Pe: ARCHIV FÜR ANATOMIE, PHYSIOLOGIE UND WISSENSCHAFTLICHE MEDICIN, IN VERBINDUNG MIT MEHREREN GELEHRTEN HERAUSGEGEBEN von D®. JOHANNES MÜLLER ORD, ÖFFENTL. PROF. DER ANATOMIE UND PHYSIOLOGIE, DIRECTOR DES KÖNIGL ANAT. MUSEUMS UND ANATOMISCHEN THEATERS ZU BERLIN, BERLIN. VERLAG vos VEIT ET COMP. a! yın aAANOR rau sunBluH ro Er noyer ur a Ur Area ner ne Inhaltsanzeige. Bericht über die Fortschritte der mikroskopischen Anatomie im Jahre 1853. Von K. B. Reichert in Breslau. .... . Ueber die Psorospermien. Von N. Lieberkühn. (Hierzu Taf. Emma Er. © oe rt oh runs SET, Untersuchungen über die Gewebselemente der glatten Muskeln und über die Existenz dieser Muskeln in der menschlichen Milz. Von Dr. J. F.Mazonn in Kiew. (Hierzu Taf. III. Fig. 1—5.) Die grüne Farbe der Haut unsrer Frösche; ihre physiologischen und pathologischen Veränderungen. Von Dr. v. Wittich in Königsberg X). 1 dranahl.. un A ne) Ueber den Canal in den Eiern der Holothurien. Non, Joh. Müller Ueber verschiedene Formen von Seethieren. Von Joh, Müller. (Gelesen in der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Ber- lin am 12. Januar 1854.) (Hierzu Taf. I.—VIL) ..... Ueber vielkernige Zellen der Leber. Von R. Remak. (Hierzu BASEL. Pie, BETEN Ts anna 7 DASEE TS BELERET Der lange Halsmuskel des Menschen. Von Prof.HubertLuschka in Tübingen. (Hierzu Taf. VI) . ...2... ee % ° Erläuterung und Rechtfertigung der hydraulischen Grundsätze, wel- eben ich in meinem Werke über Hämodynamik gefolgt bin. Von A. W. Volkmann ..... ala daraus, Der Musculus lumbocostalis des Menschen. Von Prof.H.Luschka InaDAbingen une rd anna TEFAL ENERRT. eferilka Musculus lumbocostalis. Vergleichend anatomisch untersucht von Budägor ae“. LT Der gelbe Fleck im eigenen Re sichtbar. Von Prof. A. Ethan. Keen Dab/ VII: Fig 1) LIE RE art Der Mechanismus der Haftzehen von Hyla arborea. Von Dr. v. Wittich. (Hierzu Taf. VIIL Fig. 2.3.) .-. .1........ Ueber Wimperblasen. Von R. Remak . . „2... u e..2.. Ueber zablreiche Porencanäle in der Eicapsel der Fische, Von Joh. Müller. Gelesen in der Königl. Akademie der Wissen- schaften zu Berlin am 16. März 1854. (Hierzu Taf. VIII. Fig. #7),, EEE Se Vena ce ’ Beiträge zur Meionglichichte der Infusorien. Von A. Schneider. N Be a . Beobachtungen über Echinodermenlarven. Von A. rohe (Hierzu SS AB BE Seite 105 IV Ueber die spontane Bewegung der Muskelfibrillen der niedern Thiere. Von Prof. Mayer inBonn. .......... Bemerkungen zur Physiologie des Sehens. Von Prof. LudwigFick Ueber das Verhalten des Herzens in verschiedenen Gasarten. Von ANGastelll. SE. ala er cu 200.0 Ueber Eihüllen uud Spermatozoen. VonR.Remak,..... Anmerkung des Herausgebers. . . » : »» » are Entgegnung auf Herrn Harless’s: „über die Chromatophoren des Frosehes. «Von Dr: .w1 Wittich . nina al Ms Ueber den Metallglanz der Fische. Von Dr. v. Witti ch, Me: Einige Bemerkungen über den Bau der Hydren. Von Dr. Leydig. (Bien DER Big. 3>-14;) 21 .nalhl rer sad oe Zoologisches. Von Dr. Leydig. (Hierzu Taf. XL). ..... Kleinere Mittheilungen zur thierischen Geweblehre. Von Dr. Ley- dig: (Hierzu Taf XIL/und XIIE).. a. Men Ueber die Psorospermien. Von N. Lieberkühn. (Fortsetzung.) (EherzulPaf: XIV). rstirlalisRd rei 2 Deere Ueber die Zusammenziehung des Amnions. Von R. Remak.. Ueber den Entwicklungsplan der Wirbelthiere.. Von R. Remak Ueber Theilung thierischer Zellen. Von R. Remak....... Ueber das „Serum-Kasein“. Von Dr. G. Zimmermann in Hamm Ueber das Vorkommen von Leuein und Tyrosin in der mensch- lichen Leber. Von F. Th. Frerichs und G. Städeler, Professoren an den Universitäten zu Breslau und Zürich. . Ueber das Vorkommen von Allantoin im Harn bei gestörter Re- spiration. Von F. Th. Frerichs und G. Städeler. .. Ueber Actinophrys Eichhornii. Von Ed. Claparede aus Genf. (Hierzu Taf. XV Fig 1-6) ad learn & Zur Kenntniss der Schnecke im Gehörorgan der Säugethiere ünd des Menschen. Von Prof. Dr. E. Reissner in Dorpat. (Hierzu RT 1 (0) N Ueber die Entwicklung von Cyelas calyculata Drap. Von (Osdir Scehmiat. SlHierzu Taf. KVL). {0% IV MT, nei Ueber die künstlich geformten Schädel der alten Welt. Von Prof. Dr, ArBKetzius. ca: A ER na) er Ueber den Beutelfrosch. Von Dr.'David Friederich Wein- land. (Hierzu Taf. KVIL—XIX.). . - ». 2. 222.202. Ueber die normale Krümmung der Wirbelsäule. Von Friedrich Horner, Med. Dr. (Mit einer Nachschrift von Prof. Her- mann Meyer in Zürich.) (Hierzu Taf. XX.XXL). .. . 270 296 369 374 376 377 382 394 398 420 428 439 449 478 Bericht über die Fortschritte der mikroskopischen Anatomie ım Jahre 1853. Von K. B. Reichert in Breslau. Allgemeiner Theil. Die mikröskopische normale und pathologische Anatomie haben so innige Beziehungen zu einander, dass vorliegender Jahresbericht die Bewegungen auf dem letzteren Gebiete nicht ausser Acht lassen darf. Die pathologische Anatomie lehrt uns die Erscheinungen der normalen Formbildungen jedenfalls nur unter anderen Verhältnissen kennen; und jede Naturerscheinung gewinnt an Durchsichtigkeit und Klarheit, wenn sie unter möglichst vielen, variirenden Umständen uns vorgeführt wird und beurtheilt werden kann. Noch ist uns in lebhafter Erinnerung; was die mikroskopische Anatomie bei dem grossen Aufschwunge, den sie durch die Lehre von der elementaren, organischen Zelle gewonnen, Joh. Müller’s Untersuchungen über die pathologischen Geschwülste zu dan- ken hat, und, wer möchte die wichtigen Dienste vergessen, welche neuerdings besonders Virchow’s Arbeiten für die Bindegewebs - Frage geleistet haben. In den letzten Jah- ren haben sich die mikroskopischen Beobachtungen in der pathologischen Anatomie sehr vermehrt; ein pathologisch- histologisches Handbuch drängt das andere; man hat sich überzeugt, dass die äussere Beschreibung des erkrankten Or- ganes nicht mehr genügt, dass man vielmehr, wie in der Phy- siologie, auf die Textur und Struktur zurückzugehen habe. Referent will sich nicht anmaassen, ein Urtheil darüber zu fällen, ob diese Bestrebungen schon den erwünschten Erfolg gehabt haben; allein für die mikroskopische Anatomie des gesunden menschlichen Körpers fallen im Verhältniss zu den zahlreichen Arbeiten nur spärlich brauchbare Früchte ab. Man liest wohl selten ein Werk, eine Abhandlung , ja selbst eine Seite, ohne die Ueberzeugung zu gewinnen, dass es den Müller's Archiv. 1854. Jahresbericht, A 2 pathologischen Anatomen auf diesem Gebiete die für den Ver- gleich so nothwendige, selbst erworbene Kenntniss von der normalen mikroskopischen Beschaffenheit der abnorm ver- änderten Gebilde fehle, und dass sich die Beobachter viel- mehr von diesem oder jenem Handbuch der mikroskopischen Anatomie ins Schlepptau nehmen lassen, ohne zu wissen, welche Einseitigkeiten darin vorkommen und wie diese Schrif- ten selbst öfter nachschleppen. So geschieht es denn, dass man den Irrthümern wo möglich in potenzirter Form be- gegnet. Die übeln Folgen dieses ‚Zustandes treten um ‚so greller hervor, je klarer man sich die Aufgabe vergegenwär- tigt, deren Lösung dem pathologischen Anatomen auferlegt ist. Denn die Pathologie anf ihrem heutigen Standpunkte hat naturgemäss der Krankheit oder dem Krankheitsprozess jede Selbstständigkeit, jede Autonomie genommen; sie lehrt viel- mehr, dass in den Krankheiten das Leben eben nur unter abnormen Verhältnissen sich offenbare. Daraus folgt als wei- tere nothwendige Konsequenz, dass auch die pathologisch- anatomischen Produkte stets nur als abnorm veränderte mor- phologische Verhältnisse des gesunden Körpers aufzunehmen, zu beurtheilen und darzulegen seien; und dieses ist die heu- tige Aufgabe des anatomischen Pathologen auch auf dem mi- kroskopischen Gebiete. Es sind aber, wie Referent immer von Neuem, den allgemein verbreiteten Bestrebungen ent- gegen, dringend hervorzuheben sich genöthigt sieht, bei jeder mikroskopischen Untersuchung zwei Fragen wesentlich zu unterscheiden: die nach der Textur der morphologischen End- glieder, der organisirten Formelemente, und die nach der mikroskopischen Struktur und Beschaffenheit der aus den histologischen Formenelementen gebildeten Organtheilchen und Organe; auf die erste Frage antwortet die allgemeine Ana- tomie oder Histologie, auf die zweite die mikroskopische spe- zielle Anatomie. Demnach würde die Aufgabe des Mikrosko- pikers auf dem pathologisch-anatomischen Gebiete speciell so zu fassen sein, dass bei jedem pathologisch - anatomischen Produkte von dem erkrankten Theile des Körpers der Ausgangspunkt zu nehmen und dann durch Beobachtung zu ermitteln sei, in welcher Weise die in dem betreffenden Theile etwa vorkommenden mehr indifferenten Zellen, ferner die hi- stologischen Formelemente und endlich die Struktur von dem normalen Verhalten nach zeitlichen und örtlichen Verhältnis- sen Abweichungen darbieten und wie diese entstanden seien. Diese Forderung ist so naturgemäss, dass es fast scheinen könnte, als lohne es sich kaum darüber ein Wort zu verlie- ren. Aber man versuche nur die pathologisch - anatomischen Arbeiten mit Rücksicht auf diese Aufgabe einer genauen Kri- tik zu unterwerfen und man wird nur geringe Befnediiunz finden, sobald man eine Antwort auf die Fragen sucht: wel- che morphologischen näheren oder entfernteren Bestandtheile 3 des erkrankten Organes haben sich verändert, worin be- steht diese Veränderung, und wie ist sie zu Stande gekom- men? Namentlich gilt dieses auch in Betrefl der Neoplasmen. Ja, wenn auch im Allgemeinen die oben bezeichnete Aufgabe der pathologischen Anatomie anerkannt werden möchte, bei den wirklichen Neubildungen ist man gar zu gern geneigt, die Vorstellungen des Parasitismus und die freiwillige Zeu- gung in die Krankheitslehre auf anatomisch-pathologische Dinge einzuschmuggeln. Hier spricht man von allerlei ver- änderten, oft freilich nur zerstörten Zellen und deren Be- standtheilen, und fragt und sucht kaum danach, aus welchen Zellen des normalen Organes sie hervorgegangen. Man beschreibt verschiedene Zellenformationer, ohne zu sagen, oder auch oft nur sich zu fragen, welches histologische Form- eleınent, — und in welcher Entwicklungsphase — man vor sich habe, und wie dasselbe aus den organisirten Bestand- theilen des betreffenden Organes sich bildete. Man sucht in den Neubildungen wo möglich eine absonderliche, heterogene Struktur, statt zu untersuchen, in welcher Weise die Struktur der Neoplasmen von der des gesunden Organes abweiche, und wie sie aus den normalen, organisirten Bestandtheilen des Organes sich entwickelt hat. An Stelle des Organes und seiner organisirten Bestandtheile führt man ein durch exogene Zellenbildung sich organisirendes Exudat, resp. Blastem ein; lässt dasselbe, gleich einem Parasit, in das Organ sich ein- nisten, und seine Natur, etwa gemäss dem Gesetze der ana- logen Bildung, nach dem Mutterboden sich modeln. Es giebt aber im Thierreich eben so wenig, wie im Pflanzenreich ein einziges konstatirtes Beispiel wirklicher exogener Zellenbil! dung; es liegt auch keine irgendwie genaue Untersuchung vor, aus der hervorgeht, dass sich freies Exudat organisire, wenn man nicht etwa die Koagulationen des Fibrin und Schleims dahin rechnen wolle. Die Bildungsgeschichte der Organismen lehrt, dass jede Neubildung durch Zeugung und Entwicklung des gezeugten Keimes zu Stande komme; dass ferner der gezeugte Keim zuvor einen Bestandtheil des organisirten Stam- mes darstelle, also endogen, nicht exogen oder durch Gene- ratio aequivoca entstehe, und dass endlich das Gezeugte bei weiterer Entwickelung von seinem Stamme Abweichungen dar- bieten und misgebildet werden könne. Diese physiologischen Erfahrungssätze hat man auch auf die Afterzeugungen im Bereiche der erkrankten Organe und deren Bestandtheile zu übertragen, und Referent ist der Meinung, dass man dann nicht in die Nothwendigkeit versetzt sein wird, bei den pa- thologischen Umbildungen die Aufgabe der Untersuchung an- ders zu stellen, als sie oben, entsprechend dem heutigen Stand- punkte der Physiologie und Pathologie, bezeichnet wurde. Nach diesen Erläuterungen wendet sich Ref. zu einigen, für den allgemeinen Theil des vorliegenden Jahresberichts A* 4 geeigneten Mittheilungen aus den „Grundzügen der patholo- gischen Histologie“ von ©. Wedl (Wien 1853), die den Leser zugleich übersehen lassen, in welcher Weise gewöhnlich das pathologisch - anatomische Objekt mikroskopisch aufgefasst und behandelt wird. Der Verfasser glaubt zunächst einige Zweifel über die Allgemeingültigkeit der Zellentheorie — oder des Gesetzes, dass alle organisirten Bildungen ihren ge- meinsamen Ausgangspunkt in den elementaren gekernten Zel- len haben — auch für die pathologischen, organisirten Bil- dungen aussprechen zu müssen. In Folge einer Verwechse- lung von Begriffen werden diese Zweifel dadurch motivirt (a.a.O. p.72), dass selbst die Botaniker über die Zellen- genesis nicht ganz einerlei Meinung seien und bald vom Kernkörperchen, bald vom Kerne ete. als erster Bildung aus- gehen. Wie es schon früher Beobachter auf verschiedene Weise versucht haben, so wünscht nun Wedl neben die Zelle einen sogenannten „Primitivkörper“ hinzustellen. Mit diesem Namen werden die Exsudatkörperchen und zarte hyaline Kör- per (z.B. in der gallertartigen Masse des Cervix uteri) be- zeichnet, in welcher, wenn überhaupt, so doch erst sekundär Kern und Zellwandung sich bilden soll. Diese Primitivkörper können aber unter Umständen sich ihrem sonstigen Schicksal, zur Zelle zu werden, entziehen und selbstständig agiren. Die bekanntlich durch Zerstörung der Zellenmembran hervorge- gangenen Eiterkörperchen und Körnerhaufen sollten solche selbstständige Gebilde vorstellen. Die elementare Zelle soll ferner in pathologischen Produkten auf zwei Weisen sıch ver- mehren: durch sogenannte freie Zellbildung, und durch Thei- lung und Einschnürung. Obgleich der Verf. hauptsächlich auf „eigene Beobachtungen“ sich stützen wollte, so fehlen doch genaue eigene Untersuchungen über diesen Gegenstand; es sind besonders die Angaben der Botaniker berücksichtigt. Dabei wird zugleich die freie Zellenbildung der Botaniker mit der freien, früher sogenannten exogenen Zellenbildung Schwann’s u. A. verwechselt. Der Botaniker kennt keine Zellenbildung im freien Cytoblastem, wie sie Wedl annimmt; er kennt nur eine endogene Bildung von Zellen, und nennt diejenige „freie“, bei welcher der Mutterzellen- Inhalt ohne Betheiligung der Zellenmembran in Anspruch genommen wird. Uebrigens bekennt sich Wed| zu der Ansicht, dass die Zellen- genesis in pathologischen Neubildungen keinen wesentlich vom Normalen abweichenden Typus verfolge. Bei der „Fortbildung der neugebildeten Zellen“ in pathologisch-anatomischen Produkten treten Formen her- vor, die auch unter normalen Verhältnissen sich vorfinden; Jie Zellen werden glatt, geschwänzt, keilförmig, sternförmig etc. „Es giebt keine, so hebt Wedl hervor, den besonderen pa- thologisch neugebildeten Zellen zukommende, besondere Cha- raktere“; es giebt keine Krebskörperchen, Tuberkelkörper- D0) chen ete. Ein gewiss erfreuliches Resultat der neueren pathologisch-histologischen Forschungen; doch ist nicht ein- zusehen, warum der Verf. bei einer solchen Ueberzeugung von „glatten, keilförmigen ete.* Zellen sprieht und nicht geradezu die bekannten histologischen Formelemente nennt. Ganz auffallende Vorstellungen hat Wedl in Betreff der histologi- schen Entwicklung der Zellen zu Tage gefördert. Die Mög- lichkeit der mangelhaften Ernährung der Zelle einerseits, schreibt der Verf. (p. 74), schliesst die Möglichkeit der exces- siven Ernährung anderseits ein, oder mit andern Worten, wo es Atrophie der Zellen giebt, da ist auch Hypertrophie der- selben gegeben. Bei dieser Hypertrophie sei eine doppelte Weise des Ansatzes neuer Moleküle denkbar: entweder rei- hen sie sich gleichmässig an der ganzen Peripherie der Zelle an, oder der Ansatz geschieht auf einer oder der anderen Stelle derselben, auf ungleiche Weise. Es giebt also eine lo- kale und eine partielle Hypertrophie, welche letztere mannig- faltige Form-Modifikationen erzeugen kann (!). Zugleich kön- nen auch die Zellen sich vermehren und so entsteht in Folge von Zellenhypertrophie Volumenvergrösserung eines Organes. Wachsthum also, Entwickelung, Zellenzeugung — Alles ist Hypertrophie! (R.). Solche wirre Vorstellungen werden in ein Buch für Aerzte und Studirende niedergelegt! In Bezug auf die specielle, histologische Ausbildung der einzelnen Ge- webe hat sich Wedl hauptsächlich an Schwann und einige neuere Handbücher über mikroskopische Anatomie angeschlos- sen. Die von mehreren Forschern angenommenen Verdickun- gen der Zellenmembran in den Knorpelkörperchen sollen nur durch Ablagerungen neuer Schiehten auf die eigentliche Mem- bran entstehen, ohne dass also letztere selbst sich verdickt hätte; ein ähnlicher Prozess soll auch bei den Fettzellen vor- kommen. Die Bindesubstanz-Gebilde, welche bei patholo- isch-anatomischen Produktionen eine so wichtige Rolle spie- en, werden nach Schwann abgehandelt. Erst in der Mitte des Werkes (p. 395) scheint die Ansicht des Ref. über das histologische Verhalten und die Entwickelung dieser Gebilde zur Kenntniss des Verf. gelangt zu sein, und hier wird die erste Begründung derselben Virchow und Donders vindi- eirt. Dieser Unkenntniss haben wir es zu verdanken, dass Wedl jene bekannten, lokalen Verdickungen der Wharton- schen Sülze der Nabelschnur für „blasenförmiges Oedem* (p. 207) ausgiebt (!R.) Schliesslich mag noch erwähnt sein, ass die mehrästigen und sternförmigen Bindesubstanzkör- erchen resp. Zellen, durch begonnene und nicht vollendete heilung von Faserzellen entstanden gedacht werden. Diese Theilung wird dabei im zellengenetischen Sinne aufgefasst, gleichsam, als wollte sich die Faserzelle vermehren, und ist mit dem Prozess nicht zu Ende zu kommen (!). Von Interesse für den vorliegenden Bericht ist auch die 6 Aufstellung zweier Gewebs-Typen, die nach Wedl für sämmt- liche Neubildungen ihre Gültigkeit bewähren: nämlich des areolären und papillaren Gewebs-Typus. In beiden Gewebs-Typen soll sich ein bestimmtes Lagerungsverhältniss der neu gebildeten Elementar-Organe aussprechen. Der areo- läre oder alveolare Gewebs-Typus stellt ein Parenchym von untereinander kommunieirenden Hohlräumen dar, in deren Areae (Maschenräume) Fluida oder neu gebildete Elementar- organe liegen. Die Wandungen des Areolar-Netzwerks kön- nen dem normalen Gewebe angehören oder auch neu gebildet werden, wenn dergleichen Netzwerke im normalen Parenchym des Organes fehlen. Indem der Verfasser über die möglichen Eventualitäten der Bildung des Areolar-Gewebes nachsinnt (p. 93 sq.), gelangt er zu dem Resultat, dass die neugebilde- ten Wandungen in seltenen Fällen durch Koagulation von Faser- oder Schleimstoff entstehen, häufiger dagegen aus mehrästigen Faserzellen des unreifen Bindegewebes, die sich durch Theilung vermehren und mit einander in Verbindung treten. Auch den papillaren, zellenähnlichen oder kolbigen Gewebs-Typus, der zur dendritischen Vegetation Rokitans- ky’s führt, lässt der Verf. durch Vermittelung der oben be- zeichneten Faserzellen sich bilden. Diese Faserzellen sollen Seitenzweige treiben, die frei in Hohlräume oder an der Ober- fläche von Schleim- oder serösen Häuten hervortreten; jeder Seitentrieb kann überdiess zu einer neuen Zelle werden, die dann ähnlich sich weiter ausbreitet. Ordnen sich die Faser- zellen in Spirallinien, so bleibt im Innern der Spirale eine hohle Axe, die sich mit Blastemflüssigkeit füllt. Auf diese Weise bilden sich Rokitansky’s Hohlröhren, die dann durch Knospentreiben in dendritische Vegetation übergehen können. Die beiden, so eben beschriebenen Grundformen in den Neubildungen besitzen eine erfahrungsmässige Basis; allein die Art der Auffassung und genetischen Darstellung leidet an allen den Mängeln, welche Referent den pathologischen Ana- tomen zum Vorwurf gemacht hat. Die areoläre Struktur und die papilläre Formbildung — zwei Ausdrücke, die Referent aus sogleich anzuführenden Gründen lieber wählen möchte, als die Ausdrücke „areoläre und papilläre Gewebs-Typen“ — sind, wie leicht zu erweisen ist, und, wie der Verf. zum Theil selbst zugiebt, nur Wiederholungen allgemein verbreiteter, morphologischer Grundverhältnisse des Körpers und seiner Organe. Wedl meint, dass die areoläre Struktur auch da in Neubildungen auftrete, wo sie im normalen Zustande fehle, Wenn aber die areoläre Struktur besonders auf das Lage- rungsverhältniss der Bindesubstanzgebilde zu den von ihnen umgebenen, eingekapselten und eingeschlossenen anderweiti- gen histologischen Formelementen sich bezieht, wo ist eine Gegend des Körpers zu finden, in welcher nicht mehr oder weniger ein solches Strukturverhalten sich ausspricht? Ebenso 7 wiederholen sich die’ papilläre und dendritische Formbildung in der ausgebreitetesten Weise im thierischen und mensch- lichen Körper, und bekannt ist, dass, wenn die Natur irgend einen Theil in Rücksicht auf seine Flächen-Ausbreitung mit möglichster Raumersparniss als Höhle oder soliden Körper vergrössert, sie grade obige Formbildung beliebt. Darin liegt Aufforderung genug, die pathologisch-anatomischen Neubil- dungen von dem normalen Organismus, von den respektiven Organen aus zu konstruiren und sie nicht durch Begründung neuer besonderer „Gewebs-Typen“ mit den letzteren in Ge- gensatz zu bringen, wodurch wir der Lehre vom Parasitismus und den pathologischen Vorstellungsweisen nur Vorschub lei- sten. Zum Theil in Folge des unphysiologischen Standpunk- tes ist der Verf. auch in Betreff der Entstehungsweise der beiden sogenannten Gewebs-Typen auf eine ganz falsche Bahn geleitet worden. Wedl giebt zu, dass die areoläre Struk- tur in einem eigenthümlichen Lagerungsverhältniss der Ele- mentarorgane, d. h. der histologischen Formelemente zu ein- ander bestehe. Da nicht daran zu denken ist, dass das der Hauptmasse nach immerhin aus einem Bindesubstanzgebilde bestehende Netzwerk im areolären Parenchym zuerst auftrete und nachträglich seine Maschen füllen lasse, so liegt zu Tage, dass hier, wie mutatis mutandis bei Struktur- Verhältnissen überhaupt, das Lagerungsverhältniss sowohl der die Maschen füllenden, als der die Wandungen des Netzwerkes bildenden Formbestandtheile bei der Entwickelung in Betracht zu zie- hen sind; mit andern Worten: wir haben es nicht mit einer Texturfrage, nicht mit Entstehung eines histologischen Form- elements, sondern mit der Struktur, d. h. mit der Form-Re- lation wenigstens zweier heterogener oder wenn auch ver- wandter, so doch verschiedenartig ausgebildeter oder auch nur verschiedenartig gelagerter histologischer Formelemente zu thun. Statt dessen macht der Verf. daraus eine rein histo- logische Frage, und, wie es scheint, irre geleitet durch die anz falsche Aufstellung eines „netzförmigen* Bindegewebes (Kötliker und einige englische Histologen) im histologischen inne, ist sein Sinnen nur darauf gerichtet, die Entstehung des Netzwerkes in der areolären Struktur aus dem histo- logischen Entwicklungsgange des Bindesubstanz - Gebildes zu erläutern. Es geht aber kein Bindesubstanz-Gebilde durch die histologische Entwicklung für sich in die Netzform über; welche Form auch die in der Intercellularsubstanz eingebet- teten Zellen annehmen mögen, das Bindesubstanz-Gebilde im Ganzen wird dadurch in seinen äusseren Begränzungen nicht bestimmt, da auch die Grundsubstanz mitspricht; der Faser- knorpel, Knorpel, Knochen u. s. w. wird dadurch nicht zum sternförmigen Gebilde, dass die Zellen in der Grundsubstanz die Sternform angenommen haben. Jenes bekannte netzför- mige Gebilde der Pia mater, dessen Stränge der Hauptmasse 8 nach aus Bindegewebe bestehen, nebenher auch Gefässe und öfters Nerven führen, und das zur Aufstellung des netzför- migen Bindegewebes die Veranlassung gegeben, hat seine Form nicht als Bindegewebe, überhaupt nicht durch histo- logische Entwicklung, sondern "durch die organologi- schen Beziehungen zu den umliegenden Bestandtheilen da- selbst; — die Hartnäckigkeit, mit der die ersten Grundbe- griffe der Morphologie vernachlässigt und selbst bei den physiologischen Mikroskopikern konfundirt werden, bringt wahrlich traurige Früchte zu Tage. Von der Frage nach der Bildung der areolären Struktur irgend eines Parenchyms sind natürlich die Fälle auszuscheiden, in welchen diese Struktur in Folge pathologischer Veränderungen des Netzwerkes oder der Füllungsmasse oder beider Theile zugleich nur stärker und auffallender hervortritt, als gewöhnlich. Ueber die wirk- liche Neubildung der Struktur giebt uns die normale Ent- wicklungsgeschichte der Organe Aufschluss; sie lehrt, dass in einem indifferenten Zellen -Bildungsmaterial Gruppen von Zellen in der Konfiguration der künftigen areolären Struktur sich verschiedenartig ausbilden; man bezeichnet diesen Pro- zess mit der organologischen Sonderung oder Differenzirung. Auf diese Weise müssen auch die durch After-Produktion eines Organtheiles erzeugten Neoplasmen ihre etwa vorhan- dene areoläre Struktur erhalten. Der ursprüngliche Prozess, durch welchen die Entstehung der papillären, sowie der soliden oder hohlen rami- fieirten Formbildungen veranlasst wird, ist von ganz anderer Natur, als bei der areolären Struktur. Wir haben es hier ursprünglich nicht mit einer organologischen Sonde- rung zu thun, auch nicht mit einem histologischen Entwick- lungsprozess, den der Verf. mit allem nur möglichen Zwang einführen möchte; die Entstehung wirklicher Neubildungen dieser Art wird durch einen organologischen Knospenzeugungs- prozess herbeigeführt, der in dem betreffenden Organ unter abnormen Verhältnissen auftritt und weiter um sich greift. Die Knospenzeugung schafft und bildet die Aggregationsfor- men, indem die gezeugten Keime bei ihrer weiteren Entwick- lung sich mit dem zeugenden Stamm in Verbindung setzen. Begreiflicher Weise können die mannigfaltigsten Formen auf diese Weise gebildet werden; einen wichtigen Einfluss darauf haben: die Richtung des Ansatzes, die Zahl der primären und der etwa sekundär auftretenden Vegetationspunkte, die Art der organisirlen Verbindung des gezeugten und sich entwik- kelnden Keims mi dem zeugenden Stamm u. s. w. (Vergl. Reichert: Die monogene Fortpflanzung. Dorpat 1853; p- 96 sqq.) Für Organe und Organtheilchen gelten im We- sentlichen dieselben Gesetze, wie für die Knospenzeugung der Individuen. Der rohen Erscheinung nach giebt sich die- ser Bildungsprozess unter gewissen Bedingungen als eine ) lokale, papillenartige "Wucherung, die bei Auftreten sekundä- rer Vegetationspunkte dendritisch wird, zu erkennen. In an- deren Fällen, wenn ‚der zeugende Stamm röhrenförmig ist, erscheint die sich entwickelnde Knospe als eine Aussackung oder Ausstülpung. Aber die Ausstülpung ist dann nicht der morphologische Ausdruck der Zeugung selbst, sondern ist nur eine Form, unter welcher der gezeugte Keim bei seiner Ent- wicklung mit dem Stamm in organisirte Verbindung tritt und bleibt, — eine Form, die davon abhängig ist, dass alle Theile in der Dieke der Wandung des Stammes an der organisirten Verbindung partieipiren und daher den neuen Anwuchs nur als lokale Erweiterung der Stammröhre erschei- nen lassen. In der durch den Knospenzeugungsprozess her- beigeführten Wucherung treten dann nachträglich, bei weiterer Ausbildung auch organologische Sonderungs- und histologische Entwicklungsprozesse auf. Dieses ist, was sich im Allge- meinen über die Entstehung der papillären, der soliden oder hohlen dendritischen Formbildungen unter normalen oder krankhaften Verhältnissen sagen lässt. Es mögen diese Andeutungen genügen, um die Differenz- und Anknüpfungspunkte der Physiologie und Pathologie auf dem mikroskopisch-anatomischen Gebiete darzulegen. Ref. darf übrigens nicht zurückhalten, dass ein nicht unbedeuten- der Theil der Verirrungen auf dem pathologisch-anatomischen Gebiete auf Rechnung der so weit verbreiteten, unwissen- schaftlichen Haltung in der normalen mikroskopischen Ana- tomie zu bringen ist. Den Furchungsprozess hat O. Funke behandelt und dabei zugleich Gelegenheit genommen, sich über den mor- hologischen Begriff der Zelle zu äussern (Günther’s re d. Physiolog. Bd. II. Abth. III. p. 1180 sq.). Der Verf. stellt sich auf die Seite derjenigen Forscher, welche die An- wesenheit einer Membran wenigstens an den grösseren Fur- chungskugeln leugnen, indem derselbe zugleich die heut zu Tage sehr beliebte Phrase hinzufügt, dass diese Ansicht bei der Mehrzahl der Physiologen jetzt feststehe. Bei der gros- sen Schwierigkeit, die Membranen der Zellen im Allgemeinen, namentlich aber die leieht zerstörbaren Hüllen junger Zellen mit einem mehr zähflüssigen Inhalte zu demonstriren , darf man sich nicht wundern, dass je nach Umständen die Mem- branen angenommen. oder geleugnet werden, und dass na- mentlich die angeregte Kontroverse in Betreff der Furchungs- kugeln noch immer fortbesteht. Funke freilich hat sich die Sache sehr leicht gemacht; er hat seine Ansicht dadurch be- Bere, dass er die ihm entgegenstehende Ansicht des Re- erenten nieht durch Beobachtungen in der Natur, sondern hauptsächlich nach den Angaben und Abbildungen von Bi- schoff und Kölliker zu widerlegen sich bemüht. Ref. hatte zum Beweise der Anwesenheit von Hüllen an den Furchungs- 10 Y kugeln bereits vor 14 Jahren (Müll. Arch. 1841. p. 534) auf die Bildung und die Veränderungen jenes schon von v. Bär gekannten Faltenkranzes aufmerksam gemacht, der beim Ent- stehen und weiterem Vordringen der ersten Furche, also beim allmäligen Auseinanderweichen der beiden ersten Fur- ehungskugeln, sichtbar sei. Funke hat diesen stets sicht- baren Faltenkranz nur in einem Falle gesehen, und es schie- nen ihm jene Zeichnungen des Faltenkranzes Ausdrücke von Spalten (!!) der Furchungskugeln zu sein, die vielleicht durch den mechanischen Druck auf das Ei entstanden waren. Waren es Falten, setzt der Verf. hinzu, so musste man die betref- fende Membran auch auf andere Weise, wie etwa die Hülle der Blutskörperchen, runzlich machen könneu (!). Schliess- lich wird der Leser insinuirt, dass die Membranfaltung über- haupt gar nicht denkbar sei, weil nach des Referenten spä- terer Ueberzeugung (es werden sogar mehrere Citate seiner Abhandlung vom Jahre 1846 gegeben) um die Furchungs- kugeln anfangs überhaupt keine Membranen vorhanden sein sollen (!). Darauf ist kurz zu erwidern, dass der Verf. sich ein Urtheil über eine Erscheinung erlaubt hat, die er gar nicht kennt; dass es sehr viele Zellen giebt, die sich nun grade nicht so, wie Blutkörperchen, beliebig runzlig machen lassen; dass endlich in allen Besprechungen und Mittheilun- gen des Ref. über den Furchungsprozess nicht eine Spur da- - von zu finden ist, es hätten die Furchungskugeln zu irgend einer Zeit keine Hüllen. Desgleichen werden die von dem Ref. beobachteten, endosmotischen Erscheinungen an den Fur- chungskugeln ganz willkürlich, grade so, wie es Th. Bischoff dem Verf. vorgemacht hatte, für hervorgequollene Eiweiss- tropfen gehalten, die selbst einem Anfänger in der Mikrosko- pie bekannt genug sind. Dagegen spricht nach Funke gegen die Anwesenheit einer Hülle: der Mangel einer scharfen, glat- ten Kontur, wie dieses Bischoff so vortrefilich abgebildet habe; desgleichen der Umstand, dass die Furchungskugeln leicht zerdrückt und zum Zusammenfliessen gebracht werden können; endlich die bekannte Erfahrung, dass die Furchungs- kugeln beim Druck sehr beliebige Formen annehmen, Fort- sätze vortreiben, auch in zwei Kugeln spalten und schliesslich beim längeren Verweilen in Wasser sich allmälig auflösen lassen. Daraus ersieht man wieder, wie wenig der Verf. mit dem Gegenstande vertraut ist. Wer hätte es nicht erfahren, dass man anerkannte Zellen nach der Zerstörung ihrer Mem- bran ebenso maltraitiren könne, |wie es der Verf. von den Furchungskugeln beschreibt? Wer hätte je behauptet, dass die Furchungskugeln, als neugebildete Zellen, nicht sehr leicht ihre Hülle zerstören lassen? Wer zweifelt wohl daran, dass die Furchungskugeln keine Hüllen mehr besitzen, wenn sie die erwähnten Erscheinungen zeigen? Wer wüsste nicht, dass die zarten Hüllen der Furchungskugeln nur mit grosser Vor- 08 sieht und oft nur für Augenblicke zu erhalten sind, dass aber zu dieser Zeit die Konturen sehr scharf gezeichnet sind und ganz anders aussehen, als in Bischoff’s Zeichnungen, die eben von hüllenlosen, der Zerstörung anheim gefallenen Fur- I An entnommen sind. achdem der Verf. sich die hüllenlosen Furehungskugeln gesichert zu haben glaubt, gelangt er zu der Frage, ob die- selben Zellen seien oder nicht. Diese Frage wird mit Be- stimmtheit bejaht; es seien kernhaltige Zellen im morpholo- gischen Sinne des Wortes, trotz der entschiedenen Abwesenheit äusserer Membranen. Denn die Zellmembran sei kein wesent- liches Merkmal der Zelle; das Wesentliche bestehe vielmehr darin, dass sich aus irgend einer plastischen Flüssigkeit eine M ng von bestimmter Konstitution dadurch isolire, dass sie sich um ein primäres Gebilde, den Kern, niederschlage. Ob sich diese Mischung gleich anfangs, oder später, oder gar nicht zu einer Membran konsolidire, sei gleichgültig; das Ge- bilde soll in allen Fällen eine zu sein. Die Bildung der Membran hängt nach dem Verf. nur von Nebenbedingungen ab, von der chemischen Konstitution der Mutterlauge u. s. w. Ref. ist nicht im Stande, dem Verf. zu folgen. Gegenbaur verfolgte die Theilung des Dotters an den befruchteten Eiern der Schwimmpolypen (Beiträge zur Kennt- niss der Schwimmpolypen v. Siebold’s u. Köll. Zeitschr. Bd. V., p. 332). Als ein besonders genau zu verfolgender Um- stand wird die jedesmalige Theilung des Keimbläschens, welche der Theilung des Dotters vorausgeht, hervorgehoben; in glei- cher Weise verhalten sich dann auch die Theilungsprodukte des Keimbläschens zur Bildung neuer Dotterkugeln. Der Verfasser lässt übrigens den sog. Furchungsprozess bald nach der Befruchtung mit dem Auftreten einer ringförmigen Furche um den Aequator des Eies sich einleiten. Bei anderen Thie- ren giebt sich die erste Veränderung des Eies, dessen Keim- bläschen um die Befruchtungszeit nicht mehr nachzuweisen ist, dadurch zu erkennen, dass der Dotter, wie man sägt, sich etwas von der Dotterhaut zurückzieht und in die von dem Ref. so genannte erste Furchungskugel verwandelt, in deren Mitte auch ein dem Keimbläschen an Grösse gleichkommen- der Kern sichtbar wird. Es scheint, dass der Verf. diesen Kern für das Keimbläschen gehalten hat. Genauere Angaben darüber, wie die Theilung der Furchungskugelkerne vor sich gehe, und wie die Tochterkerne an ihren Platz gelangen, sind nicht mitgetheilt. Aus den Mittheilangen Bergmann’s, Brandt’s und Bruch’s, dass, wie in früheren Jahrgängen berichtet wurde, in dem wachsenden Knorpel niemals eine endogene Zellen- vermehrung stattfinde, und dass die zahlreichen Angaben über utterzellen im Knorpel auf mannigfaltigen Täuschungen be- ruhen , schliesst Henle auf eine beginnende Reaktion gegen 12 ie endogene Zellenbildung überhaupt, da die erwähn- ten Mutterzellen bisher als die zuverlässigste Stütze dieser Theorie gegolten hätten (Jahresb. f. d.J. 1853, p. 5). Refe- rent hält den letzteren Ausspruch für nicht begründet, da die Beobachtungen des Furchungsprozesses und der Zellengenesis bei den Pflanzen so gesicherte Stützen der endogenen Zellen- bildung gewähren, wie die exogene keine aufzuweisen hat. In der Schlussfolgerung selbst aber müchte Ref. wohl nur eine zu Gunsten der exogenen Zellengenesis gemachte Aus- legung einfacher Mittheilungen über gewisse, allgemein ver- breitete Irrthümer in Betreff der angeblichen Mutterzellen in der Knorpelsubstanz erkennen. Eine besondere Aufmerksamkeit haben in neuerer Zeit die Corpora amylacea Purkinje (concentrische Körper Has- sal’s nach Henle) erregt. Virchow fand (Archiv f. patho- logische Anat. Bd. VI. p. 135 sq. u. p. 268), dass die Corpora amylacea, welche von den concentrisch-sphärischen Körper- chen des Gehirnsandes zu unterscheiden sind, durch Jod allein einen blassbläulichen Schimmer annehmen, und dann, wenn Schwefelsäure hinzugefügt wird, ähnlich violett gefärbt wer- den, wie es bei der Cellulose der Fall ist. Der Verf. em- pfiehlt daher für diese Corpora amylacea den Namen Cellu- lose-Körperchen. Virchow fand sie anfangs namentlich in den tieferen Schichten des Ependyma ventriculorum und sei- ner Fortsetzungen, wozu auch die Substantia grisea centralis (Köll.) im Rückenmark zu rechnen sei. Sehr reichlich wer- den sie da beobachtet, wo das Ependyma sehr dick ist, wie am Septum, Fornix, an der Stria cornea, im vierten Ventrikel. Zufolge der zweiten Mittheiluüng kommen diese Körper sehr ausgebreitet in der Speck- oder Wachsmilz vor und scheinen bier durch eine eigenthümliche Degeneration der Malpighi- schen Follikel zu entstehen. Sie haben hier nicht das con- centrisch gestreifte Ansehen, sondern zeichnen sich durch ein blasses, matt glänzendes, scheinbar weiches Gefüge aus. Der Form nach sind sie meist rundlich oder leicht eckig und grösser als die gewöhnlichen Lymphkörperchen des Follikels. In Alkohol erhält sich ihre chemische Reaktion auf Jod und Schwefelsäure. Auffallend ist ihre sehr anhaltende Wider- standsfähigkeit gegen Fäulniss. Sibrant hat ihre Umwand- lung aus dem Lymphkörperchen der Milzfollikel verfolgt und dieselbe als eine Colloid-Metamorphose der Zellen betrachtet. Rokitansky fand, zufolge einer Mittheilung an Virchow, denselben Körper schon früher in einem atrophischen Opti- eus', ferner in einem mattgrauen, durchscheinenden Ergusse innerhalb der Markstränge des Gehirns und Rückenmarks, und endlich zu wiederholten Malen von sehr beträchtlicher Grösse in osteomalaeischen Knochen. Ihre Auflösung in Aether erinnerte an Fett, wogegen jedoch die Löslichkeit in wässeriger Feuchtigkeit sprach. — Luschka beobachtete sehr 13 zahlreiche Corp. amyl. in dem Gangl. Gasseri einer hochbe- tagten Frau (a. a.0. p.271); einige hatten einen Durchmesser von 0,012 mm., andere von 0,08 mm. — Meissner fand die eoncentrischen Körperchen in den Cysten eines Ohrpolypen (Henle u. Pfeuf. Zeitschr. f. ration. M. Bd. III. p. 358 u. p- 363), desgleichen im Ohrenschmalz, im Nasenschleim, im Nerv. acusticus eines Taubstummen, in der Synovia, in hydro- pischen Flüssigkeiten der serösen Höhlen und des Hydrops anasarca, zuweilen auch im Harn und Eiter. Es sind nicht Kugeln, sondern gewölbte Scheiben, welche das Licht stark brechen und sehr häufig einem Fetttropfen gleichen; ihre Grösse varürt zwischen !/,”' und '!450”. Beim Druck auf das Deckgläschen zerklüften sie und bersten in radiärer Rich- tung. Die Corpora amylacea haben, wie aus den Mittheilun- gen Leydig’s (Anat.-histolog. Untersuch. über Fische und Reptilien, Berl. 1853; p. 28 u. p. 66) hervorgeht, auch eine weitere Verbreitung im Wirbelthier-Reich; der Verfasser sah sie einmal in dem Parenchym der Thymus der Amphibien, wo sie sich bekanntlich auch bei höheren Wirbelthieren fin- den, in der Thymus der Fische haben sie sich bisher nirgend nachweisen lassen. Eine genauere Einsicht in die morphologische und che- mische Natur der Corp. amylac. haben dıe bisherigen Unter- suchungen noch nicht gewährt. Während Virchow aus ihrer Reaktion gegen Jod und Schwefelsäure auf einen Gehalt an Cellulose schliesst, hatte Henle schon früher aus ihrem glänzenden Ansehen und ihrer Aehnlichkeit mit Nervenmark auf ihre wahrscheinlich fettartige Natur hingedeutet. Für diese letztere Ansicht sprechen auch die Untersuchungen H. Meckel’s (die Speck- oder Cholestrinkrankheit. Annal. des Charite- Krankenh. Jahrg. IV. Heft2. p.11). Der Verf. unterscheidet nämlich für die anatomisch-histologische Untersuchung vier Stoffe — Speckstoffe, Speckfette —, die bei den so- genannten Speckentartungen der anatomischen Histologen be- theiligt sind: das Speckroth, das Speckviolet, das Cholestrin und Speckkalk. Das Speckroth ist farblos, halbdurchsich- tig, erscheint in grösseren Mengen als eine gallertähnliche, feste, graue Infiltration (Leber, Milz); es besteht aus einem men eiweissartigen und aus einem schmierigen Speck- ett, welches letztere in den abgedampften Speckstoffen ver- schiedener Extrakte in Form von farblosen, durch Jod gelb oder braun werdenden Oeltropfen angetroffen wird. Man er- kennt das Speckroth an seinem Verhalten zum Jod, durch welches dasselbe in den feinsten mikroskopischen Mengen gelb-röthlich (in dicken Schichten braunroth), nicht jodbraun, wie die bekannten anderen Stoffe des Körpers, gefärbt wird. Die Jodroth-Farbe wird durch starke Säuren langsam ver- ändert und ohne Farbenspiel zerstört; ebenso durch kausti- sches Kali. Das Speckviolet ist ein weit verbreiteter, an- 14 scheinend fester und dichter Stoff, der wahrscheinlich einen Doppelkörper von Cholestrin mit anderen Fetten, vielleicht selbst mit Speckroth darstellt. Bei einfacher Behandlung des zu prüfenden Gewebes mit Jod ist das Speckviolet meist nicht wahrnehmbar; es zeigt sich nur Speekroth und zuwei- len eine dunkelschmutzig graue und braune. Farbe; wird aber zum jodgetränkten Gewebe Schwefelsäure zugefügt, so wird das Speckviolet bei starker Anhäufung schön violet-purpur- farbig, weiterhin blau, grün, gelb, nach einer Stunde wohl auch farblos, während das Speekroth unverändert bleibt. Die- ser als Speckviolet bezeichnete und als eine Cholestrin-Ver- bindung zu betrachtende Stoff ist nach des Verf. Ansicht die Substanz der Purkinje'schen Corpora amylacea, da die Fär- bung durch Jod und Schwefelsäure mehr Aehnlichkeit mit derjenigen der Cholestrin-Bildungen als mit jener der Cellu- lose offenbart. Das reine isolirte Cholestrin findet sich selten in Speckentartungen und ist leicht an dem Farbenspiel bei Behandlung mit Jod und Schwefelsäure zu erkennen. Jod allein wird von allen Cholestrinmassen aufgenommen, ohne eine Färbung zu veranlassen. Nach Einwirkung von Schwe- felsäure dagegen tritt auf kurze Zeit eine violette Färbung auf, die dann indigo- und himmelblau wird und sich tagelang erhält, bis sie durch ein schönes Smaragdgrün verdrängt wird. In diesem Zustande verliert das Cholestrin seine bisherige Natur ganz; einige Krystalle lösen sich halb auf, andere da- gegen erleiden durch pseudomorphische Umkrystallisation eine Umwandlung in grüne Nadeln. Der Speckkalk wird von dem Verf. als eine Verbindung von Kalk und Speckviolet an- gesehen, da nach Anwendung von Jod und Schwefelsäure die angeführte violette Reaktion genau an den Stellen hervortritt, wo die dunkeln Kalkkonturen so eben verschwanden. „Ueber die Krystallisation der organischen Bestandtheile des Bluts“ hat L. Teiehmann seine Beobachtungen mitge- theilt (Zeitsch. f. rat. Med. Neue Folg. Bd. III. p. 375 sq.). Der Verf. gewann die sogenannten Blutkrystalle (Hämato- krystallin Lehm.) jedesmal, sowohl aus dem Blute des Men- schen, als aller von ihm untersuchten Thiere, wenn das zum Versuch benutzte Blut mit 4—5 und mehr Theilen Wasser verdünnt worden war, und dann eine langsame Verdunstung eintrat. Der Wasserzusatz dient dazu, die Klebrigkeit des Lösungsmittels zu vermindern und die Zeit der Abscheidung des aufgelösten Stoffes aus dem Flüssigen zu verlängern. Das specielle Verfahren war Folgendes: Frischgelassenes Blut blieb 43 Stunden stehen; dann wurde der Blutkuchen auf Löschpapier gelegt oder in Wasser gewaschen und die Flüs- sigkeit durch Leinwand und später durch Papier filtrirt. Die durchgelaufene Masse wurde nun mit Wasser versetzt und des langsamen Verdunstens wegen unter ein von allen vier Seiten unterstütztes Deckgläschen oder unter ein Uhrgläschen 15 gebracht, dessen mit Blut bestrichene Ränder nach dem Ein- troeknen des Blutes einen ziemlich genauen Verschluss bilden, so dass der Dampf nur sehr langsam durch einzelne Poren entweichen kann. Die krystallisirende Masse der Blutkör- perehen lässt sich flüssig oder getrocknet, in der Kälte oder in gewöhnlicher Wärme ohne hermetischen Schluss mehrere Monate aufbewahren. Aus einer vier Monate lang aufbewahr- ten flüssigen Masse liessen sich trotz der Fäulniss und der zahlreich entwickelten Infusorien, die erwähnten Krystalle dar- stellen. Die eingetrocknete Krystallisations- Substanz lässt sich zu jeder Zeit auflösen und zum Versuch benutzen. Die Form der Krystalle ist sehr verschieden und soll etwas Zu- lliges und von Nebeneinflüssen Abhängiges sein (!). Hin- sichtlich der Farbe der Krystalle entscheidet sich Teich- mann (unbewusst) für die Ansicht des Referenten, dass die krystallisationsfähige Materie der Blutkörper an sich farblos sei und nur vom beigemengten Ilämatin herrühre.*) Der ewöhnliche Wechsel der Temperatur übt auf die gewonnenen rystalle keinen Einfluss aus, sie verwittern also nicht, wie Funke angiebt. Der Verf. bestätigt ferner die von dem zu- letzt genannten Beobachter gemachte Erfahrung, dass die Krystalle in Wasser gelöst durch Abdampfen der Flüssigkeit sich wieder herauskrystallisiren lassen. In verdünntem Al- kohol sollen die Krystalle zum grossen Theil sich langsam auflösen. Es ist hier der Grad der Verdünnung des Alko- hols durch Wasser nicht angegeben. Die von dem Ref. ent- deckten Blutkrystalle des Meerschweinchens haben sich meh- rere Jahre in Alkohol 50%4, erhalten, und zwar mit scharfen Kanten, planen Flächen und mit so grosser Durchsichtigkeit, *) Auch Teichmann hat keine Notiz von den Beziehungen des Ref. zu den sogenannten Blutkrystallen genommen. Der Verf. kennt nur die Beobachtungen Kunde’s, Funke’s, Lehmann’s. Daher sieht Ref. sich in die Nothwendigkeit versetzt, den historischen Gang der die Blutkrystalle betreffenden Angelegenheit kurz ins Gedächtniss zu rufen. Im Jahre 1849, also zwei Jahre früher, als die genannten Autoren, veröffentlichte ich meine „Beobachtungen über eine eiweiss- artige Substanz in Krystallform“ (Müll. Arch. 1849. p. 196 sq.), nach- dem ich bereits 1847 an verschiedenen Orten Deutschlands, auch in Leipzig, über das eigenthümliche Verhalten der entdeckten Krystalle gesprochen und die letzteren selbst gezeigt hatte. Ob die genannten Autoren sich durch meine Beobachtungen zu ihren weiteren Untersu- chungen haben anregen lassen, kann ich nicht wissen. Allein 'That- suche ist, dass ich mittheilte, die an den Eihäuten von Meerschwein- fötus befindliche und die Krystalle enthaltende Substanz habe das Ansehen von „trocken gewordenem Blute gehabt (a. a. OÖ. p. 198); That- suche ist auch, dass ich die rothe Farbe mit dem Hämatin in Verbin- dung brachte und dass ich endlich zu der Erklärung mich veranlasst sah, die Substanz der Krystalle sei eiweissartiger Natur, in welcher Ansicht mich Schmidt und Buchheim unterstützten. Zwei Jahre 16 dass die sich einander deckenden Krystalle leicht unterschie- den werden konnten. Teichmann hat bei Gelegenheit seiner Untersuchungen über die Blutkrystalle eine andere Art von Krystallen ent- deckt, die er mit dem Namen „Häminkrystalle“ einführt. Wird ein Tropfen der krystallisirbaren organischen Substanz der Blutkörperehen oder ein Minimum von getrockneter Blut- körperchen-Masse mit einer organischen Säure, namentlich mit Essigsäure, unter dem Deckgläschen bei 20—50 Grad R. eingetrocknet, so bilden sich Krystalle von gelber, ziegel- rother, brauner oder schwarzer Färbung. Sie haben die Form einer regelmässigen oder an den Ecken abgestumpften, rhom- bischen Säule. Oft giebt es Zwillinge oder Sterne; auch zeigen sie sich als Nadeln, Stäbehen oder als Körnchen, de Pigmentkörnern ähnlich. Sie sind unempfindlich gegen den Einfluss der Luft und unlöslich bei direktem Zusatz von Wasser, Aether, Alkohol, Essig-, Salz- und Salpetersäure. Sie lösen sich aber in verdünntem Kali, in Ammoniak, in koncentrirter Schwefelsäure, wenn nicht sie bekleidende Ei- weissstoffe ein Hinderniss abgeben. Von den Virchow’schen Hämatoidinkrystallen unterscheiden sie sich wesentlich da- durch, dass sie nach der Auflösung durch die bezeichneten Reagentien niemals ein Gerüste unlöslicher Substanz zurück- lassen. Referent schliesst den allgemeinen Theil mit einem kurzen Bericht über die Abhandlung von H. Stannius: Beobach- tungen über Verjüngungsvorgänge im thierischen Orga- nismus; Rostock u. Schwerin 1853. Svo. Der Verf. ist schon seit vielen Jahren durch gewisse Erscheinungen darauf hin- später begann die Veröffentlichung von Beobachtungen über die künst- liche Darstellung von Krystallen einer eiweissartigen Substanz aus den Blutkörperchen durch die oben angeführten Autoren. Meine Beobach- tungen wurden dabei nur obenhin berührt, obschon die künstlich dar- gestellten Blutkrystalle des Meerschweinchens dieselbe Form und die- selbe Färbung, wie die von mir entdeckten, hatten. Man suchte in der von mir beschriebenen Resistenz der Krystalle bei Behandlung mit Säuren, Alkalien, Wasser einen wesentlichen und nicht weiter zu ver- mittelnden Unterschied, wollte etwas Anderes gefunden haben, statt, was zunächst lag, zu untersuchen, ob nicht die Aufbewahrung der Krystalle mit den thierischen 'Theilen, an welchen sie sich befanden, in Alkohol, die beschriebene Resistenz und den Unterschied veranlasst hatte. Endlich lernte man die Einwirkungen des Alkohols auf die Krystalle kennen, fand meine Angaben bestätigt, und nun vermuthete auch Lehmann, dass ich meine Krystalle wahrscheinlich in Alkohol aufbewahrt hätte, obschon diese Aufbewahrung nicht allein vorauszu- setzen war, sondern (a.a.O. p. 206) mit den Worten, „die unmittelbar aus dem Weingeist entnommenen Krystalle ete.‘“ angedeutet, auch spä- ter im Jahresber. vom Jahre 1849 (Müll. Arch. 1850, p. 3) noch aus- drücklich hervorgehoben wurde. Suum ceuique! 17 geleitet werden, dass Verjüngungsvorgänge oder, wie wir bisher zu sagen pflegten, Regenerationsvorgänge beim Wech- sel der Jahreszeiten und der Lebensalter in viel weiterem Umfange auch unter den histologischen Formelementen sich geltend machen, als wir es bisher kannten. Namentlich wurde beobachtet, dass bei gewissen Knochenfischen (Dorsch, Hecht ete.) die für die keimbereitenden Geschlechtstheile be- stimmten Nerven und Ganglienkörper in beständiger oder dureh Pausen unterbrochener Neubildung begriffen seien, in- dem in blutkörperhaltigen Sehläuchen oder häufiger in den vom Verf. als Nebennieren beschriebenen Organen das Ma- terial zur erneuten Entwicklung der angeführten Bestandtheile dargeboten wird. Die Nebennieren ferner selbst sollen sich als solche temporär entstehende und wieder vergehende Ge- bilde zu erkennen geben, indem sie zugleich ein Keimlager für die Neubildung sympathischer Gewebselemente darstellen. In die Kategorie soleher präparatorischer und transitorischer Keimlager, die anderen Organen in der Weise adjungirt sind, dass ihre sich auflösenden Bestandtheile zur Bildung des Bla- stemes für die Regeneration dieser Organe successive beitra- en, gehören: die Wirbelsaite, der hyaline Knorpel, gewisse "aserhäute für das Skelet. die Lymphräume am Störherzen für Muskeln und elastische Fasern, die Lymphräume und in Zellen eingeschlossene Gallertmassen zwischen der Muskel- haut des Pylorus vieler Fische, die Lymphräume in der Um- gebung der Nerven, der Blutgefässe bei Fischen uud Amphi- ien für die Neubildung von Nerven und Gefässhäuten, die Fetimassen längs der Ven. vertebralis von Petromyzon als Keimlager für die Ganglien-Cysten und für die den glatten Muskelfasern und später den elastischen Fasern so sehr ent- sprechenden (!R.) sympathischen Fasern, die Gallertmassen in der Umgebung des Rückenmarkes bei Petromyzon, die Fettmassen, Iymphatischen Fluida und Gefässkörper in der Schädelhöhle der Fische, die Hypophysis für die Gehirnsub- stanz (!R.), die Thyreoidea und Thymus und die Fettkör- Er etc. Als die geeignetste Zeit, sich von den Regenerations- rscheinungen zu überführen, ist die Winterszeit (Februar, März, auch später) anzusehen. Der Verf. beschreibt nament- lich ausführlicher den Zustand der Organe zur Winterszeit von Bufo vulgaris und Rana temporaria. Es kommen dann in den gelben Fetikörpern und an verschiedenen Stellen des Organismus sogenannte blutkörperchenhaltige Zellen oder Schläuche vor, in welchen die Neubildung von histologischen Formelementen vor sich gehen soll. Auf der anderen Seite erschienen der Sympathieus, namentlich die Ganglienkörper in blasse, feinkörnige, fettige, molekulare Massen verwandelt; die Kerne waren meist geschwunden, die Kernkörperchen zu- sammengeschrumpft; auch die Neryenfasern waren im Zer- fallen begriffen. Ein ähnliches Verhalten beobachtete Stan- Müller’s Archiv. 1854. Jahresbericht. B 15 nius am Herzen, an den willkürlichen Muskeln, cerebrospi- nalen Nerven. Milz und Leber waren fast völlig verödet. Die Gallenblase mit grüner Galle gefüllt und mit körnchen- haltigen Leberzellen (!R.) versehen. Die äusseren Wandun- gen aller Blutgefässe bestanden in einem fast formlosen De- tritus (!R.); viele Blutgefässe waren obliterirt u.s. w. Aehn- liche Beobachtungen wurden auch bei Fischen (Petromyzon fluviatilis, Esox lucius, Lachs) gemacht. In der Voraussetzung, dass die Regenerations-Erscheinungen (also sowohl der Un- tergang, wie die Neubildung R.) von dem Einfluss der Kälte herzuleiten seien, wurde dieser Einfluss auf das Blut und die Blutkörperchen bei Kröten und Fröschen, auch beim Hechte studirt. Stannius fand, dass bei —2 Gr. R. und in einem Blute, welches in einem Uhrglase der Schneekälte ausgesetzt war, sehr viele Blutkörperchen Fetttropfen enthielten, auch mit Fetttropfen bedeekt waren, oft den Farbstoff eingebüsst hatten, den Kern undeutlich oder gar nicht gewahren liessen und beim Druck auf das Leichteste ihre Form änderten, nie- renförmig, gezackt, bisquitförmig wurden. Die Blutflüssigkeit hatte einen röthlichen Schimmer angenommen, enthielt Inseln flüssigen Fettes und viele blasse Kerne, die beim Druck in eine Anzahl weisslich aussehender Elementarkörner zerlielen. Die atmosphärische Kälte, so schliesst der Verf., hat hiernach eine doppelte Wirkung: sie entbindet das Fett aus den Blut- körperchen, macht auch deren Kerne frei und führt so die Zerstörung der Blutkörperchen herbei; zugleich aber wird diese Zersetzung zum Anstoss einer reichlichen Bildung von flüssigem Blastem, aus welchem gewisse Formbestandtheile des Körpers sich ergänzen sollen. Nach Stannius giebt es nur eine Gegend des Körpers bei den Winterschläfern, in welcher die Auflösung der organisirten Substanz nicht Statt hat, nämlich in der Medulla oblong., so wie auch, bei höhe- ren Wirbelthieren wenigstens, innerhalb der Gehirn-Ventrikel. Aus dem Zustande der Hirnhäute und der in ihnen enthal- tenen Körperehen (bei Bufo vulg., Rana temporaria und es- culenta, Petromyzon, Esox, Salmo) schliesst der Verf. viel- mehr, dass an den bezeichneten Stellen die Bildung von Blutkörperchen ungestört fortgehe, obschon nachträglich hin- zugefügt wird, dass auch an andern Stellen des Körpers neben alten Blutkörperchen junge und frische vorzufinden seien. Der Schluss der Abhandlung enthält zahlreiche Mitthei- lungen über gewisse Bewegungserscheinungen thierischer Sub- stanz, unter welchen Formveränderungen und Zersetzung der Blutkörperchen, so wie die Bildung von Blementarzel- len sich zu erkennen geben sollen. Dergleichen Bewegungen sieht man nach dem Verf. innerhalb der Höhle der zarten Aussackungen der Pia mater bei Fröschen und Fischen an den darin enthaltenen Blutkörperchen, Plasma-Schollen (weisse Blutk.? R.), doch muss die Beobachtung ohne Wasserzusatz 19 geschehen. Der befreite Inhalt zeigt diese Bewegungen nur dann, wenn die bezeichneten Körper in die Nähe gewisser Stellen des Randes der Säckchen gerathen, obgleich Wimper- härchen sich nicht unterscheiden liessen. Dennoch beobachtet man bier an den eylindrischen Saumzellen der Säckchen einen mattweissen Anflug, der als Flimmermembran von Eiweiss- substanz gedeutet wird; diese soll zu anderen Substanzen scheinbar fettiger Natur Anziehungsvermögen besitzen. Bei Petromyzon zeigen sich auch an den Rändern der Pia mater molekulare Körner, die da, wo der mattweisse Anflug sich befindet, abgestossen und angezogen werden. Kommt eine lichtgraue, homogene und kernlose Scholle aus dem Inhalt der Säckchen in ihre Nähe, so treten die molekularen Kör- ner an sie heran; es entsteht ein Rotiren und Zittern, dann folgt Ruhe, und man gewahrt nun, dass die molekularen Körner, zum Kern zusammengeballt, in die Scholle einge- drungen sind. Beide vereint bilden also eine Elementarzelle, anfangs noch ohne Hülle. (Neue Zellengenesis. R.) Beim Haister sind die Plasma-Schollen des Blutes glockenförmig. Sobald eine solche Plasma-Glocke den Saum der Pia mater berührt und an demselben haften bleibt, so gerathen die Aussenränder in Undulation und im Centrum der Höhle mar- kirt sich ein amethystfarbiger Fetttropfen. Plötzlich hört die Bewegung auf, und die Plasma-Glocke ist zu einer blutrothen, runden Scheibe geworden, die den Fetttropfen enthält. Eine andere Reihe von Bewegungserscheinungen macht sich be- merkbar, wenn man Nervensubstanz (aus dem sinus medull. oblong. vom Hecht) mit Iympbatischer Flüssigkeit befeuchtet und allein oder meist in Verbindung mit rothen Blutkörper- chen beobachtet. Hüllenlose isolirte Nervenröhren (!R.) be- wegten sich wurmförmig, grössere Massen von Nervensub- stanz zeigten Bewegungen ähnlich denen der Amoeben, der Polypensubstanz; diese Bewegungen schienen abhängig von der Annäherung rother Blutkörperchen; die Blutkörperchen selbst endlich veränderten vielfach ihre Farbe und lösten sich (in Folge der Einwirkung der Nervensubstanz) auch wohl vollständig auf. Achnliche Beobachtungen wurden auch an Fröschen, Kröten, Kaninchen gemacht. Eine gleiche zer- setzende Kraft übte auf die Bluttkörperchen auch Fett aus, das aus der Nebenniere und den Drüsenkörpern, welche die Ganglien des Sympath. umgeben, von noch warmen Kanin- chen genommen worden war. Unter dem Hinschwinden der Blutkörperchen sollen zugleich die Lymphkörperehen oder auch neu entstandene blasse Kugeln unter den Augen des Beobachters zu Elementarzellen werden. Namentlich will der Verf, bei der Rana esculenta gesehen haben, dass die Lymph- körperchen auch ohne Beisein von Nervensubstanz den Blut- körperchen Elementarkörner entziehen, dabei mehr und mehr an Grösse zunehmen und durch eine Art Furchungsprozess Br 20 zu neuen Zellen sich verwandeln. Der Verf. hebt am Schlusse der Schrift hervor, dass seine Beobachtungen auf eine unab- sehbare Reihe von chemischen Prozessen im lebenden Thier hinweisen, bei welchen Fett- und Eiweissmodifikationen die wesentlichste Rolle zu spielen scheinen. Sie lehre die Ge- gensätze zwischen diesen Stoffen kennen, die sich unter den manvigfaltigsten Erscheinungen der Anziehung und Abstos- sung, des Bindens und Freiwerdens kund geben. Die Anzie- hungen und Abstossungen seien höchst wahrscheinlich elek- trischer Natur, denn Elektrieität und Chemismus gehen Hand in Hand. — Referent hat die wichtigsten Momente aus einer Abhand- lung hervorgehoben, in welcher die Beobachtungen dicht ge- drängt aufeinanderfolgen, sehr aphoristisch mitgetheilt sind und oft eine nähere Erläuterung, so wie eine genauere, dem heutigen Stande der mikroskopischen Anatomie entsprechende Beschreibung sehr wünschenswerth machen. Wenn Ref. den Verf. richtig verstanden hat, so geht die nächste Aufgabe dahin, zu beweisen, dass wie ein Absterben und Ersatz im Bereiche der Individuen und der näbern, mehr zusammenge- setzten Formbestandtheile eines Organismus statthabe, so auch im Bereiche der elementaren Formbestandtheile. Stan- nius bezieht sich hierbei auf die Ergebnisse der Embryologie, welche C. Vogt mitgetheilt, desgleichen auf das Hinschwin- den des primordialen hyalinen Knorpels im Skelet. Das letz- tere Beispiel scheint nicht ganz hierher zu passen, da das sogenannte sekundäre Skelet gleichzeitig mit dem sog. pri- mordialen angelegt wird und besteht, also nicht zum Ersatz des später etwa resorbirten Knorpels auftritt; die Mitthei- lungen C. Vogt’s ferner haben wohl nur bei denen Vertrauen gefunden, die sich das Studium der Entwicklungsgeschichte nicht zur speeiellen Aufgabe gemacht haben. Inzwischen lie- gen die evidenten Beweise z. B. in der Regeneration der Epi- thelien vor. Eine andere Frage ist die, ob diese Regenera- tion auf alle Formelemente unter gewissen Umständen, wie im Winterschlaf und zur Winterszeit, sich erstrecke? Bei dem Interesse, welches die Schrift des Verf. erregt, hat es Ref. nicht unterlassen, in beiden letzten Wintern Frösche und Fische auf den Untergang und die Neubildung von histologi- schen Formbestandtheilen zu untersuchen. Bekannt ist, dass bei Fröschen, weniger, oft gar nicht bei Fischen (Hecht), das Fett abnimmt; dass die gelben Fettkörper der Frösche ihr Fett allmälig bis auf einzelne Tropfen verlieren, aber die da- durch kleiner gewordenen Zellen sind vorhanden; dass ferner bei Fröschen auch die Pigmentirung liehter wird und an vie- len Stellen des Körpers, namentlich auch in Leber, Milz, in den Gefässen ete. das Blut stagnirt, extravasirt und Pigment- kugeln sich mehr wie gewöhnlich bilden. Aber einen förm- lichen Detritus von natürlich, nicht künstlich zerstörten Form- 2] bestandtheilen hat Ref. nicht auffinden können. Wenn Stan- nius bemerkt, dass er bei Fröschen die sympathischen Gan- glienkörper oft ohne Kern und Kernkörperehen gesehen, so hat Ref. diese Theile nirgend vergebens gesucht, doch waren die Ganglienkörper lichter als gewöhnlich, und führten ein kleines gelbes Fetttröpfehen. Referent benutzt die Frösche den ganzen Winter hindurch zu mikroskopischen Demonstra- tionen, ohne irgend welche Hindernisse zu finden und irgend wie auffallende Erscheinungen an Blutzellen, Muskelfasern, Nervenfasern, Gefässwandungen ete. zu bemerken, mögen dieselben auf einen Detritus oder auf Neubildung zu beziehen sein. Dabei kann Ref. nicht die Bemerkung unterdrücken, dass doch in den ähnlichen Fällen von Generation und Re- generation es nicht beobachtet wird, dass die abgestorbenen Massen direkt wieder zum Bildungsmaterial der Neubildung benutzt werden. Weiterhin geht der Verf. auf die Ursachen ein, welche die Zersetzung und den Untergang der Formbe- standtheile herbeiführen, und erwähnt zugleich die Erschei- nungen, unter denen die Neubildung von Zellen auftritt. Eine dieser Ursachen soll bei Winterschläfern die Kälte sein, durch welche in den Blutkörperchen das Fett ausgeschieden wird. Ref. hat den angegebenen Versuch mehrere Male wiederholt, aber das Fett schied sich nun grade nicht sichtbar aus; die Veränderungen der Blutkörperchen sind die bekannten. Dann soll Nervensubstanz und Fett die Blutkörperchen zersctzen, aber auch diese Versuche wollten nicht glücken; desgleichen konnte niemals beobachtet werden, dass ein Lymphkörper- chen auf Kosten daneben liegender Blutzellen neue Brut pro- dueirt. Vollständig überzeugt davon, dass Eiweiss und Fett eine sehr wichtige Rolle bei der Zersetzung, wie bei der Neu- bildung organisirter Substanzen spielen, und dass hierbei nicht selten deutlich sichtbare Bewegungen auftreten, ist Ref. denn doch nicht im Stande gewesen, sich von jenen wunderbaren Bewegungen zu überführen, die Stannius beschrieben hat, und die grade zur Winterszeit sich offenbaren sollen. Specieller Theil. Samenkörperchen und Eier. G. Meissner hat in seinen „Beiträgen zur Anatomie und Physiologie von Mermis albicans“ die Entwicklung der Zoo- spermien und Eier des bezeichneten Thieres beschrieben. Die männlichen innern Geschlechtsorgane von Mermis albicans sind, wie bei den Nematoden überhaupt, sehr ein- fach. Sie bestehen aus einem einzigen Blindschlaueh, an wel- chem sich einzelne Abschnitte als Hoden, Vas deferens, Ve- sicula seminal. und Duet ejacul. unterscheiden lassen. In dem das blinde Ende einnehmenden Hoden befinden sich, wie die- 22 ses Ref. bei Ascaris acuminata und Strongylus auricularis be- schrieben hat, runde, wasserhelle Zellen von !/,,‘“ im Durch- messer; die Kerne messen 1%,,””. Der Verfasser hat diese Zellen die männlichen Keimzellen genannt, — ein Ausdruck, den Ref. bei Ascaris und Strongylus erst für die Brut der endständigen Mutterzellen des Hodenschlauchs in Anwendung gebracht hat. Neben diesen wasserhellen Zellen sieht man ın der von einer Tunica prop. gebildeten Röhre noch kleine Kerne (Fettmoküle) und beim Ausfliessen des Inhaltes Ei- weisskugeln. Im weiteren Verlauf des Schlauches theilt sich nach dem Verf. der Kern der sog. Keimzelle, wobei das ur- sprüngliche Kernkörperchen in den einen oder andern Toch- terkern übertreten soll, also ohne sich zu theilen. Die Toch- terkerne nehmen dann unter gleichzeitiger Vergrösserung der Keimzellenmembran an Umfang zu und vermehren sich gleich- falls in angegebener Weise, Auf diesem Wege füllt sich die Keimzellenmembran allmälig mit 12—16 Tochterkernen, welche nach und nach die Grösse des ursprünglichen Mutterkerns erreichen und das etwa fehlende Kernkörperchen in sich ab- sondern. Nun verwandeln sich die Tochterkerne in Zellen und zwar nicht durch Umlagerung von Zellinhalt und Hülle, sondern durch Differenzirung vom Kern aus, durch allmäliges Abheben einer Membran von demselben, bedingt durch Bil- dung und Aufnahme eines flüssigen vom Kern verschiedenen Inhaltes. Unter solehen Umständen möchte sich nach den heutigen Erfahrungen die Frage aufwerfen lassen, ob der an- gebliche Kern wirklich einen Zellenkern repräsentire (Ref.). Die ausgebildeten Tochterzellen werden in der Folge frei nnd heissen jetzt „Entwicklungszellen derZoospermien“, da in einer jeden oder vielleicht richtiger aus einer jeden (R.) 'sich ein Samenkörperchen bildet. In Grösse und Ansehen gleichen sie den sog. Keimzellen; oft sieht man sie an Eiweisskugeln haften. Bei der Verwandlung dieser Zellen in Samenkörper- chen werden die wichtigsten Veränderungen an dem Kern bemerkbar. Derselbe verliert sein Kernkörperchen, so wie sein granulirtes Aussehen und wird homogen und dunkel kon- turirt. Zugleich legt er sich dicht an die Wandung der Zel- lenmembran an, wird auf Kosten seiner Breite und Dicke länger und stellt ein gebogenes Stäbchen dar, welches den dritten Theil, ja selbst die Hälfte der Peripherie der Zell- wand umfasst. Während endlich die Zellmembran bis auf die Hälfte des ursprünglichen Durchmessers sich verkleinert, entwickelt sich nach dem Verf. aus dem einen Ende des Kernes ein stäbehenförmiger Fortsatz, durchbricht die Zell- membran und stellt das unbewegliche Schwänzchen des Samen- körperehens dar. — Die Entwicklung der Zoospermien nach Meissner bei Mermis und diejenige nach dem Ref. bei As- caris und Strongylus haben ihre übereinstimmenden und ab- weichenden Momente. Halten wir uns zunächst an die erste- 23 ren, so ergiebt sich,- dass in den Hoden eine Summe von Zel- len zu finden ist, die nicht direkt, sondern erst in ihren Nach- kommen die eigentlichen Keime der Zoospermien produciren. Der Verfasser nennt sie Keimzellen, weil in ihnen direkt die Tochterzellen als Keime der Spermatozoen (bei Mermis) auf- treten; so ist es nicht bei Ascaris und Strongylus, darum möchte der von dem Ref. gewählte, allgemeinere Name „Mut- terzellen der Samenkörperchen“ passend festzuhalten sein. Uebereinstimmend mit dem Ref. fand Meissner, dass die Samenkörperchen aus Zellen, „Entwicklungszellen“, sich bil- den, und dass dabei der Kern eine wichtige Rolle spielt. Referent weiss nicht, ob der Name „Entwicklungszelle* für diejenige Zelle, aus welcher das Spermatozoon hervorgeht, glücklicher gewählt sei, als die Benennung „Keime der Sper- matozoen“. Die differenten Punkte betreffen die Art und Weise der Zellenbildung, welche bei Ascaris und Strongylus so entschieden den Charakter der Zellenbildung um Inhalts- pörtionen an sich trug; ferner den Umstand, dass erst die zweite Generation der primitiven Mutterzellen zu den Keimen der Spermatozoen werden, und endlich, dass der Kern das Schwänzchen der Spermatozoen bilden soll, während bei Strongylus sich deutlich die Entwicklung aus der Zellmembran verfolgen liess (R.). An den innern weiblichen Geschlechtstheilen unterschei- det Meissner das äusserste blinde Ende als Eierkeimstock, darauf den Dotterstock und endlich den Eiweissstock. Im äussersten, abgerundeten Ende des Eierkeimstockes befinden sich dieselben Formelemente, wie im Hoden. Die wichtig- sten Bestandtheile sind die „weiblichen Keimzellen“, welche in Grösse, Aussehen, mit Rücksicht auf den Kern und das Kernkörperchen völlig den männlichen Mutterzellen daselbst gleichen. Weiter zur Ausgangsöffnung hin beginnen die Kerne, wie in der Röhre des Hodens, sich zu theilen und eine Summe von Tochterkernen zu bilden, deren Kernkörperchen nach- träglich entsteht. Die älteren Kerne werden grösser, nehmen deutlich Bläschennatur an und verwandeln sich auf die merk- würdige Weise zu Tochterzellen, dass sie gegen die Wand der Mutterzellmembran andrängen und diese hervorstülpen. Nach und nach ist die Mutterzelle auf der ganzen Oberfläche mit Knospen, bis zu 20, bedeckt, deren Membran durch einen allmälig enger werdenden Kanal mit der im Centrum gele- gun Autterzellmembran in kontinuirlicher Verbindung steht, eren flüssiger Inhalt der in die Ausstülpung hineingedrun- gene Mutterzelleninhalt ist, und deren Kern als Nachkömm- ling des Kernes der Mutterzelle- anzusehen wäre. Diese knospenartigen Hervorstülpungen der primitiven weiblichen „Keimzelle“ sind die ersten Anlagen der Eier mit Dotterhaut, dem primitiven Dotter, dem Keimbläschen und dem Keim- fleck. Die grössten der jungen Eier messen "/40—"/1s0", die 24 Keimbläschen !%—"/ıs0“. In dem Dotterstock wird für die jungen Eier neues Dottermaterial produeirt. Die Quelle ist wieder die central gelegene ursprüngliche Mutterzelle; sie füllten sich mit Fettkörnchen und. diese traten durch den Stiel zu den jungen Eiern. Die Eier werden dabei grösser und erreichen einen Durchmesser von !%,—"/15‘; doch scheint ein Theil zu verkümmern und meist nur eine Anzahl von 5—7 die Reife zu erlangen. An der sphinkterartigen Verengerung zwischen Dotterstock und Eiweissschlauch trennen sich die Eier von der Mutterzelle, ohne dass später die Spuren des abgerissenen Verbindungskanales bemerkbar sind. Eine Art Micropyle hat sich aus dem Verbindungskanal nirgends deut- lich herausgebildet. Um die Dotterhaut der reifen Eier lagert sich in dem Eiweissstock eine Eiweissschicht ab, die zur Hälfte erhärtet und die Schalenhaut oder die oft als Chorion bezeichnete Eihülle bildet. So bat sich denn eine neue Stimme gegen die allerdings herrschende, aber darum nicht 'grade richtige Ansicht von der Bildung der integrirenden Bestandtheile des einfachen Eies erhoben; — eine Ansicht, die bekanntlich von dem Kern, als Keimbläschen, ausgeht, um denselben den Dotter sich herumlagern lässt und schliesslich, wenn es noch in den Kram passt, eine Dotterhaut herumschlägt. Meissner’s Beobach- tungen bestätigen die von dem Ref. in Betreff der Nematoden gemachte Angabe, dass die Bildung der weiblichen Keime, ebenso wie die der männlichen von gekernten Zellen, den pri- mitiven Mutterzellen, des Verf. weiblichen Keimzellen ausgeht. Die Art und Weise, wie aus diesen Mutterzellen die für die weiblichen Keime (Eier) bestimmten Brutzellen bei Mermis sich bilden, weicht sehr von der Entwicklung der Eier bei Ascaris und Strongylus ab. Bei letzteren sieht man keine Spur von einem Axengebilde, mit welchem eine Anzahl Eier gleich Knospen in Verbindung stehen. Auch bei Ascaris my- star, die Ref. in letzter Zeit öfters unter Händen gehabt hat, tritt eine solche Einrichtung, was auch Meissner später zu- gegeben hat, nirgend deutlich hervor. Man beobachtet hier allerdings, dass die durch gegenseitigen Druck polyedrisch geformten und, wie bei Mermis, auffallend plattgedrückten reiferen Eier nicht selten mit einer mehr zugespitzten oder auch nur zugeschärften, breiten Scheibe zur Axe der Röhre gewendet sind. Ref. möchte indess diese Erscheinung von dem stärkeren Druck herleiten, welchen die aus dem dün- nern Endstücke nachrückenden unreifen Eier auf den centra- len Theil der breiteren Röhre richten müssen. Epithelien. Leydig hatte bekanntlich in seinen Beobachtungen „über die Haut einiger Süsswasserfische“ (Sieb. u. Köll. Zeitsch. 25 Bd. 3, p. 2) auf eigenthümliche, mit einem zähen, zuweilen etwas körnigen Inhalte gefüllte Oberhautzellen aufmerksam gemacht, denen er den Namen Schleimzellen gab. Der- leichen Schleimzellen finden sich auch nach dem Verf. in der pidermis von Polypterus bichir zwischen den plattgedrückten, gewöhnlichen Epidermiszellen. Sie bieten entweder eine rund- liche oder sehr häufig eine birnförmig ausgezogene Gestalt dar, so dass sie bisweilen eine Länge von !/,,,” erreichen. In den weniger entwickelten Schleimzellen ist der Inhalt ho- mogen, leicht gelblich tingirt, und der Kern klein und hell; in den stark entwickelten hat der Kern häufig an Grösse zu- genommen, und der Inhalt ist mit durchsichtigen Kügelchen erfüllt. Das spitze Ende der birnförmigen Schleimzellen ist nach der freien Fläche der Epidermis gerichtet und scheint geplatzt zu sein, so dass sich der Inhalt der Zelle durch diese Oefinung als Exkret entleeren kann. Dadurch erhalten diese Zellen eine grosse Aehnlichkeit mit den einfachen Drüsen niederer Thiere, die nur aus einer Zelle sammt Ausführungs- gang bestehen (Zeitsch. f. wissensch. Zoolog. Bd. V., p. 43). Auch beim Stör kommen nach Leydig Schleimzellen in der Epidermis vor, während sie bei den Rochen und Haien nur in der Rachenschleimhaut angetroffen werden (Anat.-histol. Untersuchungen über Fische und Reptil. Berl. 1853; p. 34). Ferner finden sich Schleimzellen in der Epidermis des Pro- teus, Sie liegen hier in den tieferen Schichten der Epidermis, messen im grössten Durchmesser 0,0120 — 0,024” und ent- halten ein mit körniger Masse erfülltes Bläschen, welches der Verf. mit einem Sekretbläschen vergleicht. Es scheinen die Schleimzellen nur in der Haut solcher Tbiere vorzukom- men, welche sich beständig im Wasser aufhalten; so fehlen sie beim Grasfrosch und beim erwachsenen Landsalamander. Bei den Larven des zuletzt genannten Thieres dagegen sind sie sehr ausgezeichnet; sie liegen daselbst unterhalb der po- en Epidermiszellen über die ganze Haut hinweg (a. a. . p- 107). Auch im Bereiche der Schleimhäute hat Ley- die die bezeichneten Zellen beobachtet. So besteht das Epi- thel der Magenschleimhant bei Cobitis fossilis aus einer tiefer gelegenen Schicht von Cylinderzellen und aus oberflächlichen runden Zellen, unter welchen sich einzelne Schleimzellen mar- kirten (Müll. Arch. 1853, p. 5). L In Bezug auf die Ausbreitung und das Verhalten verschiedenartig geformter Epitbelien haben wir durch Ley- dig noch folgende Mittheilungen erhalten (Anat.-histol. Un- tersuchungen über Fische u. Rept.). Die Magendrüsen des Störs sind durch ein zierliches, helles Oylinderepithel ausge- zeichnet; die eylindrischen Zellen der Magenschleimhaut un- terscheiden sich von ihnen durch die Grösse und dadurch, dass sie gegen das freie Ende hin mit molekulärer Masse prall angefüllt sind (p. 19). Bei Petromyzon Planeri fimmert nach 7 26 dem Verf. der Magen, Darm und auch der Gallenblasengang, während bisher nur vom Branchiostoma lubricum und vom Haiembryone bekannt war, dass das Epithelium ihrer Darm- schleimhaut fimmere (p.18). Flimmerndes Epithelium ent- deckte Leydig ferner in der Schwimmblase des Acipenser nasus und Nacarü. Vom Frosch bemerkt der Verf., dass das Flimmerepithel der Mund- und Rachenschleimhaut an den End- flächen der papillae fungiformes fehle und, wo es vorkomme, aus mehreren Schichten bestehe, von welchen die unteren aus der rundlichen Gestalt durch Mittelformen in die cylindrischen Flimmerzellen übergehe. Ref. konnte sich davon nicht über- zeugen und vermuthet, dass die bekannte optische Täuschung den Verfasser zu dieser Auffassung verleitet habe (a. a. O. p- 37). Von den auf dem Bauchfell mehrerer Reptilien sich vorfindenden Flimmerzellen erhalten wir die Mittheilung, dass sie nicht durchweg sich ausbreiten, sondern nur gewisse Ge- genden und Züge einhalten. So flimmert bein Frosch zwar das Peritonaeum der Bauchmuskeln, ferner das Mesoarium, dagegen nicht das Mesenterium. Endlich entdeckte der Verf. flimmerndes Epithel: in der eigenthümlichen Erweiterung des Müller’schen Ganges beim Grasfrosch und der Feuerkröte, in dem oberen blinden Ende des Harnsamenganges bei den zuletzt genannten Batrachiern und in dem Nebenhoden der Eidechse. Als die stärksten dem Verf. bekannten Wimper- haare im Bereiche der Wirbelthiere sind die der fimmernden Zellen im Gehörorgane der Cyelostomen anzusehen; sie haben bei Petromyzon Planeri eine Länge von 0,016“ und eine Breite (an der Basis) von 0,008”. Eine jede Zelle trägt nur ein Flimmerhärchen, wie dieses von den flimmernden Zellen der Harnkanälchen in der Nähe der Ampullen bekannt ist. — Die Epidermiszellen erleiden nach Leydig eine besondere Umgestaltung in den sogenannten becherförmigen Organen der Knochenfische und Störe; sie nehmen eine spindelförmige Gestalt an und liegen dieht neben und in einander geschoben um die Wand des Bechers herum. Auch in den Hautdrüsen der Batrachier zeigen die Drüsenzellen eine mehr eylindrische Form. Während bei höheren Wirbelthieren der Kern in den eylindrischen Epithelialzellen vermisst wird, ist derselbe beim Salamander vorhanden und liegt daselbst konstant in dem fixirten Ende der Zelle. — Dagegen fand Leydig, dass die kurzeylindrischen Pigmentzellen der Choroidea des Störes den Kern im freien oder gegen die Retina gewendeten Ende und die Pigmentkörnchen in dem entgegengesetzten Theile der Zelle enthalten (a. a. O.p. 8). In dem hinter der Chorio- capillar-Membran gelegenen Tapetum des Störes sind die kleinen, eckigen, irisirenden Plättchen in den gekernten Zel- len eines Epitbeliums gelagert (p. 9). Schliesslich mag aus der inhaltsreichen Schrift des Verf. noch die Beobachtung hinzugefügt werden, dass, wie nach Rheiner”s Entdeckung 27 bei höheren Wirbelthieren, so auch bei nackten und beschupp- ten Amphibien die dem Stimmbande entsprechende Stelle der respiratorischen Schleimhaut stets flimmerlos ist und ein Epi- thel trägt, welches aus rundlichen Zellen mit körnigem Inhalt besteht (a.a.O. p. 60). Während bisher von mehreren Beobachtern in Folge einer unrichtigen Auslegung der optischen Erscheinungen eine. Ver- diekung der Zellmembran an der freien Basis der cylindri- schen Epithelialzellen angenommen wurde, so ist neuerdings E. Brücke bei seinen Untersuchungen „über die Chylusge- fässe und die Resorption des Chylus“ (Denksch. der Kais. Akademie der Wiss. Bd. IV. p.9 sq.) zu der Ansicht hinge- drängt werden, dass die Oylinderzelle des Darmepithels an ihrer Basis vollständig und in der ganzen Breite offen sei, also die Membran daselbst eine entsprechende Oeffnung be- sitze. Zur Begründung dieser Ansicht weiset der Verf. auf die durchsichtigen Bläschen hin, die sich bekanntlich an den freien Flächen der Epithelialzellen bei Berührung mit Wasser bilden, anfangs wie Kugelsegmente an der Basis der Zelle haften, dann aber immer grösser und grösser werden, bald die ganze Zelle an Volumen übertreffen, endlich sich los- reissen und als vollkommen freie Kugeln neben der Zelle umhberschwimmen. Diese Kugeln sind theils ganz farblos durchsichtig, theils enthalten sie einen Theil der in der Zelle befindlichen Fetttropfen, ja bisweilen Kern- und Körnermasse des Zellinhaltes in wenig verändegter Gestalt. Die beschrie- benen Veränderungen der sogenannten Eiweisskugeln und ihre Ablösung erfolgt ohne eine Störung an der Zelle selbst, aus der man auf das Zerreissen einer Membran schliessen könnte. Dieser Umstand steht nach dem Verf. im Widerspruch mit der angeblich allgemeinen Annahme, dass die Eiweisskugeln die durch Diffusion aufgeblähte Wand der Cylinderzelle dar- stellen, woraus Brücke dann folgert, dass die zähe, schlei- mige, durch Aufsaugung von Wasser sich stark ausdehnende Inhaltsmasse der Zelle selbst durch eine natürliche Oeffnung der Membran hervorgetreten sein müsse. Ref. theilt diese Ansicht nicht; ihm scheinen die Prämissen, aus denen Brücke seine Schlussfolgerung zieht, nieht richtig zu sein. Zarte Zell- membranen mit einem zähflüssigen Inhalt können zerstört werden, ohne dass sich diese Zerstörung unter dem Mikroskop anfangs durch ai sr ein Zeichen bemerkbar macht; selbst die Kontur des freien Zellinhaltes kann einige Zeit die frü- here Schärfe bewahren. Von den Eiweisskugeln ist allerdings bekannt, dass sie von vielen Beobachtern für die aufgeblähte Zellmembran genommen wird; man hat diese Ansicht selbst dem Ref, untergeschoben, wenn es sich darum handelte, ein wirkliches von ihm beobachtetes Diffusionsphänomen (bei den Furchungskugeln der Nematoden etc.) illusorisch zu machen. Allein Referent hat, wie auch andere Forscher, die Entste- 28 hung der Eiweisskugel von wirklichen Diffusionsphänomenen stets zu trennen gewusst. Die räthselhaften Eiweisskugeln bilden sich beim Zusatz von Wasser in der Umgebung der verschiedenartig geformten Epithelzellen, der runden oder mehr plattgedrückten Zellen, auch an der mit Cilien versehe- nen Basis der Flimmerzellen, bei Erhaltung und mit Zerstö- rung der Zellmembran, in welchem letzteren Falle der sich allmälig zertheilende Zellinhalt in die Eiweisskugeln "aufge- nommen werden kann. Eine mikroskopische Erscheinung, aus welcher mit Nothwendigkeit auf die Anwesenheit einer Oeffnung in den Zellen des Darmepithels geschlossen werden könnte, liegt nicht vor; ob die Resorption des Fettes eine solche Oefinung verlange, dürfte zu bezweifeln sein, ist aber eine Frage, auf welche der Bericht nicht näher einzugehen hat. Von dem pigmentirten Epithelium der Choroidea bei Am- phibien und Vögeln bemerkt v. Wittich (Sieb. u. Köll.’s Zeitsch. f. wiss. Z. Bd. IV. p. 458), dass die einzelnen Zellen sich dachziegelartig decken, indem das in eine fadenförmige Spitze ausgezogene Netzhautende nicht senkrecht auf der Basis, sondern unter einem spitzen Winkel stehe. Die Rich- tung der Zellen sei in kleineren Strecken fast parallel vom Eintritt des Sehnerven abgelenkt, doch beschränkt sich dieser Parallelismus nur auf einzelne, scharf begrenzte Distrikte. Die Kegel verschiedener, einander begrenzenden Distrikte convergiren oder divergiren gegen einander, wodurch wirbel- förmige Zeichnungen gebildet werden. Bis jetzt fand der Verf. diese eigenthümliche Gestaltung der Zellen in der Membr. pigmenti bei Lacerta agilis, bei der Krähe und Pute, doch sei eine weitere Verbreitung wahrscheinlich. —: Die ganze Mittheilung ist leider das Ergebniss von Täuschungen durch künstliche Produkte. Ueber die in Fäden sich künstlich aus- ziehenden Enden dieser Pigmentzellen hat Ref. schon aus- führlich im Jahresbericht vom Jahr 1844 (Müll. Arch. 1845, p- 126) gesprochen. Die Pigmentzellen der Choroidea ge- nannter Thiere sind bekanntlich kurze Cylinder mit einem zähflüssigen Inhalte, worin der Kern, die Pigmentkörnchen, öfters auch ein Fetttropfen suspendirt sind. Wird eine solche Haut von den angrenzenden Augenhäuten abgezogen oder gequetscht, so bilden die Zellen leicht jene Konfigurationen, die v. Wittich beschrieben hat. . E. Reissner hat die Substanzen des Haares der Thiere und des Menschen einer genauen Untersuchung unterworfen (Nonnulla de hominis mammaliumque pilis. Comm. ad ve- niam leg. impet. acced. tabulae duae DorpatiLiv. 1853). Die Sehrift zerfällt in zwei Theile; in dem ersten werden die mi- kroskopischen Untersuchungen über die Stacheln und Haare der Echidna seiosa mitgetheilt; der zweite Theil behandelt die Haare komparativ-anatomisch. Aus des Verf. Untersuchun- gen geht hervor, dass die Rindensubstanz aller Stacheln 29 und Haare, zwischen denen keine scharfe Grenze zu ziehen sei, aus über einander gelagerten Schichten von gekernten, zuweilen Pigmentkörnchen führenden Hornzellen besteht; an einigen Stellen der Haare befinden sich nicht selten kleine mit Luft erfüllte Vacuola.. An manchen Haaren, so z.B. an denen des Pferdes, lässt sich die eoncentrische Schichtung an Querschnittchen leicht erkennen. Reissner bemerkt mit Recht, dass Kölliker ganz unpassend die Rindensubstanz des menschlichen Haares „Fasersubstanz“ und die hier spin- delförmigen Hornplättchen „Faserzellen der Rinde“ genannt habe. Dass sich die mit Schwefelsäure behandelte Rinden- substanz des menschlichen Haares bei Druck und Zerrung in einzelne längere und verschiedene breite Fäden und Fasern spalten lasse, dieses hänge allein davon ab, dass die spindel- förmigen Hornplättehen mit ihrem Längsdurchmesser in der Richtung der Axe des Haares gerichtet sind und also in jeder Schicht auch nach dieser Richtung hin ihre ausgebreitesten Berührungs- und Trennungspunkte darbieten. Wenn man fer- ner die Rindensubstanz aus einzelnen Faserzellen bestehen lasse, so passe dieser Ausdruck für viele Haargebilde nicht, deren Zellen keine Faserform besitzen; auch werde dadurch der Charakter des epithelialen Gewebes zerstört, aus wel- chem in mehrfacher Schichtung die Rindensubstanz zusam- mengesetzt sei. Die kleinen Lufträume fand der Verfasser mehr in den äusseren Regionen der Rindensubstanz gelegen, die Pigmentkörnchen dagegen am häufigsten in der Mitte. Das dachziegelförmige Epithelium des Haares zeigt bei verschiedenen Thieren nur geringe Abweichungen, die sich in der Konfiguration der nicht bedeckten Theile der Hornplätt- chen zu erkennen geben; weder Pigmentkörnchen, noch Luft- räume, noch Zellenkerne haben sich irgendwo an den Plätt- chen nachweisen lassen. An den Haarkolben der freiwillig ausfallenden, also im Wachsthum vollendeten Haare wird das Epithelium vermisst; auch die innere Haarscheide fehlt; die ornsubstanz, aus welcher der Haarkolben seiner Hauptmasse nach besteht, ist von einer Hornschicht umkleidet, welche dem -Epithelium und der innern Haarscheide zugleich ent- spricht, aber keine dachziegelförmig sich deckenden Zellen besitzt. Ganz besonders eindringlich sind die Untersuchun- en über die Marksubstanz. Der konstante Theil der arksubstanz sei die vertrocknete Pulpa des Haares, der mehr auflälligere die sogenannten Markzellen. Wenn Köl- liker behauptet, dass eine durch den ganzen Haarschaft verlängerte und vertrocknete Papille von der genuinen Mark- substanz beim Menschen ebenso bestimmt zu unterscheiden sein müsste, als bei Thieren, so giebt Reissner eine ganz einfache Berechnung von dem Umfange, in welchem der We- derkeim durch das Eintrocknen 'verdünnt würde, und zeigt dann, dass hiernach die menschliche Haarpulpa bei einem 30 0,04” dicken Haare auf ein Plättchen von 0,00003—0,00006“ in der Dicke zusammenschrumpfen müsse, also füglich sich leicht dem Auge des Mikroskopikers entziehen könne. Die Markzellen, welche in Scehweinsborsten bei sehr deutlicher, ‚ eingetrockneter Matrix gänzlich fehlen, haben bei verschiede- nen Thieren sehr verschiedene Formen, sind aber in den mei- sten Haaren so geordnet, dass ihr Längsdurchmesser mit dem Querdurchmesser des Haares zusammenfällt. Die Luft, welche so häufig in der Marksubstanz auftritt, findet sich theils in den Markzellen selbst, theils in der Umgebung derselben und der eingetrockneten Matrix; wo die Luft ausgetrieben werden kann, da finde das Letztere, umgekehrt das Erstere Statt. Haare, deren Markzellen selbst die Luft enthalten, besitzen das Elenthier und das Reh. In den Schwanzhaaren des Pferdes liegen Luftblasen theils in der Umgebung der Mark- zellen, theils in letzteren selbst. Bei Mäuse- und Ratten- haaren, deren Markzellen sich durch sehr eigenthümliche For- men auszeichnen, befinden sich Luftblasen ausserhalb dersel- ben. Bei menschlichen Haaren lässt sich die Luft bekanntlich leicht austreiben; hier liegen die Luftblasen gleichfalls nur in der Umgebung der Markzellen, und nicht, wie Kölliker vermuthet, innerhalb. Die Markzellen führen ausserdem nicht selten Pigment und auch Zellenkerne. Ausserdem ist hinzu- zufügen, dass die durch ihre Hornzellen oft so scharf sich mar- kirenden Hornschichten der Rindensubstanz und Marksubstanz in dem Haarkolben ganz ausgewachsener Haare sich gewöhn- lich nicht mehr unterscheiden lassen; die Substanz der Haar- röhren-Wandung hat durchweg mehr und mehr den ausschliess- lichen Charakter der Hornzellen in der Rindensubstanz. An den Haaren von Spitzmäusen lassen sich nach Th. v. Hessling (v. Sieb. u. Köllik. Zeitschr. Bd. V., p- 36 sq.) die spindelförmigen Hornzellen der Rindensubstanz bei Anwendung von heisser Schwefelsäure oder kochendem, kaustischem Natron deutlich nachweisen. Sie sind 0,0015 breit und 0,006 — 0,012’ lang. Der Kern ist bisweilen bei weissen Haaren sichtbar, sonst aber durch körniges oder dif- fuses Pigment verdeckt. Der Markkanal enthält Zellen und Luft. Letztere ist nicht in den Zellen enthalten, sondern drängt von aussen durch die Risse und Spalten der bruchigen Rinde zwischen die Zellen hinein, so dass diese ihre ursprüng- lich runde oder polygonale Form in die vieleckig abgeplattete verwandeln. Die zusammengedrückten, meist pigmentirten viereckigen Markzellen wechseln regelmässig mit den gleich- gestalteten Luftbläschen. Nach Behandlung der Haare mit kochendem kaustischem Natron schwinden die Luftbläschen, die Zellen dagegen quellen auf und lassen bei weissen Haa- ren leicht den granulirten Kern erkennen. Auch an den Hornplättehen des Oberhäutchens soll sich zuweilen bei An- wendung von Schwefelsäure ein Kern markiren. Beim Wech- 31 sel der Haare reisst zuerst im Grunde des Haarbalges das Oberhäutchen und zieht sich mit „triehterförmiger Ausstül- pung“ nach oben zurück. Dann hebt sieh die Rindensubstanz vom Haarkeime ab und gestaltet sich zu einem faserigen stumpfen Kolben, der aus länglichen, kernhaltigen, auf der Kante stehenden (?) Zellen zusammengesetzt wird, das Mark schwindet. Zur Bildung des neuen Haares schnürt sich der Balg im Grunde kugelförmig ab, und in dem abgeschnürten Theile erhebt sich ein blastemartiger Hügel, der zur weiteren Fortbildung des neuen Haares dient. Linse und Glaskörper. Neuere Untersuchungen machen es wahrscheinlich, dass die eigenthümliche Substanz der Linse und des Glaskörpers respektive den Epithelial- und Bindesubstanz-Gebilden anzu- reihen seien. Der Entstehung nach sind Linse und Glaskör- per als accessorische Gebilde der Haut, also der Epidermis mit dem darunter liegenden Substrat, und nicht der Epider- mis allein zu betrachten. So lange indess die histogenetischen Verhältnisse die Beziehungen zu den verwandten Geweben noch nicht hinlänglich klar übersehen lassen, mögen sie im vor- liegenden Berichte noch eine gesonderte Stelle einnehmen. Leydig beschreibt eine sehr auffallende Erscheinung an der Linse des Landsalamanders, die in Chromsäure gelegen hatte. Die Substanz besteht nämlich zunächst, wie gewöhn- lich, in der Rinde aus breiteren, glattrandigen, nach dem Kern zu aus schmaleren, sägezähnigen Fasern. Zwischen den ein- zelnen Faserschichten jedoch finden sich ‘durch die ganze Rindenschicht schöne Zellen von ovaler Gestalt mit Kern und Kernkörperchen. Sie liegen in Längsreihen, welche je einer Linsenfaser entsprechen und die Grenzen derselben so genau einhalten, dass sie zugleich mit diesen in den äussersten La- en breiter, mehr nach dem Kern zn dagegen schmäler sind. ie Zellen einer Reihe haben ferner das Bigenthümliche, dass sie sich regelmässig dachziegelartig decken (Anat.-hist. Unters. über Fische ete. S. 98). Virchow hat seine Beobachtungen über den Glaskör- ES weiter ausgedehnt und sowohl bei thierischen als mensch- ichen Fötusaugen konstant bestätigt gefunden, dass die Sub- stanz des Glaskörpers zu einer gewissen Zeit knorpelähnlich aus einer homogenen, stellweise leicht streifigen Grundsubstanz mit eingestreuten, kernhaltigen, stark granulirten Zellen be- stehe. Nur ein einziges Mal hatten diese Zellen eine stern- förmige Gestalt (Virchow’s Archiv. Bd. V., p. 278). — Nach v. Wittich (a. a. O. p. 587) bietet der menschliche Glas- körper noch im 7. Monat des fötalen Lebens einen deutlich fibrillären (soll wohl heissen „streifigen*) Bau dar, und dieses Ansehen werde durch die, in regelmässigen Abstäuden gela- 32 gerten, spindelförmigen Zellen bewirkt. Diese Zellen sollen jedoch nicht, wie es Virchow meint, in späteren Lebens- zeiten schwinden, sondern nach Behandlung der Glaskörper mit Kali carbonicum und auf späteren Zusatz von verdünn- ter Essigsäure mehr oder minder deutlich hervortreten. Noch leichter ‘gelingt dieses an Schnittchen von Glaskörpersubstanz, die einige Zeit in chromsaurem Kali erhärtet ist. Von dem Gewebe der Campanula Halleri bei Batra- chiern und Fischen bemerkt Stannius, dass es in der Aus- bildung begriffene Linsenfasern darstelle (Beob. über Verjün- gungsvorg. p. 14). Fettzelle. Auf ein sehr merkwürdiges Verhalten der Fettzellen im Fettkörper des Coccus hesperidum (Sieb. u. Köll. Zeitsch. Bd. V., p 3) macht Leydig aufmerksam. Wird eine Fett- zelle, die neben den Fetttropfen noch Membran und Kern übersehen lassen, mit Essigsäure behandelt, so ändert sich der Inhalt derartig um, dass das flüssige Fett in Form klei- ner Kügelchen austritt, der zurückbleibende Theil aber in Form kleiner Nadeln (Margarinkrystalle?) anschiesst. Die sternförmige Pigmentzelle. Das körnige Pigment kann bekanntlich in dem Inhalte der verschiedenartigsten histologischen Formelemente auftreten und andererseits in verwandten und selbst identischen Gebilden bald fehlen, bald vorhanden sein; es ist wohl heut zu Tage kein Zweifel darüber, dass im Allgemeinen nach An- und Abwesenheit des körnigen Pigments weder über die Identität, noch über die Verwandtschaft histologischer Formelemente- entschieden werden darf. Das einzige histologische Form- element, für welches nach den bisherigen Erfahrungen der körnige Pigmentinhalt ein charakteristisches Kennzeichen ab- gab, ist die sogenannte sternförmige Pigment- oder die Chro- matophorenzelle. Nachdem man indess die Beobachtung ge- macht hat, dass die Bindesubstanz-Körperchen sehr häufig in Sternform auftreten und dann auch zuweilen Pigmentkörnchen führen können, muss man darauf gefasst sein, dass wo nicht alle, so doch ein grosser Theil der sternförmigen Pigment- zellen nicht allein das körnige Pigment als charakteristisches Kennzeichen verlieren, sondern auch ihre Natur als selbst- ständige histologische Formelemente einbüssen. Vorläufig mögen diese Bedenken noch keinen Einfluss auf vorliegenden Bericht ausüben. E. Brücke beobachtete (Unters. über d. Farbenwechsel des Chamäl.; Denkschr. d. K. Akad. d. Wissensch. zu Wien, Ba.IV. p. 19 sq.), dass die lebhaften Interferenzfarben des Cha- 39 leons durch - platte, polyedrische Epidermiszellen erzeugt werden, die in der Nähe des Malpighischen Netzes gelagert sind und wahrscheinlich atmosphärische Luft enthalten. Aus- serdem finden sich in der Haut des Chamäleon auch Pigment- farben und diese liegen als körniges Pigment in sternförmigen Zellen des Corium. Die lichtere, gelbliche Schicht hält sich mit dem Körper der Zellen an der Oberfläche und schickt Fortsätze in die Tiefe; die dunklere Schicht besteht aus ver- zweigten Zellen, deren Körper in der Hauptmasse des weis- sen Pigments gelagert ist, deren verzweigte Fortsätze aber gegen die Oberfläche gerichtet sind. Wie bei den sternför- migen Pigmentzellen des Frosches sind die Pigmentkörnchen beweglich und werden im lebenden Thiere aus den Fortsätzen entfernt. Von den Chromatophorenzellen der Sepien unter- scheiden sie sich dadurch, dass bei Farbenveränderungen der Cephalopoden die Gestalt der Zelle auch immer die Gestalt des in ihr enthaltenen Pigments darstellt, während beim Cha- mäleon bedeutende Partien der verzweigten Zelle ganz von Pigment entleert werden; durch Anwendung elektrischer Ströme als Hautreiz wird die Haut beim Chamäleon hellfar- big, beim Octopus dunkelfarbig, indem beim ersteren das dunkle Pigment hinter dem gelben sich versteckt. — Beim Laubfrosch finden sich in der Cutis polygonale und auch viel- fach verästelte Zellen, die von gewöhnlichen sternförmigen Pigmentzellen sich dadurch auszeichnen, dass der feinkörnige, wahrscheinlich krystallinische Inhalt die prachtvollen, grünen und gelblichen Interferenzfarben erzeugt. Während E. Brücke die von Harless an Tintenfischen beobachteten Muskeln, durch welche die Chromatophorenzellen ausgedehnt werden sollen, an Octopus vulgaris nicht wiederfinden konnte, hat Leydig an verschiedenen Arten lebender Tintenfische sich von der Anwesenheit dieser Muskeln auf das Bestimmteste überzeugt. Die Zellen werden durch sie ausgezogen, wäh- rend die Kontraktion beim Nachlass der Muskelwirkung durch die Elastieität der Zellenmembran erfolgt CAHRL. tal, Umtern, über Fische etc. p. 108). — Von Virchow haben wir die Mittheilung erhalten, dass L. Meyer gleichfalls die Gestalt- veränderungen der Pigmentzellen des Frosches, sowie den OÖrtswechsel des Pigments in denselben verfolgt habe (Archiv für pathol. Anat. Bd. VI. p. 267). Gebilde der Bindesubstanz. Für die Ansicht des Referenten in Betreff der Gewebe der Bindesubstanz haben sich neuerdingsauch Gerlach in der zwei- ten Auflage seines Handbuchs der Gewebelehre undLeydig aus- gesprochen. Leydig rechnet (An.-hist. Unters. üb. Fische etc. p.112) zu den Geweben der Bindesubstanz ausser den verschie- denen Formen desgewöhnlichen Bindegewebes, ausser der Knor- pelsubstanz und der Knochensubstanz mit dem Ref. auch das Müller’ Archiv. 18b4. Jahresbericht Ö 34 Sarcolemma der Muskeln und die Tunicapropr.der Drüsen. Der Verf. ist sogar geneigt, die Blut- und Lymphgefässkapillaren für Bindesubstanzgebilde zu halten. Nur in einem Punkte steht Ref. noch allein da, nämlich hinsichtlich der Bedeutung und Auffassung der sog. Spiralfasern und des elastischen Gewe- bes. Fast alle Beobachter, ausser Henle, lassen beide Ge- bilde aus Bindesubstanzkörperehen hervorgehen; wandeln sich Bindegewebskörper zu soliden Fasernetzen um, so sagt Ley- dig, dann sind damit die elastischen Fasern gegeben. Je mehr sich Ref. mit diesem Gegenstande beschäftigt, um so überzeugender wird es ihm, dass die sog. Spiralfaser und das elastische Gewebe mit den elastischen Platten und gefen- sterten Membranen zu den intregrirenden Bestandtheilen der Bindesubstanzgebilde gehören, ihrer Genesis nach aber eine ganz verschiedene Bedeutung haben. Die Spiralfasern sind die Bindesubstanzkörperchen des Sehnengewebes; das elasti- sche Gewebe dagegen ist verdichtete Grundsubstanz, die un- ter schr verschiedener Form und in verschiedenen Binde- substanzgebilden auftreten kann. Für diese Entstehung des elastischen Gewebes sprechen die übereinstimmenden Beob- achtungen der Entwicklung des Lig, nuchae von Henle und dem Ref., wovon in früheren Jahresberichten die Rede war. Die Untersuchung des sich entwickelnden elastischen Gewe- bes im Lig. nuch. bietet jedoch grosse Hindernisse, indem mit dem plötzlichen Erscheinen des ersten feinen elastischen Fa- sernetzes, das Verhalten der ursprünglichen Bindesubstanz- körperchen nicht hinlänglich klar verfolgt werden kann. Be- sonders günstig für diese Untersuchungen sind aber die Netzknorpel, namentlich die Ohrknorpel verschiedener Thiere, z.B. des Rehes, Meerschweinchens, Hasen etc. Im jüngeren Fötus besteht der Ohrknorpel aus einer hyalinen Knorpel- substanz. Das erste Auftreten des Fasernetzes markirt sich durch netzförmige Züge von körnigem, granulirtem Aussehen, die noch ohne scharfe Begrenzung in der Grundsubstanz zwischen den deutlich sichtbaren, in keiner Weise dabei be- theiligten Knorpelkörperchen hinziehen. Es unterliegt nicht dem mindesten Zweifel, dass diese Züge an Ort und Stelle durch eine Veränderung und Verdichtung der Grundsubstanz entstanden sind, Bei manchen Thieren behalten diese netz- förmigen Züge auch nach der Geburt noch diesen embryo- nalen Charakter bei; bei anderen dagegen werden sie schär- fer konturirt, gewinnen an Breite und genau die Form und Beschaffenheit des elastischen Fasernetzes. Die Knorpel- körperchen werden mehr oder weniger durch sie verdeckt, lassen sich an feinen Schnittehen jedoch immer noch nach- weisen. Die Fasernetze des Ohrknorpels stehen bekanntlich auch in kontinuirlichem Zusammenhange mit dem elastischen Gewebe in dem angrenzenden Bindegewebe. Dass die Grund- substanz der Bindesubstanzgebilde nicht selten eine solche 35 resistente, das Licht ‘stark brechende und glänzende Beschaf- fenheit annehme, darauf hat Ref. schon vor 10 Jahren in seiner Schrift über das Bindegewebe hingewiesen; zu Gebil- den dieser Art wurden gerechnet das Sarcolemma, die Pri- mitivscheide der Nerven, die Tunica propria der Drüsen, die Grenzschiehten (basement membrane) des Bindegewebes der Häute gegen die Epithelien hin; auch die Tunica Desmoursii wurde als derartige veränderte Grenzschicht der Hornhaut- substanz betrachtet. Für diese Ansicht und Bedeutung des elastischen Gewebes spricht auch die im vorigen Jahresbe- richt erwähnte Untersuchung des Dr. Zellinsky, nach wel- cher zufolge der Ergebnisse beim Kochen verschiedener Bindesubstanzgebilde sich herausgestellt hat, dass in der Grundsubstanz zwei verschiedene Stoffe anzunehmen seien, von welcher die eine durch Kochen sich in Leim oder Chon- drin verwandelt, die andere dagegen diesen Veränderungen auch bei langandauernden Versuchen widersteht. Die Kontroverse, ob die Streifung in der Grundsubstanz des gewöhnlichen Bin de- oder Sehnengewebes von prä- formirten Fibrillen oder nur von feinen Faltenzügen herrühre,, ist wiederholt discutirt worden. Kölliker, nicht achtend alle sonstigen Beweise gegen die Existenz präfor- mirter Fibrillen, glaubt auch in der neuesten Auflage seiner Gewebelehre daran festhalten zu müssen, dass die an Quer- schnittchen getroekneter Sehnen sichtbaren Pünktchen gar nicht weiter zu bezweifelnde Beweise für die präformirten Fibrillen abgeben. Gerlach (a.a.O.p.90) stimmt darin mit dem Ref. überein, dass gegenüber den sonstigen Beweisen gegen die Existenz von präformirten Fibrillen die angeregte örscheinung für die Anwesenheit solcher Fibrillen nicht maass- ebend sch, zumal die Pünktchen sehr gut auch von den "ältehen abgeleitet werden könnten. Henle scheint dieser Ausspruch völlig unverständlich (Jahresb. p.9). Falten, meint der Verf., können nur der Oberfläche angehören, darum seien die tiefer gelegenen Streifen des Bindegewebes nicht als Aus- drücke von kleinen Fältchen anzusehen. Eine längsgefaltete Substanz müsse ferner auf Querschnittchen wellenförmige Begrenzung haben, und man werde sich vergeblich bemühen, sich eine Vorstellung von einem durch und durch gefalteten Bündel oder Häutchen zu machen. Diese Bemerkungen klin- gen sehr plausibel, sie passen aber nicht zur Sache und kön- nen darum leider die Kontroverse nicht entscheiden. Bei Beurtheilung der angeregten Frage darf nicht vergessen wer- den, dass alle Mittel (von den mechanischen vorläufig abge- sehen), welche in anderen Fällen bei wirklich vorhandenen Fasern die einzelnen Elemente leicht trennen und isolirt dar- stellen, wie Kochen der Substanz, Maceration, Anwendung der Salpetersäure ete., keine Spur einer solchen Wirkung bei der Sehnensubstanz zeigen. Um die hieraus zu ziehende Fol- c# 30 gerung ungültig zu machen, darf man nicht etwa voraussetzen, dass die angenommenen Fibrillen früher gelöset oder zerstört, als getrennt werden; denn die Substanz der Muskelfaser und Muskelfibrille ist jedenfalls leichter zerstörbar, als die der Sehne, — und die Wirkung bleibt nicht aus. Auch schrumpft die Substanz der Sehne beim längeren Kochen, bei Anwen- dung von Salpetersäure, von concentrirter Kalilösung ebenso zusammen, als die Substanz der Muskelfaser; aber hier fallen die Fasern dabei auseinander, dort zeigt sich keine Spur da- von; beim längeren Kochen treten vielmehr einzelne gelösete Lamellen zu Tage. Man muss sich ferner des vom Ref. an- gestellten Versuches mit der Essigsäure erinnern, aus welchem hervorgeht, dass ein Stückchen aufgequollene, aber in der Textur nicht veränderte Sehnensubstanz wie Gummi elasti- cum in den verschiedensten Richtungen sich ausdehnen lässt und dabei streifig wird; Erscheinungen, die mit der Annahme präformirter Fibrillen unvereinbar sind. Man hat endlich auch nicht zu vergessen, dass ein streifiges und selbst in sog. Fi- brillen spaltbares Bindegewebehäutchen durch künstliche oder natürliche Ausspannung, wie z. B. in den Vater’schen Körper- chen, zu einer glashellen, homogenen Lamelle wird, und dass dabei keine Spur von etwa auseinanderweichenden Fibrillen hervortritt. Da nun auch die Genesis bereits gegen die Ent- wicklung der angenommenen Bindegewebsfibrille aus einer Zelle sich ausgesprochen hat, so bleibt für die Ansicht prä- formirter Fibrillen in der Sehnensubstanz allein die Thatsache übrig, dass das Bindegewebe der Streifung entsprechend sich mechanisch bald leicht, bald schwieriger, häufig gar nieht, in Stränge und Fäserchen zertheilen lässt, wobei man sich übri- gens öfters mit Hilfe des Mikroskops überzeugen kann, dass eine ausgespannte, feine Lamelle beim Nachlass der Span- nung in einen einzigen feinen Faden oder in ein paar Fibril- len zusammenschnürt oder faltet. Bei einer solchen Vorlage ist es die Aufgabe des unbefangenen Beobachters, die an Querschnittchen getrockneter Sehnensubstanz sichtbaren, den Längsstreifen entsprechenden Pünktchen nach dem Ueberge- wicht der sonst vorliegenden Thatsachen zu beurtheilen und zu deuten, — und dieses ist in der That nicht so unmöglich, wie es Henle und Kölliker den Lesern vorhalten. Es ist dann zunächst ganz gut verständlich, dass die Pünktchen in der ganzen Dicke der Sehne und ihrer einzelnen Stränge auf- treten. Man muss aber den Lesern nicht vorhalten, dass die einzelnen Stränge der Sehnen homogene, kompakte Massen seien, welche nur an der Oberfläche Falten haben können, sondern man muss sich die richtige Vorstellung machen, dass die Bindesubstanzgebilde sehr häufig einen geschichteten, la- mellösen Bau besitzen, wie dieses vom Faserknorpel der Hornhaut, von dem hyalinen Knorpel, vom Neurilem u. s. w. bekannt ist, und dass namentlich die Sehne mit ihren einzel- 37 neu Strängen und sog. Bündeln die kontinuirliche Fortsetzung der primären, sekundären etc. Muskelscheiden darstellen, deren stärkere, was auch aus der oft sichtbaren, verschieden gerichteten Streifung hervorgeht, aus mehreren Schichten be- stehen. Die Fältehen können sich, wie nun leicht begreiflich, in jeder einzelnen feinen Lamelle der Sehnensubstanz wieder- holen, und die Streifung wird durch die ganze Dicke der Sehne auftreten. Und weiter stehen die Fragen, ob bei dem erwähnten geschichteten Bau der einzelnen Sehnensträuge die dieht anmeinanderliegenden feinen Lamellen auf Querschnitt- chen dem bewaffneten Auge sich entziehen, und ob dennoch die Fältchen als kleine Punkte sichtbar sein können. Beides muss bejaht werden. In Bezug auf die erste Frage genügt es, an die Knorpelsubstanz, an die Krystalle ete. zu erinnern. Dass aber dessenunerachtet die Fältchen sichtbar bleiben, wird aus optischen Gesetzen begreiflich, wenn man sich na- turgemäss vorstellt, dass jede Lamelle ihre Fältchen für sich macht. Sind endlich die Lamellen so fein und die Fältchen so klein, dass sie sich bei der Flächenansicht und der stärksten Vergrösserung nur als dunkle Streifen markiren, so darf man von ihnen nicht verlangen, dass sie auf Querschnittchen als Kurven hervortreten; sie können sich eben nur als punkt- förmige Schatten zu erkennen geben. Bei Mittheilung seiner Beobachtungen über die Struktur der Lederhaut des Polypterus Richir (Zeitschr. für w. Zool. Bd. V., p- 41) bemerkt Leydig, dass die gezacktrandigen Lücken zwischen den sich kreuzenden Strängen (Bündeln) des gewöhnlichen Binde- oder Sehnengewebes mit dazwischen verlaufenden und selbst die Bündel umspinnenden (?R.) Kern- fasern den Bindegewebskörperehen Virchow’s, d.h. ver- zweigten Zellen entsprechen, deren Membran durch ihre chemischen Eigenschaften an das elastische Gewebe erinnert. Indem die Bindegewebskörper eine homogene, geschichtete Masse, nämlich die Intercellularsubstanz des Bindegewebes, mit ihren Ausläufern in bestimmter Weise durchziehen, wird dieselbe zu eylindrischen, bänderartigen Strängen, „den Binde- gewebsbündeln“ abgesetzt. Die Regelmässigkeit der letzteren sei also nur der Ausdruck der geordneten Verzweigung der Bindegewebskörper, die in der Haut des in Rede stehenden lisches mitunter schwarzbraune Pigmentkörnchen führen (vgl. auch histol.-anat. Untersuchungen der Fische u. Rept. p. 34). IHenle hat sich von Neuem in seinem Jahresberichte (p. 9) gegen die Auffassung sternförmiger und mit den Ausläufern anastomosirender Zellen im Bindegewebe des Erwachsenen ausgesprochen. Die scheinbaren Zellen seien Querschnitte spaltförmiger Lücken zwischen Bindegewebsbündeln, die scheinbaren Ausläufer seien die Konturen quer durchschnit- tener Bündel. Dass manche Bindesubstanzgebilde sternför- mige Bindesubstanzkörperchen besitzen, ist bekaunt und wird 38 von keiner Seite bezweifelt, allein darin muss Ref. Henle gleichfalls beistimmen, dass in dem reifen Bindegewebe oder in der Sehnensubstanz, in welcher Spiralfasern vorkommen, solche verzweigte Zellen fehlen, und dass jene verzweigten Figuren auf die Weise gedeutet werden müssen, wie es Henle gethan. Zugleich glaubt Ref. hinzufügen zu müssen, dass die Bildung eines isolirten Bindegewebsstranges, wie dünn der- selbe auch sein mag, aus der histologischen Entwicklung des Bindegewebes nicht zu erklären sei; dergleichen Formverhält- nisse der Bindesubstanzgebilde gehören nicht zur Textur und Histogenese, sondern, wie es ihm scheint, der Struktur und der organologischen Entwicklung an. Die faserknorplige Substanz der Hornhaut ist auf An- regung Virchow’s neuerdings von His untersucht (Verhandl. der phys.-med. Gesellsch. zu Würzburg. Bd. VI., p.92). Der Verf. hat seine Aufmerksamkeit besonders den Bindesubstanz- körperchen zugewendet, von welchen er zugleich eine sehr instruktive Abbildung giebt. Um sie isolirt zu erhalten, muss man die Hornhaut entweder nach der Methode von Virchow in roher Salzsäure maceriren oder noch besser 30—40 Stun- den in destillirtem Wasser kochen, und den flockigen Rück- stand unter das Mikroskop bringen. Will man die sternför- migen Bindesubstanzkörperchen im Zusammenhange mit der Intercellularsubstanz betrachten, so müssen die Hornhäute zuerst einige Minuten in Wasser gekocht und dann längere Zeit in rectifieirtem (farblosen) Holzessig aufbewahrt werden. Um schnell und gut zum Ziele zu gelangen, empfiehlt Ref. die Anfertigung von Flächenschnittchen getrockneter Horn- häute, die zuvor in mit Essigsäure angesäuertem Wasser we- nige Minuten gekocht worden sind; die bezeichneten Körper- chen treten dann besonders bei Behandlung des Präparats mit Jodwasser deutlich hervor. Schon an senkrechten Schnitt- chen der Hornhaut markirt sich dann nach His die stern- förmige Gestalt der Hornhautkörperchen; man überzeugt sich leicht, dass an den früher sogenannten spindelförmigen Ker- nen ein deutlicher Hof mit Ausläufern nach verschiedenen Richtungen und ein Kern selbst unterschieden werden muss. Schöner zeigt sich das Verhalten der Körperchen an Flächen- schnittchen. Die zahlreichen Ausläufer haben hier zum Theil einen kurzen Verlauf von einer Zelle zur anderen, indem sie unterwegs sich verästeln und durch seitliche Anastomosen ein äusserst diehtes Netz bilden; theils aber erstrecken sie sich als helle Fäden in grader Linie durch das ganze Ge- sichtsfeld, ein förmliches Gitterwerk darstellende. An der Uebergangsstelle der Hornhaut in die Sclerotica, desgleichen an der vorderen Grenzschicht der Hornhaut sollen die Fort- sätze der Zellen einen wellenförmigen Verlauf annehmen und die sog. Stützfasern der Elastic Jamina Bowman’s darstellen @R.). Von der Grundsubstanz bemerkt der Verf., dass sie 39 sich, wie bekannt, mit Leichtigkeit in Lamellen und von da weiter in feine Fibrillen zerspalten lasse; die Lamellen wer- den durch feine Zellnetze getrennt und umsponnen (?R.). Die Angabe von der leichten Spaltbarkeit der Lamellen in Fibril- len kann zu Verwechselungen Anlass geben. Dass sich die Grundsubstanz des Hornhaut-Faserknorpels nicht allein nicht leicht, sondern wohl gar nicht in Fibrillen spalten lässt, lehrt ein jeder Versuch sehr bald. Das Zerfallen der Lamellen in Fibrillen deutet an senkrechten Schnittehen zuweilen auf die Zusammensetzung der ersteren aus noch feineren Schich- ten hin; an Flächenschnittchen dagegen hält Ref. die darauf bezüglichen Erscheinungen für Wirkungen der Messerschneide. — Leydig beobachtete in der mit kaustischen Alkalien be- handelten Cornea des Störs eben solche länglichen, gezackt- randigen Hohlräume oder Lücken, wie sie bei den Plagio- stomen vorkommen. Sie liegen in verschiedenen sich durch- kreuzenden Schichten und scheinen mit einander in Verbin- dung zu stehen (Anat.-histol. Unters. der Fische u. Reptil. . 7 8q.). e En ehorpalsubstanz des Schädels der Störe, welche von zahlreichen Markröhren durchsetzt ist, entbält nach Ley - dig (a.a. ©. p. 2) lang ausgezogene, spindelförmige Knorpel- zellen, die mitunter an einem Ende spiralig auslaufen. Auclhı sternförmigen Knorpelzellen begegnet man, die mit ihren Ausläufern entweder für sich spitz enden oder mit einander anastomosiren. Die bezeichneten Verhältnisse sind ähnlich denen bei den Plagiostomen. Auch in dem Hyalinknorpel der Selerotica älterer Störe (p. 8) finden sich inmitten der Substanz sternförmige Knorpelzellen, deren Strahlen jedoch nicht unter einander zu anastomosiren schienen. Das Verhalten des hyalinen und elastischen Knor- pels beim mehrstündigen Kochen im Papin’schen Topfe unter etwa 3—4 Atm. Druck hat von Neuem F. Hoppe studirt (Virchow’s Arch. f. path. Anat. u. Phys. Bd. V., p. 174 s4.). Der ungelöste Rückstand zeigte wenige isolirte Kerne, theils Br erhaltene, theils zerrissene Zellen und Zellengruppen. Sinige Zellen hatten scharfe doppelte Konturen, stark licht- breehende grosse Kerne, die meisten jedoch waren schwach konturirt. Der dureh Filtration und Absetzen von der Flüs- sigkeit getrennte Rückstand wurde von Neuem gekocht, und es zeigten sich jetzt einige feine Kerne, einige unbestimmt gefaltete Fetzen von Zellenmembranen (?R.) und viele dünn- wandige gut erhaltene Zellen. Zellinsky entgegen behaup- tet der Verf., dass durch das Kochen die Grundsubstanz gänzlich gelöset, und die Zellen allein zurückgelassen werden. Auch glaubt er aus seinen Versuchen schliessen zu müssen, duss die Substanz der Zellenmembran der Knorpelkörperchen vicht, wie Müller es angiebt, durch Kochen in Leim ver- wandelt werde. Auch beim Kochen des elastischen Knorpels 40 werden die Knorpelzellen nicht gelöset, sondern der Chon- dringehalt der Flüssigkeit sei von der zwischen den elasti- schen Fasern und den Knorpelzellen noch erhaltenen, hyali- nen Grundsubstanz herzuleiten. Von Tomes und de Morgan (Öbservat. on the strueture and develop. of bone. Philos. Transaet. 1853, T.I.p. 109) werden die doppelten Konturen an den Knorpelhöhlen nach einem allerdings herrschenden aber dennoch irrthümlichen Usus als Ausdruck der mit der Grundsubstanz verschmolze- nen und verdiekten Zellenmembran der ursprünglichen Knor- pelzelle angesehen. Das eigentliche Knorpelkörperchen sei der körnig gewordene Kern der ursprünglichen Knorpelzelle. An dem Verknöcherungsrande sollen auf Kosten der Grund- substanz sich neue Membranen um die Knorpelkörperchen gebildet haben. ' Von grossem Interesse sind die Mittheilungen Leydig’s über die histologische Beschaffenheit der Chord. dorsualis des Polypterus Bichir (Sieb. u. Köll. Zeitsch. B. V., p. 55 sq.). Die eigentliche Wirbelsaite besteht hier deutlich aus wasser- hellen, klaren Zellen und einer dazwischen gelegenen, zum Theil in sehr beträchtlicher Menge vorhandenen streifigen Grundsubstanz. Gegen die Scheide hin ist diese Grundsub- stanz nur im Minimum vorhanden, und die Zellen liegen dem entsprechend dichter beisammen; gegen die Mitte rücken die letzteren mehr und mehr auseinander, und die Grundsubstanz nimmt in gleichem Grade an Masse zu; in der Mitte der Chorda selbst bildet die Grundsubstanz den centralen Strei- fen. Das mikroskopische Ansehen des letzteren ist das der lockig gestreiften Sehnensubstanz; nach der Peripherie der Chorda hin ist die Grundsubstanz bald mehr homogen, bald streifig, wie so häufig das gewöhnliche Bindegewebe. Da nun die Wirbelsaite im embryonalen Zustande aus dicht an ein- ander gedrängten Zellen besteht, so liegt zu Tage, dass die Grundsubstanz später (ihrer Genesis nach) auf Rechnung der absondernden Thätigkeit der ursprünglichen Zellen zu brin- gen ist, zumal die letzteren vollkommen erhalten bleiben. Nun ist aber die Grundsubstanz der Chorda von demselben Verhalten, wie die Bindesubstanzgebilde, und so lässt sich hieraus ein Rückschluss auf die Entstehung der bald homo- genen, bald einfach oder lockrig-wellig gestreiften Bindesub- stanzgebilde machen; d.h. auch hier werde man zu der, frei- lich auch auf andere Weise gesicherten Ansicht gedrängt, dass diese Gewebe verschiedenartig veränderte Intercellularsubstanz der Hauptmasse nach darstellen. Zu den Gebilden der Bindesubstanz rechnet Leydig auch die atlasartig glänzende Haut der Schwimmblasen bei den Fischen, wie z. B. des Störs (Unters. über Rept. u. Fische, p-29). Sie ist sehr weich und blättert sich leicht in kleine, spindelförmige oder nadelähnliche Massen ab; schon bei An- 41 feuchtung mit Wasser: fällt sie leicht in dergleichen kleine Trümmer auseinander. Unter dem Mikroskop zeigt sie sich aus hellen, scharf konturirten und zugleich starren faserarti- gen Theilchen zusammengesetzt, die theils spitz auslaufen, theils an die Gestalt von Hobelspänen oder spitz umgerollten Papierstreifen erinnern. Zwei Eigenschaften sind es beson- ders, durch welche der Verf. sich bestimmen lässt, dieses Gewebe für ein Bindesubstanzgebilde zu halten: die Verwand- lung desselben in Leim beim Kochen und das Verhalten gegen Essigsäure. Durch letzteres wird das Gewebe blass, quillt auf und lässt längsverlaufende Kernfaserbildungen erkennen. Ueber den Verknöcherungsprozess und die rhachi- tische Störung desselben hat Virchow Untersuchungen an- gestellt (Archiv f. phys. Anat. u. Path. Bd. V., p.409 sq.). Die Resultate nähern sich in vielen Beziehungen denjenigen, die Ref. aus der Brandt’schen Arbeit mitgetheilt hat, welche unter seiner Leitung unternommen wurde. Virchow unter- scheidet zunächst in dem hyalinen Knorpel: die Grundsub- stanz, die Knorpelzellen und die Höhlungen der Grundsub- stanz, in welchen die Zellen liegen, mit der entsprechenden Kapsel. Diese Kapsel ist dasjenige, welches man häufig die verdickte und mit der Grundsubstanz verschmolzene Zellen- membran der Knorpelkörperchen nennt. Der Verf. neigt sich jedoch zu der Ansicht, dass die Kapsel nur eine veränderte Grenzschicht der Grundsubstanz gegen die Höhle hin dar- stelle. Dagegen glaubt Virchow diese Kapsel in allen Fäl- len als etwas Positives von der übrigen Grundsubstanz gegen- über dem Ref. auffässen zu müssen, der sie für eine optische Täuschung erklärt hat. Die Ansichten des Verf. und des Ref. differiren wobl weniger, als es scheint. Dass in dem gesun- den hyalinen Knorpel öfters doppelte Konturen an den Knor- »elhöhlen vorkommen, die nicht von einer gesonderten, dicken apsel, sondern von verschiedenen, theils wirklichen, theils scheinbaren Durchschnitten der Knorpelhöhlenwand herrühren, davon kann man sich auf die von dem Ref. früher angegebene Methode genau überzeugen. In kranken, alternden und ossi- fieirenden Knorpeln dagegen kann die Grundsubstanz in näch- ster Umgebung der Knorpelhöhlen eine andere Beschaffenheit haben, als in den übrigen Theilen, und dann lässt sich von einer Knorpelkapsel an den Höhlen sprechen, die sogar durch mechanische oder chemische Mittel sich isoliren lassen könnte; dieses Verhalten kann jedenfalls nicht als Regel angesehen werden. Nach Untersuchungen an einem 5 Wochen alten rhachitischen Kinde beschreibt Virchow die Markraum- bildung im hyalinen Knorpel folgendermaassen. In gleicher Linie mit dem Össifikationsrande werden die Knorpelzellen gl granulirt, und an einigen trat dann eine deutliche ermehrung von 2, 3, 4 und mehr rundlichen, wenig körnigen Kernen hervor. Die sog. Kapsel der Kuorpelhöhlen und die 42 übrige Grundsubstanz verliert ihr glänzendes, homogenes Aus- sehen und wird matt trübe, gelblich und undeutlich streifig; durch Essigsäure lässt sich diese Substanz nicht mehr auf- hellen. Solche Markräume sind eben so gross, als die Mark- räume der daneben befindlichen spongiösen Knochensubstanz; auch das Knorpelmark ist nicht wesentlich vom Knochenmark unterschieden, welches eben nur durch Erweichung schon os- sifieirter Grundsubstanz und Veränderung der Knorpelzellen gebildet wird. Darin also stimmen die Ergebnisse des Verf. mit denen Brandt’s und des Ref. (vgl. Jahresb. vom Jahre 1852) überein, dass bei Bildung des Knochen- und auch Knor- pelmarks die Knorpelzellen wesentlich betheiligt sind; allein Virchow lässt auch einen Theil der noch knorpligen oder schon ossifieirten Grundsubstanz darin aufgehen, was wir nirgend beobachten konnten. Zur spongiösen Knochensub- stanz gehört wesentlich die Verkalkung der die Knorpelhöhlen zunächst begrenzenden Grundsubstanz, die sich anfangs als eine feine, knochenkörperchenlose Knochenlamelle in der Be- grenzung der Markräume darstellt. Um die Markräume oder zwischen denselben bildet sich die kompakte, mit Knochen- körperchen versehene Knochensubstanz auf die Weise, dass die Kapseln um die Knorpelzellen unter Verkleinerung der Höhle dicker werden, eine gekernte oder gezalhnte innere Umgrenzung annehmen, ossifieiren, ferner untereinander und mit der ossifieirenden übrigen Grundsubstanz verschmelzen, während die Knorpelzellen sternförmig auswachsen. Zuwei- len geschieht es, dass die Knorpelzellen schon sternförmig umgebildet werden, bevor die Grundsubstanz (Kapseln der Knorpelhöblen und die übrige Intercellularsubstanz) ossifieirt; sie zeigt nur ein gewisses streifiges Aussehen. Die Verknö- cherung des häutigen Knorpel, welchen Namen übrigens Vir- ehow nicht acceptiren möchte, geht nach Untersuchungen an der Beinhautverknöcherung wesentlich in derselben Weise vor sich, wie die des hyalinen Knorpels; die Haversischen Kanäle vertreten die Stelle der Markräume in der spongiösen Knochensubstanz. Bei dem Wachsthum der Röhrenknochen vom Periost aus wird die nur zu verknöchernde Schicht nicht aus ergossenem Blastem gebildet, sondern durch Wucherung der an den fertigen Knochen zunächst angrenzenden Schicht der Beinhaut. Der Verf. stimmt darin dem Referenten bei, dass die Theorie über den Primordialschädel ihre Aufnahme hauptsächlich der bisher üblichen, schroffen Scheidung der verschiedenen Bindesubstanzgebilde verdanke. Zugleich spricht der Verf. seine Ansicht dahin aus, dass die Verknöcherung nieht blos im hyalinen Knorpel, sondern auch in anderen Bindesubstanzgebilden auftreten könne, Ueber die Struktur und Entwicklung der Knochen haben ferner J. Tomes und C. de Morgan Beobachtungen mitge- theilt (Phil. Transaet. 1855, Bd. I., p. 109 sq.). Von den Ha- 43 vers’schen Kanälchen unterscheiden die Verf sog. Ha- vers’sche Räume (Haversian spaces). Sie haben eine unregelmässige Form und Begrenzung, wie die Oberfläche eines exfolürten Knochens. Ihre Grösse korrespondirt einem oder mehreren Havers’schen Kanälchen mit ihren koncentri- schen Lamellen. Sie finden sich besonders zahlreich und von ausgezeichneter Grösse im neugebildeten Knochen (Markraum? Ref.) und scheinen hier durch Resorption entstanden zu sein. Später nehmen sie an Grösse und Zahl ab, weil sie sich mit Havers’schen Systemen ausfüllen. Die Havers’schen Kanäl- chen sollen bisweilen durch die Entwicklung eines Knochen- körperchens in ihrem Centrum gänzlich gefüllt werden (!). Die zwischen den koncentrischen Schichten der Havers’schen Systeme eingeschobenen, interstitiellen Lamellen werden für Residuen resorbirter Havers’scher Systeme gehalten. Wenn die Schichtung der kompakten Knochensubstanz ihre höchste Ausbildung erreicht hat, so lassen sich nach den Verff. an jeder Lamina zwei Theile unterscheiden: ein äusserer, kör- niger, der oft aus einer einzigen Reihe grosser Körner oder Zellen (!R.) zusammengesetzt sei, und ein innerer, klarer und wahrscheinlich strukturloser. Bei Lamellensystemen der Havers’schen Kanälchen, welehe, wie die Verff, annehmen, die sog. Havers’schen Räume ausfüllen, zeigt die äusserste Lamelle gewöhnlich die diesen Räumen entsprechende, un- regelmässige lineare Begrenzung. Die koncentrischen Lamel- len an der Oberfläche des Knochens werden vor vollendetem Wachsthum vermisst; sie sollen nur selten vollständig sein. An den Knochenhöhlen (Corpuse, radiat.) und deren Strahlen haben die Verff. an recht günstigen Schnittchen besondere Wandungen, wie an den Zahnröhrehen wahrnehmen können. Dass die Lacunae of bone auch später noch von isolirbaren sternförmigen Zellen eingenommen werden, scheint den Verff. unbekannt zu sein; doch beobachteten sie häufig Kerne darin, selbst bei fossilen Knochen von Prferodactylus. In Bezug auf die Gelenkknorpel bemerken die Verff., dass die darunter gelegene ossifieirte Schieht überall vorzufinden sei, selbst an em Gelenkknorpel des Unterkiefers, wo sie von Kölliker nicht beobachtet worden ist; Havers’sche Kanälchen fehlen bekanntlich in derselben. Ausser den Corpuse. rad. fanden die Verff. zuweilen eine andere Art von Röhrchen, die ein- zeln oder in Gruppen meist schief die Knochensubstanz durchziehen; es sollen modifieirte Knochenhöhlen sein, schei- nen jedoch, nach der Zeichnung zu urtheilen, entweder von künstlichen Spalten oder von Riffen der Knochenschnittehen herzurühren. — Durch Maceration der leicht brüchigen Kno- ehensubstanz alter Leute erhält man nach den Verf. kleine rundliche oder ovale Körner, die als Zellen gedeutet werden; aus ihnen soll das ossifieirte Blastem bestehen (!R.). — An- langend den Verknöcherungsprozess, s0 lassen Tomes 44 d de Morgan die im hyalinen Knorpel der an ode voraufgehende reihenweise Anordnung der Knorpelkörperchen durch eine fortgesetzte Vermehrung der Knorpelzellen durch Theilung entstehen. Ihre Knorpelkörperchen, die sie granu- lirte Zellen nennen, sind anfangs die zurückgebliebenen Kerne der ursprünglichen Kuorpelkörperchen, deren Zellmembran mit der Grundsubstanz verschmolzen ist. Indem sich diese noch hüllenlosen Knorpelkörperehen nach dem Verknöche- rungsrande hin mehr und mehr vergrössern, erhalten sie auf Kosten der Grundsubstanz dicke, pellucide Zellmembranen. Nach den beigefügten Abbildungen scheint es fast, als habe der bei Einschrumpfung der Knorpelzelle entstehende Zwi- schenraum zwischen letzterer und der Wand der Knorpelhöhle die Auffassung einer nun sich bildenden dieken Zellmembran gegeben. Bei Ablagerung der erdigen Theile in die Grund- substanz wird diese zuweilen scheinbar faserig und bräunlich gefärbt, und es entstehen zugleich Knochenhöhlen (osseous erypis), welche die Knorpelkörperchen, ee lacunal cells ge- nannt, aufnehmen. Zuweilen geschieht es, dass die Knorpel- körperchen mit ihren dieken Wandungen aus den benki ches Höhlen herausfallen und dann überzeugt man sich, dass die Wandung ein granulirtes Aussehen hat, und dass der ur- spr ünglich & granulirten Zelle (Kern) die regelmässige Begren- zung fehlt. Hier haben die Verff. offenbar jene Körper vor sich gehabt, welche von andern Beobaehtern die Knochen- zellen, von Brandt und dem Ref. die Glomeruli ossei ge-. nannt worden sind. Je mehr darauf die ursprüngliche, gra- nulirte Zelle unregelmässige Konturen annimmt und strahlen- förmig wird, um so deutlicher soll man sich überzeugen, dass dieselbe mit ihrer Wandung, der später entstandenen Zell- membran, untrennbar sich vereinige, worauf denn auch später die vollkommene Verschmelzung der verknöcherten Lacunal cells mit der Grundsubstanz erfolge. Auf solche Weise wer- den die ursprünglichen sog. granulirten Zellen zu Knochen- höhlen (Laeunae) mit den Canalieuli, die in benachbarten Knochenkörperehen mit einander kommuniciren, doch selten in die eigentliche interstitielle Grundsubstanz übertreten. Um diese Zeit beginnt auch, bereits die Resorption der Knochen- substanz von Seiten der neugebildeten Markzellen, wodurch die Entstehung der Markräume und der Havers’schen Kanäle herbeigeführt wird. Die Verknöcherung des sogenannten häu- tigen Knorpels der platten Schädelknochen, der Rindenschicht in den Röhrenknochen ete. bietet keine wesentlichen Unter- schiede dar. Das zu verknöchernde Gewebe soll nach den Verf. aus ziemlich dicht an einander grenzenden Zellen (osteal cells) zusammengesetzt sein, die den körnigen Zellen des byalinen Knorpels gleichen und bei der Verknöcherung theilweise auch eine ähnliche Met tamorphose erleiden. Die Bildung dieses Gewebes erfolgt übrigens vor der Verknöche- 45 rung in den Maschen des ursprünglich vorhandenen fibrösen Gewebes , welches nach und nach dadurch verdrängt wer- den soll. Gerlach weiset in seinem Handbuche der Gewebelehre darauf hin, dass bei der Bildung der Rindensubstanz der Röhrenknochen sich einzelne, noch unverknöcherte Fortsätze des häutigen Knorpels, was auch Brandt beobachtete, in den fertigen Knochen hinein erstrecken, und dass diese in nähere Beziehung zur Bildung der Markkanälchen ständen. Der Verf. lässt aber die Höhle der Havers’schen Röhrchen durch Verflüssigung des Faserknorpels sich hervorbilden. Nach Leydig befinden sich in den Knochenkörperchen der Schuppen des Polypterus Bichir deutliche Kerne von 0,002 — 0,004” im Durchm. Die Strahlen der Corp. radiat. kommunieiren vielfach mit den Havers’schen Kanälchen, und von jeder Schuppe lassen sich Präparate gewinnen, aus wel- chen hervorgehe, dass mehrere zu grösseren Hohlräumen zusammenfliessende Knochenkörperchen sich weiterhin zu Ha- vers’schen Kanälchen fortbilden können. Der Verknöcherungs- prozess des hyalinen Knorpels zu spongiöser Knochen- substanz soll in den Hautknochen dieser Thiere etwas anders vor sich gehen, als bei höheren Thieren. Die dem Ossifikationsrande zunächst gelegenen Knorpelzellen zeichnen sich durch scharfe Konturen aus. Darauf sehe man zahl- reiche Knorpelzellen, in welche Kalksalze zuerst molekulär, später in Klümpchen abgesetzt sind; auch die Grundsubstanz trübt sich gleichzeitig durch Aufnahme erdiger Bestandtheile. Die verkalkten Knorpelzellen gleichen den einfachen oder maulbeerförmigen Massen des Acervulus cerebri, erscheinen auch ähnlich concentrisch gestreift. Nach Entfernung der Kalksalze schwinden die dunkeln Konturen und das gestreifte Aussehen; in den jüngst verkalkten Knorpelzellen lässt sich zuweilen noch das Knorpelkörperchen erkennen; in den maul- beerförmigen Haufen dagegen sind dieselben verschwunden. Eine solche Gruppe verkalkter Knorpelzellen stellt sich nun vielmehr als eine Höhle mit ausgebuchteten Rändern dar, indem der Theil ihrer Wand, mit welchem sie einander zuge- kehrt sind, verloren gegangen ist. Diese Höhlen füllen sich später mit Mark und verwandeln sich dergestalt in Mark- räume. Den Referenten erinnert die Schilderung von der spongiösen Knochensubstanz bei Polypterus lebhaft an das, was ihm von höheren Wirbelthieren, namentlich auch von der Verknöcherung des Schildknorpels bekannt ist; die ver- kalkten Knorpelzellen sind die vereinzelten oder in Gruppen angeordeten primitiven Knochenkapseln, durch deren Vereini- gung, Verschmelzung und Umwandlung ihrer Knorpelkörper- chen in Mark die primären, aggregirten und sekundären Mark- räume entstehen. Ganz eigenthümlich dagegen wäre es, wenn die Corpusceula radiata des Polypter, sich in Havers- 46 sche Kanälchen verwandelten, da diese bei höheren Thie- ren nachweislich auf wesentlich dieselbe Weise sich bilden, wie die Markräume spongiöser Knochensubstanz. Nun aber ist das Verhalten der Knorpelkörperchen, wie sich Ref. bei den Untersuchungen Brandt’s überzeugte, wesentlich ver- schieden bei Entstehung von Markräumen und kompakter Knochensubstanz mit Corpuse. radiata: im ersteren Falle wird das Knorpelkörperchen zur Bildung des Markes verwendet, während die aus der Wandung der Knorpelhöhle (also aus Grundsubstanz) durch Ossifikation hervorgegangene primäre Knochenkapsel die erste feine knöcherne Lamelle der Mark- raumwand darstellt; im letzteren Falle dagegen verwandelt sich das Knorpelkörperehen in das sternförmige Knochen- körperchen der sog. Knochenhöhlen. Durch die vielfache Kommunikation der Corpusc. radiata mit den Havers’schen Kanälchen wird die bezeichnete genetische Differenz nicht erschüttert; denn diese bezieht sich auf den Inhalt der Höh- len, während die Kommunikation sich nur auf die Höhlun- gen selbst erstreckt, welche allerdings gleichartigen Ursprungs sind und auch in Betreff der Havers’schen Kanälchen als Hohlräume der Grundsubstanz angesehen werden müssen (Zeitsch. f. w. Zoolog. Bd. V., p. 46). — In Betreff der kom- pakten Knochensubstanz nackter Amphibien (Frosch, Landsalamander, Proteus) bestätigt Leydig die schon von Gerlach hervorgehobene Thatsache, dass die Havers’schen Kanälchen fast gänzlich fehlen. Die Knochenkörperehen des Landsalamanders und Proteus zeichnen sich durch ihre Grösse aus; in den Schädelknochen des letzteren messen sie 0,024", Auch die verästelten Strahlen sind bei ihrem Ursprunge sehr breit, bis 0,0016”. Desgleichen lassen sich die 0,0008°* gros- sen Poren der Canaliculi leicht an der Oberfläche eines fri- schen Schädelknochens auffinden. In den meisten Knochen- körperchen sind auch die Kerne sichtbar (Anat.-hist. Unters. über Rept. u. Fische, p. 106). Auf Anregung des Prof. H. Meyer in Zürich hat U. Hilty die Entstehung und Bedeutung des inneren, durch die Mark- haut gebildeten Callus untersucht und dabei folgende Re- sultate über den Verknöcherungsprozess gewonnen (Zeitsch. f. rat. Mediein, 1553, p. 194 sq.). Die Bindesubstanz des Markes nimmt an Quantität und Festigkeit zu; in der Exsudatmasse zeigen sich dann hie und da kleine, meist ziem- lich dunkle oder wohl auch helle Bläschen, um die herum ein lichter, gegen die Grundsubstanz sich dunkel abgrenzen- der Hof sichtbar wird, so dass das Ganze leicht als Knorpel- zelle mit dem Kern sich erkennen liess. Diese Knörpelzellen vermehren sich unter dem Hinschwinden der anfänglich vor- handenen Fetttröpfchen, Blutkörperchen ete., und schienen zuweilen ziemlich regelmässig linear, der Knochenaxe parallel, 47 in andern Fällen aber auch in unregelmässigen Haufen ge- ordnet zu sein. Bald bemerkt man nun, und zwar immer erst an der Basis des Exsudatkegels, dass der allmälig dicker werdende Rand (?) der Knorpelzelle eine dunklere Färbung durch Absatz von Kalkkrümel erhält. Die Kalkkrümel neh- men dann mehr und mehr von der Wandung der Zelle nach dem Kern hin an Zahl zu und verengen so das Lumen der Zelle. Diese Verengerung erfolgt aber nieht gleichmässig, sondern vielmehr so, dass der innere Rand gekerbt erscheint. Zugleich sieht man von den Einkerbungen hellere, ge- schlängelte Gänge, die canalieuli radiati gegen die Zell- wandung hin sich erstrecken. Fast gleichzeitig mit der Ab- lagerung von Kalkkrümel in der Zelle verknöchert auch die Intercellularsubstanz, und zwar sollen hier ebenfalls die Kalk- krümel zerstreut auftreten und erst durch Vermehrung und Verschmelzung die homogene Knochensubstanz bilden. F. Hoppe hat Stücke des Hautknochen des Störs mit verdünnter Salzsäure von den Salzen befreit und sie theils in Kolben auf dem Sandbade (18 Stunden), theils eingeschmol- zen in Glasröhrchen im Papin’schen Digestor gekocht und auf diese Weise die Knochenkörperchen, selbst mit den Kernen, isolirt erhalten. — In gleicher Weise hat der Verf. das Zahnbein von den Stosszähnen des Schweines behandelt und im Rückstande die vollkommen isolirten, zu Zöpfen und Stricken zusammengewickelten Zahnröhrchen vorgefunden. Ausserdem zeigten sich darin Haufen unregelmässiger, rund- licher Gebilde, die an Grösse den Kugeln gleichkommen, welche im Centrum dieser Zähne in grosser Zahl die Inter- lo äume begrenzen. Die Grundsubstanz gab Glutin irchow’s Archiv für pathologische Anat. u. Phys. Bd. V., p- 178 sq. u. 185 sq.). Zum Schluss des Berichts über die Bindesubstanzgebilde fügt Ref. noch eine Mittheilung des Dr. F. Morawitz über das Verhalten der Chitinsubstanz hinzu (Quaedam ad anat." Blattae germanicae pertinentia. Dorpati 1853). Obgleich so- wohl chemisch als morphologisch die histologische Verwandt- schaft der Gebilde der Bindesubstanz und der Chitinsubstanzen keineswegs festgestellt ist, so liegen doch anderweitige Gründe vor, die auf solche Verwandtschaft schliessen lassen. Auf Anregung des Ref. unternahfn der Verfasser die Untersuchung der Entwicklung obiger Substanz bei Blatta germanica. Lei- der liessen sich keine günstigen Resultate erzielen. Doch elang es dem Verf. bei Embryonen Zellenkerne in einer embran wahrzunehmen, welche den Darmkanal nach aus- sen hin überzieht und durch ihren kontinuirlichen Uebergang in wirkliche Chitinsubstanzen des Skeletes die gleichartige Natur mit dem letzteren an den Tag legte. Desgleichen verfolgte der Verfasser schr deutlich den kontinuirlichen 48 Uebergang der Sehnen und Scheiden der Mandibular - Mus- keln in die Chitinsubstanz der Mandibeln selbst.*) Muskelfaser. Bei Mermis bestehen nach Meissner die Muskeln aus einer grossen Zahl nebeneinander stehender Bänder, die den Primitiv-Muskelbündelchen höherer Thiere äquivalent sind. Dieselben zeigen sich sehr zart längsgestreift und durch ge- linden Druck oder Anwendung von Essigsäure lassen sie sich den Streifen entsprechend in ihren Fibrillen isoliren. Die Fibrillen haben eine Breite von Ya‘. Eine weitere Zusam- mensetzung. derselben war nicht sichtbar; eine nur scheinbare Querstreifung der Bündel rührt zuweilen von dem wellenför- migen, schon erwähnten Verlauf der Fibrillen her, der wahr- scheinlich nur Folge der Lösung des Muskels von seiner In- sertion ist. Weder ein Sarcolemma, noch überhaupt Muskel- scheiden waren zu entdecken (Zeitsch. f. wiss. Zool. Bd. V., p- 216 sq.)- Leydig hält die quergestreifte Muskelfaser, das Pri- mitivbündel, wie Ref., für eine sekundäre Bildung und nicht für ein histologisches Formelement, obgleich unsere Ansichten über die Entstehung des eigentlichen histologischen Form- elementes, der Fibrille, von einander abweichen. Dagegen bestätigt der Verf. des Referenten Beobachtung über die kon- tinuirliche Fortsetzung des Sarecolemma in die Sehne, Besonders günstig für die Untersuchung zeigten sich die klei- nen Muskeln der Flossenstrahlen bei Polypterus (a. a. O. p. 70). Aubert ist bei seinen Untersuchungen über die Struktur der Thoraxmuskeln bei den Insekten (Zeitschr. f. w. Zool. Bd. V., p. 385 sq.) auf die ältere Ansicht zurückgeführt, dass * die Fibrille der quergestreiften Muskelfaser aus der Reihe nach aneinander geordneter Körperchen bestehe, indem es ihm "einige Male gelungen ist, ein Zerfallen der Fibrillen der Quere nach zu sehen; die Körperchen sollen quadratische Form be- sitzen. Unter Umständen können diese Partikelchen auch mit ihren Seitenflächen stärker in einem Bündel an einander hängen und dann ein Zerfallen des letzteren in Scheiben ver- anlassen. Das Aussehen eines gedrillten Fadens erhalten die Fibrillen nach dem Verf. dadftirch, dass sie verzogen wer- den, indem sie mit dem einen Ende rechts, mit dem anderen links an anderen Fibrillen haften geblieben sind. Zwischen den Fibrillen der Thoraxmuskeln bei den Insekten findet sich nach Aubert regelmässig eine krümelige, körnige Masse, die aus platten, unregelmässigen, zerrissenen, mitunter auch rund- *) Um die Präparate für die Untersuchung durchsichtig zu machen, empfiehlt der Verf. nach dem Vorgange Rainey’s Glycerin. 49 lichen Körperchen verschiedener Grösse bis zu 0,0003—-0,0004” besteht. - Ausser gewöhnlichen Fibrillen finden sich bei In- sekten (Libellen) auch Muskelprimitivbänder von 0,001 bis 0,0016” Breite und 0,0001—0,0002' Dicke. Sie sind ziemlich spröde und'lassen sich nur im frischen Zustande gut beobachten; sie zeigen dann eine sehr feine Querstreifung. Bei Libellen kommen auch Muskelprimitivbänder vor(Thotax), welche mittelst becherförmiger Apparate die Flügel bewegen. Nach Gerlach sitzen die Kerne der primitiven Muskel- bündel an den Scheiden. Wird der Inhalt der primitiven Scheide mit Alkalien ausgetrieben, so könne man sie, nach Neutralisation mittelst Essigsäure, wohl an dem Sarcolemma, nieht aber an der ausgetriebenen Masse wahrnehmen (Hand- buch der Gewebl.). Die von Rayney entdeckten quergestreiften Muskelfasern in der Choroidea des Säugethierauges hat v. Wittich ver- geblich bei Wiederkäuern, Carnivoren, Kaninchen, desgleichen beim Menschen gesucht. Dagegen fand der Verf,, — und Ref. kann das bestätigen, — Rayney’s Angaben entgegen in der hinteren Hälfte der Choroidea des Vogelauges, namentlich sehr schön bei der Drossel, ganz deutliche gestreifte Muskel- fasern; sie haben ihre Ausbreitung zwischen der Membr. pigmenti und den vasa vorticosa, also in der Choriocapillar- schicht der Choroidea (Zeitschr. für wiss. Zoolog. Bd. V., p-456 sq.). — Leydig hat sich überzeugt, dass die Iris der beschuppten Ampbibien, gleich der bei den Vögeln, querge- streifte Muskelfasern besitzt. Bei Testudo graeca haben die Primitivbündel eine Breite von 0,0035. Bei Lacerta agilis sind die isolirbaren Fasern noch feiner und dürften vielleicht als quergestreifte Fibrillen angesprochen werden (Untersuch, über Fische u. Rept. p. 96). In Betreff der Textur der glatten Muskelfasern be- merkt Treitz (Prager Viertelj. p. 113), dass die Form der Kerne von den Lageverhältnissen abhangen, unter welchen sie sich bei Einwirkung von Reagentien, durch die sie zu- sammenschrumpfen, befanden. Die stäbchenförmige Gestalt werde so durch die Lage zwischen den Fasern bedingt; freie Kerne dagegen zeigen rundliche Formen. Dass die An- sicht von der stäbehenförmigen oder eylindrischen Gestalt der Kerne in normalem Zustande sich in keiner Weise genügend begründen lasse und mit dem Verhalten der Kerne unter Umständen, wo das Präparat nicht mit Essigsäure behandelt wurde, im Widerspruch stehe, hat Ref. schon öfters hervor- gehoben; gleichwohl sind ihm ganz runde Kerne bisher nicht vorgekommen. Wie leicht man sich über die Form von Ker- nen täuschen könne, wenn ein Präparat mit Essigsäure be- handelt wird, davon überzeugt man sich sehr gut durch Be- obachtung der Epidermiszellen an der Rindensubstanz der Müllers Archiv. 1864. Jahresbericht. D 50 menschlichen Haarwurzel vor und nach Behandlung mit Es- sigsäure. Als eine Mittelstufe zwischen der glatten und quer- gestreiften Muskelfaser betrachtet Leydig die Fasern im Truneus arteriosus des Salamanders, Proteus, auch in der sogenannten Carotidendrüse des Frosches. Die Faser hat hier noch die Gestalt und den Kern der eigentlichen glatten Muskelfaser, aber der Inhalt erscheint quergestreift. Eine Anzahl soleher Fasern wird durch Bindesubstanz zu grösse- ren und kleineren Bündeln vereinigt (Anat.-hist. Unters. über Fische u. Rept. p. 115). In derselben Schrift finden sich auch zahlreiche Angaben über die Ausbreitung der Muskelfaser. Der Verfasser fand die ungestreiften Muskelfasern in dem Mesenterium der Plagiostomen, des Gobius niger und mehre- rer Reptilien, desgleichen im Trommelfell des Frosches, in den Sehläuchen der Kloakendrüse des Salamanders, in der Campanula Halleri bei Orthagorisceus Mola, Umbrina cirrhosa ete. Ausgezeichnete glatte Muskelfasern, die sich selbst im frischen Zustande isolirt darstellen lassen, finden sich in der Muskel- haut des Darms beim Landsalamander und dem Pro- teus. Sie haben hier eine Länge von !/, und an dem lan- gen, deutlichen Kern lässt sich eine Membran und der körnige Inhalt unterscheiden. Im Magen des Frosches und Landsa- lamanders erstrecken sich die Muskelfasern selbst zwischen die Drüsen hinein (a.a.O. p.43). Gegen Ecker bemerkt Leydig, dass weder in der Hülle, noch in den Bälkchen der Milz bei den Amphiblien Muskelfasern vorkommen. Im Trommelfell der Frösche liegen die glatten Muskelfasern in einer '/,“' breiten Schicht am Rande und sind zur ganzen Membran radiär gelagert. — Wie beim Schlei findet sich nach Leydig auch bei Cobitis fossilis ausser der quergestreiften Muskelschicht eine Lage glatter Muskelfasern, die eine cir- euläre Richtung haben und zunächst an das Stratum muco- sum grenzen (Müll. Arch. 1853. p. 5). Kölliker beobachtete deutlich glatte Muskelfasern zwi- schen den Magensaftdrüsen einer Selbstmörderin; sie stiegen daselbst in zarten Bündeln senkrecht aufwärts. Die einzelnen Fasern isoliren sich sehr leicht, waren äusserst schmal, doch verhältnissmässig lang. Umspinnende Muskel- fasern, die nach Ecker die Drüsenenden umgeben sollen, waren nirgends vorzufinden. Am Darm derselben Leiche zeigten sich sehr evident auch die Muskelfasern der Zotten. In den breiteren Zotten des Duodenum und Jejunum bildeten sie nach dem Verf. eine fest zusammenhängende hautartige Ausbreitung etwas unter der Oberfläche mit den Kapillaren und erstreckten sich parallel von der Basis bis zur Spitze, wo sie leicht konvergirend endeten; sie standen mit der Mus- kellage der Mucosa in direkter Verbindung. An den ceylin- drischen Zotten kamen sie spärlicher vor. — Die eigenthüm- 5l lichen, spindelförmigen Zellen mit seitlich aufsitzenden Ker- nen, welche der Verf. ehedem für Muskelfasern des Milz- paremchyms des Menschen ausgegeben hatte, liessen sich erst nach 24 Stunden an der Leiche auffinden. Darum ist der Verf. auch jetzt geneigt, dieselben für Zellen des Gefässepi- thels anzusehen, wofür sie auch von anderen Beobachtern schon längere Zeit erklärt wurden (Würzburg. Verhandl. Bd.IV. .92 sq.). n Auf ie Schwierigkeiten des genauen Nachweises der Mus- kelfasern und ihrer Anordnung in dem dilatator irid. ma- chen Mayer (Anatomische Untersuchungen über das Auge der Cetaceen. Bonn 1852) und J. Lister (Observat. on the contract. tissue of the iris. Journ. of mierosc. Science No, I. p-8) aufmerksam. Mayer hat nur eirculäre Muskelfasern vorfinden können; Lister hat glatte Muskelfasern in der be- treffenden Gegend gesehen, lässt es aber ungewiss, ob sie isolirt bestehen oder den Gefässen angehören: Nur beim Pferde liessen sich radiale Bündel wahrnehmen, die unter rechten oder spitzen Winkeln mit den Zirkelfasern am freien Rande der Iris zusammentrafen und sich vereinigten. Nach Treitz (a. a.O,) sollen die glatten Muskelfasern an verschiedenen Stellen des Körpers, so namentlich in der Tunica dartos und in der Längsmuskelschicht des Mastdarms oberhalb des Sphineter ani nach dem subeutanen Bindegewebe Alan Aftergegend hin, in elastische Fasern sich verwandeln ! L. Hepp hat Messungen angestellt, aus denen hervor- echt, dass sowohl während des Wachsthums, als bei der ypertrophie die Zahl der Muskelfasern nicht zunehme, son- dern dass die Grössezunahme des Durchmessers desselben Muskels bei verschiedenen Individuen oder in verschiedenen Zeiten bei demselben Individuen nur von der verschiedenen Dicke der Fasern hergeleitet werden müsse. Der Verf. fand die Muskelfasern des M. biceps beim Neugebornen im Mittel 0,007 W.", beim Erwachsenen im Mittel 0,027 W.'”, bei einem alten Weibe 0,018 W.“ Der Umfang des Biceps beim Neu- gebornen betrug ferner 11,39 W.” (Durchmesser 3,627 W."'), der Umfang des Muskels beim erwachsenen Manne 47,83 W." Durchmesser 15,233 W.“), endlich bei der alten Frau 5,96 W.” (8,367 W.” im Durchm.). Daraus geht hervor, dass beim Neugebornen 518,3, beim Erwachsenen 564,3, beim Weibe 459,3 Fasern im Muskel vorhanden waren. Diese Zahlen stehen einander so nahe, dass obige T'hatsache gefol- gert werden musste. Schon Harting hatte sich bekanntlich gegen die Vermehrung der Muskelfasern ausgesprochen. Al- ein der letztere Forscher glaubte aus dem Verhältniss der Diekenzunahme der Fasern zu dem Durchmesser des Mus- kels schliessen zu müssen, dass die Zahl der Kasern beim Wachsthum und der Hypertrophie abnehme, dass also wahr- p* ne 174 scheinlich Verschmelzungen Statt gefunden haben. Hiegegen sprechen die Messungen Hepp’s. Denn nimmt man eine gleiche Zahl von Fasern für die genannten drei Individuen an, etwa 564,3, und berechnet aus der bekannten Grösse des Durchmessers des M.biceps die Dicke der einzelnen Muskel- fasern, so stimmt das Resultat nahezu mit den unmittelbaren Messungen überein (Die patholog. Veränderungen der Muskel- faser. Inaug. Abh. Zür. 1853. p. 23 sq.). Formelemente des Nervensystems. Wiederholte Untersuchungen haben Remak in der An- sicht bestärkt, dass der Axeneylinder der cerebrospi- nalen Primitivfasern einen Schlauch darstelle, dessen dünne, aber feste Wandung ein wie durch Fibrillen bedingtes längsstreifiges Aussehen darbiete. Beim Uebergange der Ner- venfasern in die Ganglienkörper der Spinalganglien gehen die fibrillösen Streifen des sogenannten „Axenschlauches* in die Substanz des Ganglienkörpers über, die gleichfalls fibrillöser Natur sein soll. Die anscheinend solide Beschaffenheit des Axeneylinders soll eine Wirkung der angewendeten Agentien sein. Weniger fein und weit fester verhalten sich die Axen- schläuche der sympathischen Nervenfasern, die der Verf. fortan „gangliöse* nennen will. Sie treten bei grösse- ren Säugethieren und dem Menschen am deutlichsten zu Tage, wenn man die grauen, sympathischen Nerven 24 Stunden lang in verdünnten; Alkohol (15%), oder in Lösung von Sublimat (0,2%), oder in Chromsäure (0,2%), oder doppelehromsaurem Kalı (0,6%) maceriren lässt. Bei Anwendung von Sublimat- lösung, von Salpetersäure (0,2%) oder Siedhitze werden die grauen Nerven weiss; sehr verdünnte Essigsäure (0,2°/,) trübt die frischen Axenschläuche, was suf einen Gehalt an Kasein hindeute. Die von der kernhaltigen,, leicht abstreifbaren Scheide eingeschlossenen Axenschläuche dieser Nerven er- scheinen immer varikös. Die „gangliösen“ Nervenfasern lie- gen zu 3, 10 und mehr in einer weiten gefalteten und in einer eng anliegenden Scheide eingeschlossen beisammen (die bün- delartige Anordnung der sympathischen Nervenfasern markirt sich an Querschnittchen der Nerven sehr deutlich. Ref.) und zeigen darin nicht selten beträchtliche Erweiterungen, durch die ein zellenartiges Aussehen bewirkt wird. Die Axen- schläuche verästeln sich nicht selten und enthalten an der Ramifikationsstelle häufig bipolare oder multipolare kernhal- tige, gelbliche Körper, von der Grösse eines Lymphkörper- chens und dem Habitus eines Ganglienkörpers; diese werden „gangliöse Körner“ genannt. Viele Ganglien des Sym- pathieus enthielten keine einzige grössere Ganglienkugel, son- dern nur ganglöse Körner, bald nur bipolare, bald lauter multipolare. Sehr häufig begegnet man ihnen in den Ganglien 1 2 [>] des Grenzstranges und des Plexus coeliaeus. An Ganglien mit grossen Ganglienkörpern häufen sie sich gern an den- jenigen Stellen an, wo feine gangliöse Axenschläuche abgehen. Von den grossen Ganglienkörpern der Spinalganglien sollen leichfalls von allen Punkten ihrer Oberfläche feine gangliöse een ausgehen, dann zuerst eine dicke Kapsel (?R.) um die Kugel selbst bilden und endlich entweder zu einem Bün- del für sich vereinigt oder gleichsam ‘als Scheide der etwa vorhandenen cerebrospinalen Fasern des Ganglienkörpers fort- ziehen. Beim Menschen hat dasgangliöse Nervenfasersystem die grösste Ausbildung, was die Feinheit und die Anzahl der Fasern betrifft. Bei Vögeln und Amphibien sind die gangliösen Fasern in geringerer Menge vorhanden. Dagegen haben sie wieder eine grosse Ausbreitung bei den Fischen, wie beim Hecht, nament- lich aber bei Raja clavata. In den Gangl. coeliaca des letz- teren sind die grossen multipolaren Ganglienkörper von dicken, bipolaren gangliösen Faserkapseln eingehüllt (Monatsb. der Königl. Akad. d. W. zu Berlin; 12. Mai 1553). Der Verf. bemerkt bei diesen Mittheilungen, dass alle seine früheren Angaben (Observationes ete.) nunmehr ihre volle Bestätigung erhalten hätten, und Henle hat in seinem Bericht mit Recht seine Bedenken darüber ausgesprochen, die selbst in Betreff der obigen Beobachtungen wohl nicht ganz beseitigt werden können. Die Textur der grauen Nervenfasern des Geruchs- nerven hat Kölliker grade mit Rücksicht auf die obigen Mittheilungen verfolgt (Wärzb. Verh. Bd. IV. p. 60 sq.). Die rauen oder „marklosen* Nervenfasern des Olfactorius in der iechschleimhaut des Ochsen oder Schafes haben einen Durch- messer von 0,002 und 0,01’. Die dicksten Fasern finden sich in den Stämmen, die feinsten in den feinsten Aestchen des Nerven. Die leicht isolirbaren dicken Fasern stellen eine Röhre mit fein granulirtem, kernhaltigem Inhalte dar; ein Axeneylinder fehlt vollständig. Die bald reihenweise, bald alternirend geordneten Kerne haben eine längliche Form, doch nie stabförmig. Ist der Inhalt der Faser ausgepresst, so erscheint die Scheide strukturlos; sie bildet auch Längs- falten und gewinnt dadurch das Ansehen des fibrillären Binde- ewebes. Bei Anwendung verdünnter Kalilösung wird der nhalt Hüssiger und lässt sich leichter auspressen, Alkohol, Jod, Chromsäure machen den Inhalt dunkler; die Petten- kofer’sche Gallenprobe färbt ihn roth, Salpetersäure oder Kali macht ihn gelb. Demzufolge glaubt der Verf. diese Fasern zu den embryonalen Formen der Nervenfasern zählen zu müssen, von denen sie jedoch durch die Abwesenheit von Kernen an der Scheide zu trennen wären (Ref), Kölliker verfolgte auch den Uebergang der grauen Fasern in dunkel- randige Primitivröhren nach dem Gehirn hin. An den grauen Faserelementen der Milzuerven des Ochsen konnte Kölliker 54 keinen röhrigen Bau erkennen, und möchte dieselben daher für eine Form vom Bindegewebe halten. Dasselbe sei auch von den Elementen im Grenzstrange des Ochsen und Scha- fes zu sagen, und zwar glaubt der Verf. hier sein netzför- miges Bindegewebe wiederzufinden. Wie sehr auch Ref. da- von überzeugt ist, dass manche Angaben Remak’s von einer unrichtigen Auslegung des, die sympathischen Nerven be- gleitenden Bindesubstanzgebildes herrühren, so geht Kölli- ker doch zu weit; in den Milznerven des Ochsen sah Ref. ganz deutliche graue Nervenfasern, zum Theil von der Be- schaffenheit, welche Kölliker von den Fasern in der End- ausbreitung des Olfaetorius beschrieben hat, Im Grenzstrange des Sympathieus vom erwachse- nen Landsalamander beobachtete Leydig ausser zahl- reichen, dunkelrandigen Nervenfasern andere Primitivröhren, welche als Uebergangsstufe zwischen jenen und den blassen grauen Nervenfasern anzusehen seien. Ihre Scheide besitzt lange Kerne, ihre Umrisse sind jedoch schärfer, als bei den cerebrospinalen Fasern und deuten auf eine schwache Mark- scheide hin (An.-hist. Unters. p. nr Von den Nervenfasern in der Endausbreitung des N. Olfaetorius bemerkt der Verf., dass sie bei allen von ihm untersuchten Wirbelthieren (auch bei beschuppten und nackten Amphibien, desgleiehen bei Fischen) blasse, kernhaltige, glatte Fasern darstellen, die in ihrer blass feinkörnigen Substanz noch eingestreute Fett- tröpfchen enthalten (a. a. ©. p. 7 u. p. 101). Bei Mermis lässt sich der Uebergang der Primitivfasern in die um den Kern gelagerte Substanz der Ganglienzelle auf das deutlichste ver- folgen (Meissner: Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. V. p. 231). Als Resultat der im physiologischen Institut zu Göttingen angestellten Untersuchungen über die Endigung des Nerv. acusticus beim Hecht und Karpfen, bei Tauben, Gänsen und Passerinen, desgleichen bei Hunden und Kaninchen, ergab sich, dass die Nervenfasern vor dem Eintritt in das Laby- rinth intereurrent Ganglienkörper enthalten, dass diese dann weiterhin einen Plexus formiren, in welchem die Fasern oft bogen- oder schlingenförmig verlaufen, dass endlich diese Fasern marklos werden, sich jetzt verästeln und mit einer Ganglienzelle endigen (Rud. Wagner: Neurolog. Untersuch. Götting. Nachrichten No. 6). Aus Bilharz’s Untersuchungen der Nervenäste, welche bei Malapterurus eleet. zum elektrischen Organe gehen, hat sich ergeben, dass alle Zweige und Fasern durch Ver- ästelung aus einer einzigen im Stamme enthaltenen Primitiv- faser hervorgegangen sind. Die Dicke des Stammes rührt zum grössten Theile vom Neurilem her; die letzten Zweige enden im elektrischen Organe mit abgerundeten, walzenför- migen Spitzen. Ecker und Kölliker haben bereits diese Beobachtung bestätigt. Nach Ecker besteht das Neurilem, 55 wie bekanntlich auch in anderen Fällen, aus concentrischen Lamellen, und die Nervenfaser hat 0,02” im Durchmesser (Götting. Nachricht. 