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AUGUST PETTENKOFEN
1822-1889
ARPAD WEIXLGÄRTNER
AUGUST PETTENKOFEN
HERAUSGEGEBEN
VOM
K. K. MINISTERIUM
FÜR KULTUS UND
UNTERRICHT
ERSTER TEIL
WIEN
1916 GERLACH & WIEDLING
/V/> 1.1.
DRUCK VON FRIEDRICH JASPER IN WIEN
VORWORT
ichtenberg sag^ einmal, daß ihm manches Vorwort wie ein Vor- spann vorkomnae, mit dem der Autor seinem Werk über den Berg zu helfen beabsichtigt. Auf die Gefahr hin, daß dergleichen auch von dieser, Vorrede gesagt werden wird, sei sie gleich von vorneherein als eine angekündigt, die weiter auszuholen, zu er- läutern und zu entschuldigen vorhat.
Den Anstoß, wenngleich nicht den unmittelbaren, zur Heraus- gabe der Reihe von Monographien, zu der auch die vorliegende Arbeit gehört, erhielt das Ministerium für Kultus und Unterricht durch Richard Muthers in den Jahren 1893 und 1894 erschienene Geschichte der Malerei im XIX. Jahrhundert. Eines wird diesem Werk auch sein strengster Kritiker gelten lassen müssen: die große Wirkung, die es auf die inter- essierten Kreise ausgeübt hat. Je größer aber diese Wirkung war, um so peinlicher mußte es in Österreich empfunden werden, daß in dem Buch die Malerei der Heimat recht schlecht wegkommt. Dieses falsche Bild sollte durch die genannten offiziellen Publikationen korrigiert werden.
Es war aber^durchaus*^nicht bloß Muthers Schuld, daß die Schilderung, die er von der österreichischen Malerei gegeben hat, so wenig befriedigte.
Auch heute noch, da seit dem Erscheinen von Muthers Werk jüber zwanzig Jahre verstrichen sind, befindet sich gewiß noch mehr als die Hälfte der österreichischen Bilder^des XIX. Jahrhunderts nicht in öffentlichem, sondern in privatem Besitz und ist daher wenig bekannt und schwer zugänglich. (Das vom Unterrichtsministerium herausgegebene und von Wilhelm Freiherrn v. Weckbecker redigierte Handbuch der Kunstpflege in Österreich — zum erstenmal bereits 1891 erschienen, in dritter, stark vermehrter Auflage 1902 — ist zwar unter anderem auch ein willkommener Wegweiser zu den im Privatbesitz versteckten Kunstschätzen, bietet aber seiner Anlage gemäß natürlich nicht viel mehr als ein grobmaschiges Verzeichnis von Künstler- und Besitzernamen.) Die kaiserliche Galerie, die über die erste Hälfte des XIX. Jahrhunderts ziemlich gut orientiert, hat später aufgehört, moderne öster- reichische Bilder systematisch zu sammeln. Die Vielheit der Sammelgebiete des Wiener Städtischen Museums und die geringen Mittel der Gemäldegalerie der Aka- demie der bildenden Künste in Wien haben es verhindert, daß diese beiden Anstalten
einen Ersatz für den Ausfall an der kaiserlichen Sammlung geboten hätten, die Mo- derne Galerie in Wien wurde aber nach langen Vorbereitungen erst 1903 gegründet.
Waren diese Umstände einem Studium der österreichischen Malerei nichts weniger als förderlich, so wurde ein solches vollends durch die in mehr als einem Sinne ungenügende Literatur gehemmt.
Als Muther sein Werk verfaßte, stand ihm, wenn die Aufzählung auf das Wich- tigste beschränkt sein soll, folgendes zur Verfügung: Constant v. Wurzbachs Bio- graphisches Lexikon des Kaisertums Österreich, in den Jahren 1856 bis 1891 er- schienen, ein unentbehrliches Nachschlagewerk, dem nachzurühmen ist, daß es bil- dende Künstler ebenso wie Dichter und Musiker besonders ausführlich behandelt. Daß es stets mit Kritik benützt werden muß, ist bei seinem Umfang und der Art, wie es zustande kam — die sechzig Bände haben einen einzigen Mann zum Ver- fasser — nur selbstverständHch. Karl v. Lützows Geschichte der k. k. Akademie der bildenden Künste (Wien 1877) mit ihrer die Jahre 1876/77 bis 1891/92 umfassenden Ergänzung durch Theodor Lott (Wien 1892). Cyriak Bodensteins Buch: Hundert Jahre Kunstgeschichte Wiens: 1788—1888 (Wien 1888; fortgesetzt durch Ludwig Wächtler, Wien 1913). Von diesen vier Büchern gibt aber das Lützowsche allein eine systematische Darstellung, die anderen drei sind lediglich Materialsammlungen, und beschränken sich die ersten beiden auf die Akademie der bildenden Künste, so behandeln die letzten zwei nur die Mitglieder der Pensionsgesellschaft bildender Künstler in Wien. Versuche, freilich recht bescheidener Art, einen Überblick über die Entwicklung der Wiener, beziehungsweise der österreichisch-ungarischen Kunst im XIX. Jahrhundert zu geben, sind die einschlägigen Artikel in dem großen Sammel- werk: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild (Wien 1886 — 1902) und die Arbeiten Karl v. Lützows in der vom Gemeinderat der Stadt Wien zum 2. Dezember 1888 herausgegebenen Denkschrift: Wien 1848—1888 (Wien 1888) und Alfred Nossigs in Albert Ilgs Kunstgeschichtlichen Charakterbildern aus Österreich- Ungarn (Wien 1893). Richtunggebendes, jedenfalls das Gehaltvollste, was über die österreichische Kunst der ersten beiden Drittel des XIX. Jahrhunderts gesagt worden ist, findet sich im I. Band von Rudolf v. Eitelbergers Gesammelten kunsthistorischen Schriften (Wien 1879). Freilich ermangeln diese einzelnen Persönlichkeiten oder Zweigen der österreichischen Kunst gewidmeten Aufsätze der Vollständigkeit. Viel Brauchbares und Wertvolles bieten selbstverständlich auch Artikel in Fachzeit- schriften, vor allem in den Graphischen Künsten, in der Zeitschrift für bildende Kunst und in der Wiener Allgemeinen Kunstchronik. Auch in den Tagesblättern ist natürlich manches Wissenswerte vergraben. Ein auffälliger Mangel dagegen herrscht an Monographien und Oeuvrekatalogen; Ludwig August Frankls Buch über Friedrich Amerling (Wien 1889) und Karl L. Wiesböcks Verzeichnis der Werke Johann Nepomuk Geigers (Leipzig 1868) seien als Ausnahmen angeführt. Desgleichen fehlen Autobiographien von Künstlern; Führichs bereits 1844 zum erstenmal ge- druckte Lebenserinnerungen und die 1876 herausgegebene Selbstbiographie von Karl Blaas stehen so gut wie vereinzelt da.
Während der Jahre, die seit dem Erscheinen von Muthers drei Bänden ver- strichen sind, hat sich auf dem in Rede stehenden Gebiet manches gebessert. 1897
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wurde die Künstlervereinigung „Secession" gegründet, die das gesamte Wiener Kunstleben mit frischem Blut erfüllte, und 1903 kam endlich, wie schon gesagt, die Moderne Galerie zustande. Im selben Jahre wurde August Schäffers Großfolio- werk über die Modernen Meister in der kaiserlichen Gemäldegalerie in Wien ab- geschlossen und erschien Ludwig Hevesis Österreichische Kunst im XIX. Jahrhundert. Die erstere Publikation ist nicht nur durch ihre Abbildungen, sondern auch durch die Menge von Personalien ausgezeichnet, die ihr Autor, der als Künstler und als Galeriedirektor mit sehr vielen der von ihm besprochenen Maler bekannt oder be- freundet war, mitzuteilen weiß, die letztere dadurch, daß sie, wenn auch verfrüht, doch zum erstenmal den Versuch wagt, die österreichische Kunst des vergangenen Jahrhunderts als Ganzes zu schildern. Die Partien des Buches, in denen Hevesi Miterlebtes darstellt, sind begreiflicherweise wertvoller als die älteren, für die er aus zweiter Hand schöpfen mußte. Lebendigeren Ausdruck freilich haben die Wiener Kunstereignisse um die Wende des XIX. auf das XX. Jahrhundert in den zwei Sammlungen von Hevesis Feuilletons gefunden, die er 1906 und 1909 unter den Titeln Acht Jahre Secession (März 1897 bis Juni 1905) und Altkunst-Neukunst (1894 — 1908) veranstaltet hat. Lediglich Reproduktionen nach Gemälden von Alt- wiener Meistern im Privatbesitz enthält die 1905 bis 1913 bei H. O. Miethke in Wien erschienene Publikation: Ein Jahrhundert österreichischer Malerei, 1800 — 1900. Das zehnte Buch des II. Bandes (Stuttgart 1912) von Heinrich Friedjungs Werk: Österreich von 1848 bis 1860 orientiert knapp und anschaulich über die bildende Kunst dieses Zeitabschnittes und über die Wiener Stadterweiterung, ohne selbst- verständlich viel Neues zu bieten. Der Kunstbesitz der Privaten in Österreich wird seit 1907 systematisch und gründlich, aber natürlich nur schrittweise durch die von der k. k. Zentralkommission für Kunst- und historische Denkmale herausgegebene Österreichische Kunsttopographie verzeichnet. Wichtige Auskünfte über Wiener Maler und ihre Bilder erteilen die Schriften Theodor v. Frimmels, besonders die seit 1905 von ihm herausgegebenen Blätter für Gemäldekunde und sein Lexikon der Wiener Gemäldesammlungen, dessen erster Band (München 1913) die Buch- staben A bis F umfaßt. Über ein Gebiet, auf dem sich die Altwiener Malerei be- sonders auszeichnete, hat Eduard Leischings große Publikation: Die Bildnisminiatur in Österreich von 1750 bis 1850 (Wien 1907) Licht geworfen. Seit 1902 sind endlich auch Künstlermonographien erschienen, 1902, 1911, 1912, 1914 und 1915 die vom Unterrichtsministerium herausgegebenen (Servaes: Segantini, Hevesi-Kuzmany: Alt, Dreger-v. Wörndle: Führich, Burg: Zauner). Neben diesen offiziellen gingen auch andere einher, Artur Rößlers Waldmüller (1907), Alt und Danhauser.
Dies, flüchtig umrissen, der Stand der allgemeinen Literatur, die heute jedem zu Gebote steht, der sich mit einem Thema der österreichischen Kunst des XIX. Jahr- hunderts beschäftigt.
Was nun die spezielle Literatur über Pettenkofen anbelangt, so war es mit ihr wenigstens insoferne nicht schlecht bestellt, als es über ihn ein paar gute Aufsätze gibt, vor allem Theodor v. Frimmels Einleitung zum Katalog der Auktion von des Künstlers Nachlaß (1890) und dann zwei Artikel Lützows in der Zeitschrift für bildende Kunst (1890) und in den Graphischen Künsten (1895). Die Deutsche Bio-
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graphie hat erst in den Nachtragsband vom Jahre 1907 einen Artikel über Petten- kofen aufgenommen. Dagegen findet sich sein Oeuvre schon 1898 im II. Band von Friedrich v. Boettichers Malerwerken des XIX. Jahrhunderts (Dresden 1895 — 1898) ziemlich ausführlich, allerdings zum Teil recht ungenau verzeichnet. Alles Nähere über die angeführten Arbeiten und die weitere Spezialliteratur ist im Anhang vermerkt.
So viel über die literarischen Quellen. Nun zu den „ungewollten mittelbaren", unter denen bei Pettenkofen gewissen schriftlichen eine besondere Bedeutung zu- kommt. Es sind zwölf Notizbüchlein, die aus dem Nachlaß in den Besitz der Schwestern Leopold Karl Müllers, der Erbinnen Pettenkofens, übergegangen sind und über die im Anhang, vor dem Itinerar, noch einiges Weitere mitgeteilt wird. Diese Bändchen stellen zum Teil vielleicht Auszüge aus ausführlicheren Tagebüchern dar, die Pettenkofen geführt hat, die aber auf seinen ausdrücklichen Wunsch nach seinem Tode zusammen mit Stößen von Briefen durch seinen Testamentsvollstrecker Franz Xaver Mayer den älteren verbrannt worden sind. Die Notizbüchlein enthalten insoferne mehr als die bloß geschäftlich gehaltenen Register, wie sie gerade unter den österreichischen Künstlern Füger, Gauermann und Amerling hinterlassen haben, als sie außer den Aufzeichnungen über den Beginn, die Beendigung und den Ver- kauf eines Bildes hie und da doch auch noch anderes, z. B. einen schriftlichen Ent- wurf, eine von einem alten Meister empfangene künstlerische Anregung, Mitteilungen über den Verkehr mit anderen Personen und über den eigenen Gesundheitszustand in sich bergen. Diese Notizbücher sind es auch fast ausschließlich, auf Grund deren sich das im Anhang mitgeteilte ziemlich lückenlos von 1853 bis 1889 reichende Iti- nerar hat zusammenstellen lassen, das bei dem fortwährend seinen Aufenthaltsort wechselnden Künstler natürlich von Bedeutung ist. Ergänzend tritt zum Inhalt dieser Büchlein noch eine ganze Menge auf lose Zettel geschriebener Notizen hinzu, die gleichfalls aus dem Nachlaß in den Besitz der Schwestern Müller übergegangen sind. Der mannigfaltige Inhalt dieser flüchtig hingeworfenen Bemerkungen liefert manchen willkommenen Beitrag zur Kenntnis des Menschen und des Künstlers.
Von Pettenkofens Briefen, die sich erhalten haben, sind die wichtigsten die an Franz Xaver Mayer den älteren gerichteten. Sie befinden sich noch heute im Be- sitz von des Adressaten Sohn. Aber auch die paar auf uns gekommenen Briefe und Fragmente von Briefen an die Geliebte (im Besitz des Autors), die Briefe an Leopold Karl Müller (im Besitz von dessen Schwestern Marie und Berta) und die 31 Briefe an Karl v. Kratzer (die datierten aus der Zeit vom 30. Jänner 1856 bis zum 16. August 1879, alle aus Kratzers Nachlaß von Herrn Josef Simon erworben) sind, je spärlicher gerade diese Art Quelle bei Pettenkofen fließt, von großem Wert. Einem Briefe an Eugen Jettel kommt darum eine besondere Bedeutung zu, weil darin, was sonst nur höchst selten und ganz nebenher der Fall ist, ausführlich und anziehend künstlerische Themen besprochen werden. An zwei Stellen, wo es noch Briefe Pettenkofens gibt, und zwar sicher in größerer Anzahl und wahr- scheinlich interessanten Inhalts, hat der Autor mehr als einmal vergeblich angeklopft.
Unter den Personen, deren dem Autor freundlichst erstattete mündliche und schriftliche Angaben über Pettenkofen die Überlieferung darstellen, sind vor allem zu nennen: die Damen Luise (f), Amelie (t), Berta und Marie Müller und die Herren
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Friedrich Ehrmann (in Straßburg, f), Charles Sedelmeyer (in Paris) und Maler Theodor Ethofer (in Salzburg, f). Die Mitteilungen der Schwestern Müller, die sich hauptsächlich auf die achtziger Jahre beziehen, sind nicht nur durch das Selbsterlebte, das sie enthalten, sondern auch durch das, was in sie aus den Beobachtungen Leopold Karl Müllers, der während der beiden letzten Jahrzehnte von Pettenkofens Leben dessen intimster Freund war, übergeflossen ist, von höchster Bedeutung. Auf dieselbe Periode und auf Paris beziehen sich die Mitteilungen des Herrn Sedel- meyer, auf die mit Pettenkofen in Italien verlebten siebziger Jahre die des Herrn Malers Ethofer. Herr Friedrich Ehrmann dagegen, der seinerzeit in dem Geschäfte von Friedrich Gsell, dem ersten Maecen Pettenkofens, eine hervorragende Stelle innehatte, reichte mit seinen äußerst wertvollen Erinnerungen noch in des Künstlers Wiener Anfangszeiten zurück. Allen diesen Damen und Herren fühlt sich der Autor zum größten Dank verpflichtet, besonders aber den Fräulein Müller, die ihm vor allem auf vertrauensvollste Weise Einblick in des Künstlers schriftlichen Nachlaß gewährten und überhaupt nicht müde wurden, ihn mit Rat und Tat aufs liebens- würdigste zu unterstützen.
Bisher war von den Quellen die Rede. Hinsichtlich der Denkmäler selbst muß zunächst gesagt werden, daß Pettenkofen für die oben aufgestellte Behauptung, es befände sich von den Werken der österreichischen Maler des XIX. Jahrhunderts nur eine verhältnismäßig geringe Anzahl in öffentlichem Besitz — im Gegensatz etwa zu Danhauser, dessen Hauptwerke wenigstens seit langem der kaiserlichen Galerie angehören — ein besonders gutes Beispiel liefert. Was von Pettenkofens Arbeiten in kaiserlichem oder staatlichem oder städtischem Besitz angetroffen wird, ist zur Kenntnis seiner Kunst völlig unzulänglich. Diejenige öffentliche Sammlung, die von seinen Bildern noch am meisten ihr eigen nennt, die Heinrich Freiherr V. Liebiegsche Sammlung der Stadt Reichenberg, ist wenig bequem zu erreichen und ist im Grunde eine Privatsammlung, die dank der letztwilligen Verfügung ihres hochsinnigen Eigentümers zur öffentlichen wurde, und zwar erst im Jahre 1904.
Wer Pettenkofen kennen lernen will, muß auch heute noch vor allem in Privat- häusern vorsprechen. Die größten Sammlungen seiner Werke befinden sich, mit Ausnahme der eben genannten zu Reichenberg, in Wien und gehören den Herren Dr. August Heymann, Ludwig Lobmeyr, Franz Xaver Mayer dem jüngeren und Eugen Miller v. Aichholz. Das Schwergewicht der ersten dieser Sammlungen ruht in den Lithographien, die zum größten Teil aus der Sammlung von Friedrich Flesch in Unter-St. Veit bei Wien stammen, das der Sammlung Eugen v. Millers in Arbeiten der achtziger, das def Lobmeyrschen Sammlung in Arbeiten der sieb- ziger Jahre, nur in der Mayerschen Sammlung halten einander frühere und spätere Werke die Wage. Die Sammlungen der Herren Franz Xaver Mayer, Miller V. Aichholz und Lobmeyr sind dadurch ausgezeichnet, daß ihre Hauptbestände noch alle unmittelbar dem Künstler selbst abgekauft wurden. Aber noch vor und neben diesen Privatsammlungen hat es in Wien andere gegeben, die besonders reich an Bildern und Zeichnungen Pettenkofens waren, die jedoch eine nach der andern versteigert wurden, so die Sammlung Josef Daniel Böhms (1865), Friedrich J. Gsells (1872), A. R. v. Oelzelts (1878) und Theodor Eggers' (1888). Der größere
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Teil von Werken Pettenkoferis war und ist aber unzweifelhaft zu Partien von' je ein paar Stücken bei Privaten verzettelt, die gar nicht den Anspruch erheben, als Sammler zu gelten, sondern sich nur nach der schönen alten Sitte wohlhabenden Bürgertums ihre Wohnungen mit etlichen guten Bildern geschmückt haben. Das meiste dieser Art ist zweifelsohne wieder in Wien zu finden, manches aber be- gegnet auch im Ausland, sogar in Rußland und in Amerika.
- Diese Zerstreuung von Pettenkofens Werken im internationalen Privatbesitz bringt es aber mit sich, daß sie fortwährend hier und dort auf Auktionen auf- tauchen und daß bei dem Versuch, sie allesamt zu verzeichnen, diesen Auktionen und ihren Katalogen eine wichtige Rolle zufällt. Auktionskataloge sind als literarische Quellen natürlich recht zweifelhafter Natur, da sie zwischen der Erfüllung primi- tivster Geschäftsbedürfnisse und der höherer wissenschaftlicher Anforderungen aufs unerquicklichste hin- und herschwanken. Daß im allgemeinen die wissenschaftliche Brauchbarkeit der Auktionskataloge ständig wächst, kann gerade im Falle Petten- kofens mit Genugtuung festgestellt werden. Über die Schattenseiten eines Oeuvre- kataloges, der notgedrungen zum großen Teile auf Auktionskatalogen aufgebaut ist, verbreiten sich eingehender die Vorbemerkungen zum Verzeichnis der Werke. Daß dieses in den vom Unterrichtsministerium bis jetzt herausgegebenen Mono- graphien, sieht man von der kurzen Liste der Skulpturen Zauners ab, das erste ist, das der Verfasser selbst angelegt hat, darf hier wohl eingeschaltet werden.
Nicht so wichtig wie die Auktionen, aber immerhin von Bedeutung sind beim Studium der Werke Pettenkofens die Ausstellungen. Häufig sind sie ja nichts an- deres als Privatsammlungen, die eine Zeit lang der Öffentlichkeit zugänglich ge- macht werden. So ließen zu wiederholten Malen die Herren Lobmeyr, Franz Xaver Mayer der ältere, Franz Xaver Mayer der jüngere und Miller v. Aichholz ihre Pettenkofenschätze öffentlich sehen, und auf der Deutschböhmischen Ausstellung zu Reichenberg im Jahre 1906 stand zum erstenmal die Liebiegsche Sammlung der allgemeinen Besichtigung offen. Die Pettenkofen-Ausstellung, die noch in des Künstlers Todesjahr im Wiener Künstlerhaus veranstaltet wurde, lieferte zwar natur- gemäß kein vollständiges, aber immerhin ein anschauliches Bild seines Schaffens. Auch die Kataloge dieser Ausstellungen, fast durchwegs freilich für Forschungs- zwecke recht unpraktisch angelegt, sind gleichwohl nicht zu verachtende Behelfe.
Damit ist wohl über das Quellenmaterial alles Nötige gesagt. Den Denkmälern selbst haften Besonderheiten an, die namentlich der Katalogisierung nicht unerheb- liche Schwierigkeiten bereitet haben. Davon ist in den Vorbemerkungen zum Ver- zeichnis der Werke die Rede. Was nun die Darstellung anbelangt, so sei hier bloß auf folgendes etwas näher eingegangen. Hie und da mag es scheinen, als ob das ausführlich geschilderte Milieu in allzu losem Zusammenhang mit dem eigentlichen Thema, Pettenkofens Kunst und Leben, stünde und als ob das zeitgeschichtliche Beiwerk gerade dann besonders üppig wucherte, wenn die Haupthandlung selbst nur fadendünn dahinrieselt. Als Entschuldigung dafür kann bloß vorgebracht werden, daß sich die Darstellung zum Ziele gesetzt hat, den Künstler stets innerhalb seiher Zeit zu begreifen und daß diese, namentlich in Anbetracht von Pettenkofens Verschlossenheit und Zurückhaltung manchmal mehr von ihm zu sagen weiß als
er selbst. Daß der der Schilderung der Umwelt eingeräumte Platz im Verlauf der Darstellung immer enger wird, erklärt sich nicht nur daraus, daß in den siebziger und achtziger Jahren die Quellen zur Biographie reichlicher fließen, sondern auch daraus, daß uns Gegenwärtigen die ersten Jahrzehnte von Pettenkofens Leben eben doch beträchtlich fremder sind als die letzten. Daß es ferner Rücksichten äußerer Natur waren, die dazu gezwungen haben, gewisse Mitteilungen über den Menschen Pettenkofen, der nun einmal vom Künstler Pettenkofen nicht säuberlich zu trennen ist, in verschleierter Form vorzubringen, sei bloß nebenher erwähnt. Schließlich erheischt die Zeit, die wir durchleben und die namentlich unser Verhältnis zum Ausland von Grund auf umzuwandeln droht, im Hinblick auf gewisse fremden Ländern geltende Bemerkungen des vorliegenden Buches die Feststellung, daß sein Text bereits im Mai 1914 vollständig ausgedruckt war.
In den „Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst" (1873, I. Jg., Sp. 60) heißt es anläßlich einer in ihrem „Album" publizierten Radierung William Ungers nach Pettenkofens Ölbild, das ein auf dem Herd sitzendes Zigeunermädchen darstellt und heute dem Fürsten Johannes von und zu Liechtenstein gehört: „Über des Künstlers Leben und Bildungsgang schweigen wir auf seinen ausdrücklichen Wunsch, ,da sich über seine künstlerische Laufbahn nichts sagen ließe, was auch nur von einigem Interesse sein könnte.'" Ob mit diesen bescheidenen Worten der Künstler, ob mit seiner umfangreichen Darstellung der Autor Recht behält, darüber wird die Zukunft zu entscheiden haben.
Eine besondere Sorgfalt wurde auf die den Text begleitenden Abbildungen ver- wendet. Für ihre Auswahl waren selbstverständlich ebensowohl äußere wie innere Gründe maßgebend. Die abzubildenden Werke mußten nicht nur verhältnismäßig leicht zugänglich sein, sondern mußten sich auch möglichst zur Reproduktion eignen. Die Abbildungen sind, so weit es anging, in chronologischer Reihenfolge ange- ordnet und sie bemühen sich, der Vielseitigkeit von Pettenkofens Schaffen während aller Perioden gerecht zu werden. Prinzipiell ausgeschlossen wurden von der Re- produktion nur solche Arbeiten, die unter einem gewissen künstlerischen Mindest- maß bleiben. Hiebei wurde, wie gerne einbekannt sei, vielleicht sogar einmal das historische Interesse hinter den künstlerischen Geschmack zurückgestellt.
Im allgemeinen können die Abbildungen als wohlgelungen bezeichnet werden. Von den Klischees sind einige wenige ein bißchen zu schwer und dunkel ausge- fallen, z. B. die auf S. 125 und 151. Schuld daran ist das kreidefreie Textpapier, das nicht nur eine besondere Hefrichtung der Zinkstöcke erfordert, sondern auch deren Druck schwieriger als sonst gestaltet. Die geschilderten kleinen Mängel werden aber durch die Gediegenheit des Papiers reichlich aufgewogen. Bei den farbigen Autotypien war von den im Anfang bis zu den zuletzt angefertigten ein steter Fortschritt zu beobachten. Ein Dreifarbendruck wie der auf Tafel IL darf, zieht man die keineswegs unerhebliche Verkleinerung des Originals in Betracht, geradezu als tadellos angesprochen werden. Auch die farbigen Lichtdrucke sind, so vorzüglich sie im allgemeinen ausgefallen sind, nicht alle völlig gleichwertig. Das breite Aquarell auf Tafel XXXII ist z. B. durch den farbigen Lichtdruck weniger gut wiedergegeben als das zur selben Zeit, am selben Ort und in derselben Manier
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gemalte auf Tafel XXXI, dem die farbige Autotypie entschieden gerechter wurde. Auf Tafel XXXV herrscht, vergleicht man sie mit dem Original, der braune Ton unangenehm vor. Dagegen sind wieder die Aquarellstudien auf den Tafeln I, III und XVII durchaus einwandfrei wiedergekommen, und die Reproduktion des Öl- gemäldes auf Tafel XL ist so ausgezeichnet, daß, sieht man von dem besonders bei der farbigen Wiedergabe von Ölbildern störenden weißen Rand und vom mangelnden Relief der Ölfarben ab, die Nachbildung mit dem gleich großen Ori- ginal ganz leicht verwechselt werden könnte. Vortrefflich sind endlich auch die Heliogravüren, denen nur gelegentlich die berühmten Lüfte Pettenkofens (Tafel X, XX und XLIV) oder eine pastos gemalte, grell von der Sonne beschienene weiß- getünchte Hauswand (Tafel XXI) Hindernisse in den Weg gestellt haben, denen diese Reproduktionstechnik nicht völlig gewachsen war. Wie gut die Heliogravüren des Werkes sind, lehrt wohl am augenfälligsten ein Vergleich der Tafeln XXV und XXXVII mit den dieselben Bilder wiedergebenden keineswegs schlechten Helio- gravüren in dem oben zitierten Werk: Ein Jahrhundert österreichischer Malerei, 1800—1900. Zu den Heliogravüren auf Tafel XIII und XLII ist zu bemerken, daß sie nach fremden Photographien angefertigt wurden; der Heliogravüre nach dem „Duell in der Au" liegt eine Photographie zugrunde, die Herr Charles Sedelmeyer in Paris freundlichst zur Verfügung gestellt hat. Die photographischen Aufnahmen für die Tafeln XIV und XX wurden selbstverständlich nach den Originalen in Reichen- berg hergestellt, bei der Anfertigung der Heliogravüreplatten aber konnten die Urbilder nicht zu Rate gezogen werden. Bis auf die Reproduktion auf S. 55 wurden sämtliche Klischees nach Arbeiten Pettenkofens auf Grund photographischer Originalaufnahmen angefertigt, der genannten Autotypie diente eine alte noch aus des Künstlers Nach- laß stammende Photographie, die heute den Schwestern Müller gehört, zur Vorlage.
Zu Dank ist der Autor all den Personen verpflichtet, die es ihm gütigst gestattet haben, die in ihrem Besitz befindlichen Arbeiten Pettenkofens zum Zweck des vor- liegenden Werkes zu studieren. Unter ihnen stehen in erster Reihe diejenigen, die überdies ihre Bilder zur Reproduktion dargeliehen haben. Ihre Namen nennen die Titel der Abbildungen und die Verzeichnisse der Textillustrationen und Tafeln.
Dank schuldet der Autor, vor allem für Bildernachweise, den Freunden und Fach- genossen: Josef K. Beer in Budapest, E. W. Braun in Troppau, Artur Burda in Wien, Friedrich Dörnhöffer, früher in Wien, jetzt in München, Campbell Dodgson in London, Hermann Egger, früher in Wien, jetzt in Graz, Theodor v. Frimmel, Karl Giehlow (f), Gustav Glück, Leo Grünstein, F. M. Haberditzl in Wien, M. D. Henkel in Amsterdam, Hermann Julius Hermann, Karl M. Kuzmany (f), Camillo List in Wien, Simon Melier in Budapest, Gustav Pazaurek, früher in Reichenberg, jetzt in Stuttgart, Arthur E. Popham in London, Rudolf Schrey, früher in Wien, jetzt in Frankfurt a. M., Ernst Schwedeler-Meyer in Reichenberg, Robert Stiaßny in Wien, Wilhelm Suida, früher in Wien, jetzt in Graz, Zoltan Takäcs in Budapest, Hans Tietze, Alois Trost in Wien und Wilhelm R. Valen- tiner in New -York. Unter diesen gebührt besonderer Dank Herrn Direktor Meiler, der die Güte hatte, alle in Budapest gemachten photographischen Aufnahmen zu überwachen, und den beiden lieben Freunden Camillo List und Alois Trost; jener
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half dem Autor seine reichhaltige Sammlung von Auktionskatalogen auf Arbeiten Pettenkofens hin durchsehen, dieser unterstützte ihn bei der Durchsicht der Korrek- turen des Textes im Hinblick sowohl auf den Inhalt als auch auf die Form mit seinen wertvollen Ratschlägen.
Dank hat der Autor, zumeist aus demselben Grunde wie den Kollegen, auch folgenden Herren Kunsthändlern abzustatten: Guido Arnot, August und Dominik Artaria, Julius Eymer (in der Firma L. T. Neumann), Hugo Haberfeld (in der Firma H. O. Miethke), Rudolf Hirschler in Wien, Josef Schnell in Paris, Friedrich Schwarz, Ignaz Schwarz (in der Firma Gilhofer & Ranschburg) in Wien, Charles Sedelmeyer in Paris, Rudolf Töpfer (in der Firma G. Pisko), Alfred Wawra und C. J. Wawra (f ) in Wien. Unter diesen wieder gebührt den beiden Herren Artaria dafür besonderer Dank, daß sie auf die liebenswürdigste Weise dem Autor erlaubt haben, ihre reich- haltige und wohlgeordnete Sammlung von Auktionskatalogen durchzuarbeiten.
Zu besonderer Genugtuung gereicht es dem Autor auch, daß sich so viele Künstler werktätig für seine Arbeit interessiert haben und er folgenden Herren für mannigfaltige Unterstützung danken kann: Josef Berres Edlem v. Perez (f), Alfred Coßmann in Wien, Ludwig Deäk-!^bner in Budapest, Josef Engelhart in Wien, Theodor Ethofer (f) in Salzburg, Adolf Fönyes in Budapest, Cecil van Haanen in Venedig, Rudolf Konopa, Ludwig Michalek, Hans Ranzoni in Wien, Franz Ruhen in Venedig, Robert Ruß, Ferdinand Schmutzer in Wien, Damian Skutezky in Beszterczebänya, Toni v. Stadler in München, Max Suppantschitsch in Wien, Franz Ujhazy in Budapest.
Endlich obliegt dem Autor noch die traurige Pflicht, dankbar aller derjenigen zu gedenken, welche an seinem Werk Anteil genommen und es gefördert haben und nun nicht mehr unter den Lebenden weilen. Die große Anzahl dieser noch vor der Vollendung des Buches Dahingegangenen flößt dem Autor selbst einen leichten Schauder ein. Er ersieht daraus am deutlichsten, wie lange seine Arbeit gewährt, ein wie großes Stück seines Lebens er an sie gewendet hat. Wird mit der aufgewendeten Zeit und Mühe die Leistung im Einklang stehen? . . . Die Namen dieser Toten lauten: Vinzenz Graf Baillet de Latour, Josef Berres Edler v. Perez in Wien, Friedrich Ehrmann in Straßburg, Julius Elischer in Budapest, Theodor Ethofer in Salzburg, Karl Giehlow in Wien, Josef Freiherr v. Helfert in Klosterneuburg, Karl M. Kuzmany, Frau Leopoldine Mayer, geb. Stuhlberger, Amelie Müller, Luise Müller, Elise Pfahler, Ferdinand v. Saar, Robert v. Schneider in Wien, Louise Valade in Bischweiler im Elsaß, Heinrich Vonwill er, C. J. Wawra und Franz Wickhoff in Wien.
Wien, im September 1915. Arpad Weixlgärtner.
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ERSTES KAPITEL
WIEN 1822-1852
er Mann, dessen Leben und künstlerische Wirksamkeit im fol- genden geschildert werden soll, hat im Mai des Jahres 1822 das Licht der Welt erblickt. Im Mai des vorhergehenden Jahres stirbt auf St. Helena, nachdem er freilich schon sechs Jahre nicht mehr gelebt hat, Napoleon. 1820 gärt es in Spanien, 1821 findet in Laibach ein von der heiligen Allianz einberufener Kongreß statt, auf dem darüber beraten wird, wie die Auf- stände in Neapel und Piemont zu unterdrücken wären. Auf dem Laibacher Kongreß, dessen Hauptperson der Gegenspieler des Franzosenkaisers, Metternich, ist, wird der Grundsatz verkündet, „daß es den Fürsten allein zustehe, die Geschicke der Völker zu leiten und die zu diesem Zweck erforderlichen Maßnahmen zu treffen und zu ändern, und daß die Fürsten niemand außer Gott verantwortlich seien". Während aber noch der Laibacher Kongreß tagt, bricht der Griechenaufstand los. In Neapel und Piemont jedoch gelingt es österreichischen Truppen, die dort einrücken, das unumschränkte König- tum wieder herzustellen, und Metternich wird, als er von Laibach nach Wien zurückkehrt, vom Kaiser Franz zum Haus-, Hof- und Staatskanzler ernannt, eine Würde, die seit dem Ableben Kaunitz' nicht mehr besetzt gewesen war.
So gibt es Kriegsgetümmel und Volkserhebung, die beide der junge Pettenkofen ausgiebig miterleben und künstlerisch verwerten sollte, wie Zeichen der Zukunft schon zur Zeit, da seine Mutter mit ihm gesegnet war, und die Fäden, die Europas Geschicke lenken, laufen in jenen Tagen bedeutungsvoll nach der Stadt, wo seine Wiege steht.
Das höchste Lob, das dem Wien um das Jahr 1822 zu spenden ist, dürfte wohl von der Kunst in Anspruch genommen werden, die damals in köstlicher Mannigfaltigkeit und bewunderungswürdiger Fülle innerhalb seiner Mauern blühte. Der Musik, der Lieblingskunst der Wiener bis auf den heutigen Tag, gebührt da wie billig die erste Stelle. Noch lebte Beethoven, der aber die Neunte Sinfonie noch nicht geschrieben hatte. Schubert, dem gleichfalls noch in den Zwanziger- jahren des Jahrhunderts zu sterben bestimmt war, hatte „Die schöne Müllerin" noch nicht komponiert. 1823 schließt sich neunzehnjährig Johann Strauß dem Terzett an, das Josef Lanner mit den beiden Brüdern Drahanek gebildet hatte.
In der Oper wogte damals mit wechselndem Erfolg der Kampf zwischen der deutschen und der italienischen Partei, Rossini und Weber waren die Feldrufe. Die Höhe des Schauspiels ist durch Schreyvogels Wirksamkeit am Burgtheater bestimmt. Die Dichtkunst, die sich im vormärzlichen Wien so mächtig entfalten sollte, weist zu Beginn der zwanziger Jahre noch nicht viel mehr als Knospen auf. Immerhin hatte Grillparzer bereits „Die Ahnfrau" und „Sappho" geschrieben, und im März 1821 war sogar schon die Trilogie „Das goldene Vlies" zum erstenmal auf- geführt worden. Im selben Jahre war Bauernfeld mit seinem ersten Lustspiel „Der Magnetiseur" hervorgetreten. Zwei Jahre nachher dichtete Raimund sein erstes Stück, den „Barometermacher auf der Zauberinsel". Nestroy aber tritt in Petten- kofens Geburtsjahr als Sarastro zum erstenmal im Kärntnertortheater auf, und Lenau, wie Pettenkofen ein deutscher Künstler, der großenteils ungarischen Vorwürfen seinen Ruhm verdankt, übersiedelt im selben Jahre von Preßburg nach Ungarisch- Altenburg, um das Studium der Jura mit dem der Landwirtschaft zu vertauschen.
In der bildenden Kunst aber bedeutet die Zeit um Pettenkofens Geburt den Untergang des von Nazarenertum und Romantik und von der realistischen Historien- malerei verdrängten Empire. Dessen Vertreter in der Architektur, Nobile, stand zwar damals noch im rüstigen Mannesalter, und 1822 ward gerade an seinem charakteristischesten Wiener Werke, dem äußeren Burgtor, gebaut. Noch im selben Jahre starb aber Wiens hervorragendster Empirebildhauer Zauner, und Füger, der als Maler die höchste Blüte der Wiener Empirekunst darstellt, war bereits 1818 verschieden.
Die beste Übersicht über das Wiener Kunstschaffen zur Zeit, als Pettenkofen geboren wurde, gibt aber vielleicht die außerordentliche Ausstellung, die im Jahre 1822 in der „österreichisch-kaiserlichen Akademie der vereinigten bildenden Künste bei St. Anna" stattfand.
Füger, der „weiland Herr Direktor", wie es im Katalog heißt, macht noch im Tode seinen Einfluß geltend. Es sind nämlich seine von Seume auf seinem Spaziergang nach Syrakus so höchlich bewunderten Bilder zu Klopstocks Messiade ausgestellt. Fügers Schule ist noch durch Karl Peter Göbel, der ein Testament Jakobs, eine heilige Maria, aber auch Porträte ausgestellt hat, und durch Anton Petter vertreten, der sich freilich in seinem Bilde, das Maximilians I. Einzug in Gent darstellt, auch bereits vom klassischen Altertum entfernt. Von den Naza- renern waren auf der Ausstellung der im selben Jahre allzu jung verstorbene Scheffer von Leonhartshoff, Kupel wieser und Kadlik zu sehen. Scheffer hatte ein Brustbild der heiligen Katharina, eine Maria mit dem Kinde und eine Litho- graphie nach seiner heiligen Cäcilie, Kadlik das Ölgemälde „Ein Engel lehrt ein Kind beten" und Kupelwieser mehrere Bildnisse, unter denen das des Schubert- Sängers Vogl hervorstach, und den „Fischer" nach Goethe ausgestellt. Außer in dem letztgenannten Bilde kam die Romantik in Ludwig Schnorr von Carolsfelds „Erlkönig", einem Vorwurf, der in Wien mehr an Schubert als an Goethe er- innert, und in Fendis Bilde „Eginhard und Emma" zu Worte. Von Fendi, der in gewissem Sinne der Vater des Altwiener Sittenbildes genannt werden kann, sind auf der Ausstellung überdies bloß Landschaften und Kopien nach alten Meistern
Maler Leopold Brunner. Ölbild. 1840.
Wien, Gottfried und Hermann Eißler.
ZU sehen. Eine große Rolle spielt die realistische Historienmalerei. Ihr sind Karl Ruß' viel Raum beanspruchende und damals wenigstens großes Aufsehen er- regende „Darstellungen aus der Geschichte des österreichischen Kaiserhauses",
die eine gleichzeitige Kritik eine „rechte Hauskapelle der Natio- nalität" nennt, und Höchles „Einzug LI. K. K. Majestäten in Rom im Jahre 1819" zuzu- zählen. Die Richtung etlicher Landschaften Reinholds ist durch den Zusatz „ideal" im Katalog hinlänglich charakteri- siert. Naturalistischeres Bestre- ben verraten die zahlreichen Landschaften Vater Steinfelds, des malerischen Erschließers der österreichischen Alpenwelt. Ritter von Duviviers griechi- sche Landschaften hatten zu einer Zeit, da bereits der Griechenaufstand ausgebrochen war, sicherlich aktuelles Inter- esse. Auf der Ausstellung war aber auch, freilich ohne vor- erst besonders aufzufallen, der größte Landschafter des alten Wien, wenn nicht überhaupt dessen größter Maler vertreten: Waldmüller. Er war nach sieben Jahren fruchtlosen Umherirrens wieder in seine Vaterstadt zurückgekehrt, hatte mit der ihm eigenen Energie aufs neue von vorne angefangen und stellte nun zum erstenmal in Wien aus, und zwar eine Reihe von Bildnissen. Das Sittenbild, dem in der Wiener Malerei bald die führende Rolle zufallen sollte, scheint bloß durch zwei Bilder Jakob Gauermanns vertreten gewesen zu sein. Für die Zeit charakteristisch ist es, daß im Katalog der Aus- stellung Miniatur- und Pastellgemälden und sogar „gestickten Zeichnungen" ein eigener Platz eingeräumt ist. Unter den letzteren darf wohl ein von der Frau Gräfin Rosa B. Kaunitz angefertigtes Porträt Goethes nach Jagemann besonders hervorgehoben werden. Den damaligen Umfang Österreichs veranschaulichen Kunst- werke, die aus Venedig und Mailand eingesandt sind.
Diesem Überblick über die österreichische Malerei um das Jahr 1822 sei als Er- gänzung hinzugefügt, daß auf der Ausstellung bei St. Anna in Pettenkofens Geburts- jahr Peter Krafft fehlt. Der anonyme Berichterstatter über die Ausstellung in Hormayrs Archiv sagt von Kraffts beiden Bildern des in den Kampf ziehenden und heimkehrenden Landwehrmannes, daß sie eine „für Österreich unvergeßliche Epoche" herbeigeführt hätten, und bedauert lebhaft, daß die im Ausstellungsjahre von Krafft geschaffenen Gemälde „Rudolf von Habsburgs Begegnung mit dem Priester auf der Jagd" und „Manfred und der Alpenjäger" bei St. Anna vermißt
August Semeleder. Ölbild. 1840.
Wien, Friedrich Semeleder.
werden. Schließlich sei nur noch erwähnt, daß sich im Jahre 1822 der zweiundz wanzig- jährige Führich zwar bereits selbst gefunden hatte, aber noch in Prag weilte, und daß sich erst im Vorjahre der um vier Jahre jüngere Schwind ent- schlossen hatte, seine philoso- phischen Studien aufzugeben und Maler zu werden.
