieser grössern Länge der Welle kleiner, als die Aus- dehnung eines Punktes der weiten Röhre. F - Da der Uebergang derselben Welle in eine weite Röhre leichter ist, als in eine enge, so wird auch beim Uebergang der Welle in. die Zweige eine um so_ kleinere Welle reflektirt werden, je grösser bei gleicher Anzahl der Zweige die Summe der Lumina dieser Zweige ist, denn. mit. der grössern Summe der Lumina dieser Zweige wird jeder einzelne Zweig im Ver- hältniss der Grösse der aufzunehmenden Welle weiter, als im vorhergehenden Falle. Da ferner, wie wir oben ‚angegeben haben, die Geschwindigkeiten und Spannungen grösser sind, wenn die Welle aus einer weiten in eine enge Röhre über- geht, so werden auch die Geschwindigkeiten und Spannungen kleiner sein in den Zweigen, deren Summe der Lumina grös- ser ist. Ebenso verhält sich der Grad der Ausdehnung, den ein Punkt dieser Zweige beim Durchgange seiner Welle erfährt. Der Uebergang in die Aeste ist ferner um so leichter, je mehr ich der vorhergehenden Anzahl von Aesten neue hinzu- füge, wenn das Lumen der vorhergehenden Anzahl dasselbe bleibt. Dagegen wird die Welle dann in einen einfachen, aber engen Ast leichter eindringen, als in viele kleine, deren Summe der Lumina grösser ist, als jener einzige enge, wenn nämlich die Masse der Wände durch die Theilung so angewachsen ist, dass die geringere Anzahl von elastischen Fäden des engen Rohrs durch dasselbe Volumen Flüssigkeit stärker zu spannen, eine geringere Kraft erforderlich ist, als zur geringern Span- nung der grössern Anzahl elastischer Fäden, welche die vielen Aeste conslituiren, deren Summe der Lumina grösser ist, als das Lumen jenes einzigen Asles. Haben wir ein Arterienrohr, das zunächst aus einem leich- ter dehnbaren, und dann aus einem schwieriger dehnbaren Stücke besteht, welche aber beide gleich weit sind und unter gleichem Drucke der enthaltenen Flüssigkeit stehen, so wird vor dem schwieriger dehnbaren ein Theil der aukommenden 185 Welle reflektirt werden, und nur ein Theil derselben weiter gehen. Im schwieriger dehnbaren Rolıre ist die Welle länger, als die angekommene, die reflektirte letzterer an Länge gleich. Geht aber umgekehrt die Welle aus dem schwieriger dehnba- ren Rohre in das leichter dehnbare über, so wird eine grös- sere Welle in das leichter dehnbare Rohr übergehen, und vor demselben eine abspannende und einbiegende Welle reflektirt werden, denn durch die Kraft, welche die Welle im schwie- riger dehnbaren Rohre besitzt, wird jetzt im leichter dehnba- ren Rohre eine grössere Erweiterung bewirkt werden, und mithin mehr Flüssigkeit in dasselbe übergehen, als dem Volu- men der Welle im schwieriger dehnbaren Rohre angehörte. Wir haben uns bisher bloss mit dem Verhalten der span- nenden und ausbiegenden Welle beim Uebergange in ein an- ders beschaflenes Röhrenstück beschäftigt. Es bleibt uns noch zu besprechen übrig, wie sich die abspannende Welle bei die- sem Vorgange verhält. Die abspannende Welle verhält sich beim Uebergange aus einer weiteren in eine engere Röhre, ferner beim Uebergange in Aeste aus dem Stamme, endlich aus einem leichter dehn- baren in ein schwieriger dehnbares Stück gerade so, wie. die spannende Welle, das heisst, es wird ein Theil der abspan- nenden Welle reflektirt, und es geht eine kleinere abspannende Welle weiter; dagegen wird im umgekehrten Falle eine span- nende oder ausbiegende Welle reflektirt, und es geht eine grös- sere abspannende oder einbiegende Welle weiter. © Anders verhält sich aber die abspannende Welle beim Uebergange aus dem minder gespannten in das stärker ge- spannle Röhrenstück, so wie beim entgegengesetzten Falle. Da nämlich die Röhre von stärkerer Spannung schon an sich grössere Tendenz hat, die enthaltene Flüssigkeit bei z. B. am Ende der Röhre aufgehobenem Widerstande auszulreiben, also eine abspannende Welle zu bilden, somit die Bildung ei- ner abspannenden Welle durch Herausziehen von Flüssigkeit um so weniger Kraft erfordert, je gespannter die Röhre ist, 186 so wird auch beim Uebergange einer abspannenden Welle in ein Röhrenstück von slärkerer Spannung Uebergang einer grössern abspannenden Welle und Reflex einer spannenden Statt finden, und beim Uebergange einer abspannenden Welle in eine minder gespannte Röhre eine kleinere Welle weiter gehen und eine abspannende reflektirt werden. a Von dem allmähligen Verschwinden der Welle in der mit Flüssigkeit gefüllten elastischen Röhre. $. 18. Die Welle der elastischen Saite wird bei ihrem Fortgange mit Beibehaltung ihrer Länge stets niederer, bis sie endlich nach einiger Zeit völlig verschwindet. Dasselbe wird daher auch für die Welle der elastischen Röhre gelten, wenn die- selbe leer und nach Art der Saiten an beiden Enden aufge- spannt ist. Die Welle der mit Flüssigkeit gefüllten Röhre hat aber noch eine weitere Bedingung der allmähligen Ab- nahme des Volumen, nämlich die Reibung der bewegten Flüs- sigkeit an den Wandungen der Röhre oder die der Reibung an Wirkung gleichzustellende Adhäsion des Blutes an den Ar- terienwandungen. !) Durch die Reibung und den Widerstand der Adhäsion, welchen die bewegte Flüssigkeit erfährt, welche in der sich fortpflanzenden Welle enthalten ist, werden allmählig in der Welle die Geschwindigkeiten dieser Flüssigkeit und somit 1) Die Physiologen nehmen allgemein die Wirkung der Reibung oder Adhäsion des Blutes an den Arterienwandungen — 0 an. Die- ser Annahme widerspricht aber die Erfahrung, über das allmählige Verschwinden der Welle in den Arterien, von dem wir noch sprechen werden, ferner das baldige Verschwinden der Welle in der ähnlich beschaffenen Kautschukröhre, Erscheinungen, an denen die Reibung, so wie die Adhäsion der Flüssigkeit an den Wandungen den bedeu- tendsten Antheil haben muss. 187 auch die den Geschwindigkeiten an Grösse gleichen Spannun- gen der Röhre geringer. Verlängert sich dabei die Welle nicht in demselben Ver- hältnisse, als die Geschwindigkeit der Flüssigkeitstheilchen ab- nimmt, so muss sie nothwendig durch diese Verminderung der Spannungen und Geschwindigkeiten an Volumen verlieren, und somit einen Theil ihres Inhaltes auf der durchlaufenen Strecke zurücklassen, und dadurch Zunahme des Inhalts und Erhöhung der Spannung bedingen. Dass mit dieser Abnahme der Geschwindigkeiten und Spannungen die Welle ihre Länge nicht in dem Verhältnisse vermehrt, dass das Volumen gleich bleibt, geht aus unserem schon öfters erwähnten Versuche hervor, bei welchem wir durch die Glasröhre hindurch die geringere Geschwindigkeit der Flüssigkeitstheilchen beobachten konnten, und bemerkten, dass die Dauer dieser langsameren Bewegung noch dieselbe war, wie die der früheren schnelle- ren. Bei dieser Abnahme der Geschwindigkeiten und gleichen Dauer des Vorüberganges kann aber die Welle ihr Volumen nieht beibehalten haben; denn da sich bei Erhaltung des Wellen- Volumens die Fortpflanzungs-Geschwindigkeit in der Röhre nicht ändern kann, so müsste jetzt der Vorübergang der Welle, welche bei Abnahme der Geschwindigkeiten ihr Volu- men beibehalten hätte, wegen beträchtlicher Zunahme der Länge viel länger dauern, als vorher. Wir schliessen also aus der Beobachtung, dass die Welle mit Abnahme ihrer Geschwin- ‚digkeiten dieselbe Dauer des Vorübergangs zeigt, auf Abnahme des Wellenvolamens beim Hin- und Hergehen in der Röhre. — Ferner lehren die Beobachtungen an den Arterien, dass der Vorübergang der Welle in entfernten Arterien - Zweigen eben so lange dauert, als in den dem Herzen näher gelegenen Stämmen. Wir werden aber später es als sehr wahrschein- lich begründen, dass die Fortpfllanzungs-Geschwindigkeit in den Zweigen dieselbe ist, wie in den Stämmen. Aus diesen beiden Umständen, nämlich gleicher Dauer des Vorübergangs der Wellen in enlfernten Zweigen, wie in dem Herzen nahe 188 gelegenen Stämmen, ferner aus der für diese verschiedenen Röhren gleichen Fortpflanzungs - Geschwindigkeit folgt, dass die Welle auf ihrem Wege aus den Stämmen in die Zweige ihre Länge beibehält. Nun geht aber aus den Experimenten von Spengler ]. c. hervor, dass die durch den Vorübergang spannender Wellen erzeugte Zu- und Wiederabnahme der Spannung, ferner die beim Vorübergange abspannender Wellen eintretende Ab- und Wiederzunahme der Spannung in den Erregungspunkten der Wellen näher gelegenen Arterien grös- ser ist, als in entfernten Arlerien, dass also beim Forigange der in der Arterie erzeugten Welle Abnahme der Spannungen und Geschwindigkeiten Statt findet. Dieser Umstand ist zwar einestheils, wie wir noch sehen werden, dadurch bedingt, dass die Summe der Lumina der Zweige grösser ist, als das Lu- men des Stammes, jedoch ist diese Zunahme nicht so gross, dass dadurch die Abnahme der beim Durchgange der Welle Statt findenden Spannungs-Erhöhung in den Zweigen und das endliche Verschwinden der Welle in den äussersten Zweigen erklärt werden könnte, sondern diese Thatsache beweist gleich- falls einen durch die beim Fortgange der Welle Statt findende Reibung bedingten Volumenverlust, durch welchen die Ge- schwindigkeiten der in der Welle enthaltenen Flüssigkeits- theilchen bei gleich bleibender Wellenlänge abnehmen. Unter dieser allmähligen Abnahme des Volumen wird also die Welle, welche z. B. durch Eintreibung von Flüssig- keit in einer einfachen und am Ende geschlossenen Röhre er- regt wurde, bis an das gegenüber liegende Ende der Röhre gelangen, dort reflektirt werden ete., aber endlich verschwin- den, und in dieser Röhre eine gleichmässige Zunahme des Inhalts und der Spannung bedingt haben, ein Vorgang, wel- chen wir bei unseren Experimenten beobachtet und $. 13. be- schrieben haben. Man sollte nun a priori glauben, dass die Welle beim Beginne ihrer Bahn, wo die Geschwindigkeit der Flüssigkeits- theilchen am grössten ist, die grösste Beeinträchtigung ihres 189 Volumen durch Reibung erfahre, und mithin die Spannung und den Inhalt auf den durchlaufenen Strecken ungleichmäs- sig erhöhe, nämlich im Anfange der Röhre am bedeutendsten und in der Folge immer weniger; und dass also, wenn eine Welle eine lange Röhre bloss einmal durchläuft, nach dem Verschwinden derselben am Ende der Röhre noch nachträg- liche Schwankungen durch Ausgleichung der ursprünglich un- gleich erregten Spannungen eintrelen werden. Die Erfahrung lehrt jedoch, und wir werden den wahr- scheinlichen Grund noch später anführen, dass die Welle, welche in einer einfachen, geschlossenen Röhre hin- und her- läuft, nach jedem einzelnen Zurücklegen der ganzen Röhren- strecke an jedem Punkte der Röhre gleich grosse Zunahme der Spannung und des Inhaltes bedingt hat; denn wenn wir z. B. eine Welle erregten, welche nur einmal von dem An- fange nach dem Ende der Röhre zulief, so bemerkten wir nach der durch die Reibung bedingten Zerstörung der Welle ebensowenig eine nachträgliche Ausgleichung einer ungleichen Spannung an weiterer Bewegung der Flüssigkeitstheilchen, als wir dies nach dem Verschwinden einer mekrmals hin- und hergegangenen Welle beobachteten. Ferner erhöht eine Welle, welche eine kürzere Röhre mehrmals oder bloss einmal hin- und herläuft, die Spannung und den Inhalt bei jeder Bahn gleichmässig, ebenso dieselbe Welle in der sonst gleichbeschaf- fenen, längeren Röhre, obschon die Zunahme der Spannung und des Inhaltes in der längeren Röhre bei jeder einzelnen Bahn derselben Welle geringer sein muss, als diese Zunahme bei der entsprechenden Bahn dieser Welle in der kürzern Röhre ist, so dass die zweifelsohne nothwendige Ausgleichung der ursprünglich in dem Anfangsstücke der längern Röhre zu slarken Spannung nicht erst dann erfolgt, wenn die Welle ihre Bahn vollendet hat, sondern während dem Weilergehen der Welle selbst Statt findet, und wie wir sehen werden, durch dieses bedingt ist. In ein und derselben Röhre gehen Wellen von verschie- 190 dener Beschaffenheit nicht gleich häufig hin und her. Der Theorie nach muss von 2 Wellen mit gleicher Länge die min- der voluminösere früher verschwinden, weil die Oberfläche der dieselbe umgebenden und die Reibung veranlassenden Wandung im Verhältniss zur Menge und Geschwindigkeit der enthaltenen Flüssigkeit grösser ist, als in der voluminöseren; aus demselben Grunde wird bei gleichem Volumen und ver- schiedener Länge zweier Wellen die längere Welle schneller unter dem Einflusse der Reibung zerstört sein, und wir beob- achtelen auch in der That bei unseren, $. 13. angeführten Experimenten die durch schnellere Austreibung der Flüssig- keit erregte Welle öfter hin- und hergehen. Bei verschiedenen Röhren wird von Wellen, welche glei- ches Volumen und gleiche Länge haben, die Welle in der minder gespannten Röhre früher als in der gespähnten, und in der weiten Röhre früher als in der engen unter dem Ein- flusse der Reibung verschwunden sein, denn die durch die Reibung aufzuhebende Geschwindigkeit ist im Verhältniss zur Oberfläche der die Welle einschliessenden Wandung in der gespannteren und engern Röhre grösser. In mehreren Röhren, deren Summe der Lumina dem Lu men einer weiten Röhre gleich ist, werden die Wellen, deren einzelne Längen der Welle im weiten Rohre und deren Summe der Volumina dem Volumen der Welle des weiten Rohres gleich ist, eher unter dem Einflusse der Reibung ver- schwunden sein, als die Welle in der weiten Röhre und zwar werden die Wellen solcher Röhren um so früher verschwun- den sein, je grösser die Anzahl der Röhren ist. 191 Ueber die Folgen des in den $. 14. angeführten Ei- genschaften des elastischen Rohres begründeten Wellenreflexes, wenn mehrere Wellen nach einan- der erregt werden. $. 19. ® Wir haben $. 18. die Annahme begründet, dass eine Welle, welche sich von dem Anfange nach dem Ende einer einfachen und überall gleich beschaffenen Röhre zu bewegt, auf den durchlaufenen Strecken die Spannung und den Inhalt gleich- mässig vermehre. Haben wir aber ein Rohr, in welchem we- gen Abänderung seiner Eigenschaften in der $. 17. angegebe- nen Weise Reflex Statt findet, so kommt diese refleklirte Welle von dem Punkte, wo sich die Röhre in ihrem Verhal- ten ändert, ‚nach dem Anfange der Röhre zurück, werde dort a und bewege sich dann wieder nach dem Punkte hin, wo dieselbe zuerst reflektirt wurde. Auch diese reflektirte Welle verliert auf ihrem Wege durch die Statt findende Rei- bung stets an Volumen und lässt hinter sich vermehrten ru- henden Inhalt und erhöhte Spannung auf den durchlaufenen Strecken zurück. Es sei nun die Strecke von dem Anfange der Röhre bis zu dem Punkte der Abänderung so gross, dass die daselbst reflektirte Welle nicht zum zweiten Male zu die- ser Stelle zurückkommen kann, indem sie sich nach dem An- fange der Röhre zu bewegt, sondern es verschwinde dieselbe durch die Statt findende Reibung. st nun die reflektirte Welle eine spannende oder ausbiegende, so bedingt sie bei ihrem allmäbligen Verschwinden erhöhte Spannung in der ganzen Röhre vor der Stelle des Reflexes, und ist die reflek- tirte Welle eine abspannende oder einbiegende, so bedingt die- selbe bei ihrem allmähligen Verschwinden durch die Statt findende Reibung Verminderung der Spannung und des In- halts. Wenn die Röhre nun, wie die Arterien, der Länge nach leichter dehnbar ist, als in die Peripherie, so ist die Zu- 192 nahme des Inhalts und die Erhöhung der Spannung nicht mit einem entsprechenden Weiterwerden, und die Abnahme des Inhaltes und der Spannung nicht mit einem entsprechenden Engerwerden des Rohres verbunden, sondern diese Zu- und Abnahme geschieht mehr durch Verlängerung und Verkürzung des Rohres. ®Gehen nun mehrere spannende oder ausbiegende Wellen nach einander aus einem weiteren Rohre in ein engeres über, so wird durch den beim Uebergange einer jeden Welle Statt findenden Reflex die Spannung in dem weiteren Rohre ohne entsprechendes Weiterwerden desselben so lange erhöht, bis endlich die folgenden Wellen aus der weiteren und gespann- teren Röhre in die engere und minder gespannte ohne Statt findenden Reflex übergehen. Umgekehrt wird beim Ueber- gange der spannenden oder ausbiegenden Wellen aus einem engeren Röhrenstücke in ein weiteres durch Reflex von ab- spannenden Wellen die Spannung in dem engeren Rohre ohne entsprechendes Engerwerden so lange vermindert, bis die Wel- len ohne Statt findenden Reflex aus dem engeren und minder gespannten Rohre in das weitere und gespanuntere übergehen. Der längst bekannte Umstand, dass die Arterien melır der Länge nach, denn in die Peripherie, dehnbar sind, wird daher besonders bei Abnormilälen der Arterien, von denen wir noch handeln werden, Behufs des Uebergangs der Wellen aus wei- terem Arlerienslück in ein engeres elc. wichtig, und wir müs- sen in dieser Einrieht der Arterien die zweckmässige Für- sorge der alma rerum mater bewundern. Analoge Vorgänge müssen Statt finden, wenn nach ein- ander mehrere Wellen aus einem minder gespannten in ein gespannteres Rohr oder umgekehrt, oder aus einem leichter dehnbaren in ein schwieriger dehnbares Rohr oder umgekehrt übergehen. Wir schalten hier, den wahrscheinlichen Grund der $. 18. erwähnten Erscheinung ein, dass eine Welle, welche eine lange Röhre bloss einmal durchläuft, und bei ihrem gröss- ten Volumen, also im Anfange der Röhre, am meisten an 193 Volumen verlieren sollte, doch gleichmässige Zunahme des Inhalts und der Spannung erzeugt. Dieser Umstand mag da- durch bedingt sein, dass diese Welle der elastischen Röhre, welche Spannung und Inhalt auf den durchlaufenen Strecken erhöht, als eine solche zu betrachten ist, welche sich aus ge- spannterer Röhre in minder gespannte bewegt. Nach $. 17. geht aber aus dem gespannteren Rohre in ein minder gespann- tes eine grössere Welle über, als vor demselben angekommen ist, und die refleklirte abspannende Welle bedingt nach dem eben Gesaglen Abnahme der Spannung in der durchlaufenen gespannteren Röhrenstrecke, so dass die Welle die Ausglei- ehung der ursprünglich ungleich erreglen Spannung selbst be- sorgt. Dadurch wird denn erklärlich, dass Wellen von glei- cher Beschaffenheit in Röhren, welche gleiche Weite, Span- nung und Dehnbarkeit, aber verschiedene Länge haben, bei einmaligem Durchlaufen derselben die Spannung und den In- halt in diesen Röhren zwar zweifelsohne in verschiedenem Grade, aber gleichmässig erhöhen; denn stellen wir uns vor, eine Welle habe in dem kürzern Rohre die Spannung und den Inhalt nach der Ankunft an dem entgegengesetzten Ende gleichmässig erhöht, so wird dies zwar auch in der längeren Röhre in demselben Grade Statt gefunden haben, wenn die Welle an dem entsprechenden Punkte angekommen ist,- aber es wird dieselbe beim weiteren Fortgange durch Reflex ab- spannender Wellen die bereits hervorgerufene Zunahme des Inhalts und der Spannung in diesem Röhrenstücke wieder ver- mindern, und somit gleichfalls gleichmässige, wenn gleich ge- ringere Zunahme der Spannung und des Inhalts, als in dem kürzeren Rohre bedingen können. Theilt sich das Rohr in Zweige, so findet auch hier beim Durelgange von spannenden Wellen unter den $. 20. ange- gebenen Bedingungen Reflex Statt. Auch dieser Reflex be dingt erhöhte Spannung im Stamme, und findet so lange Statt, bis die Spannung hinreichend erhöht ist, so dass jetzt die ganze Welle weiter gehen kann. Theilen sich sodann diese Müller's Arcbir. 1845. 13 194 Zweige nochmals wieder in Zweige, so wird hier wieder Re- flex Stalt finden, bis die Spannung in allen höher liegenden Röhren so erhöht ist, dass jetzt die folgende Welle ohne Re- flex auch in diese Zweige eindringt. Wir haben dann im er- sten Stamme die höchste Spannung, nach der ersten Theilung geringere Spannung, nach der zweiten Theilung wieder. gerin- gere Spannung etc. In den Arterien ist nun die Summe der Lumina der Aeste (s. London medical gazette, Juli 1844. Paget, was ich aus Cannstadl’s Jahresbericht kenne) grösser, als das Lumen des Stammes, wodurch geringerer Wellenrellex bedingt wird, als er Statt finden müsste, wenn die Summe der Lumina der Zweige gleich dem Lumen des Stammes wäre. Ferner ist nach den Messungen von Dr. Ludwig (s. Müller’s Archiv, H. 1. 1844. Spengler, über die Stärke des arler. Blutstroms) die Ausdehnbarkeit in den Zweigen der Arterien grösser, als im Stamme. Dieser Umstand reduecirt wieder den beim Ueber- gange der Welle Statt findenden Reflex, so dass wir anneh men wollen, die Welle gehe ohne durch Reflex bedingten Verlust aus den Stämmen der Arterien in die Zweige über, wenn die Spannung in den Stämmen dieselbe ist, wie in den Zweigen. Die Welle verliert also auf ihrem Wege vom Her- zen nach den Kapillargefässen nur durch Reibung an Volu- men, wenn die Spannung im ganzen normalen Arteriensysteme überall gleich ist. Ferner wird die Fortpflanzungs -Geschwin- digkeit in dem weiteren, aber schwieriger dehnbaren Stamme dieselbe sein, wie in den engen, aber leichter dehnbaren Aesten, und daher die Wellenlänge in den Aesien dieselbe sein, wie im Stamme; denn während die Welle wegen grösserer Enge der Aeste länger werden sollte, musste dieselbe auf der andern Seite wegen leichterer Dehnbarkeit wieder kürzer werden, so dass diese beiden Eigenschaften ihren Einfluss auf die Wel- lenlänge gegenseitig aufheben. Haben wir nun in den Zwei- gen gleiche Wellenlänge, wie im Stamme, und wäre die Summe der Lumina gleich dem Lumen des Stammes, so wäre, 195 abgesehen von dem durch Reibung bedingten Volumenverluste, die Verlängerung, welche die Arterie auf der ganzen Wellen- strecke in einem einzelnen Zweige erfährt, in Summa gerade so gross, wie im Stamme, ferner bei peripberischer Ausdeh- nung die Summe der peripherischen Ausdehnungen aller Quer- durehsehnilte eines Zweiges im Verhältnisse zur frühern Grösse dieser Kreise dieselbe, wie im Stamme. Da aber die Summe der Lumina der Zweige grösser ist, als das Lumen des Stam- mes, so muss die Längenausdehnung des Zweiges auf der Strecke der Welle, welche mit Beibehaltung der Länge und des Volumen in die Zweige überging, etwas kleiner sein, als diese Längenausdehnung des Stammes. ferner ebenso die Summe der peripherischen Ausdehnungen im Verhältniss zur früheren Peripherie geringer sein, als im Stamme. Ebenso muss die Verlängerung absolute und die Erweiterung im Verhältniss zur Grösse des Umfanges im Zweige an jedem Punkte beim Durchgange der Welle geringer sein, als im Stamme. Da aber ferner die Welle auf ihrem Wege durch die Reibung slels an Volumen verliert, so wird auch noch dadurch die Grösse der Verlängerung und Erweiterung, welche ein Punkt des Zweiges beim Durechgange der Welle erfährt, kleiner als im Stamme. Diese Bemerkungen sind, wie wir nach Definition des Pulses sehen werden, wichtig für das Verhältniss der Grösse des Pul- ses in den Zweigen zur Grösse des Pulses in den Stämmen. In den Arterien kommt auch das Verhältniss vor, dass sich 2 getrennte Röhren wieder zu einem einfachen vereini- gen, so dass die Welle aus getheilten Röhren in ein einfaches übergeht. Kommen 2 Wellen zu gleicher Zeit aus den Thei- lungsröhren in das einfache, so muss Reflex einer abspannen- den Welle Statt finden, wenn die Summe der Lumina der engen Röhre gleich dem Lumen des einfachen weiten und die Delinbarkeit beider gleich ist. Ist aber das Lumen der ein- fachen Röhre kleiner, als die Summe der Lumioa der beiden Theilungsröhren, und überdies die einfache Röhre schwieriger 15* 196 dehnbar, so kann auch hier Uebergang der Wellen ohne Re- flex Statt finden. Es ergiebt sich also aus unsern bisherigen Betrachtungen, dass sich im einfachen elastischen Rohre beim Durchgange mehrerer rasch auf einander folgender Wellen die Zunahme des Inhaltes und der Spannung dann gleichförmig vertheilt, wenn die Bildung derselben Welle an jedem Punkte dieses Rohres dieselbe Kraft erfordert, oder die Fortpflanzungs - Ge- schwindigkeit auf der ganzen Röhreustrecke dieselbe bleibt. Eine ungleichförmige Vertheilung der Zunahme der Spannung und des Inhaltes beim Durchgange mehrerer Wellen in einem einfachen Rohre erfolgt aber dann, wenn der Uebergang des ganzen Wellen- Volumens aus einem früheren in ein folgendes Röhrenstück mehr oder weniger Kraft erfordert, als die Bil- dung der Welle auf der bisherigen Strecke. In der getheilten Röhre haben wir aber noch eine weitere Möglichkeit einer ungleichmässigen Vertheilung der Spannung, nämlich den Um- stand, dass die Zweige im Verhältniss zum Volumen der ein- dringenden Welle verschiedene Länge besitzen können, wo- durch dann bei der Verwendung der eindringenden Welle zur Erhöhung der Spannung und des Inhalts die Spaunung in dem kürzeren Aste slärker ausfallen muss, als in dem langen. Denn haben wir z. B. einen Stamm, der sich in 2 Aeste theilt, in welche eine Welle ohne Reflex gelangt, von denen aber der eine halb so lang ist, als der andere, und verschwin- det z. B. die Welle des langen Zweiges gerade am Ende der Röhre, und in den kurzen erst nach Statt gehabtem Reflex am geschlossenen Ende, so wird die Spannung im kurzen Aste doppelt so starke Erhöhung erfahren, als in dem langen. In dem Arteriensysteme haben wir in der That Zweige, de- ren Räumlichkeit nicht stets in gleichem Verhältnisse zum Volumen der eindripgenden Welle steht, und wir werden in der Folge noch sehen, wie dennoch gleichförmige Vertheilung der Spannung möglich ist. 197 Von dem Auflusse des Blutes in die Kapillargefässe. $. 20. Wir stellen uns das Arleriensystem zur leichtern Ueber- sicht als einfache, überall gleich weite, gleich dehnbare und gleich stark gespannte, am Ende geschlossene Röhre vor, in welchem eine gewisse, im Anfange der Röhre erregte Welle gerade bis ans Ende gelangt, und bei der Ankunft am gegen- überliegenden Ende durch die Reihung so zerstört ist, dass dieselbe nicht refleklirt wird. Bewegen sich nun mehrere, durch Austreibung von Flüssigkeit gebildete Wellen durch diese Röhre, so bewirken dieselben stets gleichmässige Zunahme der Spannung und des Inhalts auf der ganzen Röhre. Denken wir uns sodann eine einfache, durchaus gleich- mässig beschaffene elastische Röhre, welche durch Anfüllung mit Flüssigkeit gleichmässig gespannt ist, und bringen wir an dem einen Ende der Röhre eine Oeffnung an, so wird die Flüssigkeit daselbst mit einer Geschwindigkeit ausströmen, welche bei ein- und derselben Oeffnung stets in demselben Verhältnisse zur Grösse der Spannung steht, unter welcher sich die in der Röhre enthaltene Flüssigkeit befindet. Durch diesen Ausfluss am Ende der Röhre entsteht in der $. 10. be- schriebenen Weise eine abspannende oder einbiegende Welle, welche sich nach dem Schlusse der Ausflussöffnung gegen das andere Ende der Röhre zu forlpflanzen würde. Hinter dieser abspannenden Welle wird die Röhre, abgesehen von dem Ein- flussse der Reibung, wieder zur früheren Spannung und zum früheren Inhalte zurückkehren. Bleibt die Oeffnung aber un- verschlossen, so dauert das Ausströmen an, und anslatt das von der eben gebildeten Welle in jedem Momente zurück- gelegte Röhrenstück zum früheren Verhalten zurückkehrt, so strömt stels wieder Flüssigkeit aus, und somit entsteht ein gleichmässiger Strom nach der Ausflussöffnung, der sich mit seiner Spitze nach Art der Welle, gegen das andere Ende der 198 Röhre fortpflanzt. Da aber der vorderste Theil dieses Stromes oder dieser Welle gegen den Anfang der Röhre au Geschwin- digkeit der Flüssigkeitstheilchen verliert, und hinter sich eine ruhende Verminderung des Inhalts und der Spannung zurück- lässt, so gelangt ein folgender Theil der Welle aus einem ge- spannteren Röhrenstücke in ein minder gespanntes, gewinnt dadurch an Volumen, und verschwindet daher näher gegen das andere Ende der Röhre zu. als der vorausgehende Theil. In dieser Weise bedingt der gleichmässige, am Ende der Röhre Statt findende Abfluss eine allmählig über das ganze Rohr gleichmässig sich ausbreitende Abnahme des Inhalts und der Spannung. Werden nun in dies Rohr an dem einen Ende in regel- mässigen Pausen durch Eintreibung von Flüssigkeit Wellen erregt, und haben wir an dem anderen Ende eine Ausfluss- öffnung, so wird die Spannung und der Inhalt der Röhre durch das Eintreiben von Flüssigkeit so lange zunehmen, bis dieselbe so gross geworden ist, dass zufolge derselben durch die Ausflussöflnung in «leligem Sirome in derselben Zeit eben so viel abfliesst, als im Anfanuge der Röhre in Pausen eir getvie- ben wurde. Wir haben dann in der Röhre einmal in regel: mässigen Pausen gebildete, durch dieselbe sich fortpflanzende, spannende Wellen, und sodann eine forlwährend unterhaltene, nach den Gesetzen abspannender Wellen sich fortpflanzende Bewegung, welche sich mit den spannenden Wellen kreuzt. Jede dieser spannenden, durch das Austreiben von Flüssigkeit erregten Wellen veranlasst eine sich gleichmässig über die ganze Röhre ausbreitende Zunahme der Spannung und des Inhalts, dagegen die zweite abspannende, fortwährend unter- haltene wellenförmige Bewegung eine sich gleichmässig über das ganze Arteriensyslem verbreitende Abnahme der Spannung und des Inhalts, welche vom Beginne einer ersten bis zum Anfange einer folgenden Ausireibung so gross ist, dass da- durch gerade der durch die spannende Welle bewirkte Zu- wachs von Inhalt und Spannung wieder aufgehoben wird. 199 Betrachten wir einen einzelnen Punkt einer Röhre, in welcher sich eine spannende Welle bewegt, so bemerken wir daselbst zunächst eine zunehmende Ausdehnung, welche von der Ankunft des vorderen Wellenendes bis zum Durchgange des Theiles der Welle, welcher dem höchsten Punkte der Spannungs- und Geschwindigkeits-Scala derselben entspricht, andauert, sodann ein Zusammenfallen der Röhre, welches vom Durchgange des zuletzt genannten Punktes bis zum Schlusse der Welle andauert. Da aber die ganze Welle auch an diesem Punkte an Volumen verliert, so haben wir daselbst eine grös- sere Ausdehnung und ein in der That viel geringeres Zusam- menfallen, indem ein Theil der durch den Vorübergang der Welle bewirkten Zunahme des Inhalts und der Spannung durch die zurückbleibende, der Geschwindigkeit beraubte Flüssigkeit un- terhalten wird. An diesem Zusammenfallen der Röhre ist überdies die Abnahme des ruhenden Inhalts und der Spannung betheiligt, welche nach $. 19. mit dem Weiterrücken der Welle eintritt, und als Ausgleichung des anfangs zu starken, durch die Reibung bedingten Volumenverlustes der Welle eintritt. Betrachien wir eine einzelne Stelle einer durch Anfüllung mil Flüssigkeit angespannten Röhre, an deren einem Ende wir eine Ausflussöflnung anbringen, so bemerken wir zuerst bei der Ankunft der Spitze der abspannenden Welle eine Ab- nahme des Inhalts und der Spannung. Von diesem Augen- blicke an bewirkt aber jeder folgende vorübergehende Wellen- theil, wenn auch dessen Scala der Abspannungen und Ge- schwindigkeiten nicht grösser ist, als die des vorhergehenden Theils, eine weitere Abnahme der Spannung und des Inhaltes, weil jeder an diesem Punkte vorübergehende Wellentheil durch die Reibung an Volumen verliert, und Verminderung des In- halls und der Spannung an der passirten Stelle zurücklässt. Die stetige Zusammenziehung der Röhre, als Folge der In- halts- und Spannungsabnahme, wird aber an jedem Punkte der Röhre, einmal begonnen, so lange andauern, als Flüssig- keit durch die erwähnte Oeflnung ausströmt. 200 Kommen aber diese beiden Wellenbewegungen, nämlich die durch stossweise Eintreibung von Flüssigkeit und die durch den anhaltenden Abfluss derselben erregte, in ein und dersel- ben Röhre vor, so haben wir an einem beliebigen Punkle die- ser Röhre einmal eine durch den Vorübergang der spannenden Welle bedingte Ausdehnung und Zusammenziehung; gleichzei- tig wird aber diese Ausdehnung durch den gleichzeitigen Vor- übergang der abspannenden Welle vermindert, jedoch bei ge- ringerer Scala der Abspannungen lelzterer nur zum Theil aufgehoben, die Zusammenziehung aber durch die Kreuzung mit der abspannenden Welle verstärkt. Nach diesem Zeit- punkte haben wir einen Rest von Zunahme an ruhender Span- nung und Inhalt, als Wirkung der spannenden Welle, welche die Wirkung des gleichzeilig. vorübergehenden Theiles der kleineren abspaunenden Welle, welche Abnahme des Inhalts und der Spannung bewirkt, überwiegt. Nun dauert aber der Vorübergang der abspannenden Welle noch weiter an, und dadurch wird die von dem Vorübergange der spannenden Welle bewirkte Zunahme der Spannung und des Inhalts ver- mindert, und wir bemerken eine davon herrührende Zusam- menziehung der Röhre, welche so lange andauert, bis die Röhre wieder zu demselben Zustande zurückgekehrt ist, in wel- chem sich dieselbe vor Ankunft der spannenden Welle befand, und in diesem Augenblicke kommt wieder eine folgende span- nende Welle an. — Nach $. 11. heben sich bei der Durch- kreuzung spannender und abspannender Wellen die Spannungen auf, während sich die Geschwindigkeiten summiren, und wir haben daher während des Vorübergangs der spannenden Welle die Summe beider Geschwindigkeiten und nach diesem Vor- übergange bloss noch die Geschwindigkeit der abspannenden Welle, welche vom Ausströmen der Flüssigkeit herrührt. Wir nehmen einstweilen an, das Arteriensystem verhalte sich wie die genannte einfache Röhre für den Durchgang von Wellen und nähme also ebenfalls durch in regelmässigen Pau- sen geschehendes Eintreiben von Flüssigkeit gleichmässig an 201 Spannung zu, und durch stetigen Ausfluss aus seinen Endver- zweigungen gleichmässig an Spannung ab, und behalten uns die Betrachtung der Art und Weise, wie eine gleichmässige Verlheilung der Spannung bei durch das Arteriensystem sich forlpflanzenden Wellen und bei der am Schlusse des vorigen $. erwähnten Einrichtung dieses Systems von Röhren möglich ist, auf später vor. Die in Pausen Statt findende Erregung spannender Wellen, welche sich durch das Arteriensysiem fortpflanzen, geschieht durch das Herz, die den steligen Strom unterhallenden Abflussöffnungen befinden sich aber an der Grenze zwischen Arterien und Kapillargefässen, wo die durch Austreibung des Blutes aus dem Herzen gebildete Welle ver- schwindet. Dieser Punkt ist jedoch kein fixer, und wir ha- ben $. 18. die Bedingungen angegeben, unter welchen ver- schiedene Wellen früher oder später durch die Reibung ver- seliwinden. Dass die Diaslole und Systole der Arterien ‘nicht die Folge des einfachen Vorüberganges der durch Austreibung von Flüssigkeit gebildeten Welle ist, welche sich mit unversehrtem Volumen nach den Kapillargefässen hin bewegt, sondern eben aus den beiden concurrirenden Momenten, nämlich der in Pau- sen Stalt findenden Eintreibung von Flüssigkeit und dem ste- tigen Abfluss einer der eingetriebenen Blulmenge gleichen Por- tion nach den Kapillargefässen zusammengesetzt ist, beweiset ein einfaches Experiment. Binden wir nämlich in die Aorta eine Spritze, füllen durch dieselbe die Arterien mit Wasser, setzen dann den Stempel auf, und treiben rasch eine Quan- tität Flüssigkeit in die Arterien, so bemerken wir eine rasche Ausdehnung in Folge des Durchgangs der spannenden Welle, während die auf den Vorübergang der Welle folgende Zusam- menziehung zu klein ist, um mit dem Finger oder den Augen bemerkt werden zu können, sodann erfolgt ein ganz langsa- mes, steliges, durch den Ausfluss in die Kapillargefässe be- dingtes Zusammenfallen der Arterie. Würde sich die span- nende Welle aber ohne Verlust an Volumen nach den Kapil- 202 largefässen bewegen, so müssten wir auch durch dieses ein- fache Experiment die Erscheinung des Pulses hervorzurufen im Stande sein. Um diesen jedoch nachzuahmen, müssten wir einen zusammengesetzleren Apparat anwenden, nämlich eine Sprilze, welche mit der Arterie durch ein Ventil kom- munieirt, das sich beim Vorwärtsbewegen des Stempels öffnet und bei dessen Zurückziehen schliesst; ferner müsste die Spritze mit einem Reservoir der Flüssigkeit, welche beim Zu- rückziehen des Stempels dureh eine ventilirte Oeffnung ein- strömte, in Verbindung stehen, so dass wir in regelmässigen Pausen Flüssigkeit eintreiben könnten, wo dann nach Errei- chung einer gewissen Spannung der Arterien eben so viel Flüssigkeit in die Kapillargefässe abfliessen würde, als in Pau- sen eingetrieben wird. Eine andere Erklärung der Umwandlung der wellenför- migen Blutbewegung in den Arterien in eine stelige der Ka- pillargefässe wäre die, dass man annähme, der Zwischenraum zwischen den in Pausen erzeuglen Wellen verschwinde, ferner die Abnahme, Zunahme und Wiederabnahme der Geschwin- digkeiten und Spannungen jeder einzelnen Welle, so dass die Wellen zwar ohne Verlust an Volumen in die Kapillargefässe gelangten, aber in der Art verlängert, dass daselbst ihr Vor- übergang so lange dauerte, als in den Arterien die Zeit von der Ankunft des vorderen Endes einer Welle bis zur Ankunft des vorderen Endes einer folgenden. Dieser Meinung steht aber nicht nur das oben angeführte Experiment, sondern über- dies der Umstand entgegen, dass der Zwischenraum zwischen der vorausgehenden und folgenden Welle so gross ist, dass sich dieselben nicht mehr einholen können, indem eine vorangehende Welle bereits in den äussersten Arterien verschwunden ist, wenn die folgende eben anfängt, gebildet zu werden, ferner der aus unseren Experimenten hervorgehende Verlust an Vo- lumen, welchen jede Welle auf ihrem Wege vom Herzen nach den Kapillargefässen erleidet, und ferner müsste dann der Vorübergang der verlängerten Welle in den Arterien um so 203 länger dauern, je näher sich die beobachtete Stelle den Ka- pillargefässen befände. Dass die durch Austreibung des Blutes aus dem Herzen gebildete spannende Welle in entfernte Arterien mit Beibe- haltung ihrer Länge gelangt, beweist der Umstand, dass in dem Ilerzen nahen und entfernten Arterien, in denen nach $. 19. die Fortpflanzungs-Geschwindigkeit der Wellen die- selbe ist, der Vorübergang des Theils dieser Welle, welcher Ausdehnung bewirkt, von gleicher Dauer ist. Dass aber diese Welle auf ihrem Wege an Volumen verliert, geht aus den Versuchen von Dr. Spengler |. c. hervor, welcher nach- wiess, dass die durch den Vorübergang der Welle bewirkte Zu- nahme der Spannung in nahen Arterien grösser ist, als in eulfernten. — Bleiben sich die durch Austreibung des Blutes aus dem Herzen gebildeten Wellen unter einander an Volumen gleich, folgen dieselben aber in kürzeren Pausen auf einander, so wird erst bei enisprechender Erhöhung der Spannung im ge- sammten Arteriensysteme wieder eben so viel durch die vasa capillaria abfliessen, als Blut durch das Herz eingetrieben wird, denn der Kapillarstrom wird erst bei entsprechender Erhö- hung der Spannung in den Arterien schneller. Diese Er- höhung der Spannung wird dadurch erzielt, dass beim Wech- sel der Wellenfrequenz anfangs weniger Blut abfliesst, als eingetrieben wird, also die durch den Abfluss bewirkte Span- nungsabnahme geringer ist, als die vom Durchgange der Wellen herrührende Spaunungszunahme, bis nach Erhöhung der Span- nung beide einander wieder gleich sind. — In derselben Weise muss Zunahme. der Spannung und des Inhalts der Arterien Statt finden, wenn die Zahl der Wellen in gleichen Zeiten dieselbe bleibt, aber das Volumen der einzelnen Welle zu- nimm!. — Ist der Abfluss in den Kapillargefässen durch Con- traclion sämmtlicher Kapillargefässe oder durch grössere Rei- bung des Blutes bei veränderter Beschaffenheit desselben oder durch Stase in die Venen ete. erschwert, so wird gleichfalls 204 die Spannung in den Arterien grösser sein müssen, wenn die- selbe Blutmenge durch die Kapillargefässe abfliessen soll, welche vom Herzen in die Arterien eingetrieben wird. Wir haben in Obigem die Bedingungen der Ausdehnung und Zusammenziehung der Arterien kenren gelernt, und die Theilnahme, welche der Ausfluss des Blutes nach den Kapil- largefässen an dieser Erscheinung hat, auseinandergesetzt. Wir glauben bei dieser Gelegenheit am passendsten von einigen andern auf Ausdehnung und Zusammenziehung der Arterien influirenden Umständen zu handeln. Nach 8. 14. werden bei der Insuffieienz der Aortaklappen abwechselnd spannende und abspannende Wellen gebildet. Die spannende Welle verursacht gleichmässige Zunahme, die abspannende Welle gleichmässige Abnahme der Spannung bei ihrem Verlaufe durch das Arteriensystem, und da letztere klei- ner ist, so ist die Zunahme der Spannung durch die span- nende Welle beträchtlicher, als deren Abnahme durch die ab- spannende Welle. Die Einwirkung dieses Vorgangs auf Aus- dehnuug und Zusammenziehung der Arterien ist folgende: Beim Vorübergang der spannenden Welle, also während der Ausdehnung der Arterie und kurz nachher, ist der Vor- gang, wie gewöhnlich, nur mit dem Unterschiede, dass die vom Kapillarstrom erregte, sich mit der spannenden Welle kreuzende abspannende im Verhältniss zum Volumen der span- nenden Welle zu klein, und somit auch die Geschwindigkeit der Flüssigkeitstheilchen im Verhältniss zur Grösse der Span- nung oder Ausdehnung geringer ist, als sonst. Nach dem Vorübergang der spannenden Welle folgt die durch den Rück- fluss des Blutes in das Herz gebildete abspannende Welle, welche sich mit der durch den Kapillarstrom gebildelen ab- spannenden Welle kreuzt. Nach $. 11. wird dabei die Ab- spannung oder der Grad der Zusammenziehung summirt, da- gegen ist die Geschwindigkeit in der Richtung nach ‚den Kapillargefässen durch die Riehtung der Geschwindigkeiten der vom Herzen erzeugten abspannenden Welle geschwächt, 205 und mithin die erstere Geschwindigkeit im Verhältniss zur Grösse der Zusammenziehung zu klein. An diese Zusammen- ziehung reiht sich sodann die durch Austreibung von Flüssig- keit, also den Vorübergang einer folgenden spannenden Welle bedingte Ausdehnung. Das Schwirren der Arterie während der Diastole ist kein hierher gehöriger Vorwurf. Wir haben zuweilen an den Arterien die Erscheinung, dass bei einer Austreibung des Blutes aus dem Herzen zwei kurz auf einander folgende spannende Wellen bemerkbar sind, von denen die vorausgehende stels grösser ist, als die nach- folgende. Die daraus hervorgehende Form des Pulses (pulsus duplex) findet sich vorzugsweise bei Typhus - Reconvalescen- ten vor. Zur Erklärung dieser Erscheinung werfen sich mir a priori 3 Ansichten auf. Eine Möglichkeit der Bildung einer doppelten Welle durch einfache Anstreibung wäre die, dass dabei eine Welle gebildet würde, deren Scala der Geschwin- diekeiten grösser ist, als die Scala der Spannungen, und welche sich nach 8. 11. in eine vorausgehende spannende und eine nachfolgende abspannende Welle, welche letztere überdies durch den Schluss der Aortaklappen Verstärkung erhielte, zerlegt. Da ich aber nicht im Stande war, diese Erscheinung in der Kautschukröhre bei raschester Austreibung der Flüssig- keit hervorzurufen, so verliert diese Ansicht sehr an Wahr- scheinlichkeit. Uebrigens würde bei diesem Vorgange eine doppelte Ausdehnung der Arterie erfolgen, denn wir hatten einmal die Ausdehnung durch die vorausgehende spannende Welle, dann verstärkte Zusammenziehung durch die nachfol- gende reflektirte abspannende Welle, welche durch Kreuzung mit der durch den Kapillarstrom bedingten abspannenden Welle erhöht wird; dagegen nach dem Vorübergang der reflektirten abspannenden Welle eine Wiederausdehnung, und von hier bis zur Bildung der nächsten spannenden Welle eine durch den blossen Kapillarstrom bedingte Zusammenziehung. Indess mag, wie gesagt, kaum je eine Welle mit grösserer Scala der Ge- schwindigkeiten durch einfache Flüssigkeitsaustreibung zu 206 Stande kommen, da die Scala der Geschwindigkeiten in der elastischen Röhre so sehr beeinträchtiget wird, dass wir durch den Vorübergang der spannenden Welle stets Zunahme des ruhenden Inhalts und der Spannung erhalten. Eine andere Ansicht über die Bildung zweier Ausdeh- nungen bei einfacher Flüssigkeitsaustreibung soll von Dr. Skoda ausgesprochen worden sein (s. Dr. Jacksch, Prager Zeitschrift für phys. Med. J. 1. H. 1.), welcher sich den Vorgang so erklärt, dass eine Ausdehnung durch Austreibung des Blu- tes aus dem Herzen und eine zweite durch die Austreibung des Blutes nach den Kapillargefässen bei Contraelion der vor- hergehenden Arterienwandungen in den weiter abwärls gele- genen zu Stande komme. Diese Ansicht lässt sich nur dann mit der Wellentheorie vereinigen, wenn wir annehmen, dass die durch das Herz gebildete spannende Welle auf der durch- laufenen Strecke eine ungleichmässige Zunahme der Spannung und des Inhalts bedinge, und zwar mehr im Anfange der Ar- terien, weniger gegen die Peripherie. Unter diesen Umständen würde die durch den Kapillarstrom bedingte abspannende Welle sich aus minder gespanntem Rohre in gespannteres be- wegen, und so Reflex einer spannenden Welle, welche sich in der Richtung nach den Kapillargefässen fortpflanzte, erre- gen. Diese reflektirte Welle würde der durch die Austreibung des Blutes erzeugten spannenden folgen, und wir hälten so mit jeder Systole des Herzens 2 spannende Wellen. Diese Ansicht würde sich aber mit unserer obigen Annahme einer gleichen Vertheilung der Spannung in der von der Welle durchlaufenen Strecke nicht vertragen. Da jedoch diese gleich- mässige Vertheilung der Spannung von uns ziemlich willkür- lich angenommen wurde, so können wir auch über die Mög- lichkeit einer ungleichen Vertheilung der Spannung nicht mit Sicherheit entscheiden, und müssen die Lösung dieser Frage genaueren mathemalischen oder experimentalen Forschungen über den Zustand der Röhre hinter einer dieselbe durchlau- fenden Welle überlassen. 207 Eine dritte Ansicht wäre die, dass die Geschwindigkeit der Austreibung zunähme, wieder abnähme und nochmals zu- nähme, so dass die Skala der Spannungen und Geschwindig- keiten der durch diese Austreibung gebildeten Welle zunähme, abnähme, wieder zunähme und wieder abnähme. Bei die- sem Vorgang müssten wir aber für die zwei Wellen auch zwei Herzschläge haben, welche von 1 oder 2 TopBapbeglei- tet wären, und nach welchen der Ton der Diasto auaegen haben wir beim pulsus duplex 1 Her 2 Pulsschläge, zugleich aber einen einfachen ersten Heizton, an den sich der bei der Diastole erzeugte Ton anschliesst. Von der Vertheilung der Spannung im normalen und abnormen Arteriensysteme. $. 21. Wir haben bei unserer Darstellung der Welle in den Ar- terien es als sehr wahrscheinlich betrachtet, dass sich die Spannung über das Arteriensystem in der Regel gleichmässig bei der periodischen Austreibung des Blutes verlheile. Die neuesten Forscher über den Kreislauf, als Poiseuille, Va- lentin, Bergmann, nehmen an, dass durch die Eintreibung von Blut und dessen Abfluss gleichmässige Spannung im gan- zen Arteriensysteme erzielt werde. Nach Spengler’s Versuchen mit dem Hämadynamometer lässt sich dieser Satz durch Messung der Spannungen in den Arterien nicht erweisen, weil bei der beständigen Bildung von Wellen, welche im Anfange des Arteriensystems grösser sind, und gegen die Peripherie durch Reibung an Volumen verlie- ren, die Spannung in der Nähe dieser Wellen erregenden Punkte, also im Anfange des Arteriensystems bald hoch steigt, bald tief sinkt, während dieselbe in der Nähe des Kapillarge- fässsystems mehr eine mittlere Grösse beibehält. — Wir haben in $. 19. die Annahme, dass die Welle die 208 Spannung und den Inhalt auf den durchlaufenen Strecken der einfachen Röhre, welche überall gleiche Weite, Dehnbarkeit und Spannung besitzt, gleichmässig erhöhe, einigermaassen be- gründet, und ebenso für die getheilte, an ihren Enden ge- schlossene Röhre angenommen, dass auch hier eine gleichmäs- sige Vertheilung der Spannung und des Inhalts beim Durch- gange einer Welle vom Aufange bis zu dem Ende dieser Röhre Statt finden werde, wenn der Uebergang in die Zweige ohne Reflex Statt findet, und ferner die Kapacität aller dieser, am Ende geschlossenen Zweige in gleichern Verhältoisse zum Vo- lumen der in dieselben eindringenden Wellen steht. Wir ha- ben nämlich oben gesagt, dass in der einfachen und überall gleich beschaflenen Röhre die durch Volumenverlust der Welle bedingte Spannungs- und Inhaltszunahme zwar im Anfange der Röhre grösser sein müsste, weil daselbst bei gleicher Länge der Welle die Geschwindigkeit der in derselben ent- haltenen Flüssigkeitstheilchen grösser ist, dass dieser Einfluss aber dadurch korrigirt werde, dass diese Welle als eine solche betrachtet werden könne, welche sich aus gespannlerer in minder gespannte Röhre bewegt, somit an Volumen gewinnt, und Verminderung der früher zu slark erregten Spannung durch Reflex einer abspannenden Welle besorgt. Diese Kor- rektion wird aber ebenso in der gelheilten Röhre Statt finden, jedoch in geringerem Grade nöthig sein, weil der Einfluss der Reibung beim Fortgange der Welle zwar durch Volumen- verlust der Welle geringer, aber auf der andern Seite durch die Theilung der Röhre erhöht wird. Wir sehen also, dass wir die Annahme der gleichen Vertheilung der Spannungs- und Inhaltszunahme auf der von der Welle durchlaufenen Strecke auch auf die getheilte Röhre ausdehnen können, wenn einmal die Zweige die $. 19. angegebene Beschaffenheit haben, bei welcher durch den Uebergang der Welle in diegelbe kein besonderer Reflex Stalt findet, und sodann, wenn die Länge jedes Zweiges so beschaffen ist, dass der in dessen Lumen gegebene Raum in demselben Verhältnisse zum Volumen der 209 eindringenden Welle steht, wie in jedem anderen Zweige. Denn ist letzteres Verhältniss nicht vorhanden, indem z. B. der eine von 2 Zweigen bei gleicher Weite, Dehnbarkeit und Spannung halb so lang ist, als der andere, so wird zwar in dem Momente, wo die Welle an das Ende des kürzeren und in der Hälfte des läugeren Zweiges angelangt is!, die Span- nung und der Inhalt in beiden gleichmässig erhöht sein, dann aber durch den Fortgang im längeren Zweige wieder vermin- dert, in dem kürzeren aber durch die Rückkehr der reflektir- ten Welle noch weiters erhöht werden. Wir haben nun $. 19. angeführt, dass die Arterien in der Tliat die Beschaffenheit haben, dass die Wellen aus dem Stamme in die Zweige ohne durch Reflex bedingten Volumenverlust oder Volumenzunahme übergehen, und wir sehen daher eine Bedingung der gleichmässigen Spannungsaustheilung erfüllt. Dagegen sehen wir die zweite Bedingung, welche wir für die am Ende geschlossene, gelheille Röhre Behufs einer gleichen Spannungsverlheilung als nothwendig erachtelen, nicht erfüllt, indem z. B. die Räumlichkeit der art. coronariae cordis bei der beträchtlichen Kürze der Strecke von ihrem Abgange aus der Aorta bis zur Grenze des Kapillargefässsystems im Ver- gleich mit der Räumlichkeit des Systems der Aorta nach Ab- gang der coronariae im Verhällniss zum Volumen der eindrin- genden Welle zu klein ist; ebenso wird die Räumlichkeit der arler, renalis im Verhältniss zur Räumlichkeit der aorta ab- dominalis unterhalb des Abganges der renales im Verhältniss zum Volumen der eindringenden Welle zu klein sein. Da aber diese Röhren am Ende nicht geschlossen, sondern mit Auslluss- Oeflnungen versehen sind, so werden wir sehen, dass trotz genannter Einrichtung eine gleichmässige Vertheilung der Spannungs- und Inhaltszunahme möglich ist. Es wird näm- lich die in die arteria renalis eindringende Welle zwar eine grössere Zunahme des Inhalts und der Spannung nach ihrem Verschwinden an der Grenze des Kapillargefässsystems be- dingt haben, als die Welle in der unterhalb des Abgangs der Müller's Archiv. 1645. 14 210 renales liegenden aorta abdominalis, wenn dieselbe bis zur Grenze des Kapillargefässsystems im Fusse gelangt ist; dage- gen wird aber die Welle in der art. renalis früher an der Grenze ihres Kapillargefässsystems verschwinden, und zu einer Zeit, wo die Welle im Systeme der aorta abdominalis und weiters der iliaca communis noch nicht verschwunden isty'die Spannung und den Inhalt gerade so erhöht haben, wie die Welle im Systeme der Aorta, welche noch nicht zerstört ist, die Spannung und den Inhalt auf der bisher durchlaufenen Strecke erhöht hat; weiters kann nun durch den Abfluss in die Kapillargefässe die Spannung in der aorla renalis zu einer Zeit, wo die Welle im Systeme der Aorta, z. B. in den Ver- zweigungen der iliacae communes, eben an der Grenze des Kapillargefässsystemes verschwindet, ebenso gross sein, wie die Spannung in der Aorta. Würde aber die Spannung in der Aorta durch Weiterschreiten ihrer Welle schneller abneh- men, als die Spannung in der renalis durch Abfluss in die Kapillargefässe, so müsste Rückfluss des Blutes in die Aorta Stalt finden, und es würden auf ähnliche Weise, wie wir es später für Abnormiläten des Arteriensystems angeben werden, Ungleichheiten in der Vertheilung der Spannung eintreten. Dieser Rückfluss des Blutes aus einem Zweige in den Stamm verträgt sich aber nicht mit der von der Natur zu erwarten- den Zweckmässigkeit, und wir werden sehen, wie bei Ab- normiläten der Arterien die ungleichmässige Spannungsverthei- lung in sich die Nothwendigkeit der allmähligen Correktur trägt. — Wir sehen also, dass trotz dieser Einrichtung der geringern Räumlichkeit eines Arteriensystems im Verhältnisse zum Volumen der Welle dennoch die Möglichkeit einer glei- chen Vertheilung der Spannung gegeber ist, indem doch das gauze Volumen der eingedrangenen Welle nach gleichmässiger Austheilung der Spannungs- und Inhaltszunahme endlich nach Verlauf derselben Zeit in steligem Strome durch die Kapillar- gefässe abgeflossen ist, als das ganze Volumen der Welle eines andern Systems von grösserer Räumlichkeit. Wir ersehen 211 ferner aus dem bisher Gesagten, dass in Zweige, welche von der Aorla abgehen und deren System nicht geräumiger ist, als das von Zweigen, welche z. B. von der Femoralis in Mus- keln gehen, eine im Verhältniss zu ihrer Weite, Dehnbarkeit und Spannung voluminösere Welle dringt, als in letztere; end- lich dass das Blut in den Kapillargefässen unter um so stär- kerer Spannung fliesst, je näher dem Herzen der in das Or- gan eindringende Zweig entspringt, und je kürzer die Strecke von seinem Abgänge bis zur Vertheilung in die Kapillarge- fässe ist, indem das System dieser Zweige die im Verhältniss zur Räumlichkeit voluminöseste Welle aufnimmt. Es müssen aber auch Organe, welche einen Zweig von der Aorta erhal- ten, mehr Arterienblut empfangen, als Organe, welche einen Zweig von gleicher Weite aus einer femoralis erhalten, also z. B. eine Niere durch ihre renalis mehr Blut, als die Organe, welche der profunda femoris angehören, und es können Or- gane, welche einen Arterienzweig von geringerem Kaliber aus einem dem Herzen näher gelegenen Stamme erhalten, eben so viel Blut empfangen, als Organe, an welche von entfernterer Stelle ein Zweig von grösserem Kaliber abgeht. — Es herrscht ziemlich allgemein die Ansieht, dass die Windungen der caro- . lis cerebralis und der a. vertebralis den Andrang des Blutes zum Gehirne mässigten. Wir sind nun auch dieser Ansicht, stimmen jedoch mit dem gewöhnlich citirlen Grunde, dass die Biegung die Fortpflanzung des Stosses hemme, nach dem $. 6. über die Fortpflanzung der Wellen durch gewundene Arterien Gegebenen nicht überein, sondern glauben, dass durch diese Windungen eben die Kapaeität des Systems dieser Arterien vergrössert wird, und dass deshalb die Welle später an der Grenze des Kapillargefässsystems verschwindet, wenn bereits dureh grössere Vertheilung der Spannungs- und Inhaltszu- nahme eine geringere Spannung erzielt ist, als sie beim Feh- len dieser Windungen eintreten müsste. Zu demselben Zwecke dienen ohne Zweifel die ausgezeichneten Schlängelungen der art. eoronariae cordis. — Wir glauben also, dass sich die Be- 14* 212 schaffenheit der Kapillargefässe zu der Spannung der zugehö- vigen Arterien, welche von dem Volumen der in dieselben eindringenden Welle abhäng!, in der Art verhält, dass durch den Abfluss in die Kapillargefässe die Spannungen sämmtlicher Arterien unler einander gleich werden. Aus dieser Annahme folgt aber notwendig, dass bei eintrelenden Abnormiläten in der Leichtigkeit des Abflusses durch die Kapillargefässe eines Organs oder in der Kapaeität des zu einen Stamme gehörigen Systemes von Zweigen Ungleichheiten in der Vertheilung die- ser Spannung einlrelen. Wir werden ferner die palpabeln Folgen dieser ungleichen Vertheilung der Spannung kennen lernen, deren Erklärung allein durch die Wellenbewegung des Blutes möglich, und ein vorzüglicher Beweis der Richtigkeit ‚der Anwendung dieser Gesetze auf die Blutbewegung ist, hingegen aus der gewöhnlichen Annahme, dass sich die Span- nung nach den einfachen Geselzen des hydrostatischen Druckes vertheile (s. Valentin, Physiol. Bd. I.) nicht hervorgeht. Wir beschäftigen uns zunächst damit, die Vertheilung der Spannung und die Abänderung des Volumen der Welle anzu- geben, wenn ein Arterienzweig unlerbunden wird. Haben wir z.B. den Zweig f’ Fig. 33. dieht am Stamme unterbunden, und ist e der Hauptstamm, in dessen Anfang durch Eintreibung von Flüssigkeit Wellen gebildet werden, so wird dann nach $. 25. in den Kapillargefässen von f eben so viel ausströmen, als bei e eingetrieben wird, wenn die Span- nung in e und f im Verhältnisse zur Beeinträchtigung des Ka- pillarkreislaufes und im Stamme e überdies noch nach $. 19. im Verhältnisse zum grössern Hindernisse, welches das Blut beim Uebergange in den engen Stamm f findet, zugenom- men hat. Ist aber e der Zweig eines höher gelegenen Stammes d Fig. 34., so wird mit der zunehmenden Spannung in der Röhre e eine kleinere Welle in die Röhre e und eine grös- sere in die Röhre e‘ eindringen. Es wird aber nicht. eher eben so viel Blut durch die Kapillargefässe ausströmen, als in 213 den Stamm d eingetrieben wird, als bis die Spannung in d im Verhältnisse zur Beeinträchtigung der Summe dcr Lumina seiner Zweige und seines Kapillarkreislaufes, in e’ aber blos im Verhältniss zum grössern Volumen der jetzt eindringenden Welle gestiegen ist. Die Spannung ist also in d geringer er- höht worden, als im vorigen Falle in e. Die Spannung in e wird aber gleichfalls verhällnissmässig geringer erhöht worden sein, als im vorigen Falle, und zwar um so viel geringer, als jetzt in e‘ eine grössere Welle eindringt, als vor der Unter- bindung; es wird aber die Spannung in e immer noch grösser sein, als in d. f Betrachten wir die Fig. 35. und nehmen wir an, der Stamm a sei der Hauptstamm, in dem Wellen durch Eintrei- bung von Blut gebildet werden, so wird gemäss dem eben Auseinandergeselzien die Spannung in e am grössten sein, und zwar grösser als in f, in d kleiner als in e, endlich in a klei- ner als in d. In f wird die Spannung grösser sein als in e‘, in e’ grösser als in b und c. Durch a wird eine Welle ge- hen, welche dasselbe Volumen hal, wie vor der Unterbindung, weil wir voraussetzen, dass die Eintreibung des Blutes die- selbe geblieben ist, wie vor der Unterbindung; jedoch wird diese Eintreibung wegen der erhöhten Spannung in a mehr Kraft erfordern, als früher. In b und ce ist die Welle grösser, als früher; in d kleiner, als vor der Unterbindung; in e‘ ist die Welle grösser, als früher, und zwar muss dieselbe im Ver- hältniss zum früheren Volumen grösser geworden sein, als die Wellen in b und ec. In e ist das Volumen der Welle kleiner geworden, und zwar im Verhältniss zum früheren Volumen kleiner, als die Welle im Stamme d. In f endlich ist die Welle im Verhältniss zum früheren Volumen am grössten ge- worden. — Wenn vermehrte Spannung der Röhre und grös- seres Volumen der in dieselbe eindringenden Welle eine all- mählige Erweiterung herbeizuführen im Stande siod, so wird der Zweig f mehr erweitert werden, als der Zweig e’‘, der Zweig e’ mehr als b und c. Mit der Ausdehnung der Zweige 214 wird aber der Kapillarkreislauf von f‘ durch Erweiterung der Anastomosen von f* leichter zugänglich, ferner das Reflex ver- ursachende Verhältniss des Durchmessers der Lumina beseiligt, und so endlich auch die ungleiche Verlheilung der Spannung. Ist der Arlerienast f Fig. 35. nicht dicht am Stamme unterbunden, sondern in einiger Entfernung von demselben. so findet Reflex der Welle, welche in den Zweig wie vor der Unterbindung eindringt. an der unterbundenen Stelle Statt. Wir bemerken nun vor der komprimirlen Stelle, gerade wie an dem Ende der Kautschukröhre, wo die Welle reflektirt wird, eine stärkere Ausdehnung der Arterie, als früher, ehe unterbunden war; dagegen sind wir nicht im Stande, den Vorübergang der reflektirten Welle in einiger Entfernung von der unterbundeneu Stelle wahrzunehmen. Der lelztere Um- stand kann uns jedoch nicht überraschen, weil diese Welle bei ihrem Fortgange nicht nur durch Reibung an Volumen verliert, sondern sich auch beträchtlich vertheilt, indem sie aus einfachem Rolıre in den Stamm und die Kolateralzweige, also eine Theilung übergeht, deren Summe der Lumina das Lumen der einfachen Röhre weit übertrifft. Diese reflektirte Welle veranlasst in diesem Falle dieselbe Vertheilung der Span- nung, wie wir es bei der dieht am Stamme geschehenden Un- terbindung angegeben haben, und es fliesst dann eben so viel durch die Kapillargefässe ab, als durch die Contraction des Herzens eingelrieben wird, wenn die Spannung so erhöht ist, dass durch das beschränkte Kapillargefässsystem jetzt nicht nur so viel Blut, als vor der Unterbindung, sondern noch so viel mehr abfliesst, als an der Unterbindungsstelle reflektirt wird, Nach der Coagulation des Blutes von der Unterbin- dungsstelle bis zum nächsten Kolateralaste hört der Reflex an Unterbindungstelle auf, aber das Verhältniss der Vertheilung der Spannung und das Volumen der Welle in den verschie- denen Stämmen und Zweigen bleibt dasselbe. — Bei der Ver- knöcherung des Zweiges in einiger Entfernung vom Stamme haben wir ein ähnliches Verhältniss, wie bei der Unterbin- 215 dung desselben, nur in geringerem Grade, indem nicht die ganze Welle an der degenerirten Stelle, wie bei der Unter- bindung, reflektirt wird, sondern nur ein Theil derselben. Die Austheilung der Spannung und die Veränderung der Volumina der Wellen muss sich aber eben so verhalten. Endlich erwähnen wir, dass die Entzündung im Allge- meinen den Durchgang des Blutes durch die Kapillargefässe erschwert. Auch dies muss zunächst erhöhte Spannung in den dem entzündeten Organe angehörigen Arterienästen be- dingen, und sofort muss, wie bei der Verknöcherung eines Astes, in dem bei der Unterbindung angegebenen Verhältnisse die Spannung in den übrigen Zweigen und Stämmen erhöht, so wie die Wellenvolumina abgeändert werden. Die in den Ast des entzündeten Organs eintreiende Welle ist kleiner, als vor der Entzündung, die in die Kolateraläste eintretenden Wellen verhältnissmässig am grössten etc. Die Spannung wird also auch im Stamme, in welchen das Herz das Blut eintreibt, erhöht werden, und dies findet sehr merklich Statt, wenn ein grosser Theil des Kapillargefässsystems eines Arteriensystems bei einer Entzündung betheiligt ist. Dies findet z. B. bei der Entzündung einer Lunge Statt, aber auch bei anderen, den Sirom in den Kapillargefässen beeinträchtigenden Krankheiten derselben, und es ist als Folge der erhöhten Spannung ein verstärkter zweiter Ton über den Semilunarklappen der Pul- monalarterie hörbar. — Hierher gehört auch die verstärkte Pulsation der Temporalarterien bei Hindernissen im Kapillar- kreislaufe des Gehirns, welche durch Kompression bei der Entzündung, Blutextravasat ete. Stalt findet. Durchschneidet man eine Arterie, so strömt das Blut con- tinuirlich, aber mit Verstärkungen hervor, welche dem Pulse synchronisch sind. Dieser Ausfluss giebt uns aber keine Vor- stellung von der normalen Blutströmung an dieser Stelle, denn es wird dieselbe wegen dem Widerstande von Seiten der ka- pillaren Gefässe langsamer sein, als die Strömung aus der durchschnittenen Arlerie. Die Menge des Ausflusses aus der 216 durchschniltenen Arlerie hängt nicht bloss von dem Grade der Spannung, sondern auch von der Grösse und sonstigen Be- schaflenheit der Oeffnung ab. Das Ausströmen des Blutes aus der durchschniltenen Arterie rührt aber eines Theils, wie das Aussirömen aus den Kapillargefässen, von dem Drucke der gespannten Röhren her, und es wird durch diesen Ausfluss eine gegen das Herz zu sich fortpflanzende gleichmässige Strö- mung des Blutes und Abnahme der Spannung der Arterien veranlasst. Diese in der Fortpflanzung die Gesetze der ab- spannenden Welle befolgende Strömung dringt aber nieht nur in die Stämme und gegen das Herz zu, sondern auch in die Aeste und bewirkt demnach eine Vertheilung von Abspannung in demselben Verhältnisse, wie wir es für die Vertheilung von Spannung bei Unterbindung eines Arterienastes angegeben haben. Es wird also die grösste Abspannung im nächsten Stamme erfolgen, eine geringere im darauf folgenden Stamme, zu dem erslerer ein Zweig ist ete. Wir erhalten nun an der Ausfluss- Oeffnung der durchschnittenen Arterie nicht nur einen von dem Drucke der gespannten Röhre abhängigen Strom, sondern es kreuzt sich überdies jede Herzwelle mit der durch den Ausfluss bewirkten, gegen das Herz zu fortschreitenden abspannenden Welle, und gelangt bis zur durchschnittenen Stelle, wo sodann nebst dem durch die Spannung ausgetrele- nen Blute noch ein dem Volumen der Welle entsprechendes Quantum hervorströmt. Von diesem Ausströmen des der Herzwelle zugehörigen Blutes hängt die dem Pulse synchro- nische Verstärkung des Blutstromes aus der durchschnittenen Arlerie ab. Die aneurysmatische Arterie ist in der Regel über und unter dem Aneurysma schwieriger dehnbar. Nehmen wir nun an, die Dehnbarkeit der Wandungen des Aneurysma sei der Dehnbarbeit der Arterien über und unter demselben gleich, so wird die Welle, welche vor dem Aneurysma ankommt, nach $. 17. unter Reflex einer abspannenden Welle und unter Zunahme ihres Volumen in das Aneurysma eintreten, ferner 217 unter Reflex einer spannenden Welle und mit Abnahme des Volumen austreten. Aber auch die von den Kapillargefässen herkommende abspannende Welle wird bei kleinerem Volumen ein- und bei grösserem austreten, und es fragt sich daher, ob die Abnahme der Spannung und des Inhalts, welche die von den Kapillargefässen herkommende abspannende Welle bei ihrem Durchgange durch das Aneurysma veranlasst, die vom Durchgange der spannenden Welle herrührende Zunahme der Spannung und des Inhalts gerade aufhebt. Diese Ausgleichung würde dann Statt finden, wenn die durch den Ausfluss in die Kapillargefässe bewirkte abspannende Welle einer durch das Volumen der ganzen in das Aneurysma eingetretenen Welle hervorgerufenen Spannung entspräche., Da jedoch wegen des Volumenverlustes der Welle nach ihrem Austrilte aus dem Aneurysma die Spannung unterhalb des Aneurysma nicht hin- reichend erhöht wird, so ist auch die durch den Kapillarstrom erregte, in das Aneurysma eintretende abspannende Welle zu klein, um die Spannungszunahme des Aneurysma wieder aus- zugleichen. Es findet also mit dem Durchgang jeder spannen- den Welle so lange Spannungserhöhung im Aneurysma Statt, bis die Spanttung so gross geworden ist, dass jede Welle trotz des grossen Lumen der Röhre an der Stelle des Aneurysma ohne Reflex ein- ‚und austritt. Diese erhöhte Spannung be- dingt allmählige Erweiterung des Aneurysma, gerade wie die erhöhte Spannung Erweiterung im Kolateralaste einer unter- bundenen Arterie veranlasst. Ueber die durch Ex- und Inspiration in den Arterien erregten Wellen. 8.922. Der Annahme, dass sich beim Durchgange von Wellen durch das Arteriensystem Ab- oder Zunahme der Spannung gleichmässig vertheile, scheint die Beobachtung vun Poi- seuille, Spengler etc. zu widersprechen, welche fanden, 218 dass die Spannung während der ganzen Dauer der Exspira- tion in den dem Thorax näher gelegenen Arterien höher steigt und während der Inspiration tiefer sinkt, als in entfernter ge- legenen Arterien. Bei näherer Betrachtung widerspricht aber auch diese Beobachtung obiger Annahme nicht. Die Exspiralion bedingt vermehrte, die Inspiration ver- minderte Spannung in den innerhalb des Thorax gelegenen Arterien. Würde die Mittheilung der Spannungserhöhung oder Verminderung momentan erfolgen, so würde naclı $. 11. eine gegen die Peripherie und eine zweile gegen das Herz zu fort- schreitende Welle entstehen, von denen jede gleiche Länge hätte, wie die Strecke der Spannungs-Zu- oder Abnahme in- nerhalb des Thorax, und deren Scala der Spannungen oder Abspannungen halb so gross wäre, als dieselbe Scala innerhalb des Thorax, deren Scala der Geschwindigkeiten aber der Scala der Spannungen oder Abspannungen entspräche. Da aber die durch Ex- oder Inspiration erzeugte Spannungs-Zu- oder Ab- nalıme als eine in der Nähe einer Scheidewand erregte Welle ohne Scala betrachtet werden kann, so werden beide Wellen nach der Peripherie zu fortschreiten, und wir erhiellen, wenn wir von der zwischen beiden Wellen vorhandenen Grenze ab- sehen, eine einzige der Peripherie zu schreilende Welle, deren Länge doppelt so gross wäre, als die innerhalb des Thorax gelegene Arterienstrecke. Eine Welle von gleicher Länge würde aber in sehr kurzer Zeit, welche hinter der Dauer der Ex- oder Inspiration weit zurückbliebe, nicht nur an der Stelle, wo sie mit ihrem vorderen Ende ankommt, ihrer ganzen Länge nach vorübergegangen, sondern auch sehr schnell gegen die Kapillargefässe hin verschwunden sein, so dass nach un- serer obigen Annahme lange vor Beendigung der Ex- oder In- spiration gleichmässige Spannungs-Zu- oder Abnahme über das Arteriensystem vertheilt wäre. Der Erfahrung gemäss ist aber die Spaunung während der ganzen Dauer der Exspira- tion in den dem Thorax nahe gelegenen Arterien beträchtlich erhöht und bei der Inspiration beträchtlich vermindert, in den 219 enifernter gelegenen Arterien diese Wirkung in viel geringe- rem Grade merklich. Auch diese Thatsache können wir uns erklären, wenn wir die Einwirkung der Exspiration auf Erhöhung und der Inspiration auf Verminderung der Spannung in den innerhalb des Thorax gelegenen Arterien nicht als momentan, sondern während der ganzen Dauer dieser Akte einwirkend betrach- ten, so dass nicht Wellen entstehen, deren Länge doppelt so gross ist, als die Strecke der innerhalb des Thorax gelegenen Arterien, sondern vielmehr Wellen, deren Länge der Dauer des Ex- oder Inspirationsaktes entsprechen. Auch diese Wel- len werden gegen die Kapillargefässe zu fortschreiten, auf ihrer ganzen Länge gleichmässige Zunahme der Spannung und des Inhalts bedingen, und an der Grenze des Arteriensystems ver- schwinden. Demnach wird auch das Volumen dieser Wellen in der Nähe des Thorax am grössten sein und gegen die Pe- ripherie hin abnehmen, eben so während der ganzen Dauer der Exspiration eine höhere und während der ganzen Dauer der Inspiration eine geringere Spannung in den dem Thorax zunächst gelegenen Arterien bemerkbar sein, indem die Bil- dung dieser, in der Nähe des Thorax voluminöseren, gegen die Peripherie hin aber an Volumen verlierenden Wellen wäh- rend der ganzen Dauer dieser Akte andauert. Da aber durch die Funktion des Thorax stets Wellen erregt werden, und diese Wellenerregung nicht wie die des Herzens pausirt, son- dern nur zwischen der Bildung spannender und abspannender Wellen alternirt, so haben wir auch fast stets wegen dem grössern Volumen der Welle in der Nähe des Thorax hier grössere oder geringere Spannung, als an der Peripherie. Es könnte nur dann gleichmässige Vertheilung der Spannung ein- treten, wenn die Erregung einer neuen Welle so lange pau- sirte, bis das Ende der zuletzt erregten Welle an der Grenze des Kapillargefässsystems verschwunden wäre. Während der regelmässigen In- und Exspiration dauert die Bildung der Herzwellen fort, sie treten mit dem ent- 220 sprechenden Theile der Ex- oder Inspirations- Welle aus dem Thorax. Wir haben Fig. 36. und 37. ein Schema dieser Vorgänge gezeichnet. AB Fig. 36. stellt die mittlere Spannung der Ar- terien vor, abc die Scala der Spannungen und Geschwindig keiten der Exspiralionswelle, «ß yo die Sealen der Spannun- gen und Geschwindigkeiten der gleichzeitig erregten Herzwellen. abe Fig. 37. ist dieselbe Scala für die Inspirationswelle, «ßyd die Scalen der gleichzeiligen Herzwellen. Mit diesem Schema stimmen die von Spengler angestelllen Messungen der Span- nungen der Arterien vollkommen überein. — Ich glaube nicht, dass sich die bei manchen Individuen sowohl bei willkührlich verlängerler Ex- als Inspiration eintretende Pulslosigkeit aus mechanischen Gründen erklären lässt, weil dabei die Herzak- tion nicht fortdauert, sondern erkläre mir diese Erscheinung aus der gleichzeitig nachlassenden Herzaklion !), besonders da bei manchen Individuen durch diese willkührliche Anstren- gung bloss die Frequenz des Pulses beeinträchligt wird; halte also diese Erscheinung für durch Nerveneinfluss vermittelt. Anwendung auf die Erscheinungen am Pulse. $., 23: Wir haben schon bisher mehrmals den Puls erwähnt und es hat nicht nur die Erscheinung desselben im Allgemeinen, sondern auch unter besonderen Umständen bei bezüglichen Gelegenheiten ihre Erklärung gefunden. Wir beschäftigen uns in Folgendem noch mit einigen weiteren, hieher gehörigen Eigenschaften desselben, die wir, um den Zusammenhang des früher Vorgetragenen nicht zu sehr zu unterbrechen, bis hie- her verschieben mussten. 4) Bei mir bleibt der Herzschlag mit anhaltender tiefster Inspiration, während der Puls der Radialis verschwindet, Die Fortpflanzung der Welle durch die subelayvia wird durch das Heben der ersten Rippe geschwächt. Anm, des Herausg. 221 Wir haben bereits angegeben, welchen Antheil die durch Aus- treibung des Blutes entstandene Welle und welche der Abfluss in die Kapillargefässe an der Diastole und Systole der Arterien habe. Was die Syslole betrifft, so unterscheiden wir an dersel- ben Grösse und Dauer. Die Grösse der Systole ist in dem Falle, wo eben so viel durch die Kapillargefässe ausströmt, als vom Herzen in die Arterien eingelrieben wird, gerade so gross, als die Grösse der Diastole, von der wir noch handeln werden. Die Dauer der Systole hängt von der Frequenz des Pulses und der Dauer der Diastole ab. — Eine grössere Anzahl verschiedener Eigenschaften und eine schwierigere Deutung derselben liefert uns die Diastole der Arterien. Wir fühlen bei der Diastole der Arterien mit dem Finger deren vorzugsweise von der Längenausdehnung herrührende Loco- molion und unterscheiden: 4) Die Dauer dieser Bewegung. Die Dauer der Dia- stole hängt von der Grösse der Zeit ab, welche die Welle an irgend einer Stelle braucht, um von ihrem vorderen Ende bis zu dem Punkte vorüberzugehen, an welchem ihre Skala der Spannungen und Geschwindigkeiten abzunehmen anfängt, denn nach $. 20. wird durch diesen Theil der durch Austreibung des Blutes aus dem Herzen entstandenen Welle die Diastole bewirkt. Die Dauer des Vorübergangs dieses Wellentheils oder die Dauer der Diastole stimmt nach der $. 10. gegebenen Darstellung genau mit der Dauer der Austreibung des zur Bildung dieses Wellentheils erforderlichen Blutquantums über- ein. Diese Dauer des Vorübergangs behält dieser Wellentheil bei seiner Fortpflanzung stels bei, mag sich die Röhre in ihrer Beschaffenheit gleich bleiben oder abändern; und es zeigt dies nieht nur die Erfahrung an den Arterien, sondern es lässt sich auch leicht theoretisch begreifen; denn wenn auch beim Fortgange dieses Wellentheils das Volumen desselben allmäh- lig durch Reibung verliert oder beim Uebergange in die an- ders beschaffene Röhrenstsecke nach $. 17. durch Reflex an Volumen zu- oder abnimmt, so bleibt doch die Dauer der 222 Krafteinwirkung, welche bei der Fortpflanzung der Welle auf die angrenzende Partie der Röhre und Flüssigkeit gerichtet ist, vor welcher die Welle eben ankonımt, gemäss dem $. 10. über die Fortpflanzungsweise der Welle Gesagten stets die- selbe. Nach diesen Principien haben wir schon $. 17. ausein- andergesetzt, dass beim Uebergang der Welle aus einer Röhre in eine folgende, worin die Fortpflanzungs- Geschwindigkeit von der früheren abweicht, ihre Länge in der Art abgeän- dert wird, dass der Vorübergang der in dies Röhrenstück ein- gedrungenen Welle an einem Punkte desselben eben so lange dauert, wie an einem Punkte des vorhergehenden Röhren- stückes. Somit findet das, was wir $. 15. über die verschie- dene Fortpflanzungs- Geschwindigkeit der Welle bei verschie- dener Weite, Spannung und Dehnbarkeit der Röhre angegeben haben, auf das Verhältniss der Dauer der Diastole zur Länge des dieselbe hervorrufenden Wellentheils seine Anwendung. Durch Vergleichung der Dauer der Diastole mit der Dauer der Herzsysiole finden wir ferner das Verhältniss der Länge des Theils der spannenden Welle, welcher die Diastole be- wirkt, zur Länge der ganzen durch Austreibung des Blutes aus dem Herzen entstandenen Welle. Da nämlich der Vor- übergang dieses Theiles der Herzwelle fast eben so lange dauert, als die Herzsystole selbst, so müssen wir den folgen- den, in seinem Vorübergange mit der Systole der Arterien zusammenfallenden Theil der Herzwelle als sehr kurz betrach- ten, und annelımen, dass die Menge des ausgetriebenen Blutes fast bis zum Schlusse der Systole des Herzens sich gleich bleibt oder zunimmt, und dass die Zeit von der Abnalıme der Menge des ausgetriebenen Blutes bis zum Aufhören der Aus- treibung einen kleinen unmerklichen Moment auslreibt. 2) Die Grösse der Diastole hängt von der Grösse der Bewegung ab, welche die Arterie beim Durchgange des be- reits genannten, die Diastole veranlassenden Theils der Herz- welle vorzüglich zufolge der Längenausdehnung macht. Die Grösse dieser Bewegung hängt nicht bloss von der Beschaffen- 223 heit der spannenden, durch Auslreibung des Blutes aus dem Herzen gebildeten Welle, sondern auch von der Grösse der gleichzeitig vorübergehenden, durch den Abfluss in die Kapil- largefässe gebildeten abspannenden Welle ab. Je grösser näm- lich der gleichzeitig an der beobachteten Stelle vorübergehende Theil der abspannenden Welle ist, um so geringer ist bei sonst gleicher Form der durch Austreibung des Blutes gebildeten Welle die Diastole. Daher erfordert die Angabe der verschie- denen, von der Beschaffenheit der Herzwelle veranlassten Grösse der Diastole stets eine Correclur, welche sich nach der verschiedenen Beschaffenheit der abspannenden Welle rich- tet, und wir haben die Bedingungen eines verschieden star- ken Abflusses durch die Kapillargefässe, also auch die ver- schiedene Beschaffenheit der dadurch erregten abspannenden Welle $. 20. kennen gelernt. So wird z. B. bei gleicher Be- schaffenheit der Herzwelle die Grösse der Diastole geringer, wenn der Puls frequenter wird, weil dann der mit der Ilerz- welle zusammenfallende Theil der durch das Ausströmen in die Kapillargefässe veranlassten abspannenden Welle grös- ser wird. Was den Einfluss der Form der durch Austreibung des Blutes aus dem Herzen gebildeten spannenden Welle auf die Grösse der Diastole betrifft, so hängt dieselbe zunächst von der Form des Theils dieser Welle ab, welcher die Diastole hervorruft, ist also in Röhren von gleicher Weite bei gleicher Länge dieses Wellentheils um so grösser, je grösser das Vo- lumen desselben ist, und bei gleichem Volumen des Wellen- theils um so grösser, je kürzer die Länge desselben. Bei ver- schiedener Weite der Röhre, aber gleichem Volumen und gleicher Länge der Wellen ist die Diastole in der engen Ar- terie grösser. Nach Untersuchung des Einflusses, welchen die Form der Welle auf die Grösse der Diastole hat, gehen wir weiter zu- rück, und betrachten das Verhalten der Grösse der Diastole 224 zu den eine verschiedene Form der Herzwelle bedingenden Ursachen. Auf die verschiedene Form der Herzwelle influirt A. Bei der Austreibung des Blutes a) die Art und Weise der Austreibung desselben. Da nach $. 16. die Länge der Welle in Röhren von gleicher Weite, Dehnbarkeit und Spannung sich genau nach der Dauer der Austreibung richtet, so wird in diesen Röhren bei gleicher Menge des ausgetriebenen Blutes die Diastole um so grösser sein, je schneller die Austreibung geschieht, und bei gleicher Dauer der Austreibung um so grösser, je mehr Blut ausge- trieben wird. b) Bei gleicher Menge des ausgelriebenen Blutes und glei- cher Dauer der Austreibung hängt die Grösse der Diastole von der Beschaffenheit der Röhre ab. Wenn die Röhre bei gleicher Weite gespannter oder schwieriger dehnbar ist, als eine andere, so wird bei gleicher Dauer der Austreibung und gleicher Menge des ausgetriebenen Blutes die Grösse der Dia- stole geringer sein, Bei gleicher Dauer und Menge der Aus- treibung ist die Diastole der weiten Röhre geringer, obschon die Länge in der weiten Röhre geringer ist, als in der engen. Da wir aber nicht genau mathematisch den Einfluss der Weite und Dehnbarkeit der Röhre auf die Wellenlänge bei gleicher Dauer und Menge der Austreibung anzugeben im Stande sind, so können wir auch nicht a priori bestimmen, ob die Diastole zu- oder abnimmt, wenn z. B. die Spannung der Röhre und gleichzeitig das eindringende Wellenvolumen zunimmt, oder ob bei gleich bleibender Menge und Dauer der Eintreibung, also gleichem Wellenvolumen, die Diastole zu- oder abnimmt oder sich gleich bleibt, wenn die Röhre zwei entgegengesetzt wirkende Eigenschaften besitzt, z. B. grössere Weite und ge- ringere Spannung. B. Bei der Fortpflanzung der Welle erfährt dieselbe, so wie die Grösse der Diastole, Veränderungen. Da wir bereits früher den Einfluss, welchen das Volumen 225 und die Länge der Welle bei ihrer Fortpflanzung in Röhren, welche sich in ihrer Beschaffenheit gleich bleiben, oder durch Theilung, Abänderung der Weite, Dehnbarkeit ete. ihre Be- schaflenheit verändern, erfährt, kennen gelernt haben, und fer- ner den Einfluss der durch Volumen und Länge bedingten Form der Welle-auf die Grösse der Diastole betrachteten, so ergiebt sich darnach die Abänderung der Grösse der Diastole bei der genannten Fortpflanzung der Welle von selbst. So geht aus dem eben und dem $. 19. Gesagten hervor, dass die Diastole in den Zweigen geringer ist, als in den Slämmen, weil die Welle nicht nur durch Reibung an Volumen ver- liert, sondern auch in Theilungen übergeht, deren Summe der Lumina grösser ist, als das Lumen des Stammes. Anderes hierher Gehörige s. $. 17., wo von dem Einfluss einer Abän- derung der Spannung, Weite etc. der Röhre auf die Form der weiter gehenden Welle die Rede ist, so wie $. 21. bei den Abnormitäten der Arterien und der ihnen zugehörigen Kapillarien. 