1553; No. 9). An einem in Weingeist aufbewahrten, ziemlich grossen Exemplare hatte der Stamm des rechten, elektrischen Nerven '),”“ im Durehm. und zeigte auf dem Querschnitt einen innern Cylinder von e. \/“' Durehm., der wiederum im Centrum eine dunkelrandige 0,004 breite Primitivfaser enthielt (Würzb. Verh. Bd. IV. p. 102 sq.). — Referent kann nicht unterlassen hier hinzuzufügen, dass ihm Dr. Marcusen bereits im Winter 1852/53 eine briefliche Mittheilung von dem oben beschriebenen Verhalten des elek- trischen en gemacht hatte. Diese Mittheilung war dem Ref. von, grossem Interesse, aber doch nicht ganz befrem- dend. Denn die Untersuchungen über die peripherische En- digung des motorischen Nerven in einem Hautmuskel beim Frosch (Müll. Arch. 1851) hatten gelehrt, dass eine Anzahl von etwa 8—10 Fasern des Stammes in nahezu 400 termi- nale Fasern ausliefen, und dass ferner die bezeichneten S—10 Fasern des Nervenstammes bei der Insertion in den Muskel durch weitere Vereinigung nach dem Rückenmark hin (so weit die Verfolgung möglich war) auf eine Zahl von 5—6 Fasern sich verringerten, von welchen eine durch den Mus- kel hindurchlief, ohne sich an der peripherischen Verästelung daselbst zu betheiligen. Die Umstände, so wie das von dem Ref. ausdrücklich (p. 69— 71) hervorgehobene Gesetz in der peripherischen Ausbreitung der motorischen Nervenfasern, wonach recht viele, wo möglich alle Muskelfasern des Mus- kels mit jeder einzelnen Nervenfaser in Verbindung gebracht werden, um so eine Verallgemeinerung der von jeder ein- zelnen Faser ausgehenden Innervation über das ganze Gebiet des Muskels zu erzielen, — dies deutet darauf hin, dass in dem bezeichneten Hautmuskel und wahrscheinlich also auch in manchen anderen Muskeln die peripherischen Nervenfasern sämmtlich von nur einer eentralen Stammfaser abstammen. Von den bipolaren Ganglienkörpern bemerkt Remak Amtlicher Bericht der Naturf.-Vers. zu Wiesbaden, p. 182), ss sie in einer doppelten Scheide liegen, von welchen die äussere als Fortsetzung der primitiven Nervenscheiden, die innere als fortgesetzte Wandung des Axenschlauches zu be- trachten sei; zwischen beiden befinde sich zuweilen eine ölige Substanz, die Fortsetzung des Markes, welches man neuer- dings wohl nicht ganz passend mit dem Namen „Markscheide* zu benennen pflegt (Ref.). An der körnigen Substanz der Ganglienkörper von Kaja batis (24 Stunden in Chromsäure aufbewahrt) liess sich ein faseriges Gefüge in zwei Schich- ten wahrnehmen. Die innere Schicht von Fäserchen umla- gerte den Kern, die äussere ging nach beiden Polen in den Kanal des Axenschlauches über. Ein ähnliches Verhalten 56 gab sich auch an den vielstrahligen Ganglienkörpern des Rücken markes der Säugethiere zu erkennen. An den Ganglienkörpern von Mermis unterschied Meiss- ner eine zarte Zellmembran, die sich durch Wassereinsau- gung abhebt, den fein granulirten blassen Inhalt und den centralen hellen Kern mit einem kleinen dunkeln Kernkör- perchen. Alle Ganglienzellen hatten 1—2, sehr selten mehre Fortsätze; mit aller Sicherheit liess sich die Thatsache fest- stellen, dass nicht eine einzige apolare Ganglienzelle vor- komme. Die Primitivfasern sind jedesmal kontinuirliche Fortsetzungen des Inhalts der Ganglienzelle; auch die Zell- membran begleitet anfangs deutlich diese Fortsetzungen, ist jedoch später nicht mehr isolirt zu erkennen. An den Kopf- ganglien kommen Ganglienzellen mit zwei Kernen vor, die durch einen hellen, durch den Zellinhalt hindurchziehenden Streifen von einander getrennt sind (Zeitsch. f. w. Z. Bd.V. . 231). R Nach Axmann soll der Axencylinder unmittelbar in den Kern des Ganglienkörpers sich fortsetzen. Es lässt sich die- ses nach dem Verf. am besten wahrnehmen, wenn die Ganglien- körper einige Tage in verdünnter, chemisch-reiner Essigsäure aufbewahrt worden sind. Werden die Ganglien 7—27 Tage und noch länger mit Essigsäure behandelt, so gelänge es nicht selten, den Kern mit dem Axeneylinder in Verbindung zu isoliren (Beiträge zur mikroskop. Anat. u. Physiol. des Ganglien-N. ete. Berlin 1853). An der unteren Gehirnportion von Coceus hesperidum be- obachtete Leydig (Zeitschr. für Zool. Bd. V., p. 5 sq.) bei starker Vergrösserung in einer jeden durch Einbuchtungen abgegrenzten Partie einen 0,012” messenden, vollkommen wasserklaren Kern mit scharf konturirtem Nucleolus. Um jeden dieser Kerne zieht sich eine feinkörnige Substanz, die nach dem peripherischen Nerven hin in einen feinstreifigen Zug übergeht, in welehem die Körnehen nach vorausgegan- gener reihenweiser Anordnung zu einem Bündel von Nerven- fibrillen sich verwandelt haben. Der Verf. ist der Ansicht, dass entweder die bezeichnete fibrillöse Masse in toto eine einzige marklose Primitivfaser der Vertebraten darstelle, oder dass jede einzige Fibrille einer marklosen Faser .entspreche. Indem nun Leydig darauf hinweiset, dass das streifige, fibrillenartige Aussehen an den marklosen Primitivfasern der Vertebraten bereits beobachtet sei, so entscheidet er sich für die erstere Deutung und hebt zugleich folgende vier Zustände oder Stufen des Verhaltens der Nervenfasermasse wir- belloser Thiere hervor: 1) der Nerv besteht aus homo- gener Hülle mit homogenem Inhalt (Räderthiere, Echinoder- men (?), Polypen); 2) der Nerv besteht aus homogener Hülle und feinstreifigem Inhalt noch ohne weitere Sonderung (Larve von Corethra, manche Mollusken, niedere Krustenthiere); 77 3) der längsstreifige Inhalt der Faser erscheint gesondert in Bündel undist von zarterkernhaltiger Scheide umgeben (manche Anneliden und Mollusken); und 4) der Nerv enthält zwischen den Längsstreifen und der Scheide eine Schicht heller Sub- stanz, die das Nervenmark der Vertebraten vertritt (Fluss- krebs). Die feinstreifige Nervensubstanz der wirbellosen Thiere steht demnach zum Ganglienkugelinhalt in derselben Bezie- hung, wie die Axenfasern der Vertebraten zu dem Conten- tum der Ganglienkugel; beide sind unmittelbare Fortsetzun- gen der Körnermasse, welche die Kerne der Ganglienkugel umhüllt. Der Bau der Retina hat mehrere Forscher beschäftigt. Marg. A. Corti hat den kontinuirlichen Zusammenhang der Fasern, des Optieus (ob alle?) mit den Ganglienzellen der Retina ‚s@hr deutlich am Auge des Elephanten verfolgen kön- nen (Zeitsch. f. wiss. Zool. Bd. V., p.90 sq.). Die Fortsätze der Ganglienkörper, welche in die Fasern übergehen, sind an ihrem Ursprunge feinkörnig und verzweigen sich, wenig- stens in der Nähe des Ursprungs, meist dichotomisch. Die Ganglienkörper lagen in gewissen Entfernungen von einander, so dass Lücken in der Grösse von 4—5 Ganglienkörpern übrig blieben. Ihre Grösse schwankt durchschnittlich zwi- schen 0,02—0,03“ Länge und 0,01—0,02” Breite. Weder die Ganglienkörper, noch die Fasern des Sehnerven liessen eine Scheide erkennen. Mehrere Male sah der Verf. zwei Nervenzellen durch eine Anastomose in Verbindung, die den Charakter der gewöhnlichen Sehnervenfaser hatte. Der Verf. lässt es übrigens noch unentschieden, ob die Fortsetzungen der Ganglienkörper frei in der Netzhaut endigen oder mit den Nervenfasern des Opticus zum Gehirn hinziehen; des- gleichen konnte nicht sicher ermittelt werden, ob sie mit den innersten Ausläufern des sogenannten radiären Fasersystems zusammenhängen. — In der schon erwähnten Abhandlung der Berliner Akad. Monatsberichte Remak’s wird gleich- falls mitgetheilt, dass die varikösen, längsstreifigen Axen- schläuche der Retina im Zusammenhange mit den multipolaren Ganglienkörpern sich befinden, aus welchen die Maeula lutea besteht. Zugleich bemerkt der Verf., dass die scheinbar kör- nige Substanz der Netzhaut sich in blasse, variköse Axen- schläuche auflöse, die an Feinheit alle bisher bekannten weit übertreffe. H. Müller giebt als Nachtrag einige Notizen über die Struktur der Netzhaut des Menschen und der Thiere, die zum Theil gemeinschaftlich mit Kölliker gewonnen wur- den (Verhädl. der Würzb. Ges. Bd. IV. p. 96 sq.). „Die Stäb- chen gehen beim Menschen, wenigstens ausserhalb der Ma- eula lut., durch die ganze Dieke der Stäbehenschicht ohne wesentliche Veränderung ihres Durchmessers. Nach aussen stossen sie am die pigmenthaltige Partie der choroidalen 58 Pigmentzellen in der Membr. pigmenti; nach innen gehen sie entweder unmittelbar in eines der äussersten Körner oder durch einen kürzeren oder längeren Faden in eines der tie- fer liegenden über. Der fadenförmige Anhang fehlt also eini- gen Stäbehen und liegt nicht zwischen den Zapfen, sondern in der äusseren Körnerschicht. Die Stäbehen brechen leicht in der Hälfte ihrer Länge ab, uud der innere Theil verhält sich bisweilen gegen Reagentien etwas anders; ihre Länge beträgt 0,03. Die Zapfen haben die Form einer schlan- ken Flasche. Die konische, durch eine Querlinie getrennte Spitze reicht gewöhnlich nur bis über die Hälfte der Stäb- chenschicht hinaus, und ist nach aussen gewendet. Das breite innere Ende geht in einen stärkeren Faden aus, der an der inneren Grenze der äusseren Körnerschicht mit einer An- schwellung zu endigen scheint. Ein ähnliches Verhalgg zeigt die Stäbehenschicht der Fische. Bei Vögeln ist gleichfalls eine äussere Stäbchenschicht und eine innere Zapfenschieht zu unterscheiden; die erstere soll fast ganz im Pigment stek- ken. (Ob durch Druck und Verschiebung? Ref.) Die Stäb- chenschicht hat diekere und dünnere Stäbe, die Zapfenschieht dickere Zapfen und dünnere, fadenartige Glieder. Die letz- teren Glieder stehen mit den dicken Stäbchen in Verbindung und hier fehlt der farbige Tropfen. Dagegen finden sich solche am innern Ende der eigentlichen Stäbehenschicht da, wo die dünnern Stäbchen in Zapfen übergehen. Beim Frosch sind die kleinen Zapfen sammt ihren Spitzen blos zwischen die innern Partieen der Stäbchen eingeschoben, und es sitzen keine gewöhnlichen Stäbchen auf derselben auf. -— In der Körnerschicht unterscheiden die Verff. eine äussere, mit den Stäbchen und Zapfen in Verbindung stehende und eine innere den Anschwellungen der Radialfasern angehörige Ab- theilung. Zwischen beiden liegt die meist wenig charakteri- sirte Zwischenkörnerschicht, in welcher bei Fischen und Schildkröten gleichfalls anastomosirende Zellen sich befinden. Beim menschlichen Auge ist die äussere Körnerschicht im gelben Fleck sehr dünn (0,012); sie nimmt dann weiterhin zu und gegen den Rand der Retina hin wieder etwas ab. Die innere Körnerschicht ist am gelben Fleck am stärksten (0,04) und nimmt gegen den freien Rand hin stetig ab (bis zur Dicke von 0,01”). Dasselbe gilt von der Zwischen- körnerschicht, die ausserdem im Hintergrunde des Auges aus sehr zahlreichen, senkrechten Fasern gebildet erscheint, die egen die Ora serrata hin sich fast gänzlich verlieren. Die lutgefässe gehen niemals über diese Zwischenschicht hinaus. Die Ganglienzellen liegen am gelben Fleck gleichfalls in vielfachen Schiehten hinter einander, die allmälig gegen den freien Rand der Retina hin abnehmen. Die von der innern Fläche der Retina herkommenden Radialfasern zeigen am gelben Fleck nirgend die bekannten, dreieckig.abgeschnittenen 59 oder getheilten innern Enden; erst in der Umgebung dessel- ben sieht man sie durch die mächtige Nervenschicht durch- schimmern, doch sind sie wenig entwickelt. Nach der Ora serrata hin treten sie stärker hervor. Im Allgemeinen erkennt man beim Menschen, wie bei Fröschen und Fischen, dass die innern Enden der Radialfasern viel sparsamer, als die Stäb- chen-und Zapfen sind, und beim Menschen liess sich sogar beobachten, dass sie an der Innenfläche der Netzhaut unmit- telbar in eine strukturlos-areolirte membranöse Ausbreitung übergingen. Daraus scheint hervorzugehen, dass das radiäre System nicht als Fortsetzung der Sehnervenfasern, sondern der Aeste der Ganglienkugeln anzusehen sind. Leydig sah beim Stör das hintere Ende eines jeden Stäb- chens mit einer kleinen, körnigen Zelle in Verbindung, die sich in einen feinen Fortsatz verlängert und stets einen farb- losen Fetttropfen einschliesst (Anat.-hist. Unters. p. 9). Die ausserordentlich grossen Stäbehen von Salamandra maculata haben nach dem Verf. eine Länge von 0,024” und eine Breite von 0,004”. Sie zeichnen sich in Menge beisammen liegend durch einen rosenrothen Schimmer aus. Bei Anguis fragilis, Salamandra etc. beobachtete Leydig, dass die Stäbchen nach Wasserzusatz etwas aufquellen und dann eine durchsich- tige Hülle und eine leicht dunklere Kernsubstanz, die auch den Fetttropfen enthält, wahrnehmen lassen (a. a. O. p. 96 sq.). Bei der Ringelnatter glaubt der Verf. sich zweifellos über- zeugt zu haben, dass das zugespitzte Ende der Stäbchen nach hinten gerichtet sei und ziemlich tief in schwarzer Pigment- masse (?R.) stecke (a. a. O. p. 97). Hannover hat gegen die Darstellung des Baues der Re- tina von Kölliker und Müller Einwendungen erhoben (Zeitsch. f. w. Zool. Bd. V. p.17sq.). Der Verf. hält die An- wendung der Chromsäure für die Untersuchung der Stäbchen nicht passend; ihrem Einflusse sei es zuzuschreiben, dass Kölliker ın seiner Gewebelehre so kolossale Zapfen vom Menschen dargestellt habe. Es soll ferner ein Irrthum sein, dass die konisch zugespitzten Enden der Stäbchen nach innen gekehrt seien; die spitzen Enden sowohl der Stäbchen als auch der Zapfen stecken vielmehr des Verfassers Ansicht nach in häutigen Pigmentscheiden (?R.) der Pigmentzellen. Wäh- rend Kölliker in der Stäbehenschicht den äussern aus den eigentlichen Stäbchen und den innern aus den Zapfen gebil- deten Theil unterscheidet, will Hannover lieber einen äus- sern aus den konischen Spitzen und einen innern aus den Stäbehen und Zapfen zusammengesetzten optisch unterschie- den wissen. Ueber die Struktur der Vater-Pacini’schen Körper- chen der Taube berichtet Leydig Folgendes (Zeitsch. f. w. Zool. p. 75 #q.). Die Vater'schen Körperchen sind hier von bräunlicher Farbe, von einem hellen Saum umgeben und mit 60 einem deutlich markirten, grauen Centralstraug versehen. Un- ter dem Mikroskop zeigen sie eine ganz andere Organisation, als bei den Säugern. Der helle Saum besteht aus über ein- ander gelagerten, doch nicht durch Fluidum von einander getrennten Schichten homogener Bindesubstanz, die der Kap- sel ein streifiges Ansehen verleihen. Durch Anwendung von Essigsäure erkennt man kernartige Bindesubstanzkörperchen. Die um den Centralstrang liegende bräunliche Substanz be- steht zunächst aus eigenthümlichen feinen Fasern, die eirculär den Centralstrang umwickeln. Ihre histologische Natur lässt sich noch nicht bestimmen; sie wandeln sieh durch Natron- lösung und Essigsäure in eine blass moleculäre Masse um; elastische Fasern sind es also nicht. Nach Anwendung der genannten Reagentien treten aber noch zweierlei Elementar- gebilde hervor: nämlich moleculäre Fettkörnehen und kleine Kerne. Letztere haben meist eine Grösse von 0,0053—0,004”; sie blähen sich bei Wasserzusatz auf und lassen bei Anwen- dung von Essigsäure oder Salpetersäure punktförmige Nu- eleoli erkennen. Sie sind zwischen den Fasern am dichtesten in der Nähe des Centralstranges, spärlicher nach aussen hin aufgehäuft. Den Centralstrang endlich hält Leydig für das kolbig entwickelte Ende der in das Vater’sche Körperchen eintretenden Nervenfaser selbst, während der bisher als mark- lose Nervenfaser gedeutete Streifen für einen blossen Hobhl- raum erklärt wird, der mit einem klaren Fluidum angefüllt sei. Der Verf. schliesst Letzteres aus dem optischen Habitus, der vollkommen den Vaceuolen der Sarkode gleicht, desglei- chen daraus, dass der Streifen beim Zusatz von Essigsäure auf Kosten der mattgrauen, den Centralkanal um den Strei- fen ausfüllenden Substanz sich stark erweitert. Dasselbe Ver- halten zeigten auch die Vater’schen Körperchen bei Tetrao urogallus. Der Verf. ist geneigt, dieselbe Organisation des Centralkanals der Vater'schen Körperchen auch für die Säuge- thiere in Anspruch zu nehmen. — In Veranlassung dieser Mittheilungen hat Kölliker von Neuem die Vater’'schen Kör- perchen untersucht. Der Verf. findet Leydig’s Beschreibung - dieser Gebilde bei der Taube in Vielem vollkommen zutref- fend. Der centrale Strang erschien ihm jedoch von einer ein- fachen Lage querer, dichtstehender Kerne umhüllt, so dass derselbe nahezu das Bild der Ringfaserhaut kleiner Arterien darbot; ja, diese Kerne, zu denen wahrscheinlich auch Zell- membrane gehören, dringen zuweilen bis zu dem innern Ley- dig’schen Hohlraume vor und bilden eine zusammenhängende Lage um denselben. Desgleichen glaubt Kölliker um den centralen Hohlraum noch eine besondere Membran zu sehen. Dagegen giebt der Verf. zu, dass der blasse Streifen im Cen- tralstrange wirklich einen Hohlraum darstelle, und dass es oft grade den Anschein babe, als ob die Nervenfaser unmit- telbar in den Centralstrang sich fortsetze. Anders verhalten 6l sich jedoch die Vater-Paein’’schen Körperchen bei den Säuge- thieren, namentlich bei der Katze. Hier geht die dunkelran- dige Nervenfaser im Stiel in ihrer Totalität, jedoch mit Ver- lust des Markes, in den blassen Streifen, resp. blasse Faser des Körperchens über, die hier die Bedeutung einer maärk- losen Nervenfaser hat. Man kann an ihr eine zarte Hülle (bei Zusatz von Essigsäure und Natron), die Fortsetzung der primitiveu Nervenscheide, eine homogene helle Substanz, das Analogon der sog. Markscheide und den Axencylinder unter- scheiden. Der übrige Theil des Centralstranges hat die Be- deutung des Neurilems. Hiernach besteht eine wesentliche Verschiedenheit zwischen den Vater’schen Körperchen der Vögel und der Säugethiere. Sollte vielleicht eine Vermitte- lung auf die Weise möglich sein, dass der Axeneylinder — in Voraussetzung, dass er wirklich eine Höhle enthalte —, in den Vater'schen Körperchen der Vögel die Höhle auffal- lend stark entwickelt habe (?R.). F. de Filippi beobachtete in der Mundschleimhaut des Elephanten eigenthümliche Organe, scheinbar gestielte Bläschen, die er entweder mit den bekannten Bildungen der Schleimkanäle bei den Fischen oder noch lieber mit den Vater- Pacinischen Körperehen vergleichen möchte (Zeitsch. f. wiss. Zool. Bd. V. p. 26 sq.). Sie liegen unter dem Boden von Grübchen an den Alveolarrändern, deren Wand von vielen gefässreichen Papillen bedeckt ist. Die gestielten Bläschen, die aus concentrischen, zum Theil durch eine klare Flüssig- keit von einander geschiedenen Lamellen zu bestehen schie- nen, setzten sich mit der innersten Lamelle in einen Kanal fort, welcher ebenfalls Flüssigkeit enthielt und nichts Ande- res als den Stiel des Körperchens darstellt. Der längere Durchmesser der erwähnten Körperchen beträgt !% Mm.; der schlauchartige Stiel hat einen wellenförmigen Verlauf, doch konnte das Ende desselben und der Zusammenhang mit an- deren T'heilen nicht nachgewiesen werden. Nervenelemente liessen sich nicht auffinden, doch meint der Verf., dass dieses vielleicht auf Rechnung der Veränderungen zu schieben sei, welche nach dem Tode sich eingestellt haben; die Unter- suchungen waren erst am zweiten Tage nach dem Tode unter- nommen worden, Tastkörperchen. Meissner giebt in seinen „Beiträ- gen zur Anatomie und Physiologie der Haut“ (Leipzig 1853, : 19) folgende morphologische Beschreibung von den Tast- örperchen. Es sind ellipsoidische, wahrscheinlich Bläschen darstellende Körperchen, welche mit einer vielleicht festen, vielleicht weichen Substanz, die aus kleinen (!4,,,'), runden, mattglänzenden Kügelchen besteht, gefüllt sind. An jedes Körperchen treten ein oder zwei, selten drei oder vier, Ner- venfasern heran. Die Insertion der Faser findet beim Kinde und überhaupt bei kleinen Tastkörperchen stets am unteren 62 Ende des Organes Statt; bei grösseren Tastkörperchen, bei denen, wie der Verf. meint, grade das untere Ende sich stark ausdehnt und oft durch eine Einschnürung von dem ursprüng- lichen Theile absetzt, soll die anfängliche untere Insertion der Faser zu einer seitlichen werden. Die Nervenfaser win- det sich alsdann oft spiralig und verästelt sich büschelförmig in eine Anzahl (3—4) feiner, einfach konturirter Aestchen, welche bisweilen wohl mitten in die Substanz des Körper- chens eingebettet sind, grösstentheils aber sich wie die Fin- ger einer Hand an der Wand des Organs ausbreiten. Von diesen Aestchen leitet der Verf. die schräge oder quere Strei- fung des Tastkörperchens her. Ihre Breite beträgt Yo — nn’; zuweilen gleichen sie spindelförmigen Kernen; am Rande des Organes geben sie sich scheinbar als rundliche Kerne (der scheinbare Querschnitt) zu erkennen; sie endigen wahrschein- lich frei mit einer leichten Anschwellung. Zu dieser Deutung der schrägen und queren Streifen an den Tastkörperchen ist Meissner besonders durch seine Beobachtungen noch in Entwicklung begriffener und pathologisch-anatomiseh verän- derter Corpuse. tactus geführt worden (p.16 sq.). Bei einem 14 Monate alten Kinde zeigten sich die Körperchen deutlich bläschenartig und hatten nur wenige Querstreifen. Die Ner- venfasern traten an das untere Ende heran und verästelten sich in die sichtbaren Steifen, die um diese Zeit mehr grade oder schräg aufwärts gehen. Bei unvollkommener Lähmung der sensibeln Hautnerven in der Hand war der Inhalt der Nervenfasern in Fett verwandelt Diese Fettmetamorphose gab sich in den Querstreifen der Corpuse. tact. zu erkennen. Beim Beginn dieser Veränderung zeigten sich nur wenige, später aber alle Streifen in Fetttropfen von länglicher, ovaler Form verwandelt, die deutlich die Anordnung und das La- gerungsverhältniss der ursprünglichen Streifen inne hielten; bei weiter fortgeschrittener Degeneration erschien das Tast- körperehen nur von einem Haufen mehr oder weniger sich gegenseitig abplattender Fetttropfen erfüllt. Die Tastkörper- chen liegen nach dem Verf. stets in dem obersten Theile der resp. Papille, so dass sie den äussersten Gipfel derselben bilden und von ihren Fasern (?R.) kelchartig umfasst werden. Meissner wiederholt ferner, dass in den Hautstellen, wo sich Tastkörperchen vorfinden, gefässführende und tastkör- perchenhaltige Papillen unterschieden werden müssen (p. 20); in die ersteren treten keine Nervenfasern ein, in den letzte- ren sollen in der Regel, angeblich wegen Mangels an Raum (?R.) keine Gefässschlingen vorkommen. In den Zwillings- papillen liegt oft in dem einen Gipfel eine Gefässschlinge, in dem anderen ein Tastkörperchen. Was die Verbreitung der Tastkörperchen betrifft, so konnte sie Meissner nur an der Hand und am Fusse vorfinden. An der Volarfläche der Fingerglieder sind sie am zahlreichsten, und zwar in abneh- 63 mender Zahl vom dritten zum ersten Gliede. Noch geringer ist ihre Zahl an Vola manus und über die Gegend des Hand- gelenks hinaus fehlen sie gänzlich. An den Seitenflächen und auf dem Rücken der Finger kommen sie nur spärlich vor; auf dem Dors. manus fehlen sie bereits. Aehnlich verhält sich ihre Ausbreitung am Fusse, doch konnten sie in kleiner Zahl auch noch auf dem Rücken des Fusses wahrgenommen werden, Hinsichtlich der Anordnung bemerkt der Verf., dass sie zu den Leistehen in keiner bestimmten Relation zu stehen scheinen; oft stehen sie aber, wie horizontale Schnitte lehren, gruppenweise wenigstens an der Volarfläche der Fin- ger. An Schnittehen, welche die Leistehen quer getroffen haben, sieht man am letzten Fingergliede durchschnittlich 4-5 Körperehen auf einer Linie Länge. Wenn man dagegen Schnitte parallel den Leistehen macht, so trifft man auf be- trächtlich langen Strecken zuweilen nicht ein einziges Tast- körperchen, in anderen Fällen aber sehr viele. Bei einem erwachsenen Manne zählte der Verfasser auf einer Quadrat- linie der Volarfläche des letzten Fingergliedes vom Index 400 Papillen und darunter 108 Tastkörperchen; an der Plantar- fläche des letzten Gliedes vom Hallux befinden sieh in einem gleichen Raume nur 34 Corp. tact. Die Länge der Tastkör- perchen an der Volarfläche der Hand wechselt zwischen 1%," und !/,, die Breite zwischen '%4,—'"/‘. Auf der Dorsal- fläche daselbst sind sie durchschnittlich 1%, —"/,,°" lang und ebenso breit. An der Lippe und Zunge finden sich nach neueren, genauen Untersuchungen des Verf. keine Tastkör- perchen. — Das einzige Thier, bei welchem bisher die Corp. tactus sich haben nachweisen lassen, ist der Affe. Meissner untersuchte namentlich Hapalus, Cebus apella und Hylobates agilis. Alle morphologischen Verhältnisse sind we- sentlich denjenigen des Menschen gleich. Ihre Länge aber beträgt durchschnittlich '/,, und die Breite !/,,. Die Form ist regelmässig oval; Einschnürungen fehlen, wie beim Kinde. Ihre Ausbreitung ist auf die Volarfläche der Finger und Hand, so wie auf die Plantarfläche der Zehen und des Fussses be- schränkt; auf den behaarten Rückenflächen dieser Theile feh- len sie. In der Anordnung der Tastkörperchen scheint bei den Affen eine grössere Regelmässigkeit obzuwalten; auf Schnitten nämlich, welche eine Anzahl Leistehen rechtwinklig treffen, sieht man fast immer, dass die beiden äussersten Pa- pillen von denen, die auf einem Riffe stehen, Tastkörperchen enthalten. Während Meissner die Anwesenheit von Tastkörperchen in der Zunge leugnet, sind dieselben von Marg. A. Corti auf der Rückenfläche der Spitze der Zunge beim Elephanten beobachtet (a. a. O. p. 89). Sie hatten eine bestimmt kontu- rirte, regelmässige ovale Forın, bläschenförmiges Aussehen, im Mittel eine Länge von 0,08 und eine Breite von 0,06. 64 Die an sie herantretende, doppelt konturirte Nervenfaser macht eine Sförmige Biegung, verliert dann die doppelte Kontur, dringt in die Axe des Körperchens und endet mehr oder we- niger weit vorgeschritten plötzlich wie abgestumpft. Ihre Aehnlichheit mit dem Vater-Paeinischen Körperchen war sehr gross; Be Papillen, welche Tastkörperchen enthielten, hatten keine Gefässe und vice versa. — Nach Berlin sollen nervenlose Tastkörperchen im Schlunde der Tauben und Hühner vorkommen (Nederl. Lancet. 1553. Heft July en Aug. p.58). — Dalyell beschreibt die Tastkörperchen hauptsäch- lich nach Kölliker (Monthly Jour. March p. 276). Blut. Gegen die Ansicht, dass die Farbenveränderungen des Blutes von einer Gestaltveränderung der Blutkörperchen herrühren, hat sich Moleschott ausgesprochen (Zur Lehre von der Blutfarbe. Illust. med. Zeit. Bd. IIl., Heft Il. p. 74 q.). Nach seinen Beobachtungen werden die Blutkörperchen des Menschen, der Säugethiere, Vögel und Frösche durch Sauer- stoff und Kohlensäure weder in Grösse noch in Gestalt ver- ändert. Ausserdem sei durch Bruch bewiesen, dass die be- zeichneten Agentien die bekannten Farbenveränderungen auch an der Hämatinlösung hervorrufen. In Betreff des Einflusses der Salzlösungen bemerkt der Verf., dass bei Vermischung des Blutes mit sehr verdünnter Kochsalz - oder Glaubersalz- lösung die Blutkörperchen keine Runzelung zeigen, und gleich- wohl eine hellzinnoberrothe Färbung entstehe. Bruch und Henle haben übrigens die hellrothe Färbung des Blutes in solchen Fällen von der Abplattung, nicht von der Runzelung der Blutkörperchen hergeleitet, — Nach Bruch’s Versuchen ist die Veränderung der Farbe des Blutes durch O und CO, so zu deuten, dass eigentlich nur der Sauerstoff auf den Farb- stoff einwirke und die hellrothe Färbung bedinge, dass dage- gen CO, nur durch das Austreiben des O das Blut dunkler mache, d.h. die ursprüngliche Naturfarbe des Blutes wieder- herstelle. Gewässertes oder ungewässertes Blut wird unter der Luftpumpe so lange dunkler, als noch OÖ auszutreiben ist. Schüttelt man aber die Blutmasse mit CO, so lange, bis keine dunklere Färbung mehr eintritt und voraussetzlich aller absorbirte O ausgetrieben ist, so verändert sich die Farbe des Blutes auch bei dem stärksten Auspumpen nicht im Ge- ringsten (Zeitsch. f. w. Zool. Bd. V. p. 374 sq.). Eine ausführliche Abhandlung über das Blut und das chylusartige Fluidum der wirbellosen Thiere haben wir von Th. Williams erhalten (Phil. Transact. 1852, p. 595 sq.). Der Verf. unterscheidet morphologisch und physiologisch zwei Ernährungs-Fluida: das eigentliche Blut (Blood-Proper) und ein chylusartiges Fluidum (Chylaqueous Fluid.). Das erstere 65 wird durch Muskelorgane in Bewegung gesetzt, das letztere- durch Wimperbewegung. Flimmernde Cilien fehlen dem Blut- gefässsystem überall, mit Ausnahme der Echinodermen. Bei den niedrigsten Thieren bis zu den Echinodermen kommt nur chylusartige Flüssigkeit vor; über den Anneliden hinaus wird das letztere Fluidum im erwachsenen Thiere durch wahres ‚Blut verdrängt. Bei den Echinodermen, Anneliden und Ar- tieulaten coexistiren beide Ernährungsfluida gleichzeitig, ob- schon in verschiedener Ausbildung; bei den Mollusken finde sich, wie bei den Protozoa, nur ein Gefässsystem, doch das- selbe führe nicht chylusartige Flüssigkeit, sondern ein mehr dem wahren Blute vergleichbares Fluidum. Der Abhandlung sind achtzig Abbildungen der in den Ernährungsflüssigkeiten vorkommenden Körperchen beigegeben. Nach Leydig haben die farblosen Blutkörperchen des Proteus und Salamanders durchschnittlich eine Grösse von 0,003“ und stellen nicht einfache Zellen, sondern ein Konglomerat von kleinen, klaren Bläschen mit Kernkörper- chen dar (Anat.-hist. Unters. p. 57). Moleschott studirte die Entwicklung der Blutkörper- chen an entleberten Fröschen. Nach dem Verluste der Leber zeigen sich die weissen Blutkörperchen ausserordentlich ver- mehrt. Diese Vermehrung soll dadurch entstehen, dass nach Wegnahme der Leber die Bildung farbiger Blutkörperchen aus denselben verzögert, resp. verlangsamt werde, so dass sich also eine günstige Gelegenheit zur Verfolgung der ein- zelnen Entwicklungsstufen darböte. Die farblosen Blutkör- perehen zeigen hier verschiedene Formen; sie sind bald rund, bald elliptisch, bald treten sie in verschiedenen Zwischenstufen zwischen diesen beiden Formen auf. Ihr Kern ist oft in zwei oder drei kleinere und verschieden geformte Kerne zerfallen. Daneben begegnet man Zellen von farbloser Beschaffenheit, in welchen die Kerne sich in Körnchen aufgelöset haben. Dann verändert sich auch die Färbung. Einige Zellen sind nieht mehr weiss, sondern fettglänzend; andere zeigen einen gelblichen Schimmer, und schliesslich tritt die farbige Blut- zelle auf (Müll. Arch. 1853,. p. 73 sq.). Ref. schliesst den Bericht über das Blut mit einer Mit- theilung Lehmann's (Phys. Ch. Bd.II. p. 144), der zufolge die wechselnde Einwirkung von O und CO, die Blutkörper- chen zerstören soll. Vor mehreren Jahren hatte Harless dieselbe Beobachtung gemacht und Marchand war dagegen aufgetreten. Während der Abfassung dieses Berichts hat der Dr. Löwig j. äuf Veranlassung des Ref. dieselben Versuche im hiesigen physiologischen Institute wiederholt. Durch fri- sches defibrinirtes Ochsen- und Schweineblut wurde durch acht Stunden hindurch abwechselnd O und CO, hindurchge- leitet und bei jedem Wechsel das Blut auf die An- oder Ab- wesenheit der Blutkörperchen untersucht. Beim Ochsenblut Müllors Archiv. 1854. Jahresbericht, Di 06 wurde mit CO, begonnen, beim Schweineblut mit O; jedes Gas wurde nahezu °/, Stunde hindurchgeleitet. Das Resultat war, dass die Blutkörperchen nicht allein nicht zerstört wur- den, sondern dass nicht eınmal eine irgendwie auffällige Ab- nahme an Zahl bemerkbar war. Blutgefässsystem. Ueber dieNeubildung von Blutgefässen in plastischen Ex- sudaten seröser Membranen und in Hautwunden hat J.Meyer ausführliche Untersuchungen angestellt und dabei zugleich die sekundären Blutgefässbildungen bei Embryonen höherer und niederer Wirbelthiere berücksichtigt (Ann. d. Charite-Krankenh. zu Berliv, Jahrg. IV., Heft I. p. 41— 140). Der Verf. ist zu Resultaten gelangt, die sich an die Ansichten Platner’s und namentlich Remak’s anschliessen; die sekundären Gefässe sind als Auswüchse der vorhandenen Kapillargefässe anzu- sehen, und die von Schwann, Kölliker u. A. angenom- mene Entstehung der Gefässe aus Vereinigung von sternför- migen Zellen sei nicht entschieden nachzuweisen, Die Be- obachtungen wurden, von den pathologisch - anatomischen Verhältnissen abgesehen, am Schwanze von Froschlarven (namentlich Hylaarborea), sodann auch an der Wharton’schen Sülze der Eihäute von Wiederkäuern und Schweinen ange- stell. „Von der Wand eines Kapillargefässes erhebt sich ein Schössling, der bald an einer, bald an mehreren Stellen sei- nes Verlaufes anschwillt und endlich ein anderes Gefüss er- reicht, mit welchem er sich verbindet.“ Der Schössling be- ginnt mit breiter Basis und läuft fadenförmig aus; an der Vereinigungsstelle mit einem anderen Kapillargefäss ist er anfangs schmal und nimmt später an Breite zu. Anfangs scheinen die Schösslinge oder Sprossen solid zu sein; später werden sie durchgängig für Blutflüssigkeit und Körperchen. Mit zunehmender Breite des fadenförmigen Fortsatzes wird auch die angeschwollene Stelle grösser und die alsbald er- folgende Entwicklung eines kernartigen Gebildes giebt ihn das Gepräge einer Zelle. Zuweilen geht aus einer solchen Anschwellung ein neuer Sprössling ab und so entsteht der Anschein einer dreieckigen Zelle. Aus einigen Beobachtungen an der Membr. capsulo-pupillaris glaubt der Verf, schliessen zu dürfen, dass mitunter auch einzelne spärliche Zellen bei der Blutgefässbildung in der von Kölliker angenommenen Weise konkurriren. Alle sekundären Gefässbildungen pro- duziren nach dem Verf. nur Kapillargefässe; \aus diesen sol- len dann durch Umlagerung der einzelnen Gefässschichten die stärkeren Gefässe sich bilden. — Die empirischen Grund- lagen, aus denen des Verfassers Ansicht von der Bildung sekundärer Gefässe hervorgegangen, ist bekannt. Auch ist nicht zu leugnen, dass die scheinbar blind endigenden Aus- 67 läufer der Kapillaren, so wie die fadenförmigen Brücken zwi- schen letzteren, zu der obigen Deutungsweise einladen kön- nen; selbst der Umstand, dass ramificirte Formen in der organischen Natur sehr häufig durch einen Sprossen- und Knospenbildungsprozess zu Stande kommen, scheint für die obige Ansicht zu sprechen. Allein Henle, Virchow und selbst früher schon Schwann haben mit vollem Recht dar- auf hingewiesen, dass die fadenförmigen Ausläufer der Ka- pillaren leere, kollabirte Gefässstrecken sein können. Für diese Auffassungsweise lassen sich, wie Ref. durch wieder- holte Beobachtungen überzeugt worden ist, alle nur möglichen Uebergänge sowohl anı Schwanze der Froschlarven, wie in der Wharton’schen Sülze nachweisen, — Uebergänge, die der Verfasser eben zu Gunsten seiner Ansicht gedeutet hat. Re- ferent sah oft einen scheinbar blind endigenden, fadenförmigen Ausläufer, bei gehöriger Dämpfung des Lichtes, bei Trübung des Präparats durch Jod oder Chromsäure, sich unmittelbar in ein noch weites Kapillarrohr fortsetzen, das vorher bei der Abwesenheit von Blutkörperchen sich gänzlich dem Blicke entzogen hatte. Meyer glaubt vor solchen Täuschungen bei der Durchsichtigkeit des Präparats sich hinlänglich bewahrt zu haben. Dieses hält Referent mit Henle oft für ganz unmöglich, und grade die grosse Durchsichtigkeit macht mit- unter Vieles recht unsichtbar. Referent muss noch hinzu- fügen, dass obige fadenförmige Ausläufer und Brücken in dem Grade an Zahl zunehmen, je mehr die Froschlarve abmattet und die Cireulation in Stocken geräth; desgleichen, dass die- selben auch in Froschlarven gesehen werden, deren Schwanz nicht allein nicht mehr im Wachsthum, sondern in der Ver- kümmerung begriffen ist. Diesen Thatsachen gegenüber dürfte es von geringerem Belange sein, noch auf andere Bedenken zurückzukommen. Dennoch glaubt Ref. darauf aufmerksam machen zu müssen, dass der angenommene Sprossenbildungs- rozess in seinem Vorgange sehr auffallend von dem gewöhn- ichen Typus abweicht, und dass derselbe in seiner Gültigkeit für die sog, sekundäre Gefässbildung zu Konsequenzen führt, die sich mit den sonst bekannten Vorgängen in der Entwick- lung des Wirbelthieres schwer vereinigen lassen. Denn man wäre zu der Annahme gezwungen, dass von den primären Gefässanlagen der Aorta, Aortenbogen ete., durch Sprossung alle jene Gefässe sekundär hervorgehen, die in den Primitiv- organen des Körpers (Wirbelsystem ete.) sich befinden; d. h. mit anderen Worten: während die Primitivorgane in den An- lagen das Bildungsmaterial für alle ihre sonstigen Bestand- theile besitzen, entlelinen sie ihre Gefässe sammt Blut anders- woher! — Ueber den Bau der Venenwandung haben wir eine ausführliche Abhandlung von Salter enthalten (Todd’s Oy- elopaed. p. 1368 sq.). — In den Venenklappen glaubt der Verf. Er ei 65 Muskelfasern annehmen zu müssen. Bei Behandlung der Klappen mit Essigsäure treten nämlich zwei unter einem rechten Winkel sich schneidende Züge von länglichen Kernen hervor; der eine Zug gehört den BindegeweVssträngen an, der andere den Muskelfasern. W. Jones entdeckte in den Flügeln der Fledermäuse selbstständige rhythmische Bewegungender Venen. Die Dilatation erfolgt schneller, als die Kontraktion; in einer Minute wiederholen sich die Bewegungen etwa 10 Male. Die Venen besitzen entweder nur auf einer Seite der Wandung, oder auf beiden Seiten Klappen. Ihre Tunica media enthält Muskeln. Die Fasern sind von denen der mittleren Arterien- haut unterschieden; sie haben eine Breite von "sn, sind blass, ins Graue spielend, halbdurchsiehtig, granulirt und gleichen im Allgemeinen den Muskelfasern der Lymphherzen vom Frosch (Discovery, that the veins of the Bat’s wing are endowed with rythmical contraet., and that the onward flow of blood is accelerated by each contraction. Philos. Transact. 1852. Part. I. p. 131 sgq.). Lymphgefässe. Mit der so schwierigen Frage über die Endigungs- oder besser über die Ursprungsweise der Lymphgefässe na- mentlich im Bereiche der Darmschleimhaut hat sich angele- gentlichst E. Brücke beschäftigt (Denksch. der Kais. Akad. der Wissensch. zu Wien: Bd. VI. „Ueber die Chylusgefässe und die Resorption des Chylus“). Die freie Grenzschicht der Mucosa in dem Darm enthält ein mehr gallertartig festes Stroma aus Bindesubstanz, welches selbst an der Zotte durch keine feste intermediäre Membran von dem Epithelium ab- gegrenzt wird. In der Zotte sind darin die Blutgefässe und Muskelfasern eingebettet; mit diesen Theilen bildet das Stroma Hier einen Mantel, der den Binnenraum der Zotte begrenzt. Dieser Binnenraum oder die centrale Höhle der Zotte ist in eylindrischen Zotten eylindrisch, in keulenförmigen keulen- förmig; in den platten aber weniger breiten Zotten vom Wiesel und von einer Ratte erschien er, nach der Anfüllung zu ur- theilen, platt zusammengedrückt mit scharfen Rändern. Bei den genannten Thieren fanden sich in den breiten Zotten mehrere, bis vier, solcher Kanäle in parallelem Verlauf neben einander vor. Die angeblichen Randmilchgefässe in den Zot- ten des Kaninchen hat der Verf. niemals finden können. In dem Stroma und in den Binnenräumen der Zotte sammelt sich der Chylus an. Zwischen den Lieberkühn’schen Drüsen bildet er netzförmige Figuren; in der Zotte erscheint er oft in Gestalt des Binnenraums, in anderen Fällen sind die Fett- körnchen unregelmässig netzförmig angeordnet; aber auch das ganze Zottenparenchym ist bisweilen von ihnen erfüllt. 69 In welcher Form übrigens im Stroma die Körnchen angehäuft sein mögen, die entsprechenden Räume besitzen nach dem Verf. keine selbstständigen Wandungen; selbst der centrale Kanal der Zotte, obschon er durch die gleichmässigere An- füllung vor dem übrigen Zellengewebe sich’ auszeichne und bei jungen Kaninchen, Hunden, Katzen und Kälbern meist scharf begrenzt sei, lasse mit Sicherheit eine selbstständige Wandung nicht nachweisen. Die Anfänge der Chylusgefässe sind daher nach Brücke interstitielle Parenchym- räume ohne eigene Wandungen, wenn auch mit Rücksicht auf die oft bestimmt figurirten Ablagerungen ihre Bahnen in dem Parenchym selbst vorgezeichnet sein mögen.. Aus diesen interstiliellen Lymphräumen entspringen erst als weitere Fort- setzung an der Basis der Zotte und an dem Boden der Lie- berkühn’schen Drüsen die wirklichen Chylusgefässe. Beim Menschen haben sie 1-3 Centimillimeter im Durchmesser, verzweigen sich dendritisch, haben anfangs keine Klappen und erhalten dieselben erst bei ihrem Eintritt in die Muskel- schicht der Schleimhaut. Im Dickdarm stehen die Chylus- gefässe mit den Kapseln der Peyer’'schen Drüsen in Verbin- dung. Bei dem Wiesel liegt ein interstitieller Chylusraum in sack- oder becherförmiger Ausdehnung am Grunde jeder Zotte und stellte sich dem blossen Auge als ein weisser Punkt dar; er hängt einerseits mit den Chylusräumen in der Zotte zu- sammen, anderseits mit den Anfängen der wirklichen Chylus- efässe. Bei den Kaninchen gelangt der Chylus aus den otten und den interstitiellen Gewebsräumen der Schleimhaut in die die Blutgefässe umgebenden Bindegewebsscheiden und umspült also Arterien und Venen während des ganzen Ver- laufes in der Darmwand. Bei Hunden, Katzen und Schafen sind dem Verf. bisher alle Versuche, die feinsten Chylusge- fässe zur Anschauung zu bringen, missglückt. Bei der Maus sah Brücke ausserordentlich schön das interstitielle Netzwerk der Lymphräume zwischen den Lieberkühn’schen Drüsen aus- geprägt. Die Maschenlöcher waren die Lieberkühn’schen Krypten. Von Stelle zu Stelle in regelmässigen Abständen fanden sich stärkere, weisse Knoten; es waren die chylus- gefüllten Räume unter den Zotten, — die Lieberkühn- schen Ampullen. In Betreff des Baues der Chylusgefässe im Mesenterium bestätigt der Verf. grösstentheils die Beob- achtungen Weyrich’s und Kölliker’s. Beim Schweine sah der Verf. das aus deutlichen Zellen bestehende Gefässepithe- lium bei einem Gefässe, welches nur 13 Centimillimet. im Durchmesser hatte. Nach Bruch sollen alle sogenannten netzförmigen und verästelten Chylusgefässe in den Zotten Blutkapillaren sein, die molekuläre Fettkörnchen aufgenommen haben. Als An- fang der’Ohylusgefässe in den Zotten wird allein die centrale Höhle des eipekenchpeis erklärt, Dieselbe erweitert sich 70 in einiger Entfernung von der Spitze der Zotte und diese An- schwellung soll die Lieberkühn’sche Ampulle sein. Auch Bruch spricht sich gegen die Anwesenheit einer selbststän- digen Wandung des centralen Kanales der Zotte aus. In breiteren Zotten kommen auch zwei Kanalhöhlen vor. An der Basis der Zotte geht die Centralhöhle in mehrere sehr feine Chylusgefässe über, die an Präparaten gewöhnlich ein gegliedertes Ansehen haben, das wahrscheinlich von einer streckenweisen Unterbrechung des (geronnenen?) Inhaltes her- rührt (Zeitsch. f. w. Zool. Bd. V. p. 282 sq.). Leydig beobachtete in den grossen, von kleinen, hügel- artigen Auswüchsen besetzten Zungenpapillen des Fro- sches eine centrale Höhle, die er nach der Natur des Inhaltes für ein Lymphgefäss hält. Nerven fehlen den Papillen (Anat.- hist. Unters. p. 40). Der Verf. berichtet ferner, dass ganz ähnlich, wie die Glomeruli in den Harnkanälchen eingelagert sind, so auch in den Lymphgefässen der Plagiostomen, des- gleichen in den Lymphräumen des Störherzens Gefäss- büschel hineinragen. Es werden ferner diese Bildungen mit den Kapillarverzweigungen in den Peyer’schen Follikeln, in den Milzbläschen und in einzelnen Follikeln der Lymph- drüsen zusammengestellt (a. a. O. p. 24 sq.). Auch die grosse Vene, welche beim Landsalamander von der Bauchwand her zur Leber tritt, und die innerhalb eines Lymphgefässes ihre Lage hat, schickt Glomeruli in die Höhle des Lymphge- fässes hinein (a. a. ©. p.57). Bei Ceratophrys dorsata fand der Verf. sechs Lymphherzen vor; die beiden vorderen und vier hintere in der Regio ischiadiea (a. a. O. p. 58). Gefässdrüsen. E. Brücke’s Beobachtungen über den Bau der Lymph- drüsen schliessen sich am meisten an die von Ludwig und Noll, sowie zum Theil auch an die von Heyfelder und Gerlach gewonnenen Resultate an (Denksch. der Kais. Akad. zu Wien. Bd. VI.). Der Verf. unterscheidet an den Lymphdrüsen eine Rindensubstanz und eine Marksubstanz. In der Rindensubstanz liegen die eigentlichen Drüsen- Elemente, welche den Peyer’schen Kapseln vergleichbar sind. Sie haben einen mittleren Durchmesser von 0,6 bis 0,7 mm. Die Kapseln der Drüsen-Elemente werden von den mus- kelfaserhaltigen Fortsätzen der allgemeinen Drüsenhülle ge- bildet. Doch bilden diese Fortsätze nicht um jedes Drüsen- element eine besondere Kapsel, ja sie trennen sich nicht einmal überall vollständig von einander. In der Rindensub- stanz sind vorwiegend feinere Blutgefässe verbreitet. Die weiche Marksubstanz enthält fast alle grösseren Blutgefässe. Sie hat gegenüber der Rindensubstanz eine sehr verschiedene Ausdehnung nach Species und selbst nach Alter. Bei einem l 86jährigen Greise zeigte sie sich absolut und relativ der Rin- densnbstanz gegenüber vergrössert. Ihr verschiedenes An- sehen wird hervorgerufen: durch grösseren oder geringeren Blutreiehthum, durch stärkere oder geringere Ausbildung der Drüsenelemente, durch stärkere oder schwächere Muskulatur, endlich durch den Grad der Zusammensetzung der Drüse. Denn die Mesenterialdrüsen sind meist schon mehr oder we- niger zusammengesetzt, indem einzelne Fortsätze der allge- meinen Hülle, Gruppen von Drüsenelementen vollkommener von einander trennen. Die Vasa inferentia, die ihre Klappen bis zum Eintritte in die Drüse behalten, inseriren sich theils am Rande, theils an der Oberfläche der Drüse. Sie ver- schwinden dann entweder dem Auge, oder lösen sich in fei- nere Aeste auf, die sich eine Strecke lang noch zwischen den Hügeln der Drüsenelemente sichtbar hinziehen, um schliess- lich zwischen den Drüsenelementen hindurch zur Marksub- stanz vorzudringen. Diese Marksubstanz besteht aus einem Gerüste, welches durch die grossen, mit starken Adventitien versehenen Blutgefässe gebildet wird. Ein Theil der Aeste dieser Gefässe verzweigt sich kapillar in der Marksubstanz, ein anderer begieht sich zur Rindensubstanz. Mit der feine- ren Verzweigung ändert sich der histologische Charakter der Gefässwandungen, namentlich der Adventitia. In der Mark- substanz wird sie zu einem weichen Gewebe, in welchem zahlreich Cytoblasten und Zellen sichtbar werden und die Blutkapillaren liegen. Durch dieses Gewebe führen zahlreiche, vielfach anastomosirende, unregelmässige, feine, wandungslose Gänge, die dasselbe so porös, wie ein Schwamm, machen, und in denen der Chylus fortbewegt wird. Der Chylus scheint aber nicht in das Innere der Drüsenelemente vorzudringen. Wahrscheinlich sei es, dass der Inhalt der Drüsenelemente an den überall sichtbaren, gegen die Marksubstanz gewande- ten lockeren Stellen der Kapseln dem Chylusstrome beige- mengt werde. Von hier aus, sowie aus den Zellen des schwam- migen Parenchyms der Marksubstanz, — und nicht in dem Nliiessenden Chylusstrom, — muss der Chylus seine Chylus- körperchen erhalten. ach Donders sind die Drüsenelemente (Aecini) der Lyimphdrüsen an der Oberfläche vollkommen durch die schei- denartigen Fortsätze der allgemeinen Hülle umkapselt, im Innern aber nur theilweise. Er hebt gleichfalls die Aehn- lichkeit mit den Peyer'schen Drüsen hervor. An der Ober- fläche der Drüsen erkannte der Verf., bei starker Anfüllung der Lymphgefässe, ein ausgebreitetes Netz, welches mit den ein- und austretenden Gefässen zusammenbing; nur ein Theil der Lymphe würde demnach in die Drüse eingehen. Aus dem Verhalten der Fettmoleküle an Schnittehen, die yon ge- kochten und getrockneten Lymphdrüsen gewonnen waren, ersalı Donders, dass die Lymphgefässe im schwammigen 12 Gewebe nicht scharf begrenzt seien, indem Fettmoleküle in die Wandungen selbst eingedrungen waren (Nederl. Lan- cet. 1853. p. 593). — Kölliker berichtigt neuerdings seine früheren Mittheilungen über den Bau der Lymphdrüsen und schliesst sich theilweise an Brücke an. Der Verfasser un- terscheidet gleichfalls eine Rinden- und Marksubstanz, wel- che letztere an einer oder mehreren Stellen frei zu Tage tritt und die Vasa efler. austreten lässt. Die Höhlungen in der Rindensubstanz (Drüsenelemente Br.) nennt er Alveolen; — ein Name, der wohl nicht ganz passend ist, wenn man binzufügt, dass der Verfasser jede sog. Alveole von einer grossen Zahl meist sehr zarter Bälkehen und Blättehen durch- setzt findet, wodurch das Parenchym der Höhlungen zu einem zierlichen Schwammgewebe umgewandelt ward. Die Bälkchen führen Gefässe und bestehen aus spindel- und sternförmigen Zellen (?R.) In den Maschen des Schwamm- gewebes ist die Lymphe oder der Chylus enthalten. Köl- liker vermuthet, dass die Vasa inf. sich in das bezeichnete Maschenwerk öffnen; wenigstens erscheinen zur Zeit der Re- sorbtion des Chylus die mehr nach innen gelegenen Drüsen- elemente milchweiss. Bei einem Erhängten waren sogar grös- sere und kleinere Stellen an der Oberfläche der Drüse milchweiss gefärbt. Aus dem Schwammgewebe der Rinde treten die Lymphgefässe mit Wänden versehen in die Mark- substanz ein. Ganglienkörper hat der Verf. in den Lymph- drüsen nicht gefunden, wohl aber Nervenfasern. An den Wandungen der Lymphgefässe im Mark finden sich gleich- falls, wie es scheint, eireuläre Muskelfasern vor (Verhandl. d. Würzb. phys.-med. Ges. 1853). — Gerlach giebt in seinem Handbuche der Gewebelehre (p. 234) die Abbildung eines Fragmentes von einer injieirten Mesenterialdrüse der Katze, aus welcher hervorgeht, dass die intraglandularen Lymph- gefässe in der Rindensubstanz zahlreiche, seitliche Ausbuch- tungen machen. Beiträge zur Kenntniss der Schilddrüse lieferte Kohl- rausch (Müller’s Arch. 1853. p. 142 sq.). In der zähen, eiweisshaltigen Flüssigkeit der etwa le grossen Hohl- räume (Acini) finden sich meist in der Nähe der Wandung: rundliche oder rundlich-eckige kernartige Gebilde von etwa 1/60‘ im Durchm., die der Essigsäure widerstehen; ferner kernhaltige, röthlich schimmernde Zellen im Mittel von "ss im Durchm., die vereinzelt oder in Gruppen an der Wand der Höhle liegen und nicht passend für Epithelialzellen aus- gegeben sind; endlich eine oder zwei blasse runde Kugeln (sog. Proteide) von '/— iso” im Durchmesser. — Sie sind hüllenlose, homogene Substanzkugeln, die leicht ihre Gestalt verändern, indem sie hinsichtlich ihrer Konsistenz nur durch etwas grössere Zähigkeit von der umgebenden Drüsenflüssig- 73 keit sich unterscheiden. Sie bestehen wahrscheinlich aus Globulin (Kolloid? R.). Von der Glandula thyreoidea und der Thymus bei Fischen und Reptilien bemerkt Leydig, dass sie bei beiden Thiergruppen hinsichtlich der Lage und des Strukturverhal- tens im Wesentlichen übereinstimmen. Die Schilddrüse der Land- und Wassersalamander, des Olms, der Cöcilie, der Schildkröte und Natter, der Plagiostomen, Chimären und Störe, sowie der Knochenfische bestehen aus geschlossenen, von Epithelium ausgekleideten Blasen, gefüllt mit heller, zäher Flüssigkeit mit oder ohne Kolloid. Die Bläschen des Fro- sches sind isolirt von einander, ein grösseres und mehrere kleinere, in Verlauf der Zungen-Blutgefässe, und haben einen körnigen mit Fettpünktehen untermischten Inhalt. Die Thy- mus oder einzelne Portionen derselben, wenn sie zusammen- gesetzt ist, besteht bei den Reptilien, wie bei den Säugethieren und dem Menschen, aus einem Centralraum, in den die rings- herum sitzenden Follikel einmünden. Der Centralraum, wie die einzelnen Follikel sind von hellen Kernen, Zellen und Hassal’schen Körperchen angefüllt. Bei den Fischen sind die letzteren nicht vorhanden; auch die Centralhöhle ist noch nicht nachzuweisen gewesen (a. a. O. p. 66 ete.). Bei Untersuchung der Milz einer Selbstmörderin fand Kölliker auch hier die Milzbläschen von Kapillaren durch- zogen, die jedoch nicht von der Arterie stammen, sondern, wie es bereits Gerlach angab (Handb. p. 243), von anderen Seiten her hinzutreten. Dagegen hat der Verf. nunmehr ver- gebens nach jenen Formbestandtheilen gesucht, aus welchen derselbe früher auf den Untergang von Blutkörperchen in der Milz geschlossen hatte. Daher giebt es der Verf. bestimmt auf, diese Hypothese durch obige Thatsachen stützen oder begründen zu wollen; doch die Hypothese selbst möchte er nicht ganz opfern (Würzburg. Verhandl. Bd. IV. p.58 sq.). — Gerlach erklärt die Milzbläschen für Lymphdrüsen (a. a.0.). Noch einen Schritt weiter geht Leydig (Anat.-hist. Unters. p.20 u. p.46sq.). Nach diesem Verf. soll die ganze Milz für eine Lymphdrüse gehalten werden können. Wie an den Lymphdrüsen, namentlich an denen des Schweines im Verlauf der Aorta desc. thoraeica, eine rothe Pulpe und weiss- lich graue Zellenmassen (Drüsenelemente) unterschieden wer- den können, so auch in den Milzen der verschiedenen Thiere, indem die Substanz der Milzbläschen die farblosen, weiss- lichen Zellenmassen repräsentire. Etwas abweichend verhält sich die Anordnung der farblosen, zelligen Elemente bei ver- schiedenen Thieren. Bei den Säugethieren haben die Anhäu- fungen zelliger Elemente in der Tunica adventitia der Gefässe meist eine rundliche Form (Milzbläschen). Bei den Vögeln iebt es keine scharfe Grenze zwischen den Follikeln und em übrigen Parenchym, da den ersteren die geschlossene 74 Kapsel fehle. Bei den Reptilien (beschuppten) sind die Milz- bläschen wieder von derben Kapseln umschlossen, so nament- lich bei der Ringelnatter, wo eine rothe Pulpa fast gänzlich zu fehlen scheint. Bei den nackten Amphibien entbehren die grauweissen Milzpartien besonderer Umhüllungen. Bei eini- gen Fischen (Heranchus) giebt es derbhäutige Follikel, bei anderen (Plagiostomen, Stör) liegt die grauweisse Masse in der Gefässscheide in kontinuirlicher Ausdehnung und begleitet sie durch alle Ramifikationen. Die vorgetragene Ansicht Leydig’s hat Manches für sich; dennoch ist nicht zu leug- nen, dass der Verf. bei der Vergleichung zu sehr die Resul- tate vernachlässigt hat, welche die neuesten Untersuchungen Hlassek’s und des Referenten über das Verhalten des Blut- kreislaufes, namentlich der Venen in der Milz zu Tage ge- fördert haben. Die Nebennieren glaubt Leydig (a. a. ©. p. 104 sq.) ganz entschieden in den Bereich des Nervensystems zie- hen zu müssen. Man habe bei den Säugethieren bekanntlich zwei Theile zu unterscheiden. Die Rindensubstanz mit ihren fetthaltigen Zellen und die Marksubstanz, deren Zellen schon früher (doch wohl nicht ganz passend Ref.) für Ganglienkör- per gehalten worden sind. Diese beiden Substanzen finden sich bei Plagiostomen, Stören und Reptilien getrennt. Der fetthaltige Theil hält sich zur Niere und zu den Nierengefäs- sen, woselbst er als der gelbkörnige Streifen bekannt ist. Mit ihm aber in Verbindung steht der in den Ganglien des Sympathicus verborgene zweite Theil, welcher der Marksub- stanz entspricht. Denn der Verf. fand in den Ganglien der genannten Thiere regelmässig eine Partie Zellen, welche sich wegen des Gehalts an Fettkörnchen durch schmutzig gelbe Farbe auszeichnen und die sich kontinuirlich in die bisher be- kannt gewesenen Nebennieren fortsetzen. " — Ueber die Entwicklung der Milz, der Nebennieren und der Glandula thyreoidea beim Hühnchen hat Henry Gray seine Beobachtungen in den Philos. Transact. (On the development of the ductless Glands in the Chick. 1852. Pt. II. p. 295 sq.) niedergelegt. Häute. In seinen „Beiträgen zur Anatomie und Physiologie der äusseren Haut“ bemerkt Meissner (p. 1sq.), dass die Papillen sehr häufig, namentlich an der Planta pedis und Vola manus in Gruppen zu 5—S auf einer gemeinschaftlichen Basis beisammenstehen. An den zuletzt genannten Stellen sind diese Gruppen, zwischen denen sich auch einzelne ste- hende Papillen vorfinden, zu den bekannten Leistchen ange- ordnet, Die Haut des Affen (Hapalus, Cebus apella, Hylo- bates agilis) bietet hinsichtlich der Papillen sehr ähnliche gi 75 Verhältnisse dar. Aeusserst zierlich ist die Anordnung der Leistehen auf der Hand- und Sohlenfläche bei Hylobates agi- lis. Regelmässig verlaufen hier die Ausführungsgänge der Schweissdrüsen gegen die Rinnen zwischen den Leistehen und schlagen dann, wie beim Menschen eine schräge Richtung durch die Epidermis ein, um auf den Leistchen selbst sich zu öffnen. Es kommen ferner bei den Affen sternförmige Pigmentzellen in dem Papillarkörper vor. Ein ähnliches Ver- halten zeigen die Sohlenflächen bei Hunden und Katzen. Auch an den Sohlenflächen der Klauen des Haushuhns und des Puters finden sich Papillen, die jedoch nicht in Leistchen angeordnet sind; auch Schweissdrüsen hat der Verf. hier vor- en Die Anwesenheit einer strukturlosen, intermediären aut an der freien Grenze der Papillen wird von Meissner bestritten. Den am freien Rande sichtbaren Zähnchen ent- sprechen feine Querstreifen, die an frischen Papillen deutlich von-einem Rande zum anderen hinziehen und die korrespon- direnden Zähnchen beider Ränder miteinander verbinden. Die Substanz der Papillen besteht nach dem Verf. aus eigen- thümlichen Fasern (?R.), die namentlich nach Behandlung derselben mit kaustischem Natron hervortreten. Sie beginnen an der Basis der Papille, steigen konvergirend und leicht geschlängelt, oft aber auch äusserst ziekzackförmig nach der Oberfläche, um daselbst, nicht wie Kölliker angiebt, schlin- genförmig umzubiegen, sondern mit einem freien, etwas vor- springenden Ende in die Zähnchen auszulaufen. Indem auf diese Weise regelmässig ein ganzer Kreis von Fasern an die Peripherie der Papille anlangt und endigt, bilden sich da- selbst die Papille umkreisende Kämme, als deren optische Ausdrücke die Zähnehen und Querstreifen anzusehen sind. Die Oberfläche der Papillen an der Sohlenfläche des Hundes ist der Länge nach von etwa 10—14 Leistchen und Rinnen überzogen, wovon man sich an Querschnittchen überzeugt. Die Oberfläche der Papillen würde sich hier demnach ähn- lich, wie die Matrix der feinen Federn bei den Vögeln ver- halten (Ref.). Die Gefässe der Papillen sind stets einfache Schlingen, — Auf das stark entwickelte cavernöse Venennetz der Nasenschleimhaut, namentlich an dem hinteren Theile der Muschel, hat Kohlrauch von Neuem aufmerksam ge- macht. Die Schleimdrüsen liegen bier tief zwischen den ca- vernösen Gängen des Venennetzes (Müll. Arch. p. 149). Drüsen, Leydig giebt als Resultat seiner Untersuchungen über die Struktur der Leber bei Fischen (Chimära, Plagiostomen, Störe) an, dass die Leberzellen die kanalartigen Lücken einer Bindesubstanz ausfüllen, welche das Gerüste der Läppchen bildet. Beim Störe ist es ganz leicht, das homogene Binde- 76 gewebe zur Anschauung zu bringen, das die eigentliche Grund- lage von jedem Leberläppchen bildet; in den kanalförmig verzweigten Lücken derselben liegen die Leberzellen, in ein- fachen oder mehrfachen Zügen und mit ihren Flächen unmit- telbar an einander gelegt. Für das freie Auge wird durch die bestimmte Art der Blutgefässvertheilung eine deutliche Läppchenbildung hervorgerufen, d. h. eine Sonderung des bindegewebigen Grundgerüstes sammt Inhaltszellen in destinkte Abschnitte. Demnach zeigt die Leber keine wesentlichen Differenzen von der Struktur anderer Drüsen. Bei diesen haben wir Bläschen oder Schläuche, dort netzförmige Räume; hier liegen Drüsenzellen meist so, dass zwischen ihnen ein Kanal oder eine Höhle frei bleibt, dort sind die Drüsenzellen dicht an einander gedrängt. Das homogene Bindegewebe aber, das in der Leber die netzförmigen Räume bildet, setzt sich ebenso, wie bei andern Drüsen, unmittelbar in die ableiten- den Kanäle fort. Aehnlich ist das Verhalten bei der Leber des Frosches (Anat.-hist. Unters. p. 19 sq.). Für die Leber des Menschen scheint der Verf., vertrauend auf die Mitthei- lungen Kölliker’s in seiner mikroskopischen Anatomie, die Abwesenheit selbstständiger Wandungen der Gallenkanälchen doch anzuerkennen. Für die Abwesenheit besonderer Wandungen an den Gal- lenkanälchen, in welchen die Leberzellen liegen, hat sich wiederum Handfield Joues ausgesprochen (Further in- quiries as to the structure, developement and funetion of the Liver. Philos. Transact. 1853, Part. I. p. 1 sq.). Der Verf. dehnt diese Ansicht auf die Leber aller Wirbelthiere aus. Die Injektion des Gallenganges wurde mit einer Lösung von essigsaurem Blejoxyd gemacht, welches einen Niederschlag bewirkt. In den letzten Zweigen der Gallenkanälchen bei Fischen fand Jones oft eine fein granulirte, amorphe Masse, in welcher Kerne zu unterscheiden waren. In anderen Fäl- len enthalten diese Kanälchen und die zu ihnen laufenden Aeste ein klares Fluidum mit Bläschen von derselben Fül- lung. Wahrscheinlich sei das klare Fluidum die Galle, welche durch Zerstörung der Bläschen frei werde. In Betreff der Entwicklung der Leber bei Fischen, Amphibien, Vögeln spricht sich Jones dahin aus, dass das eigentliche Leberparenchym nicht durch Ausstülpung vom Darmkanal hervorgehe, sondern dass die Verbindung der Leber mit dem letzteren Organe später hinzutrete. — Für die Anwesenheit einer die Leber- zellen umhüllenden Tunica propr. hat sich neuerdings Cra- mer entschieden (Bijdrage tot de fijnere structuur der lever. Tijschrift der nederl. Maatschap. Febr. p. 85 sq.). Auf Veranlassung des Kollegen Frerichs hat Referent im Laufe des vergangenen Winters sich längere Zeit mit der Struktur und Textur pathologisch-anatomisch veränderter Le- bern des Menschen beschäftigt. Bei dieser Gelegenheit X wurde Ref. durch Präparate einer eirrhotischen Fettleber sehr überrascht. Die Leber war von der Pfortader und der Leber- vene aus mit Leim (Zinnober und Chromgelb) injieirt, ohne dass die Kapillaren sich genügend gefüllt hatten; sie war darauf gekocht und zur Anfertigung feiner Schnittehen ge- trocknet. Da die Schnittchen wegen der Menge von Fett- tropfen sich auf die Struktur‘ nicht gut untersuchen liessen, wurden sie in Aether gekocht. Die Schnittchen stellten sich nun als sehr zierliche Netzwerke dar, aus dessen Maschen die fettig degenerirten Leberzellen entfernt waren. Die Wände des Netzwerks hingen kontinuirlich mit der in Begleitung der Vena intralobularis stark entwickelten Bindesubstanz zusam- men; ja, an einzelnen Stellen waren die Wände des Netz- werkes selbst im Bereiche der Läppchen ausserordentlich mächtig, so dass durch sie jede Läppchenregion noch in Un- terabtheilungen geschieden war. An anderen Stellen und namentlich an den Rändern des Schnittehens erschienen die Wände faserähnlich und sehr dünn. So weit die kapilläre Injektion gelungen war, überzeugte man sich leicht, dass die Kapillargefässe in den Wandungen des Netzwerkes verliefen, aber — an den dickeren Partien des Schnittchens — nicht die ganze Lamelle in Anspruch nahmen, sondern freie Be- zirke zurückliessen; d. h. mit anderen Worten: die Wandun- gen des Netzwerkes waren nicht durch die Kapillargefässe gebildet, sondern sie waren die Träger derselben. Die Sub- stanz der Wandung bestand der Hauptmasse nach, — was auch die kontinuirliche Verbindung mit den bindegewebigen Scheiden der Vena interlobularis ete. lehrte — aus homoge- ner Bindesubstanz (Tunica propria), die an den diekeren Par- tien ein fein streifiges Ansehen hatte, jedoch sich nicht in Fibrillen spalten liess; Bindesubstanzkörperchen traten nicht deutlich hervor. Da nun die in jeder beliebigen Richtung et Schnittehen auf dieselbe Weise behandelt wesent- ich dasselbe zierliche Netzwerk darstellten, so leuchtet es ein, dass man es hier mit einem in Bindesubstanz gleichsam eingegrabenen komplieirten Höhlensysteme zu thun hatte, dessen Wandungen die Kapillaren führten, dessen Hohlräume von den fettig degenerirten Leberzellen erfüllt waren. Ob- gleich die Annahme nahe lag, dass dieses Höhlensystem, wenn auch die Wandungen hie und da durch Krankheit hy- pertrophisch geworden waren, doch nicht in toto gänzlich neugebildet sei, so war es doch zu wünschen, dasselbe unter Umständen darzustellen, in welchen eine Hypertrophie des Bindegewebes nicht vorlag. Gesunde Lebern taugen jedoch zu solchen Versuchen nicht; man hat kein geeignetes Mittel, die Leberzellen zu entfernen, Dagegen übergab mir Kollege Frerichs eine gewöhnliche Pettleber zur Untersuchung, in welcher keine Spur einer hypertrophischen Wucherung des Bindegewebes vorlag. Hier gelang die kapilläre Injektion 78 sehr gut, und die Schnittehen zeigten, auf obige Weise be- handelt, dieselben Bilder, die Ref. beschrieben hat, und die auch Prof. Frerichs für seinen pathologisch-anatomischen Atlas von geschiekter Hand zeichnen liess. Referent hält es daher für eine nicht weiter zu bezweifelnde Thatsache,dass auch in der normalen menschlichen Leber die Leberzellen, wie sonst die Drüsenzellen, von Wandungen eingeschlossen sind. Doch glaubt Ref., um nicht missverstanden zu werden, das Ergeb- niss dieser Untersuchungen über die Leber-Struktur in fol- gender Weise kurz so hinzustellen. Der secernirende Theil der Leber des Menschen ist als ein kavernöses Drüsenhöhlen- system anzusehen, in welchem mit Rücksicht auf die das Blut zuführenden, sowie auf die dasselbe und die Galle abführen- den Kanäle Läppchenregionen unterschieden werden müssen, wenn es auch wahrscheinlich ist, dass die Höhlen der ein- zelnen Läppchenregionen nicht vollkommen gesondert von einander bestehen. In diesem Drüsenhöhlensystem sind die isolirten Wandungen der einzelnen röhrenförmigen Drüsen- elemente durch ausserordentlich zahlreiche Anastomosen grade so untergegangen, wie dieses von den kavernösen Strukturen der Blutgefässe in der Milz, in den Corpora cavernosa pe- nis ete. bekannt ist. Die Höhlen werden also nur durch Septa getrennt, und diese Septa sind die noch erhaltenen Reste der Wandungen der Drüsenkanälchen und zeigen sich als das Gerüste des verzweigten Höhlensystems. In den Septa ver- laufen die Kapillaren, vielleicht auch Lymphgefässe und Ner- venfasern. Die Ansicht ist wohl zu unterscheiden von der allgemein verbreiteten, dass nämlich die Leberzellen mit oder ohne Tunica propria ein Netzwerk bilden, durch dessen Ma- schen die Kapillarnetze hindurchziehen. Maschen finden sich zwischen den Zügen der Leberzellen nicht; es liegen nur Septa dazwischen, grade wie zwischen dem Blute in den ka- vernösen Strukturen der Blutgefässe. Aber es ist begreiflich, dass bei starker Anfüllung der Blutgefässkapillaren und bei dem dadurch bedingten Zurücktreten der Bindesubstanzlamel- len in den Septa nothwendig der Anschein entstehen müsse, als ob die Kapillaren die gleichsam übrig gelassenen Maschen der Leberzellennetze anfüllen. Es versteht sich ferner von selbst, dass die Hohlräume des kavernösen Drüsenhöhlen- ‚systems mit den, in der Umgebung jeder Läppehenregion wurzelnden Anfängen des Ductus hepaticus in offener Kom- munikation stehen. Auch ist es dem Ref., wie vielen An- deren, gelungen, die Injektionsmasse durch den Duct. hepati- cus bis zu dem kavernösen, secernirenden Drüsenhöhlensystem der Leber zu treiben. Bei der so eben geschilderten Struktur des secernirenden Thheiles der Leber ist es endlich begreiflich, wie in Fällen, wann der Inhalt des kavernösen Höhlensystems entfernt werden kann, an Durchschnittchen so zierliche Netz- werke zu Tage treten, und auf der andern Seite ist es er- 79 klärlich, dass man im entgegengesetzten Falle das Lamellen- gerüste von so unscheinbarer, homogener Bindesubstanz nicht allein nicht darstellen, sondern sogar ganz übersehen kann. Von den Nieren bemerkt Leydig (Anat.-hist. Unters. p- 31 und p. 68 sq.), zufolge seiner Untersuchungen bei Fischen und Amphibien, dass die Kapsel der Glomeruli weder das blinde Ende eines Harnkanälchen, noch eine seitliche Ausstülpung desselben (Gerlach) darstelle, sondern als er- weiterte Stellen (Bidder’s Ampullen) im Verlaufe der Harn- kanälchen anzusehen seien. In diesen erweiterten Stellen liege ferner der Glomerulus so, dass er von der Tunica pro- pria des Harnkanälchens umfasst werde und dieser einge- stülpte Theil bilde somit die Kapsel, dessen Innenfläche von dem Drüsenepithel bekleidet sei. Obgleich hiernach der Ge- fässknäuel ausserhalb des Kanälchens liegt, ‚wie es Bidder angiebt, so beschreibt der Verf. die Lage des merulus doch so, wie wenn letzteres innerhalb sich befände. In den histologischen Studien, angestellt an der Leiche einer Selbstmörderin, unterschied Kölliker „ziemlich bestimmt“ drei Formen von Magendrüsen, nämlich: einfach schlauchför- mige mit Labzellen, ferner zusammengesetzt-schlauchförmige mit eben solchen Zellen, die Henle bekanntlich traubig- blind- darmförmige geannk, und endlich zusammengesetzt-schlauch- förmige der Pyloruszone, die mit kurzen Cylinderzellen an- gefüllt sind (Würzb. Verhandl. Bd. IV. p.53 sq.). Die Ausführungsgänge der Drüsen mit besonderer Berücksichtigung der darin vorkommenden Muskelfasern hat A. J. Tobien zum Gegenstande seiner Untersuchungen ge- macht (De glandul. duetibus efferentibus ratione imprimis ha- bita telae museul. Dorpati Liv. 1853. Svo. cum tabula una). Glatte Muskelfasern kommen vor: in den Ausführungsgängen der Speicheldrüsen, im Ductus Wirsung. beim Rinde, in der Gallenblase, in dem Ausführungsgange der Leber beim Rinde, im Duct. choledochus der Menschen, in den Vasa deferentia, im Ureter. Das Muskelgewebe fehlte überall in den Ausfüh- rungsgängen der Hautdrüsen und in den Duct. eff. und Ab- leitungskanälen der Thränendrüse, in dem Stenson’schen Gange der meisten Menschen, im Duct. hepatic. und eysticus des Menschen, des Hundes, des Pferdes, der Katze. Ein einziges Mal fanden sich auch im Stenson’schen Gange des Menschen Muskelfasern vor. Während Kölliker beim Kalbe keine Muskelfasern in diesem Ausführungsgange sah, unterscheidet der Verf. beim Rinde drei Schichten, von welchen die innerste eireulär angeordnet ist. Auch in dem Bartholin’schen Gange kamen in einem einzigen Falle Muskelfasern vor. Beim Rinde zeigen sich auch im Pankreatischen Gange Muskelfasern, und zwar in der Nähe der Ausmündung. Desgleichen ist bei die- sem Thier auch der Ductus hepaticus und eysticus durch Muskelfasern ausgezeichnet. Bei der Gallenblase beginnen s0 die Muskelfasern hart an der freien Grenze der Mucosa gegen das Epithelium hin. Die nach allen Richtungen verlaufenden Faserzüge nehmen hier in der Nähe der Ausmündung einen eireulären Verlauf an, so dass der Verf. mit Glisson und Duverney gegen G. H. Meyer für die Existenz eines be- sonderen Sphincter vesicae felleae sich ausspricht. Im Duct. choledochus der Menschen stellen sich die Muskelfasern erst gegen das letzte Drittheil des Ganges ein, und zwar liegen die Längsfasern nicht, wie im Darm nach aussen, sondern nach innen. Tobien beobachtete ferner nicht blos in der Nähe der Blase, sondern im Verlauf des ganzen Ureter ausser der stärkeren, äusseren eireulären Schicht zwei nach innen gelegene Längsschiehten von Muskelfasern; ein besonderer Sphincter ureteris (Kölliker) in der Nähe der Ausmündung in die Blase war nicht zu beobachten. Sehr auffallend und den meisten biSherigen Angaben entgegen ist die Mittheilung des Verfassers, dass in den Ausführungsgängen, die Vasa de- ferentia ausgenommen, die eireuläre Muskelschicht nach aus- sen, die longitudinale nach innen gelegen ist. Neben Muskel- fasern kommen, von der Bindesubstanz ete. abgesehen, auch elastische Fasernetze in dem Stratum mucosum der Ausfüh- rungsgänge vor; ihre Menge nimmt jedoch in dem Grade ab, als die Muskelfasern überwiegen und umgekehrt; beim Rinde, dessen Drüsen- Ausführungsgänge durch Anwesenheit von Mus- kelfasern vor anderen Säugethieren und vor dem Menschen ausgezeichnet sind, tritt das elastische Gewebe sehr in den Hintergrund und fehlt in den Vasa deferentia gänzlich. Die Disposition der elastischen Fasernetze ist nicht beständig; meist aber fanden sich die eireulären Schichten nach innen. Handbücher und Hülfsmittel. R. B. Todd: The eyelopaedia of anatomy and physiology. Part. XLO. u. XLIM. ‚ u se = Boon Hayes Lectures on histologieal anatomy and mi- eroscopical manipulation, Med. Times and Gazette. Jan.— Aug. J. Gerlach: Handbuch der allgemeinen und speciellen Gewebelehre des menschlichen Körpers. 2te Aufl. Mainz. 8. C. Robin et F. Verdeil: Traite de chimie anatomique et physiologique normal et pathologique. Par. 8. avec Atlas. J.V.Carus:System d.thierischen Morphologie. Leipz.1853.8. Fick: Ueber eine Methode mikroskopische Objekte mathe- matisch genau zu zeichnen und insbesondere deren Flächen- räume zu messen. Zeitschr. f. rat.Med. Bd.II. p.273sq. Taf. IX. Lionel S. Beale: New methods of eonstructing the thin glass and built cells for preserving objects in Auid. Quarterly Journ. of microscop, Science. Oct. 1852. p. 54. Ueber die Psorospermien. Von N. LIEBERKÜHN. (Hierzu Taf. I. und II.) Die Nieren mancher Frösche sind in der Weise abnorın ver- ändert, dass die Substanz der einen Hälfte durch ein gelb- liches oder weisses, mit eingestreuten oft nadelkopfgrossen Cysten versehenes, festes Gewebe ersetzt ist. Die abnorme Neubildung grenzt sich nur durch die Farbe gegen das ge- sunde Nierengewebe ab, und erscheint im Uebrigen als eine ununterbrochene Fortsetzung des letztern. Die Nebenniere ist noch vorhanden, wird aber dem ganzen Längsdurchmesser nach auf ihrer einen Seite ausschliesslich begrenzt von dem neuen Gebilde. Die wesentlichen Bestandtheile desselben sind Oysten mit kör- nigem Inhalt, Cysten mit psorospermartigen Körnchen, Cysten mit letzteren und körnigem Inhalt zugleich, sich bewegende und nicht bewegende amöbenartige Körperchen. Die Cyste, welche den körnigen Inhalt einschliesst, besteht aus concentrischen La- gen von Bindegewebe und bietet beim Druck einen weitgeringern Widerstand, als die Cystenmembran der Trematoden, welche sich bisweilen in dem Peritonäalüberzuge der Nieren vorfin- den. Den Inhalt bilden theils sphärische, theils unregel- mässig geformte Körnchen, welche in ihrer Grösse denen der Gregarinen im Allgemeinen gleichen. Bisweilen ist der In- halt in kugeligen, ovalen und spindelförmigen Haufen abge- lagert, welche öfters unversehrt aus dem Behälter entfernt Müllers Archiv. 1854, . ’ “ werden können; die Körnchenhaufen sind theilweise einzig und allein von einer schleimigen Substanz zusammengehalten, anderntheils aber sind sie von einer durchsichtigen, struetur- losen Hülle umgeben und haben die Grösse der gleich näher zu beschreibenden psorospermartigen Körperchen. Die Grösse der Cysten, welche psorospermartige Körperchen enthalten, ist dieselbe wie die der vorigen Form; sie schwankt eiwa zwischen 1, — 1%; im grössten Durchmesser. Die psoro- spermartigen Körperchen haben ungefähr 0,02” im Längs- und 0,01’” im Querdurchmesser; sie sind in der Form den Pseu- donavicellen der Regenwürmer ähnlich, nur weniger zuge- spitzt; die Umhüllungshaut ist anscheinend durchweg gleich stark, durchsichtig ohne jede wahrnehmbare Spur von Strei- fung und Structur. Der Inhalt weicht von dem der Pseudo- navicellen bedeutend ab; er besteht aus drei oder vier, selten mehr glashellen Körperehen, welche keine sichtbare Organi- sation haben und entweder cylindrisch, oder kugelförmig oder oval erscheinen; in einem und demselben psorospermartigen Körperchen sind sie meist gleich gestaltet, doch kommen auch die verschiedensten Combinationen von den angeführten Gestalten vor; ausserdem ist gewöhnlich ein körniger kuge- liger Körper darin enthalten, welcher eine durchaus eigen- thümliche Bedeutung hat und nur in seiner Grösse beinahe den übrigen gleichkommt; zuweilen sind statt seiner nur freie feine Körnchen vorhanden, welche eine lebhafte Molekular- bewegung besitzen. Die Cysten mit psorospermartigen Körperchen und kör- nigem Inhalt zugleich enthalten freie unregelmässig gelagerte Körnchen, die oben erwähnten Körnchenhaufen mit und ohne Haut, psorospermartige Körperehen, in denen die Körner- masse bereits in drei oder mehrere Abtheilungen zerfällt, welche die diaphanen Kugeln und Stäbchen schon andeutungs- weise zeigen, ferner psorospermartige Körperehen mit deut- lichen Stäbchen und einer grössern Körnerkugel, endlich pso- rospermartige Körperchen der gewöhnlichen Art. Manche Cy- sten enthalten viel körnigen Inhalt und wenig psorospermartige 3 Körperchen, andere wenig körnigen Inhalt und viel psoro- spermartige Körperchen. Ueber das weitere Schicksal der psorospermartigen Kör- perehen beobachtete ich Folgendes: in einem derselben, wel- ches mitten inne zwischen einer grosse Menge lag, beganuen die diaphanen Stäbchen eine langsame Bewegung herauf und herab, sie beugten sich in der Mitte ihres Körpers knieför- mig, wenn sie an der Spitze des Behälters angekommen wa- ren und kehrten wieder um, gelangten bis an die entgegen- gesetzte Spitze, krümmten sich wieder und kehrten zur an- dern Seite zurück; die körnige Kugel wurde dabei hin- und her gedrängt. Nun dehnten sich die Stäbchen auffallend aus, wurden nahezu kugelförmig und füllten die ganze Psorosper- mienschaale aus, so dass man sie nieht mehr einzeln er- kannte; da zersprang die Hülle, es trat zuerst die körnige Kugel heraus, dann kamen die diaphanen Körperchen in Ku- gelgestalt hervor eins nach dem andern, es waren diess Mal ihrer drei; vor der leeren Hülle zogen sie sich äusserst lang- sam zusammen, dehnten sich wieder aus, eines bildete einige Male stumpfe Fortsätze, zog sie wieder ein und damit ver- schwand jede weitere Bewegung. Die körnige Kugel blieb von Anfang an unverändert. Leere Schaalen fanden sich häufig. Nimmt man einen beliebigen kleinen Theil der Geschwulst der Niere, zerfasert ihn und bringt ihn gehörig zubereitet unter das Mikroscop, so entdeekt man darin meist eine grosse Menge von amöbenartigen Körperchen, theils körnerlose, theils körnerhaltige; die kleinsten sind etwa so gross, wie die noch in der Psorospermschaale enthaltenen Kugeln; die grössten kaum 0,02” im grössten Durchmesser. Viele führen deutlich ihre Bewegungen aus; sie schieben diaphane stumpfe Fort- sätze vor, bisweilen einen, bisweilen mehrere, oft an verschie- denen Stellen gleichzeitig, dann ziehen sie die Fortsätze wie- der ein, einen nach dem andern, bilden wieder neue, ziehen auch diese wieder ein und das geht so fort oft über eine Viertelstunde lang; endlich liegen sie still, schwellen an- scheinend etwas auf, bilden dabei mitunter Vacuolen und zer- fliessen zuletzt in dem zugesetzen Wasser. Bei den körner- + 4 haltigen sieht man Körner von verschiedener Grösse, einige enthalten so feine, dass man sie selbst bei den stärksten Vergrösserungen nur mühsam erkennt, andere wieder so grosse, dass sie denen der körnerhaltigen Cysten annähernd gleichkommen. Die annöbenartigen Körperchen sind entwe- der farblos oder zeigen einen leicht gelblichen Schimmer. Das Vorschieben der Fortsätze wie das Einziehen dersel- ben geht in der Regel so langsam, dass man die Bewegung selbst nicht sehen kann, sondern nur aus dem veränderten Zustande schliessen muss; bisweilen ist sie jedoch auch di- rect zu beobachten. Spitz sind die Fortsätze selten, welche sie bilden, etwa so wie die der amoeba radiata. Sonst zeigen diese Körperchen keine Spur irgend einer Organisation, auch keinen Kern. Unter den körnerhaltigen amöbenartigen Körperchen kom- men Exemplare vor, welche einen deutlichen Kern enthalten, sonst aber jenen gleichen; sie haben die eigenthümliche Weise, Fortsätze zu bilden und wieder einzuziehen, sie haben dieselbe Grösse und Gestalt der Körner, und häufig auch die gelbliche Färbung. Der nucleus besteht aus einer voll- kommen strueturlosen Substanz und setzt sich deutlich gegen die übrige Masse ab. Die kernhaltigen amöbenartigen Körperchen wurden zu mehreren Malen in einer abnormen Niere gefunden; sie maassen etwa '/,“ im Längs- und '/,,” im Querdurchmesser. Ihre Umhüllungsmembran kann nur sehr dünne sein, und es gelang bisher noch nicht, sie zu isoliren. Die Körner wer- den von einer schleimigen oder eiweissartigen Substanz zu- sammen gehalten. Der Kern ist kugelförmig, etwa 0,01 sein grösster Durchmesser und enthielt in sämmtlichen bisher gesehenen Exemplaren noch zwei wie nucleoli aussehende Gebilde in sich, eine Erscheinung, die man bei vielen Grega- rinen des Regenwurms kennt. Die oben beschriebenen bedeutenden Ablagerungen von Cysten mit psorospermartigen Körperchen und verwandten Gebilden in den Nieren der Frösche sind eine seltene Er- scheinung; unter etwa ein Tausend - Nieren fand ich vier 5 solcher Exemplare vor. Häufiger begegnet man sparsamer in die Nierensubstanz eingestreuten Cysten; am besten sind sie immer auf der Seite der Nieren zu entdecken, auf wel- cher die Nebenniere liegt. Bisweilen sind es nur Cysten mit psorospermartigen Körperchen, andere Male ausschliesslich Behälter mit körnigem Inhalt, gewöhnlich Beides zugleich. Die amöbenartigen Körperchen ohne Kern sieht man oft, mitunter in dichten Haufen beisammen, aber kernhaltige ge- hören zu den Seltenheiten. Unter zehn Fröschen eignete sich meist einer zur Untersuchung. Leydig hat neuerdings Beobachtungen mitgetheilt, aus denen er den Zusammenhang der Fischpsorospermien mit den Gregarinen erschloss. Die von ihm für Gregarinen aus- gegebenen regungslosen Gebilde können jedoch schon des- halb nicht für Gregarinen ohne Weiteres gehalten werden, weil ihnen der Kern fehlt. Jedenfalls entwickeln sich aber in diesen die von ihm beschriebenen Psorospermien, die er in Bläschen eingeschlossen innerhalb der Körnerbehälter vorfand. Ich habe zü wiederholten Malen an den Kiemen von esox lueius Oysten gefunden, welche ausschliesslich dieselbe Kör- nermasse enthielten, die bereits Johannes Müller, der Ent- decker der Psorospermen der Fische, gleichzeitig mit den Psorospermien in einer Cyste beobachtete. Die Körner wa- ren anscheinend gleichmässig durch die ganze Cyste vertheilt. In wenigen Behältern lagen sie jedoch zu kleinen Haufen vereint; als ich einen solchen zerdrückte, fand ich durch eine gelatineuse Substanz zusammengehaltene, membranlose Körn- chenkugeln, ferner kugelige Gebilde von etwa gleicher Grösse, welche zwei Kugeln in sich einschlossen, deren jede die An- deutung von zwei Kernen enthielt, endlich zwei reife Psoro- spermien gemeinsam in einer feinen Hülle, was auch schon Johannes Müller kannte, ausserdem noch viele vereinzelte Psorospermien. Diess würde im Wesentlichen eine Wieder- holung der Leydig’schen Beobachtungen sein. Es fiel mir häufig auf, dass mit den Psorospermien zu- gleich sehr kleine amöbenartige Körperchen zur Untersuchung kamen, wenn ich von den Kiemen Cysten zur Untersuchung SS 6 entnahm, jedoch konnte ich niemals einen Zusammenhang nachweisen. Endlich bot sich die Gelegenheit. Ich fand in dem Auge von Cyprinus tinca eine unmittelbar der Cornea von innen anliegende Cyste, ich präparirte sie mit einem Stück der Cornea heraus, ohne sie dabei zu zerstören; in diesem Präparat fand ich unter dem Mikroskop nichts weiter vor, als das Stück Hornhaut mit der Cyste und einigen Zellen und Bindegewebsfasern aus den verschiedenen Theilen des Auges; von lebenden Wesen sah ich keine Spur. Jetzt zer- drückte ich die Cyste mittelst eines gelinden Druckes auf das Deckglas und beobachtete nun Folgendes: gewöhnliche Psorospermien in grosser Anzahl theils mit theils ohne die schwanzartigen Anhänge; Psorospermien, deren Hülle nicht mehr glatt, sondern faltig war und deren bläschenartige Kör- per an ganz ungewöhnlichen Stellen und nicht mehr neben ‘einander lagen; einzelne Hüllen enthielten nur einen solchen Körper und zwar mehr oder weniger zugespitzt, andere wa- ren leer; ferner fanden sich eine Anzahl freier Kerne, welche die keulenförmige Gestalt der innerhalb des Psorosperms lie- genden bewahrt hatten, und endlich sehr viele kleine amö- benartige Körperchen von diaphaner Substanz ohne körnigen Inhalt, theilweise sich deutlich obwohl langsam bewegend, mit stumpfern und spitzern Fortsätzen versehen. An den Kiemen von cyprinus brama fand ich im Monat November neben den bekannten Psorospermieneysten auch solche vor, welche ausser den Psorospermien amöbenartige Körperchen in bedeutender Anzahl enthielten. Letztere wa- ren theils körnchenfrei, theils körnchenhaltig. Die Körnchen waren äusserst klein und erschienen durch eine schleimartige Masse zusammengehalten. Die Fortsätze waren eher spitz als stumpf und die Gestaltveränderungen der Körperchen sehr mannigfaltig. In ihrer Grösse kamen sie noch nicht den Blutkörperchen des Cyprinus gleich; die körnerfreien waren meist kleiner, als die körnerhaltigen. Bisweilen kamen Cysten vor, welche ausschliesslich amöbenartige Körperchen enthiel- ten. Die Cystenmembran war so durchsichtig, dass die darin - L befindlichen Gegenstände fast ebenso deutlich wie nach dem Ausdrücken erkannt werden konnten. Einzig in ihren Eigenschaften steben bis jetzt die Psoro- spermien der Kaninchen da. Dass die viel besprochenen, von Hake entdeckten, in der Leber und im Darmkanal der Ka- ninchen vorkommenden Körperchen nicht Eier sind, wie viel- fach geglaubt wurde, das beweist ihre Entwicklungsgeschichte. Auf der äussern Wand des Dieckdarms mancher Kaninchen (unter sechzig Exemplaren zeigten es drei, während etwa zwanzig an andern Theilen Psoröspermien enthielten) be- merkt man eine grosse Zahl feiner gelblicher, dicht neben einander liegender, noch eben mit blossen Augen sichtbarer Körnchen, welche sich leicht nach Abtrennung des Perito- näalüberzuges mittels einer Pincette und spitzen Scheere herausnehmen lassen. Das Mikroskop gab darüber folgende Auskunft: es sind Cysten mit einer äusserst dünnen, zu- weilen sich etwas ablösenden Umhüllungsmembran, welche schon Remak in seinen diagnostischen Untersuchungen er- wähnt; die Cysten enthalten alle hierher gehörigen Gegen- stände; die einen sind von einer feinkörnigen Masse anschei- nend gleichförmig erfüllt; andere enthalten diese Körner in etwa gleich grosse kugelige und ovale Haufen von der Grösse der Psorospermien vertheilt, andere zeigen die ovalen Hau- fen ınit einer durchsichtigen Membran umgeben, diess sind schon Psorospermien; in manchen Psorospermien setzt sich der körnige Inhalt gegen die Hülle mehr und mehr ab, in vielen nimmt er nur den mittlern Theil ein und erscheint als der bekannte Kern des Psorosperms. Völlig abweichend ist aber die weitere Verändernng des Kerns. In den Gallengängen begegnete ich zu wiederholten Malen kugeligen Gebilden, welche dem Kern theils an Grösse glichen, theils ihn übertrafen; in den Eigenschaften des In- haltes konnte ich nichts Characteristisches wahrnehmen. Amö- benartige Bewegungen waren nicht zu entdecken. Nach Zu- satz von Wasser platzten sie und wurde deshalb Galle bei der Untersuchung angewandt. Ueber ihr weiteres Schicksal ist mir Nichts bekannt geworden. Merkwürdig ist eine Ent- B) deckung, welche Kauffmann in einer Inauguraldissertation 1847 mittheilte. Kauffmann liess. reife Psorospermien mehrere Wochen im Wasser liegen und bemerkte alsdann, dass der Kern sich in drei oder vier Kugeln getheilt hatte, aus welchen neue Psorospermien hervorgingen, welche nach seinen Worten und Abbildungen vollständig die Gestalt der alten annehmen. Die Theilung des Kerns hat ihre Richtig- keit, aber alle andern Angaben über den fernern Zustand der neuen Gebilde sind unvollständig. Nachdem die Theilung Statt gefunden hat, nehmen die Kugeln eine ellipsoidische Gestalt und die Form von Psorospermien an. Nun hellt sich der gleichmässige äusserst feinkörnige Inhalt an den Spitzen der Körperchen auf, setzt sich in denselben als eine kleine diaphane Kugel ab und in der Mitte bleibt eine etwa ebenso grosse körnige Kugel oder linsenförmiges Körperchen zurück. Diese drei Gebilde sind bei hinreichend entwickelten Exemplaren auffallend deutlich zu erkennen. Einige Mal sah ich solche frei im Wasser, worin die Psorospermien auf- bewahrt wurden; ich kann aber nicht angeben, ob sie in Folge vorgeschrittener Entwicklung oder gewaltsam aus ihrer Hülle herausgekommen waren. Die zwei diaphanen Körper- chen habe ich noch nicht sich bewegend und nicht auskrie- chend gesehen, wie diess bei den drei amöbenartigen Kör- perchen innerhalb ihrer Umhüllungsmembran bei den Fröschen geschehen ist. Eine hiervon völlig abweichende Veränderung hatten Ka- ninchenpsorospermien erlitten, welche in einem andern Ge- fäss mit Wasser mehrere Monate hindurch gelegen hatten. In einigen war der Kern in seinem Centrum von der auch im frischen Zustande vorkommenden körnigen Masse erfüllt, in der Peripherie aber lagen sechszehn diaphane Kügelchen, in andern weniger, die geringste Zahl war sechs; je weniger es waren, desto grösser waren sie in der Regel. In andern Psorospermien lagen zwei kleinere Kerne, deren jeder in seinem Centrum eine feinkörnige Kugel enthielt und nahe seiner Oberfläche vier bis sechs diaphane Körperchen. In wieder andern Psorospermien fanden sich drei noch kleinere E3 $) Kerne und jeder enthielt in seiner Mitte eine Körnerkugel und an der Oberfläche zwei, drei oder vier diaphane Kör- perchen. Endlich beobachtete ich einige, die vier kleinere Kerne bargen, ein jeder mit drei oder vier diaphanen Kör- perchen an der Oberfläche und einem Körnerhäufehen in der Mitte. Die Bildung der kleinen Kerne aus dem grossen Kern geht ähnlich vor sich, wie die Furchungskugeln im Dotter entstehen. In einigen Psorospermien fanden sich Kerne, wo die Furchung eben begonneu hatte, der Kern hatte sich in zwei, drei oder vier Theile abgeschnürt, welche nach der Mitte zu zusammenhingen. Die diaphanen Kugeln waren schon sichtbar. Von Fettkügelchen unterscheiden sie sich auf den ersten Blick durch ihr viel schwächeres Licht- brechungsvermögen. Völlig unbekaunt ist mir geblieben, was aus den Psoro- spermien von Gasterosteus wird. In der Haut dieses Fisches fand Gluge Cysten von völlig structurlosen granula erfüllt, welche eine bedeutende Aehnlichkeit mit denen der Gregari- nen haben; Johannes Müller bestätigte diese Entdeckung. Ich untersuchte ungefähr ein Hundert cystentragender Exem- plare, die aus der entsprechenden Zahl gesunder Stichlinge ausgesucht waren; unter zehn Fischen war im Frühjahr un- gefähr einer brauchbar, im Spätherbst dagegen nur einer un- ter etwa ein Hundert. Die Cysten hatten eine sehr verschie- dene Grösse; die grössten fallen sogleich auf, die kleinen sind nur bei grosser Aufmerksamkeit zu entdecken; sie sind von sehr unregelmässiger Gestalt, meist stäbehenförmig, und enthalten gewöhnlich die von Gluge erwähnten structurlosen Körner; wenige enthielten Gebilde mit deutlicher Structur und den an Psorospermien erinnernden Eigenschaften, wes- halb ich sie auch so benennen werde. Sie sind sämmtlich nahezu kugelförmig und etwas kleiner, als die gewöhnlichen Psorospermien; sie bestehen aus einer durchsichtigen Hülle, innerhalb deren ich bis jetzt drei Formen des Inhaltes beob- achtete, nämlich in einigen eine einzige kleine Kugel, welche nicht #0 gross war, dass sie mit ihrer Oberfläche die Um- hällung erreichte; in andern lag zwischen der Umhüllung 10 und der Oberfläche dieser kleinen Kugel eine geringe Menge äusserst feiner Körnchen; in wieder andern schien die Kugel sich getheilt zu haben, es waren drei oder auch vier kleinere vorhanden. Mehrere unter den kleinern Cysten enthielten eine weit feinkörnigere Masse, als die durch Gluge bekannt gewordenen; etwas bestimmtes vermochte ich darin nicht zu entdecken. Die grössten Cysten fand auch ich bis jetzt nur mit Gluge’s structurlosen Körnern versehen. Jedenfalls sind diese Thatsachen noch nicht ausreichend, um eine Ent- wicklungsreihe festzustellen. Die von Robin neuerdings beschriebenen Psorospermien einiger Seefische verhalten sich in jeder Hinsicht wie Trema- todeneier. Herr G. R. Wagener hat eine Notiz über ein Monostom beigefügt, welches solche liefert. *) *) Während meines Aufenthaltes in Nizza habe ich (Juli 1850) Ge- legenheit gehabt, fünf Exocoetns exsiliens zu untersuchen; zwei von ihnen enthielten ein Monostom in Cysten, der eine in der Leber, der andere in der Augenhöhle. In der letztern fand ich ein lebendiges Exemplar, das ich jedoch nur in Bruchstücken erhielt; den Kopf und Theile des Leibes habe ich frisch untersuchen können; den Schwanz habe ich nicht gefunden; das Convolut der mit der Cystenwand ver- wachsenen nur noch an den Eiern erkennbaren Monostomenleiber machte es mir unmöglich, das lange feine Thier unverletzt zu erhalten. Dujardin hat in seinem Helminthenwerke pag. 362 eine Characte- ristik von seinem Monostomum filum aus dem Darme von Scomber scombrus gegeben, ‚die sich auf das von mir gefundene sehr wohl an- wenden lässt, weshalb ich auf Dujardin verweise. In beifolgender Figur, 260 Mal vergrössert, bezeichnet @. den ovalen Kopfnapf, den das Thier wie Monostomum mutabile einzog; b. ist der gleich darauf folgende runde Schlundkopf; 5!. der Oesophagus; c. der Anfang des Darms; gf. zwei zu beiden Seiten des Oesophagus liegende ganz helle Schläuche zum Exeretionsorgane oder Gefässsysteme gehörig; e?. der aufsteigende (?) Uterus in seinen untern Partien; er war mit farblo- sen unreifen Eiern erfüllt; e? heraufsteigender Theil. Letzterer mündet in b. neben dem Kopfnapfe aus. Er war theils mit Samen theils mit Eiern gefüllt. Ich habe weder an diesen noch an andern Stellen Etwas gefunden, was man für einen Penis halten konnte; e”'. Eier. 400 Mal vergrössert, von gelber Farbe; ». der Embryo. Ich fand ihn immer ohne Bewegung und Wimpern, nur um den Kopf fanden sich bei allen mehr oder minder deutlich 6—10 feine Stacheln oder Haken, 1 Die Gründe, welche Robin beibringt, um die vegetabi- lische Natur der Psorospermien zu beweisen, sind, abgesehen von den in der vorstehenden Abhandlung mitgetheilten, nicht dafür sprechenden Thatsachen, doch nicht stichhaltig. Sie sind nach ihm Pflanzen, 1) weil sie zum Theil einen aus Oeltröpfehen und einer homogenen Substanz bestehenden Inhalt besitzen. Das haben aber auch viele Eier; 2) weil sie zum Theil aufspringende Deckel haben. Das- selbe findet man bei den Trematodeneiern; 3) weil sie aus Cellulose bestehen. Die Existenz der Cellulose glaubt Robin durch die Löslichkeit der Substanz in concentrirter Schwefelsäure dargethan zu haben. Der Ver- such mit Jodlösung und Schwefelsäure misslang ihm. In con- centrirter Sehwefelsäure lösen sich indessen auch viele an- dere Substanzen. Aber selbst wenn Cellulose vorhanden wäre, so bewiese das immer noch Nichts für die vegetabili- sche Natur, da Sehmidt ihre Anwesenheit bei Ascidien, Kölliker und Löwig aber bei der ganzen Klasse der Tunica- ten dargethan haben, und zwar mit allen denjenigen Mitteln, welche die chemische Untersuchung darbietet; 4) weil sie auf-Robin den allgemeinen Eindruck von pflanzlichen Gebilden machen. Dagegen lässt sich ebenso- wenig sagen, wie dafür. Bereits vor einer Reihe von Jahren hat Valentin im Blut von salmo fario eine grosse Anzahl von Amöben ge- sehen; diess geht wenigstens aus der Beschreibung hervor; Gregarinen konnten es nicht sein, weil die Thiere keinen wie ein Tänienhakenkranz. Das Thier war eylindrisch; eine nackte structurlose Haut umgab es; am Kopfe wurde sie dünner, Durch die Fasern des Leibes hindurch waren viele feine Fetttröpfchen zerstreut. In den Rückenmuskeln von Brama Raji fand ich am 19. September 1850 ein diesem sehr ähnliches Thier, Ich konnte aus dem schon oben erwähnten Grunde es nur in Fragmenten erhalten. Die Eier hatten keine Embryonen. 12 Kern besassen. A. F.J. C. Mayer fand im Froschblut ein bewegliches Wesen, welches er Amoeba rotatoria nennt; ich habe dasselbe mehrmals angetroffen, und zwar sowohl im Blut als in der Nierensubstanz. Es bewegt sich indessen nicht, wie die Amoeben pflegen, sondern zeigt die eigenthüm- liche Bewegung einer undulirenden Membran und weicht so- mit ganz ab von den Amöben, was bereits v. Sıebold be- merkt hat, der es nicht einmal für ein Thier hält. Im Darm der Frösche finden sich öfters Amöben, und zwar bisweilen in erheblicher Menge; sie bewegen sich in derselben Weise wie die längst bekannten Formen durch Bildung stumpfer Fortsätze und haben einen Inhalt von durchscheinender Kör- nern, uuter denen sich nicht selten eines durch besondere Grösse auszeichnet. Ihre Ortsbewegung ist ziemlich schnell und gar nicht in Vergleich zu stellen mit der, welche die oben beschriebenen amöbenartigen Körperchen ausführen. Trotz vielfach wiederholter Beobachtungen ist es mir nicht gelungen, die Aufnahme fremder Körperchen bei ihnen zu finden; auch Selbsttheilung sah ich nie. Die Fortsätze, wel- che sie bilden, sind denen gleich, welche man bei der Amoeba verrucosa Ehrenberg’s beobachtet. Indessen wage ich es nicht, ihre Identität mit derselben zu behaupten. Im Darm der Frösche fand ich auch einige Male Pseudonavicellen der Regenwürmer in verschiedenen Entwicklungsstufen, bisweilen auch noch innerhalb ihrer Behälter vor; die gleichzeitig vorgefundenen Borsten von Regenwürmern deuteten ihren Ursprung an. Auch v. Frantzius entdeckte Pseudonavi- cellen und zwar von einem Insect in den Eingeweiden der Frösche. — Bei der Untersuchung der amöbenartigen Körperchen in den Nieren der Frösche und an den Kiemen der Fische fiel mir die grosse Aehnlichkeit derselben mit den farblosen Blut- körperchen auf. Ich unterwarf deshalb diese einer genauen Beobachtung. Henle giebt in seiner allgemeinen Anatomie S. 442 über die der Frösche Folgendes an: „Sie sind kleiner, als die far- bigen Körperchen, beim Frosche 0,005“ im Durchmesser, 13 aber fast um das "Doppelte grösser, als die Kerne der letz- tern, kugelig, jedoch nicht vollkommen kreisrund, sondern etwas plattgedrückt, auch unregelmässig, keulenförmig, mit- unter fast noch einmal so lang als breit; sie haben eine schwach körnige Oberfläche, ähnlich den grössern Kügelchen der Lympfe und gleich diesen verändern sie sich in Wasser nicht oder langsam.“ Diess ist alles vollkommen richtig; in solchem Zustande findet man diese Körperchen vor, aber dieser Zustand ändert sich während der Beobachtung. Beobachtet man in einem Blutstropfen, z. B. ein keulenförmiges eine Zeit lang, so geht es, meist ohne dass man die Bewegung direet sieht, sondern nur aus den Folgen schliessen muss, in die kugelige Form über, diese wieder in die ellipsoidische, diese wieder in die keulenförmige; oder aber ein kugeliges Körperchen streckt allmälig einen Fortsatz vor, zieht ihn wieder ein, streckt einen neuen an einer ganz andern Stelle heraus, zieht auch diesen wieder zurück, entsendet gleich- zeitig mehrere neue an entgegengesetzten Orten, theils klei- ner, theils etwa ebenso gross, selten grösser, als der Durch- messer des Kügelchens selbst, und zieht einzelne oder alle wieder ein. Ein anderes Mal fliesst die ganze Kugel aus einander und zieht sich alsbald wieder zusammen. Auch Vacuolen bilden sich bisweilen und verschwinden äusserst langsam, nicht so wie die rhythmisch wiederkehrenden Zu- sammenziehungen der contractilen Bläschen der Infusorien. Ich habe wohl die Möglichkeit einer Täuschung erwogen, welche dadurch entstehen konnte, dass die Körperchen sich während der Beobachtung herumdrehen und durch die verän- derte Lage eine veränderte Gestalt zeigen; die ringsherum be- findlichen rothen Blutkörperchen lagen jedoch vollkommen still, ebenso konnte keine durch Bewegung der Flüssigkeit bewirkte Bewegung der farblosen Körperchen wahrgenommen werden, wenn ich die Beobachtuug begann. Was Nasse angiebt, um die Uebergangsformen der Lympf- körperchen in Blutkörperchen zu demonstriren, ist binnen wenigen Minuten zu sehen: „an den Lympfkörperchen wächst auf zwei gegenüberstehenden Seiten ein platter abgerundeter i4 Flügel heraus, der allmälig das ganze Kügelchen umfasst; je grösser, breiter und dieker die Flügel werden, desto mehr verkleinert sich der Kern.“ Aber so wie die diehtere innere Masse hier immer kleiner und kleiner wird und die Flügel wachsen, so tritt auch einige Minuten darauf oft wiederum das Gegentheil ein: die Flügel verkleinern sich und der an- gebliche Kern nimmt seine ursprüngliche Grösse wieder an. Die Bewegungen werden in der Regel so lange ausgeführt, bis die Flüssigkeit des Blutstropfen verdampft ist. Die Lympfe der Frösche, nach den Angaben von Johannes Müller gewonnen, enthielt ebenfalls die sich bewegenden Körperchen. Im Blute der Fische (mehrerer Species ‚von Cyprinus), des Hundes fand sich ebenfalls die eben geschilderte Bewe- gung farbloser Blutkörperchen. Die aus dem Herzblut von Cyprinus brama untersuchten glichen in ihrer Form vollstän- dig den oben beschriebenen amöbenartigen Körperchen von den Kiemen dieses Fisches, und unterschieden sich unter ein- ander gerade so wie jene; die einen waren körnerfrei, die andern körnerhaltig. Die Bewegungen sind wegen der Klein- heit der Gegenstand schwieriger zu sehen. Auch das Blut mehrerer Menschen habe ich untersucht; es wurde mittels einer Lanzette durch Einschnitt in die Dor- salfläche der Hand gewonnen, und meist sogleich ohne Zu- satz von Wasser unter das Mikroskop gebracht. Die ange- wandte Vergrösserung war die 520fache Oberhäusers. Bei dem einen Menschen bewegten sich sofort alle, die zwischen den rothen Blutkörperchen im Sehfelde deutlich sichtbar wa- ren, es waren ihrer acht, und die Bewegung zeigte sich noch nach vierzig Minuten. Die Bildung der Fortsätze, der be- ständige Wechsel der Gestalt, ist gerade so, wie es schon beschrieben wurde, nur nicht so auffallend wegen der Klein- heit der Objecte. Bei einem andern Menschen bewegten sich zuerst nur wenige, und zwar gerade die, welche beim Anfang der Beobachtung schon mit Fortsätzen vorgefunden wurden; die andern lagen regungslos in Kugelgestalt da, bis sie nach etwa zehn Minuten dasselbe Spiel begannen. Bei einem 15 dritten Menschen, bei dem nur wenige gerade im Sehfelde waren, lagen sie sämmtlich still und blieben es auch und wurde nach einer halben Stunde die Beobachtung abgebro- chen; zu andern Malen bewegten sich aber auch sogleich sämmtliche Exemplare dieses Menschen, welche zur Beob- achtung kamen. Zusatz von Wasser stört eine Zeit lang die Bewegung nicht, dann aber schwellen sie auf und verlieren die Bewegungsfähigkeit. In pathologischer Beziehung habe ich bis jetzt einmal Gelegenheit gehabt, eine hierher gehörige Beobachtung an- zustellen. Einer an einer Geschwulst der Leber und des Eierstocks und Hydrops aseites leidenden Frau in den mitt- lern Lebensjahren wurden vermittelst eines Troicars etwa vier Quart einer zähen, schleimigen, trüben, bräunlichen Flüs- sigkeit entzogen. Als die Temperatur der Flüssigkeit auf die des Zimmers herabgesunken war, wurde ein Tropfen derselben der mikroskopischen Untersuchung unterworfen. Es zeigte sich darin eine bedeutende Menge kugeliger, gezack- ter und unregelmässiger Körperchen, welche man in Betreff ihrer Grösse und sonstigen Beschaffenheit am ehesten für Eiterkörperchen hatte hälten können. Ein grosser Theil der- selben hatte die Bewegungen der farblosen Blutkörperchen. Als die Flüssigkeit zwanzig Stunden der Ruhe überlassen war, hatte sich ein grosser Theil der Körperchen nach dem Boden des Gefässes hingesenkt. Die Körperchen waren jetzt meist kugelförmig und ohne jede Spur von Bewegung. Es gelang mir nicht, durch Essigsäure Kerne in ihnen’ sichtbar zu machen. Psorospermartige Gebilde habe ich in der Flüs- sigkeit vergeblich gesucht. Es ist behauptet worden, dass hungernde Frösche äusserst wenig farblose Blutkörperchen gehabt hätten. Dass diese Erscheinung von dem Mangel an Nahrung herrühre, lässt sich nicht beweisen: denn mehrere Frösche, welche Wochen lang keine Nahrung erhalten hatten, enthielten in dem unter- suchten Blut ebensoviel farblose, wie andere, die reichlich mit Regenwürmern gefüttert waren; hingegen habe ich einige Mal bei eben gefangenen scheinbar gut genährten Exemplaren 16 nur auffallend wenige gefunden und zwar waren die zur Beob- achtung gekommenen sämmtlich sich bewegende. ' Eine zweckmässige Methode, die farblosen Blutkörperchen in ihren Bewegungen ungehindert durch die Anwesenheit einer zu grossen Menge von rothen zu beobachten, besteht darin, dass man einem anputirten Frosch, der dadurch viel Blut verloren hat, das Herz dicht über dem Anfang der grossen Gefässe herausschneidet und das abfliessende Blut sogleich auf dem Objectglase sammelt; dasselbe hat in der Regel seine lebhaft rothe Farbe verloren und ist das Verhältniss zwischen farbigen und farblosen Blutkörperchen ein ganz anderes geworden, 'als es in dem aus den Gefässen des Oberschenkels ausfliessenden war; während auf ungefähr 5 rothe 1 weisses kam, so ist jetzt das Verhältniss etwa von 3:2; und zwar sah ich bei meinen bisherigen Versuchen oft sämmtliche zur Beobachtung gekommenen Bewegungen aus- führen. Die Zunahme der Zahl der farblosen Blutkörperchen im Verhältniss zur Zahl der farbigen kann daher rühren, dass die ersteren den Gefässwänden stärker adhäriren und des- halb in geringerer Menge bei der Blutentziehung ausfliessen; denn dass eine absolute Vermehrung der farblosen während jener kurzen Zeit stattfinden sollte: für diese Annahme lässt sich gar kein Grund angeben. Kölliker erklärt in seinem Handbuch der Gewebelehre das Zackigwerden der farblosen Blutkörperchen für eine Wir- kung der durch Verdampfen des Wassers zunehmenden Con- centration der Flüssigkeit. Wie schon oben angegeben ist, ging diese Form häufig in die sphärische zurück. Um jedoch die Einwirkung der Verdampfung vollständig auszuschliessen, brachte ich ein Tröpfchen eben dem Frosche entnommenen Blutes schnell auf ein Objectglas, bedeckte dasselbe sogleich mit dem Deckglase und umgab letzteres ringsum mit einer dichten Lage Fett. Als ich nach Verlauf von fünf Stunden die Beobachtung anstellte, waren die rothen Blutkörperchen grossentheils unverändert und die farblosen streckten noch Fortsätze aus und zogen sie wieder ein, einige schnürten sich in der Mitte ab, als wollten sie sich theilen, gingen aber er 17 bald wieder in kugelige Form zurück, und verhielten sich sämmtliche überhaupt ganz ebenso, wie es früher mitgetheilt ist. Dass der Verschluss wirklich vollkommen oder nahezu hermetisch war, geht daraus hervor, dass nach Verlauf von dreissig Stunden die Flüssigkeit sich noch unter dem Deck- glase vorfand; die rothen Blutkörperchen hatten theilweise ihre ursprüngliche Gestalt bewahrt, theilweise nicht; die farb- losen waren theils kugelig, theils scheibenförmig, theils hatten sie sich in einen unregelmässig geformten Iuhalt und eine äusserst feine Umhüllung getrennt, zum geringen Theil be- sassen sie eine ganz unregelmässige Gestalt; jede Spur von Bewegung war erloschen. Nach neunzig Stunden war die Flüssigkeit ebenfalls noch vorhanden, aber die weissen Blut- körperchen waren nicht mehr zu erkennen, die rothen waren meist verschrumpft, einige farblos, von andern war nur noch der Kern zu sehen. Dieser Versuch gestattet die Annahme Kölliker’s nicht mehr. In einer vor einiger Zeit von mir verfassten Arbeit über die Entwicklungsgeschichte der Gregarinen, welche demnächst in den Verhandlungen der Königlich Belgischen Akademie der Wissenschaften erscheinen wird, habe ich einige That- sachen mitgetheilt, welche mit den hier besprochenen eine gewisse Uebereinstimmung zeigen; ich führe sie deshalb mit wenigen Worten an. In der Bauchhöhle des Regenwurms zwischen der Darmwandung und der Haut des Thiers, wo man gewöhnlich Pseudonavicellenbehältern und Gregarinen nebst ineystirten und freien Nematoiden begegnet, kommt eine zähe, schleimige, trübe Flüssigkeit vor, bisweilen in solcher Quantität, dass sie beim Eröffnen der Leibeshöhle wie Eiter tropfenweis herausfliesst. Diese Flüssigkeit ent- hält eine ungeheure Menge von kugeligen, ellipsoidischen und unregelmässigen Körperchen der verschiedensten Art, welche die Fähigkeit besitzen, spitze und stumpfe Fortsätze zu bil- den, sie wieder einzuziehen, von Neuem hervorzustrecken, ihre Form wesentlich zu verändern, so dass eine Kugel in eine linsenförmige, keulenförmige, stabförmige Gestalt über- geht und diese wieder in die sphärische zurückkehrt, und Müller's Archiv, 1851. 2 18 E 2 zwar ist die Bewegung so langsam, dass man sie nur selten selbst bei den stärksten Vergrösserungen des Mikroskopes direet sieht. In den Körperchen selbst ist weiter keine Strue- tur wahrzunehmen; man bemerkt auch hin und wieder in ihnen sogenannte Vacuolen. Manche enthalten Körnchen, welche denen der Gregarinen gleichen. Die Körnchen der Gregarinen lassen sich in drei Arten eintheilen, in annähernd kugelförmige, deren Durchmesser nahezu gleich sind, in sol- che, deren Längsdurchmesser ungefähr noch einmal so gross ist, als der Querdurchmesser, und in solche, die wegen ihrer Kleinheit gar keine bestimmte Gestalt bei unsern gegenwär- tigen Hülfsmitteln erkennen lassen. Diese drei Arten von Körnchen kommen nun auch bei den oben erwähnten con- traetilen Körperchen vor. Ferner existiren aber auch Gre- garinen mit einem deutlichen Kern und der bekannten Körner- masse theils mit theils ohne darstellbare Umhüllungsmembran, welche in derselben Weise stumpfe und spitze Fortsätze bil- den und äusserst langsam wieder einziehen, wie jene Kör- perchen; in der Grösse kommen die grossen unter den con- tractilen Körperchen den kleinsten Gregarinen gleich, oder übertreffen sie sogar. Die Pseudonavicellen entstehen auf verschiedene Weise, worüber die Arbeit Stein’s bereits Vieles enthält; ich theile hier eine noch nicht genauer be- schriebene Art mit, mit welcher die Bildung der psorosperm- artigen Körperchen der Frösche und der Psorospermien der Kaninchen eine grosse Aehnlichkeit hat: Es kommen im Hoden und in der Bauchhöle des Regenwurms bisweilen Cy- sten mit einer Körnchenmasse vor, welche mit der mancher Gregarinen vollständig übereinstimmt und beim Ausdrücken aus der Cystenmembran folgende Gebilde enthielt: grössere und kleinere Kugeln; die kleinen gleichen etwa an Ausdeh- bung den Pseudonavicellen; ellipsoidische und spindelförmige Körperchen; diese Bildungen sind nichts als Körnchencon- glomerate, welche durch eine schleimige Substanz zusammen- gehalten werden; ferner birgt dieselbe Cyste spindelförmige Körperchen von der Grösse und Form der Pseudonavicellen, aber es ist die beschriebene Körnchenmasse von einer durch- ' 19 siehtigen Membran umgeben; endlich ausgebildete Pseudona- vieellen, die einzelne Reste der eben erwähnten Körnchen einschliessen. Die Pseudonavicellen, an welchen ich bis jetzt die Beobachtungen angestellt habe, machen nun noch eine weitere Entwicklung durch. Nachdem nämlich ihr Inhalt diaphan geworden ist, zerfällt er in zwei, vier, acht und sehliesslich in sehr viele kleine Theilchen, welche im mitt- lern Theile der Pseudonavicelle sich zusammenlagern und eine zusammenhängende Masse bilden, meist in Form einer Kugel; solche Kugeln findet mar nun in derselben Cyste auch frei und daneben leere Navicellenmembranen, bisweilen auch zerfallende Pseudonavicellen, aus denen der Kern eben auszutreten scheint; diese Kerne unterscheiden sich aber mi- kroskopisch in Nichts von vielen der contraetilen Körperchen als dass ihre Bewegungsfähigkeit nieht beobachtet ist. Die con- tractilen Körperchen kommen auch in zusammenhängenden Haufen vor, welche die Grösse der Navicelleneysten haben. Hauptsächlich aus diesenThatsachen habe ich den Schluss gezo- gen, dass die contractilen Körperchen lebende Wesen sind, wel- che aus den Pseudonavicellen hervorgehen und sich in Gregari- nen verwandeln; ich habe sie wegen ihres den Amöben so cha- racteristischen Verhaltens Amöben des Regenwurms genannt, ohne damit behaupten zu wollen, dass sie etwa den in Eh. renberg’s Werke über Infusionsthierchen beschriebenen eon- gruirten. Das Auskriechen aus der Navicellenschaale selbst habe ich jedoch nicht gesehen, etwa in der Weise, wie es oben von den amöbenartigen Körperchen bei den Fröschen mitgetheilt ist. Dass es wirklich selbstständige Wesen giebt, welche alle Eigenschaften jener Körperchen haben, diess lässt sich durch Folgendes beweisen. Wenn man die Schaale einer Anadonte öffnet, so fliesst in der Regel eine Flüssig- keit heraus, welche eine bedeutende Menge solcher Körper- chen suspendirt enthält, wie sie in der Bauchhöhle der Re- genwürmer vorkommen; man gewinnt sie auch, aber gemengt mit andern Gebilden, wenn man Schleim von den Kiemen abstreicht; sie bilden Fortsätze, gerade so wie die Amöben, spitze und stumpfe, oft beide gleichzeitig, und ziehen sie 7% 20 wieder ein. Dieselben Körperchen mit denselben Eigenschaf- ten fand ich in grosser Menge in der Flüssigkeit einer Ana- dontenschaale, welche nicht mehr die geringste Spur von den Gewebselementen ihres frühern Bewohners enthielt, sondern vermoderte Substanzen mit eingestreuten Algen und Baeilla- rien. Hiermit fällt die Möglichkeit fort, jene Körperchen für integrirende Theile der Organismen, etwa für Blut- oder Lympfkörperchen oder Epithelialzellen des betreffenden nie- dern Thiers zu erklären. Sie erinnern noch am meisten an die Amoeba radiata Ehrenberg’s, aber schon insofern sie neben spitzen auch stumpfe Fortsätze hervorstrecken, weichen sie davon völlig ab. Die in der vorstehenden Abhandlung mitgetheilten That- sachen sind folgende. Die Nieren mancher Frösche enthalten Cysten, welche einen sehr mannigfaltigen Inhalt bergen, nämlich 1) eine ei- genthümliche Körnchenmasse gleichmässig vertheilt, 2) die- selbe Masse zu kleinen Häufchen von ovaler und spindel- ähnlicher Form gelagert, 3) die spindelähnlichen Formen mit einer structurlosen Membran umgeben, 4) ausgebildete pso- rospermartige Körperchen. Diese Gegenstände finden sich entweder theilweise oder sämmtlich in ein und derselben Cyste. Das reife psorospermartige Körperchen enthält ge- wöhnlich drei bis fünf stäbchenförmige oder ellipsoidische oder kugelige diaphane structurlose Körperchen in sich, und ausserdem meist eine etwa ebenso grosse Körnchenkugel. Die diaphanen Körperchen wurden in ihrem Behälter sich bewegend und letzteren zersprengend beobachtet; die Körn- chenkugel wurde dabei mechanisch hin und her getrieben. In solchen Nieren finden sich ferner neben einander frei amö- benartige Körperchen, gerade solche wie die auskriechenden, amöbenartige Körperchen mit Körncheninhalt feinerer und gröberer Art, gregarinenartige Körperchen von der Grösse und Körncheninhalt der amöbenartigen, aber mit einem deut- lichen Nucleus versehen, grössere gregarinenartige Körper- chen mit stärker hervortretendem Nucleus. Bei den Pseudo- navicellen der Regenwürmer findet sich etwas in gewisser 21 Beziehung Analoges; es kommen in derselben Cyste Pseudo- navicellen vor mit zwei-, vier-, acht- und mehrfach gespalte- “nem Inhalt, in manchen liegt der äusserst feinkörnige Inhalt kugelförmig in der Mitte, bei andern scheint er herauszutreten und dann kommt er auch frei vor neben leeren Navicellen- schaalen. Die kleinern Amöben der Regenwürmer, welche in ungeheurer Menge in der Bauchhöhle und mit hoher Wahr- scheinlichkeit auch im Blut angetroffen werden, gleichen in ihrem Habitus den ebenerwähnten Kugeln. Sich ebenso ver- haltende Körperchen kommen an den Kiemen der Anadonten und in dem von der Schaale eingeschlossenen Wasser vor, in welchem sie selbst dann noch beobachtet worden sind, als die Anadonte selbst längst vermodert war. Es giebt kör- nerhaltige Cysten bei Esox lucius, in denen die Körner sich zu kleinen Haufen abgelagert haben; einige dieser Haufen enthalten nur wenig Körnchen und viel gallertige Substanz, andere lassen eine äusserst feine Umhüllung erkennen, in der zwei gallertige Kugeln liegen, welche zwei kernartige Gebilde in sich erkennen lassen; daneben kommen zwei ausgebildete Psorospermien in einer gemeinsamen ebenso beschaffenen Hülle vor, wie diess bereits Joh. Müller beschrieben hat. An den Kiemen desselben Fisches wurden öfters ungemein kleine sich bewegende amöbenartige Körperchen bemerkt. Im Auge von Cyprinus tinca unmittelbar der Hornhaut anliegend, wurde eine ÖOyste gefunden, welche folgende Gegenstände einschloss: 1) gewöhnliche Psorospermien, 2) Psorospermien mit erschlaffter gefalteter Membran und den zwei kernartigen Gebilden, 3) dieselben mit einem kernartigen Gebilde, 4) die kernartigen Gebilde frei, 5) eine grosse Anzahl kleiner amö- benartiger Körperchen, von denen einige stumpfere, andere spitzere Fortsätze bildeten. An den Kiemen von Cyprinus brama fanden sich Cysten mit Psorospermien, Cysten mit amöbenartigen Körperchen und Öysten mit beiden Gegen- ständen zugleich. Das Blut dieses Fisches enthielt ähnliche sich bewegende Körperchen von derselben Grösse. In der Wand des Diekdarms der Kaninchen kommen bisweilen noch eben mit blossen Augen sichtbare Oysten in enormer Menge 22 vor, welche erfüllt sind entweder von feinen, gleichmässig vertheilten Körnchen, oder von ungleichmässig in kleinen Haufen getrennten Körnchenmassen, oder von Körnerhäuf- chen, welche mit einer structurlosen Membran umgeben sind, oder von Psorospermien, in denen sich die Körnchenmasse mehr oder weniger von der Umhüllungsmembran absetzt, oder von den bekannten kernhaltigen Psorospermien, oder von allen oder mehrern dieser Gebilde zugleich. Die von Kauffmann entdeekte Theilung des Kerns und Neubildung von Psorospermien an dessen Statt durch mehrwöchentliche Aufbewahrung in Wasser ist eine Erzeugung von Psorosper- mien einer neuen Art, indem solche nämlich in ihrer Mitte eine Körnerkugel enthalten, wie die der Frösche, aber nicht drei oder vier diaphane Kugeln, sondern nur zwei und zwar eine in jeder Spitze. Eine andere Art der Entwicklung wurde ebenfalls in Ka- ninchensporospermien entdeckt, die Monate lang in Wasser gelegen hatten: es enthielt nämlich der noch vollständige Kern eben solche diaphane Körperehen in sich und zwar bis zu sechszehn; in andern Psorospermien hatte sich der Nuc- leus in zwei, drei, oder vier Kugeln getheilt, welche sämmt- lich diaphane Körperchen in sich bargen. In der Haut von Gasterosteus kommen neben den von Gluge entdeckten körnerhaltigen Cysten auch solche vor, welche Psorospermien eigenthümlicher Art einschliessen. In dem Mastdarm der Frösche wurden Amöben und Pseu- donavicellen beobachtet, letztere stimmen mit denen der Re- genwürmer überein. Die farblosen Blutkörperehen der Frösche zeigen oft, so viel ihrer gerade im Sehfeld liegen, die Bewegungen der amö- benartigen Körperchen. Dass die Bildung von Zacken nicht die Folge sein kann von der durch allmälige Verdampfung immer zunehmenden Concentration der Flüssigkeit, geht be- sonders daraus hervor, dass ein nahezu oder vollkommen hermetisch abgeschlossener Blutstropfen die farblosen Blut- körperchen ebenfalls mit den Bewegungen der amöbenartigen Körperchen und Zackenbildung zeigte. Das Blut mehrerer Pr. 23 Cyprinen, des Hundes, des Menschen enthielt eben solche sich bewegende farblose Körperchen. Auch in einer hydro- pischen Flüssigkeit wurden dergleichen in grosser Menge gefunden. Die beigefügten Abbildungen verdanke ich Herrn Dr. G R. Wagener, welcher sie sämmtlich mit Hülfe der Camera elara ausgeführt hat und alle in der vorstehenden Abhand- lung mitgetheilten Beobachtungen bestätigte. Figurenerklärung. Taf. I. und II. Fig. 1. Körnchenhäufchen aus einer Cyste der Niere des Frosches Fig. 2. Dasselbe mit einer Membran umgeben. Fig. 3. Daraus hervorgehendes psorospermartiges Körperchen, in welchem die Stäbchen noch mit Körnern besetzt sind. Fig. 3a. Ebensolches, wo das eine Stäbchen schon körnerfrei ist. Fig. 4. Die diaphanen Stäbehen haben die Körner vollständig verloren; die zurückbleibende Körnerkugel liegt in der einen Spitze des psorospermartigen Körpers. Fig. 5. Statt der Stäbchen finden sich ovale Körperchen vor, in die sich ein Stäbchen zusammenziehen kann. Fig. 6. Psorospermartiges Körperchen mit der Körnerkugel und fünf Stäbchen. Fig. 7. Ebensolches mit vier nahezu kugeligen Körperchen. Fig. 1— 7 sind 450mal vergrössert. Fig. 8. Ebensolches mit dreı auskriechenden amöbenartigen Kör- perchen und einer Körnerkugel. 900mal vergrössert. Fig. 9. Ebensolches mit fünf diaphanen Kugeln. 900mal vergrössert. Fig. 10. Cyste mit psorospermartigen Körperchen aus der Niere des Frosches. 220mal vergrössert. Fig. 11. Inhalt einer solchen Cyste bestehend aus Körnchen und psorospermartigen Körperchen. Fig. 12 u. 13. Amöbenartiges Körperchen aus der Froschniere. Fig. 14 u. 15. Ebensolche mit Kernen. Fig. 16. Amöbe aus dem Mastdarm des Frosches. Fig. 17—19. Farblose Blutkörperchen der Frösche und zwar 18. a—k ein und dasselbe, die abgebildeten Formen binnen 10 Minuten der Reihe naclı annehmend, Fig. 20. Farbloses Blutkörperchen des Menschen, die verschiedenen Formen der Reihe nach annehmend, Fig. 21—24. Psorospermien mit frei werdenden Kernen aus einer Cyste des Auges von Cyprinus tinca. Fig. 25 u. 26. Freie Kerne ebendaher. Fig. 27. Amöbenartiges Körperchen ebendaher. Fig. 11—27. 450mal vergrössert. Fig. 28. Psorospermien aus einer Hauteyste vom Stichling. 580mal vergrössert. Fig. 29—32 siehe die Anmerkung. Fig. 33. a—d eine Amöbe von den Kiemen der Anadonta cygnea die abgebildeten Formen der Reihe nach annehmend. 580mal ver- grössert. Fig. 34. Amöbe aus einer Anadontenschaale, in der sich nur noch Vermoderungsproducte mit eingestreuten Algen und Bacillarien und keine Spur von den Gewebstheilen der Anadonte vorfanden. 580mal vergrössert. Fig. 35. Kaninchensporospermion, welches mehrere Monate in Wasser gelegen hatte, mit 16 diaphanen Körperchen. Fig. 36. Ebensolches, in welchem der Kern in vier Theile zer- fallen ist, die sämmtlich diaphane Körperchen und Körnchenmasse enthalten. Fig. 37. Ein Psorosperm, welches sich aus dem Kern eines Ka- ninchensporosperms gebildet hat. Fig. 35— 37 bei 1160maliger Ver- grösserung gezeichnet. tv Su Untersuchungen über die Gewebselemente der glat- ten Muskeln und über die Existenz dieser Muskeln in der menschlichen Milz. Von Dr. J. F. Mazonn in Kiew. (Hierzu Taf. III. Fig. 1—5.) Die Untersuchungen, deren Resultate ich in dem Folgenden biete, wurden hervorgerufen durch eine Gelegenheit, mehrere Organe des menschlichen Körpers in einem seltenen Grade des möglichst Normalen zu studiren, indem nämlich in un- serem Hospitale ein junges Mädchen plötzlich während der Chloroformirung starb.*) Die Untersuchung der Milzbalken führte mich zu einer nochmaligen Untersuchung der Gewebs- *) Der Fall ist von meinem gelehrten Freunde Prof. Walther, in dessen Hospitalabtheilung er sich ereignete, in der Russischen Zeit- schrift „der Gesundheitsfreund “* veröffentlicht. Mit meines Freundes Erlaubniss hebe ich aus jener Beschreibung ein paar Notizen hervor. Die Operation bestand in einer Tenotomie und die Chloroformirung wurde nur auf ausdrückliche Bitte der Kranken angestellt. Bei Prof. Walthers reicher Erfahrung, indem er sich namentlich längere Zeit mit Untersuchungen über die Wirkung des Chloroform an Thieren be- schäftigt hat, ist jeder Verdacht unvorsichtiger Anwendung entfernt. Die verbrauchte Gesammtgabe betrug noch nicht volle 2} Drachmen, und es erfolgte nur eine unvollkommene Betäubung, so dass Patient während der Operation gehalten werden musste. Schon nach Been- digung der Operation und nachdem Patient noch eben Zeichen von theilweisem Bewusstsein gegeben hatte, stellte sich plötzlich Er- blassen des Gesichts, Röcheln, intermittirender Puls und in wenig Au- genblicken der Tod ein. Von den Ergebnissen der Section hebe ich als hervorstehend Folgendes hervor: a u 26 elemente der glatten Muskeln überhaupt, die, auf Organe von Thieren und andern Leichen ausgedehnt, mich zu Ausichten führte, die von den bisher gültigen mehrfach abweichen. Ich beginne mit den Untersuchungen über die Struetur der glatten Muskeln des Darms. Unsere gegenwärtigen Kenntnisse über den elementaren Bau der glatten Muskeln verdanken wir Kölliker’s wichtiger Entdeckung. Hiernach sind die glatten Muskeln aus eigenthümlichen platten und ziemlich breiten Faser- serzellen mit stabförmigem Kerne zusammengesetzt, die, der Länge und der Breite nach mit einander verklebt, dünne Mus- kelbündel bilden. Auf den ersten Weg zu einer von Kölli- ker’s Angabe abweichenden Meinung wurde ich dadurch ge- führt, dass ich Präparate der Muskelhaut des menschlichen Dünndarms drei Tage in 20procent. Salpetersäure macerirte und nun ein von Kölliker’s Beschreibung vollständig ab- weichendes Bild erhielt. Sehr starke Erfüllung der Sinus des Gehirns und Rückenmarks mit dunklem flüssigem Blute, Blutreichthum der Hirnhäute und der Substanz des grossen und kleinen Gehirns, in einigen Gefässen Luft- blasen, keine seröse Flüssigkeit in den Ventrikeln. Die Schleim- haut der Luftwege, von dem Kehldeckel an bis in die feinsten Bron- chien, intensiv dunkelroth gefärbt. Lungenödem in einem sehr starken Grade, so dass die leicht röthlich gefärbte Flüssigkeit bis in die Tra- chea hinaufreicht. Starke capilläre Bluterfüllung der Lunge. Im Herzen wenig und zwar dunkles flüssiges Blut, ohne Coagula, keine Imbibirung der inneren Haut. Leber, Milz, Nieren, abgesehen von einer starken Erfüllung der grossen Gefässzweige, in selten normalem Zustande. Die mikroskopische Untersuchung des aus dem Herzen entnomme- nen Blutes, 14 Stunden nach der Section angestellt, ergab als Haupt- resultat einen ziemlich bedeutenden Fettgehalt, wobei zu bemerken, dass die Kranke den Tag der Operation keine Speise genossen hatte. Auffallend war mir, dass bei diesem Fettreichthum so gut wie gar kein Melanin zu sehen war. Ich habe an einem andern Orte (Zur Pathol. d. Bright. Kht. Kiew 1851) gesagt, dass das Melanin der constante Begleiter pathologisch vorhandenen Fettes sei. Hiervon bot sich mir zum ersten Male ein widersprechender Fall. Die Blutkörperchen erschienen alle sternförmig gezackt. Als auf- fallend erwähne ich noch, dass das Blutserum, 14 Stunden nach der "Section, noch eine geringe Röthung des Lackmuspapiers hervorbrachte. [6] 7 Ein Stückehen dieser drei Tage macerirten Muskelhaut, das von gelber Farbe war, wurde zur Entfernung der Säure ausgewaschen und liess sich nun bequem in einem Tropfen Wasser zerfasern, ja schon mit einem Glasstäbchen in feine Partikelchen zerreiben. Bei einer Vergrösserung von 300 sieht man Bruchstücke von feinen Bündeln, ausserdem eine Menge isolirter Fasern. Die Bruchstücke der Bündel sind zum Theil aufgefasert, namentlich an ihren Enden und zeigen sich deutlich aus einer Menge Fasern bestehend, die am Ende des Bündels und am Rande in einzelnen, mehr oder weniger isolirten Stücken hervorragen. Zahlreiche isolirte Fasern sind abgetrennt und in der Flüssigkeit vertheilt. An diesen lässt sich am besten die Form studiren. Man findet diese Fasern in Bruchstücken von sehr verschiedener Länge, einzelne sehr lang, so dass sie die gewöhnliche Länge der Kölliker’schen Faserzellen um das Vielfache übertreffen, andere sind sehr klein. Ver- gleicht man eine grössere Anzahl dieser Fasern, so kommt man zu folgenden Resultaten: 1. Es sind wirkliche continuirliche Fasern, nicht bloss in lockerer Verbindung stehende Faserzellen. (Fig. 1.) 2. Die Form dieser Fasern ist ganz ähnlich der, in wel- cher bekanntlich die Fasern des neugebildeten Bindegewebes erscheinen, d. h. in gewissen Zwischenräumen kolbig ange- schwollen, nur ist die Entfernung der Kolben bei den Mus- keln eine sehr unregelmässige. (Fig. 1.) Kölliker bildet (Mikrosk. Anat. II. Bd. 1852. Fig. 217) eine Faserzelle aus dem Dünndarm des Menschen ebenfalls lang und kolbig ab und zwar verschieden von der Faser aus dem Thierdarm (]. e. Fig. 214.), doch lässt er in ihnen einen stabförmigen Kern existiren und scheint eine Erscheinungs- weise im Auge gehabt zu haben, von der wir später spre- chen werden. — In den von mir beobachteten Fasern ist die kolbige An- schwellung, siehe die Zeichnung, oft starkbäuchig aus der ganz gleichmässsig feinen Faser hervortretend. Ein Kern ist 28 in der angeschwollenen Stelle nie zu entdecken und ich sage schon hier im Voraus, was erst durch die später zu beschrei- benden Untersuchungen als wahrscheinlich bewiesen wird, dass die kolbigen Anschwellungen Kunstprodukt zu sein scheinen, hervorgebracht durch die längere Einwirkung der Salpetersäure. 3. Diese Fasern kommen häufig zu zwei verbunden vor, indem sie nach längerem gemeinschaftlichen Verlauf ausein- andertreten. (Fig. 1a und b.) Hierbei scheint es, dass die Anordnung der benachbarten Fasern eine ähnliche ist, wie für das neugebildete‘ Bindegewebe bekannt ist, d. h. dass sich die Anschwellungen der einen Faser den dünnen Stellen der andern Faser anlegen. Weitere Beobachtungen lassen aber diese Anordnung nicht als nothwendig erscheinen. 4. Die lebhaft gelbe Farbe der Bündel ist in den einzel- nen Fasern nicht mehr zu erkennen. Sie sind scharf con- tourirt, wie es von den spindelförmigen Kernfasern be- kannt ist. 5. Nirgend ist eine Spur von jungen Zellen in verschie- dener Entwicklungsstufe, wie wir sie bei der Neubildung des Bindegewebes finden. — Ausser den eben beschriebenen Fasern ist nichts weiter zu sehen, namentlich keine Gebilde, die den Kölliker’schen Faserzellen ähnlich sehen. Spätere mehrmalige Untersuchungen neuer, 3 Tage in Salpetersäure macerirter Präparate von Muskelhaut bestätigten das oben Beschriebene. Bei einer dieser Untersuchungen aber traf es sich, dassich unter dem Gesammtbilde der oben beschriebenen Faserbruchstücke ein paar Faserstücke fand, die den Kölliker'schen Zellen vollständig gleichen. (Fig. le.) Um nun zu weiteren Resultaten zu gelangen, untersuchte ich eine grössere Zahl Präparate der Muskelhaut des mensch- lichen Darms, die verschieden lange — von wenigen Stunden bis zu mehreren Tagen — in Salpetersäure macerirt waren. Es ergab sich hierbei: rl Sobald man ein Stück Muskelhaut in 20procent. Salpeter- säure legt, so biegt es sich lebhaft mehrmals wellenförmig 29 hin und her, wird gelb und liegt dann nach wenigen Augen- blicken gerollt da. Die etwa anhängenden Fetzen der serö- sen und Schleimhaut bleiben weiss und werden nach längerer Maceration aufgelöst. Untersucht man dieses Präparat schon nach einer Maceration von nur wenigen Stunden, so lässt es sich, auch bei sorgfältiger Präparation, nicht so fein zerfa- sern, dass man ein klares Bild der Bestandtheile erhielte. Man sieht, dass das Präparat in kleine Bruchstücke zerrissen ist, die aber noch immer die Bündelform bieten. An den Enden und den Rändern des Bündelchens stehen einzelne Faserstücke hervor, die aber zu kurz sind, um ein Urtheil zu erlauben. Man sieht nur so viel, dass sie die oben beschriebenen kolbigen Fasern an Breite übertreffen und einen weltenförmigen Rand haben, also Aehnlichkeit mit den Kölliker’schen Faserzellen bieten. Untersucht man das Präparat nach 12- und 24stündiger Maceration, so ist das oben beschriebene Bild nicht viel ge- ändert, doch sind die hervorgehenden Faserstücke grösser und zuweilen findet man einzelne abgetrennte Stücke, die deutlich, aber nicht scharf eontöurirt, mit welligem Rande und meist einer zickzackförmigen Medianlinie den Kölliker'schen Faserzellen entsprechen. (Fig. 1e.) Untersucht man das Präparat nach zweitägiger Macera- tion, so ist die Verbindung der Bündel gelöst, die Zerfase- rung leicht, man erhält aber ganz das Bild, das für die drei- tägige Maceration beschrieben wurde, d. h. fast nur kolbige Fasern und wenig Fasern, die den Kölliker’schen gleichen. Uutersucht man ein nur in Wasser, nicht in Salpetersäure macerirtes Präparat, oder kocht man dasselbe mehrere Stun- den in Wasser, so ist die Zerfaserung in die feinen Elemente eben so schwierig, als ich dieses für die wenige Stunden in Salpetersäure macerirten Präparate oben beschrieb und man erhält das dort beschriebene Bild, Maceration in Essigsäure lässt die Bündel erblassen, scheinbar treten auch Kerne der Fasern deutlich hervor, doch ist auch hier kein entscheidendes Urtheil möglich. 30 Nach den bisher beschriebenen Untersuchungen war also mit Sicherheit nur Folgendes entschieden: 1. Ohne Maceration und bei relativ kurzer Maceration in Salpetersäure entdeckt man nur Kölliker’sche Faserzellen, die Bündel sind aber in ihrem Zusammenhange noch zu we- nig gelockert. 2. Nach längerer Maceration ist die Verbindung der ein Bündel zusammensetzenden Fasern gelockert, aber man sieht die Kölliker’schen Zellen nur in wenigen Exemplaren, da- gegen eigenthümliche kolbige Fasern. 3. Ein Urtheil über das Verhältniss dieser zwei verschie- denen Gebilde lässt sich noch nicht fällen, doch steigt die Vermuthung auf, dass die kolbigen Fasern in den Kölli- ker’schen Zellen enthalten seien und erst durch die Auflö- sung derselben sichtbar werden. Die Entscheidung der Frage bis zur Evidenz brachte mir die Untersuchung des Schweinedarms. Ich isolirte an einem getrockneten Schweinedarm die Muskelhaut, was etwas schwie- rig ist, indem mehr oder minder fetthaltige Partikelchen hängen bleiben, und legte das Präparat in Salpetersäure von 20pCt. Nachdem es zwei Tage macerirt hatte, ergiebt die Untersuchung Folgendes: Ein Theil des macerirten Präparates ist gelb, ein Theil weiss. Der weisse erscheint unter dem Mikroskop als fett- haltiges Bindegewebe. Der gelbe Theil des Präparates, aus- gewaschen und sorgfältig zerfasert, bietet unter dem Mikro- skop zum Theil Bruchstücke von Muskelbündeln, zum Theil viele isolirte Fasern. Der grössere Theil der letzteren entspricht der Beschrei- bung und Abbildung von Kölliker. Die Faserzellen sind relativ breit und alle mit völlig geschlängeltem Rande, der Rand ist weniger scharf contourirt, als bei den oben von mir beschriebenen kolbigen Fasern. In ihnen sind keine stabförmigen Kerne zu sehen, man sieht aber bei den meisten in der Mitte eine geschlän- gelte Faser verlaufen, wie auch Kölliker dieselbe abbildet, die oft schwach angedeutet (Fig. 2a.), oft schärfer contourirt al ziekzackförmig erscheint (Fig. 26.). — In beiden Fällen reicht die Medianfaser nicht ganz bis an das Ende der Kölliker'- schen Faserzelle. Eine längere Beobachtung einer grösseren Anzahl von Exemplaren zeigt aber folgendes von der Köl- liker’schen Beschreibung Abweichende: 1. Wenn auch ein Theil der Faserzellen in der von Köl. liker (Fig. 214) abgebildeten spindelförmigen Gestalt er- scheint, d.h. also mit zugespitzten Enden, so ist der grössere Theil stumpf, oft auch schief, oder unregelmässig gezackt endigend (Fig. 2a und 5), so dass die Enden oft deutlich als Produkt des Abreissens erscheinen. 2. Die Länge der sogenannten Faserzellen ist oft sehr ungleich. 3. Man sieht an den aufgefaserten Rändern der Bündel oft deutlich die Faserzelle in Gestalt einer continuirlichen Faser durch die ganze Länge des Bündelbruchstückes rei- chen. Mehrere Fasern dieser Art sind, ohne zu zerreissen, abgetrennt und lassen sich isolirt als continuirliche Fasern ver- folgen. Dergleichen abgetrennte längere Faserstücke gelingt es aber nur in seltenen Präparaten zu finden. (Fig. 2c.) Aus diesen Allem schliesse ich, dass die Kölliker’'schen Faserzellen nur durch die Präparation erzeugte abgerissene Stücke vollständiger Fasern sind. Einen weiteren Grund für diese Ansicht wird uns das Verhalten der erhaltenen Fasern bieten, Ausser den eben beschriebenen Fasern und Bruchstücken derselben sieht man in dem obigen Präparate: i 1. Viele längere oder kürzere Bruchstücke von Fasern, die, scharf contourirt, bei oberflächlicher Beobachtung sich stabförmig zeigen, wie wir sie oben für den Menschendarnı beschrieben haben. Bei genauer Betrachtung und Benutzung der Stellschraube erscheinen diese feinen Faserstücke zick- zackförmig. (Fig. 2d.) 2. Man sieht aus den Enden und am Rande der Muskel- bündel neben der grösseren Zahl Kölliker’scher Fasern einzelne kolbige hervorragen, an manchen der letzeren ist, 32 näher am Bündel, eine Andeutung einer weniger scharf con- tourirten Hülle, aus der die kolbige Faser hervorragt. (Fig 2e). Wenn die eben beschriebene Beobachtung der Lösung der Frage schon wieder einen Schritt näher führte, so wurde die endliche Lösung erst in der folgenden Beobachtung gebracht. Ich liess den Rest der zu obiger Untersuchung mace- rirten Muskelhaut noch ein Mal in frischer Salpetersäure von 20 pCt. zwei Tage maceriren. Die Untersuchung er- gab nun: Die Verbindung der die Muskelbündel eonstituirenden Fa- sern ist viel mehr gelockert, als im vorigen Falle, daher ein- zelne Bündelstücke so aufgefasert erscheinen, dass sich die eonstituirenden Fasern schon in ihnen bequem studiren las- sen. Namentlich bestätigt sich auch hier, dass die, unter der Gestalt der Kölliker’schen Faserzellen erscheinenden Ge- bilde nur Bruchstücke langer continuirlicher Fasern sind. Frei in der benetzenden Flüssigkeit sieht man Fasern in kleinen, grösseren und sehr grossen Bruchstücken. Prüfen wir eine grössere Zahl derselben genau durch, so stellt sich Folgendes heraus: Ein grosser Theil hat die hellere Contour und die Form der Kölliker’schen Faserzellen (Fig. 3a.), doch zeigt eine genaue Betrachtung in jeder derselben folgende Eigenthüm- lichkeiten des Inhalts. Es sind nämlich in jeder hellen Faser je zwei, vielleicht auch mehr, der von mir oben beschriebe- nen kolbigen Fasern enthalten, die oft eine Strecke weit so dicht an einander liegen, dass sie als eine Faser erschei- nen, im weiteren Verlauf bald mehr bald weniger aneinander- treten und sich nun deutlich als zwei gesonderte kolbige Fa- sern beobachten lassen. Sie berühren zuweilen dieht die Hülle, so dass dieselbe am Rande nicht deutlich zu sehen ist. An anderen Stellen stehen sie von dem Rande der Hülle ab, so dass der Rand der Hülle deutlich, namentlich an Stellen, wo sich die kolbigen Fasern einbiegen, zu sehen ist. (Fig. 3a.) Zuweilen bieten die Stellen, an welchen die beiden kol- bigen Fasern auseinandertreten, täuschend das Bild eines 33 längsovalen- oder stabförmigen Kernes (Fig. 35.) und erst genauere Prüfung zeigt die Contouren der den Zwischenraum begränzenden kolbigen Fasern. Es bietet sich hier oft ein dem ähnliches Bild, wie es Kölliker Fig. 217 abbildet. — In mancher der Hüllen kann man die eine der enthalte- nen kolbigen Fasern an dem einen Rande der Hülle im gan- zen Verlauf deutlich sehen, während die Faser an der an- dern Seite nur an einzelnen Stellen deutlich sichtbar ist. Keine einzige der Hüllenbruchstücke ist so deutlich wie bei früheren Untersuchungen contourirt, wenn auch dort nicht scharf und dunkel, eben so wenig ist der Rand, wie früher, regelmässig wellenförmig. Es hat also die Salpeter- säure die Hülle zum Theil gelöst, oder blasser gemacht und die Verbindung der enthaltenen Fasern gelockert, so dass sie als getrennte Fasern durch die Hülle hindurch sichtbar werden. Was die Anordnung der kolbigen Fasern betrifft, so zeigt sich nieht die oben als scheinbar beschriebene Regelmässig- keit des kolbigen Theils der einen Faser zu dem dünnen Theil der anderen, sondern die Anschwellungen liegen ganz unregelmässig, an derselben Faser in sehr ungleichmässiger Entfernung, an zwei benachbarten Fasern liegen ein Mal die Varieositäten an einander, dann wieder liegt die Varicosität der einen der dünnen Stelle der andern an (Fig. 3a.) Dieses alles spricht dafür, dass die kolbigen Anschwellungen nur Kunstprodukt durch Einwirkung der Salpetersäure entstanden seien. Hierfür spricht ferner, dass die kolbigen Anschwellun- gen bei den noch in der Hülle befindlichen Fasern viel ge- ringer sind, als bei den nach vollständiger Lösung der Hülle freigewordenen. Dergleichen freigewordene kolbige Fasern sieht lan neben den oben beschriebenen zahlreich in grösse- ren und kleineren Bruchstücken und zwar zeigt sich an ih- nen nur selten mehr eine ziekzackförmige Knickung. (Fig. 3e.) Jede der bisher von mir beschriebenen Beobachtungen ist von mir an einer grösseren Zahl von Präparaten wieder- holt und bestätigt. Ich stelle zum Schluss die aus den Beob- achtungen gezogenen Folgerungen übersiehtlich zusammen. Müller’ Archiv. 1b. o P= 34 1. Die Kölliker’schen Faserzellen sind nicht isolirte und der Länge nach nur verklebte Zellen, ebensowenig ent- halten sie einen stabförmigen Kern, sondern sie sind durch Präparation entstandene Bruchstücke wirklicher eontinuirli- cher Fasern. 2. Diese Fasern bilden die Hülle für andere ebenfalls eontinuirliche Fasern und zwar scheinen in einer Hülle nur zwei enthaltene Fasern zu existiren. 3. Es bestehen aber die glatten Muskeln, eben so wie die quer gestreiften: a. aus elementären oder primitiven Muskelfasern; b. diese treten, zu zweien, zu einem Muskelfaden zusam- men, der, ebenso wie die Muskelfaden der quer ge- streiften Muskeln, von einer Hülle — dem Sareo- lemma — umgeben ist, wodurch der Muskelfaden in Bruchstücken das Bild der Kölliker’schen Faserzellen bietet; c. Die Muskelfaden scheinen sich zu primären, diese zu seeundären Muskelbündeln zusammenzusetzen, die, pa- rallel, dem blossen Auge sichtbar, die Muskelhaut bil- den. Für diese Bildung primärer und secundärer Mus- kelbündel spricht das Zerfallen der dem blossen Auge sichtbaren Bündel nach Maceration und Präparation in viele kleinere Bündel. 4. Die Sarcolemma scheint in verschiedenen Organen und bei verschiedenen Thieren von verschiedener Stärke zu sein. So sehen wir, dass es in dem Darmkanale nach einer längeren Ein- wirkung der Salpetersäure gänzlich aufgelöst wird, während eine gleichlange Einwirkung ‚beim Schweine nur die Verbindung der Faden löst, die Hülle — das Sarcolemma — durchsich- tiger macht und die Verbindung der primitiven Fasern lockert. 5. Der Muskelfaden, wie er sich mit seiner Hülle dar- bietet, scheint bei kürzerer Maceration in Salpetersäure und ohne dieselbe, wie man an den hervorragenden Enden sieht, dünner zu sein, als es an den nach längerer Maceration iso- lirten Bruchstücken sichtbar ist. 6. Die enthaltene kolbige primitive Faser ist wahrschein- 35 lich ursprünglich nicht als kolbige, sondern als feine glatte ‚Faser in dem Sarcolemma enthalten und es liegen die bei- den Fasern dicht aneinander. Die erste Wirkung der Sal- petersäure scheint Knickung in regelmässig ziekzackförmiger Weise (Contraction) zu sein, welche Wirkung der Säure sich auch in der lebhaft wellenförmigen Bewegung des in Salpe- tersäure getauchten Muskelhautstückchens ausspricht. Hierbei erscheint nnr eine ziekzackförmige, aber diekere Faser, wäh- rend die Hülle in mehr gerundeten Biegungen den Knickun- gen gefolgt ist. Erst bei der Lösung des Zusammenhanges der primitiven Fasern treten die kolbigen Anschwellungen auf, doch sieht man an frei gewordenen Bruchstücken noch die ziekzackförmige Kniekung. Mit dem Wachsen der Kolben in der freigewordenen Faser scheint die Knickung verloren zu gehen. — Zu beachten ist noch, dass die geknickte Medianfaser nie aus der Hülle an der Bruchstelle heraussteht. 7. Die oben angegebene, den quergestreiften Muskelfaden ganz ähnliche und nur in der Zahl der einen Faden bilden- den primitiven Fasern verschiedene Zusammensetzung der glatten Muskeln macht wahrscheinlich, dass die ursprüngliche Entstehung derselben ebenfalls eine ähnliche ist, wie sie von Schwann-und Gerlach für die quergestreiften Muskeln nachgewiesen ist, d. h. Entstehung aus Zellen, wo endlich die Hülle als Sarcolemma nachbleibt, während der Inhalt in die Fibrillen übergeht. — [3 Untersuchungen über die Existenz der glatten Muskeln in der Milz des Menschen. Die Kölliker’sche Entdeckung des feinern Banes der glatten Muskeln erhielt ihre eigentliche praktische Wichtigkeit darin, dass es nun möglich wurde, die Elemente der glatten Muskeln in Organen nachzuweisen, wo man bis dahin ihre Exi- stenz nicht ahnte, In der Zahl von Organen, in denenKölliker jene Muskeln nachwies, befand sich auch die Milz. In neuerer Zeit hat Kölliker (I. e. p. 256) seine Ansicht dahin modi- 5° 36 fieirt, dass wohl in den Milzbalken mancher Thiere, nicht aber des Menschen Muskelfasern existiren. Andere wie na- mentlich Gerlach (Handb. d. allg. u. spec. Gewebl. 1848, p- 213.) fanden ebenfalls keine Muskelelemente in der mensch- lichen Milz. Wenn man übrigens das von Kölliker (Il. e. p- 257) Gesagte aufmerksam erwägt, wonach in den miero- skopischen Trabeculae sich Elemente zu finden scheinen, de- nen man vielleicht einen musculösen Character zuschreiben könne, so sieht man offenbar, dass er hier nur die spindel- förmigen Körper der Milzbläschen und Milzpulpa vor Augen hat. Ebenfalls beziehen sich Gerlachs Zweifel an der mus- culösen Natur jener Gebilde auch nur auf jene spindelförmi- gen Körper. — Nach meiner Entdeckung der primitiven Fasern und ihres Verhältnisses zu dem Sarcolemma ist die Entscheidung über Existenz oder Nichtexistenz der glatten Muskelfasern leicht, indem sie sich nicht mehr bloss auf die äussere Aehnlich- keit der spindelförmigen Körper basirt. Ich bediente mich zu den folgenden Untersuchungen der Milz aus dem in der Einleitung erwähnten Falle und vervoll- ständigte, nachdem mittlerweile die Entdeckung der priimitiven Fasern erfolgt war, die Untersuchung an der Milz zweier anderer Leichen. Die Milz der Chloroformirten war nicht vergrössert und bot in der dunkelrothen Pulpa eine grosse Zahl weisser Mal- pighi’scher Bläschen, die bekanntlich in der menschlichen Milz selten zu sehen sind. Es ist zu merken, das die Kranke den Tag des Todes nichts genossen hatte. Die Isolirung ‘der Malpighi'schen Bläschen (von eirca 1—1!% Durch.) ist ziemlich schwierig, indem die Consi- stenz des Inhalts dickflüssig ist. Hat man ein solches Bläs- chen isolirt, so reicht der leiseste Druck hin, es zu zer- drücken. Ein Theil des Inhalts, in einem Tropfen Zuckerwasser verdünnt, zeigt bei Vergr. v. 300: eine grosse Zahl eigen- thümlicher spindelförmiger Körper, ausser ihnen ebenfalls eine grosse Zahl farbloser grösserer und kleinerer Zellen, Zul ı__. 37 eine geringe Zahl rother Blutkörperchen, wahrscheinlich von der anhängenden Pulpa herrührend. 1. Die farblosen Körperchen bieten das bekannte Bild der sogenannten Milzkörperchen. Sie sind grösser als die Blutkörperchen, ungefähr um das Doppelte, enthalten einen etwas körnigen Inhalt und deutlich Kernkörperchen, mein zu zweien. Sie sehen den Lymphkörperchen vollkommen ähnlich. (Fig. 4a.) Ausser ihnen sieht man grössere Zellen, in denen der Kern den obigen Körperchen gleicht und ebenfalls je zwei Kernkörperchen zeigt. (Fig. 4 b.) 2. Die spindelförmigen Körper sieht man in verschiede- ner Gestalt. Die grösseren sind diekbäuchig und in ihnen ist ein deutlicher, etwas ovaler, oder runder Kern (Fig. 4ec.), in dem Kern oft mehrere deutliche Kernkörperchen. In vielen ist der Kern nicht central, sondern wie auch Kölliker Fig. 262. abbildet, seitlich hervorstehend (Fig. 4d.) Interessant ist aber folgende Beobachtung. Man findet einen Theil der Körper noch nicht ausgebildet spindelförmig, in ihnen sieht der Kern den Milzkörperchen vollkommen ähnlich. Diese unausgebildeten Faserzellen zeigen sich ein Mal als nach einer Seite verlängerte Zellen (Fig. 4e.). Bei andern sieht man eben erst das schwanzförmige Ende sich ausstülpen. Andere sind nach beiden Seiten, aber ungleich verlängert (Fig. 4f.) Einige der spindelförmigen Körper sind schmaler und gedehnter, sie sind sehr selten, in ih- nen ist die Umgränzung der Kerne nicht mehr so scharf. (Fig. 49.) Wenn man diese Formen in mehrfachen Exemplaren auf- merksam beobachtet, so scheinen sie alle Uebergangsformen zu bilden, die auf eine Entstehung aus den Milzkörperchen hinweisen, Ich stelle diese isolirte Beobachtung als fraglich und erst rch weitere Untersuchungen zu bestätigen hin. e Untersuchung der Pulpa bietet Aehnliches, wie die wWschen Bläschen, nur sind hier die Blutkörperchen zahlreich. 38 Die eben betrachteten spindelförmigen Körper können durchaus nicht mit den Gebilden der Muskelelemente in Pa- rallele gesetzt werden. Erstens sind sie durch ihren deut- lich eontourirten Kern mit seinen Kernkörperchen, dann durch die Form durchaus von den Faserbruchstücken in Gestalt der Kölliker’schen Zellen verschieden. Ferner ist ihr, Ver- halten gegen Salpetersäure ein verschiedenes, indem sie bei einer Einwirkung derselben, die bei den Muskeln erst die Bündel lockert, verschwinden. Ich wende mich nun zu den Untersuchungen über die Muskeln in der Milzhülle und den Balken. Nach mässiger Maceration der Milz in Wasser, isolirte ich eine Parthie des Balkengewebes und reinigte dasselbe sorgfältig von der anhängenden Pulpa. Ein Faden desselben, so gut es geht, zerfasert, zeigt unter dem Mikroskop sich zusammengesetzt aus einzelnen Bündeln, — ausser Binde- gewebe und elastischen Fasern — die das bekannte oben be- schriebene Bild der Bündel der glatten Muskeln bieten, indem einige am Rande hervorstehende Fadenenden den Muskelfaden Köl iker'sche Faserzellen — ähnlich sehen. Aehnliches zeigt sich bei den Untersuchungen von Bal- kenstücken, die wenige Stunden in Salpetersäure macerirt sind, oder in Spiritus aufbewahrt wurden. Um zu ferneren Resultaten zu kommen, liess ich ein Stück- chen der Milz zwei Tage in Salpetersäure maceriren. Es erscheint dasselbe nun von schmutzig brauner Farbe und man findet im Innern weiche, aber noch bequem isolirbare Balken- fasern, die ebenfalls schmutzig braun sind. Dieselben aus- gewaschen und in einem Tropfen Wasser zerfasert zeigen unter dem Mikroskop ganz das Bild, das wir aus der Un- tersuchung der glatten Muskeln kennen, d. h. aufgefaserte Bündelstücke und abgetrennte Fasern. Die abgetrennten Fa- serstücke bieten vollkommen das Bild der Muskelfadenbruch- stücke mit welligem Rande und zicekzackförmigen Median- streifen. Die Bündel bestehen nur aus diesen Fasern. Hier war kein Zweifel, dass ich die von dem Sarcolemma gebildeten 39 Muskelfaden vor mir hatte und zwar wie in den Muskeln des Darms in Bündel vereinigt. Ich führe hier noch an, dass ich bei dieser Untersuchung ein paar grosse Zellen zu sehen glaubte, in denen spindel- förmige Körper spiralförmig gewellt zu liegen schienen, wie auch Kölliker solches beobachtete. Ich konnte aber in keiner der übrigen zahlreichen Unter- suchungen etwas Aehnliches finden und da die von mir auf- gefundenen Verhältnisse der Muskelfasern dieser Beobachtung durchaus nicht entsprechen, so muss hier offenbar eine Täu- schung zu Grunde liegen. Ich begnügte mich nicht mit der oben dargelegten Nach- weisung der durch das Sarcolemma gebildeten Muskelfaden. Ich wählte zur weiteren Untersuchung eine Milz, die eben- falls, selten normal, die weissen Malpighi'schen Bläschen darbot. Sie gehörte einer Person, die, in trunkenem Zu- stande von Apoplexie ergriffen, in meiner Hospitalabtheilung 2 Tage nach der Aufnahme starb und in dieser Zeit eben- falls nichts genossen hatte. Mehrere Stücke gereinigten Balkengewebes wurden 2 Tage in 20procent. Salpetersäure macerirt. Sie liessen sich nun leicht in einem Tropfen Wasser zerreiben und bieten unter dem Mikroskop Folgendes: 2 Man sieht mehre zum Theil aufgefaserte Bündelstücke, zum Theil abgetrennte Faserstücke. Die Bündel zeigen das oben beschriebene Bild, d. h. die Zusammensetzung aus Fa- sern, die den von dem Sarcolemma gebildeten Muskelfäden gleichen. — In den abgetrennten Stücken dieser Fäden sieht man in einem Theil die geknickten Medianstreifen, in andern zeigen sich deutlich die in der Hülle enthaltenen bei den Darmmuskelu beschriebenen zweikolbigen primitiven Fasern von einander getrennt, so dass sie sich oft deutlioh durch das ganze Faserbruchstück verfolgen lassen. Einzelue der abgetrennten Faserstücke sind sehr lang. Ausser dem Bishe- rigen finden sich mehrere freie grössere und kleinere Stücke der primitiven kolbigen Fasern. Fig. 5. zeigt Muskelfäden und primitive Fasern aus der menschlichen Milz. 40 Diese gleichzeitige Existenz der Fasern in ihrem verschie- denen Lösungszustande lässt sich wohl durch die verschieden intensive Einwirkung der Salpetersäure auf die inneren und äusseren Fäden der Bündel erklären. Die zweite, ebenfalls einem an Apoplexie Gestorbenen angehörige, Milz erschien fest und ohne sichtbare Malpighi- sche Bläschen. Die Balken wie oben behandelt gaben ganz gleiche Resultate, nur schienen die Muskelbündel seltener zu sein, Die Untersuchung der Milzhülle wurde an allen dreien Exemplaren, sowohl in frischem als in verschieden lange macerirtem Zustande, unternommen, indem ich ganz den oben dargelegten Gang befolgte und sie wies, ebenfalls in Bündeln, sowohl die Muskelfäden, als die in ihnen enthalte- nen kolbigen primitiven Fasern nach. Die macerirte Milz- hülle zeigt deutlicher als die Balken (Einwirkung der Sal- patersäure auf die anhängende Pulpa) die gelbe Farbe und beweist schon hierin die Gegenwart der glatten Muskeln. Mit diesen Untersuchungen ist denn namentlich durch Zerlegung in die primitiven Fasern die Gegenwart reichli- chen Muskelgewebes in Hülle und Balken der Milz des Men- schen erwiesen. Die Untersuchung der Leber und Nieren in Bezug auf die Existenz der glatten Muskeln ist noch nicht beendigt und folgt nächstens. — Kiew, den 8. Mai 1852. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Aus der Muskelhaut des menschlichen Dünndarms nach ötägiger Maceration in 20procent. Salpetersäure. Fig. 2. Aus der Muskelhaut des Schweinedarms nach zweitägiger Maceration in Salpetersäure. Fig. 3. Au der Muskelhaut des Schweinedarms nach 4tägiger Maceration. Fig. 4. Aus den Malpighi'schen Bläschen der menschlichen Milz. Fig. 5. Aus der Hülle und den Balken der menschlichen Milz. 41 Die grüne Farbe der Haut unsrer Frösche; ihre physiologischen und pathologischen Veränderungen. Von Dr. v. WırrıcH in Königsberg. Brücke*) hat in seiner Abhandlung über den Farbenwech- sei der Chamaeleonen nachgewiesen, dass derselbe theils von Interferenzerscheinungen der Epidermisgebilde herrührt, theils aber durch zwei übereinander gelagerte und gegenein- ander bewegliche Pigmente bewirkt wird; und dass endlich jene Beweglichkeit des einen dunkleren Pigments vom Cen- iral-Nervensystem aus beherrscht wird. Es ist die Absicht der vorliegenden Auseinandersetzung, zu zeigen, dass ganz ähnliche Verhältnisse auch in der Haut unsrer grün gefärbten Frösche: Rana esculenta und Hyla arborea thätig sind. Es ist eine allbekannte Thatsache, dass die grüne Farhe bei- der Arten sehr bedeutend varürt; so finden wir mitunter Rana esculenta, deren Grundfarbe fast grüngelb erscheint, während sie sich bei andern von den schwarzen Rückenflecken nur noch durch einen leichten grünlichen Schimmer unterscheidet, ja wir finden gar oft Thiere die über und über graubraun gefleckt sind, so dass es oft schwer fällt sie auf den ersten Blick von Rana temporaria durch ihre Farbe zu unterschei- den. Nicht weniger unbekannt dürften die Farbenverschie- denheiten von Hyla arborea sein, die ja auch schon Roesel *) Brücke: Untersuchungen über den Farbenwechsel des Africa- nischen Chamaeleons. IV. Bd. der mathemat. naturwissenschaftl. Classe der Kaiserl. Acad. d. Wissenschft. Wien 1852. 