Wurde bisher versucht, in Kürze die geistige Atmosphäre von Pettenkofens Vaterstadt zur Zeit seiner Geburt zu schil- dern, so seien die folgenden Zeilen seinem Vaterhaus ge- widmet.
Der Name Pettenkoffer ist in Wien bereits im Jahre 1775 nachzuweisen. Da wird als Be- sitzerin des Hauses in der Fär- bergasse, das die Nummer 333 und das Schild „Zum roten Säbel" führte, Sebastian Ehr- harts Witwe, verehelichte Pettenkoffer, genannt. 1783 gehört dasselbe Haus einem Anton Pettenkoffer, 1787 einer Agnes Pettenkoffer.') Obwohl des Künstlers Vater Anton Pettenkoffer in Ungarn geboren war,") so darf vielleicht doch aus seinem Vornamen Anton geschlossen werden, daß die Eigentümer des Hauses in der Färbergasse seine Vorfahren sind. Von Anton Pettenkoffer wissen wir nicht viel. Er wird in den Urkunden als bürgerlicher Handelsmann und Grundbesitzer oder Großgrundbesitzer bezeichnet. Das Merkwürdigste, was von ihm bekannt ist, sind wohl die musikalischen Soireen, die in den Jahren 1819 bis 1821 bei ihm „unter den Tuchlauben" und „am Bauernmarkt" stattgefunden haben. Das Orchester dieser „musikalischen Abendunterhaltungen" oder „Akademien", von dem es gelegentlich heißt, daß es „vollständig besetzt" war oder daß es „dreißig bis vierzig Künstler zählte", bestand aus Dilettanten, die neben Werken von heute vollständig vergessenen Komponisten auch solche von Mozart, Haydn und Schubert „mit bewunderungswürdiger Präzision und zur allgemeinen Zufriedenheit" ihres „sehr gewählten Auditoriums" zur Aufführung brachten. Einmal soll sich sogar der Erzherzog Karl unter den Zuhörern befunden haben. Diese musikalischen Soireen begannen zum Beispiel im Jahre 1820 am 19. Oktober und fanden von da ab jeden zweiten Donnerstag statt. Sie sind für das damalige Wien, das ja förmlich in Musik schwamm, wo auf der Gasse wie im Salon mit gleicher Lust
Moriz Kreb. Ölbild. 1842.
Wien, Oberstleutnant Ladislaus von Benesch.
und gleichem Talent musiziert wurde, ungemein charakteristisch. Auf welche Weise Pettenkofens Vater an diesen Aufführungen eigentlich beteiligt war, ob er bloß gegen Entgelt einen Raum zur Verfügung stellte oder ob er Musiker und Zuhörer zu sich lud, geht aus der Quelle, dem Tagebuch Perths, dieses schreib- seligen Herrn „Adabei" (so nennt man in Wien jemand, der überall „auch dabei" gewesen sein muß) leider nicht deutlich hervor. Fast ließe die respektvolle Wen- dung „bey Herrn von Pettenkoffer" das letztere vermuten, sicherlich dürfen Musikliebhaberei und Gastfreundlichkeit als Eigenschaften Anton Pettenkoffers nicht ausgeschlossen werden.') Nach einer freilich wenig verläßlichen Quelle soll Anton Pettenkoffer, nachdem er sein Gut in Ungarn verwirtschaftet hatte, zwei- mal einen Haupttreffer gemacht, beide Male aber das gewonnene Geld wieder durchzubringen gewußt haben, unter anderem auch auf einer Reise nach Paris, auf die er Frau und Kinder, unter diesen auch den kleinen August, mitgenommen habe.O Sicher ist, daß nach seinem Tode am 14. Mai 1834 das freilich nicht allzu beträchtliche Vermögen, das die Frau in die Ehe mitgebracht hatte, nicht mehr vorhanden war. Die Hinterlassenschaft bestand aus dem gänzlich ver- wahrlosten und verschuldeten Gut Reiteben in Kärnten, das bereits 1819 auf dem Exekutionsweg gerichtlich geschätzt, und aus einem Mobiliarvermögen, das schon 1826 von der Frau mit gerichtlicher Pfändung belegt worden war. Das landtäfliche Gut Groß-Reiteben lag im Lavanttal, gehörte zum Klagenfurter Kreise, umfaßte über 114 Joch, war mit der Schankgerechtigkeit ausgestattet und hatte ein Hauptgebäude, das „Schloß" genannt wurde. 1819 hatte Anton Pettenkoffer Reiteben in öffentlicher Feilbietung erstanden, 1835, ein Jahr nach seinem Tode, mußte es abermals auf gerichtlichem Wege verlizitiert werden und aus der Summe, die es da eintrug, konnte nicht einmal der vierte Tabulargläubiger — es war der Wiener Kaufmann Franz Xaver Mayer, nachmals einer der engsten Freunde des Malers — befriedigt werden. In dem von der Witwe und dem Vormund der Kinder, Magistratsrat Josef Nespern, eingereichten Gesuch um Genehmigung der Einleitung der öffentlichen Feilbietung ist angegeben, daß die Familie des Ver- storbenen schon mehrere Jahre hindurch bloß durch die Güte des Vaters der Frau, des Hofrates Ferdinand Edeln von Nespern, erhalten wird: bei ihm wohne sie un- entgeltlich und von ihm empfange sie Kost, Kleidung und alles andere zum Leben Notwendige. Anton Pettenkoffer starb erst sechsund vierzig Jahre alt und zwar, wie die amtliche Eintragung lautet, an Luftröhren- und Lungenschwindsucht. Ein Porträt von ihm, aber nicht von des Sohnes Hand gemalt, befindet sich noch in Wiener Privatbesitz.^)
Ist das alles, was über den Vater bekannt ist, so weiß man noch viel weniger über die Mutter. Freilich über ihre Familie sind wir besser unterrichtet. Ihr Vater ist der 1787 von Josef II. geadelte Hofrat Ferdinand Edler von Nespern, der Vor- stand der Erbsteuer-Hofkommission war. Ihre Geschwister sind Ferdinand Edler von Nespern, 1835 k. k. Hofkonzipist, 1840 k. k. Feldkriegssekretär beim k. k. Hofkriegsrat, gestorben 1841; Karoline von Saar, die Mutter des Dichters Ferdi- nand von Saar, die 1840 als Privatierswitwe bezeichnet wird, und Barbara Mayer, die 1840 bereits verstorben war. Die Vormundschaft über die Kinder Anton Petten-
Des Künstlers Mutter (?). Ölbild. 1843.
Wien, Gottfried und Hermann Eißler.
koffers führten der Magistratsrat Josef Nespern, wohl ein Onkel der Frau väter- licherseits, und deren Bruder Ferdinand von Nespern, der Beamte beim Hofkriegs- rat. Des Künstlers Mutter hieß offiziell Anna Maria, unterschrieb sich aber Nina.
Sie hatte 1815 geheiratet und gebar ihrem Manne sechs Kinder, von denen ihn aber nur drei überlebten: eine Tochter Henriette (Antonia) und zwei Söhne, Ferdinand und August. Die Tochter starb bereits 1837,") nur den beiden Söhnen war eine längere Lebensdauer beschieden. Drei Mädchen, Karoline, Franziska und eine zweite Karoline, waren bereits 1822, 1828 und 1831 in kindlichem Alter ver- storben. ')
Von den sechs Kindern ist August Xaver Karl, der Maler, das vierte. Sein Bruder Ferdinand ist um zwei Jahre älter. August ist am 10. Mai 1822 geboren. Sein Taufpate war sein Großvater, der Hofrat Ferdinand Edler von Nespern.*")
1822 wohnten Pettenkofens Eltern im Hause Nr. 581 auf dem Bauernmarkt, 1828 im Hause Nr. 780 in der Wollzeile, 1831 im Hause Nr. 370 auf der Land- straße, im Todesjahr des Vaters 1834 im Hause Nr. 646 auf dem Haarmarkt. Es stand querüber zwischen der Rotenturmstraße und der Rabengasse und hieß im Volksmund „Zur großen Gans". Das dritte Stockwerk dieses Hauses umfaßte die Wohnung des Hofrates von Nespern, der nach dem Tode ihrer Männer seinen beiden Töchtern Anna Pettenkoffer und Karoline von Saar samt deren Kindern bei sich Unterkunft gewährte. So wuchsen der Maler August Pettenkofen und der Dichter Ferdinand von Saar als Knaben nebeneinander auf, doch fand wegen des gerade in der Kinderzeit beträchtlichen Altersunterschiedes von elf Jahren — um so viel war August älter als Ferdinand — kein inniger Verkehr zwischen ihnen statt. Nach dem Tode des Großvaters, der 1840 zweiundneunzigj ährig starb, trennten sich vollends die Lebenswege der beiden Vettern.")
August muß frühzeitig zeichnerisches Talent verraten haben, da er bereits am 8. November 1834, also noch im selben Jahre, in dem sein Vater verscheidet, und erst zwölf Jahre alt, in den Schülerlisten der Akademie zu St. Anna auftaucht. 1837 fängt er bei Professor Kupelwieser nach den Antiken zu zeichnen an und erhält da im Winter- und Sommerkurs des Jahres 1838 und ebenso im Winter- kurs des Jahres 1840 die Klassifikation Eins. 1839 besuchte er die „Schule der Historienmalerei". In der Schülerliste des Schuljahres 1849 — 50 erscheint er aber- mals. Hier ist in der Rubrik „Eintritt" irrtümlich das Jahr 1842 vermerkt. Gemeint ist wohl das Jahr 1843, in dessen Herbst Pettenkofen den Besuch der Akademie wieder aufgenommen haben kann. Vom Sommer 1841 an bis zum Sommer 1843 aber war er in Italien beim Militär. Im betreffenden Protokoll heißt es ferner, daß er von seinem Erwerb lebe und im Hause Nr. 27 auf der Laimgrube in Maria- hilf wohne.'*')
Was Pettenkofen von der Akademie auf seine Künstlerlaufbahn mitbekommen hat, das ist von ihm selbst in späten Jahren sehr gering veranschlagt worden. „Der akademische Unterricht ist der Ruin der Kunst", hat er einmal Dr. August Fournier in Paris als ersten und letzten Satz einer Theorie der Kunstlehre zu diktieren begonnen. Den W^erkstattunterricht des Meisters zog er der akademi- schen Lehrmethode weit vor.^') Jedenfalls war zur Zeit, als er die Akademie be- suchte, außer Danhauser, der 1838 bis 1844 Korrektor war, unter deren Lehrern niemand, der auf ihn einen gleichzeitig oder nachmals in seinen Werken irgend- wie spürbaren Einfluß ausgeübt hätte, und jedenfalls hielten seine Mutter und
sein Großvater oder sein Vormund das, was er an der Akademie zu lernen ver- mochte, für zu wenig, denn man schickte ihn bald zu Privatlehrern. Der erste dieser außerakademischen Lehrer Pettenkofens soll ein Italiener in der Leopold- stadt gewesen sein/') Mit diesem, von dem sonst gar nichts bekannt ist, wird das weiter unten zu besprechende Marienbild in Zusammenhang gebracht.
Dann lernte er bei Franz Eybl. Dessen Unterricht und Vorbild haben in seinem künstlerischen Werdegang deutliche Spuren hinterlassen. Eybl, der vorzügliche
Maler Eduard Kaiser. Lithographie. 1844.
Wien, K. k. Hofbibliothek.
Lithograph, der schon Mitte der zwanziger Jahre für die lithographische Anstalt Mansfeld & Co. gearbeitet hat, war es, bei dem Pettenkofen auf den Stein zeichnen lernte, eine künstlerische Betätigung, die im Mittelpunkt seiner ersten Entwick- lungsphase steht. Viele seiner frühesten Genrebilder lehnen sich unverkennbar an Eybls Art an, und besonders seine Porträte — er hat solche beinahe nur während seiner ersten Wiener Periode gemalt — verraten Eyblsche Beeinflussung. Ein anderes Moment aber wiegt, faßt man die Beziehungen Pettenkofens zu Eybl ins Auge, vielleicht noch schwerer: von Eybl, der zwar erst 1853 Kustos an der Gemäldegalerie des Belvederes wurde, sicherlich aber schon viel früher mit ihr in Verbindung stand, wird Pettenkofen die ehrfurchtsvolle Liebe zu den alten Mei-
Stern überkommen haben. Hat sie ihm Eybl vielleicht auch nicht eingepflanzt, so wird er, an der schö- nen reichen kaiserlichen Sammlung tätig, doch dem Schüler Gelegenheit ge- boten haben, jener Vereh- rung im jungen Herzen Raum zu geben. Schließ- lich dürfte ihn auch Eybl, der ein geschickter und gesuchter Bilderrestaura- tor war, in die Restaurier- technik eingeführt haben, eine Kenntnis, die er spä- ter zu verwerten Gelegen- heit haben sollte.")
Hat sich Pettenkofen als reifer Meister bitter dar- über beklagt, daß man ihm einen Eybl als Lehrer ge- geben habe,") so ist das nicht anders zu verstehen, als daß er, durch die Schule der großen Franzosen ge- gangen, die sauber und sorgsam ausführende Art der alten Wiener überhaupt verwarf und als deren für ihn verhängnisvollsten Ver- treter Eybl mit. Er ließ ja später nicht einmal Waldmüller gelten, als einen, der die Hand nicht rechtzeitig vom Bild zu nehmen wüßte.'"') Der strengste Kritiker seiner selbst, hat er auch anderer nicht geschont und, sich selber stetig weiterbildend, stand er nicht an, eigene Arbeiten einer überwundenen Epoche unbarmherzig herabzusetzen, gegebenenfalls auch einfach zu verleugnen. —
Das Jahr 1851 bedeutet für Pettenkofens künstlerischen Entwicklungsgang einen starken Einschnitt. Was er bis dahin geschaffen hat, findet in der Lithographie seinen besten und vollständigsten Ausdruck. Der Erörterung seiner übrigen Arbeiten jener Epoche wird daher die seines lithographischen Oeuvres, das übrigens mit dem Jahre 1851 als endgültig abgeschlossen erscheint, voranzugehen haben. Vor- her aber muß ein flüchtiger Blick auf den Stand der Lithographie zur Zeit, da Pettenkofen auf den Stein zu zeichnen begann, d. i. am Ende der dreißiger Jahre, geworfen werden.
Die Schwierigkeiten des Anfanges (man erinnere sich bloß der jahrelangen, fruchtlosen Bemühungen Senefelders, die Lithographie in Wien einzubürgern)
Marie Leigeb. Ölbild. 1845.
Wien, Familie R. von Decastello.
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waren längst überwunden. Von namhaften Künstlern wurde die Lithographie gepflegt, beim Publikum war sie beliebt, es gab rührige, unternehmungs- lustige lithographische Ver- leger und geschulte litho- graphische Drucker. Krie- hubers reiches Schaffen be- deutet die Blütezeit des Wiener lithographierten Porträts, die lithographier- te Landschaft hatten vor- nehmlich Steinfeld und Ja- kob Alt gefördert, nur in der lithographierten Histo- rie stand damals Wien, wo Johann Nepomuk Gei- ger noch nicht hervorge- treten war, hinter Prag, wo schon in den zwanziger Jahren Führich seine Bei- träge zur „Geschichte Böh- mens in Bildern" geliefert hatte, noch zurück.
Die älteste von Petten- kofen bekannte Lithogra- phie ist das vom Jahre 1837 datierte große Blatt in der Albertina: der Kopf eines dornengekrönten Christus in der Art Guido Renis. Es ist für einen fünfzehnjährigen Jungen immerhin eine ganz anerkennenswerte Leistung. Das Blatt mit den russischen Reitern, das eine Blei- stiftnotiz als lithographischen Versuch Pettenkofens unter der Leitung Eybls be- zeichnet, ist nur durch diese Notiz beglaubigt, die vermutlich von Emmerich Kann herrührt und daher nicht allzu ernst genommen zu werden braucht. Russische Soldaten haben in Wien erst 1849 interessiert, die schwache Arbeit scheint eher der Versuch eines Dilettanten aus dieser Zeit zu sein als eine Anfängerarbeit Pettenkofens, als die es dann natürlich um ungefähr ein Dutzend Jahre früher an- zusetzen wäre. Die beiden gleichfalls recht nichtssagenden Blätter mit dem erfolg- reich und erfolglos einschreitenden Schutzengel nach ganz schlechten Originalen des mit Scheffer von Leonhartshoff befreundeten Adam Brenner haben als Werke Pettenkofens wenigstens das Monogramm A. P. für sich. Diese beiden Litho- graphien, der Christuskopf in der Albertina und ein schon erwähntes und noch näher zu behandelndes Ölbild, das Bruststück einer heiligen Maria, wären die
Prokurist Strommer. Ölbild. 1845.
Wien, Franz Xaver Mayer.
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einzigen religiösen Vorwürfe, die sich im gesamten Oeuvre Pettenkofens finden, der einzige Zoll, den er, wenn man so will, dem Nazarenertum entrichtet hätte.
Bald nach den beiden Blättern, die vom Schutzengel erzählen, jedenfalls noch vor 1840, einem Jahre, von dem bereits etliche künstlerisch schon recht hoch- stehende Arbeiten Pettenkofens mit Sicherheit datiert werden können, dürften die bei Trentsensky erschienenen Mandlbogen, die den Gesamttitel „Der Krieg in plastischer Darstellung" führen, entstanden sein. Obgleich sich auf diesen 72 Bogen nicht nur einzelne Figuren, sondern auch ganze Figurengruppen wiederholen und die Arbeit daher kleiner ist, als die Zahl der Blätter annehmen läßt, so ist sie doch noch immer umfangreich genug. Pettenkofens Autorschaft ist sowohl durch eine Notiz auf dem einzigen dem Verfasser bekanntgewordenen Exemplar der Serie in der Wiener Hofbibliothek als auch durch den Stil verbürgt, der z. B. manche Verwandtschaft mit des Künstlers Illustrationen zu Dullers „Erzherzog Carl" zeigt, die freilich ungefähr um fünf Jahre jünger und demgemäß viel reifer und freier sind. Immerhin sind aber auch schon die Mandlbogen gar nicht üble mit der Feder auf den Stein gezeichnete Lithographien, die jedenfalls als Arbeit eines noch nicht Achtzehnjährigen alle Achtung verdienen. Dadurch, daß sie Petten- kofen, der bald nachher zum Militär ging, zum erstenmal als den Schilderer des Soldatenlebens zeigen, als der er in seiner vormärzlichen Periode vorwiegend er- scheint, kommt ihnen noch eine besondere Bedeutung zu.
Matthias Trentsensky war im alten Wien ungefähr das, was Martin Gerlach im heutigen ist. Wie dieser zuerst für seine „Allegorien und Embleme" und später für seine „Jugendbücherei" alles zu gewinnen wußte, was es in Österreich an illustratorischen Talenten gibt und gegeben hat, so verstand es auch Trentsensky, für seine Mandlbogen viele junge Künstler heranzuziehen, die sich nachmals einen Namen gemacht haben. Es seien außer Pettenkofen nur noch Schwind, Ranftl, Zampis und Loder genannt.
Der Mangel an datierten und datierbaren Lithographien der nächsten Zeit er- klärt sich daraus, daß Pettenkofen 1841 bis 1843 beim Militär war. Daß Petten- kofen überhaupt unter die Soldaten ging, ist bei einem gesunden jungen Men- schen, der überdies durch seine Verwandten mütterlicherseits Beziehungen zum Waffenhandwerk hatte und der sich auch aus den kleinen drückenden Verhält- nissen seines Daheim hinaussehnen mochte, nur allzu verständlich. Pettenkofen wurde am 16. Juni „als unobligater Regimentskadett und gegen Nachsicht des Erlages des Monturgeldes" zum Dragonerregiment König Ludwig von Bayern Nr. 2 assentiert.'") Dieses Regiment, das jetzige Husarenregiment Erzherzog Franz Salvator Nr. 15, war in den Jahren 1841 bis 1843 mit zwei Eskadronen in Padua, zweien in Vicenza, einer in Treviso und einer in Verona disloziert. Vom Jahre 1844 an stand es mit fünf Eskadronen in Mailand und einer in Pavia, der Stab befand sich 1841 bis 1843 in Padua, von 1844 an in Mailand. Petten- kofen diente vom Juni 1841 bis zum März 1843 bei der vom Oberstleutnant geführten zweiten Eskadron in Padua. In den Sommern der Jahr6 1841 und 1842 manövrierte seine Eskadron in Pordenone und in Sacile und in den Umge- bungen („Konkurrenzen", wie der militärische Ausdruck lautet) dieser beiden
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Orte. Zu Beginn des Jahres 1843 lag er, an Skrofeln erkrankt, zwei Monate im Paduaner Militär spital. Am 25. März dieses Jahres erhielt er, noch immer mit der Charge eines Regimentskadetten, als „Real-Invalide" seinen Abschied.") Das mag dem jungen Menschen nah genug gegangen sein. Jedenfalls aber hat er schon beim Militär und im Alter von neunzehn bis einundzwanzig Jahren jenen Teil Italiens
Kinder, mit einer Maus spielend. Aquarell. 1845.
Wien, Kunsthistorisches Hofmuseum.
kennen gelernt, der später den reifen Mann immer wieder anziehen sollte : Venedig und die terra ferma. Sicher wird er in den dienstfreien Stunden auch ein wenig gezeichnet, skizziert haben, wenngleich sich bis auf ein in Öl gemaltes Bildnis, von dem weiter unten noch gesprochen werden soll, nichts aus jener Zeit er- halten zu haben scheint. Und ebenso sicher wird er an den Kunstschätzen der Vergangenheit nicht stumpfen Auges vorübergegangen sein. Den stärkeren und rascher in die Erscheinung tretenden Eindruck machte aber jedenfalls die leben-
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dige Gegenwart, seine buntbewegte soldatische Umgebung auf ihn. Sie scheint ihn erst so recht zum Maler gemacht oder doch auf ein Gebiet hingeführt zu haben, auf dem ihm als Künstler die ersten Lorbeeren wachsen sollten.
Das erste Werk aber, das er schuf, nachdem er die militärische Laufbahn auf- gegeben, und in die Heimat wieder zurückgekehrt war, ist gegenständlich wenig- stens gerade ein Widerspiel zum Kriegertum. Es ist die „Heilige Wegzehrung", eine künstlerisch nicht allzu hervorragende Lithographie. Sie ist darum fast mit Bestimmtheit in das Jahr 1843 anzusetzen, weil sämtliche drei übrigen Blätter der Lieferung des Albums, der sie beigegeben ist, die Jahreszahl 1843 tragen.
Da sie in zwei Fassungen existiert, hat sie unberechtigterweise Anlaß zu einer jener Sammler- und Kunsthändlergeschichten gegeben, die von der bösen Zensur handeln. Das Blatt interessiert durch seine Mischtechnik: Kreide, Feder und Ton mit ausgespartem Weiß. Noch mehr aber durch die Gesellschaft, in der es sich in dem von H. F. Müller verlegten und von Johann Rauh gedruckten „Album der Künstler Wiens in eigenhändigen Zeichnungen" befindet. Es enthält Beiträge nicht nur von fast allen Wiener Lithographen jener Tage, sondern auch von ein paar Künstlern, die sonst nicht die lithographische Kreide zu handhaben pflegten. Frei- lich zeichnen sich die meisten Mitarbeiter, darunter selbst die klangreichsten Namen noch recht wenig aus. Schuld daran mag vor allem die ungewohnte, unerprobte Technik sein. Unter den bekannten Künstlern finden sich Karl Agricola, Friedrich Wilhelm L'AUemand, Leander Ruß, Eduard Ritter, Ludwig Schnorr, Siegmund Perger, W^ilhelm Rieder, Eduard Ender, L. Brunner, Karl Göbel, Johann Ranftl, Rudolf Alt, Ferdinand Waldmüller, Friedrich Gauermann, Josef Höger, Albert Decker, Josef Heicke und Franz Eybl, zu dessen Namen bemerkt sei, daß er hier zum erstenmal in Verbindung mit dem Pettenkofens vorkommt.
Entwicklungsgeschichtlich wichtiger und als Lithographien bereits vorzügliche Leistungen sind die vier Blätter nach Karl Schindler, drei nach Gemälden: „Die Zeitungsnachricht", „Der Marsch" und „Der Rekrut"; eines, ein Tableau, anschei- nend nach Pinsel- und Federzeichnungen: „K. k. österreichische Armee, Nr. 2".") Da das eine von den beiden dem Autor zu Gesicht gekommenen Originalgemälden Schindlers, „Der Marsch", 1840, das andere, „Der Rekrut", 1841 datiert ist und die vierte Lithographie 1845 das „Excudatur" erhalten hat, so werden alle vier Blätter zwischen 1843, dem Jahre, in dem Pettenkofen vom Militär zurückkehrte, und 1845 anzusetzen sein, infolge der künstlerischen Höhe, die besonders die Lithographien nach dem „Marsch" und nach dem „Rekruten" bereits einnehmen, eher näher 1845 als 1843. Das würde bereits nach dem Tode Karl Schindlers sein. Ob dann die vier reproduzierenden Lithographien — wir werden noch ein paar solche unter den Frühwerken Pettenkofens kennen lernen — als Akte der Pietät gegen einen frühverstorbenen Freund oder einfach als Brotarbeiten, Kunst- händlerbestellungen aufzufassen wären, muß dahingestellt bleiben.
Karl Schindler, das Meteor der Altwiener Genremalerei, ist, erst zwanzig Jahre alt, bereits 1842 gestorben, ^") nachdem er zahlreiche Aquarelle, Ölbilder und Zeichnungen und darunter W^erke von ganz außerordentlichen künstlerischen Eigenschaften ge- schaffen und auf seine Zeitgenossen einen ungemeinen Einfluß ausgeübt hatte.
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Die Bedenklichkeit. Lithographie. 1845.
Wien, K. k. Hofbibliothek.
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Sein Vorbild ist zweifellos Peter Fendi gewesen, der zwar mit ihm im selben Jahre der Welt Ade sagen mußte, dem aber der Lebensfaden doch um sechsundzwanzig Jahre länger gesponnen war.
Johann Peter Krafft hatte schon 1813, also im Jahre der Völkerschlacht bei Leipzig, lebensgroß und klassizistisch genug den „Abschied" und sieben Jahre später die „Heimkehr des Landwehrmannes" gemalt und so den Beweis erbracht, daß die großen Kriegsereignisse der Gegenwart nicht bloß in den Taten der Fürsten und Feldherren, in Schlachten und Friedensschlüssen, sondern auch in den Erleb- nissen des die Waffen tragenden Bürgersmannes malerischer Darstellung wert seien. Fendi aber und vor allem der Jüngling Karl Schindler hatten, Vertreter einer
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Die Österreicher rücken in Teiningen ein. Lithographie aus Dullers „Erzherzog Carl". (S. 300.) 1845.
jüngeren Epoche, im kleinen Format das Genremäßige, das Anekdotische des Soldatenlebens zu schildern begonnen und damit die jungen Maler auf ein Gebiet gewiesen, das ebenso ergiebig wie beim Publikum beliebt war, konnte man sich doch in der kurzen Friedenszeit zwischen dem Wiener Kongreß und der Erhebung Italiens und Ungarns mit Behagen der unblutigen und heiteren Seite des Kriegs- spieles erfreuen.
Aber nicht nur im Format, in der Wahl und der Auffassung des Themas waren Fendi und Karl Schindler vorbildlich, sondern auch in der von ihnen mit Vorliebe geübten Technik der Aquarellmalerei und darin sogar in der Art, wie sie z. B. eine Farbe vom Dunkeln ins Helle rasch ausklingen ließen.
Mit Karl Schindler wird Pettenkofen von der Akademie her bekannt gewesen sein. Jener war am 23. Juli 1836 fünfzehnjährig eingetreten. Freilich hatte es auch ihn nicht lange bei St. Anna gelitten, denn in den akademischen Akten^") ist unter
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dem 4. Februar 1837 schon wieder sein Austritt verzeichnet. Daß auf Pettenkofen die ungewöhnliche Begabung und Produktivität des nur um ein Jahr älteren Kollegen von nachhaltigem Eindruck war, ist wohl nicht bloß daraus zu erschließen, daß er nach ihm lithographierte, sondern läßt sich auch damit belegen, daß er in einer gewissen Art, mit der Feder auf den Stein zu zeichnen, offenbar von ihm abhängig erscheint. Die Illustrationen zum „Erzherzog Carl" und die Randbilder der von Leykum verlegten Folge „K. k. österreichisches Militär" zeigen dies am deutlichsten.
Vom Jahre 1844 datiert ist das früheste Porträt, das Pettenkofen lithographiert hat. Das Blatt ist übrigens nur in einem Exemplar vor aller Schrift in der
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Erzherzog Karl in der Schlacht bei Schliengen. Lithographie aus DuUers „Erzherzog Carl". (S. 345.) 1845.
Hofbibliothek erhalten und gibt sich so deutlich als ein Versuch, bei dem es sein Bewenden hatte. Es stellt im Brustbild den Maler und Lithographen Eduard Kaiser dar und ist eine vorzügliche Arbeit. Mit Kaiser wird Pettenkofen gleichfalls von St. Anna her bekannt gewesen sein. Jedenfalls hat jener 1840 dort den Kurs für historische Zeichenkunst besucht.^') Auch späterhin scheint Pettenkofen mit Kaiser verkehrt zu haben, wenigstens findet sich in Pettenkofens schriftlichem Nachlaß in den Jahren 1875 bis 1883 fünfmal dessen Adresse notiert und zwar in Rom, Verona und Paris. Einmal ist er als Aquarellmaler, einmal als Peintre de la Societe Arundel bezeichnet. Zusammen mit Kaiser hat er in den nächsten beiden Jahren an der Illustration von DuUers „Erzherzog Carl" gearbeitet. Der Excudatur -Vermerk auf einem von ihnen erlaubt es, drei humoristische Blätter: die „Rast", den „Rück- halt" und die „Bedenklichkeit" in das Jahr 1845 anzusetzen. Die lustigen Vorgänge
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sind drastisch geschildert, und auch rein künstlerisch genommen sind die drei Lithographien reife, geschlossene Leistungen. Sie eröffnen die Reihe von Petten- kofens humoristisch-satirischen Steinzeichnungen.
Demselben Jahre gehört das Huldigungsblatt auf den Palatin Josef an. Wenn auch Pettenkofens künstlerischer Anteil an dem Blatte nicht sehr hervorragend ist, so ist es doch darum interessant, weil es einerseits von Pettenkofen im Verein mit Franz Eybl nach Johann Nepomuk Geigers Entwurf (von Eybl das Porträt, von Pettenkofen die figurale Umrahmung) auf Stein gezeichnet und anderseits die erste Arbeit Pettenkofens ist, die eine Beziehung zu Ungarn aufweist. Eybl, der besonders im Jahre 1842 für Josef Wagner in Pest viele Bildnisse ungarischer Zelebritäten lithographierte, dürfte diesen Faden geknüpft haben.
1845 begann aber Pettenkofen auch noch eine andere Arbeit, die unstreitig zu den besten seiner Frühzeit gehört. Es ist sein Anteil an den Illustrationen von Eduard Dullers „Erzherzog Carl von Österreich", der seit diesem Jahre lieferungs- weise bei Kaulfuß' Witwe, Prandel & Co. in Wien und bei Gustav Heckenast in Budapest erschien. 1847 lag das Werk vollendet vor. Neben der gewöhnlichen Ausgabe in einem Bande gibt es auch noch eine auf besseres Papier gedruckte zweibändige, die sich aber sonst in nichts von jener unterscheidet.
Dieses schöne illustrierte Buch ward noch bei Lebzeiten Erzherzog Karls, des Siegers von Aspern, in Angriff genommen und noch in dessen Todesjahr und am Ende jener kurzen Friedensperiode vollendet, in der man sich in Österreich mit Stolz dessen erinnern durfte, was die eigenen Waffen dazu beigetragen hatten. Das Buch mag vielleicht in gewisser Hinsicht durch die Kugler-Menzelsche Ge- schichte Friedrichs des Großen angeregt worden sein, die bereits 1840 erschienen war und allerdings dem „Erzherzog Carl", textlich und illustrativ genommen, über- legen ist. Der Autor des Werkes war eine vielgewandte Persönlichkeit und be- tätigte sich nicht nur als Historiker, sondern auch als Dichter und zuletzt sogar als deutsch-katholischer Prediger. Für die Illustrationen des „Erzherzog Carl" aber war eine Elite österreichischer Künstler aufgeboten, unter denen Pettenkofen bereits eine erste Stelle einnimmt. Peter Johann Nepomuk Geiger, Eduard Engerth, Fritz TAUemand, Wilhelm August Rieder, Eduard Kaiser, Moriz Schwind, von geringeren Namen zu schweigen, sind am illustrativen Schmuck des Werkes be- teiligt.
Auf dem Gebiete der österreichischen Buchillustration ist der „Erzherzog Carl" das Gegenstück zu den 1839 und 1842 erschienenen Werken : Die Nachfolge Christi von Thomas a Kempis, übersetzt von Guido Görres, und die Legenden der Heiligen, in Verse gebracht von Ladislaus Pyrker. Diese W^erke sind mit Illustra- tionen nach Zeichnungen von Edward Steinle einerseits und von Josef Führich, Franz Dobiaschofsky, Leopold Scholz(?), Karl Geiger, Eduard Schaller und Oswald Steinböcke?) anderseits geschmückt. Können die Illustratoren der zwei religiösen Bücher als Vertreter der österreichischen Nazarener aufgefaßt werden, so darf man in den Abbildungen des „Erzherzog Carl" die realistische Historienmalerei des damaligen Österreich repräsentiert sehen. Die Nachfolge Christi und die Heiligen- legenden sind mit reproduzierenden Holzschnitten Blasius Höfeis, der in Österreich
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den Linienholzschnitt zu neuem Leben erweckt hat, und seiner Schule ausgestattet, während die Illustrationen des „Erzherzog Carl" Schöpfungen der Lithographie sind, dieser von Höfel bis aufs Messer befehdeten graphischen Technik. Was die Verwendbarkeit als Buchillustration anbelangt, sollte nicht nur für die damalige Zeit der Holzschnitt den Sieg über die Lithographie davontragen, hauptsächlich wohl aus einem praktischen Grunde : der Holzstock kann nämlich zugleich mit dem Typensatz durch die Presse gehen, eine Lithographie im Text aber verlangt einen doppelten Druck.
Verwundung des Grafen CoUoredo. Lithographie zu DuUers „Erzherzog Carl". 1846. Im Buche nicht verwendeter Probedruck.
Wien, Dr. Hans Peitler jun.
Sämtliche Lithographien im „Erzherzog Carl" sind Federzeichnungen, auch die Pettenkofens. Ob diese Federzeichnungen freilich von den Künstlern unmittelbar auf den Stein oder auf Papier gezeichnet und von diesem erst mittels Umdruckes auf den Stein übertragen worden sind, läßt sich heute wohl kaum mehr mit Sicherheit feststellen. In diesen mit der Feder gezeichneten Lithographien hat be- sonders Johann Nepomuk Geiger geglänzt, am außerordentlichsten sind vielleicht seine auf die angegebene Weise geschaffenen Illustrationen zu Anton Zieglers „Memorabilien". Wir sehen im „Erzherzog Carl" Pettenkofen schon zum zweiten Male gemeinschaftlich mit Geiger arbeiten, einem ganz ungewöhnlich sicheren und geschmackvollen Zeichner und Illustrator, dem z. B. Hevesi in seiner „Öster- reichischen Kunst des 19. Jahrhunderts" durchaus nicht gerecht wird.-^ Litho-
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graphien, die lediglich mit der Feder auf Stein gezeichnet sind, hat Pettenkofen nur zweimal geschaffen: in den Mandlbogen und eben im „Erzherzog Carl". Hier ist er vielleicht insoferne von Geiger abhängig, als dieser als der anfängliche Haupt- illustrator des Werkes vermutlich ausschlaggebend für die Wahl der Technik ge- wesen sein und möglicherweise auch Pettenkofen als Mitarbeiter in Vorschlag ge- bracht haben wird.
Doch sind Pettenkofens Federzeichnungen von denen Geigers prinzipiell ver- schieden. Auf die virtuose Schraffierung Geigers, die dessen Lithographien gar so kupferstichmäßig kühl erscheinen läßt, verzichtet Pettenkofen von vorneherein, seine Steinzeichnungen erinnern eher an Radierungen, sind unruhiger, vor allem ungemein lebendig. Unter Pettenkofens Illustrationen zum „Erzherzog Carl" sind seine frischesten Kompositionen zu suchen. Jedenfalls hat er nie mehr so bewegt, so feurig geschildert.
Probedrucken zu den Lithographien im „Erzherzog Carl" im Besitze des Herrn Dr. Hans Peitler jun. in Wien kommt darum eine besondere Bedeutung zu, weil sie, zum Teil mit Zensurvermerken versehen, es ermöglichen, Pettenkofens Arbeit für das Werk in die Zeit vom Juni 1845 bis zum Juni 1846 zu datieren, und weil sich überdies unter ihnen nicht weniger als fünf sonst nicht erhaltene und nicht bekannte Originallithographien Pettenkofens finden, die in das Buch gar nicht oder nur als Kopien von anderer Hand (wahrscheinlich der Eduard Kaisers) aufge- nommen worden sind.^^)
Eine recht unbedeutende Arbeit des Jahres 1846, ein Doppelblatt mit öster- reichischem Militär des XVIII. Jahrhunderts sei darum genannt, weil es einen — den ersten und letzten — Versuch Pettenkofens in der farbigen Lithographie dar- stellt und ihn wie im „Erzherzog Carl" mit der Tracht der Vorzeit beschäftigt zeigt.
Den Jahren 1846 und 1847 gehören Pettenkofens lithographische Beiträge zu der von Friedrich Kaiser redigierten und bei Johann Höfelich verlegten humoristischen Zeitschrift „Der Kobold" an. Kaiser, der sich nicht nur als unglaublich fruchtbarer Volksdichter, sondern auch als Schauspieler und als Karikaturenzeichner betätigte, war der Gründer der älteren „Concordia", eines aus Dichtern und Künstlern be- stehenden Vereines, der die Fortsetzung der „Ludlamshöhle" war. Öhlenschläger und Meyerbeer waren Gäste dieser „Concordia", die 1844 auch, als Grillparzer und ganz Österreich bei der Verleihung des preußischen Ordens „Pour le merite" über- gangen worden waren, des Dichters Geburtstag mit demonstrativer Feierlichkeit begieng. Durch Kaiser hätte Pettenkofen mit allen Geistesgrößen des damaligen Wien bekannt werden können. Pettenkofens Lithographien zum „Kobold" sind gut, wenngleich keineswegs besonders hervorragend. Neben S. Schiller ist Anton Zampis zum ersten Male sein Mitarbeiter. Die Witze sind noch völlig unpolitisch und für den heutigen Geschmack äußerst harmlos. Das Theater spielt, bezeichnend für jene theatralische Glanzzeit Wiens, eine große Rolle. In einem von Pettenkofens Blättern spiegelt sich der kolossale Zudrang zur Premiere von Mey erbeers „Vielka" wieder, in einem zweiten ein anderes wichtiges Zeitereignis: die klinische Ver- wendung des Schwefeläthers.
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Die Horcher. Ölbild. 1846.
Wien, Franz Xaver Mayer.
Meyerbeers Oper „Vielka" wurde mit Jenny Lind in der Titelrolle und Staudigl als Saldorf am 18. Februar 1847 im Theater an der Wien zum ersten Male aufge- führt. Es war das bedeutendste musikalische Ereignis des Jahres. Daß die Ein- atmung der Dämpfe des Schwefeläthers in einen Zustand der Empfindungslosigkeit versetzt, hatte 1846 Jackson in Boston entdeckt. Zu Beginn des nächsten Jahres wurde in Wien von Schuh die erste Operation mit Äthernarkose vorgenommen, die überhaupt in den Ländern deutscher Zunge stattgefunden hat.
Von geringer Bedeutung sind auch Pettenkofens drei Lithographien für den „Staberl als Kalendermacher", einen illustrierten Zeitspiegel — illustrierten Bilder- spiegel nennt er sich merkwürdigerweise selbst — , der bei Johann Höfelich erschien. Außer Pettenkofen seien noch Anton Zampis, Eduard Swoboda und Friedrich Treml als künstlerische Mitarbeiter genannt.
1847 hat Pettenkofen ein erst 1848 erschienenes Blatt „Wiener Bürgerkavallerie" und die 24 Blätter der Folge „K. k. österreichisches Militär", die bei Alois Leykum gedruckt und verlegt ist, auf Stein gezeichnet. Während die erstere Lithographie
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die Reproduktion eines Entwurfes von Leutnant Karl Most ist, sind die letzteren Originalarbeiten. Das Werk, zu dem sie sich zusammenschließen, ist Erzherzog Albrecht gewidmet, der damals kommandierender General in Ober- und Nieder- österreich war. Jedes Blatt hat in der Mitte eine Hauptdarstellung und rechts und links je drei Nebendarstellungen, eine siebente unten und oben W^appen oder Embleme. Die Lithographien sind gut, aber ein bißchen trocken, wofür gewiß auch das Thema, das ja im wesentlichen aus möglichst getreu wiederzugebenden Uni- formen bestand, verantwortlich gemacht werden muß — an Menzels mit der Feder auf den Stein gezeichnete fridericianische Soldaten, gleichfalls Uniformierungs- studien, darf man freilich nicht denken. Naturgemäß sind die Nebenszenen, in denen sich der Künstler freier bewegen konnte, viel frischer, lebendiger, häufig vorzüglich. Hinsichtlich der Technik ist zu bemerken, daß Pettenkofen hier nicht nur mit der Kreide, der Feder und dem das Weiß aussparenden Ton, sondern auch mit der Nadel gearbeitet hat.
Einerseits wegen dieses auch auf ihr vorkommenden technischen Details und anderseits, weil ihr ihr harmlos-lustiger Inhalt unter den politisch-satirischen und kriegerischen Darstellungen der nächsten Zeit keinen Raum gönnt, wird die Litho- graphie „Der Einzug des Frühlings" am besten hier einzureihen sein. Es ist ein ungewöhnlich hübsches Blatt, schon darum der Beachtung wert, weil es unter Pettenkofens Arbeiten in seiner naturalistisch-allegorischen Art einzig dasteht. Es ist „S. Mayer" signiert, verrät sich aber, ganz abgesehen davon, daß es einen Künstler dieses Namens im damaligen Wien nicht gibt,^^) und sich Pettenkofen zu jener Zeit gerne hinter Pseudonymen verbirgt, durch seinen ausgeprägten Stil als Arbeit Pettenkofens.
Die nächsten Lithographien Pettenkofens fallen bereits in das Jahr 1848 und geben — sie sind gerade in diesem Jahre nicht nur großenteils vorzüglich, sondern auch sehr zahlreich — ein ungemein interessantes Bild der bewegten Zeit.