3) Die Schnelligkeit der Diastole ist um so grösser, je beträchtlicher die Grösse und je geringer die Dauer ist, und um so kleiner, je unbeträchtlicher die Grösse und je län- ger die Dauer ist. Die Schnelligkeit des Pulses ist also nach Angabe der Grösse. und Dauer bestimmt. In Bezug auf die Form der Welle ist also der Puls um so schneller, je grösser das Volumen und je kürzer die Länge der Blutwelle, um so langsamer, je geringer das Volumen und je grösser die Länge derselben. 4) Die Härte der Diastole hängt von dem Grade der Spannung der Arterie ab. Die Spannung, welche die Arterie beim Durchgange der Welle erreicht, ist bei gleicher Span- nung der Röhren um so grösser, je grösser der Puls ist. Da also die Bestimmung der von der Welle abhängigen Spannung bereits in der Bestimmung der Grösse der Diastole enthalten ist, so verstehen wir unter Härte des Pulses den Grad der Spannung, welchen die Arterie besitzt, durch welche sich die Müllers Archiv, 1815. 15 226 Welle hindurchbewegt, und der also von der Welle zunächst unabhängig ist, aber gerade beim Durchgange derselben fühl- bar wird. Wir haben die Ursachen, aus welchen die Spannung im Arteriensysieme zunimmt, bereils $. 20. aufgeführt, und geben hier nur noch eine kurze Zusammenslellung des bereils Ge- sagten. Die Härte des Pulses hängt ab: a) Vom Herzen. Je frequenler der Puls bei gleichem Volumen der Welle ist, um so gespannter wird die Arterie und um so härter muss der Puls sein. Je grösser das Volu- men der Welle bei gleicher Pulsfrequenz ist, um so gespann- ter wird die Arlerie und um so härter der Puls. “b) Von der Beschaffenheit der Arterien. Von dem Ein- flusse der Unterbindung, Compression, Verknöcherung, Durch- schneidung etc. auf ungleiche Vertheilung der Spannung haben wir $. 21. gesprochen, und verweisen auf das dort Gesagte, um daraus die Härte des Pulses zu entnehmen. Einen ähnlichen Eindruck, wie die verschiedene Span- nung, macht die verschiedene Dehnbarkeit der Arterien. Ich weiss nichl, ob durch Nerveneinfluss auf die Häute der Arle- rien eine Abänderung ihrer Dehnbarkeit möglich ist, dagegen erleiden die Arterien Veränderungen der Dehnbarkeit durch Umänderung der Textur, sind z. B. leichter dehnbar nach er- schöpfenden akuten und chronischen Krankheiten, wie Typhus, Tubereulose; sie werden rigider durch Auflagerung innerer Gefässhaut, Verknöcherung dieser Auflagerung. Die Diastole der schwieriger dehnbaren Arlerie erscheint bei gleicher Span- nung härter, als die Diastole der leichter dehnbaren Arterie. ec) Vom Kapillargefässsysteme. Auf ungleiche Verthei- lung der Spannung wirkt das Kapillargefässsystem eines ent- zündeten Organes und darüber (s. $. 21.) Eine gleichmässige Erhöhung der Spannung in allen Ar- terien, und somit einen härtern Puls, bedingen Hindernisse im sämmtlichen Kapillargefässsysteme (s. $. 20.). Wir erläutern diesen Vorgang durch einige Beispiele. 227 Die Kapillaren erhalten Nervenzweige vom Sympathicus und daher könnte z.B. bei Krankheiten s Darmkanals durch Reflex Koulraklion in sämmtlichen Kapillaren erregt, ünd da- durch der manchen dieser Krankheiten eigenthümliche harte Puls erzeugt werden, der in keinem Verhältnisse zur Fre- quenz des Pulses und zum Volumen der Welle steht. — Eine Modifikation in dem llindernisse, welches das Blut in den Kapillaren findet, könnte von der Blutbeschaffenheit abhän- gig sein, indem das an coagulabeln Bestandtheilen reichere Blut grösseres Hinderniss durch stärkere Reibung findet, als das Nüüssige Blut. Daher kann es rühren, dass der Puls in den sogenannten entzündlichen Krankheiten bei eroupöser Be- schaffenheit des Blutes nicht bloss im Verhällniss zur Fre- quenz und Grösse der Wellen härter und in Krankheiten mit Dissolution des Faserstoffs bei gleicher Frequenz und Grösse der Wellen weicher ist. Siase im sämmtlichen Vensysteme wird gleichfalls den Kapillarkreislauf beeinträchtigen und den Puls härter machen. d) Von der Ex- und Inspiration. Die Herzwelle, welche mit einer Exspiralionswelle den Thorax verlässt, bewirkt in der Reihe des Thorax Diastole einer gespannteren Arterie, also daselbst einen härteren Puls, als die Herzwelle, welche mit einer Inspiralionswelle aus dem Thorax hervorgeht (s. $.. 22.). Von einigen, aus den Geselzen der Wellenbewegung zu erklärenden Eigenschaften des Pulses, wie Duplicilät desselben bei einfacher Herzkontraktion, von dem Pulse bei Insufficienz der Aortaklappen haben wir zur Genüge gesprochen. Wir berühren daher nur noch einiges aus den Gesetzen über die Forfpflanzungs- Geschwindigkeit der Welle Hervorgehende und auf die Erscheinungen am. Pulse Bezügliche. Die Fortpflauzungs - Geschwindigkeit der Welle ist im Arteriensysleme zwar sehr gross, jedoch ist für grössere Ent- fernungen ein Unterschied in der Zeit des Vorübergehens ein und derselben Welle deutlich bemerkbar. Die Ankunft der 15* 223 Welle muss bei normalem Arteriensysteme an analogen Punk- ten beider Seiten gleichzeitig sein. Dieses Ankommen der Welle muss aber an solchen Stellen dann zu verschiedenen Zeiten Statt finden, wenn eine Seile in der Art degenerirt ist, dass dadurch die Fortpflanzungs- Geschwindigkeit zu- oder abnimmt, und die andere Seile sich weniger oder gar nicht abnorm verhält. Die Fortpflanzungs - Geschwindigkeit ist bei gleicher Weile und Spannung grösser in der schwieriger dehn- baren Arterie (s. $. 15.), eben so bei gleicher Dehnbarkeit geringer in der weiteren Arterie. Die Arterie wird aber schwieriger ausdehnbar bei der abnormen Auflagerung innerer Gefässhaut, ferner bei Verknöcherung dieser Auflagerung, sie wird beträchtlich weiter beim Aneurysma, welches meist Folge der erstern Krankheitszuslände ist, und es lässt sich somit leicht einsehen, dass dabei häufig Ungleichzeitigkeit der Pulse an analogen Stellen verschiedener Seiten vorkommen muss. Dies wurde auch in der That bei dieser wichtigen Krankheit beobachtet und ist für deren Diagnose nicht ohne Interesse. Die Unterbindung eines Arterienastes kann gleichfalls ei- nen Unterschied in der Forlpflanzungs- Geschwindigkeit be- gründen, weil dadurch die Spannung sehr ungleich vertheilt wird, so dass z. B. durch Unterbindung der Hypogaslrica ei- ner Seile der Puls an der hinter dem innern Knöchel liegen- den a. tibialis postica dieser Seite früher erscheinen muss, als an der tibialis postica der andern Seite. Dieser Unterschied muss allmählig verschwinden, wenn der Kolateralast der un- terbundenen Arterie allmäblig weiter, schwieriger dehnbar und minder gespannt wird, und kann daher kein ne, vo Zeichen bei Obliteration einer innern grossen Arterie, welche allmählig zu Stande gekommen ist. abgeben. 2 Da bei vermehrter Spannung die Fortpllanzungs- Geschwin- digkeit grösser ist, so lässt sich auch erwarlen, dass der här- tere Puls z. B. an der Radialis eher nach dem Herzschlage erscheint, als der weiche Puls. Wir haben $. 20. gesag!, dass 229 bei gleichen Volumen der Welle die Spannung im Gefässsy- steme sich nach der Frequenz des Pulses richtet. Im Icterus kommt aber ein äusserst rarer Puls vor, und wir finden in der That als Folge der geringen Spannung des Arleriensy- stems den Puls an der Radialis deutlich später nach dem Herzschlage eintreffen, als bei demselben Volumen der Welle, aber grösserer Frequenz. ber. Ueber die harnsauren Sedimente; von W. Heıntz. Die harnsauren Sedimente, welche sich aus erkallendem sau- ren Harn entweder sogleich oder nach mehreren Stunden ab- scheiden, müssen, vom chemischen Gesichtspunkte aus betrach- tel, in zwei Klassen getheilt werden. Einmal findet man ein körniges schweres, sich fest aaf den Boden legendes, unter dem Mikroskop betrachtet, deutliche Krystallform zeigendes Sediment, das, die geringe Menge Farbstoff abgerechnet, aus Harnsäure besteht, die unter Umständen nur sehr geringe Mengen einer Basis enthalten kann. Dann aber, und ich habe diese Form häufiger gesehen, als die eben genannte, setzt sich nicht sellen aus dem Harn ein in seinen physikalischen Eigen- schaften durchaus davon verschiedenes Sediment ab. Dieses legt sich nicht fest auf den Boden des Gefässes, wird durch Sehütteln sehr leicht durch die ganze Flüssigkeit vertheilt, und zeigt sich, unter dem Mikroskop betrachtet, als ein höchst feines amorphes Pulver, dem nur zuweilen Krystallchen von Harn- säure beigemengl sind. Sehr leicht unterscheidet sich dieses Sediment von dem aus reiner Harnsäure bestehenden ausser- dem dadurch, dass es, wenn der durch dasselbe getrübte Harn erwärmt wird, sich darin vollkommen auflöst, und beim Er- kalten desselben sich wieder daraus abscheidet, während jener zuerst genannte Bodensatz des Harns gar nicht oder doch nur 231 unmerkbar von dem erwärmien Harn aufgelöst wird. Es ist zuweilen aber selten vollkommen weiss, meistens hat es eine rosenrotlie oder mehr dunkelrothe Farbe; zuweilen ist es gelblich gefärbt, welche Verschiedenheiten von den Farbsloffen abhängen, die in dem Harn vorhanden sind, und die durch dasselbe zum Theil mit niedergerissen werden. Die Natur dieses Sediments ist schon lange ein Gegen- stand der Untersuchungen gewesen. Dessenungeachlet hat man bis jetzt noch nicht eine der vielen darüber aufgestellten An- sichten allgemein als die richlige angenommen, obgleich die, wonach es eine Verbindung von Harnsäure mit Ammoniak sein soll, in welche eine geringe Menge eines färbenden Stoffs eingeht, die am meisien verbreitele ist. Die Frage nach der Zusanımenselzung desselben hängt mit der über die Art, wie die Härnsäure im Harn aufgelöst enthalten ist, so eng zusammen, dass man bei geschichtlicher Anführung aller der Meinungen, welche bisher darüber ge- herrscht haben, beide nicht trennen kann. Proust hielt dieses Sediment, besonders das röthlich ge- färbte, zuerst für eine eigene Säure, die er „acide rosacique“ nannte, überzeugte sich aber später, “dass es wesentlich aus Harosäure bestehe, nur mit einem eigenthümlichen Farbstoff verunreinigt. Prout') erklärte es darauf für harnsaures Am- moniak, das durch Verbindung mit verschiedenen Farbstoffen die oben erwähnten verschiedenen Färbungen erhielte, und glaubte deswegen, die Harnsäure sei als Ammoniaksalz im Harn aufgelöst. Dieser Meinung schloss sich Donne&?) an, der sich besonders auf die Auflöslichkeit dieses Sedimen!s beim Erwärmen des Urins stützte. Gegen diese Ansicht Irat zuerst Qu&venne?) auf, der 4) W. Prout, On the nature and trealment of stomach and renal diseases. London 1843. S. 188. 2) L’Heritier, Chimie pathologique, 1842. 5. 438. 3) Ibid, S. 438. 232 es entweder für ein Hydrat der Harnsäure oder für eine Ver- bindung derselben mit einem Farbstoffe erklärte, in der wohl geringe Mengen von Ammoniak sich vorfinden könnten, jedoch nur als unwesentliche Beimischung. Wetzlar :), derSchultens ?) Angabe, dass kauslisches Ammoniak die Harnsäure nach einigen Stunden so vollständig aus dem Harne fällte, dass in der filtrirten Flüssigkeit durch eine Säure keine Fällung mehr erhalten werden könne, be- stätigt fand, konnte deshalb das amorphe Sediment nicht für harnsaures Ammoniak halten. Er glaubte vielmehr, dass Na- tron die Basis sei, woran die Harnsäure in demselben gebun- den sei, ohne sich jedoch auf directe Versuche zu stützen, sondern allein aus dem Grunde, weil er das Natron für das eigent- liche thierische Alkali hielt. Denn der einzige Versuch, den er anführt, und der darin bestand, dass er eine Auflösung von harnsaurem Natron in Harn goss, und den Harn erkalten liess, wobei ein dem amorphen Sediment ganz ähnlicher Nieder- schlag sich bildete, der aus Harnsäure und Natron, nebst et- was rolhem Farbstoff bestand, beweist nur die Möglichkeit, nieht die Nothwendigkeit, dass das natürliche Sediment gleich- falls daraus bestehe. Uebrigens konnte das auf diese Weise ergeugle künstliche Sediment möglicher Weise Kalk oder Am- moniak den im Harn aufgelösten Salzen dieser Basen entnom- men haben, und auf diese Weise also nicht mehr reines Na- tronsalz gewesen sein. Duvernoy °) schrieb dem Farbstoff des Harns die Eigen- schaft zu, die Harnsäure in Auflösung zu erhalten, und glaubte, dass sie nur dadurch sich aus demselben niederschlage, dass der Farbstoff eine Veränderung erleide. Er pflichtele daher zwar Wetzlar bei, dass das pulverförmige Sediment aus dem 1) Weızlar, Beitrag zur Kenntniss des menschlichen Harnes und der Entstehung der Harnsteine. S. 18. 2) Neues Journal der Chemie Bd, III. S. 347. 3) Duvernoy, Chemisch-medicinische Untersuchungen über den menschlichen Urin. 1835. S. 20. 233 von diesem angegebenen Grunde nicht aus harnsaurem Am- moniak bestehen könne, hielt es aber auch nicht, wie dieser, für harnsaures Natron, sondern für Harnsäure, die nur durch den Harnfarbstoff verunreinigt wäre. Hiegegen stellte Prout ') auf, dass das von den Schlan- gen entleerte harnsäurehaltige Excret, das doch. farblos sei, fast eben so löslich sei, wie das genannte Sediment. In die- sem Falle könne also wenigstens Duvernoy’s Ansicht nicht richtig sein, und die Möglichkeit, dass auch aus dem mensch- lichen Harn sich harnsaures Ammoniak abscheiden könne, sei dadurch unzweifelhaft, obgleich dem Farbstoffe wohl einige Mitwirkung bei der Auflösung der Harnsäure zuerkannt wer- den müsse. Die Ansicht von Willis *), dass der Grund der Auflö- sung der Harnsäure im Harn in ihrer chemischen Verbindung mit Wasser zu suchen sei, erledigt sich dadurch von selbst dass Fritsche *) gezeigt hat, wie diese Verbindung es gerade ist, die stets zuerst entsteht, wenn die Harnsäure sich aus einer kalten Auflösung abselzt. Sie ist also eben so unlöslich wie die wasserfreie Harnsäure. A. Becquerel *) tritt der Ansicht von Qu&@venne voll. kommen bei, und hält mit ihm das amorphe Sediment für Harnsäure, die durch den Harnfarbstoff gefärbt, und der unter Umständen jedoch stels nur wenig harnsaures Ammoniak bei- gemengt sei. Scheerer °) meint, wie Wetzlar, die Harnsäure sei als Natronsalz im Harn aufgelöst, setze sich aber amorph als reine Harnsäure durch Einwirkung der Milchsäure aus dem- selben ab. Die ‚saure Reaction des noch nicht getrübten 1) a. a. O. S. 533. 2) Willis, Krankheiten des Harnsystems. 1841. S. 20. 3) Plharmaceutisches Centralblatt. 1839. S. 206. 4) Beequerel, Scmiotique des urines. 4841. p- 45. 5) Seheerer, Chemische und mikroskopische Untersuchungen zur Pathologie. 1843, 234 Harnes erklärt er dadurch, dass die freie Säure desselben Milchsäure sei, die erst, wenn sie in einer gewissen Menge vorwalte, das harnsaure Natron, das er in der Auflösung enthalten annimmt, zersetzen könne. Der Vorgang bei der Sedimentbildung sei nun der, dass das harnsaure Natron durch die anfangs -vorhandene Milchsäure zum Theil zerlegt werde, die abgeschiedene Harnsäure aber noch, wie auch Duvernoy meinte, durch den Extraetivstoff aufgelösst erhalten würde, bis dieser leicht zersetzbare Stofl sich so verändert hätte, dass sie sich abscheiden müsse. Die freie Milchsäure, die nun im Verhältniss zu ihr in grösserer Masse als vorher wirke, zer- setze dann wieder etwas harnsaures Natron, und so fort bis alle Harnsäure ahgeschieden sei. Man sieht aber nicht ein, weshalb die freie Milchsäure nach Abscheidung eines Theils der Harnsäure im Verhältniss zu dieser in grösserer Masse vorhanden sein müsse. Denn so viel Atome dieser Säure ab- geschieden werden, ebenso viel Atome Milchsäure müssen sich mit dem Natron des harnsauren Natrons verbinden. Es’ würde nur dann wirklich der Fall sein, wenn mehr Milchsäure im Harn vorhanden wäre, als Harnsäure, was Scheerer durchaus nicht bewiesen hat, was vielmehr durch neuere Forschungen widerlegt ist. Lipowitz !) ist gleichfalls der Meinung, dass die Harn- säure durch die Milchsäure aus ihrer Verbindung mit Natron ausgetrieben werde. Er hat nämlich gefunden, dass sie, wenn sie mit einer Auflösung eines milchsauren Salzes bis auf einige Grade über die Blutwärme erhitzt wird, sich auflöst, beim Erkalten aber sich wieder absetzt. A, Simon ?) spricht sich über das amorphe Sediment in der Art aus, dass man daraus ersieht, er halte zwar das Vor- kommen der amorphen Harnsäure für gewiss aber für sehr selten. 4) Simon’s Beiträge zur physiologischen und pathologischen Chemie und Mikroskopie. I. S. 97. 2) Simon, Medicinisch-analylische Chemie. Il, S. 372, 235 Golding Bird !) dagegen erklärt, niemals amorphe Harnsäure gesehen zu haben. Alle diese Ansichten müssen durch den höchst wichtigen und Inhaltschweren Aufsatz von Liebig ?): „Ueber die Con- stitution des Harns der Menschen und der fleischfressenden Thiere” eine mehr oder weniger vollständige Modification er- leiden. Da nach Liebig’s Untersuchung des gefaulten und nach meiner ?) des frischen Harns in ihm durchaus keine Milchsäure vorhanden ist, so sind nothwendig die Ansichten, nach denen das Harnsäuresediment durch Einwirkung dieser Säure abgesondert werden soll, unrichlig. Liebig’s Arbeit giebt uns bekanntlich den klarsten Aufschluss über die Art, wie die Harnsäure in dem Harne aufgelöst ist, indem er zeigt, dass phosphorsaures Natron die Fähigkeit hat, diese Säure in ziemlich bedeutender Menge aufzulösen, indem sich die Phos- pborsäure und die Harnsäure in das vorhandene Nalron Iheilen, und dass diese Flüssigkeit sauer reagirt, wie der Harn. Ob aber das amorphe Sediment aus Harnsäure oder aus harnsau- ren Salzen bestehe, dafür ist sie nicht entscheidend. _ Denn nach den Thatsachen, dieLiebig aufstellt, bleibt beides mög- lich. Da die Harnsäure nach ihm mittelst des phosphorsauren Natrons im Harn aufgesöst enthalten ist, so wäre sowohl der Fall denkbar, dass dieses Salz sie beim Erkalten als solche wieder absetzt, wenn sie elwa nur in der Wärme einen Theil des Natrons des phosphorsauren Salzes an sich risse, beim Erkalten aber wieder fahren liesse, als auch der, dass das saure phosphorsaure Natron in der Auflösung bliebe, wäh- rend saures harnsaures Natron sich absetzte. Diese Frage zu erledigen und dadurch die Bildung der verschiedenen Harn- säuresedimente zu erklären ist der Zweck dieser Arbeit. Die Entscheidung derselben wird besonders durch die 4) Bibliothek des Auslandes für die organisch-chemische Rich- tung der Heilkunde von Eckstein. 1844. Heft Il. S. 31. 2) Annalen der Chemie und Pharmacie. XL. S. 161. 3) Poggendorff’s Annalen. LXII. S. 602. .236 grossen Schwierigkeiten sehr behindert, welche der direkten Untersuchung des amorphen Sediments entgegenslehen, und die theils darin ihren Grund haben, dass in dem auf einmal gelassenen Harn sich dem Gewicht nach nur äusserst wenig desselben absetzt, theils darin, dass es beim Auswaschen zum grossen Theil sich wieder auflösst und endlich darin, dass es rein zu erhalten sehr schwer, ja es vom Farbstoff vollständig zu befreien, unmöglich ist, Die vielen’Untersuchungen, welehe ich mit dem genannten Sedimente angestellt habe, sind auf folgende Weise ausgeführt worden. Der Harn wurde frisch gelassen filtrirt, oder wenn sich das Sediment schon gebildet halle, vorher erwärmt, bis es sich wieder aufgelöst hatte und dann filtrirt. Das nach dem wieder erfolgten Erkalten sich abscheidende, in der Regel rölhlich gefärbte Pulver wurde abfiltrirt, und so lange mit destillirtem Wasser ausgewaschen, bis die ablaufende Flüssig- keit durchaus frei von den Harnbestandtheilen gefunden wurde, mit Ausnahme der geringen Menge des Sediments, welches sich in demselben auflöste. Das so erhaltene Pulver oder ein Theil desselben, wenn seine Menge zu diesem’ und dem sogleich anzuführenden Ver- suche hinreichte, wurde noch feucht in einem Uhrgläschen mit kaustischem Kali übergossen. Ein darüber gehaltener, mit Salzsäure befeuchteter Glasstab erzeugte in allen (wohl 20) Fällen deutliche Nebel von Salmiak. Diesen Versuch stellte ich stets in einem Zimmer an, das entfernt genug von meinem Laboratorium lag, als dass man annehmen dürfte, die ammoniakalische Atmosphäre desselben hätte ihre Entstehung bedingt. Auch umgab sich der mit Salzsäure befeuchtete Glasstab, weder wenn er enifernt von dem Uhrgläschen ge- halten, noch wenn er der zu dem Versuche angewendeten Kalilösung genähert wurde, mit Nebeln. Die Anwesenheit des Ammoniaks in dem genannten Sedimente ist daher durch den angegebenen Versuch erwiesen. Der andere Theil des Sediments wurde getrocknet und 237 verbrannt. Er lieferte stels eine im Verhältniss zur unter- suchten Verbindung nicht unbedeutende aber nicht sich gleich- bleibende Menge Asche. Ich erhielt in den verschiedenen Versuchen 4,26; 8,02; 3,20; 2,98; 5,635 7,14; 6,20; 4,21; 3,61 p- e. Asche. Diese untersuchte ich wegen der geringen Menge, in der sie in den einzelnen Fällen erhalten wurde (nur 0,002 bis 0.006 Grammen), mit der grössten Vorsicht auf folgende Weise. Sie wurde mit wenigem kochenden Wasser ausge- zogen, die alkalisch reagirende Lösung abfiltrirt und zur Trockne verdampft. Der Rückstand wurde mit einigen Trop- fen Wasser übergossen, damit erwärmt, und mit einigen Trop- fen Salzsäure versetzt. Stets bemerkte ich hierbei eine, wenn auch nur geringe Gasentwickelung, ein Beweis, dass die auf- gelösten Basen vor dem Verbrennen der Substanz an orga- nische Säure gebunden gewesen waren. Die Lösung wurde wieder zur Trockne abgedampft, und vor dem Löthrohr mit den bekannten Vorsichtsmassregeln auf Natron untersucht, welches ich in allen Fällen deutlich nachweisen konnte. Der Rest wurde zu einem Versuche, Kali mittelst Platinchlorid auf- zusuchen, verwendet. In zwei Fällen war seine Gegenwart unzweifelhaft, obgleich es nur in höchst geringer Menge gefun- den wurde. Der Theil der Asche, welcher sich im Wasser nicht auf- gelöst hatte, wurde mit Salzsäure, worin er sich unter Brau- sen auflöste, versetzt, die Auflösung ammoniakalisch gemacht, und zu der klar bleibenden Flüssigkeit einige Tropfen einer Auflösung von Oxalsäure gefügt. Ich erhielt in allen Fällen einen Niederschlag von oxalsaurem Kalk. Die davon abfiltrirte Vlüssigkeit gab mit phosphorsaurem Natron in einem Falle einen schwachen Niederschlag von phosphorsaurer Ammoniaktalkerde. Auf Salzsäure, Schwefelsäure und Phosphorsäure habe ich diese Asche stels vergeblich untersucht. Aus diesen Versuchen geht also hervor, dass das fragli- che Sediment an Basen slets Ammoniak, Natron und Kalk, zuweilen auch Kali und Magnesia enthält, und zwar an eine 238 organische Saure gebunden. Diese Säure ist offenbar Harn- säure, wie es schon seit Proust'’s bekannter Arbeit über die- sen Gegenstand allgemein angenommen ist. Auch ich habe mich durch viele Versuche davon überzeugt. Es ist daher zweifellos, dass das amorphe Sediment stets harnsaures Ammoniak, harnsaures Natron und harnsaure Kalk- erde, seltener auch harnsaures Kali und harnsaure Magnesia enthält. Scheerer'!) ist zwar der Meinung, dass der kohlensaure Kalk, welchen auch er in der Asche dieses Sediments stets gefunden hat, von milchsaurem Kalk herrühre; indessen ist wie erwähnt gar keine Milchsäure im Harn enthalten, und wenn dies auch der Fall wäre, so würde doch in den von mir un- tersuchten Sedimenten nicht irgend ein milchsaures Salz ent- halten gewesen sein können, da ich sie anhaltend mit Wasser ausgewaschen halte, worin diese Salze bekanntlich sämmtlich auflöslich sind. Der einzige Einwurf, welcher noch dagegen gemacht wer- den könnte, wäre, dass der Stoff, welchem das Sediment seine Farbe verdankt, es sei, der die in der Asche gefundenen Ba- sen gebunden hält. Diese Ansicht kann zwar nicht dadurch widerlegt werden, dass der Farbstoff keine Säure sei, oder wenigstens eine, weit schwächere als die Harnsäure; denn wir wissen leider über seine Natur zu wenig. Die Ursache dieser Unbekanntschaft mit seinen Eigenschaften ist aber zugleich der Grund, auf welchen ich mich stülze, indem ich diesen Ein- wurf als unbegründet zurückweise. Er ist nämlich in zu ge- ringer Menge im Harnsediment vorhanden, um die Anwesen- heit von bis 8 Procenten allein feuerbeständiger Basen, zu er- klären, Ausserdem habe ich aber auch einmal ein fast voll- kommen weisses Sediment unlersneht, welches von allen oben 4) Chemische und mikroskopische Untersuchungen zur Patholo- gie, 1843. S. 1. 239 angeführten gerade am meisten feuerbeständige Basen enthielt, nämlich 8,02 p. c., unter denen auch Kali sich befand. -— "Wenn es nun hiedurch enwiesen ist, dass das amorphe Sediment stets salzarlige Verbindungen der Harnsänre enthält, so fragt es sich jelzt, ob es in der That nur aus harnsaurem Salze besteht, oder ob, auch wenn das Mikroskop keine Kry- stalle von Harnsäure nachweist, dennoch diese Säure im freien Zustande in demselben vorkomme. Diese Frage ist weit schwieriger zu entscheiden als die eben erledigte. Wenn man einen vollkommen reinen Stoff und diesen in hinreichender Menge zur Untersuchung hätte, so würde ınan zu ihrer Beantwortung unzweifelhaft zur quan- titativen Analyse desselben schreiten. Man kann aber, wie ich schen oben anführte, das Sediment nicht vollständig von seinem Farbstoff befreien. Für jetzt will ich zuerst die Gründe besprechen ‚welche für die Ansieht angeführt worden sind, als bestünde das amor- phe Sediment auch nur zum Theil aus Harnsäure. Die Gründe, welche Qu&venne bestimmte, diese Ansicht aufzustellen, kann ich leider nicht angeben, also auch nicht direct wider- legen, weil mir die Originalarbeit desselben nicht zu Händen gekommen ist. Ich kann nur das anführen, was L’H£ritier !) darüber sagt. Danach scheinen die Gründe für seine Ansicht nur gewesen zu sein, dass sowohl die Auflöslichkeit des Sedi- ments in der Wärme, wie auch die Abscheidung der- Harn- säure aus dem Harn durch eine slärkere Säure, sich eben so gut mit der Ansicht verlrüge, dass sie als harnsaures Salz, als mit der, dass sie als reine Harnsäure darin enthalten sei. Die Art und Weise, wie Qu&venne diese letztere Meinung ver- theidigen will, giebt L’H£ritier leider nicht an. Duvernoy ?) welcher, wie ich schon oben erwähnte, 4) L’Heritier, Trait& de ehimie pathologique. S. 438. 2) Chemisch-medieinische Untersuchungen über den menschlichen Harn. 1835. 8, 19, 240 der Meinung war, dass der Farbstoff des Harns die Auflöslich- keit der Harnsäure bedinge, giebt einige Gründe gegen die Annahme, dass diese Säure an ein Alkali gebunden im Harn enthalten sei, an, die nach ihrer Widerlegung durch Liebig’s eben erwähnte Arbeit uns jetzt wenig iuteressiren können, Merkwürdig ist aber, dass sein Versuch, den er als für seine Ansicht sprechend anführt, direct zur Bestätigung der Lie- big’schen Ansichten dienen kann. Er löste nämlich reine krystallisirte Harnsäure in kochen- dem Wasser auf, und setzte so viel Harnfarbstoff hinzu, dass die Farbe der Auflösung die eines elwas concentrirlen Urins war, und beobachtete nun oft keine Fällung beim Erkalten desselben, Auch beim Zusatz einer Säure schied sie sich erst nach einigen Stunden aus. Diese Erscheinung erklärt er durch die anflösende Kraft, welehe der Farbstoff auf die Harnsäure ausüb® Der Harnfarbstoff, welchen er zu diesem. Versuche anwendete, war auf folgende Weise bereitet worden. Den zum Extract eingedampften Harn zog er mit absolulem Alko- hol aus, und stellte nach dem Abdampfen die gelöste Masse zur Krystallisation hin, dann liess er den flüssigen Theil in Papier einziehen, und erhielt aus diesem durch Auslaugen mit Wasser und Abdampfen den Farbstoff. Dieser musste aber neben anderen Stoffen auch noch Phosphorsäure enthalten. Denn schon Vauquelin !) und Henry ?) ja Duvernoy °®) selbst ‚haben die Gegenwart der Phosphorsäure im alkoholi- schen Auszuge des Harnextraels nachgewiesen. Mag sie nun im freien Zustande darin enthalten seyn, oder im gebundenen, so muss sie dadurch zur Auflösung der Harnsäure nothwen- dig beitragen, dass sie sich mit dem Ammoniak, welches aus dem vorhandenen Harnstoff sich erzeugt haben musste, verbin- det, und so zur Bildung eines basisch phosphorsauren Alkali- 4) Annales du Museum d’histoire naturelle. XVII. S. 133. 2) Journal de pharmacie. XV, S. 228. 3)a. 0 QuST2A 241 salzes Anlass giebt. Der aus dem Harnsediment selbst durch Auskochen mit Alkohol erhaltene Extraclivstoff gab ihm da- her nicht dasselbe Resultat, weil dieser offenbar von Phos- phorsäure wie von Harnstoff frei war. Den Schluss, welchen Duvernoy aus seinem Versuche für die Zusammensetzung des amorphen Harnsediments zieht, ist daher vollkommen unbe- gründet. Es folgt daraus durchaus nicht, dass das Sediment nur eine Verbindung der Harnsäure mit dem Extractivstoff sei. Becquerel:) führt als Grund, weshalb er der schon angefürten Meinung von Qu&venne über die Zusammen- setzung desselben beitritt, folgendes an. Wenn ein solches Sediment von dem Harn abfiltrirt und einige Male mit Wasser, zuletzt aber mit Alkohol ausgewaschen wird, so soll es nach ihm auf einem Objectgläschen mit Chlorwasserstoffsäure ver- mischt durchaus nicht seine Form verändern. während man doch erwarten sollte. dass, wenn es ein harnsaures Salz wäre, Harnsäure in Krystallen abgeschieden werden müsste. Manch- mal hat Becquerel dies zwar bemerkt, aber nur theilweise, und dann, sagt er, sei harnsaures Ammoniak beigemengt ge- wesen. Ich habe zu Widerlegung dieser Schlüsse, welche Bec- querel aus seinem Versuche zieht nicht allein den seinigen wiederholt, sondern auchı noch einige neue angestellt. Wenn man trocknes harnsaures Ammoniak, das in feinen Nadeln krystallisirt ist, mit etwas verdünnler Salzsäure ver- setzt und die Veränderungen, die es dadurch erleidet, mittelst des Mikroskops beobachtet, so bemerkt man anfänglich gar keine Einwirkung; allmälig werden aber die Nadeln etwas breiter, ohne dass jedoch die sich abscheidende Harnsäure die regelmässige Form annimmt, die sie zeigt, wenn sie sich un- mittelbar aus einer Flüssigkeit absetzt. Wird statt mit Wasser verdünnter mit Alkohol verdünnte Salzsäure zu dem genannten Salz hinzugefügt, so wirkt die 1) Boequerel, a. a. ©, Müller's Archir, 1845, 16 242 Säure noch langsamer ein; dann aber scheidet sich die Harn- säure amorph ab, Wenn das weiter unten weitläufiger besprochene künst- lich dargestellte amorplie harnsaure Salz, das als Basen Na- tron und wenig Ammoniak enthält mit Wasser angerührt wird, zu dem ein wenig Salzsäure gesetzt worden ist, so sieht man unter dem Mikroskop anfänglich gar keine Veränderung. Nur bei sehr genauer Beobachtung mittelst eines sehr guten Instrumentes bemerkt man endlich, dass die einzelnen Körnchen etwas länglicher werden. Als ich statt Wasser uud Salzsäure Alkohol und Salz- säure zu demselben Salze hinzufügte, konnte ich indessen kaum die geringste Veränderung bemerken, Ganz ebenso verhielt sich das mit Wasser vollständig ausgesüsste Harnsediment. Wird es vollständig getrocknet und mit Wasser und Salzsäure angerührt, so zeigt es selbst nach langer Zeit keine deutliche Veränderung. Es bildeten sich zwar stets nach langer Zeit einige sehr kleine Krystallchen von Harnsäure, allein viel des amorphen Pulvers blieb unver- ändert, und auch die sich erzeugenden Krystallchen waren nicht vollständig ausgebildet. Ihre Ecken waren mehr oder weniger abgerundet. Das trockene Sndiment mit Alkohol und Salzsäure ver- setzt, veränderte seine Form gar nicht. Wurde dagegen das Sediment noch feucht vom Filtrum genommen, so konnte man zwar anfänglich beim Zusatz von Salzsäure auch keine Veränderung bemerken. Aber nach eini- ger Zeit wurde jedes der kleinen Kügelchen länglicher, und bekam eine Form, die der der Harnsäure vollkommen ent- spricht, so weit es bei der grossen Kleinheit dieser Körnchen möglich war, es zu beurtheilen. Eine ähnliche Veränderung konnte nicht bemerkt wer- den, als das noch feuchte Sediment mit etwas mit Alkohol verdünnter Salzsäure versetzt wurde, obgleich nach längerer Zeit die Körnchen ein wenig länglicher geworden zu sein 243 schienen, was aber bei der Kleinheit derselben nicht mit hin- reichender Sicherheit beobachtet werden konnte. Man sieht aus diesen Versuchen, dass das trockne amor- phe Harnsediment sich genau so verhält, wie das trockne amorphe harnsaure Natron, mögen sie mit alkoholischer oder wässriger Salzsäure verselzt werden, dass aber das feuchte Sediment mit Wasser und Salzsäure behandelt sich stets in wenn auch nur kleine Harnsäurekrystalle verwandelt. Da aber Beequerel, wie aus der Beschreibung seines Versuchs hervorgelit, entweder alkoholische Salzsäure auf das ausgewa- schene Sediment einwirken liess, oder, wenn dies nicht der Fall war, es doch vor dem Versuch gelrocknet halle, so ist klar, dass er kein anderes Resultat finden konnte, als er ge- funden hat, ohne dass er jedoch zu dem Schluss, welchen er daraus zieht, nämlich dass das untersuchle Sediment kein harnsaures Salz sei, berechtigt wäre. Denn eine Verbindung, die offenbar ein harnsaures Salz ist, verhältsich genau ebenso, wie jenes. Der Grund aber dafür, dass die Krystalle, die sich bei, diesen Versuchen bilden, nur sehr klein sind, liegt offenbar darin, dass die harnsaure Verbindung nicht in hinreichender Menge in der Flüssigkeit auflöslich ist, so dass die Harnsäure nieht aus einem aufgelösten Salze, sondern aus der unaufge- lösten Verbindung unmittelbar sich abscheidet. Daher war auch die Zersetzung des harnsauren Salzes in den Fällen, wo es mit alkoholischer Salzsäure versetzt wurde, gar nicht zu bemerken, weil sowohl die Harnsäure selbst, als die genann- ten harnsauren Salze darin ganz unlöslich sind. Hiermit glaube ich hinreichend dargethan zu haben, dass die Gründe, welche dafür angeführt werden, dass das amorphe Harnsediment nur aus Harnsäure bestünde, durch- aus nicht das beweisen, was sie beweisen sollen. Soll ich nun aber darthun, dass in dem amorphen Sediment neben harnsauren Salzen keine freie Harnsäure enthalten sei, so muss ich bekennen, dass ich es zwar im höchsten Grade wahrschein- 16* 244 lich machen, aber nicht beweisen kann. Ich habe keinen Versuch ersinnen können, der mich auf directem Wege zur Entscheidung dieser Frage hätte führen mögen. Doch kann ich nicht unterlassen, eines Versuchs Erwähnung zu thun, den ich zwar schon mit der Ueberzeugung anstellte, dass er mir diese Frage nicht beantworten werde, der aber gerade deshalb von Interesse ist, weil ich das Resultat desselben aus der Mischung des Harns und aus Liebig’s Erklärungsweise der Auflösung der Harnsäure im Harn im Voraus erschliessen konnte. Wenn man einen Harn, der ein amorphes Sediment ge- bildet hat, filtrirt, und die Flüssigkeit mit etwas reiner Harn- säure versetzt und erwärmt, so löst sich dieselbe in nicht unbedeutender Menge auf, und fällt beim Erkalten wieder nie- der. Das so erhaltene amorphe Sediment ist aber nicht Harn- säure, sondern hauptsächlich harnsaures Ammoniak. Ich habe auf diese Weise mit demselben Harn dreimal hintereinander künstliche Sedimente erzeugt, die sämmtlich eine bedeutende Menge Ammoniak enthielten. Das erste derselben hinterliess beim Verbrennen noch 5,53 pCt. Asche, die beiden letzten waren aber fast ganz frei davon. Es fragt sich nun, wie es zu erklären ist, dass der Harn. wenn er mit Harnsäure öfters gekocht wird, sie immer wie- der von Neuem auflöst, und beim Erkalten ein harnsaures Salz fallen lässt. Ich bin der Meinung, dass diese Frage, wenn wir von Liebig’s Ansicht über das Lösungsmittel der Harn- säure ausgehen, sich sehr leicht beantworten lässt. Nehmen wir an, dass das nach der ersten Abkochung des Harns mit Harnsäure niedergefallene künstliche Sediment das vorhandene phosphorsaure Natron fast vollständig in saures phosphorsau- res Salz verwandelt habe, so kann dieses als solches freilich nicht ferner wesentlich von ihrer Basis an die Harnsäure ab- treten. Da aber Harnstoff im Harn vorhanden ist, der so- wohl bei gewöhnlicher Temperatur, als besonders in der Koch- hitze Ammoniak durch seine Zersetzung erzeugt, so muss sich phosphorsaures Ammoniak-Nalron bilden, was nun wiederum 245 Harnsäure aufzulösen vermag. Daher enthielten auch die zu- letzt dargestellten künstlichen Sedimente fast gar keine feuerbe- ständigen Basen, sondern hauptsächlich Ammoniak. WäreimHarn nicht eine fortwährende Quelle für die Bildung dieser Base vorhanden, so würde dieser Versuch ein bedeutendes Gewicht für die Entscheidung dieser Frage haben können. Obgleich es mir nieht möglich gewesen ist, die Abwvesen- heit der freien Harnsäure als amorphes Pulver im Sediment direet nachzuweisen, so gelt doch daraus, dass die Gründe für die entgegenselzte Ansicht durchaus unhaltbar sind, ent- schieden hervor, dass wir nicht berechligt sind, sie als die richtige zu betrachten. Ich will aber jetzt einige Thatsachen anführen, welche für die Meinung sprechen, nach welcher das amorphe Sediment nur aus harnsauren Salzen besteht. Es ist bekannt, dass man, wenn die Harnsäure aus der Auflösung ihrer Salze mittelst einer Säure präcipitirt wird, niemals ein amorphes Pulver erhält, mag die Fällung auch noch so schnell geschehen. Unter dem Mikroskop erkennt man immer Blätteben, wenn dieselben auch nicht immer regelmässige Krystallformen haben. Da nun der Bodensatz des Harns sich nieht einmal plötzlich bildet, sondern mehr oder weniger Zeit zu seiner Abscheidung braucht, so ist gar nicht einzusehen, weshalb hier die Harnsäure amorph niederfallen sollte. Man könnte zwar einwenden, dass der Ilarnfarbstoff, welcher mit ihr zugleich sich abscheidet, ihre Krystallisation verhinderte. Allein wir finden bekanntlich sehr oft krystallisirte Harnsäure, die sogar auch durch den Harnfarbstoff gefärbt ist, als Sedi- ment im Harn. Ja selbst in dem amorphen Sediment sind oft einige wenige Krystalle von Harnsäure aufzufinden. End- lich wenn man die Harnsäure aus dem Harn oder unter gün- sligen Umständen aus dem Sedimente durch eine Säure ‚ab- scheidet, so setzt sie sich krystallisirt, und demnach gefärbt ab. Dieser Einwurf ist daher durchaus unhaltbar. Ich habe schon oben eines Versuchs Erwähnung gelhan, nach welchem Harn, der von dem amorphen Sediment abfil- 246 irirt worden ist, in der Wärme reine Harnsäure auflöst, und beim Erkalten harnsaures Salz fallen lässt. Da nun Harnsäure aus der vom Sediment befreiten Harnflüssigkeit noch feuerbe- ständige Basen mit fortnehmen kann, so ist nicht einzusehen, weshalb nicht schon die als amorph in dem Sediment enthal- ten angenommene Harnsäure sich dieser Basen bemächligt hat. Diese Gründe gegen die Abscheidung der Harnsäure aus dem Harn als amorphes Pulver werden, so glaube ich, genügen. Jetzt fragt es sich wodurch es veranlasst wird, dass das Harnsediment stets amorph erscheint, während doch sowohl das harnsaure Ammoniak, als das harosaure Natron in freilich “nur mikroskopischen Nadeln anschiesst. Was die harnsaure Kalkerde betrifft, so brauche ich ihre Abscheidung aus dem Harn als amorphes Pulver nicht weiter zu erklären. Denn sie fällt auch in reinem Zustande aus ih- rer Auflösung in Wasser in dieser Form nieder. Wenigstens erhielt ich sie mehreremale so, als ich Kalkmilch mit über- schüssiger Harnsäure kochte, die Flüssigkeit abfiltrirte und er- kalten liess. Für die Abscheidung des harnsauren Ammoniaks als amor- phes Pulver hat Bence Jones') eine Erklärung gegeben, welche ich durch meine Versuche zum grössten Theil bestäti- gen kann. Er fand nämlich, dass harnsaures Ammoniak, wenn es in Wasser aufgelöst und mit einer Auflösung gewisser an- derer Salze, zum Beispiel von essigsaurem Ammoniak oder Chlorammonium versetzt wird in amorphem Zustande daraus niederfällt, ein Beweis nicht nur, dass durch diese Salze die Auflöslichkeit desselben vermindert wird, sondern auch seine Fällung in der Form bedingt wird, in der es aus dem Harn sich abscheidet. Kochsalz wirkt in Beziehung der Löslichkeit dieses Salzes umgekehrt, aber das harnsaure Salz erhält dadurch gleich- falls die Eigenschaft, sich als amorphes Pulver abzuscheiden. Es bildet unter dem Mikroskop betrachtet grössere oder kleinere 4) The Lancet. 16 December 1843. 247 Kügelchen. Bence Jones hält das aus einer Kochsalzlösung abgeschiedene Salz für harnsaures Ammoniak. Wenn dieses der Fall ist, so ist dadurch auch für dieses Salz erklärt, wo- durch es verursacht wird, dass es sich in der genannten Form aus dem Harn abscheidet. Es bleibt noch übrig 'eine ähnli- che Ursache der Abscheidung in amorpher Form für das harn- saure Natron zu finden. Dies ist mir durch die Untersuchung des nach Bence Jones dargestellten Salzes gelungen. Ich fand nämlich in demselben sowohl Natron als Am- moniak, und vermulhete daher zuerst, dass die Harnsäure bei dem angegebenen Versuche ein Doppelsalsa mit Ammoniak und Natron bildete, während sich eine entsprechende Menge Salmiak erzeugte. Meine Versuche haben aber dirse Ansicht widerlegt, es ist gewiss, dass das amorphe Salz keine Doppel- verbindung, sondern nur eine Mengung des Natronsalzes mit dem Ammoniaksalze ist. Ich will hier zuerst die genauere Beschreibung der Un- tersuchung dieses Salzes folgen lassen. Es wurde mehrmals auf die oben angegebene Weise dargestellt, und zuerst die Quantität des Natrons, welche in den verschiedenen Salzen enthalten ist, auf die Weise beslimmt, dass eine gewogene Menge des gut ausgewa- schenen und bei: 100° C. getrockneten Salzes in einem Platintiegel bei möglichst schwacher Hitze verkohlt, zu der kohligen Masse concentririe Schwefelsäure gesetzt, und der Ueberschuss derselben durch Hitze, mit grosser Vorsicht, weil die Masse leicht spritzt, vertrieben wurde. Das Zusetzen von Schwefelsäure und das Verjagen des Ueberschusses derselben widerholte ich so oft, bis der Rückstand vollkommen weiss geworden war. Dann wurde das saure schwelfelsaure Natron auf die bekannte Weise mitlelst kohlensauren Ammoniaks in neutrales Salz verwandelt und gewogen. Auf diese Weise erhielt ich ziemlich verschiedene Mengen von schwefelsaurem Natron, Aus 0,6655 Grm, eines solchen Salzes erhielt ich 0,1933 248 Grm. schwefelsaures Natron, was 0,0847 Grm. oder 12,73 pCt. Natron entspricht, 0.3692 Grm, desselben Salzes, welche 'ich zur Controle der analytischen Methode verbrannte, gaben 0,1084 Grm. schwefelsaures Natron, d. h. 12,87 pCt. Natron. 0,4972 Grm. eines anderen Salzes gaben 0,1632 Grm. schwefelsaures Natron oder 0,0715 Grm. Natron. Es enthielt also 14,38 pCt. Natron. Aus 0,4485 Grm. eines dritten Salzes erhielt ich 0,1425 Grn. schwefelsaures Natron, d. h. 13,92 pCt. Natron. Von einem vierten Salze wurden 0,6833 Grm. auf die- selbe Weise verbrannt, und lieferten 0,2138 Grm. schwefel- saures Natron oder 13,71 pCt. Natron. 0,5725 Grm. eines fünften endlich gaben 0,1932 Grm. schwefelsaures Natron oder 14,79 pCt. Natron. Ein Salz dagegen, welches durch Kochen von Harnsäure mit einer ammoniakalischen Kochsalzlösung beim Erkalten der filtrirten Flüssigkeit in Form kleiner Nadeln erhalten worden war, gab weit weniger Natron. Ich erhielt aus 0,457 Grm. desselben 0,050 Grm. schwefelsaures Nalron, also nur 4,79 pCt. Natron. Um die vollständige Zusammensetzung dieser Verbindung zu ermitteln, befolgte ich folgende Methode. Eine gewogene Quantität des bei 100° getrockneten Sal- zes wurde mit heisser verdünnter Salzsäure übergossen, und die Flüssigkeit in mässiger Wärme bis zu einer geringen Menge verdampft. Nach dem Erkalten setzte ich etwa das Fünffache des Rückstandes an absolutem Alkohol hinzu, um eine Flüs- sigkeit herzustellen, in der die Harnsäure vollkommen unlös- lich ist, während Kochsalz und Salmiak noch davon aufgelöst werden. Die Harnsäure wurde nun auf einem gewogenen Filtrum filtrirt, mit Alkohol ausgewaschen, bei 100° getrock- net und gewogen. Die .abfiltrirte Flüssigkeit wurde mit etwas Platinchloridlösung und etwa ein Drittheil derselben an Aether versetzt, das Ammoniumplatinchlorid nach zwölf Stunden filtrirt, 249 und mit ätherhaltigem Alkohol ausgewaschen. Aus der Quan- tilät des daraus durch Glühen erhaltenen Platins wurde die Menge des Ammoniaks bestimmt. Die vom Ammoniumplatin- chlorid abfiltrirte Flüssigkeit wurde abgedampft, der Rückstand zur Zersetzung des überschüssig zugesetzten Platinchlorids schwach geglüht, mit Wasser daraus das Chlornatrium ausge- zogen, und nach dem Abdampfen und schwachen Glühen gewogen. 2 ; So untersuchte ich zuerst das Salz, welches 14,79 pCt. Natron gegeben hatte. I. Aus 0,3643 Grm. desselben erhielt ich 0,2958 Grm. Harnsäure, 0,0043 Grm. Platin und 0,102 Grm. Chlornatrium. Es enthielt also 81,20 pCt. Harnsäure, 0,09 pCt. Ammonium- oxyd und 14,92 pCt. Natron. II. Aus 0,8405 Grm. des Salzes, welches 13,70 pCt. Na- iron gegeben hatte, erhielt ich 0,6877 Grm. Harnsäure, 0.030 Grm. Platin und 0,225 Grm. Chlornatrium. Dies ent- spricht 81,82 pCt. Harnsäure, 0,95 pCt. Ammoniumoxyd und 14,27 pCt. Natron. ! III. 0,718 Grm. des Salzes, welches 13,92 pCt. Natron gegeben hatte, lieferten 0,587 Grm. Harnsäure 0,0163 Grm. Platin und 0,1942 Grm. Chlornatrium. Es enthielt also 81,75 pCt. Harnsäure, 0,60 pCt. Ammoniumoxyd und 14,41 pCt. Natron. Um mich zu überzeugen, ob die angewendete analytische Methode besonders für die Bestimmung der Harnsäure hinrei- chend genau sei, untersuchte ich stets die abgeschiedene Säure mit der grössten Sorgfalt auf einen Gehalt an Natron durch Einäschern eines Theils derselben, und an Ammoniak durch Uebergiessen des Restes mit kaustischem Kali, welcher Mischung dann ein mit Salzsäure benetzter Glasstab genähert wurde, Ich fand aber niemals etwas dieser Stofle, selbst nicht in der geringsten Menge, Ein zweiter Versuch, welcher zur Controle dienen sollte, war folgender. Ich versetzie eine gewogene Quantität des 250 Salzes, dessen Analyse unter I. angegeben worden ist, in ei- nem Platintiegel mit etwas Salzsäure haltligem Wasser, dampfte die Masse ein, und Itrocknete den Rückstand bei 100° C., worauf er gewogen wurde. Er musste aus Harnsäure, Chlor- natrium und Chlorammonium bestehen. Die Quantität des gefundenen Rückstandes muss nun der Summe der Harnsäure und des Chlorammoniums und Chlornatriums entsprechen, welche aus den in dem "Salze gefundenen Mengen Natron und Ammoniumoxyd gebildet werden können. Ich fand, dass 0.2422 Grm., auf diese Weise behandelt, 0,2657 Grm. Rück- stand liessen, oder 109,70 auf 100 Theile. 100 Theile des Salzes enthalten aber nach der obigen Analyse 81,20 Harn- säure und soviel Natron und Ammoniumoxyd, dass daraus 28,00 Chlornatrium und 0,19 Chlorammonium erzeugt werden müssen. Die Summe dieser drei Zahlen ist 109,39, also der gefundenen so nahe, als nur irgend zu erwarlen war. Ferner "bestimmte ich zu demselben Zweck den Slick- stoffgehalt in demselben Salze nach der Methode von Will und Varrentrapp. 0,213 Grm. desselben gaben 0,4015 Grm. Platin, d. h. 0,0576 Grm. Stickstoff oder 27,04 pCt. In diesem Salze hatte ich 81,20 pCt. Harnsäure gefunden. Diese Menge derselben enthält aber 27,26 Stickstoff. Rechnet man hiezu noch 0,05 Stickstoff, der in dem Ammoniumoxyde des Salzes ent- halten ist, so findet man im Ganzen 27,31 pCt. Stickstoff, eine Zahl, die gewiss hinreichend genau mit der durch die direkte Stickstoffbestimmung erhaltenen übereinstimmt, so dass die Güte der Methode der Analyse dadurch hinreichend er- wiesen ist. Um mich nun zu überzeugen, ob nicht etwa durch das Trocknen bei 100° €. ein grosser Theil des Ammoniaks aus- getrieben sein möchte, stellte ich das Salz noch einmal dar, und trocknete es unter der Luftpumpe über Schwefelsäure. Die hier folgende Analyse dieses Salzes zeigt keine wesent- lichen Verschiedenheiten von den früher angeführten, 251 0,5026 Grm. desselben gaben 0,4112 Grm. Harnsäure, 0.0268 Grm. Platin und 0,1192 Grm. Chlornatrium. Dies ent- spricht 81,81 pCt. Harnsäure, 1,41 pCt. Ammoniumosyd und 12,64 pCt. Natron. Stellen wir nun die verschiedenen Analysen zusammen, so finden wir, dass, wenn man die geringe Mange Ammonium- oxyd mit zum Natron rechnet, die Zusammensetzung dieses Salzes der Formel (C>H:N:02 +1) + (C>HiN*0:+Na) ziemlich genau entspricht. # I. I. II. IV. berechnet Harnsäure . . . » 81,20 81,82 81,75 81,81 80,73 Ammoniumoxyd. 0,09 0,95 0.60 1,41 —, Natron . .0...1492: 1427 14,41. 12,64 14,96 Wasser (Verlust) 3,79 2.96 3,24 4,14 4,31 100 100 100 100 100 Indem ich die angeführte Formel für dieses Salz aufstelle, will ich nicht behaupten, dass ein Atom Harnsäure als aus C:H*+N*O? bestehend betrachtet werden müsse. Darüber zu entscheiden, ob diese Formel oder C!°H®N?O% die richtige sei, ist nicht der Zweck dieser Arbeit. Ich wende sie nur an, weil sie auf den gegebenen Fall genau passt, und weil sie Berzelius für jetzt aufstellt. Ausser den angeführten Salzen untersuchte ich auch das oben erwähnte, in Nadeln krystallisirte Salz, welches 4,81 pCt. Natron gegeben halte. Es wurde gleichfalls bei 100° getrock- net. 0,521 Grm. desselben lieferten 0,4603 Grm. Harnsäure. 0,1241 Grm. Platin und 0,0463 Grm. Chlornatrium, d. h. es enthielt 88.35 pCt. Harnsäure, 6,31 pCt. Ammoniumoxyd und 4,74 pCt. Natron, Dieses Salz besteht also aus: Harnsäure ..... 88.35 Ammoniumoxyd... 6.31 Datnoll.. »)1.0&..% 4,74 Wassarmioti. #1- 0,60 252 Es ist diese Zusammensetzung durchaus nicht auf eine einfache Formel zurückzuführen, da weit mehr Harnsäure vorhanden ist, als die gefundenen Mengen Basis zu binden vermögen. Zu bemerken ist aber, dass aus diesem krystalli- sirten Salze bei 100° fast alles Wasser entweicht, während in dem oben erwähnten Natronsalze offenbar ein Atom des- selben vorhanden bleibt. Sollte das bei dieser Wärme fort- gehende Wasser vielleicht eine entsprechende Quantität Am- moniak mit fortreissen, und deshalb die gefundenen Zahlen nicht mit einer Formel in Einklang gebracht werden können? So viel geht aber unzweifelhaft aus der Untersuchung dieses Salzes hervor, dass seine Zusammenselzung von der des oben erwähnten Natronsalzes verschieden ist. Will man daher das amorphe Salz wiedererhalten, so muss man nicht Harnsäure mit einer ammoniakalischen Auflösung von Koclh- salz, sondern harnsaures Ammoniak mit Kochsalzlösung er- hitzen, und nach Abscheidung des Ungelösten die Verbindung durchs Erkalten sich abscheiden lassen. Auch habe ich be- merkt, dass je concentrirter die Kochsalzlösung angewendet wird, um so mehr Natron in der sich ausscheidenden Verbin- dung enthalten ist. Es ist mir geglückt, diese Verbindung auch auf die Weise darzustellen, dass ich einer Auflösung von Kochsalz, das mit der Harnsäure fein angerieben war, so viel Ammoniakflüssigkeit in der Kälte hinzufügte, dass der Geruch davon deutlich zu bemerken war, und das Ganze nun mehrere Tage stehen liess. Die ganze Menge der Harnsäure verwandelt sich dadurch in ein amorphes Pulver, oder wenn die Menge der Flüssigkeit vermehrt wird, in etwas grössere Kugeln, die Harnsäure, Na- iron, Ammoniak und Wasser enthielten. Aus 0,5655 Grm. eines solchen Salzes erhielt ich 0,4605 Grm. Harnsäure, 0,0075 Grm. Platin, und 0,1463 Grm. Chlor- natrium. Dies beträgt 81,43 pCt. Harnsäure, 0,35 pCt. Am- moniumoxyd und 13,79 pCt. Natron, 253 gefunden berechnet Harnsäure... . . 81,43 80,73 Ammoniumoxyd 0,35 —_ Nätzon*l..u. 13,79 14,96 Wasser ..... 4.43 4,31 100 100 Die Untersuchung dieser Salze zeigt also nicht allein, dass wenn harnsaures Ammoniak mit Kochsalzlösung gekocht wird, sich sowohl harnsaures Natron als harnsaures Ammoniak ab- scheidet, sondern auch, dass diese, wenn sie sich mit einander aus einer kochsalzhaltigen Flüssigkeit abscheiden, die amorphe Form annehmen. Dieser Fall ist in dem Harn stets gegeben; es ist also nothwendig, dass sich auch aus ihm beide Salze mit der angegebenen Form aussondern. Das Angeführte ist freilich nur eine genügende Erklärung des Faktums; die Gründe aber, weshalb die angegebenen Um- stände gerade dies Resultat haben müssen, können erst dann nachgewiesen werden, wenn wir die Gesetze, welche die Bil- dung der verschiedenen Krystallformen bedingen, kennen werden. i Als ich schon den grössten Theil der Versuche, welche ich in dieser Arbeit niederlege, vollendet halte, kam mir der Aufsatz von Golding Bird ) in die Hände, in welchem er einige Versuche beschreibt, die die Sedimentbildung im Harn erklären sollen. Er löste phosphorsaures Natron in Wasser, selzte der Lösung Harnsäure zu und löste sie durch Wärme darin auf. Nach dem Filtriren erhielt er beim Erkalten ein Salz, das aus in Sternchen und Bündeln vereinigten Prismen bestand, sich in kochendens Wasser nicht auflöste, und beim Einäschern einen feuerbeständigen Rückstand liess. Diese Angaben stim- 1) London medical gazette, August 1844. Eine Uebersetzung findet sich im „Archiv für physiologische und pathologische Chemie und Mikroskopie, 1844, Heft 3. S. 248. 254 men vollkommen mit den Resultaten meiner Versuche über- ein. Auch fand ich die Veränderung, welche Salzsäure be- wirkt, wenn der Niederschlag damit digerirt wird, zum Theil so, wie Bird sie angiebt. Die Krystalle veränderten nämlich nicht ihre Form, sie wurden nur trübe. Einige derselben zer- fielen aber, ohne jedoch zur Bildung von Harnsäurekrystallen Anlass zu geben. Ganz verschiedene Resultate hat aber un- sere Untersuchung der Asche dieser Verbindung gegeben. Golding Bird sagt nämlich, dass die mit Salzsäure di- gerirten Krystalle, wenn sie im Platinlöffel verdampft wurden, zu einer schwarzen Masse verbrannten, die beim weitern Er- hitzen zuletzt ein weisses geschmolzenes Kügelchen zurück- liessen, welches in Wasser löslich war, mit Säure aber nicht brauste, und aus phosphorsaurem Natron bestand. Abgesehen davon, dass es durchaus unnölhig war, die Asche darauf zu untersuchen, ob sie mit Salzsäure brauste, da die Asche von mit Salzsäure abgedampften organischen Alkalisalzen überhaupt nicht mit dieser Säure noch brausen kann, ist der Rückstand gewiss nicht phosphorsaures Natron, sondern Chlornalrium gewesen. Denn ich erhielt beim Ver- brennen des reinen gut ausgewaschenen Salzes einen weissen geschmolzenen Rückstand, der sich in Wasser löste, mit Säu- ren stark brauste, und dabei den Geruch entwickelte, welcher aus einem eyansauren Salze mittelst einer Säure hervorge- bracht wird. Die Auflösung in überschü-siger Salzsäure gab, wenn sie mit Ammoniak im Ueberschuss und mit schwefel- saurer Magnesia versetzt wird, selbst nach langer Zeit keinen Niederschlag. Das Salz war also nicht eine Verbindung von Harnsäare mit phosphorsaurem Natron, wie Bird meint, son- dern ein Natronsalz dieser Säure. Dies geht auch daraus her- vor, dass sich, wenn man eine geringe Menge der Krystalle auf einem Objectgläschen mit Salzsäure anfeuchtet, und die Flüssigkeit freiwillig verdunsten lässt, besonders, wenn dies mehrmals wiederholt wird, im Rückstande würfelförmige und octa&drische Krystalle, offenbar von Kochsalz, vorfinden. "Ich ” 255 brauche hier wohl kaum zu wiederholen, dass der Grund, weshalb die Krystalle beim Zusatz von Salzsäure nicht ihre Form, nur ihr Ansehen verändern, wieder darin 2u suchen ist, dass die Harnsäure auch hier aus dem festen harnsauren Salze sich abscheidet und nicht aus einer Auflösung. Als ich die von der eben erwähnten Verbindung abfiltirte Flüssigkeit mit Harnsäure nochmals erhilzte und heiss abfil- trirte, so bildete sich ein, obwohl geringerer Bodensalz, der ausgewaschen und verbrannt gleichfalls noch eine natronhal- tige Asche zurückliess, jedoch nur in geringer Menge. Wurde dies mit der wiederum abfiltrirten Flüssigkeit mehrmals wie- derholt, so erhielt ich endlich ziemlich reine Harnsäure, die also beim Verbrennen kaum eine Spur feuerbeständiger Salze zurückliess. Die Form der Krystalle, in welcher sie sich jetzt abschied, war meist der ähnlich, in der die Harnsäure am häufigsten im Harn vorkommt; sie bildete nämlich rhombische Tafeln, die aber mehr langgestreckt waren, so dass die zwei Diagonalen sich etwa wie 1:6 verhiellen, während dies Ver- hältniss bei aus dem Harn sich abscheidender Harnsäure etwa wie 2:3 ist. Die Ecken, diejenigen besonders an der kürze- ren Diagonale, waren ebense abgerundet, wie man dies in Harnsedimenten so oft sieht. Einmal habe ich jedoch auch prismatische Formen beobachtet. Wurde die Auflösung von phosphorsaurem Natron, aus der sich schon reine Harnsäure abgeschieden halte, nochmals mit Harnsäure erwärmt, und mit elwas saurem Harn versetzt, aus dem sich eine Mengung von Harnsäure und harnsauren Salzen als freiwilliges Sediment abgesetzt halte, so schied sich die Harnsäure genau in der Form ab, in der sie sich im Harn am meisten vorfindet. Ebenso war dies der Fall, wenn zu dieser Auflösung ein Harn gesetzt wurde, der durch Salzsäure von der Harnsäure, die er enthielt, befreit worden war, wie auch schon Bird gefunden hat. Das phosphorsaure Ammoniak -Natron verhält sich wie das pliosphorsaure Nalron, wie schon Bird gleichfalls angiebt, 256 nur dass das anfänglich entstehende Sediment aus harnsaurem Ammoniak mit sehr wenig harnsaurem Natron besteht. Zu- letzt aber scheidet sich gleichfalls fast reine Harnsäure ab. Aus diesen Versuchen geht deutlich hervor, dass das phos- pborsaure Natron und Ammoniak-Natron durch Harnsäure zum Theil zersetzt wird, so dass auch beim Erkalten die Ba- sis an die sich abscheidende Harnsäure gebunden bleibt, dass aber, wenn auf diese Weise erst eine gewisse Menge der Ba- sis aus der Auflösung entfernt ist, zwar in der Wärme die Harosäure sich auflöst mitlelst des Alkalis des phosphorsauren Salzes, beim Erkalten aber wieder als freie Säure sich ab- scheidet, indem ihre Verwandischaft zu der Basis durchs Er- kalten so geschwächt wird, dass diese an die Phosphorsäure gebunden bleiben kann. Somit haben wir nun alle Mittel in Händen, um die Ent- stehung der krystallinischen Sedimente vollständig zu erklä- ren. Ein Absatz von reiner Harnsäure in Krystallen muss dann sich im Harn bilden, wenn er sehr saure phosphorsaure Salze enthält, vorausgesetzt natürlich, dass eine hinreichende Menge dieser Säure in dem Harn enthalten ist; denn in diesem Falle sahen wir bei dem oben angeführten Versuche fast vollkom- men reine Harnsäure sich abscheiden. In der That ist der Harn stets sehr stark sauer, wenn er ein Sediment von kry- stallisirter Harnsäure absetzt. Je weniger sauer das in ihm aufgelöste phosphorsaure Salz ist, um so mehr Basis wird die sich abscheidende Harn- säure enthalten, bis endlich bei dem Verhältniss von zwei Atomen Basis auf ein Atom Phosphorsäure das Sediment bei Bei- behaltung der Krystallisation am meisten der Basen enthält. Jetzt habe ich nur noch die Bildung der amorphen Se- dimente zu erklären. Da, wie ich oben gezeigt habe, ein Harn, der ein solches Sediment abgesetzt hat, wenn er mit Harnsäure erwärmt und dann filtrirt wird, wiederum ein sol- ches Sediment absetzen kann, das noch bedeutende Mengen feuerbeständiger Basen enthält, so ist offenbar, dass das Men- 257 genverhältniss zwischen Harnsäure, Phosphorsäure und den von dieser gebundenen Basen in einem solchen Harn der Art sein muss, dass erstere von letzteren nicht so viel bei der Se- dimenibildung aufnimmt, dass das in der Auflösung bleibende phosphorsaure Salz ein saures wird. Da nun ferner, wie in dem Frülieren auseinandergesetzt ist, nie ein amorphes Pulver, sondern stets Krystalle sich absondern, wenn eine Auflösung von phosphorsaurem Natron mit Harnsäure erwärmt, und die klare Lösung erkalten gelassen wird, so war der Schluss ein- fach, dass das amorphe Sediment sich im Harn erzeugen muss, wenn mehr als zwei Atome Basis mit einem Alom Phosphor- säure in demselben verbunden sind. In der That zeigte ein Versuch, dass, wenn eine Lösung von phosphorsaurem Natron mit harnsaurem Ammoniak anhaltend gekocht, und die Flüs- sigkeit, die dann schwach alkalisch oder neutral reagirt, Altrirt wird, nach längerer Zeit ein Bodensatz sich bildete, der voll- kommen amorph war. Er lag aber fest auf dem Boden des Gefässes und erschien, unter dem Mikroskop betrachtet, als aus ziemlich grossen Kugeln bestehend. Dieses Salz ist offenbar dem amorphen Harnsedimente entsprechend, welches man oft besonders im ammoniakalischen Harne findet, und das bei dreibundertmaliger Vergrösserung aus etwa stecknadelknopfgrossen Kügelchen zu bestehen scheint. Für dieses Sediment kann ich aber noch eine andere Entste- hungsweise angeben. Haben sich nämlich aus einem sauren Harn Krystalle von Harnsäure abgeschieden, und wird dieser Harn durch schnelle Zersetzung des Harnstofls bald darauf ammoniakalisch, so formen sich die Krystalle allmälig in die erwähnten Kügelchen um, wie ich es oft zu beobachten Ge- legenheit halte. Man kann sie auch künstlich dadurch her- vorbringen, dass man den Harn, in welchem Harnsäure- krystalle sich abgeschieden haben, schwach ammoniakalisch macht. Oben gab ich schon an, dass wenn man reine Harnsäure mit Kochsalzlösung und so viel Ammoniak versetzt, dass die Müllers Archiv 1845, 17 258 Flüssigkeit danach riecht, ein amorphes Salz in grösseren oder kleineren Kügelchen erzeugt wird, das ganz die Zusammen- selzung desjenigen hat, was entsteht, wenn in einer solchen Lösung harnsaures Ammoniak aufgelöst wird. llieraus scheint hervorzugehen, dass das im IJarn vorkommende amorphe, aber in grossen Kugeln sich abscheidende Sediment, gleichfalls aus einer Mengung von harnsaurem Ammoniak mit harnsaurem Natron besteht. Um dies direkt nachzuweisen, habe ich dieses Sediment, wie es im Harn vorkommt, zu untersuchen versucht, obgleich es mit grossen Schwierigkeiten verknüpft ist, weil es theils in so ausserordentlich geringer Menge im Harn vorkommt, theils fast immer mit phosphorsaurem Kalk und phosphorsau- rer Ammoniak-Talkerde gemischt ist. Ich erhielt es jedoch zweimal auf die Weise ziemlich rein, dass ich den Harn schwach sauer machte, wodurch das Sediment nur nach län- gerer Zeit zersetzt wird, während die plosphorsauren Salze augenblicklich sich auflösen, dass ich dann, nachdem das Se- diment sich geselzt hatte, die klare Flüssigkeit abgoss, darauf schnell filtrirte und auswusch. In den meisten Fällen gelang dies freilich nicht, indem der Schleim des Harns das schnelle Filtriren desselben verhinderte, weshalb dann die vollständige Abscheidung der Ilarnsäure aus dem Sedimente erfolgte. Die zwei so gereinigten kugligen Sedimente enthielten reichlich Ammoniak und gaben beim Verbrennen 1,75 und 1,72 pCt. Asche, die zwar noch elwas phosphorsauren Kalk, aber auch Natron enthielt. Es bleibt jelzt nur noch übrig, die Entstehung des fein pulverigen Sediments zu erklären. Da dieses nur im sauren Harn sich bildet, so lag es nahe, zu vermuthen, dass dazu eine solche Sälligungsstufe der im Harn befindlichen Phos- phorsäure erforderlich sei, dass mehr als zwei und weniger als drei Atome Basis damit verbunden sind, wobei die saure Reaction dennoch mittelst der darin aufgelösten Harnsäure leicht zu erklären ist. Ich versuchte daher eine Flüssigkeit ” 259 herzustellen, die diese Eigenschaft hätte, indem ich theils Harnsäure und harnsaures Ammoniak zu gleicher Zeit in phosphorsaurem Natron auflöste, oder indem ich zu der Mi- schung des harnsauren Ammoniaks mit einer Auflösung von diesem Salze höchst wenig Salzsäure setzte, und die warme Flüssigkeit abfillrirte. In diesen Fällen erhielt ich stets ent- weder grössere Kugeln oder diese gemengt mit den oft er- wähnten länglichen Krystallchen. Wurde aber Kochsalz noch zu der Auflösung hinzugefügt, so erhielt ich öfters ein dem amorplien Harnsedimente ganz ähnliches Pulver, das sich aber stets ziemlich fest an die Wände der Gefässe legte, wie man es auch häufig bei Harnsedimenten findet. Meistens erhielt ich jedoch dieselben Absätze, wie wenn kein Kochsalz binzu- gelügt gewesen wäre. Daraus, dass in diesem Falle oft Krystalle und amorphes Pulver zugleich sich absetzi, erklärt sich auch das gemein- schaftliche Vorkommen von Harnsäure und harnsauren Salzen im Harn. Dies kann dann eintreten, wenn elwas aber nur wenig mehr der Basen als zwei Atome mit einem Atom Phosphorsäure verbunden sind. Doch kann öfters der Grund hiefür auelı darin liegen, dass in dem Harn, der zuerst stark sauer war, und also Harnsäure beim Erkalten absetzte, ziem- lich schnell der Harnstoff zerselzt wird, so dass durch das sich bildende Ammoniak die Sältigungsstufe desselben erreicht wird, bei der sich das amorphe Sediment bildet. Ueberhaupt möchte das Ammoniak, welches man im Harn findet, nach von Schlossberger im Giessener Laboratorium angestellten Versuchen, erst durch die Zersetzung des Harnstofls gebildet werden. Mit Sicherheit erhielt ich nur dann ein pulveriges Salz, wenn ich zu der von dem kugligen Absatz abfiltrirten Flüs- sigkeit einen Tropfen einer sehr verdünnten Säure hinzu- fügte. Wurde ein Ueberschuss von Salzsäure zugesetzt, so schied sich natürlich die Harnsäure im ausgebildeten Kry- stallen ab. I7= 260 Bekanntlich verhält sich mancher Harn, welcher für sich kein Sediment oder wenigstens erst spät ein solches absetzt, ebenso. Wenn eine Säure in höchst geringer Menge hinzu- gefügt wird, so scheidet sich aus demselben ein amorphes Pulver entweder sogleich, oder nach einiger Zeit aus. Oflen- bar ist solcher Harn, abgesehen von den übrigen Bestandthei- len desselben, als eine Lösung von Harnsäure in phosphor- saurem Nalron anzusehen, in welchem lelzteres mehr als zwei Atome Basis auf ein Atom Säure enthält. Die zugesetzte Säure entzieht dem phosphorsauren Natron einen Theil dieser Basis, und der Rest kann nun nicht mehr so auflösend auf die Harnsäure wirken, wie vorher, so dass sie sich ausschei- den muss. Dies geschieht als harnsaures Salz, so lange noch nicht so viel Säure zugesetzt worden ist, dass auch dieses seine Basis an die Salzsäure abtritt; aber die Harnsäure wird sogleich rein abgesondert, wenn die Salzsäure in hinreichen- dem Ueberschuss zugesetzt wird. Die angeführten Versuche reichen aber noch nicht hin, die so häufige freiwillige Bildung eines fein pulverigen amor- phen Sediments im Harn zu erklären, da es mir nur einige Male gelungen ist, unler den angegebenen Umständen ein sol- ches Sediment zu erhalten. Daher versuchte ich, welche Form ein Gemenge von barnsaurem Kalk, Natron und Ammoniak, wenn sie sich zu- gleich aus einer Flüssigkeit abscheiden, annehmen möchten. Zu dem Zweck löste ich in einer Lösung von Kochsalz und phosphorsaurem Natron, zu der ein Tropfen einer verdünnten Chlorcaleiumlösung hinzugefügt war, harnsaures Ammoniak auf, und machte die Lösung, ehe sie filtrirt wurde, mit einem Tropfen verdünnter Salzsäure schwach sauer. Die klare Flüs- sigkeit setzte stels beim Erkalten ein höchst feines amorphes Pulver ab, das sich in der Wärme leicht auflöste, beim Erkal- ten aber in derselben Form wieder niederfiel, und sowohl Kalk, als Natron und Ammoniak enthielt. Da ich nun oben gezeigt habe, dass das feinpulverige 261 Sediment aus einer Mengung von harnsaurem Natron, harn- saurem Kalk und harnsaurem Ammoniak besteht, und also nicht nur die Eigenschaften, sondern auch die Zusammen- setzung mit diesem künstlich dargestelllen Sedimente gemein hat, so ist durch diesen Versuch der Grund der Abscheidung desselben als feines amorphes Pulver hinreichend klar gege- ben. Er liegt nämlich in dem gleichzeitigen Niederfallen die- ser drei Salze, wovon das Kalksalz, wie ich oben gezeigt habe, an sich schon immer, das Ammoniak und Natronsalz aber, wenn sie sich bei Gegenwart von Kochsalz aus einer Flüssigkeit zusammen abscheiden, gleichfalls häufig als feines amorphes Pulver, immer aber in Form von grösseren oder kleineren mikroskopischen Kugelu niederfallen. Man ersieht aus dieser Arbeit, dass mit Hülfe von Lie- bieg’s Ansicht über die Art und Weise, wie die Harnsäure im Harn aufgelöst enthalten ist, nicht nur die Entstehung aller verschiedenen harnsäurehaltigen Sedimente leicht erklärt wer- den kann, sondern auch, dass sie sich sämmtlich künstlich nachmachen lassen. Ich glaube daher, dass sie einigermaassen dazu beilragen wird, diese Ansicht allgemein zu machen. Ueber das Verhalten der optischen Medien des Auges gegen Licht- und Wärmestrahlen; von Ernsst BrÜckE. (Vorgetragen in der Berliner physikalischen Gesellschaft am 20. März 1845.) Die physiologische Optik hat sich zwar zunächst mit dem Lichte zu beschäftigen, welches wir sehen, da durch dieses unsere Gesichtserscheinungen vermittelt werden; ich glaube aber, dass es zu nülzlichen Erörterungen führen kann, wenn wir uns auch einmal mit dem Lichte beschäftigen, welches wir nicht sehen. — Ich stellte mir die Frage, warum wir die brechbarsten Strahlen des Sonnenlichtes nicht sehen, dieselben erst bei der Linie M in Edm. Becequerel’s Spectrum (Des effeis produils sur les corps par les rayons solaires: Ann. Ch. Ph. IX. Nov. 1843) schwach leuchtend werden, und erst von der Linie I an so deutlich, dass man die Frauenhofer- schen Linien direkt erkennen kann, während sie bis dahin nur durch ihre Bilder auf photographischen Platlen bestimmt worden sind. Der Grund hiervon konnte entweder darin lie- gen, dass diese Strahlen die optischen Medien des Auges nicht durchdringen können, oder darin, dass der Sehnerv auf sie nicht mit der Empfindung des Leuchtenden reagirt. Finden wir, dass die fraglichen Strahlen gar nicht zur Nervenhaut gelangen, sondern von den optischen Medien ab- 263 sorbirt werden; so ist ihre Unsich!barkeit vollkommen erklärt und man braucht nicht erst anzunehmen, dass der Selhnerv für dieselben unempfindlich sei. Der direeteste Versuch, um dies zu entscheiden, würde darin bestanden haben, dass ich mir von Licht, welches schon durch die Augenmedien gegan- gen war, photographische Spectra nach Beequerel’s Weise verschafft, uod untersucht hälle, ob die obere Grenze dersel- ben mit der oberen Grenze des leuchtenden Speetrums überein- stimmte. Es fehlte mir aber hierzu an den nöthigen Vorrich- tungen. Ich suchte deshalb nach einer Substanz, welche von den brechbarsten Strahlen auf eine charakleristische Weise verändert wird, von den weniger brechbaren aber nicht. Die passendste, welche ich zu diesem Zwecke finden konnte, war das Guajakharz, in Bezug auf welches man alles Licht in bläuendes und enulbläuendes theilen kann, indem dasselbe von starkbrechbaren Strahlen gebläut, von schwachbrechbaren aber wieder eulbläut wird. Die Angaben über die Grenze zwi- schien bläuenden und entbläuenden Strahlen sind verschieden, nach Edm. Beequerel ist es die Linie H im Violet, bei Moser aber (Pogg. Ann. 56. p. 193.) finde ich angeführt, dass sich Guajakpapier noch im blauen Lichte blaugrün färbt. Es gehört also jedenfalls ein nicht unbeträchtlicher Theil der bläuenden Strahlen zu den sichtbaren und ich konnte deshalb aueh nicht hoffen, sie vermitlelst der optischen Medien des Auges völlig abzuhalten, aber doch vielleicht ihre Wirkung auf eine in die Augen fallende Weise zu schwächen. Ich babe nun durch vielfältige und häufig wiederholte Versuche gefunden, dass die Linse die bläuenden Strahlen in sehr hohem Grade absorbirt, weniger die Cornea und der Glaskörper, am meisten aber die Linse mit diesen beiden Me- dien zusammen. Von meinen Versuchen will ich nur dieje- nigen anführen, welche mit der geringsten Mühe nachzuma- chen sind, und durch deren Wiederholung sich jeder am leichtesten von der Richtigkeit meiner Angaben überzeu- gen kann, 264 4) Man lege die frische Linse eines Ochsenauges mit der Kapsel auf einen 6 Mm. hohen Metallring von 9 Mm. Radius, und zwar mit ihrer convexesten Seite nach oben, so dass man sicher ist, dass sie die Fläche, auf die der Ring gestellt wird, nicht berührt. Dann übergiesse man eine kleine Porzellan- platte mit Guajaktinetur, trockne sie im Dunkeln, stelle auf sie den Ring mit der Linse, und setze sie dem diffusen Lichte aus. Während sich nun die Platte, da, wo das Licht unmit- telbar auf sie wirkt, lebhaft grün und nach und nach immer weiter bis zum tiefsten Dunkelblaugrün färbt, findet man an der Stelle, wo das Licht durch die Linse eingefallen ist, nur ein lichtes Gelbgrün, welches nicht weiter fortschreitet, man mag den Versuch dauern lassen, so lange man will. Man setze hierauf den Metallring mit der Linse auf eine andere Stelle der Platte, welche bereits vollkommen gefärbt ist, man wird finden, dass hier dann die Färbung die regressive Meta. morphose durchmacht, und zwar stels so lange, .bis sie bei demselben lichten Gelbgrün angelangt ist, welches man in dem ersten Versuche beobachtete; nur ist hierzu je nach der In- tensilät des einwirkenden Lichtes kürzere oder längere Zeit erforderlich, oft ein ganzer Tag und mehr. 2) Man stelle denselben Versuch an, wie vorher, bedecke aber die Linse noch mit der Cornea, welche man durch einen Zirkelschnitt mit einem Theil der Sklerotika vom Auge abge- trennt hat; man wird en, dass die eintretende Färbung noch geringer, ja oft kaum walırnehmbar ist. Bringt man nun dieselbe Combination auf eine schon gefärbte Stelle der Platte, so geht der Bleichungsprocess ungeslört vor sich, zum Zeichen, dass das Licht, welches durch die beiden Medien hindurchgeht, noch stark genug ist, um seine ihm eigenthüm- lichen Wirkungen geltend zu machen. 3) Man bediene sich der Cornea allein, welche man über einen Holz- oder Korkring befestigt hat, und man wird ähn- liche Erscheinungen, wie bei der Linse wahrnehmen, aber in einem unvergleichlich geringeren Grade. 265 4) Man nehme eine kleine Abrauchschaale, überziehe sie inwendig, wie vorhin die Porzellanplatte, mit einer dünnen Schicht von Guajakharz und lege einen möglichst unverletz- ten Glaskörper vom Rinde hinein, dann färbt sich die ganze Schaale am Lichte noch ziemlich lebhaft: in der Mitte, wo die Häute des Glaskörpers, aus denen nach und nach die Flüssigkeit aussickert, zusammenliegen und wo überhaupt die vom Licht zu durchdringende Schicht am dieksten ist, bleibt sie heller, aber wird selbst hier noch bläulich grün. 5) Man lege in dieselbe Abrauchschaale, nachdem man sie frisch überzogen hat, einen Glaskörper mit der Linse, dann färbt sie sich wie vorher, nur gerade unterhalb der Linse bleibt ein heller Fleck. 6) Man lasse sich nun die Schaale am diffusen Lichte grün färben, lege kreuzweis in dieselbe zwei schmale Stan- niolstreifen, darauf den Glaskörper mit der Linse, und lasse dies ein bis zwei Tage am Lichte stehen. Leert man dann die Schaale aus, so findet man unter den Stanniolstreifen ein einförmig grüngefärbles Kreuz, welches sich im oberen Theil, wo das Licht unmittelbaren Zutritt hatte, hell gegen den nun- mehr tief blaugrün gefärbten Grund absetzt, weiter nach der Tiefe zu wird die Schaale heller, und da endlich, wo das Licht durch die Linse eingefallen ist, findet man einen ganz liebten Fleck, gegen den sieh die Schenkel des grünen Kreu- zes scharf abgrenzen, so dass er gegen sie fast weiss erscheint. Ausser den oplischen Medien des Rindsauges habe ich auch noch die vom Kaninchenauge und die Linse vom Hecht angewendet, welche letztere den Vorzug hat, dass sie, vor- sichtig getrocknet, eine grosse Durchsichtigkeit behält, so dass man mit ihr noch in diesem Zustande, so wie auch mit ge- trockneten Ochsenlinsen, welche nur meistens schr an Durch- sichtigkeit verlieren, experimentiren kann. So habe ich ein- mal auf einer schon grün gefärbten Platte, vermiltelst einer solchen Linse, die gerade sehr gut ihre Form behalten halte, sich ein Stück der Sonnenbahn hell abbilden lassen. Im All- 266 gemeinen !hut man aber, obgleich der Bleichungsprocess durch Linsen im direkten Sonnenlichte sehr rasch geht, doch nicht gut in demselben zu experimentiren, denn das Guajakharz färbt sich in ihm zwar sehr schnell, aber nur schmutzig-grün, und verliert bei längerer Einwirkung des Sonnenlichtes immer mehr an der Lebhafligkeit seiner Farbe, so dass es zulelzt ganz hellbraun wird. Vermittelst einer Schicht von Wasser, durch welche man das Licht vorher hindurchgehen lässt, kann man diesen Uebelstand verringern, aber doch nicht ganz auf- heben. Diffuses Licht, selbst das eines ganz bedeckten Him- mels, giebt immer zuverlässigere und constantere Resultate, Am besien stellt man die Versuche im Freien an, doch gelin- gen sie auch an verschlossenen Fenstern vollkommen gut und erfordern nur mehr Zeit. Die Resultate der obigen Versuche bewogen mich, auch das Verhalten der verschiedenen optischen Medien des Auges gegen die strahlende Wärme zu untersuchen, , Ehe ich aber zur Beschreibung dieser Versuche übergehe, muss ich die in neuerer Zeit über Identität oder Nichtidentität der Lieht- und Wärmestrahlen gemachten Erörterungen dem Leser mit wenig Worten aufs Neue vor die Augen führen. Ich beginne mit der Identitätstheorie von Ampere, welche zuerst in dem 48. Bande der Bibliotheque universelle publieirt wurde, und späler mit einigen Zusätzen in das Aprilheft der Ann. de Chim. et de Phys. des Jahres 1835 überging. Sie besteht im We- sentlichen in Folgendem: Licht- und Wärmestrahlen sind identisch, diejenigen Wärmestrahlen, welche in unserm Auge die Empfindung des Leuchtenden hervorbringen, unterscheiden sich von den ‚dunkeln Wärmestrahlen nur durch ihre gerin- gere Wellenlänge. Die Strahlen von grösserer Wellenlänge sind deshalb dunkel, weil sie vom Wasser absorbirt werden, und somit auch nicht das in unserm Auge enihaltene Wasser durchdringen und zur Nervenhaut gelangen können. Dieser Theorie setzte Macedoine Melloni (Ann. Ch. 267 Ph. T. LIX. p. 418., Pogg- Ann. 37. p. 486.) folgende Ver- suche entgegen: 4) Schliesst man Wasser zwischen grünen, mit Kupfer- oxyd gefärbten Gläsern ein, so geht Licht, aber keine Spur von Wärme hindurch. Folglich sind Lieht- und Wärmestrah- len nicht idenlisch. 2) Löscht man einzelne Zonen des durch ein Steinsalz- prisma entworfenen Sonnenspectrums vermiltelst farbiger Glä- ser aus, so entsprechen den dunkeln Streifen keine Tempera- turminima, sondern das Temperaturmaximum bat bei verschieden gefärbten Gläsern fast immer dieselbe Lage und die Wärme nimmt nach beiden Seiten desselben mit der grössten Regel- mässigkeit ab. Folglich sind Licht- und Wärmestrahlen nicht identisch. 3) Lässt man alle Theile des Sonnenspectrums durch eine 2—3 Mm, dicke Wasserschicht gehen und misst die Tempe- ralur der ausfahrenden Strahlen, so rückt das Temperatur- maximum näher an die rotlıe Grenze, auch ist das ganze Be- reich der dunkeln Strahlen verschmälert, verdickt man nach und nach die Wasserschicht bis endlich auf 300 Mm., so rückt das Temperaturmaximum durch Roth, Orange und Gelb bis zum Anfange des Grün fort, die äusserste Wärmegrenze nä- hert sich zwar fortwährend dem äussersten Roth, bleibt aber doch noch um ein Merkbares von demselben entfernt, folg- lich gehen durch eine 300 Mm. dieke Wasserschicht noch dunkle Wärmestrahlen. Die beiden ersten dieser Versuche scheinen vollkommen geeignet, um die Niehtidentität von Licht- und Wärmestrahlen zu erweisen, der dritte aber scheint mir das nicht zu bewei- sen, was er beweisen soll. Bringt man einen im Dunkeln oder bei schwachem Lichte tief rotlı glühenden Körper an das helle Tages- oder Kerzenlicht, so erscheint er dunkel, bringt man ihn rasch wieder ins Dunkle, so sieht man, dass er fortfährt rolh zu glühen, Dies ist eine Thatsache, die Je- dermann bekannt ist. Ein solcher Körper sendet also leuch- 268 tende Strahlen aus, dieselben können uns aber dunkel erscheı- nen im Verhältniss zu stärker leuchtenden. Melloni hätte deshalb den Anfang der absolut dunkeln Strahlen nicht genau an die von ihm beobachtete rothe Grenze verlegen müssen, sondern wenigstens um ein Merkbares von ihr entfernt. Um zu erweisen, dass es absolut dunkle Wärmestrahlen von grösserer Wellenlänge, als das äusserste Roth giebt, wel- che nicht vom Wasser absorbirt werden, hätte sich Melloni einer selbst im Dunkeln noch dunklen Wärmequelle bedienen müssen; es ist ihm aber niemals gelungen, die Wärme einer dunklen Quelle durch eine Wasserschieht von einiger Dicke strahlen zu lassen, ja selbst bei den Strahlen von glühendem Platin hatle er die letzten Spuren von Durchgang bei einer Wasserschicht von 11,598 Mm. (Dove, Repert. Bd. IV. p- 350.) So standen die Sachen, bis Melloni seine Ansichten von Grund aus änderte und sich für die Identitätstheorie erklärte, welche er in folgender Weise hinstellte und mit den physio- logischen Erscheinungen in Einklang zu bringen suchte. (Compt. rendus. T. XIV. p. 823., Pogg. Ann. 56. p. 574.) ; Leuchtende, wärmende und chemisch wirkende Strahlen sind identisch. Um sich zu erklären, wie es zugeht, dass wir die Strahlen jenseit des Roth und jenseit des Violet nicht se- hen, muss man annehmen, dass ihnen jede Art von Accord mit der Molecularelasticität der Netzhaut abgehe, und dieselbe deshalb auf sie nicht mit Lichtempfindung reagire. Nimmt man die Nolhwendigkeit eines solchen Accords an, so ist es klar, dass Wellen von einer bestimmten Länge unter übrigens gleichen Umständen am stärksten auf die Netzhaut wirken müssen, längere und kürzere schwächer, und zwar um so schwächer, je weiter sie sich von dieser bestimmten Wellen- länge entfernen. Diejenigen Strahlen, welche am stärksten auf die Netzhaut wirken, müssen von der Farbe der Netzhaut sein. Im Sonnenspectrum erscheint uns das Gelb am meisten 269 leuchtend, also muss die Netzhaut gelb sein — und die Netz- haut ist auch gelb. Gegen diese Theorie ist einzuwenden: 4) Melloni hat die Identität von Licht- und Wärme- strahlen behauptet gegen seine eigenen oben angeführten Ver- suche, ohne dieselben als fehlerhaft zurückzunehmen oder mit seiner neuen Theorie in Einklang zu bringen. 2) Melloni hat sich, um die Unsichtbarkeit der Strahlen jenseit des Roth und jenseit des Violet zu erklären, bewogen gefunden, die Hypothese von der Nothwendigkeit eines be- stimmten Aceordes zwischen den Aelherwellen und der Mo- leeularelastieität der Netzhaut aufzustellen. Diese Hypothese slützt sich weder auf eine begründete Induction, noch hat sie _ an andern Sinnesnerven Analogien für sich. Auf die Gehör- erscheinungen, an die zu denken man vielleicht geneigt wäre, darf man sich nicht berufen, da dem Gehörnerven ebensowohl nur diejenigen Schallwellen zukommen, welche der schalllei- tende Apparat unseres Ohres fortzupflanzen vermag, wie die Nervenhaut nur von denjenigen Aetherwellen berührt wird, welche die optischen Medien des Auges durchdringen können. Die Hypothese ist ferner unnölhig für die Strahlen jen- seit des Violet, da wir oben gesehen haben, dass sie von den optischen Medien des Auges absorbirt werden, unnöthig für die Strahlen jenseit des Roth, da es schon nach dem bisher Gesaglen mehr als zweifelhaft ist, dass von einer im Dunkeln noch dunkeln Wärmequelle, auch nur eine Spur von Strah- lung zur Nervenhaut gelange. 