22 beschreibt und sie mit dem Häutungsprozess der Thiere in Verbindung zu bringen sucht. Die Farbenveränderungen bei Hyla arborea, die oft mit ungemeiner Schnelligkeit einander folgen, brachten mich zuerst darauf, die Bedingungen festzu- stellen, unter denen derartige Veränderungen erfolgen, sowie die Veränderungen selbst kennen zu lernen, die hiebei mit dem Hautpigment vorgehen. Bevor ich abeı dieselben mittheile, ist es nothwendig, auf die anatomischen Verhältnisse der Haut zurückzukommen, da, wie wir sehen werden, sie uns allein den Schlüssel zu der Erklärung jener Veränderungen bieten. Im Wesentlichen ist die Anordnung der Gewebselemente bei Rana esculenta und Hyla vollkommen gleich, nur sind bei der grösseren Gleichmässigkeit der Farbe die Verhältnisse bei letzterer Gattung sehr viel einfacher; ich gehe daher bei meiner Dar- stellung von ihr aus. Hyla arborea ist auf seiner Rückenfläche gleichmässig grün, auf der Bauchseite weiss mit leichtem Perlmutterschiller, und nach den Schenkeln zu bekommt die Bauchseite einen leichten Stich ins Gelbe; desgleichen sind die Beugeseiten der Extremitäten hellgelb. Die grüne Farbe wird an den Seiten- theilen durch eine hellgelbe, zuweilen goldglänzende Linie be- gränzt, die äusserst fein an den Nasenlöchern beginnt, an den Seiten des Kopfes und Leibes hinläuft, vor den Schen- keln einen spitzen Winkel bildet, und sich auf die Schenkel selbst fortzieht. Ein gleicher Streif begränzt auch die grüne Streckseite der vorderen Extremitäten, sowie die Rücken- fläche nach dem After zu. Parallel jenem hellen Streifen ver- läuft ein meist sehr viel breiterer schwarzbrauner, der am stärksten am Kopf und an dem Winkel oberhalb der Schen- kel, den er ganz ausfüllt, sich nach der Bauchseite allmäh- lig abschattirt und unmerklich in das Weiss übergeht. Die unteren Hautdecken der Unterkiefer sind bei dem Weibchen hellgelblich, beim Männchen grünlich, zuweilen mit leichtem Metallglanz. Die Haut ist auf der Rückenfläche glatt, auf der Bauchseite dagegen auf den ersten Blick schon durch kleine dicht aneinander stehende warzige Erhebungen uneben. 43 Sie ist gleichmässig von einem vollkommen farblosen geschich- teten Pflasterepitelium bekleidet. Unter diesem Epitelium liegt nun, wie man sich schon durch eine schwache Vergrösse- rung überzeugen kann, an den grünen und gelben Stellen der Haut eine Schicht gleichmässig rundlicher Zellen, die in letz- teren dicht an einander grenzen, während sie in den grünen Theilen noch leichte dunkle Portionen zwischen sich durch- blicken lassen. In Beiden erleidet die Schicht in regelmässi- gen Abständen Unterbrechungen durch die bei auffallendem Lichte schwarz erscheinenden Oeffnungen der Hautdrüschen. Die Zellen selbst in situ untersucht sind grünlich gelb an den grünen, gelb oder metallisch glänzend an den gelben Stellen der Haut. Trägt man dieselben von der darunter lieg, Schicht vorsichtig ab, oder breitet ein ganzes Haut- stückchen auf ein Objeetglas aus und betrachtet sie dann bei stärkerer Vergrösserung, so erscheinen sie bei auffallendem Licht orange, bei durchfallendem gelblich durchscheinend, so dass sie, falls man sie auf dem in angegebener Art ausge- breiteten Hautstückehen untersucht, durch das darunterlie- gende durchscheinende schwarze Pigment vollkommen ver- deckt sind. Sie sind, wie gesagt, rundlich oder polygonal ab- geflacht, haben einen deutlichen hellen Kern und einen fein- körnigen gelblichen Inhalt. In den Seitentheilen jenseits des dunkelen Begränzungsstrichs nach der Bauchseite zu rücken sie mehr und mehr auseinander, isoliren sich in den nur noch schwach gelblichen Partien vollkommen, bis sie in den weissen ganz verschwinden. Gleichzeitig geben sie auf diesem Wege mehr und mehr ihre rundliche oder polygonale Form auf, werden lang gezo- gen, spindel- sternförmig, ganz ähnlich den bekannten dunkeln Pigmentzellen. Schon bei starker Loupen- Vergrösserung überzeugt man sich, dass selbst mitten in den hellgrün gefärbten Hautstellen nicht alle Zellen dieser Schicht gelbes Licht reflektiren, hie und da sind einzelne, die anfangs grauweisslich erscheinen, dann aber, besonders wenn man sie mehr von der Seite an- sieht, lebhafte Interferenzfarben zeigen. Nach dem gelben 4 meist metallisch glänzenden Begränzungsstrich der grünen Hauttheile zu werden diese Interferenzzellen immer deutlicher und dichter, und sind bei solchen Fröschen, bei denen dieser Strich noch deutlich goldglänzend ist, nur von einzelnen jener gelben Zellen unterbrochen. Bei andern ist der Begränzung- strich fast silberglänzend, hier fehlen die gelben Zellen beinahe ganz. Der metallische Glanz rührt hier offenbar von den Interferenzzellen her, während die Anwesenheit jener einge- streuten gelben Zellen nur den gelben Farbenton des Goldes giebt. In den vollkommen weissen Hauttheilen fehlen die rundlichen polygonalen gelben Zellen ganz, statt ihrer findet sich eine Schicht sternförmig oder spindelförmig sich ver- breitender und die Hautdrüsen umgebender Interferenzzellen ; und in jenen oben angegebenen Theilen der Bauch , die schwach gelb erscheinen, sind hie und da gelbe Zellen einge- streut. Ein grünes Pigment findet sich in dieser Schicht der Haut bei Hyla arborea ebensowenig wie bei Rana esculenta, bei dem die Verhältnisse sonst soweit ganz dieselben sind, nur dass bei ihnen auch auf den schwarzen Flecken des Rückens die gelben Pigmentzellen und die Interferenzzellen der Bauchdecken fehlen, und durch schwarzbraune ersetzt werden. Diese Schicht gelber und hie und da Interferenz- erscheinungen hervorrufender Zellen ist bisher unbeachtet geblieben. Ascherson*), dem wir die genauste Beschrei- bung der Haut der Frösche verdanken, erwähnt sie gar nicht, nach ihm liegt unter der Epidermis gleich das dunkle Pig- ment; auf die Frage wie die grüne Farbe von Rana esculenta zu Stande kommt geht er gar nicht ein. Brücke“*) ist der erste, der sie, wie wir jedoch später noch sehen werden, in etwas abweichender Art als es hier geschehen ist, beschreibt. Unter dieser Schicht gelber Zellen liegt nun in den grü- nen Hautpartien beider Froscharten eine mächtige Schicht dunkel schwarzbrauner Pigmentzellen, die mit ihren vielfachen *) Ascherson über die Hautdrüsen der Frösche; in Müller’s Archiv. 1840 pg. 15. ff. *) Brücke a. a. O. pg. 20 u. 21. 45 unregelmässigen Ausläufern meist einander berühren und so ein ziemlich engmaschiges dunkles Netz bilden, theils "aber auch ihre pigmenterfüllten Ausläufer durch die ganze Dicke der darunterliegenden Lederhaut senden. Auf feinen senk- rechten Durchschnitten der Haut überzeugt man sich leicht von der Dicke dieser Pigmentschicht, sowie auch von ihrer relativen Lage zu der gelben Schicht und zu der Lederhaut. Weder bei auffallendem noch durchfallendem Licht zeigt sich ein grünes Pigment. In den weissen oder goldglänzenden Hautpartien fehlt das dunkle Pigment vollständig oder ist nur hie und da eingestreut. Das Zustandekommen der grünen Hautfarbe findet nun, ünes Pigment selbst nirgend vorhanden ist, leicht ärung in dem optischen Verhalten dieser drei über- einander liegenden Schichten, dem Epitel, der gelben und der dunkeln Pigmentschicht. Die beiden ersteren wirken als trübe Medien und lassen die dunkle Unterlage zunächst blau erscheinen, dann aber treten die blauen Lichtstrahlen durch _ eine gelbe Schicht und erscheinen uns grün. Es ist hier also ziemlich dasselbe Verhältniss, wie es uns Brücke*) in den grünen Schuppen von Lacerta viridis beschreibt, auch dort fehlt ein grünes Pigment, auch dort deckt eine doppelte Schicht Zellen eine dunkle Unterlage und wirkt als trübes Medium, auch dort mischt sich das so reflectirte blaue Licht mit dem gelben der oberflächlichen Zellenlagen und erscheint uns grün. Brücke, der, wie gesagt, in seiner Arbeit über die Chamäleonen gleichfalls auf die grüne Farbe der Gattung Hyla zu sprechen kommt, giebt eine von der hier ausgeführ- ten Deutung sowohl der anatomischen als der optischen Ver- hältnisse, abweichende Erklärung über das Zustandekommen derselben. Nach ihm sind die Zellen der mittleren Schicht auch in den grünen Hautpartien durchweg Interferenzzellen, d. h. sie erscheinen uns bei durchfallendem Lichte wohl bräunlich, bei auffallendem aber grau, und zeigen lebhafte Interferenzfarben. da *)#. a. 0. pg. 23. 46 Dieser letzten Eigenschaft aber verdanken nach ihm die Rückendecken ihre schöne grüne Farbe. Allerdings erschei- nen die Zellen der mittleren Schicht, wenn man sie in situ betrachtet, über der dunkeln Unterlage und bei schwacher mikroskopischer Vergrösserung ‚nur schwach gelblich, hie und da sogar wie bereits früher erwähnt graubläulich, immer aber wird man sich selbst auf diesem Wege von ihrer gelben Farbe bei auffallendem Lichte überzengen, noch mehr aber, wenn man die Zellen durch vorsichtiges Abschaben isolirt zur Beobachtung bringt, und schon so lässt sich Brückes Angabe leicht widerlegen. Es sprechen aber auch manche Lebenserscheinungen in der Haut dieser Thiere, auf die ich später noch zu sprechen komme, gegen sie, die völlig un- erklärt blieben, wenn eben das Grün der Haut nur in ei- ner Interferenzerscheinung seinen Grund hätte. Ganz un- zweifelhaft rührt der Perlmutterschiller in den weissen Haut- partien, sowie der Metallglanz jener gelben Begränzungslinie von jenen schon oben erwähnten Interferenzzellen her. : Die- selben sind da, wo sie mitten im Grün beobachtet werden, sowie an den Uebergangsstellen zur gelben Begränzungslinie rundlich oder polygonal, werden, jeweiter sie auseinander rücken, immer unregelmässiger in ihrer Form; sie haben einen hellen Kern, um den sich eine äusserst feinkörnige Inhalts- masse lagert, die die ganze Zelle vollkommen undurchsichtig macht; zerdrückt man sie, so fährt der Inhalt unter der lebhaftesten Molekularbewegung nach allen Seiten ausein- ander. Bei sehr starker Vergrösserung erkennt man die ein- zelnen Molecule als scharfbegränzte, säulenförmige, scheinbar krystallinische Stäbchen, sie sind schwach lichtbrechend und farblos, so dass sie leicht dem Blicke entschwinden;; betrachtet man sie bei auffallendem Licht, so glitzern sie im dunkeln Gesichtsfelde lebhaft hin und her und zeigen die schönsten Interferenzfarben. In Masse zusammen gelagert, so auch in der Zelle, depolarisiren sie polarisirtes Licht. Ganz gleichen Interferenzzellen, mit scheinbar krystalli- schem Inhalt verdankt auch die Iris unserer Amphibien ihren metallischen Glanz; man findet sie hier mitten zwischen u Ze 47 Pigmentzellen, die ebenfalls jenen der Haut vollkommen glei- chen und denen die Iris in gleicher Weise den Farbenton des Goldes verdankt. Von Wichtigkeit für mancherlei der Lebenserscheinungen der Haut ist noch das mikroskopische Verhalten beider Zel- lenformen; beide, sowohl die gelben Pigmentzellen, als die Interferenzzellen werden nämlich sehr schnell sowohl durch Säuren, als durch Alkalien zerstört. Betupft man die Haut eines lebenden Frosches mit Essigsäure oder Ammoniak, so entfärbt sie sich sehr schnell und wird schmutzig grau blau; die durch diesen Eingriff stark geschwellte Epidermis wirkt alsdann für sich als trübe durchscheinende Schicht über dem dunkeln Pigment darunter. Was nun die Farbenverschiedenheiten betrifft, deren ich bereits als Ausgangspunkt meiner Beobachtungen erwähnte, so sind sie entweder (und hierher gehören die von Rösel*) beschriebenen Veränderungen) in gewissem Sinne pathologi- scher Art und dann einige Zeit andauernd, oder sie beruhen auf einer nur vorübergehenden Lebensthätigkeit der Haut selbst. Diese letzteren sind, so eklatant sie auch sein mö- gen, bisher wohl ganz übersehen. Um Wiederholungen zu vermeiden, werde ich sie hier zunächst näher beschreiben. Man braucht nicht gar lange Frösche im Zimmer zu be- obachten, um sich davon zu überzeugen, das ein und derselbe bald dunkel bald hellgrün erscheint. Es lag nahe, diese Ver- änderung, wie bei den Chamaeleonen auf einen Einfluss des Lichtes zurückzuführen. Das Experiment bewahrheitet diese Voraussetzung, und scheint das Licht für unsre grünen Frö- sche kein so intensives Reizmittel zu sein, als für die Cha- maeleonen, stärker schon für Rana escutenla als für Hyla ar- borea. Schliesst man einen der ersteren längere Zeit gegen alles Licht vorsichtig ab, so ist er, wenn er bei Beginn der Beobachtung hellgrün war, jetzt vollkommen dunkel blatt- grün, und nur wenige Zeit hellen Tageslichtes oder Kerzen- r ". u v. Rosenhof, Historia naturalis ranarum nostratium, u a „w 48 lichtes reichen hin, um ihn wieder erbleichen zu machen. Mit Hyla wollte es mir nie so entschieden gelingen, sie durch Lichtentziehung zu verdunkeln, wohl aber werden selbst die hellsten Thiere gar schnell fast schwarzgrün, so bald man sie sich im Winter bei kühler Stubentemperatur in Moos zum Winterschlaf vergraben lässt. Nimmt man einen so ver- borgenen aus seiner Klause, so erbleicht er uns zwischen den Fingern bis zum hellsten gelbgrün. Laubfrösche, die ich dunkelgrasgrün einfing und in der Hand lose nach Hause brachte, waren, als ich sie hier aus ihrem Verwahrsam entliess, fast eitronengelb. In beiden Fällen scheint das Hellerwerden wohl eben nur aus einer psychi- schen Erregung zu resultiren, das geängstete Thier erscheint hell; wohl möglich, dass die Thiere, denen ich willkührlich das Licht entzog, in ängstlicher Aufregung in ihrem Ver- schluss beharrten. Umgekehrt gelingt es aber gar leicht, so- wohl Rana esculenta als Hyla arborea durch intensives Son- nenlicht fast eitronengelb zu machen, wenn sie vorher dunkel oder intensiv grasgrün waren. Dass eben die Lichtstrah- len der Sonne, nicht ihre Wärmestrahlen hierbei wirksam sind, geht daraus zur Genüge hervor, dass selbst das Licht eines bewölkten Himmels sowie Lampenlicht hinreicht, sie erbleichen zu lassen. Die Wirkung des Lichts ist hier eine umgekehrte, wie bei den Chamaeleonen, die hell im Dunkeln, dunkel im Hellen erscheinen. Es liegt gar wohl auch auf der Hand die Ver- änderungen auf einen ähnlichen Vorgang zurückzuführen, als bei letzteren, zumal die Bedingungen in beiden Fällen an- nähernd gleich sind. Ein Zurücktreten des dunkeln Pigments in die Tiefe müsste auch hier ein Hellerwerden bedingen, und zwar müsste natürlich, da die Schicht über demselben dadurch an Dieke zunimmt, auch weniger blaues Licht durch- treten und so das Gelb im Grün prävaliren machen. Noch eklatanter ist nun das Verhalten der grünen Hautpartien ge- gen elektrische Reize. Setzte ich die Elektroden eines In- ductions-Apparats auf eine vorher grüne Stelle eines leben- den Frosches, so färbten sich die berührten Stellen und waren 49 die beiden Elektroden nicht gar weit von einander, auch die dazwischen liegende Partie sehr schnell gelb und gehen später nach Aufhebung des Reizes allmählig durch orange, rost- braun, braun wieder in grün über. Verfolgt man den Vor- gang bei schwacher mikroskopiseher Vergrösserung, so lässt sich keinerlei Gestaltveränderung der gelben Pigmentzellen ver- folgen, nicht einmal ihre gegenseitige Lage erscheint wesentlich alterirt, nur bei dem Nachlass des Reizes und bei dem Dunkler - werden der gereizten Stellen schimmert mehr schwarzes Pig- ment zwischen den einzelnen Zellen durch. Weniger schnell wie bei Hyla arborea erfolgen dieselben Veränderungen bei Rana esculenta, auch bedarf es bei letzterem meistens eines etwas stärkeren Stromes. Die Rückenhaut der Frösche liegt be- kanntlich nur locker der Muskulatur des Rumpfes auf und wird von ziemlich frei liegenden Gefässen und Nerven ver- sorgt. Es ist daher leicht, einmal die Nerven subeutan zu durchschneiden, dann aber auch sie direkt zu reizen. Bei der Operation fällt zunächst in die Augen, dass eine jede Stelle, die mit der Pinzette gefasst wird, sich schnell gelb färbt, dass ferner die Schnittränder gleichfalls in derselben Art verän- dert werden, dass also auch rein mechanische Reize locale Farbenveränderungen hervorzurufen im Stande sind. Zu vor- erwähntem Zwecke machte ich einen Hautschnitt seitlich von der Wirbelsäule ziemlich in ihrer ganzen Länge, hob dann Jie der letztern zu gelegne Partie auf und trennte die hier leicht zu sehenden Nervenstämmehen von ihrem Zusammen- hange mit dem Rückenmarke. Einzelne periphere Stämmehen wurden aus der Hautwunde hervorgezogen und isolirt mit den Elektroden in Berührung gebracht. Die Veränderung der Farbe der entsprechenden Stellen war nie sehr eklatant, erfolgte aber auch nie so schnell, als wenn man direkt die Haut reizte; sie beschränkte sich ferner nicht so genau nur auf bestimmte Stellen, sondern erfolgte ziemlich auf der gan- zen Rückenfläche und gab derselben ein hell und dunkelge- Nlecktes Ansehen. Wurde die Haut von der Rückseite d. h. also von dem Müllers Archiv. 1854, 4 50 Corium aus gereizt, so entfärbten sich nur die von den Elek- troden getroffenen Stellen. Trennte ich den Kopf vom Rumpf und liess den Strom durch die Medulla spinalis gehen , so ent- färbte sich allmählig die ganze Haut des Rumpfes unter heftigen tetanischen Erscheinungen des Körpers. Wurde hierauf das Rückenmark zerstört, und der Körper so lange der Ruhe überlassen, bis die Haut wieder ihre dunkler grüne Farbe erhalten hatte, so hatte dieselbe ihre Fähigkeit, sich gelb zu färben, selbst nach 6 Stunden nicht verloren, falls man sie nur vor dem Vertrocknen schützte, sondern zeigte genau die- selben Veränderungen auf elektrische Reize, als vorher bei völlig ungestörtem Zusammenhang mit den Centralorganen des Nervensystems. Ebenso wenig verliert dieselbe ihre Empfindlichkeit, wenn man sie in grösseren oder kleineren Strecken vom Körper trennt, und auf einer Glasplatte aus- breitet, ja man kann sogar, wenn man dieselbe in mässig feuchter Luft vor dem Vertrocknen schützt, mehrmals von Neuem durch elektrische Reize gelb färben. Breitet man ein möglichst grosses Stück Rückenhaut auf einem Objectglase so aus, dass die dunkle Fläche nach oben zu liegen kommt, so erscheint uns das schwarze Pigment durch die trübe Schicht des Unterhautzellgewebes zunächst entschieden blau. Bei 250facher Vergrösserung und bei schar- fer Einstellung des Mikroskops auf die Pigmentschicht sieht man, auch trotz der Dunkelheit des Präparats, dass die Zel- len derselben mit ihren vielfachen Ausläufern ein ziemlich dichtes Netz bilden, so dass nur an vereinzelten Stellen et- was von den jetzt darunter liegenden gelben Zellen durch- schimmert. Bässt man nun einen elektrischen Strom durch einzelne Partien gehen, so überzeugt man sich, dass gleich- zeitig mit dem Gelbwerden der entsprechenden Stelle das schwarze Pigment mehr auseinanderrückt und mehr gelbes Licht durchtritt, eine Erscheinung, die entschieden dafür sprieht, dass die gesternten dunkeln Zellen sich auf ein ge- ringeres Volum kontrahiren, und so die Gleichmässigkeit der dunkeln Unterlage aufheben, die Bedingungen also auch zum Zustandekommen der grünen Hautfarbe wesentlich verändern; 51 es wird mehr reines Gelb von der gereizten Stelle refleetirt, und giebt uns so die Empfindung von Gelbgrün, oder reinem Gelb. Brücke*) macht schon auf die Contractionsfähigkeit der sternförmigen Pigmentzellen in der Froschhaut aufmerksam uud beschreibt uns den Mechanismus derselben in ähnlicher Weise, wie bei jenen der Chamaeleonen; ich kann hier seine Angaben nur bestätigen. Nimmt man zur Beobachtung jene Hautstelle, an der vor dem Schenkelansatz der gelbe Begrän- zungsstrich unter spitzem Winkel nach vorn läuft, um gleich- falls wieder unter spitzem Winkel zurück nach den Schen- keln zu verlaufen, so sieht man, dass die dunkeln gesternten Pigmentzellen mit einzelnen gelben untermischt ziemlich iso- lirt liegen, sich aber doch meist mit ihren Ausläufern berüh- ren. Diese Stelle eignet sich am besten dazu, um die Verän- derung der letzteren mit dem Mikroskope zu verfolgen, doch muss man die Haut einige Zeit der Ruhe überlassen, da, wie man sich gar leicht an den grünen Hautstellen überzeugt, dieselbe gegen mechanische Reize, die beim Abtragen und Ausbreiten derselben nicht zu vermeiden sind, äusserst em- pfindlich ist. Setzt man nun nach einiger Zeit die Elektroden auf die angegebene Stelle, so ballen sich die Pigmentkörn- chen mehr in dem Zellenkörper zusammen, werden in den Ausläufern immer sparsamer und verschwinden hier oft ganz, so dass man letztere kaum noch von dem Nachbargewebe unterscheiden kann. Aus allen diesen Erscheinungen geht zur Genüge hervor, dass auch die gesternten Pigmentzellen in der Haut unsrer Frösche contractil sind, und dass ihre Fä- higkeit, das Pigment mehr oder weniger gleichmässig über ganze Flächen auszubreiten, es ist, die jene Farbenverände- rungen in der grünen Haut von Hyla arborea und Rana_ es- eulenta hervorrufen. Wäre die grüne Farbe derselben, wie Brücke es wenigstens von Hyla anzunehmen scheint, nur eine Interferenzerscheinung, so wäre die locale Entfärbung derselben auf locale Reize ebenso wenig, wie die allgemeinere *) a... 0. pg. 22. 52 hierdurch zu erklären. Die Veränderung müsste dann in jener mittleren Zellenschicht allein vorgehen, und mit ge- staltlichen Veränderungen in derselben verknüpft sein. Zu- nächst jedoch zeigen bei übrigens normaler Färbung der Haut nur wenige Zellen jener Schicht Interferenzerscheinungen, dann aber lässt sich keinerlei gestaltliche oder Lage - Verän- derung derselben während jener Vorgänge beobachten. Wie bei den Chamaeleonen folgt dem aktiven Gelbwerden der grünen Froschhaut sowohl bei allgemein wirkenden, als besonders bei localen Reizen ein passiver Zustand, der sich durch eine dunklere Färbung, als in den Nachbartheilen, kund giebt, der um so intensiver ist, je stärker der Reiz, je eklatanter also auch die Gelbfärbung war, und der seinen Grund in einem stärkeren Durchschimmern des dunkeln Pig- ments zwischen den einzelnen Zellen der mittleren Schicht hat. Aehnlich, wie Brücke es uns bei den Chamaeleonen ge- zeigt hat, wirken auch andre Reize auf die grüne Froschhaut. Säuren und Alkalien zerstören die Zellen der mittleren Schicht, schwellen die Epidermiszellen und färben die betupfte Stelle blaugrau, eignen sich also auch hier nicht zu Reizversuchen. Terpentinöl färbt die berührten Partien vorübergehend heller, und lässt sie später, sobald der Reiz nachlässt, nachdunkeln. Tödtete ich einen Frosch durch Chloroformdämpfe oder durch einen Kohlensäurestrom, so fielen die Farbenveränderungen sehr verschieden aus; mehrmals traten unter beiden Bedin- gungen tetanische Erscheinungen in den Muskeln des Rum- pfes ein, dann waren die Thiere über und über gleichmässig grüngelb; war dies nicht der Fall und starben dieselben unter den Erscheinungen eines allgemeinen Collapsus, so waren sie meistens fleckig dunkel und hellgrün, zuweilen waren sie auch dann hellgelbgrün; immer aber zeigten sie nach einiger Zeit noch dieselbe Reizempfänglichkeit der Haut gegen me- chanische und elektrische Reize. Mit salpetersaurem Strychnin vergiftete Frösche färbten sich während des Tetanus intensiv hellgelb, gewannen dann beim Nachlass des letzteren ihre grasgrüne Farbe wieder, zeigten aber auf elektrische Reize 53 selbst nach Verlauf einer Stunde dieselben Farbenverände- rungen. Wir habeu oben gesehen, dass die Haut selbst nach Zer- störung des Rückenmarks oder nach Trennung ihres Nerven- zusammenhanges noch ihre Fähigkeit behält, sich auf elek- trische und mechanische Reize zu entfärben, dass also auch direkte Reizung ihrer contractilen Zellen dieselben Effekte hervorbringe; während andrerseits die Abhängigkeit letzterer von den Centralorganen des Nervensystems dadurch unzwei- felhaft wird, dass die Reizung dieser auch Contractionser- scheinungen in jenen nach sich zieht. Es bliebe jetzt noch zu erörtern, ob Hautstellen nach der Trennung ihres Nerven- zusammenhanges noch ihre Empfindlichkeit gegen Lichtstrah- len bewährten, durch letztere also direkt noch zu jenen Far- _ benveränderungen angeregt werden können. Einem grossen, sehr schön grünen Exemplar von Rana esculenta hatte ich die zur Rückenhaut gehenden Nerven- stämme in bereits angegebener Art freigelegt, um die Nerven direkt zu reizen. Nachdem dies geschehen, wurden die pe- ripherischen Theile abgeschnitten, und so jeder Zusammen- hang mit dem Rückenmark aufgehoben. Die Hautschnittwun- den blieben noch einige Tage hellgrüngelb, erst als sie voll- kommen vernarbt waren, war die grüne Farbe gleichmässig über dem ganzen Rücken. Trotzdem war dieselbe nach län- gerem Verweilen an einem dunkeln Ort dunkelgrün, und wurde gelbgrün im Sonnenlicht, zeigte auch die lebhafteste Farbenreaktion auf direkte elektrische Reize. Einem Laubfrosch wurden gleichfalls die Rückenhautnerven und gleichzeitig der rechte Ischiadieus dicht unter seinem Aus- tritt aus dem Wirbelkanal durchschnitten. Der Schenkel war in Folge dessen gelähmt und gefühllos, dagegen liess sich die Gefühllosigkeit der Rückenhaut nicht feststellen, da die auf sie ausgeübten Reize sich sehr schnell der darunter lie- genden Muskulatur und dem Rückenmarke mittheilten. Der Frosch war während und nach der Operation vollkommen hellgrün, die Schnittränder fast orangegelb. Nach einiger Zeit war er wieder vollkommen gleichmässig gefärbt und 54 blieb so. Ich packte ihn hierauf vollkommen in feuchtes Moos, und überliess ihn mehrstündig im Dunkeln der Ruhe. Als ich ihn wieder hervorholte war er gleichmässig dunkel blattgrün, wurde aber unter dem Einfluss des Tageslichtes wieder vollständig hellgrün. Im direkten Sonnenlicht wurde er noch heller, und dunkelte dann, nachdem ich ihn wohl eine halbe Stunde hindurch demselben ausgesetzt hatte, im Schat- ten ungemein schnell nach. Selbst 8 Tage später zeigte die Haut des Schenkels noch dieselbe Empfindlichkeit gegen Licht wie gegen elektrische Reize. Axmann*) giebt die Veränderung der Hautfarbe der Frösche nach Durchschneidung der dieselbe versorgenden Nerven an. Er sah sie stets nach Durchschneidung des Ischiadicus unterhalb des Ramus communicans des Sympathi- cus; in allen Fällen also, in denen auch die Verbindung der peripheren sympathischen Nerven von ihrem Centraltheile ge- trennt war. Dagegen fehlten sie, wenn der Ischiadieus ober- halb des Ramus communicans zerschnitten, wenn also nur sein cerebrospinaler Zusammenhang aufgehoben war. In der Voraussetzung daher, dass letzteres auch bei meinem Expe- rimente der Fall gewesen, durchschnitt ich den Stamm des Ischiadieus dicht bei seinem Austritt in den Schenkel. Doch auch diess blieb ohne Einfluss auf die Hautfarbe, und nach wie vor dunkelte sie bei Lichtentziehung, und wurde dann im Hellen und auf elektrische Reize wieder gleichmässig hellerün. Einem andern Laubfrosch durchschnitt ich von der Bauchhöhle aus den Plexus ischiadieus unter dem Ramus communicans sympathiei. Allerdings wurde hier, wie in dem vorigen Versuch unmittelbar nach der Operation, die der Frosch sehr leicht überlebte, wie Axmann angiebt, der be- treffende Schenkel heller als der übrige Körper, erhielt aber gar bald sein normales Aussehen, und zeigte dann gegen Licht wie elektrische Reize dieselbe Empfindlichkeit. Einem dritten Frosche wurde rechts der Plexus ischiadieus vom *) Axmann, Beiträge zur mikroskop. Anatomie und Physiologie des Ganglien-Nervensystems. 1853. pg. 74 ff. 55 Rücken her, links zwischen den Muskeln des Oberschenkels durehschnitten, ohne dass die Haut dadurch ihre Fähigkeit einbüsste, ihre Farbe zu verändern. Wie wir aus früheren Versuchen bereits ersahen, entspricht das Erbleichen der Haut einem durchaus aktiven Zustand eontractiler Elemente der Haut, und ist in den vorerwähn- ten Versuchen jedenfalls auf die mit der Durchschneidung der Nerven verbundene Reizung zurückzuführen. Bringt man einen durchschnittenen Ischiadicus mit den Elektroden des Induetions- Apparats in Berührung, so gewinnt die von dem- selben versorgte Haut ein hellfleckiges Aussehen, desgleichen, wenn auch nicht so intensiv, sobald man den Nerven durch Zerren mit der Pinzette mechanisch reizt. Axmann, der übrigens das Zustandekommen des Erbleichens ganz eben so erklärt, hält dasselbe für eine pathologische Erscheinung, be- dingt durch die Aufhebung des Zusammenhangs des sympa- thischen Theils des Ischiadieus mit dem Grenzstrang des Sympathieus. Es ist nicht wohl einzusehen, wie er das Zurück- gehen der gesternten Pigmentzellen auf ein geringeres Volum als eine Störung der Contraction in dem Willen entzogenen Gebilden erklärt. Er giebt ferner nicht an, ob das Erblei- chen der ihres Nervenzusammenhanges beraubten Glieder andauernd war oder nicht, wie in unseren Versuchen. Fassen wir aber die Ergebnisse der von mir angestellten Beobachtun- gen vor und nach Durchsehneidung der die Haut versorgen- den Nervenstämme zusammen, so geht aus ihnen hervor: l. Das Hellerwerden der Haut nach Reizen, die entweder direckt oder mittelbar durch die Nerven auf sie ein- wirken, ist ein aktiver Zustand, bedingt durch die Con- traction der gesternten Pigmentzellen. 2, Während auf der einen Seite die Contractionen dieser dunkeln Pigmentzellen sich entschieden abhängig von den Oentralorganen des Nervensystems zeigen, so dass auch Reizung der letzteren ein Hellerwerden nach sich zieht, so bewahren sie doch %. einen hohen Grad von Unabhängigkeit, so dass selbst nach Zerstörung des Rückenmarks, nach Durchschneidung einzelner Nervenstämme, ja selbst noch nach Ablösung ganzer Hautpartien dieselbe fast die gleichen Empfind- lichkeit gegen mechanische, elektrische oder Licht-Reize zeigen, Hat somit die Trennung des Nerven von seinem Zusam- menhang mit dem Rückenmark und vor Allem mit der in der Bauch- und Brusthöhle gelegenen Ausbreitung des Sym- pathieus entschieden gar keinen Einfluss auf die Contraetions- fähigkeit jener zelligen Gebilde in der Haut, so fragt sich’s nur, ob die Lichtstrahlen, die zunächst als ihre adaequaten Reize in Betracht kommen, direkt auf dieselben einwirken und ihre Zusammenziehung hervorrufen, oder ob dieselben erst mittelbar durch die in der Haut sich ausbreitenden sympa- thischen Nerven auf sie einwirken, deren eigenthümliche An- ordnung einen solchen Grad von Selbstständigkeit rechtfer- tigen müsste. Analogieen einer solchen Unabhängigkeit ganzer ÖOrganapparate von den nervösen Üentraltheilen lassen sich theils experimental theils anatomisch nachweisen. Das aus- geschnittene Froschherz pulsirt unter sonst günstigen Bedin- gungen noch lange fort; von ihrem Mesenterium getrennte Darmstücke zeigen noch Contractionen der Muscularis. Es fin- den sich aber auch in ihnen gangliöse Anschwellungen des Sympathicus, die als die diese Bewegung regulirenden Central- organe angesehen werden müssen. Dergleichen mikroskopische Sympathicus-Ganglien sind ferner auch in andern Körper- theilen von verschiedenen Beobachtern gesehen. In den Nie- ren von Valentin#), in den Nebennieren von Pappen- heim, vonRemak an den Nerven der Carotis und im Plexus pharyngeus, an der Lungenwurzel, in den Lungen selbst, in der hintern Wand der Harnblase, so wie in der Muskelsub- stanz des Uterus; in den Lymphdrüsen von Schaffner; in dem Plexus cavernosus von J. Müller. Es ist mir bisher nicht möglich gewesen, mich mit vollkommner Evidenz von dem Vorkommen kleiner symphathischer Ganglien in der Haut der Frösche zu überzeugen, immerhin aber sprechen *) Kölliker: mikroskopische Anatomie. Bd. II. pg. 531. 57 die angeführten Analogien wohl für deren Möglichkeit, wäh- rend andrerseits eine direkte Anregung jener contractilen Elemente allen unseren bisherigen physiologischen Vorstellun- gen widerspräche. Wie alle Bewegungserscheinungen im Be- reich des Sympathicus beschränken sich die hier beschriebe- nen nieht auf die grade gereizten Stellen, sondern erfolgen in grösserem oder kleinerem Umkreise, hören auch nicht un- mittelbar mit dem Aufheben des Reizes auf, wie dies bei den vom Rückenmarke abhängigen Bewegungsapparaten der Fall ist. Wie alle vom Sympathieus versorgten contractilen Or- gane sind sie aber auch ferner nicht ganz dem Einfluss des Gehirns und Rückenmarks entzogen, denn wir sehen nicht allein auf Reize, die wir experimentell auf diese einwirken lassen, sondern auch auf psychische Erregungen die grüne Haut sich verfärben. Ausser diesen bisher geschilderten Farbenveränderungen, die in gewissem Sinne als willkürliche, in der physiologischen Thätigkeit der Haut begründete anzusehen sind, kommen nun noch, wie schon erwähnt, nicht so schnell vorübergehende Ver- änderungen vor, zu denen auch die bereits von Roesel beob. achteten gehören. Auch sie finden sich in gleicher Weise bei Rana esculenta, wie bei Hyla arborea, nur dass sie bei letz- terem seiner gleichmässigeren Farbe wegen um vieles ekla- tanter sind. Die Frösche bekommen ein schmutzig grünes fleckiges Ansehen, das Grün schwindet immer mehr und zu- letzt erscheinen alle sonst grünen Hautstellen schmutzig grau- braun mit einem leichten bronzenen Ueberzug, der besonders deutlich ist, wenn man sie von der Seite ansieht. Oft ver- läuft diese Art von Veränderung ungemein schnell; Frösche, die ich grasgrün eingefangen in der Hand nach Hause brachte, waren, als ich sie in ein Glas setzte, fast eitronengelb und schon nach wenigen Stunden vollkommen braun bronzirt.. Mit dem Häutungsprozess steht diese Farbenveränderung in keinem nothwendigen Zusammenhang; denn oft genug habe ich Frösche ihre Epidermis abstreifen sehen, während sie vollkommen grün waren, Ebensowenig erfolgt dieselbe nur nach beendeter Begattung; zu jeder Jahreszeit schen wir sie 58 ganz unabhängig von letzterer auftreten. Am sichersten kann man sie willkürlich hervorrufen durch Nahrungsentziehung. Frösche, die lange Zeit gehungert haben, erscheinen vollkom- men graubraun bronzirt, es ist daher mehr als wahrschein- lich, dass die gleichen Erscheinungen auch in andern Fällen aus gewissen Ernährungsstörungen der Haut hervorgehen, die entweder ihren allgemeinen Grund in mangelhafter Ernährung überhaupt oder in lokalen Störungen finden. So erscheinen Frösche, die sich längere Zeit in Moos zum Winterschlaf vergraben hatten, gleichfalls braun bronzirt. Die genauere Untersuchung ergiebt, dass es hauptsächlich die mittlere Schicht jener gelben Zellen ist, deren Verände- rungen alle jene Erscheinungen hervorrufen. Man überzeugt sich leicht, dass mit dem Beginn dieser Vorgänge die auch in der grünen Haut beschriebenen Interferenzzellen in dem- selben Grade an Zahl zunehmen, wie die gelben in ihr ver- schwinden. Gleichzeitig nehmen diese Zellen auch an Um- fang ab, so dass die Zwischenräume, mitunter wohl den Zellendurchmesser um das Doppelte übertreffen , am Ende dieser Veränderungen ist die schwarzbraune Haut mit unzäh- ligen, das Licht inferirenden Zellchen bedeckt. Das dunkle Pigment schimmert jetzt in seiner grössern Masse nur durch die dünnere und viel weniger trübe Epidermis, erscheint uns daher nicht blau, sondern graubraun; an allen jenen Stellchen aber, an denen die Interferenzzellen dasselbe decken, scheint es gar nicht durch, da die mit äusserst kleinen Flitterchen oder Krystallchen erfüllten Zellen die in sie hineintretenden Lichtstrahlen unter lebhaften Interferenzerscheinungen fast vollkommen reflektiren. Schon früher bei der Beschreibung der gelben Pigment- zellen und der Interferenzzellchen wurde auf ihr gleiches ‚mikrochemisches Verhalten aufmerksam gemacht. Im Verlauf der Darstellung haben wir ferner gesehen, dass überall, wo sich derartige gelbe Zellen finden, unter Umständen statt der- selben Interferenzzellen zur Beobachtung kommen, der Schluss scheint mir daher nicht zu gewagt, dass beide nur verschie- dene Entwicklungsstadien ein und derselben Zellenform sind: 59 Reizt man in angegebener Art bronzirte Frösche mit den Elektroden eines Inductionsapparats oder mechanisch durch Kneifen mit der Pinzette, so werden sie ein wenig heller, aber nie grün. Füttert man die durch Nahrungsentziehung bronzirten, so werden sie zunächst heller, färben sich dann blaugrün, dem allmählig immer mehr gelbes Licht beigemischt wird, bis sie endlich ihre normale grasgrüne Farbe erhalten. Diesen Vorgängen im Grossen entsprechen auch die Verände- rungen der Zellen, dieselben werden immer grösser, rücken an einander und reflektiren immer mehr gelbes Licht. Königsberg, 2. Dec. 1853. Ueber den Canal in den Eiern der Holothurien. Von Jou. MÜLLER. Vor einigen Jahren beschrieb ich einen Canal in den Eiern der Holothurien. Die erste Mittheilung befindet sich in dem Monatsbericht der Akademie zu Berlin 28. April 1851 und lautet wie folgt: „Die Eier der Echinodermen zeichnen sich meist durch eine ungewöhnliche Dicke der äussern Hülle aus, welche von einer starken Lage einer durchsichtigen Substanz gebildet wird und welche bereits Derb&s am Seeigelei von der Dotter- haut unterschieden hat. Bei verschiedenen Holotburien, wie Pentacta doliolum, Thyone nov. spec. sind dieser glasarti- gen Masse hin und wieder Körnchen oder Kerne sehr zer- streut aufgelagert, die glasartige Schicht hat aber zuweilen das Ansehen von einer radialen Aggregation, ihre Stärke ist bei einem und demselben Thier grossen Variationen unter- worfen, an reiferen Seesterneiern zeigen sich auf ihrer äussern Oberfläche nicht selten Spuren theilweisen Detritus.. Das Eierstocksei der Holothurien zeigte nun bei denjenigen Arten, welche der Reife näher waren, eine ganz ungewöhnliche und bis jetzt an Thiereiern noch nicht beobachtete Structur. An einer Stelle nämlich, die sich beim Rollen der Eier in der Profilansicht zu erkennen giebt, verlängert sich die Eihaut und der die Dottermasse enthaltende Raum in Form eines Canales durch die durchsichtige dieke Hülle bis zur Ober- fläche. Bei Pentacta doliolum sind die Eier merklich abge- plattet; so lange die Eier mit einer der breitern Seiten auflie- gen, sieht man nichts von dem Canal, der aber sogleich er- 61 scheint, sobald das Ei durch seine Stellung das Profil seiner flachen Seiten darbietet; er befindet sich in allen Eiern con- stant auf einer der flacher Seiten. Der Canal ist beim Ab- gang von dem den Dotter einschliessenden Raum etwas weiter und verengt sich allmählig gegen die Oberfläche des Eies. Bei Pentacta doliolum beträgt die Eihülle bei einer Grösse des Eies von 2, gegen '%,, die Breite des Canals aber in seinem engsten Theile '/,u”. Bei einer nieht beschriebe- nen Art von Thyone D. et. K., Anaperus Tr. beträgt die Dicke der Eihülle bei ®4,‘“ Durchmesser des Eies gegen 14,'", die Breite des Canals aber 4 — Vo. Bei Pentacta tetraquetra ist die Eihülle Y4,,“’ dick, der Canal Ya” breit. Auch bei Synapta digitata und bei Ophiothrix fragilis wurde dieser Canal beobachtet, dagegen ist es nicht gelun- gen, ihn au den Eiern der Seeigel und Asterien zu sehen. Die Dotterhaut scheint den Canal auszukleiden, dagegen dringt die Dottermasse nicht in ihn ein. Ob er am äussern Ende, wo er quer abgeschnitten erscheint, geschlossen oder offen ist, konnte nicht sicher ausgemittelt werden. Bei Ophithrie fragilis erweitert er sich wieder nach aussen zu derselben Breite, die er am innern Anfang hat. Hier spricht das Ansehen mehr für eine Ausmündung; denn es ragt aus dem Ende eine schleimige, einzelne Körnchen ent- haltende Masse nach aussen wie ein Pfropfen hervor. Diese Masse verklebt die noch im Eierstock enthaltenen Eier unter einander dergestalt, dass einige grössere und kleinere Bier jedesmal durch die von dem Canal eines jeden ausgehende structurlose Masse leicht aneinander hängen. Ueber die Be- deutung des Canals kann ich mir für jetzt kein Urtheil er- lauben, Es liegt zwar der Vergleich mit der Mikropyle des Pflanzeneies so nahe, dass er nicht unerwähnt bleiben kann, diesem steht aber der Umstand entgegen, dass, wenn zur Befruchtung des Thiereies ein besonderer Canal oder eine Oefinung der Eihülle nothwendig wäre, sie ohne Zweifel in allen Thiereiern vorkommen würden, und dass es mir bis jetzt in keiner andern Thierklasse gelungen ist, etwas ähnliches zu finden, * 62 Da meine Beobachtung in neuerer Zeit zur Unterstützung einer Theorie der Befruchtung benutzt worden, so schien es mir nützlich, die ausdrücklichen Worte, womit ich sie ein- führte, anzuführen. Im Herbst desselben Jahres wurde die Untersuchung über diesen Gegenstand an Holothuria tubulosa fortgesetzt, deren Genitalschläuche im Frühling leer von Eiern gewesen wa- ren. Monatsbericht, 10. Nov. 1851. Die radiirte [Hülle des Holothurieneies wird der von Krohn beschriebenen fa- cettirten Eihülle des Eis der Sipunkeln verglichen, und be- merkt: Man kann jene Eihülle der Holothurien als eine per- ennirende Eikapsel ansehen, daher jener Canal nur in den seltenen Fällen erwartet oder gesucht werden kann, wo die Eikapsel am Ei perennirt. Die innere Eihaut müsste hiernach auch dem Canal fremd bleiben und sphärisch abgeschlos- sen sein und so hat es auch bei Holothuria tubulosa das An- sehen. Wären die Eier der Echinodermen im Eierstock an Stielen befestigt, so würde die Oeffnung einer Erscheinung am Spinnenei entsprechen, welche Wittich und Victor Carus beschrieben haben. Aber ich habe niemals etwas einem Stiele analoges am Ei des Eierstocks bei Echinoder- men wahrnehmen können. In der 4. Abhandl. über Echinodermenlarven, Berlin 1852, sind auf Taf. IX. Fig. 8. 9 Abbildungen von Holothurien- eiern mit dem Canal gegeben. Die Auffassung ist im Sinn der oben angeführten spätern Beobachtungen an Holothuria tubulosa, dass der Canal allein der äussern Capselhaut ange- höre, die Dotterhaut geschlossen unter ihm weggehe. Bei Synapta digitata unterschied ich im Frühling eine durch- sichtige äussere Hülle am Ei und glaube auch den Canal er- kannt zu haben; ich konnte ihn sowohl wie die glasartige Schicht an den weniger reifen Eiern im Herbst nicht wieder- finden. Der Name Capsel ist schon vor mir gebraucht, wo eine äussere Eihülle von der Dotterhaut unterschieden worden. So nennt Loven die aus mehreren concentrischen Schich- ten bestehende weiche äussere Hülle der Eier von Cardium n 63 pygmaeum Capsel. Bidrag till kännedomen om utvecklingen af mollusca acephala lamellibranchiata. Vet. Akad. Handl. f. 1848. In R. Wagners Icones zootomicae Taf. XXXI. Fig. 12 befindet sich eine Abbildung vom Ei der Holothuria tubulosa, worauf R. Wagner aufmerksam macht und woraus hervor- geht, dass er dies Verhalten der Holothurieneier gesehen, wenn auch nicht weiter gewürdigt hat. Physiol. Wörterbuch IV. B. p. 1018 a. ! Einen Canal in der Eihülle besitzen auch die Eier von Sternaspis Ihalassemoides, wo er von Max Müller aufge- funden ist. Die Beschreibung und Abbildung gab derselbe nach seinen Beobachtungen in Triest vom Jahre 1851 in der Inauguralschrift: Observationes anatomicae de vermi- bus quibusdam maritimis. Berol. 1852 p. 5. Tab. I. Fig. 15. Das Ei ist von einer ganz ausserordentlich dieken durchsich- tigen Capsel umgeben, welche einen Ausführungsgang besitzt. Innerhalb der Capsel ist das Ei von einer besondern Cutieula umgeben. Den Eicanal der Unionen und Anodonten haben Leuk- kart und Keber aufgefunden. Leuckart im Artikel Zeu- gung in R. Wagners physiol. Wörterbuch, IV. Bd. 1853. p- 801. Keber, über den Eintritt der Samenzellen in das Ei. Königsberg 1853. Vom Eicanal der Anodonten erhielt ich zuerst von Professor Leuckart Kenntniss, als derselbe im Frühling 1852 bei mir die Abbildungen der Holothurieneier in der damals eben erschienenen vierten Abhandlung über Eehinodermenlarven sah. , Von der Schrift des Dr. Keber urtheilte ich, die Auf- gabe wäre vorerst, den Eicanal bei recht vielen Gattungen von Thieren aufzusuchen. Wenn er nur in einigen Thieren vorkäme, so hätte es mit der Bedeutung einer Micropyle nicht viel auf sich, bei allgemeiner Verbreitung würde ihre Bedeutung keinem Zweifel unterliegen, auch wenn sich Ke- r hinsichtlich des beobachteten Eintritts des Zoospermion geirrt hätte, Es war zu bedauern, dass Keber die lasen an den Tuben der Kaninchen mit Eiern ver- 64 r wechselt hat; man musste sich indess hüten, dies schon als üble Vorbedeutung anzusehen. In diesem Sinne beantwortete ich die Zusendung der Schrift, welche meinen Standpunct und meine Zweifel hinsichtlich des von mir beobachteten Canals nicht ändern konnte. Bei den Teichmuscheln ist die Eihaut in einen offenen Hals ausgezogen, durch welehen man den Dotter ausdrücken kann. Keber nennt die in den offenen Hals auslaufende Haut die Schalenhaut, nach Leuckart ist es vielmehr die Dotterhaut selbst. Nach Keber soll der Canal durch eine Ausstül- pung aus dem Innern des Eichens entstehen. Nach Leuckart entstehen die Keimbläschen der Najaden auf der innern Fläche des Eierstocks in einer Schicht von Eiweis mit kleinen fettartigen Molecularkörperchen und grös- sern Fettkörnern. Die Keimbläschen mit dem Keimfleck versehen, bilden bald mit der Eiweismasse, die sie umgiebt, an der innern Oberfläche des Eierstocks einen buckelartigen Vorsprung, der an Grösse und körniger Beschaffenheit immer mehr zunimmt und sich in die Dottermasse des spätern Eies verwandelt. Der äussere helle Rand derselben erhär- tet allmählig zu einer membranösen Hülle, der Dotterhaut und zwar schon zu einer Zeit, wo die Dottermasse noch an ihrer Mutterstätte mit breiter Basis festhängt. Zuletzt hängt die Dotterhaut nur noch durch einen kurzen halsför- migen Stiel mit der Eierstockswand zusammen. a. a. O. Die Abhandlung von Meissner, Beiträge zur Anatomie und Physiologie von Mermis albicans, Zeitschr. f. wissenschaft- liche Zool. Bd. V. 2.—3. Hft. 1853. p. 207, enthält wichtige Thatsachen über die erste Bildung der Eier und die Entste- hung des Eicanals, welchen diese Eier zu einer gewissen Zeit ebenfalls besitzen. Mehrere Eier verdanken ihre Entstehung einer und derselben Eikeimzelle. In dieser Zelle entstehen durch Theilung des Kerns die Keimbläschen der künftigen Eier. Letztere sind Austreibungen der Keimzelle; diese enthalten ihre Keimbläschen, sie schnüren sich von der gemeinschaft- lichen Keimzelle ab und hängen nun durch hohle Stiele mit der Keimzelle zusammen, bis sie sich dann ablösen. Das Ei 65 besitzt nun einen offnen Hals der Dotterhaut. In einer andren Region des Genitalschlauchs erhalten die Eier eine Schichte von Eiweiss und zuletzt noch eine äussere Haut. Was das Schicksal des Canals betrifft, so ist es nicht gewiss, ob er in allen Fällen bleibt, in einigen wurde er noch an Eiern beob- achtet, die das Eiweiss schon erhalten hatten, welches das Ei sowohl als den Canal umgab, so dass das Ei auch nach der Bildung des Chorion eine birnförmige Gestalt hatte. Zu der Schrift von Bischoff, Widerlegung des von Dr. Keber bei den Najaden, und von Dr. Nelson bei den As- eariden behaupteten Eindringens der Spermatozoiden in das Ei, Giessen 1854, hat Leuckart einen Zusatz geliefert über die Eier der Holothuria tubulosa. Er hat den Canal in allen Fällen an jungen und alten Eiern wiedergesehen. Nach ihm dringt er durch die Eihaut bis zur Dottersubstanz selbst, welche mit scharfer Contur unter dem Canal weggeht. Die radirte Eihülle hält er für die Dotterhaut selbst, da er sich von der Existenz einer besondern Dotterhaut ausser dieser nicht überzeugen konnte. Aus der scharfen Begrenzung des Dotters glaubte er anfangs auf die Existenz einer solchen Membran zurückschliessen zu dürfen, als es ihm aber im Laufe seiner Untersuchungen einigemal gelang, die soge- nannte Schalenhaut zu zerreissen, habe er auf keine Weise eine derartige zweite Hülle zur Anschauung bringen können. Die erste Bildung der Eier geschieht nach Leuckart auch in einer eiweisshaltigen Substanzlage mit eingebetteten Mo- lecularkörperchen. Das zuerst entstehende Keimbläschen ragt mit der umhüllenden Eiweismasse in den Innenraum des Genitalschlauchs. In dem sich vergrössernden Keimbläschen bemerkt man den Keimfleck und um dasselbe in der Eiweiss- masse eine Trübung von zahlreichen kleinen Moleeularkör- perchen. Diese körnige Eiweissmasse ist der spätere Dot- ter. Die Dotter sitzen anfangs mit ihrer ganzen breiten Basis fest, allmählich wırd der Zusammenhang beschränkt bis auf die Stelle, welche mit der Micropyle zusammenfällt. Die Bildung der letztern ist von der Entwickelung der Bi- haut abhängig. Diese beginnt erst bei Eiern von '/"’, in Müller" Archiv. 154, 5 66 dem die äussere, der Befestigung entbehrende Schicht immer mehr erhärtet. Der Hauptunterschied von den Najaden be- steht darin, dass sich die Anheftungsstelle der Eier bei den Holothurien niemals zu einem Stiele auszieht. Von meinen Andeutungen über eine etwaige frühere Befestigung der Ho- lothurieneier sagt Leuckart, dass sie soweit wohl ihre Bestätigung gefunden haben dürften, dass ich nur in inso- fern irre, als ich in der Haut, die das Stigma trägt, eine Ei- kapsel vermuthe, die mit der Eihaut abfällt, während sie doch die Eihaut selbst sei. Es ist nicht nöthig hervorzuheben, wie verschieden sich Mermis nach den Beobachtungen von Meissner und ander- seits die Najaden und Holothurien nach den Beobachtungen von Leuckart in der Entstehung des Dotters und seiner Haut und des Eicanals verhalten. Was das Eindringen des Canals bis in den Raum des Dot- ters betrifft, so bringen Leuckart's Beobachtungen die Sache wieder in die Lage, welche sie schon einmal bei meiner er- sten Mittheilung gehabt hat, von welcher ich später abge- wichen bin. Auch aus den Beobachtungen von Meissner an Mermis scheint hervorzugehen, dass jene erstere Auffas- sung die richtigere gewesen sei. Ich kann aber doch nicht der Ansicht beistimmen, dass die radirte dicke Eihaut des Holcthurieneies ganz einfach die Dotterhaut sei und berufe „mich hiefür nicht bloss auf die radienförmigen Absonderun- gen in dieser Schicht, sondern auch auf die Beobachtungen von Derb&s über die Eihaut der Seeigeleier. Leuckart hat von der radiirten Beschaffenheit jener dik- ken Schichte eine Erklärung nicht zu geben vermocht, mit Zellen hätten diese scheinbaren Prismen nichts gemein, das ist auch nicht nöthig. Die auf dieser Haut liegenden Kerne hält er für buckelförmige Hervorragungen der äussern Ober- fläche, die bei gewissen Einstellungen des Focus mit auflie- genden Kernen einige Aehnlichkeit besitzen. Diese Erklärung kann mich auch nicht befriedigen. In der äussern Haut des Eies der Sipunculus sind von Krohn auch Kerne beobachtet. Da Leuckart auf die Eier der Seeigel und die Beobach- 07 tungen von Derb&s und Krohn nicht Rücksicht genom- _ men hat, so scheint es mir nöthig, ihren Inhalt in Erinne- rung zu bringen. Die Beobachtung der Seeigeleier hat den Vortheil, dass sich ihr Verhalten unmittelbar bei und nach der Befruchtung hat beobachten lassen, wenn die Dottermasse sich von den Wänden der Eihaut zurückzieht. In diesem Zustande sind die Eier der Holothurien noch nicht beobach- tet worden. Nach der Befruchtung, d. h. nachdem Eier und Samen mit etwas Seewasser zusammengebracht waren, gab sich unter der dieken sehr durchsichtigen Eihülle, die schon an den nnbefruchteten Eiern sichtbar war, eine besondere hya- line zarte Haut um den Dotter zu erkennen. Die dicke äus- sere Hülle, welche Derb&s couche mucilagineuse nennt, wird von den Zoospermien bei der Befruchtung durchdrungen; an der hyalinen Membran ist aber ihre Grenze und sie dringen niemals bis zum Dotter vor. Ann. d. sciences naturelles 3. ser. T. VIIL 1847. p. 80. Die dieke schleimige Schicht um das Ei ist dieselbe, welche an den Eiern der Holothurien vorkömmt; sie gleicht ihr vollkommen mit Ausnahme der fehlenden radialen Ab- sonderungen. Ä Auch bei den misslungenen Versuchen künstlicher Be- fruchtung der Eier der Holothuria tubulosa sah ich die Zoo- spermien mit grösster Leichtigkeit in die aufgelockerte und angeschwollene weiche Schichte eindringen. Ueber die Lar- ven und die Metamorphose der Holothurien und Asterien. Berlin 1850 p. 23. An den reifen Eiern der Asterien ist die dicke äussere durchsichtige Schichte äusserst aufgelockert sulzig, ihre äussere Contour oft ganz unregelmässig, und wie zerrupft und zerflossen. Derb&s bemerkt, dass die couche mucilagineuse, ob- gleich sie gewöhnlieh an den Eiern der Seeigel vorhanden ist, doch zuweilen fehle, so dass sie durch kein Mittel con- statirt werden könne, gleichwohl verhindere dieser Mange die Befruchtung nicht. An den reifen Seeigeleiern, bei wel- chen sich das Keimbläschen in den viel kleinern Kern des D* 68 Eies verwandelt hat, und an künstlich befruchteten Eiern habe ich dieselbe Wahrnehmung gemacht, dass unter ihnen einzelne sind, bei welchen jene Schichte nicht mehr zu er- kennen ist, gleichwohl aber war der Dotter nicht nackt, son- dern noch von einer dünnen Membran von scharfer Contour eingeschlossen, Krohn in seiner Schrift, Beitrag zur Entwickelungsge- schichte der Seeigellarven, Heidelberg 1849. p. 6. hat die mit der Befruchtung eintretende Scheidung der Eihülle in zwei Schichten ebenso wie Derbes beobachtet. Die in- nere dieser Schichten, sagt er, erscheint unter dem Bilde ei- ner feinen sehr transparenten scharf abgegrenzten Haut von festem Gefüge, die äussere als eine viel dickere, viel weni- ger scharf contourirte Hülle von fast schleimiger Consistenz. Krohn spricht die Vermuthung aus, dass die Erschei- nung von einer Gerinnung, Condensation der innern, einer Aufquellung der äussern Schichte abhänge, fühlt sich aber mit dieser Erklärung wenig befriedigt und erwartet von künftigen Untersuchungen darüber weitere Aufschlüsse. Alles dieses hatte ich im Sinne, als ieh die Eihülle der Holothurieneier nicht für einfach genommen habe und aus- drücklich von der Unterscheidung Derbe&es am Seeigelei ausgegangen war. Man wird nun künftig erfahren müssen, ob die auf die innere Schichte aufgelagerte schleimige Masse als Eiweiss- schichte oder als was sie zu betrachten ist, wie ihre radiirten Absonderungen zu erklären sind, und ob die innere Schichte den Canal des Holothurieneies auskleidet. Die äussere dicke weiche Hülle der Eier von Cardium pygmaeum verhält sich nach Loven gegen die Zoospermien ganz so wie wir es bei den Eiern der Seeigel und Holothu- rien erfahren, sie wird von den Zoospermien ganz durch- drungen. Einen Eicanal hatte übrigens Lov&n weder bei Modiolaria noch bei Cardium beobachtet, dagegen bemerkt er ausdrücklich von den Eiern von Modiolaria, dass sie im Ovarium oft stielförmig ausgezogen sind gegen den Punkt, wo sie von der Wand des Sackes ausgehen. 69 Ueber verschiedene Formen von Seethieren. Von Jon. MÜLLER. (Gelesen in der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin am 12, Januar 1854.) (Hierzu Taf. IV.— VL) Bei früheren Gelegenheiten sind einige merkwürdige Thier- formen aus der Nordsee, dem Sunde, dem Mittelmeer und adriatischem Meer beschrieben und zum Theil durch Abbil- dungen erläutert worden. Ueber diese Thiere sind die Beob- achtungen beharrlich fortgeführt, so dass eine Fortsetzung der Berichte möglich geworden ist. Es sind für diesmal die Pteropodenlarven, Planarienlarven, Prlidium, Actinotrocha, Mitraria und Brachiolaria ausgewählt. - Pteropodenlarven. Ueber die Larve des Pneumoder- mon mediterraneum Van B. mit drei Wimperkränzen wurde im Monatsbericht der Akademie October 1852 berichtet. Diese Larve ist zur selben Zeit auch von Kölliker und Ge- genbauer in Messina beobachtet. Zeitschrift für wissen- schaftliche Zoologie. IV. Bd. 1853. p. 333. Die Beobachtun- gen stimmen in den Hauptpuneten mit den meinigen überein. Einige Differenzen erklären sich jene Forscher daraus, dass vielleicht verschiedene Arten zur Beobachtung dienten. Die kleinsten Exemplare von Triest von 24, — %,”’ besassen schon ihre Flügellappen und Tentakeln. Dagegen war die von Kölliker und Gegenbauer in Messina gesehene Larve 70 selbst bei einer Grösse von 1%" vollkommen wurmförmig ohne Flügel. Bei Messina sah ich dieselbe Pneumodermon- larve wie die von Triest häufig und ich halte es für gewiss, dass es dieselbe Art ist. Bei der Undurchsichtigkeit der Thierchen können die Flügel, wenn sie noch klein sind, und noch nicht über die Seiten des Körpers hervorragen, zu fehlen scheinen, obgleich sie schon vorhanden sind. Ich vermisste sie auch an einer Pneumodermonlarve von 2/4,” von Triest; da ich sie aber an andern Exemplaren von ?/,' in Triest deutlich erkannte, so zweifle ich nicht, dass sie auch in jenem Fall vorhanden waren. Die erste auf die Pneumodermonlarve bezügliche Beob- achtung ist der Trizonius coecus von Busch. Beobachtun- gen über Anatomie und Entwickelung einiger wirbellosen Seethiere. Berlin 1851. p. 112. Taf. VIII. Fig. 10—12. Die Larve von Pneumodermon hat dieselbigen drei Wimperkreise am Körper und dieselbe Wimper auf den Tentakeln wie Trizonius. In der Gesellschaft naturforschender Freunde 1852 21. Dee. machte ich hierauf aufmerksam. Auch Trichoeyelus Dumerilii Eschscholtz von 1'' Länge aus der Südsee, Isis 1825. p. 735. Taf. V. Fig. 4. ist die Larve eines schalenlosen Pteropoden. Dass er dieses ist, folgt aus den Beobachtungen über die Larve des Pneumodermon. Eschscholtz hatte Tri- ehocyclus für eine neue Gattung der Pteropoden erklärt. Phi- lippi führt diese Gattung in seinem Handbuch der Con- chyliologie und Malacozoologie, Halle 1853, unter den Pneu- modermaceen auf und fragt, ob es etwa der Entwickelungs- zustand eines andern Pteropodengeschlechtes sei. Das Thier von Eschscholtz ist übrigens nieht vollständig genug beob- achtet, um entscheiden zu können, ob es die Larve eines Pneumodermon oder einer Co ist. Die Stelle der Tentakeln und ihre Form würde mehr für eine Clio sprechen. Dass der vorderste der drei Wimperreifen in der Abbildung vor den Tentakeln steht, ist jedenfalls unrichtig. Bei Messina sahen wir noch eine andere Pteropodenlarve mit drei Wimperkränzen von gleicher Stellung wie bei der Larve von Pneumodermon. Was aber dieses viel durchsich- 71 tigere Thier auszeichnet. ist, dass es nicht die Arme mit Saugnäpfen gleich Preumodermon besitzt, sondern statt de- ren .die iischen Arme, welche der Gattung Clio eigen sind. Diese Arme treten am Kopfe an derselben Stelle her- vor, wie die Arme mit Saugnäpfen bei Pneumodermon. Sie sind zuweilen eingezogen und versteckt, zuweilen ausge- streckt. In einem Fall waren jederseits zwei Arme hervor- getrieben, in einem andern Fall waren einerseits einer, an- derseits drei Arme ausgestreckt, so dass möglicherweise auf jeder Seite drei sein könnten. Die Tentakeln waren in die- sen beiden Fällen nicht sichtbar und wahrscheinlich eingezo- gen. Die Arme sind in verschiedenen Abständen mit wirtel- förmigen Kränzen von Papillen umgeben, von denen einige auch an der Spitze des Armes stehen. Die Papillen haben die Form gestielter Bläschen. An der Spitze der Arme be- fand sich auch eine vibrirende Wimper. Im Innern der Arme war ein Strang sichtbar, der an den Wirteln der Papillen Fascikel an diese Papillen abgab und das Ansehen eines Muskels hatte. Die Zertheilung dieses Muskels stimmt sehr gut mit der Zertheilung der Muskeln im Innern der Arme der Clio borealis, wie sie von Eschricht in seiner schönen Arbeit beschrieben is. Eschricht anatomische Untersu- chungen über die Clione borealis, Kopenhagen 1838. p. 9. Auf der Zunge der Larve waren nur (erst) zwei Längs- reihen von Zähnchen von der Gestalt eines eursiven V aus- gebildet. Bei mikroskopischer Untersuchung der Zunge einer Clio borealis zeigten mir die vielreihigen Zähnchen dieselbe zweischenkelige und ungleichschenkelige Gestalt. Ausser den Zungenzähnen waren an unserer Larve wieder zwei mit Spitzen besetzte Zapfen rechts und links der Zunge im Schlunde sichtbar. Sie entsprechen den Kiefern der Clio borealis. Die Otolithen in den Gehörbläschen sind mehr- fach oder vielfach, in den beiden beobachteten Exemplaren war eines der Gehörbläschen und sein Otolithhaufen viel grös- ser als das andere. Die Flossen waren am äussern Rande mit unbewegten Wimpern versehen, wie auch bei der Larve 72 des Pneumodermon Die neue Larve ist zweimal, das eine Mal von Max Müller, das andere Mal von mir beobachtet. Ein etwas älteres auch durchsichtiges Indiviuum von 24‘ von Max Müller beobachtet, liess die Wimperkränze ver- missen. An diesem waren die Tentakeln und zum Theil auch die Arme sichtbar. Von dem Fussrudiment zwischen den Flossen war sowohl der vordere hohlkehlenförmige als hin- tere zungenförmige Theil sichtbar. Hinter der rechten Flosse war eine Ausstülpung auf den After zu deuten. Der Darm war wie in den kleineren Larven gelb. Die Gehörbläschen wa- ren wieder ungleich. Das neue Thier stimmt durch den Be- sitz der Arme nur mit Clio, nieht mit Cliodita und Pelagia Quoy und Gaimard, wenn anders diese Gattungen nicht auf un- vollständigen Beobachtungen einer Clio, wie es scheint, be- ruhen. Wenn die fragliche Larve von Messina nur zwei Reihen Zungenzähne hatte, so lässt sich vermuthen, dass successiv noch andere longitudinale Reihen sich ausbilden werden. Hr. Professor Troschel hat einen viel älteren schalen- losen durchsichtigen Pteropoden von vier Linien Länge bei Messina beobachtet und auf seinen innern Bau untersucht, wovon er mir Kenntniss gegeben hat. Da wir hierüber seine eigene Mittheilung zu erwarten haben, so muss ich mich ‚darauf beschränken, dasjenige anzuführen, was für die Verglei- chung mit jenen Larven von Interesse ist. Das eine der bei- den Exemplare hatte noch den letzten Wimperreifen, das andere hatte die Wimperreifen ganz verloren. Jederseits am Kopfe ein Tentakel. Arme sind nicht zur Beobachtung ge- kommen. Auf der Zuuge waren 9 Reihen Zähne, die 4 jeder Seite zweischenkelig ungleichschenkelig von ähnlicher Gestalt wie bei jenen Larven, die Mittelreihe bestand aus zackigen Blättehen. Ausserdem sind die Kieferspitzen zu erwähnen, von welehen ausser den seitlichen Haufen auch ein mittlerer „unterschieden ward. Eine unbestimmt gebliebene schalenlose Pteropodenlarve fand Gegenbauer mit der Larve des Pneumodermon, sie 73 ist von ihm in der Zeitschrift für wissenseh. Zoologie 4. B. p- 369 beschrieben. Dass die Flügel der Pteropoden nicht aus einer Metamor- phose eines frühern Wimpersegels hervorgeben, sondern als selbstständige Organe entstehen, ergiebt sich sowohl aus den Beobachtungen von Vogt über einen unbekannten Ptero- poden, als aus meinen Beobachtungen über die Larve und Metamorphose der Cleodora acicula. Monatsberieht der Akademie 1852. Oetober. Hiermit stimmt auch die Mitthei- lung von Gegenbauer a. a.O. p. 334. Es heisst dort nach Beobachtungen an einer Cleodora und Tiedemannia, dass diese anfänglich ein von einem Flimmersaume umgebenes Segelpaar besitzen, das sich nicht in die Flossen verwan- delt, sondern nur ein provisorisches Larvenattribut vor- stellt, denn es finden sich auch Larven mit Flossen, an de- nen noch die Rudimente des frühern Velum zu erkennen sind. In einem neuern Bericht an die Akademie der Wissenschaf- ten zu Paris, Comptes rendus 1853. Sept. 26. p. 493. Annals nat. hist. XII. p. 478 weicht dagegen Gegenbauer von die- ser richtigen frühern Ansicht ganz ab, indem er behauptet, dass das Segel sich in die Flossen der Pteropoden verwan- dele und dass daher die Ansicht unrichtig sei, welche die Flossen als eine Metamorphose des Fusses der Gasteropoden ansehe. Diess kann jedoch nur auf einer Verwechselung be- ruhen. Wie die Flossen schaliger Pteropoden zur Zeit des Bestandes des Kopfsegels selbständig entstehen, darüber ist schon im Monatsbericht von 1852 nach zahlreichen Beob- achtungen und Zeichnungen von Cleodora (Creseis) acieula berichtet. Die poche pyriforme von Souleyet (voyage de la Bonite II.), welche ich als Niere deutete, wird von Huxley (Philos. Transact. 1853) bei Pteropoden und Heteropoden eontractiler Sack genannt und als Niere zugleich und Harnblase angesehen. Gegenbauer betrachtet sie als Niere verbunden mit einer Einrichtung, um Wasser in das Blutge- füsseystem zu führen. Dies Orgen mündet einerseits durch eine Oeflnung nach aussen in die Mantelhöhle, anderseits 74 steht dasselbe mit dem Cireulationsapparate in Verbindung, nach Souleyet mit dem Vorhof des Herzens, nach Gegen-. bauer mit dem Herzbeutel oder Pericardialsinus, in welchen der mit schlagenden Wimpern versehene Hals des Organes einmündet. Diese von Gegenbauer sowohl bei Pteropoden als Hete- ropoden aufgeklärten Verhältnisse bieten ein grosses Interesse dar. Ich habe sie bei den im letzten Jahre in Messina an- gestellten Beobachtungen bestätigt gefunden. Es verdient bemerkt zu werden, dass der Pericardialsinus der Cleodora acicula zuweilen unabhängig von der Bewegung der Vorkam- mer und Kammer sich zusammenzieht. . Bei Doris hatte Cuvier ein Bläschen als Reservoir für einen Canal bezeichnet, welcher von der Leber kommend sich neben dem After nach aussen öffnet. G. Cuvier me- moires pour servir & l’histoire et & ’anatomie des mollusques. Paris 1817, memoire sur le genre Doris p. 17. Nach Han- cock und Embleton (Philos. Tranaet. 1852. 207) führt diese Oefinung der Doris neben dem After in die Niere, das Bläschen Cuvier’s hängt nach ihnen einerseits durch eine Oeffnung mit dem Herzbeutel zusammen und geht anderseits in einen Canal über, der sich zur Niere und Leber verzweigt und eine Pfortader derselben sein soll. Sie haben keine Com- munication des Bläschens mit der Niere beobachtet. Bei den Muscheln (Anodonta) führt die von Bojanus entdeckte Oeff- nung neben der Genitalöffnung jeder Seite in einen Sack, in welchen das Bojanus’sche Organ hineinragt, mit dessen innerer Höhle dieser Sack nicht communiciren soll. Bojanus Isis 1819. p. 36. 87. Vergl. Anonymus (Bojanus) in der Isis 1827. p. 756. Nach den Beobachtungen von Keber, der die Trennung beider Organe gleichfalls behauptet, steht aber die inwendig flimmernde Höhle des Bojanus’schen Organes mit dem Herzbeutel durch einen Gang in Verbindung. Keber, Beiträge zur Anatomie und Physiologie der Weichthiere. Königsb. 1851. p. 21. 22. Die Wimperbewegung im Boja- nus’schen Organ bis in den Hals zum Herzbeutel deutet auf irgend einen Ausgang des Organes hin. 75 Es handelt sich hier überall, wie es scheint, um verwandte Gebilde und ist es zu hoffen, dass sie sich auf einen über- einstimmenden Plan werden zurückführen lassen. Planarienlarven. Die Süsswasserplanarien sind kei- ner Metamorphose unterworfen, dagegen tritt diese in sehr ausgezeichneter Weise bei den marinen Planarien auf. Ich be- schrieb im Archiv f. Anat. u. Phys. 1850. p. 485. Taf. 12. 13. die Larve einer marinen Planarie und ihre Metamorphose. Sie besitzt ein auf acht Fortsätze des Leibes ausgezogenes eireulares Räderorgan. Diese Larve wurde bei Marseille, Nizza und Triest vielfach beobachtet. Das Thier ist bis zur vollendeten Verwandlung und definitiven Gestalt verfolgt, doch wollte es nicht gelingen, die Planarie in eine der aufgestellten Gattungen einzuordnen. Es war vorauszusehen, dass diese Metamorphose unter den Planarien kein einzelnes Factum sein werde, sie ist wahrscheinlich weit verbreitet unter den marinen Planarien. Ich habe sie seitdem in völlig gleicher Weise bei einer andern marinen Planarienart beobachtet und diesmal hat sich auch die Gattung bestimmen lassen. Die in Messina beobachtete Larve war ebenfalls mit 8 Fortsätzen des Körpers versehen, auf welche das den Körper umkrei- sende Räderorgan ausgezogen ist. Die Larve und die aus ihr hervorgehende Planarie ist weiss, hat 2 kurze Tentacula dorsalia und zwischen diesen 12 Augenpuncte, von den 6 Ocellen jeder Seite stehen meist je 2 paarweise beisammen, bald neben bald hintereinander. Es wurden Exemplare .der Planarie von %,'” gesehen, welche keine Larvenfortsätze mehr besassen. Der Mund liegt hinter der Mitte des Körpers. Die Larve war 2/4,“ gross. Das ausgebildete Thier wurde sowohl in Triest als Messina gesehen. Diese Planarie gehört zur Gattung Stylochus Hempr. et Ehrenb. Sie besitzt am Rande des Körpers in grossen Abständen stehende Haarfäden und in der Haut die ge- wöhnlichen stabförmigen Körper. Sie mag Stylochus linteus heissen, Pilidium gyrans. Dieser so schöne als räthselhafte Un- bekannte wurde 1846 in Helgoland beobachtet und ist im 6 Archiv. £. Anat. u. Physiol. 1847. p. 159 als eine Larve be- schrieben und Taf. VI. Fig. 1—4 abgebildet. Es war mir nicht möglich, eine Andeutung über sein Ziel zu geben. v. Siebold gedenkt seiner beim Jahresbericht im Archiv f. Naturgeschichte 1850. II. p. 407 mit der Bemerkung, dass es vielleicht die Larve eines Echinoderms sei. Busch hat in seinem schon angeführten Werke das Pilidium einer wei- tern Untersuchung unterworfen nach Beobachtungen, die in Triest angestellt sind. Es ist von ihm eine jüngere Form beschrieben, auch wird darauf aufmerksam gemacht, dass die Verdauungsorgane nicht immer so complieirt wie in den zuerst beschriebenen Exemplaren sind und zuweilen nur aus einem einfachen Magenschlauch bestehen. Es werden auch Veränderungen beschrieben, welche die aufbewahrten Exem- plare erlitten. In Gläsern, in welchen Pilidien aufbewahrt wurden, fanden sich hernach auch andere von Busch auf Echinodermenlarven gedeutete Thiere. In den verzweigten Figuren in der Haut einer solehen Larve der letztern Art, Busch Taf. XVI. Fig. 8. glaube ich die Zellen mit Ausläu- fern im Körper der jungen Aurieularien zu erkennen und ich möchte jene Figuren nicht für Kalkgebilde halten. Busch war zweifelhaft, dass diese muthmasslichen Echinodermen- larven, in welchen er ganz richtig den Typus der noch jun- gen Bipinnarien und Auricularien erkennt, die Fortsetzung der unterdess verschwundenen Pilidien sein könnten, und wenn er auch die Möglichkeit davon nicht ausschloss, so sprach er doch den Verdacht aus, diese thierischen Wesen möchten mit dem frischen Wasser, was jede seiner Larvencolonien täglich erhielt, hineingekommen sein. Dass Pilidium keine Echinodermenlarve sein könne, daran habe ich festgehalten. Ich habe dieses Thier bei den- all- mählich immer mehr sich erweiternden Beobachtungen über Echinodermenlarven, die mir successiv bekannt wurden, von dieser Reihe fern halten zu müssen geglaubt. Diese Ueber- zeugung war auf den allgemeinen Plan der Echinodermen- larven gegründet, worüber ich mich am Schluss der sechsten Abhandlung über Echinodermenlarven ausgesprochen habe. 17 Ueber den allgemeinen Plan in der Entwiekelung der Echi- nodermen. Abh. d. Akad. der Wissensch. zu Berlin a. d. J. 1852. Berlin 1853. p. 59. Veränderungen an aufbewahrten Pilidien, ähnlich den von Busch gesehenen sind auch von Gegenbauer erhalten worden. Zeitschrift f. wissensch. Zool. B. V.p. 345; er kam indess zu dem Schluss, dass sie krankhafter Art seien. Ganz anders verhielten sich bei Gegenbauer zwei andere frisch erhaltene Pilidien, welche in ihrem Innern einen weisslichen ovalen, an beiden Enden zugespitzten Körper enthielten. Die vordere Hälfte desselben ist in 2 Lappen getheilt, aus seiner Mitte entspringt ein Sförmig gewundener Schlauch, welcher in die andere Hälfte übergeht und dort in der Mitte von 4 hellgelben Wülsten, aus denen diese Hälfte gebildet wird. in die Tiefe dringt. An keinem dieser Theile wurde irgend eine Lebensäusserung beobachtet. Gegenbauer sagt, er hätte diesen Körper für ein todtes vom Pilidium verschlucktes Wesen gehalten, wenn nicht ein zweites eingefangenes Pilidium dieser Art ihn so ziemlich überzeugte, dass hier ein inniger Zusammenhang zwischen den Leibestheilen des Pilidium und jenes Körpers statt- habe. Er sah zum zweitenmale die eben geschilderte An- ordnung, konnte aber noch einen andern Schlauch erken- nen, der sich um die vordere Hälfte herumwand und deut- lich in seiner Höhle fimmerte. Gegenbauer bemerkt, aus dem von ihm Beobachteten dürfte jedenfalls resultiren, dass im Innern des Pilidium, vielleicht analog mit gewissen Aste- rienlarven, ein vollkommnes Thier sich entwickelt (aufammt). Diese Beschreibung erinnert mich lebhaft an gewisse 1851 von verschiedenen Beobachtern in Neapel und in Triest ge- machte Wahruehmungen über einen zeitweiligen Aufenthalt eines Wurms in dem Magen oder Innern des Pilidiums. In einer brieflichen Mittheilung von A. Krohn aus Paris vom 19. Nov. 1851 an mich befindet sich die folgende diesen Gegenstand betreffende Stelle. „Ein bei Neapel nicht eben sehr häufig angetroflenes Thierchen, das meine Aufmerksam- keit in nicht geringem Grade auf sich gezogen, habe ich erst 18 kürzlich für das von Ihnen in der Nordsee entdeckte Pili- dium gyrans erkannt. Ich benutze die Gelegenheit Ihnen Folgendes über dasselbe mitzutheilen. Nicht immer zeigt sich der Leib an seinem Gipfel abgerundet, oft erscheint er auch nach Art eines Kirgisenhuts kegelförmig zugespitzt. Im ersten Fall ist er seiner Achse nach verkürzt, im letzten ver- längert. Die Verkürzung geschieht mittelst zweier Muskel- stränge, die mitten im Leibe gegen den Gipfel aufsteigen, und sich in mehrere divergirende Aeste zertheilen, die ihre Insertionspuncte sämmtlich im Gipfel finden. Es sind diesel- ben Stränge die Sie vermuthungsweise für Nerven angesehen haben. Mit ähnlichen, nur zahlreicheren und noch mehr ver- ästelten Fleischsträngen sind auch die vier Klappen in ihrer ganzen Breite bis zum Wimpersaum versehen. Mag der Leib verkürzt oder verlängert sein, immer zeigt sich der Scheitel- punet oder Gipfel grubenhaft vertieft. Auf dem Boden die- ser Grube, die während der Verkürzung des Leibes sich er- weitert und vertieft, sitzt der schweifartige aus feinen Fäden bestehende Busch oder Wedel. Dieser Wedel ist seiner wah- ren Bedeutung nach nur ein Schopf äusserst langer Cilien, der wie Sie schon ebenfalls erwähnen, beim Schwimmen peit- schenförmig hin und her geschwenkt wird. Einen ganz ähn- lich beschaffenen hin und her schwingenden Cilienschopf, der wie bei Pilidium gyrans beim Fortgleiten vorausgeht, be- sitzen auch die jüngsten Seeigel- und Annelidenlarven.*), Viele Mühe habe ich verwendet, um die im Innern des Pilidium enthaltene Masse, die ich anfangs für einen Complex innerer Organe hielt, den einzelnen 'T'heilen nach befriedigend zu deuten. Aber ausser einem runden constant anzutreffenden auf seiner Innenwand mit Cilien versehenen Fleck, den ich, wie auch Sie es gethan, für den Magen ansah, blieben alle übrigen Theile dunkel. Alle diese Zweifel sind später auf eine ganz unerwartete Weise aufgeklärt worden, indem es *) Auch gewisse andere Larven mit Nesselorganen wie z. B. Kal- liphobe appendiculata Busch. a. a. O. Taf. XIV, Fig. 8. Anmerkung des Herausgebers. 19 sich ergeben hat, dass der vermeinte Complex von Or- ganen ein wurmförmiges oder turbellarienartiges Wesen ist, das zusammengeknäuelt in einer Höhle desselben liegt. Es ist mir auch bei zwei Exemplaren des Pilidium gelungen, das Thierchen mittelst Nadeln heraus zu befördern, worauf es hurtig umherzuschwimmen begann. Der Leib dessel- ben ist länglich oval, nach vorn zu etwas verschmächtigt. Mitten am hintern Ende findet sich ein ganz kurzer ceylindri- scher Anhang, der durch wenige auf einander folgende Quer- wülste wie gegliedert erscheint. Die Oberfläche des Leibes, so wie auch die des Anhanges ist wie bei den Turbellarien dicht mit schwingenden Cilien besetzt, mittelst welcher diess Thierchen bei lang ausgestrecktem Leibe rasch fortgleitet. Mitten auf der Bauchfläche scheint eine runde Oeffnung (Mund) zu sein, die durch einen kurzen flimmernden Canal (Speise- röhre) in den die ganze hintere Hälfte der Leibeshöhle aus- füllenden Magen, den schon oben gedachten runden Sack nämlich führt. Die Leibessubstanz enthält eine Menge rund- licher trüber Körner. Leider liessen sich diese in den April fallenden Beobachtungen nicht weiter fortführen, da das Pi- idium während des Mai nicht mehr anzutreffen war.“ Schliesslich bemerkt Dr. Krohn, dass im Falle der voll- kommnen Bestätigung der Beobachtung möglicherweise an einen Wechsel von Generationen gedacht werden könne und empfiehlt den Gegenstand der Prüfung. In der Antwort auf diesen Brief gab ich Hrn. Dr. Krohn von den 1851 in Triest von Max Müller und mir gemach- ten Beobachtungen Kenntniss, welche sich auf eine sowohl in dem Pilidium als noch häufiger im Freien beobachtete junge Nemertine beziehen, die als der Alardus caudatus von Busch bezeichnet wurde. Busch, Beobachtungen über Ana- tomie und Entwickelung einiger wirbellosen Seethiere. Berlin 1851 p. 111. Taf. XL Fig. 8. 3 Im Frühling des Jahres 1851 war dieser Wurm häufig von yr® in Triest gefischt und sein Bau vielfach beobachtet und et worden. Nach unserer Rückkehr von Triest hatten u ‚ Dr. Busch unsere auf den Bau des Alardus cau- z 50 dahıs bezüglichen Beobachtungen mitgetheilt, aus denen her- vorging, dass es eine junge Nemertine ist, und er nahm dar- auf im Nachtrag seines Werkes p. 124. Bezug. Die Identität des von Krohn und uns beobachteten Thiers mit Alardus caudatus Busch ist unzweifelhaft, wir haben dies Thierchen jedoch nie mit der starren Wimper oder dem Stachel am Schwanzanhang gesehen. Die Beobachtungen über den Auf- enthalt des Thierchens in dem Magen oder in der Körper- höhle des Pilidium gyrans fallen in den Herbst des Jahres 1851, als wir wieder in Triest arbeiteten. Die junge Nemertine, durch den quergerunzelten Anhang am hintern Ende ausgezeichnet, hat %/,” Länge, sie ist stark abgeplattet und 5mal so lang als breit, wimpert auf der gan- zen Oberfläche und hat an den Seitenrändern am Kopfe die gewöhnlichen Wimpergruben wie andere Nemertinen. Im In- nern des Wurms bemerkten wir den gewundenen Rüssel der Nemertinen, der sich am vordern Ende des Wurms öffnet und bis in den hintern Theil des Körpers reicht. Der Darm ist ein weiter Schlauch mit trübkörnigen Wänden, dessen Mund auf der Bauchseite hinter dem ersten Drittel des Kör- pers gelegen war. Hinten geht eine dünne Verlängerung vom Darm in den Schwanzanhang bis an dessen Ende, diese Verlängerung ist durchsichtiger als der Darm selbst und nicht körnig. Mit dem Schwanzanhang kann sich das Thierchen auf dem Glase anhalten und wie festleimen und ist dann schwer von der Stelle zu bringen. Dieser Wurm nun ist von Max Müller wiederholt im Pilidium beobachtet. In dem Magen oder der Körperhöhle des Pilidium war der Wurm zu- sammengeknäuelt, meistens ruhig, so dass er sich an dieser Stelle ganz wohl zu befinden schien, Max Müller sah ihn in mehreren Fällen auch dort sich bewegen und hat ihn durch Druck aus dem Innern befreit. Das Pilidium, das einen solchen Wurm enthielt, war !1," gross, der Wurm daraus befreit mass 9” Länge. Man trifft herumkreisende Pilidien, die keinen Wurm in ihrem Körper enthalten. Dass dieser Wurm von dem Pilidium erzeugt sein könne, hat noch seine Schwierigkeiten. Auf mich hat der Vorgang sı den Eindruck nicht, und vielmehr den einer besuchten und verlassenen Herberge gemaeht, welche der weit offene Ein- gang in den Magen des Pilidium gewähre. Doch ist das so häufig vorkommende Verhältniss äusserst merkwürdig und grenzt an das Wunderbare. Wie diese beiden Thiere im Meere so leicht sich finden sollen, dass das eine wie- derholt im Innern des andern und von verschiedenen Beob- achtern gesehen wurde, scheint schwer zu begreifen. Man muss indess erwägen, dass das Feld, in welehem die Thiere sich zusammenfinden konnten, gar nicht so gross war, da sie durch die Art des Einfangens mit dem feinen Netz von weit her zusammengebracht und also in diesem Fall auf eine verhältnissmässig kleine Wassermenge mit dem ganzen Auftrieb des Fischens versetzt waren. Unter den Gründen gegen die Abstammung des Alardus caudatus von dem Pilidium gyrans würde hervorzuheben sein, dass wir noch bedeutend kleinere Exemplare von Alardus caudatus mit demselben characteristischen Anhang des Körpers gefischt haben und zwar bis zu °%/, und %/, Grösse. ‘ Ein aus dem Pilidium erhaltenes Exemplar war aber wie schon erwähnt, %/,‘ gross. Ferner ist zu erwähnen, dass die von Desor undM. Schultze direet beobachtete Entwickelung der Nemertes doch gänzlich abweicht, bei welchen sich innerhalb des kugeligen wimpern- den Embroyn der mit Wimperbewegung versehene junge Wurm wie durch Häutung abscheidet. Desor im Archiv für Anatomie und Physiologie 1843 p. 510, Schultze in Zeit- schrift für wissens. Zoologie. IV. 1853. p. 181. Doch könnte gerade diese Metamorphose auch zu Gunsten eines Genera- tionswechsels des Pilidium mit dem Alardus benutzt werden. Aus den beigefügten Abbildungen zweier Pilidien, die den Wurm enthalten, von Max Müller ergiebt sich noch, dass die Lage des Wurms variirt. Die Abbildungen lassen sowohl den Rüssel im Leibe des Wurms als den Schwanzan- hang erkennen, der letztere ist in dem einen Fall nach der Seite der Klappen, im andern nach dem Gipfel zu gerichtet; in dem ersten Pall bewegte sich der Wurm wenig, im zwei- ten beständig. Müllers Archiv. 160. b 32 + Zuletzt fällt der Umstand ins Gewicht, dass mehrere Pi- lidien, welche den Nemertinen von 44,’ (so gross, als er im Freien vorkömmt) enthielten, noch nicht gewisse beson- dere Organe am Schirm besassen, welche in andern Fällen von uns daran entwickelt gesehen worden sind, und welche ohne Zweifel ein weiteres Stadium der Entwickelung bezeichnen. Damit soll nicht behauptet werden, dass die Pilidien, an de- nen diese Organe schon entwickelt, nicht auch jenen Wurm beherbergen könnten. Auf der ventralen Fläche des Schirms der Pilidien ent- wickeln sich nämlich vier napfartige Organe, diese stehen in der Nähe der Einschnitte des Schirms. Die Näpfe sind flach ausgehöhlt und sitzen an ganz kurzen Stielen fest. Bald sieht man alle vier, bald nur zwei derselben entwickelt. Diese Organe sind wiederholt und sowohl in Messina als Triest am Pilidium gyrans gesehen. Was die erwachsenen Nemertinen betrifft, mit welchen der Alardus caudatus zu vergleichen ist, so kömmt ein Anhang am hintern Theil des Körpers nur bei Micrura M. fasciolata Ehrenberg et Hemprich vor, welches Thier bei Triest beobachtet und in den Symbolae physicae, Animalia inverte- brata Taf. IV. Fig. 4 abgebildet ist. Der After liegt unter dem Schwanzanhang. Micrura fasciolata hat zehn Augen. Die mehrsten Exemplare des Alardus caudatus waren augen- los, es sind aber zwei jüngere Exemplare gezeichnet wor- den, die mit zwei symmetrisch stehenden Augenpuncten ver- sehen waren. Unter den mit dem feinen Netz bei Triest gefischten jun- gen Nemertinen ist der Alardus caudatus bei weitem der ge- meinste.e. Busch bemerkt, dass er im Hafen von Triest äusserst häufig sei. Viel seltner ist eine junge Nemertine von ähnlicher Gestalt ohne Schwanzanhang, von %/,,‘”, mit zwei Augenflecken, deren Rüssel dadurch ausgezeichnet ist, dass seine inneren Wände überall mit kleinen stachelartigen Fortsätzen besetzt sind, welche beim Ausstülpen des Rüssels nach aussen gekehrt sind. Seltener ist auch eine junge Ne- mertine von 4,0“, deren Rüssel in seinen Wänden kleine zer- 33 strente stabförmige Körper gleich den stabförmigen Körpern in der Haut der Planarien enthält. Es sind die Organe, welche Max Müller in seiner Dissertation observationes anatomicae de vermibus quibusdam maritimis Berol. 1852. p- 29, beschrieben und Taf. II. Fig. 28 abgebildet hat. Der After des Thierchens scheint sich noch vor dem hintern Ende zu befinden. Diese seltneren jungen Nemertinen habeu wir in dem Körper des Pilidium niemals angetroffen. Was die stab- förmigen Körperchen im Rüssel betrifft, so scheinen sie auch dem Rüssel des Alardus caudatus zuzukommen, sie sind aber hier kleiner, unscheinbarer und schwierig zu beobachten und sind öfter nicht wahrgenommen. Anmerkung über Nemertinen. Ich ergreife diese Gelegenheit von den grossen bei Triest uns vorgekommenen Nemertinen Kenntniss zu geben. Am häufigsten ist Meckelia somatotomus Leuck. Sie lebt in den Untiefen von Zaole im Schlamm, woraus wir eine grosse Zahl von Exemplaren er- halten haben. Um diese prächtigen Würmer vor dem endli- chen Selbstzerstückeln zu bewahren, bedienten wir uns einer Methode, welche auf die Erfahrung gegründet ist, dass viele kaltblütige Thiere von dem Eindruck der Wärme in einen lähmungsartigen Zustand versetzt werden, wie z.B. die Was- sersalamander Triton in heisses Wasser von nur 45° — 50° R. auf einige Seeunden getaucht, ihre Bewegungsfähigkeit so weit verlieren und gelähmt werden, als sie von, dem heis- scn Wasser berührt worden. Die Nemertes in ganz heisses Wasser geworfen, erlahmen sogleich und werden scheintodt, sie werden dann herausgenommen und sogleich in Weingeist gebracht und man erhält sie auf diese Weise ganz vollstän- dig. Bleiben sie dagegen aus dem heissen Wasser genommen, einige Zeit an der Luft liegen, so leben sie wieder auf und zerbrechen sich in Stücke, Meckelia somatotomus wird von einer Person, die im niedrigen Wasser jener sumpfigen Mee- resküste steht, gefangen, dass der Schlamm mit den Händen aufgewühlt und heraufgebracht wird. Die Valeneinnia ornata Quatref. wird zuweilen bei Muggia zugleich mit der Synapta digitata aus dem Schlamm gefischt. Diese Fischerei geschieht S4 mit einer den Schlamm aufreissenden Vorrichtung, einem Com- plex von Eisenstangen und ästigen Holzstücken,, in deren Winkeln die Synapten mit ihren Feinden, den Glyceren hängen bleiben. Dabei findet sich hin und wieder der merkwürdigste der adriatischen Nemertes in zerstückeltem Zustande. Dies ist der bald fleischfarbene bald rothbraune Nemertine, dessen Rüssel sich, neben den kleineren stabförmigen Organen, dureh den Besitz der eolossalen Nesselorgane in seinen Wänden auszeichnet, die Max Müller aufgefunden und a. a. O.p. 28 beschrieben und Taf. III. Fig. 13. abgebildet hat. Dieser Wurm kann vorläufig Meckelia urticans bezeichnet werden. Er scheint aber einer besondern Gattung anzugehören, die den Namen Cnidon erhalten könnte. Die Feststellung so mancher Gattungen der Nemertinen ist eine noch ungelöste Aufgabe. Jener Wurm besitzt die gewöhnlichen Spalten oder Wimpergruben an den Seiten des Kopfes, sein platter uni- form gefärbter Körper läuft am hintern Theil allmählich dün- ner aus bis zum spitzen Ende. Den dolchartigen Stachel im Rüssel besitzt er so wenig als Mechelia somatotomus und ist wie diese augenlos. Im Jahre 1352 wurde er wieder aufge- sucht und oft beobachtet. Die Wände des Rüssels der Me- ckelia somatotomus enthalten zwar auch eine Menge länglicher schlauchartiger Organe ; diese Schläuche waren aber den wahren Nesselorganen des andern Wurms gar nicht ähnlich und unterschieden sich namentlich darin, dass man niemals einen Nesselfaden aus ihnen hervorschnellen sah. Es giebt noch andere bei Triest vorkommende grössere Nemertinen, wovon auch Exemplare im Museum zu Triest aufbewahrt werden. Diese haben wir nicht frisch gesehen; über sie ist Diesing’s systema helminthum. Vol. I. zu vergleichen. Actinotrocha branchiata. Unter diesem Namen beschrieb ich ein 1845 in Helgoland beobachtetes gar räthselhaftes Thier. Archiv für Anatomie und Physiologie 1846. p. 101. Taf. V. Fig. 1.2. Den in den älteren Exemplaren auftreten- den Schlauch, welcher auf der Bauchseite ausmündet und zuweilen mit der Bauchwandung weit hervorgetrieben ist, 5 hatte ich auf ein Geschlechtsorgan gedeutet, obgleich darin keine Geschlechtsproducte enthalten waren. Bei dem zweiten Aufenthalt in Helgoland 1546 war die Larvennatur und Metamorphose mehrerer der im vorherge- henden Jahr dort beobachteten Formen ausgemittelt worden, von der Actinolrocha wurde jedoch keine Metamorphose ge-. sehen und sie war mir auch damals nicht ganz wahrschein- lich, als ich diese Thiere im Eingang zu der ersten Abhand- lung über Echinodermenlarven erwähnte. Bei diesem zweiten Aufenthalt in Helgoland war die Actinotrocha erstaunlieh zahlreich vorgekommen, was GuidoR. Wagener veranlasste, sie einer ausführlichern recht genauen Untersuchung über ihren innern Bau zu unterwerfen, die er mit schönen Abbil- dungen begleitete. Archiv für Anatomie und Physiologie, 1847 p. 202. Taf. IX. Es heisst darin p. 206: ob der Schlauch zu den Geschlechtsorganen gehöre, blieb zweifelhaft, niemals gelang es Individuen mit Eiern zu beobachten. v. Siebold gedenkt unserer Beobachtungen über Actino- trocha in den Zuzätzen zum Lehrbuch der vergleichenden Ana- tomie der wirbell. Thiere, Berlin 1848, p. 669, und vermuthet, dass die von uns beschriebenen Thierchen vielleicht die von jungen Seesternen abgelösten Schwimmstücke d. h. Bipinnarien seien. In seinem Jahresberichte, Archiv für Naturgeschichte 1850. II. p. 408, bemerkt v. Siebold, dass dies Wesen ge- wiss kein entwickeltes Thier, sondern eine Larve sei, und wiederholt die Erinnerung an die Bipinnaria asterigera von Sars in gleicher Weise. Agassiz dagegen hat in der Actinotrocha branchiata die Larve eines Thiers aus der Familie der Doris d. h. eines Nacktkiemers erkennen wollen. Lectures on embryology. Boston eveniug Traveller. Jan. 22. 1849. Was die Frage von der unreifen oder Larvennatur des Thiers betrifft, so habe ich allen Grund, auf das Urtheil zweier der grössesten Zoo- logen das stärkste Gewicht zu legen, was aber ihre Deutung seines Ziels betrifft, so konnte ich weder mit der einen noch mit der audern Deutung einverstanden sein, Ich habe das Thier öfter am mittelländischen und adria- 86 tischen Meer, sowohl im Frühling als im Herbst und in durch- aus gleicher Gestalt wiedergesehen. Ich bemerkte darüber in einer Abhandlung über die Jugendzustände einiger Seethiere in dem Monatsbericht der Akademie 1351. Juli p-468: in der Form, wie wir dies Thier bis jetzt kennen, sei es offenbar noch unreif, es seien weder Eier noch Zoosper- mien bei ihm entwickelt, aber es liegen in seinem Bau keine Motive, es auf eine der schon bekannten Thierformen mit einiger Wahrscheinlichkeit zu beziehen. Actinotrocha und Bipinnaria könnten keine Puncte der Vergleichung darbieten. Zu dem Vergleich mit den Nacktkiemern stimmen aber we- der der Bau der Actinotrocha noch die wohlbekannten For- men der Larven von Nacktkiemern, welche selbst mit einer Schale versehen sind. Am Schluss der sechsten Abhandlung über Echinodermen- larven führte ich Actinotrocha, Pilidium und Mitraria wieder unter den auf Echinodermen nicht bezüglichen Gestalten auf und bemerkte, es seien diese Formen so eigenthümlich, dass sie entweder grossen und dermalen nicht voraussichtlichen Veränderungen bis zuihrem definitiven Ziel unterliegen müssen, wenn ihr Endziel überhaupt unter bekannte Thiere fällt, oder aber auch in ihrer reifen Form eigenthümlich und neu sein müssen. Abhandl. d. K. Akad. d. Wiss. zu Berlin a. d. J. 1852. Berlin 1853. p. 59. Der Vergleich mit der Bipinnaria fällt in eine Zeit, als der Bau der Bipinnarien noch nicht vollständig bekannt war. Mir war die Organisation der Bipinnarien zur Zeit, als ich die Actinotrocha beschrieb, auch noch nicht bekannt geworden, und ich hatte schon darum keinen Grund, beide schon äusser- lich verschiedene Thierformen einander zu vergleichen oder entgegenzuhalten. Seitdem habe ich drei Arten von Bipinnaria, wovon ich zwei selbst aufzufinden so glücklich war, auch mehrere andere verwandte Asterienlarven auf ihren äussern und innern Bau ausführlichst beschrieben und abgebildet. Ueber die Larven und Metamorphose der Echinodermen II. Abhandl. Berlin 1849. Taf. 1. 2. 3. 5. III. Abhandl. 1850 p. 23. Taf. 6. 7. IV. Abhandl. 1852. p. 30. Taf. 2. Fig. 5—13, 87 Taf. 3—5. Ich glaube, es wird aus der fortgeschrittenen Kennt- niss aller Asterienlarven dermalen gewiss sein, dass die Bahn der Actinotrocha überhaupt nicht in dieser Richtung liegt. Gegenbauer hat unser Thierchen in Messina wiederge- sehen und davona.a. O, eine Beschreibung geliefert, welche mit den ältern Beschreibungen im Wesentlichen sehr übereinstimmt. Er sah ein aufbewahrtes Exemplar den Schirm am Kopfe und die Tentakeln einbüssen, giebt aber selbst an, dass die- ses möglicherweise auf einer pathologischen Veränderung be- ruhen könne. Das in der Nähe des Darms auftretende sich nach aussen hervorstülpende Gebilde hat er auch gesehen. Die Annahme der Bildung irgend eines Parasitenwesens werde durch den organischen Zusammenhang, zumal mit der Leibeshülle, ziemlich unzulässig. Es bliebe somit wohl nichts anderes übrig, als entweder anzunehmen, dass auch hier die Erzeugung eines neuen Wesens im Innern der Larve statt- finde, oder dass die Actinotrocha nach Verlust ihrer Larven- organe, Kopfschirm und Wimpertentakeln, sich später mit Verwendung der übrigen Körpermasse in ein vollkommenes Thier verwandele. Auf keinen Fall sei dieses Thier mehr als "eine Larve, wofür ich es gehalten habe. Gegenbauer bezieht sich hierbei auf meine erste Mittheilung und es sind ihm also meine späteren Bemerkungen über die am mittelländischen und adriatischen Meer fortgesetzte Beobachtung und über die unreife Natur des Thiers in den Monatsberichten der Akade- mie von 1851 und in der 6. Abhandlung über Echinodermen- larven über diesen Gegenstand unbekannt geblieben. Ob es eher eine unreife Form oder eine Larve zu neunen sei, dar- über möchte ich nieht streiten und ich verkenne nicht, dass für das letztere mindestens die Gegenwart eines Räderorgans am hintern Ende angeführt werden kann, Die künftige Erklärung des Geschöpfes wird von der Be- deutung des gewundenen Schlauches ausgehen und uns seine Bestimmung enthüllen müssen. Wenn dieser Schlauch in keiner Beziehung zu einer geschlechtlichen Fortpflanzung steht, #0 wird die Zukunft entscheiden, ob er sich auf eine geschlechtslose Fortpflanzung bezieht. /enn er aber über- S8 haupt keine Beziehung zur Fortpflanzung hat, so könnte er nur ein Ausscheidungorgan sein. Verfolgt man diese An- deutung, so wird man auf ein Thier geführt, welches später eine Röhre zu seiner Wohnung erzeugt. Ich spreche mich nicht für diese Eventualität aus, wozu es an Gründen fehlen würde, und belasse es bei der Zergliederung der möglichen Fälle. Es muss hier noch einiges und leider so vieles, bei- nahe alles unentschieden bleiben. Ob die Wimpertentakeln Larvenorgane sind, ist noch ungewiss. Der Schirm am Kopfe muss auch nicht nothwendig als hinfälliges oder Lar- venorgan aufgefasst werden. Hierzu giebt es homologe For- men in dem Kopflappen mancher Anneliden und in dem Rüssel der Eehiurus, Thalassema und Bonellia. Damit diese Bemerkung über Homologie nicht missverstanden werde, füge ich hinzu, dass der mehr erwähnte Schlauch jede direete Be- ziehung zu dem Bau der Echiuriden ausschliesst. Mitraria. Mit Actinotrocha und Pilidium wetteifert an Dunkelheiten und Schwierigkeiten der Erklärung die unreife geschlechtslose Thierform, die ich unter dem Namen Mitraria im Monatsbericht der Akademie zu Berlin 1851 Juli p. 468 beschrieb. Ich verfolge sie seit lange; seit ich sie in Mar- seille zuerst gesehen, ist sie mir in Triest und zuletzt in Messina und zwar in verschiedenen Arten vorgekommen. Das Thierchen stellt einen etwas zusammengedrückten Kegel vor. Die elliptische Basis des weichen Kegels ist flach aus- gehöhlt. Zwischen dem Umfang oder Mantel des Kegels und der Basis ist die Leibeshöhle. Der Rand springt etwas über die Basis vor; er ist wie von einem Bande eingefasst, an welchem man aussen parallele Abtheilungen wie Runzeln oder Leisten sieht, und mit flimmernden Cilien besetzt, welche das Phaenomen der Radbewegung nicht zeigen und nur leise spielen. Auf der flach ausgehöhlten Basis des Kegels oder Napfes befindet sich dem einen Ende der elliptischen Basis näher der Mund, dahinter der After und hinter diesem ein zweilappiger Knopf, der mit zwei Bündeln sehr langer Borsten besetzt ist. Der After liegt zwischen dem Mund und dem borstentragenden Bulbus. Der Rand des Mun- 80 des ist rundum ganz mit Ausnahme der dem After zuge- kehrten Seite des Mundrandes, wo dieser Rand einen Ein- schnitt hat, der an den Mund der Echinodermenlarven erinnert. Das Verdauungsorgan macht einige Biegungen, sie liegen alle in einer gemeinschaftlichen verticalen Ebene des Thiers, wel- che dem grössten Durchschnitt des Kegels entspricht. Der Mund führt in den Schlund, welcher wimpert und deutliche Schlingbewegungen zeigt. Vom Schlunde ist der Darm durch eine Einschnürung abgesetzt. Der Schlund geht hinab in der Richtung gegen den Gipfel des Kegels, von da wendet sich der Darm erst quer hin, dann zurück in der Richtung gegen die Basis des Kegels, von da mit einer Biegung quer unter dem Bulbus für die Borsten hin, um dann zuletzt nach der Basis des Kegels aufsteigend auszumünden. Im Gipfel des Kegels war bei der Mitraria von Triest noch ein rundli- cher Körper zu erkennen, welcher sich gegen die Basis des Kegels in einen ungetheilten Strang verlängert. Dieser Strang, der vielleicht ein Muskel ist, geht an der einen Seite des Darms vorbei. Der rundliche Körper an der Spitze des Ke- gels erscheint zuweilen so, als wenn er eine Vertiefung oder Einsenkung entsprechend dem Gipfel des Thierchens ent- hielte, Die Bewegungen des Körpers bestehen darin, dass der Gipfel gegen die Basis des Kegels zuweilen herangezogen wird und dass der Umfang des Napfes sich zuweilen zusam- menzieht und runzelt, dann werden die auf die Basis senkrech- ten Abtheilungen des Randes noch deutlicher. Die Borsten auf dem zweilappigen Bulbus kann das Thier sowohl weit und selbst horizontal nach allen Richtungen wie Radien ausbreiten als in zwei Bündel zusammenlegen, es kann sich mit ihnen auch fortschieben, es kann sie wie Ruder benutzen, jedoch habe ich nie wiederholte Ruderbewegungen gesehen. Das Thier schweht meist im Wasser, bald mit entfalteten, bald mit zu- sanmengefassten Borsten, ohne dass die Wimperbewegung des Randes auf seine Ortsbewegung einen grossen Einfluss hat. Weun es erschrickt, bewegt es plötzlich die Borsten- bündel. Von dieser merkwürdigen Thierform habe ich drei Arten 90 kennen gelernt. Die eine, welche wir im Frühling und Herbst am adriatischen Meere beobachteten, ist durch ihre nadelför- migen äusserst langen Borsten ausgezeichnet, welche sehr dünn, ganz gerade, am Ende spitz, und gegen 2—3mal so lang als der Leib des Thierchens sind. Der Leib des Thiers aber ist etwas über 1/4, gross. Die Borsten sind sehr steif, aber biegsam, brechen jedoch leicht, auf jeder Seite des zwei- lappigen Bulbus auf dem sie stehen, mögen ihrer 15— 20 sein. Ein im September in Triest beobachtetes Exemplar hatte nur 4 Borsten, zwei auf jeder Seite des Bulbus. Bei schwachen und mittleren Vergrösserungen erscheinen die Bor- sten völlig glatt, erst bei sehr starken Vergrösserungen sieht man an ihnen in ganzer Länge äusserst feine nach dem freien Ende gerichtete Ausläufer oder Zacken von wechselnder spi- raliger Stellung. Der Körper des Thierchens ist durchsichtig, der Darm trüber. Das ist die Art, welche ich im Monats- bericht von 1851 beschrieb. Siehe die Abbildungen zur ge- genwärtigen Abhandlung. Die zweite Art habe ich im Herbst in Messina beobachtet, ein prachtvolles Thier. Der Leib des Thierchens ist °/,' gross, also bedeutend grösser als die Mitraria von Triest. Der bewimperte Rand ist bei dieser Art buchtig und wird da- durch in drei Lappen abgetheilt, wovon der eine sich auf der Mundseite des Kegels, die beiden andern auf der entgegen- gesetzten Seite der Basis des zusammengedrückten Kegels befinden. Diese Lappen sind durch Buchten getrennt. Der Rand ist blutroth gefleckt, die Flecken viereckig auf den pa- rallelen Abtheilungen des Randes, kleine runde blutrothe Flecken ausserdem über den nächsten Theil der durchsichti- gen Körperwände zerstreut. Die Borsten jedes der beiden Borstenbündel sind zweierlei Art, die einen sind Nadeln mit sehr ausgebildeten Ausläufern, oder Zacken, die andern sind länger und gegen 1, mal so lang als das Thier und kolbig. Die dicken kolbigen Enden sind wie die Stiele mit Rauhig- keiten oder feinen Zacken besetzt. Am freien stumpfen Ende der Kolben seitwärts eine grössere stachelförmige Zacke, ein yl Auswuchs des Kolbens selbst. Die kolbigen Borsten sind hohl. Siehe die Abbildungen. Eine dritte Art, im Frühling in Marseille beobachtet, hat einen gelbröthlich gefleckten Rand und spindelförmige Borsten. Der Gipfel des kegelförmigen Leibes ist etwas eingedrückt. Diese Art war die erste, welche ich 1849 kennen lernte, da ich jedoch 1851 in Triest die Mitraria mit nadelförmigen Borsten sah, so wurden mir die spindelförmigen Borsten des Thiers von Marseille verdächtig, ich war geneigt anzunehmen, dass diese Borsten in Marseille nieht gut beobachtet gewesen seien, und ich machte von jener Beobachtung keinen Ge- brauch. Jetzt nachdem mir die Mitraria von Messina mit kolbigen Borsten bekannt geworden ist, habe ich keinen Grund mehr an der Richtigkeit der ersten Beobachtung zu zweifeln. Die Erklärung dieser Thiere bietet die grössten Schwie- rigkeiten dar. Ich machte bei der frühern Gelegenheit be- merklich, dass die Anlage des Darms mit den Würmern keine Aehnlichkeit hat und eher an Mollusken und Bryozoen erin- nert. Aber Molluskenlarven von dieser Art kennen wir bis jetzt nicht, die Jungen aber der marinen Bryozoen, die wir durch Van Beneden u. a. kennen, z. B. von Pedicellina, Halodactylus sind zwar mit einem Wimperreifen versehen, ehe dıe Arme entwickelt sind, aber Bryozoenlarven mit Bor- sten sind nicht bekannt. Unter den Würmern könnten wegen der Umbiegung des Darms und Lage des Afters nur die Sipunkeln vergleichungsweise angezogen werden. Die Larven der Sipunkeln und Phascolosomen sind uns aber schon be- kannt geworden. Anneliden, deren After in die Nähe des Mundes zurück- kehrte, sind völlig unbekannt, auch die in Röhren wohnenden Anneliden haben den After am hintern Ende. Cuvier lecons d’anat. comp. 2e ed. T. V. Paris 1837 p. 322. Die mehrsten Annelidlarven mit Borsten haben schon die Wurm- form angenommen, aber unser Thier sieht ja wie ein Köcher aus, oder noch besser wie ein Schiff mit Ruderbündeln, welches die Borsten sind. 92 Gewisse Annelidlarven, welche sich nach dem Loven- Sars’schen Typus der Annelidlarven entwickeln, haben noch sehr jung und wenn sie eben angefangen haben, den Hinter- leib in Wurmform unterhalb des Kopfes und Wimperkranzes hervor zu treiben, schon ein Bündel äusserst langer Borsten jederseits zu den Seiten des Kopfstücks unterhalb des Wim- perkranzes, so die von Busch in seinem Werke, Taf. VI. Fig. 5—8., abgebildete Annelidlarve. Diese vielleicht ver- gänglichen Borsten sind zackig, aber die Zacken der Borsten sind einseitig und stehen an regelmässigen queren Abtheilun- gen der Borste. Es giebt aber auch gewisse Annelidlarven mit Bündeln äusserst langer nadelförmiger zackiger Borsten am Kopfe, die den Borsten der Mitraria in der Form völlig gleichen, indem die Borsten nicht abgetheilt und die Zacken auf den verschiedensten Seiten der Borste in spiraliger Stel- lung abwechseln. Hierher gehört z. B. die von Busch auf Taf. VIII. Fig. 1—4 seines Werkes abgebildete und p. 65. desselben be- schriebene Annelidlarve mit3 Kopffühlern, 4 Augen und äusserst langen zackigen Borsten an den Seiten des Kopfes, zackigen Borsten und wimpernden Kiemen an den Leibessegmenten und einem Wimperkranze am hintern Ende des Körpers*). Von den kolbigen Borsten der Sieilischen Mitraria ist mir überhaupt kein weiteres Beispiel bekannt. Wenn ich gleich bei dem ersten Bericht bemerkte, dass die mit Borsten versehene Mitraria nachweisbar wegen der Lage des Afters am Munde die Larve eines Borstenwurms nicht sein könne, so will ich doch jetzt einen Versuch machen, eine Mitraria auf die Wurmform der Annelide zu redueiren. Dies kann nur durch gewaltige Veränderungen geschehen, es wird *) Eine ähnliche Larve von 2 Grösse mit 4 Augen und einem Stirnfortsatz sah ich bei Marseille. Sie glich ‘der Larve von Busch darin, dass sie zackige Borsten, wimperude Kiemen an den Seiten des Körpers und einen Wimperkranz am hintern Ende des Körpers besass, am Kopfe fehlten die langen Borsten. Die ersten 17 Glieder hatten lange zackige Borsten, die hintere Hälfte des Körpers hatte feinere kurze Borsten, 95 darauf ankommen, den in der Nähe des Mundes liegenden After mit der Verlängerung des Thiers in die Wurmgestalt immer weiter vom Munde zu entfernen. Man kann sich dazu des Loven’schen Annelid-Larventypus bedienen, dessen An- wendung Busch auf viele von ihm beobachtete Annelidlarven in seinem Werke vortrefflich erläutert hat. Bei diesem. Ver- gleich würde man sich die Verlängerung des Kegels der Mi- iraria zum Wurm aus der Basis des Kegels herabsteigend denken müssen, so zwar dass die Mundstelle bleibt, der After aber mit dem Auswachsen der Leibesdecken in dieser Rich- tung von dem Kegel und von der Nähe des Mundes entfernt wird. Dies ist eine ideelle Metamorphose der Mitraria in eine Annelidlarve, bei welcher der Wimperreifen des Kopfes bekanntlich noch vor dem Munde liegt. Eine solche Meta- morphose wäre also doch denkbar und kein Ding der Un- möglichkeit, wogegen jedoch auch manches zu erinnern wäre. Man kennt keine Annelidlarven, die bei noch gar nicht entwickelten Hinterleib doch schon mit Borsten versehen wären. Die Annelidlarven, die wir bis jetzt kennen, haben keine solche Lappen wie die Mitraria von Sieilien. Man kennt auch keine Annelidlarven von der Form eines zusam- mengedrückten Kegels, dessen parallele Abtheilungen des Randes auch eigenthümlich sind. Sollte sich die Mitraria in eine Annelide verwandeln, so müsste der zweilappige Bulbus mit den zwei Borstenbündeln entweder ganz eingehen oder in zwei Wülste getheilt nach den Seiten auseinander gehen müssen. Ferner wird der einem Muskel vergleichbare einseitig am Darm vorbeigehende Strang von der Anschwellung in der Spitze des Kegels in den An- nelidlarven nach dem Loven’schen Typus vermisst, wo an der dem After entgegengesetzten Seite die auf das Hirn zu deu- tende Anschwellung mit den Augen liegt, von welcher man in einigen Larven zwei symmetrische Fäden nach beiden Seiten des Darmschlauchs gehen sieht. Am meisten scheint dagegen zu sprechen, dass die Mi- Iraria eine gewisse Achnlichkeit mit einem von Ehrenberg und Michaelis beobachteten baltischen Seethier, dem Cy- 94 phonautes compressus Ehr. hat, welches Ehrenberg unter die Räderthiere eingeordnet, und von welchem er eine Ab- bildung auf Taf. 44. Fig. 2. seines grossen Werkes gege- ben hat. Cyphonautes compressus '/'' gross, hat einen zusammen- gedrückt kegelförmigen Körper, dessen Rand mit einem Wim- perkranze umgeben ist. Der Mund befindet sich auf der aus- gehöhlten Basis des Kegels, also innerhalb des vom Wimper- kranz eingeschlossenen Feldes. Dort befindet sich auch eine Anschwellung, die mit einigen kurzen Borsten besetzt ist. Der Darm biegt um und läuft zurück. Das Thier schwimmt wankend, die Borsten waren in einer greifenden Bewegung. Dujardin bemerkt von Cyphonautes, dass es eine sehr son- derbare Form sei, welche nach der Abbildung mit den an- dern Räderthieren nichts gemein habe. Histoire naturelle des Zoophytes. Paris 1841. p. 614. Die Aehnlichkeit des Cyphonautes mit der Mitraria ist in der allgemeinen Form, im Wimperorgan, im Besitz der Borsten, welche bei Cypho- nautes compressus nur sehr kurz sind, in der Umbiegung des Darms nach vorn, in dem muskelförmigen Strang, der bei Cyphonautes aber vom Schlundkopf jederseits des Darms zu einer veränderlichen Warze an der Spitze des Kegels ging. in der That gross genug und würde noch weiter einleuchten, wenn nicht die Auswurfsöffnung bei Cyphonautes ganz anders und ausdrücklich noch vor dem wimpernden Rande, also nicht innerhalb des vom Wimperorgan umschlossenen Feldes läge und wenn nicht der Mastdarm in Beziehung zur Borsten tragenden Anschwellung gerade umgekehrt läge. Dennoch aber scheinen mir diese Thiere näher oder entfernter ver- wandt zu sein, wohin immer der Cyphonautes gehören möge. Ein nicht unwichtiger Umstand ist nun für unsere Frage, dass bei dem Cyphonautes compressus ein eiartiger Körper gesehen und abgebildet ist. Wenigstens ist ein grosser trü- ber Körper mit einem dunklern kleinern auf den Eierstock mit einem Ei gedeutet. Uebrigens bemerkt Ehrenberg, dass die Organisation dieses Thiers, obgleich mannigfach er- mittelt, doch wegen Mangels vielfacher Beobachtung etwas 95 unklar geblieben. Cyphonautes und Mitraria weichen in letzt- genannter Beziehung gänzlich von einander ab. Alle von mir gesehenen Exemplare von Mitraria waren noch ganz unreif und enthielten in ihrem Körper noch keine Spuren von Eiern. Borsten erscheinen auch bei unzweifelhaften Räderthieren z. B. bei den Floseularien, aber diese haben mit unserm Ge- genstande durchaus keine Aehnlichkeit. Man vergleiche über junge Floseularien Dobie in annals nat. hist. 2 Ser. IV. p- 233. Taf. 6. Fig. 6. Eingesetzte durch Muskeln bewegliche Borsten und ana- loge Stacheln erscheinen in den verschiedensten Thierclassen, in den Anneliden, Echiuriden und Räderthieren. Borsten von eigenthümlicher Form erscheinen auch am Rande des Mantels der Brachiopoden. Diese meine vergleichenden Bemerkungen über Mitraria bringen den Gegenstand nicht zur Entscheidung und laufen auf ein gelehrtes Spiel über Eventualitäten oder auf einen gelehrten Apparat hinaus, mit welchem ich die Mitraria bei ihrer zweiten Besprechung und bei ihrer Abbildung versehen musste. Die Formen dieser noch unreifen und geschlechts- losen Thierchen sind aber zu merkwürdig, um die Beschrei- bung der verschiedenen Arten und die Abbildungen länger zurückzuhalten. Brachiolaria. In der zweiten Abhandlung ‚über Echino- dermenlarven beschrieb ich unter diesem Namen eine 1847 in Helsingör beobachtete Asterienlarve, welche den Bipinnarien verwandt, sich von diesen dadurch unterscheidet, dass sie statt der Flossen an dem einen Ende 3 mit einem Stern von Papillen gekrönte Arme hat. Von dieser Larvenform sah ich in Messina eine zweite Art, welche in der Ausbildung des See- sterns begriffen war, Es waren auch 3 mit Papillen besetzte Arme an derselben Stelle vorhanden, und die Wimpel waren ähnlich; aber die Anordnung der Papillen war gänzlich ab- weichend, und die Arme sind mehr abgeplattet, so dass sie eine ventrale und dorsale Fläche besitzen. Hierdurch wird e Eigenthümlichkeit der Brachiolarien als Gattung von As- terienlarven noch augenscheinlicher, als sie es bisher schon 96 war. Die 3 den Brachiolarien eigenen Arme hatten nicht den Stern von Papillen am abgerundeten Ende, waren vielmehr in ganzer Länge auf der ventralen Seite mit Papillen be- säumt, welcher Zug von Papillen am Ende der Arme umbog. Die dorsale Wimperschnur hatte keine Beziehung zu den drei Armen, sie folgte vielmehr den dorsalen Wimpeln bis auf ein unpaares dorsales Endwimpel um dann von rechts nach links überzugehen. Die ventrale Wimperschnur folgte den 3 mit Papillen besetzten Armen in ganzer Länge daran herauf- und herabsteigend und ging von einem Arm auf den andern über. Die 3 Arme sind hohl wie bei der Brachio- lZaria von Helsingör und haben gegen ihre Höhlung einen in- nern Contour, welcher den Wimpeln fehlt. Ueber einige andere schon bekannte T'hiere werden die Untersuchungen fortgeführt in der Hoffnung, dereinst ihren schwierigen innern Bau durch Zeichnungen aufzuklären. Dahin gehört das merkwürdige Geschöpf, welches Busch unter dem Namen Cyelopelma longoeiliatum a. a. O. p. 132 beschrieben und Taf. XVI. Fig. 1%2—16 abgebildet hat. Es gehören schon viele Abbildungen dazu, um die verschiedenen Lagen und Gestaltveränderungen, deren der Körper dieses Thieres fähig ist, zu erläutern. Die Untersuchung seines innern Baues, der sehr verwickelt ist, stösst aber wegen der braunen Fär- bung des Thierchens auf grosse Schwierigkeiten. Es sind ein Gehirn und Nerven sehr deutlich beobachtet. Die beiden schwarzen Augen sitzen auf dem Gehirn auf und enthalten einen aus dem Pigment rund vorragenden hellen Körper, ohne Zweifel eine Linse. Das gerade Verdauungsorgan hat 3 Abtheilungen, Schlund, Magen und kurzen Darm. In den Seiten des Körpers liegt jederseits ein aus vielen langgestiel- ten Bläschen bestehendes Organ, die Stiele sammeln sich in Ausführungsgänge, welche nach dem mittlern Theil des Kör- pers, wo das Verdauungsorgan liegt, gerichtet sind. Jedes der gestielten Bläschen ist mit einem Kern versehen. Wohin diese Organe ausmünden, hat noch nicht sicher ausgemittelt werden können. An den Seiten des Körpers liegen auch grosse mit einem körnigen Wesen gefüllte Schläuche. Unge- 97 achtet des zusammengesetzten Baues dieser Thierchen sind doch niemals Eier oder Zoospermien in ihnen wahrgenommen. Ich schliesse diese Bemerkungen mit einigen Angaben über die Synonymie verschiedener Thiernamen. Arachnactis albida Sars, die merkwürdige polypenförmige Acalephe, Sars Fauna littoralis Norvegiae, Christiania 1846 p. 28. Taf. 4. Fig. 1—6 ist identisch mit Nereus hydrachna Tilesius, An- nalen der wetterauer Gesellschaft. III. p. 367. Taf. XX.b Fig. 19. Krusenstern Atlas Taf. XXT. Fig. 19. Dass Ochetostoma erythrogrammon Leuck. (Rüppell neue wirbellose Thiere des rothen Meeres. Frankf. 1828. p. 7. Taf. II. Fig. 3.) eine Species von Thalassema ist, wie Max Müller diss. observ. anat. de vermibus quibusdam maritimis Berol. 1552 p. 16 vermuthet, hat sich bei der Untersuchung des Originalexemplars im Museum der Senkenbergischen Ge- sellschaft zu Frankfurt, welche Herr Rüppell erlaubte, be- stätigt. Die angebliche Genitalöffnung ist eine Grube, worin zwei Stacheln wie bei Thalassema und Echiurus, liegen. Auch Bonellia viridis besitzt diese Stacheln an derselben Stelle. Die Gattung von Medusen Nausithoe Kölliker (Zeit- schrift für wissenschaftliche Zoologie Band IV. 1853. p. 323) ist identisch mit der von mir in der Gesellschaft naturfor- schender Freunde 17. Februar 1852 aufgestellten Gattung Octogonia. Erklärung der Abbildungen. Taf. IV. Fig. 1. Planarienlarve von „3% von der Rückseite. a. mittlerer Fortsatz des Rückens durch das Räderorgan mit den hintern Seitenfortsätzen verbunden. b. Tentakeln. e. Der von der Bauchseite durchscheinende Mund: Fig. 2. Die Nemertine mit Schwanzanhang Alardus caudatus Busch. a. Rüssel. b. Darm. c. Mund. d. Wimpergruben am Kopf. Fig. 3. Pilidium gyrans mit dem Alardus caudatus im Innern Triest 1851. Fig. 4. Ein anderes Exemplar von Pilidium gyrans mit dem Alardus caudatus im Innern. Triest 1851. Müllers Archiv. 1861. 7 98 Fig. 5. Pilidium gyrans mit 2 Näpfen. Triest 1850. Fig. 6. Dasselbe von der Seite. Fig. 7. Pilidium gyrans mit 2 Näpfen von der Seite. Triest 1850. aa. die Näpfe. Fig. 8. Pilidium gyrans mit 4 Näpfen. Triest 1851. Fig. 3*. Einer der Näpfe besonders. Taf. V. Fig. 1. Mitraria von 'Triest von der Seite. a. Mund. a«a*. Schlund. 5b. Darm. b*. After. ce. Bulbus mit Borsten. Fig. 1*. Borste unter starker Vergrösserung. Fig. 2. 3. Dieselbe mit zusammengezognem Rande. d. Strang, welcher von der Anschwellung im Gipfel des Kegels abgeht. Fig. 4. Dieselbe mit ausgebreiteten Borsten auf die concave Seite des Kegels gesehen. a. Mund. 5b. After. ec. Zweilappiger Bulbus für die Borsten. Fig. 5. Dieselbe Art von Mitraria mit nur 4 Borsten. Taf. VI. Fig. 1—3. Mitraria von Messina von verschiedenen Seiten. a. Schlund. 5. Darm. c. Bulbus für die Borsten. Fig. 4. Eine der nadelförmigen Borsten stark vergrössert. Fig. 5. Die kolbenförmigen Borsten bei verschiedenen Vergrösse- rungen. Fig. 6.7. Eine im Mittelmeer häufige Annelidlarve nach dem Lo- ven’schen Typus zur Vergleichung. Sie erhält später zwei Tentakeln. Die Abbildungen Taf. IV. Fig. 3. 4. 7. sind von Max Müller. Ueber vielkernige Zellen der Leber. Von R. REmaK. Hierzu Taf. III. Fig. 6 — 13. Zwischen den eylindrischen Anlagen der Leberläppchen habe ich vor zwei Jahren bei Kaninchen-Embryonen runde farb- lose durchsichtige Körper von ‘Yo bis '%, L. gefunden, an welchen sich im frischen Zustande bei Anwendung von Zuk- kerlösung 5°/, eine glatte umhüllende Membran, eine dicke aus zarten concentrischen Schichten bestehende Wand und eine scharf begrenzte von Kernen erfüllte Höhle unterschei- den lässt. (Fig. 8. 9. 10.) Diese Kernhöhle nimmt mehr als ein Drittel des Durchmessers der ganzen Zelle ein und ent- hält vier, acht, sechzehn oder noch mehr, etwa zwei und dreissig blasige mit einfachen oder doppelten Kernkörperchen - versehene Kerne, deren Zahl in gradem, deren Grösse in umgekehrtem Verhältniss zu dem Alter des Embryo steht. Die Kerne zeigen den allen thierischen Zellenkernen eigen- thümlichen Widerstand gegen Säuren, namentlich Essigsäure. Die umhüllende Zellenmembran wird durch Wasser bis zum Platzen aufgebläht, die Parietalsubstanz durch Wasser, stär- kere Essigsäure und Alkalien durchsichtig und ihres geschichte- ten Ansehens beraubt. Am besten erhalten sich alle Bestand- theile der vielkernigen Zellen in verdünnter Essigsäure 0,2%, durch welche die Parietalsubstanz sich trübt. In Chromsäure 0,2%, in Sublimatlösung 0,2%, und in Alkokohl 20%/, schrumpfen die Zellen und ihreKerne ein wenig zusammen. Durch Jodlösung (2 Gran Jodkali und ein Gran Jod auf 1 Unze Wasser) werden die Zellen, namentlich auch die Parietalsubstanz gebräunt, durch 7* 100 nachherigen Zusatz von Schwefelsäure nicht gebläut. — Bei grösseren Embryonen finden sich auch zwei mit Kernen er- füllte Kernhöhlen in einer Zelle (Fig. 2.). Brückenförmige Verbindung zweier Zellen sah ich nur einmal (Fig. 1.), ebenso nur einmal einen kurzen stielförmigen Auswuchs einer Zelle. (Fig. 3.) Jch habe die beschriebenen Zellen bei etwa 50 Embryonen von verschiedenem Alter und von mehr als einem Zoll Länge in allen Theilen der Leber beobachtet. Kleinere Embryonen habe ich in dieser Hinsicht nicht untersucht. Bei neugebor- nen Kaninchen habe ich jene Zellen nur bis zum zwölften Tage verfolgen können. Ihrem Verschwinden gingen einige Tage lang Erscheinungen von Theilung der vielkernigen Zellen in einkernige voraus. Es zeigten sich nämlich Zellen mit mehreren gesonderten Kerngruppen, auch kleinere Zellen mit wenigen Kernen, endlich zwei- und einkernige Zellen, welche sich von Lymphzellen nur durch etwas grösseren Um- fang unterschieden. — Die Untersuchung wird um jene Zeit dadurch sehr erschwert, dass sämmtliche zellige Bestandtheile der Leber eine Weichheit und Zerstörbarkeit annehmen, wel- ohe den Zerlegungsmitteln trotzt, und gegen die frühere Festig- keit während des embryonischen Lebens einen auffallenden Gegensatz bildet. Diese auch im Pankreas und in den Nie- ren ja sogar am Epithelium der Lungen wahrnehmbare Ver- änderung scheint mit dem lebhaften Stoffumsatze in diesen Drüsen zusammenzuhängen, der durch die Aufnahme fester Nahrungsstoffe bedingt wird. Beim Hühnchen tritt die ent- sprechende Veränderung der genannten Drüsen, namentlich der Leber, schon innerhalb des Eies ein, sobald die Aufsau- gung des festen Dotters beginnt. — Beim Hühnchen und bei Schafembryonen habe ich vielkernige Zellen in der Leber nicht finden können. Die vielkernigen Zellen haben nichts gemein mit den be- kannten Leberzellen, welche aus dem Darmdrüsenblatt her- vorgehend das bleibende zellige Parenchym der Leber bilden. Sie sind vielmehr Bestandtheile der bindegewebigen, gefäss- und nervenhaltigen Faserschicht der Leber. Sie haben keine 101 Verbindung mit Blutgefässen und zur Zeit, wenn sie schwin- den, habe ich sie im Blute vergebens gesucht. Mit embryo- nischen Ganglienzellen haben sie keine Aehnlichkeit und ein Uebertritt ihrer selbst oder ihrer Abkömmlinge in Lymph- gefässe ist deshalb unwahrscheinlich, weil die vielkernigen Mutterzellen bei ihrer bedeutenden Grösse nicht leicht Axen- theile von Lymphgefässanlagen bilden dürften. Sie liessen sich als vergängliche Anlagen der Lymphdrüsenähnlichen Follikel deuten, welche sich in der Leber der Fische finden, (M. Arch. 1852. S. 145) und zuweilen in der kranken Leber des Menschen vorkommen, wenn die Anlagen jener Fol- likel aus ähnlichen Zellen beständen. — Nach den vorlie- genden Thatsachen können wir die von mir aufgefundenen Gebilde nur als bindegewebige betrachten, dazu bestimmt, Lücken der Leber auszufüllen, bevor die Lebercylinder sich zu Läppchen erweitern*). Für die Entwickelungsgeschichte der Gewebe, namentlich des Bindegewebes und des Knorpels sind die vielkernigen Zellen jedenfalls von Interesse wegen der Deutlichkeit, mit welcher sich an ihnen eine Zellenmembran, eine geschichtete Parietalsubstanz und fortschreitende der Zellentheilung vor- ausgehende Vermehrung von Kernen beobachten lässt. (Vergl. meine Aufsätze „über extracellulare Entstehung thierischer Zellen“ und „über die Entstehung des Bindegewebes und Knor- pels“ in M. Arch. 1852. S. 47—58 und S. 63—73). Die Ver- mehrung der Kerne kommt hier jedenfalls durch Theilung und zwar allem Anschein nach gleich wie bei den Furchungs- zellen des Froscheies, dadurch zu Stande, dass die Kernmem- bran sich in zwei Membranen sondert, von denen die innere sich durch Abschnürung theilt. Die äussere Membran schwin- det oder erhält sich als Umhüllung einzelner Kerngruppen. *) Herr Kölliker, welcher im Monat April 1853 die beiliegenden Zeichnungen bei mir sah, warf die Frage auf, ob die vielkernigen Zel- len vielleicht Furchungs-Zustände von Eiern darstellen. Es scheint aber schon die Beständigkeit des Vorkommens jener Gebilde der An- nahme einer parasitischen Bildung zu widersprechen. 102 Erklärung der Abbildungen. Taf. III. Fig. 6— 13. Fig. 6. Aus einem 2“ langen Kaninchenembryo. (Zuckerlösung 53.) z. vierkernige Zelle mit vier, dem Anscheine nach noch in der Abschnürung begriffenen Kernen; 1. die netzförmig verbundenen Lebercylinder. Fig. 7. Aus einem 1” langen Embryo (Zuckerlösung 55) s. dreikernige Zelle; der eine Kern in der Theilung begriffen. r. rothe kernhaltige Blutzelle. f. farblose Blutzelle. Fig. 8. Aus einem 3” langen Embryo, (Zuckerlösung 55) m. Zellenmembran. p. geschichtete Parietalsubstanz. k. vier mit Kernkörperchen versehene Kerne. Fig. 9. Aus demselben Embryo, achtkernige Zelle in einer late- ralen Kernhöhle. Fig. 10. Aus demselben Embryo, vielkernige Zelle (nach 24stün- diger Maceration in Essigsäure 0,25.) Fig. 11. Aus einem 33‘ langen Embryo, zwei Zellen durch eine schmale Brücke verbunden. Fig. 12. Aus einem etwa 3” langen Embryo, vielkernige Zelle mit 2 gesonderten Kerngruppen (nach Maceration in Essigsäure 0,2 ) Fig. 13. Aus einen neugebornen Kaninchen, etwa 12 Stunden nach der Geburt, gestielte vielkernige Zellen (nach 48stündiger Maceration in Essigsäure 0,23). 105 Der lange Halsmuskel des Menschen. Von Prof. Hußert LuscHkaA in Tübingen. (Hierzu Taf. VII.) Es wird gewiss keinem, mit dem Detail der desecriptiven Muskellehre wohl vertrauten Fachgenossen entgehen: wie sehr die Lehre vom Muse. longus colli einer durch beson- ders darauf gerichtete Untersuchungen gestützten Revision bedürfe. Nicht allein die wechselnden, die Morphologie je- nes Muskels betreffenden Angaben, zeugen von einer unge- nügenden Kenntniss desselben, sondern es entbehren auch die vorliegenden Berichte in Hinsicht seiner Wirkung jedwe- der festern und allseitigen Begründung. Die physiologischen Beziehungen des Muskels aber lassen sich, nach einmal ge- wonnenem richtigem. Verständnisse seiner Formverhältnisse, aus diesen so bestimmt abnehmen, als dieses nur irgend durch Experimente geschehen könnte. Wie weit man aber bisher von einer naturgemässen Auffassung entfernt war, das geht schon unzweifelhaft aus der historischen Betrachtung unseres Gegenstandes hervor. Nach der ersten ausführlichern, durch B. S. Albin*) ge- lieferten Beschreibung des langen Halsmuskels, bei welcher alle selbstständigen Beobachtungen früherer Forscher, so die von Eustach, Vesal, Bidloo, berücksichtigt wurden, be- steht derselbe sozusagen aus zwei, untereinander verbunde- nen Muskeln, deren Wirkung in folgender Weise charaeteri- *) Tabulae sceleti et musculorum corp. humani, Lugd. Bat. 1747. Tab. XVI. Fig. 6. 104 sirt wird: „collum in posteriora euryatum erigit, curyat deinde in priora, eodemque tempore modiee in latus. “*) Den wesentlichsten Angaben Albin’s in Betreff der Mor- phologie und der physiologischen Bedeutung des Longus colli begegnet man, mit meist nur untergeordneten Modificationen, bei vielen der spätern Schriftsteller wieder. Ihren nächsten Vertreter finden dieselben in S. Th. Sömmerring“*), welcher die Ansicht von der Zusammensetzung jenes Muskels „gleich- sam aus zwei“ vollständig theilt und von ihm eine, nicht eben sehr aufklärende Schilderung macht. Der M. longus colli kommt nach Sömmerring mit sieben sehnigen Portionen von den Körpern der drei obersten Brustwirbel und von den Querfortsätzen des 6.— 3. Halswirbels. Sein unterer Theil steigt darauf aufwärts und setzt sich mit 1—4 langen, schma- len, zuletzt sehnigen, bisweilen gespaltenen Enden an den vordern Höcker.des Querfortsatzes des sechsten Halswirbels allein, oder zugleich auch an den des 4. oder des 5. oder des 7. Halswirbels. Der obere, weit stärkere Theil des Muskels steigt gerade aufwärts, nimmt die von den Querfortsätzen kommenden Portionen zu sich, und setzt sich mit schmäler werdenden, zuletzt sehnigen, je hö- her liegenden, desto stärkeren Enden an die Körper aller, oder nur der fünf, oder der drei obersten Halswirbel an. Die Albin’sche Beschreibung von der Wirkung des Longus colli, wird von Sömmerring ohne Weiteres ins Deutsche über- setzt; „der Muskel krümmt den Hals vorwärts, etwas zur Seite, oder macht ihn gerade, wenn er rückwärts gebogen war“. Bei aller Verehrung des grossen Meisters, wird sich doch gewiss Niemand mit dieser seiner Darstellung einver- standen erklären können, da es schlechterdings unmöglich ist, sich auch nur irgend eine klare Ansicht vom genannten Muskel daraus zu entnehmen. Aber auch in der neuen durch *) Historia museulorum hominis. Ed. Hartenkeil. Bambergae. 1796. p. 362. **) Vom Baue des menschlichen Körpers. Frankfurt a. M. 1791. II. Thl. S. 183. 105 Theile*) geleisteten Umarbeitung der Sömmerring’schen Muskellehre sieht man sich vergeblich nach einem befriedi- genden Aufschluss um. Wie es im Verlaufe der Mittheilung eigener Untersuchungen gezeigt werden soll, hat dieser Zer- gliederer die Ursprungs- und Ansatzverhältnisse missverstan- den, und die ganz irrthümliche Auffassung vom Bestande des Muskels aus nur zwei Portionen festgehalten. Jene einmal durch Albin’s Lehre begründete und durch Sömmerring’s Annahme derselben gut geheissene Ansicht vom Longus colli, wirkte auch auf den so selbstständig forschen- den J. Fr. Meckel**) fort, welcher ihn ebenfalls, gewisser- massen aus zwei, nur untereinander verbundenen Muskeln, einem untern, und einem obern bestehen lässt. Der un- tere, kleinere, gerade, oder etwas von innen nach aussen aufsteigende, entspringt mit getrennten sehnigen Zipfeln von der Seite des Körpers und den Zwischenknorpeln der drei obersten Rückenwirbel, dem Körper und der vordern Wur- zel der Querfortsätze der vier untern Halswirbel und heftet sich, gerade aufsteigend , nach aussen durch zwei oder drei kurze Sehnen an den vordern Höcker der Querfortsätze des vierten und fünften, nach innen durch eine starke Sehne an die vordere Fläche des Körpers des zweiten und dritten Halswirbels. Der obere stärkere Theil entspringt mit kleinen sehnigen Zipfeln von der vordern Wur- zel des dritten bis fünften Halswirbels, steigt schief nachinnen empor, indem erallmälig schma- ler wird, und heftet sich an den vordern Höcker des ersten Halswirbels. „Der ganze Muskel beugt den Hals nach vorn, und wenig zur Seite.“ Von den Schrift- stellern der Gegenwert, stimmt Hyrtl**) in allen Punkten mit den Angaben Meckel’s überein. *) Lehre von den Muskeln des menschlichen Körpers. Leipzig 1841. 8. 174 und 175. *) Handbuch der menschlichen Anatomie, Halle 1816. II. Bd. 8. 477. **) Lehrbuch der Anatomie des Menschen, 3. Aufl, Wien 1853. 5. 319, Br 106 Hildebrandt-Weber”), bezeichnet die „Befestigung des Longus colli als eine sonderbare, schwer zu beschrei- bende.* Er entspringe mit fünf flechsigen Enden an den drei obern Brust- und den zwei untern Halswirbeln, von dem Sei- tentheile der vordern Fläche des Körpers derselben; zu die- sen kommen noch vier andere Bündel hinzu, welche vom Querfortsatze des 6., 5., 4., 3. Halswirbels entspringen. Der Muskel steigt an den Körpern der Wirbelbeine hinauf, und setzt sich nach und nach mit flechsigen Enden an der Seite der vordern Fläche des Körpers der Halswirbelbeine vom fünften bis zum Epistropheus, vorzüglich aber am Tubereu- lum anterius des Atlas an. Ausserdem gehen von dem un- tern Ursprung des Longus colli Bündel, welche als ein be- sonderer Muskel angesehen werden könnten,“ zu den Querfortsätzen der untern Halswirbel hinauf, die sich oft an den Processus transversus des sechsten Halswirbels an- setzen. Von der Wirkung des Longus colli bemerkt Weber, dass wenn die Muskeln beider Seiten wirken, der ganze Nacken und mit ihm der Kopf gerade vorwärts gezogen werde. Die am Querfortsatz des sechsten Hals- wirbels endigende Portion des Muskels, könneden Hals etwas nach derjenigen Seite drehen, auf wel- cher sie liegt. Während durch Meckel die obere Portion des langen Halsmuskels genauer und naturgemässer als es vor ihm ge- schehen ist, aufgefasst wurde, so finden wir in E. H. Weber'’s, seine Vorgänger um Vieles übertreffenden Darstellung, dass der untern Portion desselben eine ganz besondere Aufmerk- samkeit gewidmet, und ihr eine eigenthümliche Wirkung zu- erkannt worden ist. Gleich Meckel, so hat auch Krause **), nur noch genauer, die obere Portion des langen Halsmuskels gewürdigt, wenn er diesen Theil noch besonders als äus- *) Handbuch der Anatomie des Menschen. Stuttgart 1853. II. Bd. S. 403, *) Handbuch der menschlichen Anatomie. 2. Aufl. Hannover 1843. S. 378. 107 sern näher bezeichnet. Entschieden falsch dagegen ist Krause’s weitere Bemerkung: dass die obere, äussere Por- tion mit dem grösseren untern Theile des Muskels zusammen- fliesse, und ihn verstärke! Diese geschichtliche auf die Schriften der besten und selbstständigsten Beobachter basirte Entwickelung unseres Ge- genstandes dürfte zum Beweise hinreichen, wie schwierig die wahre Auffassung des langen Halsmuskels, aber auch wie wenig es bis jetzt gelungen ist, den Anforderungen eines vollständigen und klaren Verständnisses desselben zu genügen. Wenn man die einschlägige Literatur von Albin bis auf Krause kritisch sichtet, dann sieht man wohl in den ver- schiedenen, einzelne Abschnitte des Muskels betreffenden Bemerkungen das Bedürfniss nach einer bessern Einsicht bald mehr, bald weniger deutlich ausgesprochen und damit zugleich die Wege vorgezeichnet, auf welchen eine erneute, unbefan- gene Forschung zur vollen Wahrheit gelangen kann. Ich habe es mir zur speciellen Aufgabe gemacht, durch viele sorgfältig angestellte Untersuchungen die Anatomie des langen Halsmuskels dem Verständnisse näher zu bringen. In Uebereinstimmung mit den frühern Beobachtern habe ich mich zunächst davon überzeugt, dass der Longus colli kein einiger Muskel ist, . sondern eine Gesammtheit aber nicht von zwei, sondern von drei ihrer functionellen Bedeu- tung nach ganz verschiedenen Muskeln. Schon die einfache Betrachtung des noch gar nicht zergliederten, son- dern nur, nach Entfernung des Kopfes aus dem Hinterhaupts- gelenke, einfach frei gelegten Muskels, lässt eine, nach ver- schiedenen Richtungen hinziehende Faserung erkennen, die in ihrer Totalität eine ungefähr dreiseitige, platte Masse dar- stellt, welche sich auf jeder Seite des vordern Umfanges der Halswirbelsäule, vom Tubereulum atlantis anticum an, bis an das Ende des dritten Brustwirbels erstreckt und deren eine etwas stumpfere Spitze dem Querfortsatze des sechsten Hals- wirbels entspricht. Man sieht eine innere, neben der Mit- tellinie des Halses in vorwiegend gerader Richtung von unten nach aufwärts verlaufende und am Körper des Epi- 108 stropheus endigende Partie; zweitens eine schief von den Körpern der drei obersten Brustwirbel nach aussen an den Querfortsatz des siebenten und sechsten Halswirbels hinzie- hende Portion; drittens eine Muskelmasse, welche schief von oben und aussen, vom (uerfortsatz des dritten und vierten Halswirbels zum Tubereulum atlantie. sich begiebt. In einer Anzahl von Beobachtungen findet man diese dreierlei Fase- rung sehr scharf geschieden und durch zwischen gelagerten Zellstoff so von einander getrennt, dass sie als drei geson- derte Muskeln erscheint. Sehr schön sah ich dies mehrmals bei Untersuchung des Longus colli von Foetus aus dem drit- ten und vierten Monat. Bei weitem in den meisten Fällen aber sind die drei Theile durch Sehnen- und Muskelbündel fester untereinander verbunden, so dass man nicht ohne Schwierigkeit, die ursprünglich zusammengehörigen Bestand- theile herausfindet. Es besteht hier ein ganz gleiches Ver- hältniss der Theile zu einander, wie bei den dem Extensor dors. communis angehörigen Abschnitten. Gleich wie bei diesem begegnet man auch beim Longus colli einer gewissen Wandelbarkeit nach Zahl und Ansatz der Bündel und nach der Art ihres Verwachsenseins untereinander, so dass man nur erst aus einer grossen Anzahl von Untersuchungen nach der numerischen Methode die Regel abstrahiren kann. Gestützt auf diese Methode, werde ich im Folgenden ei- nem jeden Abschnitt des Longus colli eine gesonderte Be- trachtung widmen, aber, um die einmal gangbar gewordene Darstellungsweise nicht zu sehr zu beeinträchtigen, jede der- selben, nicht als eigenen Muskel, sondern nur als besondere Portion des Longus colli bezeichnen und dieselben 1) als gerade Portion, 2) als untere schiefe Portion, 3) als obere sehiefe Portion, aufführen. 1. Gerade Portion des langen Halsmuskels, Dieser Abschnitt des Longus colli ist im Wesentlichen ein langer, platter, gefiederter Muskel, dessen Faserung in vorwiegend gerader Richtung von unten nach aufwärts 109 steigt und sich vom Körper des dritten Brustwirbels bis zum Körper des Epistropheus erstreckt. Am obern und am un- tern Ende ist der Muskel sehr schmal, fast zugespitzt. In seiner Mitte, ungefähr dem sechsten Halswirbel entsprechend, besitzt er die grösste Breite. An der vordern Fläche seiner obern Hälfte wird er fast ganz sehnig gefunden; die Sehnen- substanz der untern Hälfte erstreckt sich gewöhnlich nur auf den innern Rand des untern Endes. Es sind zwei Reihen von Bündeln, mit welchen die gerade Portion des Longus colli ihren Ursprung nimmt, eine innere mit Wirbelkörpern, eine äussere mit Querfortsätzen in Ver- bindung stehende und viel weiter aufwärts als die erstere sich erstreckende Reihe. Die vier, die innere Reihe bilden- den Ursprungsbündel setzen den innern Rand der untern Hälfte des Muskels zusammen. Die Bündel entspringen so sehr in fast gerader Richtung übereinander und legen sich alsbald so innig aneinander an, dass jener Rand dadurch fast ganz eben erscheint. Sobald man aber das über dem Muskel ausgebreitete und mit dem Rande des Lig. longitudi- nale fester verbundene Zellgewebe bis in die Faserung des Muskelrandes selber sorgfältig entfernt hat, dann tritt die Selbstständigkeit jener Ursprungsbündel ganz unzweideutig entgegen. Das stärkste dieser Bündel ist der gemeinhin als unteres Ende des gesammten Longus colli bezeichnete Ab- schnitt. Fast regelmässig ist es mit seinem äussern Rande sehr fest mit der untern schiefen Portion verwachsen, oder es ist diese auch wohl so über dasselbe hinweggelagert, dass beide Eins zu sein scheinen. Bei meinen zahlreichen diesen Gegenstand betreffenden Untersuchungen habe ich inzwischen oft genug ohne alle Präparation die deutlichste Scheidung des untersten innern Bündels der geraden Portion vom Ur- sprung der äussern schiefen gesehen. Bei manchen langhal- sigen Thieren aus der Klasse der Vögel möchte man sich über diese Art der Anordnung wohl in einer sehr befriedi- genden Weise überzeugen können. Das unterste innere Bün- del entspringt fleischig-sehnig vom seitlichen Umfang des Körpers des zweiten und dritten Brustwirbels und von der 110 zwischen diesen gelagerten Cartilago intervertebralis. Seine Fasern steigen in ganz gerader Riehtung nach aufwärts, um in die Sehnensubstanz der obern Hälfte der geraden Portion überzugehen, während von innen, und von aussen her sich mit ihr, unter spitzen Winkeln, die übrigen inneren Bündel und die äusseren in Verbindung setzen. Die drei übrigen in- nern Bündel sind platt, unverhältnissmässig klein, und ent- springen mit dünnen sehnig fleischigen Bündelchen vom seit- lichen Umfang des Körpers bis an den Rand des Lig. longit. ant., vom ersten Brustwirbel und von den zwei untersten Nackenwirbeln. Die Muskelfasern dieser Bündel legen sich sowohl an den innern Rand der geraden Portion an, und können so in ihrem Verlaufe verfolgt werden, als auch an die hintere Fläche derselben, wo sie aber bald, in ihrer viel- fachen Verbindung mit andern Fasern, untergehen. Die äussere Reihe zählt nur drei Ursprungsbündel, welche von der vordern Wurzel des Querfortsatzes des vierten, fünf- ten, sechsten Halswirbels abgehen. Die Länge und die Stärke dieser -Bündel nimmt von unten nach oben hin ab. Nachdem diese Büudel sehnig fleischig von den genannten Querfortsätzen abgegangen sind, wenden sie sich in schiefer Richtung nach einwärts und aufwärts und treten unter spitzem Winkel mit der aus den innern Bündeln hervorgegangenen Faserung in Verbindung. Ihre Fleischmasse tritt nicht allein an die hintere Seite der Ansatzsehne, sondern auch an den äussern Rand derselben. Insbesondere ist es das oberste kürzeste, vom Querfortsatz des vierten Halswirbels kommende Bündel, dessen Fleischfasern sich neben der Sehnsubstanz bis zu deren Insertion am Körper des Epistropheus, fort- setzen. Bei der Präparation der äussern Ursprungsbündel muss man wohl darauf achten, dass sich ganz dicht hinter ihnen die vordern Musculi intertransversarii befinden, welche mit ihren Ursprüngen häufig so fest verwachsen sind, dass der in der Sache nicht wohl Unterrichtete gar leicht irrthümliche Anschauungen gewinnen kann. Sehr zu berücksichtigen ist ferner das Verhältniss dieser Bündel zur obern schiefen Portion 111 des Longus colli. Obgleich ich als Regel gefunden habe, dass die Grenze zwischen beiden durch eine seichte Furche “und durch einen bis auf das Knochengerüste gehenden Zellstoff sehr bestimmt bezeichnet ist, so sieht man doch häufig eine innigere Vereinigung, deren einzelne Bestandtheile nur nach schon erlangter Einsicht in die regelmässige Anordnung ver- ständlich sind. Das oberste, äussere Ursprungsbündel der geraden Portion ist es insbesondere, dessen Fleischfasern mit denen eines Bündels der obern schiefen Portion bisweilen auf's Innigste verwachsen gefunden werden. Die platte Insertionssehne der geraden Portion des Lon- gus colli ist fast ausnahmslos in drei Fascikel zerfallen, von welchen das oberste, breiteste, die directe Verlängerung der Hauptmasse des Muskels darstellende Bündel sich an den Körper des zweiten Halswirbels ansetzt, von den zwei an- dern, kaum '/, so breiten Bündeln, das eine an den Körper des vierten, das andere sich an den Körper des dritten Hals- wirbels befestigt. Das Verhältniss dieser drei Ansatzsehnen zur vordern Mittellinie der Halswirbelsäule ist der Art, dass das unterste schmalste, unter der Hauptsehne kaum vorse- hende Bündel am meisten nach aussen, jene beiden andern aber hart neben der Medianlinie anliegen. Zum Verständnisse der obersten Insertion ist es nöthig, sich genau an die anatomischen Verhältnisse des Körpers vom zweiten Halswirbel zu erinnern. In der Mitte seiner vordern Fläche zieht sich, von der Basis des Zahnfortsatzes eine nach abwärts hin immer breiter werdende, endlich vier Linien breite Leiste dahin — Crista epistrophei. Ueber sie hinweg geht ein vom Tuberc. atlantis antie, entspringendes, schmales und kielartig vorspringendes Bändchen, welches an dem untern breiten Ende jener Leiste befestigt, und hier zu- gleich innig mit dem Anfang des Lig. longitudinale ant. ver- wachsen ist. Einzelne Fasern des letztern Bandes lassen sich bis zum vordern Höckerchen des Atlas hin verfolgen, aber gleichwohl bestimmt nachweisen, dass jenes Bändchen eine davon unabhängige Bildung ist. Auf jeder Seite der vordern Fläche des im Verhältniss zu den übrigen Halswir- 112 beln, noch einmal so hohen Körpers des Epistropheus, findet sich, hart neben jener Crista, eine grubenartige, zur Auf- nahme der Spitze des kleinen Fingers eben gross genugex Vertiefung — Foyvea epistrophei. In diese grubenartige Vertiefung erstreckt sich das obere Ende der geraden Portion des Longus colli. Die Sehnen bei- der Seiten convergiren gegen die Mitte und verbinden sich zum Theil mit jenem über die Crista epistrophei hinwegge- spannten Bändchen, zum Theil verschmelzen sie mit dem die Foyvea epistrophei überziehenden Periosteum. Anlangend die Wirkung der geraden Portion des Longus colliÄ, so kann es einem Zweifel nicht unterliegen, dass der zweite, dritte und vierte Halswirbel, und damit wohl in mehr passiver Weise, der ganze Hals, gerade nach vorn ge- neigt wird. Dadurch, dass zwei von entgegengesetzten Rich- tungen herkommende Bündel sich unter spitzen Winkeln zu einer Gesammtheit vereinigen, resultirt jene Wirkung nach der Richtung der ihrer Vereinigung entsprechenden Linie. Sehr bemerkenswerth ist der Hauptansatz am Körper des Epistropheus. Durch die gleichzeitige Wirkung der obern schiefern Portion des Longus colli jederseits, wird der Atlas nach vorn geneigt. Damit nun bei dieser Bewegung des Atlas der Zahn des Epistropheus durch sein Stehenbleiben das Rückenmark nicht gefährde, so ist gewissermassen als Un- terstützungsmittel für den bezüglichen Bänderapparat, der Hauptangriff auf den Körper des Epistropheus verlegt, wel- cher wohl immer, wenn der Atlas gerade nach vorn geneigt wird, nach dem Gesetze der „Synkinesie“ nach vorn durch die gerade Portion des Longus colli mitbewegt wird. 2. Untere schiefe Portion des langen Hals- muskels. Es ist eine sehr wohl begründete Ansicht von E. H. We- ber, wenn er die vom sogenannten untern Ursprung des M. longus colli nach den Querfortsätzen der untern Halswirbel 113 hinaufgehenden Bündel als einen „besondern Muskel“ anspricht. Zwischen diesen Bündeln und der von uns als gerade Portion des langen Halsmuskels aufgeführten Partie ist formell und functionell ein gerade so grosser Unterschied, wie zwischen M. obliquus capitis inferior und den M. reeti capitis postici. Die untere schiefe Portion ist ein länglicher, plattrunder mit seiner Faserung schief von innen und unten nach aussen und oben verlaufender Muskel, welcher seine Lage an der äussern Seite der untern Hälfte der geraden Portion hat und sich vom Körper des dritten Brustwirbels bis zum Querfortsatz des sechsten Halswirbels erstreckt. Fast regelmässig ist der Ursprung des Muskels so innig mit dem untern Ende der ge- raden Portion verbunden, dass es von dieser Seite her mehr gerechtfertigt wäre, ihn nur als Theilganzes anzusehen. eim Menschen habe ich indess, was vielleicht die verglei- chende Anatomie in noch viel eclatanterer Weise darzuthun im Stande sein wird, diese Muskelpartie als einen so selbst- ständigen von der Faserung der geraden Portion geschiede- nen Muskel gesehen, dass ich ihn geradezu als „Musculus obliquus colli inferior“ in die systematische Anatomie einfüh- ren möchte, wenn ich nicht fürchtete, mich an den nach einheitlicher Auffassung strebenden Fachgenossen zu sehr zu versündigen. Der Musculus obliquus colli inferior nimmt seinen Ur- sprung vom seitlichen Umfang des Körpers des zweiten und dritten Brustwirbels, hier, wie bemerkt, fast immer mehr oder weniger fest mit dem äussern Rande der geraden Portion verwachsen. Die Ursprungsfasern sind fast ganz fleischig und legen sich unter spitzem Winkel an die Sehnensubstanz des untersten, innern Ursprungsbündel der geraden Portion an, Der fast spindelförmige Muskelkörper läuft über die Ligamenta radiata des Köpfchens der ersten, zweiten und dritten Rippe hinweg, durch einen kurzen, straffen Zellstoff stellenweise an dieselben angeheftet. Es gilt als Regel, dass sich der Muskel in der Höhe des obern Randes der ersten Rippe in zwei Bündel spaltet. Das eine kürzere, dünnere, mehr nach rückwärts gelagerte Bün- Müllor's Archiv. 1864. 8 114 delchen setzt sich fleischig-sehnig an die vordere Wurzel des Querfortsatzes des siebenten Halswirbels an, das zweite viel längere und stärkere Bündel geht hinauf bis an die vordere Wurzel vom Querfortsatz des sechsten Halswirbels, wo es sich nach unten vom Ursprung des untersten äussern Bündel der geraden Portion fleischig-sehnig ansetzt. In manchen Fällen findet man ein drittes Bündel, welches eine Strecke weit über die vordere Fläche der geraden Por- tion hinweglaufend sofort an den Querfortsatz des fünften Halswirbels gelangt. Mehr flach, wie dies auch auf der lin- ken Seite der beigegebenen Abbildung zu sehen ist, tritt ein solehes Bündel mit der Faserung eines, meist supernumerären Bündels der obern schiefen Portion in Continuität, und kann dann wohl beitragen zu der Confusion einer Anschauung wi sie wohl in den meisten Beschreibungen des langen Hals- muskels zu finden ist. Von morphologisch besonderm Inte- resse erscheint mir ein nicht selten vorkommendes kleines Bürdelchen, welches vom Muse. oblig. colli inf. ab zum un- “tern Rande des hintern Endes der ersten Rippe geht. Die Wirkung der untern schiefen Portion des langen Hals- muskels ist eine nicht sehr in die Augen springende Drehung des sechsten und siebenten Halswirbels nach der Seite seines Ursprungs. Wie wenig, mit Ausnahme des Atlas, die Hals- wirbel eine drehende Bewegung gestatten, ist schon aus den sehr flachen, äusserst schief auf einander treffenden Flächen der Gelenkfortsätze und aus den sattelähnlichen Vertiefungen zu ersehen, in welche die untere Fläche je eines Halswirbel- körpers eingreift. Die etwas ebenern Flächen am obern Ende des Körpers vom siebenten Halswirbel und vom ersten Brustwirbel mögen aber die Wirkungsweise dieses Muskels begünstigen. Mehrfach verwandt mit dem Muse. oblig. eolli inferior ist ein schiefer Muskel, welchen ich mit dem Ende der Lenden- wirbelsäule in Verbindung sehe, und welcher eine ebenfalls drehende Bewegung und zwar des fünften Lendwirbels ver- mitteln muss. Der Muskel ist zwei Zoll lang, dreiseitig, liegt über den Ligta saero-iliaca; entspringt mit zollbreiter Basis 115 sehnig-fleischig von der Spina posterior sup. oss. ilium an. Mit einer kurzen platten Sehne setzt er sich, schief nach auf wärts und einwärts steigend, an den Proc. transv. accessorius des fünften Lendenwirbels an. Es ist wohl möglich, dass Krause*) diesen, aber jedenfalls selbstständigen, Muskel ge- sehen hat, wenn er vom M. sacrospinalis bemerkt, dass er dünne Zipfel an die Process. accessori der Lendenwirbel abgebe. 3. Die obere schiefe Portion des langen Hals- muskels. Diese Muskelparthie ist nach allen ihren Beziehungen so selbstständig, dass ich nicht den mindesten Anstand nehme, elbe als besondern Muskel — als Musculus obliquus colli superior zu bezeichnen. Es ist sehr zu verwundern, dass man diesen von der geraden Portion des Longus colli re- gelmässig ungleich schärfer geschiedenen Theil nicht lieber als etwas für sich Bestehendes auffasste, als die viel seltener deutlich getrennte untere schiefe Portion desselben. Wohl mag dies damit zusammenhängen, dass der Ursprung und Verlauf dieses Muskels mit den äussern, von den Querfort- sätzen der Halswirbel kommenden Bündeln der geraden Por- tion übereinstimmt. Allein sowohl die Regelmässigkeit sei- nes völligen Geschiedenseins von der Faserung des letztern, als auch die Vereinigung seiner Ursprungsbündel zu einem in ein besonderes Perimysium eingeschlossnen Muskelkörper, der ganz unabhängige Ansatz an das Tuberculum atlantis an- ticum, und endlich die gänzlich verschiedene functionelle Be- deutung, sind Momente, welche unsere Auffassung nicht blos rechtfertigen, sondern sie als eine naturgemässe unter allen Umständen verlangen. Ohne Frage ist diese Anschauung auch schon von frühern Beobachtern gehegt worden, wenn sie es auch nicht mit der nöthigen Entschiedenheit ausgesprochen haben. So ist es für die den langen Halsmuskel betreffende Beschreibung J. F, Meckel’s auszeichnend, dass er die *) Handbuch der menschlichen Anatomie. 2 Aufl. S. 385. g* 116 genannte Parthie an ihm zuerst in ein klareres Licht ge- stellt hat. Der M. obliquus eolli superior hat nach Form und Grösse alle Aehnlichkeit mit dem untern schiefen Halsmuskel, nur dass nach Verlaufsrichtung und Ansatz umgekehrte Verhält- nisse bestehen, gerade so wie dies zwischen dem M. oblig. capit. inferior und superior der Fall ist. Der Muskelkörper ist im Wesentlichen plattrundlich, nähert sich der Spindelform, ist an dem innern Rande seiner obern Hälfte sehnig. Er läuft über den seitlichen Umfang des Körpers vom Epistro- pheus hinweg und ist durch eine tiefe von Zellstoff erfüllte Furche von der geraden Portion so geschieden, dass er sich von ihr lospräpariren lässt, ohne irgendwelche Continuitäts- störungen seiner Faserung zu erleiden. . Bei weitem in den meisten Fällen fand ich zwei Bündel, mit welchen der Muskel von der vordern Wurzel des Quer- fortsatzes des dritten und vierten Halswirbels fleischig- sehnig entspringt. Nicht selten ist es, dass man auch einem dritten Ursprungsbündel begegnet, welches dann von der vordern Wurzel des Querfortsatzes vom fünften Halswirbel abgeht. Dieses kann begreiflich nicht neben der geraden Por- tion nach aufwärts ziehen, sondern es läuft über deren seit- lichen Umfang hinweg und deckt so ihre äussern Ursprungs- fascikel. Man muss dies wohl bemerken, weil jene erst nach dessen Ablösung deutlich zu Gesichte kommen, wiewohl schon ohne Präparation nicht zu verkennen ist, dass das eine oder andere Bündel unter ihm nach aussen vorragt. Der Ansatz des Muskels geschieht fleischig-sehnig am Tubereulum atlantis anticum, an welcher Stelle eine innige Verwachsung mit dem obern Ende des über die Crista epi- strophei hinweggespannten Bändchens stattfindet. Zu den allergrössten Seltenheiten gehört es, dass, was auch schon Meckel gesehen hat, sich ein Bündelchen bis an den Zapfen- theil des Hinterhauptsbeines erstreckt. Die Wirkung des Obliquus colli superior lässt sich auf eine sehr helehrende Weise studiren, wenn man nach der Entfernung des Kopfes aus dem Hinterhauptsgelenke, und 117 nach der saubern Entfernung aller übrigen Muskeltheile vom Atlas, mit demselben experimentirt. Es stellt sich heraus, dass die einseitige Thätigkeit jenes Muskels eine sehr leb- hafte Drehung des Atlas um den Zahn des Epistropheus vermitteln kann, während die ‚gleichzeitige Wirkung beider Muskeln den ersten Halswirbel nur wenig nach Vorwärts neigt. Ueberblickt man schliesslich die beiderseitige Anordnung der drei Abschnitte des langen Halsmuskels, dann wird man den - Vergleich der morphotischen Anordnung der schiefen Kopf- muskeln mit jener der Mm. recti capitis postici wohl ungezwun- gen finden. Wie die beiderseitigen schiefen Kopfmuskeln eine rhomboidale Figur beschreiben, welche die Mm. recti capitis postiei einschliesst; so bilden die Mm. obliqui colli eine nur vielmehr in die Länge gezogene ähnliche Form, welche die geraden Portionen umgiebt. Erklärung der Abbildung. Von den sehr zahlreichen zur Untersuchung des langen Halsmus- kels verwendeten Objecten wurde für die bildliche Darstellung dessel- ben die Leiche eines schön gebauten, jugendlichen Selbstmörders gewählt. An der sehr rein präparirten Wirbelsäule des Halses und des obern Wirbels der Brust, sieht man an dem vordern Umfang nur jederseits den Longus colli und zwischen beiden das Lig. longitudinale anterius. Auf der rechten Seite fand sich der Longus colli in einer solchen Reinheit und Schärfe, dass nach blosser Entfernung des oberflächlichen Zellstofls die ganze Morphologie des Muskels ohne Weiteres verständ- lich war, und gewiss Jedem als Schlüssel dienen kann für die bis- weilen sehr verwickelten Formverhältnisse desselben. Auf der linken Seite unseres Präparates ist das untere Ende der geraden Portion da- durch verhüllt, dass ein Bündel des untern schiefen Theiles über das- selbe hinwegläuft, um an den Querfortsatz des fünften Halswirbels zu gelangen. An der obern schiefen Portion deckt ein Bündel desselben zum Theil die äussern Ursprungsfascikel der geraden Portion. Zum Zwecke einer recht klaren Einsicht in den wahren Typus des langen Halsmuskels wird hier nur der Muskel der rechten Seite un- seres Präparates näher bezeichnet: 118 I. Gerade Portion des langen Halsmuskels. (M. rectus colli). Ursprung. Mit vier innern Bündeln a. a. a. a. von den Körpern der drei obern Brustwirbel und der zwei untern Halswirbel. Mit drei äussern Bündeln 5. b. 5. von der vordern Wurzel der Querfortsätze des vierten, fünften, sechsten Halswirbels. Ansatz. Mit drei sehnigen Bündeln e. c. e., von welchen aber das unterste ganz verborgen liegt, an die Körper des zweiten, dritten, vierten Halswirbels. II. Untere schiefe Portion. (M. obliquus colli inferior). Ursprung. Vom seitlichen Umfang des Körpers der drei obern Brustwirbel, mit dem untersten innern Bündel der geraden Portion verbunden. Ansatz. Mit zwei Bündeln d. d. an die vordere Wurzel des Querfortsatzes des sechsten und siebenten Halswirbels. II. Obere schiefe Portion. (M. obliquus colli superior.) Ursprung. Mit zwei Bündeln e. e. von der vordern Wurzel des Querfortsatzes des dritten und vierten Halswirbels.' Ansatz. Am Tuberculum atlantis anticum, 119 Erläuterung und Rechtfertigung der hydraulischen Grundsätze, welchen ich in meinem Werke über Hämodynamik gefolgt bin. Von A. W. VOoLKkMARNN. Meine Hämodynamik hat das Missgeschick wiederholt An- griffe von einem Manne zu erfahren, auf dessen Urtheil ich von jeher grosses Gewicht gelegt habe. E. H. Weber hat in diesem Archive (1853 S. 156) sich zum zweitenmale über meine Arbeit ausgesprochen und glaubt nicht weniger als 6 Punkte nachweisen zu können, in welchen meine Auffassung mit den anerkannten hydraulischen Gesetzen unvereinbar sei. So fest ich nun auch überzeugt bin, dass mein verehrter Freund hier selbst in Irrthümern befangen ist und dass ich» mit Ausnahme eines Punktes in der Pulslehre, der Sache nach Recht habe, so kann ich mir doch nicht verhehlen, dass meine Darstellung irgend wie formaliter im Unrechte sein müsse. Eine Beweisführung, welche einem Physiologen von Webers umfassender Bildung und W eb ers Scharfsinn nicht genügt, ist gewiss nicht die rechte gewesen. Von dieser Seite hätte ich denn noch eine Verpflichtung gegen das Publikum, dem ich meine Hämodynamik in ihrer jetzigen Gestalt zu übergeben wagte. Ich hätte das, was ich durch irgend welche Mängel meiner Darstellung im Zweifelhaften gelassen, durch eine noch präcisere und wo möglich Jedermann fassliche Weise als unzweifelhaft nach zu weisen. Die nachstehende Abhandlung mag als ein dahin zielender Versuch betrachtet werden, 120 - I. Ich habe in meiner Hämodynamik den Druck, welchen das Blut gegen die Gefässwände ausübt, und welcher verur- sacht, dass angestochene Arterien und Venen spritzen, als Folge der Blutbewegung aufgefasst, ohne hiermit zu leugnen, dass auch noch eine zweite Ursache jenes Druckes denkbar sei. Es könnte nämlich das Blutgefässsystem einem Darme vergleichbar sein, in welchen man so viel Wasser gefüllt hätte, dass sich die Wandungen desselben in einem Zustande bleibender Spannung befänden. Die bekannte Erfahrung, dass nach Amputation eines Gliedes sowohl aus den Arterien als Venen Blut ausläuft, weist darauf hin, dass die Gefäss- höhle zu klein ist, um die gesammte Blutmasse ohne Span- nung bergen zu können, obschon Erfahrungen darüber, wie- viel die Gefässhöhle zu klein und wie gross die aus dieser Inconvenienz entstehende Spannung sei, noch fehlen. Der gesammte Blutdruck besteht daher aus der Summe von zwei Gliedern, aus einem von der Blutmenge des gesammten Kör- pers und einem von der Blutbewegung abhängigen. Ich habe in diesem Archiv 1850 S. 92 das Vorhandensein zweier sol- cher Glieder ausdrücklich anerkannt und auch in der Hämo- dynamk S. 203 auf die Nothwendigkeit, die Blutmenge mit in Rücksicht zu nehmen, schon hingedeutet. Dagegen will Weber nur die eine Ursache des Druckes gelten lassen, nämlich die Blutmenge. Der mittlere Blutdruck soll ausschliesslich von den Verhältnissen der Resorption zur Secretion abhängen (M. Arch. 1851. S. 551) und die Bewegung des Blutes soll an der Erzeugung von Druck gar keinen Antheil haben*). Weber erklärt meine Behauptung, Bewegung von Flüssigkeiten erzeuge Druck, geradezu für irrig und sagt wiederholt: „der Satz: „„Bewegung erzeuge Druck*“*“ *) Magendic beobachtete ein Hämodynamometer, welches in die Carotis eines Hundes eingeführt ward, während ansehnliche Massen warmen Wassers in die Venen eingespritzt wurden. Der Blutdruck ank mit dem Fortgange der Injection, zuletzt bis auf die Hälfte seiner ursprünglichen Höhe, stieg aber sogleich wieder, als in Folge einer Einspritzung von etwas Kaffee der Puls beschleunigt wurde. Magendie schliesst aus diesem und andern entsprechenden Versuchen, dass die Blutmenge zum Drucke weniger beitrage als die Herzkraft. 121 sei kein Naturgesetz.