Den Reigen eröffnen Pettenkofens Beiträge zu den humoristisch-satirischen Blättern, die bei dem „k. k. Hof-Lithographen" Alois Leykum verlegt und unter dem Namen „Wiener Bilder" bekannt sind. Sie scheinen in sieben Serien zu je sechs Blatt ausgegeben worden zu sein und sind nicht nur von Pettenkofen, son- dern auch von Zampis lithographiert. Zwei von den 42 Nummern, die die ganze Publikation umfaßt haben muß, sind dem Autor nicht bekannt geworden. Die Blätter selbst entbehren häufig jedes Titels, stets aber ist die Serie römisch und das Blatt arabisch numeriert. Anfänglich sind die Scherze ganz unpolitisch und von der harm- losen, gutmütigen Art derer im „Kobold". Allen Texten muß ein ganz vorzüglich getroffener und bis in die phonetische Schreibweise hinein treu festgehaltener Wiener Lokalton nachgerühmt werden. Von der vierten Serie an, in der bereits — aller- dings erst in einer zweiten Auflage, scheint es — die Hälfte der Blätter den viel- sagenden Titel „März 1848" trägt, schleichen sich in die Spaße politische Anspie- lungen ein, die freilich nach heutigen Begriffen, etwa mit den blutigen Witzen des „Simplicissimus" verglichen, noch immer zahm genug sind. Während beispiels- halber zuerst etwa eine lustige Proletariergesellschaft mit den Worten eines popu- lären Gassenhauers feststellt: „Auf der Welt, auf der Welt — haben die Herren
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Die Rüstung der Vorfahren.
Lithographie zum „Kobold". 1846.
a ka Geld", oder ein Mädel, das Sonntag „auf die Redoute muß", darüber ent- setzt ist, daß Samstag das Versatzamt geschlossen ist, oder ein kleiner Ministrant seinem Freunde, einem Kappelbuben (Kappel- oder Strichbub hieß im alten Wien,
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was im Wien unserer Tage als Plattenbruder bezeichnet wird), der stolz vor ihm seine Harmonika ertönen läßt, verspricht, ihn dann zwölf Uhr läuten zu lassen, wenn er ihm jetzt ein bißchen auf seinem Instrument zu spielen erlaube, erklärt zum Beispiel nachher, als die ereignisvollen Märztage vorüber sind, ein Bäcker- meister einer Köchin, die ihm einen bereits stark aufgelaufenen Gugelhupf bringt, damit er ihn schnell einschieße: „Das geht nicht so leicht, wenn was im Auflaufen ist, muß man mit dem Schießen sehr vorsichtig sein, sonst ist gleich die ganze Geschichte verdalkt," oder remonstriert ein Schuljunge gegen seinen Lehrer, der ihn wegen Schwätzens draußen stehen lassen will: es gäbe jetzt nicht nur Lehr- sondern auch Redefreiheit, oder vertröstet unter dem Titel „Gute Hoffnung" ein Liguorianer ein heulendes Mädel auf die baldige Aufhebung des Zölibates. Man kann sich nicht genug tun, Schlagwörter der Zeit wie Bewegung, Konstitution, Gleichgewicht u. a. doppelsinnig zu verwenden, Studenten und Nationalgardisten spielen große Rollen, die Polizei wird ausgelacht, behutsam wird an die Berliner Revo- lution gerührt, ein Scherzwort gilt der Aufhebung der Zensur. Seit den Oktobertagen kommt aber auch die Reaktion humorvoll zu Wort: Szeressaner, die berüchtigten Rotmäntler des Jellacic, treten auf, die Weldensche Standrechtspublikation gibt Anlaß zu Scherzen, unter anderem über die Zeughausplünderung und den von einem jüdischen Händler beabsichtigten Verkauf dabei erbeuteter Waffen an die ungarischen Rebellen, schließlich finden sich die Truppenaushebungen behufs Unter- drückung des Aufstandes in Italien schalkhaft registriert.
Die Lithographien gehören zum Teil zu den flottesten, die Pettenkofen ge- schaffen hat. Es ist, als ob sich die Unruhe, die Erregtheit der Zeit auch den Zeichnern mitgeteilt hätte. Denn auch Zampis wächst gleichsam über sich selbst hinaus, er schließt sich im Stil so geschickt und eng Pettenkofen an, daß es sich heute bei manchem Blatt durchaus nicht mehr entscheiden läßt, wer von den beiden es geschaffen hat. Auf vielen Steinen werden sicherlich alle zwei tätig ge- wesen sein. Signaturen fehlen oft ganz oder sie sind pseudonym. Aber gerade die sicheren Blätter Pettenkofens sind voll prickelnden Lebens, voll französischen Reizes und Geistes. Nicht nur in der souverän beherrschten Mischtechnik und der Art, wie eine Komposition in einem einzigen Zuge auf den Stein gebracht ist, sondern auch z. B. in dem bestrickenden Frauenduft, den hier alle die vollen fri- schen Körperlichkeiten seiner weiblichen Gestalten aushauchen. Wirklich zeigt sich hier Pettenkofen ganz ungemein von dem genialen Gavarni beeinflußt, dessen fabelhafte Blüte ja um die Wende der dreißiger auf die vierziger Jahre anzusetzen ist. In den Folgen „Les Actrices", „Les Etudiants de Paris", „Baliverneries pari- siennes", „Le Dimanche", „L'Eloquence de la chair", finden sich Blätter, neben denen sich einige Pettenkofens geradezu wie freie Kopien darnach ausnehmen.
Bei Johann Höfelich verlegt ist eine andere Serie von Blättern, die mit satiri- schen Darstellungen die Ereignisse des Jahres 1848 begleiten und unter deren Künstlern Pettenkofen abermals die erste Stelle einnimmt. Doch wirkt diese Folge, die den Titel „Bewegung" führt, künstlerisch und als Ganzes genommen, lange nicht so erfreulich wie die vorhergehende, bei der durch die Fähigkeit von Zampis, sich in Pettenkofens Stil hineinzufinden, ihn nachzuahmen, eine ziemlich geschlos-
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TAFEL I JOSEF BORSOS. AQUARELLSTUDIE. 1847. WIEN, Dr. AUGUST HEYMANN.
TAFEL II DER UNTERRICHT. ÖLBILD. 1847. WIEN, C. A. WELS.
sene einheitliche W^irkung zustande gekommen ist. An der „Bewegung" aber sind außer Pettenkofen und Zampis noch (Josef) Lanzedelli, ein Mono- grammist B. Z. und ein Anonymus beteiligt, die alle erheblich schwächere Zeichner sind, und auch Pettenkofens Beiträge sind ungleich; freilich gehören die meisten davon zu sei- nen berühmtesten acht- und vierziger Blättern. Doch kommt der zerfah- rene Eindruck, den das Ganze macht, hat man die Blätter nebeneinander liegen, wohl auch daher, daß satirische Darstellun- gen mit naturalistischen Wiedergaben von bedeu- tungsvollen Tagesereig- nissen abwechseln. In- haltlich sind die Lithogra- phien natürlich wieder sehr interessant: Metter- nichs Sturz wird verhöhnt ; ironisch, aber richtig wird Preußen das in Deutsch- land aufgehende Licht genannt; ein Tscheche sagt zu einem Magyaren, daß Palacky, der größte Historiker der Zeit, am besten wissen werde, daß Österreich nach Frankfurt keine Deputierten zu schicken hat, der Magyare denkt radi- kaler und möchte am liebsten alle Deutschen austreiben; ein schäbiger Zylinder und der mit prächtigen Federn geschmückte Hut eines Nationalgardisten versinn- lichen die beiden Hüte, unter deren einen Deutschland kommen soll; besonders ist es auf Jesuiten und Liguorianer abgesehen: jene vergraben in einem Keller ihre Schätze und unter dem Bilde sind die Zeilen zu lesen: „Wir haben uns ein- geschlichen wie Lämmer, wir haben regiert wie Wölfe, man hat uns verjagt wie Hunde, wir werden verjüngt wie Adler wiederkommen," einer von diesen, der Pater Cyrill, hat sich in einem verrufenen Hause mit Kleidern der Mädchen ver- mummt, um nicht entdeckt zu werden; aber auch dem jüdischen Kapitalismus gilt ein Pfeil: ein Jude jammert seinem Weib vor, er habe alle Papiere zu Gold ge-
Ölstudie üu dem Bilde ,Der Unterricht" vom Jahre 1847.
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macht, könne dieses aber nun nicht mehr über die Grenze schaffen. Kaum weniger interessant sind die Illustrationen der Tagesgeschichte: begeistert strömen am 30. März — in den Tagen vom 13. bis zum 15. März hat bekanntlich die Erhe- bung begonnen — Freiwillige zusammen, um nach Italien zu ziehen und dort die Keime des Aufruhrs ersticken zu helfen; am 2. April wird unter Absingung des Liedes „W^as ist des Deutschen Vaterland" dem Kaiserpaar die schwarz-rot- goldene Fahne überreicht; die Liguorianer werden ausgewiesen; die Tiroler Schützen, „die vorerst was leisten woU'n, eh wenn sie was begehr'n", eilen ihrem Kaiser zu Hilfe; auf dem Balkon der Universität wird ein Polizeispitzel ausgestellt; jubelnd zerstreut sich das Volk, nachdem der „allgeliebte" Kaiser Ferdinand alles bewilligt hat, was in der Sturmpetition vom 15. Mai verlangt worden ist; eine der am 26. Mai in der Inneren Stadt errichteten sechzig Barrikaden ist dargestellt.
Läßt man die Ereignisse des Jahres 1848 auch nur an der Hand dieser beiden bei Leykum und Höfelich verlegten Folgen im Geiste an sich vorüberziehen, so versteht man es nur allzu gut, warum das Jahr bei Mit- und Nachwelt das „tolle" heißt.
Mit Recht gilt das Blatt mit den Jesuiten, die ihre Schätze vergraben, als eine von Pettenkofens vorzüglichsten achtundvierziger Arbeiten, doch möchten wir per- sönlich die Barrikade, zu der sich auch der ebenso gelungene leichtgetönte zeich- nerische Entwurf (heute im Budapester Museum der schönen Künste) erhalten hat, für das beste Blatt erklären. In technischer Hinsicht ist von Pettenkofens Beiträgen zur „Bewegung" zu sagen, daß auf ihnen reichliches mit dem Pinsel aufgetragenes Schwarz vorkommt und sie dementsprechend auch sehr viel Kratzarbeit zeigen. Ein Blatt wie das mit den drei Männern, die bei Mondschein in die mit „Prokla- mationsflüssigkeit" gefüllte Tonne hineingucken, ist auf diese 'Weise zum großen Teil weiß aus dem Schwarz herausgearbeitet. Durch Lithographien Gavarnis wie etwa dessen Nachtstück mit den beiden Strolchen, die einen Herrn überfallen, in der Serie „Paris le soir" kann Pettenkofen zu derlei Effekten angeregt worden sein.
Aus dem tollen Jahre stammen noch drei andere Lithographien Pettenkofens. Sie handeln auf jenen drei Schauplätzen, auf denen sich damals Österreichs Ge- schick entschieden hat: in Wien, in Italien und in Ungarn. Die erste, ein ziemlich häufiges Blatt, das bei A. Paternos Witwe und Sohn verlegt ist, stellt den „Ersten Angriff der Cavallerie vor dem bürgerlichen Zeughause am 13. März" dar. Es ist eine lebhaft bewegte Massenszene, eine umfangreichere Neubelebung der tempe- ramentvollen Schlachtenbilder im „Erzherzog Carl", ein Vorläufer der Kampfes- darstellungen vom ungarischen Kriegsschauplatz des nächsten Jahres. Das zweite Blatt zeigt zwei österreichische Generale auf der Landkarte Italiens stehend; sein Text verhöhnt im Stil einer offiziellen Nachricht vom Kriegsschauplatz die anfäng- liche Untätigkeit der österreichischen Truppen, die sich nach der Erhebung Mai- lands am 18. März nach Verona zurückgezogen hatten. Zwischen diesem Datum und dem 25. Juli, dem Tage der Schlacht von Custozza, muß das Blatt entstanden sein, sonst wäre seine Satire unverständlich. Wahrscheinlich hat Vater Radetzkys glänzender Sieg über Karl Albert den Spöttern den Mund gestopft und das Er- scheinen des Blattes, das uns auch nur in einem einzigen Exemplar im Museum der Stadt Wien bekannt ist, verhindert.
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Dragoner.
Lithographie aus der Folge „Das Kaiserl. Königl. Österreich'sche Militär". 1847
Die dritte Lithographie des Jahres 1848 endlich führt nach Ungarn. Sie zeigt die Eröffnung des ungarischen Reichstages am 5. Juli in Pest unter dem Vorsitz des Pa- latins Erzherzog Stefan und ist dem unglücklichen Ministerpräsidenten Grafen Ludwig Batthyäni gewidmet. Es ist die erste der vier ganz großen Lithographien Pettenkofens, im Gegensatz zu den anderen dreien aber keine Originalarbeit, sondern die Re-
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Franz Imr^dy Edler v. Omorovicze. Ölbild. 1848.
Wien, K. k. österreichische Staatsgalerie.
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Elisabeth Imrödy Edle v. Omorovicze, geb. v. Etlingen. Ölbild. 1848.
Wien, K. k. österreichische Staatsgalerie.
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Produktion einer Zeichnung oder eines Gemäldes des ungarischen Malers Josef Borsos. Pettenkofen war im großen Format kaum jemals glücklich, bei diesem Blatte ist er es auch nicht, aber nicht bloß aus eigener Schuld. Schon die Kom- position von Borsos, der übrigens sonst ein tüchtiger Genre- und Stillebenmaler war, ist recht langweilig. Er ist an der offiziellen Steifheit einer solchen Feierlichkeit und den paar Dutzend Bildnisköpfen, die mit Hilfe eines Schlüssels zu agnoszieren sein mußten, gescheitert, und Pettenkofens flaue Übertragung auf den Stein ver- mochte den Freund nicht zu retten.
Borsos erscheint in den Schülerlisten der Wiener Akademie 1840 als Teilnehmer des Kurses für historische Zeichenkunst eingetragen.^ ') Von dort und damals kann Pettenkofen mit ihm bekannt gewesen sein. Daß die Freundschaft von längerer Dauer war, beweisen zwei Porträte des ungarischen Malers, die Pettenkofen 1847 und das zweite Mal etwa um die Mitte der fünfziger Jahre gemalt hat. Sicher hat Borsos dem Wiener Freunde den Auftrag verschafft, dessen Erfüllung den unerfreulichen Eindruck einer Arbeit, die nur um des lieben Brotes willen geschaffen ist, nicht zu verhüllen imstande ist.
Vielleicht ist es auch Borsos gewesen, der wenigstens mit dazu beitrug, daß Pettenkofen, als es nach der Thronbesteigung Kaiser Franz Josefs I. in Ungarn los- gieng, auch seinerseits die Leitha überschritt und den Feldzug gegen die Magyaren mitmachte. In welcher Form dies geschehen ist, weiß man heutzutage nicht mehr. Sicher ist nur, daß er die Kämpfe in Ungarn zum großen Teil als Augenzeuge miterlebt hat, keinesfalls aber als Kombattant, als der er übrigens wohl kaum die Zeit zu so vielen zeichnerischen Aufnahmen gefunden hätte, sondern bloß als Künstler, der vielleicht für die Dauer des Feldzuges einem bestimmten Truppenteil zugewiesen war. - Eine weiter unten zu besprechende Lithographie legt die Ver- mutung nahe, daß es die Kreß-Chevauxlegers waren, eine den Dragonern ver- wandte Waffe, an die er sich anschloß, was bei Pettenkofen, dem ehemaligen Dragoner, nur selbstverständlich ist. Als Kämpfer mitgemacht hat den Feldzug August Pettenkofens Bruder Ferdinand, und zwar als Oberleutnant beim 22. Feld- j ägerbataillon . ^°)
Diejenigen Lithographien Pettenkofens nun, deren Vorwürfe dem ungarischen Feldzug der Jahre 1848 und 1849 entnommen sind, gehören zu den reifsten und meistbegehrten, die er überhaupt geschaffen hat. Sie sind sämtlich bei L. T. Neu- mann verlegt und zerfallen in solche, die noch im Jahre 1849 und solche, die erst in den beiden folgenden Jahren entstanden sind. Zu den ersteren gehören der „Transport von Verwundeten", das „Russische Lager", „Die Überfallene Feldpost", „Der Sturm auf Ofen", die „Kreß-Chevauxlegers im Lager bei Äcs" und das Blatt „Vor Komorn". Die ersten drei Themen sind sozusagen intimer Natur und jedenfalls solche, die sich der Künstler frei zu wählen in der Lage war; sie sind unstreitig auch am frischesten behandelt und am besten gelungen. Die ersten beiden sind nachmals dadurch, daß sie Pettenkofen auch als Bilder ausgeführt hat, besonders berühmt geworden. Ein vorzügliches Blatt ist auch „Der Sturm auf Ofen", der ein Ereignis der großen Geschichte festhält, die berühmte Ein- nahme der Festung durch die Honv^ds unter der Führung Görgeys am 21. Mai
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Proletariergesellschaft.
Lithographie aus den , Wiener Bildern". 1848.
1849; es sei hier daran erinnert, daß diese Erstürmung der Anlaß einesteils zum prunkvollen Einzug Kossuths und des gesamten ungarischen Reichstages in Pest und anderseits — mittelbar — zur russischen Intervention geworden ist. Das Lob, das man dieser vorzüglichen Leistung Pettenkofens zu spenden geneigt ist, be- darf aber der Einschränkung. Gerade auf diesem Blatte nämlich zeigt er sich ganz besonders von Charles Raffet abhängig. Ein Blatt wie das siebente in Raffets
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Folge „Prise de Constantine", betitelt: „Arrivee de la 2me colonne sur la preche . . . (13. Octobre, 1837)" kann, wie schon Meder^') bemerkt hat, geradezu als Vorbild für den „Sturm auf Ofen" bezeichnet werden. Daß Raffet, der vorzügliche und un- gemein produktive französische Lithograph vorwiegend militärischer Szenen, den Österreich nicht nur aus seinen Arbeiten, sondern auch persönlich kannte, war er doch bereits auf seiner „Reise im südlichen Rußland und in der Krim, durch Un- garn, die Walachei und die Moldau" auch durch Wien gekommen, — daß Raffet unter allen Wiener Künstlern Pettenkofen, der gleich ihm lithographierte, gleich ihm besonders am Soldatenleben künstlerisches Gefallen fand und gleich ihm ein Auge für die ungehobenen malerischen Schätze der von der Donau durchströmten Ebenen östlich vom Ausgang der Alpen hatte, weitaus am meisten beeinflussen hat müssen, ist selbstverständlich. Daß aber auch ein Karl Schindler Raffets Arbeiten nicht ohne Gewinn betrachtet hat, sei nur nebenher bemerkt.
Das bereits früher erwähnte Blatt „Kreß-Chevauxlegers im Lager bei Äcs, Juli 1849" — am I.Juli defilierten dort alle acht Eskadronen des Regiments vor dem jungen Kaiser") — scheint die erste Porträtgruppe zu sein, die Pettenkofen selbständig lithographiert hat. Obgleich es wie natürlich künstlerisch hoch über der nach Borsos auf den Stein gezeichneten „Eröffnung des ungarischen Reichstages" steht, so kann es doch die gewisse Befangenheit, von der keines dieser Massen- bildnisse, selbst das beste nicht, völlig frei ist, weil sie eben im Sujet begründet ist, auch nicht gänzlich überwinden. Gleichwohl steht es berühmten verwandten Leistungen der Zeit, z. B. den lithographierten Gruppenbildnissen Kriehubers, kaum nach. Auch dieses Thema ward von Pettenkofen nicht bloß auf den Stein ge- zeichnet, sondern auch mit Wasserfarben gemalt.
An der Vorlage leidet die letzte der Lithographien, die auf den ungarischen Feldzug zurückgehen und noch in dessen zweitem Jahre geschaffen sind. Es ist das Blatt „Vor Komorn". Obwohl sich Pettenkofen alle erdenkliche Mühe gibt, die dilettantische Aquarellvorlage Caroline von Weldens, der Gattin des Feldzeug- meisters von Weiden, zu beleben, namentlich durch die vortreffliche und anschei- nend von ihm ganz aus eigenem hinzugefügte Staffage, so wirkt das Blatt doch ziem- lich langweilig. Sein Vorwurf ist natürlich nicht uninteressant: die Festung ist vom österreichischen Belagerungsheer aus aufgenommen, am 31. März; sie ward be- kanntlich nachher von Görgey entsetzt.
Baronin Weiden hat auch Bilder vom italienischen Kriegsschauplatz gemalt: Peschiera während des Bombardements am 27. Mai 1848, den Sturm auf Vicenza am 10. Juni 1848, Feldzeugmeister W^elden vor Treviso am Morgen des 14. Juni 1848. Nach allen diesen drei Aquarellen gibt es Lithographien von Franz Xaver Sandmann, mit dem, wie weiter unten gezeigt werden soll, Pettenkofen bekannt gewesen sein muß.
Dem Jahre 1849 gehören ferner acht Lithographien an, die zwar, wie die eben besprochenen keine durch einen gemeinschaftlichen Titel zusammengehaltene Serie bilden, gleichwohl aber schon durch die Verse, die sich unter einer jeden Dar- stellung befinden, als zusammengehörig bezeichnet sind. Auch sie sind bei L. T. Neumann verlegt. Ihre Themen, im letzten Grunde gleichfalls dem ungarischen Feld-
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Bäcker und Köchin.
Lithographie aus den „Wiener Bildern". 1848.
zug entnommen, sind idealer Art, verherrlichen Heldentum und Herzensgüte des Soldaten, ein einziges Mal, bei „Pirquets Tod" ist ein individueller Fall behandelt, ein bestimmter Name genannt, aber auch hier ist sowohl durch das Gedicht als
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auch durch die Komposition des Bildes das Geschehnis über die Wirklichkeit hinausgehoben. Das Blatt hat übrigens durch die Korrektur, die den ausdrucks- vollen Phantasiekopf des Sterbenden in die Kopie irgendeines leeren Porträts verwandelte, entschieden verloren. Auf allen Blättern ist das Milieu nur andeutungs- weise gegeben. Beim „Mitleidigen Soldaten" und „Braven Tambur" kommt durch das zigeunermäßige Aussehen der Kinder Ungarn als Ort der Handlung noch am deutlichsten zum Ausdruck.
So gut alle diese Lithographien sind, so entbehren sie doch der Ursprünglichkeit und Kraft derjenigen, deren Vorwürfe vom Künstler mit eigenen Augen geschaut sind, und teilen mit den Versen, die einmal Johann Nepomuk Vogl zum Autor haben, eine gewisse nicht ganz angenehme Sentimentalität.
Viel lebendiger und stärker und überhaupt eine der vorzüglichsten Leistungen Pettenkofens auf dem Gebiete der Lithographie ist das Blatt mit der sogenannten Einnahme von Brescia. Dieser Titel, der mit Bleistift auf das aus der Sammlung • Franz Gauls in die "Wiener Hofbibliothek gekommene Exemplar geschrieben steht, ist aller W^ahrscheinlichkeit nach falsch. Einmal hätte Pettenkofen, wenn schon nicht von Italien her, so doch aus den Zeitungsberichten wissen müssen, daß Brescia am Gebirge liegt. Dann wäre das Blatt die einzige realistische Kriegsszene, die Pettenkofen im Jahre 1849 lithographiert hätte und die nicht in Ungarn spielte. Der Schauplatz der Lithographie ist vielmehr wahrscheinlich abermals Ungarn; dafür sprechen die ebene Lage der im Hintergrund angedeuteten Stadt und die Gestalt der Wagen, die im Vordergrund von den Soldaten schleunig bestiegen werden. Ein Aquarell Pettenkofens, das uns aber nicht zu Gesicht gekommen ist, führt in einem Auktionskatalog den Titel „Schlacht bei Raab". Vielleicht behandelt es denselben Gegenstand wie die in Rede stehende Lithographie, zu der sich, wie schließlich bemerkt sei, eine vorzügliche lavierte Bleistiftskizze, die sich jetzt im Budapester Museum befindet, erhalten hat.
Sonst sind vom Jahre 1849 noch zwei ganz große Blätter datiert, die den jungen Kaiser Franz Josef zu Pferd inmitten seiner Generale und Feldmarschall Radetzky, den „Sieger von Novara", und seinen Stab, ebenfalls beritten, darstellen. Ihnen gesellt sich eine dritte gleich große zu, die auf ähnliche Weise Haynau, den blutigen Mann von Brescia, Pest und Arad, zeigt. Allen drei Blättern, so gut die Porträte und die Pferde — es sind die größten und sorgfältigsten Pferdedarstel- lungen, die Pettenkofen bisher geschaffen hat — sind, merkt man es gleichwohl an, daß es bestellte, mehr um des Verdienstes willen als aus Lust gemachte Arbeiten sind.
Zwei andere Blätter vom Jahre 1850 stellen sich deutlich als Ergänzungen der ersten Reihe von Szenen vom ungarischen Kriegsschauplatz dar. Das eine, der „Ungarische Landsturm", kann als das vorzügliche Gegenstück zur „Überfallenen Feldpost" gelten, das andere, die Heldentat des Korporals Angelo Ferrarini, eines Kreß-Cheveauxlegers,^") schließt sich am engsten dem Gruppenbild der Unter- offiziere dieses Reiterregiments im Lager von Acs an.
Wie ein versöhnender Epilog zum Jahre 1848 mutet das Blatt „Die Amne- stierten" an. Es stellt zwei Männer dar, die von der Höhe herab an einem Weg-
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Mann und Frau.
Lithographie aus den „Wiener Bildern". 1848.
weiser, der „nach Wien" zeigt, gerührt die Donau und den Stefansturm grüßen. Die offenbar aus Verkaufsrücksichten vorgenommenen Änderungen an der Litho- graphie (die Schrift auf dem Arm des Wegweisers ist verlöscht, der Turm der Stadt ist abgetragen und die Null der Jahreszahl ist mit einer Sechs überschrieben) müssen nicht einmal von Pettenkofen selbst herrühren. Auch dieses Thema ist
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als Aquarell behandelt. Sämtliche drei Blätter sind bei L. T. Neumann er- schienen.
Die Daten 1850 und 1851 finden sich auf elf Blättern, die Pettenkofen zu dem Bilderwerk „Die k. k. österreichische Armee" beigesteuert hat. Die übrigen fünf- undzwanzig sind in den Jahren 1852 und 1853 von Anton Straßgschwandtner litho- graphiert worden. Das Werk ist abermals von Alois Leykum verlegt und diesmal Seiner Majestät dem Kaiser Franz Josef I. gewidmet.
Merkt man auch diesen Lithographien Pettenkofens wieder an, daß sie durch- aus nicht mit ganzer Seele geschaffen sind, so sind dafür seine „Zwölf Scenen aus der Ehren-Halle des k. k. Militär-Fuhrwesens-Corps" vom Jahre 1851 vollwertige Leistungen. Schon der Umstand, daß alle Vorwürfe auch als Aquarelle behandelt sind, beweist, daß der Künstler mit Lust und Liebe bei der Arbeit war. Was ihn daran besonders interessiert haben mag, ist das Pferd, das er hier zum ersten Mal höchst mannigfaltig bewegt und überdies in respektabler Größe darstellen konnte. Bei den Illustrationen zum „Erzherzog Carl" war das Format zu klein, bei den Suiten-Bildern die Haltung der Pferde zu gemessen und einförmig.
Bei den Heldentaten des Fuhrwesens-Corps' ist in technischer Hinsicht zu be- merken, daß auf ihnen mehr gekratzt ist als auf den anderen auf den ungarischen Feldzug zurückgehenden Blättern. Auch auf den Uniformblättern der Jahre 1850 und 1851 ist dies der Fall. Doch ist die Nadel nicht bloß und nicht so sehr dazu verwendet, Lichter aufzusetzen, als vielmehr dazu, Zeichenfehler auszubessern.
Den Heldentaten des Fuhrwesens-Corps' kommt noch darum eine erhöhte Be- deutung zu, weil es die letzten Lithographien sind, die Pettenkofen geschaffen hat. Fünfzehnjährig hatte er zu lithographieren begonnen, neunundzwanzig Jahre war er alt, als er zu lithographieren aufhörte, und in den achtunddreißig Jahren, die es ihm noch zu leben vergönnt war, nahm er — vielleicht von einer einzigen ge- ringfügigen Ausnahme abgesehen — die lithographische Kreide nie mehr in die Hand. Diese Ausnahme sei gleich hier verzeichnet: es gibt eine Lithographie von Franz Xaver Sandmann, nach dem Projekt von Hauser, Feszl und Gerster den israelitischen Tempel in Pest darstellend. Auf dem Exemplar der Sammlung Dr. Heymanns nun ist mit Bleistift bemerkt, daß die Figuren von Pettenkofen her- rühren. Dies scheint der flotte nervöse Stil der Staffage, die im auffallenden Gegen- satze zur glatten und sauber gezeichneten Architektur steht, zu bestätigen. Für Pettenkofen spricht auch die reichliche Handhabung der Nadel. Sandmann hat wahrscheinlich schon 1843-44 am Album der Künstler W^iens mitlithographiert, für das Pettenkofen die „Heilige W^egzehrung" beistellte. Wenigstens ist das Mono- gramm X. S. auf Nummer 13, der „Ideal Landschaft", am ehesten auf ihn zu deuten.
Daran, daß Pettenkofen seit dem Jahre 1851 nicht mehr lithographiert hat, sind sicher mehrere Gründe schuld. Veranlassung dazu waren jedenfalls seine Reise nach Paris und die völlig geänderten Umstände, in denen er dort lebte und arbeitete. Als Ursachen aber könnten vielleicht angeführt werden: die ihm durch den Pariser Aufenthalt gewordene oder bestätigte Erkenntnis, daß er vor allem Maler und die Farbe für ihn das geeignetste Mittel sei, das, was er künstlerisch wollte, auszudrücken, ferner die unliebsame Erinnerung an manche nur wider-
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13. März 1848. Erster Angi 1
Kavallerie vor dem bürgerlichen Zeughaus.
Lithographie. 1848.
willig geleistete und von ihm selbst künstlerisch niemals für voll angesehene Brot- arbeit, die sich für ihn mit der Lithographie verknüpfte, und endlich die Einsicht, daß ungefähr um das Jahr 1850 die Lithographie ihren Höhepunkt erreicht hatte und es von da an mit ihr bergab gieng.
Wenn schon nicht zur Lithographie, die dann längst aus der Mode gekommen war, so doch zur Schwarz-Weiß-Kunst sollte Pettenkofen aber am Ende seines Lebens, in den achtziger Jahren, nochmals zurückkehren.
Der Abschied von Pettenkofens Lithographien verlockt zum Versuch einer ästhetischen Analyse dessen, was er auf diesem Gebiete geleistet hat.
Dabei müssen natürlich die ersten unsicheren Schritte des Anfängers ebenso außer Betracht bleiben wie diejenigen Blätter, die deutlich die Unlust an der Brot- arbeit zur Schau tragen. W^as übrig bleibt, der schlackenlose Kern seines graphi- schen Oeuvres, läßt sich vielleicht folgendermaßen charakterisieren: Zeichnerische Tüchtigkeit, die stetig wächst, ist gepaart mit einem ungewöhnlichen malerischen Feingefühl. Gewisse Blätter wirken geradezu farbig. Schon früh verrät sich die von kritischer Veranlagung und Selbstbeherrschung zeugende hohe, seltene Kunst, rechtzeitig aufhören, dem Werk den Reiz der frischen Unmittelbarkeit des ersten Entwurfes bewahren zu können, es nicht durch allzu weitgetriebenes Vollenden in seiner Wirkung zu beeinträchtigen. Treuer Naturalismus zeigt sich von gutem
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Geschmack überwacht und geleitet und ist von erfindungsreicher Kompositions- kraft mit künstlerischem Leben erfüllt. Ungewöhnliche Charakterisierungsgabe be- fähigt zur erfolgreichen Darstellung der Affekte des Menschen, wie sie sich in dessen Mienen und Gesten spiegeln. Auch dem Schritte, der von hier aus auf das Gebiet der Karikatur hinüberführt, folgt das Gelingen. Über behaglichen Humor und scharfe Satire verfügt der Künstler in gleichem Maße. Er vermag Lachen zu erregen und zu rühren, zu ergreifen. Eigener Erzählungsgabe und der Fähigkeit, sich in die Vorstellung eines anderen hineinzuleben und Gelesenes in Bilder um- zuschaffen, entspringt die vorzügliche Eignung zum Illustrator. Im Mittelpunkt von des Künstlers Interesse steht der Soldat oder besser gesagt: der Krieg. Im kleinen Format gelingen ihm ungemein anschauliche äußerst lebhafte Kampf szenen. Selbst die gesteigertsten Bewegungen von Menschen und Pferden weiß er überzeugend fest- zuhalten. Trefflich beobachtete Pferde spielen auf seinen militärischen Blättern eine große Rolle. Auf diesen tritt als Ort der Handlung Ungarn hervor. Die Landschaft als solche freilich steht gegenüber dem Figuralen fast ganz zurück. Aber auch das klein- bürgerliche Genre mit Wien als Hintergrund, hier auf den Lithographien humoristisch gefaßt, ist flott und trefflich behandelt. Hervorzuheben ist der sinnliche Reiz, mit dem des Künstlers Frauengestalten begabt sind. Eine leichte Neigung zu pikanter Schilde- rung läßt sich nicht verkennen. Nicht unterschätzt darf die Bedeutung der Bildnisse werden, die sich dort, wo sie auf Autopsie beruhen und mit Lust gezeichnet sind, mit den besten damals in Wien geschaffenen messen können. All diese mannigfaltigen Neigungen und Begabungen sind von einem starken Temperament durchglüht.
So ist der Rang, den Pettenkofen unter den Maler-Lithographen während der ersten Blütezeit von Alois Senefelders Technik einnimmt, ein hoher. Unter denWienern steht er sicher in der ersten Reihe, da aber Wien in der ersten Hälfte des XIX. Jahrhunderts eigent- lich der einzige Platz ist, der sich auf dem Gebiete der Steinzeichnung mit Paris messen kann, so wird er als Lithograph, wenn man wie billig den bahnbrechenden Franzosen den Vortritt läßt, doch gleich nach diesen genannt werden müssen.
Wurde oben bereits in einzelnen Fällen des Einflusses gedacht, den dieser oder jener französische Meister auf Pettenkofen ausgeübt hat, so sei im folgenden von einem allge- meinen Gesichtspunkt aus die Vorbildlichkeit der französischen Lithographie für die öster- reichische, so weit sie durch Pettenkofen und seinen Kreis vertreten wird, kurz berührt.
Daß im Lande Napoleons die junge graphische Technik der Steinzeichnung be- sonders zur Darstellung militärischer Szenen ausgenützt wurde, ist von vorneherein verständlich. Victor Adam, Hippolyte Beilange, Nicolas Charlet, Jean Marlet und Auguste Raffet haben hunderte von Lithographien geschaffen, größtenteils vor- zügliche Arbeiten, die in Ernst und Scherz den Soldaten zum Hauptgegenstand haben. Sieht man diese Blätter durch, so erkennt man, daß sie nicht nur für den Wiener Künstler, sondern auch für dessen Verleger in inhaltlicher und formaler Hinsicht Anregungen geboten haben. So findet sich die Anordnung von Haupt- und Nebenszenen auf einem Blatte, wie sie etwa auf Pettenkofens und Weixl- gärtners zwei Lithographien „K. k. österreichische Armee" oder auf Pettenkofens erster militärischer Folge vorkommt, bereits auf Blättern wie z.B. dem von Victor Adam im Vereine mit Nicolas Maurin geschaffenen, das in neun Bildern die Ge-
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Entwurf zur Lithographie „Eine der 60 Barricaden ... am 26. Mai 1848 ...". Lavierte Bleistiftzeichnung. 1848.
Budapest, Museum der schönen Künste.
schichte Napoleons erzählt, oder dem, das Victor Adam allein gehört, „Aux braves de Mazagran" betitelt ist und außer der Hauptszene in der Mitte, am oberen und am unteren Rande je zwei kleine Szenen zeigt. Die ungemein figurenreichen
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Kompositionen der kleinen Felder des ersten Blattes wieder können vorbildlich für die Schlachtenszenen im „Erzherzog Carl" gewesen sein — das Thema ist hier wie dort ja das gleiche, nur von zwei entgegengesetzten Standpunkten aus be- trachtet: die Napoleonischen Kriege. Von Charlet gibt es große Blätter, noch vor 1830 entstanden, die sich deutlich als Vorlagen zur Serie der Heldentaten des Fuhrwesens-Corps' darstellen. Auch hier sind in der ausführlichen Legende der Name und der Rang und die Truppengattung des Soldaten, seine Herkunft, seine Tat und deren Ort und Zeit angegeben. Zum Vergleich mit dem Texte eines be- liebigen Blattes aus den Heldentaten sei in der Anmerkung'") ein französischer Text abgedruckt. Daß die sentimentalen Soldatenszenen, denen Gedichte beige- geben sind, gleichfalls von älteren französischen Lithographen abhängig sind, kann ebenso begründet werden. Ein undatiertes, aber wahrscheinlich noch dem Ende der zwanziger Jahre angehöriges Blatt von Bellang^, das einen verwundeten zerlumpten Soldaten mit seinem Hund vor einem Wegweiser darstellt, auf dem „France" zu lesen steht, sei als Beispiel genannt. Das Bild ist von einer Strophe keines Ge- ringeren als Beranger begleitet, die abermals vergleichshalber in der Anmerkung") mitgeteilt sei. Daß sich die lithographierten Folgen mit Uniformen bereits früh- zeitig in Frankreich nachweisen lassen, ist eigentlich überflüssig zu erwähnen. Charlet, Beilange und Raffet haben solche geschaffen. Das Pferd als Hauptthema war von Gericault und Carle Vernet behandelt worden. Mit humorvollen graziösen Genreszenen, in deren Mittelpunkt stets die unübertrefflich geschilderte Pariserin aller Gesellschaftskreise steht, war Gavarni vorangegangen. Doch ist zu sagen, daß der galante Charakter seiner Blätter von keinem Wiener nachgeahmt wurde. Schließlich sei bemerkt, daß die Pariser Lithographen sogar in der Darstellung einer Revolution den Vorrang behaupten: Charlet, Beilange, Adam und Raffet haben die Julirevolution des Jahres 1830 mit lithographischen Aufnahmen be- gleitet.
Gilt das bisher Gesagte der inhaltlichen Beeinflussung Pettenkofens und seiner Verleger durch die Franzosen, so sei nun noch in Ergänzung des bei den ein- zelnen Arbeiten Angemerkten ein Wort der technischen Abhängigkeit des Künstlers von ihnen gewidmet. Jedenfalls steht fest, daß er jene Mischtechnik, die sich außer der Kreide auch noch des Pinsels, der Feder und der Nadel bedient, von den Franzosen übernommen hat. Beispielsweise sei ein vom Jahre 1828 datiertes Blatt Bellang^s, Nr. 24 einer uns sonst unbekannten Serie von „Croquis" erwähnt. Es stellt einen Grenadier dar, der einem Landmädchen schön tut, einen alten Bauer, der mit Napoleon spricht, ein Mädchen, einen Soldaten und noch einen Soldaten, der auf dem Boden liegt. Schon auf diesem Blatte ist die eben geschilderte Misch- technik angewendet, und bald in eingeschränkterem, bald in ausgedehnterem Maße kommt sie bei allen oben genannten französischen Lithographen vor. Unter den Wiener Steinzeichnern scheint nur Pettenkofen sie sich angeeignet zu haben. Wenigstens läßt sie sich in halbwegs reichlicherer Verwendung kaum bei jemand anderem nachweisen. Die übrigen Wiener haben die reine Kreide oder die reine Federzeichnung bevorzugt. Was jedoch den das W^eiß aussparenden Ton betrifft, so scheint er eine Wiener Spezialität zu sein. Wohl aber findet sich der einfach
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Einzug des Frühlings.
Lithographie.
und ununterbrochen von einer zweiten Steinplatte gedruckte Ton — auch dieser erscheint freilich nicht allzu häufig — oder der durch untergeklebtes Chinapapier erzeugte auch bei den Franzosen.
Diesen dem Inhalt und der Form von Pettenkofens Lithographien gewidmeten allgemeinen Bemerkungen möge sich eine kurze Erörterung der Signaturen, die sich auf ihnen finden, anreihen. Berücksichtigt sollen bloß diejenigen werden, die vom Künstler selbst innerhalb der Bildflächen lithographiert sind.
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österreichische Soldaten besteigen Wagen. Bleistiftzeichnung. 1849.
Budapest, Museum der schönen Künste.
Der Name von Pettenkofens Vater ist in den Urkunden immer „Pettenkoffer" geschrieben, jedenfalls stets mit „r" am Schlüsse, Perth schreibt ihn abwechselnd mit einem und mit zwei „f", aber auch immer mit „r" am Ende. „Pettenkoffer" lautet auch der Name des Künstlers in sämtlichen Akademieprotokollen und in den Akten des Kriegsarchivs und der Fachrechnungsabteilung des Kriegsmini- steriums, und ebenso signiert der fünfzehnjährige Knabe auf der vom Jahre 1837 datierten Lithographie, dem Christuskopf in der Art Renis in der Albertina. Der Taufschein gibt als Vornamen „August Xaver Carl" an, und dementsprechend heißt der Jüngling in den Schülerlisten der Akademie mit einer einzigen Ausnahme (bezeichnenderweise im Protokoll 59 '/i vom Schuljahre 1849-50, wo als Vorname Carl eingetragen erscheint) und in den militärischen Akten „August" und so nennt sich auch, nach dem Initial „A" zu schließen, der Knabe auf der Lithographie vom Jahre 1837. Das „n" statt" des „r" am Schlüsse kommt zum ersten Male auf Signaturen des Jahres 1848 vor. Das Blatt mit den ihre Schätze vergrabenden Jesuiten ist „A. Pettenkoffen" signiert, das mit dem „Ersten Angriff der Kavallerie vor dem Zeughaus" „Betenkofen". Mit „B" geschrieben findet sich der Name nur noch aijf den beiden mit Ölfarben gemalten Porträten des Ehepaares Imredy vom Jahre 1848 und zweimal in Monogrammen, das eine Mal auf der Lithographie
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Osterreichische Soldaten besteigen Wagen (sogenannte „Einnahme von Brescia"). Lithographie. 184g.
Wien, K. k. Hofbibliothek.
mit der Wiener Bürgerkavallerie vom Jahre 1847: „A. B.", das andere Mal auf dem Blatte mit der Eröffnung des ungarischen Reichstages: „C. B." vom Jahre 1848, wobei daran erinnert sei, daß 1849-50 Pettenkofen auch im Akademie- protokoll den Vornamen „Carl" hat. Die Lithographie mit dem sogenannten Sturm auf Brescia vom Jahre 1849 ist „C. Pettenkofen" signiert und von diesem Jahre an bis zum Jahre 1851, dieses mitgezählt, können „C. A. P." und „C. A. Petten- koffen" als die gewöhnlichen Signaturen gelten. Obwohl die Schreibung mit „r" am Ende (beim vierten Blatt der „K. k. österreichischen Armee" „C. A. Petten- kofer") noch 1850 anzutreffen ist, so darf doch die mit dem „n" am Schlüsse vom Jahre 1848 an als die normale angesehen werden. Vom Jahre 1849 ab verdrängt auch das einfache „f" das Doppel- „f".
Bezüglich der Aussprache des Namens Pettenkofen sei folgendes bemerkt: Heute wird der Ton auf die erste Silbe gelegt; im alten Wien scheint die vor- letzte Silbe betont und überdies die zweite Silbe „ten" ähnlich einem „tin" ge- sprochen worden zu sein, womit wieder zusammenhängen dürfte, daß sich das „k" in ein „gh" verwandelte. Daher böte die Schreibung „Pettinghofen", wie sie sich in einem Auktionskatalog'') bei Zeichnungen, von denen der Autor freilich,
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da er sie weder in den Originalen noch in Reproduktionen kennt, nicht sagen kann, ob sie auch tatsächlich echt sind, an und für sich als eine rein phonetische noch keinen Anlaß, die Identität des Zeichners mit Pettenkofen in Frage zu ziehen. Das „h" allein statt des „k" kommt in der mit Druckbuchstaben lithographierten Namens- angabe auf dem Blatte mit dem „Ersten Angriff der Kavallerie vor dem bürger- lichen Zeughaus" vor, wo der Name des Künstlers „Bettenhofer" geschrieben ist.