3) Melloni hat sich dieser Hypothese bedient, um die vom Wärmemaximum abweichende Lage des Lichtmaximums im Anfange des Gelben zu erklären; hierfür hat er dieselbe dahin erweitert, dass das gelbe Licht das Maximum der Con- sonanz mit der Nervenhaut habe, weil er sie gelblich ge- färbt fand, wobei er sie überdies nicht allein, sondern im Zusammenhange mit der Schicht der stabförmigen Körper be- trachtete. 270 Bei dem allen hat der sonst so sinnreiche Nalurforscher nicht daran gedacht, inwiefern wohl die Lage des Wärme- maximums im Speelrum durch den Durchgang der Strahlen durch die optischen Medien des Auges verändert werden könne. Er selbst hatte früher in einem oben angeführlen Ver- suche gefunden, dass man durch Einschaltung von Wasser- schichten von zunehmender Dicke dasselbe ins Roth, ins Orange, ins Gelb, ja bei sehr grosser Dicke der Wasserschicht sogar bis in den Anfang des Grün verselzen kann, was ihn billig daran hätte erinnern sollen, dass wegen des Wassers im Auge Licht- und Wärmemaximum leicht im Gelb coineidiren und so seine Hypothese auch für diesen Punkt unnöthig machen konnten. In einem späteren Aufsatze (Compt. rendu XVII. p 39., Pogg-. Ann. LXII. p. 18.) hat freilich Melloni zurückge- nommen, was er früher über die Ortsveränderung des Wär- memaximums im Speeirum gesagt hat, und giebt an, dasselbe verbleibe bei Einschaltung aller Arten von farblos durchsich- tigen Substanzen am rolhen Ende; ich kann aber nicht glau- ben, dass er hierin auch die 300 Mm. dieke Wasserschicht milbegriffen wissen will, denn man wüsste doch wahrlich nicht mehr, was man von Wärmebestimmungen im Speetrum halten sollte, wenn ein so geübler Experimentator sich bei der Angabe der Zone für das Maximum um die halbe Breite des leuchtenden Speetrums irrle, und nahezu da, wo das wahre Wärmemaximum liegt, die untere Temperaturgrenze hinverlegle. Es ist mir schmerzlieh, in dieser Weise gegen einen um die Wissenschaft so hochverdienten Physiker polemisiren zu müssen, aber gerade die Irrthümer der berühmtesten Männer hat man am energischsten zu bekämpfen, weil sie den Augen vieler durch den Mantel der Autorität verhüllt werden. Durch die Güte des Herrn H. Knoblauch, welcher sich gerade mit Untersuchungen über die strahlende Wärme beschäftigte, ward ich in Stand gesetzt, einige Versuche über 271 die Diathermanität der optischen Medien des Auges anzu- stellen, welche ich hier mitltheile. Die Wärmequelle, welcher ich mich bediente, war eine Oellampe mit constantem Niveau und einem Scheinwerfer von polirtem Messing; sollte dieselbe dunkel gemacht werden, so wurde über die Flamme ein Cylinder von schwarzem Eisen- blech gesteckt, welcher sich ziemlich hoch, jedoch bei weitem nicht bis zum Glühen erhitzte. Man würde mir einen Vor- wurf daraus machen können, dass ich nicht auch mit einer dunkeln Wärmequelle von möglichst hoher Temperatur gear- beitet habe, wenn mir nicht die Versuche mit der leuchten- den Quelle Resultate gegeben hälten, welche dieses für mei- nen speciellen Zweck vollkommen unnöthig machten. Mit direktem Sonnenlichte habe ich leider noch nicht operiren können, weil der Apparat in einem Zimmer gegen Norden aufgestellt, und auch die Jahreszeit und Witterung zu ungün- stig war. Da es bei meinen Versuchen nicht anf Messung von durchgelassenen und absorbirlen Wärmemengen ankam, son- dern lediglich darauf, zu bestimmen, ob eine zu untersuchende Substanz überhaupt eine wahrnehmbare Wärmemenge durch- lasse oder nicht, so wurden alle Versuche einfach so ange- stellt, dass man zuvörderst. nachdem die Strahlen der Wär- mequelle durch einen Metallschirm abgeblendet waren, die zu untersuchende Substanz zwischen Wärmequelle und Thermosäule einschaltete, und dann, nachdem die Nadel zur Ruhe gekommen war, versuchte, ob man sie durch Fortziehen des Metallschirms in Bewegung setzen könne. Es hätte nun am nächsten gelegen, gleich sämmtliche Medien des Auges in ihrer natürlichen Tage, d. h. ein ganzes Auge, aus dem der Pupille gegenüber ein hinreichend grosses Segment der Sklerolika, Choroidea und Retina weggenommen war, einzuschalten, allein ich fand dieses nicht ausführbar, da schon durch Hinwegnahme eines Theiles der genannten Häute der Bulbus seine natürliche Spannung und Gestalt verliert. 272 Ueberdies wird durch die Pupille nur einem sehr dünnen Strahlenbündel der Durchtritt verstattet, und wollte man die Iris mittelst eines Häkchens, wie es zur Iridodialysis ange- wendet wird, herausziehen, so würde durch Ausfliessen des Humor aequeus das Auge noch mehr zerstört und alles mit Pigment verunreinigt werden. Ich schaltete deshalb, um mit einem Strahlenbündel von möglichst grossem Querschnitt zu arbeiten, zuerst die in einem durchlochten Blechschirm einge- spannte Hornhaut eines Ochsen ein, und fand, dass durch sie zwar keine Strablen von der dunkeln Wärmequelle hindurch- gingen, aber so viele von der leuchtenden, dass die Nadel um 8 bis 9 Grad und darüber abgelenkt wurde, wenn die durch direkte Einstrahlung bewirkte Ablenkung 45—50 Grad be- trug. Hierauf nahm ich den Schirm mit der Cornea fort, und schaltete stalt seiner einen anderen ein, in welchem ein kur- zes Rolır von polirtem Messingblech steckte. In diesem Rohr war eine Fassung, in welche ich die frische Linse des Ochsen einsetzte und nun das ganze so an die Säule heranrückte, dass von den Strahlen, welche einmal durch die Linse gegan- gen waren, keine mehr verloren gehen konnten, ohne dass doch die Linse selbst der Säule so nahe gewesen wäre, dass man von ihrer Erwärmung durch die absorbirten Strahlen eine Täuschung zu fürchten gehabt hälte. Von der dunklen Wär- mequelle ging, wie zu erwarten war, nichts durch die Linse hindurch, von der leuchtenden dagegen wurde die Nadel re- gelmässig um 15 Grad abgelenkt. Nun schaltete ich vor der Linse noch wieder die Hornhaut ein, und fand, dass jetzt beim Fortziehen des Metallschirms die Nadel vollkommen unbeweg- lich blieb, obgleich das Licht hell auf die Säule einstrahlte. Um mir eine ungefähre Vorstellung davon zu machen, eine wie starke Absorption, im Verhältniss zu andern Körpern, wohl Linse und Cornea ausüben müssten, um den Wärme- strahlen so den Weg zu versperren, vertauschte ich die Linse mit einer ihr an Querschnitt gleichen, zwischen Glimmerplat- ten eingeschlossenen Wasserschicht von 18 Mm. Dicke, und 273 die Cornea mit einem Kalkspathkrystall von 3,7 Mm. Dicke. Durch dieses System hindurch erhielt ich noch 2 Grad Ablen- kung, als ich aber den Kalkspath mit einer 1,4 Mm. dicken Gypstafel verlauschte, nur noch 1% Grad. Ich hätte nun gerne noch den humor aqueus und den Glaskörper untersucht, aber ersteren hälte ich zwischen Plat- ten einer anderen Substanz einschalten müssen, und letzteren wusste ich nicht unverletzt und so aufzustellen, dass die Strah- len gezwungen waren, alle seine Häute der Reihe nach, wie es im lebenden Auge der Fall ist, zu durchdringen. Ueber- dies konnte mich die Untersuchung dieser beiden Medien, von denen es ohnehin gewiss war, dass sie mindestens so viel Wärme absorbirten, wie Wasser, nichts Wesentlichneues leh- ren, da ich schon durch die blosse Linse mit der Cornea keine Strahlung mehr wahrnahm; ich habe sie deshalb auch gänz- lich unterlassen, um nicht mit Versuchen zu spielen, und gehe jelzt zu den Folgerungen über, die sich aus den angestell- ten ergeben. Die erste Folgerung ist, dass für die sogenannten chemi- schen Strahlen jeuseils des violellen Endes des leuchtenden Speelrums mit dem Räthselhaften ihrer Uvsichtbarkeit nun- mehr der letzte schwache Grund weggefallen ist, zwischen ihnen und den leuchtenden Strahlen irgend einen anderen Un- terschied als den der Wellenlänge anzunehmen, die zweite, dass man sich, abgesehen von jeglicher Meinung, über die Identität oder Nichtidentität der Licht- und Wärmestrahlen jeder Hy- pothese, welche den Grund der Unsicbtbarkeit dunkler Strah- len in der Nervenhaut sucht, füglich entschlagen kann; denn es wird nach dem Angeführten wohl schwerlich noch Jemand der Meinung sein, dass Strahlen von grösserer Wellenlänge, als die der äussersten rollen Grenze, zur Nervenhaut gelangen können. Es ist aber noch zu untersuchen, ob aus unsern Versuchen nicht irgend elwas für die Streitfrage von der Iden- tität oder Nichlidentilät selbst hervorgehen könne. Sagt man, Lieht- und Wärmestrahlen sind nicht identisch, so stösst man Müllers Archir. 1615, 18 274 nirgend auf Schwierigkeiten, wie sich dieses von selbst ver- steht, da man hiermit von vorn herein den Wärmestrahlen die Fähigkeit, in uns die Empfindung des Leuchtenden her- vorzurufen, abspricht, ja unsere Versuche scheinen sogar einen Gegenbeweis gegen die Idenlitätstheorie zu liefern, da ich ven Neuem, wie schon früher Melloni auf einem andern Wege, ein hinreichend intensives Licht ohne eine Spur von Wärme dargestellt habe. Wenn man sich aber auf der andern Seite vergegenwär- tigt, dass Licht- und Wärmestrahlen beide polarisirbar, also beide aus Transversalwellen zusammengeselzt sind, dass beide durch den luftleeren Raum hindurchgehen, also beide, wenn man nicht ausser dem Aether noch ein zweites unbekanntes Medium annehmen will, in Schwingungen eines und desselben Mediums bestehen müssen, so sielt man ein, dass für einen Unterschied beider Strahlungen kein mechanisches Begreifen mehr vorhanden ist. Vergegenwärligt man sich hierzu, dass die Unsichtbarkeit-der Strahlen jenseits des Roth und jenseits des Violett, auch wenn dieselben sich von den leuchtenden nur durch die Wellenlänge unterscheiden, durchaus nichts Räthbselhaftes hat, so muss es als leichtferlig erscheinen, die Identitätsbypothese völlig aufzugeben und in Bezug auf die strahlende Wärme in die frühere Rathlosigkeit zurückzusin- ken, ehe man nicht die Beweiskraft der Gegenversuche auf das Genaueste geprüft hat. Es existiren gegen die Identitätstheorie zwei Classen von Versuchen: 4) die, in welchen man durch farbige Gläser einzelne Lichtzonen des Speetrums auslöschte, ohne zugleich die Wärme auszulöschen; 2) die, in welchen man Licht ohne Wärme oder mit ei- ner ganz unverhältnissmässig geringen Wärmemenge darge- stellt hat. ' Da ich die Hoffnung habe, die Beweiskraft der Versuche der ersten Classe auf dem Wege des Experimentes zu ver- 275 nichlen, aber bis jelzt-noch nicht die Mittel besitze, die hierzu nölthigen Versuche anzustellen, so muss ich mich vorläufig darauf beschränken, die der zweilen Classe näher zu beleuch- ten, und wir werden sehen, dass gerade meine eigenen ihr angehörigen Experimente dazu dienen können, diese ganze Classe aus den Beweisen gegen die Identitätstheorie zu eli- miniren. Man stelle sich also zuvörderst einmal auf den Stand- punkt dieser Theorie, und denke sich, dass alle Strahlen im Speetrum unter einander nur durch die Wellenlänge verschie- den sind; man denke sich ferner, dass nur die Strahlen jen- seits der äussersien Grenzen des sichlbaren Spectrums ‘im Auge völlig absorbirt werden, von allen übrigen aber noch ein gewisses und nur im Verhältniss zur ursprünglichen Inten- silät der Strahlung ausserordentlich geringes Quantum zur Re- tina gelange, und dass dasselbe, was dem Physiologen durch- aus nicht unnalürlich erscheinen wird, auch wenn es für das Thermoskop nieht mehr wahrnehmbar ist, hinreiche, um den Sehnerven lebhaft zur Empfindung des Leuchtenden zu erre- gen, so ist es, wenn man sich die von Melloni gefundenen Absorplionsgeselze vergegenwärligt, klar, dass ich, indem ich Strahlen von verschiedener Brechbarkeit durch oplische Me- dien vom Auge hindurchleitete, dieselben in der Weise schwä- chen konnte, dass sie auf das Thermoskop nicht mehr wirk- ten, dass dieselben aber doch noch vollkommen geeignet waren, nunmehr auch noch die optischen Medien meines Auges zu durchdringen, und meine Nervenhaut zur Empfindung des Leuchtenden zu erregen. Was sich nun aber durch eine Linse und eine Cornea erreichen lässt, muss sich durch jeden andern Körper oder durch jede andere Combination von Körpern er- reichen lassen, welche mit den optischen Medien des Auges die Eigenschaft gemein hat, alle Arten von Strablen in hohem Grade zu absorbiren, aber doch von den uns leuchtenden noch ein gewisses Quantum durchzulassen. Hiermit fallen die Ver- suche mit grünem Glase und Wasser, ‚mit Alaun und andern 18* 276 athermanen oder fast athermanen Körpern, insofern sie Be- weise gegen die Identitätshypolhese sein sollen, in nichts zu- sammen, und man begreift sehr leicht, wie eine Steinsalzplatte und eine Alaunplatte von ganz gleicher Durchsichtigkeit ganz verschieden diatherman sein können. Halten wir nach dieser Hypothese die Eintheilung der Körper in gleichmässig diather- mane (Sleinsalz), thermochroische und alhermane fest, so würde man in die Reihe der athermanen niemals einen durchsichligen setzen dürfen, und die durchsichtigen, scheinbar alhermanen Combinationen würden thermochroische sein, welche in ihrem physikalischen Verhalten gegen die Licht- Wärmestrahlen den optischen Medien des Auges ähnlich sind. Ein Awarenschädel; von J. J. von Tscaupı. In mehreren Schädelsammlungen sowohl von Deutschland, als Frankreich, England und Schweden befinden sich Gypsabgüsse von einem merkwürdigen Schädel, der im Besitze des Grafen von Breuner in Wien ist. Die Abgüsse wurden Iheils vom Grafen v. Breuner selbst unter der Bezeichnung: „Schädel von der von Carl dem Grossen ausgerolteten Menschenrage*, theils vom Prof. Romeo Selligmann mit der Etiquelte: „Awarenschädel“ von Wien aus versandt. Nach dem Erschei- nen meines kleinen Aufsatzes über die Schädel der Peruaner im vorigen Jahrgange von diesem Archive machte mich Prof. R. Wagner auf die ausserordentliche Aehnlichkeit aufmerk- sam, die zwischen dem in der Blumenbach’schen Samm- lung aufbewahrten Gypsabguss und der von mir von dem Huancaschädel gegebenen Zeichnung Statt findet; wovon ich mich auch während meines Aufenthalts in Göttingen überzeugle. Da eine genaue Vergleichung der beiden Origi- nalschädel von Wichtigkeit war, so nalım ich meinen perua- nischen mit nach Wien, wo ich durch die Gefälligkeit des Grafen v. Breuner dieselbe vornehmen konnte und auch von ilım die nähern Angaben über den Fundort des Awarenschä- dels erhielt. 278 Die geaueste Untersuchung der beiden Schädel ergab, dass sich nicht ein einziger erheblicher Unterschied zwischen ihnen nachweisen lässt, ausser dass der Awarenschädel ein wenig grösser und massiger als der Peruaner ist, was wahrscheinlich von Altersverschiedenbeit und Geschlecht herrühr!, denn beim erstern sind die Nälhe grösstentheils verwischt, während sie beim letztern noch deutlich sind. Alle Verhältnisse der ein- zelnen Kopfknochen zu einander, alle Eindrücke, Abplattungen und Erhabenheiten sind bei beiden ganz gleich. Der sogenannte Awarenschädel wurde vor ungefähr 25 Jah- ren in Grafeneck, einem Gute des Grafen v. Breuner, auf freiem Felde gefunden, aber nicht, wie mich der Besitzer aus- drücklich versicherte, in einem Awarenring. Es sollen zwei solche Schädel dagewesen sein und auch noch andere Theile des Skeleites; diese letztern Angaben sind jedoch ganz un- bestimmt und fast ohne Werth, besonders da bemerkt wird, der zweile Schädel sei ganz zerschlagen gewesen und wie begreiflich die Baaern bei einem zertrümmerten Sehädel wohl nicht die eigenthümliche Form desselben bestimmen konnten. Nach allem, was ich bis jetzt über dieses Cranium gese- hen und erfahren habe, glaube ich dasselbe als einen Pe- ruanerschädel vom Sitamme der Huancas ansprechen zu müssen. Die Frage, wie derselbe nach Grafeneek gekommen sei, ist wohl nicht so schwierig zu beantworten, wenn man bedenkt, dass Oestreich und Peru einst unler ei- nem Scepter waren und dass mit Kaiser Carl dem Fünften eine Menge von Grandes und Gelehrten aus Spanien nach Wien gingen. Die eigenihümliche Form dieser Ragenschädel musste schon den ersten Entdeckern von Peru auffallen und sie ha- ben zuverlässig solche mit in ihr Vaterland zurückgebracht, um ihren Landsleuten zu zeigen, was für Menschen im Lande 279 des Dorado leben. Wie leicht kann solch ein Schädel dann neben andern Merkwürdigkeilen zu der oben angegebenen Zeit nach Wien gebracht worden sein und von da. nach der Herrschaft Grafeneck, wo er nach dem Tode des Besitzers vielleicht von unkundigen Ilinterlassenen fortgeworfen wurde? Sogar in der Geschichte der früheren Herren von Grafeneck, einer Familie. die jetzt gänzlich ausgestorben ist, würden sich leicht Unterstülzungsgründe für diese Hypothese finden lassen. Vor einigen Wochen hat Baron €. von Hügel in Wien bei einem Trödler sehr seltene und charakleristische Alterthü- mer aus Peru gefunden, von denen 1rotz der sorgfälligsten Nachforschungen sich nicht nachweisen lässt, wann und wie sie dahin gelangt sind. —- So eben erhalte ich einen Separatabdruck von einer in „the Dublin literary Journal“ erschienenen Abhandlung, beti- telt: a leeture on Ihe elhnology of the Ancient Irish, by W. R. Wilde. 1844 In dieser Abhandlung ist pag. 6. ein Holz- schnitt von einem Gypsabguss des Schädels, der im Besitze des Grafen v. Breuner is. Dr. Wilde sagt davon: This skull was found in an ancient tumulus on Ihe confines of Hungary. Obgleich weiter nicht bemerkt ist, dass die Abbil- dung von dem bezeichneten Schädel ist, so unterliegt es kei- nem Zweifel, da, wie oben bemerkt, in englischen Sammlungen solche Gypsabgüsse sind und die beiden vorhandenen, neben- einanderstehenden Backenzähne des linken Oberkiefers in der Abbildung beim Breunerschen Schädel vollkommen überein- stimmen. Im linken Oberkiefer stehen ebenfalls zwei Backen- zähne, nämlich der erste und der dritie. Das Os zygomali- eum der rechten Seite ist gebrochen. Wilde’s Angabe, dass der Schädel in einem Grabe gefunden sei, ist unrichtig, ebenso diejenige, dass ähnliche Gräber und ähnliche Ueberreste längs der Ufer der Donau” gefunden worden seien. Der Verfasser jenes Arlikels glaubt, der Schädel sei durch künstlichen Druck 280 so modificirt worden und macht zugleich auf die Aehnlich- keit mit dem Schädel der alten Peruaner aus den Thälern von Titicaca aufmerksam. Die bis jetzt als Awarenschädel bekannten Crania tragen durchaus das Gepräge der tartarischen Rage, und so lange nicht andere spitzige Schädel im südwestlichen Europa auf- gefunden werden, glaube ich den fraglichen Schädel als Pe- ruaner bezeichnen zu müssen. Mikroskopisch-neurologische Beobachtungen; Prorsssor Purkınıe. Ich habe im Sommer des Jahres 14838, indem ich die vom jüngern Burdach zuerst zur Sichtbarmachung der feinsten Nervenfasern in Anwendung gebrachte Essigsäure in einem noch erweiterten Kreise in Versuch zog, eine Reihe von Be- obachtungen über die Verhältnisse der elementaren Nervenfa- sern verschiedener Gewebe angestellt, die ich bald darauf, aufgefordert von einigen Professoren der Krakauer Universität, dorthin für das Jahrbuch der medieinischen Fakultät !) ein- schickte, wo sie in dem Jahrgange 1839 abgedruckt wurden. Es scheint mir, dass die dort mitgetheillen neuen Untersu- chungen nicht die Publicität in Europa erlangt haben, die sie ihrer Wichtigkeit nach wohl verdient hätten. Ein Theil da- von ist in einer kleinen Schrift von Dr. Benedict Schulz: Physiologie des Rückenmarks mit Berücksichtigung s. pathol. Zustände, Wien 1842, ins deutsche Publikum gelangt, an- derer ist nur oberflächliche Erwähnung geschehen. Ich glaube daher nichts Ueberflüssiges zu unternehmen, wenn ich jene Beobachtungen aus dem Krakauer Jahrbuch für ein grösseres und wissenschaftliches Publikum noch einmal mittheile, damit 4) Roczoik wydzialu lekarskiego w uniwersitecie Jagiellonskim. Kraköw 1839. pag. 49 sqq. 282 sie Gegenstand erweilerter Besprechung und Untersuchung werden mögen. Wenn in gegenwärliger Mittheilung theils bekannte Sa- chen, theils negative Resultate vorkommen, so möge das da- mit entschuldigt werden, dass das Ganze, seiner Entstehung gemäss, die Form einer historischen Skizze der Anwendung der Essigsäure angenommen hat, wo es dann auch nicht gleich- gültig war, milzulheilen, wann diese Anwendung in Bezug auf Sichtbarmachung der Nerven Erfolg halte und wann nicht. Beiträge zur mikroskopischen Anatomie der Nerven. Eine der neuesten, für die mikroskopische Anatomie der Nerven gewinnreichsten Entdeckungen ist die erweiterte Ein- führung der verdünnten Essigsäure in die mikroskopische Ana- tomie durch den jüngern Burdach. Diese Säure hat die Eigenschaft die zellgewebigen und fibrösen Gebilde in hohem Grade durchsichtig zu machen. Wenn daher andere organi- sche im Zell- und Fasergewebe sich verbreitende Elementar- beslandtheile in jener Hinsicht wenig oder gar nieht von der Essigsäure affieirt werden, so müssen sie, indess das sie um- gebende Fasergewebe durch den Einfluss.der Essigsäure durch- sichtig wird, mehr oder weniger zur Sichtbarkeit gelangen, selbst dort, wo sie sonst durch die gewöhnlichen anatomischen Mittel auf keine Weise sichtbar geworden wären. Sonach sehen wir bei Anwendung der Essigsäure das Fett, die ver- schiedenen Enchymkörner der Drüsen, das elastische Gewebe, die arteriellen Kapillargefässe, vor Allem aber die zartesten Nervenfasern, wenn sie von Zell- oder Fasergewebe verhüllt waren, unter Anwendung verdünnter Essigsäure auf das Schönste zu Tage kommen. Burdach wendete diese Methode zuerst an, um die Haut- nerven des Frosches sichtbar zu machen. 283 1. Dies veranlasste mich zuerst, dasselbe Mittel bei der Untersuchung der Hautnerven des Menschen in Anwendung zu bringen. Als dieses jedoch meinen Erwartungen nicht ganz entsprach, ging ich zu gleicher Untersuchung anderer mem- branöser Gebilde über, unter denen auch die pia mater des Rückenmarks war, und zwar zuerst jene des Rindes !). Man nimmt ein Stück ganz frisches Rückenmark, reinigt es mit Schonung der gezahnten Bänder möglichst von den Fa- sern der Spinnwebehaut und echneidet oder reisst die Nerven- wurzeln recht rein ab, schneidet die pia mater in der Nähe der vordern Fissur der Länge nach ein, und schält sie mit Hülfe des Stiels eines Scalpells behutsam ab. Man fülrt da- bei den stets nass erhaltenen Scalpellstiel genau an der innern Fläche der pia mater, um das Hängenbleiben von Nervenmark zu vermeiden. So erlangt man das ganze Blatt, "rollt es auf und breilet es auf eine Glasplatte aus, Wenn man nun ver- dünnte Essigsäure darauf bringt, so zeigt sich das überra- schende Schauspiel, dass in der nun völlig durchsichtig ge- wordenen Membran das schönste Netz der feinsten Nervenbündel schon dem nackten Auge sich darbietet. Will man nun die Membran mikroskopisch untersuchen, so bringt man so viel verdünnte Essigsäure darauf, dass auch die obere Fläche da- mit überzogen ist, und deckt eine möglichst dünne Glasplatte darüber. Die schon mit dem blossen Auge gesehenen weissen Fädchen erschienen nun theils als aus sehr dünnen Elemen- tarfasern bestehende Nervenbündel, theils salı man solche Fa- sern zwei- und mehrfach combinirt oder auch einzeln ver- laufen. In den stärkern Bündeln konnte man 30 — 50 Rle- mentarfäden zählen, in den meisten Fällen ist ihre Zahl jedoch viel geringer, die meisten zu 3 oder 2 oder einzeln. Manche treten von einem Bündel ab und kehren eine Schlinge bildend 1) Ueber denselben Gegenstand hat Dr, Pappenheim in seiner Schrift: Die spezielle Geweblehre des Auges, Breslau 1842, pag. 239 u. fl, gehandelt. 284 bald zu demselben zurück, oder sie treten an ein anderes Bündel und bleiben mit diesem in Verbindung, in seltenen Fällen tritt eine Faser ab und scheint in der Membran zu ver- schwinden. Die stärksten Bündel verlaufen in der Nähe der vordern Rückenmarksarterie, die sie zum Theil umflechten und von wo aus einzelne Fäden den membranösen Fortsatz der pia maler in die vordere Rückenmarksspalte, in ihm Schlingen bildend, sich verbreiten. In der Nähe des gezähn- ten Bandes zeigen sich wieder stärkere Nervenbündel, die im Ganzen gleichfalls longitudinal verlaufen und nur dort, wo sich die Zacken zur Befestigung an die dura mater ausbreiten, mit diesen in deren elaslischem Gewebe gleichfalls nach aussen gehen, jedoch sogleich wieder in die Längenrichtung zurück- kehren. In der Nähe der Ursprungsstellen der vordern und hintern Rückenmarksnerven, wo die pia mater sehr verdünnt ist, werden die Nervenbündel dünner und seltener. In der Nähe der hintern Mittellinie des Rückenmarks finden sich gleichfalls verstärkte Bündel, jedoch geringer als an den vor- dern, wie überhaupt die hintere Fläche weniger nervenreich ist als die vordere. In Bezug auf die Längendimension des Rückenmarks (bei Thieren) finden sich an dem vordersien Theile, und zwar schon am verlängerten Marke, die zahlreich- sten Nervenbündel mit vorwaltender Querrichtung, in den übrigen Theilen nimmt die Menge ab und waltet die Längen- richtung vor. Es ist schwer, den Ursprung dieser, dem ve- getaliven System angehörigen Nerven anzugeben. Ein Theil derselben gelangt mit den vordern Rückenmarksarterien an die weiche Rückenmarkshaut, ein anderer mit den kleinen Seitenarterien, welche paarweise in die Rückenmarkshöhle eindringen. In beiden Fällen scheinen diese Nerven aus dem sympathischen System zu entspringen. Dieses Nervennetz der pia mater des Rückenmarks hängt mit einem ähnlichen zu- sammen, welches in Begleitung der feinsten Arterien, sowohl an diesen, als auch selbstständig den freien Theil der Varols- brücke und die Oberfläche des kleinen Hirns umspinnt. Nie 285 fand ich irgend eine Verbindung zwischen dieser Nervenart und den Wurzelu der Hirn- oder Rückenmarksnerven, was leicht in die Augen gefallen wäre, da sie sich von einander durch ihre Grösse charakleristisch unterscheiden, indem die Cerebrospinalnerven um das Doppelte bis Dreifache breiter sind, als die beschriebenen Nerven der pia mater. Man darf sich nicht vorstellen, als gehörten diese Nerven nicht so schr der weichen Haut des Rückenmarks, als vielmehr den Arte- rien derselben an, in deren Begleitung sie an dieselbe gelan- gen. In diesem Falle müssten die Nervenbündel sich constant in der unmittelbarsten Nachbarschaft der Gefässe finden und mit ihnen verwachsen sein (wie etwa bei den Grosshirnarte- rien), was jedoch nur an den von aussen eintretenden Arte- rien (so lange sie nicht mit dem Rückenmark in Berührung gekommen sind) Statt findet, im übrigen Verlaufe trennen sich die Nervenbündel von den Arterien und vertheilen sich selbstständig in länglichen Geflechten an der äussern Ober- fläche der Rückenmarksbaut. Besonders sieht man dieses in den Zacken des Zahnbandes, wo die Gefässe kaum zu bemer- ken sind und wo gleichwohl die Nervenfäden sich anhäufen. Für die Selbstständigkeit dieser Nerven spricht auch der Um- stand, dass, obgleich sie nur in geringer Zahl mit den äussern Arterien eintreten, sie sich im Fortlaufe sammeln und ein grösseres Verhällniss erlangen, als das der Arterien ist, da man sonst bei den Arterien des Gehirns wahrnehmen kann, dass die Stammbündel der Gefässe sich mit ihrer Verzwei- gung endlich bis-ins Unbemerkbare vertheilen. 2. Um den Nerven der weichen Haut des Rückenmarks unter den übrigen des gesammien Symstems die gehörige Stelle anzuweisen, scheint es mir nöthig, anzugeben, dass man mehrere Gattungen von Nerven annehmen könne: 41) Nerven des Hirns und des Rückenmarks mit dicken Elementarfasern ; 2) Dünnfaserige Nerven des Hirns (ophthalmicus, acusticus); 286 3) Dünnfaserige Gangliennerven ohne Körnchengewebe ; 4) Dünnfaserige Gangliennerven mit Körnchengewebe. Die angegebenen Nervengattungen finden sich entweder rein oder mit einander gemischt. Das beschriebene Nerven- gewebe der pia mater des Rückenmarks gehört der dritten der obigen Gattungen an. Mit der Zeit wird es wohl gelin- gen, ihre Verbindung mit dem sympathischen Nerven genau anzugeben. In Bezug auf die Zusammensetzung ihrer Ele- mente gehören sie zu den dünnfaserigen körnchenlosen unge- mischten. Wenn in Folge der Anwendung der Essigsäure sich Körnchen zeigen, so gehören diese entweder der benach- barten pia mater an, oder sie sind künstlich durch partielle Zusammenziehungen der Faserscheide entstanden. Aehrliche körnchenlose Fasern, vermischt mit gekörnten, finden sich unter den serösen Hüllen des Herzens, Die Bestimmung dieses Nervengewebes der pia mater des Rückenmarks scheint mir zunächst sensibler Natur zu sein, es soll ein empfindlicher Wächter sein zur Erhaltung der nor- malen Lage desselben innerhalb der Rückenmarkshöble. Durch die Anheftung der Zacken des gezahnten Bandes an die dura mater nimmt es Theil an obern Bewegungen derselben und der knöchernen Bestandtheile des Rückgraths. Ob es mit der Reproduktion des Rückenmarks (ob mit der Spannung der Spinalfllüssigkeit) in Beziehung stehe, bleibt noch im Dunkeln. Ob es vielleicht zur Erhaltung des normalen Wärmegrades in der Umgebung des Rückenmarks diene und dessen Schwächung den Fieberfrost zur Folge hätte? Ob eine lebhaftere Metamor- phose des Blutes und die Reproduktion des Rückenmarks da- von abhänge? Ob zwischen diesem System und den Rücken- marksfasern eine dynamische Wechselwirkung Statt finde, wie man dies von den Nerven der höhern Sinne und dem fünften Nervenpaar angenommen hat? Oder sind alle diese Bedingun- gen zu einer Einheit der Wirkung verbunden? Doch es scheint, dass wir noch weit von der Lösung dieser Frage entfernt sind, ja dass vielleicht nicht einmal noch die rechte 287 Frage aufgeworfen ist, die durch consequente Erfahrung zu lösen wäre. 3. Als ich meine Beobachlungen über die Nerven der pia mater des Rückenmarks auch auf die des kleinen und grossen Hirns ausdehnte, fand ich, dass das erstere auch mit solchen, unabhängig von den Arterien verlaufenden Nervenfä- den, jedoch in geringerer Menge versehen sei. Anders ver- hält sichs an der Varolsbrücke, wo dergleichen Nervenfädchen ausschliesslich den Arterien anzugehören scheinen. Letzteres gilt auch vom grossen Gehirn. In den Gefässgeflechten der Seitenventrikel war keine Spur solcher Nerven zu finden. 4. Oft bemerkte ich, unmittelbar durch das Epithelium durchscheinend, an den gestreiften Körpern und Sehhügeln des Menschenhirns weisse Fädchen, die ich für zarte Nerven- bündel hielt; es gelang mir jedoch bis jetzt nicht, mit Gewiss- beit-zu entscheiden, dass es solche wären. Eine Stelle findet sich im Gehirn, wo man solche dünnfaserige Nerven constant bemerken kann. Es ist die vena magna Galeni in ihrem gan- zen Umfange, schon dort, wo sie sich aus den beiden Seiten- venen des plexus zusammensetzt, reichlich ein solches Nerven- gewebe gefunden wird. Dieses Nervengellecht geht in das Fasergewebe des tentorium cerebelli über und scheint mehr diesem, als dem venösen Gefässsystem anzugehören. Es wäre der Mühe werth, zu untersuchen, ob nicht auch andere Ve- nenstämme, die sich in die Blutleiter ergiessen, von solchen Nerven umflochten sind. 5. Dass auch die harte Hirnhaut mit Nerven versehen sei, haben schon ältere Anatomen, Valsava, Winslow, Pacchioni, Petit u. A., von den neueren besonders Ar- nold und Bidder, zu erweisen gesucht. Nach Arnold kömmt der Nerv des Gezeltes vom ersten Aste des Trigemi- nus. Diese Angabe wurde auch von Schlemm bestätigt, Nach neueren Untersuchungen Arnold’s entspringt einer der Nerven der dura mater aus dem vierten Hirnnerven. Letzte- res wird auch von Varrentrap und Bidder bestätigt, 288 welche dagegen den andern Angaben Arnold's widerstreiten. Das Wahrscheinlichste dünkt mir, wohin auch Bidder sich zu neigen scheint, dass alle Nerven der dura mater aus dem sympathischen System ihren Ursprung nehmen und dass jene Verbindungen mit Hirnnerven- nicht 'als ihre einzigen Ur- sprungsstellen zu beirachten sind. Nach meinen Beobachtun- gen finden sich die stärksten Nervenbündel jedesmal an den Stellen, wo die Stämme der Arterien der dura maler einlre- len; sie verlaufen zwar grossentheils neben den Arterien, tre- ten jedoch auch von diesen ab und verbreiten sich selbststän- dig in dieser Membran. Dadurch würden die Behauptungen früherer Anatomen ihre Bestätigung finden. Indem ich mich enthalte, in dieser Sache etwas Entscheidendes auszusprechen, beschränke ich mich auf die Darlegung dessen, was ich mit- telst Anwendung der Essigsäure über die feinsten Nervenge- flechte der dura mater beobachtet habe. Ich untersuchte die harte Hirnhaut des Schafes, des Kalbes, des Ochsen, des er- wachsenen Menschen und des neugebornen Kindes. Ich muss hier bemerken, dass diese fibröse Membran bei jüngern Sub- jeeten durch Essigsäure nie so durchsichtig wird, wie bei rei- fen Individuen. Olıne Zweifel haben dann diese Gebilde ein anderes Verhältniss zum Wasser, welches in ihnen theils frei sich findet, theils zu Hydrat gebunden ist. Viel kommt es darauf an, dass die zu untersuchenden Theile möglichst frisch sind; die geringste beginnende Zerselzung macht sie weniger durchsichtig, bei Anwendung der Essigsäure. Auch Weingeist und Salzwasser schaden der Durchsichtigkeit. Wurde der Theil in Salzwasser aufbewahrt, so muss er zuvor sorgfältig in Wasser ausgewaschen werden. Am wenigsten schadet die Aufbewahrung in Wasser mit Hinzulhun von etwas wenigem Holzessig. Indem die harte Hirnhaut allenthalben dicker und fester ist, als die weiche des Rückenmarks (die ihr übrigens im tendinösen Ansehen sehr ähnlich ist), so ist es nöthig, eine concenlrirtere Lösung der Essigsäure zu ihrer Durchsich- tigmachung anzuwenden; an Stellen jedoch, wo sie dünner, 289 ınuss auch verhältnissmässig die Säure verdünnt sein, weil sonst die feinen Nervenfasern durch die Zusammenziehung zu sehr verändert, unscheinbar, wo nicht unsichtbar werden. Diese Untersuchungen lelhıren, dass besonders in der Nähe der Querblulleiter und in der Membran des Hirnzeltes bis zum Grunde des Schädels sehr reichliche Netze von Nervenfädchen sich ausbreiten, die man nach Anfeuchtung mit Essigsäure schon mit freiem Auge oder mit einer schwachen Loupe deut- lich wahrnehmen kann. Wenn man auf solche Weise alle Stellen der dura mater untersucht hat, so kömmt man zu der Ueberzeugung, dass die grössten Nervenbündel in der Nähe der vordern. mittlern und hiutern Arterien bei ihrem Eintritte in dieselbe zu finden sind, und es dürfte nicht schwer sein, sie von dort mit den Arterien bis zu ihrem Ursprunge aus dem sympalhischen System rückwärts zu verfolgen. In der dura mater des Rückenmarks ist es mir bis jetzt nicht gelun- gen, irgend eine Spur von Nerven zu finden. 6. Mit Hülfe der Essigsäure gelang es mir ferner, ein System organischer Nerven an Stellen aufzufinden, wo man es bisher gewiss nicht vermuthet halte, dessen physiologische und pathologische Bedeutung von Wichtigkeit sein wird. Wenn man das Rückenmark sammt seinen läulen und sei- nem Knochenkanal herausgenommen, zeigt sich an der vor- dern, von den Wirbelkörpern gebildeten Wand des leiztern das von Breschet und andern beschriebene venöse Geflecht. Es ist dies vielmehr, wie schon Breschet bemerkt hat, ein System von Blutleitern, die mit denen des kleinen und gros- sen Hirns in Communication stehen. Wenn man diese Ana- logie weiter verfolgt, so scheint es, wie wenn die ganze fibröse Membran des Rückgrathskanals, auf welcher jenes venöse Ge- flecht verbreitet ist, niehts anderes wäre, als eine Fortsetzung der dura malter des Gehirns, welche, in den Rückgrathskanal übergehend, sich in zwei Blätter theilt, ein inneres, welches als die eigentlich sogenannte dura mater das Rückenmark scheidenarlig umgiebt, und ein äusseres, welches in Gestalt Müller's Arcbir. 1846. 19 290 einer Knochenhaut sich ringsum genau an die knöchernen, knorpligen und faserigen Wände des Kanals anschliesst, und in deren Zwischenräume jene venösen Geflechte eingelagert sind. So wie nun in der harten Hirnhaut die Nervengeflechte der ganzen noch ungelheilten Membran angehören, so scheint es, dass sie nach ihrer Theilung im Rückgrathskanal nur noch am äussern Blatt sich verbreiten, indess das innere keinen Antheil an ihnen hat. Und so fand ich denn am äussern Blatte, sowohl dort, wo es der Rückgrathssäule unmittelbar anliegt, als auch da, wo sie die venösen Geflechte überzieht, überall reichliche Bündel dünnfaseriger Nerven, welche mittelst der Zwischen- wirbellöcher mit dem sympathischen System zu communieiren scheinen, was jedoch einer fernern gründlichen Untersuchung vorbehalten bleiben mag. Auch diese Nerven haben den Charakter der vegetativen oder Gangliennerven, indem sie durchaus aus dünnen Elemen- tarfasern bestehen, und daher ihrem Ursprunge nach von Hirn- und Rückenmarksnerven nicht abgeleitet werden können. Ihre Bestimmung ist schwer anzugeben. Von allem drängt sich der Gedanke auf, dass sie nach Umständen als Empfindungs- nerven fungiren mögen, indem sie den Grad der Anfüllung der venösen Geflechte mit Blute zum Bewussisein bringen und so Reflexaktionen der Bewegungsnerven veranlassen mö- gen. Sind vielleicht diese Nerven (so wie die der pia mater des Rückenmarks) der Sitz des Wollustgefühls bei der Begat- tung, welches offenbar die ganze Länge des Rückgraths (und auch die Umgebungen des Hirns) so mächtig einnimmt? Ei- nige Krankheitsgefühle, z. B. das, wäs im Frostanfalle das Rückgrath einnimmt, die hämorrhoidalischen Rückenschmerzen und andere Leiden in der Rückgrathsgegend könnten wohl in diesen Nervengeflechten ihren Sitz haben. So mögen denn diese Notizen vorläufig das Vorhandensein eines solchen Ner- vengewebes verkündet haben. Es werden noch angestrengte Beobachtungen erfordert werden, um die Vertheilung dieser 291 Nerven, so wie ihren Zusammenhang mit den übrigen Syste- men gründlich zu beleuchten, zu beschreiben und durch Ab- bildungen zu erläutern. 7. Es lag in der Consequenz der Untersuchung, dass, nachdem ich ein so reiches Nervengewebe in der Knochen- haut *) der innern Wand der Rückgrathshöhle entdeckt hatte, meine Aufmerksamkeit sich auch auf die Beinhaut anderer Körpertheile wendete. € Ich wählte zuerst zu dieser Untersuchung das Periosteum des Schienbeins (wo es nach vorn frei liegt) und fand dieses mit einem reichlichen Nelze dünn aus einigen Nerven bedeckt. (Andere Partieen des Periosteum erwarten noch fernere Un- tersuchung.) Auch diese Nerven scheinen vorzugsweise Em- pfindungsnerven zu sein; daher der heftige Schmerz, wenn man sich an’s Schienbein stösst. Wenn es sich finden sollte, dass alle Knochenmembranen und Aponeurosen mit solchen empfindenden Nerven versehen sind, so liesse sich annehmen, dass sie die Spannungen der Muskeln zum Bewusstsein brin- gen oder wenigstens dass das Gefühl der Müdigkeit nach an- gestrengten Bewegungen in ihnen empfunden wird (rheuma- tische, gichtische Schmerzen), und dass es überflüssig schien, ausser den gewöhnlichen Bewegungsnerven, noch eigene Em- pfindungsnerven in der Substanz der Muskeln aufzusuchen. Ausserdem wurde die Essigsäure zur Untersuchung der Nerven vieler anderer Körpertheile in Anwendung gebracht, und ich zweifle nicht, dass dieses Mittel, verbunden mit dem Gebrauch des Mikroskops, mehr als aller bisherigen dazu bei- tragen wird, das Nervensystem bis in die äussersten Verzwei- gungen und Verflechtungen desselben in den organischen Ge- weben zu verfolgen. In solcher Weise untersuchte ich noch folgende Gebilde. 8. Arterien. Wenn schon in den Arterien des Gehirns 1) Diesen Gegenstand hat Dr. Pappenheim ausführlich zu be- arbeiten angefangen. 179” 292 ohne alle Reagentien die feinsten Nervenfädchen bis in die zweite und dritte Verzweigung zwischen den Hirnwindungen sich wahrnehmen lassen, so gelingt dieses noch ungleich bes- ser, wenn die Arterien zuvor durch Essigsäure durchscheinend geworden sind. Bei solchen Untersuchungen fand ich in der Wundernetze des Ochsen ein sehr reiches Nervengewebe, wel- ches sieh über alle Verflechtungen der Arterien verbreitete. Eine spezielle Untersuchung des ganzen arteriellen Systems in dieser Hinsicht wird die bisherigen Angaben der Anatomen entweder widerlegen oder bestäligen, erweitern und genauer bestimmen. Man wird sich überzeugen, dass einige Parlieen des arteriellen Systems an Nerven schr reich sind, andere da- gegen daran gänzlich Mangel leiden, und dass die bisherigen allgemeinen Angaben über die Gefässnerven sieh nicht ferner halten können, 9. Hornhaut). Bekanntlich haben Schlemm und Bochdalck die Ciliarnerven bis in ‘die Substanz der Hornhaut verfolgt. Bei Anwendung der Essigsäure wird die Mornhaut (von Menschen, Rind, Schaf, Hund, Kaninchen), nachdem sie zuerst eine kurze Zeit getrübt erscheint, vollkommen durch- sichtig, worauf, bei angemessener Stellung des Focus in ihrem Innern, vom äussern Rande gegen die Milte zu, ein ziemlich reiches Nervennetz zu entdecken ist. Die Elementarfasern dieses Nelzes combiniren sich vielfach unter einander, und nachdem sie von einer Seite aus dem Ciliarnerven eingetreten sind, gehen sie in das von andern Seilen kommende Nerven- gewebe über, und es scheint, dass kein einziges dieser Fäd- chen in die Substanz der Hornhaut sich verliere, und eben so wenig in die äussere Conjuncliva übergehe, so dass es das Ansehen hat, wie wenn man ein in sich geschlossenes Geflecht vor sich hälte. 10. Die serösen Membranen der Brust- und Bauch- 4) Auch diesen Gegenstand hat Dr. Pappenheim in seiner Schrift über spezielle Geweblehre des Auges ausführlicher bearbeitet. 293 eingeweide. Da die Entzündung der serösen Membranen, welche die Wände der Bauch- und Brusthöhle bekleiden, von einem so hefligen, stechenden Schmerze begleitet zu sein pflegt, so schien es mir wahrscheinlich, dass auch diese Gebilde mit einem reichlichen dünnfaserigen Nervengewebe versehen sein müssten. Da sich ferner ausgewiesen halte, dass die einhül- leuden Membrinen des Hirns und Rückenmarks mit solchen Nervengeweben umgeben sind, war es wohl zu erwarten, dass auch die Hüllen der für das Leben so wichtigen Brust- und Baucheingeweide nicht Mangel leiden werden an einem sol- chen wachhabenden Nervensystem. Ich untersuchte sonach diese serösen Membranen nach der bisherigen Methode. Es liess sich jedoch nicht die geringste Spur von Nerven in die- sen Theilen entdecken. Daraus folgt nun nicht, als wenn dergleichen durchaus nicht vorhanden wären, es ist vielmehr zu erwarlen, dass nach anhaltenderen Untersuchungen und nach Erlangung der hierzu gehörigen Sehübung sich solche noch finden werden. 11. Geschleehtsorgane. Die seröse Membran der Ge- bärmutter und ihrer Bänder habe ich bis jetzt in Bezug auf das Vorliandensein von dünnfaserigen Nerven darin noch nicht untersucht. In der Albuginea der Hoden zeigten sie sich erst in der Nähe der Nebenlioden. Am männlichen Gliede liessen sich viele organische Nerven in Begleitung der Arterien wahr- nehmen. Ein sehr reiches Netz dicker cerebrospinaler Ner- venfasern fand sich an dem Bändchen der Ruthe, Im schwam- migen Gewebe des Penis liessen sich nur mit Schwierigkeit feinfaserige, mit Knötchen besetzte Nervenfasern unterscheiden. 12. Das Herz. Die an der äussern Oberfläche des Ner- zens sich verbreitenden Nerven gehören in die Klasse der mit Knötchen besetzten dünnfaserigen. Sie finden sich fast aus- schiesslich unmittelbar unter der serösen Membran; in die Muskelsubstanz selbst (ausser in der Nähe grösserer Arterien- zweige) konnte ich sie nicht verfolgen. In der Umgebung der Stämme der Kranzarterien fand ich noch (im Kalbs: und 294 Schweinsherzen) die von Remak zuerst beschriebenen kleinen Ganglien. Auch die innere Herzmembran zeig! beim Schweine ein sehr reichliches, knolig- faseriges Nervennetz, welches sich hier um so leichter beobachten lässt, da die Oberfläche der innern Wände der Herzkammern des Schweines ziemlich glatt ist; schwieriger ist die Untersuchung beim Menschen, wo we- gen der vielen Balkenmuskeln nur wenig freie Oberfläche zu finden ist. Doch auch hier werden sie sich an recht frischen Präparaten wohl finden lassen. 13. An den innern Wänden der Kammern des Schafher- zens beobachtete ich zuerst mit freiem Auge unmittelbar un- ter der serösen Haut ein Netz grauer, platter, gallertartiger Fäden, welche theils in die Warzenmuskeln und um andere faserige Bündel sich fortsetzten, theils brückenarlig über ein- zelne Falten und Spalten der Herzwand herübersetzten. Bei mikroskopischer Untersuchung fand ich diese Fäden aus lauter Körnern zusammengesetzt, welche denen der Ganglien ähnlich, eng an einander gedrängt und dadurch polyedrisch erscheinen. Im Innern jedes Kornes finden sich ein oder zwei Kerne ohne sphärische Umschliessung, dergleichen sich in den wahren Ganglienkörnern zeigt. Von diesen Körnern fanden sich in querer Richtung 5—10 beisammen, die der Länge nach rei- henweise in Bündel geordnet jene grauen Fäden bildeten. Zwi- schen den Körnern der Interstitien ihrer Wände findet sich ein elaslisches Gewebe von Doppelfasern, welches bei Behand- lung mit Essig ähnliche Querstreifen zeigt, wie die Muskel- fasern des Herzens. Es ist schwer zu entscheiden, ob es wirkliche Fasern sind, oder bloss Umrisse membranöser Wände, welche, wie bei den Pflanzenzellen, den körnigen Inhalt um- geben; mir scheint letzteres das wahrscheinlichere, weil beim Zerquetschen der Körner nie solche freie Fasern zu Tage kom- men. Auf keinen Fall lassen sie sich mit Nervenfasern ver- gleichen, wie man sie in den Ganglien die Ganglienkugeln umflechtend wahrnimmt, obgleich es beim ersten Aublick den Anschein hat. Nie wollte es mir gelingen, in diesen Körner- 295 fäden wirkliche Nervenfasern zu entdecken, wodurch sie of- fenbar den Charakter von Ganglien erhalten hälten. Für jetzt wäre ich geneigt, dieses neue Gewebe dem Knorpelgewebe anzureihen, obgleich ich nicht einsehe, was seine Wirkung bei seiner Weichheit den relativ ungeheuer grossen Muskelmassen des Herzens gegenüber bedeute. (Noch wahrscheinlicher ist mir’s gegenwärtig, sie für einen eigenen Bewegungsapparat und die die Körner umschliessenden Mem- branen für muskulös zu halten.) Aehnliche Körnerfäden fand ich auch beim Rinde, beim Schweine, beim Pferde. Dagegen ist mir nie gelungen, beim Menschen, Hunde, Hasen und Ka- ninchen dergleichen zu entdecken. 14. In der Nähe jener Fäden und auch einzeln zerstreut, fand ich ausserdem in allen bis jetzt von mir untersuchten Herzen der Wiederkäuer eigene, von zarter Membran umge- bene Häufchen länglicher Körner, die, wenn sie nicht so con- stant vorkämen, leicht für die Eier irgend eines Parasiten zu halten wären. Ueber eine Funktion der Glottis; von Dr. BERGMann in Göttingen. Die regelmässigen Bewegungen der Glottis beim In- und Exspiriren haben mich darauf gebracht, dass diese Spalte noch eine andere Funktion haben möge, als die beiden bekannten, der Stimmbildung und der Beschützung. Mit letzterer können diese Bewegungen nichts zu tlun haben. Es ist für diese letztere höchst wichtig, dass diese Oeflnung spaltförmig ist, so dass möglichst kleine Körper, welche elwa in dieselbe ein- dringen wollten, schon ihre Wandungen berühren, Husten er- regen müssen. ‘Je mehr eine Oeffnung, für welche eine be- stimmte Area erfordert wird, linear ausgedehnt ist, desto mehr wird sie das Eindringen fester Körper verhindern können. Die Glottis ändert nun ihre Oeflnung beständig taktmässig. Aber sie wird bei der Inspiration weiler. Das ist das Gegen- theil von dem, was geschehen müsste. wenn diese Bewegun- gen zur Unterstützung jener Funktion dienen sollten. Indessen erwähne ich diese Bewegungen mehr, weil sie mich auf eine andere Funktion der Glottis hingeleitet haben, und weil sie fortwährend das Nachdenken verdienen, als weil ich glaubte, sie aus dieser Funktion vollständig teleologisch erklären zu können. Doch möchte eine solche Beziehung nicht gänzlich fehlen. — 297 Die Stimmritze, als eine Verengerung der Luftwege, welche ober- und unterhalb derselben plötzlich weiter wer- den, befördert die Mischung der in die Luftröhre eindringen- den Luft mit der tief in den Lungen enthaltenen bei der In- spiration und sie befördert wieder bei der Exspiration das Hinaustreten der tiefer in den Lungen enthaltenen, mit Koh- lensäure stark geschwängerten Luft. Ob dieselbe in dieser Funktion von grosser oder geringer Wirkung ist, wird sich schwer schätzen lassen. Indessen ist die Funktion vorhan- den und verdient wohl mit einigen Worten besprochen zu werden. Wenn eine Flüssigkeit durch einen Cylinder sich bewegt, welcher übrigens gleichmässig, an einer Stelle aber verengert ist, so müssen nothwendig die Theile, welche sich in der Ver- engerung befinden, eine grössere Geschwindigkeit haben, als die mittlere der übrigen ist. Dies hat aber Wirkungen be- sonders auf die in gerader Richtung vor und hinter der Ver- engerung befindlichen Flüssigkeitstheilee Denken wir Area des ganzen Cylinders und Area der Verengerung rund. Beide sollen concentrisch sein. Dann werden die in der Axe des weiteren Theiles befindlichen Flüssigkeitspartikeln bis auf eine unbestimmte Strecke vor und hinter der Verengerung sich schneller bewegen, als die an der Wand befindlichen. Denken wir uns nun zwei verschiedene Flüssigkeiten in dem Oylinder, welche sich, ehe eine Bewegung eintritt, inner- halb der verengerten Stelle begrenzen: dann können wir sa- gen, dass mit dem Eintritte der Bewegung die Säule der durch die Verengerung vordringenden Flüssigkeit bis zu einer gewis- sen Tiefe in die andere, zurückweichende eindringen muss. Denn die Theile der letzteren, welche sich an der Wand des weiteren Cylindertheiles befinden, bewegen sich nothwendig langsamer, als die durch die enge Stelle vordringenden. Man kann sich leicht davon überzeugen, dass solche Ver- hältnisse wirklich bedeutende Wirkungen hervorbringen. Je- der Analom weiss, wie man aus einer Injektionsspritze den- 298 jenigen Rest von Luft entfernt, welcher sich bei tiefster Lage des Stempels noch zwischen dessen vorderer Fläche und der äussern Oeffaung der Spritze befindet. Wenn man die Spritze, welche diesen Rest Luft enthält, in die Injektionsmasse senkt, den Stempel einige Male rasch auf und nieder bewegt, so geht bei jedem Stoss ein Theil der Luft mit der Injektions- masse heraus. Macht man dieselben Bewegungen langsamer, so geschieht nichts der Art. Ersteres rührt nur daher, dass die der engen Oeffnung gegenüber liegenden, in der Axe der Spritze befindlichen Flüssigkeitstheile, sowohl Injektionsmasse - als Luft eine bedeutendere Geschwindigkeit bekommen, als die übrigen, so dass diese Luft, ungeachtet sie bei ihrem ge- ringen specifischen Gewichte über der Flüssigkeit bleiben konnte, durch dieselbe hindurch fährt. Auf dieselbe Weise sieht man, wenn ein Gefäss mit Wasser sich durch ein Loch in seinem Boden entleert, allmälig in der Wasserfläche eine Vertiefung entstehen. Diese reicht immer tiefer und spitzer gegen die Oeffnung hin, und allmälig lösen sich einzelne Luft- blasen von dem untern Ende derselben ab und fahren aus der Oeffnung hinaus. — Natürlich wird ein solches Hineindringen einer Flüssigkeit in eine andere in viel höherem Maasse Statt finden, wenn das specifische Gewicht beider nicht sehr ver- schieden ist. Ich habe zur Versinnlichung dieser Erscheinung ein ein- faches Instrument hergerichtet. Das besteht in einer gläsernen Röhre, in welcher sich ein dicht anschliessender Stempel auf und ab schieben lässt, einige Zoll von einem Ende ist eine Verengerung in der Röhre angebracht. Zieht man den Stem- pel etwa um einige Zoll von der Verengerung zurück, füllt den Raum zwischen beiden mit Oel, den Raum von der Ver- engerung der Röhre bis zum Ende mit Wasser und taucht dann dieses Ende in Wasser, so wird man durch einige Auf- und Niederbewegungen des Stempels eine bedeutende Verthei- lung des Oeles im Wasser bewirken. Wäre der Cylinder überall gleich weit, so würden sich eben die Oelsäule und 299 die Wassersäule in ruhiger Superposition auf und ab schieben. Macht man die Bewegungen etwas rasch, so ist sehr bald ein milchartiges Ansehen bewirkt. Es scheint mir, dass die Apo- theker dieses Instrument sehr wohl zur Bereitung von Emul- sionen würden benutzen können. Es ist mir nun unzweifelhaft, dass die Glottis, nach Ana- logie dieser Erscheinungen, die Wirkungen haben müsse, welche ich oben von ihr ausgesagt habe. Die Verengerung bei der Exspiration könnte dann deshalb Statt finden, weil sich dabei auch die übrigen Luftwege verengerten, und diese Spalte jene Wirkung gerade durch das Verhältniss ihrer Area zu der der übrigen Luftwege bewirkt, Fiele die verengerte Stelle der Luftwege, die Glottis, aber ganz hinweg, so könnte sich bei ruhiger Inspiration ein Quan- tum Luft durch Nase, Schlund, Luftröhre in die Bronchien be- wegen und bei der sogleich darauf erfolgenden Exspiration eben so, ohne sich bedeutend mit Kohlensäure gemengt zu’ haben, wieder ausströmen. Nichtchemischer Beitrag zur Kritik der Lehre vom Calor animalis; von Dr. BERGMANN in Göttingen. Meine Absicht ist, hier eine elwas nähere Erläuterung über einen Gegenstand zu geben, welchen ich in einem Aufsatze über den Kreislauf (Wagner, Handwörterbuch der Physio- logie. II.) habe berühren müssen, woselbst doch nicht der Platz zu einer ausreichenden Erörterung desselben war. — Man erwarte eben nicht neue Thatsachen im Folgenden zu finden. Ich hoffe aber einige nicht unbekannte, und dennoch, weil man ihre Beziehungen nicht erkennt, von den Physiolo- gen vernachlässigte Erscheinungen, durch Nachweisung ihres eausalen Zusammenhanges mit den meistbesprochenen That- sachen des Calor animalis zu ihrer wahren Stellung in der Physiologie zu bringen. Die Bewahrung einer constanten Temperatur in einem gegebenen Volumen einer bestimmten Substanz, bei gleichblei- bender Ausdehnung der Oberfläche, setzt, wenn die Bedingun- gen der Wärmeableitung (Temperatur der Umgebung u. dgl.) schwanken, eine angemessene Veränderung der Wärmezulei- tung oder Wärmebildung voraus. Da nun ähnliche Verhältnisse in Beziehung auf den Kör- per der warmblütigen Thiere häufig Statt zu finden scheinen, so hat man auch Schwankungen in der Wärmebildung bei denselben als nolhwendig angenommen und dieselben zu er- 301 klären versucht. — Man hat namentlich die verschiedenen Wärmequantitäten, welche der Mensch in verschiedenen Kli- maten produeiren soll, um seinen Körper bei seinen 37° €. zu erhalten, aus den verschiedenen Quantitäten der „Respira- tionsmittel“ abgeleitet, welche in wärmeren und kälteren Ge- genden in den Nahrungsmitteln enthalten sein sollen. In der That werden bedeutende Differenzen in Quantität und Qua- lität der in solchen Gegenden üblichen Nahrungsmittel gefun- den, welche sich sehr wohl zu solchen Erklärungen herleihen. Man mag es auch zugeben, dass diese Verschiedenheiten der Nahrung nicht bloss durch äussere und als zufällig zu be- trachtende Umstände bewirkt werden und dass, wenn die Natur hier vorzugsweise diese, dort mehr jene Nahrung dem Menschen nahe legt (oder ihn dazu nölhigt, durch Mangel anderer), darin nicht ein Zufall, sondern eine zweckmässige Vorsorge der Schöpfung zu suchen ist. Indessen bleibt, wenn man auch geneigt ist, auf diese Ansichten einzugehen, hier zunächst die Lücke sehr fühl- bar, dass man noch keine Art von Nachweisung besitzt, dass die Quantität der Verbrennungsprodukte, namentlich der ausgeliauchten Kohlensäure, bei Jen Bewohnern kalter Zonen wirklich viel bedeutender ist, als bei den Menschen in heissen Ländern, Es ist aus zahlreichen Gründen durchaus nicht an- zunehmen, dass der ganze Einfluss des Klima’s durch eine solche Differenz ausgegliellen werden würde. Aber wenn nur eine eonstante Differenz gefunden würde, so wäre das schon wichtig. (Möchte man nicht erwarten, dass ein solcher grüs- serer Anspruch an die Thätigkeit der Lungen sich auch bei gesunden Menschen mit einer grösseren Entwickelung dieser Organe verbinden würde, so dass man dieselben bei Polar- menschen durchschnittlich sehr gross finden müsste?) Wenn wir nicht wissen, wie viel auf die bezeichnete Weise geleistet wird, um die Phänomene des Calor animalis zu bewirken, um dem Menschen diese in allen Klimaten fast gleiche Temperatur zu erhalten, so liegt es nahe, sich donach 302 umzusehen, in wie weit wir überall jener Hypothese bedür- fen, in wie weit es etwa noch andere Agenlien giebt, welche den Grund der zu eıklärenden Erscheinungen enthalten oder miten!halten können. Und diese Frage kann nıan sich nicht vorlegen, ohne sogleich zu finden, dass es solcher Agentien nicht wenige giebt, dass es die äusserste Einseiligkeit sein würde, auf bloss chemischem Wege es erklären zu wollen, weshalb die Temperatur des menschlichen Körpers so wenig schwankt. Wie weichen denn wir den Einflüssen der Win- terkälte aus? Die Verschiedenheit der Nahrung mag dazu häufig oder regelmässig beitragen. Ausserdem aber ziehen wir uns in geschlossene, geheizte Räume zurück, wir bedienen uns einer Bekleidung, welche schlecht Wärme leitet und mög- lichst viele Theile der Körperfläche bedeckt. Im Zusammen- kauern, im Gebrauch der sogenannten Fausthandschuhe (bei welchen sich die 4 Finger in einem gemeinschaftlichen Raume befinden), wird die wärmeverlierende Oberfläche vermindert, ein Princip, welches auch in der Lage ruhender Thiere im Winter sich ausspricht. Den Thieren giebt die Natur ferner Winterpelze, den Trieb, sich Wohnungen zu bauen, in wel- chen die Temperaturwechsel geringer sind, den Wanderungs- trieb, die Fähigkeit, eine Zeitlang, freilich betäubt, in gesun- kener Temperatur zu leben. Alle diese Mittel sparen also an Schwankungen der Wärmebildung, indem sie den Vermehrun- gen der Wärmeableitung, welche die kalte Jahreszeit herbei- führen möchte, ausweichen, selbst mit Verletzung des Gesetzes der gleichmässigen Bewahrung der Temperatur, wie im Win- terschlafe. Diese Mittel, der Wärmebildung zu Hülfe zu kom- men, liegen sämmtlich so auf der Hand, dass wir auch gar nicht vermuthen können, dass irgend ein Chemiker die An- sicht gehabt habe, es komme ausschliesslich auf die Nah- rungsmittel an, um dem Körper seine gleichmässige Tempera- tur zu behaupten; wenn es in dieser oder jener Abhandlung so scheinen möchte, als gäbe es eine solche Ansicht, so ist das zweifellos nur dadurch bewirkt, dass man jene Exceptio- 303 nen als bekannt voraussetzte. Und das darf man gewiss, so lange man sich darauf beschränkt, zu einem nalurwissenschaft- lich gebildeten Publikum zu reden. Indessen sind diese Einrichtungen der Natur, die Aushül- fen, welche bald Intelligenz, bald Instinkt, bald organische Thätigkeiten darbieten, nicht hinreichend, um unter allen Um- stländen Wechsel der Wärme des Körpers in so weit zu ver- hüten, als sie doch wirklich verhütet werden. Der Mensch kann im Laufe des Tages, er kann überhaupt in kurz auf ein- ander folgenden Zeiten verschiedenen Temperaturen ausgesetzt sein, ohne dass er durchaus nothwendig den Einwirkungen derselben durch Aenderung der Bekleidung u. s. w. entgegen- wirkte. Sollte in diesen so gewöhnlichen Fällen es nun der Wechsel der Combustion im Körper sein, durch welchen die- ser sich den Anforderungen der äussern Temperatur anpasste? Es befinde sich ein Mensch im Zustande der Ruhe in einer Luft von 18° €. eine Stunde lang, und eine folgende Stunde lang ohne alle anderweitige Veränderung in einer Luft von 24° C. — Kann man erwarten, dass die Gleicherhaltung sei- ner Wärme dadurch geschehen wird, dass er in der zweiten Stunde weniger Verbrennungsprodukte liefert, als in der er- sten? Es würde interessant sein, wenn sich nachweisen liesse, dass auch nur um etwas die Produktion der Kohlensäure un- ter solchen Umständen sich änderte. Dass man indessen von vorn herein gar nicht erwarten dürfe, die ganze Erklärung der gleich- bleibenden Temperatur aus zweckmässig nach den wechselnden Bedürfnissen wechselnder Ergiebig- keit der Wärmegquellen (seien dieselben chemischer Natur oder nicht) herleiten zu können, dass diese vielmehr vielleicht ein untergeordneter Faktor bei den fraglichen Erscheinungen sein, möglicher Weise unter Umständen gar nicht dabei in Frage kommen können, das ist es, was wir darzuthun unsbemühen wollen. — Wir wollen einen beständig thätigen 304 Mechanismus betrachten, durch welchen der ein- fache direkte Zusammenhang aufgehoben wird, welcher sonst, bei der gleichbleibenden Tempera- tur des Körpers, zwischen den Wärmeleitung be- dingenden äussern Momenten (Wärmeleiter und Temperatur) und den wirklich Statt findenden Wär- meverlusten sich finden würde; einen Mechanismus, durch welchen die Gleicherhaltung der innern Tem- peratur des Körpers ohne eine beständige Anpas- sung der Wärmeerzeugung an jene, die Wärmeab- leitung äusserlich bedingenden Momente erklär- bar wird. Wir müssen nun vor Allem die Art, wie von dem Calor animalis gewöhnlich geredet wird, insofern tadeln, als man die Gleicherhaltung der Temperatur des Körpers viel zu unbe- dingt behauptet, die Ausnahmen, welche dabei zu machen wären, sich entweder nicht eingestehl, oder sie als irrelevante Thalsachen bei Seile lässt. Es ist eine wichlige Wahrheit, dass gewisse Theile des Körpers eine sehr constante Temperatur haben. Wir dürfen annehmen, dass dieselbe in genauer Ver- bindung mit ihrer Funktion steht. Namentlich mag es die Nervensubstanz sein, welche, um funktionsfähig zu bleiben, einer gewissen Temperatur bedarf. Die Thatsachen, welche dafür sprechen, sind bekannt und werden noch weiter unten genannt werden. Man hat als Ursache desselben wohl an die Gerinnbarkeit der felten Bestandtheile in der Zusammensetzung der Nerven gedacht. Dagegen giebt es aber sehr ausgedehnte Organe, welche durchaus eine se constante Temperatur nicht besitzen, bei welchen selbst bedeutende Schwankungen etwas Gewöhn- liches sind; und es ist wichtig, dass dies sich gerade von der Haut mit grösster Bestimmtheit sagen lässt, also von demje- nigen Organe, durch welches beständig ein grosser Theil der Wärmeverluste des Körpers geschieht (während ein anderer durch die Lungenausdünstung vermittelt wird). — In Bezie- 305 hung auf das wirkliche Stattfinden bedeutender Schwankun- gen in der Temperatur der Haut im Ganzen und in einzelnen Theilen können wir uns nun freilich, aus oben berührten, zum Theil auch aus sogleich noch zu erwähnenden Gründen nieht auf zusammenhängende, allen wissenschaftlichen Anfor- derungen entsprechende und in der Wissenschaft anerkannte Beobachtungsweisen stülzen. Man besitzt zusammenhängende Beobachlungen über die Temperatur der Haut, insofern die- selbe an verschiedenen Theilen des Körpers eine verschiedene au sein scheint. Dergleichen Beobachtungen zur Vergleichung der Temperatur von Hand, Bauchfläche, Achselhöhle, Fuss- sohle u. s. w. sind z. B beim Liegen im Belte angestellt wor- den, und so können dieselben auch füglich angestellt werden. — Dagegen giebt es sehr wenige Beobachtungen über die Verschie- denheiten der Haultemperatur, welche zu verschiedenen Zeiten an derselben Stelle der Haut gefunden werden. !) So steht es denn auch mit der eigentlich wissenschaft- lichen Anerkennung dieser Thatsache eigenthümlich. Da man einerseits keine genauen numerischen Bestimmungen über die- selbe besitzt, andererseils die weilere Bedeutung derselben übersab, so konnte man höchstens die allgemeine Behauptung, dass der Körper warmblütiger Thiere eine gleichbleibende Temperatur besitze, durch den Zusatz einschränken, dass das doch nur von den innern Theilen des Körpers einigermaassen PTR 4) Kürzlich finde ich in Frorirp's N. Not. Beobachtungen von Davy, welche auch für diese Beziehung interessant sind. In ande- rer Hinsicht sind, zwar nicht die Beobachtungen, aber die daraus gezogenen Schlüsse, mit Vorsicht zu gebrauchen. Man kann z. B nicht aus Vergleichung einer Temperaturbeobachtung, welche im Win- ter des Morgens gemacht ist, wit einer in anderer Jahres- und Ta- geszeit angestellten, auf Verschiedenheit der Temperatur in den ver- schiedenen Jahreszeiten einen höhern Schluss machen, wenn man nicht die Correetur kennt oder anwendet, welche eine solche Beob- achlung durch die regelmässigen, zu verschiedenen Tageszeiten Statt findenden Verschiedenheiten erleidet. Müller's Archiv 1845 20 ge 306 % exact gesagt werden könne. . Man hat meistens diese Ein- schränkung nicht einmal ausgesprochen, und wir müssen, wenn von der einen Seite gesagt werden wird, dass dieses Still- schweigen darauf beruhe, dass die Sache zu sehr Gegenstand allgemeiner Beobachtung sei, um einer besondern Erwähnung zu bedürfen, und dass der Physiologe eben nichts weiter zu leisten habe, als eine Erklärung der Wärmequelle zu suchen, von der andern Seile sogar einigermaassen auf den Einwurf gefasst sein, dass dergleichen Verschiedenheiten in der Haut- temperatur nicht hinreichend wissenschaftlich festgestellt seien. Man hat sich vielleicht zum Theil den Werth dessen, was wir jeden Augenblick an unserer Haut beobachten können, dadurch weggeläugnet, dass man die Gefühle von kalt und warm elwa von blossen Veränderungen in der Temperatur der Epidermis herleitete, unter welcher sich ja sogleich die Empfindungsnerven befinden. In Krankheiten, bis auf einen gewissen Grad selbst im gesunden Zustande, können diese Gefühle ja auch rein subjectiv sein. Man darf sich indessen nur daran erinnern, dass man die Gefühle von kalt und warm in der Haut auch dadureli besläligen kann, dass man einen Theil, in welchem ein lebhaftes Gefühl der Kälte Statt findet, auch durch andere Theile untersucht. Es ist bekannt genug, dass man zur Erwärmung einer stark durchkälteten Hand oder eines Fusses mehr Zeit gebraucht, als nölhig sein würde, wenn nur die Epidermis eine tiefere Temperalur besässe, Diese Theile eignen sich auch ganz wohl dazu, um miltelst des Thermometers sich einen Begriff von der möglichen tiefen Temperatur derselben zu machen. Doch wird sich nicht leicht eine völlig genaue Ermillelung vornelimen lassen, weil die Application des Thermometers nicht wohl so zu bewerkstelli- gen ist, dass nicht während der Dauer derselben die Tempe- ratur des Theiles zu steigen beginnt. Jedenfalls ist es also bei solchen Untersuchungen besser, wenn das angewandte Thermometer vorher etwas wärmer ist, als der zu untersu- chende Theil. Der tiefste Stand, welchen das Quecksilber F 307 alsdann erreicht, wird wenigsiens entschieden als eine Tem- peratur des unlersuchten Ortes belrachtet werden können, wenn es auch nicht das Extrem ist. Noch. weniger genaue Beobachtungen werden sich an andern Theilen vornehmen lassen. Liegen dieselben gegen Wärmeverluste geschützt, wie die Achselhöhle, so wird man nicht erwarten, daselbst die tiefern, in der Haut möglichen Temperaturen zu finden. Lie- gen dieselben aber in freien Flächen, so ist eine zweckmäs- sige Appliealion des Thermometers schwer zu erreichen. Um- hüllt man dasselbe, wo es die Haut nicht berührt, mit schlech- ten Wärmeleitern. so wird die Hautstelle selbst sich mehr und mehr erwärmen u. s. w. — Man müsste wohl solche Unter- suchungen durelı einen Apparat herstellen, welcher die Tem- peralur augenblicklich angäbe, wie ein thermoelektrischer. — Haben indessen solche Schwierigkeilen mich selbst, und wohl auch Andere, bis jelzt abgeschreckt, auf eine genauere Er- mittelung der hier vorkommenden Zahlenverhältnisse einzuge- hen, da ja ein allgemeiner, unbestimmier Ausdruck von melır oder minder, so wenig er auch leistet, doch immer besser ist, als eine ungenaue Zahl, wenn sie den Glauben an Genauig- keit erregt, so ist doch die Thatsache, dass wirklich die Tem- peratur der Haut im gesunden Leben schr tief unter diejenige herabsinken kann, welche man im Allgemeinen als die Tem- peratur des menschlichen Körpers zu bezeichnen pflegt, kei- nem vernünftigen Zweifel zugänglich. Die Veränderungen in der Temperatur der Haut können wir uns entstehend denken, entweder aus äussern, oder aus innern Ursachen. Die äussern Ursachen, welche solche Folgen haben, be- schränken sich so ziemlich auf Mittheilung oder gewöhnlicher Entziehung der Wärme, Reibung und andere Reize wirken doch nur indirekt, indem sie erst Thätigkeiten im Organismus hervorrufen, Die innern sind zum Theil bekannt genug. Speise und 20° 308 Trank, körperliche Bewegung können Erwärmung der Haut bewirken. Eben so geislige Aufregungen. Finden unter sol- chen Umständen, während alles übrige gleich bleibt, Steige- rungen der Hauttemperalur Statt, so liegt wohl zunächst an- zunehmen, dass die Wärmebildung sich gesteigert hat. (Dass sich die Warmeverluste durch die Lunge vermindert hälten, könnte die Sache auch erklären. möchle aber wohl Niemand wahrscheinlich finden.) — Es kommt indessen vor, wie wir später sehen werden, dass die Temperalur im Innern des Kör- pers zu einer Zeit eiwas verschieden von der zu einer andern Zeit ist, während die der Haut sich nicht oder in ungekehr- tem Sinne ändert. Dies Faktum wird späler noch bespro- chen werden. Es ist leicht zu eonstaliren und von Wich- tigkeit, indem es die Selbstthätigkeit des Organismus, die Unabhängigkeit desselben von der Aussenwelt besonders ins Licht setzt. Wir werden nun auf die aus diesen Verhältnissen noth- wendig werdenden Schlussfolgerungen hinzuführen versuchen, dass diese Veränderungen der Haulwärme, wenn sie durch einen Complex innerer und äusserer Ur- sachen bedingt werden und neben einer fast völlig gleichbleibenden Temperatur innerer Körpertheile fortlaufen, mit der letztern in einer solchen causa- len Verbindung stehen müssen, dass sie als ein wichtiges Mittel des Organismus anzusehen sind, um eben die Gleichmässigkeit der Temperatur der innern Theile zu erhalten. Denken wir uns eine homogene lodie Masse, in welcher an allen Punkten beständig und in jedem Theile von bestimm- tem Volumen eben so viel, wie in jedem andern von dem- selben Volumen Wärme frei würde. An der Oberfläche der- selben soil eine beständige Wärmeableilung Stall finden. Ist die Wärmeleitung in der Substanz stark, so wird es sich dann deutlich herausstellen, wie von der Oberfläche nach der Tiefe zu die Wärme gleichmässig zunimmt. Bleibt die Wärmeab- 309 leitung längere Zeil sich gleich, so fixiren sich die Verhält- nisse. Jeder Theil erlangt dann eine bestimmte Temperatur, welche resullirt aus dem Wärmequantum, welches er selbst erzeugt, demjenigen, welches er nach Aussen abgiebt, und demjenigen, welches er eben darum von innern Theilen wie- der entzieht. — Aendern sich die an der Oberfläche entzoge- nen Quanlilälen, so ändern sich die Temperaturen der ver- schiedenen Theile an der Oberfläche und im Innern des wärmebildenden Körpers. — Im thierischen Körper nun er- folgt wahrscheinlich auch die Wärmebildung überall und die Ableitung an der Oberfläche. Neben der einfachen Wärme- leitung tritt hier aber ein neuer, ohne Zweifel ausgiebigerer Faktor auf, durch welchen die innern Organe den äussern die nach Aussen abgeleitele Wärme erselzen können. Das Blut, welches sich aus allen Körpertheilen in grössere und grössere Venenstämme ergiesst, hat, wie wir annehmen, oft sehr verschiedene Temperaturen. Dasjenige, welches von ei- ner Haut zurückkehrt, welche sehr starker Wärmeableitung ausgeselzt ist, wird viel kälter sein können, als das der Le- bervenen o.s.w. Aber in den Venen selbst, in den Herzhöh- len, in den Lungen muss eine Ausgleichung dieser Temperatu- ren Slall finden, so dass die abgekühlten Theile stets ein wärmeres Blut erhalten, als sie gaben, also auf Kosten an- derer Organe, neben ihrer eigenen Wärmebildung, erwärmt werden. Dieser physiologische Faktor nun ist ein veränderlicher, die Quantität des Blutes, welche in der Cutis enthalten ist, sowohl, als die Schnelligkeit, mit welcher sich dasselbe be- wegt, bleiben sich nicht gleich, und somit wird hier ein un- gleichmässiges Fortschreiten der Wärmeverhältnisse von der Oberfläche nach Innen zu möglich. Der Grad aber, bis zu welchem der Haut Wärme von Innen mitgetheilt werden soll, folglich auch die eine Bedingung der Wärmeverluste, steht um so mehr unter der Herrschaft physiologischer Kräfte, je mehr die Haut von der direkten, 310 physikalischen Wärmeleitung der unlerliegenden Theile abge- sondert ist. Mass dies nun in so bedeutendem Maasse wirk- lich durch die subeutane Feilschicht geschieht, ist zugleich als Beweis der Richtigkeit unserer Ansicht wichtig. Es wird sich leicht begreifen lassen, dass jene häufige Behauptung, die Fett- schiebt diene als Schutz gegen die Kälte, es eigentlich schon in sich begreift, dass die Haut selbst zur Erleidung bedeuten- der Temperaturwechsel bestimmt sei. Dass aber eben diese Temperaturwechsel, welche aus einem Vereine äusserer und innerer Ursachen hervorgehen, als Regulaloren der Wärme- verluste der innern Organe betrachtet werden müssen. dieses ist wohl bis jetzt nicht klar in der Physiologie aufgefasst worden. Die Haut des Menschen bietet die Erscheinungen des Wechsels an Blutfülle in sehr hohem Grade dar, und sie ist noch dazu in so grosser Ausdehnung von aller schützenden Waarbekleidung frei. Dadurch ist sie also sehr geeignet, den Bedürfnissen der Gleicherhaltung der Temperatur im Innern des Körpers auszuhelfen. Steigt die äussere Temperalur, ohne dass sich die Wärmebildung ändert, so wird auch die Haut- temperalur steigen, damit gleiche Wärmeableitung Statt finden könne. Ist dieselbe schon vorher sehr hoch gewesen, oder sollte zugleich die Wärmebildung zunehmen, so wird zu dem Mittel der vermehrten Ausdünstung gegriffen, welche in dieser Funktion freilich längst anerkannt ist, aber nur das Ende ei- ner Reihe von Erscheinungen der Erwärmung ist, welche man nicht eben so richtig geschätzt hat. Steigt die Wärmebildung durch innere Ursachen, wie Speise, Trank u. s. w., so kann ‚dieselbe Reihe von Erscheinungen erfolgen, ohne dass die äussere Temperatur sich ändert. Das Umgekehrte wäre von sinkender Wärmebildung mit und ohne Sinken der äussern Temperatur zu sagen. Es versteht sich übrigens von selbst, dass neben diesem Faktor, oft wichtiger, oft weniger wichtig, die Empfindlich- keit der Haut, welche den Menschen lehrt, sich besser zu 311 umhüllen oder das Gegentheil zu Ihun, so wie manches An- dere in Anschlag zu bringen ist, und dass jene Wechsel der Hautwärme und Ausdünstung eben zur Correclion der klei- nern oder grössern Fehler dienen müssen, welche nach Alle- dem noch übrig bleiben. Das liesse sich leicht in zahlreichen Beispielen zeigen. Wenige bekannte Thatsachen mögen ge- nügen, Bei bedeutender Kälte pflegen wir" den Körper so zu umhüllen, dass eine unmiltelbare Berührung zwischen Luft und Haut nur in sehr beschränkter Ausdehnung Statt findet. Unter solchen Umständen treten gleich bedeutende Verände- rungen der Erwärmung der Haut und besonders der exponir- ten Theile hervor, je nachdem man etwas mehr von der Hautfläche der Einwirkung der Luft Preis giebt, oder ihr ent- zieht. Das ist namentlich auffallend beim Liegen im Belte. Ein sehr geringer Theil der Körperoberfläche kann da, selbst bei sehr tiefer Lufttemperatur, exponirt werden, ohne sich bedeutend abzukühlen, Die Wärmebildung im Körper erfor- dert eben, dass dieser Theil so weit erwärmt werde, damit der Wärmeverlust der Erzeugung gleich bleibe. Sobald die exponirle Stelle elwas vergrössert wird, so erfordert eben dasselbe Bedürfniss, dass diese Stelle der Haut nun weniger warm sei, damit sie nicht zu viel Wärme verliere. Achnliches wiederholt sich bei höheren Temperaturgraden. Ist Jemand mit Hülfe sorgfältiger Umhüllung seines Körpers in Schweiss gerathen, so genügt oft das Hervorstrecken einer Hand, eines Armes, um den Schweiss rasch aufhören zu lassen. Diese Beispiele machen es bei geringem Nachdenken un- möglich, in das Missverständniss zu verfallen, als ob sich’s hier um eine einfach von äussern Verhältnissen bedingle Ab- kühlung oder Erwärmung handele. Wenn nach einem Zu- stande, in welchem z. B. ein Gleichgewicht zwischen Wär- mebildung und Ableitung einige Zeit bestanden halte, plötzlich eine viel tiefere Temperatur auf den Körper wirkt, so wird man freilich sagen müssen, dass diese zunächst die Haut ab- kühlt, Das Blut, was von derselben nach Innen dringt, wird 312 kälter sein, als dasjenige, was kurz zuvor diesen Weg ging. Warum hat das nun keine Abkühlung der innern Theile zur Folge? Das ist nur möglich, indem augenblicklich durch die- jenigen Mittel, welche der Organismus besilzt, die Bewegung dieses Blutes verlangsamt wird. Die kühle Haut kann nach Aussen nicht mehr Wärme abgeben, als die Temperaturdiffe- renz fordert, von- Innen nieht mehr erhalten, als durch das Blut zugeführt wird. Man kann sich ein ähnliches Verhältniss auf ganz ein- fache Weise an todten Substanzen hergestellt denken. Wenn wir annehmen, dass eine, z. B. metallene, Kugel in einer Kap- sel von derselben Substanz eingeschlossen wäre. dass zwischen beiden aber ringsum ein Raum enthalten wäre, von schlechten Wärmeleilern erfüllt, dass dann durch diesen Raum von der Kugel zur Kapsel verschiedene Brücken oder Slifte von einer gut leitenden Substanz hinübergingen, deren Anzalıl man be- liebig vermehren oder vermindern könnte, so würde man durch eben dieses Mittel auf Kosten der Temperatur der Kapsel die- jenige der Kugel, in wglcher man sich eine Wärmequelle denke, bei Schwankungen der äussern Temperatur gleiechmäs- sig erhalten können. In noch andern Beispielen, als den vorhin angeführten, tritt die Selbstthätigkeit des Organismus noch auffallender her- vor. Ich habe häufig beobachtet, wie meine Körperfläche vor dem Mittagsessen kühl, nachher sehr warm war. lch habe dabei mit dem Thermometer die Temperatur unter der Zunge untersucht und diese war stels dieselbe geblieben. Ein Fall, welcher einer raschen Verminderung der Wär- mebildung in seinen Wirkungen völlig gleich kommt und noch ausserdem einiges Interesse hal, die rasche Einführung einer bedeutenden Menge eines Wärme entziehenden Mittels in den Körper, ist öfter von mir mit Genauigkeit beobachtet worden. Die Einführung von einer Quantität kallen Wassers von mehr als ein Quart, früh Morgens bei mässig warmer Haut und kühler, selbst kalter Lufttemperatur hatte zum conslanten Er- 313 folge nicht bloss ein baldiges Kaltwerden der Haut, sondern selbst schüttelnden Frost. Beobachtete ich dabei den Gang der Temperatur unter der Zunge, so fand daselbst nur eine sehr geringe Abweichung Stalt. Indessen war eine solche doch unläugbar vorhanden und nicht bloss Folge von lokaler Abkühlung des Mundes durch das Hindurchgehen des kalten Wassers. Ich habe unter verschiedenen Umständen einige hun- dert Temperaturbestimmungen an derselben Stelle unter der Zunge gemacht, welche ausser diesen noclı einige andere Re- sullate gewährt haben, welche sich an der äussern Körper- fläche nicht gewinnen lassen. Hier dagegen lassen sich leicht genaue Beobachtungen machen, und zwar fast ohne Zeitauf- wand, indem man, während die Kugel sich im Munde befin- det, sich wohl anderweilig beschäftigen kann. Ich habe ein kleines Thermometer benutz!, an welchem die Strecke vom 25sten bis zum 35sten Grade der Reaumur’schen Skala durch Herrn Meyerstein hieselbst ealibrirt ist, zugleich sind an dem dazu gehörigen Theile der Skala die Zehntel angegeben. Die Länge von der Kugel bis zum 30sten Grade ist so, dass der 30ste Grad, wenn die Kugel unter der Zunge ruht, mit Bequemlichkeit in eine solche Lage zum Auge zu bringen ist, dass eine Ablesung mit der Loupe ohne Parallaxe gesche- hen kann (nahe an 90 Mm.) — Mit diesem kleinen Instru- ment sind denn auch die meisten der eben erwähnten Beob- achtungen angestellt worden. Man ist hier öfters genöthigt, um eine bestimmte, nicht lange andauernde Liefe Temperatur der besagten Gegend zu conslaliren, die Thermometerkugel vor der Einführung zu erwärmen. Denn die Temperatur nach dem Genuss einer solehen Menge kalten Wassers wächst zwar, wie es mir scheint, zu langsam, als dass die Abkühlung eine bloss lokale sein könnte, aber doch schnell genug, um wäh- rend einer bedeutenden Applicalionsdauer nach wenigen Mi- nuten immer einen kleinen, mit der Loupe wahrnehmbaren Fortschritt gemacht zu haben, und so den Beobachter in Ver- legenheit zu setzen, welchen Stand er namentlich als tiefsten 314 noliven soll, während das keinen Zweifel leidet, wenn das Thermometer bis auf einen gewissen Punkt fällt und dann zu steigen beginnt. Um zu verhüten, dass die Abkühlung nicht etwa eine bloss lokale sei, habe ich auch wohl, ehe die Beob- achtung begann, etwas warmen Kaffee genommen. Darauf fand ich unter anderm in einem Falle nur 29° R. und 15Mi- nuten später noch dieselbe Temperatur. 10 Minuten darauf 29°, 2; 20 Minuten darauf 29°, 3; 15 Minuten später 29°, 43; nach abermaligen 15 Minuten 29°,56. — Achnliches bei ähn- lichen Versuchen. — Ich will noch bemerken, dass das ge- wöhnliche, bei jedem Menschen im Verlauf des Morgens Statt findende Steigen der Temperatur viel langsamer erfolgt. Auch steht ohne besondere Einwirkungen das Thermometer bei mir Morgens früh nicht unter 29°,2 bis 29°, 3. Es scheint aus diesen Versuchen sich nun zu ergeben, dass geringe Schwankungen, ausser diesen täglichen, an innern Theilen vorkommen, dass sie aber bald durch die nöthige Stimmung der Haut u. s. w. ausgeglichen werden. Es würde also selbst für die innerhalb der Haut liegenden Gebilde die Temperatur nicht völlig gleich bleiben. Vielleicht aber sind in dieser Beziehung noch wieder Unterscheidungen zu machen, so dass die Temperatur der äussern Muskelschichten, somit auch die der Stelle unter der Zunge, namentlich aber die der Extremitäten, nicht so gar fest gehalten wird, als die der Ein- geweide. Woher könnte auch das Steifwerden der Finger in der Kälte kommen, wenn nicht durch Sinken der Temperatur auch der Muskeln, Muskelnerven u. s. w. Dadurch wird es im Grunde nicht weniger wahr, was oben in Beziehung auf die Haut gesagt wurde, welche vorzüglich zu solchen Wech- seln sich eigne, Reicht die Abkühlung der Haut noch nicht aus, um die Wärmemittheilung nach Aussen zu beschränken, so dringt die Kälte tiefer in die Extremitäten ein. Auch die Extremitäten stehen in solchem Verhältnisse zum übrigen Körper, dass eine Wärmemittheilung, namentlich an die End- glieder derselben, sehr auf die Cireulation des Blutes beschränkt 315 sein muss, so dass also eine Verlangsamung des Kreislaufes ') in denselben ebenfalls zur Wärmeersparung dienen könnte. Auch in der Abgrenzung einiger Eingeweide gegen die umge- benden Muskelsehichten tritt es hervor, dass sie selbst noch mehr als diese Umgebung gegen Kälte geschützt sein sollen. In Beziehung auf das Gehirn ist auf andere Weise, schon an der äussern Körperfläche durch Haarbedeckung gesorgt, wo- dureh sich also hier die Verhältnisse anders herausstellen, Es ist gewiss nicht wahrscheinlich, dass die Centraltheile des Nervensysiemes weniger Schulz gegen Kälte haben und be- dürfen, als irgend ein anderer Theil des Körpers. Manches weist vielmehr darauf hin, dass die Nervensubstanz ganz be- sonders in ihren Funktionen leidet, wenn die Kälte auf sie einwirkt. Darum hat man auch die obige Erklärung der Wirkung der Kälte gesucht, welche gerade auf die Nerven- subslanz anwendbar ist. Unverkennbar ist bei stark durchkäl- teten Fingern eine gewisse Unsicherheit und Kraftlosigkeit in den Bewegungen derselben. Da möchte man noch zweifelhaft sein, ob die Ursache nicht auch in den Muskeln liege. Aber die Schläfrigkeit, mit welcher der Tod dureh Kälte beginnt, die gesunkene Temperatur wälrend des Winterschlafes sind deutlichere Hinweisungen. Aber wir übersehen dabei gar nicht, dass diejenigen Thäligkeiten, welche auch im tiefen Winterschlafe nicht völlig cessiren, doch immer noch eine ge- wisse Erregung in einigen Partieen der Centraltheile voraus- selzen. Namentlich muss die Medulla oblongata bei diesen Tbieren noch bei sehr gesunkener Temperatur thätig sein kön- nen. Ich babe auch oft die Beobachtung gemacht, dass zu- sanımengekugelte Haselmäuse, wenn ich sie in meinen Händen erwachen liess, ehe sie irgend eine andere Thätigkeit zeigten, 1) Ueber meine Art der Begründung der Ansicht, dass lokale Verlangsamungen des Blutes, durch hydraulische Mittel bewirkt, in der Herrschaft des Organismus stehen, muss ich auf meine oben er- wähnte Abhandlung über den Kreislauf (p. 280—283) verweisen. 