“ (M. Arch. 1853 S. 157.) Dass eben Bewegung im Beisein von Widerstandsmomenten (und nur von solchen Bewegungen habe ich gehandelt) Druck erzeuge, beweist experimental jede in die Luft geschossene Kugel, noch entschiedener aber und für die hydraulischen Verhält- nisse, um welche es sich hier handelt, bezeichnender die Pitotsche Röhre. In seiner einfachsten Gestalt besteht dieser Hydrometer aus einer knieförmig gebogenen Glasröhre, welche in einem Strome, oder am Borde eines Schiffes, welches durch ruhendes Wasser segelt, so befestigt wird, dass ihr horizontaler Schenkel unter das Wasser und dem Andrange desselben entgegen zu liegen kommt. Durch den Wasserstoss wird nun im senkrechten Schenkel des Instrumentes eine Wassersäule zurückgehalten, welche über das Niveau des äussern Wasserspiegels zu stehen kommt und deren Höhe um so beträchtlicher ausfällt, je grösser der Stoss oder die ihn erzeugende Geschwindigkeit des Wassers ist. Es kann daher auch umgekehrt diese Niveaudifferenz als Maass der Ge- schwindigkeit des Stromes oder Schiffes dienen *). Was hält nun das Wasser in Pitots Röhre über dem Ni- veau? Ein Druck von unten, welcher dem Drucke der erho- benen Wassersäule von oben gleich ist; und was erzeugt den Druck von unten? Die Bewegung des Wassers im horizontalen Röhrenschenkel, beim Dasein von Widerständen. Denn in dem Momente, wo die Bewegung aufhört, fällt das im senkrechten Schenkel des Instrumentes emporgestiegene Wasser ins Niveau zurück. Einer solchen Erfahrung gegenüber muss es befremden, dass Weber seine Behauptung: Wasser, in wiefern es durch Röhren fliesse, erzeuge keinen Druck, durch ein nur fin- girtes Experiment zu stützen sucht. Er sagt: „Man denke sich, dass in einem Strome eine gerade, an beiden Seiten offene Röhre in der Richtung des Stromes und parallel mit demselben fortschwimme, so dass die Röhre und ihr Inhalt ”) J. Weisbach, Lehrbuch der Ingenieur- und Maschinenmechanik, Braunschweig 1845. S. 515. Pr 122 gleiche Geschwindigkeit haben und sich in relativer Ruhe befinden. Wird nun die Röhre plötzlich in ihrer Bewegung aufgehalten, so wird sich das in ihr befindliche Wasser ver- möge des Beharrungsvermögens in allen seinen Theilen gleich- zeitig längs der Röhrenwände bewegen, das Wasser wird dann zwar durch Frietion einen Widerstand leiden, der desto grösser ist, je grösser seine Geschwindigkeit, aber es wird deswegen keinen grösseren Druck auf die Röhrenwände ausüben als zuvor.“ Hierauf ist einfach zu antworten: Das Wasser wird und muss dann einen grössern Druck ausüben, weil es die hydrostatischen Gesetze so mit sich bringen. Webers fingirter Fall sagt ja weiter nichts, als dass sich Wasser durch eine ruhende Röhre bewege, und dass in diesem Falle ein Druck entstehe, der, während das Wasser sich nicht bewegte, fehlte, ist durch zahllose Versuche ausser Zweifel gesetzt. Um indess nichts zu versäumen, habe ich Webers Idee zur Ausführung gebracht. Eine Glasröhre von 1220 Millim. Länge und 7 Milim. Durchmesser, wurde, nachdem ich sie in der Nähe des einen Endes mit einem Druckmesser ver- sehn, in eine Wasserrinne horizontal eingelegt und befestigt. Die Rinne, anfänglich an beiden Seiten verschlossen, wurde mit Wasser gefüllt und der Druckmesser wies selbstverständ- lich auf Null. Bis hierher repräsentirt der Versuch den Fall, wo die Röhre mit dem Strome schwimmt, so dass sie und ihr Inhalt gleiche Geschwindigkeit haben und sich in relati- ver Ruhe befinden. Nun wurde aber die Rinne auf der ei- nen Seite plötzlich geöffnet, so dass das in der Röhre be- findliche Wasser in Bewegung gerathen und an den Röhren- wänden eine Reibung erleiden musste, die um so grösser war, je grösser seine Geschwindigkeit. Dabei fand sich aber, dass das Wasser im Druckmesser emporstieg und zwar um so höher, je schneller das Wasser aus der Rinne abfloss. Bei einer Stromschnelle von ungefähr 340 Mm. auf die Se- cunde erhob sich im Druckmesser eine Wassersäule, welche zwischen 20 und 30 Mm. schwankte, und welche in einem zweiten Versuche, wo eine noch grössere Geschwindigkeit der Strömung hergestellt wurde, eine Höhe von 50 Mm. erreichte. 123 Der Erfolg des Versuchs widerlegt also die Weber'sche Auffassung des hydraulischen Druckes und bestätigt die mei- nige. Dies nachdrücklich hervorzuheben veranlasst mich der Umstand, dass von den 6 Punkten, welche Weber mir als physikalische Missverständnisse anrechnet 5, zum Theil direet zum Theil indirect auf seine unhaltbare Ansicht vom Drucke zurückführen. — Uebrigens scheint mir nicht schwierig ein- zusehn, wie fliessendes Wasser in Röhren Druck erzeuge. Da nämlich die von den Röhrenwandungen ausgehenden Wi- derstände den Lauf des Wassers hemmen, so setzt sich die behinderte Bewegung in Druck um, welcher die Hindernisse zu überwinden strebt. Dies lehrt jeder Mühlgraben, der zeit- weilig durch eine Schütze verschlossen wird. In gleichem Maasse als man den freien Abfluss des Wassers aus dem Graben verhindert, wird dieses allmälig sich anstauen und mehr und mehr gegen die Schütze drücken, welche, wenn sie zu schwach gebaut ist, durch die steigende Kraft des Druckes zuletzt zerstört wird. II. Nach allen Hydraulikern und nach allen Versuchen ist der verzögernde Widerstand, welchen die Röhrenwandun- gen durch Adhäsion, Rauhigkeiten, Krümmungen u. s. w. hervorbringen, eine Function der Geschwindigkeit, in der Art, dass er mit dieser wächst, abnimmt und Null wird, wie aus der bekannten Formel des Widerstandes: w=av?+ bv ohne Schwierigkeit ableitbar ist. Man kann also sagen, dass der Widerstand durch die Bewegung erzeugt werde, ein Aus- druck, der auch noch dadurch gerechtfertigt wird, dass ohne Bewegung des Wassers nicht wohl ein Hinderniss der Bewe- gung denkbar ist*). Nun steigt aber ein Druckmesser, wel- chen man in einer Röhre anbringt, nach den directen Ver- suchen der Hydrauliker, proportional den verzögernden Wi- derständen, woraus sich ergiebt, dass der in solchen Versuchen gemessene Druck in derselben Weise wie die verzögernden Widerstände von der Ge- *) Gerstner, Handbuch der Mechanik II. S. 186 erklärt sich, fast wörtlich, in gleicher Weise, 124 schwindigkeit abhängt. Man kann demnach vom Drucke eben so wie vom Widerstande sagen, dass er durch die Be- wegung erzeugt werde, und kann diesen Ausdruck, hier wie oben, durch die Bemerkung rechtfertigen, dass ohne Bewegung des Wassers nicht wohl ein Hinderniss der Bewegung und also eben so wenig ein aus gehemmter Bewegung resultiren- der Druck gedenkbar sei. Sollte aber dieser Druck seiner- seits Bewegung erzeugen, d. h. sollte mit Zunahme des Druckes die Geschwindigkeit wachsen, so müsste diese auch mit ihren Widerständen wachsen, was eine Absurdität ist. III. In einer horizontalen Röhre, durch welche Wasser fliesst, nimmt der Druck von der Einflussmündung gegen die Ausflussmündung stetig ab und sinkt in unmitttelbarer Nähe derselben auf Null herab. Dies lehrt der Augenschein, wenn man mit der horizontalen Röhre eine Anzahl vertikaler Glas- röhren, die als Druckmesser dienen, iu Verbindung bringt. Eine entsprechende Abnahme des Druckes wird im Gefäss- systeme zwischen dem Anfange der Aorte und dem Ende der Venen wahrgenommen. Die Druckdifferenz zwischen dem Anfang und dem Ende der Röhre und demgemäss auch des Gefässsystems, betrachte ich als Folge, Weber dagegen als Ursache der Bewegung. Anlangend meine Ansicht, so bedarf sie in so fern keiner besondern Begründung, als der unter I. geführte allgemeine Beweis, dass der Druck eine Folge gehemmter Bewegung sei, über die Bedeutung der Druckdifferenzen und ihrer Beziehung zur Bewegung schon entschieden hat. Ich be- gnüge mich daher zu bemerken, dass im 2. und 3. Ka itel meiner Hämodynamik eine grosse Menge von Erfahrun- gen zusammengestellt sind, welche beweisen, dass die in verschiedenen Segmenten einer und derselben Röhre bemerkliche Druckdifferenz nach Propor- tion der verzögernden Widerstände zunimmt und nach demselben Gesetze wie diese von der Ge- schwindigkeit abhängt. Sinkt die Geschwindigkeit auf Null, so verschwindet die Druckdifferenz und es ist also ma- thematisch gerechtfertigt zu sagen: sie ist erzeugt durch die 125 Bewegung. Mit falscher Logik würde man den Satz umdre- hen und sagen: wenn die Druckdifferenz auf Null sinkt, ver- schwindet die Bewegung und folglich ist die Druckdifferenz die Ursache der Bewegung. Dieser Schluss ist deshalb un- zulässig, weil der Beobachtung zu Folge die Druckdifferenz mit den verzögernden Widerständen zu und abnimmt. Es wäre ungereimt, anzunehmen, die Druckdifferenz sei die Ur- sache der Bewegung und diese wachse wie ihre Hemmnisse, während es den Principien der Mechanik ceonform ist zu sa- gen: Wenn einerseits die Bewegung des Wassers und andrer- seits die ihr entgegentretenden Hindernisse wachsen, so wird beiden entsprechend der Druck wachsen, welcher dadurch entsteht, dass der in seiner Bewegung gehemmte Wasserstrom die Hemmnisse zu überwinden strebt. Von ganz andern Grundsätzen ausgehend sagt Weber: (a. a. O. 8.161.) „Alle Bewegung des Blutes ent- steht durch Druckdifferenz, und umgekehrt muss jede Druckdifferenz in einer continuirlich zusammenhängenden Flüssigkeit (insofern dieselbe nicht durch äussere Kräfte z. B. durch Schwere und Widerstände aufgehoben ist) Bewegung hervorbringen.“ Dabei wird auf das Grundgesetz der Hy- draulik verwiesen, dass jeder auf eine Flüssigkeit ausgeübte Druck nach allen Seiten gleich ist, wahrscheinlich um anzu- deuten, dass mit jeder Druckdifferenz auch das Streben nach Ausgleichung dieser und folglich auch eine Ursache der Be- wegung gegeben sei. Mit dieser Auseinandersetzung kann ich nicht einverstan- den sein, Denn erstens ist das Gesetz, dass Druck nach allen Seiten gleich wirke, ein hydrostatisches und darf nach den ausdrücklichen Auseinandersetzungen Poissons nicht auf die Hydraulik übertragen werden. Die Behauptung, dass Druckdifferenzen sich ausgleichen und dadurch Bewegung er- zeugen müssten, ist nach den Betrachtungen dieses Physikers darum nicht allgemein gültig, weil Druckdifferenzen in fliessen- dem Wasser in so weit sich nicht ausgleichen, als es zur Ausgleichung an Zeit fehlt.*) — Zweitens aber verleugnet *) Fechner Repertorium der Experimentalphys. Leipz. 1832. $. 90. 126 Weber seine eigene Grundsätze. Er hatte zwar der Druck- differenz eine bewegende Kraft zugeschrieben, aber er hatte auch die Wirksamkeit dieser beschränkt und von der Abwe- senheit soleher Aussenkräfte abhängig gemacht, welche, wie Schwere und Widerstände, die Bewegung aufheben. Hiernach kann die Druckdifferenz in einer Röhre, welcher von aussen Flüssigkeit zugeführt wird, keine Bewegung erzeugen, eben weil hier die Widerstände da sind, die abwesend sein sollen, damit Bewegung möglich werde. Wenn man eine horizontale Röhre durch ein Reservoir von constanter Druckhöhe speist, und die in der Röhre wirkenden Widerstände steigert (etwa durch Umtausch des leichtflüssigen Fluidums gegen ein schwerflüssiges), so wird die Geschwindigkeit der Strömung vermindert, dagegen der Unterschied des Druckes am An- fange und Ende der Röhre vergrössert. Derartige Versuche beweisen unmittelbar, dass eine solche Druckdifferenz die Folge aufgehobener Bewegung ist, und widerlegen die Be- hauptung Webers, „dass die Flüssigkeit durch die in einem Röhrenabschnitte bestehende Druckdiffe- renz einen neuen Antrieb der Bewegung erhalte.“ (S. 163.) Wäre dies der Fall, so müsste man, um die Ge- schwindigkeit des Wasserabflusses zu beschleunigen, die mit dem Druckgefässe verbundene Röhre so lang als möglich machen, da hiermit die Zahl der Röhrenabschnitte, welche dem Fluidum einen neuen Antrieb zur Bewegung er- theilten, zunehmen würde. Statt dessen wird der Abfluss mit Verlängerung der Röhre immer langsamer. Dass die Bewegung von der Druckdifferenz nicht nach Webers Princip abhänge, ergiebt sich einerseits daraus, dass sie aus dem Unterschiede des Druckes, welcher am Anfange und am Ende der Röhre Statt findet, in keiner Weise be- rechnet werden kann, andrerseits daraus, dass sie aus einer ganz andern Druckdifferenz, als die, welche Weber berücksichtigt, berechnet werden muss und mit Er- folge wirklich berechnet worden ist. Man bestimmt sie näm- lich aus der Differenz der Druckhöhe im Druckgefässe (re- präsentirend die Herzkraft) und der Druckhöhe am Anfange der Röhre. Zieht man letztere von ersteren ab, so erhält man die sogenannte Geschwindigkeitshöhe, aus welcher sich die Gesehwindigseit des aus der Röhre fliessenden Was- sers berechnen lässt. Die Geschwindigkeit ist nämlich der Endgeschwindigkeit gleich, welche ein Körper beim freien Falle durch die Geschwindigkeitshöhe erlangt haben würde, In so fern nun die Druckhöhe im Druckgefässe die treibende Kraft des Herzens und die Druckhöhe am Anfange der Röhre den Druck am Anfange der Aorte repräsentiren kann, wird man diese, wenn die Geschwindigkeit der Blutbewegung be- rechnet werden soll, von der Wirkung der Herzkraft ab zu ziehen haben, nicht aber, wie dies Weber gethan, als Druck- überschuss über den Nulldruck am Ende des Gefüsssystemes in Rechnung bringen dürfen.*) Mit Vorigem glaube ich einen zweiten sachlichen Diffe- renzpunkt unsrer beiderseitigen Ansichten zugleich klar be- zeichnet und erledigt zu haben. Wenn Weber behauptet: „Alle Bewegung des Blutes entsteht aus Druck- differenz“ und erläuternd hinzufügt: „Die Bewegung der Flüssigkeit verdankt ihre Entstehung, ihr Wachsthum und ihre Fortdauer der erwähnten (zwi- schen Arterien und Venen bestehenden) Druckdifferenz,“ so muss er gleichzeitig behaupten, dass die Druckdifferenz zu Ableitung der Geschwindigkeit in allen Fällen ausreiche, in welchen die Widerstandsursachen in dem Röhrensysteme oder Röhrenabschnitte, an dessen Grenzen die verschiedenen Druck- höhen gemessen wurden, gegeben seien. Aber kein Hydrau- *) Diese Uebertragung von Gesetzen, welche für starre Röhren gelten, auf die nachgiebigen und elastischen Adern ist eine vollkom - men berechtigte, vorausgesetzt dass das Gesetz nur in so weit in An- wendung gebracht wird, als die in vielen Beziehungen verschiedenen Röhren doch in einigen und hier wesentlichen sich gleich sind. Ich habe bewiesen, dass sogar in den Fällen, wo die Flüssigkeit mit Hülfg wellenanregender Stösse durch die elastischen Röhren hindurch getrie- ben wird, das Verhältniss des Druckes zur Geschwindigkeit demselben Gesetze folgt, welches bei gleichmässigem Strömen durch starre Röhren sich geltend macht, Hämodynamik. S. 106. 128 liker hat jemals mit diesen Elementen die Bewegung des Wassers in einem Röhrenabschnitte berechnen können, noch berechnen wollen, wie sehr natürlich, weil der Druckunter- schied nur die Grösse der aufgehobenen Bewegung be- stimmt, aus welcher sich ein Schluss auf die übrig bleibende Bewegung nicht ableiten lässt. Um diese zu bestimmen, be- darf es noch der Berücksichtigung einer Geschwindigkeitshöhe, welche abgesehen von jener Druckdifferenz durch die Herzkraft oder durch einen Drucküberschuss im Druckgefässe gegeben ist. Weber zieht offenbar die Herzkraft blos in so weit in Betracht, als sie diene, jene Druckdifferenz selbst her- vorzubringen, und macht schliesslich Alles von dieser abhän- gig, als ob sie die Wirkung der Herzkraft vollständig in sich aufgenommen habe. Dies ist jedoch keineswegs der Fall, indem vielmehr nur der Theil der Herzkraft, welcher die Wi- stände besiegt, nicht eben der Theil, welcher die Bewegung hervorbringt, von ihm aufgenommen ist. Webers Betrachtungen über den Einfluss der Druckdiffe- renz auf Production von Bewegung widersprechen den hy- draulischen Principien in so offenbarer Weise, dass ich fürch- ten würde, ihn missverstanden zu haben, wenn nicht einer- seits der Wortlaut der oben angeführten Ausdrücke und 'an- drerseits der Umstand, dass er meine Betrachtung, welche die der Hydrauliker ist, zu den physikalischen Verstössen rechnet, mich zu der Annahme zwängen, dass Weber selbst die hydraulischen Grundsätze nicht richtig verstanden habe. Unter diesen Umständen ist es wichtig zu fragen, ob sich die Quelle seines Irrthums finden lasse. Man kann fragen, warum in einer horizontalen Röhre, mit Druckgefäss am Eingange und Druckmesser im Verlaufe, die Ausflussgeschwindigkeit mit der Druckhöhe im Druckgefässe wachse, mit der Druckhöhe im Druckmesser aber abnehme und folglich auch mit der Differenz der letzteren vom Nulldruck am Röhrenende ab- nehme? Wenn ich nicht irre, erklärt sich dies dadurch, dass die Druckhöhe in dem Druckgefässe durch eine Bewegung oder Kraft im Sinne der Schwere, die Druckhöhe in den 129 Druckmessern dagegen durch eine Bewegung oder Kraft wider die Schwere erzeugt worden ist. Das Wasser musste in das Druckgefäss von oben eingegossen werden, und die Druck- höhe kann sich in demselben blos durch Zuguss von oben ver- mehren, dagegen das Wasser in den Druckmessern von unten aufsteigt und die Druckhöhe in denselben nur durch ein Nach- steigen von unten vermehrt wird. Wollte man dem Druckmesser von oben her Wasser zu- führen, so würde er anfangen, als Druckgefäss zu wirken, und wollte man in das Druckgefäss von unten Wasser zu- treten lassen, was nur durch Verbindung desselben mit einem zweiten Druckgefässe, in welchem das Wasser höher stünde, herstellbar wäre, so würde das Druckgefäss sofort als Druck- messer wirken. Gesetzt, der Grund des betreffenden Unterschiedes zwischen der Beziehung der Druckhöhe im Druckgefässe und in den Druckmessern zur Geschwindigkeit sei mit vorigem nicht scharf und vollständig genug bezeichnet, so kann ich die wei- tere Entwickelung des Gegenstandes ruhig den Physikern überlassen. Denn man bemerke, dass die Frage nach dem Grunde dieses Unterschiedes das Factum und das Gesetz desselben unangetastet lässt, und nur aus letzteren ziehe ich meine Folgerungen. Meine Betrachtung stützt sich auf die Thatsache, dass die Druckhöhe im Druckgefässe und im Druckmesser sich dadurch unterscheiden, dass mit der Diffe- renz der ersteren Druckhöhe vom Nulldrucke am Röhrenende die Geschwindigkeit wächst, mit der Differenz der zweiten von diesem Nulldruck abnimmt. Dagegen will Weber die zweite Druckdifferenz aus demselben Gesichtspunkte be- trachtet wissen, als die erste. Auch die Druckdifferenz im Druckmesser soll mit einer Beschleunigung der Flüssigkeit in Beziehung gesetzt werden und ich kann nieht anders glauben, als dass in dieser Nichtbeachtung eines faetischen und gesetz- lichen Unterschiedes in der Wirkungsweise beider der Haupt- grund der Opposition Webers gegen meine Lehre liegt. Es ist am Schlusse dieses Abschnitts noch die Frage zu beantworten, wie die Erfahrung, dass das Blut auch während Müller’s Archiv. 1854. 9 130 der Diastole fliesse, mit meinen Ansichten vereinbar sei. Denn, dass während das Herz ruht, der Unterschied des Druckes in den Arterien und Venen die Bewegung vermittle, ist unbe- streitbar. Die Antwort ist nicht schwierig. Wir wollen mit Weber sagen, jede Druckdifferenz erzeugt Bewegung, in so weit nicht ihre Wirksamkeit durch Aussenkräfte, wie die Wi- derstände sind, aufgehoben wird. Während der Diastole oder nach Unterbindung der Aorte ist nun wirklich ein Druck- unterschied da, welcher, wenn auch zum grösseren Theile, doch nicht ganz durch die Widerstände aufgehoben wird, und welcher, genau so weit als er es nicht wird, Bewegung ver- mittelt. Dieser Ueberschuss an Druck (einer Geschwindig- keitshöhe vergleichbar) geht von den elastischen Wandungen der Arterien aus, welche während der Systole gewaltsam ex- pandirt wurden und nun sich contrahiren. Aus diesem Grunde also ist während der Diastole die Druckdifferenz (oder rich- tiger ein kleiner Theil derselben) für die Erzeugung von Be- wegung wirksam, aber dieser Grund besteht während der Sy- stole nicht. Weit entfernt, dass die Arterien während der Systole die Strömung begünstigen, behindern sie dieselbe. Sie behindern durch ihre elastische Renitenz die bewegende Kraft des Herzens in so fern, als ein Theil der letzteren dazu ver- wandt werden muss, die Arterien auszudehnen. Demnach wird die Blutbewegung während der Expansion der Arterien um ein Gewisses zu kurz kommen, und alles, was die nachma- lige Contraction derselben leisten kann, beschränkt sich dar- auf, diesen Verlust an Bewegung wieder einzubringen. Na- türlich wird nun auch der Einfluss der Druckdifferenz, was die Production von Bewegung anlangt, im Allgemeinen gleich Null sein.*) *) Meine Behauptung, dass die wechselnden Expansionen und Con- tractionen der Arterien der Bewegung nicht zu Gute kommen, nennt Weber eine unbegreifliche (a. a. O. S. 165). Es ist ihm entfallen, dass er die Erklärung, weshalb jener Wechsel nichts fruchte, in seinem Programm de pulsu mit folgenden Worten gegeben hatte: „Caeterum apparet vim elasticam arteriarum non pro ejusmodi vi habendam esse, quae ut totam vim sanguinis motricem cognoscas, cum vi cordis com- ‘ i 131 IV. In meiner Hämodynamik wird behauptet, dass die Grösse des mittleren Blutdruckes von der Herzkraft abhänge. Dem entgegen sagt Weber (a. a. O. S. 157). „Ich be- haupte, dass das Herz den mittleren Druck, den die in den Röhrenzirkel eingeschlossene Flüssigkeit auf die Röhrenwände ausübt, nicht vermehren, sondern dass es denselben nur ungleich machen könne, indem es durch sein Pumpen den Druck in den Venen, aus welchen es die Flüssigkeit hinweg- nimmt, vermindert, in den Arterien aber, in welche es dieselbe Flüssigkeit hineindrängt, vermehrt.“ Der mittlere Blutdruck, heisst es in dem früheren Aufsatze (M. Arch. 1851. S. 531.) „hängt also nicht vom Herzen, sondern von dem Ueberge- wicht ab, welches die Resorption von Flüssigkeit durch die Blutgefässe und Lymphgefässe über die Secretion, über das Durchspritzen von Flüssigkeit durch die Wandungen der Röhren des Gefässsystems und über die Verdunstung hat.“ Ich habe anderwärts (M. Arch. 1852. 8. 300.) schon auf Thatsachen hingewiesen, welche den Einfluss des Herzens auf den Blutdruck unzweifelhaft machen und würde die Zahl der- selben leicht vermehren können, indess scheint es im vorlie- genden Falle angemessener, zu zeigen, wie die von mir auf- gestellte Lehre nur die Folge von Principien sei, deren Rich- tigkeit Weber ausdrücklich anerkennt. — Der Druck einer Flüssigkeit auf die Wandungen eines geschlossenen elastischen Gefässes ist von dem Verhältnisse der Capaeität des Gefässes zu der in ihm enthaltenen Flüssigkeitsmenge abhängig. Soll also der Druck erklärt werden, so hat man die relative, nicht die absolute Flüssigkeitsmenge in Anschlag zu bringen. In Uebereinstimmung hiermit sdgt Weber gegen- wärtig: (a. a. O. 8.158.) „Es ist einleuchtend, dass eine allgemeine Zunahme des Druckes in allen Theilen eines elastischen Gefässsystems von gegebenem Rauminhalt nur durch die Vergrösserung der ganzen darin enthaltenen putari debeat. Neminem enim fugit, tantum virium cordis consumi eo, ut arteriae extendantur, quanta vi arteriae se contrahentes in nem premere possunt. 132 Blutmenge erfolgen könne“, aber eben so einleuchtend ist, dass eine allgemeine Zunahme des Druckes, bei gegebener Menge des in ihm enthaltenen Blutes, aus jeder Vermin- derung seines Rauminhaltes resultiren müsse, Wenn nun die Contractionen des Herzens den Rauminhalt der Ge- fässhöhle unzweifelhaft vermindern, so muss die Herzthätig- keit, auch wenn die absolute Blutmenge nicht vermehrt wird, den mittleren Blutdruck steigern. Zwar stellt jede auf eine Systole folgende Diastole den ursprünglichen Rauminhalt wie- der her, indess wird doch aus einem Wechsel von Zusammen- ziehung und Erschlaffung des Herzens eine mittlere Veren- gung der Gefässhöhle und folglich auch eine mittlere Ver- mehrung des Blutdrucks hervorgehen müssen. Weber selbst sagt: „Es versteht sich von selbst, dass sich der mittlere Druck im Gefässsysteme auf eine doppelte Weise ändern könne, entweder indem eine Vermehrung oder Verminderung der in dem Gefässsysteme eingeschlossenen Blutmenge statt findet, oder indem eine Verengerung oder Er- weiterung der Höhle des Gefässsystems geschieht, z, B. durch die Zusammenziehung der Muskelfasern der Blutgefässe und die Erweiterung derselben.* Wie man bei solchen Ansichten dem Herzen, als dem muskulösesten Theile der Gefässhöhle, allen Einfluss auf die Vermehrung des Blutdrucks absprechen könne, verstehe ich nicht. Ohne in Widerspruch mit sich selbst zu gerathen, konnte Weber mehr nicht in Frage stellen, als ob der Einfluss der Herzkraft von bemerkenswerther Grösse sei? Verschiedene Erfahrungen sprechen für die An- sehnlichkeit dieses Einflusses, und man braucht nur in Be- tracht zu ziehen, Wass Zustände vorkommen können, wo die Gefässhöhle strotzend erfüllt sei, um einzusehen, dass denn auch die kleinen Vermiuderungen der Capacität derselben, welche mit der Arbeit des Herzens nothwendig eintreten und mit zunehmender Arbeit ebenfalls zunehmen, den Druck um ein Erhebliches vergrössern müssen. Aber wie gross oder klein auch dieser Einfluss sein möge, nie wird eine wissen- schaftliche Himodynamik ignoriren dürfen, dass bei der Er- zeugung des Blutdrucks die Herzkraft als Factor fungire. 133 Wenn sich nun Weber wundert, dass ich den Einfluss der Blutmenge auf den Druck einräume und doch meine Be- hauptung: Bewegung (unter Mitwirkung von Widerständen) erzeuge Druck, festhalte, so übersieht er wohl, dass die Blut- menge, deren Eivfluss auf den Druck ich anerkenne, eine re- lative und nicht die absolute ist”). Denn dass die relative Blutmenge selbst von der Bewegung des Herzens, also auch des Blutes, und von den Widerständen abhänge, ist unverkennbar. Je grösser die Widerstände, zu welchen die elastische Reni- tenz der Gefässwandungen mit gehört, desto weniger wird das Gefässsystem nachgeben, wenn das Herz arbeitet, und je kräftiger das Herz arbeitet, um so mehr wird es sich im Ver- hältniss zur Erweiterung der Gefässe zusammenziehen, um so mehr also auch die Capacität des Gefässsystems vermin- dern, oder, was gleichbedeutend, die relative Blutmenge ver- mehren. — So kann man allerdings die ganzen Druckverhält- nisse mit der relativen Blutmenge in Beziehung setzen und als deren Function betrachten, aber es kommt auf den Zu- *) Dass Weber den Unterschied zwischen absoluter und relativer Blutmenge im Allgemeinen kenne, entgeht mir nicht, aber leugnen muss ich, dass er denselben überall mit Klarheit festgehalten habe. In der Auseinandersetzung, wie Blutdruck entstehe (M. Arch. 1851 S. 530) ist von jenem Unterschiede nirgends die Rede. Dass eine Veränderung der Capacität der Gefässhöhle ebensowohl als eine Veränderung der in ihr enthaltenen Blutmenge den Druck bedinge, ist nicht nur unerwähnt geblieben, sondern die ganze Darstellung, nach welcher der mittlere Blutdruck durchaus nicht vom Herzen, sondern nur von einer dem Ge- fässsysteme „eingetrichterten‘“ Flüssigkeitsmenge abhängen soll, muss glauben machen, dass Weber die absolute Blutmenge allein im Auge gehabt habe. In der letzten Abhandlung, welche die Antwort auf meine Opposition enthält, ist nun zwar das Mangelhafte der frühern Darstellung verbessert und bemerkt, dass nur bei gegebenem Raum- inhalte des Gefässsystems der Blutdruck von der in demselben ent- haltenen Flüssigkeitsmenge abhänge, aber wie kann Weber, wenn ihm der Sinn seiner Emendation klar ist, mir physicalische Missverständ- nisse vorwerfen, wenn ich dem Herzen einen Einfluss auf den Blut- druck gerade deshalb vindicire, weil es den Rauminhalt der Gefüss- höhle durch seine Thätigkeit vermindert ? 134 sammenhang der Betrachtung an, ob man nicht statt dessen die Umstände, von denen die relative Blutmenge selbst ab- hängt, in den Vordergrund zu stellen hat. In meiner Hämo- dynamik erforderte der Zusammenhang das Letztere. V. Ueber den Zusammenhang der Wellenbewegung mit dem Kreislaufe des Blutes hatte ich mich in meinem Werke folgendermassen ausgesprochen: „die Bewegung der Wellen und das Fliessen sind überall untrennbare Vorgänge‘, wo die Bewegung eines Fluidums durch elastische Röhren von einer Kraft ausgeht, welche nicht stetig, sondern stossweise das zu bewegende Fluidum austreibt. In allen solchen Fällen ist das Fortrollen der Wellen das alleinige Mittel zur Fortschaf- fung des Fluidums. * 5 Dieser Darstellung ist Weber, wie ich jetzt sehe, mit Recht entgegen getreten, nur hat er nicht blos wirkliche, son- dern auch eingebildete Mängel meiner Lehre angegriffen, und bekämpft erstere nicht blos mit haltbaren Gegengründen. Auf diese Weise ist in einer ohnehin schwierigen Frage eine Ver- wirrung entstanden, welche bei der Kürze des hier gebotenen Raumes nur in ihren Hauptpunkten dargestellt werden kann. Wer die zwischen Weber und mir entstandene Differenz vollständig verstehen will, wird bis auf den Grund derselben zurückgehen müssen, welcher in folgenden Worten seines Programms de pulsu gegeben ist: At motus undarum semper ab oscillatione propagata pendet, nunguam a fluido progre- diente. Unda enim non est materies progrediens sed forma materiei progrediens. Superficies aquae, per quam unda pro- greditur suecessive elevatur et relabitur, particulae autem aqueae elevatae et relapsae loco suo manent dum elevatio‘ a particulis alis ad alias, vieinas illis, partieulas pergit. Idem sanguini etiam aceidit arteriisineluso. Diese Behauptung ist darum unrichtig, weil die Pulswellen Bergwellen sind, welche die Flüssigkeitstheilchen in Gestalt halber Ellipsen vorwärts bewegen. Weber zeigt in den bei- den Abhandlungen, welche er über den betreffenden Gegen- stand in diesem Archive veröffentlicht hat (1851 S. 497 und 1853 S. 156), vollkommen sachgemäss. dass die Pulswellen 135, alle Flüssigkeitstheilchen in der Richtung des Kreislaufs vor- wärts bewegen, giebt aber nicht an, dass er in seinem Pro- gramm dies ausdrücklich geleugnet hatte. Vielmehr versichert er, jederzeit behauptet zu haben, dass die Pulswellen das Blut in der Richtung des Kreislaufs bewegen helfen, ein Be- weis, dass ihm die oben angeführte Stelle nicht mehr ge- genwärtig war. Hieraus musste aber für alle Diejenigen, welche das lateinische Programm nicht kannten, eine Un- klarheit bezüglich der Streitfrage entstehen, welche zu beseitigen ich um so mehr Veranlassung habe, als meine Darstellung in der Hämodynamik von jenem ursprünglichen Missverständnisse Webers abhängig wurde. Denn gerade dies war die Hauptaufgabe, die ich mir stellte, nachzuwei- sen, dass die Pulswellen das Blut allerdings in der Richtung des Kreislaufs fortführen. Erst secundär schliest sich hieran die Absicht, zu zeigen: wie dies geschehe, und nur innerhalb dieser Erklärungsversuche liegen meine Missverständnisse. Dagegen legt mir Weber noch in seiner letzten Gegen- schrift Meinungen zur Last, die ich selbst, wenn ich sie früher gehabt, doch nachmals auf das vollständigste widerrufen hätte. Ich soll angeblich von dem Grundsatze ausgehen: dass es eine Klasse von Wellen gebe, die nicht während ihres Fortschreitens ausanderer Materie bestehen- Indem mir nicht entging, dass ich in meiner Hämodynamik bezüglich dieses Punktes Anlass zu Missverständnissen gege- ben, habe ich in diesem Archiv (1852 S. 310.) Gelegenheit genommen, meine wahre Ansicht präciser auszudrücken, Es heisst daselbst: „Man denke sich, eine positive Welle durch- laufe in einer gegebenen Zeit eine Röhre von 1,2, 3....n Abschnitten und verrücke im Fortrollen jedes Flüssigkeits- theilchen um den Raum eines solchen Abschnittes. In diesem Falle würden die in dem ersten Abschnitte befindlichen Was- sertheilchen in den zweiten, die im 2. Abschnitte befindlichen in den 3., überhaupt jedes Wassertheilchen um '/n der Röh- renlänge vorwärtsrücken. Die Wassermässe, welche den nten Abschnitt füllte, würde auslaufen und die Wassermenge, wel- che in den Anfang der Röhre eindrang und hiermit den An- lass zum Entstehen einer positiven Welle gab, würde den 136 ersten Abschnitt einnehmen, dessen Inhalt, wie bemerkt nach Abschnitt 2 verlegt worden war. Während also die Welle n Abtheilungen durchläuft, wird jedes Wassertheilchen nur einen Raumtheil zurücklegen.“ Wenn nun Weber, mit Bezug auf gewisse frühere Aeusserungen von meiner Seite, mir noch jetzt vorwirft, ich spreche von Wellen, die nicht während ihres Fortschreitens aus anderer Materie bestehen, so ist dies eben so unzulässig, als wenn ich die Behauptung seines Pro- gramms: die Pulswelle lässt die Bluttheilchen an ihrem Orte als seine jetzige Ansicht geltend machen wollte. Die Stelle meiner Hämodynamik, auf welche Weber un- nöthiger Weise zurückkommt, ist folgende: „Bestünde die Blutbewegung ausschliesslich im Strömen der vom Ventrikel entleerten Blutmenge, so würdein der That die Pulsbewegung und die Strömung gleich schnell vor sich gehen.* Diese Be- merkung war freilich unrichtig, und könnte zu beweisen scheinen, dass ich, damals wenigstens, die Welle wirklich als einen sich fortbewegenden Körper betrachtet wissen wollte. Dies ist gleichwohl nicht der Fall gewesen, wie man sich auch bei Prüfung der von mir aufgestellten Lehre im Zusam- menhange überzeugen dürfte. Denn die eben angeführte Stelle ist nicht blos in Widerspruch mit der Lehre der Physiker, sondern auch mit meiner eignen und wer sie billig beurtheilt, wird in ihr nicht ein Bekenntniss meiner hydraulischen Prin- eipien im Allgemeinen suchen, sondern einen Beweis einer noch unüberwundenen Unklarheit im Einzelnen finden. Statt dessen zieht Weber aus meinen Worten die Consequenzen, zu denen es führen würde, wenn man die Welle als einen sich bewegenden conereten Körper betrachtete, und legt mir, in der Voraussetzung, dass dies mein Grundgedanke gewesen und noch sei, nun auch jene Consequenzen als meine Meinun- gen unter. Hierdurch ist die zwischen uns verhandelte Streit- frage ganz entstellt worden. So soll ich Wellen annehmen: „welche nicht für eine sich fortbewegende Form erklärt werden könnten,“ obschon ich die Fortbewegung der Form zum Gegenstande specieller Betrachtungen gemacht und bei Besprechung der Wellen von mehr als einem Gipfel 137 (z. B. pulsus dicrotus Haemodyn. $. 118 u. f.) als Fundament der Erklärung benutzt habe. Eben so grundlos wird mir die Annahme zugeschrieben: „Dass es Wellen gebe, die keine Bewegung der Flüssigkeitstheilchen hervor- bringen.“ Nur dies habe ich erwähnt (Hämodyn. S. 104), dass es Wellen gebe, welche das Fluidum, in welchem sie vorkommen, an Ort und Stelle belassen (particulae aqueae loco suo manent) ein Fall der nach Webers eignen Unter- tersuchungen überall da eintritt, wo der Bergwelle eine Thal- welle von gleicher Höhe folgt. Die Gesetze der Wellenlehre, welche Weber in Gemein- schaft mit seinem Bruder begründet hat, sind mir nicht un- bekannt geblieben und es ist mir nicht eingefallen dieselben in Frage zu stellen. Wenn Weber aus der im Vorhergehen- den erwähnten Stelle der Hämodynamik dies folßert, so fol- gert er zu viel. Ich kann ebensowenig zugeben, dass jener passus beweise, dass ich die Welle für einen sich fortbewe- genden Körper gehalten, als Weber zugeben wird, dass seine Worte: idem sanguini aceidit arteriis incluso, beweisen, dass er die Pulswellen nicht für Bergwellen, oder diese nicht für solche Wellen gehalten, welche die bewegten Flüssigkeits- theilehen vorwärtsrücken. Webers Behauptung in dem Pro- gramm, wie die meinige in der Hämodynamik, laborirt an einer Inconsequenz, welche sich unsrem bessern Wissen ent- gegen in unsre Darstellung eingeschlichen hat. Hiermit dürfte der 6te Differenzpunkt Webers, in welchem er meine Dar- stellung der Wellenbewegung als im Allgemeinen unrichtig bezeichnet, erledigt sein. Gehen wir von den scheinbaren Differenzen zu den wirk- lichen über, so handelt es sich vor Allem um meinen Lehr- satz: „Das Fortrollen der Pulswellen ist das allei- nige Mittel zur Fortschaffung der Blutflüssigkeit.* Diese Behauptung ist darum unrichtig, weil die fortrollende Pulswelle durch zahlreiche Widerstände im Gefässsysteme ge- brochen und theilweise reflectirt wird, wo die Flüssigkeits- theilchen einen Impuls erhalten, welcher sie nicht nur nicht in der Richtung des Kreislaufs, sondern dieser entgegen treibt. » 138 Ich habe also bei Beurtheilung des Einflusses, welchen die Pulswellen auf das Fliessen des Blutes haben, eine in Be- tracht zu ziehende specielle Bedingung, nämlich die reflecti- renden Widerstände unberücksichtigt gelassen. So viel ich sehe, ist dies das einzige Versehen, welches ich bei Be- gründung meiner Lehre begangen habe, ein Versehen, wel- ches den Vorwurf, dass ich Behauptungen aufgestellt, welche mit den anerkannten Gesetzen der Hydraulik unvereinbar wären, auf keinen Fall rechtfertigt. Weber selbst erläutert den Zusammenhang zwischen Wellenbewegung und Strombewegung durch folgenden Ver- such. Er verbindet zwei Wassergefässe A und B nahe am Boden derselben durch eine gleichmässig weite elastische Röhre und erregt dadurch, dass er Wasser aus B schöpft und und in das @efäss A eingiesst, einen höheren Wasserstand in A und gleichzeitig eine positive Welle. Er sagt dann: „Man kann, wenn man will, die mit dieser Ueberführung (des aus- gegossenen Wassers von A nach B) verbundene successive Bewegung als eine von A nach B laufende Welle betrachten, und kann daher die Ausgleichung des Druckes der Wellen- bewegung zuschreiben, ohne einen Strom (d. h. eine gleich- mässige Bewegung) anzunehmen. Diese Erklärung bekommt dadurch noch grösseres Gewicht, dass Weber in einem zwei- ten Versuche die gleichmässig weite Röhre mit einer solchen vertauscht, welche in ihrer Mitte eine beträchtliche Verenge- rung hat, durch welche die Wellen gebrochen und reflectirt werden, und dass er nachweisst, wie in diesem Falle die Wellenbewegung nicht das einzige Mittel zur Ueberführung des Wassers aus A nach B abgebe. Demnach würde auch im Gefässsysteme die Ueberführung des Blutes aus dem Ven- trikel in den Vorhof als eine Folge der Wellenbewegung be- trachtet werden dürfen, wenn die Pulswellung ungestört durch Arterien, Haargefässe und Venen hindurchrollen könnten, und Weber hatte mir nur den einen Vorwurf zu machen, dass ich die unvermeidlichen Störungen ausser Acht gelassen. Gleichwohl beschränkt sich Webers Opposition nicht auf diesen Punkt, sondern greift meine Darstellung in einer Weise 13) an, als wenn ich, abgesehn von der Vernachlässigung einer in Betracht kommenden Bedingung die Wellenbewegung von Grund aus missverstanden hätte. Dies führt mich zur Be- sprechung derjenigen Punkte, in welchen Weber meiner An- sicht nach selbst in Irrthümern befangen ist. Zunächst scheint Weber meine Lehre durch folgende Be- trachtung widerlegen zu wollen: der motorische Einfluss der Pulswellen wirkt absatzweise, das Fliessen aber geschieht un unterbrochen, folglich kann es. von der Wellenbewegung allein nicht abhängen. Dass Weber diesen Einwurf wirklich be- absichtige, muss ich aus folgenden Stellen seiner letzten Ab- handlung schliessen: „Die Pulswelle bringt eine Verrückung aller Bluttheilchen hervor, die nur kurze Zeit dauert und von einem Zeitraume der Ruhe unterbrochen wird“, und weiter: „Die positive Welle giebt sich unsern Fingern, mit welchen wir beim Pulsfühlen die Arterien drücken, als eine durch das Arteriensystem mit grosser Geschwindigkeit fortschreitende Erhöhung des Blutdruckes zu erkennen und diese bringt an jedem Orte in dem Augenblicke, wo sie an ihm vorüberschreitet, eine vorübergehende, sehr kurz dau- ernde Spannung der Gefässwände und eine Beschleunigung der strömenden Bluttheilchen hervor. Diese Verrückung er- scheint dem mikroskopischen Beobachter in der Ader leben- der Thiere als eine kurz dauernde Beschleunigung der in den Zwischenzeiten vorhandenen langsameren Strömung.“ (a. a. O. 5. 168.). An diese Angabe schliesst sich dann folgende Be- trachtung: „Die Blutwelle bewege sich in 1 Secunde unge- fähr 28'% Fuss weit, müsse also in ',, Secunde jedenfalls die weiteste Blutbalın dnrehlaufen haben, das Pulsinteryall daure aber (bei 60 Pulsen in 1 Minute) eine ganze Secunde, und folglich bewege sich ein beträchtlicher Theil des Blutes nur durch Strömung und ohne dass eine Welle es forttreibe.* Diese Darstellung ist nicht zulässig. Weder der Finger, welcher den Puls fühlt, noch das Mikroskop, welches die Blutbeweguug sichtbar macht, sondern das Kymographion hat zu entscheiden, wie lange die Zeit der Erhöhung des Blut- drucks daure, welche die Flüssigkeitstheilchen in der Rich- 140 tung des Kreislaufs verrückt und eine Beschleunigung des Blutstroms zu Stande bringt. Die mit Hülfe dieses Instru- mentes gezogenen Pulskurven beweisen aber, dass die Puls- welle genau so lange dauert (und folglich Bewegung vermit- telt), als das Pulsintervall selbst dauert. Annährungsweise die Hälfte dieses Zeitraums braucht die Welle zum Steigen, die andre Hälfte braucht sie zum Sinken und da, nach We- bers eignen Untersuchungen, die Flüssigkeitstheilchen einer Bergwelle sich mit dem Steigen und Sinken gleichzeitig vor- wärts bewegen, so wird die durch die Pulswelle bewirkte Fortrückung der Theilchen durch kein Moment der Ruhe un- terbrochen, vielmehr ist der Einfluss der Wellen auf die Fort- schaffung des Blutes ein beständiger und eine Strömung, im Sinne einer gleichmässig schnellen Bewegung, kommt in den Arterien überhaupt gar nicht vor.*) Ein andrer Einwurf, welchen mit Weber in seiner ersten Abhandlung (M. Arch. 1851. S. 506) macht, ohne ihn in der gegenwärtigen zurück zu nehmen, ist der, dass ich annehme: „Es gebe Wellen, bei welchen das Fliessen und die Bewegung der Wellen untrennbare Vorgänge und wo Strombewegung und Wellenbewegung iden- tisch wären.“ Da ich mit dem Worte Fliessen ganz all- gemein die Fortschaffung des Blutes aus einem Gefässab- schnitte in einen anderen, also nicht blos eine gleichmässige, sondern auch eine stossweise Bewegung bezeichnet habe, so ist diese Seite der Weber’'schen Opposition mir vollkommen unverständlich. Wenn eine Ursache (hier der Herzstoss) zwei Folgen mit Nothwendigkeit hervorruft (in unserem Falle Fort- wegung des Blutes und Wellen) so müssen doch die Folgen unter *) Durch Vorstehendes dürfte eine Stelle meiner Hämodynamik ge- rechtfertigt werden, an welcher Weber Anstoss genommen, nämlich: „Die Welle verbreitet sich in der Zeit eines Pulsintervalls von der Kammer bis zum entsprechenden Vorhofe, eben so, schnell (soll heissen : in eben derselben Zeit) bewegt sich das vom Herzen entleerte Blut von der Kammer bis zum Vorhofe,“ wobei noch zu bemerken, dass ich nicht an das vom Ventrikel entleerte Blut selbst dachte, sondern an eine Blutmenge, die diesem gleichkommt. Hier ist also von einem concreten Wellenkörper durchaus nicht die Rede. 141 einander auch mit Nothwendigkeit zusammenhängen. Obschon sich aus dieser allgemeinen Betrachtung die Unzertrennlichkeit der Wellen- und Strom-Bewegung bereits vollständig ergiebt, so will ich doch hinzufügen, dass ich auch das Gesetz ihres Zusammenhanges gefunden und in meiner Hämodynamik ent- wickelt habe. Die Höhe der Pulswellen ist eine Funetion der Stromschnelle und hängt von dieser genau in derselben Weise ab, wie der Widerstand und der Blutdruck von ihr abhängt. Was aber die Identität von Wellenbewegung und Strom- bewegung anlangt, so ist eine solche dann möglich, wenn die Bergwellen in ihrem Verlaufe auf keine reflectirenden Wider- stände stossen und wenn ausser demjenigen Bewegungsmo- mente, welches die Wellen hervorbringt, eine anderweitige Ursache der Bewegung nicht vorhanden ist. Denn da es in der Natur der Bergwellen liegt, die Flüssigkeitstheilchen, de- ren Summe das sich bewegende Fluidum ausmacht, vorwärts zu schieben, so wird die Abwesenheit jeder andern Bewe- gungsursache, die Verschiebung des Fluidums, welche ich fliessen nenne, nur durch die Verrückung der Flüssigkeits- theilchen, welche von der Wellenbewegung ausgeht, vermittelt werden. Indem hier das Fliessen von dem Dasein der Welle und folglich auch von dem Fortschreiten der Form derselben abhängt, so ergiebt sich ein Zusammenhang zwischen dem Fliessen und dem Fortschreiten der Form der Welle. Die fortschreitende Form der Bergwelle schafft so viel Flüssigkeit fort, als zur Erhebung derselben über das Niveau der Flüs- sigkeit erforderlich war. Die Zeit, welche die Welle braucht, dieses Flüssigkeitsquantum durch einen gegebenen Raum hin- durchzuschaffen, ist derjenigen gleich, welche die Welle braucht, um mit ihrer ganzen Länge (so zu sagen mit Kopf und Schwanz) durch denselben Raum hindurch zu gleiten. Vorgänge, wie die eben geschilderten, sollten meiner Mei- nung nach auch im Blutgefässsysteme stattfinden, und hierin habe ich mich geirrt, da die Natur der Widerstände dies un- möglich macht. Aber eben so hat sich Weber geirrt, wenn er die Annahme solcher Vorgänge als eine im Allgemeinen unzulässige hinstellt. 142 Um den Zusammenhang zwischen Wellenbewegung und Fliessen vollkommen aufzuklären, bleibt noch ein ziemlich schwieriger Punkt zu erledigen übrig. Meiner Behauptung: das Fortschreiten der Pulswellen sei das alleinige Mittel zur Herstellung des Kreislaufes, setzte Weber die andre entge- gen, dass nicht bloss die Wellenbewegung, sondern auch die eonstante Druckdifferenz zwischen Arterien und Venen den Kreislauf hervorbringe. Hiergegen urgirte ich wieder, dass diese Druckdifferenz, als Aequivalent aufgehobener Bewegung, an der Herstellung des Stromes keinen Antheil haben könne. Durch diese Bemerkung ins Gedränge ge- bracht, hat Weber sich verleiten lassen, sie als einen phy- siealischen Irrthum zu bezeichnen, ein Vorwurf, welcher nach Obigem (vergl. III.) nicht haltbar ist. Es bleibt daher nach wie vor fraglich: wo findet sich neben der Kraft, welche die Bluttheilchen undulatorisch forttreibt, eine zweite, welche sie mit gleichmässiger Geschwindigkeit fortzuführen im Stande wäre? — Weber beantwortet diese Frage durch folgende Betrach- tung: Wenn man zwei Wassergefässe A und B nahe an ihrem Boden durch eine elastische Röhre verbindet und in regel- mässigen Intervallen ein Wasserquantum aus B schöpft und in A eingiesst, so wird, wenn diese Intervalle zu kurz sind, als dass alles Wasser, welches in A eingegossen wurde, nach B zurückfliessen könnte, der Wasserstand in A eine Zeit lang steigen, bis endlich in diesem Gefässe eine Druckhöhe entsteht, bei welcher in jedem Zeitintervall eben so viel Wasser durch die Verbindungsröhre aus A nach B überfliesst, als aus B nach A vermittelst des Schöpfens gebracht wurde, Ist dieses Verhältniss eingetreten, so hat man in A einen constanten Druck zu unterscheiden von einem variabeln, der constante ist die Ursache des Strömens, und der wechselnde ist die Ursache der Wellenbewegung. Weber will nun diese Betrachtung auf den Kreislauf des Blutes übertragen und übersieht eine Schwierigkeit, die hierbei eintritt. In dem Druckgefässe A findet ein constanter Druck wirklich statt, im Herzen dagegen nicht, weil es während der Diastole nicht 143 wirkt. Will also Weber einen constanten und einen varia- beln Druck als Ursache des Strömens und der Wellenbewe- gung annehmen, so muss er den Druck im Gefässsysteme, unter Ausschluss des Herzens, geltend machen, womit der alte Einwurf 'wiederkehrt, dass die Druckdifferenz im Gefäss- systeme ohne Mitwirkung eines anderweitigen Druckes (Ge- schwindigkeitshöhe) eine Bewegung nicht erzeugen könne*), Meiner Meinung nach steht die Sache nun so: die Pulsa- tion des Herzens, welche in den Arterien Wellen erzeugt, ist die einzige mechanische Ursache des Kreislaufs, aber dies berechtigt nicht zu der Behauptung, dass das Fortrollen jener Wellen das alleinige Mittel zur Fortschaffung des Blutes sei, und zwar deshalb nicht, weil die in den Arterien, Capillaren und Venen vor sich gehende Blutbewegung Erscheinungen darbietet, die mit jenem Ausdrucke in Widerspruch stehen. Das von mir erhobene Bedenken, es bestehe für den Kreis- lauf nur eine Ursache, nämlich die Wellen erzeugenden Pul- sationen des Herzens, und folglich werde das Blut auch nur durch das Fortrollen der Wellen durch die Gefässe ge- führt, war richtig im Vordersatze und falsch im Nachsatze, denn die Wellen erzeugenden Stösse des Herzens konnten und mussten den gegebenen Bedingungen zu Folge eine Bewe- gung erzeugen, welche sich nicht auf das einfache Fortrollen der Wellen zurückführen liess. Dies hat Weber richtig aus- geführt, aber er hat übersehn, dass die Entgegnung zur Wi- derlegung meiner Darstellung vollkommen genügt hätte, Er hat daher auch meinen Vordersatz angegriffen, in so fern nämlich, als er für die Bewegung des Blutes zwei verschie- dene Ursachen zu beschaffen suchte, einen variabeln Druck und einen constanten, welcher letztere, als eine nur in den Gefässröhren bestehende Druckdifferenz, die Function einer Widerstandshöhe hat und einen neuen Anstoss zur Bewegung nicht abgiebt. ”) Im Uebrigen halte ich die Zerlegung des Vorgangs, welche We- ber in der Betrachtung einführt, und durch seinen Apparat zu erläu- tern sucht, überhaupt nicht für triftig. Eine ausführliche Begründung meiner Bedenken würde hier zu weit führen. 144 VI. Zum Schlusse die allgemeine Bemerkung, dass meine Darstellung den anerkannten Sätzen der Hydrauliker in so fern nicht widersprechen kann, als.die von mir entwickelten Prineipien eben aus diesen entlehnt sind. Hierzu einige Nach- weise: Eitelwein (Handb. der Mech. d. festen Körper u. d. Hy- draulik S. 192) äussert sich fast wörtlich so: Jede mechani- sche Kraft kann durch den Druck einer Wassersäule reprä- sentirt werden, also auch die Kraft, welche Wasser durch eine horizontale Röhre treibt. Man braucht letztere nur mit einem Wassergefässe so in Verbindung zu bringen, dass ihre Einflussmündung tiefer liegt, als der Wasserspiegel, so wird die Kraft, welche das Wasser in die Röhre treibt, ausgehen von dem Drucke einer Wassersäule, deren Höhe (H) gleich ist dem lothrechten Abstande des Wasserspiegels von dem Mittelpunkte der Röhrenöffnung. Versteht man unter Druck- höhe den eben erwähnten Abstand, so kann man sich vor- stellen, dass von der ganzen Druckhöhe H ein Theil = h zur Erzeugung der Geschwindigkeit des Wassers in der Röhre verwendet wird, der übrig bleibende Theil aber = h‘ als Druck zur Ueberwältigung der Hindernisse der Bewegung oder des Widerstandes in der Röhre aufgeht. In der Sprache der Physiker heisst h die Geschwindigkeitshöhe und h’ die Wi- derstandshöhe. — In ganz ähnlicher Weise äussert sich Weisbach (a.a. O. S. 423.). Derselbe bespricht den Arbeitsverlust, welchen das aus einem Reservoir abfliessende Wasser dadurch erleidet, dass die Druckhöhe H, welehe den Ausfluss bedingt, die Wi- derstände einer dem Reservoir angefügten Ansatzröhre über- winden müsse, und sagt: dem Arbeitsverluste entspricht eine Druckhöhe (h‘). Man kann sich also auch vorstellen, dass durch die Hindernisse des Ausflusses die Druckhöhe (H) den Verlust h’ erleide, und annehmen, dass nach Abzug dieses Verlustes der übrig bleibende Theil der Druckhöhe auf die Erzeugung der Geschwindigkeit verwendet werde. — Diesen Darstellungen entsprechend ist $ 14. ete. meiner Hämodyna- mik abgefasst. 145 Müller (Ponillet) Lehrbuch der Physik und Metereolog. 2. Ausg. I. S.232 sagt: „Wenn aus irgend einem Reservoir das Wasser durch Röhren abfliesst, würden die Seitenwände der Röhre gar keinen Druck auszuhalten haben, wenn keine Reibungswiderstände zu überwinden wären, die unter Umständen bedeutend werden können, so dass der grösste Theil des hydraulischen Druckes zur Ueber- windung der Widerstände verloren geht, und der Bewegung nicht zu Gute kommt.“ Hier wird also an- erkannt, dass der Seitendruck lediglich Folge der Reibungs- widerstände und, da diese nur im Gefolge von Bewegung auftreten können, Folge der Bewegung ist. Entsprechend sagt Henkel, Grundriss der Physik 1848. S. 125: „Da das Wasser in den dem Druckgefässe näher liegenden Theilen der (horizontalen) Röhre schneller fliessen will, als es (der hemmenden Widerstände wegen) vorn zur Oeffnung ausfliessen kann, so erleiden diese Theile der Röhre einen Druck auf die Seitenwände.“ — Während nun dieses Entstehen von Druck durch behinderte Bewegung ein Grundprineip meiner Hämodynamik ist, opponirt Weber: „Ein Naturgesetz, dass Bewegung Druck erzeuge; und eine besondere Art des Druckes, welche durch Bewegung erzeugt wird, giebt es nicht“ (a.a.O. 85.161). Müller a.a. ©. sagt weiter: „Wenn das Wasser des Reservoirs in der Röhre eine Bewegung hervorbringt, welche nur einem Theile der Druckhöhe entspricht, so muss der Rest als hydrostatischer Druck auf die Röhrenwände wir- ken.“ — Also genau meine Behauptung. — Müller fährt fort: „Der Druck, welchen die Röhrenwände bei a (d.h. am Anfange der horizontalen Röhre) auszuhalten haben, und welcher den Verlust an Bewegung repräsentirt, ist gerade nöthig, um die Reibungswiderstände in der ganzen Röhre zu überwinden“ Hieraus ergiebt sich die Richtigkeit zweier Cardinalpunkte, die ich hervorgehoben habe, 1) dass der Druck am Anfange der Röhre ein Aequi- valent der verloren gegangenen Bewegung ist, und 2) dass dieser Druck gleich der Summe der Widerstände in der Röhre und folglich auch gleich der Widerstandshöhe ist. Müllers Archiv. 1854. 10 146 Dem entgegen hat Weber als den vierten Differenzpunkt mit mir die Frage aufgestellt: „ob, wie Volkmann behauptet, durch den Widerstand, welchen eine in einer Röhre bewegte Flüssigkeit an der Röhrenwand findet, ein Druck entstehe, der nicht auf die Flüssigkeit bewegend wirken könne, oder ob dieser Druck (wie Weber will) nach allen Richtungen gleich sei und die Flüssigkeit bewege?“ — Aus den vorher angeführten Sätzen Müllers ergiebt sich aber weiter, dass Druckdifferenzen in der Röhre keinen Einfluss auf die Bewegung haben, sondern lediglich das Maass der in der Röhre vorkommenden Widerstände sind. Denn da der Druck am Ende der horizontalen Röhre =0 ist, so ist die Druck- differenz in der ganzen Röhre dem Drucke an deren An- fange selbst gleich, uud dieser Druck, hiess es, repräsentirt den Verlust an Bewegung. Statt dessen will Weber, wie mehrfach angegeben, die Bewegung nur aus der Druck- differenz ableiten, — Da Eitelwein die Kraft, welche das Wasser in die Röhre eintreibt H, die Kraft, welche das Fliessen vermittelt A, und den Theil der Kraft H, welcher durch die Widerstände auf- gehoben wird (also den Druck von Müller und Henkel), h' neunt, so ist H— W"=h=der Geschwindigkeitshöhe, welche die Bewegung vermittelt, d. h. der Druck kommt bei Berech- nung der Geschwindigkeit subtraetiv in Anschlag, und ist folglich weder allein die Kraft noch ein Theil der Kraft, welche das Fliessen erzeugt. Die Kraft, welche das Wasser in die Röhre treibt, zer- fällt also nach Eitelwein und eben so nach v. Gerstner in zwei Theile, in den einen, welcher die Bewegung bewirkt =h, und einen zweiten, welcher sich gegen die Wirkung der Widerstände aufhebt =-h’. Beide stehen in einem gesetzlichen Verhältnisse zur Bewegung. Die Geschwindigkeitshöhe A, welche die Bewegung vermittelt, habe ich $ 15 meiner Hämo- ? dynamik durch die Formel h=7, (woraus vo=2Ygh fliesst) dargestellt, wie dies als Torricellis Gesetz in jedem Hand- buche der Physik zu finden ist. Das Verhältniss der Wider- 147 standshöhe A’ zur Geschwindigkeit habe ich a.a.0.$8 durch die Formel A’ = av? + bo bezeichnet, in Uebereinstimmung mit Young (Philos. transact. 1808. P. II. pag. 164) und F. A.v. Gerstner (Handbuch der Mechanik 11. $. 129), wo sich beiläufig findet, dass schon Newton den Widerstand der Flüssigkeiten in diese Formel brachte. Diese durch die achtungswerthesten ‚Autoritäten gerecht- fertigten Principien, habe ich in folgender Weise auf die Lehre vom Kreislauf übertragen: Die Adern, in welchen das Blut fliesst, entsprechen der Röhre, durch welche sich Wasser bewegt. Das Herz giebt die Kraft her, welche das Blut trotz grosser Widerstände durch das Gefässystem hindurch treibt. Die Kraft des Herzens kann repräsentirt werden durch den Druck einer Wassersäule, welche in eine Geschwindigkeits- höhe und eine Widerstandshöhe zerfällt. Der Druck am An- fange der Aorta ist gleich den Widerständen, im ganzen Ver- laufe des Gefüsssystemes. Er ist gleich der Widerstandshöhe, hat mit der Production von Bewegung gar nichts zu schaffen _ und muss von der Druckkraft des Herzens abgezogen wer- den, um zur Geschwindigkeitshöhe % zu führen. Da man die Herzkraft direkt nicht messen kann, wohl aber annähe- rungsweise die Geschwindigkeit v, so kann man durch die 2 j Gleichung h =77 auf die Geschwindigkeitshöhe kommen, wo- bei sich findet, dass diese im Verhältniss zur Widerstands- höhe, oder zum Drucke, äusserst gering ist. Einen ganz ähnlichen Standpunkt hatte der berühmte Phy- siker Young eingenommen. Dieser sagt (Philos. transaet. 1809. pag.3): Wir wollen das Blut in den Arterien so be- trachten, als ob es einem Drucke ausgesetzt wäre, welcher es mit Gewalt in die Venen triebe, Dieser Druck, welcher vom Herzen ausgeht, wird fast ausschliesslich zur Ge- wältigung der Widerstände gebraucht, indem die Kraft, welche zur Bewegung des Blutes erforderlich ist, so gering ist, dass wir sie ohne Nachtheil vernachlässigen können. Diesen Druck, fährt er fort, welcher aus den Widerständen entsteht, haben wir zu ermitteln; es ist Hales, welcher ilın durch seine 10* 145 interessanten Untersuchungen bestimmt hat. — Man sieht hieraus, wie auch Young der Ansicht war, dass der von Hales gemessene Seitendruck aus den Widerständen ent- springe, und mit der Bewegung des Blutes niehts zu thun habe. Dagegen wundert sich Weber, dass ich die Ueber- führung des Blutes aus den Arterien in die Venen bei einem Schafe nur aus 1%, bei einem Pferde nur aus !%, bei einem Hunde nur aus '/, des Blutdruckes habe herleiten wollen, so dass 5% oder °% oder ‘%, der vorhandenen Druckkräfte wirkungslos würden. Nun beruhen zwar diese Citate un- streitig auf einem Missverständnisse meiner Worte, aber ich führe sie auch nur an, um zu zeigen, wie Webers Oppo- sition sich in einem Gebiete bewegt, in welchem er selbst nicht hinreichend bekannt ist. Man versuche zu rechnen, so wird man finden, dass jener Bruchtheil des Druckes, welcher nach Webers Ansicht viel zu klein sein würde, um die Blutbewegung hervorzubringen (z. B. !/, beim Pferde), im Gegentheil zu diesem Zwecke viel zu gross ist, daher man sich darüber, dass %45 des Blutdrucks für die Bewegung ver- loren gehen, in so fern gar nicht zu wundern hat, als fak- tisch ein noch weit grösserer Antheil verloren geht. — Der Blutdruck in der Aorta des Pferdes beträgt 7— 9 Fuss, da- von !% giebt mindestens 1 Fuss Blutdruck zur Produktion der Blutbewegung. Nun ist aber die Geschwindigkeitshöhe 2 h=y,: und vo, d. h. die Geschwindigkeit in der Aorta an- näherungsweise =1,2 Fuss. Man hat also: 1,28 h= © * uss = 0,024 Fuss als das Maximum der Druckhöhe, welche zur Erzeugung der Bewegung verwendet wird. Die in $ 110 meiner Hämody- namik ausgeführte Darstellung, dass bei weitem der grösste Theil des Herzdrucks für die Bewegung verloren gehe, und die Bewegungseffekte, die er haben könnte, durch die Gegen- wirkung der Widerstände einbüsse, ist mit dem, was der Physiker Young über diesen Gegenstand geäussert hat, in vollkommener Uebereinstimmung. Weber dagegen, welcher 149 in seinem vierten Differenzpunkte diese Prineipien als solche schildert, welche mit den anerkannten Gesetzen der Hydrau- lik nicht vereinbar seien, hat nicht blos mich, sondern auch meinen berühmten physikalischen Gewährsmann angegriffen. VII. Ich habe die wesentlichsten Abschnitte dieser Ab- handlung, mit Ausnahme des damals noch nicht vollendeten über Wellenbewegung, meinem geehrten Freunde E. H. Weber vorgelesen, indem ich mich der Hoffnung hingab, dass eine mündliche Besprechung zu einer Verständigung über unsere Differenzen führen werde. Diese Hoffnung ist zu meinem aufrichtigen Bedauern fehlgeschlagen, indess hat jene Be- sprechung doch den Vortheil gehabt, mich über die Gründe der gegen mich erhobenen Opposition aufzuklären. Hierüber noch Einiges hinzuzufügen, liegt im Interesse der Sache. Weber urgirt dies: dass der Druck des Wassers, ın ver- schiedenen Segmenten einer Röhre, unter allen Umständen Bewegung erzeuge, eine Bewegung nämlich, welche die vor- liegenden Widerstände überwinde. Nur durch eine Druck- differenz und die aus ihr resultirende Bewegung würden die Widerstände besiegt, ohne deren Beseitigung das Fliessen selbst unmöglich sein würde. Aus diesem Grunde müsse die Druckdifferenz auch als eine Bedingung des Fliessens be- traehtet werden. Anlangend die verzögernden Widerstände, so seien diese, gegenüber der Kraft des Druckes, etwas ganz Aeusserliches. Wie nun eine bewegende Kraft nicht deshalb Null sei, weil sie durch das Gewicht, welches sie hebt, auf- gehoben werde, so sei auch die bewegende Kraft der Druck- differenz dennoch vorhanden, obschon es, bei der Gegenwir- kung der Widerstände, zu keiner merkbaren Bewegung komme. Habe ich hiermit den Sion der Weberschen Betrachtung richtig aufgefasst, so habe ich gegen dieselbe nichts weiter einzuwenden, als dass durch sie die mei- nige ungültig gemacht werden soll. Denn wenn auch meine Auffassung sich von der Weberschen formell unter- scheidet, in der Sache und in den Folgerungen weicht sie von derselben nicht ab, in so weit nicht Weber selbst irrige Folgerungen aus ihr ableitet. Es wird aber meine Betrach- 150 tung nicht nur durch ihre Uebereinstimmung mit den An- sichten der anerkanntesteu Autoritäten gerechtfertigt, son- dern sie empfiehlt sich auch durch die kurze und für Jeden, der in den Zusammenhang der Darstellung eingehen will, unmittelbar verständliche Bezeichnung der in Betracht kom- menden Sachverhältnisse. Dass Bewegung, nur in so fern sie aufgehoben wird, Druck erzeuge, habe ich nicht nur nicht geleugnet, sondern im Gegentheil allen meinen Folgerungen zu Grunde gelegt. Soll aber Bewegung aufgehoben werden, muss sie jedenfalls auch da sein, und in so fern kann man kurz sagen: sie erzeuge im Conflikt mit den Widerständen Druck. Hängt aber der Druck von aufgehobener Bewegung oder Geschwin- digkeit ab, so muss es auch erlaubt sein, die Abhängigkeits- verhältnisse zwischen beiden in der Art darzustellen, wie es von mir und so vielen Andern geschehen ist, und man kann nicht in demselben Zusammenhange, wo man den Druck am Anfange einer Röhre als Aequivalent aufgehobener Be- wegung in der Röhre in Betracht zieht, denselben Druck (welcher zugleich den Drucküberschuss über den Nulldruck am Ende der Röhre bildet) als alleinige Ursache des Flies- sens d.h. der nicht aufgehobenen Bewegung geltend machen. Es scheint aber Weber dies zu verlangen, wenig- stens weiss ich, wenn er dies nicht verlangt, den Grund sei- ner Opposition gegen meine Darstellung nicht aufzufinden*). Man sieht, dass die Sache in einen Wortstreit auszuschlagen droht, und ich glaube nun erstens mich beklagen zu dürfen, dass Weber sie so darstellt, als habe ich im Nichteingehen auf seine allgemeine Darstellungsweise sächliche Prineipien verletzt; zweitens aber behaupten zu dürfen, dass ich selbst diese Prineipien, in den sächlichen Fragen, um die es sich handelt, mit grösserer Schärfe als Weber aufgefasst habe. In der That ist der Streit, wer eine richtigere Ansicht in der *) Die Vermuthung, dass W. den Druck in der Röhre als Ursache der nicht aufgehobenen Bewegung betrachtet wissen wolle, ist nach der Wortfassung seines vierten Differenzpunktes kaum abzuweisen. 151 Sache habe, mit Worten gar nicht zu Ende zu führen, das experimentum crueis muss zuletzt sein, wer die Thatsachen nach seiner Auffassung richtiger voraussieht. Nun hat sich in dem Versuche mit der schwimmenden Röhre gezeigt, dass Weber durch seine Ansicht zu falschen, ich durch die mei- nen zu richtigen Folgerungen geführt worden. Ich lasse also Webers allgemeine Ausdrucksweise, welche in einem anderen Zusammenhange, als um den es sich bei meinem Gegenstande handelt, unstreitig ganz am Platze ist, sehr gern in ihrem Rechte, nur muss der Ausdruck überall dem Thatbestande und nicht der Thatbestand dem Ausdrucke angepasst werden. Mag Weber sagen: die Bewegung ist eine Folge des Druckes oder der Druckdifferenz und nicht der Druck eine Folge der Bewegung, so werde ich diese Auffassung mit Bezug auf den ihr zu Grunde liegenden Sinn bereitwillig anerkennen; wenn aber aus dem Satze: der Druck ist keine Folge der Bewegung, dedueirt wird, dass Wasser aus dem Zustande der Ruhe in den Zustand der Bewegung übergehen könne, ohne dass sich ein Druck entwickele, so wird die Betrachtung fehlerhaft. — Eben so habe ich nichts dagegen, wenn Weber behauptet: die zwischen dem An- fange und dem Ende einer Röhre bestehende Druckdifferenz erzeugt Bewegung, eine Bewegung nämlich, welche die dem Strome entgegenstehenden Widerstände gewältigt und welche dadurch auch die Bewegung, die man als Strömung wahr- nimmt, mit bedingen hilft. Wenn man aber mit Weber aus der Druckdifferenz im Gefässsysteme die Bewegung des Blutes in der Weise ableitet, dass man die Mitwirkung einer ander- weitigen und also neben der Druckdifferenz bestehenden Ur- sache in Abrede stellt, so wirft man trotz aller Protestation die Begriffe Widerstandshöhe und Geschwindigkeitshöhe wirk- lich um, und stellt eine Behauptung auf, welche mit den Lehren der Hydraulik nicht vereinbar ist. Ich habe vorstehende Erörterungen nur ungern gemacht, und würde mich derselben gänzlich enthalten haben, wenn nicht die Befürchtung zu nahe gelegen hätte, dass mein Schweigen, so entschiedenen Angriffen gegenüber als ein 152 Zugeständniss vieler und schwerer Irrungen gelten werde. Sollte auch diese Auseinandersetzung eine Erwiderung ver- anlassen, so bitte ich ein Schweigen von meiner Seite nicht so zu deuten, sondern nur als den Ausdruck meines Wun- sches zu betrachten, dass die Ausgleichung der Differenzen, um welche es sich hier handelt, in andere Hände komme. Ich benutze schliesslich die Gelegenheit, auf einige Druck- fehler aufmerksam zu machen, welche in meiner Abhandlung: Beleuchtung einiger von E. H. Weber angeregten Streitfra- gen über Blutdruck und Blutbewegung, M. Arch. 1852, stehen geblieben sind. — Seite 283 Z.5 v.O. lies: als eine wissen- schaftliche für: allein wissenschaftlich. — 8.290 Z.2 v. ©. lies 5 = 0,0000001 statt a = 0,0000001; — 8.290 Z.13 v. U. lies winklige, statt wirkliche; — 8.291 Z.15 v. U, lies 9,7 statt 97; — 8. 307 Z.19 v. U. lies nur statt nun; — $. 309 Z.4 v.U. lies h=av®+ bo statt = aue+ br. — 153 Der Musculus lumbocostalis des Menschen. Von Prof. H. LuscHka in Tübingen. Die älteren so wie die meisten neueren Anatomen fassen diesen Muskel und den Longissimus dorsi als Abschnitte eines Ganzen auf, für welches S. Th. Sömmerring!) die Be- zeichnung „Opisthothenar“ zur Geltung gebracht hat. Wie- wohl schon Albin?) die Aufmerksamkeit darauf lenkte, dass der Spinalis dorsi als Bestandtheil des Longissimus erscheine, so wurde derselbe von Sömmerring°) doch nicht unter dem Opisthothenar aufgeführt, wenngleich an einem andern Orte von demselben Schriftsteller über den Muskel bemerkt wird: dass er gewöhnlich mit dem innern Rückgratsstrecker verbunden sei und gewissermassen „seine von den Dorn- fortsätzen kommende Portion“ darstelle. Gleichwie Sömmer- ring so konnte sich auch Theile‘), in dessen Fusstapfen tretend, zu einer solchen Vereinigung nicht entschliessen; im Gegentheil hielt es dieser Zergliederer für nöthig, vom Opi- sthothenar noch Etwas hinwegzunehmen. Theile glaubt näm- lich, den Lumbocostalis als selbstständigen Muskel ansehen und ihn als Iliocostalis aufführen zu müssen. Diese Tren- nung ist weder für das Verständniss dieses Muskels irgend förderlich, noch auch hat sie vom morphologischen Stand- punkte aus eine besondere Berechtigung. Bei jeder Präpa- ration kann man sich davon überzeugen, dass die Sehnen- substanz, welche dem Longissimus und Lumbocostalis zum 1) Vom Baue des menschl. Körpers. 1791. 2ter 'Thl. 2) Historia musculor, hominis. Edid. Hartenkeil 1796. p. 392. 3) 0.0.0. 8.175. 4) Lehre von den Muskeln. 1841. S. 144. 154 Ursprunge dient, eine gemeinschaftliche, eontinuirliche ist, welche sich von der Crista sacralis media und von den Dornfortsätzen der 2—3 untern Lendenwirbel nach aussen hin, an den Darmbeinkamm erstreckt. Den von der Crista ossis ilium abgehenden Sehnentheil, welcher übrigens aus- schliesslich dem Lumbocostalis entspricht, muss man, um ihn, wie Theile angiebt, als schmalen Streifen zu erhalten, künstlich herstellen, d.h. von der übrigen Sehnensubstanz abschneiden. Es hat daher keinen rechten Sinn, wenn Theile beschreibt: jener Muskel entspringe vom äusseren Rande der Ursprungssehne des langen Rückenmuskels. Zu einem befriedigenden Verständnisse der Anordnung und der physiologischen Bedeutung des Lumbocostalis muss die- ser in ganz anderer Weise in Betrachtung gezogen werden. Wer sich genau an die Bestandtheile dieses Muskels erinnert, wird in seinen sog. Verstärkungsbündeln sogleich das Substrat erkennen, welches keine leichte Einsicht in seine Form und Funktion gestattet. Man ist daran gewöhnt, an dem Lumbocostalis zwei Reihen von Bündel zu unterscheiden, eine äussere und eine innere. Die äussere Reihe findet man aus zwölf Bündeln zusammengesetzt, denen sich häufig ein dreizehntes zugesellt, welches sich an die Spitze vom Querfortsatz des siebenten Halswirbels ansetzt, indess die andern sich an den untern Rand sämmtlicher Rippen, deren Winkel entsprechend, inse- riren. Der innern Reihe werden 7—8 Bündel zugeschrieben, welche vom Muskelkörper so gedeckt sind, dass sie in ihrer ganzen Ausdehnung nur dann gesehen werden, wenn jener nach aussen hin verschoben wird. Die Bündel ziehen in gleicher Richtung nach aussen und oben gegen die obern Bündel der äussern Reihe hin. Ohne Ausnahme bezeichnen alle Schriftsteller diese Faseikel der innern Reihe „als Verstärkungsbündel der äussern,“ wobei dann noch, je nach dem Grade der gewonnenen Ein- sicht, verschieden lautende Erörterungen gemacht werden. So finden wir in der durch Hollstein besorgten Bearbeitung des Werkes von Wilson (2. Aufl. 5.181) die Angabe, dass die 155 innern Bündel herabsteigen, die äussern dagegen hinauf, wo- bei es aber ganz unerklärt gelassen wird, wie sich eine Rippe verhält, an welcher das eine Bündel hinauf, das andere herab- zieht. Mit den Aeusserungen aller übrigen Beobachter im Widerspruche stehend lehrt Hyrtl*): jede einzelne Inser- tionszacke der äussern Reihe werde durch fleischige Bündel verstärkt, welche von der zunächst unter ihr liegenden Rippe entspringe. Sorgfältig angestellte Untersuchungen des Lumbocostalis setzen mich in den Stand hier Resultate mitzutheilen, welche im Gegensatze zu den jetzt gangbaren Ansichten gewiss sehr befriedigende Aufschlüsse gewähren. Der M.lumbocostalis der Autoren ist kein einiger Muskel, sondern besteht aus zwei Portionen, von welchen die eine dazu bestimmt ist, die sieben untern Rippen herabzuziehen, die andern abwechselnd die fünf obern Rippen herab, und die sieben untern hinauf. Da die eine Portion zwischen Darm- bein und Rippen liegt, so kann sie füglich mit dem von Theile für den ganzen Lumbocostalis vorgeschlagenen Na- men „Iliocostalis“ belegt werden, die andere aber muss, weil nur zwischen Rippen angeordnet, „Musc. costalis dorsi* ge- nannt werden. 1. Der Muse. iliocostalis hängt durch Sehnensubstanz innig mit dem Longissimus dorsi zusammen. Sein Fleisch steht mit dem letztern Muskel in keinerlei Continuität, sondern liegt nur an seinem äussern Umfange an, getrennt durch eine dünne, fettlose Zellstoff- schichte. Die dem Iliocostalis angehörige Sehnensubstanz entspricht der Breite des hintern Fünftheiles vom Darmbein- kamme, und erstreckt sich am hintern Rande des Muskels gerade noch so weit nach aufwärts als am vordern, und ist dort auch viel dicker als an dem letztern Orte. Wie ich es schon oben bemerkt habe, so findet sich keine Spur einer natürlichen Grenze zwischen der Schnenmasse des Ursprungs ?) Lehrbuch der Anatomie des Menschen. öte Aufl. S. 346. 156 vom Longissimus dorsi und lliocostalis. Von der vordern Fläche der mit dem Flejsche des lliocostalis in Verbindung stehenden Sehnensubstanz entspringt ein Theil der Muskel- fasern des Longiss. dorsi so, dass jene nicht für sich dar- gestellt werden kann, olme Verletzung der letztern. Der hin- tere Rand des Iliocostalis zieht in fast gerader Richtung nach aufwärts bis zum untern Rande der siebenten Rippe, der vordere Rand läuft von der zwölften Rippe an schief von aussen nach innen und oben, wodurch von dieser ab der Muskel ungefähr die Form einer Pyramide gewinnt, deren Spitze das oberste, sehnige, an den untern Rand der sieben- ten Rippe sich ansetzende Bündel bildet. Aus dem vordern Rande treten die Bündel zu den übrigen untern Rippen. Die zwei der elften und zwölften Rippe bestimmten Bündel sind breit, platt und vorwiegend fleischig, die übrigen ganz sehnig und zum "Theil ausgezeichnet dünn. An dem obern Ende des lliocostalis findet fast regel- mässig eine theils fleischige, theils sehnige Ver- bindung mit dem M. costalis statt. Diese Verbindung ist eben die Veranlassung gewesen von der ganz unrichtigen Vorstellung, welche man vom Lumboeostalis gewonnen hatte. Während der zahlreichen von mir angestellten Nachforschun- gen sah ich inzwischen häufig keinerlei, weder sehnige noch fleischige Verbindung, sondern nur eine bald mehr bald we- niger innige, jedoch immer durch eine Zellstoffschichte ver- mittelte Anlagerung an den folgenden Muskel. Beim Kanin- chen, auf welches sich bis jetzt meine vergleichenden Unter- suchungen beschränken, finde ich, als Regel, mit dem Costalis keine Verbindung. ; Die Wirkung des Iliocostalis besteht augenscheinlich nur im Herabziehen der sieben untern Rippen. 2. Der Muse. costalis dorsi. Trotz des aufrichtigsten Wunsches, die descriptive Muskel- lehre nicht durch einen neuen Namen belasten zu müssen, so dürfte es sich doch kaum umgehen lassen, denjenigen Theil des Lumbocostalis, welcher mit den sog. Verstärkungs- 157 bündeln desselben in Beziehung steht, als eine morpho- tisch und funetionell selbstständige Bildung auf- zufassen. Die Bündel der innern Reihe des Lumboecostalis sind näm- lich nieht zu seiner Verstärkung bestimmt, sondern die Ur- sprungsfaseikel eines Muskels, dessen Ansatzbün- del mit denen des Lumbocostalis in einer Linie liegend, sich an den untern Rand der fünf obern Rippen ansetzen. Der Muse. costalis, welchen ich wegen seines Ursprunges und Ansatzes an den Rippen, nach Analogie der Bezeich- nung des Spinalis dorsi, so nennen möchte, ist ein langer, fast spindelförmig gestalteter Muskel, der sich von der zwölf- ten Rippe bis zur ersten, bisweilen bis zum Querfortsatz des siebenten Halswirbels erstreckt. Bis zur siebenten Rippe liegt der Muskel nach innen vom Iliocostalis, von da an bis zur ersten Rippe wird er nach aussen vom Cervicalis ascen- dens gefunden, mit diesem fast regelmässig durch fleischige Bündel zusammenhängend. Seinen Ursprung nimmt der M.costalis mit sieben breiten, platten, fleischigen Bündeln vom obern Rande der sieben untern Rippen, einwärts vom Angulus costae, hart an der Stelle, an welcher sich die Levatores costarum inseriren. Die Bündel ziehen in schiefer Richtung "nach auswärts auf- wärts, und freten allmählig zu einem Muskelkörper zusam- men, aus dessen äusserm Rande fünf schnige, dünne Fascikel hervorgehen, welche sich an den untern Rand der fünf obern Rippen, dem Angulus costae entsprechend ansetzen und da- her die dem lliocostalis angehörige Bündelreihe nach auf- wärts fortsetzen. Es gelingt bei einiger Sorgfalt immer, das eine und das andere Ursprungsbündel in seiner Faserung bis in ein sehniges Ansatzbündel hinein zu verfolgen. Da der M. costalis von den, zu einander beweglichen, Rippen entspringt und sich an sie ansetzt, so begreift es sich, dass er entgegengesetzte Wirkungen entfalten kann. Seine fünf äussern sehnigen Bündel können die fünf obern Rippen herabziehen, wenn durch den Iliocostalis die sieben untern 158 Rippen fixirt sind. Sind die fünf obern Rippen festgestellt, dann können durch den M. costalis die sieben untern Rip- pen in die Höhe gezogen werden. Diese Fixirung der fünf obern Rippen aber geschieht theils durch die Scaleni, theils durch den M. cervicalis ascendens, dessen Ursprungsbün- del da beginnen, wo die des Costalis aufhören, nämlich von der fünften Rippe an und entweder in der Zahl von fünf von dem obern Rande aller fünf obern Rippen, oder nur zu drei von der öten, 4ten, 3ten Rippe abgehen. Aus dem äussern Rande des Cervicalis adscendens gehen vier flei- schige Zipfel an die hintere Wurzel der Querfortsätze des 3., 4., 5., 6ten Halswirbels. Wenn diejenigen Rippen fixirt sind, von welchen die innern Bündel des Cervicalis adse. ab- gehen, dann vermag dieser Muskel den Nacken nach rück- wärts, seitwärts herabzuziehen. Es geht aus dieser Betrachtung gewiss ganz ungezwungen hervor, dass die doppelte Wirkung des Costalis abhängig ist, einerseits vom Iliocostalis, andererseits vom Cervicalis ascen- dens, und dass die sogenannten Verstärkungsbündel des Lumbocostalis der Autoren, mit dessen untern sieben, den sieben untern Rippen angehörigen Bündeln, in keinerlei diese unterstützenden Beziehung stehen. Einer besondern Bemerkung wird es wohl kaum bedürfen, dass die hier niedergelegten Resultate einer grössern Anzahl von Untersuchungen entnommen sind. Es ist inzwischen nur dasjenige mitgetheilt, was sich als das häufigste Vorkommen — als Regel herausgestellt hat. Wie an den übrigen, tie- fern Rückenmuskeln, so findet man auch bei den in Rede stehenden vielfache Abweichungen nach Zahl, Grösse und Verbindungen der einzelnen Ursprungs- und Ansatzbündel, deren detailirte Beschreibung aber als ganz unfruchtbar er- scheinen müsste. Nicht unterlassen will ich es, bei dieser Gelegenheit zu berichten, was ich bezüglich der Sehnenscheide des Ex- tensor dorsi communis bei Horizontalschnitten an sehr fest gefrorenen Leichen gefunden habe. Sowohl der M. oblig. abdom. int. als auch der Trausv. 159 abdom. geht nach hinten in eine einfache Aponeurose über. Beide Aponeurosen verschmelzen miteinander zu einem linien- dicken, 1'/, Zoll breiten Sehnenblatte. Dieses nun spaltet sich zwei Zoll nach aussen von den Spitzen der Querfortsätze der Lendenwirbel in zwei Blätter, von welchen sich das eine, dem Transv. abd. entsprechende, an die Spitzen der Quer- fortsätze, das andere, vom Obliq. abd. int. herrührende, sich an die Spitzen der Dornfortsätze der Lendenwirbel anheftet. Der auf diese Weise umschlossene Raum wird vom genann- ten Muskelkörper erfüllt. Das hintere Blatt jener Scheide ist durch die Ursprungsaponeurose des M. serrat. postic. inf. und Latissim. dorsi verstärkt, und mit diesen so innig verbunden, dass eine Trennung nicht in ihrer ganzen Ausdehnung, son- dern nur gegen das Fleisch jener Muskeln hin möglich ist. Da, wo die Aponeurose des M. oblig. abd. int. und Transv. zur Bildung jener Scheide auseinander treten, zieht sich eine selbstständige Lage von sehnigen Bogenfasern hin, welche mit ihren Schenkeln gegen die Dorn- und Querfortsätze ge- richtet sind, und so jene Sehnenscheide gewissermassen aus- tapeziren. Ein kleiner von fettreichem Zellstoffe erfüllter, dreiseitiger Raum findet sich an der Stelle des Auseinander- weichens der Sehnenblätter, zwischen ihnen und der Bogen- faserschicht. Mit der Umhüllung des M. quadratus lumborum hat, was ich den irrthümlichen Angaben einiger Schriftsteller gegen- über bemerken muss, die Aponeurose des Transv. abd, gar nichts zu schaffen, sondern es ist die Faseia transversa, welche an der vordern Seite dieses Muskels hinwegläuft, und sich an die Spitzen der Querfortsätze anheftet. R Nach dieser Erörterung ist es von selbst klar, dass die Scheide des Muskelkörpers des Extensor dorsi communis auf ähnliche Weise gebildet wird, wie jene des M. reetus abdominis, und dass, wenn sie als Bestandtheil der Fascia lumbodorsalis bezeichnet wird, man jedenfalls nicht die Mei- nung damit verbinden darf, als hätte die Faseia dorsi pro- funda an ihr einen andern Antheil als den, dass sie mit dem obern Rande des hintern Blattes jener Scheide verschmolzen ist, 160 Musculus lumboecostalıs. Vergleichend anatomisch untersucht von G. JAEGER. In den folgenden Zeilen theile ich den Befund einer ver- gleichend - anatomischen Untersuchung mit, die ich über das von meinem verehrten Lehrer, Hrn. Prof. Luschka, in der vorhergehenden Abhandlung auseinander gesetzte Verhalten des M. lumboecostalis der Autoren anstellte. Ich hatte Ge- legenheit, von Hrn. Prof. Luschka gefertiste Präparate zu sehen. Da ich mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen konnte, dass diese Trennung, falls sie in der That eine mor- phologisch und physiologisch berechtigte sein würde, bei irgend einem Thiere deutlich ausgesprochen sein werde, so untersuchte ich einige mir gerade zu Gebote stehenden Thiere. Ich fand auch in der That diese Trennung ausgesprochen, und glaube desshalb, dass diese Untersuchung, so beschränkt sie auch sein mag, die Ansicht von Hrn. Prof. Luschka unterstützt. Die untersuchten Thiere sind die gemeine Meer- katze (Macaco cynomulgus), der Hund, die Katze und das Kalb. 1. M. iliocostalis Luschka. a. Beim Affen entspringt dieser Muskel von der crista ossis ilii und der Fasejia saerolumbalis. Er ist beinahe durch die ganze Läuge seines Verlaufs mit dem Muskelbauch des langen Rückenmuskels innig verwachsen. An seinem obern Ende ist er durch eine dünne Zellstofflamelle von ihm ge- trennt. Er spaltet sich nur in fünf Zacken, welche sich an die Winkeln der fünf untern Rippen inseriren. Das unterste Bün- del schiekt eine ganz feine Muskelparthie in das erste Ur- sprungsbündel des M. costalis dorsi, und die zwei obern Bün- del erhalten wieder einige wenige Fasern von dem genannten Muskel. Die zwei untern Bündel sind rein fleischig; die drei u; 161 obern gehen in ziemlich lange und starke Sehnen über. Diese Sehnen sind ungefähr eben so stark, wie die des M. costalis. Zu bemerken ist noch, dass der Versuch, die Identität der die beiden Muskeln wechselseitig verbindenden Fasern nach- zuweisen, misslang. Man kann allerdings ganz deutlich sehen, dass einzelne von den Fasern, die der M. iliocostalis an den M. costalis dorsi abgiebt, den letztern wieder verlassen und zum Iliocostalis zurückkehren; aber es ist durchaus nicht bei allen der Fall. b. Beim Hunde entspringt der Muskel von der Crista ossis ilii und der Fascia sacrolumbalis, und ist in seinen zwei untern Drittheilen innjg mit dem langen Rückenstrecker ver- wachsen, In seinem obern Drittheil ist er von demselben durch eine dünne Zellstofllamelle und den zwischen beiden Muskeln hineingreifenden M. costalis dorsi getrennt. Der Muskel spaltet sich an seinem obern Ende in fünf Zipfel, die sich an die fünf untern Rippen, dem Angulus costae ent- sprechend, inseriren, und zwar an die zwei untersten rein fleischig, an die dritte mit einer kurzen mässig breiten Sehne, und an die zwei nächsten mit zwei langen ungemein zarten Sehnen. Eine Verbindung mit dem M. costalis dorsi findet nicht statt. e. Bei der Katze entspringt der M. iliocostalis von der Crista ossis ilii und der Fascia sacrolumbalis. Er ist beinahe durch die ganze Länge seines Verlaufs mit dem Muskelbauch des langen Rückenstreckers innig verwachsen, und blos in seinem obern Fünftheil durch eine Zellscheide von ihm ge- trennt. Er spaltet sich nun in vier Zipfel, die sich an die vier untern Rippen, dem Angulus costae entsprechend, inse- riren. Die zwei obern Bündel sind sehr zart und lang, und gehen je in eine kurze feine Sehne über, Eine Verbindung zwischen ihm und dem M. costalis dorsi findet nicht statt. Im Ganzen genommen ist der Muskel sehr schwach entwickelt. d. Bei demKalbe ist der M. iliocostalis ein sehr schmäch- tiger, etwa 5 Pariser Zoll langer und 4 Linien dicker Muskel. Er entspringt mit einer dünnen, langen und breiten Aponeu- rose von der Orista ossis ilii und auch von der Fascia sacro- Müller’s Archiv. 1851. 11 162 lumbalis. Diese Ursprungsaponeurose ist mit dem Muskel- bauch des langen Rückenstreckers innig verwachsen, und geht dann in einen etwa 3 Zoll langen und nahezu spindelförmigen Muskelbauch über, der durch eine Zellscheide von dem Rücken- strecker getrennt ist. Der Muskel spaltet sich in drei Theile. Der unterste Theil, zugleich der schwächste, begiebt sich zum ersten Ursprungsbündel des Costalis dorsi; der zweite endet in eine Sehne, die sich an einem sie beinahe senkrecht treffenden sehnigen Streifen ansetzt. Dieser Streifen kommt von dem ersten Lendenwirbel, entspricht in seinem Laufe vollkommen einer Rippe und geht in den M. obliquus exter- nus über. Der dritte Theil geht über in eine starke, an die erste Rippe sich ansetzende Sehne und in zwei ungemein feine Sehnenfäden, die sich mit dem M. costalis vereinigen, und zwar in der Weise, dass sie an ihrem obern Ende in dünne Muskelfasern auslaufen, die sich dem Costalis bei- mischen. 2. M. costalis dorsi Luschka*). a. Beim Affen entspringt dieser Muskel fleischig mit zehn Bündeln von den zehn untern Rippen nach einwärts vom Angulus costae. Die Muskelfasern steigen schräg nach oben und etwas nach aussen, und gehen in acht Sehnen über, die sich an die sieben obern Rippen, dem Angulus costae entsprechend, und an den Querfortsatz des siebenten Hals- wirbels befestigen. Das Bündel, das der letztere erhält, ist das stärkste und sehnig fleischig, während die übrigen rein sehnig sind. Aus dem vorletzten Ursprungsbündel geht ein feines Muskelbündelehen ab, dass sich mit dem Heber der dritten Rippe vereinigt. b. Bei dem Hunde entspringt der Costalis dorsi von den zehn untern Rippen, und zwar an der untersten Rippe mit einer ziemlich langen und breiten Sehne. An den übri- gen Ursprungsbündeln werden die Sehnen immer kürzer, je weiter nach aufwärts sie entspringen; zugleich sind die Mittel- *) Nicht zu verwechseln mit dem von Hın. Prof. W. v. Rapp bei den Cetaceen beschriebenen Muse. costalis. 16: bündel die stärksten, die Endbündel die schwächsten; dadurch erhält der Muskel seine spindelförmige Gestalt. Die Muskel- fasern steigen schräg nach oben und aussen und bilden neun Sehnen, die sich an den Winkel der acht obern Rippen und den Querfortsatz des siebenten Halswirbels ansetzen. Die Sehnen sind lang und ziemlich stark. Bei dem untersuchten Exemplare spaltet sich eine der Sehnen, wahrscheinlich blos individuell, in zwei, die sich jedoch neben einander ansetzen. An dem obern Ende des Muskels geht nach innen eine zehnte Sehne ab, welche sich vereint mit der entsprechenden Sehne des langen Rückenstreckers an die äussere Seite des Tuber- eulum der ersten Rippe ansetzt. Somit bekommt diese Rippe zwei Sehnen von dem M. costalis dorsi. Alle Sehnen dieses Muskels sind bedeutend stärker, als die des M. iliocostalis, während beim Menschen und Affen die Sehnen beider Mus- keln so ziemlich gleich stark sind. e. Bei der Katze entspringt er mit zehn fleischigen Zacken von zehn Rippen; von der untersten erhält er keinen. Die Muskelfasern gehen nach oben und aussen und bilden neun Sehnen, welche sich an den Winkel der acht obern Rippen und an den Querfortsatz des siebenten Halswirbels inseriren. Es erhält also die fünfte Rippe von unten gerech- net weder vom M. costalis dorsi, noch vom M. iliocostalis eine Ansatzsehne. d. Bei dem Kalbe stellt der M. costalis dorsi einen sehr beträchtlichen, etwa 1, Fuss langen und 1", Zoll brei- ten Muskel dar. Seine zwei untersten Ursprungsbündel gehen, gedeckt von dem Bauche des langen Rückenstreekers, je mit einer breiten platten und dünnen Aponeurose vom (uerfort- satz der zwei ersten Lendenwirbel ab; sie kreuzen in ihrem Verlaufe den schon oben bei dem M. iliocostalis beschriebe- nen Sehnenstreifen, der von dem ersten Lendenwirbel zum M. abdominis obliquus externus geht. Diesem Sehnenstreifen entspricht vollständig ein zweiter, jedoch weit zarterer Strei- fen, der vom zweiten Lendenwirbel abgeht. Dieser letztere Streifen giebt dem untersten Ursprungsbündel des M. costalis dorsi, und der Streifen des ersten Lendenwirbels dem zweiten j1* 164 Ursprungsbündel sehnige Fasern ab. Doch ist die Verbin- dung des zweiten Bündels mit dem ersten Sehnenstreifen eine viel ausgedehntere und innigere. Die übrigen Ursprungsbün- del kommen von den Rippen, mit Ausnahme des zweiten oder dritten obern. Der Muskel setzt sich mit seinen Sehnen an den Querfortsatz des siebenten Halswirbels und an die Wirbel der Rippen mit Ausnahme ‘der zwei untern. Die zweite Rippe von unten erhält also weder von dem M. ilio- costalis, noch von dem Costalis dorsi ein Ansatzbündel. Vergleichen wir nun zunächst die beiden Muskeln, wie wir sie bei den untersuchten Thieren gefunden haben, abge- sehen von ihrer Verbindung unter einander und mit andern Muskeln, so finden wir, dass sie ohne Ausnahme gleichen Ursprung und Ansatz haben. Der Iliocostalis entspringt im- mer vom Darmbein und setzt sich an die untern Rippen an, oder an Gebilde, die ohne Zweifel vollständig den Rippen entsprechen (so beim Kalbe). Die Zahl der Rippen, an die er sich ausetzt, ist verschieden. Der M, costalis dorsi ent- springt immer von Rippen nach einwärts vom Winkel der- selben, oder, wie beim Kalbe, von Rippen entsprechenden Theilen, und setzt sich an die Winkel der Rippen an. Die Ursprungsbündel sind immer zahlreicher, als die Insertions- bündel. Was das Verhältniss der genannten Muskeln zu einander betrifft, so findet sich Dei dem Hunde und der Katze keine Verbindung. Dieselbe findet sich jedoch bei dem Menschen, dem Affen und Kalbe. Bei allen diesen wird die Masse der Verbindungsfasern, die der Iliocostalis zum Costalis dorsi schickt, von der Masse des letztern um mehr als das Hun- dertfache übertroffen. Dazu kommt noch, dass bei den unter- suchten Thieren der M. costalis dorsi an Masse den Ilioco- stalis bedeutend, beim Kalbe wohl um das 15 — 20fache über- trifft. Es kann also die Verbindung des Iliocostalis mit dem Costalis dorsi keine erhebliche Wirkung auf den letzteren entfalten, und unter keinen Umständen kann der letztere als Verstärkung des ersteren betrachtet werden. Sucht man nun eine Erklärung dieser Verbindung, so lässt sie sich vielleicht 165 in dem Satze ausdrücken: Zwei Muskeln, die, wenn auch nur zum Theil, die gleiche Funktion haben, können sich durch ihre Fasern einfach oder doppelt verbinden, ohne dass daraus die Einheit dersel- ben folgt. Der Satz wird noch bestätigt, wenn wir das Verhältniss der genannten Muskeln zu den sie umgebenden betrachten. Die umgebenden Muskeln sind der M. longissimus dorsi, ein Rippenherabzieher, die Levatores costarum und der Cervi- calis ascendens, beide Rippenheber. Der M. iliocostalis nun hat die Funktion, Rippen herabzuziehen, er wird sich also auch verbinden können mit dem Longissimus dorsi und dem M. costalis dorsi. Die Verbindung mit dem letzteren ist schon besprochen, und die mit dem ersteren ist constant vorhan- den, wenn auch nicht immer gleich stark. Der M. costalis dorsi kann vermöge der Gleichbeweglichkeit seines Ursprungs und Ansatzes zwei entgegengesetzte Wirkungen’ entfalten, er kann die Rippen hinauf- und herabziehen. Diess spricht sich auch in seinen Verbindungen aus. Er verbindet sich mit den Herabziehern, dem M. iliocostalis beim Menschen, Affen, Kalbe, dem M. longissimus dorsi beim Hunde; ebenso aber auch mit den Aufwärtsziehern, dem Levator costae beim Affen und dem Cervicalis ascendens beim Menschen. Alle diese Verhältnisse zusammengenommen, wird vom vergleichend - anatomischen Standpunkt aus der Ausspruch gerechtfertigt sein, dass der M. lumbocostalis der Autoren morphologisch und physiologisch in zwei getrennte Muskeln zerfällt. 166 Der gelbe Fleck im eigenen Auge sichtbar. Von Prof. A. Burow, Director des Königl. Chirurg. Poliklinikums der Universität Königsberg. (Hierzu Taf. VIII. Fig. 1.) Bekanntlich wird das Gefässnetz der eigenen Retina sicht- bar, wenn man in einem dunkeln Raume das eine Auge schliesst, und vor der Wange der anderen Seite eine Licht- flamme in leichten Bewegungen hin und her führt. Es ist mir gelungen, bei diesem Versuche den gelben Fleck meines eigenen Auges deutlich wahrzunehmen, und da mehrere mei- ner Freunde und Zuhörer die Richtigkeit meiner Beobachtung an ihrem eigenen Auge vollständig bestätigt haben, und diese bis jetzt neue Thatsache mir hinlänglich interessant erscheint, glaube ich sie hiermit der Oeffentlichkeit übergeben zu dürfen. Das Luftbild der Retina-Adern, die der Versuch uns zeigt, ist ein umgekehrtes; die Aderstämme, welche die Verzwei- gungen liefern, kommen von aussen her, mit Hauptästen, die aus einem gemeinsamen Punkte entspringen, und von denen der eine Theil nach oben, der andere nach unten hin ver- läuft, um dann in einer horizontalen Richtung weiter zu gehen. Es ist das die aus der Beobachtung mit dem Augenspiegel hinlänglich bekannte Configuration: die gemeinsame Ursprungs- stelle »ntspricht der Papille des Nervus optieus, und der Um- stand, dass dieselbe nach aussen gesehen wird, während sie nach innen hin liegt, beweist hinlänglich, dass das Luftbild ein verkehrtes sei, wenn nicht schon theoretische Gründe dafür sprächen, dass es wirklich ein solches sein müsse. 167 Bei genauer Beobachtung sieht man in dem Punkte, der der Axenrichtung des Auges entspricht, also in der Mitte des Bildes, die Gefässstämme nach einem Punkte hin convergiren und in die feinsten noch wahrnehmbaren Verzweigungen aus- laufen. Fast alle zeigen bei genauer Beobachtung kurz vor ihrem Ende eine kaum noch sichtbare diehotomische Spal- tung, und zwar in der Art, dass die einander entgegenstehen- den Aestchen eine Anastomose bilden, und auf diese Weise ein Gefässkranz entsteht, der fast parallel mit dem Rande des sogleich zu beschreibenden gelben Flecks verläuft. Zwischen diesen Gefässenden nämlich liegt ein Oval, der gelbe Fleck, dessen Längenaxe der horizontalen entspricht, und etwa ein halb Mal so lang als der Querdurchmesser ist. Es erscheint dasselbe überaus scharf und zart begrenzt, und in der Art beleuchtet, dass die obere Fläche hell, die untere, der leuchtenden Flamme zugekehrte, sanft abschattirt wahr- genommen wird, also den Anblick einer von unten her be- leuchteten grubenartigen Vertiefung gewährt. Erwägt man aber, dass das sich darstellende Bild ein um- gekehrtes, die obere beleuchtete Fläche also dem Lichte zugekehrt und in Wirklichkeit die untere sei, die untere dun- kele aber nach oben hin liege, so folgt daraus, dass dieses Oval eine kegelförmige in die Höhle des Glaskörpers hinein- ragende Erhöhung bilde. Es wird diese Ansicht ausser allen Zweifel gestellt, wenn man die Richtung der Beleuchtung ändert. Erzeugt man das Bild durch Bewegungen der Lichtflamme vor der Stirn, also durch Beleuchtung von oben her, so liegt die dunkle Fläche nach oben, hält man das Licht nach aus- sen, s0 liegt es gleichfalls hierhin und die erleuchtete Fläche nach der entgegengesetzten Seite, mit einem Worte also: jedesmal nach der Richtung, von der die Beleuchtung aus- geht. Wird die leuchtende Flamme der Augenaxe genähert, so wird der ihr zugewendete Schatten schmäler, aber ent- schieden intensiver. Bei gewissen Stellungen des Lichts ent- stehen am Rande des Ovals chromatische Erscheinungen, und zwar sieht man an der Schattenseite den Rand nach aussen 168 hin roth oder orarge abgetont, während der gegenüberlie- gende Rand blaue Färbungen zeigt, die indessen viel weniger deutlich hervortreten. Dass der gelbe Fleck wirklich kegelförmig in den Raum des Glaskörpers hineinrage, hatte ich bei Untersuchungen eben Gestorbener bereits im Jahre 1358 nachgewiesen. Erscheinungen, welche Schlüsse auf die Textur des gel- ben Flecks selbst machen liessen, habe ich nicht wahrneh- men können, die ganze Fläche des Ovals sieht, abgesehen von den wechselnden Schatten, die darauf willkührlich her- vorgerufen werden können, homogen aus. Anders verhält es sich mit der übrigen Retinafläche, auf der ich, wenn auch nicht scharf begrenzt, doch deutlich ge- nug geschieden, Körnchen wahrnahm, deren ungefähre Grösse ich später bestimmen werde. Es drängt sich zunächst die Frage auf: wodurch die scharfe Begrenzung des Ovals, der dem gelben Fleck entspricht, be- dingt werde. Es sind hier nur zwei Möglichkeiten: entweder fehlt der übrigen Retinafläche irgend ein Stratum, das nur dem gelben Fleck angehört, und das eben hier der Function des deut- licheren Sehens vorsteht, oder gewisse Gebilde der Retina durchbrechen an dieser Stelle über ihr lagernde Schichten, und ragen hier gewissermassen wie Tastorgane des Sehver- mögens in den Raum der brechenden Medien hinein. Dann entspräche die Begrenzung des Ovals dem Rande dieser durch- brochenen Straten. Während die erste Annahme in keiner Hinsieht durch die mikroskopische Beobachtung der Retina unterstützt wird, fin- det die letzte in derselben einen wesentlichen Halt. Von allen mir bekannten Darstellungen der Textur der Netzhaut ist die von Kölliker gegebene diejenige, welche ich mit den Resultaten meiner Beobachtung am bestimmtesten in Einklang zu bringen im Stande bin, und schon Kölliker hat nachgewiesen, dass die Ausbreitungen der Optikus- Fasern nicht über den gelben Fleck hin sich verfolgen lassen. So wäre denn die scharfe Begränzungslinie als der Rand der 169 Optikusausbreitung anzusehen; ich glaube aber, nach dem, was ich zu sehen Gelegenheit hatte, dass sowohl die Lage grauer Nervensubstanz als auch die Körnerlage über dem gelben Fleck fehle, und hier die vordere Fläche der Zapfen nur gedeckt von der Membrana limitans in den Glaskörper hineinrage. e Die ganze Fläche der Macula lutea, d.h. die ganze ko- nisch ins Corpus vitreum hinausragende Fläche der Zapfen- schicht scheint gar keine Stäbchen zu haben; erst die am Rande des Ovals liegenden Zapfen sind von Stäbchen ein- fach umkränzt, während nach aussen hin die Zapfen von einer immer grösser werdenden Anzahl sich dazwischen lagern- der Stäbchen immer weiter von einander gedrängt erscheinen. Die Grösse des Luftbildes, in der sich das Oval des gel- ben Flecks darstellt, ist leicht messbar, es erscheint in einem Abstande von 65 von der vorderen Hornhautflläche 44 lang und 30 hoch, woraus sich für seine wirkliche Grösse eine Länge von 0,66 und eine Höhe von 0,47 ergiebt. Die Körnchen, welche den Grund der Retina bedecken, ha- ben nach einer auf ähnliche Weise angestellten Messung eine Grösse von 0,003, die annäherungsweise dem Durchmesser der Retinakörnchen entspricht. Es würde mich freuen, wenn die gegebenen Mittheilungen durch fernere genauere Beobachtung noch weitere wissen- schaftliche Resultate lieferten. { Zunächst glaube ich, wird es vielleicht möglich sein, für die praktische Mediein den Versuch auszubeuten, da mög- licher Weise durch denselben Krankheitszustände der Retina zur entoptischen Beobachtung des Kranken selbst gebracht werden können. 170 Der Mechanismus der Haftzehen von Ayla arborea. Von Dr. v. Wırrıch, Privat - Docent in Königsberg. (Hierzu Taf. VII. Fig. 2. 3.) Es ist eine bekannte Sache, dass sich die Gattung Hyla vor allen übrigen unserer Frösche wesentlich durch die Gestal- tung der Endglieder ihrer Extremitäten unterscheidet, die sie gerade befähigt, nicht allein an ganz glatten Flächen empor zu klettern, sondern auch an eine senkrecht stehende, noch so glatte Wand zu springen und hier augenblicklich zu haften. Beobachtet man Laubfrösche in einem geräumigen Glase, während man ihnen ab und zu Nahrung hineinwirft, so über- zeugt man sich leicht, dass die Kraft, mit der ihre Haft- glieder wirken, im Verhältniss zur Grösse und zum Körper- gewichte der Thiere keine unbedeutende ist. Gar oft nämlich sieht man sie von einem Ast, einer Leitersprosse nach einem Objekt springen; der Sprung missglückt, weil der eine der Hinterfüsse, ja oft nur eine seiner Zehen haften bleibt, und der vorgeschnellte Körper bleibt mitten im Sprunge hängen. In dieser Stellung finden wir schon auf dem Titelkupfer zu Rösels Historia ranarum einen Laubfrosch abgebildet. Die Haftzehe trägt somit nicht allein das ganze Körpergewicht des jetzt herabhängenden Thiers, sondern sie hat auch noch die ganze Kraft des Sprunges zu überwinden*). Beobachtet *) Um annähernd die Tragkraft einer einzelnen Haftzehe direkt zu bestimmen, befestigte ich an eine glatte Metallplatte von circa 1 Qua- dratzoll Fläche ein an drei Fäden hängendes Schälchen. Hierauf wurde der Frosch an den hintern Extremitäten fixirt und der einen 171 man einen so hängenden Frosch, so ist es ferner auffallend, dass er sich um loszukommen meistens an dem haftenden Fuss zunächst emporzieht- und erst wieder aus seiner sitzen- den Stellung von Neuem den Sprung wagt. Ist das Haften seiner Zehen ein der Willkühr des Thieres direkt unterwor- fener Akt, wie z.B. die Thätigkeit der Saugscheiben unserer Trematoden, so ist die Unbehülflichkeit desselben sowohl beim Springen, als bei dem Losmachen der haftenbleibenden Zehen schwer zu begreifen. Wir finden in den verschiedenen Thierklassen zweierlei Vorrichtungen , um das Gehen an glatten senkrechten oder ho- rizontalen Flächen zu ermöglichen. Entweder sind die Thiere durch einen eigenthümlich angeordneten Muskelapparat im Stande, ihre Saugscheiben in der Mitte abzuziehen, und sich so anzuheften; oder die Endglieder ihrer Füsse sind auf ihrer Sohle mit unzähligen kleinen Härchen oder Papillen besetzt, mit denen sie dann an die ja auch den scheinbar glätte- sten Flächen noch zukommenden minutiösen Unebenheiten eingreifen und haften. In letzter Art sehen wir die Fuss- sohlen unsrer Stubenfliege construirt; eine Vorriehtung, die es ermöglichte, die ziemlich stark convex gekrümmte Sohle nach der Mitte einzuziehen, und sie so als Saugapparat wir- ken zu lassen, habe ’ich nie finden können. Es schien nun von Interesse, die Haftzehen von Hyla arborea hierauf zu der beiden herabhängenden vordern jene Platte zum Haften vorge- halten. Der Frosch wog 3 Gramm., und trug die 3,2 Gramm. schwere Platte und Schaale sehr leicht. Letztere wurde nun allmählig belastet, doch so, dass man durch Stützen derselben dem Thiere von Zeit zu Zeit Rulıe liess». Die äusserste Belastung, die dasselbe noch mehrere Zoll hoch hob, waren 13 Gramm., es ist somit im Stande, mehr als das fünffache seines eigenen Gewichts mit den vier Haftzehen einer Hand zu tragen. Sind nun auch die vier dargebotenen Flächen nicht vollkommen gleich, so können wir sie doch, da es ja auch nur auf eine annähernde Bestimmung ankommt, als gleich setzen, und bekom- R A 2 men so für eine einzelne Zehe als Kraftbestimmung Gramm. - 4,05 Gramm. Der Frosch wäre somit im Stande, mit einer Haft- scheibe sein Eigengewicht +% desselben zu tragen. 172 untersuchen, um zu einer Einsicht zu kommen, welche der vorerwähnten mechanischen Vorriehtungen in ihnen wirksam wären. . Die Endglieder der Zehen bei Hyla zeigen eine fast halb- kugelförmige Anschwellung, die ihre Convexität nach unten kehrt. Die Haut der Streckseite grenzt sich von diesem run- den Polster der Sohle durch eine seichte Vertiefung ab, und bildet so eine etwas seitlich über letztere hinausragende Na- geldecke, die durch die ziemlich stark vorspringende Spitze der vordersten Phalanx in der Mitte etwas gehoben ist, Haf- ten die Zehen an einer Glasfläche, so ist vor Allem die con- vexe Sohlenfläche platt, breiter, während gleichzeitig die Pha- lanxspitze niedergedrückt nicht mehr hervorragt, vielmehr ist die Haut darüber vertieft. Bei genauerer anatomischer Zerlegung der Zehen ergiebt sich zunächst eine wesentlich andere Gelenkverbindung der beiden letzten Phalangen, als wir sie sonst bei den übrigen Fröschen finden. Während nämlich bei letzteren die beiden Gelenkenden direkt mit einander artikuliren, ist hier noch ein bieoncaver Zwischenknorpel eingeschoben; während ferner die beiden Knochen ziemlich in einer zur ganzen Plantar- fläche horizontal liegenden Ebene liegen, die vorderste Pha- lanx höchstens etwas abwärts gekrümmt erscheint, bildet sie bei Hyla arborea mit der Plantarfläche fast einen Winkel von 35°. Das Gelenkende der vordersten Phalanx ist nahe eine vollkommene Kugel, und ruht in der vordern Concavität des Zwischenknorpels. Das dem Zwischenknorpel zugekehrte Gelenkende der vorletzten Phalanx ist nicht einfach kugelig, sondern besteht aus zwei ungleich eonvexen Flächen, die sich nach der Axe der Phalanx zu schneiden. Beide Con- vexitäten haben nicht allein einen ungleichen Krümmungs- halbmesser, sondern bieten auch verschieden grosse Kugel- flächen dar. Die kleinere, der Beugeseite zugelegene greift in die Concavität des Zwischenknorpels. Die Befestigung des Gelenks erfolgt durch eine mässig feste Kapsel, die noch durch ein oberes und ein unteres Kapselband, von dem Pe- riost der vordern Phalanx zu dem der vorletzten gehend, so 173 wie durch zwei schräg von der Beugseite der vordern zur Streckseite der vorletzten Phalanx verlaufende Ligamenta late- ralia verstärkt wird. Durch diese Anordnung des Gelenkes ist es ermöglicht, dass bei übrigens gleich wirkenden Kräften, d.h. bei gleichen Muskelapparaten doch eine wesentlich an- dere Wirkung hervorgebracht wird. Die vordere Phalanx folgt nicht einfach der Beugung oder Streekung der übrigen Phalangen, wie solehes bei jenen geschieht, bei denen die Spitze der ersteren wenigstens annähernd in gleicher Plantar- ebene liegt, sondern kann wegen der kugelförmigen Gestalt des Gelenkknorpels, die weder nach oben noch nach unten durch irgend welche Vorrichtung an dem korrespondirenden Gelenktheile behindert wird, einen sehr viel grösseren Bogen beschreiben, dessen Mittelpunkt mit dem Mittelpunkt der Ku- gel zusammenfällt. Der ganze Gelenkknorpel stellt nach un- gefährer Schätzung wohl zwei Drittheil einer Kugel dar, der- selbe würde daher im Stande sein, in der durch die Flektion und Extension bestimmten Ebene einen Winkel von 240° zu beschreiben, wenn anders sein Bänderapparat kein Hinder- niss böte. Die kugelförmige Gestalt des Knorpelendes er- möglicht aber auch ferner eine ziemlich starke seitliche Be- wegung der vordersten Phalanx, die, wie wir später noch sehen werden, auch:zur Anwendung kommt, und die da- durch noch begünstigt wird, dass wie bereits erwähnt die Ligamenta lateralia nicht straff in gerader Linie von einem Gelenkende zum anderen gehen, sondern sich schräg von der Beugseite der vordern zur Streckseite der vorletzten Pha- lanx hinziehen. Die Bewegungsfähigkeit der vordern Phalanx lässt sich daher bequem als einen Kegel darstellen, dessen Spitze im Drehpunkt der Gelenkkugel zu liegen kommt. Die Gelenkkapsel ist locker genug, um der Bewegung nicht hin- derlich zu sein, von wesentlichem Einfluss aber ist die Art und Weise, wie sich die Sehnen der Flexoren und Exten- soren an den knöchernen Theil der vordern Phalanx inse- riren. Der Flexor digitorum eommunis tritt an der Radial- seite in die Palmarfläche der Hand, und schickt von der Faseia palmaris, in die er zunächst ausgeht, die Sehnen für die ein- 174 zelnen Finger. Sie werden durch bandartige Scheiden an die ersten Phalangen befestigt, ohne sich an sie zu inseriren. Kurz vor dem Knorpelende der vorletzten Phalanx spaltet sich die Sehne in zwei, und schlägt sich äusserst lose um das nach unten gekehrte Kugelsegment des Gelenkknorpels der vordersten Phalanx, und heftet sich an die Rückenfläche des knöchernen Theils desselben unmittelbar hinter seiner Knorpelbekleidung. Man kann sich leicht an ganz frischen Präparaten, selbst an lebenden Thieren, wenn man ihnen die Hautdecken abträgt, überzeugen, dass die beiden sehni- gen Anheftungen des Flexor digitorum communis für die Be- wegung nach oben sehr viel Spielraum lassen, so dass von ihnen wohl kein Hinderniss für dieselbe erwächst. Wie schon aus der früheren Beschreibung der knöchernen und knorpe- ligen Theile des Gelenkes hervorgeht, artikulirt nur das un- tere Kugelsegment der vorletzten Phalanx mit dem Zwischen- knorpel, daher kommt es, dass das obere auf der Streekseite stark vorragt. Ueber diese Prominenz als Stützpunkt und an sie durch Bandmassen befestigt, gehen die Extensoren- sehnen straff fort und inseriren sich an der Rückenfläche der Phalanx dicht hinter dem Knorpel. Die zu starke Beugung der letzteren wird durch diese Befestigung verhindert, so dass nach dieser Seite hin das sonst so freie Kugelgelenk etwas beschränkter erscheint. Von der Beugseite der Gelenkkapsel erstreckt sich nun ferner eine fascienartige Ausbreitung seh- niger Gebilde nach der Sohle der Endphalanx, und zwar kreuzen sich die Fasern, so dass dieselben dicht vor dem Gelenkkopfe von dem rechten Theile der Kapsel nach links und umgekehrt ziehen, und unter einem spitzen Winkel strah- lenförmig in der Sohle verlaufen. Auf diese Weise werden die beiden Flexorensehnen, die zwischen der Fascie und dem Gelenkknorpel fortgehen, ziemlich fest an letzteren gedrückt und so ihre Wirkung dahin modificirt, dass beim Anziehen derselben nur der Zwischenknorpel mit dem Gelenkende der vordern Phalanx zusammengedrückt eine gemeinsame Bewe- gung gegen die vorletzte Phalanx ausführt, so dass die Flexoren hier ganz so wirken, als ob ihre Sehnen an dem 175 dem Zwischenknorpel zugekehrten Kugelsegment befestigt wären, also in der Riehtung, die durch die Lage des Flexors zur Axe der vorletzten Phalanx bestimmt wird. Die Gelenk- enden werden einander genähert, der ganze Finger gebeugt, ohne dass die Stellung der vordern Phalanx zu den übrigen sich ändert. Stützt man dagegen die vorletzte Phalanx oder auch nur ihre Gelenkverbindung mit der letzten, und hindert so den Finger, sich gegen die Palmarfläche einzuschlagen, so wirkt die Sehne wie ein zweiarmiger Hebel, dessen Stütz- punkt das der Planta zugekehrte Kugelsegment des Gelenk- knorpels ist, und bringt eine Bewegung des letztern gegen den Zwischenknorpel hervor, der jetzt der Gelenkfläche der Nachbarphalanx fest anliegt. Soviel über die mechanischen Vorrichtungen des Gelenkes, die im Wesentlichen an den Fingern und Zehen vollkommen übereinstimmen, so dass ich keinen Verstoss zu machen glaubte, wenn ich beide gemein- schaftlich bisher behandelte. Kleine Unterschiede finden sich nur hinsichts der Grösse der Zwischenknorpel und der Grösse der Krümmungsflächen der vorletzten Phalangen, die aber, wie ich glaube, nicht von wesentlichem Einfluss auf die Wir- kungsart der Phalangen gegen einander sind. Fassen wir aber das zusammen, was sich aus dem Bisherigen für den ganzen Gelenkmechanismus ergiebt, so sehen wir, dass wir es 1) mit einem Kugelgelenk zu thun haben, das eine ziem- lich freie Bewegung der letztern Phalanx nach allen Seiten ermöglicht. Die Hauptrichtung der durch dieselbe ausgeführ- ten Bewegungen liegt aber, wie wir weiter sehen werden, in einer Ebene, die senkrecht auf der Längenaxe der Phalanx steht, und zwar ermöglicht der Gelenkmechanismus 2) eine starke Beugung der, in der Ruhe zur nächsten Phalanx in einem spitzen Winkel gestellten, so wie eine nicht geringere Streckung; 3) dient das der Sohle zugekehrte Kugelsegment des Gelenkkopfes der Flexorensehne als Rolle, so dass die- selbe mit verhältnissmässig geringem Kraftaufwande ein kräf- tiges und schnelles Herabdrücken möglich macht. Umgekehrt dient die Prominenz der vorletzten Phalanx auf der Streck- seite als Rolle für die Extensoren, die dann ein schnelles 176 und kräftiges Abziehen der vordern Phalanx bewirken kön- nen, ebenfalls mit verhältnissmässig geringer Kraft. Die letzten Phalangen der vordern Extremität werden nur durch den an der Radialseite verlaufenden Flexor digitorum communis bewegt, der sich in der Handwurzel zunächst in die Fascia palmaris fortsetzt und von ihr die Sehnen für die vier Finger abgiebt. Von den übrigen in der Beugeseite der Hand entspringenden Muskeln, die theils dem Flexor digi- torum profundus, theils den Lumbricalen der menschlichen Hand entsprechen, kann ersterer nur die ersten Phalangen beugen, die letzteren dagegen gehen meistentheils an die Seh- nen der Extensoren, theils befestigen sie sich auf der Streck- seite der genannten Phalangen, und werden daher fälschlich zu den Flexoren gezählt. Gestreckt werden die letzten Pha- langen der drei äusseren Finger durch den an der Ulnarseite hingehenden Extensor, der sich in der Gegend der Hand- wurzel in drei Zipfel theilt, von denen jeder wiederum in der Gegend der ersten Phalanx in zwei ausläuft. Einer der beiden letzteren setzt sich unmittelbar an die Streckseite der ersten Phalanx, der andere geht in eine lange Sehne aus, die an der Ulnarseite der Finger hinzieht. Der Daumen hat seinen eigenen Extensor, der unter dem Radialrande des vo- rigen hervortritt, und dessen lange Sehne mit der eines Mus- kels verschmelzend, der dem Adductor pollieis entspricht, an der Radialseite des Daumens verläuft. An derselben Seite der übrigen Finger, so wie an der Ulnarseite des Daumens verlaufen in ähnlicher Weise die Sehnen der den interossei dorsales entsprechenden Muskeln, die zwischen den einzelnen Zipfeln des Extensors hervortreten. In der Gegend des letz- ten Phalangengelenks vereinigen sich nun die beiderseitigen Sehnen zu einer Fascie, die dann über den Condylus der vorletzten fort, zur Streckseite der letzten Phalanx geht. Im Wesentlichen ist der Muskelapparat der hintern Extremitäten dem der vordern ziemlich analog, die Flexion erfolgt theils durch den Flexor digitorum longus, theils durch den Flexor digitorum breyis, deren Sehnen sich ganz wie die der Hand an die letzten Phalangen inseriren. Die Extension bewirken 177 je zwei kleine Muskeln, die seitlich von den Phalangen ver- laufen, und deren lange Sehnen sich wie die der vorderen Extremitäten auf der Streckseite des Nagelgliedes vereinigen; Dug&s führt sie als interosseux dorsaux auf*). Was nun die übrigen histologischen Verhältnisse der vor- dersten Fingerglieder betrifft, so fällt zunächst auf, dass die Verbindung der Outis mit den darunter liegenden Theilen eine weit innigere ist, als an dem übrigen Körper. Der Versuch, sie von ihrer Unterlage abzustreifen, misslingt stets, sie ist mit der schon früher beschriebenen Palmar- oder Plantarfascie der Zehen vollkommen verwachsen, und liegt auch der Rück- seite der Phalanx dicht an, nur seitlich von letzterer ist sie etwas lockerer, lässt sich aber auch hier schwer abstreifen. An Fröschen, die todt circa 24 Stunden in Wasser lagen, kann man die Epidermis in continuo abziehen; unter dem Mikroskop erscheinen die Zellen derselben auf der untern gewölbten Fläche feinkörnig erfüllt, bräunlich, nicht so klar und durchsichtig als an den übrigen Theilen, auch ist die Epidermis hier mehrschichtig und liegt, wie gesagt, mit ihren jüngeren Zellen dicht auf der Fascie, zwischen deren Fasern hie und da, bald sparsamer bald dichter, meist spindelförmige oder gesternte Pigmentzellen auftreten. Das kuglige Polster des Endgliedes ist zunächst von Bindegewebe erfüllt, das reich an kernfaserigen Gebilden sich von dem kegelförmigen Knochen aus der Sohle zu verbreitet. Muskulare Elemente finden sich weder in diesem das Polster bildenden Bindege- webe, noch in der Fascie. Wohl aber liegen in ihm einge- beitet gegen 20 lange schlauchförmige Drüsen, die alle mit *) Dug&s: Recherches sur l’ost&ologie et la myologie des batra- ciens, pag. 140. Es konnte mir im Vorliegenden nicht einfallen, eine genaue Myologie der Frosch-Extremitäten zu geben, die noch sehr viel zu wünschen übrig lässt, zumal ich leider gezwungen war, meine Mus- kelbestimmungen nur an der ihrer Kleinheit halber hierzu wenig ge- eigueten Hand von Hyla arborea zu machen. Duge&s verführt in sei- ner Myologie der Extremitäten sehr aphoristisch, indem er meist nur eine trockene Namenerklärung der Abbildungen ohne genauere Anga- ben über Ansatz und Wirkung giebt. Seine Bezeichnung der Lum- briealen der Haud als Flexoren ist sicherlich irrthümlich. Müllers Archiv. 1854. 12 178 ihren Blindsäcken nach der Streckseite zu eonvergiren, die Plantarfaseia durchbohren und nach aussen münden. Diesel- ben sind von einem Pflasterepitel ausgekleidet, ihre Länge entspricht der Dicke des Polsters. Contractile Elemente konnte ich auch an ihren Wandungen nicht nachweisen. Ein eigent- licher Saugapparat liegt somit hier bei den Zehengliedern von Hyla arborea nicht vor, das ganze Zehenpolster wird viel- mehr von einem ungemein elastischen wegen seiner drüsigen Einstülpungen leieht zusammendrückbaren Gewebe gebildet, dem keine aktive Contraction zukommt. Das Zehenpolster reicht nach dem Körper zu nur bis zum Gelenkknorpel der Phalanx, so dass der Zwischenknorpel, so wie auch noch der Gelenktheil des ersteren nicht mehr von ihm bedeckt werden. Es ist daher auch nicht denkbar, dass mit dem Andrücken der Phalanx eine gleichzeitige Abduktion des Ge- lenks das unter ihm liegende Polster in seinem mittleren Theil abhebt und so auf indirektem Wege eine Saugscheibe darstellte. Es war daher nothwendig, einen anderen Erklä- rungsgrund für die bekannten Erscheinungen zu suchen. Schon ältere Autoren nehmen die Klebrigkeit des Hautsekrets hier- zu zu Hülfe. Es ist natürlich nicht daran zu denken, eine hinreichende Menge des Sekrets zu gewinnen, um seine phy- sikalischen und chemischen Eigenschaften kennen zu lernen. Dasselbe reagirt, wenn man die Zehenballen auf blaues Lac- muspapier setzen lässt, sehr entschieden sauer. Es lässt sich ferner aus der mikroskopischen Untersuchung der Drü- sen und ihrer Zellen auf einen geringeren Fettgehalt des Se- krets im Verhältniss zu den sonstigen Hautsekreten der Frösche schliessen. Während nämlich die den bekannten sehr fett- reichen Milchsaft secernirenden Hautdrüsen theils tropfenför- miges freies Fett, theils sehr stark fetthaltige Zellen mehr in der Höhlung liegend, theils endlich vollkommen helle und durchsiehtige kernhaltige Zellen unmittelbar auf der Tunica propria der Drüse zeigen, sind die Höhlungen dieser Drüsen- schläuche meist nicht nur mit einem wohl feine Körnchen, aber scheinbar gar kein Fett haltenden Inhalt erfüllt, son- dern auch die Zellen ohne Fettgehalt. Um etwas mehr von 179 dem Sekret zu erhalten, setzte ich ein Paar Laubfrösche in ein weites Reagenzglas und nöthigte sie, häufig auf und ab zu klettern. Die Wandung des Glases bedeckte sich bald mit einer schleimigen Schicht, die jedoch immer noch zu we- nig Masse bot, um sie auf ihre Zähigkeit zu prüfen, doch spricht die Leichtigkeit, mit der sie sich im Wasser vertheilt, keineswegs für einen hohen Grad von Zähigkeit. Die Wan- dungen wurden nämlich hierauf mit der Spritzflasche abge- spült, jedoch im Ganzen nur wenig Wasser hierzu verwendet. Die schleimigen Massen vertheilen sich schnell und die Flüs- sigkeit war dann vollkommen klar, trübte sich nicht durch Salpetersäure, auch nicht beim Kochen, zeigte aber beim Sieden jene den Proteinlösungen eigene Blasenbildung. Be- diente man sich statt des Wassers Alkohols zum Abspülen des an dem Glase haftenden Sekrets, so schwimmt dasselbe als feine fadenförmige Flocken umher. Bis zur Trockne ver- dampft und der Glühhitze ausgesetzt, verkoblt die Lösung und hinterlässt einen verhältnissmässig nicht unbedeutenden feuerbeständigen Rückstand. So unvollkommen die Ergeb- nisse der chemischen Untersuchung des Sekrets auch sein mögen, 80 geben sie uns doch wenig Haltpunkte, um ihm einen so hohen Grad von Zähigkeit zuzuschreiben, der noth- wendig wäre, um das Haften der Zehen durch sie allein zu erklären. Gleichwohl werden wir dem Drüsensekret doclı einen, wenn auch nur mittelbaren, aber doch sehr wichtigen Einfluss, wie ich weiter zeigen werde, zuschreiben müssen. Es blieb nämlich noch eine dritte Erklärung übrig, die ihren Grund in dem Mechanismus des letzten Pbalangengelenks findet. Es war denkbar, dass der Frosch sowohl beim Klet- tern an glatten Flächen, als beim Anspringen an eine solche, im Augenblick, wo er mit der Plantar- oder Palmarfläche der Extremität die Fläche berührt, die vordere Wölbung des kugeligen Gelenkendes stützt, und nun mit derselben Muskel- kraft, nämlich durch seine Flexoren einen schnellen und kräf- üigen Druck mit seinem letzten Gliede auf die Ebene ausübt, und #0 die vorher convexe Fingerspitze plattdrückt; das schr locker bindegewebeartige und elastische Polster, so wie die 12* +80 vielfach drüsig eingestützte Cutis befähigt hiebei dieselbe, sich genau allen kleinen Unebenheiten der Ebene zu adaptiren und wird hierin noch durch das bei diesem Druck reichlich hervortretende Drüsensekret unterstützt, das sich als eine dünne capillare Schieht zwischen Haut und Fläche legt. Es ist klar, dass zu dieser indirekten Mitwirkung das Sekret keiner sehr bedeutenden Klebrigkeit bedarf und dass selbst eine dünnflüssige capillare Schicht hiezu hinreicht. Von wie grosser Bedeutung aber übrigens die Capillarität der Sekret- schicht ist, davon überzeugt man sich leicht durch folgende Versuche. Befeuchtet man eine Glasplatte mit Wasser, und lässt dann den an den hintern Extremitäten gehaltenen Frosch danach greifen, so merkt man leicht, dass die Zehen nur schwach haften; erst wenn die Flüssigkeitsschicht fortgepresst oder abgeflossen ist, trägt er die Platte. Nimmt man statt Wasser ein dickflüssiges Oel, so ist der Versuch noch evi- denter. An der Stellung der vordersten Phalangen sieht man, dass der Frosch seine Zehen mit aller Kraft gegen die Fläche drückt, immer aber gleiten sie bei leichtem Zuge ab, da eine zu mächtige Flüssigkeitsschicht die Adhäsion behindert. Be- zieht man die Glasplatte mit einer klebrigen Masse von ziem- licher Dicke, z. B. mit einer mässig koncentrirten Lösung von Gummi arabicum, so ist der Erfolg ganz derselbe. Auch hier ist die Capillarität der Zwischenschicht aufgehoben, auch hier müht sich das Thier vergeblich damit ab, seine Zehen anzuheften. Die Gummilösung übertrifft das Sekret der Haft- ballen gewiss an Klebrigkeit, und doch reicht letztere nicht hin, jene zu fixiren, wenn sie in zu dicker Schicht zwischen ihnen und der Glasfläche liegt. Eine andere Frage wäre es, ob bei der Kleinheit der sich berührenden Flächen die Capillarattraction ausreichend ist, um das ganze Körpergewicht zu tragen. Die grösste Aus- dehnung der haftenden Ballen beträgt ungefähr 1,3 Millim. (bei einem ausgewachsenen Frosch), das Gewicht des ganzen Körpers gegen 3 Grmm. und doch sollte jene im Stande sein, 15 des Körpergewichts zu tragen. Zur Beseitigung eines hierauf basirten Einwurfs dient folgender Versuch. Einem 181 Frosch war der Nervus ischiadieus einer Seite durchschnitten. Die betreffende Extremität war vollständig gelähmt und war in diesem Zustande bereits seit einigen Monaten. Ich hatte ihm zu andern Zwecken früher schon 3 Zehen exartikulirt, die beiden noch vorhandenen wurden mit ihren Haftballen - auf jene oben schon erwähnte Metallplatte gelegt und die Polster mit den Fingern angedrückt. Drückt man zu stark, so tritt leicht zu viel Drüsensekret aus und hindert die Ca- pillarattraction der beiden anliegenden Flächen. War letz- teres vermieden, so hafteten die beiden Zehen und trugen nicht nur mit grosser Leichtigkeit die Platte mit der daran hängenden Schale (die zusammen ziemlich das Körperge- wicht hatten), sondern gestatteten auch noch eine Belastung von beinahe 3 Grmm. Sie leisteten also mehr, als nach der früheren Kraftbestimmung eigentlich zu erwarten stand; ein Resultat, das keineswegs gegen die Exaktheit der Beobach- tung spricht, die, da es eben nur auf annähernde Werthbe- stimmungen ankam, durchaus nicht mathematisch genaue An- gaben versprach. Aus allem geht also hervor, dass kein physikalischer Grund der Annahme entgegensteht, dass das Haften der Zehenend- glieder durch eine innige Adhärenz bewirkt wird, die zu- nächst ihren Grund in dem Niederdrücken der Endphalanx und dem damit verbundenen Anpressen des Haftballens, dann aber in der durch die Sekretschicht erzeugten Capillarattrak- tion hat. Wie wichtig gerade ersteres, die angegebene Bewegung der Endphalanx ist, lehrt das Experiment. Durchschneidet man einem Frosch an der vordern Extremität den gemein- schaftlichen Fingerbeuger jenseits des Handgelenks, so ist die ganze Hand durch die überwiegende Wirkung der Exten- soren stark gestreckt und das Thier unfähig, die Handfläche einer vorgehaltenen Fläche zu nähern; es ist im Klettern, so wie im Anspringen ungeschickt. Ist die Durchschneidung auf beiden Seiten vorgenommen, so ist das Anspringen vollkom- men unmöglich, jeder Versuch missglückt. Beim Emporklet- tern aber schiebt sich das Thier mit dem ganzen Körper vor- 182 wärts, indem es sich ohne seine Hände direkt zu brauchen, mit der Beugeseite seines ganzen Körpers eng der Glaswand anlegt und mit den noch haftenden hintern Extremitäten stützt. Selbst wenn man gleichzeitig auch die Flexoren der letzteren durchschneidet, sind die Thiere noch im Stande, sich mit ihrem ganzen Körper, den sie platt der zu erklim- menden Fläche anlegen und die Adaptation derselben durch eine capillare Schicht des Hautsekrets unterstützen, langsam vorzuschieben. Ein jeder Versuch aber, die Hafter der vor- dern oder hintern Extremität an vorgehaltene glatte Flächen willkührlich zu fixiren, missglückt, die letzte Phalanx ver- bleibt in ihrer Stellung zum übrigen Theil der Zehe oder des Fingers, ihre convexe Fläche flacht sich nicht ab. Wäre die Zähigkeit des Drüsensekrets allein hinreichend, um die Zehenendglieder zu fixiren, so dürfte die Durchschneidung der Flexoren von nur geringem Einfluss sein; denn dass die Drüsen der Haftballen fort und fort secerniren, unterliegt keinem Zweifel. Trocknet man einem Frosch nach Durch- schneidung der Flexoren die letzteren genau ab, und berührt sie dann mit Lakmuspapier, so färbt sich letzteres an den betreffenden Stellen roth; nie aber haften jene an einer vor- gehaltenen Glasfläche, wenn man nicht, wie es in einem frü- her angegebenen Versuch geschah, gleichzeitig die letzten Phalangen mit der Hand andrückt. Die Besorgniss, etwaige muskulöse Elemente der Haftballen übersehen zu haben, be- wogen mich, meine Beobachtung auch hier durch das Expe- riment zu kontrolliren. Ich fixirte zu diesem Zweck den Frosch, nachdem ich ihm die Flexoren, ein andermal den Ischiadicus durchschnitten hatte, und setzte dann die Elek- troden eines Induktions- Apparates auf das Polster. Selbst mit der Loupe konnte ich hierbei weder eine centrale Ein- ziehung, noch eine Abflachung der Convexität verfolgen, die nothwendig zu sehen sein müsste, wenn eigenthümliche con- traktile Elemente in den Haftballen thätig wären. Zerschnei- det man die Flexorensehnen einzeln an jedem Finger, kurz vor dem letzten Gelenke, so sind die Thiere in ihrem Klet- tern noch weniger behindert, da sie noch immer den grössten 185 Theil der Hand regelmässig flektiren, sie sind aber, falls man die Durchschneidung beiderseits vornahm, vollkommen unfähig, an eine glatte Fläche heranzuspringen. Das Loslösen der so adhärirenden Haftballen erfolgt ein- mal durch das Nachlassen der Flexoren, dann aber durch die Thätigkeit der Extensoren, die das letzte Phalanxglied von der Spitze her allmählig abheben, und so die adhäriren- den beiden Flächen von einander abrollen. Wir sehen daher auch die Frösche sowohl kurz vor einem Sprunge, als beim Klettern an glatten Flächen zunächst immer die Haftballen durch die Extensoren lockern. Jedenfalls bedarf es einer viel bedeutenderen Kraft, die adhärirenden Flächen von ein- der zu entfernen, als sie zu adaptiren, da ja die Adhärenz hinreicht, um mit einer Zehe mehr als das Körpergewicht zu tragen. Wir sehen daher, wie gesagt, den ganzen Mecha- nismus so eingerichtet, dass die beiden Flächen nicht senk- recht von einander gezogen werden, sondern der haftende Ballen sich allmählig abrollt, was um so leichter und gleich- mässiger geschieht, da die Fasern der Plantar- oder Palmar- fascie vorn mit dem Bindegewebe in Verbindung treten, das von der Spitze der Phalanx ausgeht. Aeusserst selten sprin- gen die Frösche unmittelbar aus ihrer Adhärenz, und wenn solches geschieht, so missglückt meistens der Sprung, indem ein oder mehrere Zehen haften bleiben. Bei derartig miss- glückenden Sprüngen kommt ihnen die seitliche Unbeschränkt- heit des Gelenks sehr zu statten, da sie eine nicht unbedeu- tende Bewegung desselben nach rechts oder nach links er- möglicht. Erklärung der Abbildung. Fig. 2. Eine halbschematische Abbildung des letzten Phalanx- gelenks und der Haftballen. A. Sehne des Extensors, B. Sehne des Flexors. C. Faseia pal- maris od. plantaris des Haftballens. D. deutet das ligamentum late- rule an, Die schwache Contour bei a. a. a. a. umgrenzt die äussere Form der Zele, I. vorderste Phalanx; II. Zwischenknorpel; III. vorletzte Phalanx, Pig. 3. Drüsenschlauch aus dem Haftballen. ’ 184 Ueber Wimperblasen. Von R. REMARK. Keber bildet in seiner Schrift „über den Eintritt der Samen- zellen in das Ei* (Königsberg 1853, S. 89) gestielte Bläschen ab, welche er aus der Schleimhaut der Gebärmutter eines Kaninchens ausgeschnitten: er hält diese Bläschen für Eier, und glaubt an ihnen „die Mikropyle des Kanincheneies“ ent- deckt zu haben. Bischoff bezeichnet in seiner so eben er- schienenen „Widerlegung“ (Giessen 1854, 8.5) die von Keber beschriebenen Gebilde als „in der Sphäre der weiblichen Ge- nitalien, besonders bei Kaninchen häufig vorkommende, sog. hydatidöse Bläschen, von denen alle diejenigen, welche die wirklichen Eier verfolgt und beobachtet haben, bewiesen haben, dass sie keine Eier sind.“ Da Bischoff die Beobachter, welche diesen Beweis ge- führt haben, nicht nennt, so bemerke ich, dass ich in den von Keber für Eier gehaltenen, von Bischoff als „hydati- döse“ Bläschen bezeichneten Gebilden die „Wimperblasen“ wiedererkenne, die ich vor längerer Zeit („über Wimper- blasen“ in M. Arch. 1841, S. 446 — 450) in dem Mesogastrium bei Fröschen und in dem Mesometrium bei Kaninchen, spä- ter (M. Arch. 1843, S.483) auch als gestielte Anhänge der Läppchen der Thymus bei Säugethieren (Katzen) beobachtet habe. Die Wand dieser Wimperblasen, welche offenbar schon Barry bei seinen embryologischen Untersuchungen vor Augen hatte, besteht aus einer festen bindegewebigen Schicht und aus einem mit schwingenden Wimpern besetzten Epithelium, der Inhalt aus einer, gewöhnlich in mehrere Abtheilungen gesonderten glashellen geschichteten Substanz, welche granu- 185 lirte Zellen enthält und durch die Wimpern der Wand in sehr regelmässige Umdrehungen versetzt wird. Wimperzellen als Inhalt habe ich niemals beobachtet. Seitdem ich ermittelt habe (M. Arch. 1843, S. 483; Unt. üb. d. Entw. d. Wirbelthiere 1850 u. 1851, S. 39 u. 62), dass die Schilddrüse ursprünglich eine von dem Schlundtheile des Darmdrüsenblattes abgeschnürte Epithelialblase ist, aus wel- cher durch fortschreitende Abschnürung die Epithelialblasen der erwachsenen Schilddrüse hervorgehen, liegt es nahe, in den Wimperblasen (abnorme) Abschnürungsstücke von Schleim- häuten zu vermuthen. Kebers Wahrnehmung gestielter Wim- perblasen in der Schleimhaut der Gebärmutter unterstützt diese Deutung. Beim Frosche habe ich Wimperblasen auf der Aussenfläche des Magens gefunden. Doch muss die Ab- schnürung der im Mesogastrium und auf der Magenwand vor- kommenden Wimperblasen schon während des Larvenlebens erfolgen. Denn das Epithelium des Nahrungsrohrs erwach- sener Frösche zeigt bekanntlich keine Wimpern. Dagegen habe ich in dem Nahrungsrohre, so wie in den Leber- und Pankreasgängen bei Froschlarven die Epithelialzellen mit schwingenden Wimpern besetzt gefunden (M. Arch. 1843, S. 482). Dieselbe Beobachtung hat Corti (Verh. d. phys. med. Ges. in Würzburg. Bd.I. 1850. S. 191) veröffentlicht, ohne die meinige zu kennen.*) — Ueber die Zurückführung der Wimperblasen der Thymus auf Abschnürungen der Schleim- haut des Nahrungsrohres wird das Schlussheft meiner „Unter- suchungen über die Entw. d. Wirbelthiere* Aufklärungen ent- halten. *) Nach Corti soll die Wimperbewegung im Magen und Darm schwinden, bevor in der Wand Muskelfasern sich bilden. Ich habe aber die kürzer gewordenen lebhaft schwingenden Wimpern noch bei Jungen, schon schwanzlosen Fröschen gesehen (M. Arch. 1843. S. 482). 186 Ueber zahlreiche Porencanäle in der Eicapsel der Fische. Von Jom. MÜLLER. (Gelesen in der Königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin, am 16. März 1854.) (Hierzu Taf. VIII. Fig. 4+— 7.) Das Ei unserer Flussfische erhält bekanntlich in den Folli- keln des Eierstocks eine äussere Hülle oder Capsel und diese Capsel geht mit dem Ei ab. Beim Barsch, Perca flu- viatilis, ist diese weiche und dehnbare Hülle sehr dick, viel dicker als in andern Fischen. Als ich sie an den aus dem Eierstock genommenen reifen Eiern (März) untersuchte, wurde ich überrascht durch die zierlichen häutigen Röhren, welche in unzähliger Menge diese Hülle überall vertieal durchsetzen, und sich sowohl auf der äussern als innern Oberfläche der Hülle öffnen. Dass die langen schmalen dunkleren Flecken, welche C. v. Baer von der dicken Eihülle des Barsches er- wähnt, offene röhrige Durchgänge sind, ist, soviel ich weiss, noch nicht beobachtet. Ich bin jedoch nicht der erste gewe- sen, der den Gegenstand besprochen und seine Bedeutung erwogen hat. C. Vogt bemerkt von der äussern Hülle des Salmoneneies, dass sie bei starken Vergrösserungen das An- sehen von Chagrin habe und dass dasselbe von einer Menge kleiner dunkler Puncte herzurühren scheine, die auf eine regel- mässige Weise auf der Oberfläche vertheilt sind. Mit Salz- säure behandelt wurden diese Punete durchsichtiger, und glichen alsdann kleinen Warzen. Valentin habe ihm be- merkt, dass diese Bildung derjenigen des Panzers des Fluss- krebses gleiche, der aus Membranen zusammengesetzt sei, welche unter einer starken Vergrösserung ganz gleiche Puncte 187 zeigen. Dort seien diese Puncte nach Valentin kleine ver- tieal gestellte mit Kalkerde gefüllte Röhrchen, die Membran, welche von diesen Röhren durchsetzt wird, sei aber aus po- lyödrischen Zellen zusammengesetzt. Am Ei des Coregonus Palaea sei die Schalenhaut zu dünn, um zu genauen Resul- taten über die Natur dieser Puncte und ihres kalkigen In- haltes zu gelangen. Jedenfalls müsse man aus ihrer Stellung, Beschaffenheit und dem reticulirten Ansehen der Eihülle eine analoge Structur wie an den Röhrchen des Panzers des Fluss- krebses vermuthen. Dem Anschein nach sei daher die Scha- lenhaut des Eies eine zusammengesetzte zellige Haut, gebil- det aus der Vereinigung platter Zellen, die sich an das Ei erst gegen die Zeit der Reife absetzen; die Gegenwart dieser Röhrchen, welche die Membran durchsetzen, würde genü- gend die Absorption von Wasser in das Innere der Schalen- haut erklären. C. Vogt, Embryologie des Salmones. 1842. p. 7. Wenn Vogt die Beschaffenheit der Röhrchen der Eihülle, welche nicht mit Kalk gefüllt sind und deren Wände auch nicht verkalkt sind, nicht schon vollständig erkannt hat, so kann es nur daran liegen, dass die Eihülle der Salmonen, wie mancher anderen Fische, wegen ihrer Dünnheit wenig zur Erledigung des Gegenstandes geeignet ist. Beim Barsch hat die Eihülle eine Dicke von 1%, die Oberfläche derselben ist facettirt, jede meist sechseckige Masche des Netzes hat im ungepressten Zustande der Eihülle im Mittel 14,,‘%, im gepressten Zustande des Eies bis gegen 1), Durchmesser. Sie enthält in ihrer Mitte einen offenen Trichter, welcher sich vertical in ein Röhrchen von 14, — ’Ao0o0 Durchmesser fortsetzt. Die Länge der Röhrchen ist gleich der Dicke der Eihülle, also 14, An der innern Fläche der Eihülle öffnen sie sich wieder trichterförmig in gleicher Weise auf inneren Felderchen der Eihülle. Die Ca- nälchen gleichen, wie man sieht, an Feinheit den Zahncanäl- chen. Um die Form der Röhrchen zu bestimmen, reicht die Untersuchung des frischen Eies nicht ganz aus, da man in diesem Fall die spiralen Wendeln der Canäle nicht leicht sieht, Diese Windungen sicht man dagegen sehr schön an 188 Eiern, die gekocht oder mit Chromsäure behandelt sind. Die Röhrchen erscheinen dann auch dünner als sonst, so dass sie meist 200 —"/%o00”‘ Durchmesser zeigen. Im Innern der Röhrchen erkennt man im frischen Zustande keine abgesetz- ten Theile, vielmehr sind sie völlig klar. Sie scheinen aber von einer dicklichen (eiweissartigen?) Masse erfüllt zu sein, denn beim Druck tritt diese zuweilen wie ein abgerundeter Pfropf oder wie ein Cylinder aus dem Trichter hervor. Durch Kochen des Eies und Behandeln mit Chromsäure scheint der Inhalt der Röhren zu gerinnen und hin und wieder sieht man dann Unterbrechungen des Inhalts in den Röhren. Wenn man die frischen Eier bis zum Zerreissen der Dotterhaut com- primirt, so ereignet es sich oft, dass die öligen Theilchen des Dotters bis in die Röhrchen und bis hinaus aus ihren äusseren Oeffnungen getrieben werden man sieht dem Durch- quellen des Oels durch die Röhren zu. ' Man erhält auf diese Art eine zierliche Injeetion der Röhrchen; hiebei werden sie stark und bis auf das mehrfache oder vielfache ihres Durch- messers ausgedehnt. Dagegen dringt nichts zwischen die Röhrchen, es sei denn, dass alles zerreisst, woraus hervor- geht, dass die Eihülle zwischen dem Röhrensystem auch auf der untern Fläche geschlossen ist. In dem intertubularen Theil der Eihülle erkennt man an Durchschnitten von ge- kochten oder mit Chromsäure behandelten Eiern ausser einem sulzigen schwer sichtbaren Wesen hin und wieder äusserst zarte Ausläufer oder Fäden quer zwischen den Röhren, welche abwechselnd stehen und also je zwei benachbarte Röhren ver- binden. Sie sind etwas stärker an den Abgangsstellen und verjüngen sich von da schnell zu einem unmessbar feinen Faden. Alles dies macht die Structur der Eicapsel des Bar- sches zu einem der interessantesten mikroskopischen Objecte. Die Zahl der verticalen Röhren und Trichter lässt sich beim Barsch auf über 11000 für die ganze Sphäre des Eies be- rechnen. Wie sich diese Röhren bilden, hat sich wegen der vorgeschrittenen Reife der Eier heuer nicht mehr erkennen lassen und würde vielmehr im Laufe des Winters zu ermit- teln sein. Die Frage ist, ob jede der Röhren aus einer Zelle 189 hervorgeht, die sich geöffnet, oder ob die Röhren ursprüng- lich intercellular sind und ob ihre Wände von den Resten mehrerer zusammenstossender Zellen herrühren; ferner ob ursprünglich mehrere Schichten von Zellen übereinander liegen. Beim Kaulbarsch, Acerina vulgaris, hat die Eihaut den- selben Bau, sie ist nur viel dünner und daher die Röhrchen nur kurz, nicht länger als die Breite der Felderchen. Die hier beschriebene Bildung hat eine grosse Aehnlich- keit mit den von mir beobachteten Röhrchen, welche den Madreporensack der Holothurien durchbohren, diese Poren sind aber viel grösser, nämlich '%, breit und die Verhält- nisse sind darin abweichend, dass die Oberflächen des Sacks bewimperte Membranen und die Poren mit Wimperringen umgeben sind, die Räume zwischen den Häuten und Röhren aber von einem Lager von Kalkfasern ausgefüllt sind. Eine von dem Eifollikel, Ovisac eines Wirbelthiers erzeugte Eihülle scheint von der Eischale anderer Eier unterschieden werden zu müssen als capsulare Eihülle oder Eicapsel. Die in dem Eileiter erzeugte Schale des Eies der Vögel, der beschuppten Amphibien und Selachier ist ein ganz an- deres Gebilde. Die Schalenhaut dieser Thiere besitzt auch nicht jenes System von Poren oder Röhren, auch ist die be- kannte Structur der Schalenhaut der Vögel und Amphibien aus Fasern gänzlich abweichend. Für eine Eicapsel ist es charakteristisch, dass die Befruch- tung durch ihr Medium hindurch ihren Weg finden muss, wäh- rend jene Eischale bei der Befruchtung nicht in Betracht kömmt, da sie erst später hinzutritt. Wenn die Zoospermien mit dem Ei des Barsches in Be- rührung kommen, so sind sie noch durch die dicke Eicapsel von der Dotterhaut entfernt; ohne Zweifel findet ihre be- fruchtende Einwirkung nicht schon an der Oberfläche der Eicapsel statt, sie werden vielmehr durch etwelche der tau- sende von Canälen von 1%, Länge bis zur Dotterhaut vor- dringen. Die Dotterhaut der Fische ist nicht so einfach gebildet, als man gemeiniglich annimmt, sie ist bei den von mir unter- 190 suchten Fischen, Cyprinus erythrophthalmus, Perca fluviatilis, Acerina vulgaris sammtartig, nämlich auf ihrer äussern Ober- fläche mit äusserst kleinen cylindrischen, am Ende abgerun- deten Fortsätzen oder Zapfen wie mit Zotten besetzt, sie sind am leichtesten bei der Plötze zu untersuchen, wo sie zerstreuter stehen, bei den Barschen stehen sie dicht gedrängt. Sie scheinen Ausläufer der Dotterhaut selbst zu sein. Ihre Länge beträgt bei der Plötze 1%,, ihre Breite 1%,u, beim Barsch ihre Breite 1%o00 — Yisoo“- Erklärung der Abbildungen. (Taf. VII. Fig. 4—7.) Fig. 4. Röhrchen der Eicapsel des Barsches trichterförmig aus den Felderchen der Oberfläche entspringend. Fig. 5. Die Wendeln der Röhrchen von gekochten Eiern des Barsches. Fig. 6. Die queren Ausläufer der Röhrchen. Fig. 7. Zapfen auf der Oberfläche der Dotterhaut der Plötze. 191 Beiträge zur Naturgeschichte der Infusorien. Von A. SCHNEIDER. (Hierzu Taf. IX.) I. Polytoma Uvella. P: olytoma Uvella ist von Ehrenberg („die Infusorien als voll- kommene Organismen etc.“ pag. 24) als einzige Species der Gattung Polytoma aufgestellt und folgendermaassen characte- risirt worden: „Animal e familia Monadinorum, ocello desti- tutum, ore terminali truneato, eiliis aut proboscide subtili Nlagelliforme dupliei instructo natantibus solitariis antico, divi- sione spontanea decussata et imperfecta, multipartitum in mori fornam enascens, dein partitum et altera vice solitarium.* Weiterhin fügt er hinzu: „an Organisationsverhältnissen zeigte sich der polygastre Ernährungsorganismus deutlich. Ueber- dies erkannte ich eine‘nicht dem Ernährungsapparate ange- hörige, eontractile grössere Blase, welche dem männlichen Theile des Sexualsystems anzugehören scheint. Endlich lässt eine grosse, weisse, freie Stelle im vordern Körper eine da- selbst befindliche, die Magenzellen nach hinten hindrängende Samendrüse vermuthen, deren schärfere Umgränzung bisher unsichtbar blieb.* Nach öftern vergeblichen Versuchen gelang es, jedoch nur unter Anwendung einer 6 — 300 maligen Ver- grösserung, die kleinen Magenzellen im hintern Ende mit Indigo gefüllt zu sehen. Dujardin hat Polytoma, wie es scheint, nicht selbst beobachtet, da er Ehrenbergs Beob- achtungen über die Theilung derselben nicht wiederholen konnte (Dujardin, Histoirenaturelle deszoophytes. Infusoires. p. 276). Spätere Beobachtungen über unser Wesen sind mir nicht be- kannt worden, 192 Da es wünschenswerth schien, den Theilungsaet der P. genauer kennen zu lernen, so habe ich dieses zierliche Wesen beobachtet und die Resultate in folgendem zusammengestellt. Das Material zur Untersuchung ist leicht zu beschaffen. Poly- toma findet sich in allen Pfützen, Tonnen mit Regenwasser etc. und durch Erregung einer Fäulniss pflanzlicher oder thierischer Stoffe kann man eine lebhafte Vermehrung dersel- ben sogleich bewirken. Polytoma hat eine eiförmige Gestalt, ist / on — on lang und etwa halb so breit. An dem einen Ende, welches wir mit Ehrenberg das vordere nennen wollen, sitzen zwei Geis- seln, ebenso lang oder länger, als der Körper. Betrachten wir ein lebendes Thier bei 300maliger Vergrösserung, so scheint nur eine einfache Contur den Körper zu begrenzen. Allein häufig und namentlich bei grossen ruhigen Exemplaren sieht man, dass die innere Leibessubstanz von einer feinen durchaus hellen Umhüllungshaut umgeben ist, und von der- selben durch einen gewissen Abstand getrennt ist. Wenn die Umhüllungshaut enger anliegt, lässt sich dieselbe durch An- wendung solcher Reagentien, welche die Leibessubstanz con- trahiren, immer zur Anschauung bringen. Chromsäure und vorzüglich Chlorzinkjod, welches den innern Schlauch zugleich bräunt, sind dazu am besten geeignet (Fig.2). Unter ge- wissen Umständen zerfällt die Hüllhaut in Körnchen und zeigt dann beim Einstellen auf den Queerschnitt ein regel- mässiges perlschnurförmiges Bild (Fig. 8). Es findet dann eine Neubildung der Hüllhaut statt. Die Leibessubstanz ist durchaus hell, von ähnlichen Brechungsverhältnissen, wie die der Amoeba. Etwa in der Mitte liegt ein kugelförmiger, hel- ler Kern, von einem schmalen röthlichen Hof umgeben. Eine Membran war nicht daran zu unterscheiden. Verdünnte Säu- ren lassen denselben noch deutlicher hervortreten. Am vor- dern Ende, dem Rande sehr nahe, liegen zwei röthliche Bläs- chen, von deren periodischen Contractionen man sich an ruhig liegenden Individuen leicht überzeugen kann. Im hintern Ende 193 findet sich immer eine Anhäufung dunkeleonturirter Körnchen. Essigsäure verändert dieselben nicht. Eine dünne Lösung von Jodkaliumjod färbt sie tief blau, meist schwarz, da man nur schwer das rechte Maass des Zusatzes trifft. Besser ge- lingt die schönblaue Färbung durch verdünntes Chlorzinkjod, indem die Körnchen dabei etwas zerfliessen, ja bei längerem Stehen einen schönblauen Kleister bilden. Salzsäure und Schwefelsäure löst dieselben ebenfalls, so dass dann bei Jod- zusatz der ganze Leib sich blau färbt. Bei lebhafter Fäul- niss in der Infusion erfüllen die Körnchen den ganzen Leib bis nach vorn. Die Körnchen sind keineswegs in Ballen angeordnet, wie die Nahrung in dem Leibe anderer Infuso- rien, und es ist unwahrscheinlich, dass sie von aussen auf- genommen sind. Ausser den zwei contractilen Bläschen fin- den sich in der Leibessubstanz zerstreut einzelne, nicht con- tractile, röthliche Hohlräume, Die amylonartigen Körnchen verwandeln sich manchmal in ein blaues, indigofarbiges Pigment, welches dann, theil- weise gelöst, die ganze Leibessubstanz färbt. Solche Exem- plare konnten sich ebenfalls theilen, so dass über die Iden- tität mit P. kein Zweifel war. Nicht selten fanden sich auch Exemplare, deren Leibessubstanz gleichmässig grün gefärbt war, die aber sonst mit ?. vollkommen übereinstimmten. Abweichungen von dieser normalen Gestalt treten in einem Gefässe nie vereinzelt, sondern immer an einer grossen An- zahl von Exemplaren gleichartig auf. Gewisse Eigenthüm- lichkeiten des Aufenthaltes scheinen also von Einfluss auf die Gestalt zu sein. Ganz plattgedrückte Formen sind selten. Nicht selten aber findet man, dass bei normaler Gestalt der Hällbaut die Leibessubstanz nicht gleichmässig innerhalb der- selben vertheilt ist. Bald liegt die Leibessubstanz seitlich und erfüllt nur eine Hälfte, bald hat sie sich ganz nach vorn zusammengezogen, bald endlich nach hinten und hängt dann mit dem vordern Pole nur durch einen dünnen Strang zu- sammen (Fig. 13 u. 14). In solchen Infusionen, in welchen die Gährung lange vorüber ist, und in denen sich viel humus- artige braune Stoffe in Lösung, aber wenig stickstoffhaltige Müller" Archiv. 1864. 13 194 Theile befinden, zeigen sich die beiden letzten Modificationen der Leibessubstanz am häufigsten. Zugleich verschwinden dann die amylonartigen Köruchen, die Leibessubstanz be- kommt eine dunklere, fettartige Kontur und geht schliesslich unter Bildung der bekannten grossen Vacuolen zu Grunde. Die Bewegungen der P. sind dieselben, welche an den mit zwei Geisseln versehenen Organismen beschrieben sind. Die Geisseln sind bei der Bewegung immer voraus; das Thier rotirt um seine Längenachse und diese macht wieder um einen Mittelpunkt kreisförmige Pendelsehwingungen. Soll die Bewegung in einer entgegengesetzten Richtung stattfinden, so sucht es das Vorderende umzukehren und schwimmt, bis dies gelungen ist, gleichsam rückwärts. Hat man einen Tropfen der Infusion einige Minuten auf der Glasplatte mit dem Deckglase bedeckt, so findet man eine ziemliche Anzahl der Thierchen an beiden Gläsern mit ihrem Vorderende an- geheftet, die Geisseln sind dabei frei und wahrscheinlich durch ihre Schwingungen macht das Hinterende kleine Osecil- lationen in der Ebene, welche man durch die beiden Geisseln legen kann, Ebenso finden sie sich an Pflanzentheilen, so wie an den Wänden der Gefässe schaarenweise beisammen. Die Art der Anheftung ist mir räthselhaft geblieben. Jeden- falls muss sich zwischen oder an der Seite der Austrittsstelle beider Geisseln eine, wenn auch noch so einfache Vorrich- tung befinden. Fortpflanzung. Während des Schwärmzustandes findet ununterbrochen und unabhängig von der Tageszeit eine Theilung der Leibessub- stanz immerwährend statt. Die einzelnen Stadien folgen sich um so schneller, je günstiger die Nahrungsverhältnisse sind. Kurze Zeit nachdem die Gährung in einer Infusion eingetre- ten ist, erreicht die Schnelligkeit der Vermehrung ein Maxi- mum und sinkt dann herab mit dem Aufhören der Gährung, indem zugleich die Abkömmlinge immer kleiner werden. Die Theilung beginnt damit, dass der körnige Inhalt sich gleichmässig vertheilt. In der Mitte bildet sich dann eine 195 Einschnürung der Leibessubstanz, die jedoch meist einseitig beginnt. Der Leib zerfällt in zwei Theile und die Hüllhaut umgiebt unversehrt das Ganze. Zugleich oder vielmehr noch vor Vollendung der Zweitheilung hat auch der Kern sich ge- theilt (Fig. 3). Eine Einschnürung desselben war zwar nie zu beobachten, ebensowenig aber auch eine Thatsache, die der Annahme einer solchen Entstehung des zweiten Kernes widersprochen hätte, Beide Hälften schnüren sich nun von ihrer Berührungsfläche her ein, so dass die Richtung der Einschnürung der einen Hälfte diejenige der andern Hälfte rechtwinklig kreuzt (Fig. 4). Jeder dadurch entstehenden Vertiefung einerseits entspricht eine Erhebung andrerseits. Ohne dass man bemerken könnte, dass eine ringförmige Ein- schnürung herumgehe, sondern wie durch einen scharfen Schnitt, tritt nun die Viertheilung ein (Fig. 4 u. 5). Jede Por- tion hat wieder ihren eignen Kern. Die Theile nehmen nun die ovale Gestalt an und kommen so zu liegen, dass die nach der Mitte gerichteten Spitzen des hintern Paares mit den nach der Mitte gerichteten Spitzen des vordern Paares abwechseln (Fig. 6). Im günstigsten Falle — im Anfange einer Gährung — tritt nun noch eine dritte Theilung ein in acht, wobei jeder wieder mit einem Kern versehen ist. Meist bekommen jedoch schon. nach der Viertheilung die Tochter- individuen Geisseln, machen innerhalb der Umhüllungshaut allerlei Bewegungen, dieselbe zerreisst und die Brut wird frei, in allen Punkten der Mutter gleich, nur kleiner. In günstigen Fällen sieht man nach dem Leerwerden noch die Hällhaut mit den beiden Geisseln ruhig vor sich liegen. Nach der Vier- oder Achttheilung ist überhaupt die Hüllhaut ohne Anwendung aller Reagentien immer zu sehen. Ehrenberg ist sie ebenfalls nicht entgangen (vergl. a.a.O. und Abbild. Taf. I. XXXIL); er erklärt das Bild jedoch als Folge einer oberflächlichen Einschnürung. Die Geisseln der Mutter schei- nen immer nur mit einem der Tochterindividuen in Verbin- dung zu sein, obgleich sich dies weniger bei dieser Art der Theilung, als vielmehr bei der noch zu beschreibenden ent- scheiden lässt. 13° 196 Die Viertheilung geht nämlich noch in anderer Weise vor sich. Nach der Zweitheilung verschieben sich die beiden Portionen so, dass die Berührungsfläche mit ihrer ursprüng- lichen Lage einen gewissen Winkel macht. Ist diese Ver- schiebung nur gering, so geht die Viertheilung nahezu in der eben beschriebenen Weise vor sich. Auch die Stellung der ausgebildeten Jungen ist nur soweit verschieden, als durch diese Lagenveränderung nothwendig wird (Fig. 11u.12). Ist diese Verschiebung jedoch bedeutender, so sind die neuen Theilflächen parallel und nahezu senkrecht auf die Berüh- rungsflächen der beiden Hälften. Die Stellung der Jungen ist dann völlig verschieden von der im vorigen Falle. Alle vier liegen parallel und mit ihren Längsaxen schief gegen die Längsaxe des Ganzen (Fig. 9 u. 10). Man kann sich diesen Unterschied vielleicht so denken: Jeder Theil hat das Streben für sich, die ovale Gestalt an- zunehmen; bald nach der Zweitheilung dehnt sich daher der vordere nach hinten und der hintere nach vorn aus. Ist noch nicht so viel Zeit verflossen, dass eine Dimension vor den andern hervortritt, so erfolgt die Viertheilung wie im er- sten Falle. Ist hingegen eine Dimension vorherrschend, so erfolgt die Theilung in vier nach demselben Gesetze, wie die ursprüngliche in zwei. Die zuerst beschriebene Weise der Theilung findet sich immer in der der Entwicklung günstigsten Anfangsperiode einer Infusion. Am Ende tritt ganz allein die letztere Art auf. Diese Erscheinung war so auffallend, dass ich bei der ersten Beobachtung einer Infusion am Schlusse glaubte, den Theilungsaet anfangs falsch aufgefasst zu haben. Unter gewissen Umständen gehen die einzelnen Individuen in einen Ruhezustand über. Sie erfüllen sich dabei mit den amylonartigen Körnchen, so dass der Kern nur noch als röthlicher Fleck durehscheint. Die Leibessubstanz wird da- bei kugelrund und umgiebt sich mit einer oft etwas stärkeren Hüllhaut (Fig. 7). In diesem Zustande habe ich weder eine Theilung, noch eine andere Veränderung wahrnehmen können. Getrocknet behalten die Cysten ihre Gestalt bei. Durch Be- 197 giessen mit frischem Wasser leben dieselben nicht wieder auf, wohl aber durch Erregung einer Fäulniss. Die Art, wie die schwärmenden Exemplare zur Ruhe kom- men, scheint folgende zu sein. Die Geisseln verkürzen sich allmählig, indem an ihrem freien Ende die Substanz sich in Form eines Knöpfchens ansammelt, schliesslich verschwindet der fadenförmige Theil ganz, und statt der Geisseln sitzen zwei Bläschen am vordern Theile der Hüllhaut (Siehe Fig. 15). Eine ähnliche Contractilität in der Substanz der Geisseln habe ich an einer Bodo bemerkt, welche der Bodo grandis (Ehrbrg.) am nächsten steht. Da dieselbe nicht bloss drei Geisseln, wie schon Focke sah (vgl. Ehrbrg. S. 34), son- dern oft bis fünf hat, so kann man die entstehenden Bläs- chen nicht leicht übersehen. Ob aber wirklich alle so ver- änderten Exemplare sich mit Cysten umgeben, kann ich nicht sicher angeben. Bei langsam vertrocknenden Infusionen mit Polytoma findet man in dem Bodensatz wohl P. mit den be- schriebenen Bläschen, aber keine Cysten, und es ist nicht unmöglich, dass solche Exemplare auch. noch auf andere Weise zur Fortpflanzung beitragen. Nahe verwandt mit Polytoma ist Chlorogonium euchlorum (siehe dazu Ehrb. S.114 u. Taf. VII. Fig. XVII). Dasselbe besteht aus einer hellen, starren, spindelförmigen Hüllhaut, an welcher ich nicht im Stande war, die Reaction der Cellu- lose zu finden. Das Innere desselben füllt eine grüne ge- färbte homogene Masse aus, welche nach hinten meist etwas abgerundet ist, nach vorn die grüne Farbe verliert und deut- lich mit den auf der Spitze sitzenden Geisseln in Verbindung steht. In der Mitte liegt ein heller runder Kern, der umge- bende röthliche Hof zieht sich nach hinten und vorn eben- falls spindelförmig aus. Die Oberfläche der grünen Masse ist ganz mit röthlichen (bis 12) Punkten bedeckt, keiner der- selben ist #0 schön roth gefärbt, wie etwa der Augenpunkt von Euglena. Ehrenberg erwähnt bei Chlorogonium ein Auge: „Das Auge des Chlorogonium ist zwar sehr scharf bezeichnet, aber sehr fein, daher übersieht man es leicht.