Daß Pettenkofen, wie man häufig erzählen hört, das „r" am Ende seines Na- mens nur deshalb in „n" abänderte, um sich von seinem Bruder Ferdinand zu unterscheiden, der auch malte, und zwar schlecht und ähnliche Sujets wie August, ist darum unwahrscheinlich, weil die Schreibung mit „n" am Schlüsse seit dem Jahre 1848 nachweisbar ist und Ferdinand, der, wie wir schon gehört haben, bis zum Jahre 1854 aktiv war, vor seinem Abschied sicherlich keine Bilder für den Verkauf gemalt haben wird. Dagegen wird es richtig sein, daß Ferdinand mit Rücksicht auf seinen Bruder oder auf dessen Geheiß seine Bilder nicht mit „Pet- tenkofen" signierte, sondern mit einem Pseudonym, am öftesten mit „Fernand". Daß der berühmte Münchener Chemiker und Begründer der experimentalen Hy- giene Max Pettenkofer hieß und mit dem Maler ungefähr gleichalterig war, sei nur nebenher bemerkt. Daß es sein Name war, der den Künstler veranlaßt hätte, den seinen zu ändern, ist von vorneherein unwahrscheinlich.
Von gleichem Werte wie die in Kunsthändler- und Sammlerkreisen verbreitete Motivierung der geänderten Schreibweise von Pettenkofens Namen ist auch die ebendort zu vernehmende Erklärung, warum Pettenkofen so viele seiner Litho- graphien mit Pseudonymen signiert habe: er hätte es wegen der Zensur getan. Die Zensur aber kann gewiß nicht der Grund sein, sonst wären doch so völlig harmlose Blätter wie „Die große Lotterie", der „Vielka-Fieber-Traum", der „Affen- komödie-Enthusiasmus" im „Kobold" nicht mit „I. S.", „L. W." und „L. P." und das nicht minder unschuldige „Der Spekulant" im „Staberl" mit „S. N." signiert. Bei den mit Pseudonymen Monogrammen signierten Blättern des „Kobold" ist überdies Pettenkofens Name im Inhaltsverzeichnis genannt! Das „A. B." auf dem Blatte mit der „Wiener Bürgerkavallerie" muß ebenso wenig als Pseudonym aufgefaßt werden, wie das „C. B." auf dem mit der „Eröffnung des ungarischen Reichstages". Wissen wir doch, daß sich der Künstler nicht nur „August", sondern auch „Carl" genannt und selber seinen Zunamen auch „Betenkofen" geschrieben hat. Eher könnten diese Signaturen als verschleierte Namens- nennungen bezeichnet werden und wären als solche bei dem einstigen Soldaten, der einerseits bürgerliches Militär und anderseits die Eröffnung des Parlaments im feindlichen Bruderland darstellt, ganz wohl verständlich. Als ähnliche Ver- schleierungen könnten vielleicht auch offenbar absichtlich undeutliche Schreibungen, wie z. B. die als „NR" zu lesenden Monogramme auf den Blättern mit dem Schuljungen, der Redefreiheit verlangt, und mit dem Herrn, der auf dem Eise einbricht und dem überdies die Uhr gezogen wird, in den „Wiener Bildern" aufgefaßt werden. Möglicherweise wären die beiden Monogramme „L. M." und „J. H.", jenes in den „Wiener Bildern" nicht weniger als fünfmal, dieses auf zwei Blättern der „Bewegung", mit der Zensur in Zusammenhang zu bringen. Dagegen
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TAFEL III
ÖSTERREICHISCHE INFANTERIE, IN EINEM DORF KAMPIEREND. UN- VOLLENDETES AQUARELL. WIEN, EUGEN MILLER V. AICHHOLZ.
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TAFEL IV
ÖSTERREICHISCHE ARTILLERIE, IN EIN DORF EINRÜCKEND. UNVOLL- ENDETES AQUARELL. WIEN, EUGEN MILLER V. AICHHOLZ.
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Soldat, einen Toten schleppend. Aquarell.
Budapest, Museum der schönen Künste.
muß aber wieder eingewendet werden, daß die beiden „Wiener Bilder", das eine mit dem Bäcker, dem der Gugelhupf gebracht wird, das andere mit den beiden Choristinnen, die sich mit dem statierenden Soldaten unterhalten, mit „A. P." sig- niert sind, obgleich die beiden begleitenden Texte recht verfängliche Bemerkungen über das Schießen aufs Volk enthalten. Aber nicht nur Pseudonyme Monogramme, sondern auch ganze pseudonyme Namen kommen vor. Unter ihnen wäre die Signatur „S. Mayer" auf dem doch gewiß völlig unbedenklichen Blatte mit dem Einzug des Frühlings durchaus unverständlich, sollte sie der Zensur wegen ge- wählt sein. Dagegen könnten auf diese möglicherweise die Signaturen „R. Limer" und „L. Reitmayer" auf zwei Blättern der „Bewegung" zurückgeführt werden; desgleichen die unleserliche Unterschrift ,,Heidog"(?) auf dem anscheinend nicht publizierten Blatte mit den beiden österreichischen Generalen auf der Landkarte Italiens. Doch möchte man gerade bei einem Blatte wie diesem raten, daß der ehemalige Soldat, der selber den heißen italienischen Boden kennen gelernt hatte und das unerschütterliche Vertrauen der Armee zu Vater Radetzky unzweifelhaft geteilt haben wird, den kurzsichtigen Hohn des Textes, den er zu illustrieren hatte, nicht billigte und darum seinen Namen verbarg. Daß das scharfe Blatt mit den Jesuiten, die ihre Schätze vergraben, mit dem vollen Namen signiert und da- tiert ist, könnte seine Erklärung in der Aufhebung der Zensur finden.
Daß viele Lithographien ganz ohne Signatur gelassen sind, braucht wohl kaum eigens erwähnt zu werden.
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Auf Gemälden kommen unseres Wissens Pseudonyme nur zweimal vor: auf dem im Jahre 1842 in Padua gemalten kleinen Ölbildnis von Pettenkofens Regiments- kameraden Kreb, wo die Signatur „Ringen" lautet, und auf dem Aquarell mit dem Bauernwirt aus Zell am Ziller vom Jahre 1856, wo sich Pettenkofen als „Treu- freund" unterschrieben hat.
Zum Schlüsse dieser den Lithographien gewidmeten Betrachtungen seien noch in statistischer Form folgende Wiederholungen verzeichnet: Pettenkofen hat wahr- scheinlich nach einem alten Meister, Guido Reni, bestimmt nach vier zeitgenössi- schen Künstlern: Adam Brenner, Peter Johann Nepomuk Geiger und seinen beiden Altersgenossen: Karl Schindler und Josef Borsos und nach zwei Dilettanten: dem Leutnant Most und der Baronin Weiden lithographiert.
Die Künstler, mit denen zusammen er für ein und dieselbe Publikation ge- arbeitet hat, seien in alphabetischer Reihenfolge angeführt: Carl Agricola (Album), Fritz L'AUemand (Album, Erzherzog Carl), Rudolf Alt (Album), Leopold Brunner (Album), Chradnurek (?) (Album), Albert Decker (Album), Eduard Ender (Album), Eduard Engerth (Album, Erzherzog Carl), Franz Eybl (Album, Huldigung an den Palatin Josef), Johann Fischbach (Album), Francisque (Kobold, Staberl), Friedrich Gauermann (Album), Peter Johann Nepomuk Geiger (Huldigung an den Palatin Josef, Erzherzog Carl), Carl Peter Goebel (Album), Josef Hasslwander (Erzherzog Carl), Josef Heicke (Album), Karl Herbsthoffer (Album), Josef Höger (Album), Eduard Kaiser (Erzherzog Carl), Friedrich Kaiser (Kobold), C. KoUarz (Erzherzog Carl), Josef Lanzedelli (Bewegung), B. Lang (Album), Friedrich Loos (Album), J. Mändl (Erzherzog Carl), Siegmund Ferdinand Perger (Album), Johann Matthäus Ranftl (Album). Wilhelm August Rieder (Album, Erzherzog Carl), Eduard Ritter (Album), Leander Ruß (Album), Franz Xaver Sandmann (Album? Israelitischer Tempel in Pest?), Schiller (Kobold), Ludwig Ferdinand Schnorr von Carolsfeld (Album), Moritz von Schwind (Erzherzog Carl), Anton Straßgschwandtner (K. k. österreichische Armee, 1850—1852), Eduard Swoboda (Kobold, Staberl), Friedrich Treml (Staberl), Ferdinand Georg Waldmüller (Album), Franz Weigl (Album), Eduard Weixlgärtner (K. k. österreichische Armee, 1845), B. Wengler (Album), Anton Zampis (Kobold, Staberl, Wiener Bilder, Bewegung), B. Z. (Bewegung).
Pettenkofens Lithographien sind bei folgenden Verlegern, die wieder in alpha- betischer Ordnung angeführt werden mögen, erschienen: Bei Gustav Heckenast in Pest (Erzherzog Carl), bei Johann Höfelich in W^ien — auch alle anderen Ver- leger Pettenkofens sind Wiener — (Kobold, Staberl, Bewegung), Kaulfuß' Witwe, Prandel & Co. (Erzherzog Carl), Alois Leykum (Rast, Rückhalt, Bedenklichkeit, die drei Lithographien nach Karl Schindlers Bildern, K. k. österreichisches Militär, 1847, Wiener Bilder, K. k. österreichische Armee, 1850-52), H. F. Müller (Album), L. T. Neumann (K. k. österreichische Armee, sämtliche Blätter vom ungarischen Feldzug, fünf Soldatenszenen mit Versen, die drei Suitenbilder, die Amnestierten, Fuhrwesens-Corps), A. Paternos Witwe & Sohn (Erster Angriff der Kavallerie, drei Soldatenszenen mit Versen), Matthias Trentsenski (Mandlbogen).
Auch die Drucker von Pettenkofens Lithographien seien in alphabetischer Reihen- folge angeführt: J. Haller (Die Amnestierten), Johann Höfelich (Eröffnung des
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Der Reiter und sein Roß.
Lithographie. 1849-50.
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ungarischen Reichstages, sämtliche Blätter vom ungarischen Feldzug, vier Soldaten- szenen mit Versen, die drei Suitenbilder, Fuhrwesens-Corps), Alois Leykum (die zwei Schutzengel-Blätter, K. k. österreichisches Militär, 1847, Wiener Bürger- Kavallerie), Johann Rauh (Album, K. k. österreichische Armee, 1845, Erster An- griff der Kavallerie, vier Soldatenszenen mit Versen), J. P. SoUinger (?) (Erzherzog Carl).
Pettenkofens Lithographien seien die übrigen von ihm während seiner ersten Wiener Periode geschaffenen Arbeiten, Bilder und Zeichnungen, angereiht.
Eine angeblich vorzügliche Tuschzeichnung nach Rembrandt muß hier, da sie dem Autor nicht zu Gesicht gekommen ist und er daher weder ihre innere noch ihre äußere Beglaubigung hat überprüfen können, mit Stillschweigen übergangen werden. Das in dem Auktionskatalog, der von ihr Kunde gibt,") mitgeteilte Datum 1830 wäre, die behauptete hohe Qualität und Echtheit der Zeichnung vor- ausgesetzt, jedenfalls falsch. Der achtjährige Junge kann keine „vorzügliche" Kopie zustande gebracht haben, da die des doppelt so alten noch mäßig genug sind. Vielleicht lautet die Jahreszahl richtig gelesen 1839.
In der ersten, 1852 abgeschlossenen Periode von Pettenkofens künstlerischem Entwicklungsgang steht der Maler hinter dem Lithographen zurück. Pettenkofen hat während dieser Zeit nicht nur mehr Lithographien als Bilder geschaffen, er erscheint auch als Lithograph früher selbständig denn als Maler. Gleichwohl kün- digt sich auch in seinen malerischen Erstlingswerken besonders in der Wahl aparter, fein abgestufter Aquarellfarben frühzeitig eine starke persönliche Eigenart an, und die Epoche schließt damit, daß in Pettenkofen der Maler über den Litho- graphen einen endgültigen Sieg davonträgt.
Die Reihe von Pettenkofens Bildern muß mit einem Werke eröffnet werden, das ohne die Beglaubigung durch Leopoldine von Nespern wohl kaum im Oeuvre des Künstlers Platz gefunden hätte. Es ist das Brustbild einer Madonna mit ge- senkten Augen und gefalteten Händen, das sich jetzt im Kunsthistorischen Hofmuseum zu Wien befindet. Das religiöse Thema ist bei Pettenkofen äußerst un- gewöhnlich. Wir wissen, daß es bloß auf drei Lithographien, und zwar den frühesten vorkommt, die überdies alle keine Originalarbeiten sind. Gleich hier aber sei bemerkt, daß das Bild unmöglich so früh wie diese drei Blätter entstanden sein kann. Denn zeigt es einerseits auch noch einige Unbehilflichkeit des Anfän- gers, namentlich in der Endigung des Kopftuches über der rechten Schulter und in dem eintönig, sogar etwas steif behandelten Stück Mantel über dem rechten Oberarm, so verrät anderseits wieder die Technik, besonders die leichte flüssige Malweise eine bereits ziemlich ausgeschriebene Hand. Die Art, die leichte braune Untermalung gleich für eine warme Schattengebung zu benützen, wie sie der junge Künstler etwa von Rubens' großer „Beweinung Christi" im Belvedere hat ab- sehen können und sie hier auf dem Antlitz der Madonna vorkommt, findet sich nachmals auf vielen Bildern Pettenkofens. Für ihn sprechen auch die raffaelischen, in gelenklose, spitze Finger endenden fleischigen Hände und die süße Pikan- terie des Köpfchens. Die Rokokoanmut des Bildes könnte vielleicht auf den italie-
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TAFEL V DER STURM AUF OFEN. LITHOGRAPHIE. 1849.
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TAFEL VI UNGARISCHER LANDSTURM. LITHOGRAPHIE. 1850.
IV Ja'^AT 0581 .3IHqA5IOOHTIJ MSIUTZOVIAJ 5r3HD2T5IAOMU
TAFEL VII DER BRAVE TAMBUR. AQUARELL. 1850. WIEN, DR. AUGUST HEYMANN.
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Die Amnestierten.
Lithographie. 1850.
nischen Maler zurückgeführt werden, der Pettenkofens erster Lehrer gewesen sein soll, mit dem Nazarenertum eines Kupelwieser, zu dessen Füßen Pettenkofen auf der Akademie ja gleichfalls gesessen ist, hat sie wohl kaum etwas zu schaffen. Jedenfalls dürfte das Bild entgegen der Angabe der Leopoldine von Nespern nicht
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Marketenderin an der Leiche des ihr angetrauten Soldaten. Aquarell. 1850.
Wien, Josef Sturany.
1840, sondern wahrscheinlich erst, nachdem Pettenkofen vom Militär heimgekehrt war, gemalt worden sein.
Sieht man von der eben besprochenen Muttergottes ab, der ja als einzigem reli- giösen unter Pettenkofens Gemälden ohnehin eine Ausnahmsstellung zukommt, so wird sein malerisches Oeuvre am besten mit der Gruppe der von ihm geschaffenen Porträte eröffnet werden können. Es finden sich darunter die frühest datierten seiner Gemälde, die beiden Bildnisse August Semeleders und Leopold Brunners vom Jahre 1840, von denen dieses Gottfried und Hermann Eißler, jenes Friedrich Semeleder in Wien gehört. Sie sind als die Werke eines Achtzehnjährigen höchst anerkennenswerte Leistungen. Semeleder, 1818 geboren, war Beamter des Bankhauses Rothschild, dilettierte selber als Maler, Zeichner und Radierer und war mit Petten- kofen befreundet. Der andere Dargestellte ist vermutlich identisch mit jenem Tier- maler Leopold Brunner, der im selben Jahre wie Pettenkofen geboren ist und von dem im Album die vom Jahre 1843 datierte Lithographie Nr. 12 „Das kranke Pferd" herrührt. Eine besondere Bedeutung kommt dem vom Jahre 1842 datierten Bildnis
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Wachehaltende Marketenderin. Aquarell. 1850.
Wien, Alfred Wawra.
des Dragoner-Kadetten Moriz Kreb zu, weil es, bis jetzt wenigstens, das einzige Werk ist, das Pettenkofen als Soldat in Italien und zwar in Padua geschaffen hat. Es ist durch das Zeugnis des Dargestellten, in dessen Besitz es sich bis zu seinem Tode im Jahre 1912 befunden hat, aufs allerbeste beglaubigt. Das kleine Ölbild ist nicht mit Pettenkofens Namen, sondern mit dem Pseudonym „Ringen" bezeichnet. Dieses wird von dem dermaligen Besitzer des Bildchens, dem Herrn
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Michael Wieser am 22. März 1848 in Brescia. Lithographie der Folge „Zwölf Scenen aus der Ehren-Halle des k. k. Militär-Fuhrwesens-Corps". 185 1.
Oberstleutnant v. Benesch, als eine Anspielung auf das Ringen zwischen dem Soldaten und dem Künstler, das damals in Pettenkofens Innern zweifellos statt- gefunden hat, ebenso ansprechend wie überzeugend erklärt. Diesen Bildnissen von Freunden schließen sich ungezwungen die beiden Porträte von Pettenkofens Tante und Mutter an, — zählen doch die Angehörigen stets zu den frühesten Modellen eines Künstlers. Das Bildnis der Tante Barbara Mayer müßte, falls es nach dem Leben gemalt ist, spätestens im Jahre 1840 entstanden sein, da diese Schwester von Pettenkofens Mutter in jenem Jahre bereits als verstorben bezeichnet wird. Mit dem Porträt des Malers Brunner verglichen, wirkt das kleine Bildnis eher anfänger- hafter, jedenfalls könnte man es sich gut gleichzeitig mit jenem oder etwas vor jenem entstanden denken. Mit dem Porträt Semeleders geht es schon wegen des kleinen Formates besser zusammen. Das Bildnis der Mutter, im Besitz von Gott- fried und Hermann Eißler, ist vom Jahre 1843 datiert. So gut es ist, überschreitet es doch nicht die damals unter den Wiener Porträtisten übliche Konvention, und zwar nicht nur im Arrangement und in der Farbengebung, sondern auch in der Zeichnung nicht. Daher könnte man aus ihm, selbst wenn es als das Konterfei der Mutter sicher beglaubigt wäre, weder auf deren Äußeres noch auf ihren Cha- rakter irgendwelche ergebnisreiche Schlüsse ziehen. Die fast unnatürlich großen Augen auf beiden Frauenbildnissen dürften wohl eher auf Rechnung des über-
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Josef Zahradnik in der Schlacht bei Mortara. Aquarell desselben Gegenstandes wie eine Lithographie der Folge „. . . Ehren-Halle des k. k. Militär-Fuhrwesens-Corps '. 1851.
Wien, Dr. August Heymann.
treibenden Bestrebens des Anfängers als der Familienähnlichkeit der zwei Schwe- stern zu setzen sein. Den Jahren 1844 und 1845 gehören die Porträte des Ehe- paares Ferdinand und Marie Leigeb im Besitz der Familie Decastello von Recht- wehr an. Mit den Dargestellten soll Pettenkofen gleichfalls verwandt gewesen sein. Ein richtiger Auftrag dürfte das gleichfalls im Jahre 1845 entstandene Bildnis des Herrn Strommer bei Kommerzialrat Franz Xaver Mayer sein. Strommer ist in ganzer Figur als Jäger inmitten einer Gebirgslandschaft dargestellt. Er war der Prokurist Rudolf von Arthabers, der sich im alten Wien als Großindustrieller und als Kunstmäzen eines hohen Rufes erfreute. Das von Josef Preleuthner angelegte Verzeichnis von Arthabers Bildergalerie aus dem Jahre 1845 liefert ein interessantes und anschauliches Bild von dem, was im damaligen Wien ein reicher kunstver- ständiger Mann an Werken einheimischer Maler zusammenbringen konnte. Eine Arbeit Pettenkofens findet sich damals noch nicht in der Sammlung. Erst 1853 besitzt laut des von Friedrich Uhl verfaßten Kataloges aus diesem Jahre Arthaber ein Werk Pettenkofens: das Aquarell „Der mitleidige Soldat" vom Jahre 1850.
Zum Unterschied von den bisher besprochenen Porträten ist das eines Unbe- kannten, das etwa der Mitte der vierziger Jahre angehören dürfte, ein Aquarell. Die ungemein saubere und sorgfältige Vorzeichnung mit dem Bleistift ist nicht minder nett und aufmerksam in kühlen, geschmackvoll zusammengestimmten Tönen
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leicht laviert. Der Unbekannte in vorgeschrittenen Jahren, der völlig grundlos als „Graf Harrach" bezeichnet wird, ist sitzend und in halber Figur dargestellt. Gleich- falls ein Aquarell ist das im Jahre 1847 entstandene Porträt des Malers Borsos bei Dr. August Heymann, das im Gegensatz zu all den bisher genannten Bildnissen ein reifes Meisterwerk ist. Schon zeigt es Pettenkofens glänzendste, künstlerische Eigenschaften: seinen Geschmack in Zeichnung und Farbe, sein Vermögen, dem vollendeten Werk die ganze Frische eines ersten Entwurfes zu bewahren. Der Freund ist in legerer Haltung bei der Arbeit dargestellt. Er hat den Malerkittel an und hält Palette, Pinsel und Stab in der Hand. Das ganze Bild ist vorwiegend in allen erdenklichen feinen Abstufungen von Grau und Braun gemalt, gedämpftes Blau und Rot bringen Leben in die Farbenskala. Freilich ist zu sagen: je unmittel- barer das Blatt wirkt, desto mehr mag vielleicht das Porträt hinter der mit Lust und Liebe und aus echtestem künstlerischen Antrieb geschaffenen Studie zurück- treten. Wichtig und charakteristisch für die Entwicklung des Künstlers aber ist es, daß er als Maler zuerst im Aquarell eine solche Vollkommenheit erreicht, in einer Technik, die gerade von den Wiener Genremalern des Vormärz mit besonderer Vorliebe und außerordentlichem Erfolg gepflegt wurde. Daß die Malerei mit Wasser- farben in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts — von England, dem Mutterlande dieser Technik, natürlich abgesehen — kaum anderswo zu solcher Bedeutung gediehen ist als im alten Wien, sei nur beim Vorübergehen festgestellt.
Ungefähr derselben Zeit wird das zwar nicht weit über die warmbraune Unter- malung hinausgediehene, aber um so lebendigere Brustbild des greisen Vaters des Wiener Frauenmalers Georg Raab angehören. Raab wird in dem Katalog der Akademieausstellung vom Jahre 1844 als in Pest wohnhaft angegeben, was darum hier vermerkt sei, weil von dieser Pettenkofen befreundeten Familie aus vielleicht wieder einer der Fäden läuft, die ihn nach Ungarn gewiesen haben. Mit Ungarn hängen auch die nächsten paar Porträte zusammen. Sie sind in den Jahren 1848 und 1850 entstanden und befinden sich heute im Kunsthistorischen Hofmuseum, in der k. k. österreichischen Staatsgalerie und bei Dr. Albert Figdor in Wien. Es sind im guten wie im schlechten rechte Repräsentationsstücke. Die Dargestellten sind sitzend oder stehend in ganzer Figur gemalt, die damals so beliebten Requisiten des Vorhanges und der Säule fehlen nicht.
Das interessanteste dieser Gruppe von vier Bildern, die sämtlich Mitglieder der Familie Imredy von Omorovicze darstellen, ist das des Sammlers Ignaz Imredy bei Dr. Albert Figdor. Er ist dargestellt in noch jugendlichem Alter und in be- quemer Haustracht, auf einen Lehnstuhl gestützt, inmitten von Antiquitäten aller Art, die er eifrig sammelte: Bildern, Kästchen, Bechern, Waffen, Folianten, Fellen und Stoffen. Ein ähnliches Porträt von Pettenkofens Hand, bei dem das Milieu eine so hervorragende Rolle spielte, gibt es nicht. Mehr in der Anordnung all dieser Gegenstände, die wahrscheinlich so gemalt werden mußten, daß sie deutlich zu er- kennen waren, als im Kolorit zeigt sich der Einfluß Danhausers. Nicht unerwähnt bleibe auch, daß Pettenkofen gerade auf diesem Bilde, das ihm vielleicht durch Vermittlung seines ungarischen Freundes Borsos in Auftrag gegeben wurde, zum erstenmal wenn auch als die Umgebung einer menschlichen Figur ein Stilleben
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Der Verwundetentransport.
Ölbild. 1851.
malt und so hier mit Borsos auf eben jenem Gebiet wetteifert, das eine Spezialität desselben ausmachte.
Nach Österreich, und zwar nach dem altehrwürdigen, wunderschönen Kloster- neuburg, wo sich Pettenkofen zu Beginn der fünfziger Jahre den Sommer über auf- gehalten zu haben und wo damals eine kleine Künstlerkolonie ansässig gewesen zu sein scheint, führt das nächste Porträt des Künstlers, abermals ein Aquarell, doch in sehr kleinem Format, doppelt interessant, weil es nicht nur den befreundeten Maler Brudermann, sondern auch Pettenkofen selbst, und zwar auf einem Spazier- gang in der Gegend von Klosterneuburg oder Kierling darstellt. Wie sehr das Bildchen im Freundeskreis geschätzt worden sein muß, beweist das Vorhandensein von zwei fast ganz übereinstimmenden Exemplaren, die beide unzweifelhaft vom Künstlfer selbst gemalt sind. Sie befinden sich in den Sammlungen Dr. Albert Figdors und der Brüder Eißler in Wien. Infolge seiner französischen Verve macht ein flüchtiges Aquarell, das Pettenkofen selbst mit „Stößer" und kurzem Überrock und eine junge Dame, die Frau, die in seinem Leben eine so große Rolle spielen sollte, mit „Herings- kopf", Schal und Krinoline, gleichfalls während eines Klosterneuburger Spazierganges darstellt, Anspruch auf Beachtung. Das Aquarell gehört Dr. Albert Figdor.
Damit aber wären nicht nur die wichtigsten von Pettenkofens Bildnissen be- sprochen, sondern wäre auch überhaupt seine Tätigkeit als Porträtist beinahe ganz
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erledigt. Denn ähnlich wie es sich mit seinen Lithographien verhält, steht es auch mit seinen Porträten: nach 1852, dem Jahre, das man als Abschluß seiner ersten Wiener Periode ansehen kann, werden eigentlich keine mehr von ihm geschaffen. Freilich verläuft die Grenze hier nicht so bestimmt und scharf wie bei den Litho- graphien, schon darum nicht, weil etliche später entstandene Studienköpfe mit einem gewissen Recht auch als Porträte ausgegeben werden können. In vielen dieser Fälle mögen wohl die Dargestellten in des Künstlers Arbeiten in erster Linie Porträte erblickt haben, er selbst aber hat sie sicherlich zumeist nicht nur und nicht hauptsächlich in der Absicht gemacht, die Züge der betreffenden Modelle mit dem Stift oder dem Pinsel festzuhalten, sondern vielmehr als Studien, um die Hand zu üben, um das Charakteristische eines Antlitzes später einmal in einem Bilde verwerten zu können. Warum sich Pettenkofen in der Folgezeit des Porträtierens fast ganz enthalten hat? Vielleicht fühlte er sich bei den hohen Anforderungen, die er stets an sich stellte, zu wenig treffsicher. Wahrscheinlich aber war ihm der Zwang eines Porträtauftrages zuwider und wollte er nicht von Meinungen^ und Wünschen des Sitzenden, die bekanntlich denen des Künstlers häufig entgegen- laufen, abhängig sein. Dafür sprechen unter seinen Bildnissen die verhältnismäßig zahlreichen nach befreundeten Künstlern, wobei den Gemälden noch die Litho- graphie Eduard Kaisers zuzuzählen ist. Bei ihnen konnte er als Freunden und Malern vor unverständigem, ärgerlichem Dreinreden sicher sein.
In seinen Porträten ist er noch etwas unselbständig. Da tritt die künstlerische Individualität hinter dem allgemeinen Charakter der Wiener Schule zurück. Voll selbstbewußter und selbstsicherer Eigenart ist bereits ein Aquarell wie der Borsos. Im Ölbild scheint Pettenkofen Überkommenes langsamer abzustreifen, zu über- winden. Nicht ganz zu Ende geführte Arbeiten wirken origineller als solche, die, wahrscheinlich im Sinne der Auftraggeber, sorgfältig vollendet sind. Bei den früheren Porträten denkt man an die seines Lehrers Eybl, aber auch, schon wegen ihres geringen Umfanges, an die der Wiener Kleinmaler. Später erinnern gewisse Farbenzusammenstellungen, z. B. die des malerischen Durcheinanders auf dem Tische des Bildnisses der Frau v. Imredy vom Jahre 1848, an Danhauser. Daß auch das Stillebenarrangement auf dem Porträt des Sammlers Ignaz v. Imredy den Gedanken an Danhauser wachruft, wurde schon oben bemerkt. Wenn wir nicht irren, findet man auch Anklänge an das äußerst aparte Kolorit der seltenen Gemälde Peter Johann Nepomuk Geigers. Sicher ist, daß sich Pettenkofen von dem Einfluß zweier so gefeierter und fruchtbarer zeitgenössischer Wiener Por- trätisten, die Ölbilder größeren Formates malten, wie Waldmüller und Amer- ling, freizuhalten gewußt hat. Waldmüllers häufig etwas kalte Buntheit und übergroße Deutlichkeit und Genauigkeit konnten ihm nicht angenehm sein. An Amerling möchte vielleicht das bei Pettenkofen so seltene große Format und das niederländische Kostüm des XVII. Jahrhunderts auf dem zweiten, um die Mitte der fünfziger Jahre entstandenen Porträt des Malers Borsos denken lassen, doch ist das diskrete, hier fast etwas stumpfe und eintönige Kolorit von Amer- lings Farbenbrillanz ebenso weit entfernt wie die schlichte Haltung von dessen theatralischen Posen.
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TAFEL VIII
IGNAZ IMR^DY EDLER V. OMOROVICZE. ÖLBILD. 1850. WIEN,
DR. ALBERT FIGDOR.
TAFEL IX
REISEWAGEN AUF DER FAHRT VON WIEN NACH KLOSTERNEUBURG. AQUARELL. 1851. WIEN, THEODOR BERGMANN.
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österreichisches Bauernhaus mit Treidelpferd und zwei Kindern. Ölbild. 1851. Wien, Fürst Johannes von und zu Liechtenstein.
Von Pettenkofens Genrebildern der ersten Wiener Periode seien zuerst diejenigen besprochen, die sich nicht mit dem Soldaten beschäftigen. Das früheste ist wohl ein Aquarell im Besitze Eduard Pergers in Baden bei Wien. Es stellt eine sitzende
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ältere Frau dar, die einem vor ihr stehenden nackten kleinen Jungen zuredet, ins W^asser zu steigen. Merkwürdig sind die Far- ben. Es sind lauter sanft ausklingende dumpfe Mit- teltöne, das Fleisch des Kindes zeigt rötlich-brau- ne Schatten. Das sehr auf- fallende Kolorit scheint uns, wenn es sich über- haupt an ein Vorbild an- lehnt, abermals am ehe- K,x.^^-^ sten an die eigenartigen
^yS^v Farben Peter Johann Ne-
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Aquarell „Kindliche An- dacht" bei Gottfried und Hermann Eißler stammt, wenn es überhaupt von Pettenkofen herrührt, aus viel früherer Zeit, noch aus dem Ende der dreißi- ger Jahre. Datum und Signatur sind offensicht- lich gefälscht. Ein Bild Fendis vom Jahre 1837, „Die Morgenandacht im Klostergang", Nr. 43 des schon erwähnten Kataloges der Arthaberschen Galerie und heute ein Stück der Wiener städtischen Gemäldesammlung, ist die Vorlage, nach der es frei kopiert, der es mindestens nachempfunden ist. Wie frei Pettenkofens Hand bereits im Jahre 1844 ist, zeigt das aus diesem Jahre stammende lithogra- phierte Porträt Eduard Kaisers. Sehr gut ist ein Aquarell vom nächsten Jahre in der Wiener kaiserlichen Sammlung. Es stellt vier Kinder dar, die vor der Haus- türe mit einer an einen Bindfaden gebundenen Maus spielen. Die Behandlung der Wasserfarben weist deutlich auf die Fendi-Schule als Vorbild hin. Ein kleines Öl- gemälde vom Jahre 1847 im Besitz von C, A. Wels in Wien, „Der Unterricht" (eine alte Bäuerin liest ihren Enkelkindern aus einem Buche vor, das Mädel hört aufmerksam, der Bub nur widerwillig und trotzig zu), verrät deutlich Eyblsche Beeinflussung. Doch sind Pettenkofens Farben wärmer, seine Übergänge weicher.
Landsknecht im Kornfeld. Aquarell. 1851. Liechtenthal bei Baden-Baden, Baronin Stephanie Porbeck.
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Die Räuber im Kornfeld. Ölbild. 1852.
London, Wallace CoUection.
Interessant ist die beträchtlich größer gemalte Ölstudie zu dem andächtig lauschen- den kleinen Mädchen des Bildes. Der Zusammenhang mit Eybl erhellt auch aus einem anderen Ölgemälde desselben Jahres. Es gibt eine Szene aus dem Kloster- leben wieder (ein Stoffgebiet, auf das Pettenkofen in viel späteren Jahren nochmals
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zurückkommt) : zwei Kapuzinermönche im Kreuzgang ihres ärmlich einfachen Klosters, — und derselbe Kreuzgang kommt auf einem Bilde Eybls in der Sammlung Ludwig Lobmeyrs in Wien vor.
Vom Land in die Stadt führt ein Bildchen, das eine längst verschwundene Alt- wiener Type festhält : einen Sesselträger, der, einen grauen Zylinder auf und einen Kragenmantel um, bei einem Glas Wein sitzt. Es ist kaum später als um die Mitte der vierziger Jahre entstanden.
Von den bürgerlichen Szenen aus dem Jahre 1848, die Pettenkofen lithographiert hat, gibt es, wenn man von der bereits erwähnten nur ganz leicht lavierten Blei- stiftskizze zu dem Barrikaden-Blatt der „Bewegung" absieht, nur eine einzige auch als Bild: das Aquarell „Die Amnestierten".
Größere Bedeutung kommt den auch viel zahlreicheren Soldatenbildern zu. Sie zerfallen von selbst in zwei Gruppen: in solche, die auch als Lithographien vor- kommen, und in solche, die es bloß als Bilder, Aquarelle oder Ölgemälde gibt. Hier hat Pettenkofen, wie bereits bei den einschlägigen Lithographien festgestellt wurde, sein eigentliches Arbeitsfeld gefunden, eine Zeitlang wenigstens. Auf diesem Gebiete arbeiteten zwar auch andere — Fendi und sein Kreis — aber gerade hier tat es ihm keiner, auch der begabte Karl Schindler nicht, gleich. Das Getümmel und die Schrecken des Krieges lehrten ihn lebhafte Bewegtheit darstellen und als Künstler Mienen und Geberden des Menschen meistern; bei der Darstellung von Szenen aus dem Soldatenleben fand er den Weg vom damals üblichen Sittenbild mit seiner konventionellen, anekdotisch zugespitzten Komposition und seinen Farben, die, so gefällig und pikant sie auch sein mochten, immer doch manieriert waren, zur treuen ehrlichen Wiedergabe eines Stückes Natur und Leben, bei dessen Aus- wahl und künstlerischer Behandlung freilich den obersten Richter jederzeit sein Geschmack abgab; Kriegsbilder malend, lernte er endlich die ungarische Land- schaft und den ungarischen Bauer kennen, Vorwürfe, an deren Bewältigung er nachmals die beste Kraft seines Lebens wenden sollte.
Zuerst sei von jenen Soldatenbildern die Rede, deren Vorwürfe Pettenkofen auch lithographiert hat. Die Bilder, zum größeren Teil Aquarelle, sind entweder im selben Jahre wie die Lithographie oder früher oder auch später als diese, stets aber ihr zeitlich nahe, entstanden. Sie stimmen entweder genau mit den Stein- zeichnungen überein oder weichen bald mehr, bald weniger von ihnen ab, in ein paar Fällen existieren sogar mehrere Varianten, so daß es etwa eine Lithographie, ein Aquarell und ein Ölbild desselben Gegenstandes gibt, der Studien natürlich nicht zu gedenken. Aquarelle und Ölgemälde sind uns von den Themen folgender Lithographien bekannt geworden: „Russisches Lager", „Transport von Verwun- deten", „Kress Chevauxlegers im Lager bei Äcs" — alle drei Blätter aus dem Jahre 1849; „Corporal Angelo Ferrarini", „Der mitleidige Soldat", „Der brave Tambur" — die ersten beiden Blätter vom Jahre 1850 datiert, das dritte un- datiert, wahrscheinlich aber aus demselben Jahre; zehn der zwölf „Szenen aus der Ehren-Halle des k. k. Militär-Fuhrwesens-Corps", sämtliche zwölf Blätter mit der Jahreszahl 1851 versehen. Das Aquarell „Russisches Lager" bei Dr. August Heymann stammt aus dem Jahre 1851, das Ölbild im Kunsthistorischen Hofmuseum aus dem
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TAFEL X
ÖSTERREICHISCHE INFANTERIE, EINE FURT PASSIEREND. ÖLBILD. 1851. WIEN, K. K. ÖSTERREICHISCHE STAATSGALERIE.
TAFEL XI
RUSSISCHES BIVUAK. ÖLBILD. 1852. WIEN, KUNSTHISTORISCHES HOF- MUSEUM.
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Jahre 1852. Vom „Ver- wundetentransport" gibt es ein Aquarell vom Jahre 1850 und zwei Ölbilder aus den Jahren 1851 und 1853. Das Datum 1845 auf einem Ölbild, das statt des Ochsengespannes der anderen Fassungen zwei Pferde vor dem Wagen zeigt, 1876 und 1878 auf Pariser Auktionen vor- kommt und von Henri Lefort radiert ist, muß in den Katalogen verlesen sein, höchstwahrschein- lich wird es 1849 lauten. Skizziert wurde dieses Thema mit dem Bleistift, der Feder und in Ölfar- ben. Das Aquarell „Kress Chevauxlegers im Lager bei Äcs" ist wie die Litho- graphie vom Jahre 1849 datiert und das mit An- gelo Ferrarini ist gleich- falls 1849, also ein Jahr früher als die Lithogra- phie entstanden. Dem Jahre 1850 gehören die Aquarelle „Der mitlei- dige Soldat" und „Der
brave Tambur", beide bei Dr. August Heymann, an. Von den zehn uns bekannt gewordenen Aquarellen mit den Heldentaten des Fuhrwesenscorps' ist eines vom Jahre 1850 datiert, acht stammen gleich sämtlichen Lithographien aus dem Jahre 1851, auf einem sind Zehner und Einer der Jahreszahl weggeschnitten.
Aus dieser Zusammenstellung der Daten geht hervor, daß alle Soldatenbilder Pettenkofens, die mit Lithographien von seiner Hand gleiche Themen haben, in den Jahren 1849 bis 1853 entstanden sind. In frühere Zeit reichen jene mit Wasser- oder Ölfarben gemalten Soldatenszenen zurück, deren Vorwürfe nicht auch als Lithographien behandelt sind. Das frühest datierte dieser Werke gehört dem Jahre 1846 an, es ist ein vorzügliches Ölbildchen bei Kommerzialrat Franz Xaver Mayer, betitelt „Die Horcher".^') Es seien hier natürlich nur die wichtigsten dieser Arbeiten erwähnt. Zu einem kleinen Leinwandbild, das plündernde Husaren dar-
Wasberträgerin. Aquarell. 1853.
Wien, Dr. Albert Figdor.
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Theißlandschaft mit zwei Pferden. Ölbild. 1853.
Reichenberg, Heinrich Frh. v. Liebiegsche Sammlung der Stadt.
stellt und vom Jahre 1849 datiert ist, hat sich die Bleistiftvorzeichnung erhalten, die in einer Figur wesentlich abweicht und leicht laviert ist. Ein Aquarell bei Bau- meister Josef Sturany stellt eine Marketenderin dar, die an der Leiche des Soldaten, dem sie vermählt war, wehklagt. Auf einem anderen noch vorzüglicheren Aquarell, das derzeit Alfred Wawra in Wien gehört, wird ein schlafender Soldat von einer Marketen- derin, die auf sein Gewehr gestützt neben ihm steht, bewacht. Beide Aquarelle stammen aus dem Jahre 1850. Vom selben Jahre ist ein größeres Ölbild „Soldaten beim Mahle" datiert. Ein Jahr später entstand das stimmungsvolle Ölbild in der k. k. österreichi- schen Staatsgalerie, das österreichische Infanterie darstellt, wie sie an einem trüben, grauen Tag müde und langsam eine Furt passiert. Dem Jahre 1853 gehören die be- rühmten „Ungarischen Freiwilligen" an, ein Bild, von dem ebenso wie vom „Verwun- detentransport" weiter unten nochmals die Rede sein soll. Die Jahre 1846 und 1853 bezeichnen die Grenzen, innerhalb deren die Soldatenbilder dieser zweiten Gruppe an- zusetzen sind, auch die undatierten. Nach dem Jahre 1853 aber hat Pettenkofen Bilder, die den Krieg, die Soldaten der Gegenwart darstellen, nur selten mehr gemalt. Von den eben erwähnten Soldatenszenen, die keine Jahreszahlen tragen, seien ein paar kurz erwähnt. Vor allem zwei Gegenstücke, Aquarelle oder besser gesagt: lavierte Bleistiftzeichnungen, beide viele kleine vorzüglich gezeichnete Figuren zählend, auch in der Gesamtanlage ganz meisterhaft. Beide Bilder stellen öster- reichisches Militär dar, das eine eine Artilleriebrigade, die in ein Dorf oder in ein Landstädtchen einfährt, das andere Infanterie, die auf dem Hauptplatz des- selben oder eines ähnlichen Ortes kampiert. In der mühelosen Bewältigung einer so bewegten und figurenreichen Komposition stehen die beiden Blätter unter den Lithographien dem „Sturm auf Ofen" und der sogenannten „Einnahme von Brescia" nahe, wahrscheinlich stammen auch sie aus dem Jahre 1849. Ein Vorwurf, mit dem sich Pettenkofen, wie die vielen Skizzen und Fassungen beweisen, lange und ein- gehend beschäftigt haben muß, sind Soldaten, die am Abend nach der Schlacht unter düsterem Gewitterhimmel die Leichen der Gefallenen nach einer Grube schleifen. Die ausführlichste Behandlung hat dieser Vorwurf, der in gewissem
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Theißlandschaft mit neun Pferden. Ölbild. 1854.
Reichenberg, Heinrich Frh. v. Liebiegsche Sammlung der Stadt.
Sinne als Fortsetzung oder Steigerung des „Verwundetentransportes" aufgefaßt werden könnte, in einem Aquarell erfahren, das sich heute im Budapester Museum befindet. Außer Feder- und Bleistiftskizzen des geschilderten Inhalts gibt es auch drei Ölskizzen, aus denen man schließen kann, daß Pettenkofen das Thema auch als Ölbild behandeln wollte. Vielleicht fand er aber selbst den Vorwurf allzu grausig, vielleicht ließ er sich durch die Rücksicht auf die Verkäuflichkeit leiten, jedenfalls stand er schließlich von einer bildmäßigen Ausführung ab und ließ so ein Werk ungeschaffen, das sicherlich zu den bedeutendsten seiner Frühzeit gezählt hätte.