316 sehr haslig zu vespiriren begannen. Erst nachdem diese zu- erst erwachte Thäligkeit der Med. obl. eine Zeitlang angehal- ten hatle, tralen andere Bewegungen hervor. Gewiss halle die rasche Respiralion sich mit rascherer Cireulation verbun- den, zugleich halte wohl die wärmere Luft auf das durch die Lungen sich bewegende Blut und somil auf den ganzen Kör- per rasch eingewirkt, und daneben ist denn vielleicht noch eine Temperaturerhöhung dureh einen bedeutenden Oxyda- tionsprocess in Anschlag zu bringen. Ich muss noch einmal za meinen Thermomeleruntersu- chungen in der Unterzungengegend zurückkehren, indem die- selben von einer Seite ganz besonders deutlich zeigen, in wie weit eine gewisse Temperatur der innern Theile und die täg- lichen Schwankungen derselben wider den bisherigen Anschein unabhängig von den begleitenden Schwankungen in der Pro- duklion der Kohlensäure, also nolhwendig milbedingt durcli andere Faktoren sind, zu denen denn wohl besonders der Erwärmungszustand der Haut gehört. Man kann an der be- zeichnelen Körperstelle recht gut die tägliche Schwankung der Temperatur beobachten. Dieselbe beträg! bei mir an der bezeichneten Stelle eiwa 0°,6—0°,8 R. — Das Steigen fin- det Morgens Stall, meist bis 10 oder 12 Uhr. Dann erfolgt ein Stillstand von mehreren Stunden, Abends wieder das Sin- ken. Ich habe auch über die meisten Stunden der Nacht Beobachtungen angestellt, und finde nicht, dass ein zweites Steigen in der Nacht Statt hat. Besondere Angaben darüber theile ich nicht mit, namentlich auch, weil ich nicht stels dasselbe Thermometer habe benutzen können. Die tiefsten Stände scheinen mir gewöhnlich in den ersten Stunden nach Mitternacht einzutreten. Zwischen diesen im Allgemeinen bekannten täglichen Schwankungen der Temperatur des Körpers und der Kohlen- säurebildung, welche ebenfalls im Tage ein Maximum hat, glaubte man nun einen unmittelbaren causalen Zusammenhang vermulhen zu müssen. Wollten wir nun aber auch zugeben, 317 dass die Zeit des Eintretens der Maxima und Minima in bei- den Verhältnissen dies rechtferligten, so findet man doch als- bald, dass der Causalzusammenhang kein so einfacher sein kann, sobald man nicht bloss auf die Temperatur der innern Theile, sondern nebenbei auch auf die der Haut Rücksicht nimmt. Ich habe unter andern häufig des Abends, gerade während des Sinkens der innern Temperatur, eine besonders warme, Morgens, während des Steigens, eine kühle Haut be- obachtet. Wenn die äussere Temperatur und die Bekleidung in beiden Fällen gleich gesetzt wird, und das waren sie häufig, so ist wohl anzunehmen, dass bei dem so geringen Steigen der Temperatur Morgens weniger Wärme zur Bewirkung die- ses Steigens verwandt, als durch die kühle Haut, im Vergleich zum Abend, gespart wird. Man muss also annehmen, dass eine irgendwie im Orga- nismus bedingte Nothwendigkeit dieser Temperaturschwankun- gen sich keineswegs bloss durch Aenderungen der Wärmebil- bildung, sondern auch, und nicht sellen vorzugsweise durch andere Mittel, namentlich durch die Beherrschung der Wär- meverluste bethäligt. Hiernach scheint mir die Funktion der Haut, deren Er- kenntniss ich hier begründen wollte, ausser Zweifel gesetzt. Da nun aber naclı allem Vorherigen bei Einwirkung ei- ner und derselben äussern Temperatur verschiedene Tempera- turen der Haut und bei verschiedenen äusseren Bedingungen der Wärmeableitung dieselbe Hautlemperatur möglich, so dringt sieh schliesslich die Frage nach der Bewirkungsweise dieser zweckmässigen Veränderungen auf. Die Kälte an sich scheint eontrahirend, dauernde Wärme ') erschlaffend auf die Haut und somit auch auf ihre Capillaren einzuwirken. Aber diese Erfolge können auch ausbleiben. Wie will man sich nun 4) Plötzlich einwirkende Wärme, z. B. ein Bad-von 30° R., bewirkt Anfangs Gänsehaut, was ich an mir und Andern öfters con- stalirt habe, 318 z. B. den Fall eıklären, wo bei niederer äusserer Temperatur die Anfangs kalten Extremitäten und die laut allmälig warm und blutreich werden? Hier wird ohne Zweifel mehr Wärme im Körper erzeugt. Man hat, wie es mir scheint, zwei Wege der Erklärung. Nimmt man nämlich an, dass die Wärme des Blutes unter solchen Umständen wirklich etwas zunimmt, so kann man sich denken, dass diese erhöhte Temperatur eine Wirkung auf die Centraltheile des Nervensystems ausübe, und dass so von hier aus die Erschlaffung der Haulfaser und der Gefässe determinirt werde. Man kann sieh auch denken, dass das etwas mehr erwärmte Blut in der Haut selbst diese Wir- kung ausübe. Dass die Centraltheile des Nervensystems von grossem Einfluss auf den Zustand der Haut sind, ist nicht zu läugnen. Nehmen wir an, dass die Vermittelung durch dies Nervensystem geschieht, so müssen wir ferner annehmen, dass die Empfindlichkeit desselben gegen Wärme Morgens abnimmt, Abends.wieder steigt. Glauben wir, dass die Wirkungen un- mittelbar in der Haut geschehen, so muss in dieser eine ähn- liche tägliche Umstimmung Statt finden. Wir können uns aber wohl eine solche feine Empfindlichkeit viel leichter in den Centraltheilen des Nervensystems denken, welche Tem- peraturänderungen so sehr entzogen sind, als in der Haut, — Dies scheint mir für die eine Hypothese gegen die andere nicht unbedeutend ins Gewicht zu fallen. Ueberhaupt aber wollen wir auf keine von beiden einen sonderlichen Werth gelegt haben. Schliesslich wollen wir noch bemerken, dass wir bis jetzt bloss der Einfachheit der Darstellung wegen die Sachen stets so behandelt haben, als könne die Verlangsamung des Blutes stels nur mit Contraction der feinen Gefässe vorkommen. In der Haut muss ‘die Kälte noch als physikalisches Agens eine Verlangsamung bewirken können. Es ist aber nicht anzuge- ben, in welchem Grade dieselbe möglicher Weise wirken kann. Die Erscheinung, dass bei kalter Luft die exponirten Theile sehr gewöhnlich nicht blass, sondern roth und rothblau sind, 319 beweist, dass hier nicht die Capillaren verengt sind. Aber sowohl die bläuliche Farbe, von Venosität herrührend, spricht für langsame Bewegung des Blutes, als auch die oft bedeu- tende Abkühlung. Wir können uns hier zwei Ursachen der langsamen Bewegung denken. Einmal eben die Kälte selbst (Näheres darüber im Aufsatze über den Kreislauf) und dann vielleicht Contraction der ab- und zuführenden Gefässe. Letz- tere Annalıme ist ganz vernünftig, insofern man vermuthen kann, dass die oberflächlichste, von Capillaren unter der Epi- dermis gebildete Schicht in einen Zustand von Paralyse gera- then ist, während die etwas tiefer liegenden Gefässe contrahirt bleiben. Ueber die granulirte Leber und Niere und ihr Ver- hältniss zur tuberkulösen und krebsigen Dyskrasie. Ein Beitrag zur palhologischen Anatomie von Dr. H. EıcnnoLtz zu Königsberg in Pr. Seitdem zuerst durch R. Bright die Aufmerksamkeit der Pathologen auf eine eigenthümliche Affektion der Nieren, die constant mit einem albumenreichen Urin und serösen Ergies- sungen in verschiedene Theile des Körpers verbunden sei, ge- lenkt wurde, ist diese Affektion der Vorwurf sehr zahlreicher Untersuchungen gewesen. Kann man aber auch die Sympto- mengruppe, welche den Morbus Brighlii charakterisirt, als ziemlich erschöpfend erforscht ansehen, so lässt sich ein Glei- ches nicht von der Degeneralion sagen, welche in der genann- ten Krankheit gefunden wird. Die von Gluge, Valentin und Hecht angestellten mikroskopischen Untersuchungen sle- hen vereinzelt da, und sind, so viel mir bekannt geworden, von keinem spälern Forscher mit dem gleichen Resultate wie- derholt. Die erste gründliche und die Degeneration ihrer Na- tar nach vollkommen erschliessende Beschreibung möchte die von J. Henle sein, die er in der von ihm und Pfeufer re- digirten Zeitschrift der Krankkeitsgeschichte eines an Morb. Brightii verstorbenen Patienten beigefügt hat. 321 Eine andere, nicht minder wichtige und wohl noch häu- figer beobachtete Afleelion ist die Laennec’sche eirrhosis he- patis, deren Wesen in seinem ausgebildetsten Grade nach den übereinstimmenden Untersuchungen von Hallmann und Henle in einer abnormen Faserentwicklung besteht. Hier, wie in der granulirten Niere, wird durch die Entwicklung des Neu- gewebes das Kapillargefässsystem und später auch die Gefässe grösseres Volumens zusammengedräng!, die afficirten Stellen werden blutleer und geben oft genug beim Durchschneiden keinen Tropfen Blul; hier wie dort zieht sich bei einem hö- bern Grade der Aflektion dieses Fasergewebe zusammen und bediogt dadurch die höckrige, mit narbenähnlichen Eindrücken versehene Gestalt beider Organe, so dass Henle daher Ver- anlassung genommen hat, diesem Neugebilde den nicht unpas- senden Namen des Narbengewebes zu geben. Das gleichzeitige Vorkommen der granulirten Leber und Niere ist von verschie- denen Seiten her conslatirt, und dieser Umstand musste schon längst die Ansicht als die allein wichtige herausstellen, dass beide Degenerationen nicht durch eine besondere, auf jedes der genannten Organe allein beschränkte Affektion bedingt seien, sondern dass der Grund davon in etwas Tieferem liegen müsse. Wenn es sich nun dureli die nachfolgenden Beobach- tungen herausstellen wird, dass nieht nur Leber und Niere so erkranken, sondern auch die Milz in den Bereich dieser Affek- tion mit hineingezogen werden könne; wenn ferner einige Sektionsberichte auf unzweifellafte Weise lehren, dass nicht nur Leber, Niere und Milz so entarlet gefunden werden, son- dern dass auch die Heilung einer früher bestandenen Phthisis dadurch zu Stande kam, dass sich ebenfalls in Folge einer von der plıthisischen verschiedenen Blutmischung diese ab- norme Faserbildung in den Lungen entwickelte und dadurch die Höhlen vernarbten, so möchte dieser Ansicht zu ihrer all- seiligen Begründung nichts mangeln., Da es hier nur darauf ankommt, die Natur einer Krankheit aus dem Sektionsbefunde zu erschliessen, so habe ich auch nur nöthig, denselben anzu- Müllers Archir, 1845, 21 322 geben, ohne mich auf eine genauere Krankheitsgeschichte und auf die gegen die Krankheit eingeschlagene Behandlung ein- zulassen, zumal ich auch in keiner Hinsicht weder für das eine, noch für das andere etwas Neues dem schon bekannten binzufügen könnte. Ich beschränke mich daher darauf, dem Sektionsbefunde nur die zum Verstehen des Ganzen etwa nö- Ihigen Nolizen vorangehen zu lassen. A. Degeneralion der Niere. 1. Ein Knabe von 12 Jahren war an den Symplomen des Morbus Brightii gestorben. Der Urin des Patienten war sehr eiweiss- und fettreich. Sektion. Das Volumen der Nieren war um ein bedeu- tendes vergrössert; ihr Gewebe schlaffer, als man es sonst wohl zu fioden pflegt, und von auffallend blasser Farbe, wel- che fast die ganze Niere, namentlich die Corlikalsubstanz ein- nahm, und die nur hin und wieder von violeltrötblichen Flecken von unregelmässiger Gestalt unterbrochen wurde. Beim Durch- schnilt zeigle sich die Cortikalsubstanz in eine weisslich gelbe Masse verwandelt,.in der stellenweise kleinere Flecke von röthlicher Färbung bemerkbar waren. Diese gelbe Masse, die bei näherer Betrachtung ein flockiges Ansehen halte, erstreckte sich auch zwischen die Medullarsubstanz und umgab dieselbe an der Basis und den Seiten. Man fuhr mit einem Scalpell über die durchschnittene Masse und brachte die anklebende Flüssigkeit, die von weisslicher Färbung war, unter das Mi- kroskop. Man sah eine Menge unregelmässiger, ziemlich dun- kel gefärbter Körper; ward der Tropfen mit Wasser vermischt, um einzelne dieser Körper besser beobachten zu können, so verloren dieselben ihr dunkles Ansehen, indem eine Menge kleiner Molekularkörper sich an ihrer Oberfläche ablöste, ohne dass hierdurch die Grundlage der Körper selbst verändert wurde. Diese war, wie gesagt, unregelmässig, jedoch so, dass bei allen die Länge über die Breite, und diese über die Tiefe vorherrschte. Liess man das Wasser fliessen, so kugelten sie nicht, wie es sonst runde Körper zu thun pflegen, sondern 323 sie sehwammen, dieselbe Oberfläche nach oben behaltend. Bewirkle man eine stärkere Störung, so schnellten sie plötz- lich auf die andere Seite, und man sah dann ihre im Verhält niss zur Länge und Breite geringe Tiefe. Nach dieser Be- schreibung möchte es wohl keinem Zweifel unterliegen, dass die beschriebenen Körper den Inhalt der Nierenkanälchen aus- machten, der in unregelmässigen Massen durch das Streichen mit dem Sealpell aus denselben gepresst war. Gluge’sche Entzündungskugeln wurden nur in geringer Anzahl, Eiterkör- perchen gar nicht gesehen. Die Nierenkanälchen selbst waren schwer zu eıkennen, nur zuweilen konnte man bei einer dün- nen Schicht die Contouren des einen oder andern eine Strecke weit verfolgen; dieselben waren nicht so geradlinig wie sonst, sondern machten stärkere oder geringere Einbuchlungen, die viel häufiger waren, als dass sie für die normalen, von Henle beschriebenen Einschnürungen betrachtet werden konnten, und die ohne Zweifel durch ein neugebildetes Gewebe bewirkt wurden, welches, einen faserigen Bau zeigend, die Nierenka- nälehen von allen Seiten umgab. Gelang es, eine Faser ein Ende weit zu isoliren, so sah ınan, dass sie schmal und schwach granulirt war. Essigsäure machte sie fast ganz verschwinden; Jodwasser, ein für die mikroskopische Untersuchung ganz un- entbehrliches Reagens, stellte sie jedoch in ihrer Integrität wieder her. Bei einem Stückchen der macerirten Cortikal- substanz wurde dieses Fasergewebe auf eine ausgezeichnete Weise gesehen. 2. Ein Mädehen von 9 Jahren wurde mit bedeutendem ascites und anasarca in die Anstalt aufgenommen. Während der Behandlung schwanden die hydropischen Ergiessungen, die Kranke starb jedoch. Sektion. Die Nieren waren gruss, fest, weissgelblich, mit dunkleren violetten Flecken, hin und wieder eine Narben- verliefung. Im Innern zeigte sich die Rindensubstanz durch weisslich gelbe Massen ersetzt, die sich zwischen die Pyrami- den hineinerstreckten. Das Mikroskop zeigte das oben er- 21° 324 wähnte Fasergewebe, ausserdem Zellen, welche geschwänzt im Uebergange zu Fasern begriffen waren, Zellenkerne und Felt. Aus dem Umstande, dass bei der kleinen Patientin die Haut sich theils kleienartig, theils in grösseren Lappen ab- schilferte, kann man wohl den Schluss ziehen, dass vorherge- gangene scarlatina die Ursache der Nierendegeneration gewesen sei, wiewohl ich darüber in der Krankheitsgeschichte nichts vermerkt finde. B. Degeneration der Leber. 4. Ein Mann von 45 Jahren kam mit delirium tremens und ascites in die Anstalt; eine hinzutretende sehr heflige Pleuropneumonie raflte ihn dahin. Die Oberfläche des Kör- pers zeigte eine schwach gelbliche Färbung, olıne dass Ieterus deutlich ausgesprochen war. Sektion. Beschaffenheit der Leber. Dieselbe war ver- grössert, von gelber, der Muskatnuss ähnlicher Farbe, ziemlich blutleer und auf dem Durchschnitt sich feltig anfüblend. Un- ter dem Mikroskop sah man ausser vielem Fett, das theils frei umherschwamm, theils in einzelnen Leberzellen enthalten war, ein ganz eigenthümliches Aussehen der Leberzellen. Während diese sonst einen ziemlich grossen, mit Kernkörperchen ver- sehenen Kern und einen feinkernigen Inhalt haben, zeigten sie hier ausser Oelkugeln, die aber in manchen Leberzellen ganz fehlten, einen sehr dunkeln Inhalt, der sich bei genauerer Un- tersuchung aus Fasern bestehend ergab. Zuerst glaubte ich, die Fasern seien innerhalb der Zellen abgelagert, allein bald gewahrte ich um einzelne frei umherschwimmende Zellen nicht nur eine aus Fasern bestehende Atmosphäre, die gleich- sam die Zelle einschloss, sondern auch deutliche, quer über die Zelle herüberlaufende Fasern, endlich Zellen, die mehr weniger Ausläufer an ihrem Umfange hatten, welche letztere sich deutlich als die Enden der über den Zellen gelagerten Fasern ergaben. Die Fasern wurden durch Esssigsäure blas- ser, durch Jodwasser aber in ihrer Integrität wieder herge- stellt. Drückte man ein kleines Stückchen der Lebersubstanz 325 zwischen zwei Glasplallen, so erschienen mehr weniger un- regelmässige, bald hellere, bald dunklere Stellen, die von ei- nem noch dunkleren Faserkreise umgeben waren; die Contou- ren der Leberzellen konnlen in einem solchen Zusammenhange nicht erkannt werden, sie waren durch das über sie hinlau- fende neue Produkt vollständig verdeckt. Wenn eine frei umherschwimmende Zelle Fettkügelchen enthielt, so zeigten diese in manchen Fällen eine durch die Compression der Fa- sern herbeigeführte unregelmässige Gestalt, die von der runden, die Felikügelchen sonst charaklerisirenden, sehr abwich. Der scharfe Rand der Leber fing an, runzlich zu werden, und wa- ren die Granulationen auch durch die ganze Lebersubstanz zerstreut, so waren sie doch an dem scharfen Rande am deut- lichsten ausgebildet, 2. Ein Mann von 47 Jahren wurde mit bedeutendem ascites in die Anslalt aufgenommen. Durch die punctio ab- dominis wurde eine sehr grosse Menge einer gelblichen Flüs- sigkeit entleert, die sich aber bald wieder ansammelte. Patient litt an Hämorrhoiden, hatte bedeutende Knoten, die Oberfläche des Unterleibs zeigte erweiterte Venen; der Urin war duukel- gefärbt, und icterische Erscheinungen nur in der.etwas gelb- liehen Hautfarbe bemerkbar. Nach der Punelion entwickelten sich geringe peritonitische Erscheinungen und Patient starb. Sektion. Die Leber war ihrem Umfange nach bis auf ein Drittel verringert, von höckriger Oberfläche und festem, gedrungenen Gewebe, das sich nicht ganz leicht schneiden liess, kein Blut wälırend des Durchschneidens entleerte und auf der Durchschniltsfläche eine Menge dunkelgelber Granu- lationen von der Grösse eines Stecknadelkopfes bis zu der einer Linse zeigle, die in einem mallweissen Grunde lagen; die Blutgefässe waren also, wie der Mangel des Blutes schon genügend zeigte, obliterirt, Unter dem Mikroskop bemerkle man an den Granulalionen nur wenige Leberzellen, die auf- fallend blass waren, und von denen nur einige einen Kern zeiglen; einige waren mit schwarzen Punktchen gefüllt, we- 326 nige enthielten Feitzellen, wie denn überhaupt das Felt eher verringert, als vermehrt war; die Hauptmasse der Granulatio- nen bildete ein unregelmässiges Fasernelz; die Fasern waren maschen- und bogenförmig mit einander verbunden, sie schie- nen die Leberzellen umstrickt und so zum Schwinden ge- bracht zu haben. Der untere Theil des Peritoneums war mit hirsekorn- bis linsengrossen Granulationen besetzt, die weiss- lichtrübe, und von ziemlich hartem Gefüge die Lebert’schen Tuberkelkörperchen in ihrem Innern, in ihrem Umfange aber ausser einer festen, fibrösen Scheide geschwänzte Zellen und Zellenkerne zeigten. (Ueber diese Alteralion wird weiter un- ten die Rede sein.) Das Peritoneum in ihrer Umgebung war stark gerölhet, zeigte aber nicht die melanolischen Ablagerun- gen, wie sie Lebert und Cless so häufig bei Peritoneal-Tu- berkeln fanden. Ausser auf dem Peritoneum fanden sich kleine, dem Friesel ähnliche, stecknadelkopfgrosse, kristallhelle Gra- nulationen auf der serösen Oberfläche des Mesocolon und der Därme; sie enthiellen ebenfalls die Tuberkelkörperchen. Das Netz war in eine dunkelrothe, fleischähnliche Masse entartet. In den Lungen wurde nicht eine Spur von Tuberkeln ange- troffen. Die Gallenblase war sehr ausgedehnt, von weisser Farbe, einer Harnblase nicht unähnlich. Die enthaltene Galle, die jedoch erst nach 48 Stunden untersucht werden konnte, reagirle sauer, enthielt eine Menge zähes Schleimes, etwas Albumen, so wie eine nur geringe Menge von Gallenfarb- stoff. Auf Bilin wurde sie nicht untersucht. Die Milz hy- perämisch. C. Degeneration der Niere und Leber. 1. Eine Frau von 34 Jahren hatte bei ilrer Aufnahme hydrops und anasarca in nicht unbedeulendem Maasse. Die hydropischen Erscheinungen nahmen bald zu, bald ab, bis die Kranke, indem noch zuvor Erbrechen eintrat, starb, Der Urin soll hellgelb gewesen sein, ist aber niemals chemisch un- tersucht. Sektion. Die höckrige Leber zeigte schon durch diese 327 Beschaflenlieit die Anwesenheit des Fasergewebes; sie war von stahlgrauer Färbung, wenig blutreich und zeigte gelblich weisse Windungen, aus Fetibläschen bestehend, mit dazwischen gela- gerten bräunlichen Stellen. Beide Nieren waren noch einmal so gross, wie gewöhnlich; ihre Aussenfläche war mit dichten, gelblich weissen Granulationen und zahlreichen, zwischen die- sen sich verzweigenden Blulgefässen versehen. Auf dem Durchschnitte salı man, dass die Granulationen die ganze Rin- densubstanz einnahmen und sich auch strangweise zwischen die Pyramiden hineinerstreckten. Wurde mit dem Scalpell aus der Rindensubstanz ein Tropfen abgeschabt und unter- sucht, so sah man neben nur wenigen Fettbläschen eine be- deutende Menge, an Grösse verschiedener, bald 2--3 der Reihe nach an einander hängender, bald unregelmässige Haufen bil- dender, bald einzeln liegender Exsudatkörperchen, nebst dunkle- ren, fast völlig schwarz zu nennenden, durch Essigsäure aber heller werdenden, meist länglichen Massen, die ebenfalls aus Exsudalkugeln, bald grössern, bald sehr kleinen zusammenge- selzt waren, die eben durch ihr Beisammenliegen die schwärz- liche Farbe bedingten. Sie glichen, abgesehen von der Form (ganz runde, oder der runden Form sich annähernde wurden nur vereinzelt gesehen). im Uebrigen ganz den Gluge’schen Entzündungskugeln. Eine einzelne Granulation untersucht, gab ganz dasselbe Resultat. Ausser diesen Granulalionen sah man in der Rindensubstanz nach dem Nierenbecken zu verlaufende Streifen von ziemlich fester, fast knorpelähnlicher Consistenz und matlweisser Färbung. Unter dem Mikroskop bemerkte man, dass diese Streifen aus Fasern bestanden, die blass, gra- nulirt waren und durch Essigsäure noch blasser wurden. Sie waren in ilırem Verlaufe nicht von derselben Stärke, breitere Stellen wechselten mit schmaleren ab, hin und wieder war auch die Faser unterbrochen und durch einen länglich ausge- zogenen Körper mit dickerem Kopfende ersetzt, wie beim Uebergange der Zellen in Fasern. Interessant ist bei dieser Niere der zu verfolgende Veber- 328 gang der Exsudatkörperchen in Zellen, dieser in Fasern und, wie ich glaube, der der Fetibläschen in Exsudatkörper. Denn abgesehen davon, dass noch Feitbläschen gefunden wurden, die aber bei zunehmender Menge der Exsudatkörperchen ab- nehmen mussien, lässt die stearöse Natur der Leber vermu- then, dass auch hier, in der Niere nämlich, Fett zuerst abge- sondert sei, das sich später in Exsudalkörper verwandelte. D. Degeneration der Leber und Milz. Ein junges Mädchen von 19 Jahren kam mit ascites und anasarca in die Anstalt; ein später hinzutrelender typhus ab- dominalis tödlete sie. Die Seklion ergab, ausser im Vernarben begriffenen Darm- geschwüren, eitrige Infiltration des untern Lappens der rechten Lunge, eine eirtholisch entartete Leber und eine ganz eigen- ihümliche Beschaffenheit der Milz. Findet man sie sonst bei Sektionen in der Regel weich und mürbe, so war sie hier hart und von gedrungenem, dem Durchschneiden widerstre- benden Gewebe; die Durclischniltslläche, die keinen Tropfen Blut entleerte, war an Farbe dem Lachsfleische ganz ähnlich; das Volumen der Mila war wenigstens um noch einmal so gross, wie sonst. Mikroskopisch untersucht, zeigte sie eben- falls ein vorwallendes Fasergewebe; da jedoch die Faserbildung in dem normalen, die Milz durchziehenden fibrösen Balkenge- webe vorkomnit, so würde man hierans nicht allein, wie ich glaube, mil vollem Recht auf eine der Niere und Leber ähn- liche Enlarltung schliessen dürfen, wenn nicht die Vergrösse- rung und namentlich das harte Gefüge dieser Ansicht neue Stützen verliche. Die Nieren gross, blulreich, etwas hart, aber nicht entartet. E. Degeneration der Niere, Leber, Milz. Ein Mann von 44 Jahren wurde, an Husten mit geringem Auswurf, an asciles und anasarca leidend, in die Anstalt auf- genommen; die Wasseransammlungen schwanden allmälig; wäh- rend der Kranke indess bis zum Gerippe abmagerle, einen . 329 aussetzenden Puls, Uebelkeit und Erbrechen, so wie eine selır profuse Diarrhöe bekam, in sopor verfiel und starb. Seklion. In den obern Lappen beider Lungen eilrige Infiltration, aus pseudolobärer Pneumonie hervorgegangen, in der Umgebung der eilrigen Stellen ödematöse Infiltration. Darm gesund, eher blass, als gerölhet, der Magen sehr aus- gedebnt, fast über den ganzen Unterleib sich erstreckend, seine Häute denen einer aufgeblasenen nassen Schwimmblase gleichend; sämmtliche übrigen Darmtheile, namentlich das co- lon transversum, in einem verkümmerten Zustande, welcher im Verhällniss zur abnormen Grösse des Magens sehr auffiel. Leber und Nieren durch Zellgewebsentwicklung entartet, letz- tere fast vollkommen desorganisirt, von aussen weiss, speck- ähnlich aussehend, hin und wieder auf der Oberfläche narben- ähnliche Vertiefungen; beim Durchschnitt sah man nur einzelne, ganz gegen das Nierenbecken hingedrängle röthlich braune Pyramiden von Harnkanälchen, in einem sonst speckartigen Gewebe liegend. Milz vergrössert, hart, von hellrother Farbe, der bei D. beobachteten vollkommen gleichend. Der aus der Blase entleerte Urin enthielt viel Albumen. F. Beginnende Heilung von phlhisis pulmonum nebst eir- rhöser Entarlung der Leber. Ein Mann von 35 Jahren, von riesigem Körperbau — er war früher Gardist gewesen — war an apoplexia pulmonum zu Grunde gegangen. Die Sektion ergab, ausser, den der apoplexia pulmonum eigenlhümlichen Charakteren, eine nieht unbedeutende Menge im Vernarben begriflener tuberkulöser Höhlen, durch beide Lungen zerstreut, ebenso wie viele obsolet werdende Miliar- tuberkel, was namentlich aus der harten, fibrösen Beschaflen- heit derselben hervorging. Die Leber eirrhotisch eutarlet, d.h. durch Zellgewebsentwicklung degenerirt. G. Beginnende Heilung von phthisis pulmonum nebst zell- gewebiger Enlarlung der Leber und Niere. Ein Mann von 45 Jahren kam, an delirium tremens und 330 Pneumonie leidend, in die Anstalt; die hydropischen Erschei- nungen waren nur gering. Trotz einer geeigneten Behandlung unterlag er. Sektion. Die ganze linke Lunge zeigte den Uebergang der rothen Hepatisation in die graue, weisse Granulalionen, in denen das Mikroskop ausser Faserstoff zahlreiche, zum Theil im Zerfallen begriffene Exsudatkugeln nachwies, einige zeiglen eine Hülle mit einem Kern, hin und wieder lagen sie grup- penweise beisammen und zeigten dann mehrere Kerne, die auf jeden Fall die Kerne der spätern Eiterkörperchen darstellten, so dass die Eiterbildung dadurch zu Stande zu kommen scheint, dass der kernige Inhalt der Entzündungskugeln zu der Bildung der Kerne der Eiterkörperehen verwandt wird, um die sich dann später die Hülle bildet. In der Spitze der rechten Lunge zwei Narben, die eine von der Grösse einer welschen Nuss, die andere von der einer ziemlich grossen Erbse, beide beste- hend aus Fasern, denen in der eirrhotischen Leber und Niere, i wie sie bei früheren Befunden beschrieben sind, vollkommen gleichend. Beide Narben enthielten in ihrem Innern ganz vom übrigen Lungengewebe getrennte und daher auch für dasselbe unschädliche, im Verschrumpfen begriffene Tuberkelmassen. Niere und Leber durch Zellgewebsentwicklung enlartet, Milz dagegen breiig. H. Beginnende Heilung von phthisis palmonum nebst zell- gewebiger Entarlung der Leber, Niere, Milz. 4. Eine Frau von 34 Jahren erlag der phthisis pulmo- num, ohne dass sich während des Lebens aussergewöhnliche Symptome entwickelten. Im obern Lappen der rechten Lunge eine ziemlich grosse Caverne, mehr nach hinten zu liegend. Der Inhalt derselben war sehr unbedeutend, so wie sich auch keine Tuberkelmas- sen in ihren Wänden abgelagert fanden, Diese waren von schwärzlichem, ziemlich consistentem Narbengewebe gebildet, das an manchen Stellen bereils die Dicke einiger Linien halte, ausserdem fauden sich in beiden Lungen zerstreute Miliartu- _ 331 berkel, durch Härte sich auszeichnend, welche ebenfalls durch umgelagerte Zellgewebsmasse bedingt wurde. Im obern Lap- pen der linken Lunge eine nussgrosse Narbe, von schwärz- lichem, sehr consistentem Fasergewebe gebildet, welches dem im Umkreise der grossen Höhle in der rechten Lunge befind- lichen vollkommen gleich war. Auf der untern Fläche des untern Lappens der rechten Lunge eine eitrige Schicht. Ver- wachsung der convexen Fläche der Leber mit der untern des Zwerchfells durch pseudomembranöse Massen, Leber enorm vergrösserl, rechterseits bis zur spina anterior superior reichend, von hartem Gefüge, blutleer, durch Zellgewebsentwicklung entartet. Niere und Milz auf dieselbe Weise degenerirt, letz- tere jedoch nicht in einem sehr hohen Grade. 2. Eine Frau von 39 Jahren litt an Husten mit gerin- gem Auswurf und halte anasarca nebst asecites. Sektion. An dem obern Lappen beider Lungen war eine hühnereigrosse Masse wie eingekeilt; sie hatle eine dunkle, violeltrothe Farbe und war von hartem, fast knorpelähnlichem Gefüge. In der Mitte jedes dieser Stücke befand sich eine Höhle von der Grösse einer kleinen Nuss, mit erweichter Tu- berkelmasse gefüllt, die aber in keiner Berührung mit dem Lungengewebe oder mit klaffenden Bronchien stand, sondern allseitig von der Zellgewebsmasse umgeben wurde. Eine Nar- benvertiefung war auf dieser Masse nicht bemerkbar, sondern sie hatte eine runde, glatte Form. Ausserdem fanden sich durch das Lungengewebe zerstreut mehr weniger obsolete Mi- liartuberkel. Die knorpelähnliche Masse bestand aus Zellge- websfasern, wie es das Mikroskop ergab; eben solche zellge- webige Massen waren in Milz, Niere und Leber in bedeutender Menge abgelagert. I. Carcinoma medullare mit eirrhöser Entartung der Leber. Ein bejahrter, an marasmus und Gelbsucht erkrankter Mann hatte an der rechten obern Hälfte der Brust eine Ge- schwulst, die bei seiner Aufnahme von mässigem Umfange, beim Drucke, auch sonst wohl ohne denselben schmerzte, 332 nicht allzuweich anzufühlen war, deren Sitz tief in der Ge- gend des Periosteums, deren Beschaffenheit jedoch nicht diagno- ‚stieirt werden konnte. Bei der Obduktion wurden vorsichtig erst die Hautdecken, dann die Mukelschicht abpräparirt; das täuschende Gefühl ei- ner Fluktuation, das in der letzten Zeit, wo die Geschwulst an Weiche und Grösse zugenommen hatte, schon bei Lebzei- ten bemerkt wurde, war sehr deutlich, als die Geschwulst nach Ablösung der Muskelsrhicht nur noch von einer Zellhaut und Fettschicht umgeben war. Nach Ablösung dieser lag eine unebene lappige Geschwulst von mässiger Weiche und rötlh- lich gelber Färbung vor; gelblich weisse Massen waren mit mehr gerölheten alternirend vorhanden. Jelzt schon konnte man, wenn man mit dem Finger unler die Geschwulst drang, bemerken, dass an der vierten Rippe ein Defekt war. Die Geschwulst wurde ganz herauspräparirt, und nun sah man, dass sie von der Costalpleura ausging, die in einem der Grösse der Geschwulst entsprechenden Umfang verdiekt war. Die Geschwulst halle sich darauf, indem die vierte Rippe allmä- lig resorbirt wurde, einen Weg nach aussen gebahnt. Das Mikroskop zeigte Kerne und Zellen, leiziere boten nur selten eine rundliche Form dar, die meisten zeigten unverkennbar eine Neigung, sich nach einer oder mehreren Richtungen aus- zudehnen; oft sah man an einem breiteren abgerundeten Kör- per einen langen Schwanz, oder es halte sich eine Zacke her- vorgebuchtet und diese sich dann umgeschlagen, so dass die wahre Gestalt der Zelle erst beim Rollen hervortrat. Solcher Zacken sah man an manchen Zellen mehrere. Alle hatten ei- nen Kern, der granulirt und meist mit einem Kernkörper ver- sehen war. Auch die von J. Müller beschriebenen spindel- förmigen Körper waren vorhanden. Der Einwurf, den Gluge in Hinsicht auf diese Körper macht, als seien sie erst durch Einwirkung von Weingeist auf das Afterprodukt entstanden, hatte hier wenigstens keine Gültigkeit, da der in Rede ste- hende fungus kurze Zeit nach der Obduktion und zwar nur 333 mit Hülfe von Jodwasser untersucht wurde, durch welches Reagens die Zellenmembran deutlicher hervortrat. Ausserdem sah man Kugeln von einem sehr grossen Umfang, die von ziemlich regelmässiger runder Form waren und zuweileu in ihrer Mitte einen unregelmässigen, stärker als die Umgebung markirten Fleck besassen (Kern?). Die l.unge halte übrigens im erwähnten Falle nicht gelitten, nur war sie mit einem gelblichen Serum imbibirt, wie denn überhaupt nicht nur die ganze äussere Oberfläche, sondern auch alle innern Theile von einer gelblichen Färbung waren. Die Gallenblase war sehr ausgedehnt und mit einer fast schwarzen Galle gefüllt. Die Leber war äusserlich von dunkelsteingrauer Färbung mit gelb- hen Flecken, nicht gerade auffallend vergrössert; innerlich von grünlich gelber Farbe, mit dunkleren, olivengrünen, hir- sekorngrossen Flecken untermischt. Die Färbung dieser duuk- leren Stelle wurde durch rundliche Körper hervorgebracht, die bald grösser, bald kleiner als die Molekularkörper, meist an einander hängend eine schwärzlich grüne Farbe, hin und wieder auch eine gelbbraune hatten. Irre ich nicht, so sind diese Körpercheu bereits von J. Vogel in einer eirrhotischen Leber gesehen. Die Leberzellen waren verkümmert und an Zahl geringer; Felt in unbedeutender Menge vorhanden. Die Hauptmasse bildeten fein granulirle Stellen und zarte, schwach granulirte Fasern, die, parallel neben einander liegend, etwas gewunden waren, durch Essigsäure noch blasser wurden, dar- auf aber nach Hinzufügung von Jodwasser wieder deutlicher gemacht werden konnten. Sie waren von den erwähnten Molekularkörperchen bedeckt, die auch zwischen ihnen gela- gert waren. Von Blutgefässen war keine Spur zu bemerken, sie waren verödet, daher die Leber beim Durchschnitte auch kein Blut entleerle. K. Careinoma medullare in Verbindung mit Zellgewebsent- wicklung in Leber und Niere. Eine ältliche Frau war mit Scheidencareinom aufgenom- 334 men. Unter den Erscheinungen einer Uterinalphlebitis und peritonitis starb sie. Sektion. Auf der hintern Wand der Scheide fand man eine blumenkohlartige, fungöse Masse von der Grösse eines Hühnereies, Das Mikroskop zeigte die geschwänzten Körper, wie sie bei I. beschrieben sind. Peritonilis überall, bereits in Eiterbildung übergegangen, stecknadelkopfgrosse Abscesse in der Substanz des Uterus, etwas grössere in der rechten Tuba und dem rechten Eierstock, ebenso wie an der Spitze und Basis der rechten Lunge. Leber und Nieren durch Zellge- websentwicklung entartet, Ich habe bis jeizt den trockenen Sektionsbefund gegebeny, und halte die Anzahl der beobachteten Fälle für hinreichend, um berechtigt zu sein, einige Folgerungen aus ihnen zu zie- hen. Wenn ich auch überzeugt bin, dass die pathologische Anatomie bei weilem nicht den Erwartungen entsprochen hat, die man von einer genaueren Bearbeitung dieses Theiles der Heilkunde in Folge der übertriebenen Lobpreisungen einiger ihrer Bearbeiter für die praktische Medicin zu fassen berech- tigt war, so bildet sie doch eine in sich abgeschlossene Wis- senschaft, die der weitern Ausbildung ebenso fähig und be- dürftig ist, wie die physiologische Analomie. In dem Obigen sind Fälle verzeichnet, in denen Niere und Leber allein; Fälle, in denen Niere und Leber; Milz und Leber; Niere, Leber und Milz; endlich solche, in denen Leber, Niere, Milz und Lungen auf gleiche Weise affieirt waren. Krankheiten, die ein bestimmtes Produkt in verschiedenen Or- ganen absetzen, oder die auch nur verschiedene Systeme gleich- zeitig affieiren, hat man schon längst durch Erkranken der alle Theile mit Nahrungsflüssigkeit versehenden Blutmasse be- dingt angesehen; so die phihisis tuberculosa. den typhus, die akuten Exantheme. Dass in diesen Krankheiten die Form des Krankheitsprocesses nicht in allen Organen und Geweben die- selbe ist, dass die Symptome variiren, bedarf keiner Erklärung; 335 die zum Grunde liegende Krankheit ist ihrem Wesen nach überall dieselbe, allein die Form des Krankheisprocesses und die begleitenden Symptome werden nicht allein durch sie be- dingt, sondern mit durch die individuelle Beschaffenheit des Einzelorgans, durch die anatomische und physiologische Ei- genthümlichkeit desselben. Wenn nun aus den obigen Sek- tionsbefunden hervorgeht, dass dieselbe Entartung in verschie- denen Organen gleichzeitig vorkommen kann, dass diese sogar im Stande ist, eine andere zu verdrängen und für den Orga- nismus unschädlich zu machen, so möchte, wie schon in der Einleitung dieser Abhandlung gesagt wurde, aller Zweifel über die Natur der genannten Aflektionen schwinden und die An- sicht vollkommen gerechtfertigt sein, dass sie nur das Sym- plom einer Dyskrasie seien, eine Ansicht, die man schon öfter ausgesprochen hat, deren Richtigkeit man aber mehr aus den Symptomen folgerte. Die oben angegebenen Sektionsbefunde liefern den anatomischen Nachweis für die Richtigkeit dersel- ben, So viel Aufsehen der Morbus Brightii einst auch machte und jetzt noch macht, so wird die Wichtigkeit desselben, in- sofern man ihn als eine isolirte, auf die Nieren allein be- schränkte Krankheit angesehen wissen will, immer mehr schwinden, wenn man erst angefangen haben wird, durch eine feinere, d. h. mikroskopische Untersuchung auch die Ver- änderungen in den übrigen parenchymatösen Organen kennen zu lernen. Die Leber ist bereits in den Kreis der Untersu- chung gezogen, nicht so die vergrösserte Milz von harter Be- schaflenheit und rother, dem Lachsfleisch ähnlicher Färbung. Die Schlüsse nun, welche ich aus den vorangestellten Beobachtungen ziehen möchte, sind etwa folgende: 1. Es giebt eine, der Leber, Niere und Milz gemeinschaft- lich zu Grunde liegende Krankheit, deren Wesen in einer ab- oormen Blutmischung liegt, die sich durch eine abnorme Ent- wicklung einer zellgewebsähnlichen Masse ausspricht, durch welche die eigenthümliche Drüsensubstanz dieser Organe zu- sammengedrückt und in ihrer Funktion beeinträchtigt wird. 336 2. Was die Nieren anbetrifft, so ist dieser Zustand unler dem Namen der granulirten Niere bekannt. Trennt man von dieser Degeneration die krebsige, tuberkulöse und vielleicht auch die eitrige Affektion der Niere, die wohl hin und wieder für Morbus Brightii gehalten sein mögen, so lassen sich in diesem engern Sinne bis jetzt zwei Formen oder vielmehr zwei Stadien für den Morb. Brightii angeben, von denen das eine die Ablagerung von Felt, das andere die Entwicklung einer faserähnlichen Masse ausmachen würde. Zu verwerfen möchte daher die Annahme von sieben Graden der Nierende- generalion sein, wie sie manche Schriftsteller aufführen; sie sind nur künstlich und durchaus von keinem Nutzen; die Un- terschiede, die als charakteristische Merkmale der einzelnen Grade angegeben werden, beziehen sich nur auf ein mehr oder weniger; die Annahme dagegen zweier Stadien ist ganz in der Natur begründet, wenn man auch zugeben muss, dass hierdurch ebensowenig für die Bekämpfung dieser Degeneration etwas gewonnen wird. Die pathologisch anatomischen Unter- suchungen über den Morbus Brightii konnten bis jetzt keines- wegs als abgeschlossen angesehen werden, da sie nicht in allen Fällen ein gleiches Resultat gegeben haben. Hecht sah Fett, Gluge Entzündungskugeln, Henle und ich die Entwicklung eines fasernähnlichen Gewebes. Ist es jedoch erlaubt, aus einer Beobachlung einen Schluss zu ziehen, so möchten diese veschiedenen Resultate sich wohl vereinen lassen und zwar mit Hülfe der Ergebnisse, wie sie bei C. angegeben sind. Denn die gleichzeitige Anweserheit von Felt und Entzün- dungskugeln, nebst dem zu verfolgenden Uebergange von Zel- len in Fasern, was doch Alles in der Niere bei C, gesehen wurde, fordert, wie schon oben angedeutet wurde, dringend zu der Ansicht auf, dass zuerst eine albuminöse fetthaltige Flüssigkeit secernirt werde, dass Fett und Albumen in Ent- zündungskugeln verwandelt werden, diese in Zellen überge- hen, und dass aus diesen sich dann Fasern entwickeln. Hecht sah dann das erste Stadium, Henle und ich das zweite, 337 Gluge und ich den Uebergang des ersten Stadiums ins zweite. Es liegt in dieser Ansicht von der Fortbildung der Fetikügel- chen bis zu Fasern nichts Auflallendes. Felt und albuminöse Flüssigkeit sind die Grundlagen jeder organischen Bildung, so im Ei und in allen physiologischen und pathologischen Se- kreten. Unterstützt wird diese Ansicht durch die Feltkugeln, die ausser Zellen, geschwänzten Zellen nnd Zellenkernen bei A. 2. gesehen wurden, durch den bei A. 1. beobachteten fett- reichen Urin, der auch von andern Schriftstellern erwähnt wird, ferner durch das bei den an Morbus Brightii Leidenden sehr feithaltige Blut, und endlich, wie ich glaube, durch fol- genden Sektionsbefund, der deshalb oben nicht angeführt wurde, weil die mikroskopische Untersuchung der Niere nicht vorgenommen war. Man fand in diesem Fall beide Nieren granulös entartet und fast knorpelarlig hart. Auffallend jedoch war, dass trotz der ungemein grossen Abmagerung, 'so dass man während des Lebens nur ein lebendiges Gerippe vor sich zu haben glaubte, das Mesenterium und das grosse Netz im wahren Sinne des Worles von Felt strotzten, so wie auch die Nieren und das Herz, namentlich erstere, von einer be- deutenden Feltmasse umgeben waren. Jetzt, wo ich dieses schreibe, habe ich Gelegenheit, dieser Beobachtung eine ähn- liche beizufügen. Eine bejahrte, gelbsüchtige Frau wurde an geringem Hydrops und einer profusen Diarrhöe leidend in die Anstalt aufgenommen. Sie starb bald darauf. Bei der Sek- tion fand sich ausser vielem Felt in Leber und Niere auch bereits Zellgewebeentwicklung ebendaselbst, nebst 'einer un- gemein grossen Menge von Fett im Mesocolon, Mesenterium und ums Herz herum, was bei der bedeutenden Abmagerung der Patientin sehr auffiel. Ob aber die Feltentartung jedes- mal den Ausgang in Faserdegeneration nehme, oder ob die erstere der letzteren nothwendig voraugehen müsse, d. h. ob die chemisch mit dem Albumen verbundenen Feltmassen nicht sogleich zu Exsudalkörperchen, oder sogleich zu Zellen, oder vielleielit auch sogleich zu Fasern verwandt werden können, Nüller's Archiv. 1645, 29 338 ohne erst den Uebergang in Fettkugeln gemacht zu haben, was nicht unwahrscheinlich sein möchte, muss erst durch spä- tere Untersuchungen herausgestellt werden. Als ursächliche Momente für den Morbus Brightii werden namentlich übermässiger Branntweingenuss und Störung der Haulfunktion angegeben. Nun ist aber nichts gewöhnlicher, als die Ablagerung bedeutender Fellmassen bei Säufern. Die gestörte Haulfunktion wird als ursächliches Moment nieht nur durch das häufigere Vorkommen des Morbus Brightii in nass- kalten Gegenden documentirt (so ist hier, in Königsberg, die granulirte Niere eine nicht sellene Erscheinung), so wie durch das Auftreten dieser Alleklion nach Scarlalina, sondern auch durch Fourcault’s Untersuchungen, der nach der künstlichen Unterdrückung der Haulfunklion die dem Morbus Brightü ei- genthümlichen Erscheinungen hervortreten sah. Er führt un- ter andern auch eine tiefe Veränderung des Blutes an, und es wäre wohl zeitgemäss, die Veränderungen des Blutes, wie sie nach gestörler Hautfunklion Statt haben, näher kennen zu lernen, als es bis jelzt geschehen ist. 3. Eine gleiche Feit- und Faserentartung kommt in der Leber vor. Rücksichtlich des Verhältnisses, in dem beide zu einander stehen, erhebt sieh hier dieselbe Frage, wie sie im vorigen Paragraphen aufgeworfen wurde. Die für das Messer und Injektionen zugänglichen Verhältnisse einer so entarteten Leber sind neben den Symplomen, die während des Lebens einen solehen Zustand charakterisiren, neuerlichst von Op- polzer in einem Aufsatz über die granulirte Leber gegeben. Der pathologisch-anatomische Charakter derselben wird dort in der Unwegsamkeit der Verzweigungen des Pfortadersystems gesucht, die theils durch Entzündung und Ausdehnung der Gallengefässe, theils durch Exsudate veschiedener Art, bald fetliger, bald anderer bedingt sein kann. Auch Oppolzer nimmt die Entwicklung der granulirten Leber, von der er freilich keine mikroskopische Analyse gegeben hat, aus der Fettleber an. 339 Wenn Gluge die Faserentarlung nur den höhern Graden der von ihm Stearose genannten Krankheit zugehörig, wenn er sie überhaupt als etwas Untergeordneles angesehen wissen will, so möchte dies durch die vorliegenden Untersuchungen nicht gerechtferligt sein. 4. Höchst interessant sind, wie ich glaube. die Beobach- tungen von beginnender Heilung der phthisis pulmonum in Verbindung mit Faserentwicklung in Leber, Niere und Milz. Dass die Tuberkulose als Dyskrasie in den verzeichneten Fäl- len zu Grunde gegangen war, ersah man nicht nur aus den obsolet werdenden Miliartuberkeln, die sich in allen Fällen dureh eine ausserordentliche Härte. welche durch aus Fasern gebildete Umhöllungen verursacht wurde, auszeichneten, son- dern auch aus den theils vollständigen, theils beinahe voll- ständig zu Stande gekommenen Narben. Die im Innern der so verkleinerten Höhlen befindliche, bald weiche, bald im Ver- schrumpfen begriffene Tuberkelmasse muss als das Residuum der bereits erloschenen Dyskrasie angesehen werden, welches, durch Narbengewebe vom gesunden Lungengewebe getrennt, für letzteres unschädlich gemacht war. Wir sehen hier also eine Dyskrasie durch eine andere verdrängt; die tuberkulöse geht zu Grunde, während sich eine andere entwickelt, für die man bis jetzt noch keinen Namen hat, und als deren Sym: ptome, palhologisch-anatomisch gesprochen, die granulirte Le- ber und Niere, so wie die eigenthümliche, oben näher be- sehriebene Beschaffenheit der Milz auftreten. Soll eine tuber- kulöse Höhle heilen, so muss natürlich die der Phthisis zu Grunde liegende Dyskrasie erloschen sein; es müssen keine neuen Nachschube kommen, kein neues Material abgesondert werden; die Vernarbung geschieht dann entweder, ohne irgend eine Störung in andern Organen hervorzurufen, oder der der Vernarbung zu Grunde liegende Process wird ein excessiver, d. Iı. das die Vernarbung vermiltelnde Fasergewebe entwik- kelt sich auch da, wo nichts zu vernarben ist, in Leber, Niere und Milz. Dass dieser Vernarbungsprocess selbst in der Lunge 22° 340 ein excessiver werden kann, geht, wie ich glaube, aus dem Seklionsbefunde H. 2. deutlich hervor. Hier war die in den obern Lappen der Lungen befindliche Masse augenscheinlich viel grösser, als zur Vernarbung der ursprünglichen Höhle nöthig gewesen war, sie halle auch nicht die sonst den Nar- ben eigenthümliche sternförmige Faltung auf der Oberfläche, sondern war gewölbt und glalt. Die bei B. 2. angegebenen Peritoneal- Tuberkeln müssen ebenfalls als im Untergehen be- griffen angesehen werden, was aus ihrer harten Beschaffenheit aus den im Umkreise befindlichen -geschwänzten Zellen und Zellenkernen hervorgeht. Da nun nach dem Obigen eine Entwicklung der Faser- entartung aus der Feltenlartung nicht geleugnet werden kann, so möchle die bei Tubereulose beobachtete Fettleber eine an- dere Bedeulung erhalten können, wie sie bisher gehabt hat. Sie für ein Aequivalent der gestörten respiratorischen Thätig- keit in den Lungen ansehen zu wollen, geht schon deshalb nicht, weil sie der Tuberkeldyskrasie überhaupt eigen ist, nicht bloss der Pneumophthise. Ausserdem ist die Leber nicht das einzige Organ, in dem Fetlentartung vorkommt; Felt wird, während es an allen andern Theilen schwindet, oft genug in innern Organen abgelagert. So hat Bizot nicht bloss eine allgemeine Massenabnahme des Herzens mit Verdünnung der Wandungen, besonders des linken Ventrikels, bei Tuberculosis wahrgenommen, sondern er beschreibt auch vier höchst merk- würdige Fälle, alle bei an Lungenphthisis verstorbenen Frauen, in denen die vordere Wand des rechten Ventrikels in seiner unlern Hälfte in ein fettarliges Gewebe umgewandelt, die Muskelsubstanz blass, dünn, und, wie es schien, zum Theil resorbirt war. Darf man eine Naturheilung in dem engern Sinne annehmen, dass ein Organ auf Kosten anderer an Dig- nität untergeordneler Organe gesund wird, so möchte ich in der der Tubereulosis eigenthümlichen Ablagerung von Fett einen Versuch der Natur sehen, die der Tubereulosis zu Grunde liegende Blutmischung dem Normalzustande wieder näher zu 344 bringen; welcher Versuch freilich sich nicht stels in gemesse- nen Schranken hält, sondern excessirt werden und so das Leben auf andere Weise gefährden kann. 5. Die beigefügten zwei Fälle von Carcinoma medullare in Verbindung in dem einen Falle mit Zellgewebsentwicklung in der Leber, in dem andern in Leber und Niere, zeigen, dass die krebsige Dyskrasie sehr wohl mit abnormer Zellgewebs- entwicklung bestelen kann. Hat man ja auch schon längst den Morbus Brightii und die krebsige Dyskrasie der albumi-, nösen Blutmischung zugeschrieben, und es läge daher in dem gleichzeitigen Vorkommen beider nichts Auflallendes. Auch möchten diese Beobachtungen den immer noch schwebenden Streit, ob Tuberkel -und Krebs neben einander, d. hı. beide in fortschreitender Entwicklung, vorkommen können, wenn auch nicht vollständig schlichlen, so doch wenigstens die Wage mehr nach der Seite derjenigen fallen lassen, welche eine vollständige Ausschliessungsfähigkeit beider Dyskrasieen aus ilıren Beobachtungen anzunehmen sich für berechtigt halten. Nachtrag. Nachdem obiger Aufsatz bereits abgesandt war, kam ein Fall zu meiner Beobachtung, der mehr, als einige der oben angeführten, im Stande sein möchte, den Beweis zu liefern, nieht nur, dass die tuberkulöse Dyskrasie zuweilen durch eine andere verdrängt werden könne, sondern hauptsächlich dafür, dass die bei den Phihisikern so häufig beobachtete Feitleber, aus der sich oft genug die eirrhotische Leber im engern Sinne, d. h. die mit Narbengewebe versehene, entwickelt, nur als ein Versuch der Natur betrachtet werden müsse, die der Tu- bereulose zu Grunde liegende Blulmischung durch Fetlaus- scheidung aufzuheben. Ein Mann von 45 Jahren wurde mit hydrops aseites in die Anstalt aufgenommen. Urin wurde nur in geringer Menge gelassen, war goldgelb von Farbe und seizte zuweilen be- 342 deutende Menge von harnsaurem Aınmoniak ab, enthielt aber kein Eiweiss. Die Leber konnte man, namentlich bei der Lage auf der linken Seite, vergrössert durchfühlen. Es ent- wickelte sich späterhin hydrothorax und Patient starb, nach- dem zuvor noch einige Gehirnerscheinungen olıne bestimmten Charakter, wahrscheinlich aus Schwäche und vielleicht aueh in Folge der hydrämischen Beschaffenheit des Blutes hinzu- getrefen waren. Bei der Sektion fand man die Leber sehr vergrösserl und von gelber Farbe; dieselbe entleerte beim Durehschnitt wenig Blut, enthielt aber eine enorme Menge von Fell; Fasergewebe wurde indess nicht gesehen. Die Nieren waren gross, fest und blutreich, aber sonst gesund, die Milz etwas weich. Die rechte Lunge war durch das angesammelte Wasser auf % ihres Volumens zusammengedräng!. Auf der linken Lunge salı man, als sie herausgenommen war, vier Stellen von ziemlichem Umfange, alle mehr nach der Spitze zu gelegen, die von Aus- sen betrachtet ganz das Aussehen von Narben darboten; allein mit Ausnahme einer einzigen Stelle, in deren Mitte sich eine linsengrosse Fxcavation befand. traf man in dem harten, blau- schwarzen, dem Durclischneiden widersirebenden Gewebe nur eine Menge von Miliartuberkeln, die theils verkalkt, theils im Veröden begriffen, theils aber auch durch das neue Gewebe so verdeckt waren, dass man sie nur bei einer genaueren An- sicht, namentlich bei der Belrachtung von der Seite, als lin- sengrosse Erhabenheiten wahrnehmen konnte. Von einer Höhle war in der That, mit Ausnahme der einzigen Stelle, nirgends etwas zu bemerken; die Miliartuberkel waren durch das blau- schwarze, feste Gewebe vom gesunden Lungenparenehym ge- trennt, für dasselbe unschädlich geworden. Hier halte sich also das um die abgelagerten Tuberkeln ausgeschwitzte Serum nicht wieder zu Tuberkel umgewandelt, sondern in Folge ei- ner veränderten Blutmischung und einer veränderten plasli- schen Tbätigkeit war dasselbe zu Zellstoff geworden, zu einem Gewebe, das zwar-in diesem Fall in der Leber nicht abgela- 343 gert war, an dessen Stelle aber eine bedeutende Menge von Fett gefunden wurde. welche Ablagerung von Felt in vielen Fällen als das erste Stadium der eirrhotischen Leber ansehen zu dürfen, nach den vorangeschiekten Beobachtungen erlaubt sein möchte. Man kann es fast für gewiss ansehen, dass bei einem längern Leben das Fett ebenfalls zur Entwicklung des _ Fasergewebes verwandt worden wäre. War von den angeführten Beobaelitungen die eine, die nämlich, in der eine viel grössere Menge des Fasergewebes in der Spitze beider Lungen gefunden wurde, als zur Vernarbung der ursprünglichen Höhlen nölhig gewesen wäre, im Stande zu beweisen, dass die die tuberkulose Dyskrasie vordrängende neue auch in der Lunge sich durch übermässige Zellgewebs- entwicklung kund geben könne, so möchte dieser lelztere Fall einen ziemlich schlagenden Beweis dafür liefern, dass die Ab- lagerung von Felt, namentlich in der Leber, eine nothwendige Bedingung hierzu sei Wenn in dem Obigen die Entwickung der Bright’schen Nierendegeneration aus der Fellniere allein besprochen wurde, so soll damit keineswegs die andere von den Schriftstellern beschriebene Art in Zweifel gezogen werden; ich meine die mit blatigem Urin beginnende, akut verlaufende, und von deut- licher ausgesprochenen Symptomen begleitete Art, die von Rokitansky und Rayer näher beschrieben ist. Die im Obigen als walrscheinlich gemachte Entwicklung sollte nur als Entwicklungstypus derjenigen Art hingestellt werden, die bei einem chronischen, nicht sehr ausgeprägten Verlauf mit der andern nur das gemein hat, dass sie beide mit serösen Ergiessungen verbunden sind. Dass jedoch auch ‘jene mehr akule Form des Morbus Brighlii, eben so wie die chronisch verlaufende, nicht durch eine auf die Nieren allein beschränkte Afleklion, sondern ebenfalls durch eine Blutdyskrasie bedingt wird, geht namentlich aus den Seklionsbefunden hervor, die Roeser in dem jüngst erschienenen ersten Doppelhelt der Jahrbücher für praktische Medizin von Oesterlen von an 344 Scarlatina- Wassersucht Gestorbenen mitgetheilt hat; er fand gleichfalls J,eber, Niere und zuweilen die Milz auf dieselbe Weise entartet, welche oben angegeben ist. Roeser hat da- her gewiss Recht und der praktischen Seite der Mediein einen nicht unerheblichen Dienst geleistet, wenn er diese Art der Wassersucht nach scarlatina nicht als eine Folgekrankheit des Scharlachs, sondern als eine im Scharlachprocess selbst be- gründete und nicht etwa durch Erkältung oder andere äussere Einflüsse bedingte Affektion angesehen wissen will. Schliess- lich mag noch die Bemerkung hier ihre Stelle finden, dass ein hypertrophisches Herz, Fettablagerungen in verschiedenen Ge- weben und Organen, zuweilen eine vergrösserte und feste Milz, eirrhotische Leber und Bright’sche Nierendegeneration, ver- bunden mit den Resten einer zu Grunde gegangenen phthisis tuberculosa, häufig genug am Sektionstische gefunden worden. Beiträge zur Lehre von der Verdauung; von E. A. PLATner, Privatdocent in Heidelberg. Die Rolle, welche die Galle bei der Verdauung spielt, ist bis jetzt noch wenig erforscht worden, Auch mussten Untersu- chungen über diesen Gegenstand so lange immer sehr schwie- rig bleiben, als man über die chemische Zusammensetzung der Galle noch im Zweifel war. Es ist mir bekanntlich geglückt, den wesentlichsten und haupt- sächlichsten Bestandtheil der Galle krystallinisch und farblos dar- zustellen. Er besteht aus Natron in Verbindung mit einem organi- schen elektronegativen Körper. Man hat diese Verbindung daher gallensaures oder choleinsaures Natron genannt. Das sogenannte Picromel oder Gallensüss ist nichts als gallensaures Natron in Verbindung mit essigsauren Salzen. Ebenso enthält auch das Bilin von Berzelius immer noch gallensaures Na- tron. — Gallenharz oder Choloidinsäure, ferner Dys- lysin, so wie die von Demargay dargestellte Cholsäure, welche auch Cholinsäure genannt wird, sind stickstofllose Zersetzungsprodukte des gallensauren Natrons. Ein stickstofl- haltiges Zersetzungsprodukt desselben ist das Taurin. Wie sich die von Gmelin entdeckte Cholsäure, die ebenfalls tickstoflhaltig ist, bildet, wissen wir noch nicht. 346 Da sich nach meinen neuesten Untersuchungen in der Galle neben ihrem Hauptbestandtheil und ausser ihrem eigen- thümlichen Felt und Farbstoff noch eine gelbbraune Substanz, wiewohl in sehr geringer Menge, vorfindet, so könnte man vermulhen, dass sich Gmelin’s Cholsäure aus diesem Körper bildet. Gmelin erhielt die Cholsäure immer nur aus dem ersten und gefärbten Niederschlag der Galle, der durch Blei- zucker bewirkt wurde, niemals aus dem zweiten farblosen Niederschlag der Galle vermittelst Bleiessig. Ich selbst habe sie ebenfalls immer nur aus dem ersten Bleiniederschlag er- halten. Neuerdings habe ich nun auch eine Elemenlaranalyse des reinen krystallisirten gallensauren Natrons veranstaltet. Die erhaltenen Resullate, welche ich an einem anderen Orte aus- führlich mittheilen werde, weichen nur wenig von denen ab, welche Theyer und Schlosser bei der Analyse der nicht krystallisirten, aber mit Kohle gereinigten Galle erhielten. Was nun die Rolle der Galle bei der Verdauung betrifft, so nehmen viele Physiologen an, dass die Galle vermöge ihres Natrongehaltes besonders dazu diene, die Säuren des Magen- saftes zu binden, und dass der organische Beständtheil der Galle an der Verdauung keinen wesentlichen Antheil habe. Es blieb jedoch immer auffallend und unerklärt, warum man trotz der sorgfälligsten Untersuchung nieht im Stande war, die Galle oder deren Zerselzungsprodukte in den Fäces nach- zuweisen; das einzige, wvas man fand, war Gallenfarbstoff. Ehe ich daher Versuche über die mögliche Rolle der Galle bei der Verdauung anslellte, war es anch für mich eine un- erlässliche Bedingung, mich von ihrer Abwesenheit in den Fäces selbsständig zu überzeugen, und in der That fand ich von derselben in der Regel keine Spur und namentlich nie- mals gallensaures Natron. Sehr nützlich war mir bei diesen Untersuehungen das neuerdings von Pettenkofer ') bekannt 4) Ann. d. Chem. u, Pharm. von Liebig und Wöhler, Bd.52, p:97. 347 gemachte Verfahren, worauf mich jedoch schon früher Dr. En- derlin aufmerksam gemacht halle. Pettenkofer giebt näm- lich au, dass wenn man Galle in einer Flüssigkeit vermuthet, man einen kleinen Theil derselben in ein Probirgläschen schüt- ten soll und mit zwei Drittheilen seines Volumens Schwefel- säure vermischen. Setzt man dann einige Tropfen einer ziem- lich concentrirten Rohrzuckerlösung zu, so entsteht bei Ge- genwart von Galle eine violeltrolhe Färbung, die um so intensiver sein soll, je grösser die Menge der vorhandenen Galle ist. Hat man mit festen oder breiartigen Massen zu thun, so empfiehlt Pettenkofer dieselben mit WVeingeist auszuziehen, diesen Auszug einzudampfen und dann damit auf dieselbe Art zu verfahren, wie angegeben wurde. Diese An- gaben bedürfen jedoch einiger Berichtigungen. - Erstlich habe ich constant gefunden, dass es weit zweckmässiger ist, die Zuckerlösung zuerst und die Schwefelsäure zuletzt der zu un- tersuchenden Flüssigkeit zuzuselzen. Ist Galle vorhanden, so bleibt bei diesem Verfahren die erwähnte violette Färbung niemals aus und erhält sich selbst mehrere Stunden unverän- dert. Es kommt jedoch hierbei alles auf die richtige Menge Schwefelsäure an, die man immer concenlrirt, aber sehr vor- sichlig und nur tropfenweise zuselzen muss. Bei den ersten Tropfen entsteht eine weisse Trübung, bei den folgenden bil- det sich dann am Boden des Probirgläschens ein violetter Fleck, der beim Umschütteln .wieder verschwindet, und bei noch einigen Tropfen Schwefelsäure wird während des Schüt- telns die ganze Flüssigkeit prachtvoll dunkelviolett. Fällt man diese vollständig mit salzsaurem Baryl, wäscht den erhaltenen Sleischfarbigen Niederschlag aus und versetzt diesen abermals mit Zucker und Schwefelsäure, so erhält man wieder dieselbe Farbe wie vorher. +) Die Menge der Galle kommt bei diesem 1) Nach Pettenkofer soll Eiweiss mit Zucker und Schwelel- säure eine ähnliche Reaktion geben. Allein die dadurch erzeugte Farbe ist immer nur braun, nie violett. 348 Verfahren fast gar nicht in Betracht. Zehn Tropfen Flüssig- keit, die nur 0,001 Grm. auf dem Wasserbad eingetrockneten gallensauren Natrons enthielten, gaben mit einem Tropfen ver- dünnter Zuckerlösung und der hinreichenden Menge Schwe- felsäure eine eben so schöne Farbe, wie zehn Tropfen Wasser, die 0,1 Grm. gallensauren Nalrons enthielten. Endlich reicht es keineswegs hin, feste oder breiarlige Massen, welche man auf Galle untersuchen will, bloss mit Alkohol auszuziehen, denn es kann, wie ich weiter unlen zeigen werde, die Gallensäure sich von dem Nalron, an wel- ches sie in der Galle gebunden ist, trennen, und stalt dessen Verbindungen mit organischen Körpern eingehen. Diese Ver- bindungen sind sammt und sonders in Alkohol unlöslich, aber mit wenig Ausnahmen löslich in Essigsäure. Ihre essigsaure Auflösung verhält sich aber gegen Zucker und Schwefelsäure ganz eben so wie eine wässerige oder weingeislige Auflösung von gallensaurem Natren. Will man daher feste oder breiar- tige Massen auf Galle untersuchen, so ist ein essigsaurer Aus- zug derselben unerlässlich. Bei diesem Verfahren fand ich nun in den Fäces in der Regel keine Galle. Nach Petten- kofer soll sie aber immer bei Diarrhöen vorkommen und bei Pneumonieen fand er sie auch im Harn. Findel sich non in den Fäces die Galle nur ausnahmsweise oder nur in geringer Menge wieder, so fragt sich, was geht mit der Galle bei der Verdauung vor. Niemand hat bis jetzt, so viel ich weiss, darüber eine auf Thatsachen gestützte Ansicht vorgetragen. Der einzige, welcher uns in dieser Hinsicht etwas mittheilte, ist Purkinje. Er fand, dass Galle die künstliche Verdauung des Eiweisses hemmt. Dieses hat in der That seine vollkom- menste Richtigkeit. Wird zu geronnenem Eiweiss, das in künstlicher Verdauung begriffen ist, Galle gesetzt, so schreitet die Auflösung desselben nicht weiter fort, sondern bleibt auf dem Punkte stehen, wo sie war, als die Galle zugeselzt wurde. Selzt man die Galle gleich anfangs zu, so bleibt das Eiweiss völlig unaufgelöst.. Selbst wenn die Digestion des Eiweisses 349 mit künstlicher Verdauungsflüssigkeit mehrere Tage hindurch fortgesetzt wurde, so zeigten die Eiweissstückchen noch ihre scharfen unveränderten Ränder, allein sie wurden brüchig und liessen sieh leicht durch Sehütteln zerbröckeln. Die Galle, welche ich hierbei anwandte, war frei von Schleim und dem grössten Theil ihrer Salze. Die Verdauungsflüssigkeit war nach Schwann’s Angabe aus der getrockneten Schleimhaut vom Laabmagen des Ochsen mit Hülfe von salzsäurehaltigem Wasser bereitet worden. Sie ging vollkommen klar durch das Filter und wurde immer nur filtrivt angewendet. Bemerkens- werth war nun, dass der Zusalz von Galle jedesmal eine Trübung hervorbrachte. Dieses führte zu einer Reihe von Versuchen, die ich der Hauptsache nach jelzt mittheilen will, und aus denen unzweifelhaft hervorgeht, dass der elektrone- gative organische Bestandiheil der Galle sich mit vielen ande- ren organischen Körpern verbinden kann. Das erste, was in seinem Verhalten zur Galle einer nä- heren Prüfung unterworfen wurde, war die Verdauungsflüs- sigkeit an und für sich. Wurde dieselbe mit kohlensaurem Natron neutralisirt, so blieb sie vollkommen klar, in einigen Versuchen entstand jedoch dadurch eine sehr geringe Trübung. Wurde zu der neulralisirten Flüssigkeit Galle geselzt, so ver- änderle ‚sie sich nicht im- geringsten. Wurde aber zu der neutralisirten und dann mil Galle versetzten Verdauungsflüs- sigkeit etwas Salzsäure gegossen, so entstand augenblicklich eine sehr starke Trübung und es bildete sich später auf dem Boden des Gefässes ein zäher Niederschlag. Dieselbe Erschei- nung zeigte sich, wenn Verdauungsflüssigkeit, so wie ich sie bei der Bereitung erhallen halte, mit. Galle versetzt wurde, Wurde Galle an und für sich mit Salzsäure versetzt, so blieb sie vollkommen klar. Der bei diesen Versuchen erhaltene Niederschlag war in Wasser unlöslich. Ausgewaschen und gelrocknet liess er sich leicht pulvern. Auf dem Platinblech verbrannte er ohne alkalischen Rückstand. Er löste sich leicht in kohlensaurem Natron und in Essigsäure, und gab, in lelz- 350 terer gelöst mit Zucker und Schwefelsäure, die der Gallen- säure eigenlhümliche Reaktion. Er bestand demnach unzwei- felhaft aus Gallensäure in Verbindung mit einem anderen or- ganischen Körper (Pepsin?). Die nächste Prüfung betraf das Eiweiss. Es wurde Hüh- nereiweiss mit reinem Essig versetzt und da hierbei eine ge- ringe Trübung entstand, filtrir!. In der klar durchgegangenen essigsauren Albuminlösung entstand auf den Zusatz von Galle sogleich ein starker Niederschlag, der beim Schütteln sich zu Klampen vereinigte. Ausgewaschen und getrocknet stellte er eine harte bräunliche Masse dar, die sich leicht pulvern liess. Er war unlöslich in allen Säuren. Dagegen löste ihn Aetz- kali, wiewohl sehr langsam, völlig auf. Ammoniak löste ihn nur zum Theil. Eine gallertartige durchseheinende Masse blieb zurück. Kollensaures Kali oder Natron lösten selbst inner- halb 24 Stunden davon nur wenig auf. Nimmt man Hühner- eiweiss, rührt dieses mil gereinigter, in Wasser gelöster Galle an und setzt dann Essigsäure zu, so erhält man einen Nieder- schlag, der in der Form etwas von dem vorigen verschieden ist, Er hat nämlich fast die Form von geronnenem Faserstofl. Es war von Interesse. zu wissen, ob auch wohl noch eine schwächere Säure, als Essigsäure, bei Gegenwart von Eiweiss die Galle zu zerlegen im Stande sei. Ich leitete daher durch eine Mischung von Galle und Eiweiss einen starken Strom Kohlensäure und in der That fing sehr bald die klare Mischung an, sich zu trüben. Selbst das kohlensaure Albumin ist dem- nach im Stande, gallensaures Natron zu zerlegen. Es ist je- doch zu diesem Versuch nölhig, dass man mit nicht zu klei- nen Quantitäten operirt und ausserdem Eiweiss im Ueber- schuss anwendet. Nach diesen Versuchen mit rohem Eiweiss wandte ich mich zu verdautem Eiweiss und verdautem Blutkuchen. Ihre durch künstliche Verdauungsflässigkeit bewirkte Lösung wurde filtrirt und dem klaren Filtrat Galle zugesetzt. Sogleich ent- stand sowohl bei dem einen, wie bei dem andern eine starke 351 Trübung. Die trüben Flüssigkeiten klärten sich, nachdem sie längere Zeit ruhig gestanden hatten, vollkommen auf, während sich an dem Boden ein zäher Niederschlag absetzte. Dieser Niederschlag zeigte sich also sehon in seiner äusseren Beschaf- fenheit wesentlich verschieden von dem, welcher in rohem Eiweiss entstand. Der eine war faserstoffarlig, der andere zäh und diekflüssig wie Syrup. Der Niederschlag aus verdautem Eiweiss und Blutkuchen löste sich leicht wieder in Essigsäure auf und eben so in kohlensaurem Natron; unterschied sich also auch in chemischer Hinsicht wesentlich von dem aus ro- hem Eiweiss. Ausgewaschen und gelrocknet liess er sich leicht pulvern und verbrannte auf dem Platinblech ohne alka- Kschen Rückstand. Die essigsaure Auflösug gab mit Zucker und Schwefelsäure die bekannte Reaklion der Gallensäure. Ganz ähnlich wie verdautes Kiweiss verhielt sich auch Leim. Er wurde sogleich durch die Galle gefällt, wenn er zuvor mit Essigsäure oder Salzsäure angesäuert worden war, Essigsäure im Ueberschuss löste den Niederschlag wieder auf, nieht aber Salzsäure. Der Niederschlag löste sich ausserdem ebenfalls in kohlensaurem Natron. Er war pulverförmig. Schliesslich stellte ich nun auch noch einige Versuche mit stickstofllosen Nahrungsmitteln au. Gegen Fett verhielt sich die Galle indiflerent. Zucker und Gummilösung wurden gefällt, wenn ich sie mit Salzsäure verselzte und Galle an- wandte, welcher ich ihr Fett nicht entzogen hatte. Der Nie- derschlag löste sich in Essigsäure und kohlensaurem Natron, Fettfreie Galle, der überdies ein Theil ihres Natrons entzogen worden war, liess die Flüssigkeiten vollkommen klar. Aus den so eben milgelheillen Versuchen glaube ich nun einstweilen nachstehende Folgerungen ziehen zu dürfen. 1. Das gallensaure Natron (Galle), welchem selbst starke Säuren, für sich angewandt, das Natron immer nur schwie- rig entziehen, und welchem neutrale organische Körper, für sich angewandt, niemals die Gallensäure entziehen, wird sehr leicht und vollständig zerlegt, wenn man sauer gemachte 352 Lösungen organischer Körper anwendet. Unter den Säuren ist dann selbst Kohlensäure im Stande, der Galle Natron zu entziehen, und unter den organischen Körpern entziehen dann namentlich Proteinverbindungen oder ihnen ähnliche Körper der Galle ihre Gallensäure. 2. Von dem Augenblick an, wo die Galle zu den im Magen aufgelösten stickstoffhaltigen Nahrungsstoffen tritt, wird eine weitere Umsetzung ihrer Elemente verhindert. Diese Wirkung wird hervorgebracht nicht durch eine Neutralisalion der Magensaftsäuren, da man ja selbst nach dem Zutritt der Galle den Speisebrei noch sauer findet, sondern durch eine Verbindung der Gallensäure mit den aufgelösten Stoffen und dem Pepsin. 3. Stickstofllose Nabrungsstoffe, wie Zucker und Gummi, wenn sie unzersetzt in den Dünndarm gelangen, scheinen sich namentlich mit dem Gallenfelt zu verbinden. Ob die Gallen- säure sich mit ihnen verbindet, ist noch nicht ermittelt. Viel- leicht ergeben weitere Untersuchungen hieraus Anbaltspunkte für den diabeles mellitus. Auf das Fett übt die Galle keine Wirkung aus, und da auch bei der Magenverdauung das Fett sich wenig zu ändern scheint, so kommt man auf exelusivem Wege zu der Vermuthung, dass der Bauchspeichel für die Auflösung und Veränderung des Feltes von Wichtigkeit ist. 4. Da die Verbindung der Gallensäure mit den im Magen aufgelösten stickstoffhaltigen Nahrungsstoflen unlöslich in Salz- säure, aber leicht löslich in Essigsäure ist, so ist die mehrfach gemachte Beobachtung, dass im Magensaft neben der Salz- säure auch noch Essigsäure vorkommt, sehr begreiflich. Ist zugleich Essigsäure im Magensaft vorhanden oder bildet sich dieselbe bei der Verdauung, so wird die Verbindung der Gal- lensäure mit den verdaulen Proteinverbindungen aufgelöst und kann sofort resorbirt werden. Ob vielleicht die Milchsäure eine ähnliche auflösende Eigenschaft wie die Essigsäure be- sitzt, habe ich noch nicht untersuchen können, 5. Die gegen den Blinddarm hin immer mehr und mehr 393 abnehmende saure Beschaffenheit des Speisebreies erklärt sich aus einer Resorption der sauren löslichen Nahrungsstoffe. Die neue Ansäuerung der Speisen im Blinddarm, welche nach ei- nigen Beobachtern durch Milchsäure geschieht, hat vermuth- lich keinen anderen Zweck, als die noch ungelöst gebliebenen gallensauren Proteinverbindungen löslich zu machen. 6. Die so grosse Verschiedenheit des gallensauren ver- dauten und nicht verdauten Eiweisses ist ein neuer Beweis, dass die Magenverdauung nieht auf einer blossen Auflösung der Nahrungsstoffe beruht. Eiweiss, welches zwar gelöst, aber unverdaut in den Dünndarm gelangte, würde durch die Galle vollkommen unauflöslich gemacht werden. 7. Der Zweck der Verdauung kann nicht in einer Um- wandlung aller Nahrungsstoffe in Eiweiss bestehen. Schliesslich will ich noch darauf aufmerksam machen, dass wir nun auch wohl Mittel finden werden, darzuthun, ob die Lymphgefässe resorbiren oder nicht. Vor der Hand leugne ich ihre Resorbtion noch und halte Lymphe und Chylus für eine Absonderung. Müller’s Archiv. 1845, 23 Ueber die Ablagerungen anorganischer Substanzen auf dem Plexus choroideus; von Dr. E. Harızss. Hierzu Tafel XII. Sehr häufig findet man in den verschiedensten Krankheiten, meist bei erwachsenen Individuen, Veränderungen am Plexus choroideus, die entweder in der Form von Erbsen bis Bohnen grossen Geschwülsten, beim Durchschneiden aus knirschenden, oft mit blossem Auge sichtbaren kugligen Coneretionen beste- hen, oder den Plexus raulı, wie mit Sand bestreut, anfühlen lassen. Ein pathologisch veränderter Piexus der ersten Art ist Fig. 14. dargestellt, wo A eine bohnengrosse milchweisse Geschwulst darstellt, an welcher eine kleine opalisirende, halb- durchsichtige Blase B hängt, welche noch ganz weich ist, während jene die Consistenz eines Steins hat; in der Umge- bung ist die Pia malter sehr faltenreich und dichter, als im normalen Zustande; zugleich sind die Gefässe stark turgesci- rend. So häufig auch diese Veränderungen gefunden werden, so besilzen wir, meines Wissens,’ doch nur eine durchaus nicht zureichende mikroskopische Untersuchung dieser Ge- schwulst in dem schätzenswerihen Atlas zur patholog. Anato- mie von J. Vogel, Tab. XIV. Fig. 8., nebst Ghert’s disqui- 353 sit. de plex. chor. und Andeutungen in Remak: Observ. anat. de syst, nerv. struct. Worüber am Schlusse der Ab- handlung. Ich hielt es deshalb für nicht ungeeignet, hierüber ge- nauere Untersuchungen anzustellen, zumal mir in Prag eine Menge von Exemplaren zu Gebote standen, die mir mit der grössten Bereitwilligkeit von meinem hochgeschätzten Lehrer, Prof. der pathologischen Anatomie Dr. Bochdalek, überlas- sen und gesammelt wurden. Ferner dürften wir von hier aus vielleicht einige Winke erhalten, auf welchem Wege wir den so räthselhaften Process der Kalk- etc. Ablagerungen in an- dern Organen, besonders auf den Arterien, zu ergründen haben; eine Untersuchung, die ich zunächst vorzunehmen be- gonnen habe. Betrachten wir zuvörderst die zweile Art jener palholo- gischen Veränderung des Plexus, die weniger Schwierigkeiten bei der Untersuchung darbielet, so sehen wir meistentheils runde, hier und da elliplische Körper mit nicht ganz linear scharfen Contouren auf dem Gewebe der Pia mater lose auf- sitzen. Sie selbst haben einen ziemlichen Durchmesser, was ihre dunklen Contouren beweisen, sind also wahrscheinlich kugelrund oder wenigstens nur sehr wenig abgeplattete Sphä- ren. Ihr Bau ist deutlich concentrisch, lamellös und sie be- sitzen in ihrer Mitte grössere oder kleinere dunkle Massen. Fig. 1. AB. Zwischen den Lamellen und in ihrem Centrum befindet sich ein spiessiges, krystallinisches Gefüge: lauter kleine Nadeln, in der Regel sternförmig gruppirt. Fig. 4. Die Membranen, aus denen das ganze organische Substrat be- steht, zeigen sich mit seinem breiartigen Inhalt bis auf eioen gewissen Grad nachgiebig, nicht leicht brüchig; denn bei ei- niger Compression ist man im Stande, die runde Gestalt ohne Berstung in eine andere, bald eubische, Fig. 3., oder elliptische, Fig. 2., zu verwandeln; jedoch giebt es verschiedene Stufen ihrer Metamorphose, auf deren einer es nicht mehr möglich ist, olıne Zerklüftung zu comprimiren. Dies rührt aber, wie 23% 356 uns der Verlauf der Untersuchung zeigen wird, von vorge- schrittener Consolidation des Inhalts her. Die zerklüftete Ku- gel erinnert aber lebhaft an die Form der Linse, die dieselbe annimnıt, wenn sie in verdünnter Salzsäure gelegen hat, und mässig gedrückt wird. Es trennt sich nämlich die Kugel in mehrere Kugelausschnitte. Fig. 1. C. Der organische Inhalt scheint neben einem gelblichen Pigment aus sehr viel Fett zu bestehen, in dem nach Behand- lung mit Alkohol die Körper ganz durchsichtig werden und die spiessigen Krystalle im ausgezeichneten Grade erkennen lassen. Eine andere Art von Kugeln findet sich noch, die ein ganz anderes Ausschen darbietet, mit gleichem organischen, jedoch nicht ganz gleichem anorganischen Substrat. Diese Form zeigt einen dachziegelförmig übereinander gelagerten Plallenbau, Fig. 5. Die einzelnen Plalten selbst besilzen eine bestimmte Dichtigkeit, was aus verschiedenen Thalsachen und Manipulalionen hervorgeht; es bedarf nämlich eines relaliv starken Drucks, um die Körper zu zerquetschen, was hier immer im Gegensatz zu den andern (Fig. 1—4.) mit vollstän- diger Zerklüftung verbunden ist; zweitens haben die Contou- ren der einzelnen Schuppen oder Ziegel sehr starke Schalten, Fig. 5.; drittens endlich bekommt man in der That nach ge- iungener Zersprengung die Grundform jener Platlen in der Gestalt von Keilen, Fig. 7a. Diese Keile sind im Centrum mit einander zusammenhängend, da stets die Basis derselben unregelmässig gezackt erscheint, Fig. 7a.; ihre breite Spitze ist gegen die Oberfläche gerichtet, und bildet eben dadurch, wenn die Kugeln im Ganzen betrachtet werden, das geschupple Ansehen, Auf den Schuppen befindet sich oft eine Kette an- einander gereihter Bläscher, Fig. 5 b., die als Fetlbläschen zu betrachten sind, indem ihre Contouren sehr leicht bei einiger Compression in einander fliessen. Die Darstellung der Keile, von denen einer meist sich durch seine hervorstechende Dich- tigkeit als der älteste zu erkennen giebt, Fig. 5a., ist jedoch 337 nicht so ganz leicht: es hängt von Uebung und Glück ab, den gerade nothwendigen Druck auszuüben, um die Kugel nur bis auf den Punkt zu zerklüften, dass sie in diese Keile zerfällt, ohne dass die Keile selbst zersprengt werden, was um so leichter geschieht, als sie selbst aus einer unendlichen Menge feiner Blättchen zusammengesetzt sind, die dann mit ganz unregelmässigen, verschiedenen Formen abgesprengt wer- den, Fig. 7b. Ob ihre Grundform vielleicht jene spiessigen Krystalle sind, wie in Fig. 4, möchte sich als wahrscheinlich hinstellen lassen, wenn man Fig. 4. mit Fig. 6. vergleicht; in leizterer sieht man nämlich schon den schuppigen Bau an- gedeutet, zugleich aber noch in den Schuppen selbst jenes unregelmässige Convolut von Krystallen, wie in Fig. 4. Diese Kugeln (Fig. 5.) sind nun in einer organischen Ifülle einge- schlossen, wie man deutlich sieht, wenn man den Focus bei Fig. 5. so verändert, dass man das Objekt der Linse näher bringt; in dem Maasse, als Fig. 5. undeutlich wird, in dem Maasse tritt über der Kugel Fig. 8. in den Focus ein Gewebe eoncentrischer Fasern, das die ganze Kugel umspinnt; auch gelingt es hin und wieder, diese Membran zu sprengen, die Krystalle zum Austreten zu bringen, worauf dann das Bild Fig. 8. ganz klar und durchsichtig zurückbleibt; häufig ist je- doch dieser Sack eng mit dem Krystallkörper (ob mechanisch oder organisch unzertrennlich?) verbunden. Diese Säcke ent- wickeln sich aus dem Bindegewebe und ihre Form bestimmt die Form des ganzen Körpers. Abgesehen davon, dass ihr Verhalten gegen Essigsäure ganz so ist, wie das des Bindege- webes, indem auch seine Fasern durchsichtig, blass und hier und da feinkörnig werden, lässt sich stufenweise ihre Ent- wieklung verfolgen; stets ist der Sack das erste, was gebil- det wird: auf seiner peripherischen Innenfläche tritt dann zuerst jene gruppenweise Anhäufung von Fett auf Fig. 9a., die dann (Fig. 5b.) auf den Krystallen sich findet; es sind aber keine Fetlzellen, sondern einfache Feltbläschen, was zu- gleich auf eine andere Eigenschaft des Inhalts der Säcke hin- 358 deutet: es kann nämlich das Eiweiss nicht sehr concentrirt darin vorkommen, sonst müsste sogleich in Verbindung mit diesen Fetliröpfehen die bekannte Ascherson’sche Zellenbil- dung auftreten, was jedoch nie geschieht. Hierauf beginnt erst die Kalkablagerung, und auch hier wieder vom Miltel- punkt aus, Fig. 10., Fig. 9., Fig. 2., und schreitet gegen die concave Peripherie der Bläschen fort, Fig. 16., tritt aber nie aus der Hülle heraus; ein Beweis, dass die Cystenbildung der primäre pathologische Vorgang ist, an welchen erst die Kalk- ablagerung als sekundäre Erscheinung gebunden ist. Die Grösse dieser primitiven Cysten, wie ich sie zum Unterschied von den grössern sekundären, Fig. 14. AB, nennen will, va- riirt ausserordentlich; die kleinsten betragen etwa „1, Fig. 15., die grössten 4”, Fig. 5. Aber selbst die kleinsten bestehen noch aus denselben Elementen; denn durch Aether und Essig- säure werden sie blasser und durchsichtig, Fig. 15b., durch Kali wird ihre organische Substanz aufgelöst, Fig. 15 c. Was die chemische Analyse der anorganischen Bestand- theile betrifft, so ist es folgende: Mit Chlorwasserstoflsäure übergossen, entwickeln sich sehr viele Luftblasen, die beim Kochen in ausserordentlicher Menge sich aus der Masse ent- wickeln: also 1) CO,. Wurde die salzsaure Jösung mit SO, versetzt, so fiel ein reichlicher weisser Niederschlag zu Boden: 2%) CaO. Wurde sodann die salzsaure Lösung mit Biltererdeso- lution versetzt und Ammoniak zugefügt, so entstand schnell ein krystallinischer Niederschlag, der in A. sich sehr leicht löste, also aus phosphorsaurer Ammoniak-Magnesia bestand. Chlorbarium erzeugte keinen Niederschlag: die Masse bestand also aus Ca und CaP,. Die beiden ihrer Struklur nach verschiedenen Kugeln ent- hielten aber diese Bestaudiheile auch in verschiedenen Ver- hältnissen: die schuppenförmigen nur Spuren von CaÜ, dage- gen fast nur CaP,; die spiessigen dagegen viel mehr Ca6 und weniger CaP,. — So viel von dem Verhalten der iso- 359 lirten und primitiven Cysten. Nun war aber noch dreierlei ‘ zu ermilleln: nämlich 1) das Verhältniss der normalen Plexus choroid. zu den palhologisch veränderten; 2) das Verhältniss der primitiven Cysten zu den Gefässen, in specie zu deren Häuten; 3) das Verhältniss der primiliven Cysten zu den se- eundären, deren Elemente endlich selbst noch genauer zu un- tersachen waren. Bekanntlich besteht der Plex. choroid. aus faltenreichen, in die Ventrikel hineinragenden Forlsetzungen der Pia mater, welche feinen Gefässbogen zur Stütze dienen. In diesem Ge- webe nun, welches innerhalb einer solchen Gefässschlinge liegt, entwickeln sich hauptsächlich diese kugeligen Körper, als eine Wucherung der Pia mater selbst; allein schon Fig. 9. beweist, dass diese in einem gewissen Zusammenhang mit dem Ver- lauf der Blutgefässe stehen, indem gerade in deren Nähe die ersten Entwicklungsformen gefunden, in den übrigen Falten der Pia mater mehr weniger vermisst werden; ja indem gerade auch in der Gegend etwas grösserer Gefässstämmchen eine grössere Menge dieser Körper gefunden wird, wurde es wahrscheinlich, dass zu ihrer Bildung hauptsächlich eine Schicht Gefässhäute verwandt wird, und das Serum dann exosmotisch aus den Gefässen sich in die gebildelen Cysten ergiesst, um dort von Innen her die Kalkablagerung zu beginnen. Dies beweist denn auch Fig. 11. hinlänglich, indem man hier deut- lich sieht, wie in der Gegend, wo die grösste Menge dieser Körper abgelagert ist, sich die tunica adventitia bedeutend verdichtet, um diese Kugeln zu umspinnen; wie dagegen die elastische Haut durchaus keinen Antheil an der Bildung oder Umbüllung nimmt, sondern nur entsprechend der Grösse der Kugeln ausweicht und eine Impression ohne Substanzverlust erleidet. Wie aber nicht ein blosses Einbetten in die tunica advent. Statt findet, sondern eine wahre Wucherung, geht aus Fig. 12, hervor, wo ein solcher Körper mit dem umgebenden Bindegewebe isolirt dargestellt ist; und es sich zeigt, dass hier 360 eine Menge von Fasern neu gebildet ist, was die vielen Kerne in ihnen beweisen. Sehr interessant ist schliesslich das Verhältniss dieser pri- miliven Cysten zu den secundären, deren eine in Fig. 14. B. in natürlicher Grösse abgebildet ist. Eine solche Oyste besteht nämlich aus 2 Häuten mit ganz verschiedenen Charakteren; die äussere ist sehr zart, durch- sichtig, aber durchaus zusammenhängend, aus einem dichten Gewebe von feinen Fasern bestehend, deren Durchmesser dem der Bindegewebsfasern entspricht; sie ist auf der convexen Seile mit einer Schicht rundlicher oder ovaler Zellen besetzt, von der Grösse von 0,0040 — 0,0050, und sehr platt; nie- mals fand ich aber auf ihnen das Purkinje’sche Epithelium; sie enthält ferner eine grosse Menge von Gefässen und Ner- ven; ihr ganzes übrige Gewebe löst sich ausserordentlich sehnell in A. auf, und hinterlässt eine amorphe Masse; es fin- den sieh zwischen ihr und der inneren Cystenhaul, besonders in der Nähe der Gefässe, ziemlich viele Kugeln. Ganz anders verhält sich die von ihr nach einiger Maceration ganz leicht zu trennende innere Haut, Sie besteht aus einer gallertarti- gen, weichen, sehr leicht zu zerpflückenden Masse, physika- lische Eigenschaften, welche durch ihre mikroskopische Struk- tur vollkommne Erklärung finden; es ist nämlich ihr Gewebe sehr grossmaschig, die Fasern bei weitem nicht so schmal, im Gegentheil auffallend breit, bandartig, von 0,0045 — 0,0090 Breite, und im Verhältniss zu diesen finden sich wenig Fa- sern, die denen in der obern Haut analog waren, von welchen es sogar wahrscheinlich ist, dass. sie beim Trennen beider Häute von der äussern mit abgerissen worden sind. Von Nerven und Gefässen ist in dieser Haut keine Spur zu ent- deeken. Jene Fasern bleiben durch A. ganz unverändert, und verhalten sich ganz so wie die concentrischen Schichten der primitiven in ihr enthaltenen Oysten; diese sind aber an ihnen aufgehängt, und hängen in das Innere der Blase hin- ein. Manche dieser Fasern sind ganz wasserhell, Fig. 13. Aa, 361 bei vielen sieht man jedoch noch viele feine Pünkichen und Fasern, Fig. 13. Ba und Ca, die aber unzertrennlich mit ein- ander verschmolzen sind. Am schönsten sieht man dieses Verhalten, wenn man ein Stückchen aus einer solchen Cyste herausschneidet und so faltel, dass die innere Haut nach aus- sen gekehrt wird; es flotliren dann die an ihren Fasern auf- gehänglen Kugeln frei im Wasser. Oft hängt bloss eine Ku- gel an einem solchen Faden, Fig. 13. A, oft ein Convolut von mehreren, Fig. 13. B, oder endlich tritt, wie in Fig. 13. C, der Faden, welcher sich, um die erste Kugel zu umspinnen, zersplittert hat, wieder zusammen, um gleich darauf wieder eine neue Gruppe zu umspinnen. Wenn auch gleich stets die Breite der Faser in einem gewissen Verhältniss zu der Grösse der Kugeln oder des Convoluts steht, so ist doch nicht wohl anzunehmen, dass er, allein in seine Primitivfasern aufgelöst, das ganze Netzwerk von Fasern constituiren sollte, das die Kalkmassen einhüllt, sondern höchst wahrscheinlich treten neue Faserwucherungen zwischen den Kugelconglomeraten auf, da häufig eine Theilung und Verzweigung dieser Fasern beobachlet wird; und so mag auf diese Weise vielleicht die Hüllenbildung von ihnen ausgehen. Dieser organische Zusam- menhang der Kugeln mit den Bläschen liess sich nur an ein- zelnen Plexus nachweisen, und zwar waren es solche, bei de- nen die Ablagerung noch nicht oder eben erst begonnen halte, also bei noch ganz frischen, im Entstehen begriffenen patho- logischen Produkten; wahrscheinlich fallen die Kugeln durch Auflösung ihrer Stiele ab, wenigstens scheint in der Betrach- tung der Entwieklungsreihe von Fig. 13. C durch B zu A, wo die Fäden mehr und mehr blass und durchsichtig werden, zu dieser Annahme einige Berechtigung zu liegen. Dass diese Kalkablagerungen nicht einfach in schon vor- handenen normalen Zellen abgelagert sein können, oder gar in Ganglienkugeln (Henle, allg. Anat. p. 679.), ist aus dem Laufe der Untersuchung klar; denn es kommen Kugeln von ı LB7Z 13" vor, eine Grösse, die keiner primären physiologischen 362 Zelle zukommt, auch kann es nicht durch ein Verschmelzen und Zusammenballen von Zellen etwa durch Kalkmasse, wie durch Cement, zu dieser Bildung kommen; dazu sind die organischen Substrate zu regelmässig; die Beobachtungen von Ghert (Disquisit. de plex. choroid. p. 44.) beziehen sich nur auf die Körper Fig. 15. a, bei denen durch Behandlung mit Säuren ein durchsichtiger Kern zurückblieb, was eben nichts anderes ist, als das nach Auflösung des Kalks zurückbleibende, sich durch den Einfluss der Säure contrahirende organische Ge- webe. Der röthliche Kern, den Remak (observ, anat. de system. nerv. struct. p. 26.) beschreibt, findet sich bei den grösseren Cysten mit Bestimmtheit nicht; bei den kleineren ist ein Körnerhäufchen im Beginne der Bildung so deutlich, wie die grösseren dunkleren Massen in Fig. 9. und 10., und bezeichnet das erste Auftreten der Kalkablagerung; den rothen Kern konnte ich auch bei diesen nie finden. Ueber das Vorkommen eines processus vaginalis peri- tonaei beim weiblichen Fötus; von Pror. Hermann MEYER, Prosektor in Zürich. Hierzu Tafel XII. Fig. 1. 