“ Leider konnte ich 198 Ehrenbergs Werk nicht benutzen, als ich dieses Wesen beob- achtete, ich kann mich aber nicht besinnen, dass einer der röth- lichen Flecken sich besonders ausgezeichnet hätte. Eine con- tractile Stelle konnte ich nicht finden — sollte dieselbe nicht grösser sein als bei P., so wird es auch einer besondern Scharfsichtigkeit bedürfen, um sie von den nicht contractilen röthlichen Stellen zu unterscheiden. Die Theilung im Innern der Hüllhaut findet ganz in ähnlicher Weise statt, wie bei P. Es entstehen nie weniger als 4, manchmal aber bis 32 — dann sehr kleine — Individuen, die im Uebrigen alle der Mutter gleichen. Auch ein kugelförmiger Ruhezustand findet sich. Es scheint, dass die eben aus der Theilung hervorge- gangenen Jungen, wenn anders die Bedingungen dazu über- haupt vorhanden sind, kurz nach ihrem Freiwerden in diesen Zustand übergehen, indem sie bei ihrer weniger starren Hüll- haut dazu am geeignetsten sein dürften. Die Contractionen, welche dabei stattfinden, sind es wahrscheinlich auch, welche Ehrenberg beobachtet hat. Ich habe sonst die Gestalt ganz unveränderlich gefunden, und es wird daher Chl. von den Astasicen, bei welchen es bisher stand, getrennt werden müssen. Auf Jodzusatz sieht man in den spindelförmigen Individuen nur selten blaue Körnchen, die grünen Kugeln hingegen färben sich dadurch tief blau, dieselben sind ganz mit grünen Körnchen erfüllt; zerstört man den Farbestoff mittelst concentrirter Schwefelsäure, so lösen sich die Körn- chen dabei auf, und man erhält dann nach Jodzusatz eine schön blaue Färbung. Bei längerem Liegen geht das Grün der Cysten in Roth über. Durchr Erregung einer Gährung waren die Cysten nicht aus dem Ruhezustand zu erwecken. Unter andern Verhältnissen habe ich jedoch das Wiederauf- leben beobachtet, es fehlte mir jedoch an Material, um die gewiss interessante Neubildung der Hüllhaut und der Geis- seln näher beschreiben zu können. Chlorog. hat, wie es scheint, ganz andere Lebensbedingungen als P. Es vermehrte sich erst dann reichlich in den Infusionen, wenn das letztere in den Ruhezustand übergegangen war. Um zu zeigen, wie ganz anders der Theilungsakt bei 199 andern mit keiner unterscheidbaren Hüllhaut versehenen Mo- nadinen ist, wollen wir Chilomonas paramecium (Ehrbrg.) be- trachten. (Vgl. Ehrbrg. S. 30 u. Taf. II. Fig. VI.) Die Gestalt desselben ist ziemlichen Schwankungen unter- worfen. Gewöhnlich stellt es ein längliches Oval dar, an dem einen Ende breiter, als an dem andern. An dem brei- teren Ende befindet sich, etwas seitlich von der Spitze, eine kleine Einbuchtung, in welcher die zwei Geisseln sitzen. Das Innere ist meist mit runden Körnchen erfüllt (wie auch Ehrb. abbildet), welche ganz die Reactionen des Amylon zeigen. Im hintern Theile bemerkt man einen hellen Kern mit röth- lichem Hofe. Das Oval ist nur selten drehrund, meist ist es von zwei Seiten her abgeplattet und die dadurch entste- henden Flächen sind sogar der Länge nach ziemlich einge- drückt. Dieser Eindruck erzeugt, wie ich glaube, die röth- liche Färbung, die sich zeigt, wenn man das Thier platt vor sich liegend betrachtet. Eine contractile Stelle konnte ich nicht finden. Zwar findet sich im vordern Ende stets ein röthliches Bläschen, ich muss aber die Contractilität dessel- ben dahingestellt sein lassen. Ehrenberg erwähnt ausdrück- lich, dass Ch. paramecium nie zur Aufnahme farbiger Nah- rung zu bringen war, und ich habe dies eben so wenig, wie bei Polytoma bemerken können. Beobachtet man auch noch so viel dieser Thierchen, so wird es auffallen, dass man nie eine Spur von Theilung an ihnen findet. Nur sehr selten sieht man zwei in der Mitte zusammenhängende Exemplare, welche oflenbar aus der Längstheilung hervorgegangen sind. Wir wollen versuchen, dies zu erklären. Bei genauer Be- trachtung bemerkt man vom Grunde der Ausbuchtung eine auch zwei röthliche Linien nach hinten verlaufen (Fig. 25). Man kann leicht geneigt sein, dieselben als im Innern lie- gende Organe anzuschen. Es ist mir aber namentlich durch Vergleichung des Theilungsprocesses bei einer Bodo-Art ge- wiss geworden, dass diese Linien Rinnen bezeichnen, welche auf beiden Seiten nach und nach tiefer einschneidend das Ganze theilen. Da das Thier dabei seine Gestalt nicht ver- ändert, ausser dass es etwas breiter wird, und die Trennung 200 sogleich der ganzen Länge nach erfolgt, so muss dieser Vor- gang uns leicht entgehen. Das vordere Ende ist immer etwas dieker, die Rinnen sind also dort tiefer und deutlicher wahr- nehmbar. Stellt man das Mikroskop passend ein, so ist es auch erklärlich, dass man, beide Rinnen zugleich erbliekend, zwei röthliche Linien sieht. Nur in den seltnen Fällen, wo die Durchschneidung an einer Stelle langsamer erfolgt ist, müssen die Exemplare sich loszureissen suchen, und ziehen dadurch, dass sie sich gegen einander gedreht haben, unsere Aufmerksamkeit auf sich. — Dass die Theilung auch bei an- dern Monadinen in ähnlicher Weise vor sich geht, zeigt unter Andern auch eine Bemerkung Ehrenbergs bei Cryptomonas eylindrica (5.42): „Einschnürung zur Selbsttheilung sah ich nicht, wohl aber zwei Individuen an einander hängend schwim- mend, welche eine Längstheilung von hinten nach vorn an- schaulich machen könnten.“ Und es ist nicht unwahrschein- lich, dass das auf Taf. II, XIX 2. abgebildete Exemplar mit zwei Saamendrüsen (Kernen?) und den beiden der Länge nach verlaufenden Linien ein sich theilendes war. Das Vorkommen eines eneystirten oder Ruhezustandes bei P. kann nicht mehr auffallen, seit wir durch Stein (Wiegm. Archiv 1848. Bd. I.) die Encystirung von Vorticella microstoma und durch Cohn (Sieb. u. Köllikers Zeitschrift Bd. IV.) diejenige von Trachelius Ovum, Trachelocerca Olor, Holophrya Ovum, Prorodon leres und Chilodon uncinatus kennen gelernt haben. Diesem Verzeichnisse kann ich aus meinen Beobach- tungen noch einige andere anschliessen. Stylonychia pustulata (Ehrbrg.) nimmt mit Beibehaltung ihrer Wimpern allmählich die Kugelgestalt an, die Wimpern fallen dann schnell ab und unter fortwährenden kleinen Contractionen sondert sich auf der ganzen Oberfläche ein heller Schleim ab, welcher all- mählich zu einer starken festen Membran verhärtet. Hat man ein kugelförmiges Exemplar, so kann man das Abfallen der Wimpern und die Ausscheidung der Membran bequem unter dem Mikroskope verfolgen. Das Wiederausschlüpfen der mit Wimpern vollständig versehenen Thiere kann man häufig beobachten, wenn man nur die Flüssigkeit von neuem 201 in Fäulniss versetzt. Die etwas in die Länge gezogenen Exemplare drehen sich vorher in der Cyste spiralig mit gros- ser Schnelligkeit um. Die ausgeschlüpften Thiere gleichen, ohne dass ich gerade die Identität behaupten will, ungemein der Ozytricha caudata (Ehrbrg. Taf. XL. Fig. XI.) namentlich ist das hintere Ende immer so umgebogen, wie dort sub 3 abgebildet ist. — Euplotes Charon (Ehrbrg.) zieht sich inner- halb seines schildförmigen Panzers zu einer Kugel zusammen, welche sich mit einer neuen Membran umgiebt. So lange der durch seine Rippen ausgezeichnete Panzer noch erhalten ist, kann über das in der Cyste eingeschlossene Thier kein Zweifel sein. Die Cysten beider Infusorien sind in den In- fusionen, wie begreiflich, sehr gemein, und sind dieselben wahrscheinlich öfter mit Vorticelleneysten verwechselt worden. Pontotrichum hagenella bildet ähnlich, wieCohn von Tra- chelius (a. a. O. p. 267) beschrieben hat, eine Cyste, welche ganz die flaschenförmige Form des Körpers annimmt. Im Innern derselben zieht sich das Thier kuglig zusammen, und umgiebt sich mit einer neuen Membran. Auch Amoeba hat wirklich einen Ruhezustand. Ich beobachtete, wie dieselbe an einer Seite rund wurde, und an dieser Stelle sich eine feste Membran bildete, während der andere Theil seine eigen- thümlichen Bewegungen fortsetzte. Allmählich dehnt sich die feste Haut über den ganzen Körper aus, der bewegliche Theil wird immer kleiner, und zuletzt entsteht eine vollkom- men geschlossene Cyste, in deren hellem Innern man einen runden Kern mit röthlichem Hofe, völlig gleich dem der Polytoma und anderer Monaden, deutlich sieht*). Wir haben im Laufe der Untersuchung Polytoma still- schweigend als Thier betrachtet. Erwägen wir jedoch, wie wenig streng die Gränze zwischen Thier- und Pflanzenreich bei dem jetzigen Zustande unseres Wissens zu ziehen ist, ®) Auf diesen Kern, dessen bisjetzt, so viel ich weiss, nicht Er- wähnung gethan ist, möchte ich bei dieser Gelegenheit aufmerksam machen. Durch Vergleichung vieler Exemplare wird man ihn als eine constante Erscheinung von aufgenommener Nahrung unterscheiden. Er findet sich bei A. diffluens und radiosa. 202 so müssen wir wohl untersuchen, mit welchem Rechte. Sollte mit den bisher bekannten Formen der Cyklus der Entwick- lung von P. abgeschlossen sein, so ist zuerst klar, dass P. sich einer einfachen Zelle sehr ähnlich verhält. Eine struetur- lose Membran umgiebt eine weiche, membranlose Substanz, die sich nach aussen in Form zweier Geisseln fortsetzt. Der Kern verhält sich wie ein Zellkern. Fordert man freilich, dass der Zellkern einer thierischen Zelle ein Bläschen sei, so genügt der Kern der P. dieser Forderung nicht. Allein ist aber auch die eigene Membran ein nothwendiges Moment eines thierischen Zellkernes? Kann sich dieselbe nicht möglicherweise nur unter gewissen Umständen bilden. An dem Kern der Amoeba habe ich oft an der Aussenfläche des röthlichen Hofes Granulationen gefunden, welche sich zu einer geschlossenen Membran verbanden; während zu an- dern Zeiten der Kern ganz dem von P. glich. Hält man nun ferner für möglich, dass an einem Primor- dialschlauche contractile Stellen auftreten, ohne dass ein be- sonderer Apparat contractiler Fasern nöthig ist, so erfüllt P. alle Anforderungen einer Zelle. Dass P. ein Thier sei, könnte man durch zwei Gründe stützen: 1. die Beschaffenheit der Hüllhaut. Sobald man nur durch lange Einwirkung concentrirter Schwefelsäure die stärkeartigen Körnchen zerstört hat, wird kein Theil weder im ruhenden noch im bewegten Zustande durch Jod blau gefärbt. Nun haben wir aber eben so wenig einen weiteren Grund dafür, dass die pflanzliche Zellhaut nothwendig aus Cellulose besteben muss, als auch dafür, dass die thierische Zellhaut nicht daraus bestehen darf, so dass wir immer wie- der andere Merkmale zur Entscheidung aufsuchen müssen. Dies wären 2. die contractilen Stellen. Durch eine Mittheilung Cohns (20ster Jahresbericht der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur vom Jahre 1852. p. 46) ist es frei- lich zweifelhaft geworden, ob das Vorkommen derselben fer- nerhin als ein wesentliches Kriterium der thierischen Natur 203 zu betrachten sei. Es heisst dort: „Auf der andern Seite besitzen einzelne Algengattungen ein Entwicklungsstadium, in welchem sie in der äussern Form, durch Mangel einer Cellulosemembran, durch freie Bewegung, deutliche Existenz fiimmernder Bewegungsorgane, rothen augenähnlichen Punk- ten, Vaeuolen, nach einer neusten Entdeckung von inneren pulsirenden Räumen, sich den mundlosen Infusorien un- zweifelhaft sehr analog verhalten (Schwärmzellenbildung).“ Finden sich diese pulsirenden Räume nur bei einzelligen mit Flimmern versehenen Algen, so sind die letzteren vielleicht nieht mit Unrecht trotz der später daran auftretenden Cellu- losemembran wieder unter die Thiere zu stellen. Finden sich dieselben jedoch an den Schwärmzellen der Conferven, so hören sie freilich auf, eine Eigenthümlichkeit der thieri- schen Natur zu sein. Sind wir demnach auch noch nicht im Stande, der P. mit vollkommener Sicherheit ihre Stellung anzuweisen, so finden wir aber auch eben so wenig einen Grund, diese aus dem Thierreiche zu verweisen. Die andern mit Mund versehenen Infusorien (Stomatoda v. Siebold), eben so wie P. nach dem Typus einer einfachen Zelle zu betrach- ten, würden wir jedoch nicht wagen. Denn so hoch auch der Gewinn für die Wissenschaft aus dem Vergleiche der Protozoen mit einfachen Zellen anzuschlagen ist, so stehen doch der vollständigen Durchführung desselben bei solchen complieirt gebauten Thieren, wie Vorticellen z. B., Schwie- rigkeiten entgegen, die wohl erst dann als vollständig gelöst anzusehen sind, wenn die Entwicklungsgeschichte den Beweis geliefert hat, dass zu keiner Zeit ein Verschmelzen vieler Zellen stattfindet. Zum Schlusse stellen wir kurz die Resultate der Unter- suchung zusammen: l. Polytoma ist ein Thier. 2. P. ist ausgezeichnet durch eine helle Hüllhaut, welche nicht aus Cellulose besteht, zwei contractile Stellen der Lei- bessubstanz, einen Kern mit Kernkörper, zwei Geisseln und durch die Ablagerung amylonartiger Körnchen. 204 3. Die Amylonkörnchen können in einen blauen oder grü- nen Farbestoff übergehen. 4. P. theilt sich innerhalb der Hüllhaut in zwei, vier und acht Theile und pflanzt sich dadurch fort. 5. P. hat einen Ruhezustand. I. Difflugia Enchelys (Ehrbrg.). In allen Infusionen mit ?. trat ein Rhizopod auf, aus des- sen Beschreibung erhellen wird, wie man nur allzuleicht ver- muthen konnte, dass derselbe aus einer Metamorphose der P. hervorgegangen sei. Leider kann ich diese Vermuthung nicht bestätigen, und ich beschränke mich darauf, sie histo- risch anzuführen. Bei der ausserordentlichen Durchsichtigkeit war die Beobachtung dieses Wesens nicht ohne Interesse. Der erwähnte Rhizopod hat eine eiförmige, an einer Seite mehr kuglich abgerundete, durchsichtige, membranöse Hülle. Die Leibessubstanz im Innern derselben liegt entweder glatt an, oder ist in mannigfaltiger Form davon abstehend. (Siehe Fig.16,17,18, 19). An dem spitzeren Ende tritt die Leibes- substanz heraus, nnd bildet denjenigen beweglichen Theil, welchen wir kurz als Fuss bezeichnen wollen. Im hintern Ende liegt ein röthlicher runder Nueleus mit weissem Nucleolus, der sich nur durch die grössere Breite des röthlichen Hofes von dem der P. unterscheidet. Der Fuss kann die verschie- densten Gestalten annehmen. In der einfachsten Gestalt ist er nur eine helle Kugel, dieselbe theilt sich dann in zwei und mehr kleinere. Von diesen Kugeln gehen wieder kleinere Fortsätze aus. Bald aber bildet er auch lange spitz oder rund endigende Tentakeln in beliebiger Anzahl. Diese Ten- takeln sind oft so weit ausgezogen, dass sie nur wie dünne Strahlen erscheinen. Bald ist der Fuss auch baumartig ver- ästelt, und umschliesst dann meist in seinen Zacken Körn- chen fremder Substanzen. Die Nahrungsaufnahme erfolgt wahrscheinlich durch den Fuss ganz wie bei Amoeba. Die Körnchen der Nahrung finden sich anfangs nur im vordern 205 Theile der Leibessubstanz, die dann meist ein faltiges An- sehen hat, während der hintere Theil prall und rund ist. Zuletzt ist aber der ganze Körper erfüllt und der Kern fast verdeckt. Vacuolen finden sich in allen Theilen. Die con- tractilen Räume sind wahrscheinlich nur dem Blick entzogen, ich konnte sie nicht finden. Der Rhizopod, welchen wir beschrieben haben, ist wahr- scheinlich identisch mit Ehrenbergs Difflugia Enchelys. Die- selbe wird charakterisirt als: D. minima, lorica ovata, dorso rotundato, glabra, pellueida, hyalina, 46tam lineae partem longa, processibus hyalinis, tenuibus, parvis, apertura laterali. Diese Beschreibung sowohl, als die Abbildung (Taf. IX, Fig. IV.) stimmen recht gut mit der unsrigen bis auf die „seitliche Oeffnung.* Indess kann wohl nach der Gestalt und Richtung des Fusses die Oeffnung mehr seitlich zu liegen scheinen, Häufig findet man wahre Doppelthiere unserer D. en- chely. Auf einem gemeinschaftlichen Fusse sitzen zwei Kör- per mit Hüllhaut und Kern (Fig. 20). Der Fuss ist manch- mal nur ein dünner Strang, in anderen Fällen zeigt er aber alle die Formen, welche wir an dem Fusse des Einzelthieres beschrieben haben. Beide Körper sind mit Nahrung wohl gefüllt. In ähnlicher Weise bemerkt man oft 3, 4, 5 Exem- plare zusammenhängend. Dieselben liegen keineswegs in einer Ebene, sondern stehen gegen den Fuss in verschiede- nen Richtungen. Hat man diese Thiere in grösserer Menge, #0 kann man bald bemerken, wie diese Colonien durch Spros- sung entstehen. Man beobachtet durch alle Stufen hindurch, wie der Fuss allmählig grösser wird und die ovale Gestalt annimmt. Es bildet sich sodann eine neue Hüllhaut und ein Kern. Der Spross ist immer der Mutter an Grösse gleich. Wie der Fuss eines Einzelthieres, so ist begreiflicherweise auch der gemeinschaftliche Fuss zweier und mehrerer im Stande, Sprossen zu bilden. Beobachtungen über ein ähnliches Aneinanderhaften von Rhizopoden sind schon öfter gemacht. Cohn in seinem Auf- satze „Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Infusorien“ 206 (Siebold und Köllikers Zeitschrift Bd. IV. p. 261) hat die- selben in einer Note zusammengestellt und vermuthet, dass dies Aneinanderhaften die Vorbereitung zu einer Copulation sei. Kann man nicht lieber eine ähnliche Knospung, wie bei D. enchelys auch bei andern Rhizopoden voraussetzen? Von Arcella vulgaris habe ich ebenso, wie Perty und Cohn (s. a. a. O.) ein Paar mit der Oeffnung an einander haftend gefunden, von welchen die eine, ganz wie auch diese beob- achtet haben, mit weisser, die andere mit gelber Schaale ver- sehen war. Die eine weisse Schaale ist also wahrscheinlich neugebildet, und das neue Exemplar durch Sprossung aus dem andern hervorgegangen. Beobachtungen über eine anderweitige Vermehrung unserer Difflugia habe ich zwar nicht oft, jedoch mit genügender Sicherheit machen können. Nachdem ich eine grosse Anzahl dieser Wesen in einem lehmartigen Schlamme Wochen lang gehalten hatte, zog sich bei sämmtlichen die Leibessubstanz kuglig zusammen. Alle aufgenommene Substanz war schon vorher verschwunden. Die fettartig conturirte Kugel theilte sich in zwei und vier Theile, ohne dass man den Kern da- bei verfolgen konnte. Die Hüllhaut zerfiel und die Kügel- chen, die man wohl als vier ruhende Sporen bezeichnen kann, wurden nicht mehr gesehen (Fig. 22 u. 23). Von einer andern Beobachtung muss sich erst in der Folge zeigen, ob sie wirklich die Fortpflanzung der D. betrifft, In einem Gefäss mit D. verwandelte sich bei allen Exemplaren die Körpersubstanz mit Beibehaltung ihrer Form und ohne Zerstörung der Hüllhaut in Körnchen, die dicht, wie ge- schichtete Kugeln an einander lagen (Fig. 24). Oft sah ich nun innerhalb eines Schlauches, welcher von der obersten Lage der Leibessubstanz gebildet schien, diese Körnchen in lebhafter Molecularbewegung. Vergebens wartete ich auf einen Austritt derselben, nach halbstündiger Bewegung kamen sie immer wieder zur Ruhe. Fassen wir noch einmal die Resultate zusammen, so er- giebt sich: 1. Difflugia Enchelys hat einen Kern. 207 2. Da auch andere Rhizopoden, wie Amoeba, denselben zeigen, so kommt er wahrscheinlich allen Rhizopoden zu. 3. Difflugia Enchelys vermehrt sich durch Knospung. 4. Es ist wahrscheinlich, dass auch andere Rhizopoden sich durch Knospung vermehren. 5. Difflugia Enchelys bildet vier ruhende Sporen. Erklärung der Tafel. 1. Polytoma Uvella bei 300maliger Vergrösserung. a. Die Amylon- artigen Körnchen. 5. Der Kern mit Kernkörper. c. Die contractilen Bläschen. 2. Dasselbe nach längerer Einwirkung von Chromsäure. 3. Dasselbe in Zweitheilung. 4. Beginn der Einschnürung zur Viertheilung. Die Richtung der Einschnürung der andern Hälfte fällt in die Ebene des Papiers. 5. Die Viertheilung ist vollendet. 6. Die Theile haben die ovale Gestalt angenommen. 7. Ruhezustand. b. Der Kern. 8. Die Hüllhaut ist in Körnchen zerfallen. 9. Andere Art der Viertheilung. Die Theile haben vor der Vier- theilung nahezu die ovale Gestalt angenommen. 10. Stellung der ausgebildeten Jungen nach dieser Theilungsart. 11. Die beiden Hälften haben sich vor der Viertheilung nur wenig verschoben. 12. Stellung der Jungen nach dieser Theilungsart. Die beiden un- tern liegen gekreuzt gegen die obern und scheinen durch dieselben hindurch. 13. Der Körper liegt nur in einer Seite der Hüllhaut. 14. Der nach hinten contrahirte Körper hängt mit den Geisseln durch einen dünnen Strang zusammen. 15. Die Geisseln sind zu zwei Knöpfchen zusammengeflossen. 16. 17. 18. 19. Verschiedene Formen von Difflugia Enchelys. 20. Zusammenhängende Exemplare von D. 21. Beginn der Sprossung. 22. 23. Der Körper von D. hat sich in vier Sporen getheilt. 24. Der Leib ist in Körnchen zerfallen. 25. Chilomonas paramecium. «a. Röthliches Bläschen. b. Linie, welche die Rinne der Zweitheilung bezeichnet. ce. Kern; die dunkeln Körnchen sind Amylon. 208 Beobachtungen über Echmodermenlarven. Von A. KRoEN. (Briefliche Mittheilung an den Herausgeber.) (Hierzu Taf. X. Fig. 1. 2.) Messina, 10. April 1854. Ich danke Ihnen verbindlichst für Ihre beiden gehaltreichen, mir gütigst zugesandten Abhandlungen, von denen ich die über die Seeigellarven schon oft mit dem grössten Nutzen eonsultirt habe. Trotzdem, dass ich nun schon in dem fünf- ten Monat hier verweile, ist meine Ausbeute im Vergleich mit dem vorigen Jahre doch nur eine spärliche zu nennen. Es ist dies der ungünstigen Witterung zuzuschreiben, die mit einer für diese Gegenden fast beispiellosen Hartnäckigkeit während des ganzen Winters angehalten hat. Indess ist es mir doch geglückt, einige neue Materialien für die Entwicke- lungsgeschichte der Echinodermen zu gewinnen, worüber ich Ihnen das Folgende nicht länger vorenthalten darf. Nachdem mir in Folge künstlicher Befruchtung die Larve des Spatangus purpureus bekannt geworden, war es nicht schwer, sie unter den hier vorkommenden Spatangoidlarven zu er- kennen und in der weitern Ausbildung bis zur Reife zu ver- folgen. Ausser dieser schr gemeinen Larve, die aber zu Zeiten seltener anzutreffen sein mag, da sie Ihnen nicht zu Gesicht kam, habe ich auch die von Ihnen so genau be- schriebene Art mit in ganzer Länge gegitterten Stäben, und eine dritte noch unbekannte beobachtet. Ueber die Entwicke- lungsphasen dieser nach einem gemeinsamen Plane gebauten Larven enthält Ihre Abhandlung bereits so vollständigen 209 Aufschluss, dass ich mich lediglich darauf beschränke, die Merkmale hervorzuheben, an welchen die beiden von mir genauer untersuchten Arten zu erkennen sind. Die Larve des Spatangus purpureus erreicht eine sehr ansehn- liche Grösse. Vom Ende des Scheitelfortsatzes misst sie in der Achsenverlängerung bis zur Höhe der Markisenarmenden an 6 Millim. (224). Die vier Hauptarme und der Scheitelfort- satz sind im Verhältniss zum Leibe äusserst lang. Jene Arme krümmen sich gegen ihre Enden hin allmählig auswärts. Diese Krümmung ist an den Markisenarmen merklicher, welche daher auch stark klaftern. Der ventrale Schirm oder die Markise ist wie bei derLarve von E. brevispinosus, in einen Vor- sprung ausgezogen, welcher indess, wenngleich breiter, doch nicht so hoch, dabei flach, ohne hohlkehlenartige Vertiefung ist. Ferner ist der Leibesrand in vier symmetrische, nicht sehr vorragende Falten, über die sich die Wimperschnur mit fortsetzt, aufgeworfen. Zweie derselben sind ventral, die beiden andern dorsal. Die ventralen Falten befinden sich zwischen dem Markisenvorsprunge und den respectiven Mar- kisenarmen, die dorsalen zwischen den hintern und den vor- dern Seitenarmen der Rückseite. Es erinnert diese Falten- bildung in gewisser Weise an das von Ihnen erwähnte Ver- halten des Schirmrandes bei E. brevispinosus. Was die Gitter- stäbe anlangt, so ist der von der Gitterung ausgeschlossene Theil derselben, der während der Entwickelung immer mehr zunimmt, ganz besonders lang. Vor allem aber zeichnet sich diese Larve durch ihre Auricularfortsätze aus, welche wie bei E. brevispinosus äusserst kurz, breit und abgerundet sind. Auch entbehren diese Fortsätze jeder festen Stütze, da ihnen die Kalkstäbe fehlen, welche bei Ihrer mit sehr langen Auri- eularfortsätzen verschenen Art als Aeste von dem hohen Bogen des Scheitelstabes abgehen. Nichtsdestoweniger ist dieser Bogen selbst nicht minder stark als bei jener Art ent- wickelt. Die neue Spatangoidlarve stimmt mit der Ihrigen durch die langen Aurikularfortsätze und den Mangel des Markisen- vorsprunges, #0 wie auch der oben erwähnten Faltungen am Müllers Archiv. 1861. 14 210 Schirmrande überein. Sie unterscheidet sich von ihr durch ihre bedeutendere Grösse und ihre anders beschaffenen Gitter- stäbe. Sie ist fast eben so lang, wie die Larve des Sp. pur- pureus und fällt auch bei ihr der stärkste Antheil an dieser Länge auf den Scheitelfortsatz und die in gleicher Art nach aussen gebogenen Markisenarme. Die Gitterstäbe sind vom Anfang an auf eine gewisse, bald grössere, bald mindere, bei den meisten Larven jedoch sich gleich bleibende Strecke, von Gitter frei. Am kürzesten ist der ungegitterte Theil am Scheitelstabe, an dem er auch wohl nicht selten ganz ver- misst wird. Ich glaube nicht zu irren, wenn ich zu dieser Art auch diejenigen der von Ihnen beobachteten Larven ziehe, ‚deren Gitterstäbe, wenn auch auf eine nur sehr geringe Strecke hinter dem Ursprung, von der Gitterung ausgeschlossen sind. Rechnet man zu den eben mit einander verglichenen Arten noch die Larve von Helgoland und die am Schlusse Ihrer Abhandlung erwähnte hinzu, deren dreikantige die vier Haupt- arme stützenden Stäbe ohne Gitter sind, so wären also fünf sicher unterschiedene Spatangoidlarven bekaunt. Vielleicht wird sich später als sechste Art eine mir nur einmal vorge- kommene, noch unreife Larve herausstellen. Die Stäbe der bereits hervorgewachsenen aber noch kurzen dorsalen Seiten- arme zeigten sich von der Wurzel an gegittert, während die der Markisenarme sich ganz wie bei Sp. purpureus verhielten. Es ist mir auch gelungen, Larven des Sp. purpureus und der neuen Art, welche im Zustande weit vorgeschrittener Metamorphose eingefangen wurden, bis zum Freiwerden der jungen Spatangen aufzuziehen, und letztere selbst noch einige Tage lebend zu erhalten. Ich habe Ihre erste Abhand- lung über Echinodermenlarven-Metamorphose nicht bei mir. Allein so weit mir erinnerlich, gleichen die aus der helgo- ländischen Larve hervorgehenden jungen Spatangen vollkom- men den in Rede stehenden. Diese sind länglich rund und messen in der längern Achse noch nicht ganz einen halben Millimeter. Eine der Leibeshälften ist mit dieht neben ein- ander stehenden Stacheln und einigen Saugern besetzt, die andere nackt. Diese enthält noch die Reste vom Kalkgerüste all der Larve, Die Zahl der Sauger liess sich anfangs nicht be- stimmen, doch mochte sie nicht über fünf betragen. Zuletzt zählte ich ihrer 7—8. Sie sind grösstentheils rund um eine nackte Stelle am Pol zusammengedrängt, auf welcher später ohne Zweifel der Mund zum Vorschein kömmt. Wie Sie es bereits angeben, sind die Enden sämmtlicher Sauger kolbig und ohne Kalkring. Die Basis der Stacheln ist stärker als bei den jungen Seeigeln, daher auch die Gestalt der Stacheln mehr konisch. Von Pedicellarien findet sich noch keine An- deutung. Angeregt durch Ihre neuerliche Anfrage, ob nicht die jungen Spatangen in frühester Zeit mit Zahnanlagen versehen wären, die später verloren gingen, habe ich es nicht unterlassen, meine aufgezogenen Thierchen in Rück- sicht darauf zu untersuchen, nachdem ich ihr Perisom vorher mittelst einer schwachen Kalilösung aufgehellt hatte. Ich habe mich so mit Bestimmtheit überzeugen können, dass die Zahnanlagen fehlen. Meine Mittheilung vom vorigen Jahre in Betreff junger Spatangen bezieht sich auf weit grössere und entwickeltere Individuen, die aber von einer andern Art stammen mögen. Ein abermaliger, mit Erfolg ausgeführter Befruchtungs- versuch bei Echinocidaris, hat mich in Betreff der Entwicke- lung nicht weiter als im vorigen Jahre geführt. An vielen ganz wohlgebildeten Larven sah ich die Stäbe der Markisen- arme wiederum sehr deutlich von Löchern durchbrochen, wo- gegen die Löcher bei einer eben so grossen Anzahl anderer Larven völlig fehlten. Indess habe ich mich jetzt überzeugt, dass diese Löcher durchaus nicht ganz regelmässig neben einander gereihet, meist nur in geringer Zahl vorhanden, und nieht einmal sämmtlich von der nämlichen Form und Grösse sind. Ich muss daher meinen frühern Ausspruch, dass die erwähnten Stäbe regelmässig gegittert seien, zurücknehmen. Es frägt sich nun, ob nicht, wenn Löcher vorhanden sind, diese später durch Ansatz von Kalkmasse ganz ausgefüllt werden, Die Wimperepauletten bei E.brevispinosus habe ich nun selbst als von der Wimperschnur unabhängige Bildungen erkannt. 14* 212 Von Asterienlarven führe ich als besonders interessant zwei Arten an, eine zierliche Bipinnaria nämlich und die be- kannte Tornaria in einem weiter vorgerückten Stadium. Die Bipinnaria hat die Länge einer Linie. Ihre von der Wimper- schnur besäumten Zipfel oder Wimpel sind länger als bei der Bipinnaria von Triest, die Enden derselben rothgelb gefärbt. Ich vermuthe, dass diese Art mit der von Ihnen bei Marseille entdeckten identisch sei. In Bezug auf die Ausbildung zum Stern, kommt sie mit der Bipinnaria von Triest überein. Auch scheint der Stern (ich habe ihn nicht frei werden sehen) in vielen Stücken mit der aus der letztern Art hervorgehenden jungen Asterie übereinzustimmen. Was die Tornaria betrifft, so würde es mir ohne Beihülfe der beifolgenden, wenn auch nicht ganz treuen Skizzen schwer fallen, Ihnen eine richtige Vorstellung von diesem pracht- vollen Wesen zu geben. Es wird Ihnen indess auffallen, dass die beiden Zeiehnungen einander nicht genau entsprechen. Dies ist dem Umstande zuzuschreiben, dass die zweite Figur bei der Ansicht unter dem Mikroskop, die erste unter der Loupe, da das T'hier bereits schwächer geworden war, ent- worfen worden ist. In jener ist das Thier von der Rückseite, in dıeser von der Bauchseite dargestellt. Beim Rückblick auf das frühere Stadium wird Ihnen nicht entgehen, dass die hauptsächlichste Veränderung, die die Tornaria seitdem er- fahren hat, den Lauf der beiden Wimperschnüre betriftt. Auf der Bauchseite hat sich der quere, hinter dem Munde ver- laufende Zug der grössern Wimperschnur (Fig. 1, a. a.) von der Mitte aus in eine grosse Schleife (5.) ausgezogen. In der vordern Leibeshälfte erkennt man noch recht wohl das frühere aus drei Abtheilungen, einer mittlern und zwei sym- metrischen seitlichen bestehende, von der kleinern Wimper- schnur begrenzte Feld. Aber während diese Schnur in frü- herer Zeit nur ganz einfach um dies Feld herumläuft, ist sie jetzt an den beiden Rändern jeder Abtheilung in mehrere kleine, auf einander folgende, beiderseits symmetrische Schlei- fen ausgezogen. Die von den Enden dieser Schleifen be- säumten Stellen der Leibesoberfläche ragen etwas fortsatz- 213 artig hervor. Der vor dem Munde sich erstreckende trans- versale Zug (c.) der ventralen Wimperschnur zeigt sich der grossen Schleife gegenüber eingebuchtet. Auf der Rückseite hat sich an der dorsalen Wimperschnur, jederseits neben den Aurikeln (Fig.2, e. e.) eine kleine Schlinge (d. d.) gebildet, während die bilateralen Züge (f. f.) gegen die Mittellinie hin- gedrängt und einander ganz nahe gerückt sind. Der Lauf der dorsalen Schnur der vordern Leibeshälfte entspricht dem der ventralen. Das Thier misst reichlich 1‘ in der Leibes- achse. Zur fernern Erläuterung der Figuren bemerke ich, dass g. den grossen Wimperreifen, A. den Darm, i. den Ma- gen bezeichnet. Was die innern Organe anlangt, so habe ich den mit dem Rückenkanal communicirenden, über Schlund und Magen gelagerten Sack ganz besonders erweitert ange- troffen und in seinen Wänden deutlich querverlaufende Mus- kelfasern unterscheiden können. Doch ist dies nichts Neues, da Sie, so weit ich mich erinnere, schon dasselbe in dem früheren Stadium (Abhdl. 4) gesehen haben. Von der Echi- nodermanlage liess sich nichts wahrnehmen. Mit dem eben beschriebenen Exemplar wurde ein zweites, etwas weniger grosses eingefangen. An diesem zeigten sich die kleinen Schleifen der Wimperschnüre kürzer und an Zahl geringer. Ueber die spontane Bewegung der Muskelfibrillen der nie- dern Thiere. Von Prof. MayEr in Bonn. Die neue Entdeckung des Herrn Prof. Schultz von Schul- zenstein über die spontane Bewegung der Muskelfibrillen an dem abgerissenen und mitten durchgerissenen Fuss (Ober- schenkel) der Fliege ist zwar in Beziehung auf dieses Insekt neu, aber nicht im Allgemeinen, indem namentlich ich glaube, diese Bewegung der Muskelfibrillen nach dem Tode bei nie- dern Thieren und selbst beim Frosche bereits früher beob- achtet und beschrieben zu haben. (Siehe m. Schrift: Blemen- tarorganisation des Seelenorganes, Bonn 1838. Seite 7. (Spon- tane Muskelbewegung beim Frosche), v. Frorieps Notizen 1847. Januar Nro. 7, und Monatsschrift der Aerzte Rheinlands und Westphalens 1848. Juni. S. 347). Bei der Wiederholung und Besprechung der von. Mandl gemachten, jedoch von Hannover schon angedeuteten, Be- obachtung der spontanen, stundenlang anhaltenden Bewegun- gen der aus dem Körper herausgenommenen Nervenfibrillen des Rückenmarkstranges des Blutegels unter einem Wasser- tropfen des Mikroskopes habe ich ferner zugleich erwähnt, dass ich dieselben Bewegungen auch an den Muskelfibrillen des Blutegels unter ähnlichen Umständen gesehen habe. (S. v. Frorieps Notizen 1. c. $S.98.) Die Bewegungen der Muskelfibrillen bei der Fliege sind aber nicht so anhaltend, wie beim Blutegel und hören meist nach einigen Sekunden oder nach einer Minute längstens auf. Es sind diese Bewe- gungen der Muskelfibrillen bei der Fliege ebenfalls theils con- —— nn m. SIE N EN 215 tractiv und expansiv, theils blos pendelartig, indem blos der hintere Theil der Muskelfibrille sich zusammenzieht, der vor- dere Theil mehr innerlich ruht und mechanisch pendelartig durch die abwechselnd seitliche Zusammenziehung der hin- tern oder noch in der Schenkelscheide steckenden Muskel- fibrille bewegt wird. Es ist nun allerdings eine. frappante Erscheinung, dass an der Nervenfaser des Blutegels dieselben eontraetiven und expansiven Erscheinungen sich zeigen, wie an den eontraeten Muskelfibrillen, und lässt sich dieselbe wohl nicht anders erklären, als durch den gleichnamigen Gehalt des Nerven mit dem Muskel an Plasma oder Eiweiss- faserstoff und dessen grosser Blastieität. Die Nerven des Blutegels sind aber so derb elastisch, wie Jeder weiss, der sie präparirte, dass sie fast nicht zu zerreissen sind und zer- rissen stark zusammenschnellen. Ich will aber auf diesen Punkt nachher zurückkonımen; es sei einstweilen genug, die innere Aehnlichkeit der Nervenfaser mit der Muskelfibrille angemerkt zu haben, so dass beide Organe mikroskopisch betrachtet, nicht als so toto coelo verschieden angesehen wer- den können; indem die Kügelchen der Nervenfibrille nur viel, etwa 5—10mal, feiner erscheinen als die der primitiven Mus- kelfaser des thierischen Lebens. (Jedoch ist zu bemerken, dass auch die Kügelchen der sogenannten organischen Mus- kelfaser sehr fein, vielleicht noch feiner, als die der primi- tiven Nervenfaser sind.) In der angeführten Abhandlung habe ich die Textur der Muskelfibrillen von der Fliege und von Gammarus Pulex be- sprocher. Unter einer Vergrösserung von 240 zeigen die primitiven Muskelfibrillen eine Breite oder Dicke von '/%,' im Durelischnitt und sind der Quere nach aus 10— 12 fein- sten Fäserchen, die nicht aus einer Längsreihe von Kügel- chen, wie die der höhern Thiere, sondern aus einer Längs- reihe von viereckigen, gekernten Plättchen bestehen, zusam- mengesetzt, deren Durchmesser Yıooo““— "Agoo‘” beträgt. Ihre Interstitien bilden den Anschein von Querfasern oder Quer- streifen, jedoch erscheint auch eine querliegende Reihe von Kügelehen oder Plättehen der Muskelfibrille als Querfaser 216 und betrachtet man die Muskelfibrille der Länge nach, als Längenfaser mit interstitiellen Längestreifen. Bei der Fliege sieht man deutlich, dass die primitive Muskelfibrille, welche, wie gesagt, der Quere nach aus 10— 12 letzten Nervenfasern besteht, ceylinderförmig ist, mit gegen die Sehne hin abge- rundetem Ende. Im Querdurchschnitt dieser Muskelfibrille sieht man ihre kreisförmige Gestalt und im Innern des Cy- linders eine runde Scheibe mit einem Central-Punkt, der wie leer aussieht. Betrachtet man sie der Länge nach, so be- merkt man in der Mitte der Muskelfibrille bei der Fliege, noch schöner bei Dyticus marginalis, einen Mittelstreifen, wel- cher an einigen Stellen wie leer erscheint oder auch noch einige unförmliche kleine Bröckelchen enthält. Er gleicht so ganz dem sogenannten Axencylinder der Nerven, namentlich dem, der im Innern des Pacinischen Bläschens sich befindet, mit ähnlicher bröcklicher Substanz und dürfte wohl als Axen- eylinder der primitiven Muskelfibrille bezeichnet werden. Der im Querschnitte der Muskelfibrille zu Tage tretende mittlere Punkt beweisst ebenfalls den etwas leeren Zustand dieses Muskelaxeneylinders. So sieht nun die Mus- kelfibrille gegen ihr der Sehne zugekehrtes Ende aus. An- ders dagegen nach auf- oder einwärts gegen den Nerven hin. Hier sieht man einen Nervenfaden in die primitive Muskel- fibrille eintreten, sich darin noch etwas verästeln, aber bald unsichtbar werden, indem wahrscheinlich das Neurolemma der feinsten Nervenfaser mit dem inneren Myolemma der feinsten Muskelfaser verschmilzt, aber sofort noch jene un- förmlichen Körperchen abgebend, die sich noch weiter in dem Mittelstreifen der Nervenfibrille fortsetzen. Diese unförm- lichen, etwas viereckigen, aber kleiner als die primitiven Muskelplättchen aussehenden Eiweisskörperchen möchte ich blos als Ausfüllsubstanz betrachten, Anders als die Nervenfaser verhält sich die Sehnenfaser der Muskelfibrille.. Jene vertheilt sich im Innern der primi- tiven Muskelfibrille und in ihrem innern Neuvilemma, diese, die Sehne, entspringt an der äussern Fläche des primitiven Muskeleylinders, und spinnt sich an dessen abgerundeten 217 Ende in einen Faden aus, der mit dem einer andern primi- tiven Muskelfibrille sich vereint und bald, gedreht mit ihm und weiter mit andern, die Sehne, an welche die Muskel- fibrillen sich unter einem schiefen Winkel von verschiedener Neigung ansetzen, bildet, die auch wie ein gedrehter Strick des Seilers aussieht. Kommen wir aber auf die Bewegung der Elemente der primitiven Muskelfibrille der niedern Thiere zurück. An der Muskelfibrille der Fliege lässt sich bei dieser ihrer spontanen Bewegung, wohl durch den Reiz des Wassers veranlasst, nur eine undeutliche oder geringe Bewegung im Innern der Fi- brille wahrnehmen. Nur bei seitlicher Krümmung sieht man auch die Plättchenreihen sich einander annähern, ebenso die Querinterstitien derselben. Aber sehr deutlich sieht man die- ses Phänomen der Annäherung der Urplättchen der primiti- ven Muskelfibrille an den Extremitäten von Gammarus Pulex. Hier liegen diese Plättchen verhältnissmässig weit von ein- ander entfernt und ihr gegenseitiges Annähern bei der Con- traction der Fibrille und ihre darauf folgende Entfernung von einander bei der Expansion der Fibrille oder bei dem Nach- lassen der Muskelcontraction ist sehr schön erkennbar. Ich habe dieses Phänomen 1. c. S. 349 beschrieben. Leider wusste sich die erwähnte Zeitschrift keinen Zugang zu dem auswär- tigen gelehrten Puhlikum zu vermögen. Ich habe daselbst zugleich darauf aufmerksam gemacht, dass durch die beschrie- bene Structur der primitiven Muskelfasern aus Reihen von Plättchen (wieder sehr schön zu sehen bei Dyticus marginalis) eine Analogie mit einer galvanischen Säule, wie diese im Grössern bei dem elektrischen Organe der Zitterfische sich zeigt, gegeben sei, welche die Muskelcontraction als durch einen elektrischen Abstossungs- und Anziehungsprozess, der von dem Nerven ausgehe und dahin wieder zurückkehre, be- trachten lasse. Es lässt sich jedoch auch eine andere An- sicht der Sache geltend machen, indem man die abwechselnd gegenseitige Bewegung der Urplättchen oder Urkügelchen der Urmuskelfaser als eine passive Erscheinung ansieht und blos den Plasmastofl, in welchen der Muskel eingesenkt ist, sich, 218 wie einen lebenden Cautschouk, zusammenziehen und wieder ausdehnen lässt. Es würde diese Ansicht des Phänomens das für sich haben, dass dadurch auch die contractilen Be- wegungen der Nervenfibrillen des Blutegels, durch ähnliche Contraetionen des Nervenmark - Plasmas veranlasst, ihre Deu- tung fänden. Der elastischen Textur der Nerven des Blutegels analog ist das elastische Band, aus welchem das Rückenmark bei Petromyzon besteht, und welches aus ganz feinkörnigen Fä- den zusammengesetzt ist. Die Dura mater desselben, so wie die des Gehirnes dieses Thieres, ist ein feinstes Fasergewebe mit grossen (1% — Vs”) Kugeln, deren Inneres gekörnt ist, welche ich friher (Correspondenzblatt, Bonn 1843. S. 293) beschrieben habe. Die verschiedenen grossen, feinen Kügel- chen darin sind sehr beweglich. Sie sind auch im Rücken- marke des Krebses zu sehen. Die unipolaren und die multi- polaren Ganglienkugeln R. Wagners sind weder im Gehirn, noch im Rückenmark von Petromyzon zu sehen, dagegen viel- füssige Pigmentsterne, welches auch die meisten sogenannten Ganglienkugeln sind, von welchen ich die gekörnten grossen Markkugeln, deren Körner die Wurzeln der Nervenfaden sind, und welche sich im Verlaufe des Nerven noch immer vorfin- den, unterscheide. Jene multipolaren Ganglienkugeln (Pig- mentkugeln) möchten wohl ehender als Organe des Deliriums, als denn Organe der reinen Seelenthätigkeit sein. Wenigstens ist mir der Gedanke schrecklich, solche Spinnenfüsse in mei- nem Gehirn zu wissen und wimmeln zu lassen. Ich halte die Untersuchung der Marksubstanz des Gehirns überhaupt nur im frischen Zustande für fruchtbringend und nur dann als entscheidend, wenn man im Stande ist, nicht blos die Nervenmarkelemente, sondern auch die peripherischen Capil- largefässe derselben mit jenen zugleich und in ihrem Ueber- gang zu diesen — denn noch hat Niemand bei seinen mi- kroskopischen Untersuchungen des Gehirnmarkes der Gefässe gedacht, oder sie beobachtet, die doch auch da sind und da sein müssen — zu erkennen und zu unterscheiden, d.i. die grossen Capillargefässschlingen oder Gefässansen (im Gehirn 219 der Fische, besonders des Petromyzon am deutlichsten er- kennbar), welche in ihrem Innern theils noch Blutkügelchen, theils aber schon weisse gekörnte Bläschen, Markbläschen enthalten und allmählig mit Auflösung ihrer Gefässhäute in die Markbläschen des Gehirns sich verwandeln,- aus deren innern Kügelchen wieder nun die Markfasern entspringen, oder sich in diese fortspinnen. Noch muss ich erwähnen, dass für die oben angedeutete Idee, dass die Muskelcontraetion von dem Plasma des Mus- kels ausgehe, noch die eigenthümliche Struktur der Muskeln der Mollusken, z.B. der des Fusses von Zimar und Mytilus, so wie auch der der Substanz des Herzens bei Astacus flu- viatilis spricht, welche darin besteht, dass die primiliven Muskelbündel nur ganz kurze Cylinder oder Ovale bilden, die sehr fein punctirt sind und so noch immer sichtbare Quer- streifen zeigen. Diese Punkte sind in einer hellen Plasma- substanz eingetaucht und bilden eigentlich die letzten primi- tiven Muskelfasern. An dem Herzen der Schildkröte und des Petromyzon habe ich schon vor vielen Jahren die von den Kügelehen gebil- deten Querstreifen der Muskeln gesehen. Die organischen Muskelfasern des Magens etc. unterscheiden sich hauptsäch- lich durch ein dichteres Myolemma und durch feinere Kügel- chen, die kaum sichtbare Erhöhungen, aber doch unverkenn- bar feine Querstreifen bilden. — An kleinen Stückchen dieser primitiven Muskelbündel des Fusses der Mollusken bemerkte ich stets Contractionen und Expansionen, eine Systole und Diastole, lebhafter noch als an der Muskelsubstanz der Fliege. 220 Bemerkungen zur Physiologie des Sehens. Von Prof. Lupwıc Fick. W enn ich auch nicht entfernt daran denke, die, wenn schon falschen, doch immer geistreichen Erklärungen, welche die deutsche Physiologie von der Thatsache des Aufrechtsehens der verkehrten Retinalbilder giebt, mit solchen Dingen in eine Kategorie zu stellen, wie sie Herr Dezautiere zu Decize zu Tage gefördert hat, um das Aufrechtsehen der verkehrten Retinalbilder zu erklären, so ist doch nicht zu leugnen, dass solche Dezautieresche Dinge nicht möglich wä- ren, oder wenigstens nicht in Deutschland die Runde machen könnten, wenn unsere Physiologie sich hätte wollen die Mühe geben, die Angelegenheit des Aufrechtsehens wirklich zu er- ledigen. Die deutschen Erklärungen suchen theils das Phänomen durch die optische Einrichtung des Augapfels zu erklären, was aber bekanntlich nicht zum Ziel führen kann, da einmal die Netzhautbilder, die doch den äussersten Punkt des Orga- nismus darstellen, bis zu welcher der Empfindungsakt vor- dringt, notorisch verkehrt sind. — Andere haben versucht, sich mit dem sogenannten Projieiren zu helfen, aber auch dies ist nichts, da das Projiciren in der That nicht geschieht, und nur ein Ausdruck für eine -Verstandesoperation ist. — Ausreichend würde offenbar das sein, was Joh. Müller sagt, wenn nur nicht die Thatsache vorhanden wäre, dass alle Objeete trotz der verkehrten Netzhautbilder von Haus aus ohne alle Uebung vollkommen parallel mit der Gefühlsempfindung gesehen werden. — Müller würde ohne Zweifel Recht haben, wenn wir von derselben objekti- 221 ven Natur nicht ausser den Gesichtseindrücken auch Tast- eindrücke empfingen. Da übrigens alle Physiologen trotz ihrer verschiedenen Erklärung darin übereinstimmen, dass alle bisherigen Erklä- rungen zur klaren Erledigung der Thatsachen nicht hinreichen, so kann ich mich der Unannehmlichkeit überheben, gegen die Ansichten von Männern von eminentem Verdienste zu polemisiren und gebe daher in Folgendem meine Ansicht von der Sache, welche mir die Angelegenheit zu erschöpfen scheint. Stellen wir erst in möglichst scharfen Ausdrücken den Thatbestand fest: 1. Es ist Thatsache: Wir Menschen alle sehen alle Dinge aufrecht und das was rechts liegt rechts, und das was links liegt links, wenn wir die durch das Auge uns werdenden Eindrücke von der Lage der Dinge mit den Eindrücken ver- gleichen, die wir uns von der Lage derselben Dinge durch den Tastsinn verschaffen. Wenn wir vor unserm Bücherbrett stehen, greifen mit geschlossenen Augen ein Buch aus der oberen Reihe rechts und öffnen nun die Augen, so sehen wir die Lücke ebenfalls oben rechts, während unsere Retina, wenn sie ein sehendes Wesen wäre, diese Lücke unten links sehen würde. — Es ist aber erwiesen, dass dieses Vermögen, die Dinge aufrecht, rechts und links zu sehen, wie sie wirklich sind, mit uns geboren ist und nicht erworben wird, da der sehend gewordene Blindgeborene, wie das neugebo- rene Kind, sofort diesen Parallelismus des Gesichtssinnes und des Tastsinnes im Urtheil über die Lage der Objekte besitzt und zeigt. 2. Wir sehen nicht die Objekte selbst, sondern nur deren Netzhautbild, dieses Netzhautbild zeigt aber ver- möge der optischen Verhältnisse des Augapfels nicht die wirk- liche Lage der Dinge, sondern die umgekehrte. Also muss der Widerspruch, der darin liegt, dass in dem Bewusstsein das richtige Bild von der Lage der Objekte, durch das Auge vermittelt, zu Stande kommt, obgleich die Retina nur Bilder von der verkehrten Lage der Dinge dem Bewusstsein bietet, ohne Zweifel darin seine Lösung finden, 222 dass in dem Bewusstsein eine unmittelbare Nöthigung liegt, welche das Aufrechtsehen der verkehrten Retinalbilder voll- bringt. Fernere Thatsache ist: dass die verkehrten Bilder der Objekte, welche wir sehen, in der Retina in einer krummen Fläche liegen und wir dieselben gleichwohl nicht in einer Fläche, sondern so im Raume zerstreut zu sehen glauben, wie sie sich wirklich in demselben befinden. — Auch dieses Räumlichsehen kommt in dem Bewusstsein und nicht im Auge zu Stande, ist aber nicht die Folge einer unmittel- baren Nöthigung des Bewustseins, sondern wie uns das bekannte Beispiel von dem Kinde, welches nach dem Monde greift, lehrt, die Folge einer Abstraction, einer Ver- standesoperation, welche die Seele mit der unmittelbaren Gesichtsempfindung vornimmt. — Ich führe diese letztere Thatsache hier nur an, um die beiden Akte des Bewusst- seins, oder wenn man lieber will, der Seele, auseinander zu halten, in deren einem die Seele sich gewöhnt, die Retinal- bilder räumlich ausserhalb zu denken, oder, wie man sagt, zu projiziren und in den Bildern das Nah und Fern der einzelnen Objekte, welche die Bilder hervorgebracht haben, abzuschätzen, während in dem andern Seelenakte, in un- mittelbarer Nöthigung die Retinalbilder umgekehrt werden. — Nur mit dem letzteren Seelenakte haben wir es hier zu thun. Auch darauf noch muss ich bestehn, dass man ein anderes, dem in Rede stehenden allerdings näher liegendes Phänomen, das absolute Einfachsehen der zwei Retinalbilder bei Con- vergenz der Sehaxen und identisch affieirten identischen Netz- hautstellen, hier völlig unberücksichtigt lässt, und dessen Erklärung nicht mit der Erklärung des Aufrechtsehens con- fundirt. Warum also sieht die Seele in den verkehrten Netzhaut- bildern die richtige Lage der Dinge? Sehlagen wir einen kleinen Umweg ein und betrachten wir zunächst, wie es zu- geht, dass die Seele überhaupt in sich die Vorstellung von rechts und links, von oben und unten zu Stande bringt. Er- lernt die Seele diese Vorstellungen nach und nach, gleichviel 223 ob durch das Auge oder die Hautnerven? oder ist der Seele gleichsam ein Instinkt angeboren, wie die Herren Spiritua- listen wohl sagen, für die Begriffe von rechts und links? — Gehen wir diesem, freilich angeborenen Instinkt für rechts und links, für unten und für oben etwas näher zu Leibe, so ergiebt sich Folgendes über denselben. Zum Glücke stimmen alle, die da glauben und alle, die nicht glauben, alle Physiologen aller Farben in Beziehung auf die Seele, in dem Einen vollkommen überein, dass das Ding, welches im Organe das Bewusstsein zu Stande bringt, nicht der Arm, nicht das Bein, nicht das Auge, nicht das Ohr, auch nieht die Nerven dieser Organe sind, da man diese Dinge alle abschneiden und vernichten kann, ohne dass das Bewusstsein oder die Seele darunter leidet. Vielmehr geben, wenn wir uns zunächst hier auf die Oerebrospinal- thiere beschränken, Alle zu, dass das cerebrospinale Nerven- organ der ausschliessliche Theil des Organismus ist, in wel- chem sich unter Concurrenz allerlei anderer Verhältnisse das Bewusstsein bildet, oder um auch einer andern Ausdrucks- weise mich zu bedienen, in welchem die Seele ihren Sitz halten kann. Da nun, ganz abgesehen von dem cerebralen oder spi- nalen Ursprung der Vertebralnerven, jedenfalls im Gehirn, in den mesencephalischen Gebilden die Endpunkte aller Cere- brospinalnerven, also auch der sensiblen (sit venia verbo) sich isolirt finden, so wird man nicht umhin können, zuzu- geben, dass die Seele von unendlich vielen räumlich aus- einander gehaltenen Nervenenden, Eindrücke em- pfangen kann, — was auch bereitwillig alle zugeben und damit aussprechen, dass das Bewusstsein, oder was hier völlig gleichgültig ist, die Seele auf einen Raum ver- breitet, also (auch selbst für Spiritualisten) wenigstens in Beziehung auf ihre Empfindungsfähigkeit ein räumliches Ding sein muss. Es ist aber in der faktischen Anordnung der Nervenge- bilde, welche die cerebrospinalen Organe selbst, wie auch derer, welche die vertebralen Nerven bilden, bekanntlich ein doppelter Typus streng eingehalten. Erstens wiederholen sich durch die ganze Organisation hindurch nach einem Bila- teraltypus gleichwerthige Nervengebilde rechts und links, und sodann liegen die verschiedenwerthi- gen Organisationen, welche je rechts und links ausge- führt sind, längs der cerebrospinalen Axe in einer bestimmten Reihenfolge von oben nach unten. — Wozu dies gut ist, ist sehr klar. — Diese Anordnung ist nämlich dazu sehr gut, dass die Seele, von der wir hier nur den allgemein zugegebenen Satz nöthig haben, dass sie über- all da anfängt, wo sie im Stande ist, die Eindrücke soge- nannter sensibler Nerven zu empfangen, dass also diese Seele, die Eindrücke der Cerebrospinalnerven von rechts und links, von oben und unten empfangen und so die Modification der Inneryationsströme durch objektive Affeetion von vier Seiten empfangen, vergleichen und also Vorstellungen von der Rela- tion in der Lage verschiedener Dinge im Raume bilden kann. — Dass wir nun die Eindrücke von der einen Seite rechts, die von der andern Seite links, die vom Kopfende oben die vom Steissende kommenden unten nennen, das aller- dings ist eine Angewöhnung der Seele und Convention der beseelten Menschen. — Wäre diese faktische Anordnung unseres cere- brospinalen Nervensystems nicht so, wie sie ist, flössen z. B. alle Nervenströme so, wie alle Blutströme wirk- lich aus der Aorta fliessen, aus einer einzigen Oeffnung eines Innervationscentrum in die verschiedenen Stellen der Peri- pherien, so würde weder Hegel noch Herbart in das menschliche Bewusstsein die Begriffe von links und rechts haben bringen können und mit der Mathematik würde es für das Menschengeschlecht eben nichts sein, wenn auch eine noch so vortreflliche Seele in unserem Organismus einge- pflanzt wäre. Da nun in der Retina die Nervenelemente faktisch in völ- lig umgekehrter Ordnung von den Objekten affieirt werden, als sie ohne die lichtbrechenden Medien, welche zwischen Retina und Objekt an unserem Leibe angebracht sind, affi- 225 eirt sein würden, uns aber ein vollkommener Parallelismus des gesehenen Rechts und Links, des gesehenen Oben und Unten, mit dem gefühlten Rechts und Links, mit dem ge- fühlten Oben und Unten angeboren ist, so ist die Lösung des Räthsels so einfach, dass ich fast zögere, sie auszu- sprechen. — Es ist nemlich die Einpflanzung der Retinal- elemente, in dem Leibestheil, in welchem das Bewusstsein zu Stande kommt, oder, wenn man lieber will, die Seele wohnt, die umgekehrte als in der Retina. — Allerdings könnte auch nach dieser zwar unendlich ein- fachen, aber dafür auch richtigen Auseinandersetzung noch verlangt werden, man solle die umgekehrte Einpflanzung der Optikusfasern direkt nachweisen und ich muss hier freilich auch beklagen, dass dies der Wissenschaft noch nicht gelun- gen ist. — Wenn man aber überlegt, dass es überhaupt gar nicht nöthig ist, dass die Optikusfasern im Centralorgan die- selbe geschlossene Einheit bilden, wie in der Retina, dass es sehr gut möglich ist, dass sie in dem Mesencephalon über eine viel grössere Fläche ausgebreitet sind, als in der Re- tina, dass sie hier vielleicht zwischen sich noch viele andere Nervenelemente haben können, da ja in ihrer Wirkung auf die Seele der einheitliche Eindruck und Unterschied von an- deren Sinneseindrücken dadurch hinreichend gewährleistet ist, dass sie allein im Körper die Nerven sind, die vermöge der lichtbrechenden Medien auf specifische Weise durch’s Licht affieirt werden, so billigt man vielleicht auch meine Ansicht, dass die Kenntniss des centralen Retinalendes wohl kaum zur Erklärung des Aufrechtsehens so dringend nöthig ist. Müllers Archiv, 1864. 15 226 Ueber das Verhalten des Herzens in verschiedenen Gas- arten. Von T. CASTELL*). Die nachfolgende Arbeit eines talentvollen und strebsamen jungen Mannes, der leider kurz nach ihrer Vollendung der Wissenschaft durch den Tod entrissen wurde, sollte nach dem Willen ihres Verfassers erst nach einer nochmaligen Durcharbeitung veröffentlicht werden; einige Versuche, bei denen vielleicht noch störende Einflüsse wirksam gewesen waren, sollten wiederholt und die Folgerungen aus den Ver- suchen für die Theorie der Herzbewegung ausführlicher be- sprochen werden. Da die Arbeit indessen auch in ihrer jetzi- gen unvollendeten Gestalt werthvolles Material enthält, glaubte ich sie der Veröffentlichung nicht vorenthalten zu dürfen. H. Helmholtz. Angeregt durch das von der medizinischen Fakultät für dieses Jahr zur Bearbeitung gestellte Thema: „Quum cor ranarum e corpore excisum in a@re pulsare pergat, in spatio aere privato cesset, experimentis eruatur, utrum in gasibus oxygenio liberis, praecipue in nitrogenio, hydrogenio, acido earbonico, chloro et in nitrogenio, cui gasa irritantia admixta sint, pulset an pulsare desinat. Nec non exponatur, quan- tam vim irritamenta exerceant in cor, quod tali modo quieseit“ habe ich mich im vergangenen Sommer mit Versuchen, wie *) Von der medizinischen Fakultät in Königsberg gekrönte Preisarbeit. 297 za sie das obige Thema bezeichnet, beschäftigt. Im Folgenden nun beabsichtige ich der Aufgabe gemäss die einzelnen von mir angestellten Versuche genau zu beschreiben und die Re- sultate, welche ich erhalten, mitzutheilen. Bevor ich jedoch zu Einzelnheiten übergehe, scheint es mir passend, den Weg, welchen ich bei diesen Mittheilungen einschlagen werde, im Allgemeinen etwas näher zu bezeichnen. Zuerst gedenke ich nämlich über einige Voruntersuchungen zu sprechen, deren das Thema zwar keine Erwähnung thut, die ich aber anzu- stellen für nöthig fand. Die Gründe hiervon werde ich bei den Versuchen selbst anführen. Alsdann folgt die genaue Beschreibung der mit dem Froschherzen in den verschiedenen sauerstofffreien Gasarten angestellten Versuche. Schliesslich werde ich die Resultate der Versuche kurz zusammenstellen und angeben, in wie weit sich dieselben mit verschiedenen Ansichten, die man über die Bedeutung des freien Sauer- toffes bei der bezeichneten Herzthätigkeit aufgestellt hat, en lassen oder nicht. Als Voruntersuchungen be- trachte ich die Beobachtung des Froschherzens in der atmo- sphärischen Luft, unter der Glocke der Luftpumpe, im Wasser und im reinen Sauerstoffgase. Bei diesen so wie den ferne- ren Versuchen habe ich abwechselnd Exemplare von Rana esculenta und Rana temporaria benutzt, wobei ich gleich be- merken will, dass ich unter denselben Nebenumständen bei den Versuchen keinen Unterschied zwischen den Fröschen der verschiedenen Species wahrgenommen habe. Bei sämmt- lichen Versuchen benutzte ich die Herzen in der Art, dass ich sie aus dem Herzbeutel herausnahm und die Gefässe etwa eine Linie weit von ihrem Eintrittspunkte durchschnitt. Das Froschherz in der atmosphärischen Luft. Noch ehe ich die einzelnen Versuche anstellte, konnte ich mir schon voraussagen, dass das Ilerz weder im Vacuum noch in den meisten andern Medien, deren Einfluss unter- sucht werden sollte, augenblicklich seine Kontraktionen ein- stellen würde. Daher schien es mir angemessen, vor Allen andern die durchschnittliche Dauer seiner Thätigkeit in der 15* 228 atmosphärischen Luft festzustellen und hiedurch eine Norm zu gewinnen. Erster Versuch. Das Herz ward ausgeschnitten und sogleich unter eine kleine Glasglocke gebracht, welche über Wasser stand und oben mit der Luft in Verbindung gesetzt war. Dies geschah, um die Luft, welcher das Herz ausge- setzt ward, ungefähr in dem Maasse mit Wasserdämpfen zu erfüllen, als dies bei den verschiedenen Gasarten später der Fall war. Unter die Glocke gelangte das Herz 11 Uhr 50 Min. und schlug fort bis 2 Uhr 15 Min. Dies geschah in der Weise, dass der Ventrikel zuerst aufhörte sich zusammenzuziehen, während die Atrien noch lange darauf langsam, aber regel- mässig arbeiteten. Zweiter Versuch. Das Herz ward ausgeschnitten 11 Uhr 37 Min. und schlug, ebenfalls in einer Glocke, bis 2 Uhr 47 Min. Dritter Versuch. Das Herz ward ausgeschnitten 11 Uhr 50 Min. und schlug fort bis 3 Uhr. Der Verlauf der Thätigkeit war bei den letzten beiden Versuchen derselbe, wie bei dem ersten Versuche. Hieraus ergeben sich die Zeiträume 165, 190, 190 Minuten für die Dauer der Herzthätigkeit. Man kann also annehmen, dass das Herz eines kräftigen Frosches in der von mir benutzten Glocke mit atmosphärischer Luft gefüllt etwa drei Stunden hindurch fortschlägt. Valentin giebt zwar in seinem Hand- buche der Physiologie an, dass ein Froschherz unter günsti- gen Umständen 24 Stunden, ja auch noch länger, seine ge- wöhnliche Verkürzungsart beibehalte. Der gebrauchte Aus- druck, so wie auch der Zusammenhang der Stelle im erwähn- ten Handbuche mit dem Vorhergegangenen deuten darauf hin, dass Valentin den selbständigen Kontraktionen eines ausge- schnittenen Herzens die genannte Dauer zugestehe. Dieser Umstand steht jedoch mit dem Resultate, welches ich erhielt, in keinem Widerspruche, denn zu den günstigen Umständen, die Valentin nieht näher bezeichnet hat, gehört meiner An- sicht nach vor Allem, dass man das Herz in einer Atmo- sphäre erhalte, die fortwährend mit Feuchtigkeit übersättigt ist und eine gelinde Wärme besitzt, um dem Erstarren und 229 biemit zugleich der Ruhe des Herzens vorzubeugen. Da es mir jedoch nicht darauf ankam, zu erfahren, wie lange man die Thätigkeit des Herzens in der atmosphärischen Luft durch diese oder jene Umstände erhalten könne, sondern allein darauf, die Dauer dieser Thätigkeit unter den Umständen, die ich bei den späteren Versuchen in den Gasarten bewirken wollte, festzustellen, so nahm ich auch nur hierauf Rücksicht. Es genügte mir also zu finden, dass das Herz in der kleinen Glocke über Wasser und bei einer Temperatur von 16 bis 20 Grad nach Reaumur etwa 3 Stunden fortschlug, dann aber selbst mit bewaffnetem Auge keine Kontraktionen mehr wahr- zunehmen waren. Das Froschherz unter der Glocke der Luftpumpe. Erster Versuch. Das Herz ward ausgeschnitten, auf ein Uhrschälchen gelegt und dann unter die Glocke der Luft- pumpe gebracht. Das kräftige Auspumpen begann 2 Uhr 55 Min. Bereits nach 10 Min. liessen die Schläge bedeutend nach, worauf sehr bald die Kontraktionen des Ventrikel gänz- lich aufhörten. Die Atrien kontrahirten sich noch einige Zeit, bis zuletzt nur noch ein unbedeutendes Zucken, das sich . durch Spiegeln einzelner Flecke zu erkennen gab, der gänz- lichen Ruhe voranging. Diese erfolgte um 3 Uhr 25 Min. Die Atrien waren stark aufgetrieben, die ganze Herzmasse äusserst trocken und starr. Beim Zulassen der Luft colla- birten die Atrien augenblicklich. Ein galvanischer Strom blieb ohne Wirkung. Selbst nachdem ich einige Tropfen Serum von einem kürzlich getödteten Frosche auf das Herz geträu- felt, um die Starrheit zu lösen, blieb das Herz bewegungs- los, reagirte nicht auf Reizmittel. Zweiter Versuch. Das Auspumpen der Luft begann 3 Uhr 37 Min. Die Stärke der Bewegungen nahm in diesem Falle noch schneller ab, als im ersten. Die vollkommene Ruhe trat ein 4 Uhr 5 Min. Das Herz war weniger aufge- blasen als das erste, jedoch ebenfalls sehr starr geworden. Beim Zulassen der Luft blieb auch dieses Herz bewegungs- los, jedoch traten nach der Befeuchtung mit Blutserum bei 230 Anwendung des galvanischen Stromes noch etwa 10 Minuten hindurch Spuren von Bewegung ein. Dritter Versuch. Das Auspumpen begann 9 Uhr 15 Min. Unter ähnlichen Erscheinungen, wie bei den früheren Ver- suchen trat die Ruhe ein um 9 Uhr 48 Min. Bei diesem Ver- suche hatte ich mich einer Glocke bedient, in welche zwei Kupferdrähte führten, die, mit ihren Enden durch ein Schäl- chen von Korkholz gestossen, das Froschherz berührten. Nach eingetretener Ruhe leitete ich einen Strom durch die Drähte, jedoch ohne dadurch Kontraktionen des Herzens her- vorzubringen. Nach dem Zulassen der Luft befeuchtete ich das starre Herz mit Serum, und es erfolgten einige Reaktio- nen auf den galvanischen Strom. Vom Beginne der Luftver- dünnung bis zur vollkommenen Ruhe des Herzens vergingen also 30, 28, 33 Minuten. Erwägt man, dass eine gute Luft- pumpe die Luft unter der Glocke sehr schnell verdünnt, so kann man die Dauer der Herzthätigkeit im möglichst luft- leeren Raume als 30 Minuten annehmen. ) Das Froschherz im Wasser. Meine erste Absicht, das Herz in kleinen Glasglocken, welche oben durch eingeschliffene Stöpsel oder Korke zu schliessen wären, den verschiedenen Gasen auszusetzen, be- dingte es, das Herz eine kurze Zeit dem Wasser auszusetzen. Wenngleich ich nun dieses Verfahren später aufgab und nur sehr wenige Versuche in dieser Art angestellt habe, so will ich hier doch ganz kurz den Einfluss des Wassers auf die Thä- tigkeit des Herzens angeben. Es war sehr fraglich, ob das Wasser nicht als ein dem Herzen fremdartiger Körper seine Vitalität umstimmen und so Manches der Wirkung der Gase zugeschrieben werden könnte, was jedoch nur von dem Ein- - fluss des Wassers herrührte. Um aus dem Wasser die atmo- sphärische Luft zu entfernen, liess ich dasselbe eine Stunde lang kochen und filtrirte es hierauf, um es zu reinigen. In eine mit diesem Wasser gefüllte Glocke ward ein Herz hin- eingebracht. Nach 20 Minuten hörte es auf zu schlagen und blieb, wieder an die Luft gebracht, 15 Minuten hindurch be- = 231 wegungslos. Hierauf jedoch begann das Herz sich leise zu bewegen, die Kontraktionen wurden stärker und geregelter und dauerten noch 2 Stunden und 10 Minuten fort. Es lässt sich demnach nicht annehmen, dass der Aufenthalt von eini- gen Sekunden im Wasser die Vitalität des Herzens herab- stimmen dürfte. Das Froschherz im reinen Sauerstoffgase. Wie ich schon angegeben, beabsichtige ich nach der Be- schreibung der einzelnen Versuche einige Worte über den Einfluss, welchen der freie Sauerstoff auf die Thätigkeit des Herzens ausübt, hinzuzufügen. Aus diesem Grunde schien es mir wünschenswerth, auch das Verhalten des Herzens im reinen Sauerstoffe zu prüfen. Diese Versuche gehören nicht zu den ersten, die ich angestellt, vielmehr bildeten sie den Schluss meiner Arbeiten, und daher habe ich mich bei ihnen des Apparates bedient, den ich als den zweckmässigsten er- kannt hatte. Eine nähere Beschreibung desselben behalte ich mir noch vor. Erster Versuch. Die Diffusion begann 3 Uhr 40 Min. Die Kontraktionen folgten sehr schnell auf einander und wa- ren von grosser Heftigkeit. Diese Eigenschaft zeigten die- selben noch um 5 Uhr 45 Min. Allmälig nahm die Frequenz der Kontraktionen mehr und mehr ab, jedoch fanden diesel- ben nicht, wie es meistens gegen das Ende kurz vor der Ruhe zu geschehen pflegte, nur in den Atrien statt, sondern erfolgten im Ventrikel langsam aber kräftig bis zum Zeit- punkte der Ruhe, Ich beobachtete diese Erscheinung jedoch bei diesem ersten Versuche nicht so deutlich als bei den fol- genden, weil ich, durch das angestrengte Sehen bei Licht ermüdet, die Beobachtung nur bis 1 Uhr 20 Min. fortsetzte. Durch diesen ersten Versuch auf längere Dauer der Beobach- tung aufmerksam gemacht, begann ich dieselbe in den drei folgenden Versuchen des Morgens. Zweiter Versuch, Die Diffusion begann 9 Uhr Mor- gens. Die Erscheinungen in den ersten Stunden waren denen im ersten Versuche ganz analog. Was die der letzten Stun- 232 den betrifft, so bemerkte ich, dass die Zwischenräume zwi- schen den einzelnen Kontraktionen, welche man am Anfang kaum gewahr wurde, später mehr und mehr zunahmen. Nach etwa 6 Stunden betrugen sie 20 Sekunden, nach 8 Stunden 30—40 Sekunden und währten ganz zuletzt fast 10 Minuten. Die Ruhe des Herzens erfolgte um 9 Uhr 46 Min. Abends. Dritter Versuch. Die Diffusion begann 10 Uhr 45 Min. Die Erscheinungen waren hier, wie bei dem letzten Versuche, den oben erwähnten analog. Die vollständige Ruhe trat ein um 10 Uhr 30 Min. Vierter Versuch. Die Diffusion begann um 10 Uhr 45 Min. Die Ruhe erfolgte um 11 Uhr Abends. Es stellt sich also heraus, dass die Thätigkeit des Herzens im reinen Sauerstoffgase durchschnittlich etwas über 12 Stunden an- dauert. Schliesslich bemerke ich noch, dass ich den Sauer- stoff? zu diesen Versuchen aus Mangansuperoxyd und chlor- saurem Kali dargestellt und bei den Versuchen vermittelst eines Gasometers benutzt habe. — Die Art und Weise, wie die Versuche in den einzelnen Gasarten anzustellen und be- sonders, wie die Anwendung von Reizmitteln im abgeschlos- senen Raume vorzunehmen sei, erforderte einige Ueberlegung. Ich habe nun im Laufe der Untersuchungen drei Methoden angewandt, die ich jetzt kurz beschreiben will, um bei den einzelnen Versuchen nur angeben zu dürfen, nach welcher Methode ich den Versuch angestellt. Erste Methode. Ich besorgte mir einige Flaschen von weissem durchsichtigen Glase, die oben durch einen einge- schliffenen Stöpsel zu schliessen waren und vier Unzen Wasser enthielten. Von diesen liess ich den Boden glatt wegschleifen, so dass nun Glocken entstanden, die oben durch den Stöpsel geöffnet und geschlossen werden konnten. In die Stöpsel liess ich mir zwei Furchen einschleifen, tief genug, um einen feinen Draht darin zu versenken. Mittelst einer feinen Harz- masse fügte ich nun in diese Furchen zwei Kupferdrähte in der Weise ein, dass die Stöpsel wieder genau schlossen. An die Drahtenden, die in die Glocke hineinragten, befestigte ich nun ein in seiner Mitte durchbohrtes Korkschälchen, wel- 233 ches ich mit einer Lacklösung überzogen, um das Aufsteigen von Luftbläschen aus demselben zu verhindern, Diese Glocke setzte ich nun ohne den Stöpsel in die pneumatische Wanne, so dass ihr Inneres vollkommen von Wasser erfüllt ward. Sobald nun der betreffende Gasstrom hergestellt, setzte ich den Stöpsel, das Froschherz auf dem Schälchen, in die Glocke ein und hob diese auf den Steg der Wanne. Natürlich hatte ich nur Stöpsel gewählt, die an ihrer unteren Fläche von konischer Beschaffenheit waren. Auf diese Art gelangte das Herz nach wenigen Augenblicken in das Gas, welches das Wasser aus der Glocke verdrängte. Um nun einen galvani- schen Strom auf das Herz einwirken zu lassen, fügte ich die Dräthe so in das Schälchen ein, dass ihre Spitzen aus dem- selben schwach hervorragten und das Herz von ihnen be- rührt wurde. Um nun eine verdünnte: alka- lische oder salzige Lösung als Reizmittel an- zuwenden, wählte ich statt des Glasstöpsels einen gut passenden, diehten Kork, dessen in die Glocke ragende Fläche ich ebenfalls mit Lack überzogen hatte. Ausser den kurzen Dräthen, die das Schälchen hielten, fügte ich eine kurze, spitz ausgezogene Glasröhre so in den Kork ein, dass ihre Spitze sich gerade über dem Herzen befand. Diese Röhre mit einem Stempel versehen und mit der Lösung angefüllt, liess nun bei leisem Drucke auf den Stempel einen Tropfen der Lösung auf das Herz fallen. (Siehe d. Abbild.) Ebenfalls eines Korkes statt des Glasstöpsels bediente ich mich, wenn ich das ruhende Herz durch Stechen oder gelin- des Brennen reizen wollte. In diesem Falle durchbohrte ich den Kork und fügte an seiner nach dem Innern der Glocke gewandten Seite ein feines Kautschukplättchen ein. Durch dieses Plättehen nun stiess ich eine lange dünne Nadel kalt oder warm hindurch und führte sie bis zum Herzen hin. Wenngleich sich nach dem früher Gesagten nicht annehmen lässt, dass der bei diesem Verfahren nothwendige äusserst kurze Aufenthalt im Wasser die Vitalität des Herzens um- 234 stimme, so hat dieses Verfahren doch manchen Einwand zu erleiden. Erstens bleibt der Aufenthalt im Wasser immer ein Umstand, der bei den Versuchen in der atmosphärischen Luft und unter der Glocke der Luftpumpe nicht vorhanden war. Zweitens macht das Auskochen des Wassers wie über- haupt das ganze Verfahren bedeutend mehr Umstände und Unbequemlichkeiten als die folgenden, ohne deshalb wesent- liche Vortheile zu gewähren. Daher verwarf ich dasselbe sehr bald und stellte das folgende an. Zweite Methode. Bei dieser gebrauchte ich dieselben Glasglocken, doch liess ich die pneumatische Wanne fort. Statt in diese setzte ich die Glocke in ein kleines mit Queck- silber gefülltes Becken, so dass das Quecksilber 3—4 Linien hoch in der Glocke stand. Aus dem Niveau des Quecksil- bers ragte eine feine Glasröhre in die Glocke hinein, welche durch die Wand des Beckens geführt eine Communikation der Glocke mit der äusseren Luft bewirkte. Sobald sich nun das Herz in der Glocke befand, leitete ich an einer vertief- ten Stelle des Beckens einen starken Gasstrom in die Glocke hinein, der sehr bald auf dem Wege der Diffusion die atmo- sphärische Luft aus derselben vertrieb. War der Gasstrom leicht für längere Zeit in derselben Stärke herzustellen, so blieb die Communikationsröhre während der Dauer des Ver- suches offen, hatte dies Schwierigkeiten, so schloss ich die- selbe, sobald ich von der Austreibung der atmosphärischen Luft überzeugt war, und entfernte gleichzeitig die Gasleitungs- röhre aus dem Becken. Obgleich dieses Verfahren ersichtlich manchen Vorzug vor dem ersten verdient, so darf man dabei doch nicht den sehr zweideutigen Umstand übersehen, dass das Herz hiebei Quecksilberdämpfen, wenn auch in sehr ge- ringer Menge, ausgesetzt ist. Die intensive Wirkung selbst kleiner Mengen dieses Körpers, wo wir überhaupt Wirkun- gen wahrnehmen, sind ja genugsam bekannt. Ein anderer Grund, der mich die folgende Methode auch dieser vorziehen liess, liegt darin, dass die freistehende Glocke bei den ver- schiedenen Manipulationen leicht über das flache Niveau des Quecksilbers emporgehoben und somit die ganze Beobach- 235 tung vereitelt werden könnte. Das Quecksilber darf aber nur niedrig in der Glocke stehen, weil sich sonst der Widerstand, den es dem eintretenden Gase entgegensetzt, bei Versuchen, wo die Gasentwickelungsflasche mit der äusseren Luft durch einen Trichter, welcher in die Flüssigkeit taucht, sehr unan- genehm bemerkbar macht. Der Eintritt des Gases in die Glocke stockt, die äussere Luft tritt wieder hinein und die Präeision der Beobachtung geht hierdurch verloren. Dritte Methode. Bei der dritten Methode setzte ich einen kleinen Cylinder von dünnem, weissen und klaren Glase, der eine Unze Wasser fasst, mittelst einer zweimal geboge- nen Röhre in direkte Verbindung mit der Entwickelungsflasche, oder, wo ich mich desselben bediente, mit dem Gasometer. Der Kork, welcher die untere Oeffnung schloss, ward nur von der erwähnten Verbindungsröhre und, wo ich einen galvanischen Strom anwen- den wollte, von zwei feinen Kupferdräthen durchbohrt. Auf ihm ruhte bei den Ver- suchen das Herz und berührte, wo es nöthig war, die Spitzen der Drähte. Der Kork dagegen, welcher die obere Oeff- nung schloss, enthielt erstens stets eine feine Verbindungsröhre mit der äusseren Luft und zweitens die oben erwähnte Glas- spritze oder das Kautschukplättchen. Die nebenstehende Figur mag den Apparat veranschaulichen. Noch einige Worte von den Reizmitteln, ehe ich über die einzelnen Versuche referire. Da es sich hier nicht um eine eonstante Kette handelte, so gebrauchte ich bei allen Ver- suchen eine Kupferplatte, eine Zinkplatte und verdünnte Schwefelsäure, nachdem ich mich von der angemessenen Stärke der Kette an verschiedenen Froschpräparaten über- zeugt hatte. Die Drahtenden, welche das Herz berührten, wurden vor einem jeden Versuche mit einer Feile gestrichen. Die Glasspritze füllte ich meistens mit einer Chlornatrium- lösung, deren genügende Verdünnung ich vorher am Herzen 236 in der Luft erprobt hatte. Theils weil ich bei Anwendung von verdünnter Aetzkalilauge, Aetzammoniak keinen Unter- schied der Wirkung bemerkte, theils weil mehrere zur Unter- suchung angewandte Gase in ihrer Eigenschaft als Säuren mit dem freien Alkali sofort Salze gebildet hätten, zog ich die erprobte Chlornatriumlösung vor. Zunächst werde ich nun die Ergebnisse der Versuche mit den vier Gasarten, welche in der Aufgabe besonders erwähnt worden sind, mit- theilen. Hierauf werde ich noch die Einwirkung der übrigen Gasarten, welche keinen freien Sauerstoff enthalten und mir zur Beobachtung geeignet erschienen, auf das Froschherz beschreiben. Das Froschherz im Stickstoffgase. Nachdem ich mehrmals ohne genügenden Erfolg die Be- reitung dieser Gasart aus zwei Theilen Aetzammoniak und drei Theilen Chlorkalk, der grösstentheils aus unterchloricht- saurer Kalkerde bestehen soll, versucht hatte, ‚gab ich diese Methode auf und bereitete mir das Gas aus der atmosphäri- schen Luft. Zu diesem Zwecke liess ich dieselbe durch ein mit Kupferspänen gefülltes Flintenrohr, das ich der Roth- glühhitze aussetzte, hindurchströmen. Das aus dem Rohre hervortretende Gas leitete ich, bevor ich es in einem Gaso- meter aufsammelte, durch Aetzkalilauge, um die Spuren von Kohlensäure zu entfernen. Mit dem Gasometer nun verband ich den erwähnten Glascylinder. Erster Versuch. Nachdem ein Herz in den Cylinder gebracht und dieser eben geschlossen worden, begann eine starke Diffusion 9 Uhr 37 Min. Nach 15 Minuten schloss ich die Communikationsröhre des Cylinders mit der äusseren Luft, wie auch den Hahn des Gasometers ab. Bereits nach 20 Mi- nuten, vom Anfange der Diffusion gerechnet, fand nur eine schwache Bewegung der Atrien statt. Auf dieses erfolgte bald das erwähnte Spiegeln, die Ruhe erst 10 Uhr 50 Min. Es erfolgte keine Reaktion auf den galvanischen Strom, wie auch Stechen ohne Erfolg blieb. Nachdem das Herz an die 237 Luft gebracht, fing es nach 10 Minuten an leise zu schlagen und setzte diese Thätigkeit fort bis 12 Uhr und einige Minuten. Zweiter Versuch. Die Diffusion begann um 11 Uhr 15 Min. Nach 20 Min. ward der Cylinder wie oben abge- sperrt. Bereits 11 Uhr 30 Min. erfolgte nur sehr schwaches Zucken, die Ruhe 12 Uhr 30 Min. Bei Anwendung der Koch- salzlösung erfolgte keine Reaktion. An der Luft begann nach wenigen Minuten eine Thätigkeit, die bis gegen 1 Uhr fort- dauerte. Dritter Versuch. Bei den folgenden beiden Versuchen liess ich einen dauernden Strom von Stiekgas durch den Cy- linder streichen, um zu erfahren, ob sich eine erhebliche Differenz mit der Dauer des Phänomens bei der Absperrung. zeigen würde. Die Diffusion begann 1 Uhr 30 Min. Voll- ständige Ruhe erfolgte 2 Uhr 35 Min. Gelindes Brennen blieb ohne Einfluss. An der Luft schlug das Herz bis 3 Uhr 30 Min. Vierter Versuch. Die Diffusion begann um 1 Uhr 30 Min. Vollständige Ruhe trat ein 2 Uhr 31 Min. Der gal- vanische Strom gab keine Reaktionen des Herzens. An der Luft schlug dasselbe nach einigen Minnten Pause bis 3 Uhr 40 Min. Es dauert die Thätigkeit bei fortgesetztem Gasstrome zwar etwas weniger lange als bei der Absperrung, doch ist der Unterschied zu gering, um deshalb die Dichtigkeit des Cylinders oder die vollkommene Austreibung der atmosphä- rischen Luft zu bezweifeln. Wir sehen also, das Herz schlägt im Stiekgase 73, 75, 65, 61 Minuten, woraus sich .die durch- schnittliche Dauer auf 68 Minuten herausstellt. Das im Stick- gase ruhende Froschherz reagirte auf keines der angewand- ten Reizmittel. Das Froschherz im Wasserstoffgase. Bei der leichten Bereitung dieses Gases aus gereinigtem Zink, englischer Schwefelsäure und Wasser habe ich dasselbe stets bei den Versuchen frisch bereitet, ohne den Gasometer anzuwenden. Erster Versuch. Einen Versuch stellte ich nach der zuerst beschriebenen Methode an und benutzte die pneuma- 238 tische Wanne. Hiebei gelangte das Herz in das Wasserstoff- gas um 2 Uhr. Nach anfangs recht kräftigen Kontraktionen trat die Ruhe um 3 Uhr 25 Min. ein, worauf auf Kochsalz- lösung einige Reaktionen erfolgten, die jedoch um 3 Uhr 25 Min. aufhörten. An der Luft schlug das Herz noch etwa eine halbe Stunde. Weil dieser Versuch der einzige unter allen von mir angestellten ist, bei dem nach der Ruhe eine Reaktion auf Reizung eintrat, würde es mir sehr verkehrt scheinen, hier einen Einfluss des Reizmittels auf das in der That ruhende Herz anzunehmen. Sehr erklärlich ist die Er- scheinung, wenn ich bei dem durch das nasse Gas stark ge- trübten Glase einen Beobachtungsfehler annehme und die Ruhe früher annahm, als sie in der That erfolgte. Wie ich schon früher sagte, dokumentiren sich die letzten Bewegun- gen des Herzens nur durch ein Spiegeln einzelner beleuch- teter Parthieen desselben. In einzelnen Fällen, wo ich zwei- felte, ob Ruhe, ob Bewegung vorhanden sei, bediente ich mich einer Loupe und sah dann deutlich, wie das genannte Spiegeln das letzte Zeichen für schwache Kontraktionen bildete. Bei den drei folgenden Versuchen bediente ich mich der Absperrung durch Quecksilber, wandte jedoch mit Absicht noch keine Chlorcaleiumröhre an, um zuerst die Einwirkung des sehr feuehten Gases näher festzustellen. Zweiter Versuch. Die Diffusion begann um 11 Uhr 23 Min. und dauerte wie bei den folgenden Versuchen das Hindurchströmen des Gases durch die Glocke unausgesetzt fort. Die Ruhe des Herzens trat ein um 12 Uhr 20 Min. Ein galvanischer Strom blieb ohne Einfluss. An der Luft schlug das Herz noch bis 1 Uhr 40 Min. fort. Dritter Versuch. Die Diffusion begann um 12 Uhr 37 Min. Die Ruhe erfolgte um 1 Uhr 38 Min. Auf Brennen erfolgte keine Reaktion, an der Luft ähnliche Erscheinung wie oben. Vierter Versuch. Die Diffusion begann um 2 Uhr 33 Min. Ruhe trat ein um 4 Uhr und ward durch Stechen des Her- zens nicht unterbrochen. An der Luft schlug das Herz noch 239 über eine halbe Stunde. Die vier folgenden Versuche wur- den mit dem zuletzt beschriebenen Cylinder angestellt und zeigen, da zwischen diesem und der Entwickelungsflasche ein Chlorcaleiumrohr eingeschaltet war, die Einwirkung des trockenen Wasserstoffes auf das Herz. Fünfter Versuch. Die Diffusion begann um 1 Uhr 37 Min. Anfänglich erfolgten heftige Kontraktionen, welche jedoch bald nachliessen. Langsamere Schläge und Spiegeln gingen der Ruhe voraus. Diese erfolgte um 2 Uhr 17 Min. Koch- salzlösung sowie galvanischer Strom zeigten keine Wirkung. Das Herz war stark zusammengetrocknet und blieb an der Luft bewegungslos. Sechster Versuch. Die Diffusion begann um 2 Uhr 40 Min. Die Ruhe trat ein um 3 Uhr 33 Min. Stechen blieb erfolglos. Das gleichfalls trockene Herz blieb an der Luft ruhig. Siebenter Versuch. Die Diffusion begann 4 Uhr 10 Min. Ruhe erfolgte um 5 Uhr. Gelindes Brennen blieb erfolglos. Achter Versuch. Die Diffusion begann 4 Uhr 10 Min. Die Ruhe trat ein 4 Uhr 55 Min. An der Luft bewegte sich dieses Herz ebensowenig wie das vorhergehende. Wenn wir, wie es mir nothwendig erscheint, das feuchte und das trockene Gas besonders berücksichtigen, erhalten wir für ersteres die Zeiträume von 85, 57, 61, 87, für letzteres die von 40, 53, 50,45 Minuten. Es dauert die Herzthätigkeit also im feuch- ten Gase 72, im trockenen 47 Minuten. Reizmittel wirken in beiden Gasen nicht auf das ruhende Herz. An der Luft schlägt das im feuchten Gase beobachtete Herz noch etwa 45 Minuten, das im trockenen Gase beobachtete gar nicht mehr. Der Grund für letztere Erscheinurg liegt sicherlich in der Starre des Herzens, die natürlich in dem feuchten Gase nicht eintritt. Es wäre also aus dieser Ruhe des im trockenen Gase beobachteten Herzens, nachdem es wieder an die Luft gebracht worden, keine speeifisch feindliche Ein- wirkung des Wasserstofles auf das Herz, wie wir diese bei vielen anderen Gasen finden werden, anzunehmen. 240 Das Froschherz in der Kohlensäure. Dieses Gas bereitete ich mir aus weissem Marmor und chemisch reiner Salzsäure. Drei Versuche stellte ich mit der pneumatischen Wanne an, deren Resultate jedoch so ungenau waren, dass ich von der Methode ferner keinen Gebrauch weiter machte, ausgenommen einen Fall, den ich später be- schreiben werde. Bei Versuchen mit der Quecksilbersperre ergab sich Folgendes. Erster Versuch. Die Diffusion in der Glocke begann 3 Uhr 15 Min. Ruhe erfolgte, nachdem die Kontraktionen ohne bemerkenswerthe Erscheinungen mehr und mehr abge- nommen hatten, um 3 Uhr 25 Min. Auf galvanischen Strom und Kochsalzlösung erfolgten keine Reaktionen. Ueber das Verhalten an der atmosphärischen Luft werde ich im Allge- meinen, ehe ich zu einer anderen Gasart übergehe, etwas angeben. Zweiter Versuch. Die Diffusion begann um 3 Uhr 35 Min. Die Ruhe erfolgte um 3 Uhr 45 Min. Gelindes Brennen blieb erfolglos. Dritter Versuch. Die Diffusion begann 3 Uhr 55 Min. Die Ruhe erfolgte um 4 Uhr 3 Min. Stechen bewirkte so wenig Kontraktionen, wie vorher die anderen Reizmittel. Bei den drei folgenden Versuchen verband ich den Cylinder mit der Entwickelungsflasche. Vierter Versuch. Die Diffusion im Cylinder begann 11 Uhr 28 Min, Ruhe trat ein um 11 Uhr 35 Min. Galvani- scher Strom und Stechen blieben ohne Erfolg. Fünfter Versuch. Die Diffusion begann 11 Uhr 47 Min, Ruhe erfolgte 11 Uhr 53 Min. Keine Reaktion auf Kochsalz- lösung. Sechster Versuch. Die Diffusion begann um 12 Uhr 7 Min. Ruhe ward bemerkt um 12 Uhr 13 Min. Um von der Kohlensäure im Allgemeinen, wie von den anderen Gas- arten, die Dauer der Herzthätigkeit anzugeben, werde ich nur die mit dem Cylinder angestellten Versuche benutzen. Meine Gründe hiezu sind folgende. Erstens habe ich mit 24 ’ diesem Apparate das Herz in allen Gasen beobachtet, ferner halte ich es für nothwendig, die Zeitdauer nach Versuchen anzugeben, die unter denselben Bedingungen angestellt wor- den sind. Ich werde also die Zeiten für die einzelnen Gase sämmtlich nach Beobachtungen angeben, die mit dem Cylin- derapparat angestellt sind. Ausserdem ist natürlich die Stro- messtärke von grosser Bedeutung, wo es sich nur um kurze Zeiträume handelt, weil nach ihr sich die Zeit richten wird, in der die atmosphärische Luft aus dem Cylinder gedrängt ist. Da sich dieser Moment nicht genau bestimmen lässt, so rechne ich stets vom Beginne der Diffusion an und glaube, dass in weniger als fünf Minuten alle atmosphärische Luft verdrängt wird. Einen gleich starken Strom zu benutzen, war ich folglich stets bemüht. Für die Kohlensäure stellte sich die Dauer auf 6, 7, 6 Minuten heraus, es währt die Herzthätigkeit in ihr also 6 Minuten. Die längere Dauer bei den Versuchen mit der Quecksilbersperre erklärt sich sehr leicht daraus, dass ich bei denselben einen schwächeren Gas- strom benutzte, während die Glocken noch um das vierfache grösser negaht der Cylinder. Die Versuche mit der Koh- lensäure w die ersten, welche ich anstellte und bestimm- ten mich, gerade auf die gleiche Stärke des Gasstromes sorg- fältig zu achten. Kam das Herz wieder an die Luft, so be- gann es regelmässig nach 15— 20 Minuten langsam, aber an- haltend zu arbeiten, und zwar meistens so lange, dass von dem Momente, wo das Herz ausgeschnitten und im Verlaufe von einer oder zwei Minuten zu Versuchen benutzt ward, etwa 2 Stunden vergingen, ehe dasselbe gänzlich zu arbeiten aufhörte. Das Froschherz im Chlorgase. Diese Gasart bereitete ich aus Mangansuperoxyd und Salz- säure. Das Ergebniss der Beobachtungen des Herzens im Chlor ist in kurzen Worten anzugeben, da die Wirkung des- selben, wie von diesem allem Organischen feindlichen Kör- per zu erwarten war, äusserst schnell und heftig auftrat. Bei drei Versuchen, die ich nach der zweiten Methode anstellte, Müllers Archiv, 1854. 16 242 mit der Abänderung, dass statt Quecksilber eine gesättigte Kochsalzlösung zur Sperre benutzt ward, dauerten die Kon- traktionen 3, 4, 3 Minuten. Die Bewegungen konnte man als krampfhaftes Zucken bezeichnen. Nach eingetretener Ruhe wurden alle Reizmittel vergebens angewandt, und an der Luft bekundete schon die blasse, gelbliche Färbung der Herzmasse die vollendete Zerstörung. Bei drei mit dem Cylinder ange- stellten Versuchen, wobei das Chlor trockener auf das Herz einwirkte, vergingen zwischen dem Beginne der Diffusion und der Ruhe des Herzens 2, 2'%,, 2 Minuten. Reizmittel blie- ben erfolglos, so wie auch hier das Herz an der Luft völlig todt blieb. Es dauert also im Chlor die Thätigkeit des Her- zens 2 Minuten. Bevor ich nun zur Beschreibung einer Reihe von Versuchen mit anderen Gasarten, welche keinen freien Sauerstoff enthalten, übergehe, will ich noch den Erfolg einer Vermischung von Stickstoff mit Kohlensäure und mit Chlor angeben. Das Froschherz im Gemenge von Koblsuniihe und Stickgas. FRE. Um das Herz in diesem Gemenge zu ıten, füllte ich einen Gasometer mit 2 Theilen Stiekstoff und 1 Theil Kohlensäure. Diesen setzte ich mit dem Cylinder in Zusam- menhang. Erster Versuch. Die Diffusion im Cylinder begann um 2 Uhr 10 Min. Bereits nach 15 Minuten verlangsamten sich die Kontraktionen, die vollständige Ruhe erfolgte jedoch erst um 3 Uhr 20 Min. Galvanischer Strom und Kochsalzlösung wurden ohne Erfolg angewandt. An die Luft gebracht, be- gann das Herz nach wenigen Minuten zu schlagen. Zweiter Versuch. Die Diffusion im Cylinder begann 3 Uhr 35 Min. Unter derselben gleichmässigen Abnahme der Intensität dauerten die Kontraktionen bis 4 Uhr 40 Min. Stechen gab keine Reaktion. An der Luft schlug das Herz bald weiter fort. ‚Wir ersehen also, dass die entschieden feindliche Einwirkung der reinen Kohlensäure bei dieser Ver- mengung vollkommen schwindet, und das Herz etwa 67 Mi- nuten fortschlägt. 243 DasFroschherz im Gemenge von Chlor und Stickgas. Diese Gasarten im Gasometer zu mengen, ist nicht gut angänglich, da das freie Chlor die Messingparthien desselben angreift. Durch zwei verschiedene Röhren Chlor und Stick- gas in den Cylinder zu leiten, schien mir unzweckmässig, da hiebei keine Kontrolle des Mischungsverhältnisses möglich war. Ich suchte mir daher auf folgende Art zu helfen. Eine der früher beschriebenen Glocken stellte ich oben und unten offen auf den Steg der pneumatischen Wanne, die mit saturirter Kochsalzlösung gefüllt war, so dass die Flüssigkeit den fünf- ten Theil der Glocke ausfüllte. Nun brachte ich das Herz, in einem Korkschälchen liegend, das ich an einem die obere Oefinung der Glocke fest schliessenden Korke befestigt hatte, in die Glocke. Der Kork hatte eine feine Verbindungsröhre für das Innere der Glocke und die atmosphärische Luft. So- bald der Kork eingesetzt, leitete ich einen starken Stickgas- Berng mans dem Gasometer unter den Steg der ‚Wänne 2 Glocke war somit zu vier Fünftel mit Stickgas angefüllt. Hierauf leitete ich aus einer Flasche, in der bereits eine leb- hafte Chlorentwickelung vor sich ging, reines Chlorgas unter dem Stege durch in die Glocke, dieses drängte die Salzlösung aus dem unteren Theile der Glocke hinaus und letztere war, nachdem ich die Gasleitungsröhre fortnahm, um Compression und somit weiteres Eindringen von Chlor in die Glocke zu verhindern, mit 4 Theilen Stickgas und 1 Theil Chlor gefüllt. Was nun die Wirkung dieser Mischung auf das Herz betrifft, so war der Stickstofl keineswegs im Stande, die zerstörende Wirkung des Chlors zu mildern. Zwei Minuten, nachdem die ersten Antheile Chlor unter die Glocke traten, war das Herz nach einigen heftigen Zuckungen in demselben Grade zerstört, wie bei den Versuchen im reinen Chlor. Ich wende mich nun zur Beschreibung einer Reihe von 16* 244 Versuchen mit anderen Gasarten, die auch keinen freien Sauer- stoff enthalten. Nach dem Chlor will ich sogleich über zwei ihm verwandte Körper, das Jod und Cyan sprechen. Das Froschherz im Jodgase. Auf den Boden eines langen, schmalen Probirgläschens schüttete ich einige Gran Jod, in dem oberen Theile des Gläschens befand sich ein durchbohrtes Korkstückchen, auf dem das Herz ruhte. Als ich dieses Gläschen an seinem unteren Ende erwärmte, stieg das violette Jodgas in die ITöhe, berührte das Herz und bewirkte eine heftige Zuckung, sodann gänzliche Zerstörung. Diese heftige und augenblick- liche Einwirkung des Jodgases ward offenbar durch die hö- here Temperatur, welche dasselbe bedingt, unterstützt. Das Froschherz im Cyangase. Diese Gasart entwickelte ich aus Cyanquecksilber in einer kleinen Retorte und leitete sie in den Cylinder. Bei zwei Versuchen arbeitete das Herz 4 Minuten heftig, jedoch nicht so krampfhaft, wie im Chlorgase. Hierauf erfolgten zwar keine Reaktionen auf Reizmittel, und das Herz blieb auch an die Luft gebracht ruhig, doch zeigte es nicht so entschie- dene Spuren der gänzlichen Zerstörung, als diese durch Chlor und Jod hervorgerufen worden waren. Das Froschherz im Schwefelwasserstoffgase. Das in üblicher Weise aus Schwefeleisen, Wasser und Schwefelsäure bereitete Gas trat aus der Entwickelungsflasche in den Cylinder. Erster Versuch. Die Diffusion in diesem begann 11 Uhr 26 Min. Sehr bald erfolgten die Schläge schwach und selten, doch dauerten sie bis zur gänzlichen Ruhe in Atrien und Ventrikel fort. Die Ruhe erfolgte um 11 Uhr 36 Min. Gal- vanischer Strom und Stechen gaben keine Reaktion. Zweiter Versuch. Die Diffusion im Cylinder begann 11 Uhr 49 Min. Langsame Schläge, die auf keine Reizung durch die Gasart schliessen lassen, gingen der Ruhe vor- 245 aus; diese erfolgte 12 Uhr 4 Min. Kochsalzlösung gab keine Reaktion. Dritter Versuch. Die Diffusion begann 12 Uhr 21 Min. Die Ruhe trat ein um 12 Uhr 33 Min. Bei gelindem Brennen erfolgten keine Zuckungen. Die Thätigkeit im Schwefelwasserstoffgase dauert also 10, 15, 12 Minuten, woraus sie durchschnittlich auf 12 Minuten angenommen werden kann. Die wieder an die Luft gebrach- ten Herzen ruhten noch 3—5 Minuten, dann aber schlugen sie sämmtlich noch 1'% --2 Stunden fort. Das Froschherz im Phosphorwasserstoffe. Um die Entzündung der ersten Antheile des Gases im Cylinder und somit die Gegenwart von Phosphorsäure zu umgehen, wandte ich bei den Versuchen das nicht von selbst entzündliche Gas an. Ich bereitete dasselbe nach der Angabe von Graham-Otto, indem ich Aetzkali in Weingeist löste, Phosphor zusetzte und die Mischung schwach erhitzte. Erster Versuch. Die Diffusion im Cylinder begann 4 Uhr 45 Mi . Anfangs erfolgten heftige Kontraktionen, deren Frequenz etwa 15 Minuten zunahm, dann aber sichtlich nach- liess, bis um 5 Uhr 10 Min. die vollkommene Ruhe eintrat. Galvanischer Strom und Stich blieben erfolglos. Zweiter Versuch. Die Diffusion begann 5 Uhr 37 Min, Wie oben, nalım nach etwa 15 Min. die Frequenz ab, die Ruhe erfolgte 6 Uhr 5 Min. Kochsalzlösung gab keine Reaktion. Das Herz schlug also im Phosphorwasserstoffe 25 und 28 Minuten. An die Luft gebracht blieb das erste wie das zweite Herz vollkommen ohne Bewegung. Das Froschherz im Kohlenwasserstoffgase. (Oelbildenden Gase.) Die Bereitung dieser Gasart aus Alkohol und Schwefel- säure erfordert eine grössere Wärme, weshalb das entwei- chende Gas eine höhere Temperatur besitzt, als die bisherigen Gase, die zu den Versuchen benutzt wurden. Um nun die erhöhte Temperatur des Gases im Oylinder zu vermeiden, 246 umwickelte ich bei den Versuchen mit dieser wie auch den folgenden Gasarten die gebogene Röhre, welche den Oylin- der mit der Entwickelungsflasche verbindet, mit Watte und feuchtete dieselbe dauernd mit Aether an. 5 Erster Versuch. Die Diffusion im Cylinder begann 3 Uhr 34 Min. Nach heftigen Zuckungen trat Ruhe 3 Uhr 36 Min. ein. Galvanischer Strom, so wie Stechen, gaben keine Re- aktion. An der Luft blieb das Herz todt. Zweiter Versuch, Die Diffusion begann 3 Uhr 43 Min. Vollständige Ruhe erfolgte 3 Uhr 45 Min. Kochsalzlösung blieb erfolglos. Es blieb auch dieses Herz an der Luft ruhig. Die Thätigkeit währt also in dieser Gasart nur 2 Minuten. Das Froschherz im Stickstoffoxydulgase. Durch Erhitzen von salpetersaurem Ammoniak bereitete ich mir diese Gasart. Erster Versuch. Die Diffusion. im Cylinder begann 12 Uhr 13 Min. Die Schläge waren anfänglich schnell und heftig, mehrere schienen aufeinander ohne Pause zu folgen, jedoch bereits nach 3 Minuten war der Ventrikel bewegungs- los und die vollständige Ruhe erfolgte um 12 Uhr 18 Min. Auf Stechen erfolgte keine Reaktion. Zweiter Versuch. Die Diffusion begann 12 Uhr 33 Min. Das stürmische Arbeiten dauerte bis 12 Uhr 39 Min. Hier- auf blieb Kochsalzlösung ohne Erfolg. , Dritter Versuch. Die Diffusion begann 2 Uhr 3 Min. Die Ruhe trat ein 2 Uhr $ Min. Galvanischer Strom blieb ohne Reaktion. Wir sehen also die Herzthätigkeit im Lustgase 5, 6, 5 Min., also durchschnittlich 5 Min. andauern. An die atmosphärische Luft gebracht, zeigte das Herz in jedem Falle Spuren vou Kon- traktionsvermögen, die jedoch nur wenige Minuten dauerten. Das Froschherz im Kohlenoxydgase. Zur Darstellung der Gasart erhitzte ich Oxalsäure und Schwefelsäure. Das entweichende Gemenge von Kohlensäure und Kohlenoxydgas liess ich einen langen Weg durch Aectz- 247 kalilauge machen und dann erst das entweichende Kohlen- oxyd in den Cylinder streichen. Erster Versuch. Die Diffusion begann 1 Uhr 45 Min. Es erfolgten ziemlich reguläre Kontraktionen,, die jedoch bald schwächer wurden und dann in das Spiegeln übergingen. Die vollkommene Ruhe erfolgte um 2 Uhr 25 Min. Der galvani- sche Strom und Stechen wurden erfolglos angewandt. Zweiter Versuch. Die Diffusion begann 2 Uhr 28 Min. Unter gleichen Erscheinungen, wie beim ersten Versuch er- folgte die Ruhe um 3 Uhr 16 Minuten. Kochsalzlösung blieb erfolglos. An die Luft gebracht, fand nirgends eine Thätig- keit des Herzens statt. Die Kontraktionen im Kohlenoxydgase dauern also 40, 48 Minuten, durchschnittlich daher 44 Minuten. Das Froschherz in der schweflichten Säure. Durch Erhitzen von Kupferspänen und Schwefelsäure be- reitete ich die Gasart. Erster Versuch. Die Diffusion im Cylinder begann 8 Uhr 55 Min. Nach heftigen schnellen Zuckungen trat die Ruhe ein um 8 Uhr 58 Min. Galvanischer Strom, so wie auch Stechen, wurden erfolglos angewandt. Zweiter Versuch. Die Diffusion begann 9 Uhr 9 Min. Ruhe erfolgte unter denselben Erscheinungen, wie vorher, um 9 Uhr 13 Min. Kochsalzlösung gab keine Reaktion. An der Luft schlug das erste Herz, welches bei der Anwendung der Reizmittel noch fast 10 Minuten im Gase verblieb, gar nicht mehr, das zweite dagegen, das kaum 4 Minuten nach der Ruhe im Gase blieb, zeigte einige Minuten Spuren von Kontraktionsvermögen. Nachdem ich nun meinen Bericht über die einzelnen Ver- suche beendet, will ich mit einem kurzen Rückblick auf die- selben das Resultat, welches sie gegeben, feststellen. Es hat sich gezeigt, dass das Herz in allen angewandten Gasarten zu schlagen aufhört, bald früher, bald später, doch in allen früher als in der atmosphärischen Luft. Wir sind somit be- rechtigt zu sagen, das Herz ruhe in allen diesen Gasen, so 248 wie es unter der Glocke der Luftpumpe ruht. Ferner hat es sich erwiesen, dass ein solches ruhendes Herz durch kei- nes der üblichen Reizmittel zur Erneuerung und Fortsetzung seiner Thätigkeit gebracht werden kann, so lange es im Gase bleibt. Um die Dauer der Herzthätigkeit besser übersehen zu können, schien es mir passend, folgende kleine Tabelle zu geben. Das Froschherz schlägt im feuchten H 72 Min. + =, = =. am N 68 Min. + e " na ON 102767 Myee-e > A »„ Im trockenen H 47 Min. O F n „’ "ım CO 44 Min. 0 & = am PH 27 Min. 0 nr „m SH 12 Min. + 7 = rn CO? 6Min. + n S an NO 5Min. — =; B en NC 4Min. 0 n = ne m SO® 3Min. — 7 > = "im H?:C 2Min. 0 n = > im Cl 2Min. O n - „ in -4N+1CI 2Min. 0 Im Jodgase erfolgt die Ruhe augenblicklich. 0 Das beigefügte + bedeutet, dass das Herz, nach den Ver- suchen an die Luft gebracht, entschieden weiterschlug, das — bedeutet, das geringe Spuren von Bewegung wahrgenom- men wurden. Bei den übrigen Gasen blieb es vollkommen bewegungslos. Dies wären die Resultate, welche mir die Versuche mit dem ausgeschnittenen Froschherzen gegeben. Es bleibt mir nun noch übrig, diese mit einigen Ansichten, die man über die Bedeutung des freien Sauerstoffes bei den Herzkontrak- tionen aufgestellt hat, zusammenzustellen. Man hat allge- mein angenommen, die Gegenwart des freien Sauerstoffes in der atmosphärischen Luft ermögliche die Fortsetzung der Kontraktionen des ausgeschnittenen Herzens, wie der Man- gel desselben im Vacuum die Ruhe des Herzens zur Folge 249 habe. Hiemit stehen nun die Resultate der Versuche voll- kommen im Einklange. Erstens hat es sich nämlich erwie- sen, dass der Stickstoff, der zweite Bestandtheil der Luft, sich äusserst indifferent verhalte und die Herzthätigkeit in ihm erlösche. Ebenso vermag keine der anderen Gasarten, die nicht freien Sauerstoff enthalten, eine dauernde Thätigkeit des Herzens zu erhalten. Die eine zerstört das Herz sehr schnell vollkommen, die andere wirkt zwar auch schnell auf die Ruhe desselben hin, jedoch ohne es ganz zu zerstören, und noch andere endlich scheinen zwar nicht positiv feind- lich einzuwirken, können jedoch das Herz nicht in seiner Thätigkeit erhalten. Im reinen Sauerstoffe aber bemerken wir eine übermässig lange Dauer der Kontraktionen. Angenommen nun, die Gegenwart des freien Sauerstoffes ist die Bedingung für die Fortdauer der Herzthätigkeit, so fragt es sich, weshalb bei seiner Abwesenheit die Ruhe ein- tritt. Hierüber sind die Ansichten getheilt. Man hat be- hauptet, bei der Abwesenheit des Sauerstoffes fehle es dem Herzen an Reizung und daher trete die Ruhe ein, anderer- seits aber ist die Meinung aufgestellt, das Herz absorbire stets bei seiner Thätigkeit Sauerstoff, fehle nun dieser, so müsse natürlich Ruhe erfolgen. Nach den beschriebenen Ver- suchen kann man wohl die erste Ansicht, welche die Ruhe des Herzens bei Abwesenheit freien Sauerstoffes dem Man- gel an Reizung zuschreibt, als irrig bezeichnen, da auch nach der Anwendung erprobter Reizmittel die vollständig ruhenden Herzen im Gase keine Reaktion auf dieselben zeigten. Ein anderer Umstand, der für die Richtigkeit der Ansicht spricht, nach welcher die verhinderte Absorbirung von Sauerstoff und nicht der Mangel einer Reizung die Ruhe bewirkt, ist folgen- der. Gelangt das ausgeschnittene Herz in ein Medium, wel- ches ihm keinen freien Sauerstoff bietet, so hört dasselbe, wenn die Gasart nämlich ziemlich indifferent ist, nicht augen- blieklich auf zu schlagen, sondern die Kontraktionen geben das deutlichste Bild einer hinschwindenden Kraft. Würde die Ruhe aus Mangel an Reizung eintreten, so müsste dieselbe auch in indifferenten Gasen, meiner Ansicht nach, viel plötz- 250 licher eintreten, als dies der Fall ist. Wenn ich mich nun so eben gegen die Ansicht, dass der Mangel einer Reizung die Ruhe bewirke, ausgesprochen habe, so spreche ich da- durch offenbar noch nieht dem Sauerstoffe da, wo. er zuge- gen ist, eine reizende Einwirkung ab. Es scheint mir sogar nothwendig, nach den Versuchen im reinen Sauerstoffe eine solche anzunehmen. Es dürfte hier vielleicht passend sein, an die Thatsache zu erinnern, dass Muskelfasern im Allge- meinen bei ihrer Kontraktion Sauerstoff absorbiren. Es schei- nen die angestellsen Versuche sich diesem Gesetze in so fern anzuschliessen, als da, wo kein freier Sauerstoff dargeboten wurde, auch keine anhaltenden Kontraktionen erfolgten. Allein es ist nicht zu vergessen, wir müssen das Froschherz als ein Gemenge innigst verwebter Muskel- und Nervenfasern be- trachten. Bis jetzt ist es nun noch nicht mit Sicherheit fest- gestellt, ob Muskelfasern allein sich in Folge einer Reizung verkürzen oder nicht, man nimmt daher gewöhnlich noch an, dass dieselben durch die Nerven erregt werden müssen. Daher müssen wir glauben, dass sowohl die Unfähigkeit der Nerven wie die der Muskelfasern im Herzen für sich allein schon genügt, die Ruhe desselben zu bewirken. Es zeigen die angestellten Versuche also nur, dass das Herz als ein aus Muskelfasern und Nervenfasern bestehendes Ganze bei seiner Thätigkeit Sauerstoff brauche, ob aber nur die Muskel- fasern oder nur die Nervenfasern oder beide denselben erfor- dern, kann wohl nicht mit Bestimmtheit angegeben werden. Indem ich daran erinnere, wie das Herz, nachdem es aus den verschiedenen Gasen an die Luft gebracht worden, sieh sehr verschieden verhielt, will ich noch einige Bemerkungen über die Einwirkung der verschiedenen Gasarten hinzufügen. Was die Gasarten betrifft, die das Herz so angegriffen hat- ten, dass es auch an der Luft vollkommen ruhig blieb, so liegt der Grund hievon wohl theils in. der Ueberreizung, theils in der starken Verwandtschaft der Gase zu den einzel- nen Bestandtheilen der Herzmasse. Meistens bewirkten diese Gasarten eine sehr baldige Ruhe des Herzens. Unter den Gasen aber, welche das Herz nicht zerstören, so dass es an der Luft entschieden und längere Zeit fortschlägt, finden wir den Stickstoff, das feuchte Wasserstoffgas, das Gemenge von Stickstoff und Kohlensäure, alles indifferente Gasarten, welche wohl nur dadurch, dass sie eben keinen freien Sauer- stoff enthalten, die Ruhe des Herzens bewirken. Zwei an- dere jedoch, Schwefelwasserstoff und Kohlensäure bewirken die Ruhe um so viel schneller, dass eine specifische Einwir- "kung auf das Herz wohl angenommen werden muss. Diese Erscheinung, dass zwei so schnell wirkende Gase das Herz nicht zerstören, fände vielleicht dann eine Erklärnng, wenn wir eine Lähmung der Nervenfasern annähmen, die nur eben so lange währt, als das Herz in der Gasart bleibt. Ueber Eihüllen und Spermatozoen. Von R. REMAR. Durch die über die Kebersche Hypothese schwebenden Ver- handlungen werde ich an eine schon vor mehreren Jahren gemachte und seitdem zum öfteren in meinen Vorträgen über mikroskopische Anatomie demonstrirte Wahrnehmung erinnert; ich meine nämlich das radiäre Ansehen der Zona pellueida des Säugethiereies. Wenn man ein aus einem hervorragenden Eierstocks-Follikel eines Kaninchens genommenes Ei vor- sichtig von den Zellen des Discus proligerus befreit, so be- merkt man bei 250facher Vergrösserung in der Zona feine dichte gradlinige Streifen, welche sämmtlich im Sinne von Radien der Kugel, ohne Unterbrechung von der Oberfläche bis zur Innenfläche verlaufen. Bei der Zartheit des Gegen- standes lässt sich nicht bestimmen, ob die Streifen durch Kanäle oder Stäbe bedingt werden, oder durch den optischen Ausdruck der Grenzen von Cylindern. Dass die Streifen einer Abwechselung von Kanälen und Cylindern ihr Entstehen verdanken, wird mir durch die Vergleichung der derben Ei- haut der Fische wahrscheinlich. Bei einem Laich, der an- geblich vom Gründling (Gobio fluviatilis) herrühren soll, finde ich nämlich die Eihaut von einem so zierlichen Ansehen, dass ich kaum glauben kann, dasselbe zuerst wahrgenommen zu haben. Es zeigt nämlich die Oberfläche ein feines facettirtes Ansehen: jede Facette misst etwa "/goo L. und auf je 5x5 bis 6x6 Facetten kommt eine Oeffnung von nahezu gleichem Um- fang. Die Betrachtung der gefalteten Eihaut lehrt, dass die Facetten dünnen Cylindern angehören, welche radiär gestellt die etwa "4, L. dieke Eihaut bilden. Ebenso führen die Oeff- nungen in Kanäle, welche die Dicke der Eihaut durchsetzen. 253 Die Kanäle der Eihaut der Fische sind kaum fein genug, um ein Spermatozoon durchzulassen, noch viel weniger die des Säugethiereies, falls die Streifen der Zona die gleiche Bedeutung haben. Dass sie einen Durchgang von Flüssig- keit ermöglichen, ist von selbst klar. Allein auch für die Möglichkeit des Durchtritts geformter Bestandtheile des Sperma scheint sich eine neue Aussicht zu eröffnen. Die Spermatozoen der Salamander und Tritonen besitzen bekanntlich an ihrem Schwanzende eine undulirende Mem- bran (vergl. Czermak in Siebolds Zeitschr. 1850. S. 350). Eine ähnliche Membran beobachtete Siebold bei Bombinator igneus (a. a. ©. S. 357). Als ich in diesem Frühling die Ent- wickelung der Saamenfäden im Hoden von Rana temporaria verfolgte, erkannte ich auch bei diesen Spermatozoen ein Analogon jener Membran. In je einer mit grossem Nucleus versehenen Saamenzelle lag ein Bündel von Saamenfäden, etwa wie ein Muskeleylinder in seiner Scheide. Der Nucleus hat keinen Theil an der Bildung der Saamenfäden; sie um- geben ihn mit ihren pfriemenförmigen Vorderenden, ohne mit ihm verwachsen zu sein, während ihre Schwanzenden an dem enftgegengesetzten Ende der Zelle in einer hellen Substanz zusammenlaufen. Sobald die Bündel die Zellen verlassen, zeigt jeder Faden an seinem Schwanzende ein kleines, kaum '/%0o L. grosses rundes Stückchen jener hellen Substanz. Mit- telst dieser Kügelchen haften die Saamenfäden leicht an ein- ander und dann sind die ersteren ohne Bewegung. Bleiben sie aber isolirt, so zeigt das helle Schwanzkügelchen eine sehr lebhafte Bewegung und Formveränderung, wie eine Amoeba, zuweilen mit derselben Regelmässigkeit wie die un- dulirende Membran der Spermatozoen der Salamander. Was mich am meisten überraschte, war der Umstand, dass das Kügelehen schr häufig sich vom Saamenfaden trennte und alsdann im freien Zustande seine lebhaften Bewegungen im "Wasser so lange fortsetzte, dass eine Viertelstunde nicht aus- reichte, das Ende abzuwarten. Solche Sarkode-ähnliche Kör- per mögen vielleicht im Stande sein, selbst durch die fein- sten Kanäle hindurchzudringen. — Ein Analogon dieser be- 254 weglichen Körper kommt offenbar auch im Saamen der Säuge- thiere vor. Ich meine nämlich die hellen Kügelchen, welche sich von den Saamenfäden umwickelt zeigen oder an ihrem Schwanzende haften. Solche Kügelchen finden sich zu meh- reren in einer Saamenzelle des Hodens, und Kölliker will sie als Kerne deuten. Ich habe mich aber überzeugt, dass neben ihnen der Nucleus sich findet, und ich habe niemals in ihnen einen Nucleolus gesehen. Doch konnte ich bisher in dem Sperma des Kaninchens keine undulirenden Bewe- gungen jener Kügelchen wahrnehmen. Anmerkung des Verfassers. Herrn Müllers Mittheilung „über die zahlreichen Poren- kanäle in der Eikapsel der Fische“ aus dem Märzhefte des Monatsberichts der Akademie erhielt ich erst nach Absendung meines Aufsatzes. — In Betreff der Eikapsel bleibt zu prüfen, wie sich die von Herrn Müller beschriebenen grossen Fa- cetten von '/20 bis '%, L., in deren Mitte sich das Kanälehen findet, zu den feinen Facetten von '/ooo L- verhalten, welche bei den von mir untersuchten Eiern mit den Kanälchen ab- wechseln und von Vogt bei den Salmonen zugleich mit den grossen gesehen wurden. Nach dreimonatlicher Aufbewah- rung in einer Mischung von doppeltehromsaurem und doppelt- schwefelsaurem Kali finde ich die Eikapsel von geschiehtetem dünnblättrigem Bau. An der Aussen- und an der Innenfläche lässt sich ein Blatt von kaum !/,,, L. Dicke ablösen, das die- selbe feine Facettirung wie die frische Kapsel zeigt und sta- chelförmige, anscheinend hohle Fortsätze in die letztere sen- det, welche den Kanälchen der letzteren entsprechen und in dieselben hineinpassen. Nunmehr zeigt sich auch, dass die Kanälchen ansehnlich breiter sind als die feinen Facetten. Im Uebrigen sieht man den blättrigen Bau der etwa '/%, L. dicken Kapsel auf Rändern abgerissener Stücke als treppenförmige Anordnung: man kann bis 20 Blätter zählen, was für jedes Blatt im Durchschnitt eine Dicke von '%soo L. ergiebt. Selbst diese dünnen Blätter lösen sich zuweilen ab. Die Säulchen, 255 welehe gleich den Kanälchen die Dicke der Kapsel durch- setzen, entstehen, wie sich jetzt ergiebt, durch Uebereinan- derlagerung der den zahlreichen Blättern angehörenden feinen Facetten. Bei einer Zurückführung auf Zellen dürften die letzteren zunächst in Betracht kommen. — Die Ueberein- stimmung der Zona des Säugethiereies mit der Eikapsel der Fische habe ich selbst in Frage gestellt. Ueber die Frage, ob die an der Dotterhaut des Eierstockseies der Fische von Herrn Müller gemachten Wahrnehmungen auf die Zona des Säugethiereies Anwendung finden, wird eine neue Untersu- chung nöthig sein. Bei dem Eierstocksei von Cyprinus aura- tus beschreibt Meckel (Siebold’s und Kölliker’s Zeitschrift 1851, Bd. III, S.421. Taf. XV, Fig.1.B.) eine „Zona pel- lueida, die durch Essigsäure gerinnt und dann strahlig zu zer- drücken ist.“ Diese Zona besteht, wie ich nach Zusatz von verdünnter Säure 0,5%/, sche, bei jungen Barschen jetzt (Ende Juni) aus lauter radial gestellten Körnchen von etwa oo L+, was an die feinen Facetten der Kapsel erinnert. — Gegen die Durchgängigkeit sämmtlicher Eihüllen für unverletzte Saa- menfäden müssen, wie es scheint, nach den Beobachtungen von Meissner (Henle’s und Pfeuf. Zeitschr. Bd.IV, Heft 3, S. 404-406) und Bischoff (Bestätigung u.s.w. Giessen 1854) alle Bedenken aufgegeben werden. Lebhafte Betheiligung des Schwanzendes der Saamenfäden des Frosches beim Durch- dringen der Eihüllen ward von Bischoff (a. a. 0.8.7) aus- drücklich hervorgehoben. Beim Froscheie zeigt der obere dunkle Theil der von mir nunmehr dargestellten Eizellen- membran vor der Furchung und während der ersten Fur- ehungsstufen eine Anzahl dunkler schon von Prevost und Dumas (Annales d. sec. nat. T. II. 1824, p. 113) erwähnter Punkte, welche wie Löcher aussehen. Prevost und Du- mas bezeichnen einen durch Grösse sich auszeichnenden dunklen Punkt am oberen Pol als Eingang in einen Kanal, welcher den Saamen in das Innere führen soll. Auch Baer spricht (Entw. II, $.283) vön einer Lücke in der Keimschicht, durch welche man den Dotter hindurchsieht und die nach dem Austritt des Eies aus dem Eihälter bald schwindet, Anmerkung des Herausgebers. Die von Herrn Remak beobachtete radiale Streifung im Profil der Zona pellueida des Säugethiereies scheint durch das Verhalten der Dotterhaut des Fischeies ihre Auf- klärung zu erhalten. Aeusserst feine, dichtstehende radiale Streifen zeigt auch die Dotterhaut des Barsches, wenn sie an der Dotterkugel des aus dem Eierstock entnommenen Eies im Profil gesehen wird. Sie entstehen hier durch die dichtstehenden zapfenförmigen Ausläufer der Dotterhaut, welehe von mir beschrieben sind. Dass die geraden Li- nien die ganze Dieke der Dotterhaut zu durchsetzen schei- nen, ist beim Barsch der optische Ausdruck der Summi- rung und theilweisen Deckung der Bilder jener Zapfen im Profil der Dotterhaut, so zwar, dass die Bilder der nächst übereinander liegenden Zapfen auf eine Linie kommen, wo- durch die Streifen sehr viel länger erscheinen als die Zapfen selbst lang sind. Bei der Profilansicht der Dotterhaut auf der Dotterkugel lassen sich die Zapfen selbst nicht einzeln erkennen und unterscheiden, man erbliekt nur den gemein- samen Ausdruck continuirlicher geradliniger Streifen schein- bar von der äussern bis zur innern Fläche der Dotterhaut. Sobald aber die Dotterhaut abgelöst und für sich allein un- tersucht wird, überzeugt man sich beim Barsche und andern Fischen, dass die Zapfen Ausläufer der äussern Oberfläche der Dotterhaut sind. Die radienförmigen Linien im Profil der Dotterhaut erinnern an dieselben Linien in der Eihülle der Holothurien, auf welche ich bei Beschreibung des Holo- thurieneies aufmerksam gemacht habe, wo sie indessen durch grössere Distanzen als am Fischei getrennt sind. Auch die Eischale mancher Taenia zeigt auf dem Profil radiale Strei- fen, sie entstehen dort optisch durch die Granulationen der Oberfläche, von welchen Dujardin bei Taenia leptocephala eine Abbildung gegeben hat. Dujardin hist. nat. des hel- minthes pl. 12, G. 2. » Do Ze Entgegnung auf Herrn Harless’s: „über die Chro- matophoren des Frosches“. Von Dr. v. WirTicH. leh hatte bereits meine Abhandlung über die grüne Farbe der Froschhaut diesem Archiv eingeschickt, als ich Vir- chows Notiz über die Chromatophoren (Virchows Archiv Bd. VI, S. 266) zu Augen bekam, und aus ihr erfuhr, dass Harless bereits in den Münchener gelehrten Anzeigen (1853, No. 35) eine vorläufige Mittheilung über das Zustandekommen jener Farbenerscheinungen bei Hyla arborea gemacht. Da mir letztere selbst nie zu Gesichte kamen, war ich leider verhindert ebensowenig auf sie, wie auf Virchows Angaben Rücksicht zu nehmen. Seitdem hat Harless in v. Siebold’s und Kölliker’s Zeitschrift (Bd. V, Heft 4) seine Ansicht genauer auseinandergesetzt, und zwar bietet sie gerade in den Hauptsachen so bedeutende Differenzpunkte mit der meinen, dass ich mich genöthigt sehe, letztere, wenn sie auch von Harless nicht direkt angegriffen ist, zu vertheidigen. Was zunächst das Zustandekommen der grünen Farhe be- trifft, so hält sie Harless, wenn ich ihn recht verstehe, nur für eine Interferenzerscheinung der braunen Pigmentzellen. Das gelbe Pigment zwischen Epidermis und den letzteren sah Harless fast ganz so, wie ich es bereits beschrieb, es lag daher wohl ganz auf der Hand, die beiden übereinander- liegenden Farbschichten sich in ganz derselben Art wirksam zu denken, wie es Brücke an den grünen Schuppen unsrer Eidechse beschrieb. Ja, das Zustandekommen von Grün ist gradezu unter den hier waltenden Verhältnissen nothwendig; Miüller's Archiv. 164. 17 258 es wird ferner nothwendig sein, dass dieses Grün alle Far- bennuancen zwischen Gelb und Dunkelolivengrün durehmachen muss, je mehr oder weniger von jenem dunkeln Pigment bis an die Oberfläche tritt, je mächtiger die trübe Schicht über demselben, und wir haben somit eine Deutung des ganzen Vorganges beim Farbenwechsel ohne jene Verhältnisse, die Harless künstlich mit dem auf die isolirte Zelle wirkenden Compressorium hervorruft, als auch im lebenden Körper wirksam anzunehmen. 2 Andrerseits ist es wohl denkbar, dass eine das Licht in- terferirende Schicht ein schillerndes Grün erzeugt, welches uns dann unter verändertem Winkel die übrigen Farben des- selben Ringsystems zeigen müsste; die Farbe unsrer Frösche aber ist durchaus ein nicht schillerndes, eher mattes Grün; die Schillerfarben der von mir beschriebenen Interferenzzellen sehen wir in den grünen Hautpartien normal und mit be- waffnetem und nicht mit blossem Auge. Die Erfahrung, dass wir unsre grünen Frösche in den Museen nach längerem Verweilen in Spiritus lavendelgrau, graublau, ja oft schön blau wiederfinden, obwohl wir sie grün einsetzten, brachte mich darauf, dass das gelbe Pig- ment wohl ein so gefärbtes Fett wäre. Ich behandelte dem- nach die grüne Rückenhaut eines frischgetödteten Laubfrosches mit Alkohol; derselbe färbte sich sehr schnell intensiv gelb und hinterliess nach der Verdunstung feine Tröpfehen gelben Fettes. Die Haut selbst war in demselben Grade graublau geworden und zwar trat das Blau in ihr noch lichter hervor, als ich den ihr noch anhängenden Alkohol mit Wasser aus- gewaschen und sie in letzterem einige Zeit liegen und quel- len liess. Bedeckte ich die jetzt blaue Haut mit einem Stück- chen gelbgefärbten Seidenpapiers, dessen Durchsichtigkeit noch durch Anfeuchten vermehrt war, so erschienen die ent- sprechenden Stellen auch gleich wieder grasgrün. Isolirt man, nachdem das gelbe Fett aus der Haut entfernt ist, jene Zel- lenschicht, der dasselbe ursprünglich zukam, so erscheinen die einzelnen Zellchen undurchsichtig, bei auffallendem Licht weiss, und jene von mir beschriebenen Interferenzzellen mit 259 krystallinischem Inhalt sind durch den Alkohol nicht verän- dert und zeigen dieselben Interferenzfarben. Lässt man sehr verdünnte Kalilösung und verdünnte Essigsäure langsam auf den durch Alkohol geronnenen proteinigen Inhalt der früher gelben Zellen einwirken, so wird derselbe wieder durchsich- tig, klar und farblos. Nimmt man concentrirte Lösungen, so wird dieselbe vollkommen zerstört, und ihr flüssiger In- halt entleert sich. Ebenso werden auch die Krystallflitter- chen jener Interferenzzellen durch Säuren sowohl wie Alka- lien gelöst, ein Vorgang, den man am besten bei auffal- lendem Licht verfolgt, da die einzelnen Flitterchen ziemlich durchsichtig, bei durchfallendem Lichte isolirt fast ganz ver- schwinden. Harless hat diese Zellen, die, wie ich mich überzeugt habe, oft auch unter den gelben in der grünen Haut zu liegen kommen und ihr den mit bewaffnetem Auge deut- lichen Metallschimmer verleihen, ganz übersehen. Sie finden sich in der Haut aller unsrer Frösche, auch der von Rana temporaria. Sie finden sich ferner, wie ich bereits früher an- gab, in der Iris derselben, und verursachen ihr metallisches Glänzen, und hier vor Allem kann man sich wegen ihrer Grösse von ihrem krystallinischen Inhalt überzeugen. Sie finden sich ferner in ihrer mehr unregelmässig ausgezogenen, nicht polygonalen, Form, wie ich sie in den weissen Haut- partien von Hyla beschrieb, und denen sie, wie wir sahen, jenen schönen Perlmutterglanz verliehen, auch in dem pa- rietalen Blatt des Peritoneums, sowie in dem parietalen Pe- rikardium vieler Frösche neben bald gelb bald dunkel ge- färbten Sternzellen, und werden von denselben Lichterschei- nungen, wie in der Haut, begleitet. Wie ich schon früher angab, scheinen diese Interferenzzellen in einem gewissen ge- netischen Zusammenhange mit den gelben Fettzellen zu ste- - hen; nicht allein, dass wir unter den Erscheinungen einer Art Atrophie die gelben Zellen fast ganz verschwinden sehen und an ihrer Stelle dann die sehr geschrumpften Interferenz- zellchen finden, bekommt man auch sehr oft unter ganz nor- malen Verhältnissen gelbgefüllte Zellen zur Beobachtung, die noch nebenher krystallinische Flitterchen enthalten und es 17° 260 diesen verdanken, dass sie bei durchfallendem Lichte theil- weis undurchsichtig, bei auffallendem theils gelb, theils auf weissem Grunde schillernd erscheinen. Wie schon oben an- gegeben, werden die Interferenzzellen durch Alkohol und in- sofern angegriffen, als ihr flüssiger Inhalt gerinnt, die Flit- terchen lassen sich nach wie vor in ihnen nachweisen, und behandelt man mit Alkohol ausgezogene Haut mit sehr schwa- cher Ammoniaklösung, so wird jener wieder klar und durch- sichtig und die blaugraue Haut zeigt dann, besonders unter der Loupe, dieselben Interferenzerscheinungen wie vorher. Es ist mir sehr wahrscheinlich, dass es diese Zellen mit kry- stallinischem Inhalt sind, denen die dunkeln Pigmentzellen jenen Anflug von Blau, ähnlich dem Pflaumenreif, verdankten, den Harless an ihnen beobachtete; mir ist es nie gelungen, weder bei auffallendem noch bei durchfallendem Licht, auch nur eine Andeutung von Blau an den vollkommen freien dunkeln Zellen zu beobachten. Ebensowenig aber habe ich auch an letzteren, wenn sie eben ganz isolirt waren, bei noch so vorsichtigem und anhaltendem Druck irgend welche Interferenzfarben bemerken können. Wohl aber nehmen die mehr in der Tiefe unter der gelben Schicht gelegenen Inter- ferenzzellen auch in den grünen Hautpartien jene unregel- mässig sternförmige Form an und können sehr wohl zu der Ansicht verleiten, als ob jene Farbenerscheinungen von den unter ihnen liegenden an Gestalt ihnen ähnlichen Pigment- zellen herrührten. Je nachdem man die Zellen mehr oder weniger komprimirt, die einzelnen Krystallchen mehr oder weniger auseinanderpresst, dieselben auch wohl zwingt, dem Licht eine andre Fläche, oder dieselbe unter verändertem Winkel, zu bieten, desto mehr werden sich auch die durch sie erzeugten Interferenzerscheinungen verändern. Rührt nun die grüne Farbe der Froschhaut nicht von jenen Interferenz- zellen her, sondern verbinden sich die Schillerfarben der letz- teren nur mit dem auf andre Weise erzeugten eintönigen Grün, um ihm einen leichten Metallschimmer zu verleihen, so ist auch die Erscheinung des Heller- oder Dunklerwerdens der Laubfrösche nicht wohl auf Bewegungserscheinungen in jenen 261 Zellen mit krystallinischem Inhalt, sondern in den dunkeln Zellen zurückzuführen. Das vollkommene Wechseln der Farbe, das mit jenen Vorgängen durchaus nicht zusammenzustellen ist, auch nie so schnell vorübergeht, erfolgt, wie ich bereits mehrfach sagte, bei fast vollständigem Schwinden des gelben Fettes. Die Farbe ist dann um so schmutziger graubraun, je weiter jene Interferenzzellen von einander rücken, je mehr dunkles Pigment zwischen ihnen dieht unter der Epidermis zu liegen kommt. Wir sehen dann auf eine dunkel und hell gefleckte Fläche, deren einzelne Fleckehen ihrer enormen Kleinheit halber nicht mehr als distinkte Bilder zu unserm Bewusstsein kommen, wir glauben daher eine mehr oder weniger grau- braune Fläche mit leicht bronzenem Schimmer zu sehen. Frösche in dieser Farbe werden weder unter dem Einfluss des Lichts, noch der Elektrizität, noch auch mechanisch oder chemisch wirkender Reize grün, sondern nur etwas heller grau. Erst sehr allmälig und, wie bereits gesagt, unter Stei- gerung der ganzen nutritiven Thätigkeit, geht das Grau durch blassgrüngrau in das den Thieren eigenthümliche Grün über. Ebenso zeigen die hellen Hautpartien der Frösche, die durch jene Interferenzzellen wohl schillerfarbig, aber nie ein- farbig grün werden, keinerlei Farbenveränderung auf Reize aller Art, da ihnen eben jene dunkeln Zellen nur äusserst sparsam zukommen. Soviel über Hyla arborea. Ich benutze die Gelegenheit, am einzelnes meinen früheren Angaben nachzutragen. Be- kanntlich zeigt unser Grasfrosch die grösste Mannigfaltigkeit in der Zeichnung, die allerdings in jedem Thiere bleibend ist, aber zu verschiedenen Zeiten in ein und demselben Thiere sehr verschieden scharf hervortritt. Alle diese Zeichnungen auf der Rückseite lassen sich darauf zurückführen, dass auf hellerem Grunde dunklere Flecken, Streifen oder Leisten her- vortreten, und zwar ist der Grundton entweder vorwiegend roth oder rostbraun oder olivengrün. Im Ganzen sind alle diese Erscheinungen auf dieselben Vorgänge zurückzuführen, wie wir sie bei Hyla kennen gelernt haben; auch hier wird 262 das Heller- oder Dunklerwerden des Grundes als eine Thä- tigkeitsäusserung der in den tieferen Schichten gelegenen dunkleren Pigmentzellen angesehen werden. Selbst die ana- tomische Anordnung verschiedener Pigmentlagen über- und nebeneinander ist im Wesentlichen ganz dieselbe. Auch hier haben wir unter der mehrschichtigen Epidermis eine verschie- den mächtige und gleichmässige Schicht gelbgefüllter Zellen, zwischen und unter ihnen bald polygonale, bald spindelför- mige, bald sternförmige Interferenzzellen und unter diesen eine dichte Lage dunkler Pigmentzellen. In den stets dunkel gezeichneten Flecken oder Streifen reicht die letztere bis dicht unter die Epidermis, während jene Mittelschicht ganz fehlt. Bei den Fröschen nun, deren Grundton ein mehr oder weniger reines Olivengrün ist, sind selbst die tiefer gelege- nen Epidermiszellen mit feinkörnigem dunklem Pigment, wenn auch nicht vollständig, gefüllt. Es tritt also hier der Fall ein, den Brücke an den Chamaeleonen als vorübergehend beobachtete, das dunkle Pigment kommt vor dem helleren gelben bleibend zu liegen, dasselbe verhindert daher das Zu- standekommen eines reinen Grüns. Dagegen sehen wir an den Seitentheilen des Bauchs und der Schenkel die dunklere Rückenfarbe durch ein reines Grün und Gelb allmälig nach dem Bauche zu in Weiss übergehen. Hier sind vor allen Dingen die Epidermiszellen frei von Pigment, und je dichter die dunkle Schicht unter der mittleren gelben, desto mehr Blau tritt durch letztere, desto reiner und dunkler ist das so bewirkte Grün. Bei den Grasfröschen mit rostbrauner Grundfarbe findet sich zwischen dem dunkelbraunen ein sehr schön zinnoberrothes ‚Pigment gleichfalls in sogenannten gesternten Zellen. Die- selben finden sich auch zerstreut in der weissen Bauchhaut, und geben ihr, wo sie vorhanden, ein fein rothgesprenkeltes Ansehn. Je mächtiger dieselben in ihrem Auftreten, desto reiner rothbraun die Farbe des Rückens. Auch sie erschei- nen uns bald heller bald dunkler, je mehr sich das dunkle Pigment dazwischen und darunter in der Fläche ausbreitet, oder sich in dem Körper ihrer Zellen zusammenballt. 263 Wir sehen also dieses eigenthümliche Verhalten der dun- keln Pigmentzellen bei allen unsern Fröschen; es wird daher die Sache weiterer Beobachtung sein, ob es nicht eine Eigen- schaft ist, die allen derartigen Zellen zukommt, gleichviel, wo wir ihnen in der Thierwelt begegnen. Eine andre Frage ist es, ob wir eigentlich von einer Con- tractilität der Pigmentzellen sprechen können. Würde eine solehe nicht nothwendig eine Inhaltveränderung der Zellen- membran involviren? eine solche wird aber von allen bishe- rigen Beobachtern bestritten; es ist nur eine bald centripetale bald centrifugale Bewegung des flüssigen Inhalts, die uns durch die Mitbewegung seiner Pigmentmolecüle deutlich wird. Allein von dem Bewegungsmodus der glatten Muskeln, von dem Verhalten der einzelnen Faserzellen hiebei in allen ihren Theilen wissen wir vorläufig noch so gut wie garnichts, wäh- rend die queergestreiften Muskelbündel wohl nur eine sehr geringe und passive Betheiligung des der Zellenmembran ent- sprechenden Sarcolemmas bei der Bewegung zeigen. Auch in ihnen ist es nur der Inhalt des Oylinders, der sich in mo- leeularer Bewegung befindet, während die nur sehr wenig nachgiebige Hülle nur passiv jenen Bewegungen folgt. Das Verhältniss ist jenen Bewegungserscheinungen in den Pigment- zellen daher nicht so unähnlich, als es auf den ersten Blick erscheint, und wenn wir die Betheiligung der Zellenmembran nicht wahrnehmen, so geschieht das möglicherweise wohl nur, weil sie uns bei der Kleinheit der Objecte nicht mehr er- kennbar, auch bei der Zartheit der Contour der Zellenaus- läufer, bei der schwachen Abgränzung derselben gegen die Umgebung selbst Gestaltveränderungen, deren Wahrnehmung noch im Bereich der Möglichkeit für uns läge, unsern Blicken entgehen dürften. Es liegt daher in der Bewegungsfähigkeit der gesternten Pigmentzellen durchaus nichts unsern bisheri- gen Vorstellungen so Fremdes, dass wir noch einen beson- dern Bewegungsapparat, noch an die Ausläufer sich ansetzende Muskeln zu Hülfe zu nehmen gezwungen wären, um uns jene zu deuten. Auch sie müssten, wenn sie mechanisch auf die Zellen durch Zerren oder Ziehen wirkten, doch eine Gestalt- 264 veränderung der Zelle bewirken, die aus denselben Gründen aber unserer Beobachtung entgehen könnte. An der glatten Muskelfaserzelle haben wir bereits ein Beispiel contractiler Zellen, und es ist sehr die Frage, ob das Auftreten des Pig- ments in unsern Zellen nicht gewissermassen etwas Zufälliges ist; sehen wir doch auch die Zellen des Bindegewebes sich zuweilen mit Pigment füllen, und dann vollkommen jenen unregelmässig ausgezogenen Pigmentzellen entsprechen. Die geeignetste Stelle, sich von letzterem zu überzeugen, ist die Uebergangsstelle der Sclerotica und Cornea, selbst im mensch- lichen Auge, mehr noch in dem der meisten Säugethiere und Vögel. Man findet hier theils spindelförmige, theils stern- förmige Bindegewebszellen, die bald nur theilweise, bald voll- kommen mit dunklem Pigmente gefüllt sind; oft sieht man in den sonst durchaus hellen Zellen perlschnurartig einzelne Pigmentmolekülchen aneinandergereiht. Weitere Untersuchun- gen werden auch hier nachweisen müssen, ob wir die mit Pigmentmolekülchen erfüllten Zellen nicht eben nur auf diese beiden Formen, contractile und dem Bindegewebe zugehö- rende, zurückzuführen haben. 265 Ueber den Metallglanz der Fische. Von Dr. v. WirTricH. Von den Interferenzzellen in der Froschhaut habe ich früher gesagt, dass sie mit feinen Krystallchen erfüllt sind, deren scharfe Seiten und Kanten man bei denen aus der Iris ge- wonnenen mit sehr starker Vergrösserung gar wohl zu er- kennen vermag. Ihre optische Wirkung in Masse, sowie ihr chemisches Verhalten erinnert gar sehr an die von Ehren- berg*) bereits beschriebenen Krystalle, denen die Iris, Sele- rotica, Choroidea, die Schuppen, die eigentliche Lederhaut, und das Peritoneum der Fische ihren Metallglanz verdanken. Dieselben sind in verschiedenen Thieren und an verschiedenen Stellen ein und desselben Thieres sehr verschieden grosse, meist deutlich sechseckige Plättchen, die, falls ihr Lärgen- durchmesser den Breitendurchmesser sehr übertrifft, als grös- sere oder kleinere Spiesse erscheinen. Am breitesten sind die auf der Rückseite der Schuppe sich findenden. Doch auch bei ihnen übertrifft der grössere Durchmesser den klei- neren wohl um das Doppelte. Ihr Dickendurchmesser ist un- messbar klein. Als Krystalle eines irregulären Systems zei- gen sie Eigenschaften doppeltbrechender Körper: sie depola- risiren polarisirtes Licht. Unter dem Mikroskop zeigen sie isolirt und in Massen äusserst lebhafte Interferenzfarben. Be- obachtet man sie in ihrer natürlichen Lage und zusammen- gelagert, so wirken sie selbst, sowie die zwischen den ein- zelnen sich befindende Bindemasse als dünne Plättchen. Dass *) Ehrenberg: über normale Krystallbildung im lebenden 'Thier- körper, Poggendorfls Annal, 1833, p. 465 fl. 266 letztere wirklich dabei betheiligt, sieht man aus der allmäli- gen Veränderung der Farben bei durchfallendem Licht auf Zusatz von Wasser, das zwischen die einzelnen Krystallchen eindringt, sie mehr und mehr von einander entfernt, und so die Wirkung der Zwischenschicht aufhebt. In so lockerem Zusammenhange übrigens diese Krystalle mit den Nachbar- geweben zu stehen scheinen, so liegen sie doch augenschein- lich so zu einander gruppirt, dass ich nicht anstehe, sie als ursprünglich in einer Zelle entstanden anzunehmen. Am leich- testen überzeugt man sich von ihrer eigenthümlichen Grup- pirung an denen auf der Rückseite der Schuppen. Sie sind isolirt vollkommen durchsichtig, und zeigen bei durchfallen- dem Licht eben nur sehr schwach die Farben dünner Plätt- chen. Von ihrer Durchsichtigkeit rührt es her, dass, wenn man senkrecht auf sie blickt, sie weniger Licht reflektiren, den Schuppen auch nicht jenen Metallglanz verleihen, den sie uns zeigen, wenn wir sie unter einem spitzen Winkel an- sehen. Der verschiedene Farbenton, den wir bei verschiede- nen Thieren dem Metallglanz beigemengt finden, rührt nicht von einer verschiedenen Gestaltung oder Färbung jener Kry- stalle, sondern von einem in rundlichen oder unregelmäs- sigen Zellen abgelagerten, farbigen Fett her, das bald ne- ben, bald über jenen zu liegen kommt. An den Schuppen liegen diese Farbzellen auf der Vorderseite unter der Epi- dermis, also über jenen; sie sind bei den goldglänzenden Goldkarpfen orange oder roth, bei dem während der Laich- zeit kupfernen Gasterosteus aculeatus roth, bei dem messing- artigglänzenden Cyprinus Carassius hellgelb, bei andern, die mehr einen grauen Bleiglanz zeigen, schwarz. Die Schuppen aller dieser verschieden glänzenden Fische erscheinen uns einfach silbern, wenn wir sie von der Rückseite her betrach- ten, die Krystallschicht reflektirt in diesem Falle alles auf sie fallende Licht, verdeckt das unter ihr liegende Pigment vollständig. Das farbige Fett lässt sich durch Alkohol und Aether aus den Schuppen vollständig entfernen, sie verlieren dann den ihnen zukommenden Farbenton, behalten aber ihren Glanz. 267 Was nun das chemische Verhalten dieser Krystalle betrifft, dessen Aehnlichkeit mit dem jener Interferenzflitterchen in der Haut der Amphibien ich vorhin hervorhob, so differiren die von mir gewonnenen Resultate bedeutend von den von früheren Beobachtern*) gefundenen, ein Umstand, der zum Theil wohl dadurch erklärt wird, dass ich mit grösseren Men- gen meine Versuche anstellte, als es bisher geschehen. Ich werde mich daher nicht weiter auf eine Zusammenstellung aller bisher gemachten Angaben - einlassen, sondern einfach meine Beobachtungen referiren. Unter dem Mikroskop überzeugt man sich leicht, dass Wasser, Alkohol und Aether die Krystalle nach kurzer Ein- wirkung nicht weiter alterirt, dass dieselben aber sowohl durch anorganische Säuren als durch Alkalien gelöst werden, dass ferner länger auf sie wirkendes Wasser gewisse Erschei- nungen hervorruft, die auf eine allmälige Zersetzung deuten. Um sie in grösseren Mengen zu gewinnen, verfuhr ich in folgender Art. Die Schuppen mehrerer sorgfältig abgewa- schener Fische wurden mit destillirtem Wasser so lange vor- sichtig abgespült, bis dasselbe ziemlich klar über denselben blieb. Die abfiltrirten Schuppen wurden alsdann so lange mit Alkohol in einer. Reibschaale gerieben, oder in einer Flasche geschüttelt, bis die Schuppen sämmtlich ziemlich frei und der Alkohol bleigrau geworden. Der letztere wurde dar- auf durch ein feines Leinentuch gegossen, durch dessen Löcher wohl die Krystalle, nicht aber die im Alkohol geronnenen schleimigen Massen gehen. Der abfliessende Alkohol er- scheint nun bei durchfallendem Lichte undurchsichtig grau, bei auffallendem dagegen und bei leichter Bewegung des Gla- ses glitzern die einzelnen Krystallchen hin und her und geben dem Ganzen ein asbestartiges Ansehen. Nach längerem Ste- ben sanken sie sämmtlich zu Boden, behalten aber durchaus *), Heinr. Rose in dem bereits erwähnten Aufsatz von Ehren- berg (Poggendorffs Annal.). — Schnitzlein in dem pharmaceut, Cen- tralblatt 1837, p. 398. — Brücke in seinem Aufsatz über dus Ta petum der Thiere (Müllers Archiv 1847). 268 ihre Form. Der Alkohol wurde abfiltrirt, der Rückstand noch mehrmals mit Alkohol ausgewaschen, und dann in Wasser suspendirt, das dann ganz das asbestartige Ansehen, wie vorher der Alkohol, gewann. Schon nach einigem Stehen bekam die Flüssigkeit einen thranigen Geruch, und nach 24 Stunden (in gewöhnlicher Temperatur) waren die Krystalle vollständig zersetzt, die Flüssigkeit war flockig, trübe, roch stark nach Thran, zeigte aber beim Umschütteln nieht mehr jenes glitzernde Ansehen. Kochte man die frisch in Wasser suspendirten Krystalle, so wurden sie ganz in derselben Art zersetzt. Auch in Alkohol gekocht verloren sie ihre Kry- stallform, derselbe wurde flockig, gelb durchscheinend, und hatte auch einen leicht thranigen Geruch. Der Rückstand auf dem Filtrum enthält, wie man sich mit Hilfe des Mi- kroskops leicht überzeugt, ausser den Krystallen noch Epi- dermiszellen und andre fein vertheilte Gewebsmassen; letz- tere werden auf Zusatz von concentrirter Salpetersäure noch deutlicher, während jene sich schnell lösen. In gleicher Weise lösen sie sich in allen anorganischen Säuren, selbst in sehr verdünntem Zustande, sowie in Alkalien. Die hiedurch ge- wonnenen und klar abfiltrirten Lösungen trüben sich durch einen feinflockigen Niederschlag, wenn man sie genau neu- tralisirt, und lösen sich wieder im Ueberschuss; nie aber wollte es, wieBrücke es angiebt, gelingen, auf diese Weise die gelösten Krystalle als solche wieder auszuscheiden. Aus ihren sauren Lösungen werden sie auch durch gelbes Blut- laugensalz und Gerbsäure ausgefällt. Manche der bereits mitgetheilten Reaktionen zeigen schon, dass wir es nicht mit rein anorganischen Verbindungen hier zu thun haben. Die leichte Zersetzbarkeit mit gleichzeitigem Freiwerden eines flüchtigen Stoffes, die gleichzeitige Löslich- keit derselben durch Alkalien und Säuren zeigt deutlich, dass eine organische Verbindung in ihnen eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Das Verhalten der Krystalle gegen Salpetersäure schien mir anfangs das einfachste und sicherste Mittel, um die Sub- stanz derselben rein und frei von allen Beimengungen zu er- 269 halten; leider aber haben mich vergleichende Wägungen des feuerbeständigen Rückstandes, die einmal aus der salpeter- sauren Lösung, das andremal direkt durch Verbrennung des Rückstandes auf dem Filtrum gewonnen wurden, die Unsicher- heit der Methode gelehrt, zumal ich bei der Mühsamkeit der Darstellung immer nur mit geringen Mengen operiren konnte, obwohl ich die Schuppen von 20 bis 30 mittelgrossen Fischen benutzte. In zwei Fällen gab die salpetersaure Lösung ca. 30 pCt. Asche, während die direkte Einäscherung des Fil- trumrückstandes, das doch noch andere Gewebstheile ent- hielt, statt mehr, nur 20-25 pCt. Rückstand liess; ein Feh- ler, der wohl theilweis daher rührt, dass es ungemein schwer wird, aus der salpetersauren Läüsung beim Abdampfen die Säure zu entfernen, diese also immer mit ins Gewicht fällt. Fast scheint es, dass dieselbe mit einem der in den Krystal- len enthaltenen Stoffen eine chemische Verbindung eingeht, aus der sie bei einfachem Abdampfen nicht wohl entfernt werden kann. Der lufttrockene Rückstand, wie die ungelö- sten Krystalle verbrennen mit deutlichem Horngeruch. Die Krystalle lösen sich in einer Säure unter leichter Entwicke- lung von Kohlensäure, dieselbe ist wahrscheinlich an Kalk und Natron gebunden. Die Asche besteht ferner aus phos- phorsaurem Kalk, Chlornatron und zeigt deutliche Mengen von Eisensalzen. Die Mengenverhältnisse der einzelnen Salze zueinander zu bestimmen, war ich nicht im Stande, wohl aber genügten die benutzten Aschenmengen, um das Verhältniss der in Wasser löslichen zu den unlöslichen festzustellen. Es lösten sich von jenen 30 Prozenten ca. 15 in salzfreiem Wasser. Auch zu einer Elementaranalyse waren die von mir benutzten Mengen nicht wohl ausreichend, wohl aber zeigt uns ihr qua- litatives Verhalten, dass wir es mit einer Verbindung organi- scher, stickstofthaltiger Substanz mit anorganischen Salzen bier zu thun haben; einer organischen Substanz, die, theilweis flüchtiger Natur, noch ausserdem die andern stickstoffhalti- gen Körpern nicht eigenthümliche Eigenschaft zeigt, dass sie in Säuren und Alkalien gleich leicht löslich ist. 270 Einige Bemerkungen über den Bau der Hydren. Von Dr. LEYDIc. Hierzu Taf. X, Fig. 3— 11. Mehrere Beobachter hatten angegeben, dass der Körper der Armpolypen aus Zellen bestehe, so Corda') und Baum- gärtner?), sie unterschieden auch gewisse distinkte Lagen von solchen Elementen. Doyere°), Quatrefages‘), von Siebold>) sahen Längs- und Quermuskeln. Dieser Auffassung, welche einen histologisch differenzirten Bau der Hydra in Zellen und Zellenabkömmlingen in sich schloss, trat 1848 Ecker‘) entgegen, indem er nach Unter- suchung des grünen Armpolypen sich dahin aussprach, dass der ganze Körper der Hydren aus einer gleichförmigen, theils klaren, theils körnigen, weichen, dehnbaren, elastischen und kontraktilen Substanz bestehe, die netzförmig durchbrochen sei und in den Hohlräumen eine mehr oder minder klare Flüssigkeit enthalte. Eine Zusammensetzung aus Zel- len finde in keinem Theile statt, weder des Kör- pers noch der Arme, 1) Nova Acta Academ. Leop. Tom. XVIII und Annal. d. science. nat. Tom. VIII. 2) Neue Untersuchungen in dem Gebiete der Physiologie und der praktischen Heilkunde, Freiburg 1845. 3) Compt. rend. T. XV, p. 429. 4) Ibid. 5) Vergleichende Anatomie S. 31. 6) Zur Lehre vom Bau und Leben der kontraktilen Substanz der niedersten Thiere. Akad. Progr. Basel 1848, abgedruckt in der Zeit- chrift für wissenschaftl. Zoologie, I. Band. a7 Ecker hatte dabei auch gemeldet, dass die Muskeln der Räderthiere durchaus der kontraktilen Substanz der Hydren analog seien und ebenfalls jede Spur einer weiteren Organi- sation entbehren. Für die Rotatorien habe ich an einem an- deren Orte!) gezeigt, dass diesen Thieren wirkliche, histolo- gisch gesonderte, ja selbst gewissen Arten genuin querge- streifte Muskeln zukommen, und ich bedaure, in dem ge- genwärtigen Aufsatze die Angaben des genannten und von mir hochgeachteten Forschers auch bezüglich der Armpolypen für unstatthaft erklären zu müssen, da ich mich überzeugt habe, dass unsre Hydren aus Zellen und Zellende- rivaten, nicht aber aus einer einfachen, gallertigen Substanz zusammengesetzt sind. Als Material benutzte ich die I Hydra viridis?), H. grisea und H. aurantiaca. Ich will auch gleich zum voraus bemer- ken, dass die beiden letzteren Arten weit günstiger zur Un- tersuchung sind, als die Hydra viridis, an der allein Ecker wegen Mangels der übrigen Spezies seine Forschungen ange- stellt hat. Was nun zunächst die äussere Haut betrifft, so sehe ich die Sache ganz anders, als sie von Ecker beschrieben wurde; nach ihm besteht die Haut aus einer theils klaren, theils kör- nigen, netzförmig durchbrochenen, weichen Masse, in der die verschiedenen Hautorgane, die Angel- und Nesselorgane eingesenkt seien. Betrachte ich mir unter gehöriger Vergrös- serung (Linse 5. 6. 7. Plösl) eine lebende H. aurantiaca, wo- bei ich dafür Sorge trage, dass das Deckglas durch dazwi- schen gelegte Körperchen keinen Druck auf den Polypen aus- üben kann, so giebt die Haut der Arme sowohl, wie des Leibes und Fusses eine verwaschen-zellige Zeichnung, an der Fussscheibe jedoch zeigt die Haut schon in ganz frischem 1) Zeitschrift für wissenschaftl. Zoologie, Bd. V. 2) Ausser den bekannten Polypenläusen traf ich mehrmals auf grünen Hydren Parasiten an, welche die Thiere über und über besetzten. Es war ein kleines, etwa 0,004" messendes Infusorium, bestehend aus einem rundlichen, vorn leicht abgeschnittenen Körper und zartem Stiel. Zeigte sich sehr beweglich, 272 Zustande eine so klare, epitelartige Zusammensetzung, dass man bereits jetzt die Zweifel an der Richtigkeit der Ecker- schen Darstellung nicht unterdrücken kann. Man sieht die hellen Ränder der polygonal aneinander gereihten Zellen, welche ungleich mehr als an der übrigen Haut dicht mit klei- nen Kügelchen gefüllt sind, so dass im unverletzten Zustande der Zellenkern verdeckt ist (vergl. Fig. 6.a). In Folge die- ser Anfüllung der Zellen erscheint auch die Haut des Fuss- endes im Ganzen dunkler als die sonstige Haut. Verfolgt man die Bewegungen der Fussscheibe mit Aufmerksamkeit, so wird man gewahr, dass die bezeichneten Zellen auf der Fläche der Fussscheibe beträchtlich eylinderförmig verlängert sind, nach vorne zu aber an Länge abnehmen und allmälig in ihrer Grösse sich den anderen Hautzellen anschliessen (Fig. 9. b). Die Zellen lassen sich durch Einwirkung von Es- sigsäure und einer leichten Verschiebung des Deckglases, wo- durch sie auseinander weichen, isolirt betrachten. Es ist jetzt auch der Kern mit Nucleolus in dem verbreiterten Abschnitt der keulenförmigen Zelle sichtbar geworden (Fig. 8). Das- selbe Reagens weist aber auch von der übrigen Haut des Fusses eine ganz entsprechende elementare Zusammensetzung nach: stellt man den Fokus auf die Oberfläche des unter obigen Cautelen behandelten, also nicht gedrückten, aber dem Einflusse von Essigsäure ausgesetzten Polypen ein, so sprin- gen zugleich mit den so auffallend scharf contourirten Nessel- organen runde, deutliche Kerne mit Kernkörperchen in die Augen (Fig. 6.c), dazwischen ist eine punktirte Substanz, ohne dass sich gerade in ihr die Abgrenzungen der einzelnen Zellen markirten. Nach leichtem Druck aber weichen die Hautelemente auseinander und bekunden sich als unverkenn- bare Zellen (Fig. 7), wovon jede wenigstens einen 0,004 grossen Kern hat mit einem oder zwei Kernkörperchen, an- dere besitzen zwei Kerne. In der geschilderten Weise ver- hält sich auch die Haut der Arme und am übrigen Leibe. Es offenbart sich jetzt ferner, in welcher Beziehung die Nes- selorgane zu der Haut stehen, doch habe ich vorher einige Worte über diese Gebilde selber vorzubringen, da die Schrift- 273 steller bezüglich des Baues derselben sehr abweichende An- gaben mittheilen. Die Nesselorgane sind von zweierlei Art, die sich nach Grösse, Gestalt und Struktur von einander unterscheiden; die einen sind kleiner und von mehr cylindrischer Gestalt, die anderen grösser und birnförmig (Fig. 1, 2, 3 a, 5), die ersteren umgeben an den Fangarmen die grösseren truppweise (Fig. 1), finden sich aber auch am übrigen Körper mit Ausnahme der Fussscheibe, welche Körpergegend allein weder die grössere noch die kleinere Sorte der Nesselorgane enthält (vgl. Fig. 6). An den sehr extendirten Armen scheinen, wie das schon andere Forscher ausgesprochen haben, die Gruppen der Nes- selorgane in einer doppelten Spirale um die Arme zu ver- laufen. Die kleinen Nesselorgane nennt Corda') Cilia, Ehrenberg?) heisst sie die kleineren Kapseln, legt ihnen aber, wie aus seinen Zeichnungen erhellt, dieselbe Struktur bei, wie den grösseren. Erdl°) hat das kleinere Nessel- organ im ausgestülpten Zustand abgebildet. Ich habe zu diesem kleineren Nesselorgan zu bemerken, dass man im Innern der Kapsel den spiralig aufgerollten Faden mit Sicher- heit wahrnehmen kann (Fig. 1 und 2a), die Abbildungen, welche Erdl*) von den gleichen Bildungen der Actinia me- sembryanthemum gegeben hat, passen vollkommen auf unsere Hydra. Wenn Ehrenberg den ausgestülpten Faden der klei- neren Nesselkapseln auch mit drei Widerhäkchen durchweg zeichnet ®), so ist dies unrichtig; der im Innern korkzieher- artig aufgerollte Faden tritt hakenlos nach aussen (Fig. 3 a), aber ebensowenig kann ich v. Siebold°) beipflichten, wel- cher diese kleineren Nesselorgane als „Haft- oder Greifor- gane“ von den Nesselorganen unterscheidet und angiebt, dass 1) a.a. 0. Tab. XVIII, Fig. 9-10. 2) Abhandlungen der Berliner Akademie 1836. 3) Müller’s Archiv für Anat. und Physiol. 1841. 4) a. a. 0. Fig. 6a. 5) a. a. O. Taf. II, Fig. VII d und e. 6) Vergleichende Anat, 8. 36 und Anmerk. 10. Mliller's Archiv. 1854. 18 274 die kleineren, derbhäutigen Kapseln keinen Faden aus sich hervorschnellen können. Ich kann mir jeden Augenblick an der genannten Hydra den im Innern aufgerollten Faden vor- führen und nach Zusatz von etwas Kalilauge den Faden her- ausschnellen sehen. Die zweite Spezies von Nesselorganen hat Corda als hastae beschrieben, die Anderen nennen sie „Angelorgane*. Ich muss Ecker vollkommen darin Recht geben, dass er entgegen von Erdl, der die hastae als verschieden von den Angelorganen betrachtet, hervorhebt, die hastae Corda’s und die Angelorgane der anderen Autoren seien eins und dasselbe. Vergleiche ich die vorhandenen Abbildungen von Corda und Ehrenberg über diese Nesselorgane im nicht ausgestülpten Zustande, so giebt keine das Innere richtig wieder. Es ragt von dem vorderen, quer abgeschnittenen Ende ein dicklicher Strich nach innen, welcher in drei schär- fer contourirte hakenähnliche Spitzen ausgeht, ihm schliesst sich ein kleiner kugliger Abschnitt an, Corda hat diese Li- nien bemerkt und auf seinen Figuren 6, 7,8 bein und o unter der Bezeichnung hastifer et hasta organi capiendi aufgefasst, was er aber bei m als vesica zeichnet, ist der unvollkommen erkannte, im blinden Ende der Kapsel aufgerollte Faden. Nach erfolgter Umstülpung zeigen sich jetzt die vorher etwas unklar gewesenen inneren Theile in der Form von Haken, Hals und Faden, das Bläschen und die Haken sind scharf eontourirt, der Hals und der Faden blass. Ehrenberg und Erdl bilden immer nur drei rückwärts gerichtete Häkchen ab, was auch das gewöhnlichere Vorkommen ist; an beson- ders grossen Nesselorganen erblicke ich aber deutlich nach vorne von den drei grossen Haken noch einige kürzere, nicht so dunkel, sondern mehr hell erscheinende Stacheln. v. Sie- bold sagt!), dass der hervorgestülpte Faden an seinem freien Ende etwas angeschwollen sei; ich sehe nicht, dass er am freien Ende verbreitert wäre, sondern im Gegentheil eher um etwas weniges verschmächtigt; durch Zusatz von Bssig- 1) a.a. ©. S. 30. 275 säure, womit die Fäden härtere Linien annehmen, kann man sich leicht davon überzeugen. Es ergiebt sich daher aus dem Voranstehenden, dass die Hydren zweierlei Nesselkapseln besitzen, kleinere von eylin- drischer Gestalt und grössere von birnförmiger, in beiden liegt eingerollt ein vorschnellbarer Faden, der bei den grös- seren noch mit Widerhaken ausgerüstet ist!). i Nach dieser Erläuterung komme ich zur eigentlichen Frage zurück: sind die Nesselorgane nur in einer strukturlosen, zähen Substanz eingebettet, wie Ecker behauptet, oder ste- hen sie in Beziehung zu Zellen? Man bedarf gar keiner be- sonderen Aufmerksamkeit, um sich sowohl an frischen oder noch besser an Thieren, auf welche Essigsäure eingewirkt hat, zu vergewissern, dass die Nesselkapseln in wirklichen Zellen liegen (Fig. 2 a und 5). Der wandständige Kern hat in den die verschiedenen Arten der Nesselkapseln bergenden Zellen immer eine bestimmte Lage: in den grossen birnför- migen erscheint er dem abgerundeten Ende der Nesselkapsel gegenüber angebracht (Fig. 2b), in den eylindrischen gewahrt man ihn dem Querdurchmesser der Nesselkapsel gegenüber (Fig. 2 a). Noch ist ein anderer Punkt bezüglich der Hautstruktur zu erledigen. Bilden die beschriebenen Zellen allein die Grenze des Thieres nach aussen, oder sind sie noch von einer ho- mogenen Cuticula überdeckg? Ich möchte mich für das Vor- handensein einer solchen aussprechen. Es geht am lebenden Thier eine scharfe Contour über die Zellen als Grenzlinie weg, die bei der Kontraktion der Arme oder noch merklicher am Fusse an Dicke gewinnt und bei dem zuletzt genannten Körpertheil in starke Querfalten sich legt und dann etwa 0,0012 im Durchmesser hat. Auf der Fussscheibe scheint sie zu mangeln. Die Cutieula trägt auch je einem Nessel- organ entsprechend eine blasse 0,002 lange Borste, wenig- 1) Coryne hat, wie ich an einem Weingeistexemplar sehe, in den Tentakeln nur einerlei Nesselorgane, die den kleinen cylindrischen der Hydren entsprechen. 18* 276 stens glaube ich erkannt zu haben, dass die markirten Nes- selkapseln nicht unmittelbar in die Borste sich fortsetzen, letztere könnte höchstens der die Nesselkapsel einschliessen- den Zelle angehören. Unterhalb der Zellenlage der Haut folgt abermals eine scharfe Linie, die auf eine homogene Membran bezogen werden kann und an der Fussscheibe (vergl. Fig. 9) am dicksten ist; sie quillt in Kalilauge hier zu 0,002‘ Durchmesser auf. Unter ihr kommt das kontraktile Gewebe, die mittlere Schicht Eckers, welche Corda und Baumgärtner aus Zellen zu- sammengesetzt sein lassen, Ecker aber wieder für eine ho- mogene, netzförmig durchbrochene Substanz erklärt. Ich empfehle jenen, welche diese Angaben prüfen wollen, den ziemlich hellen Fuss einer lebenden unverletzten und in obiger Weise geschützten Hydra grisea oder aurantiaca zu betrach- ten, um sich rasch zu überzeugen, dass Ecker im Unrecht ist. Man erblickt zunächst eine grosszellige Zeichnung, rund- liche oder polygonale Linien umfassen eine wasserklare Sub- stanz und nebenbei braune Körnermassen; abgesehen von letzteren erinnert das Bild an die mikroskopische Beschaffen- heit der Chorda dorsalis von Froschlarven und Fischen. Fasst man darauf die zellenähnlichen Räume genauer ins Auge (Fig.4a, 5a, 9d), so gewahrt man klar und deutlich, dass zu jedem ein schöner 0,004- 0,006‘ grosser Kern mit Kernkörperchen gehört (Fig.4b, 55, 9) und bezüglich des Lagerungsverhältnisses erfährt man sehr bald, dass der Kern constant der Wand des Zellenraumes anliegt; auch die Häuf- chen in verschiedenen Abstufungen braun gefärbter Klümp- chen sind keineswegs im Innern des Zellenraumes unterge- bracht, wie es allerdings bei der Flächenansicht den Anschein haben kann, sondern immer nur lagern sie in der Zellen- wand, welche durch solche Anhäufungen divertikelartig nach innen vorgetrieben erscheint (Fig. 4c, dc, 9). Die Zellen- membranen sind an ihren gegenseitigen Begrenzungsflächen miteinander verschmolzen, so dass man auch sagen könntes die Zellenmembranen bilden durch ihr Verwachsensein ein eontinuirliches Fachwerk, wobei aber jeder Fachraum vom 277 andern abgeschieden ist. Das Innere des Zellenraumes ist er- füllt mit einer wasserklaren, in Essigsäure sich nicht trüben- den Substanz; das eben genannte Reagens trübt hingegen die Zellenmembranen, wobei die innere helle Substanz aufquillt, die Zelle dadurch an einer Stelle einreisst, ausfliesst und die Membran zusammenfällt. Die Kerne und Kernkörperchen tre- ten nach Essigsäure noch schärfer hervor. Es verdient besonders hervorgehoben zu werden, dass das geschilderte Zellennetz das eigentliche Parenchym des Poly- penleibes ausmacht und nach den einzelnen Lokalitäten ge- ringe und hauptsächlich nur Grössenunterschiede darbietet. Den erheblichsten Umfang haben sie am Fuss und in der Ba- sis der Arme, dagegen verkleinern sie sich am eigentlichen Leib (Magengegend), während im umgekehrten Verhältniss die braunen Körnerhaufen und auch farblose eiweissartige Kügel- chen in der Zellenwand zunehmen, daher auch der Polyp an seiner sogenannten Magengegend am intensivsten braun ge- färbt ist. Fertigt man gute Querschnitte vom lebenden Thier, so zeigt sich, dass diese Zellen ringförmig gelagert sind, was beson- ders schön an den Armen (vergl. Fig.5) und am Fusse sicht- bar ist. An solchen (uerschnitten oder auch am unbehelligten Thier durch längeres Beobachten und wechselnde Fokalein- stellung unterrichtet man sich, dass die braunen Körnerklum- pen, die, wie erwähnt wurde, in divertikelartigen Auftreibun- gen der Zellenmembran sich finden, sehr regelmässig an der Seite von jeder Zelle liegen, welche nach der Fuss-, Leibes- und Tentakelhöhle gerichtet ist. Es ist ferner von Bedeutung, dass die genannten Zellen, abgesehen von einem zarten Wim- perbesatz, unmittelbar die Lichtung der Arme, des Leibes und Fusses begrenzen, worüber ich, wenigstens was den Fuss und die Arme angeht, ausser allem Zweifel bin. Was die Flimme- rung betrifft, welche unbestreitbar im Lumen der Arme, der Leibes- und Fusshöhle da ist, so schien es mir, als ob je ein äusserst feines Flimmerhärchen auf einem sehr kleinen (nur 0,0008"" messenden) blassen Kügelchen aufsässe; dann glaube ich auch wahrgenommen zu haben, dass ein solcher Cilienbe- 278 satz keineswegs eine kontinuirliche Auskleidung herstellt, son- dern nur gewisse Gegenden der Arm- und Leibeshöhle ein- nimmt. Berücksichtigt man weiter die Lebensäusserungen der Thiere, so wird ersichtlich, dass lediglich die beschriebenen Paren- chymzellen bei den Kontraktionserscheinungen sich betheiligen und die beiden Forscher, Corda und Baumgärtner, haben entschieden Recht, wenn sie die gekennzeichnete Schicht allein für die kontraktile halten. Wegen der konstanten Lagerung der gefärbten Körnerhaufen an jener der Lichtung zugekehrten Seite der kontraktilen Elemente kommt es, dass, wie an den Armen am bequemsten gesehen wird, bei der Zusammenzie- hung des Tentakels die Körnerhaufen einen braunen Axen- strang hervorrufen, der sich nach der Expansion des Armes wieder in die einzelnen Körnerhaufen, das Armlumen begren- zend, auflöst. Es nehmen diese Zellen unsere Aufmerksamkeit auch dess- halb besonders in Anspruch, weil die eigentlich kontraktile Substanz unter der Form eines halbflüssigen Zelleninhaltes auftritt. Mir will es nämlich vorkommen, als ob die mitein- ander verschmolzenen Zellenwände lediglich elastisch wären, der wasserklare Inhalt aber die allein kontraktionsfähige Sub- stanz sei. Ohne die Erscheinungen am unverletzten Polypen in Rechnung zu bringen, spricht für diese Auffassung auch das, was man beim Zerreissen einer lebenden Hydra wahr- nimmt. Die dadurch frei gewordene Substanz zeigt Formver- änderungen, die nach Ecker Aehnlichkeit mit den Bewegun- gen der Amöben haben, und die ‚zellenähnlichen Körper der Hydra viridis“, welche er Fig. II a-g abbildet, sind nichts anderes, als solcher ausgetretener kontraktionsfähiger Zellen- inhalt, der zufällig allerlei Anderes, was beim Zerreissen des Thieres ebenfalls frei werden kann, wie die gefärbten Körn- chen und selbst Nesselorgane, einschliesst. Die bläschenför- migen Räume, die in sehr wechselnder Zahl und Grösse in der kontraktilen freien Substanz auftreten können, leite ich von einer allmäligen Zersetzung derselben und eingedrungenem Wasser ab, denn im unverletzten frisch eingefangenen Thier 279 hat die noch von der Zellenwand umschlossene kontraktile Substanz nichts von solchen blasigen Bildungen. Aus dem Mitgetheilten folgt, dass mich meine zumeist an Hydra grisea und aurantiaca vorgenommenen Untersuchungen zu ganz anderen Schlüssen führen, als die sind, welche Ecker nach Beobachtungen an Hydra viridis aufgestellt hat. Aller- dings scheint auch unsere beiderseitige Untersuchungsmethode etwas abgewichen zu haben; Ecker mag mehr des Druckes und der Zerreissung sich bedient haben, während ich der Be- obachtung des von allem Druck ganz unbehelligten Thieres, dann der allmäligen Einwirkung von Reagentien entschieden den Vorzug gebe und erst in zweiter Linie die Kompression und Zerstückelung gebrauche. Wenn daher Ecker seine An- sicht über den Bau der Hydren dahin zusammenfasst, dass eine einzige, netzförmige Substanz den ganzen Körper zusam- mensetze und nur durch grössere Rarefaktion des Gewebes und Aufnahme der Angel- und Nesselorgane eine äussere oder Hautschicht und dann durch die grünen und braunen Körner nebst minder durchbrochener Grundsubstanz die mittlere und innerste Schicht bilde, und es für wahrscheinlich hält, dass alle diese Schichten in gleichem Maass kontraktil sind, so glaube ich im Gegensatz hiezu durch obige Erörterungen dar- gethan zu haben: 1. Dass die Haut aus wirklichen mit Kern und Kernkör- perchen versehenen Zellen besteht und die zweierlei Arten von Nesselorganen in solchen Zellen liegen, auch sehr wahrschein- lich eine zarte homogene Cutieula noch über die Zellenlage weggeht. 