Im Aquarell und in der Ölmalerei hat Pettenkofen, wie an der Hand dieser aus den Jahren 1846 bis 1853 stammenden Soldatenbilder am deutlichsten verfolgt werden kann, ganz erhebliche Wandlungen durchgemacht, die im allgemeinen wohl als Fortschritt zu bezeichnen sein werden. Wenn auch, wie es nun einmal schon im Leben geht, auch hier vielfach das neue Gute auf Kosten des alten Guten errungen wurde. In beiden Techniken ist deutlich eine Abkehr von der Manier der Fendi-Schule zu konstatieren. Im Aquarell ist dies leichter zu sehen als in der Ölmalerei. Vor allem ist die graziöse, leicht andeutende Art, bei der das Weiß des Papieres eine so hervorragende Rolle gespielt hat, gänzlich aufgegeben. Nun wird die ganze Papierfläche mit Farben, die weniger stark kontrastieren, nicht mehr so bunt und lebhaft sind, bedeckt, Lichter sind häufig mit dem Radiermesser ausgekratzt, nicht mehr mühsam ausgespart. Der Gesamteindruck ist kräftiger, kühner und geschlossener, freilich auch derber und einförmiger. Wir erinnern uns, eine völlig analoge Entwicklung von Stil und Technik auch an den Lithographien beobachtet zu haben. Vollkommen deutlich wird das Streben nach einem einheit-
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liehen Tone; im Aquarell scheint einem warmen, ziemlich dunkelbraunen, auf den Ölbildern einem kühleren grauen der Vorzug gegeben zu sein.
Das Ende und den Gipfel nicht nur der Soldatenbilder, sondern überhaupt von Pettenkofens Arbeiten der ersten Wiener Periode bilden der „Verwundeten- transport" und die „Ungarischen Freiwilligen", zwei Ölgemälde vom Jahre 1853, die freilich der Zeit nach bereits jenseits des Einschnittes fallen, der jene Epoche von der nächsten trennt und durch eine Reise des Künstlers nach Paris im Jahre 1852 gebildet wird. Beide Werke gehören aber der Form und dem Inhalt nach noch vollständig zur ersten Wiener Periode, was beim „Verwundeten- transport" überdies durch die Fassungen aus den Jahren 1849, 1850 und 1851 äußerlich dokumentiert wird. In beiden Werken ist Pettenkofens Kunst zur reifen Meisterschaft gediehen. Die letzte Formulierung des „Verwundetentransportes" ist nach langen Irrfahrten — das Bild war sogar schon jenseits des Atlantischen Ozeans gewesen — nach Wien gekommen, wohin es eigentlich gehört, die „Ungarischen Freiwilligen" aber haben in Amerika und zwar im Metropolitan Museum zu New York, wo sie als Leihgabe des Mr. George W. Vanderbilt aus- gestellt sind, eine Stätte gefunden. Das schwungvolle Lob, das ihnen im Jahre 1869 kein Geringerer als Theophil Gautier gespendet hat, mag eine Vorstellung von dem Bilde, das dem Autor nur nach einer etwas kleinlichen Radierung von Gustave Greux und nach einer verblaßten alten Photographie bekannt ist,^'^) zu geben ver- suchen. Gautier sagt'"): „A cöte, du Jeune homme dessinant de Meissonier, regardez, s'il vous plait, un tout petit tableau qui soutient parfaitement ce voisinage dangereux. II est signe d'un nom etranger, hongrois ce nous semble, Petten Koffen. Nous avons vu de lui, si notre memoire ne nous trompe, dans la galerie du prince Gortschakoff, un groupe de Tsiganes d'une grande originalite locale et d'une execution tres-fine. Tächez de retenir ces syllabes exotiques; elles designent un artiste d'un vrai talent et que la vogue adoptera quand eile le connaitra mieux.
Le cadre dont il s'agit represente des Enröles volontaires hongrois. Une charrette de construction aussi primitive qu'une telega russe empörte dans un tourbillon de poussiere, au vol de trois petits chevaux pleins de feu, les enroles couches pele-mele avec leur fourniment. Un ciel clair et leger s'etend sur la ligne horizontale de la Pusta, que rompt seule la perche des puits se dressant comme une vergue d'oü pend un bout de corde. Theodore Valerio nous a dejä fait con- naitre, dans ces eaux-fortes et ses aquarelles, ce paysage indefini qui a la grandeur de la mer, et dont la monotonie ne manque pas d'un certain charme melan- colique. Derriere le rustique vehicule lance au galop, estompe par la poudre qu'il souleve, se distingue vaguement une autre voiture trainant aussi des enroles.
Un garcon de mine fiere, au chapeau orne de feuillage, guide le fougueux attelage avec une audace süre d'elle-meme qu'eüt enviee Automedon, le cocher d'Achille. Un compagnon est assis prfes de lui; derriere, gardant l'equilibre malgre les cahots, se tient debout un jeune homme battant du tambour. Les volontaires, couches ou accoudes parmi leurs sacs, les jambes pendant hors des ridelles, fument insoucieusement leurs pipes ä long fourneau. Ils ont encore leurs vetements de grosse toile et leurs manteaux en peau de mouton qu'ils vont bientot echanger
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TAFEL XII
DER VERWUNDETENTRANSPORT. ÖLBILD. 1853. WIEN,
RUDOLF REICHERT.
TAFEL XIII NACH DEM DUELL. ÖLBILD. 1853. AMSTERDAM, MUSEUM FODOR.
contre les sveltes costumes militaires. Leurs armes brimballent au flanc de la voiture. A la contenance de ces gaillards moustachus et basanes, ce ne serait pas une conjecture de penser, qu'ils ont noye dans d'abandonantes libations leur dernier jour de liberte. — Chevaux, figures, ustensiles, tout est touche avec la finesse la plus spirituelle, d'une couleur gaie et charmante, d'un dessin delicat, exact et precis. La composition a du feu, du mouvement, de la vie. Chose difficile dans un art fixe, le groupe fuit ä toute vitesse. Les jantes des rues disparaissent dans l'eblouissement de la rapidite; les chevaux echeveles piaffent, devorent l'espace, et bientot la voiture sera hors du cadre."")
Gautiers Urteil, an sich etwas phrasenhaft und durch seine Unkenntnis von Pettenkofens anderen Arbeiten, besonders von denen aus der Zeit zwischen 1853 und 1869, stark beeinträchtigt, gewinnt aber durch den Zusammenhang, in dem es ausgesprochen ist, an Bedeutung. Es findet sich in einer Serie von Feuille- tons, die eine Leihausstellung behandeln. Sie war zu einem wohltätigen Zwecke veranstaltet und enthielt moderne Bilder aus Pariser Privatbesitz. Vor Pettenkofens Gemälden werden Hauptwerke von Eugene Delacroix, Jules Dupre, Theodore Rousseau und Edouard Meissonier besprochen. —
Das Thema des „Verwundetentransportes" ist folgendes: An einem trostlosen Regentag schleppt sich durch den unendlichen Kot der Puszta ein trübseliges Fuhr- werk. Qualvoll langsam geht es vorwärts, sinken doch die Räder fast bis an die Naben ein. Den ermüdeten Ochsen helfen hinten am Wagen anschiebend Soldaten der Eskorte. Das Gefährt ist voll Verwundeter, vom Leichtblessierten an bis zu dem im Todeskrampf Erstarrten. Ein Arzt spendet aus der Feldflasche Labung. Nicht nur die öde, bleierne Niedergeschlagenheit der Gesamtstimmung, sondern auch das schreckliche Elend auf den fahlen, schmerzverzerrten Gesichtern ist vom Künstler meisterhaft zum Ausdruck gebracht. Hätte Pettenkofen im „Verwundeten- transport" ein Tendenzbild schaffen wollen, so hätte er damit proleptisch einen Werestschagin übertrumpft. Wenn man will, kann man den „Verwundeten- transport" das traurige Ende des Liedes nennen, das mit den „Ungarischen Frei- willigen" so lustig begonnen hat. Die „Leichenschlepper" hätten dann das dumpfe Schlußstück dieser gemalten Trilogie abgeben sollen. Aber sicherlich waren für Pettenkofen das gedankliche und das malerische Moment, wie es wohl auch das Richtige ist, zur untrennbaren Einheit verschmolzen.
Wie stark ihn der Vorwurf lange Zeit hindurch beschäftigt hat, geht aus den verschiedenen, sich über vier Jahre verteilenden Fassungen hervor, worin er ihm immer neue Seiten abzugewinnen sucht. Sie führen die Entwicklung der Idee in drei Hauptstadien vor. Das erste wird durch das Ölbild vom Jahre 1849 bezeichnet, das zweite durch die Lithographie desselben, das Aquarell des folgenden und das Öl- bild des nächstnächsten Jahres, das dritte durch das im Jahre 1853 entstandene Ölbild.
Das erste Ölbild zeigt das Sujet noch mit dem der „Leichenschlepper" verquickt, denn man sieht darauf auch, wie am Abend nach der Schlacht Verwundete aufgelesen werden. Etliche davon werden schon auf einem von zwei Pferden gezogenen Karren weitergeschafft. Mit dem einen, der vorne auf dem Fuhrwerk sitzt, plau- dert der Bauer, der das Gespann lenkt.
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Die Lithographie, wie das eben besprochene Bild vom Jahre 1849, ist noch ziem- lich hell gehalten. Der Wagen ist mit Ochsen bespannt und fährt nach rechts. Hinter dem Soldaten links vorne, von dessen Gewehr nur der Lauf zu sehen ist, fehlt noch der Hund. Der Bauer hält eine Gerte. Der Regimentsarzt, der die Feld- flasche noch nicht dem Gesicht des Verwundeten genähert hat, trägt einen Zwei- spitz, der Soldat hinter den beiden eine Kappe. Von dem Manne, der die Hand über die Wagenleiter hängen läßt, ist nur der verbundene Kopf sichtbar. Der Blessierte links hinten hat über dem Verband eine Kappe auf, von dem rechts hinten flattert ein Ärmel weg. Vor dem Wagen liegt ein Tschako im Kot. Über den Ochsen sind ein Haus und ein Ziehbrunnen sichtbar. Links vorne wird in der Entfernung ein zweiter Karren vom Bildrand überschnitten.
Auf dem Aquarell vom Jahre 1850 bewegt sich der Zug gleichfalls nach rechts, von der Lithographie unterscheidet es sich hauptsächlich dadurch, daß hinter dem Soldaten links vorne ein Hündchen einhertrottet.
Das Ölbild vom Jahre 1851 zeigt den Wagen nach links fahrend. Am Hori- zont, der noch immer oberhalb der Rücken der Ochsen verläuft, ragen links und rechts Baumgruppen auf. Wie auf der Lithographie ist deutlich zu sehen, daß es regnet. Rechts oben ist das Gewölk beträchtlich dunkler geworden. Dem Soldaten links vorne, von dessen Gewehr auch der Kolben sichtbar ist, folgt das Hündlein. Der Bauernkutscher hantiert mit einem Leitseil. Der Feldbader hat eine Kappe auf und hält die Flasche bereits am Munde seines Patienten. Der Soldat hinter den beiden trägt einen Tschako. Am Wagen hängen eine Feldflasche, eine Patron- tasche, ein Brotbeutel und ein Tschako. Auf der Lithographie sind es außer der Patrontasche ein Tornister und zwei Seitengewehre. Der Verwundete, der die Hand überhängen läßt, hat den Kopf bloß, der links hinten hat den seinen nur eingewickelt, und sein Ärmel ist es, der aufs Rad herabhängt. Ein zweiter Wagen fährt nicht nach, sondern vor dem ersten.
Auf dem Bilde vom Jahre 1853 bewegt sich der Zug wieder nach rechts. Alles ver- schwimmt in ödem Grau. Zu regnen scheint es nicht. Der Horizont ist unter die Rücken der Ochsen und das Fuhrwerk hinabgerückt. Der Bauer geht auf der anderen, der vom Beschauer abgekehrten Seite des Gespannes. Die Ochsen haben besonders lange Hörner. Rechts vorne schreitet schwer die eindrucksvolle Gestalt einer Marketenderin mit großem Hut, Feldflasche und Krug durch den Kot. Ihr folgt traurig ein langbeiniger Hund. Die hinten anschiebenden Soldaten sind nicht mehr so parallel gebildet wie bis- her: der linke hat das Gewehr geschultert und raucht aus seiner Pfeife. Der Feldarzt ist von den beiden Soldaten, mit denen er früher ein Ganzes gebildet hat, losgelöst. Der Verwundete hat seinen Kopf völlig unverbunden. Hinten sitzen nicht mehr drei, sondern nur mehr zwei Soldaten. Statt der herabhängenden Hand ist eine starr emporragende, die eines Toten sichtbar.
Diese Fassung ist als die endgültige anzusehen. Mit ihr war für den Künstler das Thema erschöpft, — wenn er auch noch im Jahre 1869 zwei Ölskizzen des „Verwundetentransportes" an Plach verkauft.
Pettenkofen soll auf seinen „Verwundetentransport" nicht gut zu sprechen ge- wesen sein.^O — wahrscheinlich weil ihm dieses Werk zu oft als Maßstab für
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.Fischerhütte. Aquarell. 1854.
Wien, Dr. Albert Figdor.
andere vorgehalten wurde; und der alte Fürst Nikolaus Eszterhäzy, dem Petten- kofen einmal das Bild zu zeigen Gelegenheit fand, soll ihn gebeten haben, es wieder mitzunehmen, — weil es zu traurig sei.^**) —
Pettenkofens Wirksamkeit als Wiener Genremaler hat im „Verwundetentransport" und in den „Ungarischen Freiwilligen" gegipfelt. Beide Bilder, jenes freilich nur in seiner letzten Fassung, sind 1853 gemalt und fallen daher eigentlich schon in die durch Pettenkofens ersten Pariser Aufenthalt während der Jahre 1852-53 eingeleitete nächste Phase seiner künstlerischen Entwicklung. Doch durften sie hier behandelt werden, weil ihre Konzeption, wie wir wissen, noch der Zeit des ungarischen Feld- zuges, jedenfalls noch dem Jahre 1849 angehört. Der „Verwundetentransport" ist als Lithographie von diesem Jahre datiert, und aus demselben Jahre stammt auch die Lithographie: „Die Überfallene Feldpost", die in gewissem Sinne als die einzige Vor- stufe zu den „Ungarischen Freiwilligen" angesehen werden kann.
Aus chronologischen Gründen und wegen neuer künstlerischer Eigenschaften mögen folgende Arbeiten Pettenkofens aus den Jahren 1851 und 1852 hier am Schluß be- sprochen werden.
Zuerst sei eine Folge kleiner, höchst reizender Klosterneuburger Landschaften und Interieurs vom Jahre 1851 erwähnt, zehn Aquarelle und ein Ölbild. Die Serie, heute im Besitz Theodor Bergmanns in Wien, zeigt uns den Künstler zum ersten Male als ungemein feinfühligen und geschmackvollen Maler von Landschaften und Innenräumen, wenngleich es natürlicherweise Landschaftsstudien von seiner Hand auch schon aus früherer Zeit gibt. Pettenkofen ist in diesen Bildchen völlig selb- ständig, sie könnten keinem anderen Wiener Maler jener Tage zugewiesen werden.
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Eigentümlich sind ihnen die trotz aller Feinheit der Ausführung markige, nichts weniger als glatte oder süßliche Maltechnik, die kühle und satte Farbenskala und der bewegte Himmel mit weißen Wolken vor tiefblauem Grund. Die Bildchen, zu einem Album vereinigt, sind intimen Charakters. Sie waren für die Geliebte be- stimmt und schildern den Ort, das Haus, wo sie den Sommer zubrachte. Noch persönlicher und vertraulicher, aber, so flott und graziös sie auch gemacht sind, künstlerisch doch von untergeordneter Bedeutung, sind Zeichnungen, bald mit der Feder, bald in Sepia mit dem Pinsel verfertigt, zum Teil ganz flüchtig hingeworfen, zum Teil sorgfältig ausgeführt, fast durchwegs Illustrationen von Briefen an die Ge- liebte, die, vielleicht nicht ganz wahrheitswidrig, meist wohl heftig übertreibend, ge- wöhnlich ausgelassen lustig, manchmal aber auch mit leiser Wehmut, häufiger voll heißer Leidenschaft als objektiv und gefaßt, Freuden und Leiden der Liebe schildern. Auch diese Blätter wurden, hinterher natürlich, zu einem Album zu- sammengebunden und sind vom August und September 1851 und vom Februar 1852 datiert.
Von größerer, ja von epochaler Bedeutung für des Künstlers Entwicklungsgang sind ein paar ebenfalls von 1851 und 1852 datierte Naturstudien, ungarische Bauern und einen Bauernhof auf der Puszta darstellend. Sie stammen unzweifel- haft aus Szolnok, wo Pettenkofen bereits im Herbst 1851 nachgewiesen werden kann, wo er ein neues Stoffgebiet entdeckt und durch diese Entdeckung einer neuen künstlerischen Auffassung entgegenreift. Sie lehrt ihn das anekdotische Genrebild überwinden und anspruchsloser und objektiver ein Stück Natur wieder- geben, wobei er das Hauptgewicht auf die rein malerische Erfassung und Be- handlung des Gegenstandes legt. Diese Wandlung aber soll später eingehender zu schildern versucht werden. —
Bei der Betrachtung von Pettenkofens künstlerischer Wirksamkeit in der Zeit von 1837 bis 1852 haben wir gesehen, daß er sich nicht nur unter den Wiener Lithographen, sondern auch unter den Wiener Genremalern jener Epoche eine erste Stelle errungen und die Schilderung des Soldatenlebens, insbesondere des ungarischen Feldzuges der Jahre 1848 und 1849 zu einer Spezialität ausgebildet hat. Der „Abschied des Landwehrmannes", den Johann Peter Krafft 1813 gemalt hat, gilt mit Recht als der Anfang der Wiener Genremalerei im Vormärz, ein Bild wie Pettenkofens „Transport von Verwundeten" vom Jahre 1853 würde sie nicht unwürdig beschließen. Krafft war der Schüler Louis Davids und 1852 pries er sich mit Tränen der Freude in den Augen glücklich, daß er noch vor seinem Ableben ein so bedeutendes historisches Bild wie Delaroches „Napoleon" sehen durfte. Es ist daher begreiflich, daß seine beiden Szenen aus dem Leben des Landwehr- mannes verkappte Historienbilder sind. Das große Format, das Pathos der Geberden, die heroischen Staturen verraten das deutlich genug. Wie ganz anders wirkt da- gegen Pettenkofens kleines Bild. Um wie viel natürlicher und schlichter, um wie viel wahrheitsgetreuer erscheint es uns in Farbe und in Darstellung. Wir glauben hier einem Stück trostloser Wirklichkeit gegenüberzustehen, dort, an Kraffts Ge- stalten sehen wir nur mehr Pose und Theater. In einem Bilde, wie dem „Ver- wundetentransport" ist aber auch die kokette und pointierende Art, die gleicher-
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Schweineherde am Wasser. Aquarell. 1854.
Wien, Ludwig Lobmeyr.
weise dem Kolorit und der Komposition der Fendi-Schule eignet, abgetan und überwunden. Diese Vergleiche sollen nicht etwa Krafft und Fendi und seine Schüler auf Kosten des Pettenkofen vom Jahre 1853 herabsetzen, sie sollen nur die Ent- wicklung, die Weiterbildung — absichtlich sei hier das so leicht irreführende Wort Fortschritt vermieden — dartun, die die Wiener Genremalerei innerhalb der oben angegebenen Zeitgrenzen durchgemacht hat.
Die Wiener Genremalerei, deren engen und vielfältigen Zusammenhang mit den gleichzeitigen sozialen und politischen Verhältnissen Wiens Rudolf von Eitelberger in einer Reihe vorzüglicher Studien klargelegt hat,'") macht, wie wir heute längst und gut wissen, den Ruhmestitel der damaligen Wiener bildenden Kunst aus. Gleichwohl ward sie aufs heftigste von der freilich zu Beginn jener Periode schon im Absterben begriffenen akademischen und von der kirchlich-romantischen Rich- tung, die wieder eine der anderen spinnefeind waren, befehdet. Auf der Akademie trug mit Führich an der Spitze die kirchlich-romantische Richtung den Sieg über die Genremalerei davon. Führich war an der Lambergischen Galerie, die schon 1821 ihr hochherziger Gründer der Akademie testamentarisch vermacht hatte, seit 1834 zweiter Kustos, Professor an der Akademie wurde er 1840. Danhauser nahm im Jahre 1844 seinen Abschied von der Akademie. Bewogen wurde er zu diesem Schritte durch die Zurückweisung, die sein Bild „Hundekomödie", eine satirische Antwort auf gewisse ihm feindliche Zeitungskritiken, auf der Ausstellung des Kunstvereines erfahren hatte. Waldmüller war seit 1829 an der Lambergischen Galerie angestellt, seit 1830 war er Professor an der Akademie. Kann es als aus- gemacht gelten, daß Pettenkofen vom Austritt Danhausers aus dem akademischen Lehr-
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körper auf das schmerz- lichste berührt worden ist, so wird er in dem literarischen Streite, den Waldmüller und Eitel- berger, der in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre im Wiener Kunstleben eine Rolle zu spielen be- gann und damals auch schon an der Akademie Kunstgeschichte vortrug, in den Jahren 1847 und 1848 miteinander hat- ten,") unzweifelhaft auf der Seite Waldmüllers ge- standen sein, — war er auch später mit Eitel- berger befreundet und hatte er auch als reifer Meister gegen Wald- müllers künstlerische Art Einwendungen zu erhe- ben. Mit dessen Schrift über die Reform des aka- demischen Unterrichtes aber war er sicher durch- aus einverstanden. —
Diese mutmaßliche Stel- lungnahme Pettenkofens zu so wichtigen Ereig- nissen, wie es Danhausers Abgang von der Akademie und Waldmüllers und Eitel- bergers literarische Fehde für die Wiener Kunstkreise am Vorabend der Revolution unzweifelhaft gewesen sind, hat uns bereits mitten in das Kunstgetriebe Wiens zur Zeit von Pettenkofens erster Entwicklungsperiode hineingeführt. Ihr Abschluß ver- lockt ohnehin dazu, all das, was sich während der durchmessenen dreißig Jahre in Wien auf dem Gebiete der bildenden Kunst zugetragen hat, rasch zu über- blicken.
Die Palme gebührt der Genremalerei. Krafft, Fendi, Karl Schindler, Danhauser, Ranftl, Gauermann, Raffalt, Waldmüller waren außer Pettenkofen ihre hervor- ragendsten Vertreter. Krafft pflegte auch das Historienbild, Ranftl und Gauermann zeichneten sich als Tiermaler aus, RafTalt war vorwiegend Landschafter, Wald- müller war der vielseitigste von allen und malte Genrebilder, Landschaften, Porträte und Stilleben. Daneben war dank der hohen Künstlerschaft und machtvollen
Ungarischer Bauer, stehend, nach rechts. Aquarell. 1851. Budapest, Baron Julius Forster.
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Persönlichkeit Führichs die kirchlich-romantische Richtung zu neuem Le- ben erwacht und an der Akademie zum ausschlag- gebenden Faktor gewor- den. Führich und seinen Schülern fiel auch in der neuen Ära, die für die Akademie durch die Stu- dienreform des Unter- richtsministers Grafen Thun eingeleitet wurde, der erste große Auftrag zu : die Ausmalung der Altlerchenfelder Kirche, die seit 1853 so weit war, daß mit der Innendeko- ration begonnen werden konnte. Die beiden echte- sten österreichischen Ro- mantiker freilich, Steinle und Schwind, hatten 1837 und 1839 die Heimat ver- lassen. Unabhängig, aber darum nur um so ein- drucksvoller, entwickelt sich die malerische Tätig- keit Amerlings und Rahls. Jener ist ein Genremaler, bei dem die lebensgroße
weibliche Figur die Hauptrolle spielt, und ein pompöser Porträtist, dieser, den Hebbel als einen Wahlverwandten feiert, schafft Historienbilder nicht nur großen Formates, sondern auch großen Stiles. Beide haben sich in der Fremde ausgiebig umgetan, beide bereiten gewissermaßen die Zeit Makarts und Canons vor. Als Porträtist erfreut sich der fabelhaft fruchtbare Kriehuber des außerordentlichsten Rufes, mit seinen lithographierten Bildnissen steht er einzig da, als Maler von Miniaturporträten sucht Daffinger, der Freund Grillparzers, seinesgleichen. Als Landschafter sind Thomas Ender und die drei Alt, der Vater Jakob und die beiden Söhne Rudolf und Franz, zu nennen. Die meisten Steinzeichner wurden bereits in Verbindung mit Pettenkofens lithographischer Tätigkeit genannt, der Holzschnitt wurde von Blasius Höfel und seiner Schule gepflegt, reproduzierende Stiche schufen Rahl, der Vater, Benedetti und Stöber, die Originalradierung lag fast gänz- lich brach, nur einige wenige Künstler haben ab und zu ein Blatt radiert: Gauer-
Ungarischer Bauer, stehend, nach links. Aquarell. 1854. Budapest, Stefan von Czdrän.
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mann, Danhauser, Ranftl. Die Plastik gieng fast während der ganzen Periode leer aus: Klieber, Schaller, Kähßmann, Bauer schufen ein paar nicht allzu hervor- ragende Werke fast durchwegs klassizistischer Art. Ebenso schlimm stand es mit der Architektur, doch waren schon seit 1843 jene beiden Künstler an der Akademie tätig, die im zweiten Drittel des vergangenen Jahrhunderts Wien seinen schönsten Monumentalbau schenken sollten : Eduard Van der Null und August von Siccards- burg.
Große Ereignisse für die Wiener Künstler und Kunstfreunde waren zwei Aus- stellungen ausländischer Gemälde in den Jahren 1843 und 1852. Auf der ersten waren Gallaits „Abdankung Karls V. in Brüssel im Jahre 1555" und Biefves „Kompromiß der niederländischen Edlen im Jahre 1566" zu sehen, die zweite Aus- stellung, die im jüngeren Kunstverein stattfand, zeigte Gallaits Gemälde „Egmont vor der Enthauptung" und die Napoleon-Bilder Delaroches. Der jüngere Kunst- verein war 1850 gegründet worden, seine Geschäftsleitung lag in den Händen Arthabers. Während man dem älteren Kunstverein, der seine Entstehung Metter- nich verdankte, gänzliche Untätigkeit vorwarf, ward am jüngeren bereits im Jahre 1852 gerügt, daß er zu viele Ausländer vorführe. 1850 ward endlich, um nochmals des Beginnes der hauptsächlich durch Eitelberger eingeleiteten kunstgeschichtlichen Ära zu gedenken und so diese Skizze der Wiener Kunstzustände in der ersten Hälfte des XIX. Jahrhunderts abzurunden, der Grundstein zur „k. k. Centralcommission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale" gelegt. Mit der Schöpfung dieses Institutes gieng Österreich Deutschland voran.
In der österreichischen Dichtkunst war 1852 bereits die schönste Blüte abgewelkt. Um so erstaunlicher und wunderbarer ist die schwere, reiche Fülle, die sie in der Zeit von Pettenkofens Geburt bis zu seiner Reise nach Paris, also während des Menschenalters von 1822 auf 1852 entfaltet hat. Grillparzer hatte in den zwanziger und dreißiger Jahren dem deutschen Theater viele köstliche Gaben beschert, 1840 aber hatte er sich, nachdem er in diesem Jahre seine drei ungedruckten Dramen „Des Meeres und der Liebe Wellen", „Der Traum ein Leben" und „Weh dem, der lügt" in Buchform hatte erscheinen lassen, gekränkt, enttäuscht und verbittert von der Öffentlichkeit zurückgezogen. Sein Tagebuchvers verrät deutlich die trübe Stimmung, die ihn beherrscht, zeigt, wie er sein Verhältnis zu Publikum und Kritik aufgefaßt und beurteilt hat:
„Was je den Menschen schwer gefallen,
Eins ist das Bitterste von allen:
Vermissen, was Schon unser war,
Den Kranz verlieren aus dem Haar;
Nachdem man sterben sich gesehen.
Mit seiner eig'nen Leiche gehen."
Der leichtlebigere, elastischere Bauernfeld war dagegen unermüdlich tätig und schilderte, wie es sein Freund Danhauser als Maler tat, als dramatischer Dichter die Wiener Gesellschaft. Von Halm erschien 1837 die „Griseldis", 1843 der „Sohn der Wildnis". Hebbel, seit 1846 in Wien ansässig, stand 1852 auf der Höhe seiner Schaffenskraft. Bis auf den „Gyges" und die „Nibelungen" hatte er schon alle seine bedeutenderen Tragödien geschrieben. Nestroy beherrschte seit Anfang der
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dreißiger Jahre die Vorstadtbühne. Rai- mund, dessen sämtliche Dramen sich auf kaum mehr als ein Dutzend Jahre ver- teilen, hatte sich 1836 erschossen. Lenau, der andere Melancholiker unter den Dichtern des Kaiserstaates, war 1844 wahnsinnig geworden und starb 1850. Aber auch Anastasius Grüns poetische Tätigkeit ist mit dem Jahre 1850 fast ganz abgeschlossen. Dasselbe gilt von Zedlitz, der hier nur darum erwähnt sei, weil er als Korrespondent der „Allge- meinen Zeitung" dann und wann Kritiken über bildende Kunst verfaßte und dabei besonders Danhauser mit verständnisloser Härte abfällig beurteilte. Von Stifter waren 1852 bereits die „Studien" und die „Bun- ten Steine", also seine beiden berühm- testen Werke, erschienen. Noch schlim- mer als mit der Wiener Literatur steht es am Abschluß dieser Epoche mit der Wiener Musik, weil sie nur Verluste und kaum einen Gewinn aufzuweisen hat. Noch in den zwanziger Jahren des Jahr- hunderts waren Beethoven und Schubert gestorben, Lanners und des älteren Strauß süße Wiener Tanzweisen, die mehr als irgend etwas anderes dem Ausland eine Vorstellung von Wien gaben, sind in den vierziger Jahren für immer verklungen. Die Oper stand die ganze Zeit her unter dem Zeichen Meyerbeers, ins Burgtheater zog 1850 mit Laube ein neuer Geist ein.
Wien selbst, die Stadt, hatte sich in der Zeit von 1822 bis 1852 wohl nicht allzu sehr verändert, war doch überhaupt nicht viel und künstlerisch nur ganz wenig gebaut worden. Nüchterne Verwaltungsgebäude, Kasernen und Bahnhöfe sind die Zeugen des damals in der Architektur herrschenden Bureaukratismus, an dem das Regime des allmächtigen Hof baurates Sprenger die Hauptschuld trug. Erst Rösners Johanneskirche in der Praterstraße und besonders Müllers Altlerchenfelderkirche in der Lerchenfelderstraße leiten eine neue, bessere Phase der Wiener Architektur ein. Noch aber waren die Basteien nicht gefallen. Erst deren Entfernung, die zwar das wunderliebe Bild des alten Wien zerstörte, konnte zum Ausgangspunkt für die glänzende Bauperiode der nächsten Jahrzehnte werden.
Die Umwälzung auf politischem Gebiete haben wir ja an der Hand von Petten- kofens Arbeiten, wenn auch bloß von weitem, flüchtig und bruchstückweise, mit- erlebt. Das Metternichsche System, so lange unerschüttert, scheitert endlich in den Stürmen des Jahres 1848. Oberitalien und Ungarn erheben sich gegen Österreich, in Prag findet ein Slawenkongreß statt, der die gegen das Deutschtum gekehrten
Ungarischer Bauer, sitzend. Aquarell. 1854. Budapest, Museum der schönen Künste.
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Bestrebungen der slawischen Völker Österreichs zentralisieren soll und der eine Volkserhebung in Prag zur Folge hat. In Wien scheint zuerst die Revolution zu triumphieren, und man erhofft sich da von der blutig erstrittenen Freiheit den Himmel auf Erden. Metternich ist vertrieben, die Zensur abgeschafft, die Preßfrei- heit erobert, eine Konstitution vom Kaiser selbst bewilligt. Aber auf die Märztage folgen die Oktobertage. 'Wie vorher in Prag, so wird schließlich auch in Wien die Revolution mit Waffengewalt niedergeworfen, und auch die Aufstände in Italien und Ungarn gelingt es, in Ungarn mit Hilfe eines russischen Heeres, in blutigen Kämpfen zu unterdrücken. Zur selben Zeit kommen die Nachrichten von der Kapitulation von Vilagos und von der Einnahme von Venedig nach W^ien, am 13. September 1849 wird der aus Italien heimkehrende Radetzky, der Sieger von Custozza und Novara, von der Bevölkerung Wiens mit unbeschreiblichem Jubel empfangen. 1850 in Olmütz obsiegt Österreich vorläufig wenigstens auch über den Gegner, der sich ihm drohend und machtvoll im Norden zu erheben beginnt, über Preußen, das sich in Olmütz allen österreichischen Forderungen fügt. Auf Öster- reichs Kaiserthron hatte noch zu Ende des tollen Jahres ein Wechsel stattgefunden : der achtzehnjährige Franz Josef war seinem Oheim Ferdinand nachgefolgt. Knüpften sich alle guten Hoffnungen an den jugendlichen Monarchen, so herrschte doch einst- weilen die Reaktion und stellte fast alle Errungenschaften des Jahres 1848 in Frage. Aber nicht bloß in Wien, sondern auch in anderen Ländern Europas war der Absolu- tismus wieder hergestellt. 1852 erhielt Frankreich wieder einen Kaiser, und die verblüffende, eines gewissen Schwunges keineswegs entbehrende Art, wie er auf- trat, ließ Europa wieder einmal voll Spannung nach Paris blicken. Dieser Um- schwung an der Seine, der sicherlich vielfach zu den schönsten Hoffnungen zu be- rechtigen schien, mag unter anderem mit dazu beigetragen haben, daß Petten- kofen zu Beginn des Jahres, an dessen Ende Louis Napoleon auf Grund von Senätsbeschluß und Volksabstimmung zum Kaiser proklamiert wurde, Wien, über das sich die alte, kaum zerstreute Finsternis aufs neue herabgesenkt hatte, verließ und nach Paris reiste.
Aber nicht Napoleon III. war es, der in der Zukunft die Geschicke Europas lenken sollte. Der Mann, der dazu bestimmt war, weilte gerade im Jahre 1852 als Vertreter des erkrankten Grafen Arnim, des königlich preußischen Gesandten am österreichischen Kaiserhofe, in Wien und Pest, ja sogar an demjenigen Orte in Ungarn, dessen Name mit Pettenkofens Künstlerschaft untrennbar verbunden ist und wohin dieser das Jahr vorher zum ersten Male gekommen war, in Szolnok.
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ZWEITES KAPITEL
SZOLNOR 1S51-1881
ismarck schreibt am 27. Juni 1852 aus Szolnok an seine Frau: „In den vorhandenen Atlanten wirst Du eine Karte von Ungarn finden, auf dieser einen Fluß Theiß, und wenn Du den über Szegedin hinauf nach der Quelle suchst, einen Ort Szolnok ..." Er hatte in Alberti-Irsa, wohin er von Pest mit der Bahn ge- fahren war, zu tun und wollte sich von da aus „Spasses halber" die ungarischen Steppen zwischen Donau und Theiß ansehen. Wegen der Betyaren wollte man ihn nicht ohne Eskorte reisen lassen. Er erzählt weiter: Nach dem Frühstück „bestieg ich einen sehr niedrigen Leiterwagen mit Strohsäcken und 3 Steppenpferden davor, die Ulanen luden ihre Karabiner, saßen auf, und fort gings im sausenden Galopp. Hilde- brand [Bismarcks Kammerdiener] und ein ungrischer Lohndiener auf dem Vordersack, und als Kutscher ein dunkelbrauner Bauer mit Schnurrbart, breitrandigem Hut, langen, speckglänzenden schwarzen Haaren, einem Hemd, das über dem Magen aufhört und einen handbreiten dunkelbraunen Gurt eigner Haut sichtbar läßt, bis die weißen Hosen anfangen, von denen jedes Bein weit genug zu einem Weiberrock ist, und die bis an die Knie reichen wo die bespornten Stiefel anfangen. Denke Dir festen Rasengrund, eben wie der Tisch, auf dem man bis an den Horizont meilenweit nichts sieht, als die hohen kahlen Bäume der für die halbwilden Pferde und Ochsen gegrabenen Zieh- brunnen (Püttschwengel). Tausende von weißbraunen Ochsen mit armlangen Hörnern, flüchtig wie Wild, von zottigen unansehnlichen Pferden, gehütet von be- rittnen halbnackten Hirten mit lanzenartigen Stöcken, unendliche Schweineherden, unter denen jederzeit ein Esel, der den Pelz (bunda) des Hirten trägt und gelegentlich ihn selbst, dann große Schaaren von Trappen, Hasen, hamsterartige Zeisel, gelegent- lich an einem Weiher mit salzhaltigem Wasser wilde Gänse, Enten, Kibitze, waren die Gegenstände die an uns und wir an ihnen vorüberflogen, während der 3 Stunden die wir auf 7 Meilen bis Ketskemet fuhren, mit etwas Aufenthalt in einer Csarda (einsames Wirtshaus)." Er spricht dann von Kecskem^t und den Räubern, deretwegen er auch tags darauf seine Fahrt über die Puszta wieder nur selbst bewaffnet und unter militärischer Bedeckung fortsetzte. „Vor einigen Tagen", heißt es in dem Briefe weiter, „waren mehre Gensdarmen im Gefecht mit ihnen geblieben, dafür aber 2 Räuber gefangen und in Kecskemet standrechtlich er-
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xo»
Markt in Szolnok. Ölbild. 1854.
Wien, Franz Xaver Mayer.
schössen worden. Dergleichen erlebt man in unsern langweiligen Gegenden gar- nicht. Um die Zeit wo Du heut morgen aufwachtest, hast Du schwerlich gedacht, daß ich in dem Augenblick in Cumanien in der Gegend von Felegy-hdza und Csongrad mit Hildebrand im gestreckten Galopp über die Pusta (Steppe) flog, einen liebens- würdigen sonnenverbrannten Ulanenoffizier neben mir, jeder die geladenen Pistolen vor sich im Heu liegend, und ein Commando Ulanen, die gespannten Carabiner in der Faust, hinterherjagend. Drei schnelle Pferdchen zogen uns, die unweigerlich Rosa (sprich Ruscha) Csillak (Stern) und der nebenlaufende Petyar (Vagabund) heißen, von dem Kutscher ununterbrochen bei Namen und in bittendem Ton an- geredet werden, bis er den Peitschenstiel quer über den Kopf hält und mega, mega (halt an) ruft, dann verwandelt sich der Galopp in sausende Carriere. Ein sehr wohl- thuendes Gefühl. Die Räuber ließen sich nicht sehn; wie mir mein netter brauner Lieutenant sagte, würden sie schon vor Tagesanbruch gewußt haben, daß ich unter Bedeckung reiste, gewiß aber seien welche von ihnen unter den würdig aussehenden stattlichen Bauern, die uns auf den Stationen aus den gestickten bis zur Erde gehenden^ Schafpelzmänteln ohne Ärmel ernsthaft betrachteten und mit
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Markt in Szolnok. Ölbild. 1854.
Reichenberg, Heinrich Frh. v. Liebiegsche Sammlung der Stadt.
einem ehrenfesten istein adiamek (Gelobt sei Gott) begrüßten. Die Sonnenhitze war glühend den ganzen Tag, ich bin im Gesicht wie ein Krebs so roth. Ich habe 18 Meilen in 12 Stunden gemacht, wobei noch 2 bis 3 Stunden, wenn nicht
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mehr auf Umspannen und Warten zu rechnen sind, da die 12 Pferde die ich brauchte für uns und die Bedeckung erst gefangen werden mußten. Dabei waren vielleicht ein % des Weges tiefster Mahlsand und Dünen, wie bei Stolpmünde. Um 5 kam ich hier an, wo ein buntes Gewühl von Ungarn, Slowaken, Wlachen die Straßen {_Sz. ist ein Dorf von etwa 6000 Einwohnern, aber Eisenbahn und Dampfschiffstation an der Theiß) belebt, und mir die wildesten und verrück- testen Zigeunermelodien ins Zimmer schallen. Dazwischen singen sie, durch die Nase mit weitaufgerissenem Munde, in kranker klagender Molldissonanz, Ge- schichten von schwarzen Augen und von tapferm Tod eines Räubers in Tönen, die an den Wind erinnern wenn er im Schornstein lettische Lieder heult. Die Weiber sind im Ganzen gutgewachsen, aber von Gesicht bis auf einige ausge- zeichnet schöne, nicht hübsch, alle haben pechschwarzes Haar, nach hinten in Zöpfe geflochten, mit rothen Bändern darin. Die Frauen entweder lebhaft grünrothe Tücher oder rothsametne Häubchen mit Gold auf dem Kopf, ein sehr schön gelbes seidnes Tuch um Schulter und Brust, schwarze auch urblaue kurze Röcke und rothe Saffianstiefel die bis unter das Kleid gehn, lebhafte Farben, meist ein gelb- liches Braun im Gesicht, und große brennend schwarze Augen. Im Ganzen gewährt so ein Trupp Weiber ein Farbenspiel, das Dir gefallen würde, jede Farbe am Anzug so energisch wie sie sein kann. Ich habe nach meiner Ankunft um 5, in Erwartung des Diners, in der Theiß geschwommen, Csardas tanzen sehn, bedauert daß ich nicht zeichnen konnte um die fabelhaften Gestalten für Dich zu Papier zu bringen, dann Paprika-Hähndel, Stürl (Fisch) und Tick gegessen, viel Ungar getrunken, an Nanne [seine Frau] geschrieben und will nun zu Bett gehen, wenn die Zigeuner- musik mich schlafen läßt."')
Diese Schilderung ist doppelt und dreifach interessant und wertvoll: weil sie von Bismarck herrührt, weil sie aus der Zeit stammt, in der Pettenkofen zum ersten Male nach Szolnok kam, dem Ort, der für seine Kunst von solcher Bedeutung werden sollte, — weil sie so anschaulich und lebendig ist, weil sie, wenngleich von einem Laien in Kunstsachen geschrieben, dennoch gerade das Malerische des Eindruckes von Land und Leuten betont. Aufs willkommenste ergänzt wird sie durch eine andere, die der Autor aus dem Munde eines gebürtigen Szolnokers, des Malers und Professors Ujhäzy Ferencz^) vernommen hat, dessen Jugend- erinnerungen noch in die dreißiger und vierziger Jahre zurückreichen. Sie liegt dem größten Teile der folgenden Ausführungen zugrunde:
Szolnok befindet sich im „Alföld", zu deutsch Niederland. So heißt das „Pester Becken", die „größte ungarische Ebene", die im Westen und Süden von der Donau, im Norden und Osten von den Ausläufern der nördlichen und östlichen Karpathen begrenzt und von der Theiß durchflössen wird und beinahe die Hälfte von Ungarn im engeren Sinne ausmacht. Szolnok liegt an der Theiß, und zwar auf jener Land- spitze, die durch die Theiß und ihren Nebenfluß, die Zagyva, gebildet wird. Szolnck war schon unter den Arpaden der Hauptort des gleichnamigen Komitats, das von der Theiß bis nach Siebenbürgen reichte. Nach der Eroberung Ofens erbaute König Fer- dinand I. in Szolnok an Stelle der früheren Erdwerke eine Festung, die aber schon 1552 von den Türken eingenommen wurde und bis 1685 in deren Besitz verblieb.