2. Im verflossenen Sommer fand ich bei der Zergliederung eines neugebornen Hundes weiblichen Geschlechts in der vorderen Bauchwand jeder Seite eine Oeffnung von ungefähr 1 Durch- messer, welche nach aussen und vorn von der Eintrittsstelle des runden Mutterbandes in den inneren Leistenring lag, und in einen Canal führte, welcher sich durch den Leistencanal hindurch erstreckte und nach einem Verlaufe von 4— 5“ am Schoosshügel blind endete. Das runde Mutterband lag in dem ganzen Verlaufe dieses Sackes nach innen von demselben. Die Continuität des Sackes mit dem Bauchfellsacke war leicht zu erkennen, und es ging daraus deutlich hervor, dass der- selbe als ein dem processus vaginalis peritonaei des männlichen Fötus analoges Gebilde anzusehen sei. Ich fand durch diese Beobachtung Veranlassung, auch bei menschlichen weiblichen Fötus nach diesem Bauchfellfortsatze zu suchen. Bei den sechs Fölus, welche ich bis jetzt in dieser Beziehung zu untersuchen Gelegenheit hatte, vermisste ich ihn nie, Der Eingang findet sich am inneren Leistenringe unmit telbar neben dem runden Multerbande nach aussen und elwas 364 nach vorn, und zwar, wie es mir nach den wenigen Unler- suchungen, welche ich anstellen konnte, Regel zu sein scheint, um so weiter nach vorn, je älter der Fölus ist. Wahrschein- lich rührt diese Veränderung der gegenseitigen Lage dieser Theile davon her, dass durch die Gestaltveränderungen, welche das Becken während seiner Ausbildung erleidet, das runde Mutterband von dem innern Leistenringe aus, innerhalb des Beckens, mehr nach hinten gezogen wird. Das runde Mut- terband fand ich entweder frei neben dem Fortsatze liegen oder es war in die Wandung desselben eingesenkt in ähnli- cher Weise, wie das Colon ascendens und descendens in die hintere Bauchfellwand. Die Tiefe des Canales fand ich: bei einem Fötus von 2% Monaten nicht ganz 3°”, - - - - gegen 3 Mt. desgl., - - - - 4 Monaten 2. - - - - 5 - über 1’, - - - - 5 - nahe an 2%, N 4 e = .7—8 Mt. Ada Bei einem neugebornen Mädchen fand ich ihn ungefähr 5” tief, konnte mich aber von dem freien Zusammenhange seiner Höhle mit der Höhle des Bauchfellsackes nicht mehr überzeu- gen, weil die Theile schon zu sehr verletzt waren. Es ist auffallend, dass bei neueren Schriftstellern Nichts über diesen processus vaginalis des weiblichen Fötus zu finden ist. Rückwärts gehend fand ich erst bei Danz (Grundriss der Zergliederungskunde des ungebornen Kindes. Giessen 1793. Bd. 2. S. 174. 175.) Erwähnung desselben. Danz scheint denselben jedoch nicht selbst gesehen zu haben, sondern ge- denkt seines Vorkommens nur in Kürze auf die Autorilät Anderer hin. Paletta (Neue anatomische Beschreibang des Hunter’ schen Guberuakels der Hoden und der Scheidenhaut in: Ana- 365 tomische Schriften von Azzoguidi, Palelta und Brugnone, herausgegeben von Sandifort, überselzt von Tabor. llei- delberg 1791) beschreibt den processus vaginalis des männ- lichen Fötus und giebt an, dass ein solcher auch bei weibli- chen Früchten vorkomme. Er fand ihn bei einem zweimo- nallichen, einem viermonatlichen, einem fünfmonatlichen und bei einem „fingerlangen“ Fötus. Bei dem lelzteren bot die Vetiefang Raum für einen Stecknadelknopf; bei dem viermo- natlichen lag das runde Mutterband in einer Duplikatur der Wandung des processus vaginalis (S. 99— 101). Brugnone (Abhandlung über die Lage der IIoden im Fötus, ihrem Niedersteigen in das Skroltum und dem Ursprunge und Anzahl ihrer Häute, — in der eben erwähnten Samm- lung) giebt an, dass er den processus vaginalis bei allen weib- lichen Früchten von 4—8 Monaten gefunden habe; derselbe endet nach ibm an der Seite der Schamknochen und die run- den Mutterbänder verlaufen hinter ihm (S. 226). Bielen nun diese Angaben der genannten Forscher eine Bestätigung der oben milgetheilten Beobachtung, — so beleh- ven uns dagegen die Untersuchungen von Peter Camper (Abhandlung über die Ursachen der mannigfaltigen Brüche bei neugebornen Kindern, — in seinen: Kleineren Schriften, herausgegeben von Herbell. Leipzig 1785. IL. Bd. 1. Stück. S. 44— 78. und III. Bd. 2. Stück. S. 180— 183.) darüber, dass der erwähnte Bauchfellfortsatz in der Regel bei dem neugebornen Mädchen bereits verschwunden ist, in seltenen Fällen aber noch oflen gefunden wird, Er untersuchte näm- lieh die L.eistengegend sehr vieler Neugebornen beiderlei Ge- schlechts, mit besonderer Rücksicht auf den processus vagi- nalis, als Ursache des angebornen Leistenbruches. ' Unter 34 neugebornen Mädchen, welche er untersuchte, fand er bei ei- nem auf der rechten und bei einem auf der linken Seite einen bis zum os pubis reichenden processus vaginalis, — bei dreien rechts und bei eben so vielen links das UVeberbleibsel eines solchen; bei den übrigen 26 fand er keinen Fortsatz. (Il, Bd. 366 1. Stück. S. 51. und III. Bd. 2. Stück. S. 181.) — Er leitet von diesem Oflenbleiben des processus vaginalis die kleinen, leicht heilbaren angebornen Leistenbrüche ab, welchen neuge- borne Mädchen nicht selten unterworfen sein sollen. Ich hatte Gelegenheit, vier neugeborne Mädchen zu un- tersuchen. Bei dreien fand ich die Oeffnung in der Bauch- höhle geschlossen; bei dem vierten, dem oben erwähnten, war der Fortsatz noch vorhanden, aber es war nicht mehr zu er- mitteln, ob seine Höhle gegen die Bauchfellhöhle schon ab- geschlossen war oder nicht. In seltenen Fällen wird der processus vaginalis auch bei erwachsenen weiblichen Individuen noch offen gefunden. Die älteste Angabe hierüber findet sich wohl bei Nuck (Adeno- graphia curiosa. Lugd. Batav. 1692), Derselbe fand, der Ur- sache der Leistenbrüche beim weiblichen Geschlechte nach- forschend, bei einer Hündin neben dem runden Mutterbande ein Loch, durch welches er ‚‚vesieulam quandam a peritonaeo oriundam, oblique per abdominis tendinosas musculorum par- tes, versus pubem extensam“ aufblasen konnte. Er fand die- ses „divertieulum“ später bei allen Hündinnen, welche er öfl- nete, auf beiden Seiten. — Beim menschlichen Weibe fand er das „diverliculum“ ebenfalls und bildet es auch, ebenso wie das der Hündin, ab. — Er beschreibt den Eingang in das „diverliculum“ als von der Weite eines Federkieles, das „di- verliculum“ selbst sei etwas weiter ($. 132 — 135). — Er findet in diesem Vorkommen die Ursache der Leistenbrüche beim weiblichen Geschlechte. Paletta (a. a. ©. S. 99.) fand bei einem $jährigen Mäd- chen an dem Leistenringe eine Oeffnung von einem processus vaginalis, in welchen er eine Sonde einführen konnte. Peter Camper versichert, ‚in verschiedenen Bejahrten, sowohl Männern als Weibern, solche Oeflnungen, die sich eben vor den Ringen der Bauchmuskeln endigten,“ gefunden zu haben (a. a. ©. II. Bd. 1. St. S. 56). Verschiedene Male fand er auch solche Oeffnungen in weiblichen Körpern; na- 367 mentlich solchen, welche er kurz, nachdem sie in den Wo- chen gewesen waren, öffnete (II. Bd. 1. St. S. 76). Wrisberg (Observaliones analomicae de testiculorum ex abdomine in serotum descensu. Gottingae 1779) untersuchte, durch Camper’s Beobachtungen angeregt, 200 weibliche Lei- chen, und fand bei neunzehn aus dieser Zahl, „in infma ab- dominis regione, quae annulo respondet, aperturas mox in uno mox in altero, ut plurimum in utroque latere, quae per ipsum annulum in cellulosum labiorum pudendorum canalem duce- bant, peritonaeo interius obductum et obtuso fine mox altius in inguine, mox profundius in labiis finitum, qui ligamentum uleri rotundum comprehendebat. — Diversam omnino depre- hendi horum canalium ampliludinem, mox enim tenuem modo stilum capiebant, mox crassiorem pennam, mox inlegrum am- pleeti digitum poterant.“ — Wrisberg fand dreimal bei Individuen des weiblichen Geschlechtes Leistenbrüche, deren Entstehung er dem Vorhandensein des genannten Canales Schuld giebt ($. 34. S. 56. 57.). Ohne Zweifel reiht sich hieran auch der bekannte Fall von Pott, in welchem beide Eierstöcke eines Mädchens als Inguinalbrüche in den grossen Schamlippen lagen. Dieser Fall bietet, wenn wirklich die processus vaginales Ursache des Austretens der Eierstöcke waren, noch ganz besonderes In- teresse wegen der alsdann vollständigen Parallele der Bildung dieser Brüche mit dem descensus testiculorum. Ich habe bis jetzt nur zwei weibliche Leichen in Bezug auf dieses Offenbleiben des processus vaginalis in späterem Alter untersuchen können. Bei der einen, welche die einer sehr alten Person war, fand ich keine Oeflnungen; aber bei der andern, von einer 37jährigen Person, fand ich auf der rechten Seite eine Oeflnung von der Weite eines Federkieles und von 6” Tiefe; ob auch auf der linken Seite eine solche Oeflnung war, liess sich wegen der Verletzung der Theile durch die vorhergegangene Sektion nicht mehr erkennen. 368 Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Processus vaginalis eines neugebornen weiblichen Hun- des; auf der linken Seite liegt er aulgeblasen neben dem runden Mutterbande; auf der rechten Seite ist er zusammengelallen; auf der- selben Seite ist die Bauchwand zurückgeschlagen und dadurch der Eingang in den processus vaginalis sichlbar gemacht; zugleich sind aber auch die inneren Geschlechtstheile und das runde Mutterband dieser Seite, so wie der mit Mekonium gelüllte Mastdarm und ‘der untere Theil der Niere aufgedeckt; die dünnen Därme sind entfernt. Fig. 2. Processus vaginalis und rundes Multerband eines fünf- monatlichen menschlichen Fötus. Die Haut ist zurückgeschlagen und die Bauchmuskeln sind um den Leistencanal herum bis auf die in- nerste Sehnenplatte wegpräparirt. Ueber die Gattung Gregarina; von J. Henxıe. Hierzu Taf. XII. Fig. 3—7. Aus v. Siebold’s Beiträgen zur Naturgeschichte der wirbel- losen Thiere (Danzig 1839. p. 56.) kennt man die, zu der von Leon Dufour aufgestellten Gattung Gregarina gehörigen Helminthen als eine Art äusserst einfacher und daher merk- würdiger Thiere. Sie sind im Allgemeinen cylindrisch, aber durch Einschnürungen zuweilen in eine Art von Kopf, Hals und Leib abgetheilt; sie haben mitunter, statt äusserer Organe, stachelförmige Fortsätze der Körperdecke; sie bestehen aus einer festen, glatten, überall geschlossenen Hülle, und einem milchweissen, feinkörnigen Inhalt, in welchem ein helles Bläs- chen verborgen ist, welches wiederum kleinere Bläschen in grösserer oder geringerer Zahl einschliesst; sonst keine Spur eines Eingeweides. Selbstständige Bewegungen äussern sich nur als Zusammenziehungen des ganzen Körpers, wodurch die eingeschlossenen Körnehen und Bläschen bald hier-, bald dort- bin gedrängt, hier und dort angesammelt werden. Häufig hängen sie zu 2 zusammen, in der Weise, dass der Kopf des einen Individuums an das hintere Ende des andern angedrückt ist; die Verbindung lässt sich immer ohne Mühe und ohne Verletzung der Thierchen lösen. Sie sind sehr klein, aber Miiller's Archiv. 1845, 24 370 durch ihre weisse Farbe so ausgezeichnet, dass sie selbst dem unbewaffneten Auge auffallen. Leon Dufour und v. Siebold kannten die Gregarinen nur als Bewohner des Verdauungscanals der Insekten. Nach einer so eben veröffentlichten Mittheilung Kölliker’s (in Schleiden und Nägeli, Zeitschr. 1845. Heft II. p. 97.) kommen Species derselben Helminthengattung bei Sipunculus, Terebella, Spio und Nemertes vor. Sie gewinnt demnach schon durch ihre Verbreitung an Interesse; dies Interesse aber steigert sich noch mehr durch die Deutung, welche Kölliker den einzelnen Theilen des Parasiten giebt. Er vergleicht seine Hülle der Zellenmembran, das eingeschlossene helle Bläschen dem Zellenkern mit seinen Kernchen, und betrachtet die Gre- garinen als einfachste, einzellige Thierorganismen, parallel den einzelligen Geschlechtern des Pflanzenreichs. Die bereits viel- seilig angefochtenen Behauptungen Ehrenberg’s, wodurch derselbe das alte Princip der vergleichenden Anatomie zu stür- zen und selbst den niedersten Thieren eine zusammengesetzte Organisalion zu vindiciren suchte, erhalten hierdurch einen neuen Stoss; zugleich hätten wir an den Gregarinen einen sichern Beweis für die Möglichkeit eines absolut selbstständi- gen Lebens einzelner Zellen; endlich einen Beweis für die Contractilität einfacher Zellenwandungen. Aus diesen Gründen müssen die genannten Parasiten bald eine besondere Wichtigkeit erlangen und deshalb stehe? ich nicht an, ein paar gelegentliche Erfahrungen über sie, so frag- mentarisch sie sind, an diesem Orte mitzutheilen, auf einen leicht zugänglichen Aufenthaltsort derselben aufmerksam zu machen, und einiges Neue über ihren innern Bau beizubrin- gen, welches durch fernere Beobachtungen erweitert oder be- richtigt werden wird. Als ich vom December 1836 bis Juni 1837, zum Behuf einer Arbeit über die Geschlechisorgane hermaphroditischer Thiere, die innern Genitalien des Regenwurms untersuchte, fand ich neben den zum Geschlechtsapparat gehörigen Ele- 371 menten eine so grosse Zahl sonderbarer parasitischer Gebilde, dass es mir der Mühe werth schien, eine specielle Fauna des Regenwurms zu entwerfen. Unter den damals gesammelten Notizen finde ich auch wiederholte Beschreibungen eines, lose in den sogenannten Eierstockblasen liegenden Körpers, dessen Bedeutung mir erst aus v. Siebold’s oben eitirtem Aufsatze klar wurde. Zuerst sah ich die Gregarina, die ich als eine von den bisher beschriebenen Arten leicht zu unterscheidende Species Gr. lumbriei nenne, als ein flaschenförmiges Körperchen von 0,4” Länge (Fig. 3.); der dickere Theil (b), abgerundet und kugelförmig, hatte bei einem der grössten Exemplare 0,185, der dünnere, halsartige (a) 0,092’ Durchmesser; das Ende des halsartigen Theils war etwas zugespitzt. Der dickere Theil trug einen Saum feiner Cilien (e), welche ich indess niemals in Bewegung sah. Die Länge der Cilien betrug bei dem genannten Exemplar 0,004; bei kleinern war die cilien- artige Einfassung zuweilen viel breiter, hier und da körnig aussehend. Der Körper erschien bei auffallendem Licht dun- kel, wegen einer eingeschlossenen Masse feiner, dunkelrandi- ger Körnchen von 0,002“ Durchm.; im Halse waren sie mehr zerstreut, die Spitze blieb frei, so dass die äussere Hülle hier verdickt zu sein schien. Die Körnchen waren in Aether un- löslich; sie verschwanden bei diesen und allen andern Grega- rinen des Regenwurms durch Behandlung mit verdünnter Salzsäure, gewöhnlich ohne, einmal mit Aufbrausen, bestanden also nicht aus Fett, worauf man aus dem Ansehen geschlossen haben würde, sondern wahrscheinlich aus einem Kalksalz. Auch die Wimpern waren nach Behandlung mit Salzsäure verschwunden, vielleicht durch Einschrumpfen. Von einem Nueleus habe ich hierbei vichts angemerkt. Später fand ich Gregarinen, von mehr eylindrischem Bau, wie in Fig. 4. und 5., paarweise zusammenhängend. Der Körper, welcher in der Ruhe fast einfach cylindrisch war, nahm durch Einschnürungen alle möglichen, wechselnden For- 24° 372 men an, trieb dabei die eingeschlossenen Körnchen auf und ab und verdrängle sie aus den zusammengezogenen Stellen gänzlich; mit den dunkeln Körnchen bewegte sich ein Haufe heller Bläschen (aa) auf- und abwärts; einen schmalen Saum heller Wimpern (bb) sah ich hier viel weniger deutlich und minder regelmässig, wie in der vorigen Beobachtung; mehr- mals vermisste ich ihn völlig, Wenn ich aber recht gesehen habe, so liegen diese Gregarinen nicht, wie die der Insekten, mit den entgegengeselzten, sondern mit den gleichnamigen Körperenden an einander. Die Verbindung scheint durch Auf- nahme einer Hervorragung des einen in eine Vertiefung des andern Individuums zu geschehen; die Trennung erfolgt auf leise Berührung und dann sind die Vorderenden beider Indi- viduen von einander nicht zu unterscheiden. In einem Regenwurm kaınen mir Gregarinen vor, welche nieht nur durch die Form, sondern auch durch die Art des Zusammenhangs von den eben beschriebenen wesentlich ab- wichen. Es waren längliche, an beiden Enden abgerundete Schläuche (Fig. 6.), von der Grösse der erwähnten Formen, welche paarweise, aber mit den Seitenflächen an einander ge- lagert waren; seltner hing an einem solchen Paar, und zwar an der Spitze, ein zweites Paar mittelst eines kurzen und dünnen Fadens an. Die Schläuche waren übrigens mit den- selben Körperchen gefüllt, wie andre Gregarinen, und ent- hielten jeder ein helles Bläschen, auf welchem ich einige un- regelmässige Kügelchen unterschied. Bewegungen fanden hier nicht Statt. Ich weiss nicht, ob ich eine eigene Art, oder eine niedere Entwicklungsstufe der gewöhnlichen Gregarina vor mir hatte. Mit den Gregarinen des Regenwurms scheinen die Navi- cellenbehälter, welche ich aus den Eierstockblasen des Regen- wurms beschrieb (s. dieses Archiv. 1835. p. 592.), in Verbin- dung zu stehen. Dafür spricht, dass v. Siebold ähnliche Blasen neben Gregarinen in dem Darm der Sciara nitidicollis entdeckte. Es kommen Uebergänge zwischen diesen Navicel- 373 lenbehältern und eiähnlichen Kugeln mit feinkörnigem, in 2 aneinanderliegenden Halbkugeln vertheiltem Inhalt vor, wie v. Siebold nachweist und H. Meckel (im Öten Heft des Jahrgangs 1844 dieses Archivs) bestätigt; so zwar, dass in dem Maasse, wie die Navicellen an Zalıl abnehmen, die fein- körnige Masse an Umfang zunimmt. Wenn aber v. Siebold die Navicellen aus der feinkörnigen Masse hervorgehen, Meckel umgekehrt die Navicellen in feinkörnige Masse sich umwan- deln lässt, so sind neue Untersuchungen nölhig, um uns über die Reihenfolge, in welcher die verschiedenen Formen auftre- ten, aufzuklären. Dass aber die Kugeln mit feinkörnigem In- halt, die früher sogenannten Eier mit doppeltem Dotter, Eier des Regenwurms seien, wie mil älteren Beobachtern Meckel annimmt, wird hiernach wieder unwahrscheinlich. Möglich, dass wir hier eins der in neuerer Zeit häufiger gewordenen Beispiele von beweglichen Keimschläuchen haben. Ich will nur noch bemerken, dass ich an den Blasen mit feinkörnigem, in 2, selten in 3 oder 4 Segmente getheilten Inhalt einen klei- nen Abschnitt der Oberfläche zuweilen mit einem feinen, kör- nig-filzigen Ueberzug versehen sah, welcher an die Cilien der oben beschriebenen Gregarina erinnerle; ferner dass die freien Navicellen, welche bei Lumbrieus ebensowohl, wie nach v. Siebold bei Sciara vorkommen, zu 2, 4, 8, reihenweis oder Kelchblättern ähnlich um einen Mittelpunkt, oder endlich, wie in Fig. 7. a, aufgereiht erscheinen, was auf Vermehrung durch Theilung, auch ausserhalb der Blasen zu deuten scheint. Durch Jiese Eigenschaft, so wie durch den körnigen, einem Kernähnlichen Inhalt, welcher niemals fehlt, schliessen sich unsere Navicel- lenbehälter an die von J. Müller in diesem Archiv (1842. 193.) beschriebenen parasitischen Bildungen an. Kölliker merkte bei Gr. Terebellae und Sipunculi je in einem Falle in einem Individuum zwei Kerne, bei Gr. Sipuneuli einmal 2 Tochterzellen in einem Mutterthier, die dasselbe gauz er- füllten und alle Körner desselben aufgenommen hatten; er traf nicht selten 2 Zellen mit abgeplaltelen Flächen aneinander- 374 hängend, als ob sie eben erst aus ihrer Mutterzelle frei ge- worden wären. Aus allem diesem schliesst er, es finde die Reproduktion der Gregarinen durch endogene Zellenbildung Statt, indem um 2 neu entstandene Kerne der ganze Zellen- inhalt sich in 2 Haufen sondere und mit neuen Membranen umgebe, worauf die Multerzelle sich auflöse. Dabei bleibt die Bedeutung der Navicellenbehälter uuerklärt. Noch einige andere Bedenken erheben sich bei dem ge- genwärtigen Stand unserer Kenntnisse gegen Kölliker’s sonst so ansprechende Ansicht: 1) hat das Bläschen, welches Kölliker als’Kern ansieht, öfters einen, von den gewöhnlichen Zellenkernen sehr abwei- chenden Inhalt. v. Siebold fand statt des kleinen, einge- schlossenen Bläschens (Kernkörperchen) bei grösseren Grega- rinen mehrere, entweder in dem grösseren Bläschen zerstreut oder zu einer wurmförmig gewundenen Schnur aneinander- gereiht; 2) fehlt nach v. Siebold das helle Bläschen (Kern) in den kleinsten Gregarinen, müsste also, wenn das ganze Thier eine Zelle ist, sich erst nachträglich in der letztern bilden; 3) endlich und in Beziehung auf die Folgerungen für die vergleichende Anatomie, welche Kölliker auf seine Ansicht gründet, bleibt es noch zweifelhaft, ob die Gregarina für eio entwickeltes Thier zu halten sei, ob sie nicht vielmehr, wie ich schon andeulete, einem thierischen oder gar einem pflanz- lichen Keim entspreche. Ihr Verhältniss zu den Navicellen verleiht der letztern Vermulhung einen Grad von Wahrschein- lichkeit; die Bewegungen dürften, wenn man sich der Vor- gänge in der Entwicklung mancher niederen Vegetabilien er- innert, nicht als Gegengrund geltend gemacht werden. w Ueber den Bau des elektrischen Organes bei dem Zitterwels, Malapterurus electricus Lacep.; von Dr. Wieueım Peters. (Aus brieflicher Mittheilung.) Hierzu Tafel XII. Figuren 8— 11. KR Der Zitterwels, zugleich vom Nil und Senegal bekannt, ist in den Flüssen und grossen Sümpfen dieser Küste nicht selten, und hier io Quellimane unter dem Volksnamen Schinjehse wohl bekannt, Sein Fleisch ist als ein wohlschmeckendes Ge- richt sehr geschätzt. Mit vielem Vergnügen empfand ich die elektrischen Schläge von zwei Exemplaren, welche mir auf meine Bitte aus dem Licuarefluss, der sich vier Stunden von hier in den Quellimanefluss ergiesst, gebracht wurden. Dieser Fisch ist ohne Zweifel identisch mit der im Nil vorkommenden Species, wenigstens stimmt er durch die nach vora aufgetriebene Körperform, die Gestalt der Flossen, die Zalıl der Kiemenstrahlen (7) und Bartfäden (6), den Zahnbau und die von Ihnen beobachtete eigenthümliche Bildung des Schwimmblasenapparats damit überein. Die Grundfarbe ist bläu- lichgrau mit zerstreuten dunkeln Flecken, die Unterseite des Körpers weiss und die Flossen mit schmalem rothen Saume versehen. 376 Was meine Untersachungen über die elektrischen Organe dieses Fisches betrifft, so stimmen sie hinsichtlich des feinern Bau’s mit Rudolphi’s und Ihren Angaben überein. Dagegen weichen sie hinsichtlich der allgemeinen Conformation in so- fern sehr davon ab, als ich an frischen Thieren nicht ein dop- peltes seitliches, sondern nur ein einziges über den geeammten Körper sich ausdehnendes elektrisches Organ beobachten kann. Von aussen nach innen zu gehend trifft man zuerst auf das schuppenlose Corium mit seiner Epidermis (Fig. 8. c), darauf trifft man auf eine starke sehnige, aus sich kreuzenden Fäden gebildete Fascia (Fig. 8. ft), an die sich die fingerdicke Schicht des elektrischen Organs (Fig. 8. e) eben so fest nach aussen hin anhefet, wie sie nach innen zu an eine zweite, der ersten ganz ähnlich construirte Fascia (Fig. 8. f?) befestigt ist. Unter dieser zweiten Fascia liegt ein laxes Zellgewebe (Fig. 8. z), welches durchaus nichts mit dem elektrischen Organ gemein hat, sondern den eigenthümlichen Bau des Zellgewebes und Bindegewebes zeigt. Es dient vielleicht dazu, die darauf fol- gende Muskelschicht (Fig. 8. m) so von dem steifen elek- trischen Organ zu trennen, dass die Bewegung der Mus- keln durch eine zu feste Verbindung mit dem letztern nicht gehindert werde. Als Isolator wenigstens kann man es sich nicht wohl denken, da es eine feuchte animalische Sub- stanz ist. Das elektrische Organ erstreckt sich, wie schon erwähnt, zwischen beiden Fascien über den ganzen Körper, hat am Bauch seine grösste Dicke und hat, mit blossen Augen be- trachtet, ein faserig-zelliges Ansehen (Fig. 8.). Diese Zellen erscheinen, wenn man sie in situ mit der Loupe betrachtet, rhomboidal (Fig. 9.), und schneidet man ein Stückchen be- sonders heraus, so findet man bald rhomboidale, bald mehr- seilige (Fig. 10.) Zellen. Zuweilen schien mir, als wenn diese Zellen (von aussen nach innen gehend) eine Art Perlenschnur bildeten (Fig. 11.). Doch liess sich dies nicht constant dar- stellen. Bei der Untersuchung mit dem zusammengetzten Mi- 377 kroskop besteht das elektrische Organ, das gallertartig durch- scheinend und von speckarliger Consistenz ist, aus einer äus- serst feinen Haut, die sich leicht in feine Fältchen legt, welche man nicht mit Fasern verwechseln darf, und zweitens aus runden mikroskopischen Körperchen, welche eine gallertar- lige Masse zusammensetzen. Von 6 Häuten, welche nach Herrn Valenciennes Untersuchungen unter der Fascia das elektrische Organ beim Zitterwels zusammensetzen sollen, habe ich nichts Analoges finden können. Quellimane, 31. Mai 1844. Beiträge zur Strukturlehre der Niere; von Dr. JosepH GERLACH, prakt. Arzte in Mainz. (Ein in der Gesellschaft deutscher Aerzte in Paris gehaltener Vortrag. ) Hierzu Tafel XII. Figuren 12 — 15. Eine Drüse, deren Struktur in neuerer Zeit mit vielem Er- folge studirt wurde, ist die Niere, und es schienen nach der Veröffentlichung der Bowman’schen Untersuchungen die hi- stologischen Verhältnisse dieses Eingeweides in einer Weise erforscht, dass Arbeiten, in dieser Richtung unternommen, we- nig Ausbeute mehr versprachen. Allein derjenige Punkt. um welchen sich in der Bow- man’schen Arbeit die Hauptsache drebt, nämlich der Zusam- menhang zwischen der von Müller entdeckten Kapsel der Malpighischen Körper und den Harncanälchen, wurde von sehr geübten Beobachtern, wie von Reichert, gänzlich in Abrede gestellt. (Bericht über die Fortschritte der mikroskopischen Anatomie in dem Jahre 1842, von Reichert, Prof. in Dor- pat, io Müller’s Archiv, Jahrg. 1843.) Reichert ist es nie gelungen, an frischen Nieren so feine Durchschnitte zu machen, dass man an denselben einen Ueber- gang von Harncanälchen in die Kapsel hätte beobachten kön- 379 nen; eben so wenig konnte er zu diesem Ziele gelangen, in- dem er unter der Loupe die Kapsel so viel wie möglich zu isoliren suchte. Reichert versichert, keine Mühe gescheut zu haben, unı diesen Zusammenhang nachzuweisen, und es muss- ten somit Bowman’s Resultate im Allgemeinen, besonders aber für jene, welche Reichert’s Gewandtheit in Darstel- lung mikroskopischer Objekte kennen, ziemlich zweifelhaft wer- den. Auch Huschke spricht sich gänzlich gegen Bowman aus. (J. Th. v. Sömmering, vom Baue des menschlichen Körpers, die Lehre von den Eingeweiden, umgearbeitet von Huschke. Leipzig 1844.) Ebenso Ludwig in seinen Beiträ- gen zur Lehre vom Mechanismus der Harnsekretion. Mar- burg 1843. Die Einsprüche dieser drei Forscher erscheinen um so ge- wichtiger, da denselben selbstständige Untersuchungen zu Grunde liegen. Auf der andern Seite fand die Bowman’sche Ansicht eine gewichlige Stütze durch den Bau der Nieren bei den My- xinoiden (J. Müller’s vergleichende Anatomie der Myxinoiden, dritte Fortsetzung 1841). Bei diesen Thieren, welche wohl den einfachsten Typus der'Nierenstruktur haben, ist dieser Zu- sammenhang ausser allem Zweifel. Es sehien mir daher an der Zeit, diesen Gegenstand einer neuen Prüfung zu unterwerfen. Ich fing mit der Untersuchung frischer Nieren verschiedener Säugethiere und des Menschen an. Hierbei erging es mir ganz wie Reichert; ich konnte weder mit möglichst feinen Durebschnitten, noch mit Isolirung der Kapsel unter der Loupe zu einem sicheren Schluss über den Zusammenhang der Harncanälchen mit der Kapsel gelan- gen. Man sieht wohl häufig etwas, was man für einen Zu- sammenhang beider Theile halten könnte, da selbst bei der feinsten Präparation die Kapsel von umschlungenen Harncanäl- chen immer mehr oder weniger umgeben bleibt; man kann dann leicht, namentlich wenn man das Objekt mit einem Deck- gläschen bedeckt, ein an die Kapsel gehendes und unter der- selben fortlaufendes Harneanälchen für zusammenhängend mil 380 der Kapsel ansehen. Ich glaubte leichter zu meinem Zwecke zu gelangen durch Injektion der Nierenarterie, wobei sich sehr leicht schon mit der gewöhnlichen Injektionsmasse die Malpi- ghischen Wundernetze füllen; es wird hierdurch allerdings die Präparation der die Malpighischen Wundernetze umgebenden Kapseln etwas erleichtert; allein auch auf diese Weise konnte ich nicht zur Gewissheit gelangen. Ich versuchte daher die Injektion der Harncanälchen selbst durch den Ureter. Huschke glaubt nicht, dass man von dem Ureter aus die Harncanälchen iojieiren könne, und dieses hat für die gewöhnliche, aus Wachs, Terpentinöl und Zinnober bestehende Injektionsmasse seine voll- kommene Richtigkeit. Diese dringt nicht weiter, als in das Nierenbecken, welches bei stärkerem Drucke berstet, ohne in die Harncanälchen zu gelangen. Sehr gut jedoch gelang mir die Injektion der durch Auspumpen so viel wie möglich luft- leer gemachten Harncanälchen vermittelst anderer Injektions- massen. Diejenige Masse, welche sich mir nach vielen Versuchen als die beste erwies, besteht aus einer ‘nicht zu sehr gesättig- ten Auflösung von Gelatine, welcher man als Färbungsmittel sehr fein zerriebenen Karmin beisetzt; noch einfacher und zeit- ersparender erhält man die Injektionsmasse dadurch, dass man sieh zwei Solutionen von Ge£laline bereitet und in der einen doppelt chromsaures Kali, in der anderen essigsaures Blei in gehöriger Menge auflöst. Man bringt dann beide Lösungen zu- sammen und hat nun an dem gelben Niederschlage einen Far- bestoff, der sehr fein ist, da die Gegenwart der Gelatine als trennendes Medium bewirkt, dass der Niederschlag möglichst zertheilt wird. Diese Masse hat den grossen Vortheil, dass sie ausserordentlich dünnflüssig ist, selbst bei nicht sehr hoher Temperatur, und dass sie ziemliche Zeit zur Erstarrung braucht, welcher letztere Umstand sie vorzüglich zur Injektion von Drüsenausführungsgängen eignet, da das Gelingen solcher In- jektionen grossentheils von der vorsichtigen und namentlich langsamen Weise, wie man dieselben verrichtet, abhängt. 381 Zu meinen Versuchen wählte ich die Nieren von Schafen, da die Harncanälchen derselben ziemlich weit sind, und man die Nieren immer ganz frisch, wie es zu solchen Versu- chen. durchaus erforderlich ist, und in ziemlicher Menge ha- ben kann. Nach mehreren fruchtlosen Versuchen gelang es mir end- lich, vom Ureter aus nicht nur die Harncanälchen, sondern auch die Kapsel mit Injeklionsmasse zu füllen. Es war somit die Frage über den Zusammenhang der Harncanälchen mit der Kapsel auf dem einzig möglichen Wege der Entscheidung, dem der Injektion, bejahend beantwortet. Bei der genauen Unter- suchung injieirter Kapseln ergab sich mir ein von Bowman’s Angabe etwas abweichendes Resultat. Bowman glaubt näm- licb, dass das Harncanälchen mit der Kapsel blind endige. Dieses ist aber durchaus nicht der Fall, wie ich mich durch wiederholte Untersuchung injieirter Kapseln überzeugt habe. Die Harncanälchen endigen sich nämlich nicht bliod, sondern bilden Schlingen, und das, was man für blinde Eudigungen der Harncanälchen ausgegeben hat, sind nichts als die Kapseln, welche vermittelst eines kurzen Halses, der unbedeutend dün- ner, als das Harncanälchen selbst ist, mit demselben zusam- menrhängen. Die Kapsel ist demnach durchaus keine blinde Endigung eines Harneanälchens, sondern nur eine Ausstülpung, ein Diverlikel derselben strukturlosen Membran, welche das Harncanälchen bildet. (Vergl. Fig. 12., welche eine Kapel mit dem Halse und Harncanälchen isolict, und Fig. 13., welche das Verhältniss der Kapsel zu den Harncanälchen und die schlin- genförmigen Umbiegungen der letzteren darstellt. Eine andere Frage in der Strukturlehre der Nieren ist das Verhalten der Malpighischen Körper zu den Kapseln. Es ist bekannt, dass die Malpighischen Körper Wundernetze von End- äslen der Nierenarterie sind; ein solcher Endast theilt sich, bildet Verästelungen, die gewunden verlaufen und sich wieder zu einem Gefässe vereinigen. Es findet sich also bei jedem Malpighischen Wundernetze ein zu- und abführendes Gefäss; 382 ich glaube nicht, dass es mehrere abführende Gefässe giebt, wie Einzelne behaupten; wenigstens sprechen meine Injektionen von Schafnieren, wo die Malpighischen Wundernetze von der Nierenarterie aus sehr leicht zu injieiren sind, dagegen. (Fig..14.) Bowman giebt an, dass sowohl das zu- als abführende Gefäss die Kapsel durchbohre und zwar an derjenigen Stelle, welche der Einmündung des Harncanälchens in die Kapsel ge- genüberliege, und dass alsdann das Malpighische Wunderneiz, an den beiden Punkten aufgehängt, frei in die Kapsel hinein- rage. Diese Angaben Bowman’s von der Durchbohrung der Kapsel muss vollkommen richtig sein, da die Malpighischen Wundernetze wirklich in der Kapsel liegen und zu- und ab- führende Gefässe haben, welche nolhwendig, um zu den Wun- dernetzen zu gelangen, die Kapselwand durchbohren müssen. Man kann sich davon auch überzeugen, wenn man von der Arterie aus injieirte Nieren untersucht und unter der Loupe die Kapsel etwas isolirt hat, was ziemlich schwierig ist, da man mit den Nadeln leicht die Kapsel oder die zu- und ab- führenden Gefässe zerreisst. Man muss jedoch das Objekt ohne Deckglas betrachten, was überhaupt bei allen Untersuchungen über die Kapsel nölhig ist: denn dieselbe ist eine runde Blase; durch die Bedeckung mit einem Deckglas wird also ihre Form verändert, sie wird zusammengedrückt, und ihr Verhältniss so- wohl zu den Harncanälchen, wie zu den zu- und abführenden Gefässen für das untersuchende Auge unkenntlich. Ein ganz direkter Beweis, die Injektion der Kapseln von dem Ureter aus und die der Malpighischen Wundernetze von der Nieren- arterie aus mit verschieden gefärbten Injektionsmassen scheint fast unmöglich zu sein; wenigstens ist mir eine solche Injek- tion, trotz wiederholter Versuche, nie gelungen. Denn ist es schon sehr schwierig, eine Kapsel zu injieiren, wenn die Mal- pigbischen Wundernetze nicht gefüllt sind, so ist eine Injektion der Kapsel vom Ureter aus gerade zu unmöglich, wenn ihr Raum durch das injieirte Malpighische Wundernetz fast gänz- lich ausgefüllt ist. Will man zuerst die Kapsel vom Harnleiter 383 aus injieiren und dann erst die Malpighischen Wundernelze durch die Arterie, so ist durch die in der Kapsel befind- liche Injektionsmasse das Malpighische Wundernetz zusammen- gedrückt, und man erhält, wenn man dessen Injektion von der Arlerie aus foreirt, eine Zerreissung der Kapsel. Cayla be- obachtete zwar, dass verschieden gefärbte Injektionsmassen durch Ureter und Nierenarterie eingespritzt in netzförmigen Canälen sich einander begegneten; allein meine eignen Ver- suche, so wie die oben angeführten Thatsachen, machen mir es mit Henle (Allgemeine Anatomie, netzförmige Drüsen) sehr wahrscheiolich, dass Cayla Präparate vor sich hatte, in wel- chen Zerreissung Stalt gefunden hatte. Bezüglich des Ortes, an welchem die Kapsel von dem ein- und austretenden Gefässe durchbohrt wird, scheiot mir Bowman etwas zu ausschliessend gewesen zu sein, wenn er annimmt, dass derselbe sich immer der Einmündungsstelle des Harncanälchens in die Kapsel gegenüber befinde Fig. 12., welche eine zerrissene Kapsel darstellt, an welcher das Mal- pigbische Wundernetz, das zu- und abführende Gefäss, so wie der zwischen beiden Gefässen liegende Kapseltheil fehlt, be- weist durelı die Richtung des Risses deutlich, dass der Ort, an welchem das zu- und abführende Gefäss die Kapsel durch- bohrt, nicht immer der Communicalionsstelle zwischen Harn- eanälchen und Kapsel direkt gegenüberliege. So viel ist jeden- falls sicher, dass die beiden Punkte, an welchen die Kapsel durehbohrt wird, dicht neben einander liegen, wie Fig. 14. augenscheinlich beweist. Derjenige Punkt, welcher von Reichert, wie Huschke in der Bowman’schen Arbeit am heftigsten bekämpft wird, ist das freie Hineinragen der Malpigbischen Wundernetze in die Höhle der Kapsel; und mit Recht machen beide darauf auf- merksam, dass einer solchen Annahme unsere bisherigen Er- fahrungen über die 'Geselze der histologischen Organisation gänzlich entgegenstehen; deon es ist bis jelzt kein einziges Faktum bekannt, dass Gefüsse unmittelbar in dem Raume einer 384 secernirenden Fläche liegen. In der That ist die Vorstellung Bowman’s, dass das Wasser des Urins aus dem in den Mal- pigbischen Wundernetzen fliessenden Blute allein durch ein- fache Transudation, und die eigenthümlichen Bestandtheile des Harns durch Zellen an der Innenfläche der Harncanälchen ausge- schieden werden, jedenfalls sehr gewagt, und es spricht für dieselbe keine einzige Thatsache. Im Gegentheil beweisen alle Unter- suchungen über Drüsen, dass beim Akte der Sekretion Zellen das wesentliche Element sind; und wir können uns überhaupt nach dem jelzigen Standpunkt der Wissenschaft Sekretion ohne Zellen nicht denken. Untersucht man aber auch ein Malpighisches Wundernetz näher, nachdem davon die Kapsel gänzlich isolirt ist, so sieht man dasselbe in seiner ganzen Ausdehnung bedeckt von einer dichten Lage kernhaltiger Zellen (Fig. 15.). Diese Zellen setzen sich von der inneren Wand der Kapsel auf das Malpighische Wundernetz fort und letzteres liegt in einer Zellenlage einge- stülpt ähnlich, wie der Darm im Peritoneum. Wir haben also an den Malpighischen Wundernetzen das wesentliche Element der Sckretion, in welchen das Blut jene chemischen Verände- rungen erleidet, welche die melabolische Kraft der Drüsenzellen dem Sekrete verleiht. Die Sekretion in den Malpighischen Wundernetzen weicht daher von der gewöhnlichen nur in so- fern ab, als zwischen Gefässen und secernirenden Zellen keine strukturlose Membran liegt. Diese strukturlose Membran, welche jedenfalls nur eine einfache Transudation vermitleln kann, wird aber im Allgemeinen als keine noihwendige Bedingung beim Akte der Sekretion angesehen, während wir die beim Akte der Sekretion jedenfalls nöthige Bedingung, die Gegenwart von Zellen, nachgewiesen haben, und wovon sich Jeder durch Un- tersuchung Malpighischer Wundernetze bei Fröschen leicht überzeugen kann. Damit scheint mir der Einwand von Reichert und Huschke bezüglich der Gesetze der histologischen Organisa- tion beseitigt zu sein. 385 Ein anderer Punkt in der Strukturlehre der Nieren ist das Vorkommeif von Flimmerbewegung. welche Bowman zu- erst an der Uebergangsstelle der Harncanälchen in die Kapseln entdeckt hat. Nach Bowman eollen innerhalb der Kapsel die Zellen ihre Wimpern verlieren und eniweder als sehr zarte Schicht die Innenwand der Kapsel überziehen, oder schon am ersten Drittheile der Kapsel gänzlich aufhören, so dass dann der grössere Theil der inneren Kapselfläche ohne Zellenschicht bliebe. Huschke und Reichert haben die Flimmerbewegung an der von Bowman angegebenen Stelle nicht finden können; Reichert läugnet sogar eine Zellenschicht auf der inneren Fläche der Kapsel. Dagegen hat sich Bischoff von der Ge- genwart des Flimmerepitheliums an Froschnieren überzeugt (Dieses Archiv 1843, Fortschritlle der Plıysiologie im Jahre 1542, bearbeitet von Bischoff), ebenso Valentin (Reper- torium Bd. VII. Abtheil. 1... Valeotin beobachtete nicht nur an der von Bowman angegebenen Stelle die Flimmer- bewegung, sondern auch innerhalb der Kapsel selbst. Die- selbe Beobachlung machte Pappenheim, einer mündlichen Mittheilang zufolge. Meine eigenen Beobachtungen lehren mich Folgendes über diesen Punkt: Bei Säugethieren war es mir nie möglich, selbst wenn ich die Niere ganz frisch untersuchte, Flimmerbewegung weder am Halse, noch in der Kapsel selbst aufzufinden; dagegen fand ich jedesmal die innere Kapselwand mit einer selır zarten Zellenschicht bedeckt, welche man sehr deutlich am Rande der Kapsel beobachten kann, Zwischen diesen, die innere Kapselwand auskleidenden Zellen und den- jenigen, welche das Malpighische Wundernelz bedecken, findet man in der Regel einen kleinen Zwischenraum. Bei der Untersuchung von frischen Froschnieren dagegen überzeugle ich mich alsbald von der Gegenwart von Flimmer- bewegung und zwar nicht nur am Halse, söndern auf der ganzen inneren Fläche der Kapsel. Es ist mir sehr wahr- seheinlich, dass die Flimmerbewegung in den Nierenkapseln der Frösche keine vereinzelte Erscheinung, sondern allgemein Müllor’s Arebir. 1615. 25 386 im Thierreich verbreitet ist; in den höheren Thieren sind die Flimmern wahrscheinlich nur sehr zart und eniziehen sich da- her leichter der Untersuchung. Der Zweck dieser Flimmerbe- wegung liegt sehr nahe; es wird nämlich durch die Aklion der Wimpern das Sekret aus den Kapseln rascher in die Harn- canälchen geleitet und hierdurch indirekt der Blutlauf in den Nieren beschleunigt. Erklärung der Abbildungen. Fig. 12. Eine an der linken Seite zerrissene Kapsel mit Gela- tine und Karmin von dem Ureter aus injieirt. Das Malpighische Wunderneiz ist entlernt und die Stelle des Eintritts des zu- und ab- führenden Gefässes durch einen Riss bezeichnet. aa Harncanälchen, b Riss in der Kapsel, bei 110maliger Vergrösserung. Fig. 13. Harncanälchen mit G&laline und chromsaurem Blei in- jieirt; stellt die Windungen der Harncanälchen in der Rindensubstanz und das Verhalten derselben zu der Kapsel dar. (Dieselbe Ver- grösserung.) Fig. 14. Malpighische Wundernetze durch die Nierenarterie mit gewöhnlicher rother Masse injieirt, zeigt deutlich, dass das zu- und abführende Geliss neben einander liegen; bei auffallendem Lichte ge- zeichnet. Vergrössererung 20. Fig. 45. Malpighisches Wundernetz des Frosches, gänzlich von der Kapsel isolirt und mit kernhaltigen Zellen bedeckt. Vergrösse- rung 250. Schliesslich sei es mir noch erlaubt, meinem Freunde Herrn Dr. Hölder aus Stultgard für die Bereitwilligkeit zu danken, mit welcher derselbe beiliegende Figuren nach von mir angefertigten Präparaten getreu nach der Nalur gezeich- net hat. Analomische Untersuchungen über die sogenannten leuchtenden Augen bei den Wirbelthieren; von Ernst Brücke. Hierzu Taf. XII. Fig. 16. Als ich Herrn Geheimrath J. Müller meine Abhandlung über die physiologische Bedeutung der stabförmigen Körper und Jer Zwillingszapfen in den Augen der Wirbelthiere mittheilte, for- derte mich derselbe auf, die leuchtenden Thieraugen und das Tapetum derselben einer erneuten Untersuchung zu unter- werfen: In vorliegendem Aufsatze sind die Resultate mei- ner Bemühungen enthalten. Physiologische Vorbemerkungen. Die physiologischen Untersuchungen über die leuchtenden Augen haben von vorn herein eine falsche Richtung genom- men und dieselbe bis in die neueste Zeit beibehalten; der Blick der Forscher ist auf das Unwesentliche gerichtet gewe- sen und hat das Wesentliche ausser Acht gelassen. Indem man sich fortwährend abmühte, zu erklären, wie es zu- gehe, dass für uns diese Augen leuchtend sind, glaubte man das ganze Problem in die Fıage zusammengefasst: Ist das Licht der leuchtenden Augen ein ihnen eigenthümliches, von ihnen erzeugtes, oder ist es ein von anssen in sie hineinge- 25° 388 kommenes reflektirtes Lieht? Man vergass, dass die endliche Frage, welche sich der denkende Naturforscher zu stellen habe, dahin Jlaulen müsse, ob und inwiefern dieses Lieht den Au- gen, welche es besitzen, selber leuchten könne? Dass dieje- nigen, welche das Leuchten der Augen einer Lielitentwicklung in denselben zuschrieben, hierüber nie ins Klare konımen konn- ten, bedarf kaum einer Erwähnung; aber auch diejenigen, welche richlig erkannt hatten, dass das Licht nur reflektirtes sei, hatten, ehe sie sich an die Lösung obiger Früge machen konnten, die andere zu beanlworlen, warum jenes Licht das deutliche Sehen nieht vielmehr slöre, ja gänzlich unmöglich mache. Ich glaube beide Fragen in meiner oben erwähnten Abhandlung (Müll. Arch. 1844) hinreichend bündig erledigt zu haben. Ich habe gezeigt, wie in der That ein Thier, wel- ches ein Tapelum besitzt, da noch deutlich sehen kann, wo ein anderes Thier mit gleicher Reizbarkeit der Nerven- haut, aber ohne Tapetum, sich schon. im Dunkeln befin- det. ‘ Demgemäss liegt auch das Tapetum hinter den. Stel- len der Relina, welche am meisten zum Sehen gebraucht werden, denn wenn es nicht über den ganzen Grund des Au- ges verbreitet ist, wie bei der Mehrzahl der mit einem Tapet versehenen Wassersäugethiere und Fische, so nimmt es ent- weder den oberen Theil der Choroidea ein, wie bei den reis- senden Thieren, oder es steht in Foım eines SIreifens der länglichen Pupille gegenüber, wie bei Raja balis, oder endlich dieser Streifen erweitert sich nach aussen hinter den Theilen der Netzhaut, welche‘ dem gemeinsamen Sehfelde beider Au- gen entsprechen, in 'eine grössere Fläche, wie bei den. Wie- derkäuern. Es ist hiermit aber keinesweges gesagt, dass alle Thiere, welche ein Tapet besitzen, blosse Nachlihiere sind, denn diesem widerspricht. die Erfahrung; die meisten dieser Thiere können ihre Pupille ausserordentlich verengern und sehen deshalb auch bei Tage vollkommen gut. Menschen mit leukotischen Augen sehen freilich immer schlecht, und zwar um so schlechter, je heller es ist, aber ihre Augen lassen sich : 389 keinesweges mit den lapelirten vergleichen, denn bei ihnen bildet erstens .die Iris eine sehr unvollkommene Blendung, weil sie durchscheinend ist, zweitens wird das Licht, das, aus den stabförmigen Körpern kommend, zum zweiten Male die Nervenhaut passirt ist. von der hintern.pigmentlosen Ober- Näche der Iris und des Ciliarkörpers und zwar diffus rellek- tirt, und muss jetzt, da es völlig ungeordnet wieder auf die Nervenlhaut fällt, das deulliche Sehen nalürlich stören. Die tapelirlen Augen dagegen habru immer von der ora serrala relinae an dichtes schwarzes Pigmenl, welches die hintere Oberfläche des corpus ciliare überzieht; imgleichen ist die hin- tere Fläche der Iris immer pigmenlirt, so dass kein ungeordnetes Licht auf die Nervenhaut gelangen kann. Ebenso wenig ist es nolhwendiz, dass alle Nachtthiere ein Tapet haben, denn es kann ja Thiere geben, deren Nervenhaut so reizbar ist, dass sie schon von einmaligem Wurchgange des Lichtes so stark affieirt wird, wie die eines anderen durch doppelten; solche Thiere müssen z. B. die Tarsius und Slenops sein, die nach dem Berichte der Reisenden das Licht scheuen und. Nachts gut sehen, obgleich sie kein Tapet haben. Es bleibt mir nur noch übrig, einen Puukl zu erörtern, welcher bei oberflächlicher Belrachtung eine Schwierigkeit darbielen möchle. Es ist nämlich klar, dass das Licht, wel- ches vom Tapetum zurückkomml, in jedem einzelnen stabför- migen Körper wicht mehr dieselbe Farbe, wie das in densel- ben eingefallene hat, . sondern die Farbe der entsprechenden Stelle des Tapeluns milbringt; dies kann das deulliche Sehen nicht beeinträchtigen, so lange die Tapetalfürben für devuselben Ort constant sind, ebenso wenig wie das Adergeflecht der Nervenhaut unser Sehen stört. Es ist aber bekannt, dass die Augen mancher Thiere, namentlich die der Hunde, abwech- selod mit rollier und grüner Farbe leuchten, es muss deshalb entschieden werden, ob dieser Farbenwechsel von einer Far- benveränderung des Tapelums herrühre oder nicht. Esser eagt in seiner vorlrefllichen Abhandlung ‚über das Leuchten 390 der Augen bei Thieren und Menschen (Kastner’s Archiv für die gesammte Naturlehre Bd. VII. p. 399.): „Was die ver- schiedene Farbe des Lichtes bei dem Leuchten der Hundsau- gen betrifft, so hat dieses seinen Grund in der verschiedenen Färbung der Stelle, wo an der Choroidea das Pigment fehlt, wie mir analomische Untersuchungen des Auges dieser Thiere gezeigt haben, und es mag daher die verschiedene Farbe des Leuchtens eines und desselben Auges doch mehr in der Be- wegung dieses Theils. wo sich dann die Lichtstrahlen auf ver- schieden gefärbten Parlieen der Gefässhaut spiegeln, als in der Quanlität der einfallenden Liehtstrahlen bedingt sein.“ Has- senslein (De luce ex quorundam animalium oculis prodeunte et de tapelo lucido. Jenae 1836) leitet die rolhe Farbe von einem plötzlichen Zuströmen des Blules zum Tapelum ab. Um über diesen Punkt ins Klare zu kommen, untersuchte ich zuerst, inwiefern die Farbe des refleklirten Lichtes von der des einfallenden abbängig sei, fand aber bald, indem ich von verschiedenfarbigen Körpern, z. B. rolhem oder blauem Papier. reflektirtes Licht oder solches, das durch farbige Gläser ge- gangen war, in die Augen fallen liess, dass ich auf diesem Wege wolıl eine Modifiealion in der Farbe des Augenliclhtes hervorbringen könne, aber niemals den auffallenden Wechsel, wie er so häufig beobachtet wird. Ich ging nun wieder zu Versuchen über, bei denen ich das Licht einer Kerze olıne weileres in das Auge des Tbiers fallen liess, und welche ich in der Regel folgendermaassen anstellte: Ich nahm in die eine Hand eine brennende Kerze, von der das einzige Licht aus- ging, welches das Zimmer erhellte, in die andere einen kleinen undurchsiehligen Schirm von Pappe oder llolz, und richtete, indem ich das eine Auge schloss, mich so gegen das in einem Winkel des Zimmers gelagerle Thier, dass der Kopf desselben in der Sehaxe meines oflenen Auges lag, der Schirm aber und die Kerzenflamme unmittelbar neben derselben, und zwar so, dass erslerer meinem Auge die letztere verdeckte. Wenn ich nun in dieser Weise Hunde beobachtete, bemerkle ich, 39 dass ihre Augen fast fortwährend leuchtelen, wenn ihr Blick nicht zu weit von der Richtung, in welcher ich mich befand, abgewendet war. Die Farbe wechselte zwischen dunkelroth- braun, brennendem Rotlı, Blau, Grün, Hellgelb bis zum Weiss, und bei einigen Hunden auch schwach Violet. Häufig konnte ich bei dem Farbenwechsel deutlich eine Bewegung des Auges wahrnehmen, häufig aber erfolgte derselbe auch, olne dass dieses möglich war. Bisweilen salı ich, während das Auge hellgelblich leuchlete, bei einer kleinen Bewegung desselben einen brennend rolhen Schein über die Pupille hingleiten. Um der Ursache dieses Farbenwechsels näher auf die Spur zu kommen, tödtete ich einen Hund, schnitt ihm den Kopf ab und beobachtete denselben wie vorhin das lebende Thier. Das Grün, Gelb und Blau war noch vorhanden, aber die rothe Farbe war bis auf einen ganz schwachen Schimmer, der sich beim Hin- und Herbewegen des Lichtes und meines Auges dann und wann zeigte, verschwunden. Ich schnitt nun ein Auge aus und brachte es unter Wasser, um durch die Pu- pille in dasselbe bineinsehen zu können. Ich sah das Tapetum in seinem vollen Farbenglanze in der Mitte schön hellgelb, weiter nach dem Rande grün und ganz am Rande blau, und auf demselben die stärkeren Venen der Nervenhaut, welche aber nicht mehr intensiv, sondern dunkelbraunroih gefärbt waren, der übrige Theil des Auges war dunkel, so dass ich in ibm nichts Näheres unterscheiden konnte. Nun suchte ich einen Hund von einer Schenkelwunde aus mit Wurari mög- lichst langsam zu vergiften; der erste Versuch misslang, beim zweiten aber fing das Thier nach zehn Minuten an zu lau- meln und konnte sich nicht mehr auf deon Füssen erhalten, so dass es die Schnauze als fünften Stützpunkt zu Hülfe nahm; bald darauf fiel es, legte den Kopf auf die Seite und schien dem Sterben nahe. In diesem Zustande nun, da das Thier die Gewalt über seine Muskeln fast gänzlich verloren halte, brachte ich es unter Wasser, um in die Augen hinein- zuschen. Obgleich dieses nun, da das T'hier noch häufig Be- 392 wegungsversuche machte, sehr unvollkommen gelang, so sah ich doch, dass das Tapetum, obgleich die äusseren Theile der Augen schr stark mit Blut injieirt waren, nicht geröthet war, sondern seine nalürliche Farbe halte, der Grund des Auges aber, da, wo kein Tapelum war, erschien gerölhet. Ich töd- tete das Thier und spritzte den Kopf desselben mit Leimwas- ser und Zinnober aus. Als ich nun ein Auge ausschnilt und es unler Wasser brachte, sah ich darin, ausser dem Gefässnelz der Nervenhaut, rothe Streifen, welche die grossen injieirten Arterienslämme der Clioroidea propria waren. Es fand sich nämlich, dass die Choriocapillarmembran im ganzen hinteren Theile des Auges bis zur ora serrala retinae, auch da, wo kein Tapet unter ihr lag, so überaus wenig Pigment halte, dass sie bei durchfallendem Lichte nur bräunlich erschien, bei auffallendem die Farbe ihrer Unterlage kaum merklich veräu- derte. Alles Pigment der Choroidea propria war zwischen den grossen Gefässslämmen derselben abgelagert, so dass diese nach Abziehen der dünnen Choriocapillarmembran frei zu Tage lagen. Aber von der ora serrala relinae an erslveckle sich ein dieker Ring von sehwarzbraunem Pigment, der sieh in diejenige Pigmentschicht fortselzie, die zwischen der zonula Zinnii und dem Ciliarkörper liegt. Es waren mir nunmehr alle am lebenden Thiere beobachtelen Erscheinungen völlig klar. Es war einleuchtend, dass alle Farben, mit Ausnahme der rollen, vom Tapelum herrührten, das Roth aber nicht von einer plötzlichen Injeclion desselben mit Blut, sondern von den zu Tage liegenden grossen Gelässstämmen. Es ist hierbei wohl zu bemerken, dass nicht bei allen Accommodalionszusländen des Auges eines beobachteten Thie- res das Licht, welches von demselben in unser Auge gelangt, von einem gleich grossen Fleck der Choroidea herkommt, Schraubt man von einem starken Oculare eines zusam- ınengeselzien Mikroskops die eigentliche Ocularlinse ab, so dass man nur die Sammellinse mit der Blendung zurückbe- hält, und belrachtet durch dasselbe die frisch injieirte Cho- 393° roidea eines Hundes, in der die Zinnobermasse nichl bis in die Capillaren lelzter Ordnung vorgedrungen ist '), so dass man sich die Blendung zuwendet, und durch das Loeli die injieirten Gefässe deutlich sieht. dann nähere man sich nach und nach diese Loupe und entferne sie vom Object, so dass es undeutlich wird und man einen immer kleineren Raum desselben übersieht. Hierdurch gelangt man am Ende dahin, dass ein einziges Gefäss oder ein einziger Zwischenraum zwi- schen zwei Gelässen das Sehfeld ausfüllt, und je nachdem das eine oder das andere der Fall ist, erscheint das Loch in der Blendung rolh oder dunkel. Jeizt sieht man die injieirte Cho- roidea genau unter denselben optischen Verhältnissen, wie die eines Hnndes, dessen Rlick auf den Beobachter gerichtet ist, das Loch in der Blendung stellt seine Pupille vor, die Sam- mellinse die optischen Medien seines Auges. Es gelingt auf diese Weise durch leises Nähern und Entfernen und durch leichtes Verrücken der Linse denselben plötzlichen Wechsel zwi- schen Dunkelbraunroth und lebhaftem Roth hervorzubringen, wie man ilın an lebenden Kunden beobachtet, und es ist klar, dass er im lebenden Auge ebenso durch Bewegung und Ver- änderung des Accommodalionszustandes hervorgebracht wird, wie man dieses künstlich dureh Nähern oder Entfernen und darch Verrücken der gläsernen Linse hervorbringt. Es gelang mir auch auf diese Weise, täuschend das Ilingleilen des rolben Scheines über die vom Tapelum erliellte Pupille nachzuahmen, indem ich ein frisch injieirtes \uge senkrecht auf seine grosse Axe durchschnilt, so dass die Nervenhaut mit ihren Gefässen auf dem Tapelum liegen blieb. Indem ich nun das Tapelum 1) Dieser Grad der Injection bringt die Farben denen des le- benden Auges näher, als eine ganz vollkommene, weil durch letztere bei der intensiven Farbe und Undurchsichtigkeit des Zinnobers die Gessmimtlarbe der Choroidea weit mehr verändert wird, ols durch die natürliche Injection mit Blut, welches in sehr dünnen Schichten durehscheivend ist und seiner Unterlage keine merkliche rothe Farbe mitteilt, 394 durch das Ocular so betrachtete, dass der belrachlete Punkt im Maximum der Undeutlichkeit war, salı ich bei leichter seillicher Bewegung des Glases, wenn ein grosser Gelässstamm der Nervenhaut durch das Sehfeld ging, täuschend den erwähn- ten rothen Schein über das sonst mit der Farbe des Tapetums erleuchtete l.och der Blendung sich verbreiten. Es ist klar, dass überhaupt die grossen Gefässe der Nervenhaut da, wo sie keinen schwarzen Hintergrund haben, ebensowohl rolhes Leuchten ‚hervorbringen, wie die grossen Gefä-sstämme der Choroidea. Nach allem diesen ist ausser Zweifel, dass die Ursache des rothen Lichtes in den Thieraugen nicht temporär, sondern wie die der anderen Farben permanent ist, also das Sehen derselben nicht verändern kann. Bau des Tapetums der Säugelhiere. Man kann den Bau und die anatomischen Verhältnisse des Tapetums nicht verständlich darstellen, ohne zugleich die ganze Choroidea derjenigen Thiere, bei denen es vorkommt, zu beschreiben. Ich kann in dieser Beschreibung nur einen der früheren Schriftsteller über diesen Gegenstand, Esch- richt (Beobachtungen an dem Seehundsauge, Müll. Arch. 1838. p. 575.), folgen, aber diesem auch so vollständig, dass ich dem von ihm Gesaglen nur dasjenige hinzufügen kann, was mir vollkommenere Untersuchungsmiltel erschlossen haben. Wenn man die Schichten der Choroidea von innen nach aussen unlersucht, so findet man, wie bekannt, zunächst hin- ter der Schicht der stabförmigen Körper die Schicht der sechs- eckigen Zellen, welche allen Säugelhieren ohne Ausnahme zukommen und meistens mit Pigment erfüllt sind; aber frei von Pigment 1) in den leueotischen Augen, 2) da, wo unter ihnen Tapet liegt, jedoch bier nicht immer vollständig, indem namentlich bei den WViederkäuern 395 einzelne Zellengruppen mit Pigment erfüllt sind und auf dem Tapetum bräunliche Flecke bilden. Auf diese Schicht folgt das innere Capillargefässnelz der Choroidea. Die dasselbe bildenden Gefässe sind sämmtlich Capillaren letzter Ordnung, sie bilden unter sich ein vollstän- dig zusammenhangendes Maschenwerk und werden ausserdem noch durch eine, wie es scheint struklurlose, Membran zu- samımengehalten. Von den Knoten des Maschenwerkes gehen stärkere, senkrecht oder schräg das Tapetum durchbohrende Gefässe aus, welche in das Gelässsystem der Choroidea pro- pria münden. Das innere Capillargefässnetz der Choroidea wird sichtbar 1) durch künstliche Injection, 2) dadurch, dass man die Choroidea vorsichtig in sehr ver- dünntem Weingeiste macerirt, dann kann man nach ei- niger Zeit die Schicht der sechseckigen Zellen herunter- streichen, und darauf die strukturlose Maut mit dem Gefässnetze in kleinen Fetzen abziehen, und bei durch- fallendem Lichte betrachten. 3) sieht man bisweilen bei auffallendem Lichte das Gefäss- netz sehr deutlich auf dem Tapete liegen, wenn in dem- selben etwas Blut zurückgeblieben und so eine nalür- liche Injection entstanden ist. Die beiden bis jetzt beschriebenen Schichten zusammen bilden Eschricht’s membrana choriocapillaris; auf sie folgt das Tapet. Das Tapelum ist, wie schon Eschricht richtig angiebt und wie ich später noch ausführlicher beweisen werde, eine eigentbümliche, von der Choroidea streng zu unterscheidende Membran; am grössten ist es bei den Robben und Delphinen, bei denen es sich über den ganzen Grund des Auges verbrei- tet, nächsidem bei den eigentlichen Wallfischen, kleiner bei den Landsäugelhieren. Seine Form und Lage bei den Wicder- käuern und Landraubthieren ist von Hassenstein (I. e.) abgebildet. 396 Das Tapelum enthäll keine Gefässe, sondern wird nur von den Stämmcehen durehbohrt, welche die Gefässe der Cho- roidea propria mit dem Netze der Choriocapillarmembran ver- binden. Von dem Tapetum nach aussen liegt die Choroidea pro- pria; ihr Bau ist hinreichend bekannt, es bleibt mir aber noch übrig, die analomischen Elemente zu beschreiben, aus denen das Tapelum zusammengeselzt ist. Eschricht beschreibt das Tapetum des Ochsen richtig als aus Fasern zusammengeselzt, welche im Allgemeinen der Quere nach. also senkrecht, auf die Hauptrichtung der Ge- fässstämme der Choroidea propria verlaufen. Diese Fasern sind wellenförmig gekrümmt. glalt und derehsichtig und veranlassen durch Liehlinlerferenz die Farben des Tapelums (vergl. meinen Aufsatz über die physiologische Bedeutung der stablörmigen Körper und der Zwillingszapfen in den Augen der Wirbelthiere, Müll. Arch. 1844). Dieses Tapetum, welches ich als tapetum fibrosum bezeichnen will, kommt den Wiederkäuern, den Einhufern, den Elephanten, einigen Beulelthieren, den Wallfischen und Delphinen zu; ich habe es untersucht am Rinde, an der An- lilope, am Schaf, an der Ziege, am Kameel, am Lama, am Pferd, am asialischen Elephanten, an Thylacinus Cynoscepha- lus, an Dasyurus viverrinus, an Balaena mysliceles und boops, an Delphinus delphis und Monodon monoceros. Gänzlieh entgangen ist aber den Analomen bis jetzt der Bau des Tapeles bei den reissenden Thieren mit Einschluss der Robben, diese haben ein tapetum cellulosum. Belrachtet man das Tapelum eines Hundes oder einer Kalze, gleich nachdem das Thier gelödtet ist, unter dem Mi- kroskope bei auffallendem Lichte, so sieht man ein grünes oder blaues Feld übersäet mit schwarzen Punkten; diese Punkte sind das, wolür sie Eschricht beim Seehunde er- kanut hat, nämlich die das Tapelum senkrecht durehbohren- den Gelässstämme. Bringt man nun den äussersten blauen 397 Rand des Tapetums in das Sehfeld, so gewahrt man, dass zwischen jenen schwarzen Punkten noch eine Menge viel kleinerer und schwächerer dunkler Punkte liegen. und zwar immer in der Mitte von kleinen schön blau gefärblen Feldern, welche die Choroidea wie Pflastersteine bedecken. Die blauen Felder sind die Tapelalzellen, die dunkeln Punkte in der Mitte ihre Kerne. Um sieh hiervon zu überzeugen, nimm! man zu- erst vorsichlig die Choriocapillarmembran fort, die Zellen der- selben zeigen sich bei durchfallendem Lichte so durchsichtig, dass man einsieht, warum man von denselben vorher bei auf- fallendem Lichte gar nichts gesehen hat. Die blauen Felder ınit ihren dunkeln Mittelpunkten sieht man bei auffallendem Lichte nach wie vor. Will man nun vom Tapelum selbst Felzen ablösen, um sie bei durchfallendem Lichte zu betrach- ten, so gelingt einem dieses meislens an ganz frischen Augen sehr unvollkommen, vollkommen gut aber, wenn man das Ta- pelum ein oder zwei Tage in Wasser mit elwas Salzsäure oder Alkohol hat maceriren lassen. Man sieht alsdann sehr leieht, dass in dem ganzen Tapetum auch keine einzige Faser ist, sondern dass dasselbe aus lau'er Zellen besteht, welche in Forın und Grösse durchaus mit den beschriebenen blauen Fel- dern übereinstimmen. Die Zellen, welche ich Fig. 16. Taf. XIM. von einer Katze abgebildet habe, sind vollkommen glatt, ge- kerut und bei durchfallendem Lichte gelblich, der Kern was- serhell, ihre Grundform ist das Sechseck, dieses kommt aber sellen regelmässig vor, meistens nach verschiedenen Riehtun- gen verzerrt und mit einzelnen abgerundeten ‚Ecken. Beim Hunde variirte unter sechs Zellen, welche ich ohne Auswahl maass, der grösste Durchmesser von 0,0018 bis 0,0013 P. Z., der kleinste von 0,0013 bis 0,0008, elwas länger fand ich sie bei den Seehunden unter sechs auffallend langen Zellen, welche ich bei Phoca annulala maass, variirle der grösste Durchmes- ser von 0,0028 bis 0,0018 P, Z., der kleinste von 0,0011 bis 0,0008; doch ist hierauf kein grosses Gewicht zu legen, da auch bei Landraubthieren einzelne Stellen des Tapeles vor- 398 kommen, an denen die Zellen mehr als gewöhnlich in die Länge gezogen sind. Die Tapetalzellen unterscheiden sich durch ihre Grösse, ihre geringe Dicke, ihre gelbliche Farbe und die relative Kleinheit ihres Kerns von den anderweitig in der Choroidea vorkommenden Zellen, und da sie sich in Weingeist sehr gut conserviren, so kann man sich bisweilen an Augen, welche in so schlechtem Zustande sind. dass man das Tapet nicht mehr erkennen kann, aus ihrem Vorkommen noch vom Vorhandensein desselben überzeugen, wie ich selbst an Procyon Lotor und an Mephitis Africana erfahren habe. Hassenstein (]. c. p. 30.) hat bekanntlich entdeckt. dass sich in dem Tapete der reissenden Thiere Kalksalze ab- lagern, und unser Museum bewahrt zwei getrocknete Tapele, eins von einer Katze, eins von einem Fuchse, auf, welche völlig weiss und wie mit Kreide überzogen sind. Auf der andern Seite muss ich aber bemerken, dass diese Ablagerun- gen keinesweges constant sind, und dass von ihnen nicht die bunten Farben des Tapetums herrühren, diese werden ledig- lich von den Tapetalzellen als von dünnen Blätichen durch Lichtinterferenz erzeugt. Die Tapete der Kalzen und Hunde, welche ich tödtete, verschwanden beim Trocknen der Choroidea bis auf einen kaum merklichen grauen Schimmer, dagegen war das Tapetum einer Katze, welches ich 8 Tage lang mit verdünnier Chlor- wasserstoflsäure behandelt hatte, noch grün. Ueber die Art, wie sich die Kalksalze ablagern, habe ich mir an Säugelhieren keine Gewissheit verschaffen können, da alle frischen Tapete, welche ich untersuchte, sehr wenig davon enthielten, die verkalkten Zellen der trocknen Tapete unsers Museums erschienen mir am Rande, wo sie einzeln lagen, als kleine weisse Felder häufig mit centralem dunkeln Fleck, deutliche Krystalle habe ich nur einmal in einem in Spiritus aufbewahrten Robbenauge gefunden, und diese glichen denen, welche man in so grosser: Menge und Schönheit in den späler zu beschreibenden Tape-) talzellen der Fische findet. 399 r Verbreitung des Tapetums bei den Säuge- thieren. Zur leichteren Uebersicht über die Verbreitung des Ta- peles unter den Säugelhieren werde ich die grossen Abthei- lungen derselben, wie sie von Cuvier im Regne animal auf- gestellt sind. einzeln durchgehen. Vierhänder. Bei ilınen ist bis jelzt noch kein Tapetum beobachtet worden, aber von einem Affen der neuen Welt, von Nyecti- pithecus trivirgatus, wissen wir durch Rengger (Naturge- schichte der Säugethiere von Paraguay. Basel 1830. p. 383.) und durch Alexander von Humbold (Observations de Zoologie el d’anatomie comparee. Paris 1811. Vol. 1. p. 308.), dass seine Augen leuchten. Die nächtlichen Halbaffen der alten Welt, Stenops und Tarsius, haben kein Tapet, ersteres ist von Schröder van der Kolk (Bydrage tot de Anatomie van Stenops Kukang in v. d. Hoeven und de Vriese Tijd- schrift. 1841. T. VII. p. 277.), letzteres (Tarsius speetrum) von mir selbst untersucht worden. Raubthbiere. Bei den Fiugraubthieren und den Insektenfressern ist bis jetzt noch kein Tapetum beobachtet, dagegen scheint es den reissenden Thieren und den Robben ohne Ausnahme zuzu- kommen. Von einer ziemlichen Anzahl von ihnen ist das Ta- petum selon längst bekannt gewesen (conf. Hassenstein l. e.), z.B. vom Löwen, vom Luchs, von der Hauskatze, vom Wolf, vom Fuchs, vom Haushunde, vom Bären, voın Waschbären, vom Baum- und Steinmarder, vom Iltis und Wiesel, von der Fischotter, vom Grönländischen und vom gemeinen Seehunde. Ausserdem waren schon die Augen der Ilyäne, des Brasilia- nischen Fuchses (canis Azarae). des Jaguars, Cuguars und der 400 Tigerkatze, und der Viverra Zibelha als leuchtend beschrie- ben worden. Die Augen eines grossen Theiles dieser Thiere haben mir selbst zur Untersuchung vorgelegen, ausserdem habe ich das Tapetum untersucht von Mephitis Africana, von Tri- checus Rosmarus und vom Klappmülzrobben. In einer Menagerie, welche ich bei beim Kerzenlichte be- suchte, habe ich die Augen vom Tiger, Panther und Leo- pard leuchten sehen, imgleichen in dem hiesigen zoologischen Garlen die vom Chakal, vom Dachs, vom Coati und vom Ichneumon. Nach diesen zahlreichen Beispielen kann man wohl ver- mulhen, dass den reissenden Thieren und den Robben das Tapelum allgemein zukommt; dieses Organ ist, wie oben er- wähnt, bei ibnen von dem gleichnamigen anderer Säuge- hiere in seinem Baue gänzlich verschieden, indem es aus Zellen besteht. Beutelthiere. Unsere Kenntnisse von den Augen der Beutelthiere sind bis jetzt noch äusserst unvollkommen, in den in Spirilus auf- bewahrlen Augen eines Riesenkänguruli fand ich das Pigment wenig entwickelt. so dass der Grund der Choroidea nur bräun- lich gefärbt war, von der Existenz eines Tapetes konnte ich mich jedoch nicht mehr überzeugen; ich begab mich nun mit einer Blendlaterne in das Känguruhhaus des hiesigen zoologi- schen Gartens, ihre Augen leuchteten schwach mit gelblicher und röthlicher Farbe. Lebhaft habe ich dagegen die Augen von Dasyurus viverrinus im zoologischen Garten leuchten ge sehen, dieses Thier starb in der Folge; seine Augen zeigien ein Tapet, das denen der Raublhiere in der Form ähnlich war; als ich aber dasselbe mikroskopisch untersuchte, fand ich zu meinem nicht geringen Erstaunen, dass es kein tape- tum cellulosum, sondern ein tapelum fibrosum war. . Ebenfalls ein tapelum fibrosum fand ich bei Thylacinus eynoscephalus. So entfernen sich diese Thiere in dem Baue auch dieses innern Or- 401 gans, welches sie mit den Raubihieren gemein haben, gänzlich von diesen, während sie ihre äusseren Formen so täuschend nachahmen. Die Augen eines Exemplares von Phalangista vulpina im zoologischen Garten habe ich nicht zum leuchten bringen können. Nagetbiere. Reggner führt unter den von ihm beobachteten Thieren mit leuchtenden Augen den Brasilianischen Hasen und das Meerschweinchen auf, wahrscheinlich hat er aber leucotische Individuen, die unter den Nagern so häufig sind, vor sich ge- habt. Mir wenigstens ist bei den Nagern nie ein Tapetum vorgekommen, und die Augen eines nicht leucolischen Meer- schweinchens habe ich auch nicht leuchtend gefunden. Zahnlose Thiere. Unter ihnen ist bis jetzt keines mit leuchtenden Augen bekannt geworden. Dickhäuter. Unter ihnen ist bis jetzt vom Asiatischen Elephanten, vom Pferde und Esel ein Tapetum bekannt, es ist ein ta- petum fibrosum. Die Schweine haben keines. Wie weit das Tapetum unter den Pachydermen verbreitet sei, lässt sich bei einer Abtheilung, die offenbar ebenso wenig, wie die der Edentaten, einfach und natürlich ist, nur durch Untersuchung der einzelnen Genera entscheiden. Wiederkäuer. Dieser scharf begrenzten Abtheilung scheint das tapetum fibrosum ganz allgemein zuzukommen; ich habe Beispiele aus allen Generibus, mit Ausnahme von Moschus und Camelopar- dalis, untersucht. Am schwächsten scheint das Tapet beim Kameel und beim Lama zu sein, wenigstens habe ich hier an den in Spiritus aufbewahrten Exemplaren keine Farben Müller's Archiv, 1845, 26 402 mehr sehen können, sondern nur mich durch Untersuchung auf Tapetalfasern vom Vorhandensein des Tapels überzeu- gen können. Cetaceen. Unter ihnen habe ich Delphinus Delphis, Monodon Mo- noceros, Balaena mysticeles und boops untersucht, alle vier haben ein tapetum fibrosum. Ob die sogenannten kräuterfressenden Walle ein Tapet haben, ist sehr zweifelhaft. Bei Everard Home (on the analomy of the dugong. Phil. Trans. 1820. I. 321.) heisst es vom Auge der Halicore nur: „The cornea was prominent, ihe lens double convex, the nigrum pigmentum very black.“ Auch Steller erwähnt in seiner Beschreibung der Rhytine nichts von einem Tapet. Ueber das Tapetum der Fische. Hassenstein sagt in seiner oben citirten Schrift p. 28.: „Similitudinem quandam, quae versicolori superficiei interio- ris choroideae nonnullorum amphibiorum et piscium (erocodili seleropis, colubri aesculapii, rajae clavatae, aliarum) cum mam- malium tapeto lucido intercedit, haud possumus quin agnosca- mus, licet nonnullorum piscium imprimis choroideae structura a tapeto lucido am diversa sit, ut eam tapeti nomine non in- signiendam esse censeam nec amplius respieiam.“ Was die Amphibien anbetrifft, so stimme ich mit Hassenstein über- ein; ich habe bei ihnen so wenig wie bei den Vögeln ein Tapetum gefunden. Vielleicht haben diese beiden Thierklassen ein Aequivalent dafür in den farbigen Kugeln, welche auf den Spitzen ihrer stabförmigen Körper sitzen, wenigsiens ist die Pupille der Vögel auch bei dunkler Choroidea, wenn das Licht von der Richtung kommt, in der sich der Beobachter befin- del, meist weniger dunkel, als die der lapetlosen Säugethiere. In Rücksicht auf die Fische dagegen muss ich dem genannten 403 Schriftsteller völlig widersprechen. In der That mit Recht ist in der neuesten Zeit von Stephano delle Chiaje ein Ta- petum an mehreren Fischen beschrieben worden. In dem vier- ten anatomisch-physiologischen Briefe an Herrn von Olfers (Progresso delle Science, Lettere ed Arti anno IX. Quaderno 49. p. 10.) heisst es, die Zitterrochen, die eigentlichen Ro- chen, die Meerengel und die Chimären hällen ein Tapet in Form einer silberglänzenden Schicht unmittelbar hinter der M. Ruysehiana (M. choriocapillaris, welche ich mit Eschricht aus den in seiner Abhandlung aufgeführten Gründen nicht nach Ruysch benenne), diese Schicht bestehe aus dreieckigen zugespitzten Körpern, welche sich leicht ablösen und dann im Wasser silberglänzend umherschwimmen. Diesen Körpern giebt delle Chiaje den Namen Ophthalmolithen Was den feineren Bau des Tapelums der Fische betrifft, so habe ich denselben namentlich an Hexanchus griseus und an Acipenser sturio untersucht. An einem sehr schönen und wohl erhaltenen Tapetum von Hexanchus griseus fand ich nämlich zuerst, dass das Tapetum aus Zellen besteht, in welchen die den Silberglanz verursachenden Kıystalle ab- gelagert sind. Die Zellen entdeckt man auf demselben Wege, welchen ich oben bei den reissenden Thieren beschrieben habe, und sieht in ihnen die im auffallenden Lichte schön glänzen- den Krystalle überaus deutlich liegen. Die Form der Zellen ist höchst unregelmässig, meist sind sie bedeutend in die Länge gezogen, sie sind platt und in einzelnen von ihnen gewahrt man noch einen Kern, meist sind sie aber ganz mit Krystallen erfüllt. Die Zellen haben eine bedeutende Grösse, so dass ihr grosser Durchmesser den der gleichnamigen Zellen der reis senden Thiere um das Vierfache übertrifft. Die Krystalle sind im Wasser, Alkolıul und Aether unlöslich. Um sie näher zu prüfen, löste ich von dem Tapetum von Hexanchus griseus vorsichlig die Choriocapillarmembran ab, that dann die Cho- roidea in ein Glas und schüttelle sie mil absolutem Alkohol; hierdurch suspendirte sich in demselben eine ziemliche Menge 26° 404 Tapelalzellen, welche ich auf einem Fillrum sammelte. Diese Zellen hinterliessen beim Glühen einen starken Rückstand, der in Wasser unlöslich, in Salzsäure löslich war. Brachte ich zu ihnen kauslisches Kali, so verschwand ihr Silberglanz, dies rührte aber nur davon her, dass die Zellenmembranen sich lösten und die Krystalle sich zerstreuten, denn ich fand die- selben noch nach geraumer Zeit in der Kalilauge unversehrt umherschwimmen. In Salzsäure dagegen, die mit ihrem halben Volumen Wasser verdünnt war, lösten sie sich vollständig und ohne Gasentwicklung auf. Aus der etwas eingedampflten und filtrirten Flüssigkeit fielen bei Zusatz von Ammoniak,. schon als dieselbe noch sauer reagirte, mikroskopische Kry- slalle heraus, von denen ich, ihrer Kleinheit wegen, nur aus- sagen kann, dass es entkanlete vierseitige Säulen mit schief aufgeselzten Endflächen waren, welche sich unter einem Win- kel von etwa 60 Graden aneinandersetzten. Zu der von ihnen abfiltrirten sauren Flüssigkeit that ich etwas absoluten Alkohol und machte sie dann mit Ammoniak alkalisch, worauf sich wiederum Krystalle von derselben Form ausschieden. Die Menge der erhaltenen Krystalle war jedoch zu gering, um sie von etwas mit ihnen ausgeschiedener, bräunlicher, amorpher Masse zu trennen und einer weitern Untersuchung zu unter- werfen. Aus den angestellten Versuchen erhellt, dass es Ver- bindungen einer anorganischen Basis sind, was mir deshalb von Interesse scheint, weil die von H. Rose untersuchten Kry- stalle der Argentea (Pogg. Ann. Bd. 28. p. 470.) ganz aus organischer Subslanz bestanden, wogegen der Fischschuppen- glanz (Perlessenz) nach Schnitzlein (Pharm. Centralblatt 1837. p. 398.) aus phosphorsaurem Kalk, nach Mathias (Trommsdorff’s Journ. Bd. 10. St. %. 