2. Das unter der Haut liegende Gewebe, welches das eigent- liche Leibesparenchym ausmacht, ist zusammengesetzt aus gros- sen Zellen, deren Wand miteinander zu einem Netzwerk ver- wachsen ist, jedoch für jeden Zellenraum den klaren wand- ständigen Kern und ausserdem noch einen Haufen brauner (bei Hydra viridis grüner) Körnchen besitzt. Den Inhalt der Zel- len macht eine wasserklare Substanz aus und diese allein ist kontraktil. Es stimmt demnach die Textur der erwachsenen Iydra voll- 280 kommen zu dem, was Ecker) über die Entwickelung des Embryo veröffentlicht hat. Das Ei?) macht einen Furchungs- prozess durch, das Resultat desselben sind Zellen mit Nucleus und Nucleolus, welche Ecker selber beschreibt und abbildet; würde nun wahr sein, was derselbe Forscher von der ausge- wachsenen Hydra behauptet, dass sie lediglich aus homogener, netzförmig durchbrochener Substanz, ohne zellige Elemente, bestehe, so würde jenes Thier eine ganz exceptionelle Stellung einnehmen; denn während doch, soviel wir wissen, überall die aus dem Furchungsprozess hervorgegangenen Zellen zum Aufbau des Embryo dienen, so dass dieser und das fertige Thier durch fortwährende Vermehrung und Differenzirung der Furchungszellen einen Complex aus Zellen und Zellenderivaten darstellen, muss sich Ecker bezüglich der Armpolypen wie folgt äussern: ‚‚die Embryonalzellen scheinen mir überhaupt hier für den Aufbau des Embryo-Leibes eine mehr unterge- ordnete Bedeutung zu haben und ich muss annehmen, dass die Körpersubstanz der Hydra wesentlich Intercellularsubstanz sei. Welches die Bestimmung und das Schicksal der Embryo- nalzellen sei, das wage ich nicht mit Bestimmtheit zu sagen.“ Ich erlaube mir hingegen, gestützt auf die obigen Daten, das Schicksal der Furchungszellen so zu formuliren: wenn der kuglige Embryo sich zu einer Blase gestaltet, so wird die äussere Lage der Furchungskugeln zu den Hautzellen, die sich durch Theilung vermehren. Der Inhalt von einzelnen Haut- zellen metamorphosirt sich zu den Nesselkapseln. Giebt doch 1) Entwiekelungsgeschichte des grünen Armpolypen. Akadem. Pro- gramm, Freiburg im Br. 1853. 2) Leider habe ich im gegenwärtigen Frühjahr keine Hydren mit Eiern aufbringen können, um sowohl die Eibildung als auch die Ent- wickelung der Hoden und ihres Inhaltes einem erneuten Studium un- terwerfen zu können. Hydra grisea und H. aurantiaca produziren bekanntlich nur im Herbst Eier und was mir sehr auffallend ist, wäh- rend im Frühling des vorigen Jahres fast alle grünen Armpolypen eines kleinen Tümpels Eier und Hoden hatten, bringt bis jetzt (Ende Mai) kein einziges Individuum derselben Lokalität Eier hervor, son- dern nur Knospen. 281 sogar Ecker ') an, dass selbst noch an der eben ausgeschlüpf- teu Hydra die ‚,Nessel- und Angelorgane zum Theil noch von Zellen umschlossen‘ sind. Auch die Bildung der Samenele- mente und Eibestandtheile mag wohl am geschlechtsreifen Thier von den Hautzellen ausgehen. Die weiche homogene Cutieula darf als Abscheidung der Zellen betrachtet werden. Die mehr central gelegenen Zellen des kugligen Embryo vermehren sich, wachsen beträchtlich, ihre Wände verschmelzen miteinander und ihr Inhalt wird zur kontraktilen Substanz. Für diese letz- tere liesse sich auch der Ausdruck Sarkode, den ich bis jetzt vermieden habe, in Anwendung bringen; sie ist aber, was ich besonders betonen möchte, nicht, wie Ecker annimmt, ‚,In- tercellularsubstanz “, sondern der kontraktionsfähige Zellen- inhalt. Will man überhaupt die Bezeichnung Sarkode, welche be- kanntermassen Dujardin in die Wissenschaft eingeführt hat, beibehalten, so mag der Name so gelten, dass man darunter den halbflüssigen, kontraktilen Zelleninhalt begreift, der auf der Stufenleiter der Thiere allmälig an Festigkeit gewinnend, zuletzt sich in Pünktchen und Würfelchen sondert. Die beiden letzten Grade der Vervollkommnung werden als einfache und quergestreifte Muskeln aufgeführt. Die äussere Begrenzung richtet sich nach der Form, welche die nicht kontraktile Zel- lenmembran angenommen hat; beiden Hydren bleiben es grosse, kuglige Zellen, in der Mehrzahl der anderen Thiere wachsen die Zellenmembranen nach zwei Seiten faserartig aus, treten auch zur Bildung von strangartigen Cylindern zusammen. Nach dieser Abschweifung kehre ich zum Bau der Hydra zurück, um noch einiges beizufügen, was direkt nichts mit der Sarkodefrage zu schaffen hat. Ich muss einmal der Auffassung von Leukart unbedingt beitreten, welcher die ganze, innere Höhlung der Hydra bloss als Leibeshöhle betrachtet; es ist kein eigentlicher Magen vor- handen, sondern die vordere Körperöffnung (Mund) führt in die Leibeshöhle, welche sich nach hinten bis zum Ende des 1) a. 0. 8.21. 252 Fusses erstreckt und nach vorne in die Höhlung der Arme sich fortsetzt; die beschriebenen kontraktilen Zellen formen überall die Begrenzung und nur an einzelnen Stellen existirt noch ein feiner Wimperbesatz. Bezüglich des Verdauungsvor- ganges, der allerdings vorzugsweise im vorderen Abschnitt der Leibeshöhle erfolgt, obschon ich auch in seltneren Fällen im sogenannten Fuss Speiseballen fand, möchte ich auch anfüh- ren, dass, wenn das Thier Cyklopen gefressen hatte, die Fett- tropfen derselben (wohl durch Druck) in die Parenchymzellen der Leibeswand, resp. in ihre verdickte Wand u werden, hier sich verkleinern und entfärben. Ein anderer Punkt, bezüglich dessen ich die Angaben äl- terer Forscher zu verfechten gezwungen bin, ist die Oeffnung am hinteren Körperende. Trembley, Schäffer, Corda haben eine solche Oeffnung angenommen, während Ehren- berg, v. Siebold und Ecker keine auffinden konnten. Ich habe mich aber an allen drei oben mehrmals namhaft gemach- ten Hydren überzeugt, dass eine solche Oeffnung an gedachter Stelle vorhanden ist (vergl. Fig. 6 5). Die Oeffnung erscheint willkürlich verschliessbar, liegt nicht ganz. central in der Fuss- scheibe, sondern mehr seitlich ; es hält mitunter ziemlich schwer, derselben ansichtig zu werden und hängt einigermassen vom Zufall ab, da der Polyp sich gerne mit diesem Körpertheil festsaugt; allein ich habe ein paar Mal den Fuss so günstig vor mir gehabt, dass ich, wie es in Fig. 6 dargestellt ist, die Begrenzung der Hautzellen scharf erkennen und von da in die Lichtung des Fusses blicken konnte. Die Oeffnung zeigte sich in verschiedenem Grade der Erweiterung, bis sie sich wieder ganz schloss. Ehrenberg hat an der bekannten hübschen, wenn auch theilweise nicht ganz richtigen Zeichnung (a.a.0.), welche eipen fast vollständigen Polypen (Hydra aurantiaca) bei 60- maliger Vergrösserung wiedergiebt, durch Pfeile in den Armen angedeutet, dass in denselben zwei in entgegengesetzter Rich- tung verlaufende Strömungen von ‚„‚Chymus‘ vorhanden wären. Allein man wird vergebens etwas von einer solchen regelmäs- sigen (arteriellen und venösen) Stromrichtung wahrnehmen. 283 Die ganze Erscheinung ist überhaupt eine inconstante und trägt einen sehr individuellen Charakter: bei vielen, besonders frisch eingefangenen Thieren sieht man, auch bei bester Ex- tension der Fangarme, oft gar nichts von cirkulirenden Kügel- chen; ein andermal, vorzüglich an länger in der Gefangen- schaft gehaltenen, also wohl nicht mehr ganz gesunden Indi- viduen sind die Kügelchen sehr zahlreich und von verschie- dener, ja mitunter sehr beträchtlicher Grösse, aber immer werden sie ganz unregelmässig durch die Kontraktionen der Arme und durch feine Flimmern umhergetrieben. In ganz ähn- licher Weise hat sich schon Erdl (a. a. O. S. 431) über diesen Säftelauf ausgesprochen. Erklärung der Abbildungen. Fig. 3. Ein Stück von einem Fangarm der Hydra aurantiaca, von der überhaupt alle folgenden Figuren genommen sind, bei starker Vergrösserung. Zeigt die Art der Gruppirung und die beiden Formen der Nesselorgane: a die kleinen eylindrischen nach der Länge und im Querschnitt gesehen, b die grossen birnförmigen. Fig. 4. Die zwei Arten der Nesselorgane, wie sie in den Zellen eingeschlossen liegen; man sieht in der kleineren a den in der Nessel- kapsel eingerollten Faden und den Zellenkern, ebenso in der grösseren Art b. Fig. 5. Die Nesselkapseln ausgestülpt, die kleinere Art a ohne Widerhäkchen am Uebergang des Fadens in die Kapsel, die grosse b mit mehreren Haken. . Fig. 6. Ein Stück Arm, an welchem bloss das kontraktile Ge- webe gezeichnet, die Haut aber weggelassen ist: « die kontraktilen Zel- len, 5 Kern derselben, bei e liegen die braunen Körnerhaufen. Fig. 7. Querschnitt des Armes, die Haut ist ebenfalls weggelassen, Bezeichnung wie vorher, d Lumen des Armes. Fig. 8. Fuss mit Fussscheibe, der Fokus ist auf die Oberfläche (Haut) eingestellt. « die Zellen der Fussscheibe, b die Oeffnung des Fusses, e die Kerne der Hautzellen, d die Nesselorgane. Fig. 9. Hautzellen isolirt. Fig. 10. Zelle der Fussscheibe isolirt. Fig. 11. Fuss mit Fussscheibe, der Fokus ist auf das kontraktile Gewebe eingestellt: a die Haut des Fusses mit einzelnen Nesselorga- nen, b die Hautzellen der Fussscheibe, c die Oeflnung in der Fuss- scheibe, d die kontraktilen Zellen wie in Fig. 4 und 5, man sieht deren Kerne und braune Körnerhaufen. Zoologisches. Von Dr. LEYDIG. Hierzu Tafel XI. 1. Ueber einige Strudelwürmer. Im November 1847 fand ich in einem Tümpfel am Main eine Turbellarie, die sehr auffallend war; da sie mir seit dieser Zeit nicht wieder aufgestossen ist und auch noch nirgends er- wähnt zu sein scheint, so erlaube ich mir, die damals genom- mene Zeichnung und Notizen zu veröffentlichen. Das Thier (Fig. 1) ist von Farbe weiss und für seine Länge, es misst 3'’, sehr schmal. Bei den Bewegungen krümmt es sich, wie in der Abbildung dargestellt ist, gern schlangen- förmig fort. Was den feineren Bau angeht, so habe ich mir Folgendes angemerkt: Die äussere Haut war durchweg mit zarten Cilien besetzt, die oft ihre Thätigkeit auf ganze Strecken fort eine Zeit lang einstellten. In die Haut sind zahlreiche stäb- chenförmige Körperchen eingebettet. Der Mund ist eine Querspalte, etwas hinter dem vorde- ren Körperende gelegen; er führt in einen schlauchförmigen Schlund (@) und dieser geht über in einen Darm (b), wel- cher gerade gestreckt durch den ganzen Körper verläuft: Er ist mit dunkelkörnigen Zellen ausgekleidet, welche wimpern. Vom Wassergefässsystem unterscheidet man zwei Kanäle (d), die am Hinterleibsende mit freier Oeffnung begin- nen und sich durch den ganzen Leib bis nach vorn erstrecken, wobei sie zahlreiche Windungen machen und am Kopf schlin- genförmig ineinander überzugehen scheinen. Im Kopfe sah man in dem frei bleibenden Zwischenraum 285 kleine Körperchen in spärlicher Anzabl — Aequivalente der Blutkörperchen — herumtreiben. (Ein solches Ver- halten scheint bei den Turbellarien selten zu sein, wenigstens bemerkt Oskar Schmidt: „die rhabdokoelen Strudelwürmer des süssen Wassers S. 12“, ausdrücklich, dass er in den von ihm beobachteten Arten keine „‚Blut- und Chyluskörperchen gefunden habe “.) Von Sinnesorganen ist keine Spur vorhanden, es man- geln Augenflecke und Otolithenblase. , Auch rücksichtlich der Geschlechtsorgane weiss ich nichts auszusagen, als dass im vorderen Drittheil des Kör- pers zwischen Darm und äusserer Haut einige ovale Körper sich befanden (ec) von hellem Aussehen, die wohl nichts an- deres als Geschleehtsdrüsen sein mochten. Fragt man nach der zoologischen Einreihung unseres Wur- mes, so scheint mir, dass ihm ein Platz in der von OÖ. Schmidt aufgestellten Gattung Stenostomum gebühre und ich schlage da- her den Namen vor Stenostomum Coluber. — Das Thier mag selten sein, ich hatte nur ein einziges Exemplar. In demselben Tümpfel traf ich gegen Ende August des vo- rigen Jahres (1853) einen anderen interessanten Strudelwurm an, der zwar schon einmal ganz richtig abgebildet und be- schrieben ist, aber von seinem ersten Beobachter bezüglich seiner systematischen Stellung verkannt wurde. Duge&s entdeckte (Annal. d. sciene. XXVI) im Herbst 1830 in den Lachen eines vertrockneten Baches 1), -2 Lin. lange Würmer von der Form eines weisslichen Fadens. Unter der Lupe waren sie in ähnliche Segmente abgetheilt, wie Taenia und Bothriocephalus, der Wurm schien ihm daher an die Ein- geweidewürmer und zwar an die Bothriocephalen angereiht werden zu müssen, doch hebt Dug&s recht wohl hervor, dass das Thier auch viele Verwandtschaft mit den Derostomen habe. Er nennt den neuen Wurm Catenula: Leib gegliedert, ziemlich walzig, breiartig; Verdauungsröhre bei jedem Segment ange- schwollen, mit einem Loch an jeder Nath; die Spezies Cate- nula lemnae: weisslich, Kopf dreilappig, Segmente von der Form eines gedrehten Stockes. Grösste Lünge 2'/, Lin. 286 Nach Duges hat Niemand mehr die Catenula beobachtet; Dujardin stellt in seiner Histoire naturelle des Helminthes S. 639 fraglichen Wurm unter die „Zelminthes fietifs ou fabu- leux“ und hält es für wahrscheinlich, dass Catenula eine Pla- naria sei und die Gliederungen möchten Kontraktionen gewe- sen sein. Auch Diesing bringt in seinem Systema Helmin- thum Vol. I p.284 die Catenula unter die „Turbellariearum species incertae affınitatis, quoad genus summopere dubiae‘“., Es freut mich mittheilen zu können, dass die Zeichnungen und die Beobachtungen, welche Dug&s von seiner Catenula lemnae gegeben hat, im allgemeinen sehr richtig sind, wenn auch die Deutung einiger Organe verfehlt ist. Ich habe den Wurm (Fig. 2) in grösster Menge gehabt; er war 1-1'/,"' lang, 0,04-0,72'" breit, von Farbe weiss und schwamm sehr schnell herum." Es ist eine Turbellarie, die sich durch Theilung ver- mehrt und was Duge&s Segmente heisst und den Gliedern der Bandwürmer vergleicht, sind die jungen Thiere. Jeder Wurm stellt eine Kette noch miteinander verbundener In- dividuen dar und ich finde die Zahl derselben von 2-8 (Du- ges von 4-8). Jedes Segment besteht aus einem vorderen kopfartig angeschwollenen Theil, welcher das Sinnesorgan trägt, und einem längeren hinteren , in welchem der Nahrungskanal; nur das erste Glied (Individuum) hat ausserdem noch einen mässig zugespitzten Theil, der gewissermassen das Kopfende der ganzen Kette vorstellt. Das Sinnesorgan ist eine unpaare, 0,007”' grosse Ohr- blase (Fig. 2a). Die Flüssigkeit, welche den kugligen, keine Bewegung verrathenden Otolithen umspült, hatte einen Stich ins Röthliche. Der Otolith schwand nach Essigsäure vollstän- dig. Duges hat zwar die Ohrblase auf Fgg. 2, 4 und 6 abge- bildet, aber für Oeffnungen oder Sauglöcher (pores ou sugoirs) erklärt. Jedes Glied hatte auch seinen eigenen Nahrungskanal. Die Mundöffnung (b) ist sehr kontraktil und bietet im gewöhn- lichen Zustande eine ungefähr dreieckige Form dar, sie wim- pert stark und führt in einen ebenfalls flimmernden Schlund, der sich von einem deutlich erkennbaren, aber nicht fiimmern- 287 den Magen abgrenzte. Ein After schien nicht da zu sein, son- dern im Gegentheil eine blinde Endigung. F Bei sehr geringem Druck, den ich anwandte, Kam es mir auch vor, als ob Spuren eines Wassergefässsystemes zugegen wären , sonst ist das Parenchym körnig-blasig, von Geschlechts- drüsen ist nicht das mindeste wahrzunehmen, die äussere Haut flimmerte. Jedes der Glieder führt, obschon miteinander verbunden, insofern ein selbständiges Leben, als im Magen von jedem Segment Nahrungsballen sich fanden, der Traktus aber der einzelnen Glieder für sich abgeschlossen ist. Trat allmälig auf dem Objektträger Wassermangel ein, so erfolgte die Abschnürung in die einzelnen Thiere, was auch bereits Duge&s beobachtet hat. Bis jetzt wurde bei den Turbellarien eine Vermehrung durch Quertheilung von Dug&s an Derostomum leucops, angusticeps, squalus, von v. Siebold und OÖ. Schmidt an Microstomum lineare gesehen; diesen schliesst sich der eben abgehandelte Strudelwurm an, für den ich den Namen Derostomum catenula in Vorschlag bringe. In Genua sammelte ich in mehreren Exemplaren eine Mo- nocelis zwischen den Algen, die mir ebenfalls noch nicht er- wähnt zu sein scheint, wenigstens steht sie nicht unter den „Neuen Rhabdokoelen aus dem Nordischen und Adriatischen Meer von Osk. Schmidt“ (Sitzungsbericht der kais. Akad. zu Wien, Oktoberheft 1852), wesshalb ich eine Figur und einige Detailangaben vorbringen will. Der Wurm (Fig. 3) war von Farbe weiss, nicht ganz zwei Linien lang und vollführte sehr rasche Bewegungen. In der äusseren Haut zeigten sich stäbchenförmige Körperchen ein- gebettet. Das zugespitzte Kopfende besass einen unregelmässig gestalteten Fleck, der bei auffallendem Licht weiss. bei durch- gehendem dunkel aussah. Weiter nach hinten kamen zwei Augenflecke (Fig. 3a) von rothbrauner Farbe, aber ohne liehtbrechenden Körper. Wieder etwas weiter nach rückwärts lag eine unpaare Ohrblase (b), deren Otolith nicht einfach kuglig war, sondern zwei seitliche Höcker darbot, so wie es 238 Max Schultze von Monoeelis agilis und unipunctata (Beiträge zur Naturgeschichte der Turbellarien Tab. II) zeichnet. — Die Mundöffnung befand sich im hinteren Theile des Körpers und ging in eine Schlundröhre (e) über, die frei war und her- vorgestülpt werden konnte. Der Darm ist mir nicht klar ge- worden, sowenig wie die Geschlechtsverhältnisse; man sah nach vorne von der Schlundröhre zwar eine darmartige Zeich- nung, die vollgepfropft von Fetttropfen war, dazwischen schim- merten helle, blasenartige Gebilde durch, die vielleicht zum Geschlechtssystem gehörten. Nach hinten von der Schlund- röhre war ebenfalls ein schlauchartiges Organ, das etwas ent- fernt vom hinteren Körperende auszumünden schien (@). Die Wand desselben zeigte eine granuläre Substanz, die zum Theil zellenartig gruppirt war. — Ich nenne das Thier Monocelis bipunctata. In der genannten Stadt machte ich auch die Bekanntschaft mit einem wenigstens mir neuen Dendrokoelen des süssen Wassers. Das mir gebrachte Waschwasser enthielt regelmässig eine oder mehrere grosse Planarien von einer Gestalt, die von denen mir bekannten der Heimath (Planaria lactea, torva, brunnea, tentaculata) auf den ersten Blick abstach. Das Thier (Fig. 4) war 3-9’ lang, das Kopfende spitz dreieckig, indem es sich zu beiden Seiten in ziemlich lange, tentakelförmige Lappen verbreiterte, die beim Schwimmen nach oben geschla- gen werden. Der Kopf trug zwei Augenflecke, deren eine Hälfte schwarz, die andere weiss war. Das Hinterleibsende ging spitz aus. Die Farbe des Thieres war oben ein mildes Schwarz, das nach dem Rande heller wurde, die untere Fläche war braun. Rücksichtlich des feineren Baues habe ich Folgendes zu bemerken. In der.Haut liegen zahlreiche stäbehenförmige Körperchen, zum Theil in Zellen eingeschlossen; sie harren in Kalilösung aus, bekommen scharfe Conturen und eine gelbe Farbe. Die Haut hat ein sehr entwickeltes Muskelnetz. Im Hinblick auf die histologische Beschaffenheit der Muskeln macht Max Schultze (a. a. O. S. 19) für die Rhabdokoelen nähere Angaben; sie seien blass, nicht quergestreift und häufig ver- 289 zweigt. Bei unserer Planarie sind die Muskeln von derselben Natur, wıe bei vielen anderen Würmern und Weichthieren, mit dem einzigen Unterschied, dass die Primitiveylinder durch- weg einen geringeren Querdurchmesser haben ; ausserdem: be- merkt man dieselbe Stufenfolge in der Sonderung des Primi- tiveylinders, wie in den bezeichneten Thierklassen. Der Pri- mitiveylinder ist entweder rein homogen (Fig. 6 a), oder man sieht eine Scheidung in helle homogen bleibende Rinden- und feinkörnige Axensubstanz (b), weiter hin erkennt man Cylin- der, die eine Art quergestreifter Zeichnung darbieten (ec), in- dem sie aus ineinander geschobenen keilförmigen Stücken be- stehen.. Von dieser dreifachen Beschaffenheit sind die Muskeln des Hautnetzes. Endlieh als letzte Varietät machen sich viele der Primitiveylinder des so muskulösen Schlingorganes bemerk- lich: sie sind vollständig feingekörnelt (d), wie etwa die Herz- muskeln der Acephalen. Aehnlich mögen auch bei den Rhab- dokoelen nach einer Andeutung von Schultze(a.a. O. $.28) die Muskeln des Schlundes sein. Das Schlingorgan, welches, abgetrennt vom Körper, ganz wie bei anderen Planarien sehr beweglich ‘ist und Alles verschluckt, was in die Nähe kommt, wimpert im Innern. Die Tuniea propria des verzweigten Darmes ist nichts selbständiges, sondern die Grenzschieht einer homogenen Bin- desubstanz, die continuirlich und areolär den Körper durch- zieht. Die Zellen des Darmes haben häufig einen dunkelbraunen Inhalt, der bei auffallendem Licht weiss ist, dabei körnig- bröcklig und den Harnconglomeraten mancher anderer wir- belloser Thiere sehr ähnlich sieht. Die zwei Augenflecke nehmen sich bei geringer Vergrösse- rung (Fig.5) so aus, als ob aus dem schwarzen Pigment ein heller Körper hervorrage, allein ein näheres Studium weist nach, dass der weisse Fleck nach aussen von dem schwarzen Pigment bloss davon herrührt, dass an dieser Stelle die Haut vollständig frei von Pigment ist; ein lichtbrechender Körper- mangelt durchaus. Von einem Geschlechtsapparat konnte ich nichts wahr- nehmen, Müllers Archiv, 1854. 13 290 Die hier beschriebene Planarie ist wohl Planaria gonoce- phala, welche Dug&s (Annal. d. seiene. natur. 1830, Pl.’ 2, Fig. 22) im südlichen Frankreich gefunden und benannt hat. (Synonym mag; wohl auch Planaria cornuta Oerstedt sein.) Bis vor kurzem kannte man nur Nemertinen aus dem Meer. Es hat sich indessen jetzt ergeben (vergl. Schultze a.a. O. 8.61), dass unter den von Duges beschriebenen Tur- bellarien eine Nemertine des süssen Wassers enthalten sei, die Tetrastemma lumbricoideum, wie Fr. Müller erkannt hat. Dann entdeckte Schultze eine neue Süsswassernemertine bei sreifswald in einem Teich; eine dritte Art beobachtete Fr. Müller ebenfalls bei Greifswald in einem Torfgraben. Ich habe im November 1847 aus dem Main eine Nemertine kennen gelernt, die im Schmutz an der Unterfläche der Steine lebt und obgleich meine Aufzeichnungen sehr dürftig sind, so mögen sie doch hier eine Stelle finden. Der Strudelwurm (Fig. 7) war von weisser Farbe, vorn etwas schmäler als hinten, die Flimmerhärchen auf der Haut sehr zart, von Augenflecken oder Ohrblasen nichts vorhanden. Der Verdauungskanal beginnt mit einer Mundöffnung am vor- deren Körperende, die in einen schlauchförmigen Schlund («) führt, dieser setzt sich deutlich ab von einem Darm (b), der grade nach hinten läuft und mit einem After zu enden schien. Neben dem Schlund und zugleich mit ihm ausmündend liegt der Rüssel (c); er enthält im vorderen Ende das Stilet (@), nach hinten zu erweitert er sich, 'bleibt aber blind geschlossen und von hier geht ein heller Strang (Muskel?) von ihm weg und, wie es mir vorkam, gegen die Haut hin. Der Rüssel hat innen einen feinen Kanal, der sich im hinteren verbreiter- ten Theil ebenfalls blasig vergrössert. Ueber Geschlechtsorgane und Wassergefässsystem sagen meine Notizen nichts aus. Diese wenigen Mittheilungen und die beigegebene Figur 7 dürften doch zur Rechtfertigung hinreichen, wenn ich den Wurm der von Schultze geschaffenen Gattung Prorhynehus einordne und Pr. Auviatilis nenne, 291 2. Ueber einige Rundwürmer. Im süssen und salzigen Wasser leben zahlreiche kleine Ne- matoden, von denen noch die wenigsten genauer gekannt sein mögen. So beobachtete ich häufig im Main an der Unterfläche der Steine eine Form, die zum Genus Oncholaimus, von Du- jardin aufgestellt, gehören mag, ohne mich überzeugen zu können, dass sie eine der bekannten Spezies ist. Der Rund- wurm hat in der Mundhöhle eine Bewaffnung (Fig. Sa), die aus zwei seitlichen und einer oberen zahnartig gekerbten Leiste besteht. Die Schlundröbre schwillt nach hinten kolbenförmig an (Fig. Sb), darauf verengt sie sich wieder, um zum zwei- tenmal anzuschwellen (e), doch ist diese zweite Abtheilung der Schlundröhre dünnhäntiger als die erste. Etwas hinter der zweiten Erweiterung kommt der Magen. — Die Geschlechter sind getrennt, das Weibchen ist lebendiggebärend; der Penis des Männehens (Fig. 9a) besteht aus zwei zugespitzten und gekrümmten Blättern und ist an der Spitze mit rückwärts ge- richteten Stacheln besetzte. — Die äussere Haut zeigt nicht sehr dicht aufeinander folgende Längsfalten. Der Wurm mag Oncholaimus rivalis heissen. Eine andere der Gattung Oncholaimus zugehörige Art fand ich im Darmkanal von Echinus esculentus. Der Parasit mass 4’ in der Länge, war fadenförmig und vorn und hinten ver- schmälert. Die Mundhöhle am vorderen Leibesende ist bewaff- net, indem die sie auskleidende Chitinhaut in verschiedenen Leisten und Zacken vorspringt. Die darauf folgende Schlund- röhre hat eine beträchtliche Länge, wird nach hinten zu brei- ter, ohne aber eine kugelförmige Anschwellung zu bilden; der daran stossende Darm läuft in grader Richtung nach hinten und endet mit einem After an der Basis des Schwanzes. Was die Struktur des Nabrungskanales betrifft, so ist die Schlund- röhre von einer festen Cutieula ausgekleidet, der unmittelbaren Fortsetzung der Haut, welche in der Mundhöhle die Zähne bildet; die übrige dicke Wand des Schlundes bietet ein eigen- thümliches Aussehen dar: man sieht helle, querverlaufende Stellen, die innerhalb einer blass molekulären Substanz liegen ; 19* 292 im ganz frischen Zustande nehmen sie sich wie Lücken aus, beim allmäligen Absterben des 'Thieres gewiunen sie mehr das Ansehen von Kernen. Vielleicht sind es die Nuclei von Muskeln. Der Darm hat eine braune Farbe, was von .den ihn auskleidenden Zellen herrührt, die dieht mit Körnchen erfüllt sind. — Der Eierstock ist paarig, der eine erstreckt sich nach vorne, der andere nach hinten; jeder Schlauch hat aber das Bemerkenswerthe, dass sein freies Ende wieder eine beträchtliche Strecke zurückgeschlagen ist, so dass das blinde Ende von beiden Eierstocksschläuchen nach der gemeinsamen ungefähr in der Mitte der Leibeslänge angebrachten Geschlechts- öffnung gekehrt erscheint. Im blinden Ende des Eierstockes liegen helle Kerne mit hellem Hof; sie werden zu den Keim- bläschen, die weiterhin mit Punktmasse sich umgeben und li- near sich aufreihen. Das reife Ei ist ziemlich gross und von ovaler Gestalt, es hat eine einfache klare Hülle. Jeder Eier- stocksschlauch erweitert sich nach der Geschlechtsöffnung zu und verbindet sich mit dem anderen zu einem hellen, scharf- eontourirten Organ (Vagina), das in die Genitalöffnung über- geht. — Die äussere Haut ist fein längsgestrichelt. Die Art mag den Namen Oncholaimus Eehini führen. Jüngst hat Berlin „über einen neuen Wurm aus der Gruppe der Anguillulae, Enoplus quadrideniatus,‘“ in Müller’s Archiv f. Anat. und Phys. 1853, Heft IV und V detaillirte Mittheilun- gen gemacht. Ich lasse gleichfalls hier eine Zeichnung und nä- here Angaben über einen Enoplus folgen, da diese Wurmgat- tung doch im Ganzen noch wenig studirt worden ist. Der nachstehende Nematod wurde am Mittelmeer zwischen Algen gefunden. Der Wurm (Fig. 10) ist fadenförmig, 1Y,-2'" lang, das Kopfende breiter als das Schwanzende. Die Cutieula ist stark quergeringelt, besonders am vorderen Drittheil des Körpers und jeder Ring (vergl. Fig. 11) erscheint wieder für sich (ob durch Vertiefungen oder Erhabenheiten?) längsgestrichelt. Der Kopf hat eine querabgestutzte Form, sein vorderer Rand ist wie lippenartig und mit mehreren seichten Einker- bungen;.er zeigt sich besetzt mit feinen blassen Borsten, die 293 ziemlich vereinzelt stehen, Der lippenartige Theil des Kopfes ist hell, sonst hat der Wurm (bei durchfallendem Licht)’ eine leicht bräunliche Färbung. Die Mundhöhle hat innen zwei seitliche gezähnelte Leisten und eine unpaare mittlere, die klei- ner ist (Fig.8a). Die Sehlundröhre («) verbreitert sich nach hinten kolbig, ist diekwandig und quergestreift und in- nen von einer starken Cuticula überzogen. Der Darm ver- läuft gerade nach hinten und mündet an der Schwanzbasis aus; er hat eine braune Farbe von den Zellen, welche ihn ausklei- den und voll von Körnermasse sind. Am Anfang des Oesophagus bemerkt man zwei rothbraune augenähnliche Flecken (Fig. Sb), doch habe ich keinen lichtbrechenden Körper darin gesehen. Berlin hat bei Enoplus quadridentatus einen linsenförmigen Körper wahrgenommen. Der Eierstock (e) des Weibchens verhält sich gerade so, wie er von Oncholaimus beschrieben wurde. Der eine Schlauch geht nach vorne, der andere nach hinten, jeder aber ist an seinem freien Ende umgebogen, so dass die Spitzen von bei- den Eierstocksschläuchen gegen einander gekehrt sind. Die beiden Ovarien vereinigen sich zu einem Uterus, der mit einer ähnlichen Vagina wie bei Oncholaimus auf der Mitte der Kör- perlänge ausmündet. Die Eientwicklung geht ebenso vor sich, wie bei dem genannten Rundwurm, nur ist das reife Ei, wo- von ich immer nur eines jedem Uterus zugehörig erblicke, klei- ner, auch mehr dem Runden‘ sich nähernd. Im gemeinsamen Abschnitt der Geschlechtsdrüsen (Uterus) sah ich auch Haufen von kleinen, bestimmt geformten Körperchen (f), die nichts auderes als durch die Begattung übergeführte Samenelemente sein konnten. Berlin hat bei Enoplus quadridentatus offenbar übersehen, dass das freie Ende des vorderen und hinteren Eierstocks- schlauches nach der Geschlechtsöflnung zu umgeschlagen ist, und giebt daher eine unrichtige Darstellung des Lagerungs- verhältnisses, was ihn aber auch zwingt, irgend eine Vorrich- fung anzunehmen, durch welche ‚‚die vom Uterus entfernten, am meisten entwickelten Bier diesem zugeführt werden“, Dies 294 ist, wie ein Blick auf die Abbildung Fig. 10 lehrt, ganz und gar unnöthig. Das Männchen hat vor dem Schwanzende auf der Rük- kenfläche einige ‚feine Borsten (Fig. 12). Die Form des brau- nen, hornigen Begattungsapparates (Spiculum) ist auf Fig. 125 in natürlicher Lage und in Fig. 135 nach angewendetem Druck zu sehen. Einer besonderen Erwähnung verdient noch das Hinterleibs- ende. Dujardin sagt: queue terminee par une sorte de ven- touse; nach Berlin ist bei ‚Enoplus quadridentatus das Kör- perende bald spitz und bald stumpf, aber es habe immer einen kleinen Anhang, in dessen Mitte zwei Streifen wie ein Röhr- chen verlaufen. Ich finde, dass im Innern des Schwanzes von beiden Geschlechtern drüsige Gebilde liegen (Fig. 10 9, Fig. 12 a), birnförmige Schläuche voll von blasskörniger Sub- stanz; die Schwanzspitze geht in ein deutliches kurzes Röhr- chen aus, welches als Ausführungsgang der Drüsenmasse fun- girt und es wurde mehrmals bemerkt, wie das Thier aus die- sem Röhrchen eine helle, klebrige Substanz hervorspann, wahr- scheinlich um sich damit zu fixiren; denn Berlin hat beob- achtet, dass der Wurm sich mit dem Hinterleibsende fest an das Objektglas heften kann, um den Körper schlängelnd um diesen Punkt herumzuführen. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Stenostomum coluber, Spec.nov. a Schlundröhre, 5 Ma- gen, e Geschlechtsdrüsen (?), d Wasserkanäle, Fig. 2. Derostomum catenula mihi. a Ohr, b Mundöffnung mit Schlund, e Magen. Fig. 3. Monocelis bipunctata, Spec. nov. a Augenflecke, b Ohr- blase, e Schlund, d Genitalöffnung. Fig. 4. Planaria gonocephala Duges, in natürlicher Grösse. Fig, 5. Der Kopf desselben Thieres bei geringer Vergrösserung. Fig. 6. Muskelprimitiveylinder aus der gleichen Planaria, stark vergrössert. Fig. 7. Prorhkynchus fluviatilis Spec. nov., mässig vergrössert. @ Schlund, b Magen, e Rüssel, d Stilet. 295 Fig. 8. Vorderes Ende des Oncholaimus rivalis, Spec. nov. Fig. 9. Hinteres Ende eines männlichen Onch. rivalis. Fig. 10. Enoplus tridentatus Dujardin. a Bewaffnung der Mund- höhle, b Augenflecke, ce Schlund, d Magen und Darm, e Eierstock, f Haufen von Samenkörperchen, g Drüsen im Schwanz, A ausgespon- nener Sekretfaden. Fig. 11. Zwei Ringe der Cuticula, um die Längsstrichelung zu zeigen. Fig. 12. Hinteres Ende eines männlichen Enoplus tridentatus. a Schwanzdrüsen, 5 Spiculum. Fig. 13. Das Spiculum gepresst und stärker vergrössert. [58] =} & Kleinere Mittheilungen zur thierischen Geweblehre. Von Dr. Leyoıe. (Hierzu Tafel XII und XIII.) In den folgenden Zeilen erlaube ich mir, eine Reihe von No- tizen zu veröffentlichen, die ich im Hinblick auf den feineren Bau verschiedener Wirbellosen und Wirbelthiere gesammelt habe. Der geneigte Leser wird gebeten, das Fragmentarische dieser Beobachtungen zu entschuldigen, da zu hoffen ist, dass, was auch vor derHand von geringer oder gar keiner Bedeutung sein mag, mit der Zeit ein Plätzchen in der Wissenschaft fin- den kann. Wenn man einmal im grösseren Massstabe, als es gegenwärtig noch möglich ist, Uebersichten über das Histolo- gische der Thierwelt gewinnen will, wird gewiss auch der kleinste Beitrag nicht zu verschmähen sein. Wirbellose Thiere. Bullaea aperta. Ich hatte mehrere lebende Exemplare aus dem Genueser Hafen vor mir. Das spindellose, eingerollte Gehäuse dieses Mollusken ist bekanntlich dünn und in fri- schem Zustande ganz hell; unter dem Mikroskop sieht es aus, als ob spiessige Cylinder, die in gewissen Schichtungen liegen, dasselbe zusammensetzten; doch ist die Zeichnung etwas ver- wischt. Setzt man Essigsäure zu, so trübt sich das Ganze, dann tritt Gasentwieklung auf, die Contouren der Spiesse ver- schwinden und es bleiben bloss Lamellen einer homogenen Substanz zurück, welche jetzt allein die Schale bilden. Der eigenthümliche Magen wurde von Cuvier beschrie- ben und abgebildet (in den Memoires pour servir A lhistoire 297 et a lanatomie des Mollusques), Es liegen in der Magenwand drei harte Platten, welche ihm eine Form geben, als ob eine fremde Kapsel um den Darm gelegt wäre. Jede der Platten ist 6' lang und am mittelsten Theil 3" breit und hat eine spitzweckähnliche Gestalt. In von Siebold’s vergleichender Anatomie $. 322 werden die Platten ‚‚hornig‘“ genannt, was nieht ganz gebilligt werden kann. Sie sind vielmehr knochen- hart, weiss und von muschligem Bruch. Was ihre Struktur betrifit, so bestehen sie aus regelmässig geschichteten Lagen einer homogenen Substanz, die mit Kalk imprägnirt ist. Letz- tere wird durch Säuren leicht ausgezogen und dann bleiben die strukturlosen Lamellen, wenn auch in blässerer Zeichnung, zu- rück. Da nach den Untersuchungen von Kost (Ueber die Struktur und chemische Zusammensetzung einiger Muschel- schalen, Inauguralabhandlung 1853) die organische Substanz der Schalen aus einem dem Chitin nahe verwandten oder selbst vielleicht identischen Stoff besteht, so möchte ich auch für den organischen Bestandtheil der Kalkplatten des Magens etwas Aehnliehes vermuthen. Die Platten, welche wohl zum Zerreiben der Nahrung die- nen, werden durch Muskeln miteinander verbunden. Letztere sind so beschaffen, wie am übrigen Körper, indem sie aus einer zarten Hülle und einer Innenmasse besteherf, die sich häufig in homogene Rinden- und körnige Marksubstanz ge- schieden zeigt, auch sich gerne bei Druck, Zerrung in unre- gelmässige Stücke bröckelt. Daneben sieht man noch am Ma- gen weissglänzende Bänder, welche die Platten aussen zusam- ınenhalten und sie bestehen aus Bündeln schr feiner, dicht an- einandergelegter Fäserchen. Die Hauptnahrung der Bullaea bilden Foraminiferen, deren Gehäuse ich in grösster Menge im Magen fand, ohne indessen je das Vergnügen zu haben, den Bewohner des Hauses ansich- tig zu werden. Die Spermatozoiden bestehen aus einem sehr langen Faden mit einem kurzen etwas zugespitzten und gekrümmten Kopfende, Venus decussata, DieBewimperung der Kiemen ist nicht 298 von ‚einerlei Art, sondern. man sieht feine Cilien und dieke borstenartige. Die Mundlappen haben’ nur einerlei Flimmer.. härchen , die. allerdings etwas länger sind, als (die feinen der Kiemen, aber ‚keineswegs die Dieke und Länge. der borsten- artigen erreichen. Die Athemröhren (Sipho) flimmern weder aussen noch innen, sondern.die'pigmentirten Cylinderzellen sind von einer homogenen, sich leicht abhebenden Cuticula von. 0,004’ Dicke überzogen. Von Augen, die an der Basis der Tentakeln, welche die Mündungen des Sipho einfassen, angebracht sein sollen‘,.habe ich nichts wahrnehmen können. Rücksichtlich der Struktur der Muskeln bemerke ich, dass man schon mit freiem Auge zweierlei Modifikationen unter- scheidet, glashelle und gelbliche. Erstere, z. B. die Schalen- muskeln, sind klare, homogene Cylinder von platter Gestalt, zwischen ihnen macht sich häufig etwas Körnersubstanz be- merklich; die Muskeln von gelblichem Aussehen bestehen aus Cylindern, welche in ihrer ganzen Dicke gekörnelt sind, von dieser Art sind z. B. die Muskeln des Herzens. Die Entwicklung der Samenkörperchen der Blattkie- mer geschieht, wie Leukart (Artikel ‚„,Zeugung‘‘ im Hand- wörterbuch der Physiolog. S. 835) bei Cyclas gesehen hat , aus kleinen Samenzellen, die durch Tochterzellenbildung in grös- seren Keimzellen ihren Ursprung nehmen und nach dem Schwin- den derselben frei werden. Auch v. Hessling, der in neu- ster Zeit die Entwicklung der Samenelemente der Najaden einer besonderen Prüfung unterzogen hat (Einige Bemerkun- gen zu des Hrn. Dr. Keber Abhandlung: ‚über den Ein- tritt der Samenzellen in das Ei“. Zeitschrift f. wissenschaftl. Zoologie 1854), weist nach, dass die Samenfäden in Bläschen entstehen, die zu 20-30 in einer grösseren Blase der Cyste liegen. Untersucht man den Hoden von Venus decussata (im September), so sieht man zunächst der Tunica propria dicht gedrängte kleine Körperchen von einerlei Grösse, die wegen ihrer Kleinheit nichts von einer weiteren Zusammensetzung er- kennen lassen (vergl. Fig. 12). Da man nun unmittelbar an sie 299 anschliessend die Spermatozoiden in regelmässiger Gruppirung erblickt, so möchte man bezweifeln, ob das für die Entwicke- lung derselben aufgestellte Schema eine allgemeine Geltung beanspruchen darf. Die Spermatozoiden scheinen vielmehr hier durch unmittelbares Auswachsen der ‘Körner hervorzugehen; doch liesse sich auch denken, dass zu einer anderen Jahres- zeit Bildungen gefunden werden, die sich an die von Cyelas und den Najaden anreihen. Die Samenkörperchen ‚ welche einen querabgeschnittenen birnförmigen Kopf haben (Fig. 13), liegen im Hoden in wurstförmigen Massen beisammen, die radiär zum Follikel gestellt sind und wobei die Schwanzfäden alle nur nach einer Richtung gekehrt sich zeigen. Eier von Seemuscheln sind noch wenige näher beschrieben worden, Loven hat die von Cardium und Modiolaria, Quatre- fages die von Teredo geschildert. Da diese Gebilde im gegen- wärtigen Augenblick sich des besonderen Interesses der Natur- forscher zu erfreuen haben, so will ich mich auf die Eier der Venus decussata etwas einlassen. Die reifen Eierstockseier (Fig. 10) sind farblos und mehr oder weniger von keulenförmiger Gestalt. Der Dotter, wel- cher aus scharfeontourirten Molekülen und einem homogenen Bindemittel besteht, zeigt das Keimbläschen excentrisch ein- gebettet. Das letztere, welches einen einzigen rundlichen Keim- fleck hat, scheint immer zunächst dem verschmächtigten Theil des Eies zu liegen. Die Dotterhaut hat einen flaschenförmigen Umriss und stellt eine feste Membran dar, die’ sich nach dem Austreiben des Dotters in scharfe Falten legt (Fig. 10). Sie ist an dem verjüngten Theil des Eies offen. Um die Dotter- haut vollständig herum schlägt sich eine dicke helle Eiweiss- schicht, deren Grenze nach aussen zwar gut sichtbar ist, aber keine scharfe Contour hat. Vergleicht man mit diesem Verhalten der reifen Eier die unentwiekelten Formen der Bierstocksovula (Kig. 11), so klärt sich die Beziehung der Theile zu einander auf. Man sieht in der granulären Matrix oder Stroma des Eierstockes helle Bläs- chen mit einem Kern, die späteren Keimbläschen; indem diese wachsen und von körniger Substanz (Dotter) umlagert werden, 300 treiben sie einen homogenen Hof, der an der Grenze sich hautartig verdichtet, erst buckelförmig, dann beerenartig vor, bis das halbreife Ei mit einem stielartigen Anhang dem Eier- stock 'ansitzt. Die Haut wird Dottermembran. Während des Wachsthums des Eies hat sich um die Dotterhaut eine Eiweiss- schicht abgesetzt, die immer mehr zunimmt und wohl auch zuletzt bewirken mag, dass am halsartigen Theil des Eies die Dotterhaut sich vom Eierstock abschnürt und damit das vorhin erwähnte Loch erhält. Diese Beobachtungen wurden gemacht, ehe ‚die wichtigen Mittheilungen Meissners (Beiträge zur Anatomie und Phy- siologie von Mermis albicans, Zeitschr. f. wissenschaftl. Zool. 1853) über die erste Bildung der Eier zur Kenntniss kamen. Meissner hat gefunden, dass mehrere Eier ihre Entstehung aus einer und derselben Eikeimzelle nehmen, indem diese Aus- treibungen bildet, in denen Abkömmlinge des Kerns der Ei- keimzelle liegen. Die Austreibungen — die primitiven Eier — schnüren sich von der gemeinschaftlichen Keimzelle halsartig ab und nach der Ablösung haben sie an dieser Stelle eine Oeffnung. Später erhalten sie eine Biweissschicht umgebildet und zuletzt noch eine äussere Haut. Die Aehnlichkeit in der Entwicklung der Eier von Mermis und von Venus ist eine unverkennbare. Es ist gewiss, dass bei beiden Thieren die Dotterhaut den Eikanal (die Oeffnuung des halsartig verschmälerten 'Theiles)) bildet, das Eiweiss legt sich später herum und es zeigt sich bei den genannten (e- schöpfen nur die Abweichung, dass in Mermis um die Eiweiss- hülle noch eine äussere Haut sich abgrenzt, während bei Venus solches nicht der Fall ist. Es wäre möglich, dass auch bei der bezeichneten Muschel die Dotterhaut die Ausstülpung einer Keimzelle ist, die mehreren Eiern zugleich den Ursprung giebt, um so mehr, als v. Hessling vor kurzem gezeigt hat, dass auch bei der Entstehung der Eier von Najaden das Keimbläs- chen ein getheilter Kern von Zellen ist, welche die Ovarial- läppchen anfüllen. Die weiteren Entwicklungsvorgänge, wie sie Leukart (a.a. O.), Bischoff (Widerlegung des von Dr. Keber bei den Najaden und von Dr. Nelson bei den 301 Askariden behaupteten Eindringens der Spermatozoiden in das Ei), und v. Hessling (a.a. ©.) beschreiben, stimmen im Wesentlichen mit dem, was von Venus decussäta gesagt wurde, überein; alle diese Forscher melden auch gleichmässig , ‚dass der Eikanal (die sogenannte Mikropyle Kebers) durch Aus- ziehen und Abschnüren der Dotterhaut zu Wege kommt. Nur erhält sich zwischen den Eiern der Najaden und denen der Venus der Unterschied, dass bei letzteren das Eiweiss ausser- halb der Dotterhaut abgesetzt ist, bei Anadonta und Unio aber innerhalb derselben. (Vergl. über diesen Gegenstand noch un- ten das Ei von Holothuria tubulosa und Trigla hirundo). Lithodomus lithophagus. v.Siebold erwähnte zuerst (Lehr- buch der vergleichenden Anatomie 8.278, Anmerkung 18), dass die Kiemen des voranstehenden Acephalen gleich denen von Mytilus, Spondylus, Peeten, Arca, Pectuneulus, Avicularia wohl im äusseren Umrisse ganze Blätter darstellen, aber eigentlich aus einer Menge dicht und lose nebeneinander gereihter band- förmiger Fäden bestehen. Ich kann dieses bestätigen und noch einige nähere Angaben beibringen. Die einzelnen Fäden, welche die Kiemen zusammensetzen , haben von Stelle zu Stelle pol- sterförmige Ansätze, welche in parallelen Zügen über die gan- zen Kiemenblätter sich erstrecken, und durch diese erscheinen die Fäden allein miteinander verbunden, ausserdem sind sie frei. Die Bewimpierung der Kiemenfäden ist eine eigenthüm- liche, Auf der äusseren Seite besitzt jeder Faden drei Reihen der gewöhnlichen starken (0,0160'’ langen) Wimpern, die eine deutliche hakenförmige Bewegung zeigen. Betrachtet man das freie abgerundete Ende des Kiemenfadens, so ragen aus die- sen Wimpern einzelne Cilienbüschel hervor, welche noch ein- mal so lang als die ersten sind. Dagegen sieht man die er- wähnten Polster der Kiemenfäden bloss mit äusserst feinen Flim- merhärchen besetzt, die etwa nur ein Drittel der die äussere Fläche überkleidenden messen. Endlich auf der Rückseite der Kiemenfäden stehen vereinzelte, langsam sehlagende Wimpern von kolossuler Grösse oder eigentlich Borsten, welche die in drei Reihen gestellten der Vorderfläche um das 6- Tfache an Länge übertreffen, 302 Die Beschaffenheit der äusseren Haut des Sipho ist für unsere gang und gäben Vorstellungen über die Beziehung, der Flimmereilien zu den Zellen etwas unbequem. Man nimmt wahr, dass im frischen Zustande eine dieke, helle Cuticula mit klaren Wimpern die Grenze des genannten Organes bildet. Nach anderwärts gemachten Erfahrungen liess sich vermuthen, dass die Cutieula nur scheinbar eine selbständige Haut sei und dass sie nach Zusatz von Reagentien sich zusammenge- setzt zeigen werde aus dem freien homogenen verdiekten Ende der einzelnen Flimmerzellen. Bei Zusatz von Kalilauge aber hob sie sich als wirkliche glashelle Membran , die Flimmer- härchen tragend, in grosser Ausdehnung ab. Mir scheint die Sache so erklärt werden zu müssen, dass man annimmt: die verdickte helle Schicht, welche bei Wirbelthieren und Wirbel- losen häufig die Oylinder- und Flimmerzellen auszeichnet und durch die regelmässige Aneinanderlagerung der Zellen nicht selten eine homogene Haut, eine Cuticula oder im Innern des Körpers eine Tunica intima nachahmt, kann wirklich an den einzelnen Zellen miteinander verwachsen, so dass nach Ein- wirkung von Reagentien ein selbständiges hautartiges Gebilde isolirt werden kann. Bis jetzt fehlen noch immer genauere Angaben über die histologische Beschaffenheit der bei den Muscheln den Byssus absondernden Wandungen. Nach A. Müller (de Bysso acephalorum. Diss. inaug. Berol. 1336) sind wirkliche, rund- liche Drüsenaeini vorhanden, Joh. Müller konnte an 7ri- dacna, Rud. Wagner an Arca und Pinna nichts Drüsiges wahrnehmen. v. Siebold (a.a. ©.) sagt zwar, dass die Wan- dungen, von denen die Byssusabsonderung ausgehe, ein drü- senartiges Ansehen haben, setzt aber in einer Note hinzu, dass ihm die wahre Beschaffenheit nicht klar geworden sei. Die einzelnen Muschelarten scheinen in diesem Punkte von einander abzuweichen, denn während ich mich erinnere, früher in Triest bei Arca und Pinna vergeblich nach Drüsen gesucht zu ha- ben, erblicke ich bei Zithodomus zweifellose Drüsen an dieser Stelle. An dem sehr verschmächtigten zungenförmigen Fuss (Fig. 14) stechen im frischen Zustande sehr lebhaft zwei weisse 303 eylindrische Streifen (a) ab, welche die Byssusfurche beider- seits begrenzen. Mikroskopisch untersucht bestehen die weissen Massen lediglich ‘aus exquisiten Drüsen (Fig. 15); diese sind schlauchförmig, doch nicht einfach, sondern das blinde Ende erweitert sich zu mehreren grösseren und kleineren Ausbuch- tungen. Die Drüsen sind so gelagert, dass von beiden Seiten die Ausführungsgänge in einer Medianfurche zusammentreffen, an deren freiem Ende der Byssus hervorragt. Was die feinere Struktur der Drüsen anlangt, so haben sie eine homogene Haut (sogenannte Tunica propria) und ihr Inneres ist dicht er- füllt mit Molekularmasse, aus welcher rundliche, helle Kerne hervorsehen. Der Byssus selber besteht aus homogenen horn- artig erscheinenden Lamellen, die nach Leukart zu den Chi- tingebilden gehören. Sepiola. Loligo, Von beiden Cephalopoden habe ich die Beschaffenheit des Bindegewebes mir näher ins Auge ge- fasst und sehe, dass es im frischen Zustande nahezu den Cha- rakter des Bindegewebes der Wirbelthiere hat, doch erscheint die gelockte Zeiehnung etwas steifer gehalten. Bei längerer Beschäftigung mit dem Gegenstande kommt man zur Ansicht. dass auch hier das Bindegewebe aus homogenen Lamellen be- steht, die sich leicht falten und kräuseln und dadurch schein- bare Faserzüge hervorrufen. Nach Einwirkung von Kalilauge treten spindelförmige und verästelte Streifen auf, die an Binde- gewebskörperchen und feine elastische Fasern erinnern, jedoch blässer sind als die entsprechenden Gebilde im Bindegewebe der Säugethiere. Die Muskeln schliessen sich im Bau eng an die der übri- gen Mollusken an. Die Elementartheile sind auch hier Primi- tiveylinder von verschiedener Dieke nach den einzelnen Loka- litäten. Die feinsten sind rein homogen, in den dickeren er- scheint eine Sonderung in Rinde- und Marksubstanz (Fig. 18a,b), erstere bleibt homogen, letztere wird körnig. Jene Muskeln, welche, wie z. B. am Schlundkopf, ein für das freie Auge mehr gelbliches Aussehen haben, sind aus Cylindern zusam- mengesetzt, deren Axensubstanz dicht aneinander liegende Körnchen zeigt und diese sind mitunter so regelmässig gela- 304 gert, dass man lebhaft an Querstreifung erinnert ‘wird und wie H. Müller (Zeitschr. f. wissenschaft. Zoolog. 1853, S.345) gefunden hat, in den Kiemenherzen sind genuin quergestreifte Muskeln daraus geworden. Die Kerne der Zellen, aus denen die Primitiveylinder hervorgegangen sind, bleiben da und dort noch sichtbar. Von den stärkeren Primitiveylindern lässt sich eine zarte Hülle abheben, die im leeren Zustande sich in feine Längsfalten legt. ; Was die Blutgefässe der Cephalopoden anlangt , so war bekanntlich durch die Darstellungen, welche MilneEdwards und Valenciennes über das Circulationssystem der Tinten- fische gegeben hatten, die Existenz von Capillargefässen sehr in Frage gestellt worden, während doch Kölliker in seiner Entwicklungsgeschichte der Cephalopoden aussagt, dass er in den Embryonen von Sepia die Capillargefässe schon in Menge gesehen habe. Alle Naturforscher, welche seitdem an diesen Thieren mikroskopische Studien anstellten, bestätigen die An- wesenheit der Capillaren; so sah v. Hessling (histologische Beiträge zur Lehre von der Harnabsonderung, 1851) „zahl- reiche anastomosirende Capillargefässe‘“ in den sogenannten Kiemenherzen; H. Müller (a. a. O.) ‚in sehr vielen Körper- theilen ‘‘; auch sagt, was ihren Bau angeht, schon v. Hess- ling, dass sie „nur eine strukturlose Membran mit wand- ständigen, abwechselnden ovalen Kernen besitzen “‘; ebenso sind sie nach H. Müller ‚‚denen der höheren Thiere entspre- chend gebaut‘. Ich habe mich von der Richtigkeit dieser An- gaben überzeugt, indem ich Capillaren aus den Muskeln, vom Hoden, vom Auge, vom Sehnerven, von der äusseren Haut etc. vor mir hatte. Die feinsten boten einen Durchmesser von 0,004 bis 0,006’, die stärksten massen 0,0200’, bestanden jedoch immer aus einer einzigen homogenen Haut und länglichen, von Stelle zu Stelle angebrachten und oft etwas buckelförmig ins Innere vorspringenden Kernen (Fig. 16). Complizirter ist der Bau der Arterien. Sie bestehen aus einer homogenen, verhältnissmässig scharf contourirten Innen- haut, die der Tunica elastica der höheren Thiere entspricht, sich ebenso gerne in Längsfalten legt und damit wie diese ein 305 oft scheinbar längsfaseriges Aussehen hat (F. 17a). Ein sie etwa überkleidendes Epitel konnte ich nicht wahrnehmen. Nach aussen von dieser Haut liegen Ringmuskeln (b), die an den feinen Arterien, weil sehr zart contourirt, schwieriger zu erblicken sind, an den stärkern Gefässen aber, z. B. an der Aortä eines '/, Fuss langen Loligo eine 0,0200” dieke Schicht bilden. Sie besteht aus Primitiveylindern, wie sie vorher be- schrieben wurden. Die dritte Haut ist die Tunica adventitia (ce), welche von der Zeichnung des gewöhnlichen Bindegewebes ist. Was mir aber sehr auffällt ist, dass diese Haut gewöhn- lich so weit von der Ringmuskelschicht absteht, dass das Bild vielmehr sich so ausnimmt, als ob das aus der Tunica elastica und der Tunica museularis zusammengesetzte Gefäss inner- halb eines andren, dünnhäutigen Gefässes liege und wenn man sich entsinnt, dass schon früher Erdl (Wiegmanns Ar- chiv 1843) Angaben gemacht, wonach die Blutgefässe der Ce- phalopoden innerhalb von Lymphgefässen verlaufen, so er- scheint es wohl gerechtfertigt, wenn auf diesen Punkt von neuem die Aufmerksamkeit gerichtet würde. Ich erlaube mir dazu in Erinnerung zu bringen, dass bei Fischen und Reptilien ein derartiges Lagerungsverhältniss ausser allem Zweifel be- steht, und worauf verschiedene Beobachtungen hindeuten, wahrscheinlich auch bei den höheren Wirbelthieren an gewissen Stellen vorkommen dürfte. In den Kiemenherzen wurden die Muskeln von v. Sie- bold, Frey und Leukart in Abrede gestellt. Ich kann in- dessen die Mittheilung von Hessling’s, dass hier Muskeln vorhanden seien, bestätigen, nachdem schon vorher J. Mül- ler die lebhaften Pulsationen der Kiemenherzen währenddes Lebens gesehen hat. Es bestehen diese Organe aus einem Maschenwerk von Muskeln und dazwischen aus schönen Zel- len, die drüsenartig gruppirt sind. Holothuria tubulosa. Die äussere lederartige Haut zeigt als hauptsächlich con- stituirende Elemente sehr feine gelbliche Fasern, welche in Bündeln geordnet nach den verschiedensten Richtungen sich durchflechten. Eingestreut sind zahlreiche Kalkkörperchen, von Müller’ Archiv. 1854. 20 306 denen ich einige in Fig. 21 abgebildet habe. Im Allgemeinen sind es runde oder ovale radähnliche Gebilde, andre haben eine mehr länglich - viereckige oder auch unregelmässige Ge- stalt, ein- oder mehrfach durchbohrt, wieder andre sind ganz solid. Die Mehrzahl ist 0,0200” gross. — Koren hat (Frorieps neue Notizen Bd. 35) die Kalkkörperchen aus der Haut von Thyone fusus abgebildet. Die Ambulakralröh- ren flimmern nur innen, wo helle Körperchen dadurch herum- getrieben werden. h Auch die sogenannten „Speichelorgane“, deren Wand, wie schon Jäger, R. Wagner und Krohn beobachtet ha- ben, durch ein eingewebtes dichtes Kalknetz weiss aussieht, haben innen ein sehr zartes Flimmerepitel. Die Muskeln sind histologisch betrachtet entweder rein homogene Cylinder, von zarter Hülle umgeben, oder der er- stere hat sich in keilartige Stücke gesondert (Fig. 18e), die dicht ineinander geschoben das Bild einem quergestreiften Muskeln sehr annähern können. Ein Gegenstand von wiederholter Erörterung ist in neuerer Zeit das Holothurien-Ei gewesen. Bekanntlich entdeckte Joh. Müller bei den Eiern verschiedener dieser Familie an- gehöriger Thiere in der dicken Eihaut einen Canal, den auch schon Rud. Wag. (Icones zootom. Tab. XXII. Fig. XII) ne- benbei gesehen hatte. In den Eiern von Sternaspis thalasse- moides hat Max Müller (Observationes anatomicae de vermi- bus quibusdam maritimis. Berol. 1852) einen Kanal in der Ei- hülle aufgefunden. Jüngst wurde das Ei der Holothuria tubu- losa von Leukart näher untersucht und beschrieben in dem Zusatz zu der Schrift von Bischoff: Widerlegung des von Dr. Keber bei den Najaden und von Dr. Nelson bei den Askariden behaupteten Eindringens der Spermatozoiden in.das Ei, Giessen 1354. Im September des vorigen Jahres (1853) besah ich mir von derselben Holothurienspezies dieEier etwas genauer, und will hier mittheilen, wie sich mir die Sache dar- stellte. (Vergl. Fig. 7, 3, 9). Joh. Müller glaubt sich überzeugt zu haben, dass ausser der Eihülle, welche den Eikanal bildet, noch eine innere Ei- 307 haut vorhanden sei, welche mit dem Kanal nichts zu thun habe und unter ihm sphärisch abgeschlossen sei. Nach Leu- kart dringt der Eikanal bis zur Dottersubstanz selbst; in die- sem Punkte muss ich Leukart unbedingt beistimmen, der Dotter besitzt ausser der den Kanal bildenden Haut keine weitereDottermembran. Was hingegen dieDeutung der dieken radiirten Eihaut angeht, so weichen meine Beobachtungen nicht wenig von denen des zuletzt genannten Forschers ab. Leukart spricht die ganze dicke, den Eikanal bildende Haut einfach als Dotterhaut an und die auf dieser Haut liegenden Kerne hält er für buckelförmige Hervorragungen , die bei ge- wissen Einstellungen des Fokus mit aufliegenden Kernen einige Aehnlichkeit besitzen. Hiergegen hat sich schon Joh. Müller erklärt (dessen Archiv 1854 S. 66), indem er sich auf die ra- dienförmigen Absonderungen in dieser Schicht und auf die Beobachtungen Derb&s über die Eihaut der Seeigeleier beruft und auch die Erklärung Leukarts über die Kerne will ihn nicht befriedigen. Nach dem, was ich sehe, besteht die Ei- hülle aus drei differenten Lagen (Fig. S), die innerste (ec) ist die Dotterhaut und begrenzt den Eikanal, die zweite (b) ist eine dicke Eiweissschicht auf der Dotterhaut und als äusserste (@) geht um die Eiweissmasse noch eine besondre mit Kernen versehene Haut. Ueber die Bedeutung dieser Schichten lässt sich, wie ich glaube, aus der Entwickelung des Eies ein Verständniss ab- nehmen. Ich sah darüber (vergl. Fig. 7) folgendes. Die Innen- fläche des Eierstockschlauches, welcher aussen eine Ringmus- kulatur besitzt, auch sich nach Zusatz von süssem Wasser eirculär einschnürt, hat eine weiche, homogene Substanzlage, in der Molekularkörperchen eingebettet sind und die Grenz- schicht dieser Matrix nach dem Lumen des Eierstockschlau- ches hin zeigt zahlreiche, kernartige Gebilde von 0,002 - 0,004" Grösse, auch glaube ich Büschel feiner Cilien hier gesehen zu haben. Das erste, was vom zukünftigen Ei unterschieden wer- den kann, ist, wie Leukart auch aussagt, das Keimbläs- chen, und zwar erblickt man dasselbe im Anfang als homo- genen kernartigen Körper in bezeichneter Matrix, die Kerne 20* 308 wachsen und differenziren sich in der Weise, dass sie von aussen nach innen zu sich verflüssigen, bläschenartig werdenund nur ein Rest des ursprünglichen Solidgewesenseins bleibt als Keimfleck übrig’). Um das Keimbläschen markirt sich ein Hof mit Molekularkörnchen , welcher zum Dotter wird. Unter Ver- grösserung des Keimbläschens und des umhüllenden Dotters wird die mit Kernen versehene Innenhaut des Eierstocksschlau- ches buckelartig vorgetrieben, dieEierknospentretenin das Lumen desselben und zwar in Längsreihen vor. Betrachtet man daher einen solchen in den Innenraum des Eischlauches hineinragen- den Buckel, so besteht er aus einer homogenen Haut mit Ker- nen und hat innen das Keimbläschen vom Dotter umhüllt, die mit Kernen versehene sonst strukturlose Hülle ist dieselbe, welche am reifen Ei die äusserste Lage bildet und demnach die Bedeutung einer Capsel- oder Follikelhaut hat, zwischen ihr und dem Dotter setzt sich im Eierstocksei nach und nach Eiweiss ab, welches letztere an der dem Dotter zunächst lie- genden Schicht sich membranartig consolidirt und die eigent- liche Dotterhaut formt, genau genommen aber nur die innerste festere Lage der Eiweisschicht ist. Es gelang mir öfter reife Eier zu sehen, an denen die mit Kernen versehene äussere Haut abgestreift war und wo dann die radiirte Eiweisshülle nach aussen kaum eine Grenze oder wenigstens nur ganz ver- waschen erkennen liess. Mit Recht bezieht sich Joh. Müller in seiner Argumen- tation gegen die einfache Natur der Eihülle am Holothurienei auf die Eier der Seeigel. Diese haben, wie ich mich durch ei- gene Anschauung überzeugt habe, ebenfalls eine Eiweiss- schicht, eine von Derbe&s couche mucilagineuse (Annal. de sc, nat. 1347) genannte dieke, durchsichtige Haut, sie ist gleich der desHolothurieneies an ihrer den Dotter zunächst umschlies- senden Lage zu einer besonderen Dotterhaut verdichtet. Ich kann es nur bestätigen, wenn Joh. Müller weiter anführt, 1) Der Keimfleck des fertigen Eies ist bedeutend schärfer conton- rirt als das Keimbläschen, fast fettartig und zeigt ein oder mehrere Cavitäten. 309 dass die dicke, schleimige Schicht um das Ei der Seeigel voll- kommen der vom Ei der Holothurie gleicht mit der einzigen Ausnahme, dass die radialen Absonderungen fehlen. Eine Mikropyle ist beim Seeigelei nicht vorhanden. Aus dem Voranstehenden erhellt, dass der Eikanal des Holothurieneies, wie bei Mermis, den Najaden und Venus durch Abschnürung entsteht, er ist, wie Joh. Müller von Anfang an vermuthete, ein Stigma, das Zeichen einer frühe- ren Befestigung. Echinus esculentus, Forscht mau danach, ob die äussere, nicht verkalkte Haut- partie von einer Cutikula begrenzt werde, so glaubt man bei der Untersuchung z. B. der Haut um den Mund eine wirk- liche 0,02"' dieke homogene Grenzschicht zu erblicken, zuge- setzte Essigsäure bewirkt aber, dass die scheinbar homogene Cutikula alsbald eine zellige Zeichnung annimmt, und obschon läugre Zeit noch ein schmaler heller Saum jenseits dersel- ben bestehen bleibt, so schwindet dieser doch zuletzt eben- falls und nur Zellen formen die äusserste Contour der Haut. Die Pedicellarien fliimmern zum Theil auf ihrer äusseren Fläche, Die Muskulatur des Körpers besteht aus Cylindern, die verschieden dick sind und auch nach ihrem feineren Bau von einander abweichen. Die Mehrzahl derselben ist. homogen (Fig. 184), umgeben von zarter Hülle, letztere wird mitunter dann besonders klar, wenn Essigsäure die eigentliche contrak- tile Substanz körnig getrübt hat. Ferner sieht man vorzüglich am Kauapparat Muskeleylinder, die aus lauter keilförmigen Stücken von ziemlicher Grösse, die quer gegeneinander ge- schoben sind (Fig.180), bestehen. Ausserdem kommen auch Muskeleylinder vor, die zunächst der Hülle keilförmige Stücke haben, in ihrer Achse aber ein Bündel sehr feiner blasser Fa- sern einschliessen, und endlich trifft man auch solche Cylinder, die nur aus zarter Hülle und den eben beregten Fibrillen zu- sammengesetzt sind. Man hört häufig den Satz aussprechen, dass bei den Wir- bellosen kaum ein Bindegewebe vorkomme, das sich mor- 310 phologisch dem der Wirbelthiere gleich verhält. Für unsren Echinus muss ich das Gegentheil behaupten. Besieht man sich z. B. das Mesenterium (des Darmes, oder die Bänder des Kau- apparates, so zeigt sich dasselbe für das freie Auge milch- weiss (die Muskulatur ist gallerthell); mikroskopisch bietet sich dasselbe Bild dar, wie man es vom Bindegewebe der Wirbelthiere kennt: scheinbare, feine Fibrillen setzen es zu- sammen, indem sie in lockigem oder welligem Verlauf parallel nebeneinander herziehen (Fig. 19). Auch Valentin (L’anato- mie du genre .Echinus 1842 p. 72) sagt schon von den Bändern der Laterne: les filets primitifs du ligament affeetent les memes ondulations charaeteristiques qui les distinguent aussi dans les animaux superieurs. Das Fibrilläre beziehe ich auf Falten und Schichten. Bringt man Essigsäure hinzu, so erfolgt im ersten Moment Trübung, dann hellt sich das Gewebe unter Quellung auf. Aehnlich, nur rascher und eindringlicher ist die Wirkung von Kalilauge. Betrachtet man jetzt (Fig. 20) das Bindegewebe, so ist die Analogie mit dem der Wirbelthiere ebenso unbezweifelbar, denn inmitten einer ganz homogenen, äusserst pelluziden Grundsubstanz erkennt man Bindegewebs- körperchen unter der Form einfacher, spindelförmiger, schma- ler. Lücken. Sie messen meist 0,0200" in der Länge, aber nur 0,002” in der Breite und zeigen meist noch etwas Punktmasse im Innern. Nach Valentin (a. a. O. p.79) ist der ganze Darm- kanal von Eckinus mit einem Flimmerepitel ausgekleidet. Ich sehe Cilien in dem innerhalb der Laterne liegenden Theil des Munddarmes, kann aber von der zottig-faltigen Innenhaut des Schlundes versichern, dass die mit bräunlichem Farbstoff ge- füllten, Epitelzellen keine Wimperhaare tragen, der übrige Traktus aber scheint bis zum After zu wimpern. Die Cilien sind im Darm sehr zart. Am ganzen Traktus erscheinen nicht bloss die Epitelzellen mit einem gelbbräunlichen Körnerinhalt versehen, sondern auch die Muskeleylinder, welche hier weit schmächtiger als etwa am Kauapparat sind, haben im Innern einige dieser Körner. — Befeuchtung mit süssem Wasser hebt die Thätigkeit der Flimmerhärchen fast augenblicklich auf. 311 Bezüglich der so schwierigen Frage nach dem Blut- und Wassergefässsystem verweise ich auf die wichtige Arbeit von Joh. Müller: anatomische Studien über die Echinodermen, dess. Arch. 1350. Ich habe nur. einzelne Theile mikroskopirt. Das stark braun pigmentirte Herz hat eine ähnliche Muskulatur, wie das Herz der Mollusken, die Primitiveylinder zeigen eine zarte Hülle und einen körnig-bröckligen Inhalt, der auch an einzelnen Stellen deutlich aus kleinen keilförmigen und inein- ander geschobenen Stücken besteht. Zwischen den Muskeln liegt eine Masse brauner Körnerklumpen. Betrachtet man den freien Rand des Herzens, so sieht man Flimmerbewegung, aber wie ein weiteres Nachforschen ausweist, der Wimperbe- satz gehört einer aus einer homogenen Haut bestehenden Um- hüllung, einer Art Herzbeutel an. Da ich aber zwischen die- ser Hülle und der Aussenfläche des Herzens dieselben hellen Körperehen in einem klaren Fluidum treiben sehe, wie sie sich in den Blutgefässen finden, so mag wohl eine andre Be- ziehung zwischen der flimmernden Hülle und dem Herzen be- stehen. Valentin sagt bloss, dass das Herz umgeben sei „par la double lamelle du mesentere“. Die Ambulakralbläschen (innere Kiemen, Valentin) sind nach Joh. Müller ‚‚lediglich Appertinenzien des Was- sergefässsystemes zur Schwellung der Füsschen“. Was den feineren Bau angeht, so haben sie sowohl auf ihrer äusseren als auch inneren Fläche, wie schon Valentin angiebt, ein zartes Flimmerepitel, die Zellen sind klein und rundlich. Zwi- schen den beiden Zellenlagen bildet eine Muskelhaut die ei- gentliche Wand der Säckchen; die Primitiveylinder gehören zu den schmalen , indem sie 0,004— 0,006’ in der Breite mes- sen und verlaufen in leichten Bogen um das Säckchen, unge- fähr wie es Valentin auf Tab. VIII. Fig. 140 dargestellt hat. Da und dort liegen zerstreut rothbraue Pigmenthäufchen und hackenförmige Kalkkörper (finden sich auch in andren Orga- nen). Die Ambulakralbläschen besitzen aber noch eine zweite Muskulatur, die etwas schwieriger zu erkennen ist. Der In- nenraum der Säckehen wird nämlich von Muskelbündeln durch- zogen , die wie Seile durchgespannt sind , sich auch wohl netz- 312 artig verbinden und so eine Art Trabekulargewebe herstellen. So lange man die Muskelbündel bloss am Ansatzpunkt oder auch auf dem scheinbaren Querschnitt sieht, so haben sie ein etwas fremdartiges Aussehen, da die Contouren der einzelnen Primitiveylinder auf dem Querschnitt eher das Bild eines aus klaren Zellen bestehenden Haufens hervorrufen. Durch gehöri- ges Verändern der Fokaldistanz klärt sich indessen die Sache auf, Die Flüssigkeit im Hohlraum enthält eigenthümlich ge- formte Theile: es sind aus hellen Bläschen bestehende unregel- mässige Ballen, die ein andres Bläschen mit scharfcontourirtem Nucleolus gewissermaassen zum Centrum haben. Die Angabe von Krohn, dass die besagten Organe ein deutliches Gefässnetz enthalten sollen, muss ich als irrthüm- lich bezeichnen. Darf ich etwa die Vermuthung aussprechen, dass dieser Forscher vielleicht die Falten, welche an einem ausgeschnittenen Säckchen, besonders bei Nichtgebrauch eines Deckgläschens sehr auffallend sind, für Gefässe genommen hat? Die Flüssigkeit, welche im Leibesraum die Eingeweide umspült, muss ebenfalls zum Wassergefässsystem gerechnet werden, wenigstens enthält sie dieselben Elemente, wie die Flüssigkeit der Ambulakralsäckchen, und dann ist der Leibes- raum fast allenthalben mit Flimmern besetzt; ich sehe die Me- senterien wimpern, ferner die Aussenfläche des Darmes, des Herzens, die äussere Fläche des längs des Darmes laufen- den Blutgefässes, auch der Eierstock wimpert aussen und nicht minder als die Aussenfläche der Ambulakralsäckchen ist auch die äussert zarte Haut, welche Interambulakralplatten überzieht, mit Cilien besetzt. Ein Querschnitt durch die Madreporenplatte gemacht lässt sehen, dass die vom Kalkskelet frei gebliebenen Maschen- räume dicht mit hellen, farblosen, kleinen Kernen erfüllt sind. Die Eier des Echinus haben, wie das oben bereits hervor- gehoben wurde, ausser der Dotterhaut eine dieke Schicht Ei- weiss um letztere, welche Valentin übersehen, Derbes hingegen richtig wahrgenommen hat. Ich möchte hierauf be- züglich noch anfügen, dass durch dieselbe die vom Thier ab- gegangenen Eier sich so mit einander verkleben, wie man es 313 beim Laich gewisser Fischgattungen sieht: ein Ei hängt mit den umliegenden an gewöhnlich fünf Berührungspunkten zusammen. Die Dotterhaut ist um vieles schärfer contourirt als die Eiweisshülle, ‚Serpula. Bis vor Kurzem konnte es als allgemeiner Charakter der Anneliden gelten, dass die äussere Haut derselben nicht wimpere. Die erste entgegenstehende Beobachtung ging von Quatrefages aus, der bei Polyophthalmus wimpernde Kopf- segel sah (Annal. d. science. natur. 1850). Im Winter desselben Jahres lernte ich eine kleine Nereis kennen, die am Kopfe und am ganzen übrigen Körper mit Ausnahme der Fussstummeln und der gegliederten Anhänge Wimpern besass, nachdem mir schon früher bekannt war, dass bei Aeolosoma die Bewimpe- rung der Mundöffnung sich auf die Haut des Kopfes erstreckt (Zeitschr. f. wissensch. Zoolog. 1851 S. 323 Anmerk. 1.). Max Schultze sah Wimpern nicht nur an den Kiemenblättern der Spio, wo sie auch Oerstedt erkannte (was übrigens eigent- lich nicht hierher gehört, da ja die äusseren Respirationsorgane der Anneliden überhaupt einen Flimmerbesatz haben), sondern auch an den Kopfeirren und ein paar Anhängen, die neben den Kiemen vom zweiten Gliede abgingen (Müll. Arch. 1853 5.241). Diesen Beispielen von wimpernden Anneliden reiht sich eine kleine Serpula an, die in ihrem mehrere Schlängelungen machenden Gehäus häufig den Aseidien aufsass. Wurde das Thier sorgfältig aus seiner Schale herausgelös’t, so sah man an einzelnen Stellen der äussren Körperoberfläche deutliche Wimperung, jedoch war sicher, dass die Haut nicht durchweg flimmerte, sondern die Erscheinung beschränkte sich auf ge- wisse Wimperkränze. Das Gerüst der Kiemen bestand aus sehr dicht anein- ander liegenden, gewissermaassen knorpelähnlichen Zellen und erinnert dadurch an das Kiemenskelet, welches ich von Am- phicora mediterranea (Zeitschr. f. wissensch. Zool. 1851 S. 32) beschrieben habe, In den Eiern war ein deutliches Keimbläschen, aber ohne Keimfleck zu schen. Osk. Schmidt (neue Beiträge zur Na- 314 turgeschichte der Würmer) bildet die Eier von Amphicora Sa- bella ebenfalls ohne Keimfleck ab und sagt auch $. 28, dass es fraglich sei, ob der Keimfleck vorhanden. Wirbelthiere. Raja owyrhymchus. James Stark entdeckte bekanntlich im Schwanze des nicht elektrischen Rochen ein Organ, welches er für einen elektri- schen Apparat erklärte (Proceedings of the Society of Edin- burgh. December 1844: On the existence of en eleetrical ap- paratus in the Flapper sckrate and other Rays). Er beschreibt den Bau des Organs und lässt es aus Röhren bestehen, die mit gallertartiger Masse erfüllt seien und quere Scheidewände besässen. Er weiss auch, dass Gefässe und Nerven sich in dem Organ verzweigen. Unabhängig von James Stark fand einige Jahre später Ch. Robin dasselbe Organ auf (Recherches sur un appareil qui se trouve sur les poissons du genre des Raies, Ann. d. seiene. natur. 1847) und lieferte eine höchst sorgfältige Beschrei- bung und schöne Abbildungen des neu entdeckten Gebildes. Im vorigen Herbst untersuchte ich am Mittelmeer den genann- ten Rochen im frischen Zustande, ohne dass mir die Schrift Robins zur Hand gewesen wäre, sondern ich hatte nur die Angaben dieses Forschers im Allgemeinen im Gedächtnis. Wenn ich jetzt meine Notizen mit den Darstellungen Robins vergleiche, so muss ich die Genauigkeit und Richtigkeit der von ihm gegebenen Zergliederung sehr anerkennen, nur be- züglich einiger Punkte bin ich nicht ganz mit Robin einver- standen, weshalb ich den Gegenstand noch einmal zur Spra- che bringen möchte, um so mehr als ich auch rücksichtlich der physiologischen Bedeutung Robins Ansicht nicht thei- len kann. Vorher sei auch noch erwähnt, dass A. Ecker in seinem Aufsatze: Einige Beobachtungen über die Entwicklung der Nerven des elektrischen Organes von Torpedo Galvanüi , Zeit- schr. f. wiss. Zool. 1348 auch der Endverbreitung der Nerven am Schwanzorgan von Raja gedenkt. 315 Das fragliche Organ liegt (bei grossen Rochen) als ein fin- gerdicker, spindelförmiger Körper zu beiden Seiten des Schwanzes unmittelbar unter der Haut und nimmt ungefähr %/, der Länge desselben ein. Die Farbe ist grau durchschei- nend und das ganze Organ zeigt sich auf den ersten Blick als etwas Spezifisches an, was mit den Schwanzmuskeln nichts zu ihun hat (Goodsir hatte behauptet, Stark habe den hin- teren Theil der mittleren Masse der Schwanzmuskeln als elek- trisches Organ beschrieben). Ueber die Blutgefässe, Arterien und Venen des Gebildes, sowie den Ursprung der Nerven, welche sich darin verzweigen, giebt die Schrift Robins die detaillirtesten Mittheilungen. Ich gehe daher bloss auf die hi- stologischen Verhältnisse ein. Betrachtet man das Organ mit freiem Auge von aussen und auf dem Querschnitt, so zeigt es grosse Aehnlichkeit mit ei- nem elektrischen Apparat; man sieht eine graugallertartige Masse, welche von Scheidewänden durchsetzt ist. Letztere sind die Fortsetzungen einer festen, fibrösen Hülle, welche das Örgan im Ganzen umschliesst und von weissem glänzenden Aussehen ist. Wird die Hülle (Tunica propria, Tunica fi- brosa nach der gewöhnlichen Ausdrucksweise) und die Scheidewände (eloisons Robin) mikroskopisch untersucht, so bieten sie die Beschaffenheit von gewöhnlichem festem Binde- gewebe dar; es ist eine streifige, gelockt wellige Masse, die wo sie einige Dicke hat, eine braune Farbe gewinnt’). Nach Kalilösung quillt die Substanz auf, die anscheinend grade ver- laufenden und lockig geschwungenen Fibrillen verschwinden und es markiren sich jetzt Bindegewebskörperchen und ihre Umbildungen in feine elastische Fasern. Robin unterscheidet ebenfalls fibres de tissu fibreux (fibres de noyau, fibres elastiques), sie sind das, was ich Bindege- webskörperchen und feine elastische Fasern nannte, dann fibres de tissu connectif (tissu cellulaire) proprement dit, sie bilden die Grundmasse und erzeugen die braungelbe Farbe, doch I) Festes Bindegewebe von Sehnen, Bändern etc. giebt bekanntlich bei durchfallendem Lichte dieselbe optische Erscheinung. ‘ 316 halte ich sie nicht für wirkliche Fibrillen, sondern für Falten und Schichten einer homogenen Substanz, die intercellulär zu den Bindegewebskörperchen und elastischen Fasern gehört. Während das beschriebene Bindegewebe das für das freie Auge sichtbare Gerüste — die äussere Umhüllung und die Septa — des ganzen Organes bildet, so beobachtet man mi- kroskopisch eine Varietät der Bindesubstanz, welche von den Scheidewänden aus sich nach innen erstreckt und als weicher Träger der feinen Gefäss- und Nervenausbreitungen dient. Es ist jene Art des Bindegewebes, welches unter dem Namen „netzförmiges Bindegewebe“ (Kölliker) oder „Schleimge- webe“ (Virchow) in neuerer Zeit näher gewürdigt wurde, bei Embryonen der Wirbelthiere so häufig der Vorläufer des festen Bindegewebes ist, dann auch die Warthonsche Sulze des Nabelstranges, die schwammige Masse des Schmelzorganes im Zahnsäckchen vorstellt, bei Fischen auch in grössrem Maass- stabe auftritt und zwar unter der Lederhaut (z.B. vom Karpfen, der Schleie, Weissfischen, Aalruppe), dann besonders am Kopf und der Schnauze von Acipenser und von Plagiostomen, wo die sogenannten Schleimkanäle in sie eingebettet sind. Das fragliche Gewebe ist dadurch charakterisirt, dass es aus einem zarten Fachwerk und einer in die Fächer abgesetzten sulzigen Substanz besteht; das Gerüste bilden verzweigte und mit einander anastomosirende Zellen, deren Zellennatur aber oft so geschwunden sein kann, dass man häufig nur ein feines Fachwerk mit Kernrudimenten in den Knotenpunkten vor sich hat. Das Gewebe giebt beim Kochen keinen Leim und die gallertartige Zwischensubstanz enthält Eiweiss und einen dem Schleimstoff ähnlichen Körper. Ein ebenso beschaffenes, gallertartiges Bindegewebe füllt, im Allgemeinen gesagt, die Räume aus, welche zwischen den Septen übrig bleiben und erscheint für das freie Auge als graue, durchscheinende Substanz. Man wird nun nach der Analogie mit dem elektrischen Organ des Zitterrochen erwar- ten, dass die Gallerte den von den Septis frei gelassenen Raum vollständig so einnehmen werde, dass die Septen und die eingeschlossene Gallerte in continuirlicher Verbindung stehend 317 zusammen eine Einheit bilden werden. Dies ist nicht der Fall, sondern beim vorsichtigen Anschneiden des Organs überzeugt man sich schon mit freiem Auge, dass innerhalb des von den Septis umschlossenen Raumes ein bestimmt begrenztes, folli- kelartiges Organ hiegt, das nur an einer Seite einer Septum- fläche angewachsen ist, sonst aber frei erscheint. Das follikelartige Organ ist dasselbe, was Robin disques nennt und welche er, was die äussre Form, Anord- nung und Struktur betrifft, sehr genau beschreibt. In letztrer Beziehung sagt er, dass die disques aus einem Gewebe be- ständen, welches von allen thierischen und pflanzlichen Gewe- ben abweiche und als ein specifisches tissu eleetrique aufge- fasst werden müsse. Das Gewebe sei halbdurchscheinend,, be- stehe aus einer hyalinen Grundmasse, in welche kleine mole- kuläre Körnchen eingestreut wären und Zellen, deren Wand aber mit der homogenen Grundsubstanz verschmolzen sei. Nach Zusatz von Wasser oder Alkohol bedecke sich die hya- line Grundmasse mit sehr dicht verlaufenden welligen Strei- fen. Das Gewebe sei durchbrochen von grössern und kleinern Areolen. Ich kann die Angaben Robins über sein tissu eleetrique im Allgemeinen bestätigen, nur muss ich vor Allem hervor- heben, dass das fragliche Gewebe die eigentliche Wand des follikelartigen Organes ist, welches in dem von den Flächen der Scheidewände eingeschlossenen Raum liegt; es bildet eine feste Kapsel oder Schale, welche den die Ner- ven und Gefässausbreitungen tragenden Gallertkern umschliesst. (vergl. Fig. 1c). Die Kapsel hat eine äussre glatte Oberfläche. Zwischen dieser und den Flächen der Septa (cloisons) findet sich eine klare Flüssigkeit bis auf die Seite, wo die Kapsel einem Septum angewachsen ist. Nach innen zu aber ist die Kapselwand nicht glatt, sondern sie erzeugt eine Menge klein- rer und grössrer Hohlräume oder Areolen, wie Robin dies richtig beschreibt und hübsch (a. a. O. P.4 Fig. 3) abbildet. Was den feineren Bau der Kapsel angeht, so ist er allerdings ein sehr eigenthümlicher, jedoch scheint mir Robin zu viel zu sagen, wenn er darin etwas ganz spezifisches, ein tissu 318 eleetrique erblicken will. Es besteht die Kapsel (Fig. 3) aus einer homogenen Substanz, die fest ist und in den physikali- schen Eigenschaften und chemischen Reactionen etwas knor- pelähnliches hat. Wie Robin meldet, so sind häufig in sie scharfe Moleküle, Fettpünktchen, eingestreut und Zellen, die besonders dann deutlich erscheinen, wenn die ersteren nicht zugegen sind. Die Zellen (Fig. 3 c) haben eine rundliche oder ovale Gestalt, manche sind ziemlich langgestreckt, auch etwas eingebogen, der Nucleus ist von körnigem Aussehen. Was aber die homogene Grundsubstanz, in der die Zellen einge- bettet sind, sehr auffallend macht, ist eine äusserst regelmäs- sige und dicht verlaufende lineäre Zeichnung (Fig.35), die nicht erst, wie Robin meint, dann auftritt, wenn Wasser oder Alkohol mit der Kapsel zusammengebracht wird, sondern in ganz unbehelligtem Zustande vorhanden sich zeigt und zu den Grundeigenthümlichkeiten der Kapsel gehört. Die Linien erinnern in ihrer Anordnung an den Verlauf der Leistchen, welche an der Volarfläche der Hände und Finger, sowie an der Plantarfläche der Füsse und Zehen in parallelen bogen- förmig gekrümmten Richtungen verlaufen. Schon Robin er- klärt, dass die Linien keine Fasern sind, sondern nur Strei- fen; mir schienen sie der Ausdruck von einer Schichtung der homogenen Grundsubstanz der Kapsel zu sein. Nach Zusatz von Kalilauge schwinden sie nicht, die ganze Masse wird durch dieses Reagens überhaupt nicht angegriffen, sondern quillt höchstens etwas auf und die eingestreuten Zellen werden deut- licher. Was die Areolen (Fig. 3a) betrifft, in welche die Kapsel an ihrer innren Seite ausgeht, so sind sie von verschiedener Grösse, die kleinsten haben, was hinsichtlich der Genese der grössren von Bedeutung erscheint, ganz den Umfang der in der homogenen Grundsubstanz liegenden Zellen, woraus ich eben den Schluss ableiten möchte, dass die Areolen aus der Verschmelzung von Zellen entstanden in ähnlicher Art, wie im eigentlichen Bindegewebe die Bindegewebskörperchen durch Zusammenschmelzen die grössren Lücken im Binde- gewebe erzeugen oder wie die Knochenkörperchen in gleicher 319 Weise die Entstehung der Markkanäle und Markräume her- vorrufen. Aus dem Vorgetragenen ist schon ersichtlich, dass ich in der geschilderten Kapsel nicht mit Robin ein ganz spezifi- sches Gewebe, verschieden von allen andren thierischen Ge- weben entdecken kann, sondern ich sehe darin ein Gebilde, das zweifelsohne der Gruppe der Bindesubstanzen beigesellt werden muss. Es besteht aus einer homogenen Intereellular- masse und zelligen Elementen, die darin eingestreut sind, und da die erstere von fester, hyaliner Beschaffenheit ist, so reihe ich sie zunächst dem Hyalinenknorpel an. Die Linien in der Grundsubstanz entstanden durch Schichtenbildung um die Zel- len (Knorpelkörperchen), die Areolen durch Verschmelzung der Knorpelkörperchen. Im Innern der beschriebenen Kapsel, welche gefäss - und nervenlos ist, liegt das oben erwähnte Gallertgewebe, das ebenso wie die knorpelige Umhüllung von einer Fläche des von den Scheidewänden umschlossenen Raumes seinen Ursprung nimmt und die Gefäss- und Nervenausbreitung trägt. Robin betrachtet das Gallertgewebe (a. a. ©. p. 258) als einen Theil der von gewöhnlichem Bindegewebe bestehenden Scheidewände (eloisons), es bilde eine innre Lage desselben, und sei zusam- mengesetzt aus „‚fibres droites, non ondulees, s’entrecroisent presque toujours ä angle droit ou aigu, de maniere & former des mailles plus ou moins regulieres“, in den Maschen ist ent- halten „‚substance demi-fuide, transparente, homogene“. Der aus solchem Gallert- oder Schleimgewebe gebildete innre Kern der Kapsel (Fig. 1b) hat eine höckerige Oberfläche, womit er sich in die Excavationen oder Areolen der Knorpelkapsel ein- senkt. Wie schon gesagt wurde, besitzt der Gallertkern Ner- ven und Gefässe. Die für das Organ bestimmten Nerven tre- ten an die innre Fläche des ganzen Organes heran und ver- ästeln sich in das Organ hinein; hier suchen sie zunächst die weissglänzenden Scheidewände auf, in welchen man die Ner- ven leicht durch Aufhellung des Gewebes mit Kalilösung darstellen kann. Von hier aus verbreitet sich eine Anzahl von Primitivfasern in den Gallertkern, um da zu enden 320 (Fig. 1d). Die Primitivfasern gehören zu den breiten und die Nervenscheide steht in direetem Zusammenhang mit dem Ma- schenwerk des gallertigen Bindegewebes; jede der Fasern theilt sich, was Robin zuerst beobachtet hat, wiederholt in dem Gallertkern. Was jedoch der genannte Forscher über den weiteren Modus der Theilungen der Primitivfasern mitgetheilt hat, scheint mir nicht ganz richtig zu sein. Er sagt in dem Resume (a. a. O. p. 278): ‚‚Ces tubes elementaires se bifur- quent chacun plusieurs fois, et chaque branche s’inoscule et se eontinue avec une de celles de quelque tube voisin. De cette serie d’anastomoses resultent des anses multiples pour chaque tube, dont l’ensemble forme contre la face anterieur du disque un reseau & larges mailles de tubes nerveux &l&mentaires.“ Ich sehe, dass die Primitivfasern sich in 2, 3, 4, ja auch 5 Aeste theilen (Fig. 2), und dass diese sich weiter dichoto- misch und trichotomisch verzweigen. An den Theilungsstellen erscheinen die Aeste eingeschnürt, sie verlieren allmählig ihre doppelten Contouren und nehmen ein blasses Aussehen an, zu- letzt strahlen auch diese Zweige unter fortwährender Theilung in so feine Striche aus, dass man nicht sagen kann, wie sie aufhören. Doch glaube ich soviel ermittelt zu haben, dass nicht die Primitivfasern durch ihre Theilungen anastomosiren und ich habe daher gegen das von Robin beschriebene Netz, welches aus den Aesten der Primitivfasern durch Anastomosi- rung hervorgegangen sein soll, einiges Misstrauen. Die Theilung der Primitivfasern und den Uebergang dersel- ben in blasswandige Fasern hat auch Ecker (a. a. O. S. 41 Anmerk. 1) beobachtet. Bezüglich der Endigungsweise konnte er nach eigener Aussage nicht ins Reine kommen. Den Gefässapparat des Organes, die Arterien und Venen hat Robin sehr detaillirt geschildert, ich mache nur darauf noch einmal aufmerksam, dass die Capillaren, welche in den Gallertkern eindringen, nicht in die knorpelige Kapsel sich fortsetzen, sondern sie kehren alle wieder aus den Alveolen, in welche sie sich mit dem Gallertgewebe eingesenkt haben, schlingenförmig um und zurück. Fasse ich nach den voranstehenden Einzelnheiten den Bau a. 321 des in Rede stehenden Organ es in ein paar kurze Sätze zu- sammen, so muss folgendes gesagt werden. Das sogenannte elektrische Organ im Schwanze von Raja besteht aus einer grossen Anzahl von länglichen, plattgedrück- ten, sackartigen Gebilden, zusammengesetzt aus einer gefäss- und nervenlosen knorpelartigen Kapsel und einem Gallertkern, der zur Grundlage einer äusserst zahlreichen Nervenausbrei- tung und Gefässcapillaren dient. Ein Sack ist von dem andren abgesondert durch festes, gewöhnliches Bindegewebe, welches wabenähnlich geschlossene Räume bildet; an einer Seite des Zellenraumes ist der Follikel einem Septum angewachsen und hier treten die Nerven in den Gallertkern ein, der übrige Ran zwischen den Follikeln und den Scheidewänden wird on einer klaren Flüssigkeit erfüllt. Vergleicht man das angeblich elektrische Organ im Schwanze von Raja mit dem wirklichen elektrischen Or- gan des Zitterrochens, so fällt die Aehnlichkeit geringer aus, als man nach der ersten äussern Besichtigung erwar- ten sollte. Bei den Torpedines ist jede der vertikal gestellten Säulen des elektrischen Organes durchsetzt von zahlreichen, queren Septen, und die sie trennenden Zwischenräume sind von einer gallertigen Masse erfüllt, welche nicht unter so selb- ständiger Form auftritt, wie am besagten Organ von Raja, wo durch die eigenthümlich knorpelige Umhüllung die Gallert- masse nit den Gefässen und Nerven als ein für sich abge- grenzter Körper innerhalb des Interseptalraumes erscheint. Vom morphologischen Gesichtspunkt aus möchte ich vielmehr das Schwanzorgan von Raja dem von Savi zuerst beschrie- benen Appareil follieulaire des Zitterrochen an die Seite stel- len. Dieser besteht, wie ich aus eigener Anschauung weiss (vergl. meine Beiträge z. Anat. und Entwickl. d. Rochen und Haie 8.47) aus beiläufig 1” grossen Blasen, die fibrösen Bän- dern aufsitzen und im Innern einen warzenförmigen Kern oder Knopf mit der Gefäss- und Nervenverbreitung besitzen. Was uns aber vor Allem bestimmen muss, das Schwanzorgan von Raja den elektrischen Organen nicht beizuordnen, ist der Mangel elektrischer Erscheinungen an demselben. Joh. Müller hat Müllers Archiv. 1854. 21 322 zuerst an lebenden Rochen Versuche mit dem Galvanometer angestellt, aber kein elektrisches Phänomen gefunden; er er- suchte darauf Mateuccei denselben Gegenstand vorzunehmen, doch auch dieser Forscher sagt: jai opere sur mes Raies vi- vantes au moyen d’une methode tres delieate, et qui aurait pu faire deeouvrir le moindre signe de decharge &lectrique que la Raie aurait donnee, soit volontairement, soit en irritant son cerveau ou sa mo&lle epiniere; cette methode tr&s simple est celle de la grenouille galvanoscopique. J’ai pu ainsi m’assurer que l’organe trouv& par M.Robin n’est pas un appareil &lee- trique. Compt. rendus de !’Academ. des Sciences du 22 Fevrier 1847. Nach diesen negativen Erfahrungen möchte doch die Richtigkeit der Fischeraussagen zu bezweifeln sein, welche Retzius an Robin schreibt: einige Fischer erklären, a. man bei Berührung ‘des Schwanzes lebender Rochen einen elektrischen Schlag erhalte. Wenn es sich bestätigt, dass das Schwanzorgan von Raja keine Rlectrieität frei werden lässt, so muss es in Anbetracht des anatomischen und histologischen Verhaltens in die Reihe jener eigenthümlichen Bildungen gestellt werden, die bei den Fischen unter dem Namen der Schleimkanäle und des Ap- pareil follieulaire bekannt sind, von deren Physiologie wir noch nichts wissen, die aber morphologisch betrachtet mir immer noch die Bedeutung eines Sinnesapparates zu haben scheinen. Nachschrift. Ecker giebt im Jahresbericht über die Fortschritte der vergleichenden Anatomie der Wirbelthiere in den Jahren 1845, 1846 und 1347 zu Müll. Achiv 1852 8. 25 die Anmerkung, dass die eben abgehandelten Organe ihrer Struk- tur zufolge gleichbedeutend mit denen von Rüppel entdeckten Organen am Schwanze des Mormyrus seien. Ich kann nur zu- geben, dass im physiologischen Verhalten die Organe ähnlich sein mögen, da auch Rüppel versichert, nie elektrische Schläge von Mormyrus wahrgenommen zu haben. Im Bau aber weichen sie gewiss von einander ab, ich kann wenigstens nach einer in den letzten Tagen angestellten vergleichenden Unter- suchung die Beschreibung, welche Kölliker (über die elek- 323 trischen Organe des Mormyrus longipinnis , im zootomisch. Be- richt 1849) gegeben hat, bestätigen. Es finden sich hier nicht die Knorpelkapseln in den Interseptalräumen, während auf der andren Seite im Organ von Raja die sonderbaren, geglie- derten Fäden, welche im Schwanzorgan des Mormyrus getrof- fen werden und nach Kölliker Nerven sind, fehlen. Viel eher scheint mir der merkwürdige Bau der sogenannten elek- trischen Apparate von Gymnarchus niloticus, wie ihn Erdl (Abhandlungen der Bairisch. Akademie 1847) beschrieben hat, Vergleichungspunkte mit dem Schwanzorgan der Rochen dar- ieten. Trigla hirundo. n diesem Fisch bemerkt man bezüglich des Verhaltens r Lymphgefässe zu den Blutgefässen nicht unwichtige Dinge. Besieht man sich die Blutgefässe des Mesenteriums. so gewahrt man mit freiem Auge recht gut, dass dieselben in einer grauweissen Scheide stecken. Schneidet man das Mesen- terium aus, so zeigt sich bei der Untersuchung mit geringer Vergrösserung, dass die grauweisse Hülle kein einfach röh- renförmiges Gebilde ist, sondern dass sie eine follikuläre, drüsige Beschaffenheit hat (Fig. 4). Nach Anwendung starker Vergrösserung kann man eine richtige Einsicht in den Bau dieser Gefässscheide gewinnen. Man sieht jetzt, dass die sogenannte Tunica adventitia, welche aus Binde- gewebe besteht, durch Entwieklung eines Maschen- gewebes nach innen und Aufnahme von zelligen Elementen in die Areolen ganz den Bau einer Lymphdrüse angenommen habe (Fig.5). Stellt man den Fokus auf die Oberfläche der Gefässscheide ein, so erhält man das Bild von Drüsenfollikeln; rundliche Blasen von ver- schiedener Grösse, die sich ineinander drängen, setzen die ganze Gefässcheide zusammen. Die Wand der Follikel ist nichts andres, als die Blättchen und Balken der bindegewebigen Tu- nica adventitia, welche nach innen abgehen und sich unter- einander so verbinden, dass follikelartige Räume übrig blei- ben. Indessen sind sie, wie solches aus einer weitergehenden Untersuchung erhellt, nicht von einander abgeschlossen, son- 21* 324 dern münden, indem sie areolar zusammenhängen, ineinander. Was den Inhalt angeht, so besteht er an der Peripherie der follikelartigen Räume aus klaren kleinen Zellen, die gewisser- maassen die Wände epitelartig auskleiden und Sekretionszellen vorstellen, denn im Lumen der Areolen erscheinen dicht an- gehäuft kleine, helle Körnchen, die ziemlich scharf eontourirt sind und den Kügelchen des Pancreassekretes ähneln. Es- sigsäure und Kalilösung wandelt den Inhalt der Areolen in eine blasse, feinkörnige Masse um. Bekanntlich weiss man seit Fohmanns Untersuchun- gen, dass bei den Fischen Blutgefässe scheidenartig von Lymphgefässen umgeben sein können, was unschwer zu be- stätigen ist. Wenn ich mir erlaube, anf vereinzelte Beobach- tungen zurückzuweisen, die ich in Betreff dieser Sache an verschiedenen Orten mitgetheilt habe, so dürfte sich daraus ein gewisser allgemeiner Plan nach und nach ableiten lassen. Bei den Selachiern wurde gesehen dass Blutgefässe in Lymph- gefässen eingeschlossen liegen, das Lymphgefäss bestand aus Bindegewebe und einem Epitel und gab nur von Stelle zu Stelle Verbindungsfäden zum eingeschlossenen Blutgefäss her- über, der Inhalt des Lymphgefässes war eine klare, wenige geformte Elemente enthaltende Flüssigkeit. Ins Innere der Lymphgefässe ragten zahlreiche Gefässglomeruli (vergl. meine anatomisch-histolog. Untersuchungen über Fische und Rep- tilien). In Gobius niger war der Lymphraum rings um das eingeschlossene Blutgefäss mit feinkörniger Masse angefüllt. Hier bei Trigla hirundo wandelt sich das Lymphgefäss in der oben angegebenen Weise zur Lymphdrüse um, und ich muss daher, entgegen der gewöhnlichen Angabe, dass bei den Fi- schen keine Lymphdrüsen vorkommen, den Satz aufstellen, dass in manchen Arten die Blutgefässe des Mesenteriums in ihrem ganzen Verlauf scheidenartig von Lymphdrüsen umhüllt seien. Für die Milz, welche, wie ich a. a. O. nachzuweisen be- strebt war, auch nur eine Art Lymphdrüse ist, wurde ebenfalls gezeigt, dass die sogenannten Malpighischen Körper nur beson- ders aufgetriebene und mit Lymphelementen gefüllte Partien . 325 jener Lymphgefässe sind, welche die Blutgefässe der Milz zum Theil umschliesen. Ich kann bei dieser Gelegenheit wieder nicht umhin die Vermuthung auszusprechen, dass auch bei den höheren Wir- belthieren die sogenannte Tunica adventitia einem die Blut- gefässe umschliessenden Lymphgefäss angehört, sowie es mir immer wahrscheinlicher wird, dass die mikroskopischen Hohl- räume im Bindegewebe (die Bindegewebskörperchen, Virchow) die eigentlichen eapillaren Anfänge der Lymphgefässe sind. Giebt ja doch ein ausgezeichneter Forscher Mittheilungen, welche die Säugethiere betreffen, die ganz in diesem Sinne gedeutet werden können. Nach Brücke (Ztschrft. d. Gesell- schaft d. Aerzte in Wien 1853. S. 378) sind die Chylusgefässe der Zotten „interstitielle Gewebsräume*“, die weiter erst nach Durchbohrung der Muskelfaserschicht der Schleim- haut besondre Wände gewinnen, und weiterhin heisst. es: beim Kaninchen „gelangt der Chylus innerhalb Scheiden, die um die Blutgefässe gebildet sind.“ Um nach dieser Abschweifung zu unsrem Fisch zurück- zukehren, so habe ich noch Folgendes über einige Organe vorzubringen. Die Schwimmblase, welche vorne zwei nach rück- wärts gewendete Hörner besitzt, von denen das rechte (in nıehren untersuchten Exemplaren) länger als das linke ist, hat eine starke Muskelschicht, welche, wenn man die untre Fläche der Schwimmblase vor sich hat, nur als zwei den seit- lichen Rand einnehmende Streifen von 3 Breite sich aus- nehmen, die aber auf der Dorsalfläche der Schwimmblase von beiden Seiten in der Mitte zusammentreffen. Was die feinere Beschaffenheit der Muskulatur betrifft, so besteht sie aus quergestreiften Bündeln, deren ungemeiner Nervenreich- thum bemerkenswerth ist, man mag noch so viele Muskel- stückchen mikroskopiren, in allen zeigt sich eine Unzahl von Nervenfibrillen, und was gleichfalls hervorgehoben zu wer- den verdient, die Theilungen der Nervenprimitivfasern sind überraschend häufig zu sehen: meist sind es dichotomische Verzweigungen, die sich schnell wiederholen und dabei die 326 gewöhnlichen Veränderungen darbieten, d. h. blass werden und in feine Reiserchen auslaufen. Der Schädel hat noch einen stark knorpeligen Theil und der Schnautzenknorpel zeigt eine innere mit Fett erfüllte Höhlung. Ich kann. auch nicht unterlassen hier anzuführen, dass das Eierstockei in seiner Bildung an die Eier mit Mikro- pyle erinnert. Man betrachte die Fig. 6. Man sieht da die innen mit Epitel bekleidete Membran des birnförmigen Folli- kels (a), (ihr entspricht die mit Kernen versehene äusserste Hülle des Holothurieneies), darunter kommt eine helle Ei- weissschicht, die an dem sehr jungen Ei weder nach innen, noch nach aussen eine scharfe Contour hat, daher ist auch noch keine besondre Dotterhaut vorhanden. Der fein mole- kuläre Dotter aber, welcher das viele Keimflecke zählende Keimbläschen umgiebt, zieht sich nach der Anheftungsstelle des Follikels deutlich stielartig aus. Würde daher die inner- ste Grenzschicht des Eiweisses später, wie am Holothurienei, zu einer eigenen Haut erhärten, so kann bei der Abschnü- rung eine Mikropyle zurückbleiben. Dactyloptera volitans. Die Schleimhaut der Mund-Rachenhöhle hat ein inten- siv scharlachrothes Pigment, das in der Bindesubstanzschicht der Mucosa liegt, das Epitel darüber ist von hellem, farb- losem Ausschen. Der Schlund hat quergestreifte Muskeln; die graugelbe Sebleimhaut des Magens besitzt schlauchförmige, dicht bei- sammenstehende Labdrüsen; der Pylorustheil, welcher mit sehr enger Oeffnung in den Darm übergeht, ist von Farbe weiss und ohne Drüsen, aber mit zahlreichen mikroskopischen Fältchen. Die Schleimhaut des dünnwandigen Darmes zeigt dichte, netzförmige Bildungen, dagegen bestimmt keine Drüsen. Ich möchte allmählig anfangen darauf Gewicht zu legen, dass ich bis jetzt aus eigener Anschauung noch keinen Gräthen- fisch kenne, der (Lieberkühnsche) Drüsen oder Drüsen über- haupt im Darm hat. Es wurden verschiedene Süsswasser- 327 fische und Meerfische hierauf untersucht, immer mit dem gleich negativen Erfolg. Aehnlich verhalten sich die Amphi- bien (vergl. anatomisch-histolog. Untersuchungen S.43). Es scheint fast Gesetz zu sein, dass die Schleimhaut des Dar- mes der Fische und Reptilien der Drüsen durchweg erman- gelt und nur Fältchenbildung hat. Die Blutgefässe des Mesenteriums bieten dasselbe Verhalten zu Lymphgefässen dar, wie es vorhin von Triyla hirundo geschildert wurde: auch sie sind nach ihrem ganzen Verlauf von Lymphdrüsen scheidenartig umhüllt. Ebenso reiht sich im Bau der Schwimmblase Dacty- loptera an die vorhergehende Trigla an. Dieses sehr dick- wandige Organ besitzt auf beiden Seiten einen 4 starken Muskelwulst von grauer Farbe, der sich um die ganze hin- tere (obere) Seite der Schwimmblase erstreckt. Er besteht aus quergestreiften Bündeln, welche, wie man sich an Schnit- ten von getrockneten Präparaten leicht überzeugen konnte, in den äussren Schichten quer und in den innren nach der Länge verlaufen. Letztere Lage ist beträchtlich dünner, als die aus querziehenden Bündeln zusammengesetzte. Was über den Nervenreichthum dieser Muskulatur von Trigla gesagt wurde, gilt in gleichem Grade von Dactyloptera. Die Wand der Schwimmblase selber zerlegt sich in eine äussere aus gewöhn- lichem, derben Bindegewebe bestehende Haut und eine innre sich leicht ablösende Membran, die nicht flimmert und zahl- reiche „elastische Plättchen“ (vergl. anatomisch -histol. Un- tersuch. 5. 30) eingewebt hat. (Auch die äusserst dünne Sehwimmblase von Cepola zeigt diese eigenthümlichen Plätt- chen). Das Innre der Schwimmblase, welche durch eine Scheidewand in zwei Hohlräume zerfällt, hat sehr entwickelte „rothe Körper“. Die Knochenfische besitzen sehr allgemein (vergl. Leu- karts Artikel „Zeugung“ im Handwörterbuch der Physiologie) Spermatozoiden mit kugligem Körper und äusserst zarten Schwanzfaden. Der Kopf der Samenkörperchen von Dacty- loptera ist deutlich birnförmig und vorne quer abgeschnitten. Zusatz von süsseım Wasser, welches bekanntlich auf die Sa- 328 menelemente der Flussfische nicht störend einwirkt, hebt hier die Bewegungen rasch auf. Eigenthümlich ist das Geruchsorgan. Von den zwei auf jeder Seite vorhandenen Nasenlöchern führt das vordere in einen kurzen länglichen Sack, der aus den mit einander verbundenen und die Ausbreitung des Riechnerven tragenden Schleimhautfalten besteht, also das eigentliche Geruchsorgan vorstellt. Das hintere Nasenloch gehört lediglich einem ziemlich ansehnlichen Hohlraum an, durch welchen der mit dem vordern Nasenloch ausmündende Geruchssack hinge- spannt ist. Dieser Hohlraum der einen Seite communizirt auch mit dem der andren durch einen queren Kanal. Die Wirbelkörper des vordren Stückes der Wirbel- säule sind zu einer einzigen langen Knochenmasse mit ein- ander verschmolzen. Belone acus. Untersucht man aufmerksam die Schuppen, welche die sehr weit nach unten, fast am Bauch verlaufende Seitenlinie zusammensetzen, so erkennt man in dem der Schuppe auf- gesetzten und helle rudimentäre Knochenkörperchen enthal- tenden Kanal deutlich einen ovalen Nervenknopf, wie ich der- gleichen von andren Fischen in Müll. Arch. 1850 zuerst an- gezeigt habe. Das Geruchsorgan repräsentirt in seiner Form wieder einen andreu Typus, als der vorhergehende Fisch. Es er- scheint als eine dreieckige, unmittelbar vor dem Auge lie- gende Grube, die blau und grün pigmentirt ist. Aus ihr erhebt sich ein einziges, farbloses Blatt von abgerundeten Rändern, welches allein zur Ausbreitung des Nervus olfac- torius dient. Dieses Blatt, einer Riechmuschel vergleichbar, besteht bei mikroskopischer Untersuchung aus einem festen Gerüst von Bindesubstanz, welches die zahlreichen Blutge- fässe und die blassen Ausstrahlungen des Geruchsnerven trägt. Ueber die freie Fläche weg zieht das Epitel. Ein paar Worte verdient auch das grüne Pigment der Belone. Man kann lesen, dass die Wirbel dieses Fisches, gleich sämmtlichen übrigen Knochen des Körpers, nach dem 329 Kochen eine grasgrüne Farbe annehmen. Ich muss hierzu bemerken, dass die grüne Färbung, welche fast das ganze Skelet, besonders die Wirbelsäule und die Mehrzahl der Kopfknochen zeigt, so gut wie die grüne Farbe der Schup- pen dem lebenden Thier angehört und nicht erst durch das Kochen hervorgerufen wird. Mikroskopirt man diese Theile, so wird gesehen, dass es kein körniges Pigment, sondern ein diffuses ist und beim Knochengewebe lediglich die Grund- substanz färbt, der Inhalt der Knochenkörperchen ist hell und farblos. Auch in den grünen Zähnen hat nur die Grund- substanz zwischen den verzweigten Zahnröhrchen die Fär- bung augenommen. Das grüne Pigment erblasst nach Zusatz von Kalilauge. Schneidet man den ganzen Fisch etwa am Beginn des Schwanzes quer durch, so sticht die Muskelmasse, welche die Längsfurche der Seitenmuskeln ausfüllt, durch ihre braun- gelbe Farbe sehr lebhaft ab von der übrigen Muskulatur des Rumpfes, welche von hellem, gallertigem Aussehen ist. (Bei Scorpaena ist dieser Gegensatz nicht vorhanden, sondern beide Lagen sind von demselben farblosen Aussehen). Hier möchte ich auch eine Notiz über die Muskeln des Scomber thynnus anhängen. Bekanntlich ist das Fleisch des Thunfisches sehr rot, doch unter dem Mikroskop von der gleichen Beschaffenheit, wie die Muskeln der höheren Wir- belthiere: die Primitivbündel haben eine sehr feine Querstrei- fung und sind hell, höchstens mit leicht gelblichem Anflug, sobald aber mehre dicht beisammen liegen, wird die Farbe intensiver. Anser domesticus. Rücksichtlich der Struktur des Schnabels dürfte folgen- des zu erwähnen sein. Die sehr porösen und dabei höchst gefüssreichen Knochen sind nach aussen von einer derben Haut überzogen, die aus Bindegewebe besteht. In ihr brei- ten sich die zahlreichen Nerven aus, welche vom Nervus Irigeminus abstammend, den Schnabel versorgen; die Ner- venprimitivfasern enden in dieser Haut in Paeinische Körper- chen, welche, wie Herbst zuerst gezeigt hat, in grosser 330 Menge sich hier finden und von demselben Aussehen und der gleichen Struktur sind, wie ich von den Pacinischen Körper- chen der Taube (Zeitschr. f. wiss. Zool. 1853) beschrieben habe. Die bezeichnete Haut erhebt sich ferner in Papillen, die besonders an der Spitze des Schnabels von ausnehmender Länge sind; jede der Papillen hat ausser den Blutgefässen und Nerven auch Pacinische Körperchen, welche sich von denen in der Haut selber liegenden dadurch unterscheiden, dass sie klein (oft nur 0,024' lang) und mehr hell als bräun- lich sind. Ueber die Papillen weg und zwischen sie hinein treten die Zellen einer stark verhornten Epidermis. Die Zunge anlangend, so besitzt der Knorpel derselben Gefässkanäle; die Zellen, welche in ziemlich gleicher Menge mit der Grundsubstanz vorhanden sind, haben in ganz fri- schem Zustande einen feinkörnigen Inhalt. — Die Schleim- haut der Zunge geht in sehr lange und schmale Papillen aus, die sich weit hinein in die aus schönen Zellen bestehende Epitellage erstrecken. Die Zungendrüsen finden sich an den Seitenflächen der Zunge, in Längsreihen geordnet. Im Innern der Zunge liegen reichliche Fettträubchen. Die Struktur des Sehlundes ist an feinen Schnitten getrockneter Präparate gut zu erkennen. Das Bindegewebe, welches hier wie an andren Organen das Gerüste darstellt, formt zunächst eine äussre Hülle, darauf kommen zwei Muskelschichten, eine Längs- und Querlage, aus einfachen (glatten) Elementen be- stehend und durch Bindegewebe in grössre und kleinre Bün- del geschieden. Hierauf bildet das Bindegewebe die Schleim- haut, die sich in 0,1— 0,124" Jange und 0,004 — 0,007" breite Papillen erhebt. Auch erzeugt sie das Gestell von Schleim- drüsen, welche indessen nicht wie bei Säugern von trauben- förmiger Gestalt sind, sondern die Form von runden Säcken haben und radiär gestellte Scheidewände besitzen, so dass sie sich auch ausnehmen wie Schlauchdrüsen, die von einer gemeinsamen Hülle umgeben sind und in einen Punkt aus- münden. Das Epitel der Schleimhaut zeigt deutlich eine un- ten noch weichere, weniger verhornte und eine äussere stärker verhornte. Schicht. Sal Ein Querschnitt durch den Drüsenmagen (Proventri- eulus) gemacht, weiset nach, dass aussen eine Lage von Bindegewebe die Schichten eröffnet, darauf folgt eine Quer- muskulatur, weiter nach innen Längsmuskeln. Das Binde- gewebe der äussren Umhüllung, welches sich auch durch die Muskellage fortsetzt und sie dadurch in Bündel abtheilt, bildet jetzt nach innen von der Muskulatur das Gerüst der Drüsen. Letztere sind schlauchförmige Drüsen, von denen aber immer eine grössere Anzahl durch eine gemeinsame Hülle zu einem Ganzen verbunden wird, auf welche Drüsenform besonders Molin (in den Denkschriften der Wiener Akademie, math. phys. Klasse 1850) die Aufmerksamkeit gelenkt hat. Im Muskelmagen liegen zwischen der Muskulatur und der sogenannten verdickten Epidermis lange und dabei schmale einfach schlauchförmige Drüsen, die immer truppweise bei- sammenstehen. Das Sekret der Drüsen erhärtet zu den La- gen, aus denen die verdickte Epidermis des Muskelmagens zusammengesetzt ist. Sie wird nach eintägigem Aufenthalt in Natronlauge weich und erscheint unter dem Mikroskop als helle, homogene, geschichtete Substanz. In der Schleimhaut des Darmes begrenzt das Binde- gewebe als Tunica propria die schlauehförmigen (Lieberkühn- schen) Drüsen, welche sich in der Gestalt ganz an die der Säugethiere anschliessen. Auch das sie auskleidende Epitel ist so regelmässig gestellt, dass innen ein klares Lumen übrig bleibt. Zwischen den Ausmündungen der Drüsen erhebt sich das Bindegewebe zur Bildung der Zotten. Im Bau der Leber verhält sich die Gans bezüglich des Bin- degewebes, wie die menschliche Leber. Die Leberzellennetze stossen unmittelbar an die Blutcapillaren an, so dass wohl nur ein Minimum von Bindesubstanz, welches man als Träger der feinen Blutgefässe vermuthen darf, die Zellennetze als Tuniea propria einschliesst. Die Leberzellen’haben viel Fett zum Inhalt. Die fibröse Membran, welche die Augenhöhle vervoll- ständigt, besteht fast nur aus Bindegewebe und hat schr we- nige elastische Fasern. n Die Hardersche Drüse ist von röthlich grauer Farbe, 332 und was mir auffallend war, der Inhalt der Drüsenschläuche wird von langen Cylinderzellen gebildet, die ausser ihrem Kern eine blasse, feinkörnige Masse einschliessen und sehr zierlich die Schläuche auskleiden, wobei ein klares Lumen übrig bleibt. Die Sklerotika besteht aus Hyalinknorpel. — Während die Bindesubstanz der Choroidea sonst ohne elastische Fasern ist, zeichnet: sich die Corona ciliaris durch ungemeinen Reich- thum von elastischen Fasern aus, die dicht durch einander geflochten sind und woher es kommt, dass die Processus ei- liares nach Abspülung des Pigmentes durch lebhaft weisse Farbe von der grauen Iris abstechen. Die stärksten elasti- schen Fasern messen 0,0016 — 0,002‘ in der Breite, laufen übrigens nach der Peripherie der Processus sehr fein aus. Die grosse Zahl dunkelrandiger Nerven in der Iris ist bekannt; die Uvea, welche sich sehr leicht ablös’t, besteht ans kugligen, aufs höchste überfüllten Pigmentzellen. Eine besondere Eigenthümlichkeit ist vom Fächer zu melden. Dieses Gebilde kommt eigentlich von der Sklero- tika und hat an seiner Basis einen weissen Wulst. Letztrer wird dadurch gebildet, dass Bindegewebe ein Maschenwerk formt, dessen Areolen reichlich mit einer für das freie Auge weisslichen Masse erfüllt sind, die aus blassen Molekülen und kernartigen Bläschen von verschiedener Grösse, scharf eontourirt und an ausgetretenes Nervenmark erinnernd, besteht. Doch ist keine Spur eines Nerven vorhanden. Ich werde nachher beim Auerhahn noch einiges über diesen Wulst mit- zutheilen haben. Columba domestica. Die Muskulatur des Fleischmagens ist bekanntlich von rother Farbe, so dass man quergestreifte Elemente bei der mikroskopischen Untersuchung vermuthen sollte, jedoch sind die Muskelfasern einfache oder glatte, die jedoch schärfer betrachtet, eine Uebergangsstufe zu den quergestreiften dar- stellen. Es sind ziemlich breite, gelblich angeflogene Faser- zellen, bestehend aus Hülle und Inhalt; letztere zeigt sehr gewöhnlich eine Sonderung in dicht hinter einander liegende 333 Stücke, gewissermaassen in sehr grosse „primitive Fleisch- theilchen.“ — Nach innen von der Muskulatur folgt eine Schieht langer, schlauchförmiger Drüsen, deren erhärtetes Sekret, eine geschichtete homogene Substanz, die verdickte Epidermis des Muskelmagens erzeugt. Im Drüsenmagen sind die grossen Drüsen wie bei der Gans scharf abgesetzte Paquets kleinerer schlauehförmiger Drüsen; letztere messen 0,124” in der Länge und 0,007 — 0,0120 in der Breite, haben ausser der Tunica propria und den Sekretionszellen ein deutliches Lumen und sind am blin- den Ende häufig etwas verbreitert, auch leicht eingekerbt, daher wie zweigespalten. Die Tunica propria der einzelnen Drüsen ist die unmittelbare Fortsetzung der Bindegewebs- scheide, welche das ganze Drüsenpaquet umschliesst. Duodenum, Dünndarm und Afterdarm haben sack- förmige Lieberkühnsche Drüsen, die im Dünndarm und Af- terdarm ziemlich kurz (0,024 lang und 0,0160‘ breit) sind und ein Lumen haben. Im Zwölffingerdarm sind sie etwas länger. Ich habe von dem getrockneten Afterdarm einen feinen Schnitt genommen und die Muskellagen in folgendem Ver- hältniss gesehen: zu äusserst kommt eine dünne, ungefähr 0,0120“ breite Längsmuskelschicht, daran schliesst sich eine dicke 0,04" messende Ringmuskellage, endlich folgt nach in- nen eine dünne 0,007“ breite Längsmuskulatur, die unmittel- bar unter den Drüsen liegt und der Schleimhaut angehört. Was die Leber betrifft, so ist eine Abgrenzung in Läpp- chen kaum sichtbar und auch von Bindesubstanz fast nichts zu erblicken, ja an feinen Schnitten getrockneter und dann wieder mit Essigsäure behandelter Leber stossen die Zellen- netze unmittelbar an die Gefässcapillaren. Die Zellen haben einen feinkörnigen Inhalt, dem selten kleine Fettpünktehen beigemischt sind, die Zellenmembran erscheint so zart, dass sie im Wasser sehr schnell vergeht. Der Gallengang besitzt einfache (glatte) Muskeln und sein Oylinderepitel trübt sich rasch nach Wasserzusatz. Dem Pankreatischen Gang sitzen von Stelle zu Stelle kleine Knötchen an, die sich unter dem Mikroskop als Drü- 334 senabtheilungen ausweisen von derselben Textur, wie die Bauchspeicheldrüse selber. Die Sklerotika besteht aus Hyalinknorpel, in welchen die Zellen an Menge die homogene Grundsubstanz überwie-, gen. Der Knochenring der Sklerotika hat schöne grosse ver- ästelte Knochenkörperchen, die keineswegs aus Knorpelzellen hervorgegangen sind, sondern als verkalkte Bindegewebskör- perchen betrachtet werden müssen, denn der Sklerotikaknor- pel hört mit scharfer Grenze für sich und entfernt von der Knochensubstanz auf, letztere ist entstanden durch Ossifizi- rung des bindegewebigen Ueberzuges des Sklerotikaknorpels. Passer domesticus. Bekanntlich weichen an der hintren Anschwellung des Rückenmarkes die hintren Stränge eine Strecke weit ausein- ander, und indem sie sich bald darauf wieder aneinander legen, entsteht der sogenannte Sinus rhomboidalis. Die- ser ist mit einer „Iymphatischen Flüssigkeit“ gefüllt, in wel- cher Valentin grosse, zarte, kernhaltige Zellen erkannte. Ich habe die Gallertmasse der rautenförmigen Grube eben- falls untersucht und sehe, dass sie sich mikroskopisch an das gallertige oder embryonale Bindegewebe anschliesst. Es bil- den nämlich Zellen von eigenthümlich klarem Aussehen da- durch, dass zum Theil von ihnen feine Fasern ausgehen und sich mit einander verbinden, ein Maschenwerk, innerhalb dessen eine helle, homogene Substanz, die, was abweichend erscheint, in Essigsäure sich nicht trübt, abgelagert ist. Aus- serdem durchziehen feine Blutceapillaren, welche dasselbe helle Aussehen haben, wie das Maschenwerk, das Ganze. Die Schläuche der Harderschen Drüse haben ein Lu- men,.die Drüsenzellen sind rundlich und zeigen einen blass- feinkörnigen Inhalt. Das am Rande schwärzlich pigmentirte- dritte Augen- lied besteht fast mehr aus elastischen Fasern als aus Binde- gewebe, in ihm verbreitet sich, wie nach Aufhellung mit Natronlauge bequem erkannt wird, ausser den Blutgefässen ein 0,034‘ breites Nervenstämmchen. Die freie Fläche: deckt ein Plattenepitel. 335 Die rundlichen Zellen des Sklerotikaknorpels haben (die Thiere waren ganz frisch) einen granulirten Inhalt. Die Blasen der Thyroidea sind klein, indem sie meist nieht über 0,0120“ messen und dicht aneinander gelegt. Ihr Bau ist wie bei den andren Wirbelthieren, auch fehlt nicht das Colloid. Die Luftsäcke sind reich an feinen elastischen Fasern und scheinen auch Bündel glatter Muskeln zu besitzen. Da Gerlach (Handbuch der Geweblehre S.301) die An- gabe hat, dass er in der Niere des Huhns Flimmerbewegung mit Sicherheit gesehen zu haben glaube, so habe ich eifrig an ganz frischen Objekten darnach gesucht, doch nie in den vielfach gewundenen Harnkanälchen eine Spur davon wahr- genommen. Sehr gewöhnlich wird das Lumen der Harn- kanälehen von Concretionen ausgefüllt, die weiss bei auffal- lendem Licht und schmutziggelb bei durchfallendem Lichte sind. Sie haben eine geschichtete Beschaffenheit und werden von Essigsäure nach und nach ganz gelös’t. Natronlauge macht sie rasch verschwinden. In der Schrift von Hess- lings: Histologische Beiträge zur Lehre von der Harnabson- derung 1851, finden sich S. 43 weitre Angaben über Ablage- rungen in den Harnkanälchen der Vögel. Tetrao urogallus. Die Lederhaut erhebt sch nirgends an den befiederten Stellen in Papillen, auch ist hier überall die Epidermis. sehr dünn. Die Cutis hat eine sehr entwickelte Hautmuskulatur aus glatten Elementen. Wie Kölliker (Mikroskop. Anatom. Bd. II. S. 15) zuerst gezeigt hat, gehen die Muskelbündel in Sehnen von elastischem Gewebe aus, mit denen sie sich an die Pederbälge ansetzen, aber ich sehe, dass dergleichen Sehnen auch so in die Muskeln eingeschoben sind, dass sie an beiden Enden in Muskeln fortgehen (gewissermaassen Museuli digastriei vorstellen), da die Hautmuskelbündel sich netzartig verflechten. — Zahlreiche Paeinische Körperchen trifft man um die Federbälge herum. An den roth gefärbten Stellen am Auge verlängert sich die Lederhaut in Papillen und Wälle. Forscht man darnach, 336 wo die rothe Farbe untergebracht sei, in der Cutis oder in der Epidermis, so zeigt sich auf senkrechten Schnitten, dass das Pigment in Körnchen, welche sich wie rothes Fett aus- nehmen, den Inhalt der zunächst der Lederhaut aufliegenden Epidermiszellen bildet, weiter nach aussen geht das körnige Pigment in ein diffuses über und die äussersten Zellenlagen der Epidermis sind fast farblos. In der Planta pedis bildet die Lederhaut grosse Papillen, die sich tafelförmig (meist sechseckig) begrenzen, auf ihnen sitzen wieder feinere Papillen und das Ganze deckt eine ge- schichtete starke Epidermis. Weder das obere, noch das untere und das dritte Augen - lied, deren schwarzes Pigment am Rande ebenfalls in den Epidermiszellen ruht, haben etwas den Meibomschen Drüsen Vergleichbares, auch entbehren sie eines Tarsalknorpels. Die Sklerotika besteht aus Hyalinknorpel und hat innen und aussen einen bindegewebigen Ueberzug. Auch hier lässt sich an einem Querschnitt bestimmt sehen, dass der Kno- chenring am vorderen Rande nicht aus dem Knorpel hervor- gegangen ist, denn letztrer endet mit freiem, scharfem Ende, entfernt genug von der Knochensubstanz, die nichts andres als ossifizirtes Bindegewebe ist. Was den Bau der Hornhaut betrifft, so sind in ihr die Bindegewebskörperchen sehr deutlich. Das Gewebe der Cor- nea geht an der vorderen und hinteren Fläche in eine homo- gene Grenzschicht aus, wovon die hintere (die Deseemet’sche Haut) sich geschichtet zeigt und (im umgekehrten Verhältniss zu den Säugethieren) dünner ist als die vordere homogene Lage. Die Choroidea bietet folgende Zusammensetzung dar: die innerste Lage besteht aus platten 0,0120‘ grossen Schüpp- chen. die sehr an Epidermiszellen erinnern, dann kommt die Membrana pigmenti, aus grossen (0,0120 — 0,0160“ messen- den) meist birnförmigen Pigmentzellen zusammengesetzt. Die eigentliche Choroidea dahinter ist aus Bindegewebe, verzweig- ten Pigmentze]len, Gefässen, Nerven und quergestreiften Muskeln gebildet. Die Entdeckung quergestreifter Muskel- 337 elemente in der Aderhaut der Vögel hat v. Wittich gemacht (Zeitschr. f. wiss. Zoolog. Bd. IV. S. 456). Hier beim Auer- hahn bedarf es schon einer sorgfältigen Präparation, um sie darzustellen. Einzelne Bündel, die fast unmittelbar unter dem Pigment verlaufen, messen 0,024“ in der Breite. Unterhalb der Falten des Pecten, welcher fest mit der Sklerotika verbunden ist, zeigt sich auch hier ein weisser Wulst von eigenthümlicher Struktur. Er besteht aus einem Gerüst von Bindesubstanz, das ein gewissermaassen caver- nöses Gewebe bildet, und die Maschenräume sind erfüllt von einer weisslichen, breiartigen Masse, die aus feinen Molekülen und Kernen zusammengesetzt ist. Eine weitere Nachforschung lehrt, dass dieses Organ die obere Wand des grossen, durch die Sklerotika hereingetretenen und zum Pecten gehenden Blutgefässes ist. Bezüglich der Bedeutung des Gebildes lässt sich vorläufig nichts aussagen, höchstens könnte man auf die Verwandtschaft, die im Bau zwischen ihm und den Lymph- drüsen herrscht, hinweisen. Hinsichtlich der Struktur der Linsenfasern dürfte her- vorzuheben sein, dass in allen den zunächst der Kapsel lie- genden Fasern, und mochten sie auch eine Länge von !/," haben, Kerne vorhanden waren, und zwar so, dass immer zu einer Faser ein ungefähr 0,004 grosser Kern gehörte. Es wächst demnach auch hier immer Eine Zelle zu Einer Fa- ser aus. ; Im Zungenknorpel überwiegen die Zellen an Menge die Grundsubstanz. Ein Schnitt durch den getrockneten Schlund gemacht, zeigt zu äusserst eine Bindesubstanzumhüllung, dann zwei glatte Muskelschichten, wovon die äussere aus Längen — die innere aus Ringmuskeln besteht. Setzt man Essigsäure dem Präparate zu, so nimmt der Querschnitt der Ringmuskeln ein Aussehen an, wie ein Epitel oder besser wie Zellen- knorpel, indem die Schnittflächen der einzelnen Faserzellen zu 0,004 — 0,006'" grossen, hellen Ringen aufgequollen sind, in welchen man häufig den querdurchschnittenen Kern erblickt. Auf die Muskeln folgt die Bindesubstanz der Schleimhaut, in Müller's Archiv. 1854. 22 335 der ausser feinen elastischen Fasern auch Züge glatter Mus- keln nach der Länge des Oesophagus verlaufen. Die Binde- substanz bildet auch die Umrisse von sackförmigen Drüsen, welche durch vorspringende Scheidewände mehrkammerig werden. Die Innenfläche des Schlundes trägt ein geschich- tetes Plattenepitel, dessen unterste Zellen klein und rundlich sind, der Kern eng von der Membran umschlossen, nach aussen zu werden sie allmählig grösser und platten sich ab. Vom Knochensystem habe ich den Oberschenkel un- tersucht, nachdem er ein paar Tage lang in Salpetersäure gelegen hatte. Als bemerkenswerth erschien mir, dass die Havers’schen Kanälchen sehr zahlreich waren, so dass eigent- lich mehr Markkanälchen existirten, als lamellöse Grundsub- stanz dazwischen. Die Knochenkörperchen hatten einen Kern, waren übrigens durchschnittlich kleiner als bei Fischen, Am- phibien und Säugern, indem sie meist nur 0,0024 — 0,003‘ massen. In den Fusskrallen waren die Knochenkörperehen grösser als im Oberschenkel. — Ein Längsschnitt durch das Kniegelenk gelegt, bot insofern einen hübschen Anblick dar, als die Markkanäle des Knochenendes zottenartig, dicht einer am andren in den Gelenkknorpel vorragten. (Bei der Taube sehe ich das nicht!) Der Gelenkknorpel selber hat einige Gefässkanäle und die Knorpelzellen liegen äusserst eng bei- sammen. Hypudaeus arvalis. Die Lederhaut bildet keine Papillen (wenigstens nicht am Rücken, auch nicht an den Lippen oder den Sohlenbal- len); die Epidermis ist dünn, die Talgdrüsen sehr klein, ihr Sekret feinkörnig, und wenn das Haar etwas grösser ist, umgeben sie dasselbe im Kreis. — In den Sohlenballen lie- gen Schweissdrüsen; das Pigment an demselben Orte ist nicht in der Epidermis abgelagert, sondern in den verzweigten Bindegewebskörperchen der Cutis. Die Zunge scheint nur Papillen von einerlei Art zu be- sitzen, die den Filiformes des Menschen entsprechen: sie gehen in eine oder mehrere Spitzen aus und haben ein sehr 339 starkes Epitel.e. An der Zungenwurzel findet man trauben- förmige Schleimdrüsen. Die Muskelhaut des Schlundes besteht bis zum Magen aus quergestreiften, schmalen (ungefähr 0,004 in der Breite messenden) Primitivbündeln. — Der Cardiatheil des Magens ist ohne Drüsen, im Pylorusabschnitt siebt man lange, schlauch- förmige Labdrüsen. — Im Blindsack des Darmes sind, da die Schleimhaut dünn ist, die Drüsen sehr seicht. In ganz frischen Thieren enthielt dieser Theil ausser den Speiseresten zahllose Mengen von 0,004" langen, lebhaft sich bewegenden Vibrionen. Von den Zotten der Darmschleimhaut, die lang und schmal sind, hob sich leicht das Epitel wie ein Handschubfinger ab, und dann zeigte sich das Bindegewebsstroma der Zotte oft mit resorbirten Fetttröpfchen und Fettklümpchen erfüllt, aber immer ganz unregelmässig, ohne je auf eine gewisse gesetz- mässige Zeichnung von Chylusgefässen hinzuweisen. Die Hardersche Drüse hatte nicht mehr, wie es bei den Vögeln der Fall war, helle Sekretionszellen, sondern diese waren voll von dunkler Molekularmasse. Das dritte Augenlied wird im Innern von einer unregelmässig gestal- teten Knorpelplatte gestützt, deren Zellen sehr fettreich sind. Will macht in seiner Mittheilung über die Pacinischen Körperchen der Vögel (Sitzungsbericht d. kais. Akademie zu Wien. 1850. S. 220) die Bemerkung, dass diese Organe bei den Nagethieren, besonders der Hausmaus und dem Meer- schweinchen, denen der Vögel gleichen. Da die in Rede ste- henden Gebilde bei den Vögeln so sehr von denen der Säuger differiren (vergl. meinen Aufsatz: über d. Vater- Pacinischen Körperchen der Taube, und Kölliker: einige Bemerkungen über d. Pac. Körperchen, Zeitschr. f. wiss. Zoolog. 1853), so habe ich sie von einer jungen Feldmaus aus dem Raume zwi- chen den Vorderarmknochen, wo sie in kleinen Conglomera- ten beisammen liegen, untersucht. Sie sind hier zwar klein, indem sie nur 0,72" Länge hatten, stimmen aber, was den Bau betrifft, vollkommen mit denen anderer Säugethiere überein. Sie bestehen aus homogenen, mit Kernen versehe- 22* 340 nen Bindesubstanzlamellen, zwischen denen Flüssigkeit ent- halten ist. Die sogenannte centrale Höhle wird von einer blass granulären Substanz erfüllt. Es war nicht mehr mög- lich, die Nervenfaser, welche im Stiel des Körperchens dun- kelrandig bis zum Beginn des sogenannten centralen Raumes deutlich zu sehen war, in den letztren hinein zu verfolgen. Mus musculus. Die Zirbel ist klein und sitzt der Hirnhaut fest an. Was ihre Textur angeht, so sieht man ihre granuläre Substanz durch etwas Bindegewebe und den Verlauf der Gefässe, wenn auch nicht sehr scharf, in kugelförmige Abtheilungen geson- dert. Die Masse der leızteren besteht aus gleichmässig gros- sen (0,004) runden Kernen mit Nucleolis, um jede herum lagert ein Hof von feinblasskörniger Substanz. Aus dem Gehirn treten einige dunkelrandige Nerven-Fibrillen in die Zirbel ein. Die Augenmuskeln erinnern in ihrer Textur an manche Fischmuskeln (z. B. der Seitenlinie), da die breiten Primi- tivbündel eine Zusammensetzung von 5—8 aneinander ge- legten „Primitiveylindern“ darbieten, welche die Querstreifung zeigen oder auch nur punktirt sind. Die dünne Ohrmuschel hat ein Knorpelgerüst, das auf den ersten Blick ganz wie Fettgewebe aussieht; erst bei nä- herem Zusehen wird man gewahr, dass man Knorpel vor sich habe, dessen Zellen nur durch ein Minimum homogener Grundsubstanz von einander geschieden sind und grosse Fett- tropfen einschliessen. Die Sekretionszellen der Harderschen Drüse sind ver- schieden gross, stimmen aber alle darin überein, dass sie ausser dem Kern feine Fettpünktehen zum Inhalt haben. Was das Skelet angeht, so sehe ich, dass die Rippen- knorpel und der schwertförmige Fortsatz des Brustbeins von derselben Beschaffenheit sind, wie das Knorpelgerüst der Ohrmuschel: der Knorpel hat sehr wenig Grundsubstanz und die daher dicht beisammen liegenden Zellen besitzen grosse Fetttropfen. Die Gelenkkuorpel, wenigstens des Khniees, sind echte Hyalinknorpel. — Die dünnen Nasenmuscheln las- 341 sen sich frisch, ohne weitere Präparation bequem mikrosko- piren und da zeigt sich, dass in vielen Knochenkörperchen ein Kern deutlich vorhanden ist. Auch an Schnitten eines in Salpetersäure gelegenen Schenkelknochens liess sich in fast allen Körperchen ein kernähnlicher Fleck unterscheiden. Auch ausserdem ist der Bau des Knochens im Verhalten der Ha- vers’schen Kanäle und der lamellösen Grundsubstanz wie beim Menschen. Mus decumanus. Die Lederhaut erhebt sich nicht in Papillen, sondern ihre äussere Contour verläuft höchstens in leichten Wellen- linien, sie hat an den behaarten Stellen (von der Stirn, Brust, Bauch, Schenkel untersucht) ausser den Talgdrüsen keine andren drüsigen Bildungen. Die Epidermis ist an den genannten Stellen sehr dünn. In der Pulpe der Tasthaare erkennt man bei neugebornen Ratten sehr leicht Blutgefässe. Nach Valentin (Physiolog. 2. Aufl.) trägt das Epitel der Plexus choroidei des Gehirns bei den Säugethieren Flim- merhärchen, ich kann für die Ratte dieses nicht bestätigen und will auch gleich beisetzen, dass beim Menschen, wo Valentin an gedachter Stelle ebenfalls Cilien vermuthet, gewiss keine Flimmerung vorhanden ist. Wir hatten hier in Würzburg jüngst Gelegenheit, einen Hingerichteten zu unter- suchen, wo sich fand, dass das Ependyma der Rautengrube des Gehirns wirklich flimmert, aber nirgends das Epitel der Plexus choroidei. Virchow hatte schon früher mitgetheilt, dass beim Kaninchen der vierte Ventrikel flimmere. Bezüglich der Augenlider möchte ich erwähnen, dass nur das dritte Lid, welches klein und schwarz gefärbt ist, einen Knorpel besitzt, aber nicht das obere und untere. (Das Kaninchen hat ebenfalls im dritten Lide ®inen Knorpel von der gleichen auffallenden Beschaffenheit, da die mit Fett erfüllten Zellen sich sehr nahe gerückt sind). Die Meibom- schen Drüsen stellen entwickelte Talgdrüsen' dar, besonders im oberen Lide. Der Kehldeckel und die Stimmbänder haben ein ge- schichtetes Plattenepitel, der übrige Kehlkopf flimmert. 342 Der Cardiatheil des Magens entbehrt der Drüsen und ist von einer ähnlichen consistenten Oberhaut überzogen, wie die Innenfläche des Schlundes, für das freie Auge und mi- kroskopisch erscheint sie wie eine wahre Epidermis; nach Natronlauge erkennt man ihre Zusammensetzung aus anein- ander hängenden platten Zellen. Der Pylorustheil hat die gewöhnlichen schlauchförmigen Labdrüsen. Vom Mesenterium des Darmes wurden grosse Strecken wegen der Nerven durchsucht, aber ich sah keine dunkel- randigen, sondern nur Remak’sche Bündel, die frisch sehr hell waren, aus einer öfter ringförmig eingeschnürten Scheide und einem blassgranulären Inhalt bestanden und nicht wenig den Elementen des Olfactorius glichen. Im Gekröse liegen auch bekanntlich sehr ‚ausgebildete Lymphdrüsen, und zwar trifft man die kleinern, oft nur ' stecknadelknopfgrossen, zunächst dem Darm, davon weg ver- grössern sie sich und verschmelzen nach der Wurzel des Ge- kröses hin zu 11% Zoll Jangen und 3—4'' breiten Drüsen- massen. Die ersten Lymphdrüsen liegen in der Darmwand selber und sind die sogenannten Peyerschen Follikel. Sie stehen entweder vereinzelt (sogenannte solitäre Drüsen) oder sind truppweise zu 9— 10 zusammengehäuft. Das Aus- sehen für das freie Auge sowohl der in der Darmwand an- gebrachten Lymphdrüsen oder jener im Mesenterium liegen- den ist, wenn man sie scharf besieht, gewöhnlich so, dass das Innere der Follikel mehr durchscheinend und hell ist, die Circumferenz aber lebhaft weiss. In anderen Fällen erblickt man. das Innere der Follikel roth gefärbt und das zwischen den Follikeln befindliche interstitielle Gewebe dennoch milch- weiss. Da man gar nicht selten auch die Chylusgefässe ganz mit milchigem Inhalte erfüllt trifft, so lässt sich schon mit freiem Auge, indem man dieselben nach den Lymphdrüsen verfolgt, wahrnehmen, wie sie sich nur zwischen die Follikel vertheilen und damit die erwähnte weisse Farbe der Inter- stitien hervorrufen. Im leeren Zustande der Chylusgefässe sind auch die Lymphdrüsen von einfach grauweissem Aus- sehen. Sucht man durch dıe mikroskopische Untersuchung 345 sich weiter über das Verhalten der Chylusgefässe zu den Follikeln aufzuklären, so sieht man an den Peyer'schen Hau- fen, dass der Chylus, dessen weisse Farbe von. intensive Molekularbewegung zeigenden Fettmolekülen herrührt, nur in den kleinen und mit einander zusammenhängenden Räumen der Follikelwand enthalten ist. Letztre ist. Bindesubstanz und hängt mit dem Bindegewebsstratum der Schleimhaut eon- tinuirlich zusammen. Es haben daher diese Chylusgefässe so wenig wie in den Zotten eigene Wandungen, sondern sind blosse Interstitien. Mikroskopirt man aber die starken im Mesenterium vom Darm zu den Lymphdrüsen laufenden Chy- lusgefässe, so zeigen sie den Bau von dünnwandigen Blut- gefässen, ich unterscheide eine äussere Bindegewebslage, dann eine, wenn auch nicht dieke Ringmuskelhaut, endlich eine homogene Tunica elastica. Nähert sich das Chylusgefäss einer Lymphdrüse, so zertheilt sie sich in dünnere Aeste und diese verlieren sich continuirlich in. das zwischen den Drüsenfollikeln befindliche Bindegewebe so, dass nichts mehr von distinkten Chylusgefässen übrig bleibt, vielmehr füllt jetzt der weisse Chylus die feinen, mit einander communieirenden Hohlräume des Bindegewebes wieder in gleicher Weise an, wie es in den Peyer’schen Drüsen des Darms der Fall war. In den Follikeln selber bemerkte ich nie eingedrungenen (weissen) Ohylus; der Inhalt der letztren war vielmehr immer die bekannte farblose. Körner- und Zellenmasse (Lymphkör- perchen) und dazwischen verbreiten sich feine (meist 0,004 messende) Capillargefässe, die, wenn sie voll Blut waren, das Innere des Follikels für das freie Auge roth erscheinen Jlies- sen. Nach diesem Befund ist es sehr wahrscheinlich, dass der Obylus nur in den Follikelwänden weiter zieht, und höchstens der Liquor Chyli in die Follikel selber eintreten kann. Ich habe hier in kurzen, Worten geschildert, was ich ge- schen habe, da das geringe Material, auf das ich mich stütze, mir nicht erlaubt auf die wichtigen Arbeiten, welche in neuerer Zeit vonBrücke, Kölliker, Donders n. A. über den Bau der Lymphdrüsen veröffentlicht wurden, kritisch einzugehen. 344 Die Leber scheint äusserst wenig Bindesubstanz zum inneren Gerüst zu haben, ja an getrockneten Leberstückchen begrenzen die Gefässcapillaren unmittelbar die Zellennetze. Die Leberzellen haben ausser dem Kern einen granulirten, blassen Inhalt, aber auch Fetttröpfehen von verschiedener Grösse. In neugeborenen Ratten sind die Leberzellen sehr fettreich. Der Uterus hat zwei Muskelschichten, eine äussre, die längs, und eine innre, die quer verläuft. Die Schleimhaut ist ohne Drüsen, zeigt aber eine sehr entwickelte Fältchenbildung, so dass man allerdings von etwas liberalerem Standpunkte aus die Räume zwischen den Falten als colossale Drüsen ansprechen könnte. (Macht man von einem trächtigen Uterus, den man getrocknet hat, feine senkrechte Schnitte durch den Uterus und die Placenta, so lässt sich klar sehen, dass der Mutterkuchen lediglich durch sehr ausgedehnte Faltenbildung sowohl von Seite der Uterusschleimhaut als auch des Cho- rions gebildet wird. Die Falten greifen gegenseitig innig in- einander). Bezüglich der Struktur der Eierstöcke möchte ich an- führen, dass in den Follikeln kein Liquor sichtbar ist, son- dern bloss die Zellen, welche die Membrana granulosa vor- stellen und das Ei. In letztrem ist der Dotter sehr blass und feinkörnig, der Keimfleck aber hat ein fetttropfenähn- liches Aussehen, ist das Keimbläschen geplatzt und zusam- mengefaltet, so lässt sich häufig wahrnehmen, wie der Keim- fleck durch einen Stiel der Wand des Keimbläschens anhängt. Untersucht man den Eierstock von neugeborenen Ratten, so bietet er ein Bild dar, welches in gewisser Beziehung der Thyreoidea sehr ähnlich ist; man sieht geschlossene Blasen, angefüllt mit Zellen, und zwar sind die Zellen in den jüng- sten Blasen alle von gleicher Grösse, in weiter vorgeschrit- tenen macht sich eine Zelle bemerklich, die grösser ist als die übrigen, und wie der Vergleich mit andren Folllikeln lehrt, zum Keimbläschen wird, indem sich um sie herum Dotter- substanz absetzt, die zuletzt durch eine festere Eiweissschicht (Zona pellucida) sich zum selbständigen Ei umgestaltet, wäh- 345 rend die andren Zellen des Follikels zur Membrana granu- losa werden. UeberdenfeinernBaudesGubernaculum Hunteri lauten die Angaben etwas verschieden. Ich habe dasselbe von einem 15" langen Embryo untersucht: es hatte aussen ein Epitel, das Bindegewebe des Organs war noch von stark gallertiger Beschaffenheit, die Hauptmasse im Innern bestand aus quer- gestreiften Muskelbündeln, die alle nach der Länge verliefen. Die Milehdrüsen sind auch beim männlichen Thier ziemlich gross und von gelblicher Farbe. Talpa europaea. Da der Rüssel dieses Thieres mit als ein Tastwerkzeug betrachtet werden kann, so habe ich nach Wagner’schen Tastkörperchen gesucht, aber keine wahrgenommen; die zahl- reichen Nervenbündel scheinen einfach für sich zu enden. Auch will ich gleich beisetzen, dass ich Pacinische Körper- chen weder im Mittelraum der Unterschenkelknochen, noch in der Fussfläche finden konnte. Nicht minder mangeln am letzten Orte die Schweissdrüsen. Der Schlund hat bis zum Magen quergestreifte Muskeln. — Bezüglich der Drüsen der Darmschleimhaut erscheint bemerkenswerth, dass die Brunner’schen Drüsen nur den unmittelbaren Anfang des Duodenum besetzt halten und hier einen für das freie Auge gelbweissen Ring bilden. Nach ihrem Bau sind es trauben- förmige Drüsen; ihre Sekretionszellen haben abweichend von denen des Menschen einen dunklen feinmolekulären Inhalt, woher die angegebene Farbe rührt. Die Milz ist verhältnissmässig sehr gross, da sie 2 Zoll Länge und 7 Linien im breitesten Durchmesser hat und auch ihr Aussehen ist auffallend, insofern in einer grauweis- sen Masse lebhaft rothe Inseln bleiben, Betrachtet man die Durchschnittsfläche, so gewahrt man, dass die grauweisse Masse in dendritischer Form und zahlreiche Aussackungen bildend, die rothe Pulpe durchzieht. Die Lymphdrüsen der Bauchhöhle sind grauweiss, an der Luftröhre röthlich, oder genauer genommen, es sind die 346 Follikeln röthlich und das Gewebe dazwischen von grauweis- ser Farbe. Nach Treviranus sind die Eierstöcke des Maulwurfes durch eine Einschnürung in zwei Hälften getheilt, die grössre ist sehr gefässreich und die kleinere den Fimbrien zunächst liegend, ist von blässrer Färbung und zeigt unter der Lupe drüsenähnliche Körperchen. An den Exemplaren, die ich (im Juni) 'zergliederte, war diese Scheidung nicht vorhanden, sondern der rundliche, 2 im Durchmesser haltende Eierstock war äusserlich und innerlich von gleichmässiger Beschaffen- heit und gelblicher Farbe. Bei der mikroskopischen Unter- suchung bestand er fast ausschliesslich aus dicht gehäuften Fettkörnchen und nur mit Mühe liessen sich follikelähnliche Blasen da und dort unterscheiden. Sie waren 0,004“ bis höchstens 0,0180 gross und angefüllt mit hellen Zellen; wirkliche primitive Eier konnten nicht nachgewiesen werden. Es schien der Eierstock eine vollständig rückwärts gehende Metamorphose eingeleitet zu haben. Die Uterusschleimhaut hat keine Drüsen, aber im Bileiter sieht man seichte Drüsensäckchen, die wieder durch allgemeine Hüllen zu Gruppen vereinigt sind. Von Interesse war die Untersuchung des Auges, in wel- chen vor Jahren schon Treviranus alle wichtigen Theile gefunden hatte. Die Sklerotika ist dünn und besteht aus Bindesubstanz, die Choroidea hat die Pigmentlage, an der Retina aber vermisse ich die Stäbchenschicht, indem sie nur Körner zeigt. Eigenthümlich verhält sich die Linse: sie ist nicht aus Fasern zusammengesetzt, sondern den Inhalt ihrer Kapseln machen lediglich Zellen aus. Diese sind im frischen Zustande äussers pellucid, von derselben Natur wie die Epi- telzellen an der Innenfläche der Linse andrer Wirbelthiere, 0,007 — 0,010" gross und es is kaum etwas von einem Kern wahrzunehmen. Setzt man indessen Essigsäure zu, So gewinnen nieht nur die Contouren der Zellen an Schärfe, es kommt jetzt auch in jeder Zelle ein deutlicher 0,003 grosser Kern zum Vorschein. Die Zellen erinnern dann sehr an junge Epidermiszellen, sowie überhaupt die ganze geschilderte Textur 347 auf einen embryonalen Zustand hinweist. — Die Talgdrüsen der verdünnten äussren Haut am Auge haben durch besondre Entwickelung den Charakter von Meibom’schen Drüsen angenommen. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Ein Kästchen des Schwanzorganes von Raja, nach der Länge durchsehnitten und bei etwa 20maliger Vergrösserung. a Ge- wöhnliches Bindegewebe, die Wand des Kästchens bildend, 5b der Gallertkern im Innern, e die knorpelähnliche Umhüllung desselben, d der im Gallertkern sich verzweigende Nerv. Fig. 2. Ein kleines Stückchen des Gallertkernes, bei starker Ver- grösserung, um die Endvertheilungen an drei Nervenfibrillen zu zeigen. Fig. 3. Ein kleiner Theil von der knorpelähnlichen Kappe (c auf Fig. 1) des Gallertkernes, stark vergrössert: a die Areolen, b die feingestrichelte Grundsubstanz, ce die in letztre eingestreuten (Knor- pel-) Zellen. Fig. 4 Aus dem Mesenterium von Trigla hirundo (geringe Ver- grösserung: a Blutgefäss, b drüsige Scheide desselben, ce Fettzellen. Fig. 5. Ein kleines Stück des vorhergehenden Objektes bei star- ker Vergrösserung: a das eingeschlossene Blutgefäss, b die einschlies- sende Lymphdrüsenmasse. Fig. 6. Eierstocksei, sehr junges, von Trigla hirundo: a Eier- stocksfollikel mit dem Epitel an der innren Fläche, b Eiweissschicht, e der sich stielartig verlängernde Dotter. Fig. 7. Von der Innenfläche des Eierstockes der Holothuria tu- bulosa (starke Vergrösserung): a die Buckel, welche durch die knos- penden Eier entstehen, b ein schon ziemlich reifes Ei, das dem sich Abschnüren nahe ist. Fig. 8. Ein abgelöstes Ei desselben Thieres: a die mit Kernen versehene äusserste Haut, welche nichts andres ist, als die bleibende Follikelhaut des Eierstocks, b die radiirte Eiweissschicht darunter, e die innere Grenzlage der letztren, welche zur Dotterhaut erhärtet ist und den Eikanal bildet. Fig. 9. Ein ebensolches Ei, von welchem die Follikelhaut («a der vorigen Figur) abgestreift ist. Fig. 10. Drei Eier aus dem Eierstock von Venus decussata: a Dotterhaut, die sich halsartig auszieht, b dicke Eiweissschicht um dieselbe, c eine leere Dotterhaut, d Stroma des Eierstockes. Fig. 11 zeigt die Entwicklung der Eier von Venus decussata, a Dotterhaut, b Eiweissschicht. 348 Fig. 12. Das blinde Ende eines Hodenschlauches von demselben Thier: « die in Längszügen geordneten Samenkörperchen. Fig. 13. Ein isolirtes Samenkörperchen von ebendaher. Fig. 14. Der Fuss mit dem Byssus von Lithodomus lithophagus in natürlicher Grösse. a Die drüsigen Wülste. Fig. 15. Ein Stückehen der Byssusdrüsen (a der vorhergehenden Figur) bei starker Vergrösserung. Fig. 16. Capillargefässe von Sepiola. Fig. 17. Bau eines stärkren Blutgefässes von Sepiola: a Elasti- sche Tunica intima, 5b aus Ringmuskeln bestehende Media, 5 binde- gewebige Tunica adventitia (Lymphgefäss). Fig. 18. Muskelprimitiveylinder: a Von Sepiola aus den Kiemen, b vom Schlundkopf der Sepiola, c aus der Hautmuskulatur der Holo- thuria tubulosa, d und e von Echinus esculentus; in d ist der Cylin- der rein homogen, von zarter Hülle umgeben, bei e hat er sich in keilförmige Stücke gesondert. Fig. 19. Bindegewebe von Echinus esculentus, im frischen Zustande. Fig. 20. Dasselbe Gewebe nach Behandlung mit Essigsäure. a die homogene Grundsubstanz, b die Bindegewebskörperchen. Fig. 21, Einige Formen von Kalkkörperchen aus der Haut der Holothuria tubulosa. 349 Ueber die Psorospermien. Von N. LIEBERKÜHN. (Fortsetzung ) (Hierzu Tafel XIV.) Auf der Schleimhaut der Harnblase mancher Hechte sitzen eine grosse Menge eylindrischer, kolbenförmiger und äusserst unregelmässig gestalteter Körperchen auf, welche aus der sogenannten Sarkode, vielen fettähnlichen Kügelchen und ei- nem gelbrothen Pigment bestehen. An dem der Epithelium- schicht zunächst liegenden Theil finden sich zackige, blättrige, gewöhnlich körnchenfreie, farblose Fortsätze von verschie- dener Länge und Breite; der entgegengesetzte in die Blase frei endigende enthält meistens die Körnchen und das Pig- ment am reichlichsten und ist in der Regel abgerundet. Die beim Eröffnen der Blase mit dem Urin fortschwimmenden Körperchen verhalten sich theils ebenso wie die beschriebenen, theils weichen sie davon ab; sie sind nämlich auch kugelför- mig und oval und nicht mit Fortsätzen versehen. Die Grösse ist verschieden, der grösste Längsdurchmesser eines grossen kolbenförmigen betrug etwa !/', der grösste Querdurchmesser '/4''; die kleinsten kommen kaum den rothen Blutkörperchen des Hechtes gleich. In einzelnen Harnblasen findet man unter ihnen solche, welche zu einem kleinern oder grössern Theil aus farblosen, diaphanen Kügelchen bestehen, deren jede zwei sich ihrer ganzen Länge nach berührende Psorosper- mien in sich enthält. Diese Psorospermien sind spindelför- mig, an beiden Enden scharf zusgespitzt, und haben einen Längsdurchmesser von etwa Ns" und einen grössten Quer- 350 durchmesser von ungefähr '/,0”'; in jeder Spitze ist in der Regel ein farbloses Kügelchen gelegen; bisweilen ist nur die eine Spitze mit einem solchen versehen, äusserst selten treten beide der Mitte näher; sonst entdeckt man Nichts von Struc- tur in ihrem Innern. Nicht in allen Kugeln des Psorosper- mienbehälters sind die beiden Psorospermien so deutlich vor- handen; in einigen sieht man nur die vier diaphanen Kügel- chen, welche den Spitzen des Psorosperms eigenthümlich sind, in andern findet sich auch von diesen kaum eine An- deutung und in wieder andern fehlen sie gänzlich. Es kom- men Psorospermienbehälter vor, welche nur aus freien, nicht in Bläschen eingeschlossenen Psorospermien bestehen. Oft ist dies schon ohne Anwendung von Druck zu erkennen, in andern Fällen muss der Behälter erst zerdrückt werden, Weder an den Psorospermienbehältern noch an den andern körnchenhaltigen Körperchen ist es mir jemals gelungen, eine Umhüllungsmembran zu isoliren. Als ich Herrn Dr. G. Meissner bei seiner Anwesenheit in Berlin von den be- schriebenen Beobachtungen mittheilte, sagte mir derselbe, dass auch er auf dem Schleimhaut- Epithelium der Harnblase des Hechtes kolbenförmige gelbrothe Körperchen gefunden habe, die jedoch niemals Psorospermien, sondern öfters Hä- matoidinkrystalle enthalten hätten. Mir war bis dahin diese Erscheinung noch nicht vorgekommen und konnte ich des- halb nicht die Identität der von uns gesehenen Körperchen behaupten; gegenwärtig ist es mir aber gelungen, Krystalle darin aufzufinden, welche in Form und Farbe mit den von Virchow als Hämatoidinkrystalle beschriebenen vollkommen übereinstimmen; sie sind schiefe rhombische Säulen von ru- binrother Farbe, durchsichtig und das Licht stark brechend; sie kommen sowohl einzeln als auch in grössern Häufchen vor. Herr Meissner hat bereits die hauptsächlichsten Re- actionen vorgenommen und keine Abweichung von denen Virehow’s bemerkt. Bewegungen habe ich an den Psorospermienbehältern niemals wahrgenommen. Sie lassen oft eine sarkodenartige Substanz in Form von Stacheln und Tropfen austreten, wel- sl che keine körnigen Bestandtheile einschliessen. An den kör- nerhaltigen Körperchen habe ich dagegen öfters Bewegungen entdeckt. Sie gehen äusserst langsam vor sich, indem der Körper sich allmählig eontrahirt, so wird z. B. ein kolben- förmiger etwa um ein Drittel seiner Längsaxe kürzer und in dem Querdurchmesser entsprechend breiter, ein kugeliger geht in den ellipsoidischen über und dieser wieder in jenen zurück. Bisweilen schiebt sich auch ein Theil der Substanz vor und wird allmählig wieder eingezogen; dies erinnert auf- fallend an die Bewegungen mancher Amöben, welche ebenso träge ausgeführt werden, und an die gewisser Gregarinen des Regenwurmes. In den Exemplaren, welche wenig kör- nigen Inhalt besitzen, sieht man hier und da auch Vacuolen, welche jedoch weder in bestimmter Zahl noch an bestimmten Orten wiederkehren; rhythmische Contractionen habe ich an ihnen nicht beobachtet. Die kleinern Individuen fand ich oft auf der Körperoberfläche von dem in der Harnblase gleich- falls vorkommenden Distoma folium aufsitzen, auch auf den Psorospermien- und Körnchenbehältern selbst kommen sie vor und hängen bisweilen damit so fest zusammen, dass es schwer gelingt, sie davon loszutrennen; einige von ihnen ent- hielten Psorospermien in sich, jedoch kann ieh nicht behaup- ten, ob dieselben darin gebildet oder von aussen hineinge- kommen waren, da es mir nicht gelang, dergleichen Exem- plare in Bewegung zn sehen. Einen Kern, wie er gewöhnlich bei den Gregarinen vor- kommt, habe ich bei allen Formen der besprochenen Kör- perchen vergebens gesucht; bisweilen entdeckt man bei den grösseren ein sphärisches Gebilde, es erwies sich aber noch immer als ein einzelnes Bläschen mit zwei deutlichen Pso- rospermien oder deren Andeutung. Ebenso wenig ist es mir jemals gelungen, zwei Exemplare von etwa gleicher Grösse zusammenhängend zu beobachten, wie das bei den Grega- rinen der Regenwürmer häufig ist. Die Psorospermienbehälter weichen weder in ihrer Grösse noch in ihrer äussern Form von den Körnchenbehältern und den sich nicht gerade bewegen- den 'Thieren ab. Auch habe ich bei keinem der Körperchen 352 jemals eine Cystenmembran auffinden können. Die einge- schlossenen Körnchen sind sehr verschieden gross; viele sind für unsere gebräuchlichen Apparate unmessbar klein, andere dagegen sind etwa halb so gross, wie die Blutkörperchen des Hechtes, und zeigen solche meist eine gelbrothe Farbe; es muss dahingestellt bleiben, ob beide ein und dieselbe Be- deutung haben. Eine andere Form der gregarinenartigen Gebilde fand ich zu wiederholten Malen in der Harnblase von Gadus lota. Unter fünf Exemplaren enthielt gewöhnlich eins dieselben. Es sind Sarkodenstücke von sphärischer, ellipsoidischer, selten unregelmässiger Gestalt, die hie und da feine fettähnliche Körnchen eingestreut enthalten; sie bewegen sich äusserst langsam, indem sie einen Theil der Körpersubstanz vorschie- ben und wieder einziehen; bei vielen entdeckt man indessen keine Bewegung. Manche waren anscheinend vollständig frei von Fettkörnchen und gewährten den Anblick von einem Haufen reiner Sarkode. Einige solcher Haufen liessen in ih- rem Innern eine grosse Menge gallertiger Kügelchen erken- nen, welche keine Spur von Struktur zeigten; andere ent- hielten theils dieselben Kügelchen, theils ähnliche von gleicher Grösse, aber mit einem deutlichen Inhalt; dieser bestand näm- lich aus vier mit den Spitzen gegen einander gelagerten Kör- perchen, wie deren zwei in den bekannten Formen der Pso- rospermien der Fische vorkommen; in manchen Kügelchen fand sich hiervon nur eine schwache Andeutung; bisweilen waren auch zwei solcher Kügelchen von einer gemeinsamen strukturlosen Hülle eingeschlossen. Nebenher kamen ausge- bildete Psorospermien theils in Haufen, welche von einer schleimartigen Substanz zusammengehalten wurden, theils einzeln vor. Sie hatten scharfe Contouren, waren beinahe kugelförmig, nur an einer Stelle liefen sie in eine Spitze aus; gegen diese convergirten im Innern die vier ovalen zugespitz- ten bläschenartigen Körperchen. Es stimmt diese. Form der Psorospermien auffallend mit der von Leydig in der Gal- lenblase einiger Seefische beobachteten überein; die Gebilde, in denen sie entstehen, weichen jedoch insofern ab, als 355 Leydig eine deutliche Umhüllungsmembran an ihnen be- schreibt, und die einzelnen in der körnigen Masse liegenden Psorospermien von erheblich grössern Bläschen umgeben waren. Die grössten gregarinenartigen Gebilde dieses Fisches maassen im grössten Durchmesser '%,'', die kleinsten errei- chen ungefähr die Grösse der Blutkörperchen. Aus meinen frühern Untersuchungen geht hervor, dass die Entstehung der Psorospermien, welche an den Kiemen der Fische ge- funden werden, der eben beschriebenen analog ist. Es finden sich z.B. an den Kiemen vom Barsch häufig körnchenhaltige Haufen von sarkodenartiger Substanz, welche mit denen der Harnblase eine grosse Aehnlichkeit haben; sie sitzen in den mannigfaltigsten Formen den Kiemen auf, eiförmig, linsen- förmig, baumförmig verzweigt, und sind sehr verschieden gross von !/, bis !1/,,“ im grössten Durchmesser; bei vielen Exemplaren sah ich stets nur die kleinsten Formen; die ganze Substanz erscheint bisweilen in eine grosse Anzahl Kugeln zerfallen, die theils je zwei ausgebildete Psorosper- mien, theils nur die Andeutungen derselben durch die bläs- chenartigen Gebilde enthalten. Einige der körnchenhaltigen Körperchen sind von einer strukturlosen Cystenmembran um- hüllt, andere nicht, während die entsprechenden Gebilde der Harnblase niemals eine solche zeigten. Um einen vollständigen Entwicklungseyelus der Form nach zu gewinnen, fehlt noch ein Moment, nämlich die weitere Veränderung der Psorospermien selbst. Wie ich schon früher mittheilte, fanden sich in einer und derselben Psorospermien- eyste von cyprinus linca ausser den Psorospermien amöben- artige Körperchen und die beiden bläschenartigen Gebilde nebst leeren Psorospermienschaalen vor. Es liess sich aus diesen Thatsachen der genauere Zusammenhang noch nicht feststellen, in welchem die amöbenartigen Körperchen mit den Psorospermien stehen. Durch folgende Beobachtungen ist derselbe ohne Weiteres klar. In der Bauchhöhle eines klei- nen Exemplars von gobio fluviatilis lagen zwischen der Schwimmblase und den Nieren fünf beinahe sphärische Cysten Müller's Archiv. 1864. 