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r
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Szolnoker Markt. Lavierte Bleistiftstudie.
Wien, K. k. österreichische Staatsgalerie.
Unmittelbar südlich von Jazygien gelegen, ist Szolnok eine kernmagyarische Stadt. Es zerfiel noch in den dreißiger und vierziger Jahren des abgelaufenen Jahrhunderts in folgende fünf Teile : in den Tabän, die Umgebung der Festung, in die Katonaväros, die Soldatenstadt, in die Fekete- oder Ciganyväros, die Zigeunerstadt, in die Ujväros, die Neustadt, und in den Burgyin, die noch erhaltene Partie des alten Szolnok nörd- lich vom Markte. Heutzutage ist den Theißüberschwemmungen durch gewaltige Dämme gewehrt. Trat aber damals die Theiß aus, so sah sie gegen Süden wie ein Meer aus. Der Mond gieng über dem Wasser auf. Dann gab es eine unendliche Fülle von Fischen. Die Weiber schnitten das Fett aus ihnen heraus und warfen das übrige wieder ins Wasser. Bei Überschwemmungen war daher Szolnok sehr un- gesund, das Theißwasser war verpestet, es gab aber kein anderes Trinkwasser. Wegen des Fiebers, das man sich so in Szolnok holen konnte, fuhr einmal der junge Raffalt, der Freund Pettenkofens, nach ganz kurzem Aufenthalt wieder weg. Szolnok war Ungarns Hauptsalzlager. Das Salz kam auf Flößen aus der Märmaros her. Die in gewaltigen Mengen aufgestapelten Salzfässer wurden von Soldaten be- wacht, und wenn in der Nacht deren Ruf „Halt, wer da!" erscholl, so sagten die Bauern zu einander: „Hallod? Hallod? Kukorekol a csäszär kakasa." „Hörst du? Hörst du? Des Kaisers Hahn kräht." Damals war noch alles ungemein billig. Ein Scheffel Weizen — es ist der berühmte „Theißweizen" — kostete ein paar Groschen.
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Oft tauschten die Bauern das Geschirr, das die Slovaken zu Markt brachten, gegen den Weizen ein, mit dem sie es vollfüllten. Wer in Rock und Hose gieng, galt für einen Nemet, einen Deutschen. Die einzige Gasse, die benannt war, hieß Nemet- utca, da wohnten die deutschen Beamten des Salzkammergutes. Um die Mitte der dreißiger Jahre kamen die ersten deutschen Gewerbetreibenden nach Szolnok: ein Buchbinder, eine Hebamme und ein Blaufärber, der ein Bayer war. Sie machten gute Geschäfte. Juden gab es damals noch nicht in Szolnok. Sie wohnten in Abony. Der Handel lag in den Händen von Armeniern und Griechen. Die Pelzmacher z. B. zerfielen in Magyaren, die die Bundas für die Bauern machten, und in Deutsche, die die feineren Pelzmäntel und Pelzmützen herstellten. Natürlich spielte die Gar- nison, deren Kaserne die alte Festung war, eine wichtige Rolle in der Stadt. Die Kulturträger in Szolnok waren die Franziskaner, die dort auch heute noch ein Kloster haben. Darin befand sich eine Lateinschule, an der die Patres unterrichteten, einer lehrte auch zeichnen. Die Franziskaner waren sehr streng. Professor Ujhazy erinnert sich, einmal als Kind heraußen vor der Kirchentür einen Mann und eine Frau, die mit Strohseilen aneinander gebunden waren, knien gesehen zu haben. Die aus der Kirche Kommenden spieen vor ihnen aus. Es waren Ehebrecher.
Die Eisenbahn, die von Budapest über Czegled nach Szolnok führt, ist die älteste Ungarns und wurde schon 1847 dem Verkehr übergeben. Als Pettenkofen das erste Mal nach Szolnok reiste, konnte er sie daher bereits benutzen. Mit der Bahn von Wien nach Szolnok freilich konnte er erst seit dem Jahre 1855 fahren.
So viel über Szolnok vor und zu der Zeit, da Pettenkofen es kennen lernte.
Pettenkofens Beziehungen zu Ungarn reichen weit zurück. Wir erinnern uns, daß sein Vater in Ungarn geboren war, daß sogar die freilich schlecht verbürgte Rede von einem väterlichen Gut in Ungarn geht. Eybl, Pettenkofens Lehrer, der seit Beginn der vierziger Jahre Porträte ungarischer Magnaten lithographiert, der Ungar Borsos, mit dem Pettenkofen von der Akademie her befreundet ist, der in Pest lebende Maler Georg Raab, den Pettenkofen, wie sein Bildnis von dessen Vater wahrscheinlich macht, gekannt haben wird, können Pettenkofens Aufmerk- samkeit auf Ungarn hingelenkt haben. Daß übrigens damals auch noch andere österreichische Künstler (es sei bloß W^aldmüUer genannt) mit Ungarn in Ver- bindung gestanden sind, die Leitha überschritten und für ungarische Auftraggeber gearbeitet haben, ist nur natürlich, gab es doch zu jener Zeit noch so gut wie keine autochthone Kunst in Ungarn. Clemens Brentanos Novelle „Die mehreren Weh- müller und die ungarischen Nationalgesichter" schildert humorvoll die künstlerische Abhängigkeit Ungarns vom deutschen Nachbarland am Anfang des XIX. Jahr- hunderts. Nach Ungarn selbst scheint Pettenkofen nicht vor dem Feldzug der Jahre 1848 und 1849 gekommen zu sein. Wenigstens finden wir vorher keinerlei Reflex eines ungarischen Aufenthaltes in seinen Werken. Szolnok kann Pettenkofen bereits während des Feldzuges kennen gelernt haben. Bei Szolnok fand nämlich am 5. März 1849 ein Treffen statt, in dem sich die Österreicher unter Karger vor den Ungarn unter Damjanich zurückziehen mußten. Pettenkofens Aufenthalt in Szolnok ist zum ersten Male im Oktober des Jahres 1851 beglaubigt. Er schreibt nämlich am 18. Oktober 1851 aus Pest an seinen schon erwähnten Freund Franz Xaver Mayer in
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TAFEL XIV
NIEDERÖSTERREICHISCHES BAUERNHAUS MIT GEMÜSEWASCHENDER BÄUERIN. ÖLBILD. 1854. REICHENBERG, HEINRICH FRH. V. LIEBIEGSCHE
SAMMLUNG DER STADT.
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TAFEL XV
KLOSTERNEUBURGER BAUERNHAUS MIT BÄUERIN UND KIND. ÖLBILD. 1854. WIEN, BARON LOUIS ROTHSCHILD.
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Wien, daß er sehr fleißig gewesen sei und sich von dieser angestrengten Arbeit das günstigste Resultat erhoffe; bis zum 17. Oktober sei er in Szent-Miklös im Banat ge- wesen, zwei, drei Tage bleibe er in Pest und dann gehe er auf einige Tage nach Szolnok. Ist es am wahrscheinlichsten, daß Pettenkofen während des Feldzuges Ungarn als Neuland für den Maler entdeckt hat und schon damals nach Szolnok gekommen ist oder wenigstens davon gehört hat, so mag doch auch in der folgenden Mitteilung
Professor Ujhäzys ein Körnlein Wahrheit stecken. Vom Wie- ner Kunsthändler Ge- org Plach, für den Pettenkofen frühzei- tig beschäftigt war, hätten ungarische Aristokraten Bilder verlangt, die Genre- szenen aus ihrer Hei- mat darstellten. Plach hätte dagegen ge- fragt, welche Gegend Ungarns hiefür die besten Motive liefere ; auf die Auskunft „Szolnok" hin hätte er versprochen, sol- che Bilder zu be- schaffen, und dann hätte er den jungen Pettenkofen bewo- gen, nach Szolnok zu reisen. Daß dabei Graf und Gräfin Näkö , von denen noch ge- sprochen werden soll, ihre Hände im Spiele
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Pandurentrommler. Lavierte Bleistiftstudie. Wien, K. k. österreichische Staatsgalerie.
gehabt haben, darf da- rum nicht von vorn- herein als unmöglich ausgeschlossen wer- den, weil Pettenko- fen, als er im Jahre 1851 zum ersten Male in Szolnok war, auch zum ersten Male Nagy - Szent- Miklos, die Herr- schaft der Grafen Näkö, kennen lernte. Im folgenden muß die bisher gewählte Form der chronolo- gischen Darstellung aufgegeben werden. Im Herzen von Pet- tenkofens künstleri- scher Tätigkeit ste- hen seine ungari- schen Bilder, die zum weitaus größten Teile in Szolnok, wohin er durch dreißig Jahre immer wieder gieng, geschaffen wurden. Als Maler ungari-
scher Bilder ist Pettenkofen vorzugsweise bekannt, durch sie sind seine übrigen Werke nahezu verdunkelt worden. Hier soll nun vorerst versucht werden, die Vorwürfe dieser zahlreichen Arbeiten, die aus Ölgemälden, Aquarellen und Zeichnungen, aus Studien, Skizzen und ausgeführten Bildern bestehen, wenigstens beiläufig zu schildern. Soweit es bei der Einförmigkeit und Verwandtschaft all dieser Themen untereinander und bei der großen Anzahl der Werke möglich ist, werden später, im Verlauf der Darstellung, Szolnoker Bilder bloß beispielsweise und nur dort zur Sprache kommen, wo sie in der künstlerischen Entwicklung Pettenkofens hingehören. Hier sollen alle unga- rischen Bilder des Künstlers als Ganzes und unter einem beschrieben werden, und
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zwar, wie gesagt, nur im Hinblick auf das Gegenständliche. Dies möge nun so geschehen, daß zur Ergänzung von Bismarcks und Professor Ujhdzys Schilderungen des alten Szolnok hier mitgeteilt werde, was der Autor selbst vor wenigen Jahren an einem schönen Spätsommertag in Szolnok und seiner Umgebung gesehen hat, und zwar mit Augen, die sich bemüht haben, das wahrzunehmen, was einen Maler interessieren könnte, insbesondere das wiederzufinden, was Pettenkofen für Hun- derte von seinen Bildern zum Vorwurf gedient hat:
Natürlich hatten ich und ein ungarischer Freund, der mir aufs liebenswürdigste und allerbeste den Führer machte,*) es uns so eingerichtet, daß wir in Szolnok in der Nacht vor einem Markttag ankamen und diesen dann vom Sonnenaufgang an ganz mitmachen konnten. Der größte Teil des Marktes spielte sich auf dem Haupt- platz der Stadt ab (denn Szolnok ist jetzt eine Stadt und hat nach der Volkszählung vom Jahre 1900 25.379 Einwohner), doch dehnt sich das Marktgetriebe auch auf Nebenplätze und Nebengassen aus. In der Mitte des großen Platzes befindet sich heutzutage ein artesischer Brunnen. Ihm zu beiden Seiten erheben sich ein Obelisk, den das 88. Infanterieregiment seinen 1866 „auf dem Felde der Ehre gefallenen Waffenbrüdern" errichtet hat, und eine nüchterne Dreifaltigkeitssäule aus Sandstein, die erst im Jahre 1900 aufgestellt wurde, unten von einem Gitter umgeben ist und auf dem Sockel die Rundfiguren der vier Heiligen Peter, Paul, Anton von Padua und Franz von Assisi zeigt. Zu Pettenkofens Zeiten stand auf dem Platz, nicht ganz in dessen Mitte, nur die so oft von ihm gemalte schöne barocke Dreifaltigkeitssäule. Auch die niederen schindelgedeckten Häuser, die damals den Platz eingerahmt haben, sind weit weniger malerischen mehrstöckigen Bauten gewichen. Das Marktgewühl selbst aber hat sich wohl nur wenig verändert.^) Zuerst fallen die vielen Wagen, die vielen, vielen Pferde auf, namentlich diese beherrschen und bestimmen eigent- lich den Eindruck des Ganzen. Sie sind nicht groß, haben gerade Hälse, struppiges Haar und ganz bestimmte Farben. Ein ziemlich dunkles Braun herrscht vor. Ihr Geschirr besteht fast aus ebenso viel Schnurwerk wie Riemzeug. Oft stehen ihrer drei, vier ausgesträngft und fressen hinten aus dem Wagen. Neben vielen Gespannen laufen frei, Glocken um die Hälse, Fohlen einher. Nicht selten liegen Schafpelze auf dem Rücken der Pferde. Die Fuhrwerke sind leichte, niedre Leiterwagen mit langen Deichseln und Trittstangen zu beiden Seiten. Viele Wagen sind mit gelb- grauen, aus Schilf geflochtenen Piachen bedeckt. Der Wiener kennt diese ungari- schen Marktwagen aus den Frühstunden vom Naschmarkt und vom Markt „Am Hof" her. Durch das dichte Gewühl scheinen die fahrenden Wagen gewissermaßen zu schwimmen. Es macht nämlich den Eindruck, als ob sie sich ganz lautlos fort- bewegten. Natürlich geht das schwache Geräusch, das sie machen, in dem allge- meinen Gesumm völlig unter. Dieses ist auffallend gedämpft, Lärm verursachen eigentlich nur die schreienden Gänse. Auch viele Reiter gibt es; häufig hat ein Reiter mehrere Pferde bei sich. Die Bauern tragen hohe runde Filzhüte, auch schon Pelzmützen, sie haben schwarze Röcke an, und die weiten weißen Hosen, die Gatyas, haben sie meistens in die Röhrenstiefel gesteckt. Sie tragen auch blaue Schürzen. Schon sieht man viele Pelze: die rockähnlichen Subas und die mantel- artigen Bundas, die Kragen haben, an deren Ecken Rosetten befestigt und auf
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TAFEL XVI
ZIGEUNERLAGER AUF DER PUSZTA. AQUARELL. 1855. WIEN, KUNST- HISTORISCHES HOFMUSEUM.
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TAFEL XVII
ZIGEUNER ZU PFERD. AQUARELLSTUDIE. WIEN, EUGEN MILLER
V. AICHHOLZ.
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Zwei Burschen und zwei Mädchen an einem ungarischen Marktwagen. Lavierte Bleistiftstudie.
Wien, Ludwig Lobmeyr.
deren Ränder bunte Tulpenmuster gesteppt sind. Die meisten Bauern rauchen aus langröhrigen Pfeifen und tragen Backenbärte, haben die Kinne ausrasiert. Bunt sind die Weiber angezogen. In die Zöpfe haben sie grellrote oder giftgrüne Bänder eingeflochten, die unten in große Schleifen endigen. Viele Weiber hocken auf großen, dichtgeflochtenen Körben in der Form von plattgedrückten Riesenkürbissen; sie haben viereckige Luft- und Guckfensterchen und beherbergen Enten. Scharen von schnatternden und flügelschlagenden Gänsen werden getrieben. Federchen von ihnen erfüllen die staubige Luft, in der das warme Gold der Spätsommersonne flimmert. In Haufen liegen mit gebundenen Beinen die Hühner still und ruhig auf dem Boden. Viel Geflügel wird, wie es bei uns schon lange verboten ist, an den Beinen auf- gehängt getragen. Die Weiber stehen, was dem Wiener übrigens gleichfalls, wenig- stens vom Markt beim Hauptzollamt her, bekannt ist, in einer Reihe nebeneinander, jede Hühner und Tauben in der Hand. Die Käufer gehen die Reihe ab, prüfen das Stück, das ihnen gefällt, und feilschen darum. Auf der Erde liegen Haufen von grünem Paprika, Paradiesäpfeln, Kraut, Rüben, Zwiebeln, Borre. Gemahlener roter Paprika und gelbes Kukuruzkorn stehen in Säcken auf dem Boden, der mit Stroh und Mist bedeckt ist, Körbe sind mit Trauben gefüllt. Auf Tischen, Bänken oder wieder auf der Erde werden Schnüre und Seile, Siebe, Schaffe und Butten, alle Arten Geschirr, irdenes und eisernes, Gewänder, Hüte, Schuhe, Kästen, Betten,
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aber auch Eßwaren und alles mögliche andere noch feilgeboten. Vielerlei starke Farben bringen die bunten Stoffe in das Bild; sie liegen auf Tüchern, die über den Boden gebreitet sind. Merkwürdig sind die riesigen Brote, deren Durchmesser oft bis zu einem halben Meter beträgt; ihr Teig wurde seitlich aufgeschnitten, und dieser Schnitt dient, hart gebacken, als Handhabe. Männer und Weiber tragen Bündel an Stangen über der Achsel; die Weiber tragen, ähnlich den Venezianerinnen, in blanken Kannen auch Milch oder in Holzkübeln Wasser auf jene Weise, in jedem Kübel schwimmt dann zuoberst eine Holzscheibe, die das Verschütten des Wassers erschwert. Hier ißt ein Bauer Trauben, dort ein anderer zu Brot Speck und grünen Paprika. In dem Gewühl taucht ein Hajduk mit einer Trommel auf. Ein Gefährt, das eigentlich ein Faß auf zwei Rädern ist, führt Wasser; oben auf dem Faß stehen etliche Eimer. Ein anderes Fuhrwerk rollt einen großmächtigen Käfig voller Gänse vorwärts. Ein Wagen ist mit Kürbissen (Mitte September ist die eigentliche Zeit der Kürbisse und Melonen schon vorbei), ein anderer mit Kukuruzkolben ge- füllt, ein dritter, den vier langgehörnte Ochsen ziehen, ist hoch mit Kukuruzstroh beladen. Ein Herrschaftswagen fällt schon durch den Kutscher im dunkelblauen Dolmäny auf, der reich schwarz verschnürt und mit vielen blanken Kugelknöpfchen besetzt ist. Die Mietkutschen sind ähnlich z. B. denen in Ischl gelb lackiert. Nach und nach verläuft sich das Gewühl. In einer leeren Straße überrascht der Horizont, der mit dem Straßenniveau zusammenfällt: man wird sich bewußt, mitten auf einer ungeheuren Ebene zu sein.
Der Tabän (das Wort ist türkischen Ursprungs und bedeutet ungefähr Wasser- stadt, in Szolnok zieht sich der so benannte Stadtteil längs der Zagyva hin, bis ihn die Theiß abschneidet), der Tabän besteht aus alten verwahrlosten, halb verfallenen Häusern, die nur mannshoch und mit Schilf gedeckt sind. Auf den winkeligen Gassen und Gäßchen, die im Gegensatz zum Hauptplatz unge- pflastert sind, liegt fußhoher Staub. Man stellt sich vor, wie grundlos bei Regenwetter der Kot sein muß. Hochgelegte Bretter dienen als Fußsteige. Hier tränkt ein Bauer an einem Ziehbrunnen seine Pferde, dort wird eine Schweine- herde über die Gasse getrieben, im Wassergraben schwimmen Enten, auf einem Dach liegen gelbe Kürbisse, auf dem anderen hochgelbe und dunkelrote Ku- kuruzkolben. Schwere Gehänge von Kukuruzkolben dienen einem Baum mit ab- gekappten Ästen zur seltsamen Zierde. Die meisten Bäume sind Akazien und Zypressen.
Im Tabän lebt ein eigentümliches Volk, das noch von den Türken abstammen soll. Oft gibt da ein Tanzfest Anlaß zu blutigen Kämpfen. Werden die Tanzunter- haltungen verboten, so ist bei Hochzeiten der Teufel los. Wenige Wochen, bevor wir nach Szolnok kamen, hatten eifersüchtige Burschen den Bräutigam beim Hoch- zeitsfest einfach niedergeknallt. Sie stellten sich der Reihe nach auf und einer nach dem andern schoß auf ihn. Von den sechzehn Tätern wurden vierzehn verhaftet, zwei entkamen. Gefängnisstrafe gilt durchaus nicht als entehrend. Die Buben aus dem Tabän, die in der Szolnoker Künstlerkolonie, von der noch die Rede sein wird, zum Tragen des Malgeräts und zu ähnlichem verwendet werden, sind an den Körpern voller Messerstiche.
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Die wallachische Post. Ölbild. 1855.
Wien, Josef Engelhart.
Zum Unterschied von den Bewohnern des Tabän sind die in Szolnok ansässigen Zigeuner durchaus friedfertig. Das Zigeunerviertel, die Ciganyväros, ist viel weniger malerisch als der Tabän. Die Gassen sind gerade, die Häuser zwar schmutzig, aber weniger verfallen, einige verraten sogar eine gewisse Wohlhabenheit. Lustig waren die Kinder, die unser Wagen auf die Gasse lockte. Sie kamen nackt oder nur mit schmutzigen Hemden bekleidet aus den Türen gelaufen. Etliche höchstens vier, fünf Jahre alte Buben hielten Geigen in den Händen. Zwei ganz kleine spielten, im Staub sitzend, Karten. Außerhalb der Häuser gibt es auch Zelte. Das eine war voll schmierigen Bettzeuges. Davor lag auf einem ebenso wenig reinen Tuch ein Stück rohen Teiges. Ein Feuerchen ward mit Pferdeäpfeln gespeist. Eine häßliche Alte rauchte aus ihrer Pfeife, ein hübsches jüngeres Weibsbild nagte an einem Kukuruzkolben. Ein nacktes kleines Kind mit ägyptischem Profil hatte ein scharlachrotes Tuch um den Kopf gewunden. Zwei etwas größere Kinder führten, um von uns ein paar Kreuzer zu bekommen, einen eigentümlichen gemessenen Tanz auf und sangen dazu. Der Text des eintönigen Liedes soll an Obszönität das Ungeheuerlichste leisten. Die Alte untersagte es ihnen aber bald. Fragt man, hörte ich bei dieser Gelegenheit, eine Zigeunerin nach dem Vater ihres Kindes, so ant- wortet sie: „Ich kenn' ihn nicht." Das Interessanteste im Zigeunerviertel aber war der Zigeuner Nana György, der Mitte der siebziger Jahre als zwöli^ ähriger Bursche Pettenkofen Modell gestanden war. Er wußte von Pettenkofen zu berichten: „Er malte auch die Theiß-Brücke mit ihren großen Eisbrechern. Heutzutage ist das Holz naturfarben, damals aber war die Brücke grün, nur das Geländer rot ange- strichen. Er malte auch oft auf dem Markt. Ich trug ihm die Staffelei nach. Häufig brachte er mir ein Frühstück mit. Er aß im ,König von Ungarn' zusammen mit mehreren andern. Er hatte das Kinn ausrasiert und rauchte Virginier-Zigarren. Er war sehr ernst, sprach beim Malen nie und hatte keine Liebschaft. Er war ein Offizier. Mit dem Maler Theodor Flesch, der seinen Namen später in ,Feledi Tivadar' magyarisierte, war er sehr gut. Ich stand auch Leopold Karl Müller Halbakt."
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Die Zigeuner, diese Reste eines uralten Kulturvolkes, haben nicht nur pracht- volle Akte, sondern auch wunderbare Bewegungen. Darum werden sie Maleraugen immer wieder anziehen. Doch wird aus ihnen nichts. Auf dem Gymnasium springen die meisten von ihnen schon in den ersten Klassen ab. Einer, der es zum Advo- katen gebracht hat, stellt einen Ausnahmsfall dar. In Szolnok wird alljährlich, und zwar im vornehmsten Saal der Stadt der große Zigeunerball abgehalten, zu dem auch der Bürgermeister kommt. Präsidiert wird da von der Frau des Primas der ersten Kapelle. Die Rangordnung ergibt sich aus der Anciennität. Auf dem Ball, der vor meinem Aufenthalt in Szolnok der letzte gewesen war, hatte die Frau des ersten Primas einen Schlafrock an und warf diejenigen Gäste, die sich ohne Karten hineingewagt hatten, eigenhändig zur Tür hinaus. Dabei gab es die fürchterlichsten, unflätigsten Schimpfwörter zu hören.
Nach dem Besuch des Zigeunerquartiers gieng es im Wagen zur Stadt hinaus. In der Nähe der Zagyva steht — als Antwort auf den oben erwähnten Obelisken des Hauptplatzes — ein Denkmal zu Ehren der am 5. März 1849 für die Freiheit des Vaterlandes auf demi Schlachtfeld gebliebenen Honveds. Diesem Denkmal gegenüber, jenseits der Straße erhebt sich eine barocke Mariensäule. In der Nähe der Stadt hat die Theiß flach ansteigende, niedrige Ufer, die mit Weiden be- wachsen sind. Am Ufer der Stadtseite sind viele große Holzstöße aufgeschlichtet. Auf dem Wasser selbst schwimmen Flöße und ein Boot. Aus krippenartigen Trögen, in die mit Eimern das Theißwasser geschöpft wird, werden Pferde ge- tränkt. Jenseits des Flusses dehnt sich die Puszta aus. Störend wirken einstweilen hüben wie drüben die Fabriksschlote. Sonst sind für die Ebene charakteristisch zahlreiche vieldrähtige Telegraphenstangen, die längs der Eisenbahnlinien stehen (in Szolnok, wo abgesehen vom Wasserweg der Theiß sieben Landstraßen zu- sammenlaufen, verkehrten im Jahre 1907 auf ebenso vielen Eisenbahnlinien nicht weniger als 180 Züge täglich), und die hochstängigen Ziehbrunnen, die G6meskut, nach dem Gdm, dem Reiher, benannt. Wie dieser langbeinige, langhalsige und langschnäbelige Vogel Fische aus dem Wasser emporhebt, so zieht der hohe schlanke Gemeskut aus der Erde Wasser auf. Petöfi hat einen solchen Brunnen mit einer langbeinigen Mücke verglichen: wie diese das Blut des Menschenleibes, so saugt jener das Blut der Mutter Erde, das Wasser, aus. Je weiter uns der Wagen auf die Ebene hinaus und von der Stadt wegbringt, desto ursprünglicher wird die Szene. Wir besuchen eine Tanya, ein Bauerngehöft auf der Puszta. Das Haus ist nieder und mit Stroh gedeckt. Aus der Streu ist ein niederer Zaun auf- gerichtet, der den Hof einfriedet. Aus festgetretenem Pferdemist sind torfähnliche Ziegel ausgestochen. Sie sind zu mächtigen Haufen aufgestapelt und dienen als Brennmaterial. Riesige Strohtristen wimmeln von Spatzen. Im Freien ist urweltlich einfach der Backofen aufgemauert. An einem offenen Feuer kocht die Bäuerin im Hof Zwetschkenmus. In einem Zimmer des Hauses ist eine gewaltige Menge Korn aufgeschüttet. Ein anderer Raum ist durch die hochgetürmten Betten und die dicht von der Decke herabhängenden buntfarbigen Weiberröcke, die den Stolz der Bäuerin bilden, ausgezeichnet. Alle Zimmer sind ungemein rein und haben Böden aus gestampftem Lehm. Von dem Gehöft gieng es weiter über die Puszta an die Theiß.
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TAFEL XVIII
ZWEI ZIGEUNERKINDER BEI EINEM KESSEL. AQUARELLSTUDIE. 1855.
WIEN, LUDWIG LOBMEYR.
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TAFEL XIX DAS STELLDICHEIN. ÖLBILD. 1855. WIEN, BARON ALPHONS ROTHSCHILD.
Zigeunerhütte auf der Puszta. Aquarell. 1855.
Reichenberg, Heinrich Frh, v. Liebiegsche Sammlung der Stadt.
Wo wir an den Fluß kamen, hat er sich tief eingefressen. Hier sind seine Ufer hohe, steile, gelbfarbige Böschungen. Heroben steht eine malerische Fischerhütte. Das Gärtlein nebenan ist voll großer Sonnenblumen. In die Krone einer uralten riesigen Weide ist ein großer Taubenschlag eingebaut. Unten setzt eben eine Fähre einen Heuwagen über den Fluß. Ein Ochs als Vor- spann hilft hierauf den drei Pferden, die mächtige Fuhre das steile Ufer hinan- schleppen. Auf dem saftig grünen Rasen der Theiß- Auen wachsen zahlreiche Weiden. Das Überschwemmungsgebiet ist durch einen Damm abgetrennt. Aber auch noch jenseits des Dammes liegt das Terrain tiefer. Prächtiger Luzerner Klee wächst darauf. An einem Wassertümpel, der noch von der Frühjahrs- überschwemmung herrührt, fischen Buben. Die Sonne senkt sich, der Abend bricht herein, und es wird Zeit, an die Heimkehr zu denken. Die Dünste über der Puszta nehmen wunderbare Farben an, blutrot geht hinter ihnen die Sonne unter. Es wird kühl, wir hüllen uns fester in unsere Mäntel, und unsere raschen, ausdauernden Pferde jagen mit uns über die Ebene und durch die Stadt zur Bahn. —
Diese drei Schilderungen von Szolnok vor und zu der Zeit, da Pettenkofen das erstemal hinkam, und von Szolnok, wie es heutzutage aussieht, sollen, wie schon bemerkt, nicht so sehr von dem fremden, eigenartigen Milieu, das dort anzutreffen ist, eine Vorstellung zu geben, sondern vor allem mit Worten den Inbegriff von all den Motiven anzudeuten versuchen, die dort der Maler Pettenkofen dreißig Jahre hindurch für seine Bilder zu finden gewußt hat.
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Wie sich im Laufe dieses Menschenalters, während der Jahre zwischen 1851 und 1881, Pettenkofens malerische Technik, seine künstlerische Auffassung ge- wandelt hat, davon sei einstweilen noch nicht die Rede. Es seien nur, durch das Vorhergehende vielleicht ein bißchen belebt, die wichtigsten Vorwürfe aufgezählt, die Pettenkofen Szolnok verdankt: vor allem die Märkte, als Szolnoker Märkte häufig durch die Dreifaltigkeitssäule bestimmbar; Märkte überhaupt und besondere Märkte, wie Pferdemärkte, Geflügelmärkte, Getreidemärkte, Obst- und Gemüse- märkte, unter denen die Kürbis- und Melonenmärkte hervorzuheben sind, Brot- märkte, Leinwandmärkte, Geschirrmärkte. Einzelheiten von Märkten, wie Verkäufer aller Art allein oder mit ihren Marktständen, Marktfuhrwerke und -gespanne. Über- haupt ungarische Bauernwagen: einer allein, ihrer mehrere, mit Bauern oder ohne solche, mit Kukuruz, Getreide, Melonen beladen oder leer, auf der Puszta, bei einem Gehöft, auf dem Markt. Die Hauptsache am Wagen natürlich stets die Pferde: Füchse, Rappen, Schimmel, Isabellen, Schecken. Ein Pferd allein oder ihrer mehrere, meistens drei, vier, die gewöhnliche Bespannung eines Wagens, zu- sammen. Am Wagen oder ausgesträngt. Angeschirrt oder ohne Geschirr. Von der Seite, von vorne, von hinten. Auf dem Markt, im Hof eines Bauernhauses, auf der Puszta, im Stall. Aus der Krippe, aus dem Wagen, an einem Heuschober fressend. Auf der Weide, bei der Tränke oder in der Schwemme. Ein totes Pferd, ein Pferdegeripp auf der Puszta. Das Pferd als Hauptsache des Bildes oder als Staffage. Andere Tiere: Die langgehörnten Ochsen, als Vierer-, als Zweierzug vor einem Wagen, auf der Weide. Eine Kuh, Schaf- und Schweineherden, ein gefesseltes Lamm, Gänse, Hühner, Hunde. Ungarische Bauern: Allein oder mit ihren Wagen, neben oder auf ihren Pferden, mit ihren Ochsen, Schafen, Schweinen, Hunden. Fleischer, Fischer, Schafhirten, Pferdehirten, Rinderhirten, Schweinehirten. In Pelzen oder bloß in den weiten Leinwandhosen. Einzeln oder in Gruppen. Mit der Getreide-, der Mais- oder der Kürbisernte beschäftigt. Bäuerinnen: Wasser tragend, auf dem Feld, im Garten, beim Haus arbeitend, mit Kindern beschäftigt. Kinder allein. Zigeuner : Geigend, rauchend, mit einem Schwein auf dem Rücken, mit einer aufgespießten Schlange, mit einem Fohlen, zu Pferde. Zigeunerweiber : ihr Kind säugend, lausend, tragend. Zigeunermädchen: am Feuer kauernd, trinkend, rauchend, mit Uniform- stücken eines österreichischen Infanteristen bekleidet. Kinder, schlafend, spielend. Alte und junge Zigeuner, ganze Figuren, Kniestücke und Brustbilder. Zigeuner auf der Wanderung, Zigeuner mit ihrem Karren, Zigeuner am Feuer, Zigeuner badend. Zigeunerlager, Zigeunerzelte, Zigeunerhütten, Zigeunerdörfer. Bestimmte Teile von Szolnok: das Schustergäßchen, die Theißbrücke, das Theißufer mit Flößen und Booten auf dem Wasser und den riesigen Holzhaufen auf dem Lande, ein Blick auf die Kirche. Szolnoker Ansichten bei Sonnenschein und Regenwetter. Hütten und Strohtristen an Tümpeln. Dorfstraßen, Bauerngehöfte von innen und außen, Ziehbrunnen, Getreideschober, ein Taubenschlag im Kukuruzfeld, Sonnenblumen, Melonen. Alle möglichen Stimmungen auf der Puszta und an der Theiß, mit und ohne Staffage. »
Schon dieser trockenen Aufzählung der Vorwürfe von Pettenkofens ungarischen Bildern läßt sich eines mit Sicherheit entnehmen: er hat als Maler Szolnok und
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TAFEL XX
ZIGEUNERZELTE AUF DER PUSZTA, VORNE BADENDE ZIGEUNER. ÖL- BILD. (1856?) REICHENBERG, HEINRICH FRH. V. LIEBIEGSCHE SAMMLUNG
DER STADT.
Weibliches Porträt. Ölbild.
Wien, Salo Cohn.
seine Umgebung sowie die Menschen, die dort leben, erschöpfend behandelt. Damit aber hat er, und das ist eine Sache von großer kunstgeschichtlicher Wichtigkeit, die Stoffgebiete der Malerei um ein neues, interessantes bereichert. Wieder sei
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einstweilen sowohl von den spezifisch malerischen Qualitäten, die Pettenkofen bei seinen ungarischen Bilderthemen vor allem angezogen haben mögen, als auch von den spezifisch malerischen Fähigkeiten, die er bei der Behandlung jener Vorwürfe entwickelt hat, noch nicht die Rede. Seine ungarischen Bilder seien einstweilen bloß von dem Standpunkt eines Beschauers aus gewertet, den an ihnen zuerst und hauptsächlich das Stoffliche fesselt, und zwar derart, daß er Lust bekommt, sich ein solches Werk zu kaufen. Es sei etwa an einen Pariser gedacht, der zwar schon von der ungarischen Pusztä und von den Zigeunern, die auf ihr hausen, gehört hat, der aber diese merkwürdigen Nomaden und jene wunderbare Steppe auf Pettenkofens Bildern zum ersten Male in seinem Leben vor Augen sieht. Es ist natürlich klar, daß auch schon in einem solchen Falle, selbst wenn das Kunst- empfinden dieses Beschauers als recht wenig entwickelt angenommen würde, der Eindruck, den die Bilder auf ihn machen, durch die oben erwähnten spezifisch malerischen Fähigkeiten des Künstlers wesentlich mitbestimmt wird. Trotzdem aber dünkt uns, muß Pettenkofen bereits aus der bloßen Erschließung dieses neuen Stoffgebietes ein namhaftes Verdienst vindiziert werden. Wohl wird auf die natura- listische Malerei noch immer das Schlagwort angewendet: „Es kommt nicht darauf an, was, sondern wie gemalt werde." Die einseitige Gültigkeit dieses Satzes ist aber bereits durch den Hinweis auf die Bedeutung zu entkräften, die die Kunst- geschichte mit Recht der Eroberung der profanen Welt der Gegenwart, des Aktes, der Landschaft, des Stillebens für das Stoffbereich der bildenden Künste zuschreibt. Durch Pettenkofen hat die Welt die Puszta und ihre Bewohner kennen gelernt, einen charakteristischen und wichtigen Teil des Ungarlandes. Und wenn der Wiener Pettenkofen daher in der anderen Reichshälfte als ungarischer Maler in Anspruch genommen wird, so ist dieses Quidproquo schließlich zu begreifen. Und wenn Pettenkofen als der bahnbrechende und hervorragendste Maler des ungarischen Landes und Volkes im Mai des Jahres 1913 zu Szolnok aus Anlaß des zehnjährigen Jubiläums der dortigen Künstlerkolonie durch die Enthüllung eines Denkmals^) geehrt worden ist, so kann diese Tat schöner Begeisterung und rascher Dank- barkeit in Österreich nur einen Widerhall der herzlichsten Gefühle wachrufen. — Der Ruhm, als erster die malerischen Schönheiten der ungarischen Tiefebene und ihrer Bewohner erkannt und mit hoher Künstlerschaft dargestellt zu haben, wird Pettenkofen durch Theodore Valerio, der schon von Gautier im Zusammen- hang mit ihm genannt wurde, wohl kaum ernstlich streitig gemacht. Richtig ist, daß der Franzose Valörio, der 1819 zu Heserange im Moseldepartement geboren und ein Schüler und Freund Charlets war, schon zu Beginn der fünfziger Jahre die ungarischen Steppen durchwanderte und deren so außerordentlich interessante und mannigfaltige Volkstypen hauptsächlich mit Zeichenstift und Wasserfarben porträtierte. Nach seinen eigenen Entwürfen hat er auch radiert. Er gab z. B. eine „Suite de dessins d'apr^s nature gravis ä l'eau forte" heraus, deren erster Teil, betitelt: „La Hongrie", 1854 bei Goupil und Delarue in Paris erschienen ist. Er soll sogar in Wien die ungarischen Magnaten für seine Zwecke zu interessieren versucht haben. Am bekanntesten aber machte er sich durch seine Bilder vom Krim-Krieg, die er, der siebzehn Jahre hindurch halb Europa bereiste, an Ort und
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Maler Josef Borsos. Ölbild.
Budapest, Museum der schönen Künste.
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Stelle schuf und die in den verschiedensten Journalen reproduziert wurden. Übrigens muß Pettenkofen mit ihm bekannt gewesen sein. Wenigstens finden sich in seinem Nachlaß zwei Radierungen Valerios und hat er in einem seiner Notizbücher eine Pariser Adresse des Künstlers verzeichnet. Valerio starb 1879.
Seine Arbeiten sind durchaus nicht ungeschickt, aber grundsätzlich von denen Pettenkofens verschieden. Sie zeigen, mit diesen verglichen, zu viel Manier und Routine, wirken auch ein bißchen geleckt und süßlich und leiden vor allem an einer ziemlich starken Theatralik. Am besten charakterisiert man sie vielleicht, wenn man sie gute Figurinen und Dekorationsentwürfe nennt. —
Schon die obige Aufzählung der Vorwürfe von Pettenkofens ungarischen Ge- mälden zeigt, daß sie allesamt keine Genrebilder im Sinne der Altwiener Maler- schule mehr sind. Alles Anekdotische ist verschwunden, nirgends wird pointiert erzählt. Sachlich wird das geschildert, was man in und bei Szolnok sehen konnte und was von dem Künstler malerischer Darstellung für wert befunden wurde. Nichts ist erfunden, wenn auch sicherlich unter der Kontrolle des persönlichen Geschmackes die Wirklichkeit hie und da korrigiert, das Ganze von diesem oder jenem Gesichts- punkt wieder des persönlichen Geschmackes aus arrangiert ist. An der Stelle von Ereignissen hält der Pinsel Zustände fest, der Ruhe gibt er den Vorzug vor der Bewegung. In die dargestellten Figuren und Landschaften ist weder Sentimentalität noch Romantik hineingetragen. Der Titel „Melancholische Zigeunerin", der sich in einem Auktionskatalog findet, ist bestimmt nicht von Pettenkofen gewählt. Ihm lag gewiß nichts ferner, als die Puszta und die Zigeuner etwa mit den Augen seines älteren Zeitgenossen Lenau anzusehen. Gerade früher wurde gesagt, daß er das ungarische Volksleben nicht nach Art der Altwiener Genremaler darstellte, hier sei hinzugefügt, daß er seine ungarischen Themen auch nicht nach Art seiner etwas jüngeren deutschen Zeitgenossen, z. B. eines Knaus, Vautier, Defregger, behandelt hat, wie dies unter den ungarischen Malern etwa ein Bihari Sandor tat. Jene deutschen Genremaler der zweiten Hälfte des Jahrhunderts haben mit den Genre- malern des alten Wien gemeinsam, daß sie etwas, das sich besser schreiben und erzählen als malen läßt, zur Hauptsache eines Bildes zu machen pflegten, waren aber anspruchsvoller als die alten Wiener und diesen wohl in der Ausdrucksmalerei überlegen. Unzweifelhaft standen sie ihnen aber im eigentlich Malerischen nach (man vergleiche in Gedanken nur einmal das Kolorit eines Knaus mit dem eines Danhauser zum Beispiel). Vor diesem Fehler nun blieb Pettenkofen durch sein außer- gewöhnlich starkes und feines malerisches Empfinden, das er aus dem Wien des Vor- märz überkommen hatte und in Paris stetig nährte und wandelnd steigerte, bewahrt.
Bloß ein paar Szolnoker Gemälde könnten von dem eben Dargelegten Aus- nahmen zu bilden scheinen: beispielsweise das „Stelldichein" in seinen verschiedenen Fassungen und deren mehr oder weniger veränderte Wiederholungen. Aber auch in diesen paar Fällen ist der Vorgang selbst so einfach, so natürlich, wirkt seine Darstellung so ungezwungen, erinnert davon so durchaus nichts an das lebende Bild und ist vor allem das GegenständHche so völlig dem rein Malerischen unter- geordnet, daß auch hier von einem Genrebild in der Art der alten Wiener oder der jüngeren Deutschen keine Rede sein kann. —
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Von Pettenkofens Stil und Technik soll erst spä- ter gehandelt werden, im Verlauf der chronologi- schen Darstellung und nachdem die französischen Einflüsse angeführt sein werden. —
Mit Hilfe des im An- hang mitgeteilten Itine- rars, das hauptsächlich auf Grund von Notizbü- chern und Briefen zu- sammengestellt ist, läßt sich ein Aufenthalt Petten- kofens in Szolnok für fol- gende Jahre nachweisen:
1851 (einige Tage im Oktober).
1854 (für dieses Jahr versagt das Itinerar, doch haben von den zahlreichen das Datum 1854 tragen- den Bildern fast alle un- garische Vorwürfe, so daß ein Aufenthalt in Szolnok, jedenfalls aber in Ungarn wahrscheinlich ist).
1859 (schon imjuli inUn- garn, aber nicht in Szolnok, dort den ganzen September und halben Oktober).
1861 (im September und nochmals im Oktober, im ganzen etwa einen Monat dort).
1863 (vom halben Juli bis längstens Anfang September).
1867 (kaum drei 'Wochen im September und Oktober).
1868 (ein paar Tage im Juli). 1874 (drei Wochen im August).
1876 (vom 15. August bis zum 24. Oktober; der längste nachweisbare Aufenthalt). 1879 (vom 2. September bis zum 30. Oktober).
1881 (vom 23. August bis zum 6. Oktober, der letzte Aufenthalt, der nach- zuweisen ist).
Julie Freiin v. Helfert. Ölstudie.
Wien, Städtisches Museum.