1803. p. 3.) aus phosphorsaurer Magnesia besteht. An Acipenser sturio, den ich frisch zur Untersuchung hatte, habe ich namentlich Gelegenheit gehabt, das Verhalten der Choriocapillarmembran zu studiren. Man findet nämlich, dass sie bei vielen Fischen nicht gänzlich pigmenlfrei über 405 das Tapet fortgeht, sondern dass sie wenigstens auf einem Theile desselben nur grau durchscheinend ist. Dies ist auch beim Stör der Fall, und ich fand, dass an diesen Stellen noch die Scheiden der Zwillingszapfen stark pigmentirt sind, wäh- rend die übrige Choriocapillarmembran schon durchsichtig ist. Verbreitung des Tapetums unter den Fischen. Was die Verbreitung des Tapetums unter den Fischen anlangt, so liegt mir hierfür, ausser den oben erwähnten Angaben von delle Chiaje, kein Material vor, als das, welches ich aus eigenen Untersuchungen geschöpft habe. Am häufigsten scheint es bei den Knorpelfischen zu sein. Unter den Haien habe ich es gefunden bei: Seyllium calulus, Car- eharias, Sphyrna zygaena, Galeus canis, Lamna cornubica, Hexanchus griseus, Centrophorus squamosus und Squatina vul- garis, vermisst nur bei Scymnus (Laemargus Müll. und Henle) borealis. Unter den Rochen habe ich es bei Raja batis gefunden, bei Myliobates aquila aber nicht. Die Chimä- ren haben nach delle Chiaje ein Tapet. Von Stören habe ich Acipenser sturio und A. Güldenstädtii untersucht, beide haben ein Tapet. Von Cyelostomen habe ich Petromyzon ma- rinus untersucht, dem das Tapetum fehlt. Auch bei einzel- nen Knochenfischen kommt ein Tapetum vor, und zwar das vollkommenste und schönste, welches man überhaupt sehen kann, bei einem Percoid, welches niemals die dunkeln Tiefen des Meeres verlässt, bei Pomatomus telescopium; ein viel schwächeres Tapet bei noch ziemlich stark pigmentirter Cho- riocapillarmembran habe ich bei zwei andern Percoiden, bei Labrax lupus und bei Polyprion cernium gefunden. Auch unter den Scomberoiden kommt das Tapetum vor, namentlich bei Chorinemus Toloo, schwächer ist es bei Thynnus Pela- mys. Unter den Theuliern habe ich bei Prionurus scalprum ein schwaches Tapet, im Grunde des Auges aber noch viel Pigment in der M, choriocapillaris gefunden. 406 Ueber das Pseudotapetum von Abramis Brama. Wenn man von unten nach oben in das Auge eines tod- ten Bleies hineinsieht, so erscheint die Pupille weiss, wie bei den Fischen mit tapetirter Choroidea.. Nimmt man die vor- dere Wand des Auges mit der Linse, der Iris und den Ciliar- fortsätzen mit der Scheere weg, so sieht man, dass nur das untere Drittheil vom Grunde des Auges dunkel ist, das übrige hell, wie von einem darunter liegenden Tapetum, nur weniger glänzend. Nimmt man nun aber auch noch die Nervenhaut mit den stabförmigen Körpern fort, so überzeugt man sich so- gleich, dass man es nicht mit einem wahren Tapet zu thun hat. Die helle Figur im Grunde des Auges rührt nicht von einem solchen her, sondern davon, dass das sonst dunkle Pig- ment auf der Choriocapillarmembran, in dem die stabförmigen Körper und Zwillingszapfen stecken, hier weisslich ist. Im Leben bekommt das Pseudotapet durch das darüber liegende und bei diesen Fischen, wie es scheint, sehr starke Gefässnetz der Nervenhaut einen Stich ins Ziegelrollhe. Ich habe alle übrigen hier vorkommenden Oyprinoiden untersucht, aber bei keinem derselben diese merkwürdige und abweichende Bil- dung wieder gefunden. Beitrag zur nähern Kenntniss der motorischen Nervenwirkungen; von A. W. VoLkmann. Das Charakteristische der Reflexbewegungen besteht darin, dass sie von einem Üentralorgane ausgelöst werden, welches, um die Auslösung bewerkstelligen zu können, schon vorher erregt sein musste. Hierüber ist man einverstanden, aber zwei- felhaft blieb in vielen Fällen, ob eine gewisse Bewegung zur Klasse der reflektorischen gehöre oder nicht. In einem frühern Arlikel, welcher die Beweiskraft derje- nigen Experimente prüfte, durch welche man einen direkten Einfluss des Gehirns auf die Eingeweide zu erweisen suchte, machte ich darauf aufımerksam, dass die Bewegungen des Her- zens, Magens, Darmes u. s. w., welche man nach Reizung des Gehirns beobachtet hatte, zwar möglicher Weise auf di- rekter Reizung, aber nicht minder auf indirekter Erregung be- ruhen könnten. Es ist nämlich denkbar, dass Fasern von der Natur der centripetalen im Gehirn und Rückenmark lie- gen, von da aus an die sympalhischen Ganglien, als ihre Centra, treten und, durch Erregung dieser, in den Organen des vege- taliven Lebens Reflexe auslösen. Diese unbestreitbare Mög- lichkeit kehrt in allen Fällen wieder, wo wir einen Nerven an einem Punkte reizen, von welchem aus die Innervation, bevor sie auf die contraetilen Organe einen Einfluss ausübt, darch ein ‚Ganglion hindurchwirkt. Zwar darf ein Ganglion, 408 welches im Verlaufe eines Nerven liegt, nicht als ein Ceniral- organ der durchsetzenden Fasern betrachtet werden, wohl aber als ein Centralorgan der in ihm entspringenden. Wenn wir also beispielsweise die Wurzeln des n. vagus reizen und Be- wegungen vermitteln, so bleibt vorläufig zweifelhaft, ob diese zu den direkten Reizbewegungen oder zu den reflektorischen gerechnet werden müssen. Sie würden reflektorisch sein, wenn sie auf Erregung von Fasern beruhten, welche im Ganglion des Vagus entsprängen und von diesem zum Gehirn ausdrücklich nur zu dem Zwecke gingen, um die Zustände des grossen Centralorgans mit denen des kleinen in sympa- thische Verbindung zu bringen. Nach welchen Prineipien beurtheilen wir also, ob gewisse Bewegungen direkte oder reflektorische sind? Ich habe diese interessante Frage in dem Artikel „„Nervenphysiologie“ in R. Wagner’s Wörterbuche zu beleuchten versucht, hier will ich nur eine Reihe von Experimenten mittheilen, welche dort nicht ausführlicher besprochen werden konnten, und welche zur Aufklärung des Gegenstandes geeignet sein dürften. Ich bediente mich, nach meines verehrten Freundes E. Weber’s Vorgänge, des magneto-elektrischen Apparales, wel- cher bei Anstellung mancher neurologischen Experimente die entschiedensten Vortheile gewährt. Bekanntlich wirkt der galvanische Strom nur im Momente des Schliessens und Oefl- nens der Kelle in der Weise auf die Nerven ein, dass Em- pfindungen oder Muskelzuckungen auftreten; man kann daher mit Hülfe der Volta’schen Säule nur vorübergehende Effekte hervorbringen, welche aber wegen ilırer kurzen Dauer oft schwierig zu beobachten sind. Der magneto-elektrische Apparat ist so eingerichtet, dass Oefinung und Schliessung der Kelte sich bei rascher Umdre- hung des Rades in so reissender Schnelligkeit folgen, dass, ehe noch die Wirkung des ersten Reizes vorüber ist, schon die des zweiten eintrilt, dass also eine stetige Empfindung und eine stelige Muskelzusammenziehung Statt findet. 409 Ehe ich zur Darstellung der Erfahrungen übergehe, welche ich mit llülfe des erwähnten Apparates gewonnen habe, muss ich bemerken, dass man einen motorischen Nerven entweder direkt oder indirekt reizen kann. Man reizt ihn direkt, wenn man ihn an irgend einem Punkte anspricht, welcher zwischen seinem Ursprunge im Centrum und seiner Ausbrei- tung im contractilen Gebilde liegt; man reizt ihn dagegen in- direkt, wenn man ihn durch das Mittelglied seines Centralor- gans in Erregung bringt. Diese indirekte Erregung kanu selbst wieder auf eine doppelte Weise zu Stande kommen. Der Reiz kann nämlich entweder das Centralorgan des motorischen Nerven selbst Ireffen (dies heisse cenlrale Reizung) oder auf einen centripetalen Nerven einwirken, welcher seine Er- regung zunächst dem Centralorgan mittheilt, worauf sie von diesem auf den motorischen Nerven übertragen wird. Dies ist die bekannte reflektorische Erregung. Auf welche Weise auch der motorische Nerv gereizt werden möge, immer wird der Mukel sich nur in der Weise bewegen können, wie es seine Natur mit sich bringt. und wirklich ist die Weise der Bewegung in verschiedenen Muskeln ziemlich ungleich. Io den willkürlichen Muskeln geschehen die Contractionen rasch und gehen schnell vorüber, in den Muskeln des Darmes und der Harnblase dagegen sind sie langsam und anhaltend. Zwischen diesen Extremen finden sich Uebergangsformen. Der Herzmuskel und die Speiseröhre stehen den willkürlichen Muskeln sehr nahe, obschon ihre Bewegungen nicht ganz so rasch sein dürften, als die Bewegungen dieser. Noch langsa- mer und anhaltender sind die Contractionen der Iris, doch sind sie oflenbar weit lebhafter als die des Darmes. Wir wollen die Frage auf sich beruhen lassen, warum verschiedene Muskeln eiven so ungleichen Charakter der Be- wegungen zeigen, und nur bemerken, dass die drei Arten der Erregung, die ich unterscheiden wollte, hierbei keinen Ein- fluss haben. In anderer Beziehung aber wird der Modus, oder wenn man will die Anspruchsstelle, des Reizes unvermeidlich 410 einen Einfluss haben müssen. Reizt man den motorischen Nerven selbst, so wird er eben nur diejenigen einfachen Wirkungen entwickeln, die er in seiner Qualität als Leiter entwickeln kann, reizt man ihn dagegen indirekt, durch das Centrum, oder, wenn ich so sagen darf, noch indirekter, durch einen centripetalen Nerven, so kann die Reaktion nicht so einfach bleiben, sondern muss sich dadurch compliciren, dass nun auch das Centralorgan ins Spiel tritt, und die letzte Ge- stalt des motorischen Erfolges mit bedingen hilft. Die nachfolgenden Experimente zeigen, dass bei Anwen- dung des magneto-elektrischen Stromes in den Muskeln drei verschiedene Reaktionen vorkommen. Bisweilen entsteht eine Contraction, welche genau so lange anhält, als der äussere Reiz wirkt. Diese Form heisse anhaltende Contraction. In andern Fällen entsteht eine Contraclion, welche selbst dann fortdauert, wenn der äussere Reiz verschwunden ist. Obschon diese*Form der Reaktion in einigen Fällen lediglich von der Natur der Muskelfiber abhängt, so ist sie doch in andern Fällen ganz entschieden durch die Innervation bedingt und mag in diesen Fällen als nachhaltiger Krampf be- zeichnet werden. Eine dritte Form der motorischen Reaktion endlich besteht darin, dass die Contraction der Muskeln, statt während des steligen Reizes stelig anzuhalten, mit Relaxation abwechselt. Es entsteht also in diesem Falle Bewegung, während in den beiden ersten Fällen Bewegungslosigkeit, als Folge tonischen Krampfes, eintritt. Es fragt sich nun, stehen diese 3 Formen der Reaktion mit den 3 Arlen der Reizung in bestimmter Beziehung? Diese Frage würde auf empirischem Wege sehr leicht zu beantwor- ten sein, wenn wir bei Reizung gewisser Punkte des Orga- nismus jedesmal mit Sicherheit wüssten, ob wir hiermit einen vorhandenen Nerven direkt oder indirekt reizten. Da wir dies aber nicht immer mit Bestimmtheit wissen, so müssen wir zuerst die Fälle untersuchen, wo der Modus des Reizes unzweifelhaft ist, wir müssen sehen, welche Form der Reak- 41 tion sich in diesen Fällen mit der angewendeten Form des Reizes verbindet, und müssen, wenn in diesen unzweideutigen Fällen sich etwas Gesetzliches herausstellt, die gewonnene Er- kenntniss zur Aufklärung der zweifelhaften Fälle benutzen. — Diese Vorbemerkungen schienen unerlässlich, um den Leser auf die Punkte aufmerksam zu machen, welche in den nachfol- genden Experimenten zu fixiren sind. Experiment 1. Wenn ich die Hüftnerven eines Fro- sches, dem Hirn und Rückenmark zerstört worden waren, in den elektrischen Strom brachte, so streckten sich die Schen- kel, wurden steif und hart und verblieben in diesem Zustande genau so lange, als der Strom auf den Nerven einwirkte. Wurde die Umdrehung des Rades unterbrochen, oder der eine der beiden Drähte ausser Verbindung mit dem Thiere gebracht, so hörte die Contraction der Muskeln augenblicklich auf. Der- selbe Versuch wurde an andern Thieren und an andern Ner- ven der willkürlichen Bewegung, namentlich auch an den Zwerchfellnerven, mit stets gleichem Erfolge angestellt. Nur wenn man den elektrischen Reiz übermässig lange wirken lässt, erschlaffen endlich die Muskeln, noch während er fort- dauert, eine Folge der Erschöpfung, welche nicht befremden kann. Ein steliger Reiz auf motorische Nerven erregt also in willkürlich beweglichen Muskeln anhaltenden Krampf, doch dauert der Krampf nie länger als der Reiz, welcher ihn auslöst. Experiment 2. Die Wurzeln des Vagus wurden bei Hunden und Katzen gereizt, nachdem die Speiseröhre freige- legt worden war. Dieselbe verkürzte und verengte sich be- trächtlich und wurde hart anzufühlen. Der tonische Krampf dauerte stets genau so lange, als der Reiz wirkte, immer trat mit Oeflnung der Kette augenblickliche Relaxation ein. Wir sehen in diesem Falle unwillkürliche Muskelu demselben Ge- setze folgen, welches wir in den willkürlichen beobachteten. *) 1) Wenn ich das Halsmark in die Kette brachte, entstand an- 412 Experiment 3. Bei verschiedenen geköpften Ilunden und Katzen wurde Brust und Bauchhöhle geöffnet und der Vagus am Halse gereizt. Die Speiseröhre gerieth wieder in tonischen Krampf und zwar bis zur Cardia. Bei diesen Kräm- pfen bemerkt man gar nichts von Bewegung, die heftige Con- traetion ist mit vollkommner Ruhe verbunden, und erst bei Oeffnung der Kette tritt wieder Bewegung ein, nämlich die Bewegung der Relaxalion. Während nun die Speiseröhre in diese constante und also ruhige Contraction versetzt wird, ge- räth der Magen in eine ziemlich tumultuarische Bewegung. Es enstehen heftige Zusammenziehungen, aber diese dauern nicht so lange, als der Strom einwirkt, sondern sie verschwin- den und kommen wieder. In einigen Fällen war zwar kein deutlicher Effekt auf den Magen wahrnehmbar, in andern da- gegen waren die peristaltischen Bewegungen, welche während des Elektrisirens entstanden, so gewaltsam, und die lokalen Einschnürungen, welche an verschiedenen Punkten auftraten, von so ungewöhnlichem Aussehen, dass die Causalverbindung zwischen dem Reize und der Magenbewegung nicht bezwei- felt werden konnte. Es ergiebt sich also schon hier, dass in den Nerven Fasern vorkommen, deren Einfluss auf Bewegung verschiedener Art ist. Es giebt Fasern, welche unter dem Einfluss steliger Reize tonische Krämpfe vermitteln, und an- dere, welche unter denselben Umständen fluktuirende Bewe- gungen veranlassen. Experiment 4. Wenn die Schwimmbaut eines enthaup- telen Frosches anhaltend dem elektrischen Sirome ausgesetzt wurde, so entstanden zunächst fortwährende Reflexbewegun- gen, mit dem Charakler der Zweckmässigkeit, nach einiger Zeit aber allgemeiner Starrkrampf. Letzterer trat um so früher haltende Contraction in den meisten willkürlichen Muskeln des Kör- pers, aber nicht in der Speiseröhre, ein Beweis, dass ich mich m Recht den Angaben M. Hall’s und Valentin’s entgegensetzte, welche die Bewegung des Oesophagus von den Halsnerven ableiten. 413 ein, je heftiger die Wirkung des elektrischen Stromes war. Gewöhnlich verschwand dieser Starrkrampf augenblicklich, wenn der Versuch unterbrochen wurde, bisweilen aber dauerte er auch nach Beseitigung des Reizes fort, und das Thier blieb wohl 5 Minuten lang eben so steif, als Frösche, welche nach Strychninvergiftung in Tetanus verfallen. — Der Experimen- tator hat es nicht vollständig in seiner Gewalt, diesen Zustand herbeizuführen, indem es auf einen sehr bestimmten, aber nicht wohl berechenbaren Grad der Reizung ankommt. Wirkt der magneto-elektrische Strom nicht stark genug, so verschwindet der Starrkrampf nach Oeffnung der Kette augenblicklich, wirkt er dagegen zu stark, so entsteht Schlaffheit aus Erschöpfung. Am besten thut man, einen kräftigen Strom anzuwenden und diesen nur kurze Zeit wirken zu lassen. Merkt man beim Oeflnen der Kette, dass der Starrkrampf nicht anhält, so schliesst man sogleich wieder, aber wiederum nur auf kurze Zeit. Experiment 5. Wenn man die Pole der Leitungsdrähte mit dem Rückenmarke des enihaupteten Frosches in Verbin- dung bringt oder auch nur auf die Wirbelsäule aufsetzt, und dann die Maschine in Gang bringt, so entsteht mit der ersten Umdrehung des Rades Starrkrampf und dieser überdauert den Reiz viel leichter, als in den Fällen, wo die Schwimmhaut elektrisirt wird. Experiment 6. Ein decapilirter Frosch wurde durch Elektrisiren des Rückenmarks in den heftigsten Tetanus ver- setzt. Er war so steif, dass man ihn in horizontaler Lage gestreckt halten konnte, ohne dass die Gelenke sich bogen. Jetzt wurde der Plexus ischiadicus der einen Seite durch- schnitten, die Muskeln des entsprechenden Schenkels wurden augenblicklich schlaff, während die der andern Seite in ihrer Contraction verbarrten. Experiment 7. Bei einem sehr grossen Frosche wurde der Kopf weggenommen und das Rückenmark des ersten und zweiten Wirbels freigelegt, Dieses Stück Rückenmark wurde 414 in der Weise in die Kelte gebracht, dass der elektrische Strom in querer Richtung hindurchtrat. Augenblicklich entstand all- gemeiner Krampf und die hintern Extremitäten streckten sich, während die vordern eine halb gebogene, bisweilen sonderbar verrenkte Stellung annabmen. Als nach einigen Sekunden die Kette geöffnet wurde, hörte der Krampf der hintern Extremi- täten gleichzeitig auf und gab einer vollständigen Erschlafung Raum. Die vordern Extremitäten dagegen verblieben im hef- tigsten Starrkrampfe, zeigten sich vollkommen hart, und konn- ten nur mit ziemlicher Gewalt aus ihrer angenommenen Lage gebracht werden. Um das angegebene Resultat zu erlangen, ist nicht nothwendig, das Rückenmark frei zu legen, es ge- nügt, den elektrischen Strom quer durch den zweiten Wir- belkörper hindurchzuleiten. Indess gelingt der Versuch nicht immer, indem häufig nicht blos in den vordern, sondern auch in den hiotern Extremitäten nachhaltiger Krampf eintritt, eine Variation des Erfolges, welche aus dem Vorhergehenden (Exp. 4.) vollkommen verständlich ist. Die grosse Wichtig- keit der mitgetheilten Erfahrung liegt darin, dass unter den gegebenen Umständen eine Verschiedenheit der Reaktion in den vordern und hintern Extremitäten sich zeigen kann. Experiment 8. Eine Katze wurde durch Hängen ge- tödtet und dann Brust- und Bauchhöhle geöffnet. Als der Grenzstrang des Sympathicus in der Brusthöhle elektrisirt wurde, entstanden so heftige peristallische Bewegungen im Magen und in den Därmen, dass die Anwesenden (unler wel- chen die Herren Professoren Henle und d’Alton) an der Abhängigkeit derselben von dem angewandten Reize nicht zweifeln mochten. Dagegen war kein deutlicher Effekt auf das Herz wahrnehmbar. Bei einem so eben getödteten Hunde wurden die Bauchmuskeln weggenommen, so dass man die Därme deutlich durch das Bauchfell wahrnehmen konnte. Sie waren vollkommen ruhig. Nun wurde der Grenzstrang in der Brusthöhle elektrisirt, worauf alsbald Bewegungen eintraten. 415 Ein Einfluss der Reizung auf das Herz konnte auch bier nicht wahrgenommen werden. Experiment 9. Bei einer erstickten Katze wurden die Leitungsdrähte mit dem obern und untern Theile des Rücken- marks in Verbindung gebracht. Als die Maschine in Gang gesetzt wurde, enstand Starrkrampf, in allen willkürlichen Muskeln, die Därme dagegen schienen in vermehrte Bewegung zu geralhen, obschon weniger als wenn der Grenzstrang des Sympathicus gereizt wurde. Eine merkliche Veränderung der Herzbewegung fand nicht Statt. Es gelang also nie, weder vom Rückenmarke, noch vom Grenzsirange aus, eine anhal- tende Contraction im Magen und in den Gedärmen hervor- zurufen. Experiment 10. Bei einem enthaupteten jungen Hünd- chen wurde der Nervus splanchnicus maj. unmittelbar vor seinem Eintritt in das Ganglion coeliacum, in die Kette ge- bracht. Der Magen zog sich zusammen, namentlich in der rechten Hälfte mit äusserster Heftigkeit. Er verblieb nicht nur so lange der Reiz dauerte (was einige Minuten währen mochte) zusammengezogen, sondern selbst nach Aufhören des- selben ziemlich lange. Bei Wiederholung des Versuchs an älteren Hunden gelang es indess nicht, vom N. splanchnieus oder Ganglion coeliacum aus anhaltende Contraction des Ma- gens hervorzubringen. Experiment 11. Bei mehreren Fröschen wurde der Kopf abgeschnitten, das Blutherz und die beiden hintern Lympliherzen wurden freigelegt und das Rückenmark der Wirkung des elektrischen Stromes ausgesetzt. Augenblicklich entstand anhaltender Krampf in allen willkürlichen Muskeln, die Bewegung der Lymphherzen cessirte, aber der Puls des Blutherzens dauerte fort. Der Krampf der Lymphherzen über- dauerte den Reiz, selbst in den Fällen, wo der allgemeine Tetanus mit dem Verschwinden dieses Reizes gleichzeitig vor- überging. Gewöhnlich dauerte es ziemlich lange, ehe die Lymphberzen sich erholten und ihre Bewegungen wieder auf- 416 nahmen. Der Puls des Blutherzens wurde dem Rhytmus nach verändert, gewöhnlich: verlangsamt, bisweilen aber beschleu- nigt. Also die Lymphherzen, nicht aber das Blutgefässherz, können vom Rückenmarke aus in nachhaltigen Krampf ver- setzt werden. !) Experiment 12. Bei frisch getödteten Hunden und Katzen wurde der Magen freigelegt und der magnelo-elektri- sche Strom quer durch denselben hindurchgeleitet. Es ent- stand, nicht plötzlich, aber binnen Kurzem, eine liefe Ein- schnürung, welche, so lange der Reiz dauerte, nicht wieder verging. Im Gegentheil überdauerte diese Zusammenschnürung den Reiz ohne Ausnahme, bisweilen sehr lange. Während der Magen unter dem Einfluss des Reizes sich in constanter Contraction befand, dauerten die peristaltischen Bewegungen der Därme nicht nur fort, sondern sie schienen sogar in Folge des Experimentes lebhafter zu sein, als gewöhnlich. Experiment 13. Bei geköpften Säugethieren wurde die Bauchhöhle geöffnet, und der magnelo-elektrische Strom quer durch den Darm geleitet. Auch hier entstand nicht plötz- lich, aber bald eine Striktur, welche den äussern Reiz um ein Ansehnliches überdauerte, während benachbarte Darmpar- tieen, dem Anscheine nach, in ein lebhafteres Spiel der Bewe- gung gerielhen. Experiment 14. Bei einem Frosche wurde nach Zer- störung von Gehirn und Rückenmark das Herz freigelegt, welches regelmässig pulsirte. Ich setzte das Herz dem elek- trischen Strome in der Art aus, dass ich mit den beiden En- den der Leitungsdrähte die Seiten des Ventrikels berührte. Nach ein Paar beschleunigten Pulsen verblieb dieser im Zu- 4) Dieser Satz gilt allerdings nur, wenn man den magneto -elek- trischen Strom mit Maass anwendet. Ist die Wirkung der Maschine sehr heftig, so kann man auch vom Rückenmarke aus das Herz zum Stillstehn bringen, was auf Seitenströmungen der Elektricität beruhen dürfte, und keine Folgerungen gestaltet. 417 stande der Contraction. Halle der Strom nicht zu lange und nieht zu intensiv gewirkt, so nahm die Pulsation unmittelbar nach Oeflaung der Kette wieder ihren Anfang, war dagegen die Wirkung der Maschine sehr heftig gewesen, oder hatte sie zu lange gedauerl, so verging der Krampf selbst nach Be- seiligung des Reizes nicht. Während der gereizte Ventrikel in vollkommener Starrheit verharrte, pulsirten die Vorhöfe ohne bemerkliche Unregelmässigkeil fort. Halte ich die Enden der Leitungsdrähle, statt mit dem Ventrikel, mit den Atrien in Berührung gebracht, so gerielhen diese in Krampf und der Ventrikel pulsirte for. — Berührte ich aber mit dem einen Pole den Vorhof, mit dem andern die Kammer, so erfolgle Krampf in beiden Theilen, das Herz hob sich, während das Thier auf dem Rücken lag, ansehnlich in die Höhe, erschien wie zugespitzt, auffallend klein und blass, und verblieb bis- weilen sehr lange in diesem Zustande, auch nach Eröffnung der Kelte, Derselbe Erfolg zeigte sich bisweilen auch dann, wenn der Strom nur durch die Kammer oder nur durch die Vorkammer geleitet wurde, dann namentlich, wenn elektrische Wirkung sehr heftig war. War das ganze !lerz in Conlrac- lion verselzt worden, so erholten sich immer die Vorhöfe früher, als die Ventrikel. Ich wiederholte diese Versuche an verschiedenen Säuge- thieren mit höchst ähnlichem Erfolge. Die Diflerenzen in den Erscheinungen beruhen vielleicht nur auf dem grössern Umfange des Herzens bei letzteren. Lässt man den Strom quer durch die Ventrikel hindurchgehen, so kommt es schwe- rer zu einem vollständigen Stillstande derselben, indem die Contraelion hauptsächlich nur die Partie ergreift, welche un- mittelbar zwischen den elektrischen Polen liegt. Indess ge- lang es mir, bei Verstärkung des Stromes auch bei Hunden und Katzen einen vollständigen Stillstand der Kammern und sogar nachhaltigen Krampf zu vermitteln. Brachte ich - statt der Kammern die Vorhöfe in die Kelte, so gerielhen nur sie in Contraetion. War das Rückenmark unversehrt, so entstand Müllers Archiv. 1845, 27 418 bei Reizung der Vorhöfe regelmässig allgemeiner Starrkrampf, welcher bei Reizung der Ventrikel nicht bemerkt wurde. Ein paar Mal gelang es auch, nachhaltigen Krampf im ganzen Herzen zu erzeugen, dieser hielt indess nie lange an, und im- mer waren es die Vorhöfe, welche die Pulsalion von Neuem begannen. Experiment 15. An dem frisch abgeschnittenen Kopfe einer Katze wurden die Augenlieder und die Nickhaut abge- tragen, der Schädel geöffnet und, nach Entfernung des Ge- hiros, der N. oculomotorius in die Kelte gebracht. Augen- blicklich wurde das Auge in seine Höhle zurückgezogen und fixirt, die Pupille erweiterte sich, zwar nicht plötzlich, aber doch ziemlich schnell in dem Grade, dass von der Iris nur noch ein überaus schmales Rändchen zu sehen war. Wurde die Kelte geöffnet, so sprang das Auge plötzlich nach vorn, aber die Pupille verblieb im Zustande der Extension, und es dauerte wohl einige Minuten, ehe sie den früheren Durchmes- ser wieder erreichte. Auch mit den hefligsten Reizen gelang es nie, die Augenmuskeln in nachhaltigen Krampf zu ver- setzen. Derselbe Versuch wurde mit einem Hunde angestellt. Auch hier entstand mit Schliessung der Kette plötzliche Con- traclion sämmllicher Augenmuskeln, und auch hier ging diese Contraction gleichzeitig mit dem Reize und plötzlich vorüber. Dagegen verengte sich bei dem Hunde die Pupille und ver- blieb nach Entfernung des äussern Reizes noch länger in Con- traction, als die Pupille der Katze in Expansion. Die Ver- suche wurden mehrfach wiederholt und gaben nach dem einslimmigen Urtheile aller Gegenwärltigen vollkommen un- zweideutige Resultate. Bei einem andern strangulirten Hunde wurde die Pupille, nach Entfernung des Gehirns, auffallend weit befunden. Es gelang durchaus nicht, durch Reizung des N. oculomotorius diese Erweiterung zu beschränken, obschon der heftigste Krampf der Augenmuskeln die Wirksamkeit des Reizes aus- wies. Geraume Zeit später, nachdem das Thier zu.vielen an- 419 dern Versuchen benutzt worden war. wurde das drilte Paar nochmals elektrisirt, und nun entstand eine starke Contraction der Pupille, welche aber nach Oeffnung der Kette sogleich nachliess, und, zwar nicht plötzlich aber doch ziemlich schnell, ganz verschwand. Der Versuch wurde häufig wiederholt und gab immer denselben Erfolg, selbst heftige Reize vermochten nicht nachhaltige Contractionen der Pupille hervorzurufen. Dagegen fielen Versuche am Kaninchen wieder wie die an der Katze aus, die Pupille erweiterte sich in Folge des Reizes und der nachhaltige Krampf dauerte ziemlich lange. Bei zwei Tauben veranlasste Reizung des N. oculomot. plötzliche Con- traction der Pupille, welche bei jeder Oeffnung der Kette eben so plötzlich wieder vorüberging. Bei einem Pferde fie- len die Versuche wie bei dem ersten Hunde aus. Aus dem Mitgetheilten ergiebt sich, dass die Iris auf Rei- zung des dritten Paars in zwei verschiedenen Formen reagi- ren kann. Der Krampf der Iris, welcher ebensowohl Veren- gerung als Erweiterung der Pupille vermittelt, erscheint bisweilen durch die Gegenwart des äussern Reizes bedingt, und dauert dann genau so lange, als dieser; in andern Fällen dagegen ist die Fortdauer des Reizes zum Fortbestehen des Krampfes nicht nöthig und letzterer wird nachhaltig. Beson- dere Berücksichtigung verdient, dass nachhaltige Erweiterung und Verengerung der Pupille auch nach Entfernung des Ge- hirns und Rückenmarks vorkominen. Experiment 16. Bei einem Hunde wurde die Harn- blase freigelegt; sie zog sich in Folge des Luftreizes zusam- men, wobei der grösste Theil des Harns ausfloss, und behielt hierauf den Umfang eines Apfels von mittlerer Grösse. Nun wurde das Rückenmark in die Kette gebracht, die Blase con- trahirte sich langsam, aber deutlich, und wurde auf die Grösse einer Wallnuss redueirt, Diese Zusammenziehung blieb auch naeh Oeflnung der Kette, Als einige Minuten später die Blase unmittelbar in den elektrischen Strom gebracht wurde, con- trahirte sie sich noch stärker, sie war hart, wie ein weiblicher 2 420 Uterus anzufühlen, und verblieb nach Oeffnung der Kelte ziemlich lauge in diesem Zustande. Als das Rückenmark zum zweiten Male elektrisirt wurde, confrahirle sich die mittler- weile ziemlich erschlaffte Blase abermals, was sich weni- ger durch Verkleinerung, als Verhärtung derselben zu erken- nen gab. Bei Wiederholung der Versuche an mehreren andern Hunden erhielt ich dieselben Resultate, nicht so bei Fröschen. Es ist mir bei diesen Thieren nie gelungen, eine Contraclion der Harnblase hervorzubringen, weder durch Eleklrisiren des Rückenmarkes, noch durch unmiltelbare Reizung, weder wenn die Blase voll, noch wenn sie leer war. Das Befremdliche dieser Apathie veranlasste mich, die Versuche vielfältig zu wiederholen, aber selbst wenn der auf die Blase ausgeübte Reiz Reflesbewegungen in allen willkürlichen Muskeln an- regte, blieb die Blase selbst unthätig. Experiment 17. Bei einem so eben getödtelen Hunde wurde aus. dem in lebhafter Bewegung begriffenen Dünndarm ein Stück von etwa 4 Zoll Länge ausgeschnitten, um es in den elektrischen Strom zu bringen. Noch ehe das Experiment beginnen konnte, halte sich das Darmslück sehr auffallend verkürzt und verengt. Als der magnelo-elektrische Strom angewendet wurde, verkürzte es sich durchaus nicht, doch schien die Verengerung und Steifheit noch zuzunehmen. In diesem contrahirten Zustande verblieb das Darmslück auch nach Oefluung der Kelle sehr lange. — Aus dem Dickdarme desselben Hundes, welcher gegen 3 Zoll im Umfang haben mochte, wurde ein Stück von % Zoll Länge ausgeschnillen, also ein schmaler Ring. Die Absicht war, diesen Ring zu durchschneiden, den gewonnenen Streifen auf eine Glasplatte zu bringen und zu untersuchen, ob elektrische Reizung mo- mentane oder nachhaltige Contraclion in den Ringfasern her- vorrufe. Aber ehe noch der Ring durchschnilten worden war, hatle.er sich wohl um die Hälfte verengert, war sehr steif geworden und dieser Zustand hielt ebenfalls sehr lange Zeit 421 an. Die Muskellasern des Darms unterscheiden sich also von den willkürlichen Muskeln dadurch. dass ihre Zusammenzie. hung den Reiz, durch welchen sie hervorgerufen wird, über- dauert. Sie verhalten sich in diesem Bezuge wie die Muskeln der Harnblase des Hundes. Experiment 18. Bei einem Kaninchen wurde die Spei- seröhre vom Schlunde bis zum Magen ausgeschnitien und in den elektrischen Strom gebracht. Es entstand eine plötzliche und heftige Contraction, welche mit jeder Oeffnung der Kette augenblicklich aufhörte. Die Speiseröhre reagirt in ihrer gan- zen Länge nach Art der willkürlichen Muskeln. Experiment 19. Aus dem Venlrikel eines sehr grossen Froschherzens wurde ein möglichst langer, aber schmaler Streif ausgeschnillen und auf einer Glasplatte unter das Mi- kroskop gebracht. Da sich vorausschen liess, dass ein so klei- nes Muskelstück, wenn es sich contrahirt halte, in Folge der Adhäsion contrahirt bleiben werde, so wurden an den enige- gengesetzten Enden desselben Fädelien mit kleinen Gewichten angebracht. Diese beschwerten Fäden hingen jederseits über den Rand der Glasplatte frei herunter und zogen an dem Muskelbündel mit einer Kraft, welche eben nur fähig war, die Adhäsion zu überwinden, durch deren Einwirkung die Expansion der Fasern behindert wurde. Als hierauf das Mus- kelstück dem magneto-elektrischen Reize ausgesetzt wurde, gerielh es in eine Contraction, welche, so lange die Kelte ge- schlossen blieb, anhielt, nach Oeflnung der Kelte dagegen so- fort aufhörte, Herr Professor Marchand, welcher bei dem Experimente zugegen war, überzeugte sich von der Bestän- digkeit dieses Phänomens. Selbst bei Anwendung des unge- schwächten Siromes, welcher im ganzen Herzen sehr schnell nachhaltigen Krampf erzeugt, hörte nach Oeflnung der Kelle die Contraelion jedes Mal sogleich auf. Ein einzelnes Stück des Ilerzens reagir! also in einer ganz andern Weise, als das Herz im Ganzen, es reagirt wie ein willkürlicher Muskel, 422 welcher vom Körper getrennt ist, oder wie die Speiseröhre, nicht aber wie Darmkanal und Harnblase. Ich werde nun versuchen, das Ergebniss der- vorstehen- den Experimente dem wissenschaftlichen Verständniss näher zu bringen. Wenn man einen motorischen Nerven direkt reizt, so erfolgt ohne Ausnahme eine Contraelion im zugehörigen Mus- kel. Ist der Reiz ein stetiger, wie der magneto-elektrische, so bedingt er unablässige Reaktion, d. h. anhaltende Zusam- menziehung. In den willkürlichen Muskeln, in der Speiseröhre und in einzelnen Muskelbündeln des Herzens entspricht die Dauer der Zusammenziehung genau der des Reizes, in der Iris ist das Verhältniss wahrscheinlich dasselbe, wovon unten ausführlicher, nur in den Muskeln des Darms und der Harn- blase besteht die Contraction fort, auch wenn der Reiz schon vorüber ist. Wenn man einen motorischen Nerven indirekt reizt, gestalten die Aspecten sich anders, wobei wieder von Einfluss ist, ob die Reizung zur Klasse der ceniralen oder reflektori- schen gehört. — Bringt man Gehirn und Rückenmark in den magneto.elektrischen Strom, so contrahiren sich augenblick- lich alle willkürlichen Muskeln und die Speiseröhre, sie blei- ben unter allen Umständen so lange contrahirt, als die Erre- gung dauert, aber sie bleiben auch nachmals in statu contra- etionis, wenn die Erregung eine hinreichend kräftige war. Da dieser nachhaltige Krampf bei direkter Reizung in den Muskeln nie vorkommt, so ist klar, dass sein Auftreten an die Erregung der Centralorgane gebunden sei. Wir kommen auf den ersten wichtigen Satz: 1. Die Centralorgane, nicht aber die Nerven sind einer Erregung fähig, welche auch nach dem Verschwinden des äussern Reizes Muskelcon- tractionen veranlasst. Wenn man den vordern Theil des Rückenmarks elektri- sirt (Exp. 7.), so entsteht häufig in den vordern Extremitäten 423 ein nachhaltiger Krampf, in den hintern dagegen nicht. Enisprängen die motorischen Nerven sämmilicher Extremiläten im Gehirn, so wäre diese Verschiedenheit der Erfolge ganz unversländlich, denn die Fasern aller Nerven würden in die- sem Falle ganz gleichmässig vom Reize gelroffen. Da nur Reizung von Centralorganen nachhaltigen Krampf vermittelt, so zeigt der Versuch, dass der vordere Theil des Rücken- marks bisweilen als Centralorgan des Plexus brachialis fun- girt, während er gleichzeitig diese Rolle für den Plexus ischia- dieus nicht übernimmt. Dies scheint nur verständlich, wenn man annimmt: I. Die Nerven der vordern Extremitäten, nicht aber die der hintern entspringen vom obersten Theile des Rückenmarkes. !) Wenn man Gehirn und Rückenmark in den elektrischen Strom bringt, so geralhen nur die willkürlichen Muskeln, die Speiseröhre, die Harnblase der Säuger und die Iris in anhal- tende Contraclion, alle übrigen Muskelo, und namentlich die des Herzens, Magens und Darmkanals, nicht. Wenn nun walr ist, dass jede direkte Reizung eine Contraction hervor- ruft, welche so lange anhält, als der äussere Reiz fortbesteht, so müssen die molorischen Nerven des Herzens, des Magens und der Därme nicht in den Centralorganen enlspringen, denn entsprängen sie in denselben, so hätten nothwendig ihre Wurzeln von dem elektrischen Strome, der durch das Rücken- mark streicht, mit erregt werden müssen. Es zeigt sich also: Ill. Die Nerven des Herzens, des Magens und der Därme entspringen weder im Gehirne, noch im Rückenmarke. Wenn man das ausgeschnittene Herz einem kräftigen 4) Dieser Schluss wird dadurch nicht umgestossen, dass bis- weilen Reizung des obern Rückenmarkes auch in den hintero Ex- tremiläten nachhaltigen Krampf veranlasst. Wahbrschemlich beruht letzterer auf Irradiation oder Reflex (Exp. 4). 424 magnetischen Strome aussetzt, verbleibt es auch nach Oell- nung der Keite in slalu contractionis. Dies sollte nicht der Fall sein, da bei allen vom Gehirn und Rückenmarke getrenn- ten Muskeln nachhaltiger Krampf unmöglich ist. Zwar blei- ben Darmstücke und die Harnblase, welche aus ihren Verbin- dungen herausgeschnilten werden, auch nach Entfernung des äussern Reizes conlrahirt, aber diese Contraction bezieht sich unstreitig nicht auf fortdauernde Innervation, wie beim nach- haltigen Krampfe, sondern auf eine Eigenthümlichkeit des Muskelgewebes, welche nach Exp. 19. der Herzmuskel nicht theilt. Warum verhält sich also das Herz als Ganzes anders, als einzelne seiner Bündel? Warum entsteht im Herzen nach- haltiger Krampf, während in einem abgetrennten Stücke des- selben die Zusammenziehung gleichzeitig mit dem äussern Reize vorübergeht? Ich weiss keinen andern Grund zu fin- den, als: es muss in einem einzelnen Herzbündel das Cen- tralorgan fehlen, welches im ganzen Herzen die Möglichkeit eines nachhaltigen Krampfes mit sich bringt (nach Satz 1.). Also: IV. Das Herz hat ein Centralorgan oder Central- organe in sich selbst. Sowohl bei direkter Reizung der Nerven, als bei Reizung der Centra entstehen Contractionen, welche nicht früher auf- hören, als der Reiz selbst, also Bewegungslosigkeit in Folge anhaltender Spannung. Reizt man dagegen motorische Nerven auf reflektorische Weise, so kann selbst bei unausgesetztem Forlwirken des Reizes Bewegung entstehen. Contraction und Relaxation wechseln, und das hiermit entstehende Muskelspiel frappirt durch den Ausdruck der Zweckmässigkeit. Es ist durch vielfältige Erfahrungen vollständig erwiesen, dass der Reiz, welcher primär einen centripetalen Nerven trifft, nur durch Vermilllung der Centra auf den motorischen Nerven übergehe. Da bei keiner andern Art der Reizung der Fall vorkommfr, dass ein sietiger Reiz Bewegung, d. h. Wechsel von Contraclion und Relaxalion vermillle, da vielmehr in 425 allen bis jetz durehgegangenen Fällen sleliger Reiz auch ste- tige Zusammenziehung veranlasst, so müssen die Centralorgane den Grund enthalten, warum dies im vorliegenden Falle an- ders sei. Es ist kein Zweifel, der stelige Reiz würde den Muskel in ununlerbrochener Zusammenziehung erhalten, wenn nicht die Centralorgane seinen Einfluss zur rechten Zeit hemm- ten und gerade dadurehı eine zweckmässige Bewegung ermög- lichten. Wir kommen hiermit zu dem Schlusse: V. Centralorgane modificiren die durch sie durch- setzenden motorischen Reize und werden da- durch Regulatoren der Bewegung. Wenn wir das Rückenmark, oder den Grenzstrang des Sympathieus, oder den Lungenmagennerven in den magneto- elektrischen Strom bringen, so entsteht weder im Herzen, noch im Magen, noch im Darmkanal stetige Contraction, woraus zu folgern, dass in diesen Fällen weder direkte, noch eentrale Reizung Statt finde. Mit andern Worten, es scheinen in den genannten Theilen weder die motorischen Nervenfasern zu entspringen, noch auch durch sie hindurchzusetzen. Die oben mitgelheilten Versuche zeigen, dass wenn das Rücken- mark, oder der Sympathieus, oder der Vagus in den magneto- elektrischen Strom gebracht werden, Bewegungen, d. h. ab- wechselnde Contraclionen und Relaxalionen entstehen. Diese Bewegungen haben noch überdies die Form der Zweckmässig- keit, sie fallen also in jedem Bezuge in die Kategorie der re- flektorischen. Nach dem Vorausgeschickten müsste der slelige Reiz, welcher die mehrerwähnten Nervenparlieen trifft, eine anhaltende Contraction in den Brust- und Baucheingeweiden veranlassen, wenn der motorische Reiz nicht noch durch Centralorgane hindurchsetzte, welche diesen Reiz periodisch hemmen und zweekmässig reguliren könnten (Satz IV.). Wir kamen schon oben zu der Folgerung, dass das Herz ein Cen- tralorgan (oder mehrere) besitzen müsse; diese Erkenntniss besläligt und erweitert eich nun: 426 VI. Das Herz, der Magen und der Darmkanal sind im Besitz von Centralorganen, deren centri- petale Fasern theilweise im Vagus, im Rücken- marke und im Grenzstrange des Sympathicus liegen. Es scheint mir, dass diese 6 Sätze aus den mitgetheilten Erfahrungen mit Nothwendigkeit folgen, wie andrerseits jene Erfahrungen nichts enthalten, was nicht aus diesen allgemei- nen Sätzen verständlich wäre. Nur auf einige Umstände mag ausdrücklich hingewiesen werden. 1) Reizung des N. vagus könnte nicht anhaltenden Krampf in der Speiseröhre und Bewegung, d. h. abwechselnde Zusam- menziehung und Erschlaffuug, im Magen hervorbringen, wenn nicht der motorische Mechanismus für beide Organe ein we- sentlich verschiedener wäre.) Im Vagus liegen die motori- schen Fasern der Speiseröhre, diese werden bei Reizung des Nerven direkt gereizt, daher Zusammenziehung so lange der äussere Reiz dauert. Die Bewegungen, welche bei Reizung des Vagus im Magen entstehen, deuten auf Reflex, und da Zerstörung von Hirn und Rückenmark die Auslösung der Be- wegungen nicht hindert, so müssen die refleklirenden Centra im und am Magen selbst liegen. Der Vagus enthält demnach ceniripelale Fasern, welche zu den Ganglien des Mageus ge- hören und vom Kopfe nach dem Rumpfe leiten. 2) Reizung des 3len Nervenpaars bringt in den Augen- muskeln eine Zusammenziehung zu Stande, welche ihrer Dauer nach mit der des Reizes zusammenfällt, in der Iris dagegen, wenigstens bisweilen, nachhaltigen Krampf. Ersteres be- ruht auf direkter Reizung, letzteres wahrscheinlich auf reflek- torischer, vom Ganglion eiliare aus. In diesem Falle müssten in der Wurzel des Oculomotorius centripetale Fasern liegen, welche im Ciliarknoten ibr Centrum fäuden. Ich gebe zu, dass 4) Reizung heisst hier, wie im Nachfolgenden stets, eine anhal- tende Reizung durch den magneto-elektrischen Strom. 427 diese Erklärung etwas weit hergeholt ist, indess würde sie den Vortheil haben, anzudeuten, warum die Bewegungen der Pupille unabhängig vom Willen und doch abhängig vom Ge- hirn sind. Jedenfalls dürfte es schwierig sein, die Differenz zwischen den Bewegungen der Augenmuskeln und der Iris in anderer Weise begreiflich zu machen. Ich selbst würde vor- gezogen haben, den nachhaltigen Krampf der Pupille mit der Zusammenziehung eines Darmstückes oder der Harnblase zu vergleichen, welche auch nach Beseitigung des motorischen Reizes im Zustande der Contraction verharren, wenn nicht die schnelle Veränderung der Pupillenweite in einzelnen Ex- perimenten und im lebenden Thiere bei wechselndem Licht- einflusse zeigte, dass es in der Natur der Irisbewegung nicht liege, den motorischen Reiz zu überdauern. 3) Reizung des Grenzstranges bringt vermehrte Bewegung des Magens und der Därme, direkte Reizung des letztern bringt anlıaltende Contraction zu Stande. Dies ist verständ- lich, wenn man den ersten Fall auf reflektorische, den zwei- ten auf direkte Reizung bezieht. Natürlich wird der elektri- sche Strom, welcher durch den Darm unmittelbar hindurchsetzt, auf die Enden der motorischen Nerven treflen müssen, und folglich wird auch die Reaktion nicht ausbleiben können, welche mit direkler Reizung motorischer Nerven verbunden ist. Reizt man dagegen den Grenzstrang des Sympathiecus, so hat der motorische Reiz noch durch die Centralorgane der Därme hindurchzuselzen, welche als Regulaloren der Bewe- gung .die Wirkung des Reizes modifieiren. 4) Bringt man das Rückenmark in den magneto-elektri- schen Strom, so cessirt die Bewegung der Lymphherzen, in Folge steliger Contraclion, während der Puls des Blutherzens fortdauert und bisweilen sogar lebhafter wird. Dies ist er- klärlich, wenn in ersterem Falle centrale Reizung, in letzterem rellektorische Statt findet. Eine solche Verschiedenheit der Reizung ist aber nur möglich, wenn die Nerven des Lymph- herzens im Rückenmarke entspringen, die des Blulherzens da 428 gegen nicht. — Dass dieses Desiderat der Theorie in der Na- tur des Organismus begründet sei, glaube ich in einem frühern Artikel (dieses Archiv 1844 p. 419.) hinlänglich erwiesen zu haben, überhaupt aber dürften die hier mitgetheilten theoreti- schen Betrachtungen dadurch Zutrauen erwecken, dass sie vollkommen mit den Resultaten übereinsiimmen, welche ich auf einem ganz andern Wege der Beobachtung schon früher erhalten habe. In diesem Bezuge verweise ich auf meinen Aufsatz: Nervenphysiologie, in R. Wagner's Wörterbuche. Ich glaube diesen Gegenstand nicht verlassen zu dürfen, ohne mich über eine gewisse Unbeständigkeit in den Erfol- gen der mitgelheilten Experimente zu erklären, an welcher man Ansloss nehmen könnte. Wenn man das Herz in den magnelo-elektrischen Strom bringt, so entsteht bisweilen ver- mehrte Bewegung, bisweilen anhaltende Zusammenziehung, bisweilen nachhaltiger Krampf. Dieselbe Verschiedenheit der Erscheinungen tritt ein, wenn man die Schwimmhaut des Frosches dem Strome ausselzt. Wir begegnen also drei ver- schiedenen Reaktionsformen, auch wenn derselbe Punkt des Körpers gereizt wird, d.h. nach dem früher gebrauchten Aus- drucke, bei gleicher Form des Reizes. Offenbar liegt hier der Grund der verschiedenen Effekte in der verschiedenen Stärke des angewandten Reizes. Ein schwacher Reiz veranlasst in den erwähnten Fällen ver- mehrte Bewegung, ein slarker anhaltende Contraction, ein übermässig heftiger nachhaltigen Krampf. Der physiologische Zusammenhang scheint folgender: Der schwache Reiz erregt das Centralorgan, ohne es zu überwältigen, dasselbe behauptet seine Stellung als Regulator der Bewegungen und diese wer- den in Folge des Reizes nur lebhafter. Ist dagegen der Reiz sehr kräftig. so können die regulalorischen Wirkungen des Centralorgans neben ilım nicht aufkommen, die vom elcktri- schen Strome verlangte Contraction prävalirt über die vom Centralorgane verlangte zeitweilige Relaxation, es tritt also anhaltende Contraction ein. Ist endlich der äussere Reiz ein 429 übermässiger, so veranlasst er eine materielle Veränderung im Centralorgane, die auch nach seinem Verschwinden nicht au- genblicklich beseitigt werden kann. Es dauert also die Con- traclion, welche während seines Daseins Statt finden musste, selbst nach seinem Verschwinden fort, mil andern Worlen, es trilt nachhaltiger Krampf ein. Es bleibt nun zum Schlusse noch eine Frage übrig. Ich habe die 3 verschiedenen Reaklionsformen der eontraclilen Gebilde mit den verschiedenen Angriffspunkten der motori- schen Reize in Verbindung gebracht, und habe hieraus Schlüsse über den Ursprung der Nerven und die Lage der Centralor- gane abgeleitet. Jeizt findet sich, dass jene 3 Reaklionsformen auch bei gleichen Angrillspunklen des Reizes, nämlich bei ver- schiedener Energie des letziern, auftreten; sind vielleicht hier- mit jene Schlüsse ungültig geworden? Offenbar nicht! — Reize von verschiedener Energie können allerdings alle jene Reaktionsformen, die möglich sind, von einem und demselben Punkte aus hervorrufen, aber durchaus nur in den Fällen, wo sie ein Centralorgan ins Spiel ziehen, dagegen nie, wo sie den motorischen Nerven direkt erregen. Obschon. also die Bewegungsphänomene, welche unter dem Einflusse der Cen- tralorgane zu Stande kommen. keine ganz bestimmle Breite haben, so sind gleichwohl die Fälle, wo dieser Einfluss Statt findet, von denen, wo er fehlt, in jedem Falle unterscheidbar, und nur dies war zur Begründung meiner Folgerungen noth- wendig. Zur physiologischen und pathologischen Anato- mie des Lungengewebes; von Dr. H. Eıchnoutz zu Königsberg in Pr. Die am allgemeinsten verbreitete Ansicht, deren Urheber Malpighi ist, dass nämlich die Lungenzellen eine Fortsetzung und blinde Endigung der innersten Haut der Luftröhrenkanäle darstellen sollen, fand schon in früherer Zeit an Helmont einen Gegner, in neuerer an Bourgery, der die letzten Bron- chien in. sogenannte labyrinthförmige Lufikanäle übergehen lässt, die sich unter einander verwickeln und verbinden sollen. Hodgkin, in seiner pathologischen Anatomie der serösen und mukösen Häute, will ein juste milieu zwischen den beiden Ansichten halten, allein ich muss gestehen, dass die Beschrei- bung, die er giebt, mir nicht recht klar geworden ist, indem sie einen Widerspruch enthält; denn p. 73. der deutschen Uebersetzung sagt er, dass die Bronchialramificationen mit of- fenen Mündungen plötzlich endigen, und schon auf der andern Seite liest man, dass die die Luftzellen auskleidende Membran ihrem Wesen nach dem Schleimhautsysteme angehöre, dafür spreche ihr unmittelbarer Zusammenhang mit der Schleimhaut der Bronchien u. s. w.; also das eine Mal lässt er die Bronchien mit offenen Mündungen endigen, das andere Mal sieht er die Lungenbläschen als Fortselzung der Bronchien an. Diese hi- storischen Notizen des Gegenstandes mögen hinreichen. 431 Wären die Luftzellen in dem Sinne, in welehem man sie gewöhnlich annimmt, wirklich vorhanden, sv sollte man mei- nen, dass eine feine Injeklion derselben den untrüglichen Be- weis für die Richtigkeit dieser Ansicht liefern müsste. Da dieselben noch von Kapillargefässen umgeben sind, also einen viel grössern Durchmesser und woll auch diekere Wände, als diese, besitzen, so müsste eine Injektion derselben noch leich- ter gelingen, als die der Kapillargefässe. Es ist jedoch be- kannt, wie schwer gute Injektionen der Drüsen gelingen, und wie verschieden die Schlüsse sind, die man aus denselben ge- zogen hat. So lassen Einige die Leberläppchen aus bläschen-, Andere aus blinddarmförmigen Enden, noch Andere aus Plexus von Gallenkanälchen bestehen. Eine solche Divergenz der Meinungen muss auffallen. Leicht wäre der Streit zu schlich- ten, wenn man hier eine gleiche Kontrolle hätte, wie in den Kapillargefässen am kreisenden Blute. Feine Injektionen mit Hydrargyrum, Bleimasse, das Aus- sehen einer frisch aufgeblasenen Lunge, Krankheiten und Ana- logieen sollen die Richtigkeit der Malpighischen Ansicht in Hinsicht auf die Lungenzellen darthun. Was das Aussehen einer frisch aufgeblasenen Lunge anbetriflt, so wird sich wei- ler unten, wo von der Lunge eines neugebornen Kindes, das noch nicht geathimet hatte, die Rede ist, mit Sicherheit, wie ich glaube, ergeben, dass aus ihm unmöglich ein gülliger Schluss gezogen werden kann; von krankhaften Zuständen auf das normale Verhalten eines Organs zurückzuschliessen, bleibt unter allen Umständen eine missliche Sache, und Ana- logieen können ebenfalls nicht in entscheidender Weise zur Begründung einer anatomischen Behauptung herangezogen wer- den, da, wenn auch alle übrigen Drüsen einen gleichen Bau hätten, die Lungen doch möglicherweise eine Ausnahme ma- chen könnten. Von allen diesen Beweisen möchte also wohl nur der, welcher durch feine Injektionen geliefert wird, einer nähern Kritik unterworfen werden können, aber ich glaube, dass auch ihm nicht eine maassgebende Stimme zuerkannt 432 werden darf. Wenn man in einem schwammigen, von immer feiner werdenden Kanälen durchzogenen Gewebe, wie es das Lungengewebe ist, eine Injektion, namentlich mit Hydrargy- rum, macht, so kann zuletzt die injieirte Masse in kugelför- migen Häufchen ins Parenchym ausströmen, die in unmittel- barem Zusammenhange mit den kleinsten Kanälen zu stehen scheinen, ohne dass dies wirklich der Fall ist. J. Müller sagt in dieser Hinsicht bei der Beschreibung der Struktur der Leber, ob die Acini beim Erwachsenen aus einer Anhäufung nicht anastomosirender Körper, oder aus Plexus von Kanälchen bestehen, wie Kiernan behauptet, ist noch nicht entschieden und schwer zu entscheiden, da auch die gut injieirten Kanälchen der Acini, wenn ihre durch einander fahrenden Zweigelchen dicht gehäuft sind, den Anschein von Plexus an- nehmen, zuweilen aber auch Plexus für Gallenkanälchen ge- halten werden können, welche nichts anders sind, als durch Extravasalion aus den Gallengängen angefüllte Venennetze oder Kapillargefässnetze. Die einzige, und wie ich glaube, zu einem positiven Ur- theil allein berechtigende Entscheidung, kommt hier, wie in vielen andern Dingen, allein dem Mikroskop zu. Wie schwer aber auch mit seiner Hülfe dergleichen Fragen zu lösen sind, möchte satlsam aus der Bemerkung hervorgehen, dass ausge- zeichnele Beobachter, auf der einen Seite J. Müller, Krause, R. Wagner, auf der andern E. H. Weber, Cayla sich noch nicht einigen konnten, ob die Harnkanälchen blind en- digen oder Schlingen bilden. Ich nahm ein Stückchen einer durchaus normalen Lunge, zertheilte dasselbe mit Präparirnadeln so fein. wie möglich, und brachle es, olıne durch ein darübergelegles Plättchen den organischen Bau zu modifieiren, unter das Mikroskop. Die dem Lungengewebe eigenthümlichen Sehnenfasern bildeten in bogenförmigem Verlaufe Räume von meist ovaler Gestalt, die durch gegenseitige Deckung eine unvollkommene Schliessung von oben her zu Stande brachten. Diese Räume waren theils 433 leer, theils mit einer Menge von Zellen angefüllt, die sich auch in dem Sehnengewebe hin und wieder abgelagert fan- den, hierher aber wahrscheinlich bloss durch eine Dislocation während des Präparirens gekommen waren. Bei einem Versuche, bei welchem ich ein ganz feines Stückehen des Lungengewe- bes ohne alle Zerrung und Präparalion unter das Mikroskop brachte, sah ich in einigen dieser Räume Luftblasen, die ich nach Belieben aus einem Raum in den andern vermittelst ei- nes darüber gelegten feinen Glasplältchens schieben konnte. Diese Räume waren nirgends von einer Membran ausgekleidet, wie es doch hätte sein müssen, wenn sie die letzten Endi- gungen der Bronchien darstellten; nirgends wurden auch in ihnen die so charakteristisch auftretenden Formen des Flim- merepitheliums gesehen; ihre Umrisse wurden einzig und al- lein von den sich in verschiedenen Richlungen kreuzenden schärfen Selnenfasern gebildet. Von den Zellen und der ih- nen beigeleglien Bedeutung wird später im Zusammenhange die Rede sein. Zufälliger Weise bekam ich die Lungen eines vollkom- men reifen Kindes, das aber nicht lebend zur Welt kam, also noch nieht geathmet halle, zur Untersuchung. Dieselben wa- ren nalürlicher Weise dunkelroth und sanken im Wasser zu Boden. Die eine von ihnen blies ich auf, wobei sie sich so- gleich hellroth färbte, und sehr feine Bläschen dicht an ein ander gedrängt auf der Oberfläche sichtbar wurden. Das die einzelnen sogenannten Lobuli von einander trennende Zwi- schenzellgewebe ward, wie es beim Erwachsenen: nicht der Fall ist, ebenfalls aufgeblasen und begrenzte mit grössern an einander stossenden Bläschen perlenschnurähnlich in vierecki- gen Räumen die Lobuli. Es ward ein Tropfen von dem dichten, nicht aufgeblase- nen Gewebe der andern Lunge mit dem Scalpell abgestrichen, mit Zuckerlösung genügend verdünnt und so unter das Mi- kroskop gebracht. Ausser Blutkörperchen, die ein wenig grösser waren, als die beim Erwachsenen, Flimmerepithelium Müller's Archiv. 1645, 28 434 und sehr sparsamen, blassgelb gefärbten, die Blutkörperchen ungefähr drei Mal an Grösse übertreffenden ovalen Zellen, in denen kein Kern zu bemerken war, und deren Bedeutung mir bis jetzt nicht klar geworden ist, war nichts weiter zu sehen. Von Lungenzellen im engern Sinne des Wortes wurde nichts bemerkt. In einem andern Versuche ward ein feines Stückchen des dichten Gewebes mit Präparirnadeln behutsam aus einander gezerrt und nun unter das Mikroskop gebracht. Sehnenfasern und die von diesen gebildeten Maschen traten in vollkomme- ner Begrenzung nirgends hervor; für erstere fand sich ein Blastem, in welchem man ohne Hinzufügung von Essigsäure nur undeulliche Kerne erkannte, die aber alsbald in unregel- mässiger, doch meist langgezogener, Gestalt und in bedeuten- der Menge hervortraten, sobald man dem Objekte Essigsäure hinzugesetzt halte. Von einer Zellenmembran schienen diese Kerne nicht umgeben zu sein; sie lagen oft zu 2— 3 linear zusammen, einmal beobachtete ich 7 zusammenliegend, und sie gaben hierdurch, so wie durch ihre langgezogene Gestalt, deut- lich den Uebergang in die spätern Sehnenfasern zu erkennen, mit denen sie das Gemeinschaftliche haben, dass beide, Kerne und die Sehnenfasern, von Essigsäure nicht angegriffen wer- den. Letztere. die Maschen, waren nur hin und wieder schwach angedeutet; von den Lungenzellen im engern Sinne keine Spur. Das ganze Lungengewebe zeigle sich aber wäh- rend des Präparirens noch so wenig fest, dass es schwer hielt, recht dünne und feine Stellen mit den Präparirnadeln auszu- arbeiten. Die Untersuchung des Lungengewebes eines 14tägigen Kindes, die ich bald nach der voranstehenden unternelunen konnte, wird das eben Angeführte theils besläligen, theils be- richtigen. Die Lungen wurden mit aller Behutsamkeit aus der Brusthöhle herausgenommen, und ich konnle überzeugt sein, sie nirgends verletzt zu haben. Sie waren von heller Fleischfarbe und nirgends in ihnen atelektasische Stellen zu 435 bemerken. Die eine von ihnen blies ich auf; es bildete sich dabei an der Oberfläche das bläschenförmige Aussehen in aller Regelmässigkeit, wie bei den Lungen Erwachsener. Das zwi- schen den einzelnen Lobuli, die hin und wieder etwas weiter aus einander slanden, als in späterer Zeit. gelegene Zellgewebe ward ebenfalls emphysemalös hervorgelrieben, ausserdem aber auch die Einschuille, da, wo die Pleura von einem Lappen zum andern übergeht. Es war die rechte Lunge, und ausser den drei normalen Lappen waren durch mehrere Linien tiefe Einschnitte, die ebenfalls emiphysemalös bei der Insufllalion hervorgelrieben wurden, noch mehrere kleinere angedeutet, walirscheinlich eine Hemmungsbildung. Ich werde auf diesen letztern Umstand später zurückkommen. In der andern, nicht aufgeblasenen, Lunge ward mit einem scharfen Messer ein Durchsehnilt gemacht, mit der Schneide über die Fläche hin- gefahren, und das Anhängende mit hinreichender Zuckerlösung verdünnt, wobei ich Sorge trug, die störenden Luftbläschen so viel wie möglich zu entfernen. Was sich nun daıbot halle ein so verseliiedenarliges, buntes Gepräge, dass ich erst nach melhrmaliger Untersuchung zu einem Resullate kommen konnte. Ich werde dasselbe so geben, dass zugleich der genetische Zu- sammenhang des einen mit dem andern hervorgeht. Ausser Blutkörperehen, Flimmerepithelien und Zellenkernen sah ich Zellen, ungefähr 4 grösser als Eiterkörperchen, zuweilen klei- ner, schwach granulirt und mit einem Zellenkern versehen, welcher den frei umlıerschwimmenden Kernen vollkommen glich; die Zellen waren zuweilen rund, meist aber eiförmig und am dünnern Ende etwas ausgezogen; zuweilen sah man 3—4 zusammenhängen, in der Art, dass das ausgezogene Ende der einen sich an das diekere Ende der andern.anlegle und am Rande desselben eine Strecke weit fortliel; bei Zusatz von Fssigsäure verschwand die Zelle, und der Kern blieb, unge- ben von der granulirten Masse, allein zurück. Neben diesen Zellen kamen runde Kerne vor, die zu zwei, hin und wieder auch drei, durch einen blasseren Streifen mit einander ver- 23* 436 . bunden waren, so jedoch wieder, dass das Ende des Streifens eine Strecke weit am Kerne fortlief; eine Zellenmembran ward hier nieht mehr bemerkt; endlich kamen Kerne vor, die langgezogen an jedem Ende eine Fortselzung, die schon eine etwas dunklere Farbe hatte, an andere Kerne abschiekte; auch hier war von einer Zellenmembran nichts mehr zu bemerken. Alle diese scheinbar von den Kernen abgehenden Fasern wur- den durch Essigsäure blasser; in der ersten Beobachtung habe ich nur von dieser spälern Stufe der Entwicklung gesprochen; indem ich die frühern übersah. Wenn ich daher dort die Sehnenfasern direkt aus den Kernen entstehen liess, so ist es jetzt erwiesen, dass die Sehnenfasern des Lungengewebes eben- falls Zellen ihren Ursprung verdanken Dies waren die Ele- mente, die entweder einzeln umherschwammen oder sich in grössern und kleinern membranenartigen Stücken in dem Tro- pfen vereinigt vorfanden, welche letztere, die Stücke nämlich, zuweilen schon einen Abschnitt der künftigen Masche deut- lich darstellten, so nämlieh, dass die Grenze des Bogens nach innen zu durch die langgezogenen Kerne, hin und wieder auch schon durch eine in weiterer Ausdehnung zu verfolgende Faser gebildet wurde, mehr ‘nach aussen zu lagen, jedoch meist in einem mit dem durch die langgezogenen Kerne ge- bildeten Bogen parallelen Verlaufe Kerne in ihrem Blastemn, an denen man, wenn sie so beisammen lagen. keine Zellen- membran erkennen konnte; fügte man einen Tropfen Essig- säure hinzu, so blieben die Kerne. durch helle Zwishenräume getrennt, zurück. Es ward hierauf ein feines Stückchen derselben Lunge mit den Präparirnadeln behutsam aus einander gezerrt und untersucht. . Um nieht weilläufig zu sein, mag genügen, dass dasselbe gesehen wurde, wie in der ersten Beobachtung. d.h. ein in der Bildung begriflenes Gewebe, in welchem sich die- selben Elemente vorlanden, wie sie kurz vorher beschrieben sind; die schon gebildeten Schnenfasern zeigten jedoch ihre 437 noch nicht erlangte Ausbildung dadurch, dass sie von Essig- säure noch sehr angegriffen wurden. Trotz dem also, dass das Lungengewebe unter dem Mi- kroskop noch nicht den Bau in seiner vollkommenen Ausbil- dung zeigte, der bei Erwachsenen so schön und klar hervor- tritt, konnie es, wie oben angegeben wurde, aufgeblasen werden, und bot daun das Aussehen einer gewöhnlieben Lunge dar, mit der Ansnahme, dass auch das Zwischenzellgewebe emphy- sematös hervortrat. Muss man nun hieraus nicht folgern, dass der durch Insufllation hervorgerufene bläschenförmige Bau in ganz etwas Anderem begründet sei, als in der anatomischen Anordnung, die in der Endigung der Bronchien in Bläschen bestehen soll? Von einer Schleimhaut wurde weder in der Lunge der Erwachsenen, noch in der des neugebornen Kindes je eiwas gesehen; will man auch etwa annehmen, dass das Gerüste, so hat man die Sehnenfasern in den Lungen genannt, später gebildet werde, als dasjenige, welchem dasselbe zur Un- terstülzung dienen soll? Spricht nicht schon allein der Um- stand gegen geschlossene, mit den Bronehien unmittelbar zu- sammenhängende Lungenbläschen, dass bei der Insufllation das gesammte Zwischenzellgewebe mit aufgeblasen wurde? Denn möchte man auch in einer Zerreissung der Lungenbläschen den Grund hiervon suchen, so muss es doch auffallen, dass sie insgesammt zerrissen, und zwar nicht nur bei einem Ver- suche, sondern auch bei allen spätern, deren Zahl sich wenig- slens auf 5 beläuft. Jede mit einer linreichenden Menge einer organischen Substanz vermischte Flüssigkeit, z. B. Eiweisswasser, bildet beim Hineinblasen Zellen, und der physikalische Antheil, den hier Luft einerseits, albuminöse Flüssigkeit andererseits haben, möchte auch wohl bei dem Aufblasen einer so schwammigen Masse, wie es das Lungengewebe ist, in Anschlag zu bringen sein. Fast möchte man auf die Vermulhung kommen, dass jede nur einigermaassen schwammige Drüse, wenn sie von mit oflnen Mündungen endigenden Kanälen durchzogen wäre 438 und vom Ausführungsgange aus aufgeblasen würde, einen dem der aufgeblasenen Lunge ähnlichen Bau annehmen müsste. Der Einwurf, den man hierbei vielleicht machen wird, dass ja stets nur die zu einem Bronchus und dessen Unterabthei- lungen gehörigen Bläschen von jenem aus aufgeblasen werden können, ohne dass die benachbarten daran Theil nehmen, möchte wohl nicht von Belang sein, da durch eine andere An- ordnung möglicher Weise derselbe Zweck erreicht werden konnte. Dass die sogenannten Lobuli durch ein Zwischenge- webe von einander abgegrenzt sind, ist bekannt. Dieses Zwi- schenzellgewebe ist beim Erwachsenen sehr unbedeutend, und tritt nur zuweilen im palhologischen Zustande, z. B. bei der- jenigen Form der Lungenentzündnng, die der pneumonia ty- phosa epizootica des Rindviehs analog ist, und bei der das Lungengewebe im Durchschnitt ein schachbrettähnliches Aus- sehen darbietel, deutlicher hervor. Ziemlich deutlich war es auch in den Lungen der oben erwähnten Kinder. Kann nun nicht durch eine besondere Anordnung dieses feinen Zwi- schenzellgewebes, das sich zu einer dünnen Platte verdichten würde, ebenfalls die Communication der einzelnen Lufträume verhindert werden, ohne dass hiervon die Abhängigkeit einer bestimmien Menge von Luftbläschen von einem Bronchus die bedingende Ursache wäre? Ich bin zwar nur im Stande, an- näherungsweise den anatomischen Nachweis für die Richtig- keit einer solchen Ansicht zu liefern, allein ist das Resultat der obigen Beobachtungen ein richliges, so wird sie noth- wendig. Die aufgeblasene Lunge eines dreijährigen Kindes zeigle hin und wieder das zwischen den einzelnen Lobuli ge- legene Zellgewebe emphysematös aufgelrieben; ich suchte nun zwischen die so aus einander gehaltenen Lobuli mit Hülfe ei- nes Scalpells hineinzudringen und glaubte dabei zu bemerken, dass die Serosa sich nach innen umschlägt und so isolirende Scheidewände für die einzelnen Lobuli bildet. Ein Stückchen dieser nach innen zu laufenden Membran zeigle unter dem Mikroskop vielfach sich durchkreuzende Zellgewebsfasern, die 439 naclı der Behandlung mit Essigsäure blasser wurden, worauf eine Menge theils langgezogener Kerne, theils sogenaunte Kern- fasera im Henle’schen Sinne zum Vorschein kamen. Weder auf der einen, noch auf der andern Seite der untersuchten Membran war etwas dem Epitbelium Aehnliches zu sehen, wie es doch hätle sein müssen, wenn ich einen Theil der die Oberfläche der Lungen überziehenden Serosa für die einge- stülpte Membran gehalten hätte. An der Lunge des 14tägigen Kindes ferner, von dem oben die Rede war, sah ich ausser den normalen Einschnillen noch mehrere andere. Ich bin ge- neigt, dies für eine Hemmungsbildung zu halten, und dieser Umstand ist vielleicht ebenfalls im Stande, der obigen Ansicht eine geringe Slülze zu verleihen. Was nun die erwähnten Lungenzellen anbetrifft, die ich zum Unterschiede der Lungenbläschen die Lungenzellen im engern Sinne nennen möchte, so habe ich dieselben bei der Untersuchung jeder normalen, vollkommen ausgebildeten Lunge gefunden, so dass ich nicht umhin kann, sie für einen wich- tigen, ja wie sich später ergeben möchte, für den wichtigsten Bestandtheil des ganzen Lungengewebes zu halten. Man schabe mit einem Scalpell über die Durchschnitts- fläche eines möglichst blutleeren Lungenstücks, vermische den anhängenden Tropfen mit einer hinreichenden Menge Zucker- lösung, suche die bei der Untersuchung störenden Luftblasen zu entfernen und untersuche nun mit dem Mikroskop. Es bieten sich auf dem Objektglase eine Menge grösserer und kleinerer, schwach granulirter Zellen dar, die, den Leberzellen auffallend ähnlich. meist eine plaltgedrückte Gestalt haben. Die kleinern sind rund oder nähern sich wenigstens noch am meisten der runden Form; je grösser sie sind, desto unregel- mässiger ist ihre Gestalt, jedoch so, dass die ovale Formbil- dung vorzuherrschen scheint. Bei einigen, bei weitem aber den wenigsten, sielit man einen Kern schwach durchschim- mern, der alsbald in vollkommener Deutlichkeit hervortritt, wenn man dem Tropfen etwas Essigsäure hinzuselzt, wobei 440 die Zellenmembran zuerst etwas undeutlich wird, später ganz verschwindet; Zellenmembran und Kern treten aber wieder hervor, wenn man schnell genug einen Tropfen einer verdünn- ten wässrigen Jodlösung hinzufügt. Die Zellen scheinen theils einzeln, heils hängen sie zu 2, 3 und ‚mehreren zu- sammen und bilden dadurch membranenartige Stücke, ganz in derselben Weise, wie man dies bei den Leberzellen zu be- obachten Gelegenheit hat. Diese Zellen sind längst bekannt, doch hat man ihnen eine andere Bedeutung beigelegt, als die- jenige ist, die ich ihnen, geslützt auf späler anzugebende Gründe, beilegen muss. J. Vogel sagt in seiner Anleitung zum Gebrauch des Mikroskopes p. 445.: „Auch .der Anfänger erkennt gewölnlich die Schleimhaut deutlich, nachdem er dem Objekt einen Tropfen Essigsäure zugesetzl-hat; an den Rän- dern des Objektes und in den Räumen, welche die Schlingen der Faserbündel frei lassen, erscheint nun eine sehr zarte, voll- kommen amorph-membranöse Masse, mit rundlichen oder ova- len, deutlich markirten Körperchen bedeckt. Dies ist die Schleimhaut und letztere sind die durch die Säure deutlicher gewordenen Kerne ihrer Epithelialzellen. Gegen die Epithelialbedeutung dieser Zellen möchten sich wohl folgende wichtige Gründe erheben lassen: 1) das che- mische Verhalten gegen Essigsäure unterscheidet sie hinrei- chend von dem Epithelium, selbst ‚die grössten und ausgebil- detsten werden durch dieselbe blasser und zuletzt unsichtbar; 2) die ungemein, oft bis zum Verwechseln grosse Aehnlichkeit mit den Leberzellen, die noch Niemand für Epithelialzellen angesprochen hat, spricht ebenfalls dagegen; 3) aber wird diese Ansicht direkt durch die Bedeutung widerlegt, die die- sen Zellen in Folge der nacbstehenden Untersuchungen zu- kommen muss. Was aber die vermeintliche Schleimhaut an- betrift, so bedenke man nur, dass die Zellen dicht gedrängt an einander liegen, dass sie durch Essigsäure ihre markirten Ränder verlieren, wodurch leicht das Ansehen einer granulir- ten Membran entstehen kann, die den Zellen zur Grundlage 441 diene, abgesehen davon, dass es wohl denkbar ist, dass sich zwischen den Zellen ein Blastem abgelagert finde, welches bei Hinzufügung von Essigsäure gleichfalls den Schein einer forllaufenden Membran hervorrufen kann. Der Kern dieser Zellen nun, von denen ausnahmsweise auch zwei in einer Zelle gesehen wurden, ist es, der das höchste Interesse erregt. Im Allgemeinen von runder Form, die nur hin und wieder dureh eine ovale. am seltensten durch eine mehr unregelmäs- sige Gestalt ersetzt wird, zeigt er auf einer Stufe seiner Ent- wieklung — und das genetische Princip muss bei derarligen Untersuchungen immer im Auge behalten werden — in der Mitte eine Vertiefung, wie man sie bei den Blutkörperchen sieht. Es ist nicht ganz leicht, so lange der Kern in der Zelle eingeschlossen ist, sich von dem Dasein der Delle zu überzeugen; die umgebende granulirte Zellenmembran ist hier- bei sehr störend; zuweilen jedoch trifft man etwas hellere Zellenmembranen an, und dann tritt beim Fliessen des Tro- pfens und dadurch veranlassten schnellenden Rollen der plat- ten Zellen dieselbe deutlich hervor. An den Zellenkernen, die frei in dem Tropfen angetroffen werden, und die durch die gleiche Gestalt und Grösse zu erkennen geben, dass sie während des Abstreichens wahrscheinlich frei geworden sind, ist man im Stande, sich leichter von dem Vorhandensein der Delle zu überzeugen. Was die Grösse des Kernes anbetriflt, so übersteigen die grössten derselben wohl nie die der nor- malen Blutkörperchen; man trifft sie aber auch kleiner an, und diese sind es, die weder die Delle, noch auch die andern charakteristischen Merkmale deutlich ausgeprägt zeigen. Ein anderer Beweis für die Anwesenheit der Delle möchte viel- leicht in Folgendem zu finden sein. Es ist bekanut, dass, wenn ein Blulkörperchen nicht im Focus steht, man einen gelblich gefärbten kreisförmigen Fleck sieht, der von einem helleren Raume umgeben ist; gauz dasselbe beobachtet man bei den in Rede stehenden Kernen, wenn sie die Delle nach oben gekehrt haben, mit der Ausnahme, dass die gelbliche 442 Färbung nicht hervortrilt. Eine fernere Aehnlichkeit mit den Blutkörperchen zeigt sich in der Färbung der weiter ausge- bildeten Kerne; man trifft nämlich Kerne an, die gar keine Färbung haben, und dies sind die am wenigsten ausgebildeten; andere zeigen eine blassrolhe punktförmige Färbung (ich weiss sehr wohl, dass auch die Kerne anderer Zellen zuweilen eine ähnliche Färbung zeigen); noch andere sind gleichmässig blass- roth gefärbt. Die normalen Blutkörperchen zeigen auf jeder Seite eine Delle, und die letzterwähnten Kerne waren es auch, von denen ich ebenfalls die zwiefache Delle erkennen konnte. Sie unterscheiden sich von den Blutkörperchen nur dadurch, dass sie in einer Zelle eingeschlossen lagen, und dass die Färbung nicht gelblich, sondern mehr blassroth war. Hat man sich auf diese Weise mit dem physikalischen und chemischen Verhalten der Zellen und deren Kernen be- kannt gemacht, so ist es auch leichter, sie in einem feinen Stückchen Lungengewebe wieder zu erkennen. Man sicht sie theils in dem die Maschen bildenden Sehnengewebe, jedoch hierher sind sie wahrscheinlich nur während des Präparirens gelangt, Iheils in den Maschen selbst liegen; zuweilen sieht man nur einen Streif epilhelienartig sich am Rande des ma- schenförmigen Raumes hinziehen, zuweilen aber auch die Ma- schen in weiterer Ausdehnung membranenarlig mit ihnen an- gefüllt. Auch ganz leere Räume trifft man an, und hier darf man wohl annehmen, dass die Zellen aus ihnen während des Präparirens verdrängt sind. Wären die Räume wirklich mit einer Schleimhaut bekleidet, so müsste man doch in diesen Fällen dieselbe am Rande fetzenförmig hängen sehen; hin und wieder sieht man auch einen blassen Streifen hügelförmig am Rande hervorragen, allein die ebenmässige Contour, von der er umgeben ist, und die nicht im geringsten Aehnlichkeit mit einer abgerissenen Membran hat, sprechen gegen die Annahme, dass dies ein Stückchen am Rande sitzengebliebener Schleim- haut sein möchte. Vielleicht ist es nur Blastem, das auf ir- gend eine Weise hervorgepresst wird. 443 Ich habe in einem früheren Aufsalz über das Pyin dar- auf gedrungen, bei der Untersuchung organischer Stoffe, seien es feste oder flüssige, stets das genetische Prineip im Auge zu behalten, indem im Organismus nirgends weder stabile For- men, noch dieselbe chemische Constitution der einfachsten Organtheile angenommen werden dürfen. Was die Zellen- membran anbetrifit, so braucht man um Beispiele für diese Behauptung nicht verlegen zu sein. Was aber den Zellen- kern anbetrifft, so sind die Veränderungen, die er gradweise erleiden kann, noch wenig erforscht. Nimmt man die Modi- fikation aus, die er zuweilen dadurch erleidet, dass er in die Henle’schen langgezogenen Kerne und Kernfasern übergeht, und diejenige, dass er sich zuweilen in Felt umwandelt, so möchte nicht viel mehr darüber bekannt sein. Es möchte aber vielleicht kein schlagenderes Beispiel für diese Behaup- tung aufgefunden werden, als dasjenige, welches der Kern der Lungenzellen im engern Sinne darbietet, wie er allmählig zu Blutkörperchen heranreift, und wie er bei Veränderung der physikalischen Form gewiss zugleich auch eine Modifikation der chemischen Beschaffenheit erleidet, was unter anderm hin- reichend aus dem frühern und spätern Verhalten gegen Essig- säure und aus der Veränderung der blassrothen Färbung der noch in Zellen enthaltenen Kerne in die gelbliche der freien Blutkörperchen hervorgeht. Dass übrigens die Lungen nicht das einzige Organ sind, in welchem sich Blutkörperchen bil- den, ist bekannt; sie bilden sich auch, unabhängig von irgend einem Organ; «0 im embryonalen Leben, wenn noch kein Organ da ist, und es ist ja auch schon die Vermuthung aus- gesprochen, die Leber möge die Bildungsstätte der Blutkörper- chen sein. Sollte sich diese Vermuthung, die durch die vor- anstehenden Untersuchungen sehr an Wahrscheinlichkeit ge- wonnen hat, aber erst durch direkte Beobachtung zur Wahrheit erhoben werden kann, bestäligen, so hälten wir also eine ganz eigenthümliche Art von Zellen, deren Kerne in ihrer höchsten Ausbildung die spätern Blutkörperchen sind, an denen es jetzt 444 nicht mehr befremden wird, wenn sie keinen Kern besitzen, da sie selbst bloss Kerne sind. Man hat in ‘der neuesten Zeit den Gegensatz zwischen Parenchym und Ausführungsgang so ziemlich ausser Acht ge- lassen, eben weil man sich das sogenannte Parenehym nur als die lelzten Endigungen der Ausführungsgänge dachte, die massenweise hin und wieder durch Zellgewebe getrennt wä- ren. Und doch fordern pathologische Beobachtungen, wenig- stens rücksichtlich des Lungengewebes, so dringend auf, diesen Gegensatz festzuhalten. Denn um nur ein Beispiel anzufüh- ren, muss es nicht, wäre dieser Gegensatz nicht vorhanden, wundern, dass Bronchitis einer Seite, wenn die Krankheit an Intensität zunimmt, in den meisten Fällen viel lieber die an- dere Seite ergreift, nicht aber, wie man es doch bei dem an- genommenen continuirlichen Uebergange der Bronchienmem- bran in die der Lungenbläschen voraussetzen sollte, sich mit Pneumonie derselben Seite eomplieirt, da ja bekanntlicher Weise Membranen so grosse Neigung haben, pathologische Zu- stände in ihrer Continuität fortzupflanzen? Anatomisch nun wäre durch das Vorangeschickle dieser Gegensatz begründet. Ebenso kann man es sich nicht verhehlen, dass in Folge der- selben Untersuchungen die bisher angenommene Lehre vom Kreislaufe, wenigstens hinsichtlich der Lunge und wahrschein- lich auch der Leber, eine Modifikation erleiden möchte, da ja die Blutgefässe keine so grosse Poren haben, um die Blutkör- perehen aufzunehmen. Die Theorie des Kreislaufes gründet sich einerseits auf Injektionen, andrerseits auf die Beobachtung des direkten Uebergangs des Blutes aus den Arterien vermit- telst des Capillargefässnetzes in Venen. Die Injektionen sind, was drüsige Organe anbetrifft, nicht entscheidend, und der direkte Uebergang des Blutes aus einer Gefässablheilung in die andere ist und kann nur an Membranen beobachtet wer- den, in denen keine Blutkörperchen gebildet werden und wo also einem continuirlichen Blutstrome kein Hinderniss in den Weg gelegt wird. 445 Dies ist das Resultat, welches sich bei meinen Untersu- ehungen ergeben hal. Sollten Andere vielleicht auch hier und da irgend eine Abweichung finden, so glaube ich, dass diese nur gering, und das sich ihnen ergebende Ergebniss in der Hauptsache mit dem meinigen übereinstimmen wird; bemer- ken will ich indess, dass durch eine oberflächliche Untersu- chung leicht die Resultate meiner Beobachtungen verdächtigt werden können. Wer nich! Ausdauer genug hat, Stunden- lang an der Untersuchung eines einzigen Objektes zuzubringen, wer da glaubt, bei dem ersten Male sogleich auch das Alles sehen zu müssen, was ich beschrieben habe, der unterlasse lieber jede Untersuchung. Nur einem fleissigen und Wochen lang fortgesetzten Beobachten verdanke ich obige Resultate, und trotz der grossen Menge von Untersuchungen, die ich in dieser Art angestellt habe, muss ich doch aufrichtig bekennen, dass ich nur einige Male vollkommen ausgebildete Blutkörper- chen in den Lungenzellen eingeschlossen gesehen habe, aber jedesmal dann anch mit einer solchen Bestimmtheit, dass dar- über nicht der geringste Zweifel obwalten konnte. Der Grund hiervon möchte wolıl der sein, dass die vollkommen ausgebil- deten Blutkörperchen sogleich eine weitere Verwendung im Organismus finden. j Was nun die pathologische Anatomie des Lungengewebes anbetrifft, so wird dieselbe nach dem Vorangeschickten sich viel einfacher herausstellen, als es bisher der Fall war und nicht die Schwierigkeiten darbieten, die man in ihr zu finden geglaubt hat. Denn da das Lungengewebe nur aus-einem Ma- sehenwerk von Sehnenfasern und abgelagerten Zellen besteht (die eigentlichen Scheidewände, welche kleinere Abschnitte des Lungengewebes von einander trennen, mögen wegen der Seltenheit der Fälle, in denen man sie allein erkrankt gefun- den haben will, für jetzt ansser Acht bleiben), so wird im Lungengewebe selbst kein genügender Grund sein, der die ver- sehiedenen Formen der pathologischen Produkte hinreichend erklärt, 446 Aus dem Früheren erhellt, dass das Lungengewebe eines neugebornen Kindes keineswegs schon die anatomische Aus- bildung erlangt hat, die es späterhin bei Erwachsenen zeigt. Selbst nach 14 Tagen war dasselbe noch in fortschreitender Entwicklung begriffen, und es wäre wohl wünschenswerth, zu erfahren, zu welcher Zeitperiode dasselbe seine vollkom- mene Ausbildung erlangte. Durch Haugsted’s Untersuchun- gen weiss man bereils, dass die Thymus erst zu einer be- stimmten Periode nach der Geburt ihre grösste Ausbildung erreicht, und dass sie nicht zu den Organen gehört, welche während des Fötallebens ihre grösste Ausbildung bekommen. Zu dieser Thatsache bildet die sich nach der Geburt eben- falls fortentwickelnde Lunge ein Analogon. Da die Lungen sogleich von der Geburt an thätig sind, d. h. die atmosphä- rische Luft in sich aufnehmen, da aber der Bau derselben erst im Werden begriffen ist, so muss mil der vollkommenen Ausbil- dung derselben noch eine zweile Funktion verbunden sein, da dieselbe zu der ersteren, der Luftaufpahme, nicht nothwen- dig ist, und diese zweile Funktion glaube ich in der Bildung von Blutkernen bestehen lassen zu dürfen. In pathologischer Hinsicht dürften sich aus dem unvollkommenen und erst im Werden begriffenen Bau die oft tödtlichen sogenannten Lun- genentzündungen der Neugebornen erklären lassen, und es leuchtet ein, dass nicht nur die Ateleclasie, sondern auch alle Entartungen des Lungengewebes der Neugebornen jelzt einer erneuten, namentlich mikroskopischen Untersuchung bedürfen. Was die Lungenentzündungen der Erwachsenen betrifft, so wird die Verschiedenheit, welche darin besteht, dass eine hepalisirte Stelle bald eine granulirte Beschaffenheit zeigt, bald nicht, jetzt nicht mehr aus der Affeklion verschiedener Ge- webe, in dem einen Fall, wie man meint, aus der die soge- nannten Lungenzellen bildenden Schleimhaut, im andern, aus der des gesamten Parenehyms, d. I. Lungenzellen und Seh- nenfasern, sondern wahrscheinlicher Weise nur durch die der vegetaliven Alteralion im Lungengewebe zu Grunde liegende 447 oder auch durch sie erzeugte Bluldyskrasie zu erklären sein. Ich will es vorläufig nur als eine Hypothese aufstellen, wenn ich sage, dass die granulirte Beschaffenheit der hepatisirten Stelle der arteriellen, faserstoflreichen Blutdyskrasie ilır Da- sein verdankt, die nicht granulirte, glatle, der albuminösen; glaube aber im Stande zu sein, zur Begründung derselben ei- nige nicht unbedeutende Mata beizubringen. Der Tuberculosis legt man allgemein die faserstoffreiche Blutdyskrasie zu Grunde; bier wird das pathische Produkt ebenfalls in bestimmt begrenz- ter, runder Forın abgelagert, und dass hiervon nicht der or- ganische Bau die Ursache ist, sieht man wohl am deutlichsten aus den Tuberkeln, die sich auf serösen Membranen bilden, und die ebenfalls die runde Form haben. Die glatte Beschaf- fenheit der hepatisirten Stelle, splenisalio, pneumonia hyposta- tica, Stasis sanguinea nigra nach Roeser, die sich von der granulirten nicht nur durch die ebenmässige Durchschnittsfläche unterscheidet, sondern auch dadurch, dass sie ohne Druck we- nig, bei etwas slärkerem Pressen aber eine bedeutende Menge einer Jdunkelrothen Flüssigkeit entleert, ist eine häufige Er- scheinung beim Typlus abdominalis. Die dieser Krankheit zu Grunde liegende Dyskrasie ist aber die albuminöse. Ich beobachtete die Splenisation ferner in einem Fall, in welchem muthmaasslicher Weise, denn Näheres konnte trotz der ge- nauesten Nachforschungen nicht erfahren werden, nach dem Sektiousbefunde und dem Umstande, dass zur Zeit die Krank- heit berrschte, Scharlach vorangegangen war. Der Fall ist zu interessant, als dass ich ibn hier nicht anführen sollte. Caroline Müller, 19 Jahr alt, ward den 27. Mai 1845 in das hiesige Krankenhaus aufgenommen. Patientin war; wie man aus den dürfligeo, anamnestischen Momenten erschen konnte, schon 14 Tage zu Hause krank gewesen, ohne dass sie jedoch das Bett gehütet hatte. Sie hatte über allgemeine Mattigkeit geklagt und sich zuweilen erbrochen. In der An- stalt (ich selbst konnte sie nur in den letzten zwei Tagen beobachten) sollen die Haupisymptome ein durch nichts zu 448 stillendes Erbrechen, so wie eine profuse Diarrhoe gewesen sein. Ich fand sie in einem vollkommen apathischen, theil- nahmlosen Zustande mit gerölhelem Gesicht (die ganze Hal- tung glich der bei Typhus) da liegen, über nichts freiwillig klagend, wohl aber beim Druck auf den Hals Schmerz ange- bend, was sie mit etwas näselnder, gedehnter Sprache that. Die Fauces waren gerölhet und an der Uvula, so wie zu bei- den Seiten derselben Geschwüre, die einen etwas modrigen Geruch verbreitelen. Die Respiration ging gut von Statlen; der Unterleib nicht aufgetrieben, nicht schmerzhaft; Durchfall und Erbrechen dauerten fort. Der Kopf war, wie sie sagte, eingenommen und schmerzie drückend, dabei halle sie Sum- men vor den Ohren. Sehr starkes Fieber, selbst in den Mor- genstunden, trockne heisse Haut, trockne rotlıe Zunge. Der Urin konnte nicht untersucht werden, da derselbe stets mit dem Stuhl abging; auch konnte bei der Seklion aus der Blase nichts erhalten werden, da dieselbe leer war. Ohne dass die Symptome sieh wesentlich veränderten, erfolgle der Tod den 8. Juni. Sektion. Der untere Lappen der linken Lunge war mit schwarzem klebrigen Blute stark angefülll, die Lungentextur verwischt, das Gewebe keine Luftblasen enthaltend, sondern, wie man nach dem Abwaschen sah, mit festem Exsudale in- fareirt. Nirgends Adhäsionen mit der Pleura. Unter dem Mikroskope sah man in der blutigen Flüssigkeit nur hin und wieder einzelne farblose Blutkörperchen, so dass also das Hä- malin bereits im Serum gelöst war. Die Haupimasse bildeten Körper, die im Ganzen unregelmässig, zuweilen jedoch sich der runden Gestalt annähernd, etwa von der Grösse der Ei- terkörperehen, bald grösser, bald kleiner, in einer helleren Substanz Molekularkörperchen abgelagert enthielten, ohne dass sie von einer Zellenmembran umgeben waren. Dieselben Kör- per wurden auch in der Niere beobachlel und schienen mir nur zusammengeballte Stücke der granulirten Masse zu sein, die sich im Gewebe selbst abgelagerl fand. Es sind vielleicht 449 dieselben Körper, welche Lebert puride nennt, und die Hall- mann, wenn ich nicht irre, ebenfalls in der Bright’schen Niere gesehen hat. Das Lungengewebe war mit einer granu- lirten Masse angefüllt, die Sehnenfasern und Maschen dadurch verdeckt, erstere auch elwas aus einander gedrängt. Lungen- zellen im engern Sinne des Wortes schienen nicht vorhanden zu sein. Das Herz normal, die linke Hälfte leer. die rechte mit etwas flüssigem Blute angefüllt. Die Leber weich, nicht allzusehr von demselben schwarzen Blute angefüllt und eben- falls stellenweise granulirte Massen in ihrem Gewebe enthal- tend, die hin und wieder die Grösse eines "T'halerstücks er- reichten. Die Niereu enorm gross, ebenfalls granulirte Massen in sehr bedeutendem Grade, so dass die Nieren ganz weiss waren, mit schon beginnender Faserbildung enthaltend. Der untere Tlieil des Darmkanals, namentlich der des Ileum, stark injieirt, der Magen jedoch mehr bleich, die Gedärme im All- gemeinen schon theilweise in Zersetzung übergehend, trotzdem dass die Seklion 24 Stunden nach dem Tode gemacht wurde. Im Abdomen auch nicht eine Spur von Exiravasat, was bei so sehr entarteten Nieren wundern muss. Das Gehirn mit zahlreichen schwarzen Blutpunkten versehen, die auf der Ober- fläche sich verbreitenden Gefässe, so wie die Blutleiter reich- lich mit schwarzem flüssigen Blute angefüllt. Die Halsaffek- tion, die Degeneration der Leber und Niere, der Zustand des Gehirns, so wie die Beschaffenheit des Blutes, ganz so, wie Roeser sie nach Scarlalina beschrieben, rechtfertigen, in Ver- bindung mit dem Umstande, dass diese Krankheit gerade herrschte, wohl die Ansicht, dass dieselbe das Grundleiden ge- wesen sei. Kann dieser Fall als ein Belag angesehen werden, dass die Splenisatio sich zugleich mit Nieren - und Leberentartung in Folge von Scarlatina entwickelt, so lelıren andere Fälle, dass sie ebenfalls bei den chronisch verlaufenden Formen der albuminösen Blutdyskrasie gefunden wird; ich meine den mehr selbsiständig auftretenden, nicht in Folge einer vorangegange- Müller's Archiv. 