23 354 von etwa 1/0 im Durchmesser, welche ich unversehrt her- auspräpariren konnte. Beim Zerdrücken zeigten sich in ihnen folgende Objekte: ungeschwänzte Psorospermien, leere Um- hüllungshäute derselben, freie bläschenartige Gebilde, wie sie stets in den Psorospermien von cyprinus tinca erscheinen, amöbenartige Körperehen mit deutlicher Bewegung. Während ich mit der Beobachtung dieser Gegenstände beschäftigt war, sah ich zu wiederholten Malen ein Psorosperm aufplatzen und zwar so, dass die beiden Hälften der Schaale in Form von Uhrgläschen sich zur Seite legten, indem in jeder derselben ein bläschenartiges Gebilde hängen blieb; in dem Augenblick des Aufplatzens kroch ein amöbenartiges Körperchen heraus, bildete stumpfe Fortsätze und bewegte sich dabei langsam über das Sehfeld. Das Körperehen war diaphan, ohne jede nachweisbare Struktur, und frei von fettähnlichen Körnchen. Die beiden bläschenartigen Gebilde des Psorosperms zeigten niemals eine Spur von Bewegung, und konnte ich an den frei in den Cysten vorkommenden auch niemals eine weitere Ent- wicklungsstufe entdecken. Meist gelingt es nicht, das amö- benartige Körperchen schon innerhalb des Psorosperms selbst zu sehen, bisweilen ist es jedoch deutlich, wie dies auch bereits aus einer Abbildung zu entnehmen ist, welche Joh. Müller zu seiner Abhandlung über die Psorospermien gegeben hat. Die Grösse der auskriechenden amöbenartigen Körper- chen stimmt mit der der kleinern farblosen Blutkörperchen desselben Fisches überein. Was die psorospermartigen Gebilde des Stichlings betrifft, deren ich schon in meiner vorigen Arbeit mit einigen Worten gedacht habe, so ist es mir gegenwärtig gelungen, die zur Kenntniss ihrer Entwieklungsgeschiehte erforderlichen Beob- achtungen anzustellen. Nachdem ich im Laufe des verflos- senen Herbstes und Winters mehrere Tausend Exemplare von gasterosteus vergeblich auf jene Körperehen untersucht hatte, fand ich sie zuerst im März dieses Jahres in grosser Menge wieder. Von den durch Gluge entdeckten Cysten vermag ich bis jetzt keine Aufklärung zu geben, als die, dass sie von den hier zu besprechenden durchaus verschieden sind. 355 Letztere fand ich häufig zu dreissig und mehrern auf der Haut, den Flossen, der Cornea vertheilt; einige hatten wie ein Stäbehen die Flosse durchbohrt und schwebten mit ihren beiden Enden frei im Wasser, andere lagen der ganzen Länge nach der Haut eng an, wieder andere waren zu einer Seite unbefestigt; einzelne Fische waren an ihrem Schwanzende so damit übersäet, dass von den Schuppen kaum Etwas durch- schimmerte. Ihre gewöhnliche Form ist die eylindrische, sel- ten sind ellipsoidische oder sphärische. Sie fallen sogleich beim Anblick des Fisches in die Augen; die Länge der stäb- chenförmigen beträgt 14 bis 1", der grösste Durchmesser eines Querschnittes etwa 1/4 und mehr. Die Membran der Cyste ist deutlich sichtbar und bekommt man sie beim Ab- streifen der letztern mittels eines Messers leicht zur Unter- suchung; eine Struktur konnte ich an ihr nicht entdecken. Der Inhalt bietet grosse Verschiedenheiten dar. In einigen fand ich Nichts wie eine eiweisartige Substanz, in der fett- ähnliche Körnchen in grossen Massen suspendirt waren; die- selben waren kugelig und maassen 0,001’; wenn man sie längere Zeit unter dem Deckgläschen hin- und herbewegte, so flossen viele von ihnen zu grössern öligen Tropfen zusam- men. Andere Öysten bargen theils diese, theils viel kleinere, aber im Aussehen gleiche Körnchen. In wieder andern Cy- sten hatte sich die kleinere Art der Körnchen mit schleim- artiger Substanz zu Kügelchen vereinigt; manche von diesen zeichneten sich durch ein erheblich grösseres fettartiges Körn- chen aus, welches mitten inne zwischen den kleinern lag und oft eine unregelmässige Gestalt hatte. Dies war in noch an- dern um das doppelte, ja dreifache grösser und fehlten dann die kleinern Körnehen meist gänzlich; auch hatte das ganze Psorosperm eine verhältnissmässig grössere Ausdehnung. Der Durchmesser eines solchen Gebildes betrug 0,008’, des Kernes 0,005', der feinen Körnchen etwa 0,0007". In den grössten begannen sich von Neuem Körnchen zu zeigen, und sah es bisweilen aus, als lösten sie sich von dem Kern ab. Der Ausdruck Kern hat hier weiter keine Bedeutung, als die er durch die Untersuchung erhält. Einige Male konnte ich 23° 356 denselben isolirt beobachten, indem aus einer unbekannten Ursache die Umhüllung geplatzt und ihr Inhalt herausgedrängt wär. Er zeigte Nichts, was man nicht auch innerhalb der Schaale sehen konnte; wenn die Psorospermien auf dem Deck- glase eintrocknen, so nimmt er ein ganz anderes Lichtbre- chungsvermögen an, indem die scharfen Contouren schwinden und auch nicht wiederkehren, wenn man von Neuem Wasser hinzusetzt. Zuweilen fand ich auch in frischen Cysten solche Kerne von schwächern Brechungsvermögen innerhalb der kleinern Psorospermien; sie waren sehr verschieden gross und öfters gleichzeitig Körnchen vorhanden, öfters fehlten solche. Um die fernern Veränderungen des Cysteninhaltes kennen zu lernen, erhielt ich jetzt eine Anzahl mit Cysten versehener Fische einige Wochen lebend im Zimmer. Augen- scheinlich nahmen die dünnen Cysten an Umfang zu und ent- hielten alsdann solche in der Regel nur die grössten Formen der Psorospermien. Mehrere Fische verloren ihren Cysten- inhalt vollständig. In einer wie es schien etwa zur Hälfte entleerten Cyste zeigte mir die mikroskopische Untersuchung folgende Gegenstände: 1) die grösste Form der Psorosper- mien mit einem Kern von 0,005“ im Durchmesser und mit vielen der kleinsten Körnchen versehen; 2) die grösste Form der Psorospermien mit weit kleinerm Kern, nämlich von 0,003” im Durchmesser und mit einer viel grössern Menge der kleinsten Körnchen angefüllt; 3) Körperchen von dersel- ben Grösse, mit demselben auffallenden Kern, mit denselben Körnchen, aber mit weit weniger hervortretender Umhüllungs- membran; 4) Körperchen derselben Art, ohne nachweisbare Umhüllungsmembran, langsam einen Theil der Körpersub- stanz vorschiebend und wieder zurückziehend, wodurch we- sentliche Gestaltveränderungen zu Stande kamen; 5) Körper- chen mit allen diesen Eigenschaften, auch ebensolchem Kern versehen, aber von noch einmal so grossem Durchmesser. Um zu entscheiden, ob die beschriebenen Gebilde viel- leicht im Organismus der Fische vorkommen und im Früh- ling zur Fortpflanzung auf die äussere Haut wandern, unter- suchte ich die einzelnen Theile desselben der Reihe nach. 357 Im Blut fand ich zwar sich bewegende farblose Körperchen, sie stimmten aber nicht mit den besprochenen überein, son- dern vielmehr mit den aus den Psorospermien stammenden körner- und kernlosen. Und wirklich entdeckte ich denn auch in den Nieren des gasterosteus Behälter mit geschwänz- ten Psorospermien und den verschiedenen Entwicklungsstufen derselben, gerade wie sie an den Kiemen der Heehte vor- kommen. Da die Cysten auf der Haut der Stichlinge oft in so grossen Mengen aufsitzen, dass die Substanz derselben einen nicht unbedeutenden Bruchtheil von der des ganzen Fisches ausmacht, so würden sie mir bei meinen häufigen Nachforschungen wohl schwerlich entgangen sein, wenn sie innerhalb des Fischkörpers vorkämen. Alles spricht vielmehr fär die Annahme, dass gewisse Thiere der Gewässer im Frühling sich auf der Haut der Stichlinge festsetzen, von einer Cystenmembran umhüllt werden und zur Fortpflanzung in die psorospermartigen Gebilde zerfallen. Es wären dies Thiere, welche aus einer schleimartigen Substanz mit vielen eingestreuten fettähnlichen Körnchen bestehen und bis zu 1" lang und etwa '/,"' dick werden. Die fettähnlichen Körnchen werden zur Fortpflanzung verwandt; sie zerfallen zunächst in kleinere Theile und bilden alsdann mit einer gewissen Quantität der strukturlosen Substanz ein Kügelehen, welches schon den Embryo des neuen Wesens ausmacht. Dieser wächst allmählig, eines der Körnchen nimmt fortdauernd an Grösse zu und die übrigen verschwinden. Dann schreitet das Wachsthum noch eine Zeit lang vorwärts, bis sich von Neuem wieder Körnchen zeigen, welche auf Kosten des nu- eleus zunehmen; die vorher deutliche Umhüllungsmembran wird anscheinend dünner oder verschwindet ganz, und es ist #0 ein Körperchen entstanden, welches aus einer schleim- artigen Masse mit vielen eingestreuten kleinen Körnchen und einem nur wenig grössern Kern besteht, ein Körperchen, welches bewegungsfähig ist und wächst. Diese Entstehungsweise ist so eigenthümlich, dass wir schon deshalb solche Gebilde wohl nicht zu den Gregarinen zählen dürfen. Dort entstanden in dem Psorospern bewe- 358 gungsfähige Körperchen, hier wird das Psorosperm selbst ein solches. Aber unter welche bekannte Thierform würde die besprochene untergeordnet werden müssen, wenn dies allein mit Hülfe der gegebenen Merkmale geschehen sollte? Die Grösse, die Formlosigkeit, das Vorkommen im Wasser, die Bedeutung der Körnchen für den Fortpflanzungsakt, der beob- achtete Jugendzustand: Alles dies gestattet wohl gegründete Vermuthungen, aber noch keine sichere Erkenntniss. Es steht fest, dass die Amöben fremde Körperchen von aussen aufnehmen können, mögen dieselben der Körpersubstanz as- similirt werden oder nicht, in den körnchenhaltigen Cysten habe ich bis jetzt vergeblich nach solchen Körpern gesucht. Eine lebende Amöbe, welche sich etwa gerade zur Einleitung der Vermehrung auf einen Stichling festgesetzt hätte, habe ich auch noch nicht gefunden, und zu dem Versuche, eine solche dazu zu veranlassen, fehlte mir bisher das Material. Ob das Leben im Wasser auch bei den Gregarinen vorkommt, ist jedenfalls noch fraglich; es könnte wohl sein, dass die Thiere, welche den grossen Massen von Psorospermien der Fischkiemen das Dasein geben, meist im Wasser zubringen und sich erst zur Einleitung der Fortpflanzung an den Kie- men festsetzen. Ueber vieles Dunkle auf diesem Gebiete ver- spricht eine Untersuchung Licht zu verbreiten, welche ich über die in den Süsswasserschwämmen vorkommenden thie- rischen Gebilde begonnen habe; ich fand in diesen psoro- spermartige Formationen in kleinen und grössern kugeligen Haufen, amöbenartige Körperchen von derselben Grösse und mit ebensolchen Körnchen, welche Fortsätze in mannigfalti- gen Formen vorstreckten und Farbstoffe aufnahmen, endlich viel grössere Gebilde, welche gleichzeitig feine Körnchen und psorospermartige Bildungen enthielten und ausserdem Bewegungen zeigten, wie die Amöben. Die vorstehenden Untersuchungen über die gregarinen- artigen Thiere bieten eine Reihe von Formen dar, welche sich leicht in einem vollständigen Entwicklungseyclus vorstel- len lassen. Es geht aus einem Psorosperm ein amöbenarti- ges Körperchen hervor, wächst allmählig und eine feine im- mer reiehlicher werdende Körnchenmasse bildet sich in ihm aus. Die Bewegungsfähigkeit erlischt nach unbekannter Zeit, und es erscheint als eine starre mannigfaltig geformte Sub- stanz. Indem nun die Körnchen noch verbleiben oder auch allmählig verschwinden, theilt sich die ganze Masse oder erst ein Theil derselben und später das Uebrige in viele gelati- nöse Kügelchen. In jedem Kügelchen entwickeln sich wahr- nehmbar die eigenthümlichen bläschenartigen Formationen der Psorospermien entweder für zwei oder für eins, je nach der Art des Thiers, und unbemerkt amöbenartige Körper- chen, deren Existenz man in der Regel erst gewahr wird, wenn die gleichzeitig entstandene Hülle wieder platzt. Was in der Bauchhöhle des Regenwurms ausserhalb dem Darmkanal mit den Gregarinen vorgeht: ein Analogon sieht man hier in der Harnblase geschehen. Es ist nun die Frage, gehören diese Gebilde zu den Gregarinen oder zu einer an- dern Gruppe von Geschöpfen? Was zu dem Wesen einer Gregarine gehört, finden wir auf den ersten Seiten von Stein’s Werk über die Infusionsthiere angegeben. Es heisst dort: „Die Gregarinen ergeben sich mir als selbstständige Thierformen, und ich musste die Annahme zurückweisen, dass sie bloss Larvenzustände oder Ammen von Thieren höherer Ordnung seien.“ Dasselbe muss ich von den oben beschriebenen Gebilden aussagen und möchte wohl auch bei ihrem Anblick schwerlich Jemand etwa an eine Identität mit still gewordenen Filarien denken, selbst wenn die Entwick- lungsgeschichte nicht vorläge. „Der Gregarinenkörper war ein allseitig geschlossener Schlauch, dessen Wandungen in Nichts von der Einfachheit und Gleichartigkeit der thierischen Zel- lenmembran verschieden waren. Das Innere dieses Schlau- ches war von einer Subtanz erfüllt, welche der thierischen Dottersubstanz glich; sie bestand nämlich aus einer eiweiss- artigen Grundsubstanz, in welcher zahllose feinere und grö- bere, fettähnliche Körnehen schwebten und die ausserdem noch stets einen ansehnlichen bomogenen, blasenähnlichen hellen Körper mit einem oder mehrern Körnern im Innern enthielt, welcher ganz dem Keimbläschen der thierischen 360 Eier glich, und dem die Nichts antieipirende Bezeichnung nucleus ertheilt wurde. Dies war der wesentliche, allen ge- meinsame Organisationsgehalt der Gregarinen.“* Die Körper- chen der Blase haben keinen nachweisbaren sie umschlies- senden Schlauch. Wenn man mit Stein annimmt, dass dies ein wesentliches Merkmal ist, so gehören sie nicht zu den Gregarinen. Zu dieser Annahme ist aber kein ausrei- chender Grund vorhanden: denn es giebt im Regenwurm Körper, welche alle andern Eigenschaften von entschiedenen Gregarinen haben, nämlich einen gleichen Kern, dieselbe Form und Grösse der Körnchen, dieselbe eiweisartige Sub- stanz und dieselbe Weise der Bewegung: und wieder andere, welche einen deutlichen obwohl verhältnissmässig kleinen Kern, keine nachweisbare Haut, keine oder nur äusserst feine Körnchen besitzen, welche aber die characteristischen Bewegungen der Amöben zeigen, ohne jedoch fremde Körper in Substanz wie etwa Farbstoffe in sich aufnehmen zu kön- nen. Diese Thiere lassen sich unter keine der bekannten Gruppen unterordnen, als unter die der Gregarinen: denn sie haben ausser den angegebenen keine andern bestimmbaren Merkmale. Ob es Jugendzustände der Gregarinen sind, oder besondere Species, das ist hierbei unwesentlich. Danach ist klar, dass der Mangel eines nachweisbaren strukturlosen Schlauches die Körperchen nicht aus der Gruppe der Grega- rinen ausschliesst. Dasselbe gilt von dem Mangel eines nu- eleus. Es ist schon mehrfach behauptet worden, dass Gre- garinen ohne Kern existiren; ich kann nur sagen, dass es mir bei verschiedenen Formen sowohl bei membranlosen als bei manchen unter den kleinsten behaarten nicht gelungen ist, einen Kern nachzuweisen. Mehr behaupte ich von den Körperchen der Harnblase auch nicht. Es kann sein, dass sie in einer bestimmten Entwicklungsperiode doch einen Kern besitzen, welcher vielleicht schon bei der zur Untersuchung erforderlichen Manipulation zerfällt; jedoch ist zu solcher Annahme kein Grund vorhanden, zu einer ähnlichen ist aber Stein gezwungen, weil er es nicht gelten lassen will, was von Siebold schon meinte, dass Gregarinen ohne Kern sol existiren, er oder andere ihn aber nicht haben auffinden kön- nen; Stein sagt, dass das Wasser ihn alsdann aufgelöst habe; mir ist jedoch aus den Schriften dieses Forschers Nichts darüber bekannt geworden, dass er jemals dazu einen Ver- such angestellt hat; ich habe die aus Gregarinen selbst aus sehr kleinen Exemplaren ausgedrückten Kerne stets im Wasser bei der gewöhnlichen Temperatur unauflöslich ge- funden. Somit sind wir dahin gelangt, Körperchen für Gregarinen zu beanspruchen, welche nur aus einer schleimartigen Sub- stanz mit eingestreuten fettähnlichen Körnchen bestehen und die Fähigkeit haben sich zu bewegen. Sind aber solche Körperehen nicht vielmehr Amöben? Abgesehen von andern Merkmalen, müssen nach Ehren- berg’s Untersuchungen alle Amöben die Fähigkeit besitzen, fremde Körper im ungelösten Zustande in sich aufnehmen zu können. Diese Fähigkeit haben wir trotz vieler Versuche bei den in Rede stehenden Körperehen nicht kennen gelernt und können sie darum allein schon nicht für Amöben ausgeben. Nach Dujardin fällt das Wesentliche der Amöben allge- meiner aus: es sind Thiere, welche aus einer gallertigen Substanz bestehen, ihre Form jeden Augenblick verändern durch Hervorstrecken oder Zurückziehen eines Theils ihres Körpers; ohne nachweisbare Organisation mit langsamer Be- wegung. Die Gegenwart dieser Eigenschaften ist an einem Körperchen leicht nachzuweisen, mit Ausnahme der ersten, dass es Thiere sind; dafür fehlt hier noch jedes Kriterium, wenn das Urtheil einzig und allein aus der Anschauung des Körperchens gebildet werden soll, wenn nicht gleichzeitig bekannt ist, woher es stammt, oder was aus ihm wird. Ein Stück hydra viridis nach Ecker’s Angaben zubereitet und eine junge Amöbe, wie sie Dujardin beschreibt, lässt sich nicht von einander unterscheiden, wenn letztere gerade solche Körnchen in sich aufgenommen hat; es ist dieselbe formlose Substanz, dieselbe Art der Bewegung. Hier kennen wir den Ursprung des erstern Objekts und dadurch wird je- der Zweifel gehoben. Anders ist es aber bei einigen Kör- 362 pern, deren Entstehungsweise uns unbekannt ist; ich meine hier gewisse farblose, im Blut höherer und niederer Thiere vorkommende sich bewegende Körperchen, welche frühere Beobachter wohl mit zu Lymphkörperchen oder Blutkörper- chen gezählt haben. Da finden wir uns nicht in der Lage zu wissen, ob es Thiere sind oder nicht. Ich werde versu- chen, das festzustellen, was sich beim gegenwärtigen Zustande hierüber feststellen lässt, und sehe dabei ab von den bewe- gungsfähigen farblosen Körperchen des Blutes aller derjenigen Thiere, für welche nicht zugleich Psorospermien nachgewie- sind. Da ist die Anwendung nachher einfach. Die in Rede stehenden Körperchen bestehen aus einer gallertigen Substanz, welche ich von der vieler Amöben nicht zu unterscheiden vermag; sie verändern ihre Form durch Hervorstrecken und Zurückziehen eines Theils ihres Körpers; ist Körnchenmasse vorhanden, so dringt sie häufig in die gebildeten Fortsätze mit ein; eine Organisation ist nicht nachweisbar und ihre Bewegung ist so langsam, wie die langsam sich bewegender kleiner Amöben. Dies sind alle Eigenschaften, welehe Du- jardin für die Amöben fordert, nur fehlt jeder Anhaltspunkt zum Beweis dafür, dass es Thiere sind. Das Auffallendste, die Bewegungsfähigkeit lehrt Nichts. Warum soll es nicht möglich sein, dass die Lymphkörperchen aus contractiler Substanz bestehen? Ecker beansprucht eine solche Mög- lichkeit schon für seine Blutkörperchen des Regenwurms. Ich weiss nicht, ob Ecker dieselbeu Körperchen meint, welche auch ich mit Regenwurmblut zur Untersuchung bekam; die meinigen stimmen in Form, Grösse und Contraetilität mit denen Ecker’s überein; es gelingt aber nicht, unumstösslich festzustellen, ob sie wirklich aus dem Blute stammen, da ähnliche Körperchen auch ausserhalb der Gefässe in grossen Massen vorkommen. Die grössten der von mir beschriebenen amöbenartigen Körperchen des Regenwurms erreichen eine Grösse, welche der der kleinern entschiedenen Gregarinen gleichkommt, die Blutkörperchen Ecker’s aber um ein Mehr- faches übertrifft. Indessen finden sich von erstern zn letztern alle erforderlichen Uebergangsstufen, um behaupten zu 363 können, dass die Existenz von wahren beweglichen Blutkör- perchen des Regenwurms, welche den rothen Blutkörperchen der höheren Thiere entsprechen, noch des Beweises bedarf. Wenn es nun möglich ist, dass die Lymphkörperehen aus eontractiler Substanz bestehen, wie soll man sie denn von den aus den Psorospermien stammenden Gebilden unterschei- den? Dazu fehlt jeder Anhaltspunkt. Wenn aber auch nur ein Theil der im Blute vorkommen- den farblosen Körperchen contractil ist, d. h. wenn es nicht die Lymphkörperchen sind, wie soll man dann wieder deren Identität mit den in den Psorospermien gebildeten darthun? Auch hierzu reichen die Thatsachen nicht aus. Wir dürfen nur sagen, wir finden im Blute jener Thiere strukturlose Körperchen, welche Bewegungen zeigen wie Amöben, wie Stücke der Hydrasubstanz; wir finden aber auch in verschie- denen Theilen ihres Organismus Psorospermien, aus denen Körperchen mit denselben Eigenschaften hervorgehen. Beide können identisch sein. Es ist nun noch eine andere Auffassung der vorliegenden Thatsachen möglich, nämlich die, dass die Psorospermien überhaupt normale Bestandtheile der thierischen Organismen und die Quelle für die Lymphkörperchen darstellen. Damit wäre die Voraussetzung gefordert, dass alle Lymphkörper- chen eontractil sind, was unbewiesen ist, und entschieden dagegen spricht die Analogie; einmal ist ihre Entwicklungs- geschichte mit der in Uebereinstimmung, welche wir von den wirklichen Gregarinen kennen, und andrerseits ist für die Säugethiere nach Brücke „gewiss und unzweifelhaft, dass die Lymphkörperchen in den Lymphdrüsen gebildet werden, und zwar nicht aus Keimen, welche der Chylusstrom in die- selben hineinbringt, sondern aus solchen, welche sich auf dem Drüsengewebe, als auf ihrem mütterlichen Boden ent- wickeln.“ (BE. Brücke: über die Chylusgefässe und die Re- sorption des Chylus $. 131 in den Denkschriften der Akade- mie der Wissenschaften zu Wien, Bd. V1.) Es geht hieraus von selbst hervor, dass durch die von mir mitgetheilten Beobachtungen die Existenz der Lymphkörper- chen überhaupt durehaus nicht iu Frage gestellt werden kann. In Frage gestellt wird nur die Wahrheit aller derjenigen Un- tersuchungen, welche die Entwicklung farbiger Blutkörperchen aus farblosen einzig tınd allein auf die Form basiren und die Existenz der amöbenartigen Körperchen noch nicht berück- sichtigen konnten, weil sie unbekannt waren. In den vorstehenden Worten habe ich ein Moment unbe- rücksichtigt gelassen, welches der Möglichkeit einer sichern Erkenntniss ausserdem im Wege steht: es ist dies der Man- gel eines untrüglichen Kriteriums, ob wir es in einem be- stimmten Falle mit Diffusionsphänomenen zu thun haben oder mit einer sogenannten spontanen Contractilität. Ecker lässt es in dem Text zu den Icones physiologicae zweifelhaft, ob seine Blutkörperchen des Regenwurms durch Zerplatzen von Vacuolen oder durch andere Eigenschaften die Bewegungen zu Stande bringen; die Bewegungen der Dotterkugeln erklä- ren einige Forscher für Imbibitionsphänomene, Andere treten dagegen auf; Ecker spricht von Contraetilität der einzelnen Stücke der Hydrasubstanz, Cohn möchte dieselbe Sache für einen endosmotischen, rein physikalischen Vorgang halten. Ich selbst vermag es nicht, die Unmöglichkeit darzuthun, dass die besprochenen Bewegungen der strukturlosen Körperchen der Lymphe und des Blutes durch einen gleichen Vorgang zu Stande kommen; ich habe nur den einen Einwurf abschnei- den können, dass sie durch die immer stärker werdende Con- centration der Menstruen während der mikroskopischen Beob- achtung bedingt werden. Aus alledem geht unwiderleglich hervor, dass die von Dujardin angegebenen Merkmale nicht hinreichen, um die Thierheit eines Körpers festzustellen. Obschon eine Amöbe alle jene Eigenschaften haben muss, so ist umgekehrt nicht Alles eine Amöbe, was jene Eigenschaften hat. Ja es entsteht schliesslich noch die Frage, ob selbst für den Fall, dass wir die Thierheit aus andern Quellen erkannt haben, feststeht, dass es nur Amöben sind, welche die von Dujardin aufgestellten Prädikate besitzen. Wäre dies wahr, so stände zugleich fest, dass die Amöben aus Psorospermien 365 auskriechen und nur ein Glied in der Entwicklungsreihe der Gregarinen bilden. Das ist aber unannehmbar aus folgenden Gründen: 1) Nach allen Beobachtungen, welche darüber vorliegen, besitzen die Gregarinen die Fähigkeit nicht, fremde Körper in Substanz in ihre Körpermasse aufzunehmen; auch die Ju- gendformen, die amöbenartigen Körperchen, zeigten davon nie eine Andeutung; die Versuche, welche ich mit gefärbten Substanzen anstellte, ergaben stets ein negatives Resultat. Die im Innern vorkommenden Krystalle, wie z. B. vom Hä- matoidin, sind aus dem gelbrothen Pigment entstanden zu denken. Dahingegen nehmen die Amöben nach Ehren- berg’s Untersuchungen insgesammt Farbstoffe auf. 2) Thiere, welche den Amöben viel näher stehen, falls sie nieht mit ihnen identisch sind, haben einen von dem der Gregarinen ganz abweichenden Entwicklungsgang. Das Vorkommen im Wasser ist auch für die Gregarinen denkbar, obgleich wir durchaus keinen Beweis dafür haben; dieser Gedanke wird angeregt, wenn man sieht, dass die ge- wöhnlichen Psorospermieneysten auch auf den Schuppen der Fische, z. B. des Barsches, in grosser Menge aufsitzen. Danach ist klar, dass Dujardin’s Charakteristik der Amöben zu allgemein ist, weil sie die Jugendformen der Gregarinen nicht ausschliesst, dass dagegen die Ehrenberg’s an solchem Fehler nicht leidet. Wir kehren nun wieder zu Stein’s Angaben über das Wesen der Gregarinen zurück. Es heisst $. 2: „sie bewegten sich so eigenthümlich und selbstständig, wie nur irgend ein Eingeweidewurm, und ihre Bewegungen lieferten einen so unzweideutigen Beweis davon, dass sie Eindrücke von der sie umgebenden Körperwelt empfangen, und sich in Folge derselben zu ihren Bewegungen bestimmt haben mussten. Ihr Wachsthum ferner war von einem sehr kleinen Anfangs- punkt durch alle Stadien bis zu einer gewissen normalen Grösse zu verfolgen.“ Die Bewegungen sind hier für viele Vormen der Gregarinen jedenfalls richtig beschrieben; aber zu wiederholten Malen habe ich auch beim Regenwurm Gre- 366 garinen beobachtet, welche nur äusserst langsam einen Theil ihrer Körpersubstanz vorschieben und wieder einziehen oder den ganzen Körper langsam eontrahiren. Mit diesen stimmen die Körperchen der Harnblase überein: an ihnen würde man schwerlich zur Annahme einer thierischen Bewegung gelangt. sein, zumal man oft eine grosse Anzahl Exemplare unter- tersuchen muss, ehe man es deutlich auffindet. Aus dem gleichzeitigen Vorkommen kleiner und grosser Körperchen muss man auch hier eben so gut auf ein Wachsthum schlies- sen, wie es Stein bei den bekannten Gregarinen gethan hat. So liest in den angegebenen Umständen kein Hinder- niss, die Körperchen der Harnblase den Gregarinen beizu- ordnen. Zuletzt erwähnt nun Stein die Art der Fortpflanzung, welche diesen Thieren eigenthümlich ist: „Je zwei Individuen legten sich nämlich innig an einander, und wurden durch ein gallertiges, später sich mehr verdichtendes Absonderungspro- dukt ihres Körpers von einer gemeinsamen Cyste umschlos- sen, innerhalb welcher sich der Leibesinhalt beider Individuen mit einander vereinigte, um endlich zahllosen Sporen das Dasein zu geben, aus welchen wieder dem Mutterthier völlig gleiche Junge hervorgingen.* Dass diese Art der Cystenbil- dung nicht allgemein für die Gregarinen gültig ist, geht schon aus Stein’s eigenen Angaben hervor, welche wir in seiner frühern Arbeit vorfinden; es heisst daselbst, dass für die von Jugend auf zusammenhängenden Gregarinen die Hülle so zu Stande kommt, dass nur die Berührungsstelle zu schwinden braucht, um den Inhalt beider zusammenfliessen zu lassen. Direet hat übrigens noch Niemand eine Gregarine eine Cyste ausschwitzen sehen; die Behauptungen darüber beruhen auf Schlüssen, deren Nothwendigkeit nirgends bewiesen ist. Allgemein ist aber auch das Sichzusammenlegen von zwei Exemplaren nicht; dass es häufig vorkommt und für manche Formen vielleicht ausschliesslich gilt, soll keineswegs in Ab- rede gestellt werden; ich habe in der Bauchhöhle des Regen- wurms sechs kugelige Gregarinen fest aneinander gefügt ge- sehen, deren jede einen deutlich sichtbaren Kern besass, und zwar war die mittlere so gelagert, dass die übrigen fünf sie von der Aussenwelt abschlossen; wie soll man sich hier die Ausschwitzung der Cystenmembran vorstellen? Andrerseits kommen bei den Sepien einzelne kuglige Gregarinen mit auf- fallend deutlichem Kern vor, auf deren Oberfläche bereits Pseudonavicellen abgelagert sind. Diese Thatsachen gestatten die Hypothese nicht mehr, dass es stets zwei Gregarinen sein müssen, welche zur Einleitung der Fortpflanzung sich zusammenlegen. Allgemein ist endlich auch das Zusammenfliessen des Lei- besinhaltes nieht, wenn zwei Gregarinen zur Sporenbildung in einer Cyste beisammen liegen. Dies beweist folgende Be- obachtungsreihe: bekanntermaassen kommen zwei kugelige Körnerhaufen in einer Cyste vor, deren jeder einen Kern ent- hält; ebenso kommen zwei Körnerhaufen ohne Kern vor, von denen jeder auf seiner Oberfläche mit einer einfachen Lage von kugeligen Gebilden, den nachherigen Pseudonavicellen, überzogen ist, und schliesslich giebt es Cysten, in denen nur der eine der beiden Körnerhaufen sich durch dieselben Gebilde auf seiner Oberfläche auszeichnet. Ich habe dies Alles in meiner frühern Arbeit auseinandergesetzt und führe hier nur so viel an, wie nöthig ist, um die allgemeinen und wesentlichen Kennzeichen der Gregarinen aufstellen zu können. Das letzte Merkmal der Charakteristik Stein’s findet sich aber bei allen bekannten Gregarinen, nämlich dass als End- produkt aus ihnen ein Haufen Sporen hervorgeht, in deren Innern der Keim zu den neuen Generationen liegt. Bei kei- nem Thiere ist je Aehnliches beobachtet, und kam daher bereits Leydig auf den Gedanken, die starren Körnchen- und Psorospermienbehälter der Fische mit den analogen Gebilden der Regenwürmer unter eine Rubrik zu stellen. Dasselbe nehme ich auch für die entsprechenden Objekte der Harnblase in Anspruch, nachdem ich die Vergleichungspunkte nach bei- den Seiten hin vermehrt und das scheinbar Entgegenstehende als eben nur scheinbar entgegenstehend nachgewiesen habe. 368 Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Eine Gregarine aus der Harnblase des Hechtes. Die kör- nerfreien Fortsätze bilden denjenigen Theil, mittels dessen das Thier auf dem Epithelium aufsitzt. Im Innern findet sich eine Blase mit zwei Psorospermien. 330 mal vergrössert. Fig. 2. Eine zum grossen Theil in Kugeln zerfallene Gregarine. 900mal vergrössert. ‘ Fig. 3. Eine solche Kugel frei, zwei fertige Psorospermien ent- haltend. 900 mal vergrössert. Fig. 4. Ein ausgebildetes Psorosperm. 900 mal vergrössert. Fig. 5. Ebensolches von oben gesehen aus der Harnblase von gadus lota. Fig. 6. Dasselbe von der Seite gesehen. 900 mal vergrössert. Fig. 7. Zerplatzendes Psorosperm mit auskriechenden amöbenar- tigen Körperchen von den Kiemen von cyprinus brama. Fig. 8. Dasselbe amöbenartige Körperchen sich bewegend. 900 mal vergrössert. Fig. 9— 12. Psorospermien aus einer Cyste von gasterosteus acu- leatus in verschiedenen Stadien der Entwicklung. Fig. 9 enthält noch den deutlichen Kern in seiner gewöhnlichen Grösse; Fig. 9—11 zeigt ihn kleiner: in Fig. 12 ist er kaum noch wahrnehmbar, ebenso ist die vorher deutliche Umhüllungsmembran nicht mehr sichtbar; das Psoro- sperm ist zum fertigen Thier ausgebildet, welches langsame Bewegun- gen ausführt durch Contractionen seines Körpers. Anmerkung. Nach vollendetem Druck der vorstehenden Abhand- lung bemerke ich, dass bereits Robin über die Bewegungen farbloser Blutkörperchen bei Wirbelthieren berichtet (Histoire naturelle des vegetaux parasites pag. 566). 369 Ueber die Zusammenziehung des Amnions. Von R. REMmAK. Am sechsten Tage der Bebrütung beobachtete Baer die erste Bewegung am, Hühner-Embryo, welche im Zucken einzelner Glieder bestand und vom Hinzutreten kalter Luft hervor- gerufen zu sein schien. „Am siebenten Tage,“ sagt Baer (Entw. d. Thiere Thl.I. 1828. S. 92), „ist die. Bewegung all- gemeiner. Der Embryo schwingt im Amnion hin und her auf dem Nabel, wie auf einem befestigten Stiele. Am auf- fallendsten war es mir, dass dieses Hin- und Herschwanken nicht blos vom Embryo bedingt wird, sondern noch mehr vom Amnion, welches sich bald an dem einen, bald an dem anderen Ende zusammenzieht, indem es sich runzelt. Es schien mir daher eine Art unregelmässiger Pulsation im Am- nion.“ — Bei der Geschichte der folgenden Tage bemerkt Baer noch, dass das Hin- und Herschwanken des Embryo, unterstützt von Contractionen des Amnions, am achten Tage sehr lebhaft, weniger lebhaft in den folgenden Tagen sei. „Dass das Amnion dabei selbstthätig ist, erschien mir unver- kennbar (obgleich ganz unerwartet), denn erst nachdem das Amnion sich an dem einen Ende unter starker Runzelung zusammengezogen hatte, bewegte sich der Embryo nach dem entgegengesetzten Ende von der Flüssigkeit getragen. Reizte ich das Amnion mit der Nadel, so wurden die Zusammen- ziehungen lebhafter oder treten wieder hervor, nachdem sie aufgehört hatten.“ Ich habe Baer’s Wahrnehmungen mit dessen eigenen Müller’ Archiv. 1854. 24 370 Worten wiedergegeben, weil ich sie fast durchaus bestätigen kann. Nur wird nach meinen Beobachtungen das Hin- und Herschwanken des Embryo nicht von dem Amnion „unter- stützt“, wie Baer angiebt, sondern einzig und allein durch dieselben bedingt. Am achten Tage sieht man zunächst nach Eröffnung des Eies lebhafte nur wenige Minuten andauernde Bewegungen des Embryo innerhalb des Amnions. Erst wenn dieselben aufgehört haben, beginnen die abwechselnden kräf- tigen Zusammenziehungen des vordern und hinteren Theiles des Amnions, durch welche das Hin- und Herschwanken des Embryo entsteht. Baer’s Vergleich mit „Pulsationen“ ist insofern zutreffend, als in der That die regelmässigen Alter- nationen an das Verhalten des Herzens erinnern. Nicht im- mer ist das Wechselspiel zwischen dem vorderen und hinteren Theil sofort deutlich ausgesprochen. Vielmehr findet zuwei- len erst eine stürmische wellenförmige Bewegung statt, die allmälig der ruhigen rhythmischen Zusammenziehung Platz macht. Eine solche dauert an einer Amnionshälfte nahezu eine Sekunde und wiederholt sich bis zwölf Mal und darüber. Wenn sie aufgehört oder schwächer geworden, kann sie durch Reizung mit einer Nadel zuweilen noch auf einige Male her- vorgerufen werden, Durch Aufschlitzen des Amnions wird sie unterbrochen; doch sieht man an ausgeschnittenen Stücken unter dem einfachen Mikroskope noch spontane darmähnliche Bewegungen, die durch Berührung mit einer Nadelspitze leb- hafter werden. Danach war vorauszusehen, dass sich in dem Amnion Muskelfasern finden werden. Unerwartet war mir aber, dass die Muskelfasern sich nicht in die Bauchwände hinein fort- setzen, sondern am Nabel aufhören. Auf die dem Nabel umstehenden Federanlagen folgt der glashelle aus lockerem Bindegewebe bestehende ziemlich breite Nabeltheil des Am- nions: alsdann beginnen, wie man schon bei l5facher Ver- grösserung sieht, am Umfange eines Kreises, welcher den Zugang zu dem triehterförmigen Hautnabel bildet, die freien Spitzen dichter, den Nabelgefässen paralleler Faserbündel. Dieselben werden sofort von ähnlichen, maschenartig verbun- a7 denen Bündeln gekreuzt, welche sich in der Nähe des Nabels zu sphineterartigen Wülsten verdiecken. Wo das Amnion die Gefässstämme verlässt, strahlen Längs- und Querbündel sich verdünnend und abplattend nach allen Richtungen aus, um die von der zelligen Fortsetzung des Hornblattes bedeckte dünne Faserschicht des Amnions zu bilden, in welcher sich fast überall zwei einander unter verschiedenen Winkeln kreuzende Faserlagen unterscheiden lassen. — Die Fasern des Amnions gehören in die Klasse der einkernigen Muskelfasern und ihre Darstellung unterliegt denselben Bedingungen. Im frischen Zustande ist die Sonderung der Fasern nicht leicht ausführ- bar, weil sie sich zu stark zusammenziehen. Man muss ent- weder warten, bis sie abgestorben, oder sie mit einer Flüs- sigkeit behandeln, die das Absterben rasch herbeiführt, indem sie die Muskelsubstanz zum Erstarren bringt, wie Alkohol 30%, Sublimatlösung 0,2%, Chromsäure 0,2%, chromsäure- haltige Mischung aus gleichen Theilen einer Lösung von dop- peltchromsaurem Kali 3,6% — 4%, und einer Lösung von doppeltschwefelsaurem Kali 3%%'), Salzsäure 20%, reetificir- tem Holzessig 30%, u. s.w. Am besten wirkt in diesem Falle die Sublimatlösung 0,2%: die Primitivfasern sondern sich in Form einkerniger spindelförmiger Stücke von circa ’/00' Breite und '/,,“ Länge. Der Centraltheil der Faser, der den einfachen oder in der Theilung begriffenen Kern ent- hält, erscheint bauchig angeschwollen und man unterscheidet an der gewöhnlich abgeplatteten Faser wie an allen embryo- nischen Muskelfasern einen dünnen durchsichtigen und eine dickere weniger durchsichtige Seitenhälfte. Die letztere zeigt zuweilen so regelmässige und dichte Querfurchen, dass man versucht werden könnte, die Fasern zu den quergestreiften zu zählen. Nach Behandlung mit Holzessig 30%, der die Querstreifung sonst sehr gut erhält, ist diese Erscheinung 1) Ich benutze solche Mischungen trotz der Beimengung von schwe- felsaurem Kali in vielen Fällen, z. B. auch bei der Untersuchung der Retina, mit besserem Erfolg als die entsprechenden Lösungen von Chromsäure, deren Wirkung weit unbeständiger zu sein scheint, 24* 372 nicht wahrzunehmen: die Fasern zerfallen dann auch nicht in spindelförmige Stücke, sondern bilden lange durchsichtige helle Cylinder, welche in regelmässigen Abständen von !/,," einfache oder doppelte Kerne enthalten. — Die angegebenen Maasse gelten vom achten bis zum zehnten Tage: später sind die Fasern fast um die Hälfte kleiner, da sie sich durch Theilung vermehrt haben. Aus der Theilung gehen nicht immer spindelförmige Stücke hervor, sondern auch vielzipf- lige ähnlich den in den Blutgefässwänden der Säugethiere vorkommenden. — Das Vorkommen glatter Muskelfasern im Amnion, das eine Fortsetzung der Hautplatten bildet (vergl. meine Unters. üb. d. Entw. der Wirbelthiere S. 65) schliesst sich an Kölliker’s Wahrnehmungen über die Muskelfasern in der Haut des Menschen. Nerven vermochte ich im Am- nion nicht aufzufinden. So stürmische Zusammenziehungen des Amnions, wie nach dem Zutritt der Luft erfolgen, mögen während des Lebens unter normalen Verhältnissen wohl nicht vorkommen. Von dem muskulösen Sphineter am Nabel ist es augenscheinlich, dass er das Herausfallen des in der Verlängerung begriffenen Darmes verhindern soll, ohne dem Dottersack die Möglich- keit des Eintritts in die Bauchhöhle zu versperren. Vielleicht wird dieser Eintritt durch die Längsfasern sogar unterstützt. Die Wand des Dottersackes selbst zeigt, wie schon Baer andeutet, ebenfalls Spuren von Contraetilität. . Doch ver- mochte ich bisher nicht aus ihr Muskelfasern darzustellen. Beim Kaninchen, Schweine und Menschen finde ich im Amnion keine Muskellagen. Das der menschlichen Nachge- burt besteht aus einer dicken Schicht streifigen Bindegewebes, welche in Abständen von eirca 1/,"' runde Lücken von 1%,’ darbietet, und aus einer körnigen die Höhle auskleidenden Zellenschicht. Zwischen diesen Schichten finden sich röhrige oder sternförmige, ein- oder mehrkernige Zellen ausgebreitet, mittelst ihrer zackigen Ausläufer ein Netz mit sehr weiten Maschenräumen bildend, analog den Zellen, welche Hess- ling in der Illustr. med. Zeit. 1852. Heft I. Taf. III. Fig. 12 aus der Wharton’schen Sulze der Nabelschnur abgebildet hat. Wenn diese Zellen contractil sein sollten, so wäre ihre Wirksamkeit im frischen Amnion nur gering, der starken Bindegewebeschicht gegenüber. Das Amnion vierzölliger Schweinsembryonen finde ich ähnlich gebaut; doch ist die Bindegewebeschicht hier weit dünner. Im Nabeltheil des Amnions von einzölligen Kaninchen-Embryonen, die ich in Alkohol bewahre, unterscheide ich zweierlei Zellen, die einen spindelförmig von muskulösem Ansehen, die anderen platt durchsichtig mit breiten fibrillösen Fortsätzen, die wie Binde- gewebebündel aussehen. Ueber den Entwicklungsplan der Wirbelthiere. Von R. Remar. Am Schlusse des zweiten Heftes meiner „Untersuchungen über die Entwicklung der Wirbelthiere“ habe ich bereits eine vorläufige Zusammenstellung der Ergebnisse geliefert, durch welche die Unterscheidung eines sensoriellen, motorischen und trophischen Keimblattes beim Hühnchen begründet wird. In Betreff des oberen (sensoriellen), das Medullarrohr bilden- den und an sämmtlichen Sinneswerkzeugen betheiligten Keim- blattes mussten noch Zweifel bleiben, welche Bestandtheile des Labyrinths aus der von diesem Blatte sich abschnürenden Labyrinthblase hervorgehen. Im vorigen Jahre ist es mir gelungen, bei Kaninchen-Embryonen zu ermitteln, dass die Labyrinthblase sich blos in das den Vorhof, die halbzirkel- förmigen Kanäle, die Schnecke und den Aquaeductus Vesti- buli auskleidende Epithelium umwandelt, während die knö- ehernen und häutigen nerven- und gefässführenden Wände dem mittleren Keimblatte ihr Entstehen verdanken. In den Leistungen des nach Abschnürung des Medullarrohres übrig- bleibenden peripherischen Theils des oberen Keimblattes ist nunmehr insofern Gleichartigkeit dargethan, als sämmtliche Erzeugnisse dieses Blattes epitheliale, gefäss- und nerven- lose Gebilde sind. Zu diesen Erzeugnissen gehören auch die Linsenfasern, insofern die Zellen der hinteren Wand der pri- mitiven von dem oberen Keimblatte abgeschnürten Linsenblase sich zu Fasern verlängern, die Zellen der vorderen Wand als Epithelium verharren. Die Grundzüge des beim Hühnchen ermittelten Entwick- 375 lungsplanes haben sich bei anderen Wirbelthieren bestätigen lassen. Die grössten Schwierigkeiten bereitete die früheste Bildungsgeschichte des Batrachier - Bies. Bei Gelegenheit eines in der Pariser Akademie am 13. Sept. 1852 über die Entwicklung der Wirbelthiere gehaltenen Vortrages') habe ich bereits an Modellen erläutert, wie das Batrachier-Ei sich nach unten zusammenkrümmt, so dass die untere Fläche zur in- neren Fläche der Nahrungshöhle wird, in deren Wänden eine den drei Keimblättern der höheren Wirbelthiere entsprechende Sonderung erfolgt. Dieses Ergebniss ausser Zweifel zu setzen, war deshalb schwierig, weil es an einer sicheren Methode fehlte, die eng anschliessende Eihülle abzulösen, ohne das Ei zu verletzen. Endlich habe ich die längere Einwirkung einer schon seit zwei Jahren von mir zu diesem Zwecke be- nutzten Mischung von Kupfervitriollösung, rectificirtem Holz- essig und Alkohol als das Mittel erkannt, alle Hindernisse zu überwinden und eine Beobachtung zu erleichtern, durch welche eine unerwartete Uebereinstimmung mit den höheren Wirbelthieren begründet wird. Durch die hier angedeuteten Ermittelungen sind meine embryologischen Bemühungen zu einem Abschluss gelangt. Das im Druck befindliche letzte Heft meiner „Untersuchungen“ wird eine ausführliche Darlegung des Entwicklungsplanes der Wirbelthiere enthalten. 1) Vergl. den Bericht über die Versammlung der Aerzte u. Na- turf. in Wiesbaden im September 1852. 376 . Ueber Theilung thierischer Zellen. Von R. REMaR. Vor einigen Jahren (Müll. Arch. 1852, 8. 47-57) suchte ich zu zeigen, dass die von mir seit dem Jahre 1341 beobach- teten vom Kerne ausgehenden Theilungen thierischer Em- bryonalzellen nur eine Fortsetzung der fortschreitenden Thei- lung der Eizelle darstellen, durch welche die Furchung der letzteren bedingt wird. Ueber das Verhalten der Membra- nen bei diesen Theilungen behielt ich mir eine Mittheilnng vor (a. a. O. 8. 51). Durch Benutzung der von mir in dem Aufsatze „über den Entwickelungsplan der Wirbelthiere* bereits erwähnten Mischung von Kupfervitriol, Holzessig und Alkohol ist es mir jetzt gelungen, an dem Froscheie noch vor dem Ein- tritt der Furchung eine mittelst Nadeln ablösbare Eizellen- membran darzustellen, welche bei den folgenden Furchungen nicht schwindet, sondern durch Aussendung von Scheide- wänden die umhüllenden Membranen der Furchungszellen bildet. Als ein Ergebniss dieser, nunmehr mit vollster Sicherheit und mit grösster Leichtigkeit anstellbaren Unter- suchungen hebe ich hervor, dass sämmtliche aus der Fur- chung hervorgehende Zellen von Membranen umkleidet sind, die sich als Fortsetzungen der Eizellenmembran nachweisen lassen. In Betreff des Näheren verweise ich auf das Schluss- heft meiner „Untersuchungen über die Entwickelung der Wirbelthiere*“. Berlin, den 18. Juni 1854. Ueber das „Serum -Kasein*“. Von Dr. G. ZIMMERMANN in Hamm. In meiner Abhandlung über das Blutserum im Arch. f. Che- mie und Mikroskopie (Wien, 1846) hatte ich die von mir entdeckte Thatsache, dass jedes klare und von Molekülen freie Serum, wenn es mit destillirtem Wasser verdünnt wird, sich mehr oder weniger trübt und nach einiger Zeit ein Se- diment von Molekülen einer Albumin- Art bildet, weitläufig diskutirt. Sie lieferte den Schlüssel für die Erklärung anderer Erscheinungen, namentlich der Frage, ob Scherer und Fr. Simon, welche ein solches Sediment aus einem trüben und mit Molekülen erfülltem Serum erhalten hatten, blos den einfachen Niederschlag dieser Moleküle vor sich sahen, den sie für Faserstoff (!) ansprechen, oder ein Gemisch dieser mit neuen, durch die Verdünnung des Serum gebildeten. Denn wenn jedes auch noch so klare Serum, sobald es mit destillirtem Wasser verdünnt ist, Moleküle einer Albumin-Art fallen lässt, so wird es das trübe, an Molekülen, seien es Fett- oder Protein-Moleküle, reiche Blutwasser auch nicht daran fehlen lassen: ob sie aber Faserstoff waren oder ein modifieirtes Albumin, wäre auch damals leicht zu entscheiden gewesen, wenn man festgehalten hätte, dass doch nur das „Faserstoff* zu nennen sei, das in Fasern oder in homogenen Massen, die zu Fasern werden können, gerinnt. Ich habe dies Verhalten das Blutserum, mit destillirtem Wasser verdünnt sich zu trüben und einen Bodensatz von Al- bumin-Molekülen zu bilden, früher für so wichtig gehalten, dass ich viele Jahre lang jedes darauf untersuchte, in wel- chem Grade‘ es dies Sediment bildete; ich hielt es für eine 378 eigenthümliche Protein-Art und hoffte qualitative Differenzen in der Blutmischung auf diese Weise heraus zu stellen. P. Panum nahm diese Untersuchungen von Neuem auf und hat die Resultate derselben in Virchow’s Archiv (Ba. III. und IV.) niedergelegt; dieser Forscher hat sich beeilt, jener Al- bumin-Art den Namen Serum-Kasein zu geben und aus ihrer angeblich bewiesenen Präexistenz allerlei physiologische und pathologische Schlussfolgerungen zu ziehen. Ich will es unterlassen, auf die Widerlegung der Beweis- führung einzugehen, dass jener Stoff dem Milch-Kasein gleich oder doch sehr ähnlich sei, weil ich einige entscheidende Thatsachen beibringen kann, die’darthun, dass derselbe im Serum in Lösung nicht präexistirt, sondern entweder erst ent- steht oder im Blutwasser aufgeschwemmte Körperchen ihn bilden helfen. | Zunächst bemerke ich, dass es zu den sehr grossen Sel- tenheiten gehört, ein von Blutkörperchen ganz freies Serum zu erhalten. Man untersuche nur das noch so klare Blut- wasser mit dem Mikroskop und man wird darin stets einige, theils gefärbte, theils farblose Blutzellen und Elementarkör- perchen finden. Natürlich kann aber nur die Prüfung sol- chen Serum’s mit destillirtem Wasser, ob es einen Nieder- schlag von „Serum-Kasein“ bildet, für exact gehalten werden, von dem man gewiss ist, dass es entweder keine oder nur äusserst wenige Blutkörperchen enthält. Denn davon kann man sich leicht überzeugen, dass die Trübung und Sediment-Bil- dung um so bedeutender wird, je mehr Blutkörperchen im Blutwasser suspendirt sind, weil Theile derselben sich bei der Verdünnung nicht lösen, sondern zu einem molekülaren Wesen zerfallen. Hat man also Blut, dessen Serum man prüfen will, nach der Gerinnung getragen und geschüttelt, oder ein faserstoffarmes Blut, welches viel Blutkörperchen an das Blutwasser abgiebt, so kann man sicher sein, ein bedeutendes Sediment des „Serum-Kasein“ zu erhalten. Am reinsten erhält man das Serum, wenn man das Blut nach seiner Gerinnung unter sehr gutem Verschluss mindestens 12 Stunden ruhig stehen lässt, namentlich von Blut, das 379 viel Faserstoff enthält (faserhäutiges) und dessen Blutkörper- chen ein sehr lebhaftes Vermögen besitzen, sich in Rollen und Gruppen zu lagern, weil dieselben theils weniger leicht aus dem Blutkuchen herausgedrängt werden, theils sich schneller senken. Hat man nun solches Blutkörperchen-freies, klares Serum, das etwa 12 Stunden nach der Blutentziehung vom Blutkuchen abgegossen ist, und verdünnt es mit dem gewöhnlichen destillirten Wasser, so trübt es sich doch noch und bildet nach 18— 24 Stunden ein Sediment von Molekülen einer Al- bumin-Art: hat man aber das destillirte Wasser vorher auf- gekocht und filtrirt, so trübt sich.das Serum fast gar nieht und ein Sediment von „Serum-Kasein“-Molekülen bil- det sich entweder nicht oder in so äusserst geringer Menge, dass es im Vergleich zu dem andern kaum in Betracht kommt. Zu der Erklärung ‘dieser Erscheinungen, haben mir die Versuche von P. Panum selber den Fingerzeig gegeben: der- selbe fand nämlich, dass das mit destillirttem Wasser ver- dünnte Blutserum, durch welches ein Strom von Kohlen- säure geführt wurde, weit mehr Moleküle des „Serum-Ka- sein“ fallen liess und sich weit mehr trübte. Hatte P. Pa- num das Sediment durch Alkalien gelöst und behandelte er die Lösung mit Kohlensäure, so schied sich abermals ein Theil in Form von Molekülen aus. Das gewöhnliche destillirte Wasser enthält immer Kohlen- säure, weshalb es die Chemiker vorher aufkochen, wo es sich um kohlensaure Verbindungen handelt; ob alle Kohlen- säure durch das Aufkochen ausgetrieben wird, ist die Frage: als ein feines Reagens darauf kann man das neutrale essig- saure Blei ansehen, das in aufgekochtem und filtrirtem destill. Wasser keine Trübung bewirkt. Da haben wir denn zum Theil den Schlüssel, weshalb das gewöhnliche destillirte Wasser das klare Blutserum trübt und einen Theil seines Albumin in Form von Molekülen sich ausscheiden lasst: die Kohlensäure wirkt auf dasselbe ähn- lich wie andere schwache Säuren, z. B. die Essigsäure, die 380 nieht durch Neutralisation des kohlensauren Natron einen grossen Theil des Albumin fällt, sondern durch eine chemi- sche Alteration, die es in diesem selber hervorruft. Ferner muss ich daran erinnern, dass auch das Blutserum, namentlich des venösen Blutes, Kohlensäure diffundirt ent- hält, und dass es nach den Untersuchungen von Scherer sehr begierig Kohlensäure aus der Luft absorbirt. Je mehr es deren enthält, um so mehr wird selbst kohlensäure -freies destillirtes Wasser das Serum trüben und um so mehr Albu- min in eine unlösliche Form überführen, deren Identität mit dem Kasein der Milch noch zu beweisen wäre, da P. Pa- num bei seinen Versuchen ein Gemisch verschiedener Pro- tein-Körper (Globulin, Albumin u. s. w.) vor sich gehabt hat. Da das arterielle Blut am wenigsten Kohlensäure im Serum enthalten wird, so wäre eine Prüfung desselben mit kohlen- säure-freiem destillirtem Wasser am angemessensten, um eben festzustellen, ob die Kohlensäure das gewöhnliche Al- bumin fällen kann, oder ob im Serum eine eigenthümliche Protein-Art ist, die dazu nur allein befähigt ist. Schüttelt man Blutserum mit Aether, so koagulirt auch ein kleiner Theil, und es wäre möglich, dass beide Albumin-Arten iden- tisch sind, diese und die in Molekülen herausfallende, wenn Blutwasser mit gewöhnlichem destill. Wasser verdünnt wird. Dieses befindet sich bekanntlich, und daran hat P. Pa- num auch nicht gedacht, stets in einem Fäulniss- Prozess, und beherbergt Infusorien: könuten also nicht auch Contakt- Substanzen so auf das Albumin wirken, dass es zur Aus- scheidung in Molekülenform bestimmt wird, und könnten sie nicht zu einer Umsetzung von Albumin und Kohlensäurebil- dung beitragen? Als Beweis dafür betrachte ich den Umstand, dass Blutserum, welches mit gewöhnlichem destill. Wasser verdünnt ist und gekocht wird, kein Sediment von Albumin- Molekülen fallen lässt: die in dem Wasser vorhandene Koh- lensäure hatte eingewirkt, die Verhinderung der Sedimentbil- dung muss also in einer Zerstörung der eingeleiteten Fäulniss ihren Grund haben, und es kann sein, dass dazu am meisten eine nur in geringer Menge im Serum vorhandene Menge einer 3s1l eigenthümlichen Proteinart djsponirt ist, ähnlich dem Faser- stoff, dessen Gerinnung, wie mich meine Untersuchungen ge- lehrt haben, einer Fäulniss entweder des Albumin oder der im Plasma gelösten Protein-Verbindung, die zu Fasern ge- rinnen kaun, beizumessen ist. Mag P. Panum in dem Albumin-Sedimente, welches er aus neutralisirtem und ver- dünntem Blutserum erhielt, mehr Asche und andere Salze und Erden gefunden, als aus dem durch Kochen abgeschie- denen Albumin, mag er aus seinem „Serum-Kasein“ „künst- liche Milch“ dargestellt haben u. s. w., das alles ist kein Grund für die Annahme, es befinde sich im Serum eine Kasein-Art präformirt: in meiner kritischen Beleuchtung seiner Versuche liegen Momente genug, die als Ursache jener Differenzen anzusehen sind. — Sieht man, wie destillirtes Wasser, blos weil es Kohlen- säure und eine faulende Materie enthält, das Albumin ver- ändern kann, so ist es wohl gerechtfertigt, wenn man bei allen Manipulationen mit den Protein-Körpern die äusserste Vorsicht empfiehlt. Regenwasser, das einige Tage alt ist, äussert den Einfluss, den destillirttes Wasser auf Blutserum übt, in noch höherem Grade, und das Brunnenwasser in Ber- lin trübte dasselbe so stark und liess aus ihm so viel Albu- min in Molekülen herausfallen, wie ich es anderwärts nicht gesehen habe. Das Brunnenwasser hier am Orte lässt im Gegentheil gar kein Sediment entstehen, wahrscheinlich weil es Salze enthält, welche der Ausscheidung von Albumin in Molekülen entgegenstehen. Ueber das Vorkommen von Leuein und Tyrosin in der menschlichen Leber. Von F. Tr. FRERICHS und G. STAEDELER Professoren an den Universitäten zu Breslau und Zürich. Die Umsetzungsprozesse, welche die organischen Substrate des lebenden Organismus unter normalen Verhältnissen erlei- den, sind wenigstens in ihren gröberen Zügen und in ihren Endprodukten seit längerer Zeit gekannt. Viel weniger wis- sen wir von den Modifikationen, welche bei veränderten Le- bensbedingungen, in Krankheiten, die Vorgänge des Stofl- wandels eingehen können. Der Eifer, mit welchem in unse- ren Tagen dieses Gebiet, dessen genaue Durchforschung ein dringendes Postulat der wissenschaftlichen Pathologie bildet, bearbeitet wurde, hat bisher nur spärliche Früchte getragen. Abgesehen von einigen wenigen, dem gesunden Organismus fremden Körpern, wie dem Cystin, beschränken sich die Angaben grösstentheils auf quantitative Abweichungen der Umsetzungsprozesse und auf die Nachweisung von Produkten, welche aller Mühe ungeachtet nicht genauer chemisch fest- gestellt werden konnten, wie von Farbstoffen, s. g. Extractiv- stoffen ete. Wir glauben daher, dass die Nachweisung zweier, bisher blos durch künstliche Darstellung gekannter Substan- zen, des Leueins und Tyrosins, als unmittelbarer Produkte des abnormen Stoffwandels ein allgemeines Interesse in An- spruch nehmen dürfte. Schon im Jahre 1851 fand der Eine von uns in Kiel, bei der mikroskopischen Untersuchung einer im Zustande der s. g. acuten Atrophie befindlichen Leber, einer mit den Er- 383 scheinungen der Blutintoxikation gestorbenen Schwangeren unter dem Detritus der zerfallenen Leberzellen, zahlreiche nadelförmige Krystalle, welche theils einzeln, grösstentheils aber in garben- oder federbuschähnlichen Drusen vereinigt lagen. In grosser Menge zeigten sich nen im Blute der V. V. hepaticae. Durch Auskochen der zerschnittenen Leber mit Wasser und Einengung des Filtrats wurde eine Quantität derselben gesammelt, allein nach der Reinigung erwies sich dieselbe als unzureichend für eine ausführliche Untersuchung. Später wurde die Spur dieser Krystalle vergeblich verfolgt, bis im Winter 1853 in der Leber einer unter comatösen Er- scheinungen gestorbenen Frau, welche längere Zeit wegen Verstopfung des Ductus choledochus im jüdischen Hospital zu Breslau behandelt worden war, dieselben Formen sich wiederfanden. Auch hier waren, wie es in Folge anhaltender Gallenstauung beobachtet wird, die Leberzellen zum Theil zerfallen, und zwischen ihren Ueberresten lagen zahlreiche Krystallbüschel nebst runden concentrisch geschichteten Ku- geln; die feineren Aeste der V. V. hepaticae traten wegen ibrer vollständigen Ausfüllung mit krystallinischer Masse schon dem unbewaffneten Auge als graue feste Streifen ent- gegen, während in den grösseren die Innenwand mit festan- haftenden Drusen bedeckt erschien. Die grösseren und klei- neren Pfortaderäste, sowie die Verzweigungen der Leberar- terie waren vollkommen frei geblieben, sie liessen nichts Abnormes erkennen. Die Gallenwege strotzten von dunkel- brauner Galle, in welcher hie und da Cholostearintafeln und braune Körnchen, aber keine andern Formelemente gefun- den wurden. Aus dieser Leber konnte ein reichliches, für jede Unter- suchung genügendes Material gewonnen werden. Das Organ wurde zu dem Ende zerschnitten, durch Ab- waschen mit kaltem Wasser, so weit als thunlich, von der in den Gallenwegen angehäuften Galle befreit, zerrieben und mit Wasser ausgekocht. Die durch ein grobes Colatorium geseihte Flüssigkeit liess beim Stehen eine Menge ungelöst 354 gebliebener krystallinischer Körnchen fallen, welche für sich gesammelt und gereinigt wurden. Das Filtrat wurde sodann mit basisch essigsaurem Bleioxyd gefällt, durch Schwefelsäure und Schwefelwasserstoff von Blei befreit und eingeengt'). Nach einigen Tagen fiel eine bedeutende Quantitat grüner Körnehen nieder, welche unter dem Mikroskop als Drusen und Garben feiner Krystallnadeln, wie sie im Leberparen- chym und in den Aesten der V. V. hepaticae gefunden waren, sich erwiesen. Beim weitern Verdunsten der Mutterlauge schieden sich später Ueberreste derselben Form aus, hauptsächlich jedoch rundliche, zum Theil eoncentrisch schattirte Körper, welche ebenfalls im Leberparenchym bei der mikroskopischen Vor- untersuchung bereits gesehen waren. Die Flüssigkeit be- deckte sich bei längerem Stehen mit einer hautartigen aus diesen Körpern und amorpher Substanz bestehenden Schicht). 1) Mit der Fehling’schen Probeflüssigkeit konnte in dem Filtrat kein Zucker aufgefunden werden. 2) Die Mutterlauge, aus welcher beide Arten Niederschläge sich abgeschieden hatten, trübte sich von Neuem auf Zusatz von neutralem sowohl wie von bas. essigsaurem Bleioxyd. Der Niederschlag war in Wasser sehr schwer löslich; in Wasser suspendirt und mit Schwefel- wasserstoff von Blei befreit, wurde ein Filtrat erhalten, das beim Ver- dünsten eine klebende Masse zurückliess, die sich an der Luft bald intensiv blau färbte.e Unter dem Mikroskop nahm man darin helle fettähnliche oder harzähnliche Tropfen wahr, und beim längeren Ver- weilen in der Luft verwandelte sich die blaue Farbe in braun. Wir haben uns durch Versuche überzeugt, dass die blaue Farbe nicht von einer Kupferverbindung herrührte. Dieser durch Bleiverbindungen fällbare Farbestoff steht höchst wahrscheinlich in naher Beziehung zu einem merkwürdigen Farbstofl, den wir auf sehr einfache Weise durch Zersetzung von Albumin er- halten haben. Erwärmt man gereinigtes Albumin mit concentrirter Salzsäure, so löst es sich mit violetter Farbe und beim Kochen wird die Lösung dunkelroth braun. Wird dabei der Zntritt von atmosphä- rischem Sauerstoff möglichst verhindert, so bleibt bei der Filtration nur eine sehr geringe Menge eines fast schwarzen, amorphen, stick- stoffhaltigen Körpers zurück uud bei der Digestion mit Bleiglätte wird das Filtrat unter Abscheidung von Farbstoff hell. Durch Waschen - 383 scheinungen der Blutintoxikation gestorbenen Schwangeren unter dem Detritus der zerfallenen Leberzellen, zahlreiche nadelförmige Krystalle, welche theils einzeln, grösstentheils aber in garben- oder federbuschähnlichen Drusen vereinigt lagen. In grosser Menge zeigen sich dieselben im Blute der V. V. hepaticae. Durch Auskochen der zerschnittenen Leber mit Wasser und Einengung des Filtrats wurde eine Quantität derselben ge- sammelt, allein nach der Reinigung erwies sich dieselbe als unzureichend für eine ausführliche Untersuchung. Später wurde die Spur dieser Krystalle vergeblich verfolgt, bis im Winter 1853 in der Leber einer unter comatösen Er- scheinungen gestorbenen Frau, welche längere Zeit wegen Verstopfung des Duetus choledochus im jüdischen Hospital zu Breslau behandelt worden war, dieselben Formen sich wie- derfanden. Auch hier waren, wie es in Folge anhaltender Gal- lenstauung beobachtet wird, die Leberzellen zum Theil zerfal- len, und zwischen ihren Ueberresten lagen zahlreiche Krystall- büschel nebst runden concentrisch geschichteten Kugeln; die feineren Aeste der V. V. hepaticae traten wegen ihrer voll- ständigen Ausfüllung mit krystallinischer Masse schon dem unbewaffneten Auge als graue feste Streifen entgegen, während in den grösseren die Innenwand mit festanhaftenden Drusen bedeckt erschien. Die grösseren und kleineren Pfortaderäste, sowie die Verzweigungen der Leberarterie waren vollkommen frei geblieben, sie liessen nichts Abnormes erkennen. Die Gal- lenwege strotzten von dunkelbrauner Galle, in welcher hie und da Chlolostearintafeln und braune Körnchen, aber keine andern Formelemente gefunden wurden. Aus dieser Leber konnte ein reichliches , für jede Unter- suchung genügendes Material gewonnen. werden. Das Organ wurde zu dem Ende zerschnitten, durch Ab- waschen mit kaltem Wasser, so weit als thunlich, von der in den Gallenwegen angehäuften Galle befreit, zerrieben und mit Wasser ausgekocht. Die durch ein grobes Colatorium geseihte Flüssigkeit liess beim Stehen eine Menge ungelöst gebliebener krystallinischer Körnchen fallen, welche für sich Müllers Archiv, 184. 25 384 gesammelt und gereinigt wurden. Das Filtrat wurde sodann mit basisch essigsaurem Bleioxyd gefällt, durch Schwefelsäure und Schwefelwasserstoff! von Blei befreit und eingeengt'). Nach einigen Tagen fiel eine bedeutende Quantität grüner Körnchen nieder, welches unter dem Mikroskop als Drusen und Garben feiner Krystallnadeln, wie sie im Leberparen- chym und in den Aesten der V. V. hepaticae gefunden waren, sich erwiesen. Beim weitern Verdunsten der Mutterlauge schieden sich später Ueberreste derselben Form aus, hauptsächlich jedoch rundliche, zum Theil concentrisch schattirte Körper, welche ebenfalls im Leberparenchym bei der mikroskopischen Vor- untersuchung bereits gesehen waren. Die Flüssigkeit bedeekte sich bei längerem Stehen mit einer hautartigen aus diesen Körpern und amorpher Substanz bestehender Schicht >). Zur Reinigung wurden sämmtliche krystallinische Produkte vermischt und durch Ausziehen mit Aether von einer anhän- genden, syrupförmigen, klebenden Materie befreit. Siedender Weingeist nahm darauf den grössten Theil (etwa 24) der Krystalle auf und färbte sich bräunlich, während der aus zarten Nadeln bestehende Rückstand rein weiss erschien. Die weingeistige Lösung setzte nach einiger Zeit ebenfalls einen völlig farblosen Niederschlag ab; er war ein Gemenge von Nadeln und ziemlich grossen concentrisch schattirten Kugeln, 1) Mit der Fehling’schen Probeflüssigkeit konnte in dem Filtrat kein Zucker aufgefunden werden. 2) Die Mutterlauge, aus welcher beide Arten Niederschläge sich abgeschieden haften, trübte sich von Neuem auf Zusatz von neutralem sowohl wie von bas. essigsaurem Bleioxyd. Der Niederschlag war in Wasser sehr schwer löslich; in Wasser suspendirt und mit Schwefel- wasserstoff von Blei befreit, wurde ein Filtıat erhalten, das beim Ver- dunsten eine klebende Masse zurückliess, die sich an der Luft bald intensiv blau färbte. Unter dem Mikroskop nahm man darin helle fettähnliche oder harzähnliche Tropfen wahr, und beim längeren Ver- weilen in der Luft verwandelte sich die blaue Farbe in braun. Wir haben uns durch Versuche überzeugt, dass die blaue Farbe nicht von einer Kupferverbindung herrührte. 385 die durch wiederholte Behandlung mit Weingeist getrennt werden konnten. 4 In heissem Wasser lösten sich die letzteren Krystallaggre- gate ziemlich reichlich und schieden sich beim Abdampfen der Lösung grösstentheils in, kreideweissen Häuten auf der Oberfläche der Flüssigkeit wieder ab, ganz so wie man es beim Abdampfen wässriger Leueinlösungen wahrnimmt. Dieser Körper war in der That nichts Anderes als Leu- ein; die Lösung wurde durch kein Metallsalz gefällt, in Am- moniak war er weit reichlicher löslich als in Wasser, Wein- geist nahm ihn nach Entfernung der fremden Materien nur bei Siedhitze in irgend erheblicher Menge auf, in Aether war er unlöslich und beim vorsichtigen Erhitzen in einer an bei- den Enden offenen Glasröhre sublimirte er vollständig in zarten, wolligen Massen. Ausserdem lässt eine von uns aus- geführte Stickstoffbestimmung über seine Identität mit dem Leuein keinen Zweifel übrig. 0,273 Grm. lieferten 0,4775 Ammoniumplatinchlorid = 10,97 Proc. Stickstoff. Die Formel des Leueins: C,;H,,NO, verlangt 10,68. Die nadelförmigen Krystalle, welche theils bei der ersten Behandlung der ursprünglichen Krystallmasse mit Weingeist, “theils bei wiederholtem Auflösen des unreinen Leueins in Weingeist zurückgeblieben waren, hinterliessen beim Verbren- nen eine nicht unbedeutende Menge einer weissen, aus schwe- felsaurem Kalk bestehenden Asche; sie bedurften mithin noch einer weitern Reinigung, Ammoniak nahm sie mit Leichtigkeit auf, wobei der grösste Theil des schwefelsauren Kalks zurück- . blieb, Um diesen vollständig zu entfernen, wurde die ammonia- kalische Lösung zuerst mit einigen Tropfen Barytwasser, dann mit kohlens. Ammoniak vermischt, und der entstandene Nieder- schlag abfiltrirt. Das gelbliche Filtrat setzte beim freiwilligen Verdunsten den krystallinischen Körper grösstentheils farblos ab, nur am Rande der verdunstenden Flüssigkeit zeigten sich die Krystalle gebräunt. Durch zwei- bis dreimaliges Auflösen in Ammoniak und freiwilliges Verdunsten der Lösung gelang es indess leicht, auch diese vollkommen farblos zu erhalten. 25° # 386 Die so gewonnenen Krystalle bildeten prächtig seiden- glänzende Nadeln, sie waren geruch- und geschmacklos, schmolzen beim Erhitzen unter Bräunung, wobei sich der Geruch von verbrennenden Haaren zu erkennen gab. Zu- gleich entstand ein geringer krystallinischer Anflug, der sich bei weiterem Erhitzen in ölförmige Tropfen verwandelte; die Dämpfe reizten zum Husten und nach Verflüchtigung der ammoniakalischen Produkte zeigte das Röhrchen den ange- nehmen Geruch, den man beim Erhitzen des Saligenins wahr- nimmt. Mitunter glaubten wir auch den Geruch der Carbol- säure zu erkennen, namentlich wenn wir enge Röhren zum Erhitzen anwandten. Die Krystalle waren ferner unlöslich in Aether und Weingeist, schwer löslich in siedendem Was- ser, leicht löslich in Alkalien und Mineralsäuren. Siedende verdünnte Essigsäure löste die Krystalle nur dann in erheb- licher Menge, wenn sie unrein waren und in diesem Falle waren sie, wie schon aus der obigen Mittheilung über die Reindarstellung des Leueins hervorgeht, auch in siedendem Weingeist nicht ganz unlöslich. Form und Verhalten der Krystalle gegen Lösungsmittel stimmt vollkommen mit dem Tyrosin überein, und es gelang leicht ihre Identität durch die Piriasche Tyrosinprobe nach- zuweisen. Wenige Milligr. mit concentrirter Schwefelsäure und darauf mit kohlensaurem Kalk behandelt, lieferten eine Lösung von tyrosinschwefelsaurem Kalk, die nach Zusatz von neutralem Eisenchlorid augenblicklich prachtvoll violett gefärbt wurde. Es musste hiernach als überflüssig erscheinen, eine wei- tere Bestätigung durch die Elementaranalyse vorzunehmen; “ wir zogen deshalb vor, unser Tyrosin zur Darstellung von tyrosinschwefelsauren Salzen zu verwenden, da deren Zu- sammensetzung noch unbekannt und eine genaue Kenntniss derselben schon wegen ihrer auffallenden Reaction mit Eisen- chlorid, die ganz mit der der Körper aus der Salieylgruppe zusammenfällt, von nicht unbedeutendem Interesse war. Zur Darstellung der gepaarten Säure übergossen wir das Tyrosin mit-concentrirter Schwefelsäure und erwärmten es ge- 387 linde, worauf es sich mit vorübergehend schön rother Farbe auflöste. — (Die Röthung durch Schwefelsäure beobachtet man ebenfalls bei Körpern aus der Salicylgruppe, z. B. beim Saliein und beim Saligenin). — Nachdem die Lösung einige Zeit auf etwa 200° oder etwas darüber erhitzt worden war, verdünnten wir mit Wasser, sättigten mit Baryt und erhielten durch Filtration eine farblose, neutral reagirende Lösung, die während des Abdampfens auf dem Wasserbade auf ihrer Oberfläche rosettförmige Krystallaggregate abschied. Anderen Tags war das Filtrat zu einer Gallerte erstarrt; sie wurde mit dem zweifachen Volum Weingeist zerrührt und die theils krystallinische, theils amorphe Ausscheidung auf ein Filtrum gesammelt. Das Filtrat hinterliess beim Verdunsten einen geringen firnissähnlichen Rückstand, der sich leicht im Was- ser löste und einen zuerst süssen, hernach bittren Geschmack zeigte, sehr ähnlich dem Geschmack der Gallensäuren. Leider war die Ausbeute zu gering, als dass wir eine genauere Prüfung dieser Substanz hätten vornehmen können. Die mit Weingeist gewaschenen Salze wurden mit kaltem Wasser behandelt, worin sich das amorphe Salz ziemlich leicht auflöste, während das krystallinische zurückblieb. Durch Vermischen der Lösung mit Weingeist wurde das amor- phe Salz wieder abgeschieden. Der Analyse zufolge!) wird die Zusammensetzung des krystallinischen Salzes durch die Formel BaO SO,+BaO 50, H,NO,, die des amorphen Salzes durch BaO SO, + BaO 5,0,0,,H,NO, ausgedrückt. Das erstere enthält ausserdem 2 Atome Krystallwasser, die bei 100°, zugleich mit 5 Aequiv. Wasserstoff und 5 Aequiv, Sauerstoff, welche aus dem Paar- ling in der Form von Wasser austreten, fortgehen. Eine ähnliche Zersetzung erleidet das amorphe Salz. Bei etwa 90° getrocknet, besteht es aus: BaO . 80, +Ba0 - 8,0,C0,,H, NO, und bei 100° treten die beiden noch übrigen Sauerstoflatome des Paarlings mit der entsprechenden Menge Wasserstoff als Wasser aus der Verbindung. 3) Vergl. Annal. d. Chemie u. Pharm. Jahrg. 1854. 388 Beide Salze haben die Eigenschaft, in wässriger Lösung durch Eisenchlorid intensiv violett gefärbt zu werden, ganz ähnlich der Färbung, die man beim Vermischen einer Lösung von Salieylsäure mit Eisenchlorid wahrnimmt. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die beiden Säuren, von denen man die erstere als eine gepaarte Dithionsäure, die letztere als eine gepaarte Trithionsäure betrachten kann, durch zwei auf ein- ander folgende Prozesse gebildet werden; wir beschäftigen uns deshalb gegenwärtig damit, die Umstände kennen zu lernen, unter denen nur eine dieser Säuren entsteht; gelingt dieses, so würden wir ein Mittel besitzen, das Tyrosin neben anderen Zersetzungsprodukten, z. B. neben Leuein, dureh colorimetrische Messung sehr scharf quantitativ zu be- stimmen. Bei aufmerksamer Durchsicht des Mitgetheilten kann es dem Leser nicht entgangen sein, dass das Verhalten des Ty- rosins mehrfach an das der Körper aus der Salieylgruppe erinnert, und wir halten uns in der That davon überzeugt, dass ihm ein Platz in derselben angewiesen werden muss. Einer von uns sprach diese Ansicht schon vor länger als einem Jahr in einer der Königl. Gesellschaft d. Wiss. zu Göt- tingen überreichten Abhandlung (Untersuchungen über das Aceton) aus, aus der ein kurzer Auszug in den Nachrichten dieser Gesellschaft (1853 S. 122—131) veröffentlicht wurde. Wir entnehmen dieser Abhandlung folgende Stelle: „Wird Tyrosin mit Salzsäure und chlorsaurem Kali ver- mischt, so wird die Lösung zuerst schön roth, dann unter Gasentwicklung gelb, und es setzt sich aus der trübe gewor- denen Flüssigkeit ein im Wasser unlöslicher gelber Körper ab, dessen Geruch Achnlichkeit mit Chlorchinon hat. Das Destillat zeigte nur undeutlich die Reaction des gechlorten Acetons, was aber daher rühren mag, dass nur eine kleine Menge von Tyrosin zu diesem Versuch angewandt werden konnte. Das Tyrosin hat in seinem Verhalten gegen Salz- säure und chlorsaures Kali Aehnlichkeit mit den Körpern aus der Salieylgruppe; diese werden sämmtlich bei der angege- benen Behandlung zuerst roth und scheiden dann unlösliche 38) gelbe, dem gechlorten Chinon ähnlich riechende Verbindungen aus; ich glaube deshalb, dass ein dahin gehöriger Paarling auch in Tyrosin vorhanden ist, der ebenfalls zu der ausge- zeichneten Reaction desselben, die kürzlich Piria zu seiner Nachweisung vorgeschlagen hat, Veranlassung giebt. Aehn- lich wie das Tyrosin verhält sich das Chinolin gegen Salz- säure und chlorsaures Kali, und es ist beachtenswerth, dass sich diese Basen in der Zusammensetzung nur durch 3 Aequiv. Wasser- und 3 Aequiv. Sauerstoff, welche sie weniger enthält, vom Tyrosin unterscheidet.“ Nehmen wir nun im Tyrosin einen der Salicylgruppe an- gehörenden Körper an, so kann derselbe kaum ein anderer sein, als das Saligenin, und das Tyrosin würde dann, ebenso wie die Hippursäure als eine gepaarte Glyeinverbindung be- trachtet werden müssen.‘ Beide Körper unterscheiden sieh in der Zusammensetzung nur durch 2 Aeq. Wasserstoff, welche die Hippursäure weniger enthält. C,H,NO, + C„H,O, = ‚HO+C,,H,NO, Glyein Benzoesäure Hippursäure C,H,NO,+€,,H,0, = 2H0+C,,H,,NO, Glyein Saligenin Tyrosin. Wir haben es nicht unterlassen weitere Versuche anzu- stellen, um das Tyrosin in der Weise zu zerlegen, dass seine chemische Constitution mit mehr Klarheit zu Tage trete; da wir indess nur noch wenige Deeigramme für diese Versuche übrig hatten und unsere Zeit zu beschränkt war, um uns eine grössere Menge zu verschaffen, so sind wir leider zu keinen ganz schlagenden Resultaten gelangt. — Wir bemer- ken nur, dass bei der Behandlung mit Silberoxyd oder chrom- saurem Kali und Schwefelsäure keine salicylige Säure ent- steht; ob Salieylsäure gebildet wird, können wir nicht mit Bestimmtheit angeben. Beim gelinden Erhitzen des Tyrosins mit schr feuchtem Kali und etwas Braunstein giebt sich da- gegen ganz deutlich der Geruch des Anilins zu erkennen, dem vielleicht etwas Chinolin beigemengt ist. Als wir versuchten das Tyrosin durch Erhitzen einer in- 390 nigen Mischung gleicher Aequivalente Glyein und Saligenin darzustellen, erhielten wir ein negatives Resultat. Bei 140° entwichen zwar 2 Aequival. Wasser und der geschmolzene Rückstand hatte mithin die Zusammensetzung des Tyrosins, bei näherer Prüfung erwies er sich aber als ein Gemenge von Saliretin und unverändertem Glyein. Ob die künstliche Bildung des Tyrosins aus dem angeführten Gemenge unter höherem Druck oder auf andere Weise möglich ist, hoffen wir bald beantworten zu können. r Nur ein Resultat dieser Versuche, das Auftreten von Ani- lin beim Schmelzen des Tyrosins mit Kali und Braunstein, dient der oben von uns ausgesprochene Ansicht über die Constitution desselben als weitere Stütze. Betrachtet man daneben das Verhalten des Tyrosins beim Erhitzen, seine Zersetzung durch Salzsäure und chlorsaures Kali, sein Ver- halten gegen Schwefelsäure und die Reaction der tyrosin- schwefelsauren Salze, so wird man nieht umhin können, sich unserer Ansicht anzuschliessen. Es liegen einige Untersuchungen vor, die keinen Zweifel darüber lassen, dass in dem Harn von Menschen und Thieren Körper, die der Salicylreihe angehören, vorkommen. Einem von uns gelang es, aus dem abgedampften Harn von Herbi- voren Carbolsäure mit allen ihren charakteristischen Eigen- schaften abzuscheiden') und kürzlich erhielt v. Sicherer?) aus Menschenharn auf Zusatz von Mineralsäure einen tief blauen Körper, der bei 280° mit purpurfarbenem Dampf in prisma- tischen Krystallen sublimirte, die sich in jeder Hinsicht wie sublimirter Indigo verhielten. Ebenfalls scheint die von Scharling®) aus Menschenharn dargestellte chlorhaltige Säure von der Zusammensetzung 0,,H,C1O,, die Scharling Chloromichmylsäure nennt, mit der gechlorten salieyligen Säure übereinzustimmen; beide Säuren krystallisiren in farb- 1) Annal, der Chemie u. Pharmac. LXXVI. 17. 2) Ebendas. XC. 120. 3) Ebendas. XLI. 49 und XLII. 268. 391 losen Schuppen oder Tafeln und geben bei der Basenng mit Ammoniak gelbe Salzlösungen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dest Körper oder ihre Stammverbindungen ihr Entstehen der Zersetzung des Ty- rosins verdanken, dass diese Zersetzung in der Leber statt- findet, und dass der dabei in Freiheit gesetzte stickstoffhal- tige Paarling des Tyrosins das Glyein zur Bereitung von Glyeocholsäure benutzt wird. Auch das Leuein ist vielleicht nicht ohne Wichtigkeit für die Gallenbereitung. Durch Ein- wirkung oxydirender Substanzen zerlegt er sich unter Bildung von Valeriansäure und Buttersäure und dieselben Säuren findet man unter den Oxydationsprodukten der Gallenbestandtheile wieder. Es möchte indess hierauf kein grosses Gewicht zu legen sein, da die genannten flüchtigen Säuren auch durch Oxydation der Fette und anderer Substanzen gebildet werden können. Für sehr wahrscheinlich aber halten wir es, dass das Leuein schon früh im Organismus entsteht und seine Zersetzung in der Leber stattfindet; denn wir haben bisher bei wiederholten Versuchen in frischen, gesunden Lebern kein Leucin oder Tyrosin entdecken können, während wir diese Stoffe bei gestörter Function der Leber, wie schon die bei- den angeführten Beispiele zeigen, in bedeutender Menge vor- fanden. Die Annahme, dass Leuein und Tyrosin in diesen - Fällen erst nach dem Tode oder kurz vor dem Tode aus Proteinsubstanzen durch einen Fäulungsprozess entstanden seien, ist jedenfalls unstatthaft, denn man erhält bei der Fäulniss und künstlichen Zersetzung dieser Stoffe neben viel Leucin immer nur sehr wenig Tyrosin, wir aber konnten aus einer Leber so viel Tyrosin abscheiden, dass es zu allen mitgetheilten Versuchen ausreichte. Wir haben Leucin und Tyrosin aber auch in solchen Le- bern gefunden, bei denen von Fäulungsprozessen nicht im geringsten die Rede sein konnte. So z. B. waren beide Kör- per in nicht unansehnlicher Menge in der Leber bei Variola vorhanden, und es gelang uns leicht aus Typhuslebern das Tyrosin in völliger Reinheit abzuscheiden, während wir uns im letztern Falle zur Nachweisung des Leueins nur des Mi- 392 kroskops bedienen konnten. Höchst merkwürdig ist es, dass in diesem Falle Leuein im Harn, und wie es scheint, in Be- gleitung von Valeriansäure vorkommt!) Da wir in Typhuslebern wiederholt Tyrosin und Leuein gefunden haben, und bei Typhus sowohl wie bei Cholämie constant Intoxikation der Nerventhätigkeit beobachtet wird, so war es für uns von grossem Interesse zu erfahren, ob das Vorhandensein dieser Körper in direeter Beziehung zu diesen Erscheinungen stehe. Wir haben deshalb beide Körper und auch valeriansaures Ammoniak Thieren ins Blut injieirt, haben aber in Folge dessen keine giftigen Wirkungen beobachten können. Leuein konnten wir in diesen Fällen leicht wieder im Blnte auffinden, dagegen gelang uns die Nachweisung von Tyrosin nieht; es hatte vielleicht schon eine Zersetzung in der Leber erfahren. 1) Unser junger Freund W. Valentiner von Neustadt in Hol- stein, der uns bei unserer Untersuchung aufs Eifrigste unterstützte, hat schon früher Leuein in dem Harn eines epileptischen Individuums ge- funden, welches in Folge eines Sturzes eine ausgedehnte Schädelfractur mit hohem Grade von Gehirnerschütterung, nebst einer Fractur in der Gegend des zwölften Rückenwirbels, 14 Zoll über der Cauda equina mit Lähmung der Beckenorgane und der untern Extremitäten erlitten hatte. Der Urin war schwach alkalisch und enthielt während der er- sten Tage etwas Eiweiss. Daneben zeigten sich einige Eiterkörper- chen, deren Menge fast bis zum Tode des Patienten ununterbrochen zunahm. Das Leucin wurde aus dem mit Bleiextract behandelten Harn abgeschieden, Form und Verhalten desselben gegen Lösungsmittel lies- sen über seine Natur keinen Zweifel. Da aber das Leuein bisher noch nicht im Organismus gefunden war und der Patient starb, ehe eine zur Analyse genügende Menge gesammelt werden konnte, so zügerte Herr Valentiner bis jetzt, seine interessante Beobachtung bekannt zu machen, 395 Ueber das Vorkommen von Allantoin im Harn bei gestörter Respiration. Von F. Tu. FRERICHS und G. STAEDELER. Zur Prüfung der Angabe von Alvaro Reynoso!'), dass bei jeder dauernden Respirationsstörung Zucker im Harn auf- trete, stellten wir eine Reihe von Versuchen an, deren Re- sultate mit den von Reynoso erhaltenen nicht übereinstimm- ten; die aber so äusserst merkwürdig sind, dass wir nicht länger anstehen, sie der Oeffentlichkeit zu übergeben, obwohl wir unsere Versuchsreihe noch nicht als geschlossen betrach- ten, und die Absicht haben, uns noch ferner damit zu be- schäftigen. Zucker fanden wir selbst bei den heftigsten Respirations- beschwerden nicht in deutlich nachweisbarer Menge; eine zweideutige Reaction trat öfter ein, sie konnte indess eine andere Ursache haben, wie aus dem Folgenden hervorge- hen wird. I. Einem Hunde mittler Grösse wurde Oel in die Lun- gen gebracht, worauf grosse Athemnoth eintrat, und nach 12 Stunden der Tod erfolgte. Kurz vor dem Tode hatte der Hund eine reichliche Menge Harns gelassen, er war röthlich, hatte die Consistenz und die Eigenschaften des Blutserums und war mit breiten dunkelrothen Streifen durchzogen, die sich unter dem Mikroskop als Anhäufungen von Blutkörper- 1) Comp. rend. XXXII. 606. 394 chen zu erkennen gaben. Von den Resultaten der Section heben wir nur hervor, dass das rechte Herz und die grös- seren Gefässe mit sehr duhklem, koagulirtem Blut gefüllt, die Leber blutreich und die Nieren hyperämisch waren. In den Lungen fanden sich durchweg zerstreute Entzündungs- heerde, am bedeutendsten in den Rändern, die schon theil- weise hepatisirte Stellen zeigten. Zur Prüfung auf Zucker wurde der Harn mit wasserfreiem Weingeist vermischt, die Flüssigkeit vom koagulirten Albumin durch Filtration getrennt, dann mit einigen Tropfen Essig- säure schwach sauer gemacht, zur Verflüchtigung des Alko- hols im Wasserbade verdampft und mit einer kalischen Lö- sung von weinsaurem Kupferoxyd gekocht. Es schied sich kein Kupferoxydul ab. Als wir den Versuch in ähnlicher Weise wiederholten, wobei der Hund aber schon nach 6 Stunden starb, erhielten wir keinen Harn, auch die Blase zeigte sich leer. Der Sec- tionsbefund stimmte übrigens mit dem früheren überein. I. Einem Wachtelhunde wurde ebenfalls Oel in die Lungen gebracht, indess nur so viel, dass die Athemnoth nicht allzugross wurde. Am folgenden Tage wurde dem Thiere noch Luft in den rechten Thoraxraum geblasen, wodurch sich aber die Beschwerden nicht nachhaltig vergrösserten. Nach Verlauf einiger Stunden war der Hund wieder ziemlich wohl. Es wurde deshalb von Neuem Oel und zwar in etwas grösserer Menge infieirt und auf gleiche Weise zwei Tage später verfahren. Der durch dieses Verfahren herbeigeführte Zustand hielt im Ganzen 7 Tage an, dann erholte sich das Thier und konnte zu anderen Versuchen benutzt werden. Während der ersten 4 Tage war keine Fresslust vorhanden, am 5. und 7. Tage wurde etwas Milch genommen, Der Hund hatte während der 7 Tage 5mal Harn gelassen, immer nur in kleiner Menge, aber von grosser Coneentration. Die Gesammtmenge betrug gegen 8 Unzen. Er hatte eine tief braune Farbe, reagirte sauer und zeigte einen höchst widerwärtigen Geruch. 395 Jede Portion des Harns wurde, gleich nachdem sie gelas- sen war, mit bas. essigsaurem Bleioxyd gefällt, aus dem Filtrat das Blei mit Schwefelsäure und Schwefelwasserstoff entfernt und die farblose Flüssigkeit im Wasserbade verdampft. Die vereinigten Rückstände wurden darauf mit siedendem Weingeist von 82%, ausgezogen und die gelbliche Lösung in einem verschlossenen Gefäss bei Seite gestellt. Der Rück- stand war rein weiss und bestand nur aus unorganischen Salzen, die sich im Wasser leicht auflösten. Aus der weingeistigen Lösung setzte sich nach Verlauf einiger Tage eine grosse Menge kleiner, weisser Krystall- gruppen ab, die in kaltem Wasser fast unlöslich waren, sich aber bei Siedhitze lösten und beim Erkalten in grösseren glänzenden Krystallen wieder anschossen, deren Form ganz mit der des Allantoins übereinstimmten. Wie dieses waren sie leicht löslich in Ammoniak und schossen beim Abdunsten desselben wieder an. Als die wässrige Lösung mit salpeter- saurem Silberoxyd und einigen Tropfen Ammoniak vermischt wurde, entstand ein weisser, aus mikroskopischen Kügelchen bestehender Niederschlag, der über Chlorcaleium getrocknet und auf seinen Silbergehalt geprüft wurde. 0,1588 Grm. hinterliessen beim Glühen 0,0644 metällisches Silber = 40,55 Proc. Das Allantoin Silberoxyd: AgO .C;H,N,O, enthält 40,75 Proc. Silber. Zur Prüfung auf Zucker wurde das weingeistige Filtrat zur Entfernung von Harnstoff mit Oxalsäure vermischt, die vom Niederschlag getrennte Flüssigkeit eingeengt und nach ‘ Zusatz von Wasser mit Kreide digerirt, welche unter Brau- sen die überschüssig zugesetzte Oxalsäure aufnahm. Das Filtrat gab beim Aufkochen mit einer Mischung von schwe- felsaurem Kupferoxyd, Weinsäure und Kali, keine Zucker- reaction. III. Der Harn eines Mannes, welcher viel Chlor einge- atlımet und in Folge dessen vorübergehend an sehr heftiger Brustbeengung litt, wurde in gleicher Weise auf Allantoin und Zucker geprüft. Der Harn wurde 18 Stunden hindurch ge- 396 sammelt (im Ganzen 985 C.C.); die ersten Portionen waren wenig gefärbt, theilweise trübe, neutral, und ihr spec. Ge- wicht betrug 1,013. Der am andern Morgen gelassene Harn (385 C.C.) war klar, bernsteingelb, stark sauer und hatte 1,023 spec. Gewicht. Es wurden nur einige schwerlösliche Krystalle aus diesem Harn erhalten, deren Identität mit Allantoin nicht deutlich nachweisbar war. Die Zuckerprobe gab ein negatives Re- sultat. Am andern Tage hatte sich zwar ein nicht bedeutender gelblicher Niederschlag gebildet, den man aber wohl kaum als von Zucker herrührend ansehen kann, da das Allantoin ebenfalls die alkalische Kupferlösung zersetzt; möglich ist es also, dass die Ausscheidung von einer Spur Allantoin, wel- ches sich in der Lauge befand, herrührte. . IV. Einem Hunde mittler Grösse wurden 8 Tage hin- durch ziemlich heftige Respirationsbeschwerden dürch täg- liches Einathmen von Chlor verursacht, und der Harn, nach- dem er gelassen, mit etwas Ammoniak vermischt und mit Blei behandelt. Die weitere Prüfung auf Allantoin und Zuk- ker wurde genau so ausgeführt, wie es bei Versuch II. an- gegeben ist. Nach 10—12tägigem Stehen an einem kühlen Ort hatten sich aus der weingeistigen Lösung gegen 1,5 Grm. Allantoin ausgeschieden, das theilweise zur Darstellung der Silberverbindung benutzt wurde. 0,2715 Grm. gaben 0,1092 Grm. Silber — 40,22 Proc., was mit der früheren Bestimmung sehr nahe übereinstimmt. Bei der Zuckerprobe gelangten wir zu demselben Resultat wie bei Versuch III. Wir bemerken noch, dass der Hund während der Versuchsdauer nur zweimal etwas Milch zu sich genommen hatte. Bei Fortsetzung unserer Versuche konnten wir in dem Urin mehrerer an Dyspnoe, Emphysem und Pneumonie Lei- dender, sowie in dem Harn einer Frau mit Aneurisma arcus aortae, die einige Tage von solcher Athemnoth befallen wurde, dass zur Tracheotomie geschritten werden musste, kein Al- lantoin entdecken. Ob das Auftreten von Allantoin im Harn in der That von Respirationsstörungen abhängt, ist somit 397 noch zweifelhaft, in grosser Menge ‘wird es offenbar nicht gebildet; die von Reynoso beobachtete Kupferoxydulaus- scheidung kann aber ebensowohl von Allantoin als von Zucker herrühren. . Erhitzt man Allantoin mit einer Lösung von schwefel- saurem Kupferoxyd, Weinsäure ‘und Kali in nicht zu grossem Ueberschuss, so bemerkt man beim Kochen kaum eine Ein- wirkung, ist dagegen der Ueberschuss an Kali bedeutend, so wird die Wand des Kölbehens bald trüb und nach einiger Zeit findet man einen Absatz von Kupferoxydul. Die von uns gewonnenen Krystalle sowohl, wie auch reines, aus Harnsäure dargestelltes Allantoin verhielten sich in dieser Beziehung ganz gleich und die Reaction findet in dem Ver- halten des Allantoins gegen Kali eine ganz einfache Erklä- rung. Unter gewöhnlichen Umständen entsteht Oxalsäure, bei Gegenwart von Kupferoxyd Kohlensäure. Kreatin veranlasst unter gleichen Umständen keine Aus- scheidung von Kupferoxydul, es kann dadurch leicht von Al- lantoin unterschieden werden, dem es in mancher Beziehung ähnlich ist. Ausserdem unterscheidet es sich noch durch geringere Löslichkeit in Ammoniak und durch sein Verhalten gegen Silbersalze. In der mit salpetersaurem Silberoxyd ver- mischten Kreatinlösung entsteht auf Zusatz von Ammoniak kein Niederschlag, sondern erst nach längerer Zeit Trübung und Reduction des Silberoxyds. Sehr characteristisch ist auch das Verhalten beider Körper gegen salpetersaures Quecksilber- oxyd, da nach der Beobachtung des Herrn Dr. Limpricht die Allantoinlösung durch dieses Reagens gefällt wird, wäh- rend die Kreatinlösung unverändert bleibt. 398 Ueber Aetinophrys Eichhormii. Von ED. CLAPAREDE aus Genf. (Hierzu Taf. XV. Fig. 1—6). Es ist kaum zu bezweifeln, dass fast allen echten Infusorien, d. h. allen Infusorien thierischer Natur, wenigstens eine An- deutung einer Circulation zukommt, welchen Ausdruck. wir, ohne jetzt zu entscheiden, welcher Art diese Cireulation, ob sie eine Blut- oder Wassercireulation sei, auf die s. g. con- tractile Blase oder contractile Stelle beziehen. Jedoch wurde bisher ein solches Gebilde bei manchen, obschon wahrschein- lich thierischen Infusorien, vermisst; es ist namentlich von fast allen Beobachtern bei einem sehr hübschen Thierchen, der Actinophrys Eichhorniü, unberücksichtigt geblieben. Indem ich aber neulich auf eine ziemlich grosse Anzahl von Aeti- nophryen in einem Gläschen, wo ich sie früher gar nicht bemerkt hatte, zufällig stiess, fiel mir ein allen Individuen dieser Art zukommendes eigenthümliches Organ auf, was ich zuerst nicht wohl zu deuten wusste und sich doch bald un- zweifelhaft als eine sonderbar angebrachte contractile Blase herausstellte. Als Ehrenberg Actinophrys Sol (Act. Eichhorni war damals davon noch nicht getrennt) in seinem grossen Werke über Infusorien beschrieb und abbildete, suchte er in ihr sei- ner Theorie gemäss Magenzellen, Mund und After ausfindig zu machen. Danach könnte man sich vorstellen, Actinophrys würde vermittelst eines Rüssels Thierchen und Pflänzchen erhaschen, dieselben in mit einander zusammenhängenden Magenzellen verdauen und die unauflöslichen Theile durch 399 einen After entleeren. Spätere Beobachter, Dujardin, Kölliker u. A. konnten dies nicht finden, behaupteten viel- mehr, das Thier fresse gar nicht oder gestalte einen belie- bigen Theil seines Körpers zu einem Munde und einem After. Kölliker insbesondere vermuthet, dass Ehrenberg einen sich erhebenden Fortsatz, der sich nach und nach zu einem Fangfaden gebildet haben würde, für einen vorstreckbaren Rüssel hielt. Indessen war Ehrenbergs Behauptung, was den Mund betrifft, keineswegs unbegründet; seine Beobach- tung ist vollkommen riehtig, die Deutung aber unpassend, wie wir hernach zeigen werden. Von oben gesehen sieht gewöhnlich Actinophrys Eichhornis kreisrund aus; ihre allgemeine Form aber erscheint mei- stens die eines Sphäroids, einer abgeplatteten Kugel zu sein, von welcher eine zahlreiche Menge von mitunter sehr langen Fortsätzen ausstrahlt. Von einem deutlichen Kern ist nichts zu sehen. Was Kölliker unter diesem Namen anführt, kann ‚kaum denselben verdienen, denn dieser angebliche Kern geht allmälig, wie K. es selbst einsieht, in die allgemeine Leibes- substanz über. Wahrscheinlich verdichtet sich die Masse des Körpers stufenweise nach dem Mittelpunkt zu oder umge- kehrt, wovon eine Verschiedenheit des Anblicks zwischen den eentralen und den peripherischen Theilen herrührt. Die Namen „innere Schicht“ und „äussere Schicht“ oder „Cortical- schicht“ sind also vorzuziehen. Von Zeit zu Zeit erhebt sich langsam und allmälig auf einem bestimmten Punkt der Ober- fläche des Thieres ein kugliger Vorsprung, der bald mehr bald weniger, bei gewissen insonderheit kleinen Individuen sogar bis beinahe ein Drittel, bei den meisten aber nur bis 1%, oder ’/, des ganzen Leibes wächst. Der Rand dieses Vorsprungs ist imer scharf begrenzt, viel mehr als der anderer Theile des Körpers, insbesondere wenn sie den höchsten Punkt ihrer Entwickelung erreicht hat. Dann zieht sie sich auf einmal zusammen und verschwindet ganz und gar, so dass oft eine Abflachung des Randes da zu bemerken ist, wo diese sonder- bare Erhabenheit sich früher zeigte: bald rundet sich der Rand wieder ab, der kugelige Vorsprung hebt sich wieder Müller's Archiv. 1854 26 400 allmähg auf, erreicht ihre frühere höchste Ausbildung und plötzlich verschwindet sie abermals, um hernach wiederum zuzunehmen und zusammenzufallen. Anfangs, nachdem ich Ehrenberg’s Angaben nachgese- hen hatte, fühlte ich mich für dessen Behauptung des Vor- handenseins eines Mundes bei Actinophrys eingenommen, denn die Beschreibung des angeblichen Rüssels stimmte mit meiner eigenen Beobachtung vollkommen überein, um so mehr als Kölliker diese eigenthümliche Erscheinung ganz und gar übersah und mir seine Beschreibung des Fressens dieses Thierchens nicht ganz klar vorkam. In der That machte diese regelmässige Aus- und Einstülpung des s. g. Ehren- berg’schen Rüssels viel begreiflicher, wie fremde Körper in das Leibesparenehym der Actinophrys gerathen können, als das von Kölliker') behauptete Eindrivgen, bloss durch den Druck der sich umbiegenden und aneinanderlegenden, sonst so zarten Fortsätze. War nun jenes Organ kein Rüssel im Ehrenberg’schen Sinn, so schien mir nichts natürlicher als dasselbe seiner regelmässigen Zusammenziehungen wegen für eine contractile Blase zu halten, um so mehr als Prof. Joh. Müller diese Ansicht unterstützte. Diese Deutung war jedoch nichts Neues, wie ich mich später davon überzeugte. Ich finde sie schon in Siebold’s vergleichender Anatomie; freilich ist sie von den meisten Beobachtern unberücksichtigt geblieben. Siebold sagt: „Sehr auffallend verhält sich in dieser Beziehung (in Beziehung auf die contractile Blase) Actinophrys Sol, deren contraetile Be- hälter so diebt unter der allgemeinen Hautbedeckung ange- bracht sind, dass die aus dem Parenchym hier zusammen- strömende Flüssigkeit die Hautbedeckung wie eine wasser- helle Blase hervortreibt; letztere behält jedoch noch so viel Spannkraft, um durch Contraction den Ernährungssaft wieder in das Parenechym zurückzutreiben.“ Es ist jedoch bei die- sem Thierchen keine allgemeine Hautbedeckung vorhanden, 1) Kölliker, Ueber Actinophrys Sol. Zeitschrift für wissensch. Zoolog. 1849. 401 wie wir es weiter beweisen werden, demnach kann auch nieht durch diese Spannkraft der Ernährungssaft in das Leibs- parenchym zurückgetrieben werden. v. Siebold stellt in seiner Classification der Infusorien die Gattung Actinophrys zu seinen Stomatoda, d. h. Infusorien mit deutlicher Mund- öffnung und Speiseröhre, neben Prorodon und Leucophrys, also unter eigentliche Ciliata, deren Organisation offenbar viel höher ist und welche theilweise neben einem bewim- perten Mund und einem Oesophagus einen ausgebildeten Zahn- apparat besitzen, während kein Zweifel mehr obwaltet, dass Actinophrys neben Amoeba, Arcella und den anderen Rhizopoden ihre natürliche Stelle im Systeme hat. ‚Wenn also die Ehre der Entdeckung und leider! auch einer falschen Deutung der eontractilen Blase Ehrenberg ange- hört, fällt die der ersten richtigen Auffassung derselben v. Siebold zu. v. Siebold erwähnt zweier contractilen Be- hälter bei Actinophrys, während ich beständig nur einen habe sehen können. Oft kommen mehrere blasenartige Erhebungen am Rande vor, deren aber nur eine contractil ist. Ich habe indessen zwei sich zusammenziehende Blasen bei mehreren Individuen beobachtet, aber immer in solchen Fällen, wo der Gestalt nach auf eine Selbsttheilung oder eine Verschmelzung zweier Individuen (Act. difformis Ehr.) zu schliessen war. Das Vorhandensein eines einzigen eontractilen Behälters scheint aber nicht durchgreifend bei den Rhizopoden. Ich habe ihrer zwei bei Arcella vulgaris beobachtet. Ferner hat neuerdings Stein!) auf die fraglichen Blasen die Aufmerksamkeit wieder gelenkt und erwähnt auch derer zwei, was Siebolds Aeus- serung eine neue Stütze liefert. Es frägt sich indessen noch, ob er sie auch bei entschieden einfachen Individuen gese- hen hat. Es ist mir auffallend, dass Kölliker, dem jedoch von Siebold’s Beobachtung bekannt war, sie als ungenau und auf einer Täuschung beruhend bezeichnet. Nach seiner An- “ 1) Die Infusionsthiere, auf ihre Entwickelung untersucht von Stein Leipzig. 1854. 26* 402 sicht hätte v. Siebold zufällige Expansionen und Contrac- tionen der die Vacuoien begrenzenden Substanz, wobei die Vaeuolen nicht verschwinden , irriger Weise für Erscheinungen gehalten, welche auf das Dasein contractiler Behälter hin- deuten. Dem ist jedoch nicht so: das Organ, das wir jetzt besprechen und von v. Siebold schon gesehen wurde, ist wegen seiner Grösse, seiner beständigen, unveränderlichen Lage und seiner regelmässigen Zusammenziehungen und Ausdehnun- gen, ähnlich der langsamen Diastole und Systole eines Her- zens, mit einer Vacuole gar nicht zu verwechseln. Dass Kölliker es übersehen hat, ist um so unbegreiflicher, als unter zehn Exemplaren der Actinophrys bei neun sogleich diese Erscheinung dem Beobachter ins Auge fällt. Oft habe ich stundenlang dieses herrliche Schauspiel bewundert, ohne dass irgend eine merkliche Unregelmässigkeit eingetreten wäre. Wie oben bemerkt, erscheint die Form der Actinophrys in der Regel — nicht aber, immer — etwas abgeplattet, so dass man sie meistens von oben oder unten zu sehen be- kommt. In diesem Falle kommt aber die Blase immer deut- lich an den äusseren Rand zu liegen. Vielleicht könnte man vermuthen, dass Kölliker ein anderes Thier unter den Augen gehabt hat als ieh; aber wie kommt es denn, dass diese Erscheinung anderen Beobach- tern, wie Dujardin, Perty, die doch dieselbe Actinophrys beobachtet haben sollen, nicht aufgefallen ist? Stein, der übrigens entschieden dasselbe Wesen zu Gesicht bekam, wie Kölliker, hat bei ihm die contraetile Blase, wo nicht richtig aufgefasst, doch klar gesehen. Nach Ehrenberg wäre das von Kölliker beobachtete Thierchen seine Actinophrys Eich- horni, ein von der sehr ähnlichen Actinophrys Sol — deren angebliche Grösse mit den von mir beobachteten Sonnenthier- chen sehr wohl übereinstimmt — zu unterscheidendes Wesen Ehrenberg’s Diagnosen sind aber in diesem Fall keines- wegs genügend, um Arten zu unterscheiden. Er beschrieb nämlich Actinophrys Eichhornii in den Berichten der Berliner Akademie (1340. S. 197) auf folgende Weise: „ Actinophrys Eichhornii = der Stern Eichh. A. corpore globoso albo 403 magno, radiis expansis diametro corporis brevioribus, conieis. Magn. '/,'“. Berolini.* Aber wie wir unten ausführen werden, kann die Länge der Strahlen bei der Bestimmung der Spe- eies gar nicht in Betracht kommen. Sie mögen lang, kurz, mehr oder weniger zahlreich sein, ja sogar gänzlich fehlen, es ist dennoch dieselbe Species. Der einzige bleibende Cha- rakter, um diese beiden Actinophrys zu trennen, würde dann in der Grösse bestehen. Zwar ist hier ein gewaltiger Unter- schied, je nach den Individuen. Nach Ehrenberg würde Act. Sol zwischen "400 und 1%," Grösse schweben. Die kleinsten von Kölliker beobachteten Individuen (A. Eich- hornü, nach Ehrenberg) maassen !%,— !/,'", die grössten 1% 14", die kleinsten, welche mir zu Gesichte kamen, wa- ren W/0, die grössten vielleicht 5 bis 6 mal so gross, also etwa 1a —"A5". Es ist demnach, wie man sieht, keine scharfe Grenze zu ziehen; die einen gehen allmählig in die anderen über. Wenn wirklich zwei Arten vorhanden sind, dann mag es dazu dienen, zu erklären, warum Kölliker u. A., welche Act. Eichhorniü beobachteten, die contractile Blase übersahen; mir aber leuchtet kein triftiger Grund ein, um eine solche Trennung von Arten zu rechtfertigen, so lange sie blos auf einen Unterschied der Grösse beruht, wel- cher in der That gar nicht existirt. Stein, indem er sich darauf stützt, dass Actinophrys Eichhorni anfangs in Ehrenberg’s Actinophrys Sol mitbegriffen war, und dass letzterer eine neue Diagnose für diese zu geben vernachlässigte, als er jene da- von trennte, bestrebt sich nachzuweisen, dass Ehrenberg’s echte Aetinophrys Sol (nicht aber die im grossen Werke ab- gebildete) ein Acineta sei. In der That finden wir in Eh- renberg: „Die Strahlen sah ich, das Beugen abgerechnet, eich verlängern und verkürzen, und am Ende mit einem Kör- perchen versehen,“ was auf eine Verwechselung mit Acineta wohl hindeuten möchte. Bevor wir die contractile Blase verlassen, wollen wir noch einen Blick auf deren Rolle in den Verrichtungen des Thiers werfen. Die von Ehrenberg aufgestellte Hypothese einer sich regelmässig beinahe jede Minute und noch öfter bei den meisten 404 Infusorien ausleerenden Samenblase lässt sich nicht verfechten. Es stehen also nur zwei verschiedene Ansichten über die Natur der eontractilen Blasen oder Stellen sich gegenüber: entweder sind es wirkliche Herzen, wie die, welche an den meisten mit Blutgefässen versehenen Thieren vorkommen, oder herzartige Organe, welche mit den Poli’schen Blasen der Echinodermen oder den pulsirenden Erweiterungen der Wassergefässe bei den Cestoden, den Trematoden und den Räderthieren verwandt sind. Oscar Schmidt hat letzte Ansicht vertheidigt, und zwar spricht die grosse Aehnlichkeit der zusammenziehbaren Blasen der Infusorien mit denen der Räderthiere dafür. Jedoch können wir derselben nicht bei- treten, weil diesen contractilen Blasen der Hauptcharakter eines Wassergefässsystems fehlt. Ein solches nämlich zeich- net sich durch Wimperbewegung in seinen kleinen Verzwei- gungen und vor allen Dingen durch einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Aussenwelt aus. Zwar können wir die Flimmerbewegung den Verzweigungen der Saftgefässe bei den Infusionsthieren nicht absprechen, da überhaupt solche Gefässe uns noch unbekannt sind, aber die andere unerläss- liche Bedingung fällt aus. Bis jetzt konnte man vermuthen, dass die Oeffnungen des Wassergefasssystems, wenn sie vor- handen sind, uns ihres kleinen Durchmessers wegen entgan- gen sind; jedoch bleibt eine solche Vermuthung bei der Lage der contractilen Blase in den Actinophryen höchst unwahr- scheinlich. Wenn eine Oefinung da vorhanden wäre, müsste man sie sehen, oder mindestens beim Aufnehmen und Aus- leeren der Flüssigkeit Strömungen im Wasser wahrnehmen können. Da es nicht der Fall ist, kann man die contractile Blase der Infusorien nur mit den herzartigen Organen des Blutgefässsystems anderer Thiere vergleichen. Ehrenberg muss niemals das Thier haben fressen sehen, sonst hätte er die wirklichen Verrichtungen des angeblichen Rüssels erkannt, denn die Aufahme der Nahrung hätte ganz gewiss an einer anderen Stelle als an derjenigen der zusam- menziehbaren Blase Statt gefunden. Stein hat auch, wie oben gesagt wurde, der contractilen Blase bei Actinophrys 405 wiederum Erwähnung gethan; allein er verwirft Siebold’s Erklärung, was blos aus dem Grund geschieht, weil ihm „kein Infusionsthier bekannt ist, bei dem sich die contrac- tilen Stellen nach aussen hervorstülpen können.“ Er kehrt deswegen zu einer von der Ehrenberg’s nicht sehr abwei- chenden Ansicht zurück, und sucht durch das Spiel dieser Or- gane die Nahrungsaufnahme erklärlich zu machen. Die von den Tentakeln gefangene Beute würde nämlich, nach Stein, einer der weit hervorgestülpten Blasen genähert werden, bis sie mit der Oberfläche in Berührung käme und an ihr kleben bliebe; die Blase fahre nun plötzlich in die Corticalschicht zurück und ziehe die Beute mit sich, die anfänglich in der vor der zurückgezogenen Blase sich bildenden trichterförmi- gen Grube zu liegen komme, später aber durch die wulstigen Ränder derselben in das Innere der Corticalschicht und bis in die Medullarschicht hineingedrängt würde. Mit dieser An- sicht würden, fährt Stein fort, auch Kölliker’s Beobach- tungen in Einklang zu bringen sein, der beständig die auf- zunehmenden Nahrungsstoffe zuerst in einer oberflächlichen Grube der Corticalschicht liegen sah; nur würde Kölliker den früheren Moment, wo statt der Grube ein blindsackartiger Vorsprung vorhanden ist, übersehen haben; eine Angabe Kölliker’s verursache allerdings Schwierigkeiten, da der- selbe gefunden hat, dass jede Stelle der Körperoberfläche der Actinophrys vorübergehend als Mund oder After verwendet werden kann; diese Schwierigkeit dürfte sich nur durch die Annahme beseitigen. lassen, dass für gewöhnlich zwar nur zwei gegenüberliegende Blasenräume der Corticalschicht her- vorstülpbar seien, dass aber unter Umständen auch jeder andere Blasenraum an der Oberfläche des Körpers mehr oder weniger hervorgedrängt werden könne, um mit einem hier von den Tentakeln erbeuteten Gegenstande in Berührung ge- bracht zu werden. Allein wir werden zu Genüge beweisen, dass eine solche Ansicht den Thatsachen gegenüber unhaltbar ist, und dass die Art und Weise, wie die Nahrungsaufnahme von Statten geht, mit einer solehen Rolle der hervorstülpbaren Vorsprünge unvereinbar ist. Es ist uns mehrmals geglückt » 406 das Fressen der Actinophrys zu belauschen, eine Erscheinung, welche Stein trotz seiner sorgfältigen Beobachtungen ent- gangen ist, und wir können demnach behaupten, dass die Nahrungsaufnahme vermittelst des Aus- und Einstülpens der Blase niemals Statt findet. Stein’s Blasenräume, d. h. die contractilen Blasen, können zu Nichts Anderem verwendet werden, als um wie ein Herz den Nahrungssaft durch Sy- stole und Diastole in die Körperräume zu treiben. Stein hat auch nachweisen wollen, dass durch diese Organe die Be- wegungen des Thiers bedingt werden, was ebenso unhaltbar ist. Kölliker hat dagegen vollkommen Recht, wenn er be- hauptet, „dass Actinophrys jede beliebige Stelle ihrer Leibes- oberfläche vorübergehend zu einem Mund gestalten und zur Aufnahme von Bissen benutzen, an jedweder Stelle auch das Unverdauliche nach aussen entleeren kann.“ Jedoch mit sei- ner Beschreibung und Abbildung des Verschluckens kann ich nicht ganz übereinstimmen. Es würde sich nach seiner An- sicht eine Grube vor dem hineintretenden Bissen in der Lei- bessubstanz bilden, dann nach dem Eintritt desselben die Ränder der Grube sich einander nähern und verschmelzen. Der Act des Verschluckens hat mir aber immer ein anderes Bild dargeboten. Es ist nicht der Bissen, der in die Leibessub- stanz eindringt, sondern es ist vielmehr diese Substanz selbst, welche ihm entgegeneilt und ihn umschlingt. Ich habe nie- mals die Entstehung einer Grube, aber wohl einer Er- höhung wahrgenommen (s. Fig. 3.). Wenn ein Tbier oder eine Pflanze zufällig in den Bereich der Fangfortsätze einer Actinophrys kommt, bleibt es an der klebrigen Substanz, woraus diese Gebilde zu bestehen scheinen, haften. Die Actinophrys zieht langsam den oder die betheiligten Fortsätze ein, und plötzlich sieht man die herangezogene Beute, bevor sogar dieselbe die Leibesoberfläche erreicht hat, wie durch eine Art Schleim eingewickelt und eingehüllt. Dieser Schleim ist von der Leibessubstanz der Actinophrys auf keinerlei Weise zu unterscheiden. Es sieht aus, als ob die Grundsubstanz, woraus sie besteht, sich plötzlich über den verschlungenen Gegenstand herübergezogen hätte. Dann flacht sich ganz z 407 langsam die so entstandene Erhebung ab; der Bissen wird dadurch in den Leib allmählig hineingezogen. Astasien, wel- che ich mehrmals von Actinophryen auf diese Weise ver- schluckt werden sah, bewegten sich noch eine Zeit lang, in- dem sie versuchten, den sie umhüllenden Ueberzug zu durch- brechen; aber bald hörten ihre Bewegungen auf; sie wurden zu einer kugeligen Masse umgewandelt, die sich höchst lang- sam in der Leibessubstanz mit den sogenannten Vacuolen kreisförmig bewegte. Der Bissen liegt immer in einer mit einer Flüssigkeit erfüllten Höhlung (Dujardins Vacuole). Es liess sich nicht mit Sicherheit bestimmen, ob diese Flüs- sigkeit ein Erzeugniss der Verdauung, oder eine dieselbe befördernde Absonderung, oder endlich blosses mit der Beute verschluektes Wasser sei. Da aber diese Flüssigkeit immer dieselbe schwach röthliche Färbung darbot, welche der Inhalt der contractilen Blase zeigt, und daher auf eine Flüssigkeit schliessen lässt von anderem Lichtbreehungsvermögen als das Wasser, so möchte ich letzte Vermuthung fallen lassen. Wie dem auch sei, erfordert immer die Verdauung eine ziemlich lange Zeit. Ein einziges Mal bin ich den in einer von Actinophrys Eichhornii verschlungenen Chlamidomonas entstandenen Ver- änderungen gefolgt. Das Ding war verhältnissmässig nicht gross, jedoch genügten kaum drei volle Stunden zu‘ seiner Umwandlung in eine breiartige unkenntliche Masse. Höchst merkwürdig ist diese Art und Weise des Fressens und sogar, ich muss es gestehen, schwerlich zu begreifen. Zuerst glaubte ich, dass die den verschluckten Gegenstand plötzlich einhüllende Materie durch blosse Umbiegung, Aus- breitung und Verschmelzung der Fangfortsätze entstehe. Ich habe jedoch bei dieser Ansicht nicht bleiben können. Es findet wirklich ein Herausschleudern einer schleimigten Ma- terie, wahrscheinlich der allgemeinen Leibessubstanz selbst von Seiten der Aclinophrys statt, welche Materie hernach mit der Beute wieder eingezogen wird. Dieses Auswerfen ge- schieht mitunter sehr massenhaft, Man sieht dann nicht nur einen Saum, sondern eine dicke, regelmässig gelappte Masse den verschlungenen Gegenstand umgeben (S. Fig. 4). Ja es 408 findet sogar dann und wann dieses Herausschleudern, wie ich es einmal beobachtete, gänzlich ohne das Vorhandensein einer anlockenden Beute (Fig. 45) statt. Einen solchen Pro- zess kann ich nur mit dem vergleichen, was bei Amoeba ge- schieht. Dujardin behauptet zwar, die Amöben nähren sich durch blosse Einsaugung von Flüssigkeit und die s. g. Nahrungsstoffe, welche man in ihnen trifft, geriethen blos zufällig hinein (!). Diese Behauptung stimmt aber mit den Thatsachen wenig überein. Die Amöben fressen wirklich, aber auf sehr sonderbare Weise. Sie gleiten langsam dahin, ziehen sich schleierartig auf die zu verschluckenden Gegen- stände, wie ein leichter Nebel auf eine Landschaft hinüber, und das Verschlingen ist vollendet: man glaubt die Gegen- stände lägen noch darunter, sie sind aber schon in den Leib eingeschlossen. Es ist sogar, beiläufig gesagt, beinahe thö- richt, verschiedene Arten bei den Amöben aufstellen zu wol- len, so lange wir nichts Bestimmteres über ihre Grundorga- nisation wissen. Ehreuberg’s Amoeba radiosa zeichnet sich durch ihre ziemlich regelmässigen Fortsätze und ihre im all- gemeinen als sternförmig leicht erkennbare Gestalt aus. Aber wenn das Thier kriecht und frisst, breitet es sich allmählig aus, seine charakteristische Form verschwindet, es fliesst da- hin wie ein wolkenartiger Schleier oder ein Oeltropfen, und Amoeba radiosa Ehr. ist zu Amoeba diffluens Ehr. geworden. Eine ganz ähnliche Veränderung erleidet Arcella vulgaris, wenn sie kriecht und frisst. Das Fressen bei Amoeba und das bei Actinophrys sind offenbar zwei verwandte Erscheinungen. Beide Thiere besitzen diese höchst sonderbare Eigenschaft, vermittelst der an einer beliebigen Stelle ihres Leibs herausquellenden Substanz fremde Gegenstände einzuhüllen und sich anzueignen. Zwar hat man bisher diese Analogie unberücksichtigt gelassen, wegen der beständigen Gestalt der Actinophryen, welche gegen die höchst veränderlichen, ich möchte beinahe sagen gestaltlosen Amöben stark absticht. Kölliker allein hat es versucht beide Thiere zu vergleichen, eben wegen der eigenthümlichen, von ihm bei Actinophrys entdeckten Art und Weise des Fressens. Acti- 409 nophrys theilt aber, wie ich mich oftmals davon überzeugt habe, diese sonderbare Eigenschaft der Veränderlichkeit der Gestalt. Wie schon angedeutet, trifft man eben so oft Ach- nophrys mit sehr langen als sehr kurzen Fortsätzen. Diese können sogar gänzlich fehlen, nicht nur wie Kölliker es angiebt, in Folge davon, dass das Thier beunruhigt worden ist, sondern aus irgend einem unbekannten Grunde. Ja sol- che Veränderungen finden sogar in viel weitläufigeren Gren- zen statt. Actinophrys kann alle mögliche sonderliche Ge- stalten annehmen, nur verändert sich ihre Form weit lang- samer als bei Amoeba. Da solche unbezeichnenbare Gestal- ten sich nicht umständlich beschreiben lassen, habe ich zwei der interessantesten mir aufgefallenen Modificationen dieses Thierchens abgebildet (Fig.5 u. 6.). Gewiss ist die von Eh- renberg in seinem grossen Werke unter dem Namen Acti- nophrys Sol gelieferte Abbildung die Grundform der Actino- phrys Eichhornii, diejenige, worauf man am häufigsten stösst, aber nebenher vermag sie eine beliebige andere anzunehmen. Die so gestaltveränderlichen Amöben haben auch ihre Grundformen: als solche möchte ich die sternförmige (s. g. Amoeba radiosa Ehr.) und auch die kugelige angeben. Es ist sogar oft sehr schwer zu entscheiden, ob man es mit einer ku- geligen Amoeba oder mit einer Actinophrys, welche ihre Fang- fortsätze eingezogen hat, zu thun habe. Der sicherste Cha- rakter ist dann die contractile Blase, welche bei Amoeba tief im Körper und bei Actinophrys ganz oberflächlich liegt. Bei längerem Beobachten ‘stellt sich die Sache immer klar heraus, weil das räthselhafte Wesen entweder die gewöhnlichen dün- nen Fortsätze der Actinophrys aussendet, oder sich zu einer unzweifelhaften Amoeba gestaltet, indem es sich in einer grossen Oberfläche ausbreitet, was ich doch bei Actinophrys nie- mals wahrgenommenha be. Actinophrys Sol ist ein sehr träges Thier, und ich habe nicht ermitteln können, wie ihre Bewe- gungen vor sich gehen; es blieb mir sogar lange zweifelhaft, ob sie zu anderen Bewegungen fähig ist als zu den äusserst langsamen Veränderungen ihrer Gestalt und dem lHeraus- schleudern der schleimigten Substanz. Jedoch ist gewiss das 410 Thier in seiner gewöhnlichen, sonnenartigen Gestalt im Stande, sich langsam in einer gewissen Richtung fortzubewegen; bei dieser Erscheinung sieht man keine Zusammenziehungen des Leibs, keine Umbiegung oder Krümmung der Fangfortsätze. Ob dieses Fortrücken ein Schreiten, ein Gleiten, ein Krie- chen oder ein Schwimmen sei, muss ich mithin dahingestellt sein lassen. Jedenfalls ist das Sonnenthierchen viel weniger fähig sich zu bewegen, als seine naheverwandten, die Amöben. Stein glaubt zwar aus seinen Beobachtungen schliessen zu dürfen, dass die Ortsveränderungen der Actinophryen durch die Zusammenziehungen der contractilen Blase, deren wirkliche Bestimmung er nicht einsah, bedingt sei. Wenn es aber so wäre, müsste diese Bewegung ruckweise von Statten gehen und immer in einer der Blase entgegengesetzten Rich- tung, was ich nicht bemerkt habe. Was die Fortpflanzungsweise der Aetinophryen anbelangt, nahm ich nichts Neues wahr. Beispiele einer entschiedenen Conjugation habe ich nicht, wohl aber öfters Zustände beob- achtet, welche entweder auf eine Theilung oder eine Conju- gation hindeuteten. Ein Beispiel einer wirklichen Theilung ist mir indess vorgekommen. Kölliker hat eine vollständige Conjugation angeführt. Cohn und Stein ebenfalls. Perty!) erwähnt einer solchen Erscheinung bei seiner Actinophrys bre- vipilis (brevieirrhis?). Derselbe berichtet sogar eine gegen- seitige Conjugation von 7 Individuen der Actinophrys Eichhorniü auf einmal. Letzten Fall möchte ich doch nur als ungewiss gelten lassen, da Perty aus dem blossen 7theiligen Aussehen einer Aectinophrys auf diese Conjugation geschlossen zu haben scheint. Stein spricht übrigens auch von einer Conjugation mehrerer Individuen seiner Aectinophrys oculata. Er hat eben- falls bis sieben Individuen „mit einander in Conjugation ge- troffen“. Seinen Worten nach ist es jedoch nicht wahrschein- lich, dass er diese sieben Individuen zuerst unabhängig gese- hen hat und es scheint mir nicht ganz gerechtiertigt, aus jeder bisquitförmigen oder mehrtheiligen Form auf eine Con- 1) Perty. Zur Kenntniss der kleinsten Lebensformen. Bern 1852. 411 jugation zu schliessen, wie Stein und Perty geneigt sind. Wir wissen in der That sehr wenig über die Bedeutung die- ser Vorgänge bei den Infusorien, und wenn es sich bestätigen sollte, dass mehr als zwei Individuen mit einander verschmel- zen können, dann würde die Wahrscheinlichkeit einer Bezie- hung dieser Erscheinungen auf die Fortpflanzung sehr zwei- felhaft werden. Daher möchte ich den Namen Conjuga- tion, der den Gedanken unwillkürlich auf den wunderbaren Vorgang der Befruchtung bei Spirogyra unter den Algen, oder bei Diplozoon paradorum und den Gregarinen unter den Thie- ren zurückführt, fahren lassen und ihn durch Stein’s Aus- druck Verschmelzungsprozess, oder wie Ehrenberg sagt, Zygose ersetzen. Wie wäre dann die Erscheinung zu deuten? Ehrenberg will darin eine Kräftigung der Species sehen (Bericht der Berl. Akad., April 1854), eine gewiss sehr wunderliche Idee, und mit den gewöhnlichen Gesetzen der Natur kaum vereinbar. Wie würden wir armselige Geschöpfe zu bedauern sein, die wir ein solches Kräftigungsmittel ent- behren! Ob Actinophrys eine andere Art und Weise der Fortpflan- zung besitzt, als die Selbsttheilung, ist unbekannt. Nicolet hat in dieser Beziehung eine sehr merkwürdige Abhandlung geliefert, worüber ein Bericht in den Comptes rendus de !A- cad@mie des Sciences aus dem Jahr 1848 zu finden ist, der ich aber keinen Glauben schenken kann. Er hat einen in einer häutigen Hülle eingeschlossenen Eierstock und eine an- dere geschlechtliche Drüse bei Actinophrys gesehen (!). So weit ging Ehrenberg nicht, dem doch so viel daran lag, Organe ausfindig zu machen, die er als Ovarien und Samen- drüsen erklären könnte; er begnügt sich damit zu sagen: „Die helle runde Stelle in der Mitte, welche Müller (Otto Friederich) beim Eintrocknen sah, kann die männliche Sexualdrüse gewesen sein, die mir nierecht klar gewor- den. Eine körnige Trübung möchte dem Bierstock angehö- ren.“ Kurz Nicolet behauptet, Actinophrys lege Bier, woraus sich Halteria grandinella Duj. ( Trichodina gr. Ehr.) entwik- kelt. In einer zweiten Art der Fortpflanzung entwickelt sich 412 die Brut aus in einem Räderthierchen, dem Rotator inflatus (Rotifer?) vorherbestehenden Keimen (germes deposes ou preexistants (!). Es wären noch Halterien, welche „hüpfend davon gingen“. Ohne uns unnützer Weise mit die- sem Gegenstande länger aufzuhalten, wollen wir Perty’s Behauptung Erwähnung thun, dass aus Actinophryen Podo- phryen sich entwickeln, was mit den neuen noch zu bestäti- genden Beobachtungen Stein’s über den acinetenartigen Zu- stand der Vorticellen kaum vereinbar ist. Dasselbe gilt übri- gens von Halteria grandinella Duj., welche nach Stein’s Angaben ein Entwicklungsglied einer Vorticelle sein soll. Lasst uns jetzt zu der interessanten, aber an Streitigkeiten reichen Krage des anatomischen Baus der Actinophrys kom- men. Kölliker’s Beobachtungen und meine haben zur Ge- nüge bewiesen, dass auf die Annahme eines Mundes und Af- ters dieses Thierchens kein Werth zu legen ist. Eine allge- meine Hautbedeckung ist auch hier unmöglich anzunehmen, da Actinophrys an jedweder beliebigen Stelle ihrer Oberfläche die schleim- oder gallertartige Substanz, woraus ihr Körper besteht, herausschleudern, Nahrung aufnehmen und den Rückstand des Verdauungsprozesses ausleeren kann. Hier fällt also v. Siebold’s Behauptung, dass die Hautbedeckung nach der Hervortreibung der contractilen Blase noch so viel Spannkraft behalte, um den Ernährungssaft wieder in das Parenchym zurückzutreiben. Wir werden diese Erscheinung auf andere Weise zu erklären suchen müssen. Zwar behauptet Perty eine wohl nur optisch röthliche Hülle und den aus dieht gedrängten grünen Kügelehen bestehenden Inhalt bei Actinophrys viridis unterschieden zu haben. Die Hülle er- schien ihm doppelt, so aber dass beide Platten stellenweise vereinigt waren und so ein welliges Ansehen hatten. Das- selbe Verhältniss erwähnt er von seiner Actinophrys brevipilis (brevieirrhis?). Aber seinen Abbildungen nach beruht diese Anschauungsweise auf einer Täuschung. Actinophrys Eich- hornü bietet oftmals denselben höckerigen Anblick dar, und Perty’s angebliche Haut ist nichts Anderes, als die oben besprochene Corticalschicht. Wahrscheinlich hätte er eine 413 andere Ansicht gehegt, wenn er das Thier Nahrung in sich hätte aufnehmen sehen. Die ganze Masse des Leibes bei Aclinophrys scheint aus derselben Substanz (aus Sarkode würde Dujardin sagen) zu bestehen. Diese Substanz, wel- che allen Rhizopoden zuzukommen scheint, sieht wie ein zäher Schleim oder eine dicke Gallerte aus. Die strahlen- förmigen Fortsätze der Actinophrys bestehen auch daraus, wie man sich leicht davon überzeugen kann, indem man das Tbier, wenn es sie langsam aussendet und einzieht, beob- achtet, oder wenn man sie sich umbiegen und mit einander verschmelzen sieht. Dass diese Fortsätze starr werden kön- nen, wie Perty es behauptet, so dass andere Infusorien sich daran spiessen können, habe ich niemals gesehen, und ich nehme sogar keinen Anstand, es für eine Unmöglichkeit zu halten. Dass kleine Wesen daran kleben bleiben, ist hin- gegen ganz gewiss; diese Strahlen sind wirkliche Fangfort- sätze. Das Berühren derselben muss sogar sehr unangenehm sein, denn grosse Infusionsthiere, wie selbst Paramecium Au- relia, wenn sie in ihren Bereich zufällig kommen, fahren mit äusserster Schnelligkeit zurück; zuweilen ziehen sie die Ac- tinophrys, woran sie sich unvorsichtig angeklebt haben, eine ziemliche Strecke mit sich fort. Mit Kölliker rechnen wir also Actinophrys unter die Rhi- zopoden, können aber seine Ansichten über ihre Beschaffen- heit nicht theilen. Er nimmt nämlich Dujardin’s Sarkode ganz und gar an: diese sonderbaren Thiere würden also aus einem strukturlosen Leib, aus einer homogenen contrae- tilen Substanz, ohne Mund, Darm und anderweitige Organe bestehen; sie würden endlich, wo nicht nach Dujardin, we- nigstens nach Kölliker einzellige Thiere sein. Ich muss zuerst gestehen, dass ich dieser letzten Ansicht nicht im ge- ringsten beizustimmen vermag. Den Actinophryen, Amöben, Ar- eellen und anderen Rhizopoden fehlt eine Hautbedeckung, also die Zellenmembran gänzlich. Nicht minder muss ich den nack- ten Phizopoden (wenigstens Actinophrys Eichhorniü und Amoeba diffiuens, die Amoeba radiosa mitgerechnet) einen Kern ab- leugnen, wahrscheinlich entbehren auch die beschalten (we- 414 nigstens Arcella) dieses Gebilde; es lässt sich aber nichts Bestimmtes bei den meisten darüber herausstellen wegen der Undurchsichtigkeit der Schale. Kölliker erkennt diese That- sachen selbst an, dennoch will er den Rhizopoden, wie allen anderen Infusorien, die Bedeutung von Zellen geben. Aber was bleibt denn, frage ich, Charakteristisches für eine Zelle, wenn Kern und Membran zugleich fehlen können? Er stellt zwar die Frage auf, ob es nicht möglich wäre, dass die Rhi- zopoden in ihrer Jugend wirkliche Zellen seien, bei denen späterhin Kern und Hülle verschwänden, wie wir es an den Blutkörperchen des Menschen für den Kern z. B. sehen. Allerdings ist eine solche Möglichkeit denkbar, aber wo sind Beweise dafür? Ist jemals eine diese Annahme bekräftigende Beobachtung gemacht worden? Ehrenberg, dem, wie schon gesagt, so viel daran lag, s. g. Geschlechtsorgane bei sei- nen Polygastrica ausfindig zu machen, gesteht selbst ein, dass die Samendrüse (Kern) des Sonnenthierchens ihm nie recht klar geworden. Sehr kleine Individuen (ich habe ihrer viel kleinere gehabt als die, welche Kölliker zu Gebote stan- den) mit verdünnter Essigsäure behandelt, haben mich keine Spur davon erkennen lassen. Eine solche Vermuthung eines früheren zellenförmigen Zustandes der Actinophrys und ande- rer Rhizopoden ist also auf keine Thatsache begründet. Eine Zelle besteht aus drei Theilen, Kern, Membran und Inhalt. Wenn Kölliker behauptet, dass das gleichzeitige Vorhan- densein dieser drei Theile nicht unumgänglich nothwendig sei und dass ihrer zwei sogar fehlen können, so dass dem in Nichts eingehaltenen allein bleibenden Inhalt z. B. noch die Bedeutung einer Zelle beizulegen sei, dann muss ich gestehen, dass eine solche Vorstellung für mich undenkbar ist. Eine Zelle ohne Kern und Membran ist für mich eben so viel wie ein Mensch ohne Leib und Seele, welches Ding vielleicht noch etwas sein kann, aber gewiss kein Mensch. Wenn wir also die Rhizopoden mit Kölliker als eine Klasse der ein- zelligen Thiere betrachten, würden sich die dahin zu rech- nenden Organismen hauptsächlich dadurch auszeichnen, dass sie gar nichts mit einer Zelle zu schaffen haben, da sie näm- 415 lich aus einer ungeformten Masse, einer strukturlosen homo- genen Substanz bestehen würden. Kölliker erweitert aber noch viel mehr seine Klasse der einzelligen Thiere und will alle Infusorien dahin gerechnet wissen. Er braucht sogar nicht seine Ansicht durch schlagende Gründe zu unter- stützen, denn er setzt voraus, dass eine solche Thatsache „für den, der eine Opalina, Bursaria, Nassula u. s. w. nur etwas genauer untersucht, auch nicht dem geringsten Zweifel unterliegen könne.* Nichtsdestoweniger werden wir uns un- terstehen einige Bedenken darüber zu tragen. Schon leuchtet uns gar nicht cin, dass bei Lorodes bursaria, da von Bursa- rien die Rede ist, die s. g. Chlorophyllkörner keine Chloro- phylibläschen seien (sie kommen manchmal, wie bekannt, ganz farblos vor), welche die Wand der Leibeshöhle besetzen. Sie sitzen an dieser Wand fest, sehr regelmässig angeordnet. Wenn sie Körner sind, so könnten sie auch als Kerne ange- sehen werden, von einer ganz anderen Beschaffenheit als der s. g. Kern des Lorodes, der dann vielleicht als ein ganz an- deres Organ zu betrachten wäre. Aber um uns nicht weiter in Vermuthungen einzulassen, wollen wir zu den Vorticellen übergehen. Wie kann man solche Thiere mit ihrem zusam- mengesetzten Bau, Glöckehen, Kern, Stiel, Muskel u. s. w. für einzellig erklären? Der Muskel einer Vorticelle ist of- fenbar ein eben so selbständiges, scharf abgegrenztes Or- gan, als irgend ein Muskel bei einem höheren Thiere. Dazu kommt noch das andere Gewebselement, der elastische Oy- linder. Selbst die Wimpern der echten Infusorien (Perty’s Ciliata) deuten auf eine viel höhere Organisation als die eines einzelligen Wesens hin, und ich glaube nicht, dass man sie für blosse Auswüchse einer Zelle halten kann. Sehr wahrschein- lich sind noch Muskeln und Nerven vorhanden, welehe ihre Bewegung hervorbringen, welche aber unsere jetzige Erfor- schungsmittel nicht zu entdecken gestatten. Die Bewegung der Wimpern bei den Infusorien ist der eines Flimmerepi- theliums nicht zu vergleichen, Die flimmernde Bewegung eines Epitheliums geht in einem fort, das ganze Leben hin- durch, und hört sogar mit dem Leben des 'Thieres noch Müller’s Archiv. 1851. 27 416 nicht auf; sie geht völlig unbewusst vor sich; der Wille hat darauf nicht den geringsten Einfluss. Bei den Infusionsthieren verhält es sich ganz anders. Die Bewegung ist bei ihnen eine willkührliche Erscheinung. Sie können das Spiel ihrer Wim- pern gleichwie die Rotatorien die Bewegung ihres Räderwerks einstellen. Niemand kann die grosse Aehnlichkeit der Wim- pern der Infusorien mit denen der Räderthiere verkennen, und doch wird man sie bei den letzteren nicht als blosse Auswüchse von Zellen betrachten; von da ist ja nur ein Schritt bis zu den Tentakeln der Polypen. Kurzum es ist eben so unmöglich eine Vorticella oder einen Stentor als eine Hydra oder irgend einen andern Polypen für eine Zelle zu halten. Von den Rhizopoden haben wir schon bewiesen, dass sie keine Zelle sind, lasst uns jetzt Gründe für ihre mehrzellige Beschaffenheit anführen. Dujardin, seiner Theorie getreu, hat den Namen Sarkode trefflich gebildet3‘ indem er unter diesem Ausdruck eine Materie auffasste) welche die Muskeln der höheren Thiere ersetzen sollte. Die Rolle der Sarkode beschränkt sich aber nicht blos darauf: sie muss sich zusam- menziehen und Bewegungen wie eine Muskelfaser ausführen, Empfindungen und Willensbefehle wie Nervensubstanz leiten, den die Nahrungsstoffe auflösenden Saft ausscheiden, ver- schiedene“Stoffe wie Horn oder Chitin (Arcella) oder zusam- menklebende Substanzen (Difflugia ete.) zur Bildung der Schale secerniren, kurz alle mögliche Verrichtungen, die zur Erhal- tung und Fortpflanzung des Thiers nothwendig sind, ausführen können. Es ist sehr schwer zu begreifen, wie eine struetur- lose Masse fähig sei zu secerniren, namentlich zwei ganz verschiedene Substanzen bei demselben Thiere (z.B. Ar- cella), die eine zur Schale erstarrende, die andere Nahrungs- stoffe auflösende zugleich abzusondern. Die zahlreichen Funetionen dieser Organismen machen hingegen höchst wahr- scheinlich, dass diese s. g. amorphe structurlose Masse sich vermittelst vollkommnerer Instrumente, als die, welche uns bis jetzt zu Diensten stehen, in eine geformte, zusammengesetzte Substanz auflösen würde. Wie ist es denkbar, dass der Wille eines nervenlosen Thieres auf eine structurlose Materie 417 Einfluss haben kann? Man muss bedenken, wie Nervenprä- parate bei noch verhältnissmässig grossen Radiaten z. B. schwierig darzustellen sind und nicht geradezu das Dasein eines Nervensystems leugnen, weil es uns nicht in die Augen springt. Was Actinophrys Eichhornii namentlich betrifft, muss man nothwendig die Klasse der einzelligen Thiere fallen lassen, oder dieses Thier anderswohin rechnen. Wenn wir Kölliker zugäben, dass eine Actinophrys das Aegnivalent einer Zelle sei, dann wäre dieses Wesen nicht dennoch einzellig, da eine endogene Zellengeneration bei ihm statt gefunden haben würde. Die contractile Blase ist nämlich nichts Anderes als eine Zelle an und für sich selbst. Bei anderen Infusorien lässt sich vermuthen, dass dieses Organ eine blosse Höhle, ein blosser Raum in der s. g. Sarkode sei. Eine solche Annahme ist aber bei Actinc»hrys geradezu unmöglich. Die contractile Blase ist bei diesem: Thierchen auf solche Weise an der Ober- fläche angebracht, dass schon Siebold, der eine Hautbe- deckung annahm, bewunderte, dass diese Hautbedeckung noch so viel Spannkraft behielt, um den Nahrungssaft in das Lei- besparenchym zurückzutreiben. Da es jetzt ausgemacht ist. dass jede Hautbedeckung bei der Actinophrys gänzlich fehlt, ist die Erscheinung um so wunderbarer. Das.. ausgedehnte Organ sieht wie eine dünne Seifenblase aus und zeigt keinen doppelten, sondern einen einfachen Rand. Wie ist dann das Zurücktreiben der Flüssigkeit durch die contractile Sarkode zu erklären? Würde es nicht gegen alle Gesetze der Me- chanik streiten, dass diese Flüssigkeit sich lieber einen Weg durch die zähe dicke Masse des Leibs bahnen würde, als die äusserst dünne, aus derselben Substanz wie der Körper selbst bestehende Wand, welche sie vom äusseren Wasser trennt, zu durchbohren? Es genügt etliche Minuten lang das Spiel der contractilen Blase einer Actinophrys zu betrachten, um sich zu überzeugen, dass eine umschliessende Membran hier vorhanden ist. Es ist uns wenigstens darüber kein Zweifel geblieben. Die Anwesenheit dieser Membran bei Actinophrys einmal angenommen, wird die Wahrscheinlichkeit ihres Vor- 27° 418 handenseins bei den anderen Infusorien um so grösser. In der That ist es sehr räthlich anzunehmen, dass nicht nur die contractile Blase, sondern auch die der eireulirenden Flüs- sigkeit vorbezeichneten birnförmigen Auswege bei Paramecium durch eine besondere Membran ausgekleidet sind. Kölliker setzt selbst voraus, dass das contractile Bläschen, wo es vorhanden ist, das Aequivalent einer ganzen Zellenmembran ist. Mit dem Beweis des Daseins eines solchen Gebildes bei Actinophrys fällt also seine Hypothese der einzelligen Be- schaffenheit derselben. Erklärung der Abbildungen. Fig.1. Actinophrys Eichhornit in ihrem gewöhnlichsten, sonnen- artigen Zustand. Fig. 2. Dieselbe in der T'heilung oder Verschmelzung begriffen, daher 2 contractile Blasen. Fig. 3. Eine Actinophrys im Act des Fressens begriffen. Eine Chlamidomonas und eine Astasia sind eben von der schleimigten Sub- stanz eingehüllt worden. Fig.4. Eine Actinophrys im Begriff die schleimige Substanz her- auszuschleudern. (@ und 5). Fig.5 und 6. Eigenthümliche, unregelmässige, seltenere Zustände der Actinophrys Eichhornii; a bezeichnet überall die contractile Blase. N ach tr are. Dieser Aufsatz war schon abgeliefert, um gedruckt zu werden, als uns einige Actinophryen zu Gesichte kamen, die von den früher beobachteten etwas abwichen. Wir erkannten sogleich in ihnen das von Kölliker abgebildete Thierchen, das zwar unserer Actinophrys sehr ähnlich ist, von ihr jedoch wohl zu unterscheiden sein könnte. Wir haben hier nicht die Grösse im Sinn, denn es kommen zuweilen unter diesen zwar sehr grossen Actinophryen einige vor, welche selbst den meisten von uns früher beobachteten Sonnenthierchen an Grösse weit nachstanden. Diese Individuen waren aber durch den zelli- 419 gen Bau ausgezeichnet, den Kölliker seiner Actinophrys zuschreibt und welcher von Stein bestätigt wurde. Selbst bei den kleinsten wurde er nicht vermisst, während uns eine solche Structur bei den Actinophryen, welche dem vorher- gehenden Aufsatz zu Grunde gelegen haben, nie recht klar geworden ist, und jedenfalls niemals eine solche Regelmäs- sigkeit darbot. Es scheint uns daher wahrscheinlich, dass Act. Eichhornü und Act. Sol mit vollem Rechte von Ehren- berg in dieselbe Gattung untergebracht worden sind. Dass Stein Actinophrys Sol in einem acinetenartigen Thier will erkannt haben, beruht also wahrscheinlich auf einem Miss- verständniss. Ehrenberg hat diese möglicher Weise von einander sehr verschiedenen Thiere wohl zu unterscheiden gewusst. Die von uns früher beobachtete Actinophrye stimmt mit der Ehrenbergschen Actinophrys Sol vollkommen’ über- ein; die, welche diesen Nachtrag veranlasst, ist offenbar die echte Act. Eichhornü, welche Ehrenberg später aufstellte, und von Kölliker für Act. Sol gehalten wurde. Ob diese Thiere spezifisch zu unterscheiden sind, lassen wir dahin ge- stellt. Jedenfalls gilt alles, was wir von der contractilen Blase gesagt haben, ebensowohl für das eine wie für das andere; in beiden nimmt sie dieselbe oberflächliche Lage ein und bil- det einen Vorsprung. Das Fressen haben wir nicht wieder beobachtet. Es sei uns nachträglich noch erlaubt zu bemerken, dass wir uns mehrmals überzeugt haben, dass Arcella vulgaris eine grosse Anzahl contractile Blasen besitzt. Wir haben einmal ihrer über 10 gezählt. Es war also mit Unrecht, dass wir diesem Rhizopoden nur 2 eontractile Blasen zuschrieben. E.C. 420 Zur Kenntniss der Schnecke im Gehörorgan der Säugethiere und des Menschen. Von Prof. Dr. E. ReıssnEer in Dorpat. (Hierzu Taf. XV. Fig. 7 — 10). D: die Schnecke des Gehörlabyrinthes der Säugethiere und des Menschen in neuester Zeit von mehren Forschern!) un- terscht und mancher schätzenswerthe Beitrag zur Anatomie dieses Theiles geliefert worden ist, kann ich nicht umhin einen Punkt nähert zu beleuchten, der, obschon in meiner ‚Inauguraldissertation?) bereits kurz erwähnt, doch bisher nicht weitere Berücksichtigung gefunden hat und wohl des Interesses werth zu sein scheint. Das Wesentliche aus den Beobach- tungen, die ich hier mitzutheilen im Begriff stehe, war mir schon bei der Abfassung der eben erwähnten Arbeit bekannt. 1) Alphonse Corti. Recherches sur l’organe de l’ouie des mam- miferes. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie, herausgegeben von C. Th. v. Siebold und A. Kölliker. Dritter Band. Zweites Heft. Leipzig 1851. Seite 109— 169. Taf. IV. V. A. Kölliker. Handbuch der Gewebelehre des Menschen. Leip- zig 1852. S. 626 —630. E. Harless. Hören. Handwörterbuch der Physiologie, heraus- gegeben von Dr. R. Wagner. Vierter Band. Braunschweig 1853. Seite 441 — 449. A. Kölliker. Ueber die letzten Endigungen des Nervus Coch- leae und die Function der Schnecke. Zum fünfzigjährigen Doctor-Ju- biläum des Dr. Fr. Tiedemann. Würzburg 1854. 2) De auris internae formatione. Dorpati Livonorum 1851. In Commission bei Reyher in Mitau. — Reichert: Bullet. de la clas. mathem. de l’acad. des sciene. de St. Petersbourg. Tom. X. No. 222. 421 Da aber die später erschienenen Abhandlungen von dem be- treffenden Gegenstande gar Nichts erwähnen, fühlte ich mich veranlasst, meine Beobachtungen aufs Neue vorzunehmen, und glaube jetzt zur vollkommensten Sicherheit über die Rich- tigkeit meiner Auffassung gelangt zu sein; wie ich denn auch jetzt erst das Detail näher erforscht habe. Ich habe früher gezeigt, dass sowohl bei Embryonen von Hühnern als von Säugethieren zu einer gewissen und zwar schon sehr frühen Periode der Entwickelung das Labyrinth- bläschen in drei Abtheilungen zerfällt: die eine, nach innen und oben gelegene, bildet den Recessus labyrinthi, welchen man bisher fälschlich für gleichbedeutend mit dem Aquae- duetus cochleae hielt und Aquaeductus vestibuli nannte; die zweite, mittlere, verwandelt sich in der Folge zum Vorhof und zu den halbzirkelförmigen Kanälen; die dritte, nach in- nen und unten gerichtete, ist anfänglich der alleinige Reprä- sentant der Schnecke und von mir mit Bezug auf den Yüs! gebildeten Zustand Schneckenkanal, Canalis cochlearis, genannt worden. Der letztere erscheint bei Embryonen von Säuge- thieren zuerst als ein kürzerer oder längerer, von oben nach unten zusammengedrückter, gekrümmter Kanal, dessen eines Ende mit dem Vorhof in Höhlenverbindung steht, während das andere geschlossen ist; die knorpelige Kapsel des Laby- rinthes umfasst ibn sehr genau, ohne jedoch mit ihm ver- wachsen zu sein, daher denn seine Isolirung ziemlich leicht ausgeführt werden kann. Binnen Kurzem verwächst der’aüs- sere Rand des schon mehr zu einer Spirale fortgewachse- nen Schneckenkanales mit der knorpeligen Kapsel; der innere Rand ist durch die Insertion des Nervus eochleae befestigt; die obere später gegen die Scala tympani gekehrte Wandung ist beträchtlich dicker als die gegenüberstehende untere. Im weiteren Verlauf der Entwickelung weicht die knorpelige Kapsel von der oberen Fläche des Schneckenkanales nach oben und innen (mit Bezug auf die Axe der Schnecke) und von der unteren Fläche desselben nach unten und innen zu- rück, #0 dass nun zwei accessorische Hohlräume, die Scal» tympani und Scala vestibuli, welche nach kurzer Zeit ein 422 deutlich nachweisbares Perichondrium in den von der knor- peligen Kapsel gebildeten Theilen aufzuweisen haben, den Schneckenkanal, dessen Lumen auf Querschnitten überaus deutlich wahrgenommen wird, von. zwei Seiten umfassen. Durch die Ausdehnung der beiden als Scalen sich darstellen- den Hohlräume gegen die Axe der spiralen Windung wird der Theil des Knorpels, durch den die Faserbündel des Ner- vus cochleae zum Schneckenkanal gelangen, zu einer dünnen Lamelle, der späteren Lamina spiralis ossea, umgewandelt. Der Schneckenkanal liegt natürlich an der Peripherie dieser Lamina spiralis. Bei älteren Embryonen findet man das Gehör-Labyrinth in allen wesentlichen Theilen ganz ähnlich dem völlig aus- gebildeter Thiere gebaut. Es gilt dieses bis auf einen ge- wissen Punkt auch für die mikroskopischen Verhältnisse. Sowohl bei älteren Embryonen als auch bei erwachsenen Thieren kann man sich mit Leichtigkeit davon überzeugen, dass der Schneckenkanal wie bei seinem ersten Auftreten vollständig vorhanden ist. Embryonen eignen sich besonders dadurch für die Untersuchung, dass die ÖOssification in der Umgebung des Labyrinthes noch unvollständig ist und daher die häutigen Theile ohne viele Mühe isolirt werden können. Will man sich aber von der Uebereinstimmung des Baues bei älteren Thieren überzeugen, so muss man den Theil des Schläfenbeins, welcher das häutige Labyrinth oder die sog. häutige Schnecke umschliesst, einige Tage in Salzsäure ma- ceriren lassen. Sind hierdurch die Kalksalze entfernt und hat man das Präparat mit Wasser abgewaschen, so führt man am zweckmässigsten mit einem recht scharfen Rasir- messer einen Schnitt durch die Axe der ganzen Schnecke. An den Schnittflächen wird man nun mit der Loupe, aber auch schon mit blossem Auge den Schneckenkanal und meist gleichzeitig die sog. Zähne der zweiten Reihe (deuxieme ran- ge de dents Corti) wahrnehmen, — Aus frischen, nicht mit Salzsäure bebandelten Schläfenbeinen älterer Thiere den Ca- nalis cochlearis darzustellen, gelingt nur selten, weil eine Wandung desselben überaus zart ist und beim Wegbrechen 423 pes Knochens gewöhnlich zerrissen wird. Man wird aber auch hier die Bestätigung des schon Ermittelten finden, wenn man sich in der oben angegebenen Weise einmal von dem, was man sucht, hinreichende Kenntniss erworben hat. Der Schneckenkanal zeigt im ausgebildeten Zustande eine dreiseitige Begrenzung (Fig. 7a). Die obere (der Basis der Schnecke zugekehrte') Wandung wird von der sogenannten Lamina spiralis membranacea gebildet (Fig. 7. 8m) und ist als solche durch die Untersuchungen von Corti und Kölliker hinreichend bekannt; die untere (der Kuppel oder Spitze der Schnecke zunächst befindliche) Wandung scheint bisher völlig übersehen worden zu sein. Sie besteht aus einer sehr zarten, structurlosen Lamelle, die mit Epithelialzellen von derselben Beschaffenheit als an andern Stellen der Schnecke bekleidet ist und sich von dem innersten Umfange der knorpelartigen Leiste, welche nach aussen in die sogenannten Zähne der ersten Reihe (dents de la premiere rang6e Corti) ausgeht, bis an den untersten Rand des Gefässstreifens (bande vasculaire Corti, stria vascularis Huschke) erstreckt (Fig. 7. 8c). Von der Ursprungsstelle dieser Lamelle, von der Lamina spiralis ossea, verlaufen unter der Lamelle ziemlich zahlreiche, oft schon mit blossem Auge als feine Stränge wahrnehmbare Blutgefässe zur Insertionsstelle, an welcher sie mit denen des Gefässstreifens in Verbindung zu treten scheinen. — Die dritte Wandung des in Rede stehenden Canales liegt mit Bezug auf die Axe der Schnecke nach aussen und entspricht dem Ge- fässstreifen (Fig. 7.8n) und dem zwischen diesem und der Lamina spiralis accessoria Huschke liegenden Theile des Periostes der Schneckenwandung; es erstreckt sich nämlich der Gefässstreif, den ich für weiter Nichts als eine beson- ders blutreiche Partie des Periostes halte, nieht bis zur In- sertion der Lamina spiralis membranacea selbst, sondern 1) In meiner Inaugnraldissertation (Seite 28) findet man: „Lamina membranacea, quae vocatur, parietem inferiorem canalis (sc. cochlea- ris) constituit.“ Ich stellte mir dann die Schnecke auf ihrer Basis ruhend vor, wie das in der Regel bei der Beschr@ibung der einzelnen Theile der Schnecke geschehen ist. 424 endet früher durch Bildung eines Randgefässes. Aehnlich verhalten sich die Blutgefässe zur Insertion der unteren Wan- dung des Schneckenkanales; in die beiden Randgefässe treten von der Umgebung nur spärliche Gefässe (Fig. 10). Der Querdurchmesser der Capillaren in dem Gefässtreifen schwankt von 0,0025 — 0,0050‘; die Kerne an ihren Wandungen zei- gen eine Länge von 0,005” — 0,0127” und eine Breite von 0,0005’ — 0,0008'1) Das Epithelium ist an dem Gefässstrei- fen jedenfalls aus mehr als aus einer Schicht gebildet. Wenn man sich aus den bisher über das häutige Laby- rinth bekannt gemachten Arbeiten von dem Verhältniss der Höhle des Vorhofes zu den Höhlen der Schnecke, also zu den beiden allein beschriebenen Treppenräumen Kenntniss zu verschaffen sucht, vermisst man hierüber meist jede ge- nauere Angabe, oder man findet, dass die Darstellung von der durchaus nicht erwiesenen Annahme ausgeht, als hinge die Höhle der Vorhofstreppe mit der des Vorhofes zusammen. Sowohl nach meinen embryologischen Studien, als nach mehr- fach wiederholter Untersuchung ausgebildeter Labyrinthe muss ich einen solchen Zusammenhang auf das Entschiedenste in Abrede stellen: die Vorhofstreppe ist gegen den Vorhof so vollkommen abgeschlossen, als die Paukentreppe gegen die Paukenhöhle. Ob aber der Schneckenkanal auch im ausge- bildeten Zustande des Labyrinthes wie auf einer frühen Stufe der embryonalen Entwickelung mit dem Vorhof in offener Höhlenverbindung sich befindet, habe ich bisher nicht mit Sicherheit ermitteln können. An dem Labyrinth der Fische?) 1) Die mitgetheilten Messungen beziehen sich auf ein Labyrinth aus dem Schädel eines Kalbes. 2) Es ist eine bei den neueren Forschern ganz allgemein verbreitete Ansicht, dass sich das Labyrinth der Fische von dem der höheren Wirbelthiere durch den Mangel der Schnecke unterscheide. Dieses ist aber ein Irrthum, der darin seine Erklärung findet, dass man das Labyrinth der Fische nur mit dem völlig ausgebildeten Zustande des Labyrinthes der höheren Wirbelthiere verglich. Aus embryologischen Rücksichten lässt sich der Steinsack der Fische für nichts Anderes als für das Analogon des Schneckenkanales der Säugethiere, der hier 425 konnte Weber keine Communication zwischen dem Vorhof und der Schnecke oder dem sogenannten Steinsack auffinden. Innerhalb des Schneckenkanales findet sich eine dünne, unter der Loupe glasartig erscheinende Membran, welche Corti bereits erwähnt hat und von welcher er angiebt, dass sie eine Decke für die Zähne der ersten und zweiten Reihe der Lamina spiralis membrana bilde (Fig. 7.38d4)') Ich unter- scheide an dieser Membran, die durchaus nicht mit der un- teren Wandung des Schneekenkanales gewechselt werden darf, nicht wie Corti vier, sondern nur drei Zonen (Fig. 9). Die innerste besitzt die geringste Dicke und die grösste Breite (bei einem Schafembryo, dessen Kopf von der Schnauze bis zum Hinterhaupte nicht volle zwei Zoll maass, betrug die Breite 0,082”) und erscheint nur schwach gestreift (a); die mittlere ist schmäler und dicker, zeigt unter der Loupe ein silberglänzendes Ansehen, bei durchfallendem Licht eine gelbliche Färbung und eine sehr deutliche Streifung (die Breite dieser Zone betrug bei demselben Embryo 0,044” (b); die äusserste ist am schmalsten und scheint sich allmälig gegen den scharfen, äussern Rand zu verdünnen (ihre Breite betrug 0,00%”) (ce). In dieser Zone bemerkt man rundlich eckige Contouren von 0,0025 — 0,005‘ im Durchmesser; in- nerhalb dieser zeigt sich meist ein dunkles Körperchen von etwa 0,001‘; von einer Streifung habe ich Nichts wahrneh- men können. — Die Richtung. der Streifen in den beiden ersten Zonen geht nicht gerade, sondern schräg von innen nach aussen und zwar so, als wären die feinen parallelen Linien in mehrfacher Lage vorhanden und hielten in den ein- zelnen Lagen eine etwas von einander abweichende Richtung ein, so dass spindel- oder rautenförmige Maschen entstehen. Der Uebergang der innersten in die mittlere Zone geschieht durch eine plötzliche Verdünnung der Membran; die über diese Stelle verlaufenden Streifen erhalten daher eine Bie- eine viel grössere Ausdehnung erlangt hat, ansehen. Der bedeutungs- volle Unterschied bestelit aber darin, dass dem Labyrinth der Fische die Treppen völlig fehlen. 1) a a. 0.8.18. 426 gung. Gegen den innersten Rand wird die Streifung') immer undeutlicher und verschwindet endlich fast ganz. — Der in- nere Rand der Membran hängt der unteren Wandung des Schneckenkanales an der Stelle, an welcher diese die Lamina spiralis ossea verlässt, und vielleicht auch der dort begin- nenden Knorpelleiste oder beiden Theilen gleichzeitig an, löst sich aber überaus leicht ab. Die Uebergangsstelle der innersten Zone in die mittlere entspricht genau dem vorderen Rande der Zähne der ersten Reihe. Der äussere Rand der Membran ist, so viel ich finde, nirgends angeheftet. Wie Corti bereits angegeben hat, wird die der Laminaspiralis mem- branacea zugewandte Fläche der ganzen Membran von Epi- thelialzellen bekleidet. Nach desselben Forschers Ausspruch: „J’ai vu la couche epitheliale, qui tapisse la surface vestibu- laire de la bandelette dentelee se continuer sur la meme membrane,“ scheint es fast, als hätte er einen Theil der un- teren Wandung des Schneckenkanales gesehen. — Die eben beschriebene Membran dürfte in ihrer Bedeutung die Otolithen, welche in der Schnecke der Säugethiere feh- len, ersetzen, mithin durch Resonanz sich bei der Schall- leitung betheiligen. Die mitgetheilten Beobachtungen sind an Gehör-Labyrin- then von zahlreichen Schaf-, Ziegen- und Rinderembryonen, dann an Labyrinthen von Ziegen, Kälbern und von einem Delphin angestellt worden. Für den Menschen habe ich mich auf die Untersuchung des Labyrinthes von Embryonen aus dem mittleren und letzten Stadium beschränkt. — Dass noch mancher Punkt in der Anatomie der Schnecke zu erledigen bleibt, ist mir durchaus nicht entgangen. Ich beabsichtige auch, meine Untersuchungen noch weiter auszudehnen, glaubte aber doch auf das, was ich bisher mit Sicherheit ermittelt habe, schon jetzt aufmerksam machen zu müssen, da ich für I) Die Streifung scheint von einer faserigen Beschaffenheit der Membran und nicht von Verdickungen, wie Corti meint, abzuhängen. 427 die nächste Zukunft durch anderweitige Beschäftigung von der Verfolgung meines Planes abgehalten werde. Erklärung der Abbildungen. Fig.7. Senkrechter Durchschnitt der Schnecke von dem Gehör- Labyrinth eines Kalbes. a. Schneckenkanal, Canalis cochlearis. b. La- mina spiralis membranacea, obere Wandung. c. Untere Wandung des Schneckenkanales. d. Die gestreifte mit einem Rande angeheftete La- melle im Schneckenkanal. f. Zähne der zweiten Reihe. g. Die Knor- pelleiste, deren untere Lippe in die Zähne der ersten Reihe übergeht und deren obere Lippe die scheinbaren Zähne bildet. h. Vorhofstreppe. i. Pauckentreppe. k. Lamina spiralis ossea. n. Der Gefässstreif (bande vasculaire) des Schneckenkanales. Fig. 8. Senkrechter Durchschnitt der ersten Windung der Schnecke von dem Gehörlabyrinth einer Ziege. a, ec, d,f, 9, h,i, k, n haben dieselbe Bedeutung als in Fig. 7. 1. Lamina spiralis accessoria Huschke. m. Lamina spiralis membranacea. Fig. 9. Die gestreifte, mit einem Rande angeheftete Lamelle im Schneckenkanal. a. Innerste Zone. b. Mittlere Zone. ce. Aeusserste Zone. Fig. 10. Der Gefässstreif (bande vasculaire Corti) an der äus- seren Wandung des Schneckenkanales, um die Gefässvertheilung an- schaulich zu machen. 428 Ueber die Entwieklung von Cyelas calyceulata Drap. Von Oscar SCHMIDT. (Hierzu Tafel XVI.) Bei den, im Verhältniss zu der grossen Menge der Lamelli- branchiaten sehr sparsamen Beobachtungen über ihre Ent- wicklung werden die folgenden, im Laufe des Juni angestell- ten Untersuchungen gewiss willkommen sein, zumal sie uns mit einer neuen Entwicklungsform innerhalb jener Klasse bekannt machen, neu, insofern weder die zuerst auftreten- den Organe noch die spätere Reihefolge mit dem überein- stimmen, was man bisher von den Najaden, von Teredo und den übrigen von Loven beobachteten Seemuscheln kennt. Die oben genannte Cyclas lebt ziemlich zahlreich in Jena in einem kleinen Teiche, gegenüber der Anatomie. Sämmt- liche im verflossenen Juni von mir untersuchte Individuen, von der Länge von etwa 1?/,"' bis etwas über 4, trugen in ihren Kiemenfächern Embryonen, waren also Weibchen, wäh- rend ich vom andern Geschlechte keine Spur bemerkt habe. Die Zahl der in einem Individuum auf einmal vorkommenden Embryonen ist auffallend klein, da ich kaum je über zehn gefunden habe, diese aber in der Regel in sehr verschiedenen Graden der Entwicklung. Die Ursache der geringen Anzahl liegt in dem verhältnissmässig bedeutendem Grade der Aus- bildung, welche die Embryonen in den Kiemenfächern er- reichen. Die Furechung, so wie die unmittelbar darauf folgenden Vorgänge, die Bildung der, wie es scheint, allseitigen Keim- 429 schicht, sind mir leider entgangen. Den frühesten von mir gesehenen Zustand zeigt Fig. 1. Der nach dem einen Pole, ich weiss nicht ob zufällig, etwas zugespitzte Embryo, wel- eher nicht in einer Eischale oder Dotterhaut eingebettet, son- dern so frei, wie er abgebildet ist, in der Kieme liegt, rotirt durch den Flimmerbesatz zweier nieht sehr hervorragender und etwas gekrümmter Längswülste (a). Diese Wülste be- finden sich an der Bauchseite, und während sie selbst ziem- lich opak erschienen, ist der zwischen ihnen gelegene Raum der Eioberfläche sehr durchsichtig, so dass eine sehr merk- würdige, von einer ausgezeichneten Zellenschieht umschlos- sene centrale Höhlung klar durchschimmert (5). Der Inhalt derselben ist eine eiweissartige, zähe Flüssigkeit, in welcher grössere und kleinere Körnchen, nicht aber Embryonalzellen schwimmen; der gesammte Inhalt ist in kreisender Bewe- gung, ohne Zweifel verursacht durch feine Wimperorgane, die ich jedoch nicht habe sehen können. Ueber die Bedeutung dieser Höhlung weiss ich gar nichts anzuführen; sie hat zu keinem der später entstehenden Or- gane eine merkliche Beziehung, 1 Man würde sich sehr täuschen, wenn man die beiden flimmernden Wülste für das Homologon des Segels hielte, welches, nach Loven, bei”Modiolaria marmorata, Montacuta tenella und Mactra eine so grosse Rolle spielt und das, wie es scheint, bei jenen Muscheln in den Mundtentakel- lappen rückgebildet wird. Nach R. Leuckart (Morphologie S. 164) würden die Lippentaster der Najaden wahrscheinlich ebenfalls einer vor allen übrigen Organen auftretenden wim- pernden lervorragung ihre Entstehung verdanken. Diese Beobachtungen dürfen für Cyelas calyculata kein Präjudiz geben; am ausgebildeten Thiere vermag ich die Tentakellappen kaum zu präpariren, und während der Entwieklung sind sie von völlig untergeordnetem Interesse. Unsere Wülste haben mit den Mundtentakeln zu keiner Zeit etwas zu thun, sie sind nichts mehr und nichts weniger als die Anlage der Man- telhälften, und zwar die hintere Portion derselben, wie von Anfang an allerdings noch nieht ersichtlich ist, bald aber und 430 namentlich wenn der Fuss sich zwischen sie einschiebt, deut- lich wird. Die nächste Veränderung am Ei bekundet sich in der wei- teren Ausbildung der Wülste. Sie heben sich so ab, dass sie als zwei Lappen hervorstehn, die hinten durch einen tie- fen Spalt getrennt sind, vorn aber fast unmerklich in ein- ander und in die übrige Oberfläche des Embryo übergehn (Fig. 2). Wie wir bei Cyclas nun keinen dem Segel anderer Muscheln entsprechenden Embryonaltheil sehen, so fehlt der von mir untersuchten Species wenigstens noch das sonderbare Flagellum, welches bei Modiolaria, Montacuta, wahrscheinlich auch Mytilus und Mactra vorhanden. Das vorübergehende Byssusorgan der Najaden fehlt un- serer Cyclas gleichfalls, und wenn v. Siebold „deutlich in den ganz jungen Individuen der Cyelas cornea am hintern Winkel ihres Fusses einen in der Masse des Fusses verbor- genen birnförmigen Drüsenschlauch, aus dessen Mündung ein einfacher langer Byssusfaden hervorragte,“ erkannt hat, so wage ich zwar nicht, diese Beobachtung zu verneinen, ver- wahre mich aber vor einer Uebertragung auf die übrigen Cy- clas- Arten. Ich habe, indem ich den Fuss nannte, in dessen Basis das Byssusorgan, wenn es überhaupt zum Vorschein käme, sich zeigen müsste, der nächsten Entwicklungsperiode vorge- griffen. Den Anfang derselben giebt Fig. 3. Wir sehen den Embryo von hinten und unten; die hinteren Theile der Man- tellappen sied dabei nicht sichtbar; die hier herzförmige Cen- tralhöhle ist von einem klaren, regelmässig ausgeschweiften Hofe umgeben, wohl dem Produkte der Auflösung jener zuerst vorhandenen Zellenschicht, welches bald darauf ganz resorbirt wird, so dass dann die mehr und mehr schwindende Höhle nur noch eine einfach contourirte Begränzung hat, wie in Fig. 4, 5 und 8. Der auf der ganzen Oberfläche flimmernde Fuss hat bald die Form eines stumpfen Kegels, bald eines Keiles, ist jedoch anfangs wenig contractil; die Zipfel, welche in der abgebildeten Lage seitlich neben ihm hervorstehn, gehören dem vordern Mantelrande an, da der Mantel schon 451 jetzt, mehr noch auf der folgenden Stufe eine vorn ganzran- dige, hinten gespaltene Kappe bildet, eine Gestalt, die wir nicht kürzer und treffender als mit einer schottischen Mütze zu vergleichen wissen, bei welcher aber jetzt noch die Wölbung etwas zu hoch ist. Auf diesen Vergleich hin sehe man Fig. 4 an. Die Wöl- bung, der Rücken des Embryo, ist unregelmässig zerklüftet, der Fuss (c) tritt aus der Mantelspalte nach vorn hervor und nun erst, und wenn man die weitere Entwicklung des Fusses und seine Richtung hinzuzieht, wird die Bedeutung der pri- mitiven Wülste und der aus ihnen hervorgehenden Lappen völlig klar. Aus einer nur wenig späteren Periode sind die Abbildun- gen 5, 6, 7 und 8, welche einen und denselben Embryo in verschiedenen Lagen darstellen. Fig.5 giebt ihn von vorn und etwas von oben, so dass die in der Spalte übergehende Einsenkung des Rückentheiles des Mantels sichtbar ist. Der Fuss ist bedeutend gewachsen; die ersten Spuren der beiden Muschelschalen zeigen sich in e, Kalkpartikelchen, deren näherer Ursprung nicht weiter anzugeben ist. Was v. Sie- bold für die Najaden angiebt, dass zwei eigenthümliche Dotterzellen schon während der Furchung für die Schalen- bildung sich isoliren, findet auf Cyelas calyeulata keine An- wendung. Ausserdem ist hinten und oberhalb der Central- höhle eine andere Neubildung wahrzunehmen, zwei in der Mittellinie in einander übergehende Verdichtungen des zelligen Gewebes (f), die im weitern Verlauf der Entwicklung nach vorn und nach unten sich ausbreiten, in letzterer Richtung, indem die kleiner werdende Centralhöhle vollends verschwin- det, und schliesslich zur Leber werden. Sie sind jetzt am deutlichsten zu sehen (Fig. 6), wenn der Embryo so auf dem Rücken liegt, mit etwas erhobenem Hintertheil und etwas zur Seite geklappten Mantelhälften, dass der Fuss in seiner ganzen Ausdehnung von seiner breiten Basis an zu über- schauen ist. Die Abbildung 6 geht in Fig. 7 über, wenn man sich die beiden vorderen Mantelzipfel (d‘ und d) fixirt denkt und um diese Axe den Körper eine Viertelsdrehung mit der Müller’ Archiv. 