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Aus dieser Zusammenstellung, deren unbedingte Vollständigkeit freilich nicht gewährleistet werden kann, ergibt sich folgendes: Pettenkofen gieng ziemlich unregelmäßig, manchmal sogar in Zwischenräumen von mehreren Jahren, nach Szolnok und hielt sich dort nie allzu lange auf, durchschnittlich wird man sagen können: einen starken Monat, und zwar während des Hochsommers und Früh- herbstes. Des weiteren führen diese verhältnismäßig seltenen und kurzen Szolnoker Aufenthalte, verglichen mit den zahlreichen Bildern mit ungarischen Themen, zu den Schlüssen, daß Pettenkofen einerseits in Szolnok stets ganz außerordentlich fleißig gewesen sein muß und daß er anderseits, was wir auch sonst bestätigt finden werden, die Bilder nicht gleich an Ort und Stelle, sondern oft erst viel später mit Hilfe von Studien und Notizen zu vollenden pflegte. Dies gilt übrigens, wie schon hier bemerkt werde, für die letzte Schaffensperiode des Künstlers weniger als für die früheren.
Pettenkofens Fleiß in Szolnok wird übrigens durch ihn selbst in zwei Briefen aus- drücklich bestätigt. Das eine Mal schreibt er, daß er in den zwei Monaten, die er in Szolnok ist, „mit Ausnahme von 14 Tagen oder drei Wochen fortwährend mit Regen, Sturm und gedecktem Himmel das unsäglichste Gefrette" habe und daß ihn das Leben, das er dort zu führen gezwungen sei, sehr verdrießlich gestimmt habe, und fährt dann fort: „Doch bringe ich einiges mit und wollte ich in diesem Genre weitermalen, hätte ich wohl für 100 Bilder reiches Material, welches ich mit geiziger Genauigkeit auf jede Minute des Tages bei schlimmstem Wetter gesammelt habe."") Und in dem zweiten Briefe heißt es, daß er in Ungarn „mehr als anderswo in verhältnismäßig kurzer Zeit machen könne und [für diese Arbeiten] eines guten Erfolges gewiß" sei.') —
Von den Leuten, mit denen Pettenkofen in Szolnok verkehrte, ist an erster Stelle der sogenannte „Szolnoker Müller", der Honv6dhauptmann Adolf Müller, zu erwähnen. Dieses Müller Großvater mütterlicherseits war der reiche Szolnoker Zimmermeister Homälyosi-Dunkel, der auch große Holzfabriken erbaut hatte. Er war von Kaiser Franz in den Adelsstand erhoben worden, weil er gegen Napoleon sechs Husaren gestellt hatte. Der Schwiegersohn dieses Dunkel, Müller, ein großer Blumenfreund, hatte zwei Söhne, den ebengenannten Adolf und Gustav. Beide dienten als Kadetten im Regiment Turszky. Mit diesem ihren Regiment giengen sie 1849 zu den Honv^ds über und fochten den Feldzug auf ungarischer Seite mit. Adolf wurde dafür nachher zu Festungshaft verurteilt und saß seine Strafe in Kufstein und Italien ab. In seine Vaterstadt zurückgekehrt, trieb er einen Handel mit Faßdauben, die seit alter Zeit die Theiß herabkamen und von Szolnok aus über Fiume nach Frankreich verkauft wurden. Schon als er selbst noch beim Fischermeister Stibinger eingemietet war, wohnte Pettenkofen bei ihm. Später baute sich Müller ein Haus, das heute noch steht, neben dem Pfarrhof der Burg- kirche. Früher stand es frei, heute ist es von einem ganzen Häuserkomplex ein- geschlossen, schräg gegenüber von ihm befindet sich die Künstlerkolonie. Auch in diesem Haus wohnte Pettenkofen bei Müller. Dieser hatte Sinn für bildende Kunst, sein Heim wurde der Versammlungsort aller Maler, die nach Szolnok kamen. Der Verkehr mit diesen regte ihn an, selbst zu malen, schließlich gab er sogar in
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Liegender weiblicher Akt. Ölstudie.
Wien, Alfred Wawra.
Szolnok Zeichenunterricht. In der Budapester Galerie hieng vor noch nicht allzu langer Zeit unter dem Namen Pettenkofen ein Szolnoker Markt, der von Müller gemalt war. Müller besaß auch ein Bildchen von Pettenkofens Hand, das heute im Szolnoker Stadthaus aufbewahrt wird. Müller diente Pettenkofen, der nicht viel mehr ungarisch als „Ne mozogj", d. i. „Beweg dich nicht!" verstanden haben soll, auch als Dolmetsch.") Später wohnte Pettenkofen in der Magyar-utca im Hause des Kleiderhändlers Weiß, der seinen Namen in Feh^r magyarisierte. Dieses Haus stieß an den Geflügelmarkt, und aus dem großen Zimmer, das Pettenkofen bei Weiß innehatte, konnte man den Markt sehen. Pettenkofen soll ihn von da aus auch gemalt haben. Der Sohn des Hauses begleitete Pettenkofen, wenn er malen gieng, trug ihm das Malgerät und half ihm gleichfalls mit seinem Ungarisch aus. Noch später wohnte Pettenkofen im Hause des Oberarztes Dr. Becsy in der Väroshäz-utca. 0 Schließlich sei auch noch der Szolnoker Photograph Chryastel angeführt, bei dem Pettenkofen in der späteren Zeit dann und wann als Behelfe für seine Bilder photographische Aufnahmen bestellte.'")
Wie Pettenkofen — während eines Aufenthaltes in den siebziger oder achtziger Jahren — einen Tag in Szolnok verbracht hat, wird folgendermaßen geschildert: In der Frühe gieng er aus und machte sich kleine Zeichennotizen. Hatte er was Passendes gefunden, so malte er es, im Marktgewühl alle um Haupteslänge über- ragend und von allen respektiert, gleich an Ort und Stelle auf ein kleines Brett. Abends studierte er die Luftstimmungen. Im Kaffeehaus spielte er Schach, warf aber, nichts weniger als ein Matador, das Spiel um, wenn es schlecht für ihn stand. Nach dem Abendessen notierte er sich Farbeneindrücke, überhaupt alles, was ihm
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tagsüber aufgefallen war, oder las alte Klassiker. — Einmal ritt ein Bursch mit zwei Pferden vorüber. Als ihn Pettenkofen malen wollte, sprang er aber ab und wollte nicht wieder aufsitzen. Da packte ihn Pettenkofen beim Kragen und setzte ihn derb aufs Pferd. Das imponierte dem Kerl so, daß er sich dann nicht mehr rührte.") —
Außer Pettenkofen malten aber noch andere Künstler in Szolnok. Begreiflicher- weise waren es zuerst Österreicher. Ob Ignaz Raffalt, der Vater, in Szolnok war, ist ungewiß; jedenfalls finden sich unter seinen Bildern ein paar mit ungarischen Vorwürfen. Sicher aber ist, daß sein Sohn, der hochbegabte frühverstorbene Johann Gualbert Raffalt, ein intimer Freund Pettenkofens, dort gemalt hat. Nachweislich war er im Jahre 1863 zusammen mit Pettenkofen in Szolnok. Gewisse Bilder Raffalts sind denen Pettenkofens vom Ende der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre, die durch ein kräftiges, sattes Kolorit ausgezeichnet sind, zum Verwechseln ähnlich. Auch Leopold Karl Müller, der schon als ganz junger Mensch auf Veranlassung seines Lehrers Karl Blaas an dessen Fresken in der Kirche von Föth in der Nähe von GödöUö mithalf, malte in den Jahren 1861 und 1862 dort. Im Gegensatz zu Raffalt, der höchst wahrscheinlich durch Pettenkofen dazu bewogen wurde, nach Szolnok zu gehen, scheint Müller unabhängig von Pettenkofen dorthin gekommen zu sein. Die beiden später so innig befreundeten Künstler sollen einander sogar in Szolnok zuerst näher kennen gelernt haben. Karl v. Kratzer (von dem noch die Rede sein wird und der hier nicht so sehr als Maler denn als Freund Petten- kofens genannt sei) war gleichfalls in Szolnok, und zwar vor dem Jahre 1874, wie aus einem vom 7. Oktober dieses Jahres datierten Briefe Pettenkofens an ihn aus Szolnok hervorgeht; Pettenkofen schreibt da, daß er ihm von dem Leben in Szolnok nichts zu sagen brauche, weil er es ja kenne. Auch Otto v. Thoren, nur um sechs Jahre jünger als Pettenkofen und wie dieser ein ehemaliger Militär, malte in Szolnok mit ihm zusammen im Jahre 1881.
Ferner sollen auch der Münchener Pferde- und Schlachtenmaler Heinrich Lang und seine Frau Tina Blau, er 1860-61, sie während der siebziger Jahre, in Szolnok gemalt haben; desgleichen die beiden Frankfurter Adolf Schreyer und Adolf von den Velden.'^) Doch ist nur von Schreyer und Lang nachzuweisen, daß Pettenkofen mit ihnen bekannt war.
Seit den siebziger Jahren, in denen dank dem 'Wirken Munkäcsys die ungarische Kunst einen starken Aufschwung nahm, kamen, durch Pettenkofens und der anderen fremden Künstler Beispiel angelockt, auch ungarische Maler nach Szolnok.
Ihre Tätigkeit in der Stadt und deren Umgebung hatte zur Folge, daß sich dort Bürgerschaft und Landbevölkerung immer mehr daran gewöhnten, Künstler in ihrer Mitte zu sehen, und daß, als unter dem nachhaltigen Eindrucke der Millenniums- feier des Jahres 1896 drei Jahre später eine kleine Künstlerschar mit dem Plane hervortrat, in Szolnok eine Künstlerkolonie zu gründen, dieser Gedanke allseits auf Verständnis stieß und Förderung erfuhr. Der Staat, die Gemeinde und private Gönner fanden sich zusammen, die nötigen Mittel aufzubringen, 1901 wurde der Szolnoker Künstlerverein gegründet, 1902 konnte bereits das Künstlerheim bezogen werden. Jenen Mitgliedern des Vereines, die die geistigen Urheber der Kolonie
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TAFEL XXI
UNGARISCHES BAUERNFUHRWERK. ÖLBILD. 1857. WIEN, BARON LOUIS
ROTHSCHILD.
sind, tritt in der letzten Zeit schon wieder eine ganze Schar junger und jüngster aufstrebender Begabungen zur Seite. '^)
Das sympathische einfache Gebäude der Kolonie ist ebenerdig, enthält nicht nur Atelier-, sondern auch Wohnräume für die Künstler und liegt inmitten eines großen Gartens, den jetzt das Pettenkofen-Denkmal schmückt und in dem früher das Gips- modell des originellsten Denkmales aufgestellt war, das Budapest besitzt, nämlich des „Anonymus" von Nikolaus Ligeti. Als der Verfasser im Jahre 1907 in Szolnok war und auch die Kolonie besuchte, malte gerade im Garten beim vollsten Mittag- sonnenlicht des wunderbaren Septembertages ein junger Künstler ein bildschönes
Ungarischer Bauernwagen. Bleistiftstudie. 1856.
Wien, Dr. August Heymann.
Zigeunermädchen. Sie hatte einen bunten Shawl um die bloßen Schultern geschlungen und war, an den schlanken Stamm eines spärlich belaubten Bäumchens gelehnt, ganz mit Sonnenflecken besprengt. Ein anderes Mitglied der Kolonie saß unter einem Malerschirm an einer staubigen Straße und malte an einem Landschafts- motiv. Unweit der Staffelei lag der halbnackte Trägerjunge aus dem Tabän. —
So hat Pettenkofens Tätigkeit in Szolnok befruchtend sogar noch auf die ungarische Kunst und Kunstpflege unserer Tage gewirkt. —
Daß sich im Szolnoker Komitatshaus noch eine vom Jahre 1875 datierte Ölskizze Pettenkofens, die drei Kinder an einem dünnen Wasserlauf wohl auf der Puszta darstellt, erhalten hat, sei hier zum Schluß der Vollständigkeit halber erwähnt. —
Wie es wohl selbstverständlich ist und wie bereits angedeutet wurde, hielt sich Pettenkofen nach dem Feldzug der Jahre 1848 und 1849 auch noch in anderen Gegenden Ungarns auf als in Szolnok. Vor allem wird es wohl die Hoffnung,
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Ungarisches Bauerngehöft mit zwei Pferden. Aquarell. 1856.
Wien, Gottfried und Hermann Bißler.
interessante neue Motive zu finden, vereint mit einer angeborenen Wanderlust, gewesen sein, was ihn auch an andere Punkte Ungarns führte; manche Gegenden, die er während des Krieges kennen gelernt hatte, wird er wiedersehen haben wollen, an einen anderen Ort mag ihn eine Einladung von befreundeter Seite aus gelockt haben.
Schon im Herbst des Jahres 1851 hielt er sich in Nagy-Szent-Miklös auf. Der Ort liegt an einem Verbindungskanal von Theiß und Maros im Komitat Torontäl und heißt auch Serbisch- oder Raiczisch-Szent-Miklös. Wie schon die letztere Bezeichnung andeutet, ist Nagy-Szent-Miklös durch das Nationalitätengemisch interessant, das dort anzutreffen ist. Charakteristische Typen von magyarischen, serbischen und wallachischen Bauern und von Zigeunern werden dort das Maler- auge angezogen haben. Nagy-Szent-Miklös ist aber auch die Herrschaft der Grafen Näkö, eines Geschlechtes, das gerade damals in der Gräfin Bertha, einer gebürtigen Gyertyänffy de Bobda, der Gattin des Grafen Koloman, seinem Stamme ein ganz besonderes Edelreis aufgepfropft hatte. Die im Jahre 1820 geborene Gräfin hatte 1842 geheiratet. Daß Pettenkofen schon im Jahre 1851 die Bekanntschaft des gräf- lichen Paares gemacht hat, ist, wie oben bereits angedeutet wurde, nicht unmög- lich. Später verkehrte er sicher häufig im gastfreundlichen Näköschen Hause. Aus seinem Nachlaß haben sich Photographien erhalten, die Bilder der Gräfin und die Gräfin selbst in ihrem Atelier darstellen, ihren Tod am 23. Dezember 1882 ver- zeichnet er in seinem Notizbuch, Bilder von seiner Hand haben sich einst in gräf- lichem Besitz befunden. Die Gräfin Bertha war nicht nur durch ihre Schönheit, Anmut, Liebenswürdigkeit und ihr hinreißendes Temperament, durch ihre werk-
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Ungarisches Bauernfuhrwerk. Ölbild. 1856.
Wien, Ludwig Lobmeyr.
tätige Herzensgüte, ihre Bildung und ihren Geist ausgezeichnet, sondern auch als Malerin und Klaviervirtuosin gleich hoch begabt. In ihrem Palais in der Dorotheergasse in Wien (dem Hause, in dem sich heute die Kunsthandlung Miethke befindet) und in ihrer Villa zu Schwarzau (nahe dem Schneeberg in Niederösterreich) versammelte sich namentlich in den sechziger und siebziger Jahren eine Auslese von hervorragenden bildenden Künstlern und Musikern. Liszt, Wagner, Amerling, Lenbach, Makart finden sich darunter. Liszt konnte stunden- lang ihren Phantasien auf dem Klavier zuhören und auch Wagner, der einmal einen im gräflich Näköschen Hause in Schwarzau verbrachten Abend sehr an- schaulich geschildert hat,") fand ihr Spiel „sehr originell und fesselnd", ihr malerisches Talent konnte in der im Jahre 1906 zu Budapest veranstalteten Aus- stellung der von ihr gemalten Kopien nach alten Meistern und Originalbilder ge- schätzt werden.'")
1853 war Pettenkofen in Fünfkirchen (Pecs) im Komitat Baranya am Mecseg- Gebirge zwischen Drau und Donau und in Waitzen (Väcz) an der Donau, dort wo sie das Knie nach Süden macht. Waitzen dürfte er aus dem Feldzug gekannt haben, denn dort hatten am 10. April 1849 die Kreß-Chevauxlegers mitgefochten.
1858 besuchte er Zenta an der Theiß, im Komitat Bäcs-Bodrog, berühmt durch den Sieg des Prinzen Eugen über die Türken im Jahre 1697, und fuhr von hier nach Nagy-Szent-Miklös, wo er elf Tage verweilte.
1859 hielt er sich auf dem Wege von Pest nach Szolnok nicht ganz eine Woche in Jäsz-Bereny, das an der Zagyva liegt, auf. Von Szolnok reiste er im Oktober nach Nagy-Szent-Miklos.
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1861 machte er von Szolnok einen Abstecher nach Gyula, das an der Weißen Koros liegt und der Hauptort des Komitates Bekes ist. Gyula ist die Stadt, in deren Nähe einst Eytas (d. i. Ajtös) gelegen hat, das Dörflein, wo sich Albrecht Dürers Vorfahren, wie es in des Künstlers Familienchronik heißt, „der Ochsen und Pferd genährt haben". In Gyula ist Dürers Vater bei einem Goldschmied in der Lehre gewesen.
Im Jahre 1869 fährt Pettenkofen über Brück an der Leitha nach Wieselburg und Raab. W^ieselburg liegt östlich vom Neusiedler See an der Kleinen oder Wieselburger Donau. Wo in diese die Raab und die Rabnitz münden, liegt Raab (Györ), das am 28. Juni 1849 von den Österreichern unter Haynau erstürmt wurde. An dieser „Affaire" waren auch die Kreß-Chevauxlegers beteiligt und, wie schon bemerkt wurde, stellt Pettenkofens Lithographie, die unter dem Titel „Die Ein- nahme von Brescia" bekannt ist, wahrscheinlich eine Episode jenes Kampfes dar. Nach Raab kann daher Pettenkofen durch die Erinnerung an das, was er dort vor zwanzig Jahren miterlebt hatte, geführt worden sein. Von Raab fuhr er nach Stuhlweißenburg (Szekes-Fehervär), der altehrwürdigen Stadt, in der einst Ungarns Könige gekrönt und bestattet wurden. Sie liegt nordöstlich vom Plattensee zwischen Bakony-Wald und Donau. Von Stuhlweißenburg machte er einen Abstecher nach Siöfok am nordöstlichen Ufer des Plattensees und kehrte von da wieder nach Wieselburg zurück.
Im August des Jahres 1879 fuhr Pettenkofen von Szolnok nach Abony.
In die Jahre 1876 und 1879 fallen kurze Aufenthalte in Preßburg.
1851 und 1881, im Anfangs- und Endjahr seiner Fahrten nach Ungarn, und natürlich auch zu wiederholten Malen während dieser dreißig Jahre war Petten- kofen in Budapest. Er weilte dort aber niemals lang.
So viel von jenen Aufenthalten Pettenkofens in Ungarn, die das Itinerar nach- zuweisen erlaubt. —
Szolnok, als Teil für das Ganze genommen, war für Pettenkofen eine unerschöpf- liche Fundgrube malerischer Motive. Um diese ihrer würdig, mit allen Mitteln einer stetig vervollkommneten Technik verwerten zu können, suchte er aber die Hauptstadt Frankreichs auf, die auch dem Menschen mehr zu geben vermochte, als die ungarische Steppe.
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DRITTES KAPITEL
mPlS 1852-1883
ie Wanderlust scheint Pettenkofen von seinem Vater geerbt zu haben, der ja noch in den Tagen, als die Postkutsche die Eisenbahn ersetzte, große Reisen unternommen haben soll. Pettenkofen war zeitlebens kein seßhafter Mann: in der Heimat, an einem Orte litt es ihn niemals lang. Sieht man von der militärischen Tour ab, die den Rekruten zu seinem Regiment nach Italien gebracht hatte, so war das Ziel seiner ersten großen Reise Paris, — wohin er freilich, ist der Überlieferung zu trauen, schon als Kind mit seinem Vater gekommen sein soll. Was ihn nach Paris zog, brauchte eigentlich gar nicht mehr erörtert zu werden. Vor allem natürlich die Kunst, die seit der letzten Jahrhundertwende an den Ufern der Seine zur mächtigsten von ganz Europa emporgewachsen war. Dann aber wird ihn auch der allgemeine Zauber der alten Lutetia gelockt haben, mit dem sie heute noch gerade so wie damals jeden umstrickt, der ihr empfänglichen Sinnes naht. Fühlen wir uns der „madre terra d'Italia" dafür zu ehrfürchtigem Dank ver- pflichtet, daß wir ihr den Grundstock all unserer Geisteshabe schulden, so ist für uns Paris die Stätte, wo wir Kultur und Zivilisation der Gegenwart am augen- fälligsten, eindringlichsten und überwältigendsten verkörpert finden, im guten wie im schlimmen.
Unter Pettenkofens gleichaltrigen Freunden mag es den einen oder andern ge- geben haben, der den Pariser Boden kannte und ihn ihm verlockend genug zu schildern gewußt haben wird. Von Heinrich Porges, an den er am 4. März 1858 Karl V. Kratzer in Paris von Wien aus Grüße aufträgt und bei dem er noch im Winter 1871-72 in Paris, 40 rue d'Anjou, wohnt, weiß man es.') Auch der eben genannte Kratzer, ein wohlhabender Dilettant, dessen Anhänglichkeit und Ergeben- heit sich Pettenkofen gerne gefallen ließ und mit dem ihn lebemännische Interessen verknüpften, kann jenem Bekanntenkreis angehört haben.")
Anderseits gab es, wie schon erwähnt, genug, was ihm damals die Heimat zu verleiden geeignet war. Aus der Erkenntnis heraus, daß er zum Maler geboren sei, wollte er von der Brotarbeit der Lithographie, die überdies am Ende ihrer Entwicklungsfähigkeit angelangt zu sein schien, loskommen. Der Vater der Ge- liebten hatte seine Werbung um deren Hand ausgeschlagen. Durch das, was er
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in Paris zu lernen, durch die Anerkennung, die er dort zu finden gedachte, hoffte er, daheim den Kampf um die Geliebte mit größerer Aussicht auf Erfolg wieder aufnehmen zu können. Schließlich war in Wien, in Österreich längst wieder die Reaktion mächtig geworden. Unter dem Eindruck von des Prinzen Louis Napoleon Staatsstreich am 2. Dezember 1851 hatte der Kaiser die Verfassung, die „Mistver- fassung", wie sie Fürst Schwarzenberg kurz und bündig nannte, durch das Patent vom 31. Dezember desselben Jahres wieder aufgehoben. Die Reformen auf dem Gebiet der Kunstpflege waren einer Richtung förderlich, die nicht die Pettenkofens war. Einer mündlichen Mitteilung zufolge, ') die leider auf ihre Richtigkeit hin nicht mehr zu überprüfen ist,^) war es aber des damaligen Unterrichtsministers Grafen Leo Thun Bruder, Graf Franz Thun, der Pettenkofen durch ein Stipendium die Mittel zur Reise nach Paris an die Hand gab. Dies wäre immerhin merkwürdig, da bekanntlich die beiden Grafen Thun Gönner der Führich-Schule waren.
Dem Süddeutschen hat Paris wohl mehr zu bieten als dem Fremdling aus dem deutschen Norden, und Wien, auf dessen Deutschtum die nationalen Züge von Slawen, Magyaren und Italienern schmeidigend eingewirkt haben, ist Paris ent- schieden wesensverwandter als etwa Berlin. Dazu kommt seit dem Ende des XVIII. Jahrhunderts die politische Verbindung Frankreichs und Österreichs — es seien nur die Namen der beiden habsburgischen Kaisertöchter Marie Antoinette und Maria Louise genannt, die mit französischen Herrschern vermählt waren. Diese Ver- bindungen hatten immerhin eine gewisse Verringerung der Distanz zwischen den beiden Kapitalen zur Folge gehabt. So darf vielleicht im Hinblick auf das alles gesagt werden, daß es auch der Wiener in Pettenkofen war, den eine besondere Sehnsucht nach Paris erfüllte, der ein besonderes Verständnis für Pariser Eigen- art nach Paris mitbrachte.
Daß Künstler nach Paris gepilgert sind, um dort zu lernen, wird häufiger wohl erst seit den Tagen des ersten Kaiserreiches, als dank der machtvollen Persönlichkeit Louis Davids der Klassizismus zur offiziellen Kunst wurde, der Fall gewesen sein. Von Wiener Künstlern war Kraflft ein Schüler Davids, und noch Rahl wird in Paris mehr von David als von Delacroix gelernt haben. Pettenkofen aber, der als Lithograph in Raffet und Gavarni Vorbilder erblickt hatte, ist natürlich weder wegen Davids, noch wegen Delacroix' nach Paris gereist. Was ihn an die Seine zog, waren die Pariser Sitten- und Landschaftsmaler, um die er nicht bloß durch Zeitungsberichte und mündliche Mitteilungen wußte, sondern auch durch das eine oder andere Bild von ihnen, das sich nach Wien verirrt haben muß.
Pettenkofen ist, wie noch ausführlich begründet werden soll, im Jahre 1852, vermutlich schon im Frühling nach Paris gekommen. Einer seiner ersten Gänge wird ihn sicherlich in den „Salon" geführt haben. Die Ausstellung war am 1. April eröffnet worden und fand im Palais Royal statt. Es war, wie der offizielle Titel lautet, die „Soixante-quinzieme Exposition des ouvrages des Ar- tistes vivants". Im Vorjahr, dem Jahre des Staatsstreiches, hatte keine Ausstellung stattgefunden. Von bedeutenderen Malern hatten ausgestellt: Chasseriau, Cogniet, Corot, Courbet, Couture, Daubigny, Dupre, Flandrin, Gerome, Meissonier, Raffet, Rousseau.
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Rastende Zigeuner. Ölbild. 1857.
Amsterdam, Museum Podor.
Über diejenigen dieser Künstler, die Pettenkofen besonders interessieren mußten, sei ein Wort gesagt: Daubigny hatte schon 1848 eine Medaille zweiter Klasse er- halten und hatte zwei Bilder ausgestellt: „Moisson" und „Vue prise sur les bords de la Seine". Jules Dupre (es hatten auch Gustave und Leon- Victore ausgestellt), bereits 1833 mit einer Medaille zweiter Klasse ausgezeichnet, war schon 1849 Ritter der Ehrenlegion geworden. Von Meissonier waren drei Bilder zu sehen: „Homme choisissant son epee", „Jeune homme travaillant" und „Bravi". Bereits 1840 hatte er die Medaille dritter, 1841 die zweiter und 1843 und 1848 die erster Klasse erhalten, 1846 war er Ritter der Ehrenlegion geworden. Im Katalog steht hinter Dupres und seinem Namen die bedeutsame Silbe „ex", d. h., daß beider Arbeiten ohne Prüfung aufgenommen waren. Rousseau hatte zwei Bilder ausge- stellt: „Paysage; effet du soleil" und „Paysage apres la pluie; groupe de ebenes dans la lande". Rousseau wurde auf Grund dieser beiden Bilder Ritter der Ehren- legion. In der „Jury des Recompenses" für den Salon vom Jahre 1850 befanden sich unter anderen Decamps und Delacroix, die beide aber 1852 nicht ausstellten.
Da Pettenkofen erst im Mai 1853 Paris verläßt, so hat er natürlich auch den Salon dieses Jahres, der „aux Menus-Plaisirs" aufgetan war, kennen gelernt. Von den Ausstellern seien vor allem diejenigen angeführt, die bisher noch nicht ge- nannt wurden und für die Pettenkofen naturgemäß ein besonderes Interesse haben mußte. Tabellarisch aufgezählt, sind es folgende:
Millet. Von ihm waren drei Bilder zu sehen: „Moissonneurs", „Un berger; effet du soir", „Une tondeuse de moutons". — Troyon. Er hatte drei Sujets aus der Normandie ausgestellt: „Vallee de la Touque", „L'abreuvoir", „Chemin creux". Schon 1838 hatte er eine Medaille dritter, 1840 eine zweiter, 1846 und 1848 eine
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Medaille erster Klasse erhalten, 1859 war er Ritter der Ehrenlegion geworden. Hinter seinem Namen steht „ex". — Der Belgier Willems. Es waren drei Bilder von ihm vorhanden: „Vente publique de tableaux, ä Anvers en 1660", „La veuve", „Le peintre dans son atelier". Er wurde dafür Ritter der Ehrenlegion. Schon 1844 hatte er eine Medaille dritter, 1846 eine zweiter Klasse erhalten, beide Male für Genrebilder. — Sonst waren auf dieser Ausstellung noch vertreten: Der alte Beilange, Rosa Bonheur, bereits 1848 mit einer Medaille erster Klasse prämiiert, der Schüler
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Gallaits, Jaroslaw Cermak, ein Prager, mit dem Pettenkofen nachmals bekannt wurde, Chintreuil, Corot, Courbet, Daubigny, Delacroix, Fromentin, Gallait (mit den „Letzten Augenblicken des Grafen Egmont"), Harpignies, der Hamburger Heilbuth, mit dem Pettenkofen nachher verkehrte, Huet, Knaus, der interessanter- weise für zwei Genrebilder, die er zu dieser Ausstellung eingesandt hatte, dieselbe Auszeichnung, eine Medaille zweiter Klasse, erhielt wie Millet; Meissonier, Rousseau und Stevens. Dieser mit folgenden Bildern: „Le matin du mercredi des Cendres", „Des bourgeois et de manants trouvent, au point du jour, le corps d'un seigneur de la cour assassine par les guisards", „Decouragement". Er erhielt für diese Arbeiten eine Medaille dritter Klasse — im Vorjahre hatte sein älterer Bruder Joseph für ein Tierstück eine Medaille zweiter Klasse erhalten.
Decamps hatte auch 1853 nicht ausgestellt. Auf der Ausstellung im Jahre 1850 aber waren von ihm nicht weniger als zehn Bilder zu sehen gewesen, auf Grund deren er 1851 (übrigens zugleich mit Diaz) Offizier der Ehrenlegion geworden war. Ritter der Ehrenlegion und durch das „ex" ausgezeichnet war er schon im Jahre 1850. Er sei hier darum besonders erwähnt, weil er, wie noch gezeigt werden soll, auf Pettenkofen Einfluß genommen hat.
Die aufgezählten Namen allein geben schon ungefähr ein Bild von dem, was Pettenkofen während seines ersten Pariser Aufenthaltes von französischer Malerei kennen lernen konnte. Die den Namen angefügten Auszeichnungen, auch in Paris wohl kaum verläßlichere Kriterien als anderswo, sind aber immerhin geeignet, über das Ansehen zu orientieren, in dem die einzelnen Meister standen.
Der Eindruck, den der junge Wiener in den beiden „Salons" empfieng, mag stark genug gewesen sein. Hier sah er wohl das verwirklicht, was ihm selbst schon lange als Ideal vorgeschwebt haben wird. Die Genrebilder seiner Lands- leute mochten ihm da recht schablonenmäßig, manieriert und unwahr vorkommen. Bei den Franzosen fand er höchste Naturtreue, auserlesenen persönlichen Ge- schmack, lebhaftes, aufs feinste abgestuftes Kolorit, großen Stil auch bei kleinem Format, vor allem aber kühne, breite, lockere Pinselführung — nirgends Kon- vention, außer kraftvoller Künstlerschaft nur wenig allgemeines Schulgut, dafür Freiheit und eine ganze Menge stärkster Individualitäten.
Anziehend und erfreulich ist es nun zu sehen, wie sich Pettenkofen all den neuen Eindrücken gegenüber verhält. Keinesfalls — das sei gleich vorwegge- nommen — verliert er sich selbst, wird er jemandes Nachahmer. Er nimmt An- regungen auf, vermag sie aber auch zu verarbeiten. —
Über einiges Tatsächliche von Pettenkofens erstem Pariser Aufenthalt sind wir durch Alfred de Lostalot,') der offensichtlich auf Mitteilungen aus Maler- und
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TAFEL XXn ZIGEUNERHÜTTE IM WALDE. ÖLBILD. 1857. WIEN, LUDWIG LOBMEYR.
TAFEL XXIII
UNGARISCHER BAUERNHOF MIT BÄUMEN UND STROHSCHOBERN. ÖL- BILD. WIEN, LUDWIG LOBMEYR.
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Ochsengespann. Aquarell. 1857.
Wien, Ludwig Lobmeyr.
Kunsthändlerkreisen fußt, ziemlich gut unterrichtet.
Pettenkofen soll in Paris zwei Bilder zu Ende gemalt haben, die er angefangen aus Wien mitgebracht hatte: „Soldaten, die an der Tür eines Bauernhauses auf einen Spion lauern" und „Räuber, die im Kornfeld ihre Beute teilen". Das erstere Bild könnte nur eine seither verschollene Wiederaufnahme des von Pettenkofen schon 1846 in dem Bilde „Die Horcher", das Franz Xaver Mayer in Wien gehört, behandelten Themas sein, wahrscheinlich aber ist damit irrigerweise das bereits erwähnte") Bild „The Surprise" in der Wallace CoUection gemeint, das aber nicht von Pettenkofens Hand ist.
Als Pettenkofen das zweite Bild „Die Räuber", das er auf Bestellung eines Wiener Kunstfreundes gemalt hatte, eben verpacken wollte, sah es zufällig der Pariser Händler Van Cuyck. Diesem gefiel es dermaßen, daß er es durchaus kaufen wollte und einen hohen Preis dafür bot. Da Pettenkofen aber nicht mehr darüber verfügen konnte, gab ihm Van Cuyck sofort zwei andere Bilder in Auf- trag: „Nach dem Duell" und „Ungarische Freiwillige".
Die „Räuber im Kornfeld" wurden später von Sir Richard Wallace erworben und befinden sich noch heute in der Wallace CoUection in London.
Die „Scene aprös un duel" gieng aus dem Besitz Van Cuycks über A. Willet an das Museum Fodor in Amsterdam über. Die „Ungarischen Freiwilligen" verkaufte Van Cuyck an den Sammler Rone. Als dessen Eigentum waren sie noch im Jahre ihres Entstehens, also 1853, im „Cercle de 1' Union artistique" öffentlich zu sehen. Diese Ausstellung hat Pettenkofens Ruf in Paris begründet. Van Cuyck kaufte aber die „Ungarischen Freiwilligen" bald wieder zurück und hielt sein Wort, sich bis zu seinem Tode nicht mehr von ihnen zu trennen. Erst seine Erben veräußerten
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sie und auch diese erst nach den Kriegsereignissen vom Jahre 1871, und zwar nach London. Von London ist das Bild über Paris nach Wien gekommen. Hier aber wird Lostalots Bericht unklar und falsch. Denn im Gegensatz zu dem, was er sagt, kam das Bild auf der Auktion Gsell nicht vor. Wohl aber wurde es gleich- zeitig, nämlich am 5. April 1872, von dem Pariser Kunsthändler Everard in der Gartenbaugesellschaft zu Wien versteigert und um 16.350 fl. von Sedelmeyer, der es zu Beginn des Jahres erworben und sofort an Everard weitergegeben hatte, zurückgekauft. Als sein Eigentum war das Bild 1873 auf der W^iener Weltaus- stellung zu sehen. 1879 verkaufte er es dann um 50.000 Francs an Mr. Cornelius Vanderbilt in New York, dessen Sohn es heute noch gehört.')
An den „Ungarischen Freiwilligen" vom Jahre 1853 nun und der 1851 in Wien entstandenen Fassung des „Verwundetentransportes" glaubt Lostalot die große Wandlung, die die Kenntnis der Pariser Malerei in Pettenkofens Stil hervorgerufen hat, nachweisen zu können.
Die beiden Bilder „Räuber im Kornfeld" und „Nach dem Duell" verraten schon als Kostümstücke den französischen Einfluß. Freilich muß hier sogleich angemerkt werden, daß das Aquarell „Landsknecht im Kornfeld", auch ein Kostümstück, schon 1851, also noch in Wien gemalt worden ist.
Die „Räuber im Kornfeld" sind farbiger, die Duellszene ist toniger gemalt. Die „Räuber" erinnern mehr an Meissonier und Willems, bei der Duellszene muß man, was die weichere Malweise betrifft, eher an Stevens denken. Für die Wahl der Themen aber werden Meissonier, Willems und Stevens gleichermaßen vor- bildlich gewesen sein. Der letztere hatte sich damals, wie seine obengenannten Bilder bezeugen, noch nicht völlig selbst gefunden. Er suchte noch seine Vorwürfe in der Vergangenheit, die moderne Frau inmitten ihres Milieus war noch nicht das Hauptthema seines delikaten Pinsels geworden.
Das Kostüm als solches war Pettenkofen ja nicht fremd. Schon im „Erzherzog Carl" hatte er ein Stück freilich nicht allzu ferner Vergangenheit darstellen müssen. Seine Wiener Kollegen hatten ihre Helden gelegentlich ja auch in alte Trachten gesteckt. Diese waren dann aber meist recht phantastisch, wenn nicht gar theatra- lisch ausgefallen. Von diesem Beigeschmack sind nicht einmal die Arbeiten von Johann Nepomuk Geiger und Leander Ruß völlig frei, und Fendis im Auftrag der Erzherzogin Sophie gemalte Aquarelle z. B., die Schillerische Gedichte illustrieren, wirken geradezu ein bißchen komisch. Mittlerweile war durch die belgischen Histo- rienmaler eine ganz andere Kostümtreue eingeführt worden. In München gieng sie von dem alten Kaulbach auf Piloty über, Meissonier in Paris und Menzel in Berlin betrieben aber, man möchte sagen auf wissenschaftliche Weise, kostümge- schichtliche Studien und schufen so, ein jeder von den beiden als der ausgezeichnete Künstler, der er war, Werke von einer realistischen Treue, wie sie bis dahin bei Historienbildern und historischen Genrebildern noch nicht dagewesen war.
Von einer solchen Kostümechtheit nun sind die drei genannten Bilder Petten- kofens noch weit entfernt. Er wendet sich auch, was für seine Entwicklung von der allergrößten Bedeutung ist, sofort wieder jenen Motiven zu, die ihm die Be- achtung auch der Franzosen eingetragen hatten: denjenigen, die er sich aus der
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TAFEL XXIV
PFERDE VORM STROHSCHOBER. ÖLBILD. 1858. WIEN, FRANZ XAVER
MAYER.
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I
Totes Pferd. Aquarell. (1857?,)
Wien, Eugen Miller von Aichholz.
ungarischen Tiefebene holen mußte. Auch die Technik des Aquarells, die in Frank- reich verhältnismäßig nur wenig geübt wurde, pflegte Pettenkofen mindestens in den fünfziger Jahren fleißig weiter.
In der Klein- und Feinmalerei Meissoniers hat er sicherlich etwas Verwandtes erblickt. An Geschmack durfte er sich wohl mit ihm messen, im Naturalismus auch des Kolorits aber konnte ihm der Franzose als Vorbild dienen. Noch eifriger aber gieng er bei den Meistern des „Paysage intime", den Männern von Barbizon, in die Schule, besonders bei Rousseau, Dupre, Daubigny und Troyon. Für Corots Silberton hat ihm sicher nicht das Verständnis gefehlt, doch wird ihm Corot alles in allem zu wenig körperhaft und zu romantisch gewesen sein. Diaz hat ihn wohl hauptsächlich als Landschafter interessiert. Troyon aber war für ihn nicht bloß als Landschafter, sondern auch als Tiermaler wichtig. Besonders aber wird ihm eine Eigenschaft des Künstlers, die die Zeitgenossen oft gerügt haben, nämlich die Skizzen- haftigkeit oder besser gesagt: die nicht zu weit getriebene Vollendung seiner Bilder angezogen haben. Die besten Arbeiten Pettenkofens aus allen Zeiten seines Schaffens weisen diese Eigenschaft gleichfalls auf, aber erst von den siebziger Jahren an scheint er sich ihres Wertes voll bewußt zu werden. Ein Beweis der Hochschätzung, die Pettenkofen Troyon zollte, liegt darin, daß er seinem Wiener Mäzen Friedrich Gsell, von dem noch zu handeln sein wird, wiederholt empfahl, Bilder des franzö- sischen Meisters zu kaufen.
Bei seinem ersten Aufenthalt in Paris machte Pettenkofen die persönliche Be- kanntschaft des Brüsseler Malers Alfred Stevens. Pettenkofen soll den um sechs Jahre jüngeren Künstler schon lange in dessen Atelier besucht haben, bevor dieser erfuhr, daß der Österreicher, der sich ebenso bescheiden wie angelegentlich für
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seine Malerei interessierte, den er für einen Amateur gehalten hatte, selbst Maler war/) Stevens scheint der erste jener Maler gewesen zu sein, mit denen Petten- kofen im Laufe der Zeit in Paris näher bekannt wurde. Als Zeugen dieser Freund- schaft fanden sich in Pettenkofens Nachlaß folgende drei Photographien: Eine nach Stevens Bilde, das drei trauernde Damen darstellt und von 1857 datiert ist; sie trägt die handschriftliche Widmung: „ä mon ami Pettenkofen Alfred Stevens." Eine andere, abermals nach einem Bilde des Brüsselers, dessen Vorwurf ein Mädchen ist, das vom Schreiben aufgeschreckt wird. Die Widmung dieses Blattes von dem Photographen Richebourg an den Maler ist vom Jahre 1861 datiert. Auch diese Photographie trägt von Stevens' Hand die Worte: „A mon ami Pettenkofen." Eine dritte Photographie zeigt Stevens' Atelier mit ihm selbst und seiner Frau, eine vierte endlich, die wieder mit einer handschriftlichen Widmung versehen ist, stellt Stevens allein dar.
Alfred Stevens, dessen künstlerischer Höhepunkt in die sechziger Jahre fällt und der neben Meissonier als der gefeiertste Interieur- und Sittenmaler jener Epoche gelten kann, steht dem modernen Empfinden schon darum näher als Meissonier, weil er seine Figuren nicht wie dieser mit dem Kostüm vergangener Zeiten dra- piert, sondern weil er nicht weniger treu als geschmackvoll die Pariserinnen des zweiten Kaiserreiches schildert. Im Februar des Jahres 1900 waren zu Paris in der Ecole des Beaux-Arts fast zweihundert seiner Bilder ausgestellt und riefen geradezu „einen Rausch des Entzückens" hervor.") Vor Stevens' Bildern begreift man es, daß er ein Verehrer der japanischen Kunst war. Es besteht eine offenkundige Wesensverwandtschaft zwischen ihnen und den ebenso duftigen wie preziösen Kunstwerken der Japaner. Pettenkofens malerischer Geschmack wird sich unzweifel- haft an Stevens' Bildern geschult haben.
Auch mit Willems war Pettenkofen befreundet, vermutlich durch Vermittlung von Stevens. In Pettenkofens Nachlaß fanden sich zwei Photographien des Künstlers selbst, deren eine die handschriftliche Widmung: „A mon ami Pettenkofen F. Willems" trägt, dann eine mit einer ähnlichen Widmung versehene Photo- graphie nach Willems' Gemälde, das eine Witwe vor dem Bilde ihres Gemahls darstellt und wohl mit dem Bilde „La veuve" identisch ist, das der Künstler im Salon des Jahres 1853 ausgestellt hatte, und endlich eine Ölskizze von Willems, die ein kleines Mädchen wiedergibt und rechts unten eingeritzt die Worte zeigt: „Souvenir Florent Willems, Paris."
In einem Wiener Brief vom 4. März 1858 an Karl v. Kratzer in Paris gibt Pettenkofen an Willems und Stevens Grüße auf und bittet um die Besorgung von acht Fuß grundierter, unaufgespannter „feiner Leinwand für Bilder mit kleinen Figuren, ungefähr wie sie Willems benützt".
Meissoniers Bekanntschaft wird Pettenkofen höchst wahrscheinlich noch nicht bei seinem ersten Pariser Aufenthalt, sondern erst in späteren Jahren gemacht haben. Auch nach sieben Bildern Meissoniers enthielt Pettenkofens Nachlaß Photographien, dreien von ihnen („Un Cavalier", „Une Chanson", „Les joueurs de cartes") ist der Faksimilestempel des Künstlers aufgedruckt. Außerdem stammt aus Pettenkofens Besitz eine kleine auf Holz gemalte Kostümstudie Meissoniers mit dessen eigen-
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händiger Widmung: „ä mon ami Pettenkofen EMeissonier." Dieses Bildchen ist erst un- längst wieder im Wiener Kunst- handel aufgetaucht.")