1845, i 29 450 nen akuten Krankheit sich entwickelnden morbus Brighlii und die Cirrhosis hepatis. Zuweilen triffi man sie hier, und in diesem Falle ist die Alleration im Lungengewebe nicht lange dem Tode vorhergegangen, von derselben Beschaffenheit, wie beim Typhus und im beschriebenen Falle, nur dass die Disso- lution des Blutes noch nicht so weit vorgeschrilten ist; zu- weilen aber, und zwar in den meisten Fällen, ist die Affeelion eine ältere und die Degeneration hat dann einige Modifikatio- nen erlilien, die denen, welche man im Verlauf des morbus Brightii in den Nieren beobachtet, ganz analog sein möchten. Denn wie hier, im Beginn der Alleclion, die Nieren gross, röthlieb, und mit einer bedeutenden Quantilät einer blutigen Flüssigkeit angefüllt sind und das Albumen in granulirlen Mas- sen abgelagert zeigen, und erst später Faserbildung auftritt, wobei zugleich. die Kleinheit der Niere und ihre weisse Fär- bung sich geltend macht, so auch bei dem auf gleiche Weise affieirten Lungengewebe. In dem oben beschriebenen Falle der Caroline Müller war die Affektion eine neue, daher die schwarzrothe Beschaffenheit der Lungensubsianz und der ausgedrückien Flüssigkeil, daher auch das Vorherrschen der granulirten Masse, ohne dass Faserbildung hervortrat; in den Fällen jedoch, in denen der morbus Brighlii chronisch ver- läuft, findet man die aflieirten Stellen ofl rolhbraun, selbst weissgrau und anstatt der granulirten Massen zwischen den Sehnenfasern, dieselbe bedeckend und die Maschenräume aus- füllend, deutliche Fasern, die unter dem Mikroskop ganz das- selbe Aussehen darbieten, wie die gleiche Entwicklung in Le- ber und Niere. Ja, ich habe einige Fälle beobachtet, in denen die Alleration im Lungengewebe noch weiler gediehen war; ich fand in diesem Fall eine unregelmässige llöhle, die von einem weissen, verhärlelen Gewebe umgeben war, welches unler den Mikroskope dasselbe darbot, was eben beschrieben wurde, d.h. Faserbildung, die sich gleichfalls in der sehr ent- arlelen Leber und der nicht so weit ausgedehnien Degenera- tion der Niere vorfand. Leider kabe ich verabsäumt, die die 451 Höhlenwände bekleidende Schicht zu unlersuchen, da ich ver- muthe, dass in diesen Fällen nicht sowohl Eiterung, als viel- mehr eine Art Erweichung den Substanzverlust herbeiführt. Der Schluss von der gleichen Ursache der in Lungen, Leber und Nieren abgelagerten Massen, die dieselbe mikroskopische Beschaffenheit darboten, möchte daher kein verfehlter zu nen- nen sein, und diese Ursache kann nur, so weit jetzt die Er- falrungen reichen, in der albuminösen Blutdyskrasie gesucht werden. Gendrin beschreibt in seinen Vorlesungen über Herzkrankheiten eine Art eines festen Oedems, welches wohl dieselbe Alteralion sein möchte, wie die in Rede stehende; er hat sie bei Herzkrankheiten und in Folge lange dauernder Cachexien, z. B. Carcinoma, beobachlel. Die gleichzeitige An- wesenheil aber von Herzkrankheit, Krebsdyskrasie einerseils und von albuminöser Blutdyskrasie andereıseils, oder, was wahrscheinlicher ist. die Entwicklung des einen Zustandes aus dem andern, ist längst bekannt. Lebert beschreibt ferner eine eigenthümliche Form chro- nischer Entzündung mit gelblicher Hepalisalion und vermehr- ter Consistenz des Gewebes, die sich um Tuberkeln herum- finde. Lungenbläschen, sagt er, kleine Bronchien und Lun- gengewebe sind Iheils mit Faserstoffeoagulis und neuen Faser- bildungen, theils mit Aggregalen von puriden Körperchen bedeckt, und inmilten der gefässarmen Hepalisalion findet man gefässreiche akule lobuläre Pneumonie. Ich habe eine andere Ansicht von der Sache. Zahlreiche Untersuchungen haben mir nämlich bewiesen, dass die der Tuberculose und die dem morbus Brightii nnd der eirrhosis hepalis zu Grunde liegende Blutmischung sich vollkommen ausschliessen; man findet bei vollkommen ausgebildetem morbus Brighlii die Lungen ent- weder von Tuberculose frei, oder sind sie tuberkulös entlartet, so ist das palhische Produkt entweder verkreidet oder sonst auf irgend eine andere Weise in seiner Ausbildung stehen ge- blieben. Man lasse sich nicht durch die Fälle irre machen, wo man neben Höhlenbildung morbus Brightii findet; abge- 29° 452 sehen davon, dass eine einmal entstandene Caverne, unabhän- gig von der Tuberculose, an Umfang zunehmen kann, wird man bei genauerer Untersuchung stets die Zeichen der unter- gegangenen Tuberculose irgend wie ausgesprochen finden. Es herrscht zwischen beiden Degenerationen dasselbe Verhältniss, welches man zwischen Tuberkel und Careinom beobachtet, und lediglich der Umstand, dass man aus vorhandenen Höhlen oder Tuberkeln, deren Beschaffenheit man aber nicht genauer untersuchte, auf noch bestehende Tuberkeldyskrasie schloss, hat die Akten über diesen Gegenstand noch nicht für Alle schliessen lassen. Nicht daher für das Produkt einer chroni- schen Entzündung, sondern als Zeichen der erloschenen Tu- bereulose möchte ich diese weissgelben, resistenten Stellen an- sehen, die häufig genug mit denselben Entarlungen in Leber und Niere zusammentreffen, die lediglich aus der albuminösen ‚ Blutdyskrasie zu erklären sind, welche die vorwaltende Eigen- thümlichkeit hat, Ablagerungen in den drüsigen Organen zu machen. Natalis Guillot beschreibt in Arch. general. Janvier 1845, eine Art der Heilung der tuberkulösen Schwindsucht, die dadurch zu Stande kommen soll, dass sich Kohlenstoff um die Tuberkeln und um die durch Zerfliessen derselben ge- bildeten Iöhlen ablagern soll. Er sagt hierüber: Vexistence de celte maliere, du charbon, parait @galement avoir une telle influence sur les diflerentes modifications subies par les pou- mons tuberculeux ou par la masse tubereuleuse elle m&ıne, que celte seule consideralion en rendrait l’&tude inleressante. Cette influence semble grande et l’on peut affirmer, que la generalit@ des personnes, chez lesquelles Ja marche de la phti- sie a ele modifiee ou entravee, presentent dans les poumons apres leur. mort, lorsqu’elles sont parvenues a un äge avance, un depot plus ou moins considerable de ces mol&cules char- boneuses. Ich habe diese schwarzen Stellen um die Tuberkeln und tuberkulösen Höhlen oft genug gesehen, mich aber auch durch 453 mikroskopische Untersuchung überzeugt. dass der Kohlenstoff in einem fasrigen Gewebe abgelagert ist. Hätte Guillot die Lungen solcher Leute untersucht, die, früher mit Lungentu- berkulose behaflel, in einem noch nicht vorgerückten Alter starben oder auch nur andere Stellen des Lungengewebes äl- terer Personen, hälte er ausserdem auf die Veränderungen in andern Organen, nämlich in Niere und Leber, Rücksicht ge- nommen, so würde er gefunden haben, dass der Ablagerung von Kohlenstoff eine andere Veränderung des Gewebes vor- angehe, nämlich Faserbildung, und dass sich erst späler der Kohlenstoff deponire, und dass allen diesen gleichen Verände- rungen — denn die Ablagerung von Kohlenstofl, die nur in den Lungen zu einer solchen Exlensilät gedeiht, ihut dieser Gleichbeit keinen Abbruch — eine allgemeine Blutdyskrasie zu Grunde liegen müsse. Von dieser Seite her möchten sich auch diejenigen Fälle von sogenaunter Pneumonie deuten lassen, die man zuweilen bei tuberkulöser Schwindsucht beobachtet hat, und die das Auszeiehnende haben. dass in ilınen die krilischen Entschei- dungen im Harn vermisst werden. Es werden dies wahr- scheinlich nicht sowohl Entzündungen im gewöhnlichen Sinne des Wortes sein, wie vielmehr stürmisch erfolgende Ablage- rungen in Folge der veränderten Bluldyskrasie, die sich durch eben solche Symptome kund geben können, wie sie bei der wahren Pneumonie beobachtet werden. Es soll übrigens bier nieht geleugnet werden, dass nicht auch ächlte Pneumonien bei Tuberkulose vorkommen können, allein in diesem Falle sollte man doch erwarten, dass das abgeselzte Produkt eben- falls wieder Tuberkel sei. In wielern manche Fälle der so- genannten chronischen Pneumonie hierher gehören mögen, muss für jelzt unentschieden bleiben, da der Begriff derselben ein noch zu schwankender ist; jedoch möchte die Resistenz des Gewebes, die man als ein charakleristisches Merkmal derselben anführt, eine gleiche Quelle wenigstens vermuthen lassen. 454 Man kann es wohl als eine gegründete Behauptung gel- ten lassen, dass namentlich das Uebersehen zweier Momente so verschiedene Species einer Krankheit, namentlich der Lun- genentzündung, hervorgerufen hat, ich meine die Nichtbeach- tung der Blutmischung — denn nach dieser wird sich auch das abgelagerte Produkt richten — und die. geringe Würdi- dung des genelischen Zusammenhangs, in welchem pathologi- sche Zustände zu einander stehen. Oft genug werden in der pathologischen Anatomie Degenerationen für gänzlich verschie- den von einander gehalten, die nur gradweise von einander unterschieden sind, und die nalürlich je nach der längern oder kürzern Dauer ihres Bestehens auch Modifikationen in ihren anatomischen Verhältnissen zeigen werden. Die so vielfachen Arten von morbus Brightii wären gewiss nicht entstanden, wenn man auch hier das genetische Moment im Auge behal« ten hätte Da hier von der dem morbus Brightii und der eirrbosis hepatis zu Grunde liegenden Blutmischung die Rede ist, so will ich die Aufmerksamkeit auf ein Sekrel lenken, das bis jelzt noch wenig gewürdigt ist, das aber eben so gut Bürge für die albuminöse Blntdyskrasie ist, wie der eiweiss- haltige Urin und die in der Regel schr eiweisshalligen Er- giessungen in die Uhnterleibshöhle, nämlich auf die Galle. Wenn ich nicht irre, so hat Beequerel schon darauf auf- merksam gemacht, dass die Galle bei der eirrhosis hepalis Albumen enthalte. Ich habe in allen Fällen, wo die albumi- nöse Blutdyskrasie sich auf eine hinreichende Weise in der Leber aussprach, das Albumen in sehr bedeutender Menge in der Galle gefunden, nicht bloss in chronischen Fällen, sondern auch in akuten. So will ich in letzterer Hinsicht nur einen Fall anführen, der der von Eisenmann Ileopyra genannten Krankheit vollkommen entsprach, und in welchem ausser dem bekannten Darmexanthem bedeulende Eiweissablagerung in der Leber, geringere in Lungen und Nieren beobachtet wurden. Die Galle enthielt sehr viel Albumen. und zwar nicht bloss an Natron gebunden, sondern auch freies. Da das Natronal- 455 buminat vollkommen aus einer Flüssigkeit durch Aether ab- geschieden werden kann, so versetzte ich die Galle mil einer hinreichenden Menge von Aelher, filtrirte und überzeugte mich durch abermalige Hinzufügung von Aether, dass durch dies Reagenz nichts mehr gefällt werden konnte. In der klaren Flüssigkeit nun brachte Salpetersäure eine gerivuge Trübung hervor, Essigsäure, die wohl das Natronalbuminat, nicht aber freies Albumen fällt, keine, wohl aber entstaud eine solche, als der so gesäuerlen Flüssigkeit Cyaneisenkalium zugesetzt wurde. Merkwürdiger Weise brachle auch deslillirtes Wasser in der ätherischen Flüssigkeit eine Trübung hervor. Die Ab- scheidung von Albumen in der Galle schien in diesem akulen Fall so stürmisch gewesen zu sein, dass das vorhandene Na- iron nicht hinreichte, sich mit ihm zu verbinden, was bei langsamer Abscheidung gewöhnlich, jedoch nicht immer, der Fall ist. Eine andere interessante Eigenthümlichkeit der Galle in der genannten Blutdyskrasie, vorausgesetzt, dass sie sich auch in der Leber lukalisirt, besteht in der verringerten Menge der Choleinsäure, wozu die verringerte Quantität des Harn- stofls in der Bright'’schen Nierendegeneration ein Analogon bildet. j Was das Emphysem der Lungen anbelriflt, so wird man dasselbe jetzt nieht mehr in einer abnormen Ausdehnung der sogenannten Lungenbläschen bestehen lassen. sondern nur in einer Vergrösserung der Maschenräume, die vielleicht durch Atrophie herbeigeführt wird, und endlich das Lungenödem an- langend, so wird in ihm das Selinengewebe von einer Menge einer serösen Flüssigkeit infillrirt, gallertarlig und aufgequollen. Physiologische Bemerkungen über die Statik der Fische '); von Joumaunnes MüLteERr. Die Fische haben, wie alle Thiere, die grösste Empfindlich- keit für die Veränderung des Gleichgewichts ihres Körpers und reagiren dagegen theils durch willkürliche, theils durch in- stinktmässige Bewegungen. Die letztern äussern sich am auf- fallendsten an ihren Augen. Wenn ein Fisch aus seiner ge- wöhnlichen Stellung gebracht wird, so suchen die Augen ihre Stellung zu behaupten. Diese der künstlichen Veränderung der Stellung des Fischkörpers entgegengesetzte Bewegung er- folgt mit physischer Nothwendigkeit und ist so lange an ei- nem Fische bemerkbar, als er lebendig ist, daher sie allein hinreicht, sich von dem Leben oder Tod eines Fisches zu überzeugen. Wird ein lebender Fisch aus der gewöhnlichen Stellung auf die Seite gelegt, so strebt er mit den Augen die Stellung gegen den Horizont, so weit es die Lageverhältnisse und Befestigung der Augen gestatten, zu behalten. Wird er erst auf die Seile gelegt und dann noch weiter umgedreht, bis der Bauch oben hin kommt, so stellt sich die normale Stellung der Augen oder das Gleichgewicht wieder her, und 4) Auszug aus dem letzten Theil der vergleichenden Anatomie der Myxinoiden. 457 sie stehen so, wie bei der Lage mit dem Bauche nach unten. Wird ein Fisch um eine Querachse der verticalen Ebene sei- nes Körpers gedreht, so erfolgen dagegen Rotationsbewegun- gen der Augen um ihre eigene Achse, bei der Drehung nach oben oder unten in entgegengeselzter Richtung. Beide Ab- weichungen betragen zusammengerechnet gegen 45°. Bei der Drehung aus der Bauchlage in die verticale Stellung der Längs- achse des Körpers, so dass der Kopf oben oder unten hin kommt, erfolgt die Drehung der Augen in umgekehrter Rich- tung mit der Drehung des Körpers. Bei der Drehung aus der verlicalen Stellung der Längsachse in die Rückenlage dreben sich die Augen in gleichnamiger Richtung mit dem Körper. Bei der Rückenlage haben die Augen wieder ihre normale Stellung gleich wie in der Bauchlage. Diese Beob- achlungen sind am Hecht, Esox lucius, und an der Plötze, Cyprinus (Leueiscus) erythrophthalmus, angestellt. Die Erhaltung des Gleichgewichts des Fischkörpers im Wasser ist von der Schwimmblase unabhängig. Diese ist ihm dazu eher hinderlich als förderlich, vielmehr wird das Gleich- gewicht, dass der Fisch nämlich horizontal schwebend, den Rücken naclhı oben behält, allein durch die Thätigkeit der Flossen, und zwar theils durch die horizontalen Flossen, noch mehr aber, und schon allein hinreichend, durch die verticalen Flossen behauptet. ') Ein lebender Hecht, dem ich die horizontalen Flossen, nämlich Brustflossen und Bauchflossen, abgeschnitten halte, konnte sich noch im Gleichgewicht erhalten, aber als die Rücken- und Afterflosse abgeschnitten war, fiel er auf die Seile und sogar auf den Rücken. 4) Es giebt sogar Fische, bei denen die Schwimmblase durch ihre uosymmetrische Lage die eine Seite leichter macht. Diesen Fall beobachtete ich kürzlich bei Characinus niloticus Geoffr. Hier setzt sich die Schwirmmblase aus der Bauchhöhle am ganzen Schwanz bis zur Schwanzflosse fort, liegt aber am Schwanz in den Muskeln, rechts von den ossa interspinalia ioferiora, nahe der Basis der Afterflosse. 458 Einer lebenden Plötze wurden alle horizontalen Flossen abgeschnitten. Sie fiel auf die Seile, und dann ganz um, den Rücken nach unten, aber schief. Eine andere, die lebhafter zu sein schien, konnte nach dem Abschneiden aller horizonta- len Flossen noch recht gut schwimmen, sie fiel nicht auf die Seite, und erhielt sich vollkommen im Gleichgewicht durch die Rücken- und Afterflosse. Sie schwamm entweder mit der ganzen Schwanzflosse, die nach einer Seile geschlagen wurde, oder mit dem obern Lappen der Schwanzflusse allein, oder mit beiden Lappen der Schwanzflosse, die.sich in enlgegen- gesetzter Richtung bewegten. Wenn eine Plötze das Gleichgewicht völlig verloren hat, so liegt sie in der Regel schief im Wasser mit dem Rücken nach unten und seilwärts. Diese Lage scheint davon herzu- rühren, dass der leichteste Theil zwischen Rücken und Bauch, der Rücken aber schwerer als der Bauch ist. Ein im Wasser schief liegender Fisch kann einer im Wasser aufgehängten Wage verglichen werden mit ungleich schweren Armen, deren Hypomochlion der leichteste Theil des Fisches, die Schwimm- blase ist. Auf kurze Zeit muss es allerdings möglich sein, dass der Fisch vertical liegl, den Rücken gerade nach unten, aber die geringste Bewegung im Wasser muss ihn auf die Seite schief umlegen. Die mit einer Schwimmblase versehenen Fische sind doch oft schwerer als Wasser. Ein lebender Hecht, dem ich die horizontalen Flossen, auch die After- und Rückenflosse, abge- schnitten hatte, sank ganz unler. Eine lebendige Plötze sank mit unversehrten Flossen zu Boden und schwamm auf dem Boden des Gefässes. Indessen stehen viele mit einer Schwimm- blase versehenen Fische in Hinsicht ihres specifischen Ge- wichtes dem des Wassers so nahe, dass eine Kleinigkeit hin- reicht, sie an die Oberfläche zu halten oder zu Boden sinken zu lassen. *) Ein Plötze, die ich lange in den Häuden gehabt 1) Die grössere specilische Schwere des Wassers in grossen 459 hatte, schweßte unter der Oberfläche des Wassers; als ich sie todt am andern Tage wiedersah, lag sie am Boden des Ge- fässes, wahrscheinlich weil ein Theil der Luft durch Erschlaf- fung des Ausführungsganges der Schwimmblase ausgetreten war. Eine andere Plötze, der ich frisch das Gehirn quer ge- theilt hatte, sank unter, entweder weil die Muskeln der Schwimmblase contrahirt waren und die Luft derselben mehr verdichtet war als in der ersten, oder ein Theil derselben ausgetreten war. Eine lebendige Plötze. die vor dem Ab- schneiden der Flossen schwerer als Wasser war und auf dem Boden eines tiefen Behälters schwamm, befand sich nach dem Abschneiden der horizontalen Flossen dieht unter der Ober- Näche. Sie schwamm im Gleichgewicht, und zuweilen nä- herte sie sich dem Boden, und schwebte hier, ohne dass dies von Schwimmbewegung abhängig war. !) Es reicht also bei einem mit der Schwimmblase versehe- nen Fisch eine geringe Zusammendrückung der Schwimmblase, sei es durch ihre eigenen Muskeln oder, wenn sie keine be- sitzt, darch die Muskeln der Seitenwände hin, um den Fisch sinken zu machen und umgekehrt. In grossen Tiefen wird der Fisch schon durch den stär- kern Druck des Wassers auf die Blase befähigt, in der Tiefe zu verweilen. Wenn ein Fisch sich dieht unter der Oberfläche des Was- sers befindet, so ist seine Schwimmblase ohngefähr so ausge- dehnt, wie sie in der almosphärischen Luft über dem Wasser Tiefen kommt nicht in Betracht, da das Wasser durch einen Druck von 326 Almospbären nur um 0,035, durch eine Atmosphäre 0,0004 comprimirt wird. 4) Die Narkotisation der Fische beim Fischfang durch narko tische Pllanzen bringt auch hervor, dass die Fische leichter werden, durch Erschlaflung der Muskeln. Solche Fische kommen an die Ober- Nläche' des Wassers und liegen aul der Seite, schief oder ganz auf dem Rücken. S. v. Martius in Spix Selecta genera et species piscium, Monachii 1829, p. XIV. Rob. Schomburgk Fishes of Guiana. P. 4. Ediob. 4841. p. 110. 460 sein würde und wie wir sie sehen, wenn wir den Fisch aus dem Wasser herausnehmen und seine Schwimmblase unler- suchen. Die Schwimmblase der frischen Cyprinoiden ist dann immer sehr ausgedehnt. Es ist das Maximum ihrer Ausdeh- nung bei dem geringsten Druck. Steigt ein Fisch von der Oberfläche bis 32 Fuss hinab, welches gleich ist dem Druck einer Atmosphäre, so erleidet die Luft seiner Schwimmblase einen doppelt so hohen äussern Gegendruck als an der Ober- fläche, sie steht also unter dem Druck von 2 Atmosphären und ihr Volumen muss nach dem Mariotte’schen Gesetz halb so gross sein ala an der Oberfläche. Bei 320 Fuss Tiefe drücken 11 Atmosphären auf die Schwimmblase. Ihr Volu- men und das ihrer Luft muss 11 Mal so gering sein als an der Oberfläche. Ein Fisch, der in 1000 Fuss Tiefe lebt, hat das Volumen der Schwimmblase 32 Mal kleiner, als wenn er au der Oberfläche des Wassers ist. In diesem Zustande muss die Schwimmblase ganz collabirt sein. Würde ein Fisch von der Oberfläche in eine grosse Tiefe, und dann von der Tiefe wieder schnell zur Oberfläche stei- gen, so würde die Luft der Schwimmblase sich gerade wieder zu dem Volumen ausdelinen, das sie vor dem Senken gehabt hat, und es ist kein Grund vorhanden, anzunehmen, dass sie platzen soll. Hat aber ein Fisch längere Zeit in der Tiefe ge- lebt, so dass sich die Luft, selbst bei ihrer Verdichtung, durch neue Absonderung vermehrt hat, und er wird dann plötz- lich gefangen an die Oberfläche gebracht, so wird die Schwimmblase entweder platzen müssen oder durch die zu grosse Ausdehnung ein Theil der Baucheingeweide, z. B. der Magen, durch den Mund herausgepresst werden, was nicht selten ist. i Die mit einem Luftgang versehenen Fische, die Malacopte- rygüi abdominales, die Aale und Störe, können sich gegen diese Gefahr schülzen, indem sie einen Theil der Luft durch den Luftgang als durch ein Sicherheitsvenlil austreten lassen, durch Wirkung der Muskeln der Schwimmblase oder Seiten- 461 wände. Wenn die Luft der Schwimmblase in der Tiefe des Wassers stark comprimirt ist, so wird keine Luft von selbst durch den Gang austrelen können, weil er nach unten von der Blase abgeht. Es ist also ganz derselbe Fall, wie wenn ich ein Glas mit Luft in Wasser umstürze und immer tiefer hinabsenke, die Luft wird immer stärker comprimirt ein im- mer kleineres Volumen einnehmen, nichts davon kann ent- weichen. Polypterus bichir ist der einzige Fisch, wo der Luft- gang nach oben, d. h. in der untern Wand des Schlundes und zwar mit einem weiten Schlitz sich öffnet. Da die Schwimmblasen selbst höher liegen als die Ausmündung, so ist der grössere Theil der Luft von selbst vor dem Entweichen gesichert, und nur derjenige Theil der Luft, der den unpaaren Anfang der beiden Schwimmblasen nahe der Oeffnung füllt, muss durch den Sphincter vom Entweichen gehindert werden. Wenn ein Theil davon von Zeit zu Zeit entweicht, so wird er olıne Zweifel durch beständige Absonderung der Luft wie- der erzeugt, es ist auch möglich, dass diese Fische Luft an der Oberfläche des Wassers schlucken, ihre Spritzlöcher, mit knöchernen Klappen versehen, und mit Muskeln derselben, werden sie daran nicht verhindern. Die Cyprinoiden und Characinen haben zwei hinter ein- ander liegende, durch eine Einschnürung getrennte Schwimm- blasen, von der hintern geht der Luftgang ab. Eine bisher unbemerkte Eigenthümlichkeit dieses Baues, welche auf seinen Zweck Licht wirft, ist, dass die vordere Schwimmblase in holiem Grade elastisch, die hintere unelastisch ist. Die hintere besteht aus einer festen, unelastischen äussern Haut, die mit der Schleimhaut innig verbunden ist; die vordere besteht ausser der Schleimhaut aus zwei anderen Häuten. Von diesen ist die äussere eine sich leicht ablösende, dicke, weiche, faserige Mem- bran, deren Fasern leicht zerreissen, und die selbst sehr leicht zerreisst, Die wichtigste Haut der vordern Schwimmblase ist die zweite Membran. Diese ist fest, aber schr elastisch, und dadureh imterscheidet sie sich wesentlich von der Haut der 462 hintern Schwimmblase. Man hat nicht leicht Gelegenheit, eine feste und zugleich höchst elastische thierische Membran in solcher Ausdehnung zu benulzen. Diese Membran ist an ih- rem vordern Umfange durelı ein Band an einen eignen Fort- satz des zweiten Wirbels befestigt, so dass diese Stelle das punclum fixum für die Volumsveränderung der Blase bilden muss. Die weiche, äussere Faserhaut der vordern Schwimm- blase ist es, welche bei Cyprinoiden und Characinen mit dem grössern Knochen der bekannten Kette der Gehörknöchelchen in Verbindung steht. Die Characinen und Cyprinoiden be- sitzen auch gleiche Muskeln der beiden Schwimmblasen. Sie sind bei den Characinen des Nils durch Geoffroy St. Hi- laire, bei den Cyprinoiden durch E. IH. Weber bekannt. Die vordere oder elastische Schwimmblase besitzt einen Mus- kel an ihrer untern Fläche. Er stellt eine muskulöse, aus Querbündeln bestehende Binde dar, welche vom vordern Theil der Blase bis zum hintern reicht und welche in die elastische Haut eingesetzt ist. Die Muskeln der hintern Schwimm- blase sind doppelt, ein rechter und linker, und sind Binden, welche die ganzen Seiten der Blasen bekleiden, sie bestehen ebenfalls aus Querbündeln. Am vordern Theil der hintero und am hinlern der vordern Schwimmblase liegt noch ein ringförmiger Muskel aus radialen Bündeln, in der Mille des- selben geht das Verbindungsrohr der beiden Schwimmblasen ab. An einigen Charaeinen, Cilharinus, Schizodon, Hydrocyon theilen sich die seitlichen muskulösen Binden von Querfasern vorn gabelförmig und verbinden sich mit der Gabel der ent- “ gegengesetzten Seile. Das combinirte System einer vordern elastischen und hin- tern unelastischen Schwimmblase, wie es bei den Cyprinoiden und Charaejnen erscheint, bringt ein neues Element in die Statik der Fische. Es kann den vordern oder hintern Theil des Fisches leichter machen und ein Aufsteigen des einen oder andern Theils bedingen. Obgleich die Cyprinoiden meist ho- rizontal im Wasser schweben, so habe ich doch gesehen, dass 463 diese Stellung nicht constant bleibt, auch dann, wenn eie sich durch ihre horizontalen Flossen nicht ändern kann. Eine Plötze, der alle horizontalen Flossen abgeschnillen waren, und welche noch ganz im Gleichgewicht schweble und schwaınm, behielt bald eine mebr horizontale Stellung, bald hingegen war das Hintertheil höher und der Kopf unten, und sie schweble eine lange Zeit in dieser Stellung. Wenn die Muskeln der hintern Schwimmblase allein wirken, so muss ein Theil der Luft in die vordere Blase gedrückt und diese bei ihrer Elastieität aus- gedehnt werden, der Fisch also vorn leichter werden und aufsteigen. Umgekehrt muss die Contraetion und Verkleine- rung der vordern Blase den vordern Theil des Körpers speei- fisch schwerer machen. Drückt man an einer herausgenommenen Schwimmblase eines Cyprinen nach Unterbindung des Lufiganges die hintere zusammen, so lässt sich die vordere um % ihres Volumens aus- delinen, wie man siehl, wenn man die vordere Schwimmblase dabei in ein graduirtes Gefäss mit Wasser eingetaucht hat und das Niveau des Wassers beobachtet. Die hintere Schwimm- blase verändert ihr Volumen so gut wie gar nicht beim Zu- sammendrücken der vordern, wenigstens nicht bei der noch vollen gespannien Schwimmblase einer frischen Plötze. Ist aber ein Theil der Luft erst ausgelreten, so lässt sich auch die hintere Schwimmblase erweitern durch Zusammendrückung der vordern, indem das Gewebe der hintern Blase zwar un- elastisch ist, aber doch gleich andern Häuten bis auf einen gewissen Grad ausgedehnt werden kann. Dieser Grad ist aber bei dem Volumen, welches die Schwimmblase eines frisch ans dem Wasser geholten Cypriuen hat, bei der hintern Blase schon erreicht, während die vordere im höchsten Grade ausdehnbar bleibt. Bringt man die Schwimmblase eines frischen Cyprinen in die Luftpumpe, so schwillt die hintere Schwimmblase we- nig oder gar nicht an, die vordere aber dehnt sich auffallend aus. Und lässt man den Druck der Atmosphäre wieder plötz- 464 lich zu, so zieht sich die vordere Blase schnell und sichtbar durch ihre Elastieität auf ihr voriges Volumen zurück. Hier- aus kann man abnehmen, wie eine Compressionspumpe auf diese Blasen wirkt. Denn beim Zutritt der Luft geschieht dasselbe, wie wenn ich die Blase aus der Luft in eine Com- pressionspumpe bringe. Man darf diese Blasen nicht lange im luftleeren Raum lassen, sie verlieren sonst einen grossen Theil der Luft durch Entweichen durch die Wände. Aus diesen Versuchen kann man sich einen Begriff ma- chen, wie der mit der Tiefe des Wassers zunehmende, beim Aufsteigen abnehmende Druck des Wassers verschieden auf die beiden Blasen wirken muss. Denn wenn die Fische hin- absteigen, so muss die vordere Schwimmblase sich stärker vermindern als die hintere, weil ihre Elastieität mit dem ver- minderten innern Druck zusammenkommt. Die Fische wer- den daher von selbst in eine dem Herabsenken entsprechende Stellung kommen, und sie auch in der Tiefe behalten. Wenn sie dagegen aufsteigen, so wird sich in dem Grade, als sich der Druck der Wassermassen vermindert, das Volumen der vordern Schwimmblase stärker als die hintere ausdehnen, und der Fisch nothweudig dadurch eine schief aufsteigende Stel- lung bekommen. Die Muskeln, welche jede der Blasen be- sitzt, können, wenn sie allein wirken, diese Wirkungen auf- heben und dem Fische in jeder Tiefe eine horizontale Schwe- bung sichern. Was bei den Characinen und Cyprinoiden durch ihre doppelte Schwimmblase geschieht, das ist bei den Ophidien und Siluroiden, die den von mir beschriebenen Springfeder- apparat ?) besilzen, auf andere Weise ersetzt. Alle diese Ein- richtungen bezwecken die Erweiterung des vordern Theils der Schwimmblase. 1) Siehe Archiv 1842. p. 319. Ueber die neue Zungendrüse. Herr Dr. A. Nuhn, Prosektor und Privaldocent an der Uni- versität zu Heidelberg, hat in seiner Schrift: „‚Ueber eine bis jetzt noch nicht näher beschriebene Drüse im Innern der Zungenspitze, Mannheim 1845. 8. mit zwei Steinzeichnungen,* die unter der Zungenspilze, zu jeder Seite neben der Mittel- linie, in den Fleischfasern der Zunge verborgene, länglich ovale, etwas plalte Zungendrüse gut beschrieben und abgebil- det, ist aber fest der Meinung, diese Schleimdrüsen der Zunge, wofür ich sie mit ihm halte, seien von ihm zuerst aufgefun- den und noch nicht vorher gekannt. Ich kenne diese beiden Zungendrüsen bereils neun Jahre. fand dieselben bei der Ver- folgung der injieirten Art. lingualis an einer herausgenomme- nen Zunge, und glaubte, wie Herr Dr. Nuhn jelzt der Mei- nung ist, ich hätte eine noch nicht bekannte Drüse entdeckt. Beim Nachsehen der Schriften über den Bau der Zunge fand ich sber in dem Trait& d’anatomie topographique, ou anato- mie des r&gions du corps humain par Ph. Fred. Blandin, second. &dit. Paris 1834. 4. pag. 175. in der Anmerkung: J’ai deerit encore (nämlich in den Archives g@n6rales de medecine) 2) deux glandes que j’ai appeldes linguales, glandes placdes sous le repli frange de la face inferieure de l’organe, et ca- chees immedialement par le muscle lingnal, et par le long faisceau du styloglosse. Mülloe's Archiv 1815. 30 466 Mein Präparat von der Zungenarterie und diesen Drüsen hat auch J. Müller von jener Zeit an gekannt und dasselbe oft zu seinen Vorlesungen benutzt. Ich will aber mit dieser Berichtigung, dass Ph. Fried. Blandin der Entdecker der Zungendrüsen ist, keineswegs Herrn Dr. Nuhn einen Vorwurf über lässiges Nachsuchen in den Schriften machen, man kann so etwas übersehen, und die Herausgeber der neuesten Hand- bücher über Anatomie haben dasselbe gelhan, indem ja keiner der Drüsen erwähnt. Prof. Schlemm. Entdeckung des Baues des Glaskörpers; von Apoıpn HannovER. Hierzu Tafel XIV. Den Glaskörper hal man sich früher aus Zellen zusammen- geselzt vorgeslellt, zu dieser Annahme dadurch geleitet, dass derselbe, wenn er von seiner Umgebung befreit wird, nicht plötzlich, sondern nach und nach zerfliesst, worauf ein häuli- ges Wesen zurückbleibt, in welchem man sich die Flüssigkeit enthalten dachte. Wenn man ferner das Auge gelfrieren liess, konnte man aus dem Glaskörper Eisstücke von verschiedener Form und Grösse herausnehmen und von diesen ein lläutchen abziehen, wie dies Zinn schon genauer beschrieben hat. Pappenheim) erhärtele den Glaskörper des Ochsen und des Menschen in Kali carbonieum, wodurch er weiss wurde und sich zwiebelartig in concentrische Schichten ab- blättern liess; die einzelnen Blälter sind nach ihm weich, zei- gen keivnen muschligen Bruch und können etwa den Schich- ten des weichgekochten Eiweisses verglichen werden. Jede Schicht besteht beim Rinde aus äusserst feinen Fasern und dieht gedrängt stehenden Körnern mit einem inneren dunkle- ren kleinen Theile. Im menschlichen Auge zeigten sich die Fäden isolirbar, waren unmessbar fein, elwas_geschwungen, wie Sehnenfasern, und gelblich. An frischen Glaskörpern 1) Specielle Gewebelehre des Auges p. 182. 80° 468 konnte er niemals, selbst nach Behandlung mit Kali carboni- cum, eine Spur einer Organisalion entdecken, weshalb es zur Darstellung der Fasern einer langen Einwirkung bedarf. — Diese Annahme eines geschichtelen Baues ist wenigstens, was den Menschen anbetrifft, nicht richtig und kann hier nur als die geschichtete Coagulation des gewöhnlichen Eiweisses ge- deulet werden. Um einen Niederschlag 'auf den sich im Glaskörper be- findenden Häulchen hervorzurufen, benutzte Brücke !) eine concentrirte Lösung von essigsaurem Bleioxyd. An Schöpsen- augen wurde die Sclerotica 2? — 3 Linien hinter dem Rande der Cornea durehschnitten, und sie nebst der Chorioidea und Retina entfernt. Die Oberfläche bedeckte sich alsobald mit einem weissen Ueberzuge, und als nach einigen Stunden ein Stück aus dem hinteren Theile des Glaskörpers herausgeschnit- ten wurde, war die Schnittfläche von feinen, milchweissen, der Oberfläche parallelen Streifen durchzogen, so dass sie durchaus das Ansehen eines feingestreiften Bandachats darbot. Brücke überzeugle sich bald, dass diese Streifen von milch- weissen Schichten berrührten, welche den Glaskörper in der Weise durchselzten, dass die äussersten von ihnen der Retina, die innersten der hinteren Fläche der Linse näherungsweise parallel waren; so dass die Abstände in der Axe des Auges am grössten waren, nach der Zonula Zinnii hin immer kleiner wurden und sieh hier bis auf 0,004 Pariser Zoll und mehr näherten. Die äusseren Schichten endigten, .indem sie sich mit dem Theile der Membrana hyaloidea verbanden, auf wel- eher die Zonula Zinnii_aufliegt. Er konnte sich aber nicht überzeugen, ob die mittleren und inneren Schichten in glei- cher Weise endigen, oder ob sie hinter der Zonula Zinnii mit einander in Verbindung stehen, so dass sich die mittleren als inneren fortselzen und also in einander eingeschachlelte ge- schlossene Säcke bilden. Ingleichen ist er ungewiss geblieben, 1) Müller’s Archiv 1843. p. 345. 469 ob die innerste Schicht urmiltelbar hinter dem Theile der Hyaloidea liegt, welcher die tellerförmige Grube auskleidet, oder ob sich hier ein Raum von 1 — 14‘ befindet, welcher keine Schichten zeigt. Brücke's Beobachtung an Schöpsenaugen ist nur theil- weise riehlig; die äusseren Schichten sind wohl mit der Netz- haut concentrisch, wie ‚ie inneren Schichten (womit er walır- scheinlich die vorderen meint) mit der hinteren Fläche der Linse. Dagegen ist die Angabe der Art, wie die Schichten endigen, nicht vollständig, denn die Schichten gehen wirklich in einander über, und es werden deshalb vollkommen’ ge- schlossene und in einander eingeschachtelte Säcke gebildet. Ich habe dies an Augen gefunden, die lange Zeit in verdünn- ter Chromsäure gelegen hatten, wodurch sie eine sehr bedeu- tende Härte erlangen, wahrscheinlich durch die Coagulation der proleinhaltigen Substanzen verursacht, obgleich ein Theil derselben vielleicht durch eine Exosmose auch ausgezogen wird und in dichten Flocken das Präparat auswendig bedeckt. Ich werde nun zuerst den Bau des Glaskörpers einiger Säu- gelhiere beschreiben und darauf das sehr abweichende und eigenthümliche Verhalten beim Menschen. Unter den Säugethieren ist mir beim Pferde der Bau am deutlichsten geworden. Macht man einen horizontalen Querschnitt des Auges gerade durch den Sehnerven, so zeigt sich auf der Schnitifläche eine Anzahl ziemlich dieker con- eentrischer Schichten, die wiederum in feinere gelheilt sind. Der ganze Glaskörper hat die Form einer schief Nachgedrück- ten Zwiebel, dessen äussere Hälfte wegen der ganzen Form des Auges grösser ist. Die Querfläche der Zwiebel liegt ge- gen die hintere Wand der Linse und gegen das Corpus ci- liare, die Spitze der Zwiebel liegt gegen den Eintritt des Sehnerven. Die ganze Schnittläche enthält concentrische Schichten, alle von derselben Hauptform, so dass die äusseren der inneren Contour des Auges folgen, indem sie dieker sind da, wo sie auf der Netzhaut rulen und besonders an der 470 Stelle, wo das Auge sich stark auswärts buchtet, darauf dün- ner werden hinter der Linse und wiederum dicker an der entgegengeselzien Seite. Betrachtet man also den ganzen Glas- körper, so besteht er aus vollständig geschlossenen und in einander eingeschachtellen Säcken, wie angeführt, von ver- schiedener Dicke an den verschiedenen Stellen; die äusseren Säcke sind die grössten; die inneren, die zugleich dem Ein- tritte des Sehnerven näher liegen als der Linse, sind die kleinsten. Eine Linie, die man sich von der Mitte des Sehnerven zur Mitte der hinteren Wand der Linse gezogen denkt, durchschneidet die Spitze aller Säcke und die Mitte ihres convexen Bodens. Die äusseren Säcke sind weicher und durchsichliger, die in- neren, und zwar besonders gerade hinter der Linse, sind fester und zugleich feiner; im Ganzen genommen sind alle Säcke dieker an den Seiten des Auges, dünner im Boden und gegen den Eintritt des Sehnerven. Durchschneidet man das Auge mittelst eines senkrechten Querschnittes, hat man dasselbe Aussehen, als wenn man eine Zwiebel auf ähnliche Weise durchschneidet; dieser Schnitt ist jedoch nicht so instrukliv; denn man erhält nur das Ansehen von einer concentrischen Schichtbildung. — An der Ora serrata ist die Aussenseite des Glaskörpers genau mit derselben vereinigt, lässt sich aber leicht vom Corpus ciliare, wo die Tunica hyaloidea indessen bedeutend dicker wird, trennen. Ich werde dies Verhältniss genauer beim Menschen beschreiben. Einen ganz ähnlichen Bau fand ich bei der Katze, dem Hunde, dem Ochsen und dem Schafe; doch werden die in einander eingeschachtelten Säcke so dünn und liegen so dicht auf einander, besonders bei den drei erstgenannten Thie- ren, dass der ganze Glaskörper eine solide Masse zu bilden scheint. Ich empfehle daher zur ersten Untersuchung beson- ders das Auge des Pferdes; vielleicht beruht hier das deut- lichere Hervortreten der Säcke auf der geringern Consistenz des Glaskörpers im frischen Zustande oder auf der geringern 4741 Menge von Eiweiss, obschon die ganze Eiweissmenge im Glas- körper nach Berzelius überaus klein ist. Im hohen Grade auffallend musste es mir sein, einen ent- sprechenden Bau von in einander eingeschachtelten Säcken im menschlichen Auge zu vermissen. Ich entdeckte zuerst den Bau des Glaskörpers beim Menschen in zwei colobo- malösen Augen, von welchen in der nächstfolgenden Abhand- lung die Rede sein wird, und legte gleich mehrere normale Augen in verdünnte Chromsäure, um sie zu erhärten. Der Glaskörper des menschlichen Auges besteht aus lau- ter Sectoren, die den Bogen nach aussen kehren, während alle Wiukel gegen die Augenaxe convergiren. Man kann sei- nen Bau am besten mit dem Bau einer Apfelsine vergleichen, die man bekanntlich in mehrere Sectoren zerlegen kann. Macht man einen senkrechten Querschnitt eines in Chrom- säure wohl erhärtelen Auges, so sieht man auf der Schnitt- fläche eine Menge nach innen convergirender feinen Streifen, welche die Radien der Sectoren sind, Die Axe, gegen welche alle Sectoren convergiren, ist die Sehnervenaxe von der Mitte des Eintriltes des Sehnerven zur Mitte der Hornhaut, folglich dieselbe Stelle einnehmend, wie die A. centralis beim Kinde im Canalis hyaloidens. An erhärteten Augen Neugeborener, wo die Arterie noch oflen ist '), ist es noch deutlicher als beim Erwachsenen, dass der Canalis hyaloideus die gemein- schaftliche Axe aller Sectoren ist; es entspringen vom Kanal mehrere Strahlen, die stärker als die übrigen sind. Die Win- kel der Sectoren reichen indessen nicht ganz bis an die Axe. Der Theil des Glaskörpers nämlich, der dem Kanale am näch- sten liegt, ist so zu sagen texturlos und von einförmigerem Baue; er ist zugleich beim Kinde absolut und relativ grösser 4) Ich besitze ein in Chromsäure erhaltenes Auge eines neuge- boruen Kindes, wo man aul dem senkrechten Querschnilte zwei Oell- nungen in der Mitte des Auges neben einander sieht für die Arteria und Vena centralis, 472 als beim Erwachsenen und erscheint an senkrechten Quer- schnitten durch eine kreisförmige Linie von den Secloren ge- sondert. Vielleicht rührt dies einföürmige Ansehen daher, dass alle Sectoren nach innen so fein werden, dass sie fast ver- schmelzen. Bei Erwachsenen habe ich übrigens niemals den Kanal oder die Arterie offen getroffen. Wenn wir jene Vergleichung des Baues des Glaskörpers mit demjenigen einer Apfelsine fortsetzen, wird es einleuch- tend, wie ein horizonlaler oder longitudinaler Schnitt aussehen wird. So wie nur eine plane Wand erscheint, wenn man eine Apfelsine mitten durchbricbt ohne einen Sector zu be- schädigen, ebenso verhält sich auch der Glaskörper. Ist jener Schnitt im Glaskörper so gefallen, dass kein Sector beschä- digt wurde, sondern gerade zwischen die Wände von je zwei Seetoren ging, so zeigt sich nur eine plane Wand, und der übrige Bau wird nicht klar. Ist der Schnitt dagegen mehr schräg gemacht, so dass mehrere Secioren durchgeschnitten sind (ebenso wie wenn man eine Apfelsine nicht in der Axe, sondern seitwärts durchschnitten hat), so zeigt sich auf der Schnittfläche eine grössere oder geringere Anzalıl von Strei- fen, die mit der Concavilät des Auges parallel laufen, die aber zu der Annahme eines geschichteten Baues nicht verleiten dürfen. Ich habe an zwei Augen ungefähr 180 Radien gezählt, weshalb der ganze Glaskörper aus ungefähr ebenso vielen Sectoren zusammengeselzt ist. Selzt man den inneren senk- rechten Durchmesser des Auges = 9,5‘, so wird der Bogen jedes Sectors ungefähr ‘“, wenn der innere Umfang des Au- ges ungefähr = 30“ ist. Doch können zwei oder drei Sec- toren während ihres Convergirens gegen die Mitte des Auges mit einander verschmelzen. Ob jeder Sector seine besondern Wände hat, oder ob je zwei Sectoren eine gemeinschaftliche Wand haben, vermag ich nicht zu entscheiden; auch glaube ich nicht, dass das Innere der Sectoren durch Querwände ge- theilt ist. Der ganze Glaskörper hängt an Chromsäurepräpa- 473 ralen mit der Netzhaut und der hinteren Fläche der Liusen- kapsel sehr innig zusammen. Tunica hyaloidea, auf deren äusserer Fläche ich schon früher ') bei Fischen, Vögeln und Säugethieren ein Platten- epithelium aus grossen sechseckigen Zellen mit grossem Kerne nachgewiesen habe, mit den von ihrer Innenseite senkrecht abgehenden und gegen die Angenaxe convergirenden Wänden bildet auf diese Weise das häutige Skelet für den flüssigeren Theil des Glaskörpers. Dieser Theil ist indessen nicht ganz wässerig; denn der Inhalt der Sectoren besitzt an Chrom- säurepräparaten eine geleeartige Consistenz, so dass man mit einer Nadel nieht ohne Gewalt oder ohne Beschädigung der Wände ins Innere eines Seclors dringen kann. Brücke er- wälnt eines ganz ähnlichen Verhältnisses nach Behandlung mit essigsaurem Bleioxyd. Unter dem Mikroskope zeigen sich die Sectorwände als strukturlose, durchsiehtige Membranen mit einer unzähligen Menge sehr kleiner Körner, die als Niederschlag auf den Häu- ten anzusehen sind, bedeckt; auch Brücke erhielt einen ähn- lichen Niederschlag mit essigsaurem Bleioxyd. Eine besondere Erwähnung verdient das Verhältniss des Glaskörpers nach vorn. Ora serrata ist die scharfe vordere Grenze der Netzhaut; keine der Elemente der Netzhaut, we- der Stäbe und Zwillingszapfen, noch die Gehirnsubstanz der Netzhaut, gehen weiter vorwärts. Mit der Ora serrata ist die Aussenfläche des Glaskörpers so genau vereinigt, dass sie nicht ohne Zerreissung der Netzhaut oder der Tunica hyaloi- dea gelöst werden kann. An dieser Stelle theilt sich nun die Tunica hyaloidea in zwei Blätter, ein hinteres Blatt, des- sen vordere Fläche glatt ist und dessen hintere (innere) Fläche die Wände der Sectoren trägt, und ein vorderes Blatt, wel- ches sich auf der Ora serrala mit einer Gefässausbreilung ver- einigt, die sich zwischen Netzhaut und Glaskörper befindet. 4) Müller’s Archiv 4840. p. 328. 336. 340. 474 Es ist dies jene Gefässausbreitung, die allgemein das Gefäss- blatt der Netzhaut genannt wird; aber diese Benennung ist nicht passend. Denn erstens ist die Gefässausbreitung kein Blatt oder kann als solches dargestellt werden, wogegen ich an Chromsäurepräparaten die ganze baumförmige Verzweigung der A. centralis von der Netzhaut ablösen konnte, ohne sie zu verletzen und ohne dass ein Blatt von Zellgewebefasern mitfolgle, worin die Gefässe verlaufen könnten. Ferner gehö- ren diese Gefässe nur theilweise der Netzhaut an und treten erst mit der Netzhaut gegen deren vorderes Ende in Verbin- dung, ohne sonst in die tiefer liegende Substanz der Netzhaut hineinzudringen, sondern zwischen der innern Schicht der Gehirnzellen verlaufend; ich habe niemals an irgend einer an- dern Stelle der ganzen Netzhaut irgend ein Gefäss gefunden. Jene Gefässe stossen darauf an einen Circulus arteriosus (et venosus), welcher auf der Innenseite der Ora serrala oder et- was hinter derselben ruht. Es wird nun gewöhnlich ange- nommen, dass von dieser Stelle an das sogenannte Gefässblalt der Netzhaut mit der Tunica hyaloidea verschmelze und das Corpus ciliare überziehe. Ich glaube indessen, dass der grösste Theil dieses Ueberzuges jenem vorderen Blatte der Tunica hyaloidea angehöre, welches sich aber bedeutend verdickt, und das sogenannte Gefässblatt der Netzhaut nimmt nur insofern daran Theil, als seine Gefässe auf der äusseren oder inneren Fläche des Ueberzuges verlaufen. Dieses Blatt überzieht erst den nicht gefalteten Theil des Corpus ciliare, darauf die Pro- cessus ciliares, giebt dann ein Blatt ab, welches die hintere Wand des Canalis Petiti bildet, schreitet weiler nach vorn auf den Processus ciliares und giebt zuletzt ein Blatt ab, wel- ches die vordere Wand desselben Kanals bildet. Der Durch- schnitt des Canalis Petiti ist deshalb nicht dreieckig, wie man ihn gewöhnlich abbildet, sondern trapezoidal; die hintere Wand ist elwas breiter als die vordere, die innere, welche von der Seite der Linse gebildet wird, ist bedeutend breiter als 475 die äussere Wand, die einem Theile der Processus ciliares angehört. !) Zwischen den zwei Blättern, worin die Tunica hyaloidea sich auf der Ora serrata Iheilt, wird ein breiter ringförmiger Kanal gebildet. der ungefähr denjenigen Theil der Vorder- fläche des Glaskörpers einnimmt, welcher der Fossa lentieula- ris nicht angehört, also ungefähr den Pars ciliaris corporis vi- frei. Der Kanal folgt in seiner ganzen Anlage den Verlie- fungen und Erhabenheiten des Corpus ciliare. Seine vordere coneave Wand wird von der Tunica hyaloidea gebildet, welche das ganze Corpus ciliare überzieht und die hintere Wand des Canalis Petiti ausmacht; die Wand streckt sich etwas längs des Seitentheils der hinteren Fläche der Linsenkapsel, inner- halb und hinter der Insertion der hinteren Wand des Canalis Petiti. Seine hintere convexe Wand wird von demjenigen Blatte der Tunica hyaloidea gebildet, welche auf ihrer Innen- seite die Wände der Glaskörpersectoren trägt. Der äussere scharfe und genau begrenzte Rand des Kanals ist die Ora ser- rata oder der Wiukel, wo die Tunica hyaloidea sich zur Bil- dung des Kanals spaltet; der innere Rand wird der Winkel zwischen der hinteren Wand der Linsenkapsel und demjeni- gen Theile der Tunica hyaloidea, welcher die hintere Wand des Kanals bildet; Tunica hyaloidea ist nämlich sehr genau mit der hinteren Wand der Linsenkapsel vereinigt und kann 4) Muskelfasern habe ich in der Zonula Zinnii, wie Retzius angiebt, nicht finden können, obgleich ich diesen Gegenstand zu wie- derholten Malen bei dem Menschen, dem Ochsen und dem Hunde untersucht habe, sowohl. an frischen Präparaten als an in Chromsäure aufbewahrten, wo sonst die den Muskelfasern charakteristischen Quer- steeifen noch deutlicher hervortreten als im frischen Zustande, Da- gegen fand ich, dass die Zonula als vollständige Membran ohne Oefl- nungen (Jacobson) aus geraden und steifen Fasern mit parallelen glatten Rändern gebildet wird; ich halte sie zunächst für elastische Fasern. Die Benennung Ligamentum suspensorium Jenlis ist sehr passend, 476 nicht ohne einige Gewalt von ihr gelrenn! werden, wogegen die Wände des Kanals selbst sich gegenseitig nur leicht be- rühren. Die Aehnlichkeit, welche zwischen der Bildung die- ses Kanals und des Canalis Petiti existirt, indem nämlich beide von der sich in verschiedene Blätter spallenden Tunica hya- loidea gebildet werden, wird noch dadurch erhöht, dass der innere Theil oder der innere Rand beider Kanäle weniger scharf begrenzt ist; die Insertion beider Wände des Canalis Petiti auf den Oberflächen der Linsenkapsel ist auch nicht scharf, sondern die Fasern der Wände lassen sich auf der Linsenkapsel eine Strecke weit verfolgen. Ob dieser Kanal _ einen flüssigen Inhalt hat und welche seine Bestimmung ist, kann ich nicht entscheiden, Ich kann nicht genug die von Jacobson eingeführte Aufbewahrung in verdünnter Chromsäure empfehlen, beson- ders zur Untersuchung des Baues des Auges; man kann mit der grössten Leichtigkeit Schnitte in jeder beliebigen Rich- tung machen, und selbst die zartesten Theile, z. B. die Pro- cessus ciliares des Glaskörpers, treten mit einer ausserordent- lichen Bestimmtheit hervor. Auffallend ist es, dass der Bau des Glaskörpers dem sonst überaus scharfen Auge Jacobson’s entgangen ist; vielleicht hat er nur Längenschnitte des mensch- lichen Auges gemacht, an welchen der Bau nicht so deutlich hervortrilt, wie an Querschnitten, oder auch sind seine Prä- parate nicht durch gehörig langes Liegen in Chromsäure ge- nugsam erhärtel gewesen; denn ein Zeilraum von einem hal. ben Jahre ist nothwendig, damit die Erhärtung vollständig erfolge. Diese Bedingung ist auch die Ursache, weshalb ich mich noch nicht über den Bau des Glaskörpers bei den drei übrigen Thierklassen aussprechen darf. Erklärung der Kupfertafel. Fig. 4. Senkrechter Querschnitt eines in Chromsäure erhärteten menschlichen Auges; alle Sectoren strahlen gegen die mehr texturlose Mitte hin; eine schwache ringförmige Begrenzung tritt ungefähr in 477 der Mitte der Radien hervor. Diese Theilung ist noch deutlicher beim Neugeborenen und ist besonders hervortretend im colobomatö- sen Auge (siehe Fig. 6.). Fig. 2. Horizontaler Querschnitt eines gleichfalls in Chromsäure erhärteten menschlichen Auges. Nach aussen sieht man die Sclero- tica, die Chorioidea und die Retina; vorn die Hornhaut, die vordere Augenkammer, die Iris und die Linse, und an deren Seiten den tra- pezoidalen Canalis Petiti im Durchschnitt zwischen den Processus eiliares und der Linsenwand. Der ringlörmige Kanal ist weiss ge- lassen; von der Ora serrata beginnend liegt er zwischen dem hinteren Blatte der Hyaloidea und dem vorderen Blatte, welches das Corpus eiliare und die Processus ciliares überzieht; die vordere Wand wird ferner von der hinteren Wand des Canalis Petiti und von einem Theile des Seitentheils der hinteren Kapselwand gebildet. ; Einige Beobachtungen über den Bau der Linse bei Säugethieren und dem Menschen; von ApopHu HannovER. Bekanntlich lässt sich die Linse durch Härtung, besonders mit- telst einer Säure, in coneentrische, sehr dünne Bläller theilen, die aus eigenthümlichen flacben Fasern oder vielmehr aus sechsseiligen, elwas flachgedrückten Säulen bestehen, welche bei allen Wirbellhieren, so wie beim Menschen sich durch die sehr feio gezackten Ränder auszeichnen. Diese Fasern ent- springen bei Säugelhieren von bestimmten Punkten der Lin- senoberflächen. Ist nämlich die Linse erhärtet, so zeigt sich auf der vorderen Fläche eine dreischenkliche Spalte m: die Schenkel reichen auf der Oberfläche nicht ganz bis zum Lin- senrande. Auf der hinteren Fläche steht diese Spalte in der entgegengeselzten Richtung Y“. Von diesen Spalten strahlen die Fasern in der Art aus, dass die längste Faser einer Linsen- Näche sich in die Mitte des Winkels zwischen zwei Schenkeln legt und auf der entgegengesetzien Fläche gerade an das Ende eines Schenkels der Spalte dieser Oberfläche stösst. Die übri- gen Fasern verlassen die Seite eines Schenkels unter einem spilzen Winkel und stossen auf der entgegengeselzten Ober- 479 fläche ebenfalls an die Seile eines Schenkels.. Daraus folgt eine Anordnung, wodurch alle diejenigen Fasern, die in dem- selben krummen Plauo liegen, dieselbe Länge haben würden, wenn die Oberflächen der Linse Kugelsegmente von gleich grossen Radien wären. Diesen Verlauf kaun man sich durch folgende Figur verdentlichen. Die Linien stellen in dieser, wie in den beiden übrigen Figuren den Faserver- lauf auf der vorderen Linsenfläche dar, die Punkte den Verlauf auf der hinteren Fläche; durch die stärkeren Linien und Punkte ist die dreischenkliebe Spalte beider Oberflächen angegeben. Man sieht leicht, dass die Fasern efi= beh = adg; der Unterschied ihrer Länge beruht nur darauf, dass die Oberflächen der Linse nicht gleich stark ge- krümmt sind. Die längste Faser der vorderen Fläche wird die kürzeste der hinteren, und umgekehrt. Die dreischenkliche Spalte erscheint bald als eine feine dankle Linie, bald dagegen ist sie mit einer Masse angefüllt, die gewöhnlich heller als die übrige Linsensubstanz ist; unler dem Mikroskope sieht man (wenigstens an Chromsäurepräpa- raten) eine strukturlose, durchsichtige, einförmige Masse (bei dem Pferde, dem Ochsen),. oder die Masse ist mehr feinkörnig (beim Menschen). Diese in der Spalte sich befindende Masse kann in grossen Linsen (vom Pferde) in einem solehen Grade zunehmen, dass sich auf der Oberfläche ein A mit coneaven Seiten bildet; auf der entgegengeselzten Oberfläche steht dieses Dreieck in der entgegengesetzten Richlung v Verfolgt man jene Masse durelı das Innere der Linse, so findet man, dass die Mitte beider Dreiecke in der Linsenaxe zusammenslossen. Von den Winkeln des Dreiecks gehen Verlängerungen "aus, die sich ins Innere der Linse hineinkrümmen, so dass die Spitze einer Verlängerung in den Winkel zweier Verlängerun- gen der enigegengesetzten Oberfläche hineinragt, ungefähr wie wenn man sich die drei stark gekrümmten Ankerflügel zweier Anker mit der Concavität gegen einander gerichlet und in ein 480 ander greifend denkt. -Die Anordnung der Fasern verbleibt übrigens dieselbe, als bei der feinen dreischenklichen Spalte; in beiden Fällen bildet sich dadurch ein Skelet, welches die Fasern als Ausgangspunkte benutzen. Wenn eine dreischenkliche Spalte auf beiden Oberflächen exislirt, so stossen in der- Regel die Schenkel im Centro der Linsenoberfläche zusammen, und beide Centra liegen deshalb einander diamelraliler entgegengesetzt oder in der Linsenaxe; wenn sich daher die Linse zu spallen anfängt, während sie noch halbdurchsichtig ist, so erhält man die Figur eines sechs- strahligen Sterns, und die Linse hal das Ansehen sich in sechs gleich grosse Seeloren theilen zu ‘wollen. Gewöhnlich sind die drei Winkel, die die Spalte bildet. gleich gross oder = 120°; doch giebt es hiervon Abweichungen. _Bisweilen, jedoch seltener, sind alle drei Winkel ungleich gross und ent- sprechen nur unvollkommen den Winkeln der enlgegengesetz- ten Oberfläche; öfters findet man dagegen, dass zwei Winkel gleich gross sind, und dass der dritte entweder kleiner oder häufiger grösser ist als die beiden andern. Das Centrum der Schenkel kann, während die Winkel gewöhnlich gleich gross verbleiben, in der Linsenaxe liegen oder ausserhalb derselben. Im letzteren Falle wird.ein Schenkel länger als die übrigen, und die Linsenaxe durchschneidet den Schenkel, stalt durch den Mittelpunkt aller drei Schenkel zu gehen. Wenn dieses auf beiden Oberflächen der Linse geschieht, welches ich na- mentlich häufig beim Menschen und dem Hunde getroffen habe, so liegt keiner der Mitlelpunkle der beiden Oberflächen in der Linsenaxe, sondern die Linsenaxe geht millen zwischen ihnen durch. Dadurch entsteht folgende Figur. Werden oun die Enden des oberen Schenkels der vorderen Fläche und des unteren Schen- kels der hinteren Fläche undeutllich, so zeigt 481 sich nebenstehende Figur. Diese Figur kommt aber derjenigen sehr nabe, welche nach Werneck’s Angabe sich auf der hin- teren Fläche der Linse findet, wie aus zwei von einander gekehrten Halbmonden, be- sonders wenn die Spalte sich mit einiger Zwischensubslanz füllt, eine Figur, die es mir übrigens noch nicht gelungen ist, wahrzunehmen, obgleich ich wohl an 50 erhärtele Linsen vom Menschen und von verschiedenen Säu- gelhieren untersucht habe. Dieser Bau der Linse aus zwei Systemen von Fasern, die von zwei Seiten in einander greifen, hat bei mir den Gedanken angeregt, ob nicht die Säugelhierlinse ursprüng- lich aus zwei Linsen zusammengeselzt sei, wofür aller- dings die Nichtvereinigung der Schenkelmiltelpuukte in der Linsenaxe zu sprechen scheint. Besonders werde ich aber in dieser Meinung durch ein eigenthümliches Verhältniss der Linse des neugebornen Kindes bestärkt. Durchschneidet man nämlich eine solche erhärtete Linse nach der Linsenaxe, so zeigt die Schnittfläche in der Mitte der Linse eine nach vorn eoncave Spalte, wodurch die ganze Linse in einen vor- deren biconvexen und einen hinteren concav-convexen ( Theil, wie die Figur es darstellt, gelheill wird. Dies Verhältniss würde merkwürdigerweise durchaus demjenigen ähnlich sein, welches wir für unsere optische Instrumente in Gebrauch ziehen; wie bekannt, wird zu einer achromalischen Linse ein biconvexes Orownglas und ein concav-convexes Flintglas augewendet. Sogar in der Subslanz jener zwei Ab- theilungen zeigte sich an Chromsäurepräparalen ein deutlicher Unterschied: die vordere war slärker gefärbt, die hintere hel- ler und vielleicht etwas weicher. Die Linsenfasero waren sehr deutlich entwickelt und von derselben Natur in beiden Abihei- lungen. In zwei Linsen salı ich zugleich eine Spitze von der eoncaven Seile der Spalte in die biconvexe Abtheilung hin- einragen. bs I Nüller's Archiv, 1819. 31 Ueber den foetalen Zustand des Auges bei der Form des Coloboma; von Apoupu llaAnnover. Ende des Herbstes 1843 starb in der medieinischen Abihei- lung des hiesigen Friedrichs- Hospitals ein Mann, der ein Co- loboma iridis beider Augen hatte. Während des Lebens war das Gesicht immer gul gewesen; die Augen raglen ziemlich stark hervor und schienen etwas nach unten gekehrt. Die Pupillen waren birnförmig und nach oben abgerundet; die Spitze ging gerade abwärts und reichte bis zum Rande der normalen Hornhaut, so dass also die Iris unten fehlte. Wurde die Iris bewegt, geschah die Erweiterung und Zusammenzie- hung regelmässig, aber etwas langsam und nur in der oberen breiten Hälfte. Nach der Herausnahme der Augen zeigle sich auf der unteren Fläche der Sclerolica eine Protuberanz, die sich un- gefähr 2’ vom Eintritte-des Sehnerven nach vorn erstreckte in einer Länge von 34° und mit einer Breite von 2%. Die Ausbuchtung war auswendig ziemlich genau begrenzt, und das ganze Auge, namentlich die Ausbuchtung durchscheinend, verursacht, wie es sich später zeigte, iheils durch die ziemlich helle Farbe des Pigments der inneren Fläche der Aderhaut, theils dadurch, dass die Aderhaut. und Netzhaut in der Aus- 483 buchtung durchaus fehlten. Der ganze Augapfel war depri- mirt; der Längendurehmesser von der Mitte der Hornhaut zum Sehnerven beirug 12%‘, die Breite 12‘ und die Höhe 103, so dass demnach der Breiten- und Längendurchmesser elwas vergrössert waren. Beide Augen wurden in verdünn- ter Chromsäure erbärlel und erst ein Jahr später der Unter- suchung unlerworfen. Nachdem sie durch einen senkrechten Querschnitt getheilt waren, zeigle sich auf der inneren Seite der unleren Fläche ungefähr 2 vor und ausserhalb des normalen Eintrities des Sehnerven eine ovale und nach vorn etwas zugespitzie Grube von 34‘ Länge und 2%‘ Breite; sie war genau begrenzt und der längste Durchmesser ging gerade nach vorn. Auf dem. Boden und den Rändern fehlten die Aderhaut und das schwarze Pigment, weshalb die Protuberanz nur von der Sclerotica ge- bildet war, auf dessen innerer Fläche eine feine zusammen- hängende faserige und mit wenigem Pigmente gemischte Aus- breitung, wabrscheinlich die Arachnoidea oeuli, lag. Eine Linie vor und etwas ausserhalb des vorderen Endes der Grube war in der Netzhaut eine kleine Vertiefung, nach vorn von einem hervorstehenden halbmondförmigen und feingezackten Rande begrenzt, unter den sich eine Sonde ungefähr % tief führen liess. Foramen centrale retinae, durch diese Verliefung gebildet, lag auf diese Weise wegen der zwischenliegenden Grube mehr als 6“ vom Eintritte des Sehnerven. Vor dem Foramen centrale sah man eine Raphe als Spur der früheren Spaltung des Auges. Diese Raphe war leicht erhaben und deutlich in der Netzhaut und der Aderhaut, die vor dem vor- deren Ende der Grube sich wieder vorfand; auf der inneren Fläche der Sclerotica zeigte sich nur eine fast unmerkliche Spur, während die Aussenfläche an dieser Stelle ganz normal war. Die Raphe setzte sich sowohl in der Netzhaut als in der Aderhaut fort bis zu der abwärtskehrenden Spitze der birnförmigen Pupille und trat besonders vorn deutlich hervor. Im Glaskörper war die Spaltung besonders in die Augen fal- 31* 434 lend. Die Sectoren zeigten sich auf dem Querschnitle hufei- senförmig gelagert, so dass die Spitzen nach unten und gegen die Mitte des Auges convergirten, während sie in der unteren Augenbälfte auf beiden Seiten einer senkrechten Mittellinie gestellt waren. Am meisten nach aussen lag eine mehr ein- förmige -gelatinöse Schicht mit sehr undeutlicher Seetorbildung; diese Schicht war an der äusseren Seile des Auges viel brei- ter als an der inneren. Innerhalb dieser Schicht lag an der inneren Seite des Auges eine Sectorschicht ungefähr von 1 Breite, von ovaler Figur und in der Form der Hälfte eines Hufeisens. Innerhalb dieser Schicht lag wieder eine hufeisen- förmige Sectorschicht von derselben Breite. Die innersle Sec- torschicht war die grösste; die Secloren halten eine Länge von 3—4', kehrten die breitere Basis nach aussen, während alle Spitzen gegen die Mitte des Auges ‚convergirlen. In der unteren Augenhälfte waren die Räume kleiner und unregel- mässiger und, wie gesagt, auf beiden Seiten einer Mittellinie gelagert. Etwas unterhalb der Mitte des Auges salı man eine runde Oeflnung, die zur hinteren Kapselwand der Linse führte und folglich den Canalis hyaloideus für die A. centralis bil- dete. Wo die Hyaloidea auf der Netzhaut unmittelbar ruhete, konnte man sie als eine sehr feine Membran abziehen, und sowohl sie als die Häutchen, welche die übrigen Secloren des Glaskörpers bildelen, zeigten sich unter dem Mikroskope als einförmige durchsichtige strukturlose Membranen mit einer un- zähligen Menge kleiner runder Molecule bedeckt. Nachdem der ganze Glaskörper in der vorderen Augen- hälfte entfernt war, zeiglen sich die Processus ciliares und die Linse. Die Processus ciliares standen concenlrisch um die Iris, so dass sie also in Birnform mit der Spilze nach unten gestellt waren; sie stiessen an beiden Seiten der Raplıe zu- sammen und wurden bier elwas kleiner. Sie wurden von dem Corpus eiliare umgeben, das an beiden Seiten der Raphe herabging, parallel den Processus ciliares und folglich von der- selben Form; es hatte überall eine ziemlich gleichmässige 485 Breite von etwas über eine Linie. Iunerhalb der Processus eiliares lag die birnförmige Iris mit der Spilze gerade nach unten, die Pupille begrenzend, deren Spitze gerade an die Raphe stiess. Die Grösse und Form der Pupille war in dem Präparate dieselbe, wie sie es gewöhnlich war während des Lebens des Mannes, und wie sie auch abgebildet ist; sie halle eine Länge von 3‘, eine grösste Breile von 2°“. Die Iris war stark nach vorn gewölbt, hatte oben eine Breite von über 2, unlen an der Seite der Raphe nur 3—%“, Die Linse war durch die feinen Fasern der Zonula an die Spitzen der Processus ciliares geheftet; die Verbindung war am stärksten unten gegen die Raphe, und die Fasern hier am längsten; sie war nicht vollkommen. kreisförmig, sondern nach unten stumpf zugespitzt mit der Spitze gegen die Raphe und war in ihrer Kapsel auf gewöhnliche Weise eingeschlossen. Auf ihrer Vor- derfläche zeigle sich eine Spur einer Dreitheilung, indem zwei Spitzen der Spalte nach oben gekehrt waren, die eine nach innen, die andere nach aussen; die dritle Spalte kehrte schräg mach unten und aussen. Endlich fand ich in beiden Augen ein höchst merkwür- diges Organ. In der Substanz der Netzhaut nämlich und mit ihr in ununterbrochenem Zusammenhange lag auf jeder Seite der Raphe eine Platte ungefähr 6“ lang von vorn nach hin- ten und 3—33'“ breit, von etwas unregelmässiger rıhomboi- dalischer Form, jedoch sehr genau begrenzt. Die Platten fin- gen mit einem abgerundeten Rande auf jeder Seile der Grube an, etwas hinter ihrem vorderen Ende, gingen vorwärts an beiden Seiten der Raphe, 14‘ von ihr entfernt, und reichten bis an den äusseren Rand des Corpus ciliare. Die Platten wurden, wie die übrige Netzhaut, von einem feinen Ueberzuge der Hyaloidea bedeckt. Die Oberflächen jeder Platte waren siebförmig, welches gleich deutlich auf beiden Flächen war, und es war sogar ein sehr leichter Eindruck dieses siebförmi- gen Aussehens an der inneren Fläche der Aderhaut zu erken- nen. Ihre Dicke betrug —%”, indem sie gegen die Ränder 486 dünner wurden; von diesen war der innere elwas dicker als der äussere; die ganze äussere Platte schien elwas dicker als die innere. An senkrechten Schnitten der Platten zeigten sich zwischen beiden Oberflächen senkrecht stehende Säulen von etwas verschiedener Breite und auch von verschiedener Höhe, je nach der verschiedenen Dicke der Platten. An selır feinen senkrechten Schnitten einer Platte sah man mittelst des Mikroskopes, dass die senkrechten Säulen aus Faserbündeln bestanden, aus parallelen, genau vereinigten und nicht ver- zweigten Fasern mit parallelen gekräuselten Rändern und von einer Breite von 0,002 Mın. Mitunter spaltete eine Säule sich gabelförmig; gegen die Ränder der Platten verschmolzen die Säulen mit einander. Andere eylindrische, glatte, nicht ge- schlängelte Querfasern kreuzien die Säulen; sie verzweigten sich sehr stark, und die Verzweigung breitele sich zuletzt membranarlig aus, sich den Seiten der Säulen anheftend und überaus blass werdend. Durch diese zwischen den Säulen ausgespannten feinen Fasern wurden die Platten in eine Menge langer schmaler Fächer getheilt, die vielleicht wiederum der Quere nach getheilt waren. Dagegen war die Oberfläche der Platten nicht faserig gebaut, sondern bestand aus einer dun- kelen, körnigen, sirukturlosen Masse, und es ist wahrschein- lich, dass die Oberflächen aus der sich in zwei Blätter thei- lenden Netzhaut gebildet waren, zwischen welchen die senk- rechten Säulen eingeschoben waren; der Bau der Netzhaut war übrigens wegen der Undurchsichtigkeit der Chromsäure- präparate unkenntlich geworden; auch vermag ich aus dieser Ursache nicht zu entscheiden, von welcher Natur das zwi- schen den Platten befindliche und in der Mitte durch die Raphe getheilte Stück war. Die Platten sind an Blutgefässen sicherlich sehr reich gewesen; wenigstens fanden sich viele Blutkörperchen in den Fächern; auch das siebförmige Ausse- hen der Oberflächen und der entsprechende Eindruck auf der Innenfläche der Aderhaut scheint darauf zu deuten, dass 487 die Gefässe zahlreich von der Aderhaut in die Platten ge- treten sind. Wenn wir in wenigen Worten den eigenthümlichen Cha- rakter dieses Auges bezeichnen sollten, würden wir es ein grosses foetales Auge benennen; dieser foetale Typus ist so consequent durchgeführt, dass er sich in seinen Einzeln- heiten überall nachweisen lässt. Es ist besonders durch Huschke’s Untersuchungen (Meckel’s Archiv 1832. p. 1.) bewiesen, dass beim Hühn- chen vor dem Ende des ersten Tages sich eine Grube vor den Primitivfalten bildet, die sich dann in eine Blase 'umwan- delt, die erste Anlage des Auges darstellend. Diese anfangs einfache Blase theilt sich in zwei, welche Jurch die sich zwi- schen ihnen legende vordere Hirnblase nach und nach seit- wärts gedrängt werden, indem die Communication zwischen den zwei Blasen anfangs weiter ist, zuletzt aber so verengert wird, dass in beiden Augen zuletzt nur eine feine Spalte zu- rückbleibt. Diese Spalte ist von vielen Beobachtern in allen Wirbelthierklassen, so wie auch beim Menschen nachgewie- sen, und es zeigt sich noch eine Spur derselben, selbst nach- dem die Selerotica sich gebildet hat; beim Menschen ver- schwindet die Spalte in der 6—7. Woche. Ist die Anlage. der verschiedenen Augenhäute geschehen, schliesst sich die Spalte in der Art, dass die äusseren Häute sich zuerst schlies- sen, die inneren später, die Selerotica also vor der Aderhaut und diese wieder vor der Netzhaut, ja bei Fischen bleibt die Spalte der Netzhaut durchs ganze Leben, wie auch die Cho- rioidealdrüse, die gewöhnlich hufeisenförmig zwischen den Blättern der Aderhaut gelagert ist, eben durch diese bleibende Form an die Spaltung erinnert. Die Schliessung der Spalte geschieht ferner so, dass der vordere Theil der Spalte sich früher schliesst als der hintere; auch die erste Pigmentabla- gerung findet am vorderen Rande der Aderhaut Statt und setzt sich dann von vorn nach hinten fort. Als Spur der Spalte müssen wir ausser der genannten Spalte in der Netz- 488 haut der Fische auch noch die Anheftungsstelle der Campa- nula und des Pecten bei Vögeln und einigen Reptilien (Söm- mering bei Monitor) ansehen, und wir pflichten ganz der Meinung Huschke’s bei, dass das Foramen centrale ein Rest der Augenspalte sei; Plica centralis wird auf diese Weise die letzte Spur einer Raphe. Für diese Meinung spricht offenbar die bedeutendere Grösse jener Theile beim Foetus als beim Erwachsenen, und die Plica sinkt bei alten Leuten bis zum vierten Theile ihrer ursprünglichen Höhe zusammen, ja kann ganz verschwinden. Noch ist zu bemerken, dass das Auge während seines ganzen Wachsthumes sich von unten nach aussen zu drehen scheint, so dass die in der frühesten Zeit untere Fläche später die äussere wird. Wenn wir diese kurze und allgemeine Uebersicht der ersten Bildung des Auges auf unsere colobomatösen Augen an- wenden, so finden wir den ganzen Gang oder richtiger die Hemmung der Entwickelung in sämmlichen Theilen des Au- ges auffallend ausgesprochen. Wir finden zuerst die Sclero- tiea auswendig ohne Narbe und nur auf ihrer Innenfläche einen unbedeutenden Eindruck darbietend; vorn ist sie fast normal; hinten erscheint dagegen die Protuberanz und auf der Innenfläche die Grube als eine augenscheinliche Hemmung der Schliessung des hinteren Theiles der Spalte. Die Hemmung zeigt sich auch in der grossen Dünnbheit der Sclerolica an die- ser Stelle; sie war so bedeutend, dass die Ausbuchtung durch- scheinend war, und ich glaubte beim ersten Anblicke, dass der Mann Albinos gewesen wäre, worauf in seinem Leben Nichts gedeutet hatte. Ich bin etwas zweifelhaft gewesen, ob die Protuberanz der Augen die Protuberantia seleroticalis (Ammon) sei oder bloss die Folge einer mangelhaften Schlies- sung. Diese Protuberanz bildet sich in der Mitte des dritten Monats als eine Hervorragung der Selerotica nach hinten und aussen, und schwindet nach und nach, je näher der Sehnerv der Mitte des Auges rückt uud seinen beim Erwachsenen nor- malen Platz einnimmt; die Stelle verbleibt noch beim Neuge- 489 borenen dünner. Die Annahme scheint nicht unwahrschein- lich, dass die Protuberantia in einer noch früheren Zeit sich mehr nach unten befunden hat als nach aussen: jedenfalls fällt die Stelle, welche die Hervorragung an den beschriebenen Au- gen einnimmt, mit der dünnsten und durchsichligsten Stelle der ganzen Sclerotica zusammen. !) Gehen wir darauf zur Aderhaut und Netzhaut über, so treffen wir nicht allein nach vorn eine sehr deutliche Narbe, als eine Raphe hervorspringend, sondern wir finden auch, dass nach hinten in der Grube die Aderhaut und Netzhaut voll- sländig fehlen, indem sie mit einer scharfen Grenze die Rän- der der Grube umgeben. Da die Raphe sich gerade im un- tersten Theile des Auges und nicht nach aussen befindet, so deutet dies Verhältniss darauf hin, dass die Hemmung der Entwickelung zu einer Zeit vor sich gegangen ist, wo das Auge sich noch nicht auswärts zu drehen angefangen halte, wie auelı das Auge sich nicht mehr gedreht hal, nachdem die Raphe zu Stande gekommen ist. Selbst das Pigment der In- nenfläche der Aderhaut nimmt an dem foetalen Zustande des Auges Theil; es war heller als gewöhnlich, und ich habe schon an einer andern Stelle (Müller’s Archiv 1840. p. 341.) zugleich durch die mikroskopische Untersuchung gezeigt, dass der Mangel des Pigments das Foetusauge durchscheinend macht. und dass die Pigmentzellen erst nach und nach mit Pigmentmoleeulen in beständig grösserer Menge angefüllt werden. Ausser der Raphe sind zwei andere Theile der Netzhaut besonderer Aufmerksamkeit werlh. Erstens das Foramen cen- trale. Es zeichnete sich nicht allein durch ungewöhnliche 41) Von Ammon (Krankheiten des menschl. Auges 1841. II. Tab. V. Fig. X. und XIl.) sind zwei Augen abgebildet von ganz ähnlicher elliptischer Form mit einer Hervorragung nach hinten und aussen; sie scheinen übrigens normal gewesen zu sein; wenigstens fehlt die anatomische Untersuchung oder eine Angabe von der Gegen- wart eines Coloboma. Ich habe auch Gelegenheit gekabt, eine ähn- liche Protuberanz bei einem übrigens normalen Auge zu beobachten, 490 Grösse und Tiefe aus, so dass man eine Sonde %” tief unler- schieben konnte, sondern besonders war seine Lage über 6‘ vor dem Eintritte des Sehnerven merkwürdig; diese Lage wurde durch die Grube der Selerotica veranlasst, die, wenn sie mit Nervenmasse angefüllt gewesen wäre, eine colossale Plica centralis dargestellt hätte. Diese Lage des Foramen cen- trale vor und etwas ausserhalb des vorderen Endes der Grube und in einem so bedeutenden Abstande vom Eintrilte des Seh- nerven, ungefähr in der Milte der unteren Fläche des Auges, zeigt uns, dass die Sehaxe dieses Mannes von der Mitte der Hornhaut zum Foramen nicht hat gehen können, sondern eine andere Stelle der Netzhaut an der Seite des Foramen oplicum, wahrscheinlich ausserhalb und etwas oberhalb desselben, ge- troffen hat. Ich habe schon früher angeführt, dass das Aus- sehen des Mannes so war, als ob der Blick immer nach unten kehrte, und er hat’ sich deshalb in demselben Zustande be- funden, wie Einer, der in längerer Zeit nach unten geschielt hat: es hat sich so zu sagen ein Foramen centrale artificiale oder aequisitum gebildet, worüber ich mich in einer andern Abhandlung aussprechen werde. Indem das Foramen centrale ferner etwas mehr nach aussen lag, als der Eintritt des Seh- nerven, so zeigt dies zugleich, wie ich schon bemerkt habe, eine beginnende Drehung des Auges von unten nach aussen. Der zweite Theil der Netzhaut, der merkwürdigste viel- leicht des ganzen Auges, sind die zwei Plallen, die sich in der Substanz der Netzhaut an jeder Seite der Raphe befinden. In dem rechten Auge, welches ich zuerst durchschnitt, be- merkte ich anfangs nur die eine Platte, und da ich sie auf eine normale Bildung nicht zurückführen konnte, sah ich sie für pathologisch an; ich hielt sie für eine Art von eavernösem Gewebe, welches sich in der Substanz der Netzhaut entwik- kelt halte. Erst nachdem ich das linke Auge geöffnet halte und darin zwei Platten fand, wurde ich auf ihr doppeltes Vorhandensein auch im rechten Auge aufmerksam; es wurde mir klar, dass die symmetrische Lage auf beiden Seilen der 491 Raphe der Netzhaut, so wie die vollständige Gleichheit in dem Vorkommen der Platten in beiden Augen, die sich sogar in der grösseren Dicke der äusseren Platten beider Augen zeigte, den Gedanken an eine pathologische Bildung ausschloss. Ich konnte sie nur mit dem übrigen foelalen Zustande der Au- gen io Verbindung setzen, und ich glaube deshalb in ihnen ein Analogon des Kammes des Vogelauges gefunden zu haben. Bekanntlich existirt im Auge der Vögel und einiger Rep- tilien ein eigenthümlicher Körper, vom Eintritte des Sehnerven längs der Stelle befestigt, wo im foetalen Zustande die Au- genspalle sich befand. Er besteht aus einer doppelten Mem- bran, die auf eiwas verschiedene Weise in mehr oder weni- ger Falten bei den verschiedenen Thieren gelegt ist und steht mitlelst einer Duplicatur der Tunica hyaloidea mit der hintern Kapselwand in Verbiodung; der Körper enthält viele Pigment- ramificalionen und ist sehr reich an Blutgefässen. Da der Gedanke einmal auf dieses Organ des Vogelauges, dem der Processus faleiformis der Fische entsprechend angesehen wer- den muss, hingeleitet war, fiel es natürlich, dessen Verhältniss in dem foetalen Vogelauge nachzuspüren. Ich erlaube mir Huschke’s Untersuchungen über diesen Gegenstand anzufüh- ren (Comm. de pectinis in oculi avium poteslate anat. et phys. 1827. $. 