1854, 28 i 432 Fussspitze nach oben und hinten, dem Beschauer zu, ma- chen lässt. Fig. 8 endlich zeigt diesen Embryo von der Seite; der rechte Mantellappen ist nach oben umgeklappt, so dass der rechte Sack des Fusses ganz frei liegt. Mit dem Eingehen der Centralhöhle ist besonders eine wichtige Veränderung verbunden, das Erscheinen der Kiemen- blätter. Ihre Bildungsstätte ist die hintere Embryonalhälfte, wo sie an der Basis des Fusses zwischen diesem und den Mantelblättern jederseits als ein Zipfel hervorwachsen und wenn der Körper etwas von der Seite zuasmmengedrückt wird, über den Mantelrand hinausragen (Fig. 9A). Bei den auf dieser Stufe beobachteten Embryonen hatte der Fuss eine sehr wellige Oberfläche und namentlich auch eine nach hinten gerichtete Hervorragung, so dass man aus seiner Gestalt auf das Vorder- und Hinterende des Embryo nicht schliessen konnte, während schon früher die Richtung des Fusses nach vorn mit der am ausgebildeten Thiere übereinstimmte. Da ich, wie gesagt, die Form des Fusses, wie Fig. 9 sie zeigt, wiederholt bei so weit gediehenen Embryonen gesehn, muss ich fast vermuthen, dass sie constant ist. Einige Male hat es mir geschienen, als ob vorn in der Gegend des Fusswinkels, da wo nun sehr bald die Mund- vertiefung sich bildet, ebenfalls ein Paar Läppchen (1) her- vorhingen: das würden wohl die Tentakeln sein. Als ein Paar sehr zarte und dünne Plättehen, welche man leicht übersieht, finden sich nunmehr auch die Schalen, die erst einen kleinen Theil des Mantels bedecken; die Länge des Embryo betrug 0,2 Mm., die der Schale 0,06 Mm. Ihre Form zeigt Fig. 10. Von der Entwicklungsstufe Fig. 9 bis zu Fig. 11 ist zwar ein Abstand, zu dessen vollständiger Erläuterung mir einige Zwischenglieder fehlen, namentlich was die Reihenfolge der neuen Theile anbetrifft; der Fortschritt selbst als fait accompli ist aber ganz klar und stellt sich wie folgt heraus. Die früher vorhandenen Organe sind sämmtlich in ihrer Entfaltung bedeutend weiter gekommen. Der Fuss hat die 435 von nun an ihm bleibende Beweglichkeit erhalten und wird tastend weit über die Mantelränder gestreckt, während er natürlich noch ganz unter denselben verborgen werden kann. Die beiden Kiemen zeigen schon die eigenthümliche Faltung und Gitterung mit einem noch zarten Flimmerbesatz. An dem fertigen Thiere sind die die Ränder der Kiemengänge säumenden Wimpern fast borstenartig. Indem der Mantel bis nahe zum Rücken sich vom übrigen Körper losgelöst hat, sind die bisher getrennten neben einander gelegenen hinteren Zipfel verwachsen. Denn aller Wahrscheinlichkeit nach hat eine Verwachsung, nicht eine Spaltung des hinteren Rücken- theiles des Mantels statt gefunden. Das Product dieser Ver- wachsung ist die Brücke (9), hinter welcher die vor der Hand einfache Mantelöffnung liegt; die Bildung der ziemlich langen Athem- und der Afterröhre fällt überhaupt nicht in das interbranchiale Leben des Jungen. Die Schalen sind so weit gewachsen, dass sie über die Hälfte der Manteloberfläche bedecken. Neben diesen die schon früher angelegten Theile betref- fenden Gestaltungen machen sich aber noch einige wichtige neue Bildungen geltend. In der Zeit zwischen den in Fig. 9 und 11 dargestellten Stufen fällt die Anlage des Nervensy- stemes wahrscheinlich am frühesten, und zwar findet sich immer das sehr bedeutende Fussganglionpaar zuerst vor (k). Es entspricht bekanntlich dem vorderen der unteren Schlund- ganglienpaare der Gasteropoden, welches bei Limax nach meinen Beobachtungen ebenfalls die Reihe eröffnet. Auf dem Ganglion sitzen die beiden Gehörorgane auf (0), von denen ich es unentschieden lassen muss, ob der Ötolith oder die Blase zuerst entsteht. Bei den Gasteropoden ist in dieser Hinsicht das Verhältniss dieser beiden Theile nicht constant, da bald die Otolithen früher erscheinen als die Bläschen, bald umgekehrt. Die Wandungen des Bläschens sind auffal- lend diek und nicht gleichmässig (Fig. 12); jede Blase ent- hält, wie v. Siebold’s Beobachtungen schon längst gezeigt haben, nur einen Otolithen, dessen erystallinisches Gefüge bei mässiger Vergrösserung bemerklich wird. 28% 434 Etwas später, wie es scheiut, fällt die Anlage des Her- zens, Anfangs ein einfacher, wohl bestimmt abgegrenzter Raum, der aber regelmässig pulsirt. Es ist wegen der Un- durchsichtigkeit der Umgebungen während der ersten Periode seines Entstehens ziemlich schwer zu beobachten, und ich vermag daher nicht anzugeben, ob die Contractionen durck Zellen oder durch faserige Elemente ausgeführt werden. Im Allgemeinen ist das Gewebe des Körpers jetzt und noch später zellig, nur im Fusse sind schon jetzt viele sich un regelmässig kreuzende Fasern wahrzunehmen. Schliesslich ist aus dieser Periode die Entstehung der bei den Schalenmuskeln zu berichten. Zur Erläuterung unserer letzten Abbildung (Fig. 13) haben wir nur Weniges zu sagen; der Embryo ist von der Rücken- seite gezeichnet, etwas gequetscht, so dass die Weichtheile etwas ausgedehnter erscheinen, als sie im Verhältniss zur Muschel sind. Es ist nichts wesentlich verändert ausser dem Herzen, dessen Kammer (/) sehr erweitert ist, und dessen beide Vorkammern (m) ebenfalls vorhanden sind. Der zur Zeit noch solide Strang (n) aus kleineren, kernlosen Zellen gebildet, welcher vom Herzen aus bis nach dem hinteren Mantelschlitz verläuft, ist ohne Zweifel der Mastdarm. Ausser diesen genannten Organen und den obigen bisher beschriebenen scheinen sich bei den Embryonen, so lange sie zwischen den Kiemenfächern der Mutter verweilen, keine anderen zu entwickeln, vielmehr scheinen sie in diesem Zu- stande die Blätter zu verlassen. Obschon das von der Entwicklung von Cyelas calyeulata gegebene Bild keineswegs vollständig ist, reicht es doch zu einer Vergleichung mit dem, was sonst aus der Entwick- lungsgeschichte der Lamellibranchiaten bekannt ist, gerade hin. Alle bisher auf ihre Entwicklung beobachteten Lamelli- branebiaten haben nach totaler Furehung und Bildung einer allseitigen Keimschicht eine mehr oder minder auffallende Verwandlung zu durchlaufen, welche die Leser des Archivs in ihren noch nicht genügend erklärten Eigenthümlichkeiten bei den Najaden und ebenso aus den frühern Zuständen von 435 Modiolaria, Montacuta, Mactra und Teredo kennen. Die Lo- venschen Untersuchungen (Kongl. Vetensk. Acad. för är 1848. besonderer Abdruck. Auch Wiegm. Arch. 1849. I.) waren noch nicht erschienen, wenigstens J. Quatrefages nicht bekannt, als dieser seine Beobachtungen über die Ent- wicklung von Teredo veröffentlichte (Annal. des Sciences nat. 1849. T. II.) Quatrefages suchte daher nach Vergleichungs- punkten zwischen den Embryonen von Teredo und denen von Unio und Anodonta, deren aber in der That kaum welche vorhanden sind. Bei beiden wird allerdings die Schale früh- zeitig gebildet, abgesehn aber von den vorausgehenden und die diese Bildung begleitenden Momente ist die Entstehung der Schalenhälfte selbst bei jenen Muscheln ganz anders als bei Teredo, wo, wenn wir Quatrefages glauben dürfen, die gesammte Eihülle zu den beiden anfangs ganz membra- nösen Schalenhälften wird. Auch weicht die sonstige Ent- wicklung der Najaden total ab, und namentlich sucht man für die sonderbare Spaltung des Körpers vergeblich nach ei- nem Analogon. Dagegen ist wegen des sehr ansehnlichen Segels, welches sehr früh vermittelst distineter Muskeln aus und eingezogen werden kann, eine Zusammenstellung der jungen Teredines mit den Embryonen von Modiolaria, Montacuta, Mactra und wohl auch Mytilus erlaubt. Das ist aber wiederum der einzige wesentliche Anhaltepunkt; Teredo besitzt das Flagellum nicht, die gesammte Manteloberfläche entsteht auf einmal und zeigt nicht die tiefen Einbuchtungen und Lappenbildungen, wie bei den anderen mehrfach genannten Muscheln. Kurz, der ge- meinsame Plan der Entwicklung ist mir wenigstens nichts weniger als einleuchtend und vollends gar in den Speeialitäten ist keine Uebereinstimmung. Haben wir demnach in diesen wenigen Gattungen schon drei Gruppen der Entwicklung zu unterscheiden, so kommt hierzu Cyelas calyeulata als eine ganz neue und fremde. Ehe die Beobachtungen nicht viel weiter ausgedehnt sind, thun wir wohl am besten, sie unvermittelt auf sich beruhn zu lassen, Ehe man sich daran machen kann, für die Lamelli- 436 branchiaten sich nach gemeinsamen, die verschiedenen Er- scheinungen wirklich erklärenden Entwicklungsmomenten um- zusehn, werden erst die meisten Familien für sich in dieser Hinsicht untersucht sein müssen; erst dann wird es sich ent- scheiden, wie weit der alte embryologisehe Satz für die La- mellibranchiaten seine Geltung hat, dass in der Entwicklung erst der Klassentypus, dann der Ordnungs-, Familientypus u. s. f. zum Vorschein komme. Für diese Klasse ist man noch nicht so weit, geschweige denn, dass ich eine Verallgemeine- rung der Morphologie über den Typus der Weichthiere über- haupt mit Hinzuziehung der Tunieata schon jetzt für gerecht- fertigt und wahrhaft fruchtbar halten könnte. Dies veranlasst mich noch einige Worte über die Verglei- chung der Typen unter einander hinsichtlich ihrer Entwick- lung hinzuzufügen. Unsere Literatur ist nämlich durch die trefflichen und scharfsinnigen „Untersuchungen über die Ent- wicklung und den Bau der Gliederthiere* von Zaddach be- reichert worden, worin unter andern eine sehr ins Einzelne gehende Parallele zwischen der Entwicklung der Glieder- thiere und der der Wirbelthiere gezogen wird. Der Haupt- punkt ist, dass Zaddach bei allen Arthropoden die Ent- wicklung von zwei Keimwülsten ausgehn lässt, welche den zwischen dem Rückenmarksrohr und der Chorde gelegenen Theile der Keimwülste der Wirbelthiere, d. h. den Remak- schen Urwirbelplatten entsprechen sollen, während Medul- larrohr und Chorda den Arthropoden fehlen; ebenso fehlt den Arthropoden das Drüsenblatt der Wirbelthiere; damit und mit dem Umstande, dass der Keimstreifen der Arthropoden, wiewohl ebenfalls mit der Furche nach oben gekehrt, die entgegengesetzte Lage zum Ei hat, als bei den Wirbelthie- ren, ist das Maass der Vergleichung gegeben. Eins der Re- sultate Zaddach’s ist, dass die Arthropoden ebenfalls mit ihrer wahren Bauchseite nach unten gekehrt gehen, während in neuerer Zeit Rathke, Burmeister und Kölliker sich zu der Ansicht hinneigten, als entspreche der Bauch der Ar- thropoden dem Rücken der Wirbelthiere'). 1) Beiläufig will ich erwähnen, dass nicht ein Ungenannter, wie 437 Wir müssen zugeben, dass für die Arthropoden im enge- ren Sinne dieser Vergleich etwas Bestechendes hat. Manche Sätze Zaddach’s erinnern. freilich in der consequenten Durchführung des Vergleiches an die Okensche Sprache, wenn z. B. die sogenannte Bauchhöhle der Arthropoden das Ammion der Wirbelthiere sein soll. Auch sämmtliche Wür- mer will Zaddach zu der grossen Abtheilung der Glieder- thiere gezogen wissen. Er meint, man könne aus .den bis- herigen Beobachtungen die Anlage der Keimwülste der Rin- gelwürmer als einen Hauptcharaeter nachweisen. Dafür be- ruft er sich unter andern auf meine Abbildungen über die Entwicklung von Amphicora Sabella (Neue Beiträge zur Na- turgeschichte der Würmer. Jena 1348). Hier aber hat sich wohl Zaddach seiner hübschen Theorie zu Liebe verleiten lassen, mehr zu sehn und zu schliessen, als in meinen Zeich- nungen enthalten ist. Ich wenigstens möchte nicht daraus und aus den anderen Anführungen eine Regel für sämmtliche Anneliden ziehen, und eine Folge davon ist, dass er genö- thigt wird, die niederen ungegliederten Würmer zum Theil für lebendige Keimwülste zu erklären, obwohl gerade der Nachweis der beiden Keimwülste bei den Meisten sehr schwer halten dürfte. In Bezug auf die Mollusken ist Zaddach geneigt von Baer beizustimmen, welcher darauf hingewiesen, dass die Entwicklung der Mollusken sich vielleicht auf die Entwiek- lungen aus dem Drüsenblatte der Wirbelthiere würde zurück- führen lassen. Ich gestehe aber, dass mir dieser Vergleich noch gewagter und hypothetischer vorkommt, wie der andere zwischen Glieder -und Wirbelthieren. Schon dort scheint es mir weit einfacher und natürlicher zu sein, wenn man, unter Be- rücksichtigung der so total von einander abweichenden ferti- gen Thiere zunächst bei dem Faetum stehen bleibt, dass der Primitivtheil der Arthropoden die entgegengesetzte Lage hat; Zaddach angiebt, zuerst diese Ansicht aufstellte, sondern dass sie Etienne Geoffroy Saint Hilaire schon 1819 und 1822 ausführ- ich ausgesprochen. 438 in dem Umstande, dass hier und dort dieser Primitivtheil bald symmetrisch getheilt erscheint, liegt näher erwogen für mich nichts, was mich zwänge oder mir nur plausibel machte, nun auch eine morphologische Identität anzunehmen, mit der ganzen Kette von Folgerungen und Hypothesen, worunter auch die, dass der Embryo der Gliederthiere ohne das Drü- senblatt gebildet wird. Dass aus diesem nun und aus ihm allein der Mollusken - Embryo hervorgehe, ist eine Hypothese, an deren Detaillirung man in der That noch gar nicht denken kann, und welche, näher ausgesponnen, wie mir es scheint, aus den Mollusken noch viel wunderbarere Wesen machen würde, als aus den auf den Wirbelthiertypus bezogenen Ar- thropoden. Erklärung der Abbildungen. Die Buchstaben sind für alle Figuren gleich. a. Mantelwülste (Fig. 1) und hinterer Theil der Mantelhälften; — b. wimpernde Centralhöhle; — e. Fuss; — d. rechter, d‘ linker vorderer Mantelrand; — e. Schalen; — f. Leber; — g. Stelle, wo die Mantel- blätter verwachsen sind zur Bildung des After- und Athemschlitzes; — h. Kiemenblätter; — i. Mundtentakela? — k. Fussganglion ; — 0. Ge- hörorgane; — !. Herzkammer; — m. Vorkammer; — n. Mastdarm. — Länge von Fig. 1. = 0,08 Mm. Fig. 4 = 0,12 Mm. Fig. 9 = 0,2 Mm. 439 Ueber die künstlich geformten Schädel der alten Welt'). Von Prof. Dr. A, Rerztus. Aus dem Schwedischen?) von Dr. F. C. H. Creplin. Bekanntlich wird in den meisten grösseren anatomischen Mu- seen der Gipsabdruck eines wahrscheinlich künstlich auf eigen- thümliche Weise geformten Schädels aufbewahrt, dessen Ori- ginal bei Grafenegg in Oesterreich gefunden worden ist, und nach der Meinung seines Besitzers, des Grafen August von Brenner, einem Individuum der von der Mitte des sechsten bis zum Schlusse des achten Jahrhunderts in jener Gegend wohnenden ayarischen Hunnen angehört hat. Schon vor meh- reren Jahren empfing auch das Museum des hiesigen Carolini- schen Institutes ein solches Speeimen in Gips von dem um die Zergliederungskunde so hoch verdienten Professor Joseph Hyrtl in Wien. Von diesem Schädel theilte ich i. J. 1844 der königl. Akademie der Wissenschaften eine Beschreibung mit, welche im folgenden Jahre sowohl in Hornschuch’s Archiv skand. Beitr. z. Naturgesch. (Bd.I. S. 149-151), als auch in 1) Vortrag bei der königl. Akademie der Wissenschaften in Stock- holm, auf Veranlassung von des Herrn Akademikers Dr. Fitzinger Abhandlung über die Schädel der Avaren, insbesondere die in Oester- reich aufgefundenen (Denkschrift der kaiserl,. Akademie der Wissen schaften. V. I. Wien 1851). 2) Öfversigt af kgl. Vetenskaps- Akademiens förhandl. 1854. Nr. 3 Pag. 73-81. 440 dieses Archiv (Jahrg. 1845. S. 123-129) aufgenommen wurde. Ich zeigte dabei, dass dieser wegen seiner Länge als ausge- zeichnet betrachtete Schädel zwar ausgezeichnet hoch, dagegen aber kurz oder von der brachycephalischen Form sei, zu wel- cher auch die Schädelform der Avaren, als mit der der Finnen verwandt, gerechnet werden müsse. Diese Ansicht fand damals wenig Beifall, weil kurz darauf der zufolge seiner Reisen und Forschungen in Südamerika bekannte Dr. Tschudi mit so vieler Sicherheit erklärt hatte, dass der in Rede stehende Schädel peruvianischen Ursprungs sei und nebst anderen Samm- lungen von Naturalien aus Peru nach Oesterreich gekommen sein möge. Tschudi’s Ansicht gewann mehrere Anhänger, und die Frage über die vorzeitliche Sitte in der alten Welt, den Kopf künstlich zu formen, blieb eine Zeit lang unberück- sichtigt. Durch die ausgezeichnet gründliche Abhandlung des Dr. Fitzinger ist es nun allem Zweifel enthoben, dass der bei Grafenegg gefundene Schädel einem Individuum der einst- maligen Bewohner desLandes angehört habe. Fitzinger hat nicht allein die wichtigeren diesen Schädel betreffenden Um- stände erörtert, sondern auch einen ganz ähnlichen von Atz- gersdorf, auch in (Nieder-) Oesterreich, 1'/, Meilen von Wien, erhalten, welcher dort im Beisein des Orts- Arztes, Dr. Mül- ler, ausgegraben worden war. Dieser Schädel sowohl, als auch das Original des erstgenannten, befinden sich jetzt im kaiserl. anatomischen Museum in Wien. Der Verf. bespricht die Aehnlichkeit zwischen diesen Schä- deln und den in der Krimm gefundenen und von den Herren Rathke und Karl Meyer beschriebenen. Er eitirt Hippo- erates Angabe (de Aöre, Aquis et Locis, Lib. IV) von den s. g. Macrocephali oder den Skythen in der Nähe des mäoti- schen Sumpfes, welche künstlich geformte Hirnschalen hatten. Ferner wird Pomponius Mela (de Situ orbis, Lib. I. Cap. 19) eitirt, welcher angiebt, dass die Sitte, die Gestalt des Kopfes künstlich zu verändern, bei den Einwohnern um denBosporus existirt habe; Plinius d. Ä., welcher Macrocephalen unter den Einwohnern in der Nähe von Ceresus, dem jetzigen Ke- resun am schwarzen Meer in Natolien erwähnt; wie, auch 441 Stephanus Byzantinus (Geographica ), welcher von die- sen macrocephalischen Skythen unter den Einwohnern von Kolchis, dem jetzigen Mingrelien an der östlichen Seite des schwarzen Meers, spricht. Er erwähnt auch aus Strabo (Lib. II, Cap. 16) der Derbicken am Kaukasus gegen das cas- pische Meer hin, und der Sigynnen, medischer Colonisten, welche im Donauthale am Isterflusse gewohnt haben sollen, als Volksstämme, die die Gewolinheit gehabt haben, den Kopf so umzuformen, dass die Stirn hervorgeschoben ward. Der geehrte Verf. meldet auch von einem andern merkwür- digen Umstand in Bezug auf die Beschreibung dieser Schädel, nämlich von einer Medaille unbekannten Ursprungs, vorstel- lend die Zerstörung der Stadt Aquileja durch Attila. Die Vorderseite dieser Medaille zeigte Attila’s Bild im Profil unter derselben Gestalt, wie die hier erwähnten Avarenschädel. Dieselbe Medaille in Gold existirt auch im königl. Münzcabinet in Stockholm, wo ich durch die Gewogenheit des Herrn Reichsarchivars Hildebrand Gelegenheit bekommen habe, sie zu sehen und der Aeusserung des Herrn Dr. Fitzinger beizustimmen. Neben diesen wichtigen Erläuterungen, betreffend die eigen- thümlich geformten Avarenschädel, enthält diese gründliche Abhandlung auch eine genauere Untersuchung der im Calva- rienberge im Wiener Walde gefundenen Menschenschädel, welche vom Grafen Rasumowsky als eine eigene Form darstellend in Oken’s Isis, J. 1830 (S. 157-8) beschrieben worden sind, und welche ich in meinem erwähnten Vortrage nach unrichtiger Vermuthung als in der Form mit den Avaren- schädeln übereinkommend dargestellt habe. Dr. Fitzinger hat sich Gelegenheit verschafft, dieselben zu untersuchen und zeigt, dass sie die slavische Schädelform besitzen. Die äusserst gründliche und gelehrte Abhandlung wird durch vier schön ausgeführte Tafeln erläutert, von denen zwei die Avarenschä- del und zwei die letztgenannten slavischen Schädel vom Cal- varienberge vor Augen legen. Eine völlige Uebereinstimmung mit den oben erwähnten Avarenschädeln zeigt eine in der Schweiz gefundene Hirnschale, 442 von welcher Hr. Troyon mir Zeichnungen zugesendet hat, die hier, auf ein Viertel ihrer Grösse redueirt, copirt mitge- theilt werden. Fig. 1. Das Original wird in des Herrn Troyon archäologischen Sammlungen auf seinem Landgute Bel-air im Canton Waad, bei Lausanne, aufbewahrt. Der Schädel wurde am Boden ei- nes Grabhügels von sehr hohem Alter gefunden; Zierrathen oder Geräthschaften fanden sich in seiner Nähe nicht. Unter mehr als 200 Grabhügeln, welche Hr. Troyon in der Nähe untersuchte, war jener der einzige seiner Art. Der eben Genannte theilte bei derselben Gelegenheit auch Nachricht von mehreren solchen Schädeln mit, welche bei dem Dorfe St. Romain in Savoyen in ähnlichen Grabhügeln eben- 443 falls ohne beiliegende Zierrathe und Geräthschaften gefunden worden waren. Sie waren so schadhaft, dass sie kurz nach dem Herausnehmen zerfielen. Es gelang indessen einen Ober- theıl zu erhalten, welchen der Dr. Gosse in Genf besitzt. Bine Zeichnung desselben im Viertel seiner Grösse kann ich ebenfalls in Folge der Güte des Herrn Troyon hier mit- theilen. Fig. 4. a. Sutura coronalis. b. „ sagittalis. CC. , lambdoidea. e. Tuber supraorbitale. J- » Parietale. 9. Pars squamosa ossis occi- pitis. hhh. GrosseLücke an der linken Seite durch die weggefalle- nen Schläfentheile. Es scheint keinem Zweifel unterliegen zu können, dass diese Schädel demselben Volke angehört haben, als die österreichi- schen Avaren, welche wahrscheinlich im Gefolge von Atti- la’s Heer gewesen sind. Hiermit im Zusammenhange dürfte es auch angeführt zu werden verdienen, dass Prof. Duvernoy in Paris eine Zeich- nung und Beschreibung eines hohen, brachycephalischen Schä- dels von sehr hohem Alter mitgetheilt hat, welcher i. J. 1849 nicht tief unter der Erdoberfläche beim Graben zum Zweck einer Weglegung im Doubsthale, unfern von Mandeuse, ge- funden worden ist. Prof. Duvernoy äussert selbst die Ue- berzeugung, „dass derselbe Einem von Attila’s Kriegsleuten angehört“ habe, da in jener Gegend die Ruinen einer alten von Attila zerstörten römischen Stadt existiren. Er hat voll- kommen die Gestalt eines finnischen nicht gepressten Schädels. Welches Erstaunen verursachten nicht die missgebildeten Hirnschalen der Huanches- Indianer, welche Pentland von Titieaca in Peru mitbrachte! Welches Erstaunen verursachten nicht die vielen, verschiedenen künstlich gemachten Schädel- 4144 formen, welche durch Morton’s Werk: ‚Crania americana“ bekannt wurden! Man hielt dafür, dass die in Rede stehende ungereimte, barbarische Sitte nur bei den wilden Heiden in Amerika vorkäme. Seitdem dureh den Gräfenegger Schädel die Aufmerksam- keit auf die Frage gelenkt worden ist, wie fern derselbe bar- barische Gebrauch auch in der alten Welt Statt gefunden habe, sind mehr und mehr Zeugnisse zur Bestätigung seines vorma- ligen wirklichen Vorkommens in derselben zu Tage gefördert worden. Aus dem Vorhergehenden sieht man, dass wir Zeug- nisse hierüber von allen Schriftstellern der Vorzeit und des Mittelalters, ohne auf sie zu achten, in unseren Händen ge- habt haben. j Zu den wichtigen Angaben, welche Dr. Fitzinger ge- macht hat, erlaube ich mir bei dieser Gelegenheit ein paar Zusätze zu liefern. In Amede&e Thierry’s trefflichem historischen Werke über Attila, von welchem ich nur Dr. Ed. Burchardt’s Uebersetzung: „Attila, Schilderungen a.d. Gesch. d.5.Jahrh., Leipzig 1852“, kenne, wird, nachdem der Verf. gezeigt hat, dass zwar die eigentlichen Hunnen Finnen vom Ural und vom Wolgathale, mit ihnen aber unter ein und derselben Oberherr- schaft Türken und aller Wahrscheinlickeit nach Mongolen und ausserdem späterhin Slaven u. s. w. vereinigt gewesen seien, angeführt, dass Attila selbst nebst einem Theile seines Vol- kes nach dem kalmückischen Typus geschildert worden sei. In einer Note, S. 15, wird hierüber, wie über die Sitte, die Hirnschale künstlich umzuformen, Folgendes geäussert: „Das Bild, welches man uns von Attila überliefert hat, ist mehr das eines Mongolen, als das eines uralischen Finnen. Wir wissen ausserdem aus derGeschichte, dass einige Hunnen sich künstlicher Mittel bedienten, um ihren Kindern eine mon- golischePhysiognomie zu verschaffen , indem sie die Nase mit stark angezogenen leinenen Bändern plattdrückten und dazu den Kopf zusammenpressten, um die Backenknochen hervor- stehend zu machen.‘ „Welchen vernünftigen Grund konnte wohl diese bizarre 445 Sitte haben, als ein Bestreben, sich einer Menschenform zu verähnlichen, welche bei den Hunnen in grösserem Ansehen stand, mit einem Worte, sich der aristokratischen Race ähn- lich zu machen? Die von römischen Schriftstellern angegebene Absicht, dem Helm eine bessere Befestigung auf dem Kopfe zu verschaffen, kann kaum als ernstlich gemeint betrachtet werden. Es ist wahrscheinlicher, dass, seitdem die Mongolen Herren der Hunnen geworden, die mongolische Physiognomie der Preis ward, mit welchem aristokratische Auszeichnungen verbunden waren. Man suchte deshalb sich dieser Form zu nähern; man erachtete es für eine Ehre, sich so zu verunstal- ten, um das Ansehen zu bekommen, als leite man seinen Ur- sprung von der herrschenden Race ab. Dies ist der wahrschein- liehste Grund dieser unnatürlichen Umgestaltungen, deren die historsichen Schriftsteller so ausführliche Erwähnung thun,* Diese Ansicht der Sache stimmt völlig mit der von mir in dem Aufsatze „Beurtheilung der Phrenologie vom Standpunkte der Anatomie aus“ (in diesem Archive J. 1848. S. 233 ff), und vom Prof. Eschricht in seinen Be- merkungen, betreffend die Bedeutung der Formver- schiedenheit der Hirnschale und des ganzen Kop- fes („Betydningen af Hjerneskallens og af hele Hovedets Formforskjellighed“ i Forhandl. ved de skandin. Natur- forskeres 4de Möde, i Christiania, 1844), hinsichtlich des in Rede stehenden Gebrauchs bei den amerikanischen Wilden dargelegten überein. Wir sehen soleherweise mehr und mehr Spuren dieses ver- kehrten Gebrauchs als ehemals ziemlich allgemein verbreitet in der alten Welt, und man möchte nach Thierry’s Aucto- rität vermuthen dürfen, dass derselbe vornehmlichst und viel- leicht ursprünglich bei den Mongolen vorgekommen sei, bei denen er jedoch, so viel mir bekannt ist, jetzt nicht mehr angetroffen wird. Wunderbar möchte es daher Manchem vorkommen, welcher sich für das Studium der Schädelform bei den verschiedenen Völkerstämmen interessirt, zu erfahren, dass jener barbarische Gebrauch noch jetzt in einem der eivilisirtesten Länder Euro- 446 pa’s, nämlich in Frankreich, Statt findet. Wir erhalten hier- über sehr interessante Nachrichten in Dr. Foville’s „Traite complet del’anatomie, de la physiologie et dela pathologie du systeme nerveux eerebrospinal; Ire partie, Anatomie, Paris 1844, p. 632, Art. „Deformation artificielle du eräne“ ete., u. Atlas, Pl. 23, Fig. 1, 2. Dr. Foville sagt nämlich: „Dans plusieures parties de la France, on coiffe les nouveaunes de bonnets fixes sur la cir- conförence du eräne Jui-m&me. Tantöt on eommence par l’en- tourer d’un etroit et long triangle de toile, qui deerit plusieurs tours avant d’etre arrete, et par dessus ce serre-tete ou ban- deau on place un bonnet rond ä&.ceulisses, dont les cordons sont serres suivant la m&@me eirconference que ce serre-tete lui-möme. Cette pratique est tres-eommune en Normandie. Dans d’autres provinces, on ne commence pas par entourer la tete d’un bandeau; on la couvre d’un bonnet rond, et ce bonnet se trouve ensuite assujetti par un nombre variable de tours de bande methodiquement jetes depuis les bosses frontales jus- qu’aux bosses parietales. C’est ainsi qu’on agit a Toulouse et dans une grande etendue des pays voisins. — — — Une eonstrietion eireulaire, suffisante pour fixer la coiffure ne peut manquer de faire ce&der la tete si tendre A cet äge. Ce qu’elle perd alors en largeur, elle le gagne en exc&s de lon- gueur; et e’est ainsi que se trouvent produits ces cränes al- longes et eylindroides (voy. pl.22 et23. Fig. 1), quelquefois m&me etrangles dans le milieu de leur longueur, qu’on rencontre en proportions variables dans presque toutes les maisons d’alienes de France, mais surtout dans celles des departements ou la methode adoptee pour la coiffure des enfants implique une eonstrietion eireulaire. — On trouve des personnes du Limou- sin, de Bretagne, du Nord et du Nord-Est de la France avec une deformation evidente du cräne, dont la cause ne peut £tre douteuse. — — A Paris, oü se trouvent rassembles des habi- tants de toutes les parties de la France, toutes les habitudes de nos provinces se trouvent importees, et les deformations du eräne produites par les coiffures vicieuses ne sont nullement rares. Pl. 23 zeigt drei Profilportraits von Weibern aus der 447 Normandie, deren Schädel auf solche Weise sehr ähnlich den hunnischen geformt sind. Dr. Foville hat als Oberarzt der grossen Heilanstalten für Gemüthskranke im Departement Seine inferieure und Cha- renton Gelegenheit gehabt, die Schädelform bei einer grossen Anzahl von Landleuten zu untersuchen. Er hat dabei nicht wenige Individuen mit solchergestalt künstlich geformten Schä- deln angetroffen. Obgleich er die Meinung äussert, dass die Verunstaltung die Verrichtungen des-Gehirns nicht störe, so glaubt er doch auch, dass sie nicht selten Unordnungen in demselben erzeuge, welche in Gemüthsstörungen übergehen. Dies stimmt, so viel man aus Morton’s Schriften schliessen kann, nicht überein mit den Erfahrungen über das Verhalten bei den amerikanischen Indianern. Wahrscheinlicher ist es, dass der geehrte Verfasser hier post hoc statt propter hoc ge- nommen habe. Er giebt, wie wir sehen, zwei verschiedene Arten der Um- wicklung des Kopfes an. Aus seinen Angaben kann man nicht entnehmen, dass die angeführte Verfahrungsweise in der Ab- sicht geschehe, den Kopf zu verunstalten. Man möchte eher glauben, dass dieser Gebrauch in Frankreich unbewusst als ein Erbe aus dem rohen Heidenthume fortbestehe und wie viele andere eingewurzelte Gewohnheiten und Vorurtheile erst durch besondere Zufälligkeiten sein Ende erreichen werde. Man hält gewöhnlich die Bewohner der Normandie für Nor- männer; aber es ist wahrscheinlich, dass die Bevölkerung, welche vor der Ankunft der Normänner das Land bewohnte, nicht ausgestorben ist. Es ist im Gegentheil zu vermuthen, dass hier, wie in vielen anderen Ländern, die ältere Bevölke- rung neben dem mehr aristokratischen Herrscherstamme fort- bestehe. Der letztere hat, wovon ich selbst mich zu überzeu- gen Gelegenheit gehabt habe, den Typus seiner Vorfahren, der Normänner, treulich beibehalten. Der berühmte Verf., welcher hier zuletzt eitirt worden, giebt selbst davon einen hübschen Beweis. Ich glaube nicht, dass das Kopfpressen von den Normännern herstamme. Die in Fig. 1 u. 2 auf Taf. 23 ab- gebildeten Köpfe zeigen auch nicht die geringste Aechnlichkeit Müllers Archiv. 1A. 29 448 mit dem norwegieshen dolichocephalischen Typus, sondern deuten vielmehr einen brachycephalischen an. — Die Hirnschale, welche auf Pl. 22 abgebildet steht, ist, nach meiner Ansicht, von einem ächten gaulischen Typus, niedrig, lang, dolicho- cephalisch, nieht künstlich geformt. Sie ist aus einem Kirch- hofe bei Paris, und man weiss Nichts von der Person, wel- cher sie im Leben angehört hat. Die Erwähnung eines allgemeinen Vorkommens jenes Miss- brauchs in Bretagne, der alten Grafschaft Toulouse und meh- reren Ländern, in denen der celtische Stamm herrschend ist, ist sehr bemerkenswerth; aber auch diese Länder sind vor den Celten von Iberiern bevölkert gewesen. In Bearn, wo die alte iberische Bevölkerung noch herrschend ist, soll nach Dr. Fo- ville die Umwicklung des Kopfs der zarten Kinder nicht gebräuchlich sein. Nach Anführung aller dieser Facta kommt man leicht zu der Frage: Ist jener Gebrauch von selbst in den grossen Con- tinenten, in der alten und der neuen Welt, entstanden, oder können diese Facta von einer ehemaligen Verbindung dieser Continente Zeugniss ablegen? Ich hoffe bei einer andern Ge- legenheit auf diese Frage zurückzukommen. 449 Ueber den Beutelfrosch. Von Dr. Davınp FRIEDERICH WEINLAND. (Hierzu Taf.. XNVII— XIX). Bei einer vor Kurzem für das Zoologische Museum zu Berlin eingelaufenen Sendung von Reptilien aus Puerto Cabello (Ve- nezuela) befand sich ein Laubfrosch, etwa von der Grösse unseres braunen Grasfrosches, der schon durch eine eigen- thümliche Schädelform auffiel. Als ich denselben näher unter- suchte, fühlte ich seinen nach beiden Seiten aufgetriebenen Leib voll grosser harter Eier. Schon die Grösse derselben, die doch sonst bei Batrachiern, wie bei allen Wirbelthieren, die ihre Eier zur Entwicklung ins Wasser absetzen, gar nicht be- deutend ist, war sonderbar, noch mehr aber der Umstand, dass dieselben nicht nur im Bauch, sondern manche unmittel- bar unter der Rückenhaut über der Wirbelsäule lagen, wie man deutlich fühlen konnte. Da bemerkte ich eine eigenthüm- liche halbinondförmige Hautfalte auf dem Hinterrücken kurz vor dem anus. Als ich hier die Pincette einführte, öffnete sich von dort aus gerade über den Rücken hin nach vorne eine bisher zusammengeklebte, etwa acht Linien lange Hautspalte und nun lagen vier der Bier offen da. Von diesem Raum aber gelangte man nach rechts und links in Säcke, die sich weit an den Seiten des Thieres hin ausbuchteten und welche die übrigen Eier enthielten. Eine Kommunikation dieser Säcke mit der Bauchhöhle war, wie ich mich sofort überzeugte, nicht 29? 450 vorhanden. Die Eier selbst aber zeigten schon den durch die Eihaut durchscheinenden schwärzlichen Embryo mit grossem Kopf, schmalem Rücken, Flossenschwanz und Hinterfüssen. — Wir haben also hier einen Fall, wo ähnlich wie bei der Suri- namischen Kröte die gelegten Bier von der Mutter noch bis zu einer weiteren Entwicklungsstufe getragen werden. Die nähere Untersuchung!) ergab Folgendes: Das Thier ist ein Weibchen. Die genannte Spalte (vgl. Fig.1) beginnt bei angezogener Haut anderthalb Centimeter vor dem After und geht auf der Mittellinie des Rückens zwei Centim, lang nach vorne. In ihrer natürlichen Lage aber wölbt sie sich wegen der unter ihren Rändern liegenden Eier, geht also dann nicht so weit nach vorne, und liegt auch dem After näher, indem die Haut zwischen dem letzteren und dem ‚hinteren Ende der Spalte sich querrunzelt. Oeffnet man die zusammengeklebte Spalte, so sieht man zwei seitliche ziemlich scharfe Ränder, nach vorne in einen kleinenHalbkreis in einander übergehend, Hinten aber wird die Spalte von keinem Rande begrenzt, son- dern hier geht dieRückenhaut in einer Ebene fort in die Spalte hinein. — Schlägt man die seitlichen Ränder aus einander, so sieht man in einen Raum hinein, der sich unter der Haut ei- nige Linien weit nach vorne, nach den Seiten aber so weit erstreckt, als die Wirbelfortsätze reichen. Seine Decke sind die Ränder der Spalte, sein Boden ist eine Haut, die auf der Wirbelsäule ruht. Es ist also ein plattgedrückter Beutel mit einer länglichen Oeffnung nach oben. Dieser Beutel aber setzt sich nun nach rechts und links fort in Blindsäcke von viel grösserem Umfang, als er selbst ist. Sie liegen an den Rumpf- 1) Ich fühle mich verpflichtet, hier den hochgeschätzten Herren Prof. H. Lichtenstein und Prof J. Müller meinen Dank auszu- sprechen, dem ersteren dafür, dass er, sobald ich ihm die Thatsache mittheilte, darüber in der Königl. Akademie der Wissenschaften be- richtete und mir das einzige Exemplar von Notodelphys freundlichst zur weiteren genaueren Untersuchung übergab; dem Herrn Professor J. Müller dafür, dass er mich bei dieser Untersuchung aufs Wohl- wollendste mit Rath und That unterstützte und die Resultate derselben in der Akademie mittheilte. 451 seiten des Frosches hin und sind so voluminös, dass sie leer und angezogen vorne fast bis an den Schädel reichen und unter dem Bauch sich berühren können. Sind sie aber mit Eiern ge- füllt, so bauchen sie sich in der Mitte des Thieres nach beiden Seiten aus. Sie sind seitlich an der Innenfläche der Cutis an- gewachsen, nach unten und innen aber hängen sie frei in die Bauchhöhle hinein (nur noch durch das Bauchfell von ihr ge- trennt) und drängen die Eingeweide derselben nach vorne. Wie kommen nun diese Spalte, der Beutel und seine Blind- säcke zu Stande? Es ist in der That nichts als eine grosse Hauteinstülpung. Sobald man die Spalte öffnet, sieht man, wie nicht nur von hinten die Rückenhaut sich einfach in die Bodenhaut der Spalte fortsetzt, sondern auch wie an den Sei- ten und vorne, wo dieSpaltenränder schärfer sind, die äussere Haut sich nach innen umschlägt, sich innen fortsetzt und so den Rückenbeutel und die Säcke bildet. Hieraus folgt zugleich, dass die innere den Eiern zugekehrte Fläche des Beutels und der Säcke der äusseren (epidermalen) Seite der Rückenhaut entspricht, die andere der Bauchhöhle zugewendeteFläche der Säcke aber der inneren (unteren) Seite der Rückenhaut. — Die sich einstülpende Haut ist zuerst, d. h. an den Rändern und im Beutel noch ziemlich dunkel, ähnlich dem Rücken gefärbt; nach innen aber, namentlich in der Tiefe der Säcke, werden die Pigmentzellen sparsamer, sind strahlenförmig, äusserst schlank, weitverzweigt (Fig. 17) und erscheinen, weil weniger mit Pigmentmolekülen gefüllt, braun. Sie geben der Innen- fläche der Säcke ein silbergraues Ansehen. Wie die Haut nach innen heller wird, so wird sie auch dünner. Während sie als Beutel noch ganz die Schichten der äusseren Haut zeigt (F. 16), ja an den Rändern noch diekere Lederhautlagen, so ist dage- gen die Haut der Säcke äusserst fein und durchsichtig, von einem dichten Capillar- Gewebe durchsetzt und nur hier und dort liegt noch eine Faserschicht. Epidermiszellen,, die ich in der Beutelhaut noch deutlich sah, vermochte ich in der Haut der Säcke nicht mehr zu erkennen. Schon die Haut des Beu- tels, noch mehr aber die der Säcke, zeigte ferner Falten, die sich durch Ziehen nicht glätten liessen, sondern gleichsam als 452 niedere Wälle konstante vier- oder mehreckige Maschen bil- deten. Diese entsprechen in Grösse und Zahl den Eiern, und sind wohl durch mechanischen Druck derselben hervorgebracht. Dass sie eine andere Beziehung zu denselben haben, muss ich bezweifeln, da ich beim Herausnehmen der Bier einen Zusam- menhang zwischen ihnen und der Innenhaut der Säcke nicht wahrnahm. — Noch drängen sich hier zwei Fragen auf, die wir wenigstens mit Vermuthungen beantworten wollen, nämlich: 1) Wann entstehen die Säcke? und sodann: 2) Wie kommen die Eier hinein? Wir wissen, dass jene Hautzellen bei der weiblichen Pipa sich in der Weise bilden, dass das Männchen die Eier in Schleim gehüllt auf den Rücken des Weibchens streicht, dass dieser Schleim gleichsam eine Entzündung und Hautwucherung hervorruft, die um jedes Ei eine Zelle bildet; wir wissen ferner, dass diese Zellen, sobald die Jungen aus- gekrochen sind, wieder allmählig verschwinden und bei der nächsten Befruchtung sich neu bilden. Kann man nun auch bei dem Beutelfrosch eine soJehe Periodieität in der Bildung der Bruttasche annehmen ? — Dass eine Hauteinstülpung durch Reiz von Schleim oder dergleichen sich bilde, ist nicht denk- bar. Sie müsste sich aber zudem jedenfalls jedesmal vor der Begattung schon bilden, anders könnten die Eier, die doch wohl auch wie bei andern Fröschen schnell hinter einander gelegt werden, nicht sofort darin untergebracht werden. Aber es erscheint überhaupt unwahrscheinlich, dass eine so abge- grenzte und so voluminöse Hauteinstülpung periodisch ver- schwinde, sehr wahrscheinlich aber nach Analogie aller Fort- pflanzungsorgane, dass sie periodisch mehr und weniger ent- wickelt ist, dass namentlich die Maschen im Innern nur zur Zeit wenn Eier darin sind, auftreten. — Die Spalte und der Beutel sind also wohl immer vorhanden, aber auch wohl im- mer — bei leeren und bei gefüllten Säcken — mag die Spalte bis auf eine kleine hintere Oeffnung zusammengeklebt sein. — Wie kommen die Eier in den Beutel hinein? Nach Analogie der Pipa werden sie wohl während der Begattung von dem Männchen hineingeschoben, was dadurch erleichtert wird, dass, wie man bei unseren Fröschen sehen kann, das Weibchen die 453 Eier in der Regel nach oben ausstösst, so dass sie öfters auf seinen Hinterrücken zu liegen kommen. — Dass es auch hier wie bei Pipa das Weibchen ist, das die Eier trägt und nicht wie bei Alytes und den Nadelfischen das Männchen, kann ich entschieden behaupten, da sich bei der Sektion deutlich lange Ovidukte und die Eierstöcke voll kleiner Eierchen in ihren Zellen zeigten. So viel über die Spalte und die Säcke. Was nun die Eier betrifft, so lagen vier derselben im Rückenbeutel, eilf andere in den Seitensäcken. Schon diese Anzahl ist eine auffallend geringe. Zwar bedurfte es der Masse von Eiern, wie bei anderen Fröschen, nicht, weil das junge Thier jedenfalls bis zum Quappenzustand geschützt ist (s. un- ten); aber selbst bei Pipa, wo die junge Kröte vollkommen in ihrer Zelle sich ausbildet, zählte ich mehr als die dreifache Anzahl. Dagegen sind die Eier des Beutelfrosches ausseror- dentlich gross, fast ein Centim. im Durchmesser , doppelt so gross als ein gewöhnliches Froschei (ohne die gallertige Hülle). Sie waren in Häufchen zu drei und vier zusammengeklebt und zwar so fest, dass man sie nicht von einander trennen konnte, ohne dass die Eihüllen selbst zerrissen, wobei immer etwas klare Flüssigkeit ausfloss, die also zwischen Chorion und Dot- terhaut angesammelt war. Nach Zerreissung des Chorion trat nun das grosse Ei in seiner Dotterhaut hervor. Diese zeigte sich, wie immer, rings geschlossen und unter dem Mikroskop durchaus. strukturlos. Löste man auch sie ab, so sah man das Ei bestehen aus einem schwärzlichen Embryo und, wie es schien, aus gelber Dottermasse. Die letztere, eine Kugel, die auf der Bauchseite des Embryo lag, oder vielmehr, um wel- che der verhältnissmässig unbedeutende Embryo herumlag, machte wohl sieben Achtel des Eis aus. — Alle Eier befanden sich auf dieser Stufe der Entwicklung. Der Embryo (Fig. 6) ist auf seiner freien Oberseite schwärzlich grau gefärbt, am dunkelsten auf dem Hinterkopf. Die Haut desselben ist nur mit schwarzen Pigmentzellen dicht besetzt; die tiefer liegenden gelben, welche im Verein mit je- nen die spätere grüne Färbung des Rückens hervorbringen, 454 erscheinen also erst später. Als ich ein Stück der Rückenhaut abtrennte, fand es sich, dass sich diese ganz ohne Unterbre- chung von den Rändern des Rückens aus, nur dünn und farblos werdend, über den ganzen Dotter herab fortsetzte. Da nun jene dunkle Rückenhaut nur die wirkliche Bedeckung des Embryo sein konnte, so musste man aus dieser Kontinuität schliessen, dass der ganze sogenannte Dotter innerhalb der wirklichen Bedeckung des Embryo lag. Dies wurde denn auch durch das Mikroskop zur Gewissheit erhoben (Fig. 10). Nicht nur lagen in der ganzenHaut, so weit sie den Dotter bedeckte, überall noch einzelne Pigmentzellen und feine Gewebe von Lederhautfasern, die sich meist unter rechten Winkeln kreu- zen, sondern ich fand in derselben in der ganzen Bauchgegend quergestreifte Muskelprimitivbündel, meist einzeln, einander parallellaufend in der Richtung von vorn nach hinten (Fig. 185). (Diese, offenbar die Anlage der künftigen Bauchmuskeln, sind hier im Embryo nur gleichsam eine Schicht der allgemeinen Leibesbedeckung, so dass die letztere für ihn nieht nur die künftige Cutis, sondern die ganze künftige Leibeswand ist, d. h. dass aus ihr Haut, Bauchmuskeln und Bauchfell sich hervorbilden). — Der sichere Schluss ist: die ganze, etwa sie- ben Achtel des Eis ausmachende gelbe Dottermasse liegt in- nerhalb der Leibeswand, die grosse Kugel, um die der kleine Embryo herumzuliegen schien, ist sein Bauch. Auf die- sen letzteren kommen wir unten bei der Anatomie zurück und fahren nun in der äusseren Beschreibung des Embryo fort. Seine Länge vom Kopf bis zum Schwanzende übertrifft weit den Eidurchmesser, sie beträgt 13 Millimeter. Der grosse, breite, fast kreisrunde Kopf setzt sich deutlich vom Rumpf ab. Er ist 4'/,MM. lang. In Form und Dimensionen gleicht er auffallenderweise schon ganz dem des erwachsenen Beutelfro- sches und wir können auf dessen Beschreibung (p.450) ver- weisen. Die Augen zeigen schon deutlich die runde Pupille, die offenen Nasenlöcher ihre eigenthümliche halbmondförmige Gestalt; die Mundspalte ist ein ausgebildetes, nur wenig über die Hälfte der Kopfbreite langes, unten am vorderen Kopt- rand liegendes Quappenmaul (Fig.55), das bei unseren Frö- 455 sehen bis kurz vor der letzten Wandelung bleibt, aber erst meh- rere Tage, nachdem der Embryo das Ei verlassen hat, die bestimmte Form bekommt, die unser Embryo schon im Ei zeigt. Oeffnet man es, so strecken sich Oberlippe und Unter- lippe weit vor, wie bei vielen Fischen. Von harten Schnabel- kiefern im Innern ist noch nichts zu sehen, ebensowenig von einer Zunge, die übrigens nach Rusconi (Developpement de la grenouille commune, Milan 1826.) auch beim grünen Was- serfrosch erst sehr spät, kurz vor der Umwandlung zum voll- kommenen Thier sich zeigt, während sie beim Säugethier eine der ersten Bildungen im Kopf des Embryo ist. Auffallender- weise aber fehlen an der Kehle unseres Beutelfroschembryos die Saugkegel, die bei anderen Froschembryonen sehr frühe sich bilden, so nach Rusconi bei dem so eben genannten grünen Wasserfrosch, sobald die Rückenwülste sich geschlos- sen haben, d. h. etwa vierzig Stunden, nachdem die Entwick- lung des Eis begonnen hat. Sie dienen bekanntlich dazu, dass die junge, noch ausserordentlich zarte Quappe, sobald sie das Ei verlassen hat, (etwa 4—6 Tage nach dem Beginn der Ent- wicklung bei unseren Fröschen) sich damit an Wasserpflanzen u. dgl. anhaftet, in welchem Zustande sie etwa vier Tage ver- harrt, keine Nahrung durch den Mund zu sich nimmt, sondern aus dem im Darm noch angehäuften Dottervorrath zehrt. Die Beutelfroschquappe nun scheint diesen Haftapparat entbehren zu können, weil sie wahrscheinlich jene Entwicklungsperiode noch im Beutel der Mutter zubringt. Der dunkle Rücken des Embryo (Fig.6 R) ist sehr schmal, er hat schon am Anfang d. h. unmittelbar hinter dem Kopf nicht die halbe Kopfbreite und verjüngt sich nach hinten allmählig noch mehr. Ueber ihn herüber liegen sechs oder sieben schwarze Querlinien (Fıg.6.R); es &ind sehr feineFalten, welche die Wirbeltheilung andeuten. — Hinten zu beiden Seiten des Kopfs, und mit ihm an den Bauch angeschmiegt liegen zwei weisse etwa zwei Millim. lange Cylinderchen mit konischen Fortsätzen am unteren Ende. Es sind die merkwürdigerweise jetzt schon so weit entwickelten Vorderfüsse, welche ich bei einer fünf Centim. langen (Juappe von Pelobates fuscus , die längst ihre äusseren Kiemen 456 nicht mehr hatte, kaum 2 Millim. lang und bei einer andern eilf Centim. langen erst neun Millim, lang fand. Die Lage der. Vorderfüsse (Fig. 5 VF und Fig. 6 VF) wird erst deutlich, wenn man den Kopf mit ihnen vom Dotter abhebt. Sie lie- gen nämlich nicht frei neben dem Kopf, sondern in der Kie- menhöhle hinter dem Kiemenkorb, von dem feinen Kiemen- deckel, der wie ein Schurz um die Kehle des Embryo herum weit nach hinten und oben geht, bedeckt (Fig.5 KD). — Noch viel mehr als die Vorderfüsse zeigen sich die Hinter- füsse bei unserem Embryo entwickelt, welche ja immer jenen weit vorzueilen pflegen. Sie liegen zu den beiden Seiten des Schwanzes, wie dieser etwas nach der Seite gekrümmt und an die Bauchwand angelehnt. Sie sind doppelt so lang als die vorderen, stärker und wie sie unten eingekerbt, — eine Andeutung der Fingertheilung. Weder an den Vorder- noch an den Hinterfüssen konnte man im Innern eine Spur einer Skelettbildung finden; sie bestehen aus einem weichen, weis- sen, körnigen Blastem, aus dem sich Knochen, Nerven, Muskeln und Gefässe erst differenziren sollen. Trotz dieser niederen Stufe der Ausbildung aber ist die Thatsache, dass schon im Ei die vorderen Extremitäten gebildet, die hinteren sogar schon frei ausserhalb der Leibeswand sich vorfinden, (während sie bei der jungen Rana esculenta erst am 25. Tage, also nachdem das Thier drei Wochen schon das Ei verlassen hat, und dann erst als zwei kleine Wärzchen zu beiden Sei- ten des Afters erscheinen) bei der Frage, wann der Embryo den mütterlichen Beutel verlässt, wohl in Anschlag zu brin- gen. Auch dieser Umstand, wie oben die vorgeschrittene Kopfbildung und das Fehlen der Saugkegel, weist darauf hin, dass das junge Thier nicht in jenem hilflosen der ge- wöhnliehen Froschquappen, sondern in einem schon mehr entwickelten Zustande frei werden soll. — Zwischen den Hin- terfüssen vor dem Schwanz steht ein Wärzchen hervor, der After; ob dieser noch geschlossen, oder wie der Mund schon offen ist, konnte ich nicht entscheiden. — Der Schwanz, eine Fortsetzung der Rückensaite, ist seitlich zusammengedrückt, fünf Mill. Jang und an der Basis fast zwei Mill. breit; er 457 geht in eine abgerundete Spitze aus. Eine feine durchsich- tige schwarzgetupfte Flosse, die ihn überall umgiebt, macht ihn doppelt so hoch, als seine Dicke an der Wurzel beträgt. — Ich komme nun an die Beschreibung der äusseren Athemorgane des Beutelfroschembryo, welche nicht we- niger eigenthümlich sind, als seine erste Wohnung in der Rückenhaut der Mutter. — Im Nacken des Embryo nämlich, oder bei anderen Exemplaren, dem Rücken desselben ent- lang lagen zwei zusammengefaltete Hautstücke (Fig. 6 KG). Man konnte sie für Fetzen der Dotterhaut halten, aber wenn man sie behutsam aufhob, fand sich, dass jedes durch zwei feine, ziemlich lange Stränge unter dem Kopf des Embryo befestigt war. Um ihren Ansatzpunkt zu finden, wurde nun der Kopf etwas vom Bauch abgerückt, da sah man sie unter einer am Hals querüberliegenden Falte (Fig. 5 KD), offenbar dem Kiemendeckel verschwinden. Zog man diesen hinauf (Fig.5 KD), so zeigten sich jederseits, etwas schief liegend, drei Kiemenspalten und drei Kiemenbogen (Fig.5KD u. KB), und an die zwei ersten Bögen jederseits waren die Stränge befestigt, je der eine an der ersten, der andere an der zwei- ten (Fig. 5 KGS und KB‘ u. KB“). Liess man nun das Ganze frei im Wasser schwimmen, da lösten sich die beiden Haut- stücke erst in etwas gefaltete Scheiben und dann in schöne trichterförmige Hautausbreitungen auf (Fig.5 KG). Diese sind zwei Mal so breit als hoch, ihre obere Mündung hat einen Durchmesser, der drei Viertel von dem des ganzen Eis beträgt und der die Länge ihrer Stränge noch um einige Millimeter übertrifit. Der Form nach möchte ich diese merk- würdigen Bildungen am liebsten mit einer Winden -Blüthe vergleichen. Wir können sie Kiemen- Umbrellen oder auch Kiemen-Glocken nennen. — Was bedeuten sie und was die Stränge? Schon der Ansatz an die Kiemenbögen wies darauf hin, dass sie mit der Athmung in Beziehung stehen. Wei- tere Aufschlüsse gab das Mikroskop. Jeder der beiden 'AMill, dicken Stränge ist ein Schlauch, der zwei Gelässe enthält, die in den Kiemen-Glocken sich verzweigen und in ein diehtes Capillarnetz sich auflösen. (Fig. 15 zeigt die 458 Gefässe, wie sie in die Glocken eintreten, sowie einige Ma- schen des Capillarsystems). Der Schlauch für sich (Fig. 14) besteht aus denselben schwach kontourirten, aber häufig noch mit Kernen versehenen, polygonalen Zellen (Fig. 14 H), wel- che als Epidermis zu der ganzen allgemeinen Bedeckung des Embryo gehören (Fig. ) und welche ferner auch die Glok- kenhaut zusammensetzen (Fig15 GH). An jedem Schlauch verlaufen seiner ganzen Länge nach breite Streifen quer- gestreifter Muskelprimitivbündel (Fig. 14 HF). Die- selben gehen nicht regelmässig parallel, kommunieiren auch hin und wieder durch einige Bündel, liegen aber constant in der Mittellinie des Strangs, d. h. da, wo die beiden im In- nern sich verlaufenden Gefässe sich mit ihren Wandungen berühren (Fig. 14 Sch... Gegen die Glocken hin werden sie seltener, und wo die Stränge in die Glocken sich einsenken, hören sie auf, nach unten aber verlieren sie sich erst in der Haut des Kiemenbogens und tragen noch bei zu der breiten Basis, mit welcher der Strang auf jenem sich aufsetzt. — Die Glocken bestehen aus einer feinen durchsichtigen, wie es scheint, kaum aus zwei Zellenlagen gebildeten Haut (Fig. 15 GH). In ihr verlaufen nach allen Seiten gelbliche Gefässe, die sich in ein Capillarnetz auflösen, dessen Maschen !%as— Vs, MM. Durchmesser haben. Jene Gefässe sind, wie die zwei Gefässe der Stränge so voll von Blutkörperchen (Fig. 14 BK und Fig. 15 BK), dass man von diesen nur noch die schärfer kontourirten solideren Kerne und nichts mehr von der äusseren Begrenzung sieht. Dagegen sieht man die ganzen aber wohl durch die Einwirkung des Weingeists oder Druck polygonal gewordenen Blutkörperchen in den Capilla- ren, wo sie meist in einfachen Reihen hinter einander liegen, und so den Verlauf der Capillaren selbst, deren Wände man kaum hie und da noch erkennen kann, deutlich zeigen. Die Capillaren und die Blutkörperchen haben einen Durchmesser von Y, — Vi MM., der Kern der letzteren von Y%a, — "5; MM. Der Durchmesser der die Membran zusammensetzenden Zel- len ist im Allgemeinen derselbe, wie der der Blutkörperchen, oft grösser. Ihre Kontouren und namentlich die ihrer Kerne 459 sind aber sehr zart und verschwinden öfter. Doch muss man bei allen diesen Verhältnissen die Einwirkung des Weingeists in Anschlag bringen. — Rekapituliren wir nun das Gesagte, so haben wir hier in einer Hautscheibe eine grosse Gefäss- ausbreitung, welche durch vier Gefässe mit vier Kiemenbögen in Verbindung steht. Ein Zweifel über die Bedeutung kann nicht mehr stattfinden. Es sind Athemorgane; die in jedem Strang verlaufenden zwei Gefässe sind je eine Aıterie und eine Vene, und die Glocke ist der Ort, wo das Blut mit dem zu athmenden Gas in Berührung kommen soll. Offenbar entsprechen diese Organe den äusseren Kiemen der jungen Froschlarven, wenn auch nicht der Form, so doch der Funk- tion nach. Auch diese setzen sich bei der Larve vom grünen Wasserfrosch auf die zwei ersten Kiemenbogen auf, aber während dort die Verzweigung äusserlich die Form eylindri- scher Quasten annimmt, erscheint sie hier unter der Form einer dünnen Membran. Wahrscheinlich steht diese Form in Beziehung zu der eigenthümlichen ersten Wohnung des Em- bryo oder auch noch der ausgeschlüpften Quappe? in der Rückenhaut der Mutter. Typisch aber kann die Verzweigung selbst, wie wir unten darzuthun versuchen werden, bei bei- den (Rana und Notodelphys) dieselbe sein, nämlich die durch fortgesetzte Schlingenbildung'). — Aber in Einer Hinsicht haben wir in diesen Glocken jedenfalls einen bedeutenden morphologischen Unterschied von allen bis jetzt bekannten inneren und äusseren Kiemen. Dieser besteht darin, dass hier die Verzweigungen von zwei verschiedenen Kiemenbögen verbunden werden und unter einan- der anastomosiren. Eine Analogie für diese Bildung hätten wir, wenn die Kiemenblättchen zweier verschiedener Kiemenbögen an ihren freien Enden z. B. bei einem Fisch oder bei einer Batrachierlarve mit einander verwüchsen. Ei- nen solchen Fall aber kennen wir nicht, daher ist die l’rage, I) Ob auch die Oberfläche dieser Glocken, wie jene der äusseren Kiemen unserer einheimischen Froschlarven, flimmert? An unseren Weingeistexemplaren haben wir keine Cilien finden können. 460 wie jene Verbindung bei der Beutelfroschlarve zu Stande kommt, von grossem Interesse. Leider können wir, da wir die Larve nur auf einer — und zwar schon ziemlich geför- derten — Entwicklungsstufe kennen, nur mit einer Vermu- thung antworten. Fig. 8. sei schematisch das einfache ur- sprüngliche Gefässsystem einer Froschlarve, ein Herz (H), das sich für sich gebildet hat, eine Aorta (A), die ebenfalls für sich auf der unteren Seite der Chorda dorsalis entstanden ist, beide verbunden durch von beiden ausgeschickte Fort- sätze, die sich nun zu drei Bogen, 1, 2, 3, entwickelt haben. Von den zwei ersten Bogen, 1 und 2, nun aus müssen sich unsere zwei Stränge mit ihrer Glocke entwickeln. Nun geht nach Ruseoni die Bildung der äusseren Kiemen bei dem grünen Wasserfrosch so vor sich, dass aus jenen zwei ersten Bögen je eine Schleife hervorsprosst (Fig. 9), jede ursprüng- lich aus zwei an verschiedenen Stellen des Bogens sich bil- denden Fortsätzen entstehend, die dann später anastomosiren, und dass diese Schleifen dann durch weitere Fortsätze andere immer engere Schleifen bilden, so dass’ am Ende ein Maschen- netz entsteht (Fig. 10). Dabei bleiben aber die Schleifen und Maschen zweier verschiedener Gefässbögen (Kiemenbögen), Fig. 9, 1 und 2, durchaus getrennt. — Wie muss nun die Bildung bei den Beutelfroschlarven zugehen? Wenn, die ur- sprüngliche Gefässanlage im Allgemeinen wie bei Fir. 8. ist, so kann eine Verbindung der zwei verschiedenen Bögen an- gehörigen Schlingen (Fig. 11, 1a und 25) nur dadurch her- vorgebracht werden, dass dieselben an ihren oberen Enden anastomosiren oder mit ihren Wandungen verschmelzen (Fig. 12). Von da an ist es dann nicht mehr schwer, die Stränge- und Glocken-Bildung bei unserem Embryo zu erklären (Fig. 13). Indem sich die Schleifen « und 5 in der Nähe ihrer Basen e und d eine Strecke weit zusammenziehen, bilden sie die — auf diese Art zwei Gefässe enthaltenden — Glocken- stränge o und ®, und indem sie ihre in ab anastomosirten oberen Enden a’ und b’ weit ausbuchten und in denselben — nach Analogie von Rana esculenta — weitere Schleifen « und $ und y bilden, bringen sie die Gefässausbreitung der Glok- 461 ken hervor. — Dies ist eine Vermuthung, so viel aber scheint jedenfalls sicher, dass die Verbindung zu Stande kommt in einer sehr frühen Zeit, wahrscheinlich in der ersten Woche der Embryonalentwieklung, unmittelbar nachdem sich Herz und Aorta in Verbindung gesetzt und die ersten Schleifen an den Bogen gebildet haben. — Noch eine Eigenthümlichkeit bei diesen Athemorganen ist zu erörtern! Wir kennen keine quergestreiften Muskelfasern an den äusseren Kiemen anderer Froschlarven, doch können wir jene an den Glocken strängen der Beutelfroschlarve vergleichen mit den Muskelfasern an den Kiemenblättchen der Fische; nur ist wohl ihre Bedeu- tung, wie schon ihre Entwicklung bei jener Larve eine grös- sere, Jenen Muskelapparat können wir nämlich teleologisch nur erklären als bestimmt für ein späteres Quappenleben ausserhalb des Eis, wo das im Wasser lebende, sei es nun noch im mütterlichen Beutel wohnende oder schon frei schwimmende Thierchen seine Glocken nach Belieben bewe- gen und einziehen könnte; denn, so lange es sich im Ei be- findet, hat es zum Gebrauch jener Muskeln keinen Spiel- raum. Die Glocken waren ja zusammengefaltet und samt den Strängen durch die rings geschlossene Dotterhaut fest an den Embryo angedrückt. Damit soll aber nicht gesagt werden, dass die Organe selbst noch nicht in Funktion ge- standen seien, dass. der Embryo nicht schon wirklich durch jene Glocken geathmet habe. Dies wird vielmehr ausdrück- lich erwiesen dadurch, dass Alles schon voll Bluts ist, und zwar nach der gelblichen Farbe der Gefässe zu schliesen, voll rothen Bluts, während das zuerst eirkulirende mattweiss ist. Der Gasaustausch hatte also schon Statt, er musste durchgehen durch zwei Häute, Chorion und Dotterhaut, und durch die zwischen diesen befindliche Flüssigkeit (s. oben 8.453). — Fragen wir nun, was athmet der Embryo mit seinen Kiemenglocken, atmosphärische Luft oder Wasser ? 80 ist darauf eine sichere Antwort nicht zu geben. Zwar haben wir aus den beschriebenen Bewegungsorganen der Glocken auf ein späteres Wasserathmen derselben geschlossen, damit ist aber ein Luftathmen im Ei mit demselben Organ nicht 462 ausgeschlossen, dieses ist uns sogar wahrscheinlich. Da der Beutel der Mutter durch den hinteren offenen Theil der Spalte immer mit dem umgebenden Medium kommunieirt, so können wir die Frage auch so stellen: wo befindet sich die Mutter nach der Begattung während der ersten Entwicklungszeit der Eier, bleibt sie im Wasser oder steigt sie ans Land? Diese Frage ist auch abgesehen von den Athmungsorganen sehr wichtig, weil die Entwicklung eines Eis im Wasser überhaupt eine andere sein wird als in atmosphärischer Luft. Wir ge- hen daher bei dieser Veranlassung näher darauf ein. Alle beobachteten Frösche, die ihren Laich ins Wasser absetzen, steigen, sobald diese geschehen, ans Land; aber nicht alle Frösche lassen den Laich im Wasser zurück; ausser unserer Notodelphys machen noch zwei, die Surinamische Pipa und die Geburtshelferkröte (Alytes) eine Ausnahme, indem sie die Eier mit sich herumtragen. Bei diesen liesse sich also denken, dass sie nach der Begattung im Wasser blieben, da- mit ihre Eier, wie die der übrigen Batrachier, sich im Was- ser entwickeln könnten. Ueber die Pipa nun kenne ich eine Beobachtung in dieser Beziehung nicht; der männliche Alytes aber steigt, wie bekannt, die Eier in Schnüren um die Hin- terfüsse gewickelt, ans Land, verkriecht sich in ein Erdloch und sucht, von einem merkwürdigen Instinkt getrieben, erst dann das Wasser wieder auf, wenn die Quappen in den Eiern zum Ausschlüpfen bereit sind'). Diese Thatsache nun, dass alle beobachteten Frösche, namentlich aber, dass auch der, wie Notodelphys, seine Eier mit sich tragende Alytes nach der Begattung das Wasser verlässt, macht es wahrscheinlich, dass dies auch bei Notodelphys der Fall ist. Dies wird nun aber fast zur Gewissheit erhoben dadurch, dass die von C. Vogt studirte Entwieklung von Alytes eine auffallende Aehn- lichket mit der ganz abnormen von Notodelphys zeigt. Wir kommen unten noch einmal darauf zurück und führen hier nur an, dass auch bei A/yles eine unverhältnissmässig grosse 1) Ausführlicheres ss Demours, in M&m. de l’Acad. royale des Seiences. 1741. 463 Dottermasse sich findet, dass auch er, wie Notodelphys, noch im Ei ist in einer Entwicklungsperiode, wo Rana es längst verlassen hat, dass auch bei ihm die Saugkegel fehlen! — Sollte diese Uebereinstimmung beider Thiere in diesen ab- normen Entwieklungserscheinungen nicht auf Einen Zweck — die schon oben wahrscheinlich gemachte Entwicklung der Eier in atmosphärischer Luft — hinweisen? — Wir vermu- then, dass Notodelphys wie Alytes mit den Eiern das Wasser verlässt, und dahin zurückkehrt, wenn die Eier zum Aus- schlüpfen reif sind. Ob die Jungen dann auch sofort den Beutel der Mutter verlassen oder nicht, ist eine zweite Frage, die wir nicht entscheiden können; jedenfalls aber werden dann erst die willkührlichen Muskeln an ihren Glockensträn- gen fungiren können, und die Kiemenglocken, die bisher atmosphärische Luft athmeten, werden nun Wasser athmen! So viel über diese äusseren Athemorgane. — Von anderen sah man nur Spuren, der dritte Kiemenbogen nämlich (Fig. 5 KB‘) der zu jenen Strängen in gar keiner Beziehung steht, der, wie der erste, nur auf Einer Seite von einer Kiemen- spalte begrenzt wird (KS“‘), (während der zweite vorne und hinten eine solche hat) trägt nach dieser seiner freien Seite hin nach seiner ganzen Ausdehnung kleine Fortsätze (siehe Fig. 5 KB“), offenbar die Anfänge innerer Kiemenblättchen. Diese scheinen zu beweisen, dass auch jene Kiemenglok- ken, wie die äusseren Kiemen anderer Froschlarven, von kurzer Dauer sind, wahrscheinlich wie bei diesen nur für die Athmung im Ei (und für die ersten Tage des freien Quap- penlebens?)) bestimmt, und dass sie bald durch innere Kiemen ersetzt werden. — Noch füge ich zur Vergleiehung bei, dass die Larve vom grünen Wasserfrosch zwei, die Geburtshelfer- kröte nach C. Vogt nur Eine äussere Kieme hat. Wie Vogt bei der letzteren, so sah ich auch ‚bei Pelobates vier Kiemen- bögen und vier Spalten. Bei Alytes setzt sich die Eine äus- sere Kieme an den zweiten Bogen an. Bei unserem deutschen Laubfrosch, der uns, weil auch Notodelphys ein Laubfrosch ist, zunächst interessirt, sah Rösel (Historia naturalis Ra- narum nostratium Norimb. 1758) nur je Ein Stielchen am Müller's Archiv. 1854. 30 464 Hinterkopf; allein es ist kaum denkbar, dass Rösel hier vollständig beobachtete, d. h. dass die äussere Kieme — die er ein „Athemröhrehen* nennt — auf dem unentwickelten Zustand eines einzigen kurzen Stielechens verharre, wenn sie auch anfänglich so hervorsprosst!). — Nach Rusconi finden sich bei Rana esculenta bis zum zwölften Tag nur drei Kie- menbögen, und an die zwei ersten setzen sich die äusseren Kiemenquasten an. Dieses Verhältniss stimmt gut zu dem am Beutelfrosch beobachteten. Die weitere Entwicklung war dann dort die, dass am zwölften Tage etwa die Arterie des dritten Kiemenbogens einen Ast absendet zu dem sich jetzt erst bilden- den vierten Kiemenbogen. Die Arterie des vierten Kiemenbogens aber geht nun nicht einfach zur Aorta, sondern giebt an jene nur einen kleinen Zweig ab und geht selbst zur Lunge. Sie wird später Arteria pulmonalis. — Bei dieser Vergleichung mit anderen beobachteten Froschlarven liegt noch die Frage nahe, in welche Entwicklungsperiode verweisen die beschrie- benen Athemorgane den vorliegenden Beutelfroschembryo? Die äusseren Kiemen des grünen Wasserfrosches erscheinen nach Ruseoni als je zwei Knötchen seitlich am Hinterkopf schon am dritten Tage, erreichen ihre höchste Entwicklung am fünften Tag (also einen Tag, nachdem der Embryo das Ei verlassen hat), am sechsten sind schon die äusseren Kiemen der einen Seite wieder verschwunden und aı siebenten athmet derselbe nur noch mit inneren Kiemen. Dagegen würde die schon oben angeführte Beobachtung Rösel’s in Bezug auf die äus- seren Kiemen (das Stielehen) des Laubfrosches die Bildung derselben einer viel späteren Zeit, nämlich etwa dem zwölf- tägigen (seit dem achten Tage freien) Embryo vorbehalten. Allein diese Beobachtung unseres sonst so trefllichen Rösel scheint uns zu ungenau (vergl. oben !) und wir müssen nach Analogie des grünen Wasserfrosches unserem Embryo — was die Athemorgane betrifft — ein Alter von etwa fünf bis sieben Tagen beimessen. 1) Leider war, als ich diese Untersuchung begann, die Zeit schon viel zu weit vorgerückt, als dass noch eine Froschlarve mit äusseren Kiemen wäre zu bekommen gewesen. 465 Die Anatomie des Embryo (Fig.5) zeigt uns die in- neren Organe im Verhältniss dazu, dass er sich noch im Ei befindet, ausserordentlich entwickelt. Das ganz ausgebildete, schon äusserlich durch eine Querlinie in zwei Theile, einen oberen und unteren getheilte Herz (H), liegt in einem Herz- beutel d. h. unter dem Hautbalken (B), der wie bei den Fi- schen die zwei Kiemenhöhlen von einander scheidet. Das- selbe zerfällt nicht nur nach jener Linie schr leicht in einen oberen konischen und unteren breiten Abschnitt, sondern der letztere — der Basaltheil — theilt sich wieder longitu- dinal in zwei Hälften. Wenn man seine in der natürlichen Lage nach oben gewendete Spitze herunterdrückt, sieht man zwei Gefässe von ihm ausgehen, eines nach jeder Seite zu den Kiemen. Es sind die zwei Stämme der sich sehr früh spaltenden Aorta, die bei dem Embryo des grünen Wasser- frosches ein einfacher Stiel bleibt, von dem drei Aeste nach jeder Seite zu den Kiemen gehen (Fig. SA). Von den Kie- men ergiesst sich das Blut in eine dicke Aorta descendens und eine Hohlvene bringt es vom Körper dem Herzen zurück. Eine ausserordentlich starke Pfortader (f) führt vom Darm zur Leber. Dieses Gefäss vermittelt wohl grösstentheils die Ernährung des Embryo, welcher jetzt und noch lange Zeit seine Nahrung allein aus dem in dem Darm aufgespeicherten Dotter bezieht. Es begiebt sich zum Darm kurz vor dem Beginn des Rectum, und schlingt sich erst etliche Male um diesen herum, ehe es sich weiter verzweigt. Das übrige zum Gefüsssystem Gehörige haben wir bei den Kiemen ab- gehandelt. — Das Herz rulıt mit seiner Basis auf zwei, drei Millimeter langen, quergerunzelten, nach unten sich verjün- genden Säcken, den Lungen (Lu.). Diese werden nach unten bedeckt durch zwei grosse Leberlappen (L’ L"), unter denen noch ein dritter verborgen liegt. In dem spitzen Win- kel, den der erste und zweite unten mit einander bilden, liegt die Gallenblase (GB). Weiterhin aber wird dieser Winkel ausgefüllt durch das grosse Pankreas (P), das man leicht für einen dritten Leberlappen halten könnte, das aber auch bei der Quappe der Knoblauchkröte ganz dieselbe Lage hat 30* 466 . Rings um dasselbe herum liegt eine Windung des Nahrungs- kanales (e). — Links von dem Pankreas liegt ein unförm- liches gelblichweisses Klümpehen, der Fettkörper (FK). Von hier, d. h. etwa von der Mitte des Rumpfes aus erstrecken sich zwei fünf Mill. lange und anderthalb Mill. dicke, weisse, solide Cylinder; sie bedeeken die ganze Wirbelsäule bis zur Schwanzbasis. Es sind dieNieren (N und N‘). Sie sind oben und an den Rändern etwas gefaltet und verschmälern sich nach unten. Von Wolffischen Körpern sehen wir keine Spur mehr. — Den Nahrungskanal sehen wir als Speiseröhre unter dem ersten Leberlappen (Z‘) heruntersteigen, sich um das Pankreas herumlegen, dann unter dem rechten Leberlappen (£') weiter gehen. Bis hierher ist er enge und weiss gefärbt, dann schnell sich erweiternd und gelb werdend bildet er (D) jene voluminösen Darmwindungen, die schneckenförmig auf- gerollt den Bauch des Embryo zu einer Kugel auftreiben. Gegen das Ende zu, als Rectum (R) wird er schnell wieder eng und weiss und mündet durch den After a... Die Wan- dungen des Nahrungskanals sind, wie schon die Farbe, sehr verschieden. Die Wandung ist dick, wo er weiss ist, ausser- ordentlich dünn aber da, wo er durch die eben deshalb durch- scheinende Dottermasse gelb erscheint. Jene weissen Stücke des Darmrohrs d. h. sein oberster und sein unterster Theil, sind zwar nirgends mehr solid, wie sie ursprünglich angelegt werden, aber die Aushöhlung hat noch einen sehr kleinen Durchmes- ser und auch der körnige Bau der Wandung weist darauf hin, dass sie sich noch nicht lange aus dem allgemeinen Blastem des vegetativen Blatts differenzirt habe. Der Theil des Rohrs, der um das Pancreas herumliegt, entspricht nach der Analogie mit Pelobates fuseus zu schliessen, ungefähr dem künftigen Magen. Er zeigt aber noch nieht den gering- sten Unterschied von der Speiseröhre oder dem Duodenum. Uebrigens zeigt sich nach Rusconi auch bei dem grünen Wasserfrosch ein muskulöser Magen erst am 25. Tag, also erst nachdem die Quappe schon drei Wochen frei im Wasser gelebt und schon drittehalb Wochen gefressen hat. Der Nah- 467 rungskanal unseres Embryo, wenn wir von der noch so mas- senhaft angehäuften Nahrungsmasse absehend, blos auf die Bildung des Rohrs Rücksicht nehmen, weist ihm ein Alter von fünf bis acht Tagen an, also jene Periode, wo die Quappe von Rana esculenta schon frei im Wasser, mit ihren Saug- kegeln an einer Pflanze oder dgl. hängt und aus dem wenigen in ihrem Darm noch übrigen Dotter zehrt, während unser Embryo noch im Ei liegt und zwar nach der Nahrungsmasse und dem Fehlen der Saugkegel wohl noch lange. Auf dasselbe Alter weisen nun auch die beschriebenen Organe der Leibeshöhle hin, nur die Lungen scheinen schon unverhältnissmässig ent- wickelt. — Ueber die Skeletanlage ist wenig zu sagen; eine bestimmt umschriebene Form der Knochen haben wir noch nicht. Wir sehen in Fig. 7 von der Bauchseite her die Umrisse von dem Gerüste des Embryo, jenem weissen, weichen, durch- aus körnigen Blastem, aus welchem sich nicht nur die Kno- chen, sondern auch die dazu gehörigen Muskeln, Nerven und Gefässe herausbilden sollen. Eine breite Schädelbasis (a) mit zwei seitlichen nach hinten gerichteten Flügeln (5) (Ober- kiefergrundlage) wird nach hinten begrenzt durch eine dunkle Linie, zu deren Seiten zwei Scheiben liegen, an die sich vorne der Kiemenbogenapparat anheftet, hinten oben die Vor- derfüsse anlegen. Der erstere setzt sich nach vorne in eine längliche in der Mitte durch eine Linie getheilte Platte (Zun- genbeingrundlage) fort, die vorne noch mit dem einfachen Unterkieferbogen (e) zusammenhängt. Von der Chorda dor- salis (A) sieht man seitlich je sieben Sprossen (Wirbelbogen- elemente) ausgehen, und an den Stellen, wo sie abgehen, ist jene selbst verdiekt (Wirbelkörper). Die Bildung der Wirbelsäule scheint so die gewöhnliche zu sein, nicht die von Pelobates und Cultripes (Müller, Vergl. Anat. der Myxinoiden. I. 8.130 #.). In der Region des letzten Bo- gens legen sich die Hinterfüsse aussen ziemlich lose an. — Auch das Entwicklungsstadium dieser Skeletgrundlage des Embryo steht — mit Ausnahme der Extremitäten — mit dem oben angegebenen Alter desselben in Einklang. 468 Noch wollen wir einige Worte beifügen über das Eileben von Notodelphys im Vergleich mit dem anderer Ba- trachier. — Wir haben schon bisher öfters Veranlassung genommen, den Entwieklungszustand unseres Embryo mit dem anderer Batrachier zu vergleichen. Indem wir die ihm eigenthümlichen Kiemenglocken einfach als vollkommen ent- wickelte äussere Kiemen betrachteten, haben uns jene im Verein mit dem Entwicklungsgrad der Skeletanlage und na- mentlich der inneren vegetativen Organe gelehrt, dass unser im Ei befindlicher Notodelphys-Embryo unmöglich auf glei- cher Stufe stehen könne mit dem im Ei befindlichen Embryo von Rana, dass er vielmehr schon auf einer Stufe der Ent- wicklung stehe, die Rana erst ausserhalb des Eis erreicht. Dagegen ist nun die von ©. Vogt studirte Bientwicklung von Alytes der von Notodelphys in manchen Beziehungen merk- würdig analog. In dem Augenblick, wo Alytes im Begriff ist, auszuschlüpfen, zeigt derselbe nämlich hohle Lungensäcke, vollkommene Mundwerkzeuge zum Fressen, einen schnecken- förmig gewundenen Darm, vollkommen ausgebildete Leber und Nieren, keine Saugkegel, ausserdem aber nur noch ein Minimum von Nahrung im Darm, eine knorplige Schädelkapsel und eine knorplige Wirbelsäule, keine Extremitäten, voll- kommen entwickelte innere Kiemen, aber keine äusseren mehr! — Wie passt dieses zur ausschlüpfenden Rana? In keiner Beziehung! es passt nur zur etwa acht Tage alten, seit vier Tagen freien! und Vogt hatte Recht, „dass Alytes das Ei später verlasse als Rana.“ — Wie passt es aber zu der vorliegenden Notodelphyslarve? Wir sehen die ersten Punkte alle vollkommen auf unseren Embryo zutreffend und nach diesen müssten wir sagen, er sei — analog dem Alytes — eben im Begriff gewesen, das Ei zu verlassen. Aber diese Analogie stören die oben zuletzt genannten vier Punkte, näm- lich die wenige jetzt noch übrige Dotternahrung bei Alytes, während Notodelphys noch eine grosse Menge hat, das knorp- lige Skelet, während Notodelphys noch nieht die Spur von Knorpel zeigt, die inneren Kiemen und das Verschwundensein der äusseren bei Alyles und dagegen bei Notodelphys nur Ru- 469 dimente von inneren und vollkommen entwickelte äussere, endlich das vollkommene Fehlen von Extremitäten bei Alytes, die bei Notodelphys schon angelegt sind. So sehr also unser Notodelphys-Embryo dem ausschlüpfenden Alytes näher steht, als der ausschlüpfenden Rana, so ist doch die Analogie auch mit Alytes noch keine vollkommene. Die Lösung aber ist einfach die, Notodelphys hat nicht nur ein längeres Eileben als Rana, sondern auch als Alytes. Darauf weist uns der erste dieser Differenzpunkte, die Dottermasse, ganz entschie- den hin und die anderen drei hängen damit zusammen. Denn obgleich unser Embryo in Beziehung auf die vegetativen Or- gane schon auf der Stufe des ausschlüpfenden Alytes steht, brauchte er, weil er noch lange im Ei bleibt, noch kein so festes Skelet, wie der nun frei werdende A/ytes, (während er in Beziehung auf die Anlage des Skelets als solche jenen schon überholt hat, da er schon alle Füsse hat) ferner brauchte er noch ferner äussere Kiemen, da der Batrachier im Ei nur mit äusseren Kiemen zu athmen scheint. So ver- hält sich also Notodelphys zu Alytes in Beziehung auf die Dauer der Eientwicklung ähnlich wie Alytes zu Rana und wir können in Beziehung auf die Entwicklung der Batrachier fol- «gende drei Unterschiede festsetzen: l) Rana: Entwicklung des Eies im Wasser. — Fast die ganze Dottermasse schon ursprünglich zum Aufbau des Em- bryo verwendet. Er verlässt das Ei sehr frühe mit noch un- vollständig entwickelten äusseren und nur rudimentären inne- ren Kiemen, ohne eine Spur von Lungen, ohne einen zum Fressen tauglichen Mund und Nahrungskanal, ohne eine Spur von Extremitäten, überhaupt ohne hinreichende Bewegungs- werkzeuge (nur mit einem schwachen Schwanz) dafür mit Saugkegeln, um so ruhig festhaftend aus der wenigen übri- gen Darmnahrung zu zehren. 2) Alytes: Entwicklung des Eies in atmosphärischer Luft. — Nur etwa die halbe Dottermasse ursprünglich zum Aufbau des Embryo verwendet, die übrige für ein längeres Eileben vorbehalten. Er verlässt das Ei viel später, nach #0 eben abgeworfenen äusseren, mit vollkommen ausgebil- 470 deten inneren Kiemen, mit sackförmigen Lungen, mit star- kem Ruderschwanz, mit ausgebildeten Mundwerkzeugen und Darmkanal, ohne Saugkegel, ohne Extremitäten. 3) Notodelphys') Entwicklung des Eis in atmosphäri- scher Luft? — Der Embryo bildet sich ursprünglich nur aus einer kleinen Keimschicht hervor; ‚weit der grösste Theil (etwa 7/) der Dottermasse bleibt als Nahrung, nicht diffe- renzirt, zurück für ein sehr langes Eileben. Er verlässt das Ei mit? oder ohne? äussere, mit? oder ohne? innere Kiemen, mit langen sackförmigen ausgebildeten Lungen, mit ausge- bildeten Mundwerkzeugen, ohne Saugkegel, mit entwickelten Extremitäten. Eine vollkommenere Entwicklung im Ei (daher eine grös- sere Dottermasse) nähert so schon den Alytes, noch mehr den Notodelphys der Entwicklung des beschuppten Reptils und scheint Hand in Hand zu gehen mit der Entwicklung des Eis in atmosphärischer Luft. Beschreibung des Beutelfrosches. (Fig. 1 bis 4) Ein grosser, breiter, kreisförmiger, nur hinten scharf ab- geschnittener, nach vorne und nach den Seiten sich abda- chender Kopf (Fig. 2 und 3) mit grossen Augenhöhlen, mit einer verknöcherten warzigen Cutis zeichnet den Beutelfrosch vor allen anderen Fröschen aus, und erinnert an den Pan- zerwels (Hypostomus) aus demselben Lande. Der Kopf ist 11/4 mal so breit als lang und 3 mal so breit als hoch; am höchsten ist er in der Augengegend. Nach hinten ist er durch die hier ausserordentlich entwickelten knöchernen Hauthöcker als mit einem Walle begrenzt,-der Vorsprünge und Einbuch- tungen bildet. Ein ähnlicher Wall umgiebt die rings durch, Knochen geschlossenen Augenhöhlen, insbesondere an ihren hinteren und die Trommelhäute am oberen Rande. Zwischen den Augen ist der Kopf eingetieft. Von dem vorderen Rand 1) und Hyla marsupiata Dum. Bib.? vgl. unten p. 477. 471 der Augenhöhlen laufen stumpfwinklige Kanten nach vorne, die über den Nasenlöchern unter einem rechten Winkel zu- sammenstossen. Der Durchmesser einer Augenhöhle ist gleich dem halben Zwischenraum zwisehen den Augen. Die Pupille ist rand. Das obere Augenlied ist dick und dunkel, das untere durchsichtig. Das Trommelfell ist oval; sein kleinerer von oben nach unten gehender Durchmesser ist gleich der Hälfte des grösseren und gleich der Entfernung des Trommelfells vom Auge. Von dem unteren Rand der Augen läuft je eine feine höckerfreie Rinne nach vorne zu den Nasenlöchern. Diese sind halbmondförmig, ihre Entfernung von einander und vom Auge ist gleich dem Durchmesser des letzteren. Der Rachen spaltet sich bis unter das Trommelfell. Oeffnet man die beiden Kiefer, bis sie eine Ebene bilden, so be- schreiben ihre Ränder eine Ellipse, deren kleinerer Durch- messer gleich zwei Drittheilen des grösseren ist. Der Ober- kiefer ist seiner ganzen Ausdehnung nach mit zahlreichen, feinen, nach innen gekrümmten, konischen Zähnchen besetzt ; ebenso trägt das Pflugschaarbein auf einem in der Mitte un- terbrochenen Querleistchen vierandzwanzig Zähnchen von ähnlicher Form und Grösse (Fig. 4). Dieses Leistchen steht zwischen den ovalen Choannen. Die Gaumenbeine tragen keine Zähne, springen aber hinter jenen Pflugschaarzähnen, deren Leistchen parallel, mit scharfen Kanten und ohne einen Ueberzug von Rachenschleimhaut in die Mundhöhle vor. Innen an dem Kiefergelenk sieht man die dreieckigen Oeff- nungen zu den Eustachischen Röhren. Der Unterkiefer ist wie gewöhnlich zahnlos. Die Zunge ist kreisrund, vorne etwas ausgekerbt, um einem Knötchen an der Symphyse der beiden Unterkieferhälften Raum zu geben. Sie ist vorne überall angewachsen, nur der Rand der hinteren Hälfte ist frei, sie kann also nicht aus dem Munde herausgeschlagen werden. Der Rumpf ist zweimal so lang als der Kopf und setzt deutlich von dem breiteren Kopf ab. Ueber das mittlere Drittheil der Medianlinie des Rückens erstreckt sich bei dem Weibchen eine Hautspalte, die zu einem Beutel unter der 472 Rückenhaut führt, der nach rechts und links in voluminöse Blindsäcke sich fortsetzt. Es sind Eiertaschen, in welchen die gelegten Eier ihre erste Entwicklung durchmachen. Die hinteren Extremitäten sind zweimal so lang als die vorderen und ebenso lang als der Rumpf. Der Ober- schenkel ist wenig länger als der Unterschenkel und gleich dem längsten (vierten) Zehen. Der dritte Zehen ist gleich dem Mittelfuss. Die Zehen folgen sich der Grösse nach so: 4, 5, 3, 2, 1. — Der Oberarm ist gleich dem Unterarm und dem dritten Finger. Die Finger folgen sich nach der Grösse: 3, 4, 2, 1. Der Daumen kann sich den anderen gegenüber- stellen. Er ist an seiner Basis sehr dick. Dies rührt von einem konischen Knöchelchen ber, das auf derselben Basis mit dem Daumen artieulirt, und mit ihm von einer Haut um- schlossen wird. Dieses ist, wie die Vergleichung mit ande- ren Fröschen zeigt, nicht etwa das Rudiment eines fünften Fingers, sondern der ersteHandwurzelknochen der ersten Reihe. Die Grundfarbe des Weibehens ist oben ein schönes mattes Graugrün, das auf dem rauhen Kopf und dem Hin- terrücken zu dunkler, nach den Bauchseiten herunter aber heller bis weiss wird. Hinter dem Trommelfell beginnt je- derseits ein grosser schwarzbrauner Fleck, der sich bis in die Mitte des Bauchs nach hinten erstreckt und hier gegen weiss scharf absetzt. Zwei weitere kleine dreieckige schwarz- braune Flecken schmücken die zweite Hälfte der Bauchseiten. Die Vorderfüsse sind braungrün mit einigen weissen Flecken in den Achselgruben. An den Hinterfüssen sind Oberschenkel, Mittelfuss und Zehen graugrün mit schwarzen und weissen Querbinden. Der Unterschenkel ist graubraun. Alle unteren Theile des Thieres sind schwarzgrau. Unser Exemplar ist vom Kopf bis zur Fussspitze 19 Cen- ti. lang, wovon der Kopf 2,2, der Rumpf 5,4 und die Hin- terfüsse das Uebrige betragen. Was die Nahrung des Thieres betrifft, so habe ich in seinem Magen neben Dipteren einen anderen Laubfrosch (halb so gross als der Beutelfrosch) gefunden. Vom Einsender haben wir keine Notiz über ihn. Wir begründen auf dieses Thier eine neue Gattung von Laubfröschen. Es theilt die verknöcherte, rauhe Schädel- haut mit der von Tschudi aufgestellten Gattung Trachyce- phalus, die Westindien angehört. Wegen dieser Aehnlichkeit mag er im System nach diesem Genus stehen, Novum Genus: Notodelphys Licht. et Weinl.'). Caput orbieulare, maximum, latissimum, cute ossificata, scabra tectum. ÖOrbitae maximae, undique ossibus celausae. Pupilla rotunda. Nares semilunares. Membrana tympani oceulta sub cute pigmento praedita. Den- tes vomeris numerosi, in asserculo transverso prominulo, medio interrupto, inter choannas sito insidentes. Lingua af- fixa, margine posteriori libera. Tuba Eustachii brevis, aper- turis inferis triangularibus. Scelides longissimae. Palmae vix, plantae ad penultimam usque phalangem palmatae. Pollex verus, ceteris digitis oppositus. Integumentum dorsi poste- rioris feminae apertura longitudinali media fissum, abeunte in marsupium dorsale eum duobus saceis lateralibus amplis- simis communicans, in quibus ova parta (a mare obstetri- cante huc immissa?) ad certum usque evolutionis gradum commorantur. Ossa ilea longa, haud dilatata. Processus transversi ver- tebrae sacralis triangulares. Hepar trilobum, lobis duobus lateralibus latioribus medio longiori gracili ponte transverso junetis. Vesica fellea lobis hepatis teeta. Intestinum coecum nullum. Renes trilobi, quinquies longiores, quam latiores. Ovaria renes comitantia. ÖOviductus plicati, longi, usque ad perieardium adscendentes. Notodelphys ovifera N. Caput a plano excelsiori inter oculos excavato, antrorsum angulo acuto, retrorsum vallo tubereuloso forma AJ 029, elauso ad maxillas tecti adinstar proclive, sulco ab inferiori orbitarum parte ad nares producto insigne. Orbitae verrucis 1) s. Lichtenstein, Ueber eine neue Gattung von Frö- schen etc. in den Monatsberichten der k. Akademie d. Wissensch. zu Berlin. Juli 1854. p. 372 fl. 474 osseis undique eircumdatae. Scelides trunco plus duplo lon- giores. Color varius, supra e cinereo viridis (animalis vivi e cae- ruleo viridis?) eapitis et antipedum obscurior, laterum macu- lis brunneis, scelidum taeniis nigris insignis, abdominis ver- rucosi einereus, hic illic punctis brunneis sparsis obscurior. Speeimen unicum femininum ex Venezuela in Museo Be- rolinensi. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Notodelphys ovifera fem. (Natürliche Grösse). Die Rük- kenspalte ist etwas geöffnet.” Fig.2. Kopf desselben von vorne. a. die halbmondförmigen Nasenlöcher. Fig. 3. Kopf desselben von der Seite. Fig.4 Sein aufgesperrter Mund. a. Choannen; b. Pflugschaar- leistehen mit ihren Zähnen; ce. Gaumenleisten; d. kuglige Erhebungen durch Druck der Augäpfel von oben; e. Oeflnungen der Eustachischen Röhren; f. Schlund; g. Zunge. Fig. 5. Der Embryo von Notodelphys ovifera von der Bauch- seite gesehen. (Sechs Mal vergrössert. Chorion und Dotterhaut sind weggenommen, sein Bauch geöffnet). a. Nasenlöcher; 5. Mundwinkel; ec. durchscheinende Contour der Unterkiefer- und weiterhin der Zun- genbein-Grundlage; d. Oberkiefer-Rand; KG. Kiemenglocken, wie sie sich im Wasser schwimmend entfalten; KG@S. Kiemenglockenstränge; KB', KB", KB''. erster, zweiter, dritter Kiemenbogen; KS’, Ks”, KS". erste, zweite, dritte Kiemenspalte; KH. Eingang zur Kiemen- höhle der linken Seite, wie er sich in natürlicher Lage darstellt. Durch ihn gehen die Kiemenglockenstränge hinein; KD. Kiemen- deckel; KD'. Derselbe, aber hier hinaufgezogen; man sieht in die Kie- menhöhle hinein und jene Stränge auf die zwei ersten Bögen sich auf- setzen; B. Zwischenkiemenhöhlenbalken; Ba. Bauch von aussen; BH. Bauchwand von innen; H. Herz; Lu. Lungen; L’, L”’. Linker, rechter Leberlappen (der dritte ist von ihnen bedeckt); GB. Gallenblase; P. Pankreas; FK. Fettkörper; N’. Linke Niere über die Bauchwand her- ausgelegt; N”. Rechte Niere in natürlicher Lage; Ch. Chorda dorsalis; 9. Wirbelbogenelement; D. der herausgelegte Darm, von Dottermasse strotzend; e. seine um das Pankreas herumliegende Schlinge (künfti- ger Magen) geht unter dem rechten Leberlappen über in das Duode- num; Du. Duodenum; R. Rectum; A. Anus; f. Pfortader; VF. Vor- 475 derfüsse; HF. Hinterfüsse; A. Schwanz auf die Seite gedrückt; k. des- sen Flosse. Fig. 6. Derselbe Embryo vom Rücken gesehen. (14 Mal na- türliche Grösse). (Chorion und Dotterhaut entfernt, Kopf und Vor- derfüsse, Schwanz und Hinterfüsse von dem Bauch abgerückt). Die Buchstaben bezeichnen dasselbe wie bei Fig. 5. K@G. Kiemen- glocken, liegen in ihrer natürlichen Lage als zusammengefaltete Haut- stücke im Nacken; R. Rücken mit seinen dunklen Querstreifen. Fig. 7. Gerüste desselben Embryo von der Bauchseite. (Zweimal natürliche Grösse). a. Schädelbasis; b. Oberkiefer-, ce. Un- terkiefer-Grundlage; d. Kiemenkorb; e. Zwei Scheiben, an die sich der Kiemenkorb anheftet; f. Vorderfüsse, liegen hinten oben an jene Scheiben an; 4. Wirbelbogenelement; k. Chorda dorsalis; /. Hinter- füsse; m. Schwanz. Fig. 8—10. Schematische Figuren zum Gefässsystem des Embryo von Rana esculenta zur Erklärung der Ent- stehung der äusseren Kiemen, meist nach Rusconi. Fig. $. Ursprüngliches Gefässsystem von Rana esculenta. H. Herz; A. Aorta descendens; 1, 2, 3 die drei Gefässbögen, die sich zwischen Herz und Aorta gebildet haben, welche später auf den drei Kiemen- bögen liegen. Fig. 9. Von demselben Gefässsystem nur der erste und zweite Gefässbogen gezeichnet. Es haben sich Schleifen an denselben ge- bildet. 1. Erster Bogen; a. dessen Schleife; 2. zweiter Bogen; b. dessen Schleife. Fig. 10. Von demselben Gefässsystem nur der erste Bogen ge- zeichnet. Die primäre Schleife hat sekundäre gebildet. (Maschennetz). 1. Erster Bogen; «. seine primäre Schleife; «, ß. secundäre Schleifen. Fig. 11—13. Schematische Figuren zur muthmaassli- chen Bildung der Kiemenglocken und ihrer Stränge bei dem Embryo von Notodelphys. Fig. 11. Die zwei ersten Gefässbogen bei Notodelphys. (vgl. Fig. 9). 1. Erster Bogen; a. seine Schleife. 2. Zweiter Bogen; b. seine Schleife. Fig. 12. Dieselben weiter entwickelt. Die Schleifen der beiden Kiemenbogen sind mit einander verschmolzen. (Zahlen und Buchstaben dasselbe wie in Fig. 11). ab. Verschmelzungsstelle der beiden von den zwei verschiedenen Bögen kommenden Schleifen. Fig. 13. Dieselben weiter entwickelt. (Zahlen und Buchstaben wie in Fig. 11 und 12). c. Basis der Schleife a; o. eine Strecke, wo sich die Schleife « zusammengezogen hat. (Künftiger Kiemenglok- kenstrang, der so natürlich zwei Gefässe, eine Arterie und eine Vene, enthält). «a. Ausbreitung der Schleife a; «, £. Sekundäre Schleifen von a, analog der « und & in Fig. 10; d. Basis der Schleife 476 bz; w. Strecke, wo sich dieselbe zusammengezogen hat. (Künftiger Kiemenglockenstrang des zweiten Kiemenbogens). 5b’ Ausbreitung der Schleife b; 7. eine sekundäre Schleife von db. (So wären also d', b’, mit ihren Anastomosen ab, «, ß, y. die Elemente des Gefässsystems einer Kiemenglocke). Fig. 14. Stück eines Kiemenglockenstrangs. (180 mal vergrössert). H. Stück seines Schlauchs. Die Haut wird gebildet aus den polygonalen Zellen, die die Epidermis des ganzen Embryo und auch die Glocken bilden; MF. Quergestreifte Muskel-Primitivbündel; a. Anastomose zweier von einander getrennt verlaufenden Schichten derselben durch zwei Bündel; Sch. dunkle Linie, wo sich die Wan- dungen der innen verlaufenden Gefässe berühren; MF', ME”. Muskel- schichten, die diese Linie begleiten; BK. die Gefässe selbst, angezeigt durch die durch ıhre (nicht sichtbaren) Wandungen durehscheinenden Blutkörperchen, resp. deren Kerne (s. Text). Fig. 15. Stück einer Kiemenglocke, da wo sich die beiden Gefässe des Kiemenglockenstrangs eben eingesenkt haben und sich nun ausbreiten. (400 Mal vergrössert). BK. Kerne der Blutkörperchen in den Gefässen, (die Contouren der Blutkörperchen selbst sieht man erst in den feineren Gefässen, wo sie nicht mehr so gedrängt liegen 2. B. BK'); BK' siehe BK; C. Capillargefässe, bezeichnet durch die (vieleckig gewordenen) Blutkörperchen in denselben. (Die Wandungen der Capillaren sieht man nicht); GH. Glockenhaut, gebildet aus poly- gonalen Zellen, vgl. zu Fig. 14 H. Dieselben zeigen hier meist noch Kerne. Fig. 16. Hautstück aus dem Boden des Rückenbeutels des Beu- telfroschs, von oben gesehen. (360 mal vergrössert). a. Epidermis; b. durch die Epidermis durchscheinende Pigmentzellen; b’. eine frei- liegende Zelle, indem die Epidermis abgetragen ist; ce. Coriumfasern. Fig. 17. Langstrahlige braune Pigmentzellen aus der Haut der Säcke. (360 mal vergrössert). Fig. 18. Stück aus der Bauchdecke des Embryo (von der vorde- ren Hälfte), von unten gesehen. (360 mal vergrössert). a. Faser- gewebe; die Fasern verweben sich rechtwinklig unter einander. b. quergestreifte Muskel-Primitivbündel, einander parallel von vorn nach hinten verlaufend; ce. durch das Fasergewebe durchscheinende schwarze Pigmentzellen; c'. eine deutlich abgegrenzte Pigmentzelle, die wahr- scheinlich auf dem Fasergewebe lag, wo man auch bei der Haut von Rana esculenta sie hin und wieder findet; d. Epidermis mit einigen Pigmentzellen. Nachschriıft. Diese Abhandlung war bereits zum Druck übergeben, als mir durch die Güte des Herrn Prof. Peters der jetzt eben (September 1854) erschienene letzte Band der Allgemeinen Herpetologie von Dumeril und Bibron zu Gesicht kam. In diesem ist ein schon im achten Bande jenes Werks be- schriebener Laubfrosch aus Peru abgebildet, der wie Noto- delphys eine Hautspalte auf dem Hinterrücken hat, die zu einem einen Centimeter tiefen Beutel führt. Dieser war leer, aber die Vermuthung der berühmten Verfasser der Herpeto- logie, dass sie zur Aufbewahrung der Eier dienen werde, wird durch unsern Beutelfrosch bestätigt. Auch bei jenem Frosch ist es das Weibchen, das den Beutel trägt. Sie nann- ten ihn Hyla marsupiata, da das Thier im ganzen übrigen Körperbau zu der Gattung Hyla gehört. Deshalb können wir ihn auch nicht, trotz jener merkwürdigen Uebereinstim- mung in der Reproduction, zu unserer Gattung Notodelphys ziehen, die durch ihren eigenthümlichen Kopfbau von allen andern Laubfroschgattungen sich unterscheidet. — Es ist zu vermuthen, dass die Embryonalentwicklung von Hyla marsu- piata Dum. Bib. der von Notodelphys ähnlich ist. Müller's Archiv, 1854 31 Ueber die normale Krümmung der Wirbelsäule. Von FRIEDRICH HORNER, MED. Dr. (Mit einer Nachschrift von Prof. Hermann Meyer in Zürich.) - (Hierzu Taf. XX. XXI) Die nachfolgende Arbeit hat zum Zweck, das Verhalten der Wirbelsäule im gesunden Menschen einigermaassen aufzuklä- ren. Sie stützt sich grösstentheils auf die Resultate, welche Prof. H. Meyer in seinen „Beiträgen zur Mechanik des menschlichen Knochengerüstes“ in dieser Zeitschrift veröffent- licht hat. Die Untersuchung der Krümmungsverhältnisse der Wirbel- säule im lebenden Menschen unterliegt bedeutenden Schwie- rigkeiten, welche in der verborgenen Lage derselben begründet sind, denn selbst die zum Theil wenigstens sichtbaren Pro- cessus spinosi sind zur genauen Bestimmung der Stellung der Wirbelkörper untauglich, indem ihre Spitzen bei Bewegungen grössere Excursionen als die Wirbelkörper machen, und die Proportion zwischen den beiderseitigen Lageveränderungen unbekannt ist. Man ist daher gezwungen, die Untersuchung an Leichen _ vorzunehmen, indem man die Wirbelsäulen, sorgfältig überall die Mittellinie innehaltend, der Länge nach durchsägt, und dann die Schnittfläche zur Zeichnung oder als Type benutzt. Es springt in die Augen, wie vielfach die Fehlerquellen sind, welche dieser Behandlungsweise entspringen müssen. Wäh- rend nämlich im lebenden Menschen die Schwere der über- liegenden und anhängenden Theile, sowie die Contractilität 479 und Elastieität der Muskeln eine bedeutende Wirkung auf die Haltung ausüben müssen, fallen in der Leiche die beiden er- sten Momente grösstentheils weg, und nur das letzte kann einigermaassen erhalten werden. Auch wird der comprimirte Zustand der Intervertebralknorpel, der für die Stellung der Wirbel von der wesentlichsten Bedeutung ist, durch die Durch- schneidung der Wirbelsäule aufgehoben, indem der elastischen Masse eine Oefinung zum Hervorquellen geboten ist. Die Gebrüder W. und E. Weber!) suchten einen Theil dieser Uebelstände dadurch zu vermeiden, dass sie „den Rumpf des Leichnams, an welchem sie die Eingeweide und Muskeln nur so weit, als es nothwendig war, entfernt hatten, ohne die Bänder des Rückgrats und des Thorax zu verletzen, in Gyps eingossen und dann den Gypsblock sammt der Wirbel- säule in der senkrechten Ebene von vorn nach hinten „durch- sägten“, Offenbar bleiben bei dieser Methode nicht nur die vorhin erwähnten unausweichlichen Fehlerquellen, sondern die Wirkung der Blastieität der Muskeln wird auch noch auf- gehoben, das Eingiessen in Gyps kann durch die Schwere desselben und die Manipulation dabei eine falsche Stellung herbeiführen und das Hervorquellen der Zwischenwirbelschei- ben scheint mir nach der Durchschneidung eben so leicht vor sich zu gehen, wie bei einer nieht in Gyps gegossenen Wir- belsäule, so dass, wenn auch die Hauptkrümmungen im Gan- zen beibehalten werden, doch im Einzelnen erheblich störende Veränderungen nicht vermieden werden können. Um die Grösse der störenden Einflüsse kennen zu lernen, und dadurch in den Stand gesetzt zu werden, dieselben mög- lichst zu vermeiden, müssen mehrere Wirbelsäulen, die ver- schieden- präparirt sind, in verschiedenen Stellungen gezeich- net und untersucht werden. Auf diese Weise ergab sich uns vor allem, einen wie wichtigen Unterschied es macht, ob die Muskulatur an dem Präparate erhalten bleibt, oder nicht, und es wurde uns ferner möglich, die mittlere Stellung, die mit den schon vorhandenen Thatsachen über die Mechanik des 1) Mechanik der Gehwerkzeuge. Seite 88 a. Tabul. VIII. 31*® 450 Skelets und den Messungen am Lebenden am besten überein- stimmte, zu construiren. Die folgenden Messungen basiren sich auf drei Wirbel- säulen, von denen zwei alle Muskeln des Rückens unversehrt besassen und eine nur noch die Bänder in toto erhalten hatte, Ausserdem benutzten wir auch den Weber’schen Abdruck. Unsere Zeichnungen gewannen wir dadurch, dass wir die getheilte Wirbelsäule auf ein Brett legten, das Kreuzbein fest- nagelten, und die verschiedenen Stellungen auf das Brett co- pirten. Dabei wurden die beiden Endpunkte des Durehschnitts der vordern Fläche des Wirbels durch eine gerade Linie verbunden, wodurch kein Fehler entsteht, indem an der fri- schen mit Bändern versehenen Wirbelsäule die an der trocke- nen deutlich sichtbare Concavität kaum sichtbar ist. Wir bezeichnen die auf solche Weise gewonnenen Zeich- nungen mit römischen Zahlen und zwar nennen wir I. und U. die Wirbelsäule mit Muskeln, III. den Weberschen Abdruck, IV. die Bänderwirbelsäule. a., b., e., d. nennen wir — von der grössten Beugung zur Streckung fortschreitend — die verschiedenen Stellungen. Bekanntlich hat die Wirbelsäule zwei convexe und zwei concave Krümmungen, von denen je zwei entgegengesetzte in einander übergehen. Man pflegt nun anzunehmen, dass der eonvexe und concave Theil je zweier benachbarter Krüm- mungen so zu einander in Proportion stehen, dass, je grösser die Convexität, desto stärker sei die Concavität, und hiebei fasst man die convexen Theile als die primären, die concaven als die sekundären auf. Diese Auffassung hat allerdings ihre Riehtigkeit und kann auch schon a priori aus der auf die ana- tomischen Verhältnisse gegründeten Reflexion gerechtfertigt werden. Die starken Gruppen der Nacken- und Lendenmuskulatur nähern durch ihre Contraction die Hebelarme, an denen sie wirken — die Processus spinosi et transversi der Hals- und Lendenwirbelsäule — einander und führen dadurch eine Con- vexität der Vorderflächen der Wirbel herbei. Diese beiden Theile der Wirbelsäule werden also in eine weiter nach vorn 481 befindliche Ebene gerückt und die beiden andern der Brust- und Kreuzbeintheil — werden, weil die Convexitäten natür- lich nicht plötzlich, sondern nur allmählig in sie übergehen können, zu concaven Krümmungen. Die untere Hälfte des Kreuzbeins scheint dann der Dammmuskulatur ihre Krüm- mung zu verdanken. Wir ersehen daraus, dass die Hals- und Lendenwir- belsäule, als die primären, zunächst der Untersuchung un- terliegen müssen. Die letztere ist durch ibre Lage, die inni- gen Beziehungen zur aufrechten Stellung, und zum Gange von der grössten Wichtigkeit; wir behandeln sie später aus- führlich. Die grosse Beweglichkeit der erstern dagegen er- laubt mannigfaltige Stellungen, die an sich wieder mehr für die Haltung des Kopfes als für die Mechanik des mensch- lichen Skelets im Ganzen von Bedeutung sind. Es kann daher weniger von Gesetzen der Haltung an der Halswirbel- säule, als von Gesetzen der Bewegung die Rede sein. Um diese zu ermitteln, wurden an einer mit dem Kopfe und den übrigen Wirbeln noch verbundenen Halswirbel- sänule aus einer mittlern Stellung die Maxima der Bewegung nach vorn und hinten ausgeführt, während die Brustwirbel- säule unverrückt blieb. Dabei fanden wir folgende Werthe für die Länge der Sehnen, welche von der obern Gränze des Atlas bis zur untern Gränze der ersten Brustwirbels ge- zogen wurden. Maxim, nach vorn. Mittlere Stellung. Maxim. nach hinten. 113 Mm. 127 Mm. 118 Mm. Dass die mittlere Stellung die grösste Sehne haben muss, ist leicht einzusehen; auffallend muss es uns dagegen erschei- nen, dass die Sehne der Maximumsstellung nach vorn kleiner ist, als diejenige der Maximumsstellung nach hinten, obgleich — wie aus den Werthen der Bogenhöhen hervorgeht — die letztere eine stärkere Krümmung hat, als die erstere. Die Bogenhöhen waren folgende: Maxim. nach vorn. Mittlere Stellung. Maxim. nach hinten 10 Mm. 8 Mm. 35,5 Mn. Das Auffallende dieses Verhältnisses verliert sich sogleich, 482 wenn man bedenkt, dass die Zeichnung nicht von der neu- tralen Axe, sondern von der vordern Fläche der Wirbel- säule gewonnen wurde, und dass diese durch die Compression der Intervertebralknorpel in dem einen und die Ausdehnung derselben in dem andern Falle verschiedene Längen erhalten musste. Die Krümmungen nähern sich Kreisabschnitten so sehr, dass die Construction der Krümmungsradien erlaubt scheint, indem die äusserst geringen Abweichungen die An- nahme einer andern Krümmungslinie, als der eines Kreises durchaus nicht zulassen. Die gefundenen Zahlen für die Krüm- mungsradien sind: Maxim. nach vorn. Mittlere Stellung. Maxim. nach hinten. 164,6 Mm. 256,0 Mm. 66,8 Mm. Hier hat natürlich die mittlere Stellung den längsten Ra- dius, fast um das Vierfache grösser als der der stärksten Streckung. Die Sehnen der drei Stellungen bilden je zwei einen Win- kel von 45° gegen einander, und der oberste Punkt der Hals- wirbelsäule bewegt sich, um aus der einen Maximumsstellung in die andere zu kommen in einer Kreislinie von 104° und 93 Mm. Radius. An der Lendenwirbelsäule haben wir zunächst nicht die Bewegungsgesetze, sondern diejenigen der Krümmung und ihrer Lage zu bestimmten Linien zu untersuchen. Da wir es aber mit komplieirteren Curven zu thun haben, so müssen wir zunächst suchen, sie in einfachere Elemente zu zerlegen, welche eine leichtere Behandlung zulassen. Wir trennen als erstes Element eine Linie von der obern Gränze des neunten Brustwirbels (B?) zur untern Gränze des zweiten Lendenwirbels (L,)'), indem die innerhalb die- ser Gränzen liegenden Wirbel fast vollständig eine gerade 1) Durch das Zeichen B? soll angedeutet werden, dass der obere Punkt der vordern Durchschnittslinie des durch die Zahl und den Buchstaben ausgedrückten Wirbels gemeint sei; ebenso bedeutet das Zeichen L, den untern Punkt des zweiten Lendenwirbels, und C, den untern Punkt des sechsten Halswirbels. 485 Linie bilden. Die höchsten Abstände, welche die vordern Schnittränder der Wirbel gegen diese gerade Linie zeigen, sind: I.a. 7 Mm. nach hinten. I. 3 Mm. nach vorn. BRUENW, ‚un = III. 2,5 , „» hinten. En als „ IV. der 11. Brustwirbel 2,5 0. 22,5 1, „lg vorn: Mm. nach hinten; der 1. n.1)2,5 „ '', hinten. u.2.Lendenwirbel 2,5Mm. nach vorn. Der einzige bedeutendere Abstand von 7 Mm. findet sich also bei einer foreirten Maximalstellung. Bemerkenswerth und auffallend ist die Schlängelung der .Lendenwirbelsäule von IV. um die Linie B’L,. Die Wirbel 3., 4. und 5. der Lendenwirbelsäule erscheinen als zweites Element und zu- gleich als derjenige Theil, welcher die Krümmung vorzugs- weise zu tragen hat; sie bilden das Mittelglied der Bewegung zwischen den Hebelarmen B°’L, und dem Kreuzbein, ähnlich wie die Handwurzelknochen zwischen dem in sich steifen Metacarpus und dem Vorderarm. Um die Krümmungsverhältnisse der Lendenwirbelsäule genauer zu behandeln, ist es nothwendig, dass wir dieselbe nach feststehenden Linien bestimmen und wir wählen dafür eine Horizontale und eine Vertikale (H und V). Die erstere wurde nach dem vom Prof. H. Meyer in seinem „dritten Beitrag zur Mechanik des menschlichen Kno- chengerüstes“ niedergelegten Gesetze construirt. Bekanntlich haben Nägele und die Gebrüder Weber übereinstimmend die Neigung des weiblichen und männlichen Beckens (resp. der Conjugata) zu 59°—60° im Mittel aus Schwankungen von 55—65° bestimmt. Diese Schwankungen sind nach H. Meyer fast vollständig auf den obern Theil des Beckens beschränkt, so dass eine Linie, welche gezogen wird von dem Binknickungs- punkt in der Mitte des dritten Kreuzbeinwirbels zu einem Punkte an der Vorderfläche der Symphyse, genau da, wo die obere schmale Krümmung in die vordere längere übergeht, 1) Die Stellung der Wirbelsäule 1., welche wir bier wit n bezeich nen, findet später ibre Erklärung. 484 gegen die Horizontale immer einen Winkel von 30° bildet. Wir construirten daher in unsern Zeichnungen die Horizontale so, dass wir unter der bezeichneten Linie (der Normal- conjugata) einen Winkel von 30° abzählten. Wirklich be- trug dann die Neigung der Conjugata in allen unsern Zeich- nungen zwischen 57—62° gegen den Horizont. Der erwähnte Einknickungspunkt des dritten Kreuzbein- wirbels diente uns auch zur Construction einer Verticalen durch denselben auf die Horizontale. Wie sich. schon aus der Constanz des Winkels von 30° ergiebt, und auch a priori anzunehmen ist, da jener Punkt, dem Muskelzug entrückt, dem gleichbleibendern Faktor der Schwere seine: Stellung verdankt, erlaubt der Punkt (den wir K nennen wollen) die Aufstellung einer constanteren Verticalen, als diejenige durch das variablere Promontorium (P) wäre, und wir werden auch im Verlaufe sehen, dass die Aufstellung dieser Verticalen ge- rechtfertigt ist. Die Construection!), welche wir gebrauchen zur Un- tersuchung und Darstellung der Neigungsverhältnisse des Stückes B’L, der Wirbelsäule, giebt folgende Grössen: 1. Die Linie B’L,, als gerade korrigirt; 2. den Winkel «, welchen B°L,, verlängert, mit der Hori- zontalen bildet; 3. eine von dem Punkte L, zum Promontorium gezogene Linie L,P, welche also die Sehne der durch die Wirbel 3., 4, 5. gebildeten Krümmung ist; 4. den Winkel #, den diese Linie L,P mit der Horizonta- len bildet; 5. der Winkel d, welchen B°L, mit L,;P bildet; 6. die Linie KP, d.h. die Sehne vom Einknickungspunkt des dritten Kreuzbeinwirbels zum Promontorium; 7. den von dieser Linie KP mit der Horizontalen gebildeten Winkel y. Für diese Linien und Winkel erhalten wir folgende Werthe in Millimetern und Graden: 1) Vide Fig. 5. 485 BL, LPKP « ß PATER l.a. 135 124 68 105,5° 1050 ° 20% ' 1790 b. 136 129 — 830 0°..980.., 02 1700 & 140 130 = 71,5%. 90,5% 1610 d. 140 11351 0 380 0175002 149,50 n..139,5 :133) — 06901850100) 161° I. 157 114 66 730 920°. 29,501160° II. 165 130 70 83° gyun ‚21991 164° IY. 1183: 24128. .65»7 80%. .105%». 1,17% «1569 Aus diesen Zahlen entnehmen wir vorerst, dass die Win- kel « und ?, welche die Neigung der Brust- und der Lenden- wirbelsäule gegen die Horizontale angeben, in III. und IV. am nächsten denen der vorwärts gebeugten Stellung I.a kom- men. Es liegt daher nahe III. und IV. auch für vorwärts- gebeugte Stellungen zu erklären und, da wir wissen, dass IV. reine Bänderstellung ist, auch für III. diese Annahme aufzu- stellen. Diese Ansicht erscheint nicht gewagt, wenn man be- merkt, wie nahe sich die Muskelstellungen in aufrechter Hal- tung L.e und II. in Beziehung auf die gefundenen Maasse stehen, und wenn man sich an die oben bei der Präparation gemachten Bemerkungen erinnert. Der Einfluss der Schwere, welche im lebenden Men- schen ein bedeutendes Moment sein muss, fehlt natürlich in unsern Zeichnungen; sie müsste auf das obere Ende der Linie B’L, niederdrückend wirken, so dass dieselbe nach hinten bewegt würde. Sucht man diesen Einfluss an einer Wirbel- säule, die die Bänder und Muskeln vollständig erhalten hat, dadurch nachzuahmen, dass man einen nach unten wirkenden Druck an der untern Brustwirbelsäule anbringt, so erhält man das höchst bemerkenswerthe Resultat, dass der Punkt B? in die durch K gezogene Verticale fällt, oder mit andern Wor- ten, dass B? über K zu liegen kommt. Es ist diess in un- serer Zeichnung I.n der Fall, welche auf die eben besprochene Weise gewonnen wurde. Allerdings frägt sich num, ob dieses auf dem Wege des Versuches gewonnene Resultat als wirklich im Leben vor- kommend angesehen werden dürfe, 486 Zur Beantwortung dieser Frage stehen uns zwei Wege offen, nämlich der des Raisonnements über den Schwerpunkt, und der der direkten Messung am Lebenden. Wir schlagen beide Wege ein, und zunächst den ersten. Die Mittel, welche uns geboten sind, den Schwerpunkt des Rumpfes für direkte Messungen auf theoretischem Wege zu suchen, beruhen 1. auf approximativer Bestimmung des Schwer- punkts der Beine, und Benutzung des von Prof. H. Meyer gefundenen gemeinschaftlichen Schwerpunkts, und 2. auf Berechnungen des Schwerpunkts von Kopf und Rumpf zu- sammen. Den Schwerpunkt des Beines kann man, ohne allzu- sehr sich von der Wirklichkeit zu entfernen, dadurch bestim- men, dass man das ganze Bein vom Trochanter bis zum Fussgelenke einem abgestutztem Kegel gleichsetzt, der an seinem spitzigern Ende (am Fussgelenke) durch den Fuss hindurch auf den Boden verlängert wird. Da an den Knö- cheln das Bein dicker ist als gerade über denselben, so scheint es uns erlaubt, diesen Umfang über den Knöcheln auch für denjenigen des durch den Fuss durchgeführten Kegelendes zu gebrauchen. Die durch diese Construction wegfallenden Theile des Fusses kann man nicht allzu gezwungen als Ausfüllungs- masse des Kegels in der Kniegegend benutzen. Die Maasse zur Berechnung des Schwerpunkts, die wir nach dem für den abgestumpften Kegel bestehenden Gesetze gebrauchen, sind: der Umfang des Oberschenkels, der Um- fang des Beines über den Knöcheln, und die Beinlänge bis auf den Boden. Diese Grössen finden wir in den Messungen von Krause und indem wir mit der dort angegebenen Länge des Körpers vom Scheitel bis zur Steissbeinspitze das gleiche Maass eines von uns untersuchten Körpers vergleichen uud als dritte bekannte Grösse je das Maass von Krause für eine der oben bemerkten Grössen benutzen, erhalten wir eine Proportion, aus welcher wir mit Leichtigkeit das Maass für die zu verwendenden Grössen an dem von uns benutzten Kör- per berechnen können, Die so gefundenen Maasse sind: 487 Krause. x. 1. Länge vom Scheitel bis zurSteissbeinspitze 31,“ 770 Mm. 2. Umfang des Oberschenkels . . . . .18% 456,5 „ 3. Daraus bereehneter Radius des Ober- schenkels. . . . .—_ (Ze 4. Umfang des Beines über ER Knöchel wTa182l005 5. Daraus berechneter Radius . : . 2... — 29 iz 6. Beinlänge bis zum Boden. . . 4720 - In dem abgestumpften Kegel a nun Me Abstand di Schwerpunkts von der Mitte der Basis des Kegels nach der Formel r? +2 Hr, 04 Ba ae ii gefunden, wenn z derjenige Theil der durch die Mittelpunkte beider Endflächen gezogenen Linie ist, welcher zwischen dem Schwerpunkt und der Mitte der Basis liegt; r bezeichnet da- bei den Radius des Umfangs der Basis, r, den des Umfangs der abgestutzten Fläche. Da uns nun die Grössen der Pro- portion aus den vorhergehenden Berechnungen bekannt sind, sind wir im Stande, die Lage des Schwerpunktes des Beines mit approximativer Sicherheit zu bestimmen. Wir finden, dass der Schwerpunkt des Beines 266 Mm. entfernt vom Trochanter in der Beinaxe liegt. Benutzen wir diese eben gefundene Grösse und den von H. Meyer über die Mitte des vordern Randes des zweiten Kreuzbeinwirbels in den Canalis sacralis verlegten gemein- schaftlichen Schwerpunkt von Rumpf und Beinen, verbinden diese beiden Punkte und verlängern die Linie nach oben, so muss der Schwerpunkt des Rumpfes für sich in dieser Linie liegen und er lässt sich ziemlich genau durch eine angemes- sene Theilung der Linie bestimmen. Diese ist ermöglicht durch folgende allerdings individuelle Wägungen von Krause: Nach ihm beträgt nämlich das Gewicht: desKopfes . = 142 20.9 „Alm oder 3 des Stammes. . 2.2.44 „..14 beider Arme und Schultern !% il der Beine mit der Hüfte. . 3% 18 des ganzen Körpers . . . 1 wo 42, - 488 Die drei ersten Theile zusammen geben die Summe 24, welche sich also zum Gewichte der untern Extremitäten mit der Hüfte (15) verhält wie 4:3. Nach dem Gesetze, dass sich die Hebelarme umgekehrt wie die wirkenden Kräfte verhalten, wenn diese im Gleich- gewicht stehen sollen, hätten wir also auf jener Linie für Kopf und Rumpf drei, für die Beine vier gleiche Theile auf- zutragen. Geschieht dies, so erhalten wir die absolute Lage im Raum, welche der Schwerpunkt des Rumpfes und Kopfes im aufrechten Stehen einnehmen muss (in unserer Zeichnung In fällt dieser in die Mitte des vordern Randes des 7. Brustwirbels). Wir sind aber im Stande, noch auf einem andern Wege den Schwerpunkt des Rumpfes zu finden, in- dem wir den gemeinschaftlichen von Kopf und Rumpf suchen. Setzen wir jenen, was nicht so entfernt von der Wirklichkeit ist, einem liegenden Ovale gleich, so liegt sein Schwerpunkt in der Mitte des von der Stirne zum Hinterhaupt gezogenen grössten Durchmessers. In ähnlicher Weise können wir den ganzen Rumpf einem vertikalstehenden Ovale gleichsetzen, welches wir über dem dritten Halswirbel beginnen, und Brust- und Bauchhöhle einschliessend, unter Symphyse und Steiss- beinspitze durchführen. Die grösste Axe dieses Ovals vereinigt dann den obern Punkt des 3. Halswirbels und den mittlern Punkt zwischen Steissbeinspitze und unterm Rand der Symphyse. In der Mitte dieser Axe würde der Schwerpunkt des Ovals liegen. Vereinigen wir nun die durch diese Construction gefundenen zwei neuen Punkte und theilen die Linie nach den oben gegebenen Verhältnissen (Kopf =3, Stamm + Arme = 21), so fällt der ge- meinschaftliche Schwerpunkt für Kopf und Rumpf etwasvor dieMittedesvordernRandes des 10. Brust- wirbels. In der richtigen Stellung muss dieser Punkt des Rumpfes mit dem vorher bestimmten Punkte im Raume zusam- menfallen. — Da nun die eben gefundene Lage des Schwer- punktes von Rumpf und Kopf dem oben bezeichneten Punkte sehr nahe liegt, welchen die vorher gewonnene absolute Lage desselben in der Zeichnung I.n einnimmt, so können wir von dieser Zeichnung annehmen, dass sie wirklich das Verhältniss 489 der Wirbelsäule im aufrechten Stehen möglichst genau wie- dergebe und können die beiden angeführten Punkte in einen mittleren vereinigen, welcher dann die Lage des Schwerpunk- tes für den Rumpf mit Kopf und Armen angiebt. Dieser Punkt fällt aber so nahe an B®, dass wir B? als Bestimmung für die Lage des Schwerpunktes ansehen und den Satz auf- stellen können, dass im aufrechten Stehen B® und mit diesem Punkte der Schwerpunkt des Rumpfes in die Vertikale überK zu liegen kömmt. Es bleibt nur noch übrig, durch Messungen an Lebenden zu bestimmen, ob durch dieselben die Annahme dieser Lage von B° bestä- tigt werden kann. Die direkten Messungen an Lebenden sind, wie wir schon oben bei der Kritik der Untersuchungsmethoden an- führten, schwierig, indem nur wenig sichere, leicht fühlbare Punkte vorhanden sind. Wir nahmen die Messungen an einem Menschen von 166 Centimeter Höhe vor, welcher bei sonst ausgezeichnetem Baue jene nachlässige, etwas nach vorn gebeugte Stellung zeigte, welche man so oft bei der arbeitenden Klasse findet. Um zuerst die Wirkungen der Schwere beim Stehen, resp. die Unterschiede der Krümmungen zu messen, bezeichneten wir zwei Punkte, den einen an einer sehr deutlich fühlbaren Stelle des Kreuzbeins, die nach der Vergleichung mit dem Weberschen Abdruck eirca 25—30 Mm. in gerader Linie hin- ter K liegen mochte; den andern am Processus spinosus des achten Brustwirbels, ungefähr 60 Mm. hinter B°. Die Ent- fernung dieser beiden Punkte betrug in ruhiger Seitenlage 340 Mm., im Stehen 310 Mm. Projieirten wir bei demselben Menschen in horizontalerRückenlage den höchsten Punkt der Orista ilei und die Vertebra prominens auf den Boden, 80 betrug die Entfernung 420 Min., während die Messung im Stehen bloss 405 Mm. ergab. Bei einem andern Versuche maassen wir die Unterschiede zwischen Liegen und Stehen auf die Weise, dass wir in ho- rizontaler Rückenlage ein Lineal ven bekannter Länge so unterschoben, dass es von der höchsten Krümmung des Kreuz- 490 beins bis zu derjenigen der Brustwirbelsäule reichte, und seine Enden an diesen Stellen in die Haut eindrückte. Die Ent- fernung dieser Eindrücke, im Stehen gemessen, betrug stets 20 Mm. weniger als die Länge des Lineals. Bei dieser letz- ten Methode konnte der offenbar die Differenz verkleinernde Fehler eingeführt werden, dass der Liegende seinen Rücken stärker krümmte, um dem Schmerz, welchen die drückenden Enden des Lineals verursachten, zu entgehen. Es sind demnach bei den kleinen Zeitunterschieden, in denen die Einwirkung und das Aufhören des Schweredruckes fast momentan war, die Differenzen schon sehr bedeutend; dass sie bei längerem Verweilen in einer der beiden Stellun- gen noch beträchtlicher, ja dem Auge selbst auffallend wer- den, zeigt am besten die alte Erfahrung von dem „Wachsen“ in langen Krankheiten. Um nun, so viel möglich, über die Lage des Punktes B° im lebenden Menschen ins Klare zu kommen, projieirten wir in aufrechter Stellung den bemerkten leicht fühlbaren Punkt des Kreuzbeins auf den Boden und maassen seinen Profil- abstand von einigen sicher erkennbaren Punkten. Derselbe war hinter dem: Malleolus externus . . . . 5Mm. vordern Rand des Trochanter 80 „ Processus mastoides . . . 20 „ Es ergiebt sich aus diesen Zahlen: 1. die von H. Meyer gefundene Thatsache, dass die Axe des Beines schief nach vorn steht, als richtig; 2. dass der Proc. mastoides resp. das Atlasgelenk auch ungefähr über dem PunkteK stehe; denn der pro- jieirte Punkt des Kreuzbeins, der Nullpunkt bei den vo- rigen Messungen, ist etwa 25—30 Mm. nach hinten von K gelegen, und diese Differenz entspricht dem Profilab- stand von 20 Mm. des Proc. mastoid. nach vorn ziem- lich genan. Die Spitze des Proc. spinos. des achten Brustwirbels liegt in gezwungen aufrechter Stellung 65 Mm. hinter dem proji- eirten Kreuzbeinpunkt; der Punkt B? würde in diesem Falle 491 noch 5 Mm. hinter den Kreuzbeinpunkt, also 30 Mm. hinter K fallen. Lassen wir den Mann die möglichst nachlässige, aber immer noch aufrechte Stellung mit vorwärts fallenden Schultern einnehmen, so fällt die Spitze des Proc. spin. des achten Brustwirbels 35 Mm. hinter K, also der vorderste Punkt von B? 25 Mm. vor K. Das Mittel zwischen beiden Lagen fiele demnach 2,5 Mm. hinter K. Man sieht hieraus, dass die Annahme, B° liege in militärisch - aufrechter Stellung über K, keineswegs voreilig war, und ebenso wird hierdurch auch gezeigt, welche gute Anwendbarkeit für die Bestimmung der Krümmungen die Vertikale durch K hat. Wir haben also durch diese Messungen am Lebenden mit ziemlicher Sicherheit den fundamentalen Satz gewonnen: „Das Atlasgelenk, B’ undK liegen in einer senkrechten Linie.* j Dieser Satz wird noch unterstützt durch die Thatsache, dass bei demselben Individuum die höchste Convexität der Brustwirbelsäule nach hinten 10 Mm. hinter dem gemessenen Processus spinosus des achten Brustwirbels liegt, dass also jedenfalls Wirbelkörper der Brustwirbelsäule über K, d.h. weiter nach hinten zu liegen kommen, als man gewöhnlich annahm. Die tiefste Stelle der Coneavität der Lendenkrüm- mung ist gegen eine von der höchsten Convexität der Brust- krümmung gefällte Vertikale 40—45 Mm. nach vorn nach der Messung an mehreren Individuen. Durch die im Vorhergehenden gegebenen Messungen und Constructionen sind wir über die Lage von B? und überhaupt über die Verhältnisse der Linie B’L, aufgeklärt; es frägt sich nun, wie sich die drei unteren Lendenwirbel verhalten. Wir haben sie schon oben als die eigentlichen Träger der Bewegung, als das gegliederte Gelenk zwischen zwei annä- hernd steifen Hebelarmen aufgefasst, und diese Annahme scheint auch gerechtfertigt. Die drei Wirbel bilden natürlich eine Curve, deren Krümmung stärker sein muss in der auf- rechten Stellung und der Rückwärtsbeugung, als im Liegen und in der Vorwärtsbeugung. Indem wir bei der Kürze des Bogens zwei sich kreuzende Sehnen für die Aufsuchung des 492 Mittelpunktes der Curve wählen, von welchen die eine vom untern Punkt des fünften Lendenwirbels zum obern Punkt des vierten, die andere von unter vier bis oben an drei geht, bemerken wir, dass der Radius im obern Theil etwas länger, im untern etwas kürzer ist. Indess ist dieser Unterschied so gering, dass er sich vernachlässigen lässt, wie sich aus fol- genden Werthen ergiebt: 1. Oberer Radius. 2. Unterer Radius. I. a. 211 Mm. 209 Mm. b.150 „ 148 „ E.AT. 9 146, 0.139 „, 13a d. 109 „ 108,5 , Die extremen, einander entgegengesetzten Bewegungsrich- tungen a und d zeigen eine Längendifferenz der Radien von 100 Mm., d.h. von 100—200, während die Radien der mitt- lern Stellungen sämmtlich zwischen 140 und 150 liegen. Diese Krümmungsradien geben einen Begriff von der Stärke der Curven in den verschiedenen Stellungen, es frägt sich nun auch, ob wir ein annäherndes Gesetz für die Bewegung im Ganzen auffinden können. Es liegt auf der Hand, dass der oberste Punkt des drit- ten Lendenwirbels bei der festen Stellung von P die meiste Beweglichkeit hat. Wir haben schon oben die Veränderungeu in der Länge der Sehne L,P und in der Grösse des Winkels dieser Sehne mit der Horizontalen (#) nach den gefundenen Zahlen angeführt. Es ergab sich dort, dass die Sehne von der Vorwärtsbeugung zur Rückwärtsbeugung an Länge: zu- nimmt, obgleich die Krümmung eine stärkere wird; dieses Verhältniss erklärt sich in gleicher Weise wie bei der Hals- wirbelsäule, wo wir es auch fanden, daraus, dass die Zeich- nung nur die vordere Fläche der Wirbelsäule und nicht ihre neutrale Axe wiedergab, und dass die Intervertebralknorpel bei Stellung a gepresst, bei d gedehnt werden. Die Ver- kleinerung des Winkels # hält natürlich Schritt mit der des Radius: 193 Radius. Winkel #. I. a. 210 Mm. 105° b.149 „ 930 e. 146,5 „ 90,50 ; n. 138 „ 350 Pr d. 108 „ 750 Der feste Punkt, an dem die Drehung der drei Wirbel geschieht, ist das Promontorium; dieses kann aber nicht der Mittelpunkt der Curve sein, in welcher der oberste Punkt des dritten Lendenwirbels sich bewegt, weil wegen der Verlän- gerung der Sehne L,P der Radius nach hinten immer länger wird. Mit ziemlicher Genauigkeit lässt sich vielmehr als Mittelpunkt dieser Drehung ein Punkt D bezeichnen, welcher in horizontalem Abstand 21 Mm. hinter P und 5 Mm. über der Horizontalen durch P liegt. Der Bewegungsradius der gedachten Kreisbewegung des obersten Punktes des dritten Lendenwirbels um den gedachten Punkt D hat eine Länge von 127 Mm. Die Radien in den verschiedenen Stellungen haben folgende Winkel um D zu einander. d: n=10 d: ce = 16 d:!b=1% d:»a=31° d: H = 96° Bei Uebergang der Stellung a in n (foreirte Vorwärtsbeu- gungen in aufrechte Stellung) geschieht demnach eine Dre- hung von 21° um D, von n in d (foreirte Streckung) eine ce von 10°; und die Linie BL, erfährt dabei, wie aus den früher mitgetheilten Messungen hervorgeht, eine Winkel- veränderung von 36,5 gegen die Sehne des Bogens der drei unteren Lendenwirbel, indem der Winkel zwischen diesen beiden Linien in der Stellung a 179° und in der Stellung d 142,5° beträgt. Es gelang sonach, indem man die beiden Stücke B’L, und L,P von einander trennte, den Umfang der Bewegung jedes einzelnen zu messen. Die sechs Wirbel B’—L, machen eine stärkere Bewegung mit kürzerm Radius gegen die feststehende Müller's Archiv. 1854 32 494 Lendensehne, so dass die Radien der einzelnen Stellungen grössere Winkel gegen einander bilden; die drei Wirbel L,—P eine kürzere Bewegung mit längerem Radius, Haben wir im Vorigen die Verhältnisse der Linien B°L, und L,P zu einander und in verschiedenen Stellungen be- trachtet, so bleibt uns noch übrig, das Verhalten der Sehne des obern Kreuzbeintheiles KP ins Auge zu fassen. KP zeigt gegen die Horizontale in den verschiedenen Wirbel- säulen verschiedene Neigungen, die wir durch den Winkel „') bezeichneten. Die früher gefundene Differenz von 12% ist so bedeutend, dass die Annahme einer Compensation dieser Nei- gung nothwendig erscheint, wenn in der aufrechten Stellung bei allen benutzten Wirbelsäulen der Punkt B? wieder in die Vertikale aus K fallen soll. Es frägt sich zunächst, an wel- cher Stelle der Lendenwirbelsäule diese Compensation vor- zugsweise bemerkbar hervortrete. Der Winkel zwischen dem ersten Kreuzbein- und fünften Lendenwirbel hat folgende Werthe: I. b. 121° 6.1190 1I. 1200 II. 123,50 ; Iyas121° Diese Zahlen, unter denen einzig die Weber’sche Wirbel- säule (IIT.) eine etwas bedeutendere Differenz macht, sind zu übereinstimmend, als dass wir hierin eine genügende Com- pensation finden könnten. Daraus geht hervor, dass vor- zugsweiseim vierten unddrittenLendenwirbel die eompensirende Bewegung statthaben muss. In den gerade gestellten Wirbelsäulen ist daher auch die Gränze zwischen vierten und fünften Lendenwirbel immer der vor- derste Punkt, und selbst bei den vorwärts gebeugten ist der obere Punkt des vierten Lendenwirbels nur wenig hervor- ragend über den untern Punkt desselben Wirbels. Diese Thatsachen geben uns nun Anhaltspunkte, nach 1) Vide Fig. 5. a 495 denen wir die vorwärts gebogeneu Stellungen der angewen- deten Zeichnungen zu corrigiren, d.h. in die Lage zu bringen im Stande sind, welche als die im aufrechter Stellung richtige erkannt worden ist, und so den Vergleich mit den bessern Zeichnungen auszuführen. Zu diesem Zwecke ersetzen wir die Linien B’L, und L,P durch eine einzige Sehne, die die beiden Punkte B° und P verbindet und nennen sie TP (Thorax-Promontorium). Den Winkel dieser Linie gegen die Horizontale nennen wir n und vervollständigen die Construction noch durch die Linie MP, welche der Abschnitt einer Horizontalen durch P zwischen diesem Punkt und V ist, und durch MT, d.h. den Abschnitt der Vertikalen durch K zwischen der Horizontalen MP und dem Punkte (in der Vertikalen selbst), in den B® durch die Correction fällt.') Man müsste nun TP um P so drehen, dass der Punkt T (B°) in die Vertikale fiele, und um dies thun zu dürfen, müs- sen wir zunächst die Versicherung haben, dass die Länge dieser Linie TP in den verschiedenen Stellungen nicht allzu sehr wechsele. Wir finden in I. TP von folgender Länge: I. a, 259 Mm. b. 264 ce. 266,5 „ n.. 269, „ d. 260 „ Die stärkste Differenz beträgt nur 1 Centimeter, und wir erlauben uns daher die Drehung auszuführen, überzeugt, dass trotz dieser Veränderlichkeit 'der Linie TP ein approximativ richtiges Verhältniss zu erzielen möglich ist. Die in der Construction gebrauchten Linien und Winkel ausser TP zeigen in den verschiedenen Wirbelsäulen folgende Ihe: MP MT Winkel n. I. 63 Mm. 261 Mm. I. a. 104,5° b. 88° 1) Vergl. Fig. 5. 496 MP MT Winkel ,. I.e. 810 n..790 d. 56° 1I. 57,5Mm. 261 Mm. I. 81° II. 169"), nt 285: 23010-Dl. g10 TyAU62, nor lud 298, 5,5. SERV% 90,5% Der Winkel „ zeigt wie der, Winkel « in der frühern Con- struction deutlich die Unterschiede in der Präparation und damit in der Haltung der Wirbelsäulen, indem auch hier III. und IV. der vorwärts gebeugten I.a. am nächsten stehen. Durch Ausführung der Correction erhält man für n folgende Zahlen: I. n. 76° a ee ann YA 1V. 790 Es fällt hier sogleich das bemerkenswerthe Verhältniss der Gleichheit des corrigirten Winkels „ (TPM) in die Augen und zugleich ergiebt sich, dass die Neigung der Linie TP gar nicht in Proportion zur Kreuzbeinneigung steht, oder durch diese influenzirt wird; denn für y fanden wir ja fol- gende Werthe: I. 20° I. 29,5% LI. 21° TV: ‚170 Wo also y am kleinsten ist, finden wir sogar 7 am gröss- ten. Die Gleichheit des corrigirten Winkels 7 setzt auch ein gleiches Verhältniss zwischen den Seiten des Dreiecks, welche diesen Winkel einschliessen, voraus, sie sind MP, TP und MT, und geben folgende Zahlen: MP DE MT I. 63 Mm. 269,7Mm. 261 Mm. U. 575 „ 2682 7... 72010 I. 65 „ 2927 7,,= 280088 AVe62 , BRASS 0298 7% 497 Die Proportionalität findet sich offenbar auch in den vor- liegenden Zahlen. Sollte sich die Constanz des corrigirten Winkels „7 in allen Fällen finden, so wäre damit nothwendig zugleich der Satz gegeben: Dass bei einem längern MP, welches vorzugsweise bei stärkerm Niederdrücken des Kreuzbeins sich vorfindet, irgend welche compensirenden Einflüsse vorhanden sein müssen, welche TP entsprechend länger machen. Doch kann man sich a priori zu wenig Vorstellungen von der Art solcher compen- sirender Thätigkeiten machen, und die Forschung nach solchen müsste erst dadurch gerechtfertigt sein, dass sich bei einer grössern Anzahl von Messungen, als uns möglich war, dieser Winkel immer constant zeigte. . Wie wir selbst oben bemerkten, um ja nicht die Idee auf- kommen zu lassen, als hätten unsere Zahlen allgemeine Gül- tigkeit, konnte auch die Correetion nur approximative Resultate ergeben. Es muss daher wünschbar sein, auf einem andern Wege ähnliche Resultate zu suchen, um so die Constanz des Winkels „7 als ein normales Verhältniss noch wahrscheinlicher zu machen. Es gelang uns dies, indem wir den obern Punkt!) des fünften Lendenwirbels, welchen wir Q@ nennen, mit K verbanden und durch Q eine Horizontale zogen?). So er- hielten wir folgende Grössen: 1. T’Q, die Linie, von dem Punkte, wo T mit der Vertikalen aus K zusammentreffen würde, bis zum obern Rande von Q. 2. KQ, die Länge der Sehne von K bis Q. 3. NQ, der Abschnitt der Horizontalen durch Q bis zum Kreuzungspunkt von H. und V. 4. NK. 5. NT. 6. Winkel e zwischen NQ (Horizontale) und QK. 7. Winkel £ zwischen NQ und TQ oder corrigirt T'W. I) Hier, wie überhaupt, bedeutet „oberer Punkt* den oberen End- punkt derjenigen Linie, welche uns die vordere Begränzung des durclh- schnittenen Wirbels wiedergab. 2) Vgl. Fig. 6. TQ KQ NQ NK NT & & £(corrigirt) I.a. 216 Mm. 107 74 66 218 — 103,5 _ b: 221°: 5.107 78 7a 084 _ c. 229.0 „. „106 80 72 - 0-76 _ n:"231+215107103,59976 TOR "BISWNA3HTZOP 70,50 d./228 1 ,,* 105° ©851.76,5. — 470 _ ID 330°, 97.1167 69110223 1,,469.1779 73,90 Im. 252 „ 107 84 65,5 237,5 370 860 710 IV. 272,5, 107. ..87 52 258,5 31%. 850 710 Während TQ, NQ und NT‘, d.h. die drei Seiten des Dreiecks, in welchem der Winkel z liegt, ziemlich differente Werthe geben, bietet auch hier der corrigirte Winkel £ eine auffallende Uebereinstimmung. Es liegt in diesem auf eine vollständig ungezwungene Art und Weise gefundenen Resultate eine neue Bestätigung dafür, dass trotz aller individuellen Verschiedenheiten die mensch- liche Wirbelsäule, wie überhaupt das ganze Knochengerüste, nach bestimmten sich gleichbleibenden Gesetzen gebaut ist. Nachdem wir in dem Bisherigen die Gesetze der Haltung der Lendenwirbelsäule als die Grundlage der Haltung der ganzen Wirbelsäule kennen gelernt haben, bleibt uns noch übrig, über die Haltung der obern Theile der Wirbelsäule bei dem zwanglosen Aufrechtstehen zu sprechen. Es wurde früher schon ausgesprochen, dass die Concavität der Brust- wirbelsäule als nur durch die Convexität der Lenden- und Halswirbelsäule entstanden anzusehen sei. Wir haben uns deswegen hier nur auf die Haltung der Halswirbelsäule zu beschränken. Wir finden in dieser, wie schon früher gezeigt wurde, eine so ausserordentliche Beweglichkeit sowohl nach vorne als nach hinten, dass wir keine Stellung derselben als die durch die Gestalt der Knochen bedingte ansehen dürfen. Eine jede Haltung der Halswirbelsäule muss deshalb die Folge des Zusammenwirkens mehrerer Muskelthätigkeiten sein, zu wel- chen als weiteres Moment noch die Wirkung der Schwere des Kopfes kommt. Die Wirkung der starken Nackenmus- kulatur muss für sich schon die vorherrschende Convexität 3 499 der Halswirbelsäule nach vorn bedingen; sie wird noch ver- mehrt durch die Verhältnisse, welche durch die eigenthümliche Unterstützung des Kopfes bedingt sind. Bekanntlich ruht der Kopf mit den Condylen des Hinterhauptbeins auf dem Atlas. Wir finden aber bei dieser Unterstützung eben so wenig, als bei der Unterstützung des Körpers durch das Hüft- oder Fuss- gelenk, das labile Gleichgewicht angewendet, sondern der Sehwerpunkt des Kopfes liegt etwas vor dem Ge- lenk zwischen Hinterhaupt und Atlas. Dieses wird schon durch die Weber’schen Versuche bewiesen, nach wel- chen die beiden Processus condyloidei — auf eine platte Fläche gestellt — nur dann den Schwerpunkt des Kopfes zu unter- stützen im Stande sind, wenn das Gesicht etwas nach oben sieht, wie in „sehr aufrechter Haltung“. Die Haltung ‘des Kopfes ist vielmehr einem Kräftepaar übergeben, nämlich dem Muse. sternocleidomastoideus einer- seits, den M. splenii und reeti capit. poster. anderseits. Wir stellen nur diese Muskeln auf, indem wir voraussetzen, dass die Wirkung der übrigen, vorn und hinten wirkenden Mus- keln sich gegenseitig aufhebe. Da die Anheftung der M. splenii und recti poster. eine sehr viel günstigere als diejenige der M. sternocleidomastoid. ist, so ist ihr mechanisches Moment auch bedeutender, und Gleichgewicht in der Lage des Kopfes auf der Halswir- belsäule findet statt, wenn das mechanische Moment der vorerwähnten Nackenmuskeln gleich ist dem mechanischen Moment der sternocleidomastoidei, plus dem mechanischen Moment der Schwere des Kopfes. Diese drei Momente zu- sammen erzeugen aber einen schief nach vorn und abwärts gehenden Axendruck, dureh welchen bei gleichzeitiger Krümmung der Halswirbelsäule durch die Nackenmuskulatur eine Vorwärtsbewegung derselben in ihrer Gesammtheit ge- geben wird. Dieser Umstand wirkt noch als direetes Moment auf die Entstehung der Brustwirbelkrümmung, und wird Ursache dafür, dass in der aufrechten Haltung der oberste Theil der Halswirbelsäule weiter nach vorne gelegen ist, als die hinterste Stelle der Krümmung der Brustwirbelsäule 500 Wenn wir nun angeben sollen, welche Stellung der Hals- wirbelsäule als diejenige anzusehen sei, welche in dem auf- rechten Stehen mit der wenigsten Muskelanstrengung zu Stande komme; so müssen wir gestehen, dass gegen- wärtig noch nieht Vorarbeiten genug vorhanden sind, um darüber einen genügenden Ausspruch zu thun; aber wir kön- nen, gestützt auf unsere Constructionen und die früher ange- führten Messungen am Lebenden, angeben, dass eine der zwanglosesten jedenfalls ausserordentlich nahe Stellung dann gegeben ist, wenn das Tuberculum anter. atlant.'!) in der durch B° und K gezogenen Vertikalen steht. Die Krümmung des zwischen dem Kopfgelenke und B? gelegenen Theiles der Wirbelsäule ist dann nach unseren Constructionen der Art, dass der untere Punkt des sechsten Halswirbels ebenfalls in die Senkrechte fällt. Das Mittel aus den Krümmungen der über diesem eben bezeichneten Punkte gelegenen Halswirbel- säule und der zwischen demselben und B® gelegenen Brust- wirbelsäule ergiebt, dass die Krümmung des angegebenen Theiles der Halswirbelsäule einem Kreisbogen von 380 entspricht bei einem Krümmungshalbmesser von: 170 Mm. und die Krümmung des angegebenen Theiles der Brustwirbel- säule einem Kreisbogen von 35° und 275 Mm. Radius. Mit geringen Veränderungen kann man aus diesen indivi- duellen Verhältnissen eine Formel für eine typische Stellung herleiten, nach welcher die Krümmung beider einem Kreis- bogen von 40° entspricht, wobei sich der Krümmungshalbmesser der Hals- wirbelsäule zu demjenigen der Brustwirbelsäule wie 1) Wir haben oben bei den Messungen am Lebenden den leicht fühl- baren Proc. mastoid. benutzt, vertauschen ihn aber hier der genauern Formulirung halber mit dem in gleicher Höhe zwischen den beiden pro- cessus mastoides liegenden Tuberculum anterius atlantis. 501 2 2 3 (160 Mm. : 240 Mm.) verhält. — Diese veränderten Werthe für Radius und Bogen geben dieselben Bogenlängen, wie die vorher angegebenen gemessenen Werthe. Im Vorigen haben wir die Krümmung der Wirbelsäule des erwachsenen mittlern Alters untersucht; wir haben die Be- deutung und gegenseitige Stellung der einzelnen Theile der - Wirbelsäule und die wichtigsten Entstehungs- und Unterhal- tungs-Momente der Krümmung darzustellen unternommen. Allein die Behauptung, dass die Musculatur und die Schwere wirlich diese Krümmungen veranlassen, setzt mit absoluter Nothwendigkeit voraus, dass nicht ein schon gekrümmter, sondern vielmehr ein gerader, gegliederter Stab ihrem Ein- fluss unterlegt werde. Diese Voraussetzung bewährt sich auch als richtig; denn wir wissen, dass die Anlage der Wirbelsäule im Embryo von wenigen Wochen eine gerade Linie bildet, dass bei 5—6 monatlichen Fötus die Verschiebung des Pro- montoriums, die Biegung des Kreuzbeins — die später die bedeutendste Krümmung besitzt — noch fast Null sind. Auch das neugeborne Kind zeigt in seiner Wirbelsäule noch Ver- hältnisse, welche von denjenigen des Erwachsenen so bedeu- tend abweichen, dass schon dieser Unterschied hinlänglich gross ist, um die Bedeutung jener Momente, und die Noth- wendigkeit einer Untersuchung ihres Einflusses ins rechte Licht zu setzen, Dass aber die Wirbelsäule Neugeborner nicht mehr vollständig gerade ist, kann Niemanden wundern, der bedenkt, dass der Muskelzug auch im Mutterleibe seine Wirkung ausübt. Es kann unsere Aufgabe nicht sein, die Entstehung der Gestalt der Wirbelsäule des Erwachsenen aus derjenigen des Neugebornen durch die Einwirkung der angedeuteten Einflüsse weitläufig herzuleiten; wir beschränken uns darauf, die we- sentlichsten Verschiedenheiten zwischen beiden anzugeben, indem daraus schon hinlänglich die Grösse dieser Einwirkung ersichtlich wird. 502 Wir finden bei einer in gleicher Weise wie die der Er- wachsenen behandelten Wirbelsäule eines Neugebornen für die in den obigen Constructionen benutzten Grössen fol- gende Maasse: BL, L,P KP « 8 y ö 46Mm. 42Mm. 18Mm. 90° 101° 46° 1680 TP MP MK MT n 835 Mm. 12Mm. 13 Mm. 87 Mm. 91° corrigirt: 82° Winkel zwischen erstem Kreuzbein- und erstem Lenden- wirbel 158°, „ Vergleichen wir diese Werthe mit den früher gefundenen, so sehen wir natürlich zuerst, dass alle Längenverhältnisse sehr viel kleiner sind, und zwar für die drei ersten Grössen (B°L,, L,P, KP) durchschnittlich den dritten bis vierten Theil der Zahlen des Erwachsenen ausmachen. - Dann, dass B°B, auf der Horizontalen senkrecht steht, denn « ist = 90°; dass die Lendenwirbelsäule sehr vorwärts geneigt en ? = 101° entspricht am ehesten unserm ].a. Winkel y ist um das Doppelte grösser als beim Erwach- senen, die Kreuzbeinsenkung oder Biegung daher noch un- bedeutend. Winkel n corrigirt und uncorrigirt nähert sich — trotz der Verschiedenheit der einschliessenden Linien — doch sehr jenen oben gefundenen constanten Zahlen, und gleicherweise finden wir dies auch in der Construction mit @. Hier finden wir: TQ KQ NQ NK NT 8. 7 £corzigirt Mi.79,5:.127,1.17 21,86 520 940.780 Die Differenz zwischen dem { des Neugebornen (78°) und dem des Erwachsenen (71°) ist doch unbedeutend, wenn man die enorme Verschiedenheit der Längenverhältnisse, die gänz- lich andere Beschaffenheit der wirkenden und influenzirten Theile in Betracht zieht; auch hier zeigt « die grosse Steil- heit des Kreuzbeins an. Die Vergrösserung der Linien B’L,, L,P und KP hätte an und für sich durchaus keine Influenz auf die Veränderung der Winkel, wenigstens gewiss nicht auf eine von «, welcher Winkel ja im Erwachsenen 20° kleiner ist; es bedarf zu die- 503 ser Veränderung also anderer Momente, und das Wahrschein- lichste und Klarste kann nur sein die Nothwendigkeit von Aequilibrirungsbewegungen, um den Schwerpunkt in Unter- stützung zu bringen, und die mit möglichst wenig Muskel- anstrengung verbundene bequeme aufrechte Haltung zu er- zielen. Hierdurch werden B°L, und K übereinandergebracht, « wird spitzer, # ebenfalls, weil durch die Senkung von B’L, auch L,P eine etwas nach hinten geneigte Stellung erhalten muss und auch „ wird kleiner, indem das Kreuzbein durch - Belastung und Zug nach oben eine stärkere Krümmung erhält. Es kann auffallend erscheinen, dass die Aequilibrirung nur damit erreicht wird, dass der mehrbesprochene Punkt B? an- nähernd, oder, wie wir im Interesse der Einfachheit annah- men, absolut senkrecht über K gestellt wird. Die Nothwen- digkeit dieses Verhältnisses wird übrigens einleuchtend, wenn wir daran erinnern, dass mit B? weniger ein bestimmter Punkt der Wirbelsäule, als vielmehr der an dieser Stelle gelegene Schwerpunkt des Rumpfes sammt Kopf und Armen bezeich- net werden soll, und dass nur bei einer solchen Lage dieses Schwerpunkts der gemeinschaftliche Schwerpunkt des Rumpfes und der Beine einen Platz erhält, welcher die Schwerlinie desselben ungefähr in die Mitte zwischen die beiden haupt- sächlich stützenden Punkte der Fusssohle, Ferse und Meta- tarsusköpfehen der grossen Zehe, herunterfallen lässt. Wenn Zweifel darüber entstehen sollen, dass willkürlich Mtsmommene Aequilibrirungsbewegungen die bekannte ge- schlängelte Gestalt der Wirbelsäule der Erwachsenen aus der ursprünglich geraden Gestalt erzeugen können, so verweisen wir auf ein in dieser Beziehung sehr interessantes analoges Verhältniss bei den Vierfüssern. Auch bei diesen ist ursprüng- lich noch bei den Neugebornen die Wirbelsäule vollständig gerade, nimmt aber nach und nach eine solche Gestalt an, dass sie mit den Hinter- und Vorderbeinen zusammen ein Gewölbe darstellt, welches im Stande ist, die Schwere der daran hängenden Eingeweide etc, als ein Hängewerk zu tragen. 504 Bei jungen Thieren, welche noch nicht den gehörigen Ge- brauch ihrer Extremitäten erlangt haben, finden wir diese Krümmung oft übertrieben ausgesprochen, und wir wissen, dass Reitpferde im Augenblicke ihrer Belastung die Krüm- mung ihrer Wirbelsäule dem vermehrten Anspruch an die Tragkraft entsprechend verstärken. Wir ersehen aus diesem, wie bei den Vierfüssern die mittlere Krümmung der Wirbel- säule dem Bedürfniss angemessen erzeugt, und unter gege- benen Verhältnissen willkürlich modifieirt wird, und werden daher auch nicht anstehen, die gleichen so genügend erklä- renden Entstehungsursachen für die Krümmung der mensch- lichen Wirbelsäule anzunehmen. Wir haben in der vorliegenden Arbeit die Krümmungs- verhältnisse und die Haltung der Wirbelsäule des Erwach- senen und ihre genetischen Bedingungen klar zu machen versucht; wir wissen aber auch, dass, wenn Schwere und Muskelkraft, wenn Bänderzug und Eingeweidelast wegfallen, die Krümmung wenigstens theilweise — wenn .auch verän- dert — der Wirbelsäule eigenthümlich bleibt. Die Ursache hievon aufzusuchen, haben verschiedene For- scher unternommen; ihre Ansichten sind aber sehr different. Während die Gebrüder W. und J. Weber!) mit Entschieden- heit erklären, dass „die Krümmung der Wirbelsäule am Halse und an den Lenden vorzugsweise von der Gestalt der Zwi- schenwirbelknorpel herrühre, da die Endflächen der meisten Hals- und Lendenwirbel von fast parallelen Flächen oben und unten begränzt werden“; sagt Nuhn?), dass für Hals- und Lendenkrümmung allerdings die Baudscheiben Grund der Krümmung seien; obgleich — merkwürdigerweise — die Wir- belkörper vorn höher als hinten sind; namentlich stark sei diese bedeutende Höhe der Bandscheiben vorn bei starker Rückwärtsbeugung der Wirbelsäule. Die Concavität der Brust- wirbelsäule wird nach Nuhn einzig und allein durch die 1) Mechanik der Gehwerkzeuge S. 93. 2) A. Nuhn’s Untersuchungen und Beobachtungen aus dem Ge- biete der Anatomie, Physiologie und pract. Mediein. 1. Heft. Heidelberg 1849. (Canstatt. Jahresbericht S. 69.) 505 Wirbelkörper bedingt. Hirschfeld') spricht den Wirbel- körpern jeden Antheil an den Biegungen der Wirbelsäule ab; und hält die Differenzen in der Höhe der Bandscheiben für die Folge einer Compression durch die Zusammenziehung der gelben Bänder. Diese Annahme soll dadurch gerecht- fertigt werden, dass durch einen Querschnitt, welcher der ganzen Länge nach Körper und Bogen der Wirbel von ein- ander trennt, die Hals- und Lendenkrümmung ausgeglichen und die Bandscheiben vorn und hinten gleich hoch werden. Einzig am Brusttheil schienen auch Hirschfeld andere Be- - dingungen vorzuherrschen. Wir haben schon oben bei der Präparationsmethode der so bedeutenden Elastieität der Bandscheiben Erwähnung ge- than, und es ist daher leicht einzusehen, dass ihre Messungen kein sicheres Resultat abgeben können. Je nachdem mehr oder weniger Muskel und Bänder erhalten sind, je nach der Stellung der Wirbelsäule, in welcher die Messungen ausge- führt werden, wird es ein Leichtes sein, differente Resultate zu erhalten. Nicht so verhält es sich mit den Wirbelkörpern. Diese müssen natürlich ganz bestimmte Gestalten haben, und wenn sich in diesen eine Regelmässigkeit zeigte, kann sie nicht wohl dem Forscher entgehen. Wir haben an einer Reihe frischer und trockner Wirbelsäulen Messungen angestellt, immer mit sorgfältiger Berücksichtigung der Stelle, an welcher der Zirkel angelegt wurde, indem bekanntlich gerade am vorderen Um- fang der Wirbel das erhöhte Kränzchen (analog den Inter- vertebralknochen mancher Säugethiere) die Resultate verän- dern könnte. Wir fanden nirgends eine Regelmässigkeit als an den untern Lendenwirbeln.. Während sonst überall bald hinten, bald vorn eine um Weniges differente Höhe sich zeigt, ergab I) Blot, Robin et Bernard rapport sur un memoire de M. L. Hirschfeld intitul& nouveau apergu sur les conditions anatomiques des eourbures de In colonne vertebrale chez l’homme. Gaz. medie. de Paris 1849, Nr. 25. (Canstatt. Jahresbericht $. 69.) 506 sich hier constant eine stärkere Höhe vorn, eine geringere hinten, wie aus folgenden Zahlen hervorgeht: A. B. C. D. E. venauht v. hifyluugch. v. h. nk 1. 27 26 26 : 26 27.28 |25 25 29.27 2.29 28 27,5 27 23 28 | 26,5 25,5 | 29. 28 3. 3128 23 26,5 | 30 28 | 27. 25 |30 29 4.32 27,5|28 24 81. 28. 128.125 30 28 5.33 28 | 27,5 24 |32. 26 | 29 21 1) Man sieht aus dieser Tabelle, dass die Differenz gegen das Kreuzbein hin zunimmt, dass aber durchschnittlich alle - Lendenwirbel zu der Krümmung beitragen. Sicher ist also diese Krümmung die bleibendste und ausgesprochenste. Wir stehen keinen Augenblick an, auch diese Differenz in den Wirbelhöhen für secundär zu erklären. Wir haben die Messungen mit derselben Sorgfalt an Wirbelsäulen 6mo- natlicher Fötus und Neugeborner ausgeführt und diese Diffe- renz nicht gefunden. Sie entsteht also sicher erst dadurch, dass durch den beständig lastenden Druck der hintere Theil sich weniger zu entwickeln im Stande ist als der vordere, wozu wir eine genügende und beweisende Parallele an zahl- reichen pathologischen Erfahrungen besitzen. ä Erklärung der Zeichnungen. Fig. 1 stellt eine menschliche Figur (z!; der natürlichen Grösse) in aufrechter Stellung in der Profilansicht dar, bei deren Construction die Resultate vorliegender Arbeit uud die frühern Forschungen von H. Meyer benutzt sind. Die Normaleonjugata hat eine Neigung von 30° gegen den Horizont, die Beinaxe hat eine Neigung von 83° 7’ gegen den Horizont, und die vordere Begränzungslinie der Säule der Wirbelkörper ist nach den Gesetzen construirt, welche wir aufgestellt haben. — G ist der gemeinschaftliche Schwerpunkt des Rumpfes und der Beine in dieser Stellung, und die in demselben beginnende Schwer- 1) A, B ete. bezeichnen die Wirbelsäulen; 1, 2 etc. die Lenden- wirbel in anatomischer Ordnung; v = vorn, h = hinten. Die Zahlen sind in Millimetern. 907 linie fällt vor dem äussern Knöchel, welcher nur durch das untere Stück der Fibula angedeutet ist, herab und erreicht den Boden unge- fähr in der Mitte zwischen der Ferse und dem Mittelpunkt des Capi- tul. metatars, I. Der Fuss ist schematisch gezeichnet, indem in dem- selben nur das durch die Ferse und die grosse Zehe gebildete Gewölbe entworfen ist. In den Fig. 2—6 sind die vordern Umrisse verschiedener Wirbel- säulen dargestellt. In denselben bedeutet: K den Einkniekungspunkt in der Mitte des dritten Kreuzbeinwirbels (Gränze zwischen Beckentheil und Perinealtheil des Kreuzbeins);; S den obern Symphysenpunkt; KS die Normalconjugata; un die durch S gezogene Horizontale; die durch K gezogene Vertikale; P Promontorium, d. h. oberer Punkt des ersten Krenzbeinwirbels ; .Q oberer Punkt des fünften Lendenwirbels; 43 unterer Punkt des zweiten Lendenwirbels; B? oberer Punkt des neunten Brustwirbels; 0 unterer Punkt des sechsten Halswirbels; ©! oberer Punkt des ersten Halswirbels, d h. Mitte des obern Ran- >; des des vordern Atlasbogens; in Fig. 4 bezeichnet den Pfannenmittelpunkt in der Profil- projection. Fig. 2 stellt den Umriss der vordern Fläche der Wirbelsäule des Nengebornen (! der natürlichen Grösse) dar; in £ u; . 3 ist derselbe zur bequemeren Vergleichung mit Fig. 4 ange- vergrössert. Fig. 4 stellt deu Urarise der vordern Fläche der Wirbelsäule des 2 Erwachsenen (} der natürlichen Grösse) nach unserer Construction dar, mit Andeutung der Krümmungshalbmesser der gebogenen Theile und der zugehörigen Mittelpunkte, nämlich : 1 für die Krümmung der sechs obern Halswirbel, 2 für diejenige der acht obern Brustwirbel nebst dem siebenten Hals- u WW wirbel, 3 für diejenige der drei untern Lendenwirbel, 4 für den Perinäaltheil des Kreuzbeins. Die Krümmungshalbmesser sind mit dem Mittel aus den Sehnen und aus den Bogenhöhen der entsprechenden Wirbelsäulenabschnitte aller verwendeten Wirbelsäulen berechnet und auf % reduzirt. Die in dem Texte vorgeschlagene Correetion für die Krümmungs- halbmesser der Brust- und Halswirbelsäule ist hier nicht eingeführt. Die Figuren 2—4 sind auf eine gemeinschaftliche durch K gehende Horizontale gestellt, damit die Verschiedenheit in der Gestalt des Pe- rinäaltheils des Kreuzbeins deutlicher hervortrete. 508 In Fig. 4 ist (mit punktirter Linie gezeichnet) zur Vergleichung eine Reduction des Weber’schen Abdrucks der Wirbelsäule in derjenigen Stellung beigefügt, welche diese Wirbelsäule dann annimmt, wenn das zugehörige Becken nach dem Gesetz der Neigung der Normalconjugata (30° gegen den Horizont) gestellt wird. Es fällt sogleich auf, wie stark die Neigung dieser Wirbelsäule nach vorn ist, und doch ist die Re- duction aufs genauste ausgeführt. In der Weber’schen Construction tritt allerdings dieses Verhältniss anscheinend nicht hervor, weil in dieser die Vertikale aus dem Atlas in das Promontorium gezogen ist; dagegen wird durch diese Richtung der Vertikalen ein anderes auffallendes Verhältniss erzeugt, dass näm. lich die Neigung der Conjugata unter das Minimum sinkt, und nur 49° beträgt, worüber die Verfasser selbst veranlasst sind, sich verwun- dert zu äussern. Welche Construction man demnach auch in den We- ber’schen Abdruck hineinlegt, immer stellt sich ein auffallendes Ver- hältniss heraus, und wir "- uns berechtigt, unsere (durch das Becken bestimmte) Construction hineinzulegen, weil wir einerseits in der Beckengestalt keine Veranlassung zu einer besondern Neigung der Conjugata erkennen konnten, anderseits aber uns im Stande sehen, eine genügende Erklärung für die Vorwärtsneigung der Wirbelsäule aus der Methode der Präparation zu geben, wie schon im Texte an mehreren Orten ausgesprochen wurde. Fig. 5 und 6 sind Zeichnungen, welche für das leichtere Verständ- niss desjenigen Theiles des Textes entworfen sind, welcher von der Krümmung der Lendenwirbelsäule und der Neigung der Linie B’L, handelt, und finden deshalb dort ihre Erklärung. Fig. 7 zeichnet neben der mittleren Stellung (m‘) die beiden ex- tremsten Stellungen der Wirbelsäule nach vorne (a‘) und nach hihten (d), wie wir sie an der Wirbelsäule I. haben kennen gelernt. Zu- gleich ist der Mittelpunkt der Bewegung (D) für den Punkt L, ange- deutet und die Krümmungsradien für die Gestalt der unteren Lenden- wirbelsäule in den drei Stellungen; die Mittelpunkte für dieselben sind durch die gleichen Buchstaben wie die Stellungen bezeichnet. — 11 ist der Kreisbogen, in welchem sich L, bewegt. — In dieser Figur kann der Winkel in der Stellung a‘ auffallend sein, es ist deshalb nöthig, zu bemerken, dass in dieser Stellung unserer Wirbelsäule I., welche durch starken Druck erzeugt wurde, die Linie B’L, eine leichte Con- eavität nach vorn besitzt, so dass sie ohne einen Winkel in die Len- denkrümmung übergeht. Fig. 8 und 9 s. Nachschrift. 509 Nachschrift. Von Prof. HERMANN MEYER in Zürich. In einem Aufsatze über das aufrechte Stehen (in dieser Zeitschrift 1853) habe ich mein Augenmerk vorzugsweise auf die Haltung und den Mechanismus der Beine gerichtet. Ueber die Haltung der Wirbelsäule konnte ich mich damals nur im Allgemeinen dahin ausdrücken, dass dieselbe in ihren Krüm- mungen die Schwere der überliegenden Theile federartig trage. Herr Dr. Horner hat nun in dem vorstehenden Aufsatze die Arbeit übernommen, die Haltung der Wirbelsäule im aufrech- ten Stehen zu untersuchen, und hat damit eine wesentliche Ergänzung zu jenem Aufsatze geliefert. In der vorliegenden Arbeit ist ein bestimmtes Gesetz über die Gestaltung der vorderen Gränzlinie der Wirbelsäule im aufrechten Stehen entwickelt und mit Hülfe der in Fig. 4 ge- zeichneten Curve, in welcher dieses Gesetz veranschaulicht ist, ist es nun leicht, die ganze Wirbelsäule in ihrer natür- lichen Gestalt zu entwerfen. Zur Construction dieser Curve wurden die Grössen und Werthe benutzt, welche sich als mittlere aus der Untersuchung mehrerer Wirbelsäulen heraus- stellten; die Gestalt der Curve ist daher nur der gemeinschaft- liche Ausdruck für den Bau aller untersuchten Wirbelsäulen und ist in so fern noch nicht gänzlich von dem individuellen Üharakter befreit. Es erscheint daher in mehrfachem Interesse erlaubt, die an derselben zu bemerkenden Verhältnisse zu vereinfachen (zu corrigiren), in so weit nicht dadurch zu grosse Abweichungen von dem durch die Untersuchung gewonnenen Ergebnisse erzeugt werden, Eine solche Correction füge ich in Fig. 8 bei. In dieser haben die Bogen der Halswirbelsäule und der Brustwirbel- säule beide 40° und der Halbmesser für den Bogen der Hals- wirbelsäule verhält sich zu demjenigen für den Bogen der elsäule wie 2:3. (Ueber diese Oorrection siche den tebender Abhandlung.) Ferner ist in dieser Figur 76 Archiv. 1854, 33 510 der Krümmungshalbmesser der Säule der drei unteren Len- denwirbel eben so gross, wie derjenige der Halswirbelsäule, der Bogen des entsprechenden Theiles der Wirbelsäule hat 45°, und seine Sehne steht senkrecht, während sie in Fig, 4 eine Neigung von 88,5° gegen den Horizont besitzt. — Die Vereinfachung, welche durch diese Correctionen ohne wesent- liche Aenderung der ursprünglichen Curve gegeben ist, scheint mir wichtig genug, um Berücksichtigung zu verdienen, na- mentlich da die Curve der Fig.8 nur sehr unbedeutende Ab- weichungen von der Curve der Fig. 4 zeigt. Weniger will ich dieses von der Curve der Fig. 9 be- haupten. Ich möchte diese nicht einmal eine Correction der ursprünglichen Curve nennen, weil sie namentlich in der Len- dengegend eine zu bedeutende Abweichung zeigt, wie sich an der Vergleichung mit der punktirt in die Zeiehnung geleg- ten Curve der Fig. 4 erkennen lässt. — Der Werth, welchen ich dieser Zeichnung beilege, ist der, dass durch die zu ihrer Construction angewendete höchst einfache Methode es sehr leicht ist, eine wenigstens annähernd richtige Wirbelsäulen- eurve von beliebiger Grösse zu construiren, Ich beschreibe die Methode am besten dadurch, dass ich die Vorschrift zu ihrer Anwendung gebe: Es sei die Länge der Wirbelsäule (ab) von dem oberen Rande des vorderen Bogens des Atlas bis zur Steissbeinspitze gegeben. Man theile diese Länge in vier Theile, und man erhält dadurch die Einheit für die übrigen Maasse, welehe in der Construction gebraucht werden. Von der Länge dieser Einheit sind die Linie ef (B’L, der früheren Zeichnungen) und die beiden Radien ah und gf; — der Radius ie hat 1'%mal und der Radius kb '%4mal die Länge der Einheit. Die Construction geschieht nun leicht in folgender Weise. An der oberen Gränze des unteren Viertels der gegebenen Länge (in e) errichte man das Perpendikel de und trage auf diesem '/, Einheit (ge) ab; g ist nun der Mittelpunkt für die Len- denkrümmung; mit gf (= 1 Einheit) beschreibe man dann den Bogen fl von 450, so dass seine Sehne senkrecht lie "An das obere Ende (f) desselben lege man dann die G: ef Sll (= 1 Einheit), so dass e in die Senkrechte ab fällt; unter einem Winkel von 70° lege man dann den Radius ei (= 1',, Einheit), beschreibe den Bogen em von 40°; ziehe dann den Radius im, verlängere ihn bis h (hm = 1 Einheit) und be- schreibe den Bogen am (von 40°), — Mit kb (', Einheit) beschreibe man dann den Bogen bn (von 90°) und verbinde l und n durch eine Gerade. Anmerkung. Ich benutze diese Gelegenheit, auf fol störende Druckfehler in meinem Aufsatze über die Indis des Ganges (diese Zeitschrift 1853) aufmerksam zu mach - S.565 Z.6 und 12 v. u. lies Bodens statt Beck Z.1v.u „ nach C - ",.SnachB, % u F dräkik Sr We in ws. ‚ I FE ai f f 4 u . \ W a NH pn bin ei er ee ak u ‚ ml. ık vr ae d Du M b. ” Keriei Be “ CEN ; ib) a } E r img bei . bau sell» t Auslun f pr ul u - - a h i EN ” r ’ Ss r F Pi E 27. tv & I % Zapf, Duchakal, Ta, / a 8% 029. IE nt \y » U a WillersArehür18 8: Or nand \ = | Milkr.s hrhriit_ Taf ee ee er I I Zn € ee u—— x m = = = Er PB en ER en =, Fe { DT er 4, a er rt F ——_ = = DE en BE a a > Will schehürl STE \ 11% Guunanal as ZT v& BRENNEN I] Tan N 7) nn 7,9 Guunand + ————— aa m Ann = Ze Zar vr = | \s x 88 | = Miller Archv 1854. * Alullersinhr DIL. SE) il Ouinand se 2A # FOCTEmRTTm rn ee > ze ars Miller dnchur 123 TE Müller sArchar 1034, . Müllers Archn 1 I#. a0. 67 AR 2 (nm x y E $ Miller Archiv 12.54. D Wanland 41 Ta RL Millers.drchiv IPIE. Guinand se Qumand se uf en u Grunanal ze Taf. wr>i = a’ ar>s H—— =