2.). In dem Auge eines in 4 Tagen bebrületen Hühn- chens fand er einen weissen faleiformen Processus, der, wie er glaubt, vielleicht von der Selerolica entsteht, an deren Sei- ten vom fünften bis zum achten Tage die umgebogenen Rän- der der gespallenen Aderhaut und Netzhaut in die Höhe stei- gen und nach und nach erhaben zum Corpus eiliare verlaufen, wo sie miltelst eines Processus sich der Linse anheften; rück- wärts gehen sie bis an das Ende der Fissur, werden nach und nach breiter und stellen zwei faleiforme Platten dar, die sich in die Hyaloidea besonders hinten hineindrücken. Am achten Tage hängen diese Platten fester an der Hyaloidea als an der Chorioidea, von welcher sie sieh am neunten Tage 492 scheiden (l. e. Fig. 4.). Die Platten vereinigen sich darauf genauer mil einander und bilden am elften Tage eine einfache Haut, das erste Rudiment des Kammes; sie werden zugleich so gefaltet, dass die Erhabenheiten der einen Platte sich in die Vertiefungen der andern legen, wodurch der ganze Kamm das Ansehen einer einfachen Haut erhält. Diese schliesst sich keilförmig ia den Glaskörper hinein in einer Duplicatur der Hyaloidea, während die Aderhaut und Netzhaut die Augen- spalte schliessen. Der Kamm ist deshalb keine Fortsetzung des Gefässblaties der Netzhaut. Bei erwachsenen Vögeln fin- det man in der Basis des Kammes eine Furche als Andeulung der frühern Theilung; beim Strausse liegt sogar eine dicke Schicht von Zellgewebe zwischen beiden Blätlern. Als Spur und Analogon des Pecten sieht Huschke auch die Processus der Aderhaut an, welche die einzelnen Nervenbündel des Seh- nerven da umgeben, wo sie in der Lamina cribrosa liegen, weshalb der Durchschnitt daselbst schwärzlich ist. ') Für die Aehnlichkeit des Pecten und der Platten der co- lobomatösen Augen spricht erstens die Doppelheit im foetalen Zustande, ferner dass sie gefaltete Organe sind, zwar unter verschiedener Form, beide aber endlich sehr reich an Blutge- fässen und in genauer Verbindung mit der Aderhaut und der Netzhaut. Ich gestehe indessen gern, dass dieser Analogie mehrere Einwürfe gemacht werden können. Von geringerer 4) Ich kann nicht unterlassen, eine Beobachtung von Huschke (l. ec, p. 8. Anm.) anzulühren, die für das genaue Verhältniss zwi- schen Pecten und Netzhaut spricht: Jam Carus (Darstellung des Nervensystems) complicationem nervi oplici avium causam peclinis esse existimat, et ambo saltem revera maximam partem simul repe- viuntur. Vidi io Falcone eirco plicas io retina circa pectinem collo- catas, quae, neryvi cauda formatae, sensim laliores redditae in planam relinam abirent; cui memorabilius eliam id accedit quod eminentiae plicarum suleis peclinis plicati respondebant, ut, nisi relioa hie exlror- sum sese expanderet, plicae peclinis et relinae eodem modo sibi in- vicem interponerentur, eujus cum de duabus pectinis ipsius laminis loquebar, paullo ante mentionem feci ele, En Ken. 493 Bedeutung ist derjenige, den man in der ansehnlichen Grösse der Plalten der colobomalösen Augen im Verhältniss zu den Platten des Kammes des foelalen Vogelauges finden könnte; denn wir müssen bedenken, dass das colobomatöse Auge übri- gens vollständig entwickelt war, eine für den Erwachsenen normale Grösse halle, und dass alle die einzelnen Häute, welche das Auge zusammenselzen, so vollkommen ausgebildet waren, dass das Gesicht des Mannes immer gul gewesen war. Nur in der ganzen Partie, die in seiner Zeit die Augenspalte anging, exislirt eine excessive Bildung oder richliger eine fort- geselzte Entwickelung des früheren foetalen Stadiums in der- selben Riehlung. Wichtiger ist dagegen die Eiowendung, die beim Betrachten der J,age und des Baues der Platten entsteht. Die Platten des Kammes des Vogelauges gehören nur in der frühesten Zeit der Aderhaut und Netzhaut an, später aber scheinen sie zunächst der Aderhaut anzugehören, indem sie zugleich einen Ueberzug von der Hyaloidea erhalten. Die Platten der colobomatösen Augen lagen dagegen so zu sagen in der Substanz der Netzhaut, zwar näher ihrer Innenfläche, aber doch so, dass die Netzhaut sich gleichsam in zwei Blät- ler zu ihrer Aufnahme gespalten halte. Ich kann es daher nur als eine Möglichkeit herausstellen, dass die Platten des Kammes des foelalen Vogelauges in einer sehr frühen Zeit in genauerer Verbindung mil der Netzhaut sind, als es späler der Fall zu sein sich zeigt. Endlich weichen beide rücksicht. lich des mikroskopischen Baues von einander ab. Der Kamm des Vogelauges besteht aus zwei in genauer Berührung mit einander liegenden Häuten mit zahlreichen Pigmentverzwei- gungen und Gefässen, und haben deshalb wenigstens beim er- wachsenen Thiere einen andern Bau, als die Platten des co- lobomalösen Auges, wie oben beschrieben worden ist. Es lässt sich allerdings denken, dass die foelalen Platten des Vo- gelauges einen vom Kamme des erwachsenen Thieres ver- schiedenen Bau besitzen, aber hier fehlt die direkte Beobach- tung. Nicht ganz ohne Bedeutung möchte es vielleicht sein, 494 dass die auswendige Platte die dickste in beiden Augen war. Ich fühle deshalb sehr wohl, dass gegen die dargestellte Ana- logie sich mehrere Einwürfe machen lassen; so lange aber keine andere nachgewiesen werden kann, glaube ich ein Recht zu haben, an der meinigen festzuhalten. Möchle ein anderer Beobachter in seiner Deutung dieses merkwürdigen Organs glücklicher sein. Die Iris nimmt an der Spaltung Theil, so dass sie nach unten durcbäus fehlt, und die Pupille wird birnförmig mit der Spitze gerade abwärls, welches die gewöhnliche Form des Coloboma iridis ist. Nach Ammon ist Coloboma eines Auges häufiger als Coloboma beider Augen. Bei Fischen und Replti- lien ist die Irisspalte des Foelus deutlich, und nach Huschke’s Beobachtung (Sömmering’s Anatomie 5. p. 803.) entsteht die Iris nicht überall gleichmässig auf einmal, sondern später an der Stelle, wo die Augenspalte sich befindet, und ihre Spaltung ist deshalb normal beim Vogelfoelus.. Wie auch das Verhältniss bei Sävgethieren ist, ob die Iris anfangs eine nor- male Spalte hat oder nicht, so scheint es doch unzweifelhaft, dass die Iris, welche später als die Aderhaut entsteht, in ih- rer Anlage dem vorderen Rande der Aderhaut folgt und folg- lich an der Stelle fehlt, wo die Spalte sich io der Aderhaut befindet. Ihr unterer Theil muss zu einer Zeit gebildet wor- den sein, wo die Raphe noch nicht existirte, oder die Spalte sich noch nicht zu schliessen angefangen halte. Uebrigens ist eine partielle Spaltung der Aderhaut und Netzhaut, wie Am- mon anführt, sehr wohl denkbar ohne begleitendes Coloboma iridis, wenn nämlich die Schliessung des hintersten Theiles der Augenspalte gehemmt wird. — Das Corpus eiliare ist der Form der begrenzenden Organe gefolgt. Die foelale Spaltung des Auges tritt ferner auch im Glas- körper auf, besonders in dessen unterer Hälfte, wo die Secto- ren auf beiden Seiten einer Mittellinie gestellt sind, während die umgebenden Seetoren sich hufeisenförmig statt kreisförmig 495 gelagert haben; die Form der einzelnen Sectoren ist im Gan- zen normal. Endlich ist das ganze Verhalten des Canalis hyaloideus foetal. Er hat eine sehr bedeutende Weite und erscheint auf dem Durelhschnitte als eine grosse runde Oeflnung, die gerade zur Linse leitet. Die umgebenden Räume des Glaskörpers sind unregelmässiger; in der vorhergehenden Abhandlung über den Bau des Glaskörpers habe ich angeführt, dass die Masse um den Kanal so zu sagen texturlos wäre. Je jünger das Auge ist, desto weiter ist auch der Kanal, welches mir aus- serordentlich deutlich an Durchschnilten von in Chromsäure erhärteten Foetusaugen geworden ist. Bei einem zweimonat- lichen Foetus fand Huschke den Kanal so weit, dass er den dritten Theil des Glaskörpers ausmachte. Es kann wohl kei- nem Zweifel unterliegen, dass sich bei einem so weiten Ka- nale eine Area Marteghiana befunden hal; doch habe ich es nicht untersucht. Der Kanal kreuzt ferner das untere Viertel des senkrechten Augendurchmessers, und seine Lage entspricht daher gleichfalls der Lage im foetalen Auge. Je jünger der Foetus ist, desto länger nach unten liegt der Kanal gegen den Boden des Auges; mit dem Alter steigt er in die Höhe und kreuzt zuletzt das Centrum, des Auges. Ob die Arteria cen- tralis oflen gewesen ist oder nicht, kann ich nicht entscheiden; das erstere scheint nicht unwahrscheinlich wegen der Weite des Canalis hyaloideus, in welchem die Arterie verläuft, Kie- ser’s, Carus’s und Mehrerer Meinung, dass die Arteria cen- tralis ein Rudiment des Peclen darstellt, scheint Einiges für sich zu haben; jedenfalls steht auch sie mit dem foetalen Zu- stande in Verbindung. Denjenigen, welche die Bildung der Organe auf die Gefässe zurückführen, möchte die Anschauung zusagen, dass die ganze colobomalöse Bildung vom Anfang an auf dem Umstande beruht, dass die Arlterie offen und auf dem Boden des Auges liegen bleibt, statt in die Höhe zu steigen und sich zu schliessen. Wie nun ein vollständig foetaler Zustand in der hinteren 496 grösseren Abtheilung des Auges nachgewiesen ist, so ist es der Mühe werth, zu bemerken, dass das vordere Augensegment an jenem foeclalen Zustande durchaus keinen Antheil nimmt, sondern normal ist. Es wird hierdurch die Richtigkeit von Huschke’s Beobachtung der Bildung der Linse bestätigt (Meckel’s Archiv 1. e. p. 17.). Er fand beim Hühnchen zwi- schen dem zweiten und dritten Tage einen kleineren Kreis innerhalb und eoncentrisch mit dem grösseren Kreise des Au- ges; er ist anfangs dunkeler, hat keine Spalte, dagegen eine feine Ocflnung, durch die er ein Haar in die Linseukapsel hineinbringen konnte. Die Oeffnung ist aufangs weiter, schliesst sich aber darauf, und die Linse entsteht also als Einstülpung von der äusseren Haut, die später einen Ueberzug als Horn- haut bildet. Die Bildung dieser Theile geschieht deshalb durch- aus unabhängig von den hinteren Theilen, namentlich unab- hängig von der Augenspalte. Die Bildung der Linse zeigt sich auch unabhängig vom Glaskörper; Huschke nahm frü- her das Gegentheil an, hat aber seine Meinung später berich- tigt (l.e. p. 17.). Da indessen die Linse der colobomatösen Au- gen nach unten stumpf zugespitzt ist, so kann dies wohl nur darauf beruhen, dass ihr Fesiwerden erst später erfolgt ist, und sie ist daher in ihrer bleibenden Form von den unıgeben- den Theilen affieirt worden. Sie war auch nicht ungewöhn- lich rund, wie man es noch beim Neugeborenen sieht. Auclı fand sich keine Spur einer Membrana pupillaris, welches eben- falls mit der Unabhängigkeit des vorderen Augensegments von dem Foelalzustande des hinteren Theiles übereinstimmt. Wenn wir die Schliessung der Augenspalte beim Men- schen in die 6— 7te Woche setzen, so haben wir darin einen Ausgangspunkt zur Bestimmung der Periode, für welche die von uns beschriebenen colobomatösen Augen ein vergrösserles Bild abgeben: diese bei einem erwachsenen Manne vorkom- menden Augen slellen die Form dar, welche das Foelusauge zu jener Zeit besitzt. Es herrscht ein gewisser Gegensatz zwischen den zwei 497 Hemmungsbildungen des Auges: der Cyclopie und dem Colo- boma. Bei der Cyclopie findet die grösste Verschmelzung der Augen hinten Statt, während die Augenspalte beim Coloboma vorn am meislen offen ist. Beim Coloboma schliesst sich die Spalte von vorn nach hinten; wenn aber das cyelopische Auge eyelopisch zu sein aufhört, und eine Spaltung beginnt, so geht diese von vorn nach hinten vor sich: es entsteht zuerst eine breite Hornhaut, dann zwei (vereinigte) Hornhäute, zwei Linsen und Blendungen, während die hinteren Theile noch einfach verbleiben, vielleicht mit Ausnahme der Netzhaut. Die Verschmelzungsstelle des eyclopischen Auges ist gerade die- jenige, wo sich die Augenspalte befunden haben sollte. Schliesslich bemerke ich noch, dass die Nase, das Gehirn und die Sehnerven normal waren. Es existiren nur wenige analomische Untersuchungen über das Colobuma oculi; die Aufmerksamkeit is! meistens auf das Coloboma iridis gerichtet gewesen. Wagner untersuchte ein Auge mil einer kaum die Hälfte der Iris einnehmenden, nach unten und etwas nach innen ge- richteten Spalte. fand aber keine Spalte in der Aderhaut und Netzhaut, wie Gescheidt meint, vielleicht wegen der gerin- gen Grösse des Coloboma. Der Form des Corpus ciliare wird nicht erwähnt; dagegen war die Linse an dem unteren, dem Coloboma entsprechenden Rande gerade abgeschnitten. Da das Coloboma indessen bei einem 74jährigen cataraclösen Manne vorkam, so ist es nicht unwahrscheinlich, wie Himly (die Kranklı. und Missbild. d. menschl. Auges 1843. 2. p. 171. Aum.) bemerkt, dass der Mangel dureh Absorplion oder feh- lerhafte Ernährung entstanden war. In dem colobomatösen linken Auge eines löjührigen Mäd- chens fand Heyfelder (Studien im Gebiete der Heilwissen- schaft 1838. 1. p. 279.) gleichfalls keine Spalte in der Ader- haut und Netzhaut. Der Augapfel hatte eine normale Bildung, sein oberes Segment indessen nicht die gehörige Rundung; die Ränder der Irisspalte ei aa und waren gegen den Müller's Archiv. 1845. 32 498 inneren Augenwinkel hin gerichtet; in der Traubenhaut und im Giliarkörper war eine birnförmige Spalte, indem beide ebenfalls nach unten in der Richtung der Irisspalte in einen zugespilzien Zipfel ausliefen. Die Linse rulıte am Ciliarkör- per, liess aber nach unten au dem Ausschnitt einen freien Raum, welcher zwischen beiden Augenkammern eine Commu- nicalion gestattete. Viele Aehnlichkeil mit den von mir beschriebenen Augen hat ein von Gescheidt und Ammon beobachteter Fall (die Krankh. des menschl. Auges 1841. III. p. 41.). Es existirte eine ganz ähnliche Protuberanz der Selerotica, wodurch auf der Innenfläche des Auges eine 7‘ lange und ?— 3“ breite Spalte gebildet wurde, wo die Aderhaut und die Netzhaut fehlten, indeın sie sie mit scharfen Rändern umgaben; sie war durch einen Querstreifen in eine kleine und eine grosse Hälfte getheilt und von der Arachnoidea oculi bedeckt; die Spalte ist weiter nach vorn gegangen, als in dem meinigen Falle. Das Corpus eiliare halle dieselbe Form, doch fehlten unten die Processus eiliares. Die Linse war ebenfalls etwas oblong, und es bildete sich, nachdem sie einige Zeit in Spiritus gele- gen halte, eine Spitze auf derselben. Auch das Pigment war in diesem Auge sehr hell. Der gelbe Fleck war an der äus- sern Seile im Centro des Auges sichtbar, jedoch ohne Cen- tralloch, wahrscheinlich weil die Spalte des Auges länger nach vorn ging. als in dem meinigen Falle. Von den beiden Platten in der Netzbaut ist nicht die Rede; Ammon kann sie aber auch nicht beobachtet haben, nach derjenigen Art zu urlheilen, wie das Auge durchschnitten wurde (siehe die Ab- bildung). Auch glaube ich nicht, dass man sie sehr leicht in einem frischen Auge beobachtet hätte, wo alle Theile weich sind und zusammenfallen. Auch erwähnt er nicht der Spalte des Glaskörpers und der Lage des Canalis hyaloideus. In einem Falle, der Ammon von Romberg mitgetheilt ist (J. e. Tab. XI. Fig. 9. 10.) bilden die Ciliarfortsätze ein Oval um die längliche Popille; das Ciliarband ist flach und 499 sehr breit. Ammon hat mehrere andere Colobomala von der Innenseite abgebildet: 1. c. Fig. 13., wo das Coloboma und die Processus ciliares nach unten zugespitzt endigen; die Ader- haut hat unten eine deutliche Narbe; Fig. 19. mit länglichem Corpus ciliare; Fig. 18. mit derselben Form und einer kleinen Narbe in der Aderhaut, die Linse war rund; Fig. 17. und 20. stellen ein kleines Coloboma ohne Spalte der Processus cilia- res dar, die doch sowohl, als die Linse eine längliche Form darboten. Ein Coloboma corporis vitrei ist von Arnold beschrie- ben (Unters. im Gebiete der Anat. u. Phys. 1838. I. p. 215. Tab. II. Fig. 2.). Es ist das linke Auge eines neugeborenen, völlig ausgetragenen Kindes mit Microphthalmie und verschie- denen andern Missbildungen. Die Axe des Auges beträgt nur 6“. Die Hornhaut ist klein, hat 14° in der Quere und be- 2 sitzt Durehsichtigkeit. Die Aderhaut, das Strahlenband und. der Strahlenkörper sind natürlich beschaffen, die Iris sehr schmal, besonders nach unten und innen. An dieser Stelle geht durch den äusseren Rand der Iris ein Portsatz der weis- sen Haut vor dem Strahlenbande ins Innere des Auges. Die Relina ist vollständig gebildet; der Glaskörper gespalten nach unlen und innen von der Eintriltsstelle des Selnerven bis zu jenem Fortsalze der Selerotica, welcher sich an die Linse be- festigt. In der Spaltung des Glaskörpers liegt die sehr an- sehnliche rundliche Linse, schief nach unten und innen ge- richtet, ausserhalb der Augenaxe. Die Blutgefässe der, hinteren Wand der Linsenkapsel sind zahlreich; die der vorderen gehen in den Rand der Iris über; die Pupillenhaut ist nicht mehr vorhanden. Die Menge der Gefässe deutet auf ein ähnliches Verhältuiss des Canalis hyaloideus, wie dasjenige, welches ich beschrieben habe. Die Beobachtung Arnold’s ist die ersle eines Coloboma corporis vitrei; der meinige Fall ist der zweile. Copenhagen, Mai 1845. 32* 500 Erklärung der Kupfertafel. Fig. 3. Linkes Auge von oben. Fig. 4. Dasselbe Auge von der Seite. Fig. 5. Vordere Hällte des rechten Auges; die birnförmige Iris ist vom Corpus ciliare umgeben, welches abwärts an die Seiten der Raphe stösst. Man sieht den Durchschnitt der Sclerotica, der Ader- haut und der Netzhaut, und in der letzteren den Durchschnitt der beiden Platten, von denen die innere etwas in die Höhe gehoben ist. Fig. 6. Vordere Hälfte des linken Auges, um den Bau des Glas- körpers zu zeigen; die Sectoren sind hufeisenförmig gestellt; nach unten sieht man in den unregelmässigeren Abtheilungen eine runde Oeffnung, den Durchschnitt des Canalis hyaloideus, welcher zur Linse leitet. Beide Platten sind der Deutlichkeit halber etwas von der Aderhaut entfernt worden. Fig. 7. Hintere Hälfte des rechten Auges; oben ist der Eintritt des Sehnerven, vor diesem die ovale Grube der Sclerotica. Nach vorn ist das tiefe Foramen centrale nebst der Raphe. Der Durch- schnitt der Platten verhält sich wie in Fig. 5. Fig. 8. Die Linse, nach unten stumpf zugespitzt. Fig. 9. Senkrechter Durchschnitt einer Platte bei 51maliger Vergrösserung, um die Säulen und die sie vereinigenden feinen Quer fasern zu zeigen; gegen den Rand der Platte sind die Säulen mehr verschmolzen Fig. 10. Eine einzelne Säule, aus parallelen Fasern gebildet; an derselben haften die sich zu einer durchsichtigen Membran aus- breitenden feinen Querfasern, von welchen einige isolirt dargestellt sind. 340 malige Vergrösserung. Ueber Filarien im Blute von Raben; von Proressor A. Ecker in Basel. Hierzu Tafel XV. Fig. 1. 2. Es wird gewiss bald als ein allgemeines Gesetz aufgestellt werden können, dass manche Entozoen regelmässig eine Ent- wicklungsstufe innerhalb der Blutmasse durchmachen. Die Beobachtungen über das Vorkommen lebender Würmer im ‚lebenden Blute sind in jüngster Zeit besonders zahlreich ge- worden. Man hat bei Fischen, Amphibien, Säugelhieren Wür- mer im Blute gefunden. Diese Mittheilung betrifft das Vor- kommen eines solchen im Blute eines Vogels. Im Laufe des vergangenen Winters erhielt ich mehrere theils todte, theils lebende Exemplare von Corvus frugilegus, der in grossen Schaaren am Rheinufer sich aufhielt. Im Blute aller elf un- tersuchten Exemplare fand ich zahlreiche filarienartige Würm- chen. In den mir todt zugebrachten Exemplaren waren die- selben nicht mehr lebend, wohl aber in denen, die ich lebend oder gleich nach dem Tode untersuchte. Beschreibung des Wurms. Er ist,drehrund, glatt, vom Vorder- bis gegen das Hin- terende gleich dick; letzteres verschmälert sich dann ziemlich 502 schnell zu einer äusserst feinen Spitze. Das Vorderende ist etwas abgestumpft. Die Länge des Würmehens beträgt etwa 0,106 Mm., der Durchmesser zwischen 0,003 und 0,006 Mm. Die lebenden waren immer vollkommen hell und durchbsich- tig, und es gelang mir hier, selbst bei den stärksten Vergrös- serungen nicht, innere Organe wahrzunehmen. Nur einige Male sah ich bei sehr starker Beschaltung im Innern einen körnigen SiIreifen. der von einer verlieflen dunkleren Stelle am Vorderende (Mund?) ausging. Die abgestorbenen Thier- chen waren im Innern immer körnig. Bei Wasserzusatz, der sie schnell tödtete, konnte man dieses Körnigwerden gut be- obachten. Ihre Bewegungen waren ausserordentlich rasch und lebhaft, und geschahen durch abwechselndes Krümmen und Strecken des Körpers, besonders aber der Schwanzspilze. Die Menge derselben im Blute war immer erstaunlich gross, so dass das ganze Gesichtsfeld damit bedeckt erschien. In den todten Raben, die man mir zugebracht, halte ich immer das Blut aus dem Herzen untersucht und hier auch zuerst zufällig die Helminthen entdeckt. Bei zwei lebenden Exemplaren nahm ich nun Blut aus der Haut des Schenkels, fand darin aber keine Würmer, eben so wenig im Blute der Vena brachialis. Ich öffnete darauf die Arteria brachialis und liess die Thiere sich verbluten. In dem zuerst aufgefangenen Blute aus der Arterie konnte ich ebenfalls keine finden, wohl aber in dem zuletzt aussirömenden. Als ich einen Tropfen hiervon unter das Mikroskop brachte, war ich erstaunt, das Blut von Würmehen wimmeln zu sehen, die sich auf das leb- hafteste bewegien und die Blutkörperchen in continuirliche Bewegung versetzien. In der Aorta, Art. pulmonalis, den Lungenvenen, allem Blut der Lunge, den Hohlvenen, überall fand ich dieselben Würmchen. Am zahlreichsten und auch am lebhafteten schienen sie mir in den Lungenvenen, der Lunge, der Aorta; an diesen Stellen schienen sie auch am längsten lebend zu bleiben; sie lebten in dem etwas warm gehaltenen Cadaver des Raben hier noch nach 48 Stunden. 503 Etwa sechs Wochen später untersuchte ich bei 2 andern le- benden Exemplaren das Blut der Art. und Vena brachialis und fand in demselben nicht ein einziges Würmchen. In dem einen dieser beiden Thiere fand ich sie aber dann im Herzen und den grossen Gefässen wieder eben so zahlreich, wie bei den frühern. Das ‘andere entzog sich leider durch die Flucht einer weitern Untersuchung. Bei der Mehrzahl der untersuchten Raben fand ich in der Bauchhöhle ein oder mehrere Exemplare von Filaria altenuata R. von 2—3“ Länge, meist zwischen den Darmwindungen vielfach eingerollt, übrigens ganz frei liegend. Die Eileiter waren immer von zahllosen elliplischen Eiern erfüllt (von etwa z; Mm.). Bei einem der Raben fand sich ausserdem eine am Darm angeheftete gelbliche Geschwulst von etwa Erbsengrösse, gebildet aus einem Balg von Bindegewebe, in welchem eine festere, gelbliche, nieht organisirte Masse einge- schlossen war. In leizterer eingegraben lag in mehreren Win- dungen eine grosse Filaria altenuata, die ich aber nur in Bruch- stücken entwickeln konnte. Diese war strotzend mit Eiern gefüllt und solche lagen auch in Menge in der Umgebung des Wurms. Die Eier waren aber alle viel weiter entwickelt, als die in den freien Filarien befindlichen; sie enthielten nämlich alle ein gekrümmtes Würmcehen, kleiner als die im Blute ent- haltenen, denselben aber im Uebrigen vollkommen ähnlich. Endlich fanden sich bei vielen der untersuchten Raben in der Bauchhöhle kleine gelbliche oder bräunliche, rundliche Fila- rieneysten von 2—4”" im Durchmesser, wie sie z. B. beim Frosch von andern Beobachtern beschrieben wurden. Sie waren durch lockeres Bindegewebe an Magen, Darm, Gekröse, Luft- säcke etc. befesligt. Jede enthielt eine zusammengerollte Filarie, selten 2 oder mehrere. Gestreckt hatte das Würmchen meist eine Länge von 1P.. Man erkannte an denselben die rundliche Mundöffnung, von dieser ausgehend einen anfangs engern, dann plötzlich sich erweiternden Darmkanal, der gegen das letzte Drittheil sich abermals verengert und so bis zum Hinterende 504 fortläuft (Munddarm, Magendarm, Afterdarm). Geschlechtsor- gane waren nie, selbst nicht bei den grössten unter diesen eingepuppten Filarien, zu finden. Wohl aber glaube ich ein Gefässsystem gefunden zu haben, worauf ich weiter unten zu- rückkommen will. Wir haben hier offenbar die verschiedenen Entwicklungs- stufen eines und desselben Wurms, der Filaria atlenuata, vor uns, und es schliesst sich somit diese Beobachtung an ähnliche bekannte von Vogt, Miescher etc. an. Wir finden, um von dem vollkommenen Zustande auszugehen, ausgewachsene Exem- plare mit Eiern. Als eine weilere Stufe müssen wir vielleicht (wenn es nicht elwa eine Abnormität ist) jenen Zustand be- trachten, wo die reife Filarie mit den Eiern, in welchen schon die Embryonen entwickelt sind, sich eiopuppt. Vermuthlich wird sie dann zur einfachen Eihülse, platzt und entleert die reifen Embryonen. Diese Einkapselung wäre dann mehr einer Nest- bildung zu vergleichen, nur vorhanden, um die Brut und de- ren fernere Wege zu sichern; denn unzweifelhaft treten auf der nächsten Stufe (wie schon die grosse Aehnlichkeit der reifsten Embryonen mit den im Blute enthaltenen Würm- chen zeigt) die Filarien in das Gefässsystem ein. Ob man gerade sagen kann, die Würmer eireuliren mit dem Blute, ist nach den oben angeführten Daten elwas zweifelhaft; wäre es so, so müssle man sie in allen Gefässen finden, und doch konnte ich sie z. B. im Blute der Armvenen bei wiederholten Untersuchungen nicht finden, während sie doch im Herzen und den grossen Gefässen in zahlloser Menge vorhanden wa- ren. Die folgende Stufe ist die der Verpuppung '), aus wel- cher sie dann wohl zum vollkommenen Zustande übergehen. Wie lange der Aufenthalt der Filarienlarven im Blute währt, konnte ich nicht ermitteln; jedoch muss man, wenn es er- laubt ist, bei verschiedenen Individuen Gleichzeitigkeit der Metamorphosen ihrer Entozoen auzunehmen, vermuthen, dass 1) Vergl. Vogt, Müll. Arch. 1842, S. 189. 505 er ziemlich lange dauert; denn 6 Wochen, nachdem ich die ersten Raben untersucht, untersuchte ich wieder welche und fand die Filarien im Blute in keiner Weise verändert. Ge- schlechtstheile scheinen die Filarien im eingepuppten Zustande, wie dies auch v. Siebold ') angiebt, nie zu erhalten. Erklärung der Abbildungen. Fig. 4. Lebende Filarien aus dem -Blute des Raben. Fig. 2. Dieselben nach dem Tode, stärker vergrössert, Der Inhalt ist körnig geworden. 1) v. Siebold, im Jahresbericht in Wiegmann’s Archiv. IX. 2. S. 314. Ueber ein Gefässsystem in eingepuppten Filarien; von Proressor A. Ecker in Basel. Hierzu Tafel XV. Fig. 3. 4. Ich habe oben erwähnt, dass ich in den Filarien, die ich aus den Puppenhülsen der Bauchhöhle der Raben nahm, ein Ge- fässsystem aufgefunden zu haben glaube. Ich will es so be- schreiben, wie ich es bei wiederholten Untersuchungen an lebenden Thieren fand. Der Darm zerfällt, wie angegeben, in einen engern vordern Theil (Munddarm), einen weitern miltlern (Magendarm) und einen abermals verengerten hintern (Afterdarm). Auf der Milte des Magendarms verläuft geschlän- gelt ein Gefäss von hellgelblicher Farbe, welches da, wo der Munddarm in den Magendarm übergeht, sich bogenförmig in zwei Arme Iheilt, die ich nicht weit verfolgen konnte !). Eine dünne Fortsetzung des Hauptstammes verläuft auf dem Munddarm gegen das Kopfende. Von der Theilungsstelle an abwärts bis etwa zu der mit * bezeichneten Stelle contrahirte sich der Gefässstamm rhythmisch. Ich habe die Bewegung dieses Gefässes lange und bei vielen Exemplaren beobachtet 4) An mehreren Stellen sah man von demselben zarte Gefässchen abgehen, die bald auf der Oberfläche des Darms verschwanden. 507 und habe es immer gleich deutlich gesehen. Es mochten ge- wöhnlich etwa 20 Contraclionen in der Minute Statt finden. Weiter abwärts waren keine Bewegungen mehr an dem Ge- fässstamm wahrzunehmen. Derselbe verläuft geschlängelt bis gegen das Ende des Magendarms, hier theilt er sich abermals vorzugsweise in zwei Seitenäste, während auf dem Afterdarm nur dünnere Aestchen weitergehen. Die Seitenäsle biegen sich um den Darm nach abwärts und scheinen mit einem tiefer gelegenen Längsstamm, der mit dem Hauptstamm parallel läuft, zu anastomosiren. Der Inhalt der Gefässe ist ein gelbliches Plasma mit nur sellenen Körnchen. Essigsäure, welche die Darmhäute auflöste, machte die Gefässe deutlicher. Ueber die Richtung der Strömung konnte ich nichts ermitteln. Jeden- falls darf man dies Gelässsystem auch nur als ein Chylusge- fässsystem belrachten, wie schon die Verbindung mit dem Darm zeigt. Bemerken muss ich noch, dass es mir nicht ge- lang, bei den ausgebildeten Filarien eine Spur von einem Ge- fässsystem zu finden. Erklärung der Abbildungen. Fig. 3. und 4. Eingepuppte Filarien, aus ihren Cysten heraus- genommen. Bei Fig, A. ist die Körperwand aufgeschlitzt und der Darm ausgetreten. a, Mund. 5. Munddarm. ce. Magendarm. . d. Alterdarm. e. Der Gefässstamm. C) Die Stelle, bis zu welcher vom Magendarm an das Gefäss sich eontraliirte. Die vordere Theilungsstelle, - Die lintere. . Der tiefer gelegene Längsstamm, wit dem die Seitenastverzwei- gungen zu anastomosiren scheinen. Rn Ueber die Malpighischen Körper der Niere; von F. Bıpoer in Dorpat. Eine Untersuchung der Harn- und Geschlechtswerkzeuge der Batrachier, mit der ich in diesem Sommer vielfach beschäftigt gewesen bin, hat mich zu mehreren Resultaten geführt, die theils von den gegenwärlig über jene Organsysteme geltenden Ansichten abweichen, theils manche bisher zweifelhaft oder "unbeachtet gebliebene Texturverhältnisse derselben mit Sicher- heit bestimmen lassen. Wenngleich die Beendigung dieser Ar- beit in Kurzem bevorsteht, will ich der Veröffentlichung der- selben doch mit folgenden Bemerkungen vorgreifen, die einen Gegenstand des Tagesinteresses betreflen, dessen sofortige Be- sprechung manchen Fachgenossen vielleicht nicht unwillkom- men sein möchte. Der feinere Bau der Niere, und namentlich das Verhält- niss der Malpighischen Körper zu den Harnkanälchen, ist, seitdem Bowman’s Arbeit den hierauf gerichteten Untersu- chungen einen neuen Impuls gegeben hat, der Gegenstand vielfacher Diseussionen geworden. Doch ist trotz der zahl- reichen Forscher, die in den jüngsten Tagen diese Streilfrage aufgenommen haben, die Erledigung derselben kaum näher ge- rückt, indem von der einen Seite geradezu in Abrede gestellt wird, was der andern Seite als sicheres Ergebniss sorgfäl- tiger Forschung gilt. Ohne Zweifel liegt der Grund dieses Widerspruchs in @er Schwierigkeit dieser Untersuchung, die an den bisher dazu gewählten Stellen so gross zu sein scheint, 509 dass eine deutliche Einsicht in die fraglichen Verhältnisse nur dem glücklichen Zufall verdankt wird, und nicht als unaus- bleibliche Folge umsichliger und sorglältiger Untersuchung mit Sicherheit erwarlet werden darf. Zur Ermittlung so complieirter histologischer Verhältnisse ist es bekanntlich sehr erwünscht, wenn man auf ein Geschöpf trifft, in welchem dieselben ein- facher und leichter zugänglich sich darstellen, und ich bin so glücklich gewesen, einen Ort zu finden, an welchem der Bau der Niere überbaupt und-der Malpiglischen Körper insbeson- dere mit einer Leichtigkeit und Sicherheit erkannt werden kann, die kaum noch einen erheblichen Zweifel übrig lässt. Bowman’s Ansicht von dem Bau der Niere ist bekannt. Es diente ihr zu nicht geringer Empfehlung, dass sie mit dem, was kurz vorher Müller über den Bau der Niere bei Myxine !) ermittelt hatte, im Wesentlichen übereinstimmle, dass sie die bläschenförmigen Endigungen der Nierenkanälchen, von denen schon frühere Beobachter, und namentlich Huschke, gespro- chen, bestätigte, dass sie die auffallenden Resultate von In- jeetionen, bei welchen von den Blutgelässen aus die Harnka- näle mit Leichtigkeit erfüllt werden, verständlich machte, dass sie endlich über die Beziehung dieser Körperchen zur Harn- secrelion genügendere Andeutungen lieferte, als die bis dahin allein mögliche Annahme einer durch sie bedingten Retarda- tion des Blutlaufs. Mit dem günstigsten Vorurtheil für Bow- man’s Ansicht versuchle ich schon früher die empirischen Grundlagen derselben wieder zu finden, in der festen Zuver- sicht, die von dem englischen Analomen gelieferte Darstellung bald bestätigen zu können. Zu diesen Nachsuchungen diente vorzugsweise der Frosch. Aber wie gross war meine Bestür- zung, als es nicht gelang, auch nur eines der von Bowman beschriebenen Verhältnisse wieder zu finden. Unter keinerlei 1) Nun sind äuch die Abbildungen vom Bau der Nieren bei den Myxinoiden erschienen in J. Müller, Untersuchungen über die Ein- geweide der Fische. Schluss der vergleichenden Anatomie der Myxi- noiden. Berlin 1845. Anmerk. des Herausgebers, 510 Umständen bot sich eiue sichere Andeutung der Verbindung der Glomeruli mit den Harnkanälchen dar. Immer fanden sich die Gefässbüschel neben und zwischen den Harnkanälchen ohne innigere Beziehung zu denselben, entweder 'unbedeckt, oder von einer schon von Müller gesehenen Kapsel umgeben. Nie zeigte sich an dem Glomerulus eine unzweideutige Spur eines anhängend gewesenen Kanals, und niemals an der Innenfläche der Kapsel oder irgend wo in den Harnkanälchen Flimmerepithelium. Hierzu kam, dass in den Angaben Bow- man's ein Punkt sich findet, der im Voraus als unrichlig bezeichnet werden durfie. Denn dass Blulgefässe die Tunica propria der Drüsenkanälchen durehbohren ‘), und nackt und bloss, jeder Hülle von Bindegewebe und Epithelium ent- behrend, an einer Schleimhaulfläche, was eben so viel heisst, als an der Aussenfläche des Körpers, zu Tage liegen sollten, das stand so sehr im Widerspruch mit allen bisher ermittel- tem Organisalionsgeselzen, dass die Unrichtigkeit dieser An- gabe aul’s Entschiedenste ausgesprochen werden durfte. — Von dieser Ueberzeuguug ausgehend, und mit Rücksicht auf 4) Bowman’s Ansicht hierüber ist ganz unzweifelhaft. Sie er- giebt sich nicht bloss aus den von ihm gelieferten Abbildungen (Philosoph. Transaet. 1842, Part, I., plate IV., fig. 15.), sondern auch aus mehreren Stellen des Textes, die ich wegen der Wichtigkeit die- ses Punktes hier wörtlich hersetze. So heisst es auf pag. 59.: arri- ved here (to the Malpighian body) the twig (of the artery) perfo- rate the capsule ....; ferner: the vessels are held together solely by their mutual interlacement, for there is no other tissue ad- mitted into the capsule besides blood-vessels. Pag. 60 : the sur- face of the tuft is everywhere unattached and free; the whole cir- eumference of every vessel composing the tult, is also free, and lies loose in the cavity of Ihe capsule; ferner: Ihe vessels are so perfeetly bare .... und: the basement membrane of the urinife- rous tube is perforated by the aflerent and efferent vessels, and is certainly not refleeted over them. They are united to it at their point of transit, but ia what precise manner i have not been able to determine, etc, etc. 511 die steis negativen Ergebnisse eigner Untersuchungen über diesen Gegensland, konnte ich daher nicht umhin, den Beden- ken beizustimmen, die Reichert !) in seiner krilischen An- zeige von Bowman’s Abhandluug über manche Puukte der- selben zu erheben auch seinerseits sich veranlasst sah. Doch konnte ich dabei die Hoffnung nicht aufgeben, dass die Zu- kunft dereinst vielleicht sicherere Stülzen für eine Ansicht bringen werde, von welcher mich ganz abzuwenden, trotz aller bis dahin fehlgeschlagenen Versuche, mir doch nicht mög- lich war. Die Untersuchung der Nieren von Wassersalaman- dern, und namentlich von Triton taeniatus, hat diese Hoffnung gerechlfertigl, und mir die Ueberzeugung gewährt, dass Bow- man’s Darstellung, dem objecliven Thalbestande nach, im Wesentlichen richtig ist, die Deutung des von ihm Gesehenen aber in manchen Stücken berichligt werden muss. Zu der in Rede stehenden Untersuchung eignet sich ganz besonders der vordere Theil der Niere von männlichen Trito- nen, der, wie ich an einem andern Orte ausführlicher ausein- anderselzen werde, von der Natar selbst in einer Weise aus- gebreitet wird, dass zur mikroskopischen Untersuchung es gar keiner weiteren künstlichen Vorbereitung bedarf. In der That braucht man nur einen der blatiförmigen Haufen von gewun- denen Harnkanälen, aus denen der genannte Theil der Niere bestelit, eiufach herauszuschneiden und unter das Mikroskop zu bringen, um fast ohne Ausnahme die fragliche Textur so- gleich vollständig zu überblicken. Ja ich habe selbst gefun- den dass der Versuch, ein solches Präparat auf künstliche Weise zu verbessern, dass das Zerren und Zupfen mit Nadeln, um die gewundenen Gänge recht vollständig auszubreiten, die charakte- ristische Textur ganz gewöhnlich verwischt, die Verbindung der Glomeruli mit den Harnkanälchen aufhebl, die Naschenförmig er- weilerlen Endigungen der letziern zerstört, das Flimmerepi- Ihelium verschwinden macht u. s. w. In dieser Erfahrung 4) Müller’s Archiv 1843, Jahresbericht, p. COXX seqgq. 512 liegt denn wohl auch die Erklärung für das bei der Unter- suchung der Froschniere immer nur negative Resultat, indem das Mikroskop hier nieht eher angewendet werden kann, als nachdem feine Schniltchen der Nierensubstanz durch mecha- nische Mittel ausgebreitet wurden. Auch Bowmann giebt an, dass beim Frosch diese Theile weniger leicht zu finden seien, und es ist kein geringer Beweis für die Ausdauer und Gründlichkeit seiner Untersuchungen, dass er, irolz dieser un- günstigen Verhältnisse bei höheren Thieren, das Wesentliche der Nierentextur richtig darzustellen vermochte; wenn nicht etwa in der Niere der Boa, der Bowman eine besondere Aufmerksamkeit zugewandt zu haben scheint, diese Verhält- nisse ebenfalls leichter zu ermitteln waren, und die gleiche Anordnung bei höhern Thiergaltungen nicht sowohl direkt beobachtet, als vielmehr aus den Resultaten der Injection, nach der bei Boa gewonnenen Auleilung, erschlossen wurde. Zu dieser Vermulhung bestimmt mich die Erfahrung, dass auch bei andern Schlangen, namentlich bei Vipera, die Nierensub- stanz durch vorsichliges Ausbreiten mit Nadeln ziemlich leicht so zubereitet werden kann, dass die Verbindung der Glome- ruli mit den Harnkanälchen erhalten wird. Auch bei Eidech- sen, Lacerta agilis, gelingt dies zuweilen ziemlich gut und vollständig. Nie aber habe ich bei höhern Thieren, trotz zahl- reicher hierauf gerichteler Versuche. etwas finden können, was jene Ansicht von der unmittelbaren Verbindung der ge- nannten Bestandtheile der Niere hätte erwecken oder befesti- gen können. : Bei Triton dagegen trifft man in dem bezeichneten Theil der Niere in ziemlich regelmässigen Abständen von einander auf blinde Endigungen der Harnkanälchen, die Naschenförmig erweilert sind und durch grössere Durchsichtigkeit sich vor den eylindrischen Gängen sogleich kenntlich machen. Vor dem Uebergange in diesen erweiterten Theil zeigt das Harnkanäl- chen sich wohl zuweilen verengt, — doch ist dies keinesweges beständig der Fall. In der Regel geht nur ein Harnkanälchen 513 in eine solche Erweiterung über; zuweilen jedoch stehen auch zwei Harngänge mit derselben in Verbindung, wobei der Einwurf einer Statt gehabten Täuschung dadurch vollkommen beseitigt wird, dass durch Druck der Inhalt des einen Kanäl- chens durch die erweiterte Partie hindurch ohne Aufenthalt in das zweite Kanälchen hineingetrieben werden kann, und in letzterem weiter fortrückt. Hier darf also, stati von einer blinden Endigung des Harnkanälchens, vielmehr von einer bau- chigen Erweiterung im Verlauf einer solchen Röhre die Rede sein. — Von der Gegenwart eines mit lebhaft schwingenden Wimpern versehenen Epitheliums unmittelbar vor dem Ueber- gange des Harnkanälchens in die flaschenartige Erweiterung, also in dem sogenannten Halse der letzteren, so wie in einem beträchlichen Theile der innern Wandfläche derselben, habe auch ich mich nun vollständig überzeugt. Ich finde Bow- man's Darstellung, der zufolge die flimmernde Epithelium- schicht des Harnkanälchens, an Dicke allmählig abnehmend, in die erweiterte Stelle hinein sich fortsetzt, vollkommen rich- tig, muss jedoch bemerken, (ass man auch bei Triton nicht in jedem Fall erwarten darf, dies Verhältniss mit der erfor- derlichen Sicherheit auffassen zu können. Ich hatte schon manches Präparat durchgemustert, ehe es mir zum ersten Mal gelang, auch hierin Bowman’s Angabe ganz nalurgelreu zu finden. Der dritte Theil oder wohl auch die Hälfte des Um- fanges der flaschenförmigen Erweiteruug trägt ein solches Flimmerepithelium; wenn dasselbe zuweilen in noch grösserer Ausbreitung vorzukommen scheint, so liegt dies wohl nur daran, dass höher oben abgelöste Flimmerzellen tiefer in die Höhle hineingetrieben wurden. — Nicht richtig finde ich es dagegen, dass Bowman dem Rest der Höhlenwandungen je- des Epithelium abspricht; ich finde hier nämlich ein einfaches dünnes Plattenepithelium, das in ziemlich regelmässig polygo- nalen Formen sich darbielel, und wenn dies gieht in jedem Fall gleich deutlich erscheint, so liegt die Schuld wohl daran, dass aus dem anslossenden Harnkanälchen ganze Epitheliumzellen Müller's Archiv. 1845, 33 514 oder deren Trünımer durch den Druck des bedeckenden Glas- plättchens in die Höhlung getrieben werden und die genauere Einsicht in dieselbe stören. Die ursprüngliche Durchsiehtig- keit dieser Stelle geht häufig unter den Augen des Beobach- ters verloren, und man hat dann hinreichende Gelegenheit, die genannte Ursache hiervon unmittelbar zu beobachten. Gegenüber der Eintriltsstelle des Harnkanälchens in jene Erweiterung, oder an einer Seite der letzteren, wenn sie mit zweien Kanälchen in Verbindung steht, tritt der Malpighische Gefässknäuel an das Harnkanälchen heran, und ragt mehr oder weniger tief in die Erweiterung desselben hinein, so dass er bald die Hälfte der Höhle erfüllt, bald einen weit geringeren Theil derselben einnimmt. Was die Angabe betrifft, dass der Glomerulus die Wand des }larnkanälchens durchbohre, nackt und frei in dieser Höhle liege und von der Flüssigkeit der- selben umspült werde, so muss zwar eingeräumt werden, dass das mikroskopische Bild bei oberflächlicher Betrachtung häufig hiermit übereiuzusiimmen scheint; dass dies aber auch nur Schein sei, davon kann man sich bei sorgfältiger Prüfung aller hier Stalt findenden Verhältnisse auf das Bestimmteste über- zeugen. Denn einmal ist, wenn das Präparat die ursprüng- liche Durchsichligkeit dureh den so eben erwähnten Umstand nicht eingebüsst hat, eine die Höhle des erweiterlen Harnka- nälchens von dem Gefässknänel trennende Scheidewand zu- weilen direkt zu beobachten. Dieselbe erscheint als ein feiner, durch eine einfache Linie bezeichneter, bogenförmiger Saum, dessen Convexität gegen die Höhle, die Concavilät gegen den Gefässknäuel gerichtet ist, der an den hervorragendsten Stellen ider Gefässschlingen gewöhnlich am schwierigsten aufzufassen st, bei dem Hinweggehen über die feinen Interstitien dersel- ben am deutlichsten hervortritt. dessen Peripherie endlich mit ler Tuniea propria des WNarnkanälchens ununterbrochen zu- sammenhängtgy Aber ‘selbst wenn diese Scheidewand dem Auge nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit direkt sich darbietet — was bei der Feinheit derselben nicht überraschen 515 kann — so deuten mehrere Umstände überzeugend auf die Gegenwart derselben hin. Hierher gehört zuerst das erwähnte Eintreten der Epitheliumtrümmer in die erweiterte Stelle; denn während die letztere hierdurch ihre Durchsichtigkeit verliert, wird das Malpighische Körperchen selbst dadurch wenig oder gar nicht betheiligt, und bleibt hell und durch- sichtig, wenn nicht etwa — was leicht zu unterscheiden ist — zurückgebliebene Blutkörperchen oder deren Kerne von An- fang an die Durchsichtigkeit verringerlen. Ferner weisen die Erscheinungen bei Compression des Präparals auf die Gegen- wart eines solchen Septums hin. Der körnige flüssige Inhalt der erweiterten Stelle wird dabei hin und her bewegt, ohne dass jemals ein Eintreten desselben zwischen die Schlingen des Gefässbüschels, und ein Auseinanderweichen dieser letz- tern sich zeigt; auch wird durch solchen Druck der Glome- rulus selbst bewegt, aber immer nur im Ganzen, nie in ein- zelnen Gefässschlingen. Dies deutet unverkennbar auf die Gegenwart eines Mittels, durch welches die Schlingen des Gefässknäuels zusammengehalten werden; und dass dieses Ver- bindungsmitiel eine den gauzen Gefässbüschel umhüllende Mem- bran sein müsse, und nicht ein die einzelnen Schlingen an einander heftendes Caement sein könne, dafür spricht, dass nach Trennung des Glomerulus von dem llarnkanälchen die Gefässwindungen aus einander fallen, und am Umkreise des Knäuels unverhälluissmässig grössere Furchen sich darbieten, als bei natürlichem Lagenverhältniss dieser Theile. — Endlich weicht bei fortgeseiztem Druck der Glomerulus aus dem Harn- kanälchen zurück, ja er Iritt vollständig aus demselben her- aus, und in solchem Fall kann denn abermals deutlich er- kannt werden, dass die ganze flaschenförmige Erweiterung von einem ununterbrochenen Contour umgeben wird, an des- sen Aussenseite der Glomerulus sich anlegt. — Am sicher- sten würde das Blossliegen des Glomerulus in der Höhle des Harnkanälchens widerlegt werden, wenn es gelänge, darzu- thun, dass das Plattenepithelium, welches, wie bemerkt, einen 33* 516 Theil der Höhle bedeckte, auch den Gefässknäuel bekleide. Hiervon habe ich mich jedoch auf unzweideulige Weise nicht überzeugen können, so wahrscheinlich mir diese Einrich- tung ist. Das Verhältniss des Glomerulus zu dem erweiterten Theile des llarnkanälchens scheint mir daher am passendsten in die Reihe derjenigen Bildungen gestellt werden zu können, die man als „Einstülpungen“ zu bezeichnen pflegt. womit nichts über die Entstehung derselben ausgesagt, sondern nur eine gewisse Art und Weise des Nebeneinanderliegens der organi- schen Gebilde bezeichnet werden soll. In dem hier behan- delten Fall solcher Einstülpung scheint dieselbe an dem dünn- sten und schwächsten Theil der Wandung des blind endi- genden Iarnkanälchens Statt zu finden. Hierauf deutet der Umstand, dass, wenn durch starke Compression die erweiterte Stelle berstet, dies regelmässig in dem Punkte geschieht, wo die Tunica propria des Harnkanälchens sich auf den Glome- _ rulus hinüberschlägt. Auch erscheint der Contour des bezeich- neten Seplums ungleich schwächer, als am übrigen Umfange der erweiterten Partie. Dies rührt aber ohne Zweifel grossen Theils daher, dass die Bindesubstanz, die sich von aussen an das Harnkanälchen anlegt und dessen Wände verstärkt, in ununlerbrochenem Zuge zwar gewöhnlich auf die zum Glo- merulus führenden Gefässe übergeht, in den Glomerulus selbst aber nicht eintritt, so dass die Gefässschlingen desselben in der That nur von der umgestülpten zarten Tunica propria des Harnkanälchens zusammmengehalten werden. In Bowman’s Darstellung der Nierentextur ist demnach ein Missgrif! dadurch geschehen, dass die sogenannte Kapsel des Glomerulus und die erweilerle Stelle des Harnkanälchens völlig idenlifieirt werden, während beide wohl zu unterschei- den sind, aber als zu einem und demselben Organtheile ge- hörend, ununterbrochen in einander übergehen. Bei der Ueber- einsiimmung in der anlomischen Grundlage der Tunica propria des Harnkanälchens und der Kapsel des Glomerulus wird es 517 verständlich, dass, wenn Glomerulus und Harnkanälchen von einander getrennt werden, an dem ersteren keine Spur der früher bestandenen Verbindung aufgefunden werden kann, weil das einzige hierzu brauchbare Mittel, das Lagenverhält- niss beider, entfernt ist. Eben so wird hiernach verständlich, wie der Glomerulus nach künstlicher Ausbreitung von Nie- renabschnitten und Ablösung von dem Harnkanälchen bald frei daliegt, bald von einer Kapsel umgeben erscheint. Denn diese Kapsel ist nicht die dem Glomerulus ursprünglich zu- kommende Umhüllung, sondern rührt nur von dem benachbar- ten Bindegewebe her, das nach Trennung des Glomerulus von dem Harnkanälchen sich zuweilen um denselben herumlegt. Daher denn die auch unter diesen Umständen gemachte An- gabe, dass der Glomerulus frei in seiner Kapsel daliege. In der That befindet sich hier zwischen dem Gefässknäuel, dessen Schlingen mehr ausgebreitet sind, und dem zufällig um diesel- ben sich lagernden Bindegewebe ein freier Raum, während die natürliche Kapsel des Glomerulus, d. h. der eingestülpte Tbeil des Harnkanälchens, demselben eng anliegt. — Man hat also einerseits Kapsel des Glomerulus das Nlaschenförmig er- weiterte Harnkanälchen selbst genannt, indem man den Glo- merulus frei in demselben liegen liess; und andererseits wurde die nach ‚Präparation von Nierenabsehnilten um den Glome- rulus zufällig herumgelagerte Bindesubstanz als natürliche Kapsel desselben angesehen; in beiden Fällen wurde die wahre Kapsel verkannt. — Ausführlicher werde ich über die noch in mehrfacher anderer Beziehung äusserst instruclive Tritonniere an einem andern Orte handeln. Dorpat, 12. September 1845. Ueber Flimmerbewegungen in den Primordialnieren; von A. KöuLLıkeEr. Bei einer Untersuchung des Blutes der Primordialnieren von Eidechsenembryonen aus der Mitte des Fötallebens machte ich einige Beobaehtungen über die Struktur dieser Organe, die ich in Kurzem mittheile. da dieselben schon jetzt einiges In- teresse darbielen und ich keine Aussicht habe, meine Erfah- rungen in der nächsten Zeit zu vervollständigen. Die Primordialnieren der Eidechsenembryonen bestehen, wie die von Säugelhieren, deren Bau Bischoff (Entwick- lungsgeschichle p. 344.) kurz schildert, aus ziemlich weilge- schlängelten und, wie es scheint, unverästeltlen Kanälen, die unter einem rechten Winkel in den am äussern Rand der Drüse herabsleigenden Ansführungsgang einmünden. Was ich über die feinern Sirukturverhältnisse derselben in vollkommen entwickelten Drüsen salı, ist Folgendes: Die 0,02 — 0.04 messenden Kanäle bestehen aus zwei Schichten. Die äussere wird von einer zarten, strukturlosen Haut gebildet, die be- sonders bei Zusalz von Wasser leicht zu erkennen ist, und ganz an die äussere Hülle der Nierenkauälehen erinnert; die innere ist ein geschichtetes Epithelium von 0,006 — 0,009‘ Dicke. Die Zellen, die dasselbe zusammensetzen, sind rund- lich platt, 0,0025‘ diek, 0,005 breit, mit Kernen versehen und in doppelter, drei- oder mehrfacher Lage über einander angeordnel; die innerste Schicht derselben ist durch die aus- gezeichnet entwickelten Flimmerhaare von 0,006 — 0,008” Länge bemerkenswerlh, die durch ilıre lebhaften Bewegungen auch des oberflächlichsten Beobachters Aufmerksamkeit auf sich lenken, und namentlich in den oft sich darbietenden 519 scheinbaren Querdurchschnitten der Kanäle einen zierlichen Anblick gewähren. So viel ich sah, kömmt das Flimmerepi- thelium in der ganzen Länge der Kanälchen vor, mangelt da- gegen in dem gemeinschaftlichen Ausführungsgange der Drüse und in den Enden der Kanäle. Diese letzteren nämlich ver- halten sich eigenthümlich; sie sind nichts anderes, als die Malpigbischen Körperchen, deren Existenz in den Primordial- nieren besonders durch Rathke’s schöne Untersuchungen über die Entwicklung der Nalter dargetlian worden ist. Jeder der Malpighischen Körperchen, die einen Durchmesser von 0,04 —-0,08‘ besitzen, ist eine Blase, die unmittelbar dem Ende eines Drüsenkanales aufsitzt und in offener Communi- eation mit demselben steht. Die strukturlose Haut des Drü- senkanales ist auch ihr eigen, und eben so das Epithelium, nur ist letzteres zarler, nur aus einer Schicht gebildet und ohne Wimpern; im Innern des Körperchens findet sich ein Knäuel von Capillargefässen, die an der dem Ursprunge des Kanales entgegengeselzten Seite ein- und austreten, und, wie es scheint, durch’ ‚eine Lage von Zellen von der Höhlung des Drüsenkanales geschieden sind. Dies ist das Resultat einer mitten unter vielfachen andern Beschäftigungen vorgenommenen kurzen Untersuchung. Das- selbe scheint mir besonders darum aller Aufmerksamkeit werth, weil daraus die fast vollkommene Identität der Primordial- nieren und wahren Nieren in den wesentlichsten Punkten der feinern Organisation hervorgeht, was bei der grossen Ver- wandischaft der Funktion beider Drüsen zu beweisen scheint, dass die eigenthümlichen, sonst nirgends sich findenden Mal- pigbischen Körperchen und ihr Zusammenhang mit den flim- mernden Drüsenkanälchen für den physiologischen Vorgang der Harnsekretion von entscheidendem Einfluss sind. Zwar ist, seit Bowman seine schönen Beobachtungen über die Siruktur der Nieren bekannt gemacht hat, von mehreren Sei- ten her bezweifelt worden, dass die Malpighischen Körperchen mit den Nierenkanälchen in Verbindung stehen, allein voll- 320 kommen mit Unrecht. Eigene Untersuchungen, die besonders wegen der ungemein bestimmten Weise, mit der Reichert über fast alle Angaben von Bowman den Stab bricht, mit grosser Sorgfalt unternommen wurden, zeigten mir, dass nicht nur die Nierenkanälchen mit den Kapseln der Malpighischen Körperchen in Verbindung stehen, gerade wie Bowman schil- dert, sondern auch, dass wenigstens beim Frosch (bei höhe- ren Thieren konnte ich bis jetzt keine Wimperhaare sehen, wohl aber hat Simon, Prosektor am King's College in Lon- don, einer mündlichen Mittheilung zu Folge, dieselben bei Fischen, wenn ich mich recht erinnere, bei einer Raja t), be- obachtet) im Eingange der Kapsel selbst und den zunächst gelegenen Theilchen der Kanälchen in ziemlicher Ausdehnung (wenigstens auf 0,04— 0,06“ Länge) ein Flimmerepithelium sich findet, das durch 0,004“ lange, lebhaft schlagende Här- chen sich auszeichnet. Reichert, der die Flimmerbewegung 1) Bei den Rochen (Raja clavata) dehnt sich die Wimperbe- wegung über grosse Strecken der Harnkanälcher und durch viele fortgesetzte Windungen aus. Die Wimpern sind ausserordentlich gross und länger als der Durchmesser des Lumens der Kanälchen, so dass sie der Länge nach in das Harnkanälchen hineinhängen; sie stehen ein- reihig in Kreisen, die sich in bestimmten kurzen Zwischenräumen wie- derholen. Die Zwischenräume der Reıhen entsprechen ungefähr der Länge der Wimperhaare. Bei der Bewegung schlängeln sich die Wim- pern und wirken wie der Schlag einer Peitsche. Noch nie sah ich solche kolossale Wimpern. Ich mache bei dieser Gelegenheit auf regelmässige Intermissionen der Wimperbewegung an den Kiemen der Ascidien aufmerksam. Nach einer gewissen Zeit der Dauer hört alle Bewegung auf, und nach einer Pause tritt sie wieder vollständig ein, und dies wechselt regelmässig ab. Diese Beobachtung, welche auf den Zusammenhang der Wimperbewegung mit dem Nervensystem bioweist, ist an den kleinen, ganz durchsichtigen, von Lister be- schriebenen Ascidien der Nordsee gemacht, an welchen man so schön die von Zeit zu Zeit wechselnde Richtung der Blutströmung (wie bei Hirudo vulgaris) sehen kann. Die Pausen der Wimperbewegung sind mit letzterem Phänomen nicht gleichzeitig. Anmerkung des Herausgebers. 521 nicht sehen konnte, glaubt, es entstehe oft der Schein einer solchen, durch helle, durchsichtige, bläschenartige Körperchen, deren Entstehung innerhalb der Drüsenkanäle noch unbekannt sei, die aber häufig den Beobachter insofern hintergehen, als sie (wie ähnliche Gebilde in den Furchungskugeln) mit ähn- lichen natürlichen Formelementen verwechselt oder geradezu für solche gehallen werden; es sollen diese Körperchen durch ihre Bewegung im Innern der Drüsenkanälchen bei ihrem Ausfliessen aus einem abgerissenen Ende den Gedanken er- wecken, dass man ein flimmerndes Epithelium vor sich habe. Dass ich durch diese hellen, durchsichtigen, bläschenartigen Körperehen mich nicht habe täuschen lassen, mag am besten daraus zu entnehmen sein, dass ich selbst über die Entstehung und Natur derselben Aufschluss geben kann. Es zeigen sich diese Körperchen nur dann, wenn man Wasser dem Präparate zuselzt, und sind nichts anderes, als die Zellen des Epitheliums der Nierenkanälchen. die durch Aufnahme von Wasser so sehr aufquellen, dass sie in den meisten Fällen Kern und Inhalt nicht erkennen lassen, und nur als blasse, scheinbar homogene, durehsichtige Kugeln erscheinen; auch der bei Zusatz von Wasser aus den platzenden Zellen ausgetretene Inhalt erscheint gewöhnlich in Form von blassen, sehr transparenten Kugeln, wie man dies auch an anderen Orlen, z. B. an den Epithe- lium - Zellen der Plexus choroidei in ausgezeichnetem Grade, ' und an den Lymplıkügelchen (siehe H. Müller in Henle’s und Pfeuffer’s Zeitschrift für rat. Med. Bd, Ill. p. 204.) deutlich wahrnimmt. Uebrigens gebe ich gern zu, dass die Flimmerbewegung nicht in jedem Präparate zu sehen ist. Bowman selbst (beiläufig gesagt, ein ausgezeichneter Mi- kroskopiker), der mir im heurigen Frübjahre seine Präparate über die Nieren zeigle, fertigte oft 4, 5 und noch mehr Prä- parate an, bevor er ein beweisendes fand, und ich selbst machte die nämliche Erfahrung; jedoch habe ich bis jetzt in keiner Froschniere die Flimmerbewegung vermisst, und, was ich hier anführe, da in dieser Frage vielleicht die Zabl der 522 Beobachter in Betracht kommen wird, dieselbe E. H. Weber und Hermann Meier, so wie auch mehreren meiner Zuhö- rer gezeigt. Möglich ist es, dass zu reichliche Benetzung der Präparate mit Wasser, Reichert und Bidder an der Beob- achtung derselben hinderte, wenigstens habe ich in diesem Falle dieselbe öfter vermisst, als wenn ich Blutserum, Eiweiss oder am besten Froschharn zur Befeuchtung nahm, was sich aus der angeführten Veränderung der Zellen der Kanälchen durch Wasser nicht unschwer erklären lässt; auch in ganz unbefeuchteten Präparaten habe ich die Flimmerung, und fast am sichersten, vorgefunden. Nur in einem Punkte scheinen mir Bowman’s Angaben nicht ganz richtig zu sein, nämlich in Bezug auf das Epithe- lium der Malpighischen Körperchen. Weit entfernt jedoch, Reichert beizustimmen, der unbegreiflicher Weise mit aller nur möglichen Bestimmtheit behauptet, an der Kapsel der Körperchen sei nicht einmal die Spur einer Zellenschicht vor- handen (l. e. p. COXXIV.), haben mir meine Beobachtungen mit Bestimmtheit ergeben, dass innerhalb der Kapsel ein reich- liches Epithelium vorkömmt. Jedoch kann ich mit Gerlach, der schon vor mir (Müller’s Archiv 1845. p. 378.) diese Aeusserung gethan hat. und annimmt, dass die Kapsel und der in sie hereinragende Gefässknäuel jeder eine besondere Zellenschicht, erstere sogar Flimmerepithelium, welches auch Valentin gesehen haben will, besitze, die da, wo die Ge- fässe in die Kapsel eindringen, mit einander in Verbindung stehen, nicht ganz übereinstimmen; namentlich was die Wim- pern betrifft, die ich nie weiter als in den Eingang der Kapsel sich erstrecken sah. Was die zwei Epitheliumschichten be- trifft, so gestehe ich, dass mir oft Präparate vorkamen, die für ein solches Verhältniss zu sprechen schienen, jedoch hatte ich in diesen Fällen meistens Ursache, dieselben für nicht ganz natürlich zu halten. Mit ınöglichster Sorgfalt verfertigle und nicht durch Nadeln gezerrie feine Schnitte der Nieren- substanz zeigten mir vielmehr, dass in der Kapsel der Malpi- 5% ghischen Körperehen normal kein freier Raum vorkommt. Innen auf die strukturlose Haut derselben, welche die unmit- telbare Fortsetzung der strukturlosen Haut der Nierenkanälchen ist, folgt eine einfache Schicht von meist kleinen Epithelium- zellen, an der an den meisten Stellen der Knäuel von Ge- fässen ohne eine besondere Epitheliumschicht dicht anliegt; nur in den Zwischenräumen der Capillaren und an dem freien Ende des Knäuels. der nach dem Drüsenkanälchen hingerich- tet ist. finden sich noch andere Zellen, die jedoch keine be- sondere Lage bilden, sondern continuirlich mit den andern zusammenhängen. Demnach wäre, einfach gesagt, der ganze Gefässknäuel eines Malpighischen Körperchens in eine conli- nuirliche Schicht von Epitheliumzellen eingebeltel, die einer- seits in alle Verliefungen zwischen die Gefässe sich hineinbe- giebt, und dieselben von der Höhlung der Nierenkanälchen abschliesst, andererseils an die strukturlose Wand der Kapsel sich anlegt und von hier aus mit dem Epithelium der Drüsen- kanälchen selbst zusammenhängt. Die einfachste Methode, um dieser Zellen ansichtig zu- werden, ist, da ein Isoliren unver- letzter Malpighischer Körperchen nicht immer leieht gelingt, ein Körperehen zu zerreissen und den ausgelretenen Gefäss- knäuel zu untersuchen; immer findet man an deniselben, na- mentlich in den Vertiefungen zwischen den einzelnen Gefäss- chen, eine grössere oder geringere Zahl von Zellen, jedoch nie eine zusammenhängende Schicht. Zum Schlusse noch ein Wort über die von Gerlach behauptete seitliche Anheftung der Malpighischeu Körperchen an die Nierenkanälehen. Obsehon meine Beobachtung mir nie eine solche zeigle, so mag es doch damit in einigen Fällen seine Richligkeit haben, jedoch darf ich mit Bestimmtheit be- hauplen, dass eine terminale Anheftung der Körperchen, die auch Bowman als einzige annimmt, die Norm ist. Zürich 24. September 1845. Ueber den feineren Bau der Leber; von, C. Krıavse in Hannover. Hierzu Taf. XV. Fig. 5—9. Die schätzbaren Abhandlungen über diesen Gegenstand im Jahrg. 1843 dieses Archivs veranlassen mich, noch meine spä- teren Beobachtungen zu geneigter Berücksichtigung und zur Begründung der in der zweiten Auflage meines Handbuchs der Anatomie gegebenen Beschreibung des Baues der Leber mitzuthei- len. Sie weichen von denen anderer Forscher ab und schlies- sen sich hinsichtlich der Resultate ganz an diejenigen, welche ich im Jahrg. 1837 des Archivs veröffentlichte. Dort wies ich nach, dass die Leber allein Hohllräume von regelmässiger Gestalt und Grösse enthalte, welche vermittelst der Luftpumpe vom Lebergange aus mit Luft injieirt und dadurch sichtbar ge- macht werden können: und schrieb, von der Zeit dieser Er- fahrungen an, der Leber einen aus Secrelionsbläschen (Acini) zusammengesetzten Bau zu, in der Hauptsache übereinstim- mend mit dem der Speichel-, Milch- und Nierendrüsen. Dass andere Beobachter eine Wiederholung dieser Untersuchungen nach derselben Methode versucht hälten, ist nicht bekannt ge- 925 worden, vielleicht weil alsbald nachher die Aufmerksamkeit der meisten, mit der Leber sich beschäftigenden Anatomen ganz auf die Leberzellen,.die freilich leichter zur Anschauung zu bringen sind, gerichtet war; dagegen haben jene Untersu- ehungen eine etwas flüchlige Auffassung und Beurtheilung er- fahren. In Henle’s allgem. Anat. S. 902 liest man folgende Darstellung derselben: „Einmal, als bei der Injection vermit- telst der Luftpumpe die Luft mit grosser Gewalt in die Leber eingedrungen war, erschienen die Läppchen an der Oberfläche‘ — (und viele derselben im Innern) — „durch Luft ausgedehnt, und zeigten sich zusammengesetzt aus regelmässigen, runden, diehtgedrängten und von Luft stark ausgedehnten Bläschen von 0,021 bis 0,025” Durchmesser. Die aufgeblasenen Bläs- chen“ (vielmehr die Gallengänge) „mit dem Messer weiter in die Tiefe zu verfolgen, konnte natürlich nicht gelingen, und so (?) bleibt immer nur Vermuthung, so wahrscheinlich auch Krause es zu machen sucht, dass die Bläschen erweiterte Enden der Gallenkanälchen seien.“ Dieses Urtheil ist von Anderen nur wiederholt, daher ich denn auf meine Mitthei- lung selbst (Jahrg. 1837 S. 10 — 17) verweisen muss, woselbst man finden wird, dass ich damals die Bläschen (Acini) nicht einmal, sondern zweimal mit Luft und einmal mit Quecksil- ber angefüllt, und dabei nachgewiesen habe, dass wenigstens in den Thalsachen- gar kein Grund zu der Vermuthung exi- slirt, die Luft und das Quecksilber sei im die Bläschen, auf anderem als dem natürlichsten Wege, durch die Verzweigun- gen des Leberganges gelangt. — In der Hoflnung, bei fortge- setzten Versuchen die Gallengänge und Acini auch mit einer erhärtenden, die Verfolgung der ersteren gestaltenden Masse anzufüllen, stellte ich nach und nach eine grosse Anzahl von Injectionen der Leber des Menschen und verschiedener Thiere, mit gefärbten Terpentin- und Weingeist-Firnissen, Cacaobulter, Leim, Gummi, Blut, Eiweiss, unter mannigfaltigen Modifica- tionen, aber olıne die Luftpumpe, und mit wechselndem Er- folge an. Bedingungen, welche den glücklichen Erfolg im Voraus 526 in dem Grade sichern könnten, wie elwa bei Injeelionen der Gefässe oder wenigsiens wie bei denen einiger anderer Drü- sen, z. B. der Milehdrüsen, kenne. ich noch nicht; nur die häufige Wiederholung der Versuche führte die günstigen Zu- ‚fälligkeiten herbei. Am besten gelang die Injection bei Igeln, welehe durch Untertauchen in warmem Wasser und Durch- schneidung der Halsgefässe gelödlet und sogleich geöffnet wur- den, wenn die Galle sehr dünnflüssig durch den geöffneten Lebergang sich strömend entleerte, und die noch warme Leber sogleich injieirt wurde: auch in der Leber neugeborner Kin- der habe ich mehrere Male die Acini sehr glücklich angefüllt, besonders wenn sie noch sehr frisch und das Blut durch einen sanften, durch die Venen getriebenen Strom warmen Wassers grösstentheils entfernt war: seltener gelang die Ein- spritzung der Leber erwachsener Menschen. Die am besten eindringende Masse ist die wit fein abgeriebenem Zinnober ge- färbte ‘Cacaobutler, welehe man, unmittelbar vorher, ehe man sie in die Spritze zieht, noch mit Schwefeläther verdünnt; jedoch lässt sie, sehr langsam erstarrend, den Farbesloff fallen, so dass oft die Gallengänge und Acini an der einen Seite roth, au der anderen weiss erscheinen. .Nach einer gelungenen Injection findet man zwar die Gallengänge meistens in allen Gegenden der Leber gefüllt, ob- gleich die Masse auch zuweilen schon in einem oder anderen grösseren Aste slockt; man sieht ihre baumlörmige Veräste- 43 55: 55; höchstens „44“, und die von E. H. Weber entdeckte nelzförmige Verbindung dieser lung bis zu Reisern von feinen Reiser, deren Maschen eine Weite von „1; bis „4“ dar- bieten: dagegen beschränkt sich die Injeclion der Acini, auch im glücklichsten Falle. nur auf kleinere und grössere Partieen im Innern und an der Oberfläche der Leber, woselbst die Läppchen stärker heıvorragen und gefärbt erscheinen; indem ihre Acini, mit der Injectionsmasse angefüllt, als regelmässige, runde und oblonge Bläschen von ; — ;47‘“, selten und nur einzeln zu „, Durchm., schon bei schwacher Vergrösserung 527 (25 — 60 mal) zu erkennen sind. Lässt man ein solches Leber. läppehen etwas Iroeknen, macht Durchschnitle desselben und behandelt Jiese mit Schwefeläther bis zur Auflösung der Masse, so erkennt man auf den Schnitlllächen die Höhlen der Bläs- chen und ihre dünne Wand. Aus der Basis der Läppchen — deren Geslalt und Unterschied von der Tela interlobularis, die keine Masse aufgenommen hal, aber elwas verdrängt und zwischen den injieirten Läppchen zusammengedrückt erscheint, man sehr gut wahrnimmt — sieht man die Reiser oder Wur- zeln der Gallengänge hervortreten; viele zeigen sich aber auch an der Oberfläche der Läppchen und zwischen ihnen, so dass walırscheinlich aus jedem Läppehen mehrere Gallengangreiser, jedes aus einem Häufehen von Aeini, die zusammen ein grös- seres, dem blossen Auge sichtbares Läppchen bilden, ihren Ur- sprung nehmen. Mehrere Male habe ich im Innern eines Leber- läppehens, auf dem Durchschnitt desselben, eine Strecke eines kleinen Gallenganges gesehen, der um so sicherer von der Ve- nula centralis unterschieden werden konnle, als ersterer mit Masse, lelztere mit Blut gefüllt war. Nicht selten findet man Gallengangreiser, die aus nur drei bis vier Acini hervorzutreien scheinen, weil die übrigen desselben Läppehens nicht injieirt sind. Man erkennt diese Verhältnisse an den Fig. 5— 9 auf Taf, XV., welche einer weitläufigen Erklärung nicht be- dürfen. Sie stellen Stücke von der durch den Lebergang par- tiell injieirten Leber eines Igels dar, ganz frisch und mit gros- ser Sorgfalt und Treue von Kohlrausch gezeichnet; Fig. 5 ist von dem liande und der Spilze eines grösseren Lappens, woselbs! man nur die Acini an der Oberfläche der Läppchen, aber nicht die zwischen und unter den Läppehen entspringen- den Gallengaugwurzeln sieht; Fig. 6 und 7 sind von der Ober- Näche der Lappen in der Nähe der Leberpforte, woselbst man such beim Menschen die ansehnlichsten Netze der Gallengänge findet; Fig. 8 und 9 sind von dem Innern eines Lappens eninommen. — Sehr insseueliv war auch die Leber eines neugebornen Kindes, welche ich später. als die Tafel bereits 528 gestochen war, untersuchte, nachdem ich zuerst in die Gallen- gänge und einen kleinen Theil der Acini rothe, dann in die Lebervenen gelbe Masse injicirt hatte. Die meisten Leberläpp- chen waren durch Anfüllung der Venula centralis (intralobu- laris), ihrer Aeste uud ihrer Oapillarnetze gelb gefärbt und dadurch die Gestalt der Läppehen sehr markirt; eine geringere Anzahl der Läppelien erschien durch Injection ihrer einzeln zu erkennenden Acini ausgedennt und rolh gefärbt, indem die gelbe Masse zwar in die Stämmchen der von den injieirten Acini umgebenen Venulae centrales, aber nicht bis in das Ca- pillarnetz dieser Venen eingedrungen war. Wenn behauptet wird, man müsse die Acini der Leber, falls sie exisliren, eben so voll, wie in anderen acinösen Drü- sen, auch im nicht injieirten Zustande schen können, so kann man diese Forderung nur in einem gewissen Umfange gelten lassen, indem eine. Beschaffenheit dieser Acini, welche sie we- niger sichtbar, oder schwieriger als andere erkennbar machen kann, sehr wohl gedenkbar ist. — Auf den Schnittflächen der ganz frischen Leber des Menschen und der verschiedenen, in dieser Hinsicht von mir untersuchten, Thiere sieht man bei auffallendem Lichte graugelbliche Körperchen von runder oder schwach ovaler Gestalt und sehr regelmässiger Grösse, deren Durchmesser meistens nur zwischen ; und ;;“, sellener 5 zwischen und „|; variirt; sie ragen auf den Schnittflächen ss kegelarlig hervor. In sehr dünnen Schnitichen, bei darauflal- lendem Lichte betrachtet erscheinen sie opak, an den Rändern mehr durelscheinend und von einem helleren durehsichtigeren Gewebe umgeben, in welchem man, bei Zerrung und starker Vergrösserung, sehr feine kurze Zellstofffibrillen, ausserdem naeh Injection der Gefässe oder Behandlung sehr blutreicher Lebern mit stark verdünnter Schwefelsäure, auch das bekannte Capillargefässnetz erkennt, dessen Maschen nicht ganz die Weite des Durchmessers der Körperchen haben. Der Abstand bis 4. Sie müs- der Körperchen von einander beträgt 3 sen auch von anderen Beobachtern bemerkt, aber wahrschein- 929 lich für Leberzellen gehalten sein, da man nicht selten unrich- tigen und übertriebenen Angaben der Grösse dieser Zellen be- gegnet. Diese Körperchen enthalten sechs bis acht Leberzel- len von —, bis „+; Durchm., deren Grösse also zu den Kör- perehben in demselben Verhältniss steht, wie die der Zellen in den Acini der Thränen-, Speichel- u. a. Drüsen zu diesen Acini selbst: auclı schliessen sie nicht selten eine gelbbräunliche Flüssigkeit ein, welche einen Raum von „4, Dm, mitten zwischen den Zellen einnimmt. Am Rande der Schnitichen sind die Körperchen meistens durch das Messer oder den zu- weilen angewandten, von mir construirten Doppelschnepper theilweise zerstört, auch vertragen sie keinen Druck; häufig findet man aber ihre Peripherie unverletzt, die Contouren scharf und von einer deutlichen Linie begränzt. Sie finden sich nur in den Leberläppchen vor, deren Masse sie grössten- theils bilden; niemals in der Tela interlobularis, wenn nicht elwa einzelne derselben durch das Messer dorthin geschoben _ sind. Diese Körperchen halte ich nach der geschilderten Grösse, Anordnung und Beschaffenheit für die Aecini der Le- ber, ihren zuweilen sichtbaren gelbbräunlichen Inhalt für Galle, und glaube um so melır, dass sie und keiue andere Hohlräume durch Injection von mir angefüllt sind, als ich in den Leber- läppchen, welche die Injection nur in einem Theile ihrer Masse aufgenommen hatten, die gefüllten Acini und diese Kör- perchen unmittelbar beisammen — der eine Theil des Läpp- chens nur aus gefüllten Acini, der andere aus diesen Körper- chen und der helleren Zwischensubstanz von Zellstoff und Ca- pillargefässen zusammengesetzt — erblickte. In der sog. gra- nulirten Leber sieht man in den Leberläppchen theils diese Körperehen, theils Felttröpfehen; aber keins der letzteren übersteigt an Grösse die der Körperchen, obgleich sie, sobald man die Läppchen mehr zerreisst und die Tröpfchen frei wer- den, zu Tropfen von weit beträchtlicherer Grösse zusammen- liessen: hiernaech ist zu vermuten, dass sie den innern Raum Müller's Archiv. 1915, 34 530 der Körperchen, die Höhle der Acini einnehmen, unter Iheil- weisem oder gänzlichem Verschwinden der Leberzellen. Oben führte ich an, dass ich an dünnen Schnitten der mit fester Masse injieirten Leberläppehen, nach Entfernung der Masse durch Schwefeläther, die Höhlung und die Wände der Aciui erkannt habe, erstere *Z, selten ;“ weit, letztere 47“ dick. Was hier als Wand erschien, bestand aber natür- lich aus den in dem Acinus enthallenen und gegen die Wand gedrängten Leberzellen, und aus der Substanz zwischen den an einander gränzenden Aecini: die eigentliche Wand derselben ist ohne Zweifel sehr viel dünner, da man eine solche an Aci- ni anderer frischer Drüsen, den Speichel-, Thränen- und Milchdrüsen u. a. als zwei parallele Linien von elwa us“ Abstard erkennt, innerhalb welcher die Zellen dieser Acini‘ (Epithelium) mehr odep weniger deutlich wahrnehmbar sind. Dass die Wand eines frischen Acinus der Leber unter gleichen Umständen (wenn nämlich ein einzelner Acinus einer Drüse am Rande eines Schnitichens mit einem Theile seines Umfangs vollkommen frei liegt) nicht auf dieselbe Weise sich darstellt, liegt wahrscheinlich an den optischen Eigenschaften der Leber- zellen. Die frei der Beschauung im Profil darliegende Wand des Acinus einer Thränendrüse bricht das Licht stärker als das Wasser, von welchem sie auswendig umgeben ist, und als die äusserst klaren und Jurchsichtigen Zellen und das Thränentröpfehen, mit welchem sie inwendig in Berührung steht; daher sieht man ihre doppelte Contour. Die Leberzel- len verhalten sich aber ganz anders als die Zellen in den Aci- ni der Thränen- u. a. Drüsen; sie werfen das Licht stark zurück, glänZen in auffallendem Lichte, sind einzeln bei durch- fallendem Lichte betrachtet mehr durchscheinend als durch- sichtig, und je drei oder vier über einander liegend fast un- durchsichtig: wenn sie nun ein der Wand des Acinus gleiches Liehtbrechungsvermögen besitzen, so kann die innere Contour dieser Wand nicht erkannt werden und die äussere nur als eine einfache, scheinbar ein solides Aggregat von Leberzellen 531 abgränzende Linie sich darstellen, um so mehr, als bei der Untersuchung ganzer Acini der Leber mit sehr starken Ver- grösserungen wenig auszurichten ist. Da ich diese Untersuchungen mit der grössten Behutsam- keit und Misstrauen gegen ihr Ergebniss durchgeführt habe, wie mir Kohlrausch bezeugen kann, so bin ich keineswegs geneigt, meine wohlbegründete Ansicht über den Bau der Le- ber aufzugeben, so lange nicht die oben aufgeführten Thatsa- chen eine bessere Auslegung, als ich ihnen ‚gegeben, erfahren werden. Nur für diejenigen, welche vielleicht ihr Urtheil ab- geben möchten, ohne viel mit Iojectionen der Leber sich be- sehäftigl zu haben, sei hier noch bemerkt, dass Extravasat in der Lebersubstanz ganz anders aussieht als injieirte Aeini. Dass meine Ansicht von der meines verehrten Freundes E. H. Weber divergirt, hat mich lange Zeit hindurch sehr beunru- higt. So interessant die Entdeckung des nelzförmigen Zusam- menhanges der Ausführungsgänge ist, welche in anderen aci- nösen Drüsen nicht vorkommt, so finde ich doch an Webers Präparaten, und noeh vielmehr an den sogleich nach der In- jection von mir untersuchten Lebern, diese Netze viel zu dürf- tig entwickelt, besonders im Innern der Leber, und ihre Ma- schen zu weit, als dass ich in ihnen die Ställe einer so co- piösen Secretion suchen könnte. Einigemal habe ich bei Ver- folgung fein injieirter Gallengänge, deren Acini keine Injections- masse aufgenommen hatten, bis zu einer Feinheit dieser Gänge von 1,” hin, nur baumförmige Verästelung, keine netzförmige 130 Vereinigung, die man doch bei diesen feinsten Reisern wohl hätte erwarten dürfen, wahrgenommen. Noch ein anderer Umstand muss bei der Beurtheilung der an der Oberfläche und im Innern der Leber beobachteten Netze zu grosser Vor- sicht auffordern. Wenn die Injectionsmasse (irgend eine der oben genannten) nur einigermaassen bis in die feineren Wurzel- reiser der Gallengänge eindringt, so zeigt sie sich auch in den Lymphgefässen, deren Netze und grossentheils klappeureiche Stämme an der Oberfläche in der Nähe des Lig. suspensorium 34* 532 und coronarium, vorzüglich aber in der Leberpforte und im oberen Ende des Lig. hepatoduodenale stroizend gefüllt er- scheinen ; ich kenne überhaupt kein besseres Mittel, die tiefen Lympligefässslämme in der Leberpforle siehlbar zu wachen, als eine Injection von Cacaobulter in den Lebergang. Wo der Uebergang in die Lymphgefässe Statt findet, weiss ich nicht: aber die Möglichkeit liegt oflen dar, dass Nelze von Gefässen, die man nach Injectionen durch den Lebergang auf der Oberfläche oder in der Tiefe antrifli, ohne ihren un- mittelbaren Zusammenhang mit den injieirten Gallengängen zur sicheren Anschauung zu bringen, Netze von Lymphgefässen sein können: und gilt diese Möglichkeit auch von den von mir dargestellten Netzen auf Fig. 2 u. 3. Vielleicht trifft das- selbe Bedenken auch die von Krukenberg, im Jahrg. 1843 dieses Archive Taf. XVI, mitgelheilten Abbildungen, deren Deutung freilich nur der unternehmen kann, der die Lebern, von welchen sie eninommen sind, sogleich nach der Injeclion untersucht hat: jedenfalls scheint nach dem, was man dort auf Fig. 4— 7 erblickt, und da vermuthlich die gelungensten und lehrreichsten Präparate abgebildet worden, die Constru- etion der schemalischen Fig. 3 sehr gewagt. Weber’s Vasa aberrantia der Leber halte ich für unvollständig injieirte Gallengänge, viellricht mit einzelnen angefülllen Acini: ob auch die von Theile beschriebenen „Gallengangdrüsen* als sehr parlielle Injeclionen von Gallengängen und Leberaeini, mit welchen die Drüsenbläschen jener Drüsen übereinzustimmen scheinen, betrachtet werden können; muss ich dahingestellt sein lassen, da ich Theile’s Präparate nicht gesehen habe. Gegen die Zusammensetzung der Leber aus Läppchen, und einer von diesen verschiedenen Tela interlobularis, dürfte wohl ein begründeter Zweifel nicht mehr zu hegen sein: eines Prä- parals von der menschlichen Leber, ähnlich dem von Müller im Jahrg. 1843 Taf. XVII abgebildeten, in meinem Besitze, habe ich sehon früher gedacht, Man darf sich nicht beirren lassen, dass u. a. an sehr blutarmen menschlichen Lebern, bei 533 sehr eingeschrumpfter Tela interlobularis, die Läppchen an der Oberfläche nicht isolirt erscheinen, sondern durch den Ueber- zug von Tela interlobularis hindurch das Zusammenfliessen der Bases der Läppchen wahrgenommen wird, wodurch sie als eine continuirliche Masse sich darstellen, für die man in dieser Hinsicht den Namen Substantia relicularis allenfalls gelten lassen kann. Aber eine noch vollkommener continuirliche Substanz ist die Tela interlobularis, obgleich an blutarmen Le- bern zuweilen nur die verhältnissmässig ansebnlicheren Massen derselben zwischen den freien Enden von drei oder mehreren, Läppchen, scheinbar isolirt, als bräunliche Inseln stark in das Auge fallen. Diese Massen als Körner und die Tela interlo- bularis als Subst. granosa, die Leberläppchen aber als Pseudo- körner zu bezeichnen, scheint mir unseren gegenwärtigen Kenntnissen über den Bau der Leber wenig entsprechend und vielmebr verwirrend als aufklärend, Bemerkung über Lepidosiren paradoxa. Briefliche Mittheilung von J. Hzcekesı. Sie erhalten anbei eine zwar nicht schöne, aber doch richtige Zeichnung des Kopfes unserer Lepidosiren paradoxa, woraus Sie ersehen werden, dass weder äussere Kiemenfäden noch Nebenstrahlen der Brustflossen, wie an Lepidosiren annectens Peters, vorhanden sind; so auch, dass die Porenreihen der Schleim ausführenden Gänge sich etwas anders verlaufen und dass die Schuppen viel kleiner sind, auch keine kreisförmige, kaum sich deckende an den Kopfseiten sitzen. An unserem Thiere ist auch nicht eine Spur dieser so ausgezeichneten Kiemenfäden bemerkbar; der sehr weiche und verhältnissmäs- sig schwache Brustflossenstrahl ist an der Basis im Quer- durchschnilte oval, dann gegen sein Ende etwas klingenförmig comprimirt, ohne die mindeste Anzeige von Seitenstrahlen; selbst nach behutsamem Ablösen der verhüllenden dicken Haut erscheint nur der weichknorplige, aus langen Gliedern zusammengesetzte Hauptstrahl ganz allein. Die Bauchflossen sind ebenso, nur etwas mehr klingenförmig, und längs der schmalen Kante zeigt sich eine schmale, aber strahlenlose Mem- bran. Sie werden daher mit vollem Rechte dem afrikani- schen Thiere den ersten Owen’schen Gattungsnamen Proto- 535 pterus (Protoplerus anneelens) resliluiren. Bei dieser Gelegen- heit kann ich mich abermals, ohnerachtet aller anatomischen Beweise, einer heimlichen Abneigung nicht enthalten, diese Thiere als Fische anzuseben; ja mir kommt die Klasse der armen*) Fische dabei so vor wie ehemals gewisse Ordnungen, deren in jeder Klasse wenigstens eine anzutreffen war, die stillschweigend darum Tbiere oder Pflanzen aufnehmen mussten, weil sie in andere Ordnungen durchaus nicht passten. Wien, den 15. August 1845. J. Heckel. 1) Aber die armen Amphibien! Anmerk. des Herausgebers. ae u BON BLU PN 7) az ab Deep Il sin Hiller's Archiv IB1.5 An) Hiller's Archiv 1 Taf. IT. Miller's Archiv 18-45 ui SH S a — _— or — ——— - t a EN . a EN EN AR KR IL t & N > z [3 . \ Lz) A RQ \\ E| + ler NA ; FH— I * } en S a u 4 a1 D an m ß wu R x ON a = ———S . => - tr d Muller's Archiv 1845 Fa ( ) nl _ Im _ er. 1A N D u I a. N a ©. Giinand se Biles Archiv 1845. — Taf JE 8 | a Öuinand se Taf. V. Müller's Archiv 1945. C. Gutnand se Hiller's Archiv 1845 Midler's Archiv 1845. : Luer | Taf VI. >| Müller's Archiv 1845 NM HT tan! ka Innen = Mäller's Archiv 18435. Taf VL. 15. 12. | | ©. Grainand se » Müller's Archiv 184.5 152 10.26 N Fi B Per _ pe 5 f n = Dez N.S6 / Ih L} 2 / n 7.54 ‚B | 3 T 12 5 1.86 / un r% A a R = Ä / L} d = [5 = N > B > u : 4 Ze 8.85, = A a age | 3 d a 18.56 en AA 56 A Ba . B | Rn; FT I 52 SL a i [ = C 13.8.6. | I b | | _.,., | ch | g v : } — 985 A |! I A - _ — B 3 © | 6 — | : ee Se | za] PS m A — m = 4B | A =; = A Y rn a B \ | ))| i f 2 HINSS ev EEE N ( ))» 3 j % R E 2) | EB 3) Grinanıl se 25.112. “.‘ r7 w i Hiller's Archiv 1845. Taf. XL. & 29.015. —=S 7 | 30.I16. a BE DE EL DR ana, c wre: | HS IE. KERLE MUM: a d e > De 32.16. | IN “SG o | a5 e d 2 gh B I | 33.52. 7 Gudnand se. | ED EN = nee a — 4% Hfäller's Archiv 1845. 1-4 £ Taf: XUT. Ördnand se ! g \ ! 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