Ein Künstler dagegen, des- sen Bekanntschaft Pettenkofen, wenn er ihn nicht etwa schon vorher in Ungarn kennen ge- lernt hatte, aller Wahrschein- lichkeit nach noch während seines ersten Aufenthaltes in Paris machte, ist der schon erwähnte Theodore Valerio. Wenigstens findet sich dessen Adresse (Rue de Luxembourg 22) bereits an dreizehnter Stelle des Adreßverzeichnisses in einem Notizbuch Pettenkofens, dessen früheste Eintragung vom 20. Mai 1853 datiert ist.
Von anderen französischen Künstlern, mit denen Petten- kofen näher bekannt gewesen sein muß, seien Gerome, der seinerzeit so beliebte Maler an- tiker Stoffe, und Flameng, na- türlich der ältere, der auch radierte, und der ausgezeichnete Porträtist Ricard genannt. Pet- tenkofens Nachlaß enthält eine Photographie Geromes und
nicht weniger als fünf Photographien nach Bildern desselben. Der Bildhauer Gustave Deloye, mit dem Pettenkofen gleichfalls in Paris, aber erst in den acht- ziger Jahren verkehrt haben muß, sei darum hier angeführt, weil er lange in Wien lebte, wo er zuerst für den Silberschmied Klinkosch und dann für den Fürsten Liechtenstein, der ihm sogar ein Atelier eingeräumt hatte, arbeitete. Von Deloye rührt übrigens auch das Porträtmedaillon auf dem Grabstein Friedrich Gsells her, des bereits erwähnten Wiener Kaufmannes und Kunstfreundes, dessen großartige Bildersammlung auch besonders viele Arbeiten Pettenkofens enthielt.
Natürlich kannte Pettenkofen auch alle namhaften österreichischen Künstler, die während der einunddreißig Jahre, in denen er Paris immer wieder aufsuchte, dort arbeiteten. Der älteste von diesen war Otto v. Thoren, von dem übrigens, ebenso wie von dem Schüler Gallaits, dem Prager Jaroslav Cermak, schon die Rede war.
Wallachischer Fleischer. Aquarell. Reichenberg, Heinrich Frh. v. Liebiegsche Sammlung der Stadt.
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Mit dem Kunsthändler Karl Sedelmeyer, einem geborenen Wiener, der ursprünglich bei dem schon genannten Georg Plach angestellt gewesen war, 1857 das erste Mal nach Paris gekommen, aber erst 1868 dauernd dorthin übersiedelt ist, hängen die folgenden österreichischen Maler zusammen : Eugen Jettel, der Pettenkofen, wie wir noch sehen werden, besonders nahe gestanden ist, Mihäly Munkäcsy und Vaclav Brozik. Dem Kreise Thorens und Jetteis gehörte auch noch Rudolf Ribarz an, mit dem Pettenkofen ebenfalls in Paris verkehrte. Alle diese Bekanntschaften datieren aber erst aus den siebziger und achtziger Jahren. Zum Schlüsse sei noch ein Öster- reicher genannt, der lange in Paris tätig war und dessen Pariser Adresse sich Pettenkofen in den siebziger Jahren zweimal notiert, der kürzlich in Florenz ver- storbene Bildhauer S. Beer.
Schon Stevens und Willems, die füglich zuerst aufgezählt werden mußten, waren keine Franzosen. Andere ausländische, und zwar deutsche Künstler aus Pettenkofens Bekanntenkreis in Paris sind: der Frankfurter Schreyer, den Pettenkofen wohl durch Schmitson kennen gelernt haben wird, und der Ham- burger Heilbuth.
Weder unter den oben angeführten malenden Landsleuten Pettenkofens, noch unter den zuletzt genannten deutschen Malern, mit denen er in Paris zusammen- traf, findet sich jemand, von dem behauptet werden könnte, daß er ihn künstlerisch beeinflußt hätte. Dagegen mag er dem Spanier Mariano Fortuny, mit dem er übrigens nicht nur in Paris, sondern auch in Rom verkehrte, die eine oder andere Anregung verdanken; sicher aber hat die beiden Künstler ein verwandtes Streben miteinander verbunden. Daß Pettenkofen überdies mit Fortuny und dessen Familie befreundet war, beweisen folgende Photographien in seinem Nachlaß: Porträtauf- nahmen Fortunys selbst, seiner Frau, einmal mit zwei Kindern, dann bloß mit dem kleineren und nicht weniger als zehn Photographien nach Gemälden Fortunys. Am 20. Jänner 1875 verzeichnet Pettenkofen in seinem Tagebuch den Besuch der Aus- stellung von Werken Fortunys, die in Paris zum Gedächtnis des im vergangenen Herbst verstorbenen Künstlers stattgefunden hatte.
Interessant ist Pettenkofens Bekanntschaft mit einem andern in Paris lebenden ausländischen Maler, dem begabten frühverstorbenen Neapolitaner Joseph de Nittis, der ein hübsches Büchlein „Notes et Souvenirs",") hinterlassen hat und über den ein Faden von Pettenkofen zu Man et läuft. Bei seinem Freunde de Nittis zu Gaste, malte nämlich Manet in dessen Garten kurz vor der Kriegserklärung im Jahre 1870 sein berühmtes Bild „Le j ardin".
De Nittis spricht in seinen Erinnerungen von dem talentvollen jungverstorbenen spanischen Maler Zamacois, der ein Schüler Meissoniers war und dem „cercle Vibert" angehörte. Auch mit Vibert, einem seinerzeit stark überschätzten Maler witziger Mönchsszenen, und Zamacois muß Pettenkofen verkehrt haben, desgleichen mit dem Spanier Rico, der in der Art Fortunys zu malen versuchte und ebenfalls diesem Künstlerkreis zuzuzählen sein wird.
Im Dezember des Jahres 1874 scheint Pettenkofen in Paris abermals zu dem Künstlerverein „Cercle de l'union artistique", dessen Wahlspruch: „L'Art unit les peuples" war und auf dessen Ausstellung im Jahre 1853, wie schon erwähnt, seine
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TAFEL XXV
WANDERNDE ZIGEUNERFAMILIE. ÖLBILD. 1858. WIEN, FRANZ XAVER
MAYER.
„Ungarischen Freiwilli- gen" seinen Namen be- kannt gemacht hatten, in Beziehung getreten zu sein.
In anderen als Künstler- kreisen scheint Petten- kofen, der niemals das Französische vollkommen beherrscht hat, nicht ver- kehrt zu haben. Von dem originellen Dr. Gruby, von dem z. B. erzählt wird, daß er einer Betschwester, die anders nicht dazu zu bringen war, die für ihre Gesundheit notwendige Bewegung zu machen, ver- ordnete, täglich dreimal um die Notre-Dame-Kir- che zu gehen und dabei so und so viele Vaterunser zu beten, ließ er sich ärzt- lich behandeln. Viele hiel- ten Dr. Gruby für einen Charlatan oder Narren, Pettenkofen aber sah tiefer und hielt große Stücke von ihm. Dürfte er durch seinen Freund Heinrich Porges in Paris eingeführt worden sein, so war er in den letzten Jahren mit Charles Sedelmeyer be- freundet. Er kannte ihn
natürlich schon von Wien und Plach her. In den Jahren 1878 und 1882 hatte er Sedelmeyers Atelier in der Rue St. Lazare gemietet, in dem später Sedelmeyers Schwiegersohn Brozik arbeitete. 1860 hatte Pettenkofen ein Atelier 9, Rue de Laval. Unter dem Datum des 11. Dezember 1874 verzeichnet er in seinem Tage- buch ein Atelier in einer „Maison Poissy". Im Winter 1871-72 wohnte er im Hotel de Suisse und dann im Hotel du Midi in der Rue Lafayette, dazwischen wie schon gesagt bei seinem Freunde Heinrich Porges. Auch 1872 stieg er im Hotel du Midi ab; im Winter 1874 dagegen im Hotel de France in der berühmten Kunst- händlerstraße, der Rue Laffitte, im Winter 1882 im Hotel Victoria in der Rue Lafayette.
Wandernder Zigeunerjunge. Ölbild. 1858. Reichenberg, Heinrich Frh. v. Liebiegsche Sammlung der Stadt.
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Schlafendes kleines Zigeunermädchen. Aquarell. 185g.
Budapest, Baron Dr. Adolf Kohner.
Schon die obige flüchtige Aufzählung der Künstler, zu denen Pettenkofen vom Jahre 1852 bis zum Jahre 1883, da er das letzte Mal nach Paris kam, persönliche Beziehungen hatte, vermöchte vielleicht die Entwicklung anzudeuten, die während dieses Zeitraumes die Pariser Malerei nahm. Als Pettenkofen das erste Mal nach Paris kam, da stand die Schule von Barbizon in höchster Blüte und schufen noch in voller Kraft Ingres, Horace Vernet und Delacroix. 1883 aber, als Pettenkofen zum letzten Mal die stumpfen Türme der Notre-Dame-Kirche grüßte, war Edouard Manet bereits drei Jahre tot. Seit der Ausstellung bei Nadar im Jahre 1871 hatte der Impressionismus Schlacht um Schlacht geschlagen, und war er 1883 auch noch nicht von allen Seiten anerkannt, so stand er doch schon als eine Macht da, mit der gerechnet werden mußte. Seit dem Beginn der sechziger Jahre hatten sich die französischen Künstler mit der Kunst Japans vertraut gemacht, und Pettenkofens Freunde Stevens und Fortuny werden unter den ersten Sammlern japanischer Kunst genannt. Mit Dr. Zacharias Astruc, dem Maler, Bildhauer und Schriftsteller, einem Mitglied der japanischen Gesellschaft vom „Jinglar", der im „Etendard" eine Reihe Aufsehen erregender Artikel über das „Reich der aufgehenden Sonne" veröffentlichte, war Pettenkofen gleichfalls bekannt. Daß sich Pettenkofen selbst für die Kunst Japans interessiert hat, geht daraus hervor, daß sich in seinem
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TAFEL XXVI
ZIGEUNERMÄDCHEN AUF DER PUSZTA. AQUARELL. 1859. WIEN, EUGEN
MILLER V. AICHHOLZ.
Kleines Zigeunermädchen, ein Kind wiegend. Ölbild. (^1860?)
Wien, Franz Xaver Mayer.
Nachlaß ein paar Bände von Hokusais „Mangwa" und ein Band von dessen „Hundert Ansichten des Fujiyama" gefunden haben.
Aber auch die Wirksamkeit zweier so verschiedener Persönlichkeiten, wie der Courbets, der als Künstler und als Mensch die Pariser so sehr zu beschäftigen wußte, und der Dores, dessen Holzschnitte die ganze Welt eroberten, fällt fast restlos in jene einunddreißig Jahre, während welcher Pettenkofen nach Paris kam.
Die Plastik schritt während jenes Menschenalters von dem anmutigen Pradier, dem leidenschaftlichen Rüde, dem trockenen David d'Angers und dem ausgezeich- neten Realismus von Baryes Tierstücken über Fremiet, den Autor der kühn komponierten Gruppe von St. Georgs Drachenkampf, Carpeaux, berühmt durch seine Gruppe des Tanzes an der Großen Oper, Dubois, von dem das ebenso form- reife wie seelenvolle Reiterstandbild der Jungfrau von Orleans vor der Kathedrale zu Rheims herrührt, und Falguiere, den Schöpfer schöner, fester Frauengestalten, zu dem edeln Bartholome und dem genialen Impressionisten Rodin fort.
Als das bedeutendste Werk der Architektur, das während jenes Zeitraumes in Paris geschaffen wurde, sei Garniers Große Oper genannt.
Je weniger von dem zu berichten ist, was Pettenkofen selbst während der Jahre 1852 bis 1883 in Paris erlebt und getan hat, desto schwerer ist es, der Verlockung zu widerstehen, wenn auch noch so knapp, von den Wandlungen und Umstürzen auf den verschiedenen Gebieten des großen Lebens zu erzählen, deren gewiß nichts weniger als teilnahmsloser Zeuge er war.
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Das Stelldichein. Ölbild.
Reichenberg, Heinrich Frh. v. Liebiegsche Sammlung der Stadt.
Als Pettenkofen 1852 das erste Mal nach Paris kam, da war Balzac erst zwei Jahre tot, Beranger lebte noch als zweiundsiebenzigj ähriger Greis, Victor Hugo grollte in Belgien in der Verbannung, Dumas pere hatte schon den Gipfel seines Ruhmes überschritten, von seinem Sohne erschien gerade die „Kameliendame** als Stück, Merimee war bereits Akademiker, Alfred de Musset, „der Gassenjunge", wurde eben unter die Unsterblichen aufgenommen, die George Sand hatte sich schon auf ihr Schloß zurückgezogen, Gautier gab gerade seine „Emaux et Cam^es" heraus, und Murgers „Seines de la Vie de Boheme" und Heines „Romancero" waren erst ein Jahr alt. Als Pettenkofen 1883 das letzte Mal Paris sah, da standen Daudet und Zola auf der Höhe ihres Ruhmes, Maupassant hatte bereits einen Namen, Sardou war schon fünf Jahre Mitglied der Aka- demie. In die Zwischenzeit fällt das Wirken Flauberts, der Goncourts, Scribes, Beaudelaires, Feuillets, Taines und Renans. Während des genannten Zeit- raumes, in den hinein noch Auber, Meyerbeer, Halevy und Berlioz lebten, schufen Gounod, Thomas und Offenbach ihre Hauptwerke und begründeten Saint-Saens und Massenet ihren Ruf. 1861 führte Wagner in Paris seinen „Tann- häuser" auf.
Den größten Eindruck freilich macht der Wandel, den die politischen Verhältnisse während jener Zeit erfahren haben. Als Pettenkofen 1852 Paris kennen lernte, war Napoleon III. noch Prinz-Präsident. Als er 1883 das letzte Mal dort war, stand in Jules Gr6vy bereits der dritte Präsident an der Spitze Frankreichs. Das ganze
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Ungarischer Bauemjunge mit Pferd vorm Eingang in ein Bauerngehöft. Ölbild.
Wien, Baron Alphons Rothschild.
zweite Kaiserreich, Sedan, die Kaiserproklamation von Versailles, die Commune und ein Dutzend Jahre der dritten Republik liegen dazwischen. —
Im folgenden seien ein paar künstlerische Ereignisse erwähnt, die Pettenkofen in Paris miterlebt hat und die ihn gewiß nicht gleichgültig gelassen haben.
Im Jahre 1855 fand in Paris in Verbindung mit der Weltausstellung eine inter- nationale Kunstausstellung, und zwar im Palais des Beaux Arts, Avenue Montaigne, statt. Sie ist durch die Beteiligung der österreichischen Künstler, zu denen damals natürlich auch noch die mailändischen und venezianischen gehört haben, interes- sant. Hier seien bloß die Wiener Maler angeführt: Rudolf Alt, Karl Blaas, Borsos, Eduard Engerth, Eybl, Führich, Gauermann, Remi van Haanen, Mansch, Kupel- wieser, Ignaz Raffalt, Steinle, Trenkwald und Waldmüller (dieser war mit nicht weniger als sechs Bildern vertreten). Pettenkofen, zeitlebens kein Freund von Aus- stellungen, fehlte.
Im selben Jahre 1855 errichtete, nebenbei bemerkt, Courbet, dessen Bildern von der Künstlerjury der Weltausstellung ein ungünstiger Platz angewiesen war, in der Nähe des Pont d'Iena unmittelbar beim Eingang in die Ausstellung eine Holzbaracke, auf der mit großen Buchstaben: „Le Realisme! G. Courbet" ge- schrieben stand und in der von ihm achtunddreißig große Bilder zu sehen waren.
1865, als die Jury des „Salon" den Zurückgewiesenen ein paar Nebensäle ein- geräumt hatte, stellte Manet seine ersten Aufsehen erregenden Bilder aus: die „Geißelung Christi" und das „Nackte Mädchen mit der Katze". Die „Geißelung
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Christi" ist das Bild, das beim Publikum eine solche Entrüstung hervorrief, daß es vor Angriffen mit Stöcken und Schirmen geschützt werden mußte. Beide Bilder wird Pettenkofen, der schon anfangs Juli nach Paris kam, gesehen haben.
(Die W^eltausstellung des Jahres 1867 hat ihn nicht nach Paris zu locken vermocht.)
1878 fand in Paris abermals eine Weltausstellung statt. Über die damit ver- bundene Kunstausstellung schreibt Pettenkofen am 8. Mai an Franz Xaver Mayer: „Die Wiener Kunstausstellung hat manches Gute; Makart gefällt sehr; Jettel hat außer- ordentliche Fortschritte gemacht, und seine Landschaften gehören unter die besten der ganzen Ausstellung, in welcher die Franzosen natürlich den einzigen und obersten Rang einnehmen." Pettenkofen selbst hatte wie gewöhnlich nicht ausge- stellt. Im selben Jahre wird er sicherlich die Goya-Ausstellung im Trocadero be- sichtigt haben. Sein Freund Fortuny, der 1878 freilich nicht mehr lebte, war näm- lich der Schwiegersohn Federico Madrazos, der von dem Enkel Goyas eine be- trächtliche Anzahl von dessen Zeichnungen erworben hatte. Den größten Teil dieser Blätter erbte Madrazos Tochter, eben die Frau Fortunys, einen Teil auch deren Brüder Don Ricardo und Don Raimundo,") mit denen Pettenkofen gleichfalls be- kannt war. Durch diese vier Personen wird er zweifellos viel von Goya erfahren haben. Daß sich Pettenkofen für den großen spanischen Maler-Radierer interessiert hat, beweisen sieben Photographien nach Bildern desselben in seinem Nachlaß. —
Im folgenden sei mit Hilfe des Itinerars übersichtlich zusammengestellt, wann sich Pettenkofen in Paris aufgehalten hat:
1852-53: Vom Frühjahr 1852 an (?) bis zum 20. Mai 1853.
1855: Vom 11. März bis zum 21. Juli.
1856: Vom 23. März bis zum 19. Mai.
1857: Vom halben April 1857 bis ?
1858: Vom 25. bis zum 28. JuH.
1858: Von Ende September bis Anfang Oktober.
1859: Vom 28. April bis 12. Juni.
1860: Vom 25. Februar bis zum 18. Mai.
1861: Am 14. Juli.
1862: Vom 17. (?) bis zum 22. Oktober.
1863: Vom 24. bis zum 30. September.
1865: Vom 6. JuH bis zum 31. August.
1866: Vom 24. Mai bis zum 9. (?) September.
1871-72: Vom 12. Dezember 1871 bis zum 31. März 1872.
1874-75: Vom 9. Dezember 1874 bis zum 14. Jänner 1875.
1875: Vom 12. September bis zum 2. November.
1877-78: Vom 17. September 1877 bis zum 17. August 1878.
1882-83: Vom 2. November 1882 bis zum 31. Juli 1883.
Aus dieser Liste geht hervor, daß die längsten Aufenthahe des Künstlers in Paris ungefähr ein Jahr gedauert haben und in die Jahre 1852-53 und 1877-78 fallen; daß er sich im Jahre 1861 am kürzesten in Paris aufgehalten hat, bloß einen Tag; daß er 1858 und 1875 je zweimal zu verschiedenen Zeiten dort war; daß er in den Jahren 1867 bis 1870, 1873, 1876 und 1879 bis 1881 gar nicht nach Paris
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Lausende Zigeunerin. Ölbild.
Wien, K. k. österreichische Staatsgalerie.
gekommen ist und daß die längste Unterbrechung seiner Pariser Besuche die vier Jahre zwischen 1866 und 1871 sind.
Äußerst interessant ist ein Vergleich der Gesamtzeit, die Pettenkofen in Paris verbracht hat, mit der, die er auf alle seine Aufenthalte in Szolnok verwendet hat.
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Straße in einem ungarischen Dorf. Bleistiftstudie.
Wien, Ludwig Lobmeyr.
Läßt man für beide Summen die Jahre 1854 und 1864, für die das Itinerar ver- sagt, außer Betracht und rechnet man bei der Pariser Summe für den Aufenthalt im Jahre 1857, von dem bloß der Anfangstermin bekannt ist, drei Monate, so hat sich Pettenkofen alles in allem in Szolnok kein ganzes Jahr, in Paris dagegen fünf Jahre und acht Monate lang aufgehalten. Dieses Verhältnis beleuchtet, hält man sich die große Menge von Bildern Pettenkofens, die Szolnoker Themen behandeln, vor Augen, aufs deutlichste den Unterschied zwischen dem, was für Pettenkofen Paris und was für ihn Szolnok war: Szolnok war der Ort, wo er verhältnismäßig rasch Ideen für seine Arbeiten sammelte, Paris dagegen lehrte ihn die Szolnoker Motive immer wieder neu sehen und neu behandeln. —
Außer Paris hat sich Pettenkofen von Frankreich auffallend wenig angesehen. Im April 1856 machte er einen Abstecher nach Havre und im selben Jahre war er auch in Dieppe. Im Winter 1871 fuhr er von Venedig über Genua nach Paris und berührte auf der Reise ganz kurz Mentone, Nizza, Cannes, Marseille und Lyon. Im Jänner des Jahres 1875 reiste er von Paris nach Turin und unterbrach dabei, scheint es, in Macon die Fahrt. Im September desselben Jahres besuchte er von Paris aus Trouville, Villersville sur mer, abermals Le Havre und Rouen. Selbst- verständlich ist es, daß er sich die Umgebung von Paris ein wenig angesehen hat. In Poissy, wo er wahrscheinlich Meissonier, der dort geboren ist, aufsuchte, war er im Dezember 1874, im Oktober 1875 und im November 1882. Im April des Jahres 1878 findet sich in seinem Tagebuch ein Ausflug nach Barbizon verzeichnet. Wahrscheinlich wird er Jettel besucht haben. Im Oktober 1875 ist er in St. Cloud, im November 1882 in St. Germain.
Unter Pettenkofens Werken findet sich kein einziges, das mit Sicherheit als Pariser Motiv bezeichnet werden könnte, und auch die französische Provinz liefert
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Zigeunerhütte. Bleistiftstudie. 1860.
Wien, Ludwig Lobmeyr.
ihm nur zweimal einen Vorwurf: am 28. April 1856 zeichnet er im Hafen von Havre ein Segelschiff, und derselben Zeit gehört eine Ansicht von Dieppe an. —
Als Pettenkofen am 15. Juli 1870 in Nürnberg war, wurde dort um vier Uhr nachmittags die Kriegserklärung ausgegeben.") Trotzdem wollte er, wie es in seinem Tagebuch unter diesem Datum ausdrücklich vermerkt ist, am nächsten Tag um sieben Uhr früh nach Paris fahren. Er reiste auch wirklich ab und war um vier Uhr nachmittags in Heidelberg, um acht Uhr abends aber konnte der Zug, wohl wegen der deutschen Truppentransporte, Kehl nicht mehr passieren. Pettenkofen verblieb dann in Basel. Diese Absicht, den Entscheidungskampf zwischen Franzosen und Deutschen im Herzen Frankreichs zu erleben, ist wohl der deutlichste Beweis dafür, wie sehr ihm Paris ans Herz gewachsen war. Freilich wird hier auch die Stimmung des von Beustischen Revanchegedanken erfüllten Österreichers mitge- spielt haben, die bekanntlich beim Ausbruch des großen Krieges mehr mit Napoleon III. als mit Bismarck sympathisierte.
Schon im Dezember des Jahres 1871 sucht Pettenkofen Paris wieder auf und am 18. Mai 1874 schreibt er nach einigen Worten bitterer Klage über seine Vaterstadt aus Venedig an Karl v- Kratzer, daß er kommenden Herbst für immer nach Paris gehen werde. Teilt eine Zeitungsnotiz die Wahrheit mit, so hat er aber schon im Jahre 1864 geplant, sich in Paris ständig niederzulassen, '0 und zuletzt spielt er sogar noch im Jahre 1888 (in einem Briefe vom 20. Juni an Fräulein Julie Gsell) mit dem Gedanken, in Paris dauernden Aufenthalt zu nehmen.
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Vasari erzählt im Leben des Donatello, daß sich dieser nach dem allseitigen Lob, das er in Padua geerntet hatte, gewaltig nach dem nimmermüden Tadel seiner Vaterstadt am Arno sehnte und dorthin zurückkehrte, weil ihn jenes Lob all das, was er gelernt habe, vergessen lasse, während ihn dieser Tadel zum Studium ansporne und ihm so zu größerem Ruhm verhelfe. Ganz ähnlich scheint Petten- kofen gefühlt zu haben, nur war es bei ihm die Fremde, von der er, wenn auch unter stetem Ringen, künstlerische Förderung erhoffte, und die Heimat, in der er zu versauern fürchtete. Pettenkofen kannte gar wohl die große Gefahr, die „in der Gewohnheit trägem Gleise" heranschleicht, und scheute keine Mühe, Neues kennen zu lernen, sich damit zu messen, es selbst zu versuchen. Das Konzept eines Briefes, das sich noch in einem Notizbuch erhalten hat und etwa im August des Jahres 1888 geschrieben sein muß, bezeugt dies. Der Brief ist an Sedelmeyer in Paris gerichtet und handelt von Jettel. Es heißt da: „J. ist seiner ganzen Natur nach der Gewohnheit sklavisch ergeben, die Vergleichung des Gewohnten mit dem erst noch zu findenden Bessern übt keinen treibenden Reiz mehr [auf ihn] aus, denn die Scheu vor dem Neuen, welches erst gefunden und mit Anstrengung festgehalten werden soll, erzeugt Unlust . . . , sich unter Kämpfen um Suchen und Streben auf ungewohnte Bahnen zu wagen, und das Mißtrauen gegen sich selbst, die Furcht, das Bestehende über dem Suchen — zu verlieren." Diese Worte, in Bezug auf Jettel niedergeschrieben, mag sich Pettenkofen am Ende seines Lebens aufbewahrt haben, weil sie so recht aus seiner eigenen mühsam errungenen Erfahrung ge- flossen zu sein scheinen. Wohl ist die Fassung ein bißchen schwerfällig und undeut- lich, der Gedanke selbst aber ist klar und klar ist auch, daß Pettenkofen das „erst noch zu findende Bessere", das „Neue, welches erst gefunden und mit Anstrengung festgehalten werden soll", an keinem andern Ort der Welt so verwirklicht oder doch angedeutet fand wie in Paris und daß er zu der Überwindung der Scheu, „sich unter Kämpfen um Suchen und Streben auf ungewohnte Bahnen zu wagen," durch nichts so angefeuert wurde, wie durch das stark pulsierende, gärende, rast- lose, hochfliegende Pariser Leben.
Auf die Länge der Zeit hätte er es allerdings nicht auszuhalten vermocht. Seinen wiederholten Vorsatz, für immer nach Paris zu übersiedeln, führte er niemals aus. Am 14. März 1879 schreibt er aus München an Franz Xaver Mayer, daß er an die Isar gezogen sei, weil ihn Paris zu sehr aufrege. Der arme de Nittis seufzt knapp vor seinem Tode auf: „D'abord, nous quittons Paris. Cette vie me pese; eile devore", und das, was Edmond de Goncourt „cette fievre, qui est le propre de l'existence capiteuse de Paris" nennt, hätte auch Pettenkofen schließlich auf- gerieben.
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VIERTES KAPITEL
DIE FÜNFZIGER UND SECHZIGER JAHRE
ie fünfziger Jahre des Jahrhunderts sind die dreißiger Jahre von Pettenkofens Leben. Es sind unzweifelhaft die künstlerisch erträgnisreichsten seines ganzen Daseins und nicht bloß darum, weil aus ihnen die meisten datierten Werke stammen.
Am Beginn der fünfziger Jahre steht ein folgenschweres Er- eignis. Als Pettenkofen im Frühjahre 1852 nach Paris gereist war, hatte er das Versprechen der Geliebten mitgenommen, daß sie ein Jahr lang auf ihn warten wolle. Er hoffte, nach seiner Heimkehr zu- gleich mit einer Professur an der Wiener Akademie auch die Hand der Geliebten zu erringen. Aber deren Vater, ein angesehener und wohlhabender Wiener Advokat, verfolgte andere, ehrgeizigere Pläne mit ihr. Eine von ihm angezettelte Intrige hatte den Erfolg, daß das Mädchen, noch ehe das Jahr um war, das Pettenkofen gegebene Wort brach und sich mit einem Manne vermählte, der bereits seit dem Revolutions- jahr eine hohe Beamtenstelle bekleidete, damit aber erst am Beginne einer der glänzendsten Laufbahnen im österreichischen Staatsdienst zu stehen schien. 1854 ward er durch Verleihung des Ordens der eisernen Krone und Erhebung in den erblichen Freiherrnstand ausgezeichnet. 1863 aber wurde er auf einem zwar dem Range nach hervorragenden, aber politisch indifferenten Posten kalt gestellt. Nie- mand, er selbst wohl am wenigsten, ahnte damals, daß er es sein ganzes ferneres, fast noch zwei Menschenalter währendes Leben bleiben sollte.
Als Pettenkofen 1853 heimkehrte, wollte er zuerst die Geliebte und sich selbst erschießen. Er tat es nicht. Die Geliebte gab sich ihm als das Weib des andern, das sie war, zu eigen. Aus unsäglich rührenden Aufzeichnungen von Pettenkofens Hand, die aus jenen Tagen stammen und sich erhalten haben, geht hervor, daß er damals ein Marienbild malen wollte, das die Geliebte „zur Sühnung ihrer ihr kaum bewußten schweren Schuld" in die Martinskirche bei Klosterneuburg stiften sollte. 0 Die merkwürdige Frau, die zeitlebens mit ihrem Manne vereint blieb, brachte es nun zuwege, ungefähr zwanzig Jahre hindurch mit Pettenkofen ein Verhältnis zu unterhalten, in dessen Verlauf sie sogar mit ihm zusammen gereist sein soll. Waren die Liebenden getrennt, so verkehrten sie brieflich miteinander. Die Briefe der Frau
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ließ Pettenkofen noch auf dem Sterbebett vernichten. Sie hingegen vererbte seine Briefe einer entfernten Verwandten und treuen Freundin von ihr, die all die Jahre hindurch die Vertraute der beiden gewesen war. An den Namen dieser Freundin waren alle Briefe Pettenkofens gerichtet. Als diese Freundin knapp vor ihrem Tode fast alle Briefe verbrannte, erriet sie vielleicht nicht, was jene sonderbare Frau eigentlich gewollt hatte. Es wird erzählt, daß sie sich in ihrem Alter ihrer Bezie- hungen zu Pettenkofen gerühmt habe, und damit stimmt überein, daß sie seine Briefe bloß weitergegeben und nicht selbst vernichtet und ihr von seiner Hand ge- maltes Bildnis einer Wiener öffentlichen Sammlung letztwillig vermacht hat. Die spärlichen Reste, die sich von Pettenkofens Briefen an die geliebte Frau erhalten haben, sind immerhin bedeutend genug, um erkennen und aufs lebhafteste be- dauern zu lassen, daß da für das Verständnis nicht nur des Menschen, sondern auch des Künstlers höchst wichtige Dokumente verloren gegangen sind.
Zweifellos war jene eigentümliche Frau für Pettenkofen „la femme de sa vie", und seine Beziehungen zu ihr dürfen, sucht man seinen Werdegang und sein Wesen zu begreifen, nicht außer Acht gelassen werden. In der Jugend überstrahlte wohl die romantische Seite des Verhältnisses alles Bedenkliche und Widerwärtige, das damit verbunden war, in den fünfziger Jahren war die Freude am wenn auch heim- lichen und widerrechtlichen Besitz der Geliebten dem künstlerischen Schaffen mehr ein Ansporn als ein Hemmnis. Später, wohl schon in den sechziger Jahren, werden die Schattenseiten stärker hervorgetreten sein und auch die künstlerische Produk- tion ungünstig beeinflußt haben. Das Kernfaule, alles Unerquickliche und Ermüdende des Verhältnisses wird den Gegensatz der beiden Charaktere und Temperamente, der von Anfang an vorhanden gewesen zu sein scheint, um so qualvoller verschärft haben, je mehr naturgemäß die Leidenschaft verglomm. Jedenfalls wird man schwerlich fehl gehen, wenn man bei der Betrachtung von Pettenkofens Leben zum Beispiel seine Unrast und seinen Widerwillen gegen Wien wenigstens teil- weise mit jenem Verhältnis in Zusammenhang bringt oder wenn man die Wurzeln seiner Nervosität und Hypochondrie, zweier verwandter Übel, mit welchen beiden wieder, einem bekannten schlimmen Zirkel gemäß, zugleich als Ursache und als Wirkung seine Krankheit unzertrennlich verwachsen ist, bis eben in jenes Ver- hältnis zurückverfolgt. Ja vielleicht ist es sogar nicht einmal zu weit gegangen, wenn man auch in gewissen Vorwürfen von Pettenkofens Malerei, die von den fünfziger Jahren bis in die achtziger Jahre immer wiederkehren, wie dem Stelldich- ein und dem Zweikampf, Reflexe jenes Verhältnisses wiederzufinden vermeint. —
Beim Überblick über die fünfziger und sechziger Jahre oder genauer gesprochen : über jenen Zeitraum, der einerseits durch den Beginn des eben geschilderten Ver- hältnisses und die erste Reise nach Paris am Anfang der fünfziger Jahre und ander- seits durch den ersten längeren Aufenthalt in Venedig, die Erneuerung der Be- kanntschaft mit Leopold Karl Müller und den Abbruch jenes Liebesverhältnisses in den ersten siebziger Jahren begrenzt wird — beim Überblick über diese Epoche wird es sich empfehlen, zuerst das karge Tatsachenmaterial, insofern es nicht aus künstlerischen Werken besteht und wie es an der Hand des Tagebuches und der Briefe zusammengebracht werden kann, von sachlichen und chronologischen Ge-
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Sichtspunkten aus, so gut es geht, zu gruppieren. Selbst- verständlich muß dabei alles auf Paris und Szolnok Be- zügliche als bereits erwähnt beiseite gelassen werden. Dann erst soll eine Übersicht über die malerischen Lei- stungen der Periode folgen. Im Frühjahre 1853 nimmt Pettenkofen auf der Heim- fahrt von Paris nach Wien den Umweg über Belgien, es kennen zu lernen. Seine neuen Pariser Freunde, der Brüsseler Stevens und der Lütticher Willems mögen ihn dazu veranlaßt haben. Lange kann der Aufenthalt kaum gedauert haben. Das Geld wird nicht allzu reich- lich gewesen sein, und die Sehnsucht, die Geliebte wie- derzusehen, wird nachhause getrieben haben. 1855 be- rührt er auf der Fahrt von Wien nach Paris Brüssel. Im September des Jahres 1858 hält er sich, bevor er nach Paris geht, in Blankenberghe und Ostende auf. In den Herbst des Jahres 1862 fällt ein etwas längerer Aufenthalt \ in den Niederlanden. Station wird in Antwerpen, dem Haag, Amsterdam, Rotter- dam, Scheveningen und Ost- ende gemacht. Über den Ein- druck, den er von Holland empfangen hat, äußert sich Pettenkofen in einem Briefe vom 15. September aus Am- sterdam an Mayer in Wien folgendermaßen: „Mit großem ^"'°" ^"'^°^"- Kreidezeichnung. .86..
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Wien, Charlotte Reithoffer.
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Bedauern scheide ich morgen oder übermorgen, um nach Belgien zu gehen, aus Holland, für welches ich die wenigen Tage meines Hierseins eine unaus- sprechliche Neigung gefaßt; aber es ist kein Land für meine Tätigkeit an Ort und Stelle. Ich habe hier sehr, sehr vieles von großem und bleibendem Nutzen gesehen und beobachtet, vor allem aber mir zu meiner größten Ermunterung die volle Überzeugung persönlich verschafft, daß die Sympathie, welche mein bescheidenes Talent hier bereits gefunden, eine fortwährende Quelle der Ermutigung und des materiellen Nutzens für mich sein und bleiben wird." Zum Verständnis des letzten Passus' sei bemerkt, daß einerseits Pettenkofen schon im Jahre 1857 von der Königlichen Akademie der bildenden Künste in Amsterdam zu ihrem Mitglied er- nannt und daß anderseits sein Gemälde vom Jahre 1853 „Nach dem Duell" schon im Jahre 1858 vom Museum Fodor in Amsterdam angekauft worden war, freilich nicht unmittelbar vom Künstler selbst, sondern auf der Pariser Versteigerung A. Willet, und zwar um den ansehnlichen Preis von 1474 holländischen Gulden. Aber nicht nur nach den Niederlanden, sondern auch nach Italien, der anderen Kunstheimat, die gegenüber Frankreich im Lauf der Zeit hatte zurücktreten müssen, unternahm Pettenkofen in den fünfziger und sechziger Jahren Reisen. Die Erinne- rungen aus seiner Militärzeit werden ihn hingezogen haben. Es ist auch Venedig, das er zuerst, und zwar im Frühling des Jahres 1858 aufsucht. Aber seines Bleibens scheint dort nicht lange gewesen zu sein. Jedenfalls spiegelt sich dieser Aufenthalt nicht in seinen Bildern wieder. Die Volksstimmung mag dort, namentlich für den Österreicher und gar für den ehemaligen österreichischen Soldaten recht unbe- haglich gewesen sein. Pettenkofen war im April, vielleicht auch noch im Mai dort, Richard Wagner kam Ende August hin. Er erzählt in seinen Memoiren, daß die österreichische Militärmusik allabendlich auf dem Markusplatz spielte, unter anderm auch die Ouvertüren seines „Rienzi" und seines „Tannhäuser". Die dicht versam- melte Menge hätte aufmerksam gelauscht, niemals hätten sich aber nach dem Schluß eines Stückes zwei Hände erhoben, um zu applaudieren. Diese Stille und Ruhe hätten bei dem sonst so lebhaften und geräuschvollen italienischen Publikum doppelt unheimlich gewirkt. Aber jeder dem österreichischen Orchester gespendete Beifall wäre als Verrat am Vaterland angesehen worden. „An dieser sonderbaren Spannung zwischen Publikum und Behörde litt nun eben alles öffentliche Leben in Venedig und namentlich äußerte sich dieses auffallend in dem Verhalten der Bevölkerung gegen die österreichischen Offiziere, welche in der venezianischen Öffentlichkeit wie Öl auf dem Wasser herumschwammen."") So ist es nur zu be- greiflich, daß Pettenkofen damals in Venedig nur kurz verweilt und vor allem daß er damals dort keine Muße zur Arbeit gefunden hat. Aber schon im folgenden Sommer reist er wieder nach Italien. Aus der Eintragung, die sich unter dem 21. Juli 1859 in seinem Tagebuch iindet und „[von Wien] abgereist nach Italien" lautet, läßt sich der Schluß ziehen, daß er die Absicht hatte, zu längerem Aufent- halt nach Italien zu fahren. Es ist, als ob er sich der Hoffnung hingegeben hätte, nach dem am 11. Juli abgeschlossenen Frieden von Villafranca, der Österreich die Lombardei kostete, in Venezien günstigere Verhältnisse anzutreffen als im Vorjahr. Daß dies ein Irrtum war, beweist der rasche Verlauf seiner Reise: am 24. Juli ist
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Kaiser Franz Josef I. bei der DonauUberschwemmung in Wien im Jahre 1862. Ölbild. 1862. Wien, Städtisches Museum.
er in Venedig, am 25. in Verona, am 27. in Casarsa, am 31. in Nabresina und am 1. August schon wieder in Wien. Das Frühjahr 1863 aber sieht ihn schon wieder in Venedig, wo er sich vom 16. März bis zum 12. April aufhält. An
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diesem Tage reist er nach Treviso und Pordenone ab, zwei Orten, von denen er wenigstens den letzteren ebenfalls noch von seiner Militärzeit her kannte, weil er 1841 und 1842 dort auf Manöver gewesen war. In den Mai und den Juni des Jahres 1865 fällt eine längere Reise durch Italien, die aber die dem Künstler be- reits bekannten Orte vermeidet und ihn nur neue kennen lehrt. Sie führt ihn nach Mailand, Genua, Pisa, Florenz, Rom und Turin. Aber sowohl in Genua, als auch in Florenz hält er sich nur je ein paar Tage auf, in Rom dagegen verweilt er über anderthalb Monate. Alle diese Aufenthalte jedoch scheinen für seine künst- lerische Produktion ziemlich unfruchtbar geblieben zu sein, wenigstens findet sich unter seinen sämtlichen Arbeiten kaum eine bedeutendere, deren Vorwurf auf einen auf jenen Reisen berührten Ort zurückgienge. Erst ein Aufenthalt im Frühling 1867 in Riva, das freilich nur national zu Italien gehört, erweist sich als malerisch oder richtiger gesagt: zeichnerisch ergiebig. "Wenn aber auch die damals in Riva entstandenen Arbeiten Pettenkofens künstlerisch nicht allzu hoch zu bewerten sind, so hat es doch den Anschein, als ob erst der Prager Friede, durch den Österreich auch Veneziens verlustig gieng, hätte geschlossen werden müssen, damit Petten- kofen auf italienischem Boden Muße zur Arbeit fände. In den Mai des Jahres 1869 fällt abermals ein längerer Aufenthalt in Riva, von wo Pettenkofen auch, aber nur für einen Tag, einen Abstecher nach Verona macht.
In Deutschland hält sich Pettenkofen während der zwei Jahrzehnte, von denen hier die Rede ist, mit einer einzigen Ausnahme nirgends länger auf, als man braucht, eine etwas ermüdende Tour zu unterbrechen, einen flüchtigen Überblick über eine fremde Stadt zu gewinnen und sich etwa eine unbekannte Galerie oder eine neue Ausstellung rasch anzusehen. 1855 berührt er auf der Fahrt nach Paris Berlin und Köln, 1856, demselben Ziele zustrebend, Leipzig und Frankfurt, 1858 reist er abermals über Leipzig nach Paris, 1859 hält er sich ein paar Tage in Frankfurt auf, 1860 kommt er auf seiner Pariser Fahrt über Berlin, Düsseldorf und Aachen und der Rückweg nach Wien führt ihn über Köln und Dresden. 1861 geht es nach Paris über München und über München auch wieder zurück nach Wien, 1862 fährt er über München und über Köln nach den Niederlanden und auch die Heimfahrt nach Wien unterbricht er für ein paar Tage in München, im nächsten Jahre reist er gleichfalls über München und Köln nach Paris, 1865 kehrt er über München von Paris nach Wien zurück, 1866 fährt er über München und Straßburg nach Paris. Diese häufige W^iederkehr von München als Station auf den Reisen der sechziger Jahre hat gewiß ihren Grund, die Aufenthalte sind aber so kurz (der längste währt, den Tag der Ankunft und den Tag der Abfahrt mitgerechnet, drei Tage), daß es ungewiß bleibt, ob der Besuch einer Sammlung, einer Ausstellung oder eines Ateliers oder etwa bloß die Bequemlichkeit der Eisenbahnverbindung dazu veranlaßt haben. Vielleicht aber ist es mehr als bloßer Zufall, daß Pettenkofen, der in den fünfziger Jahren immerhin zweimal nach Berlin gekommen ist, in den sechziger Jahren, da endlich Preußens und Österreichs schon seit langem geführter Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland zur offenen Austragung kommt, die größte Stadt Süddeutschlands auffallend bevorzugt, Berlin aber vermeidet. (Er ist auch in seinem Leben nie mehr hingekommen.) Jedenfalls findet der schon oben
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Pferde am Ziehbrunnen. Ölbild.
Budapest, Graf Ludwig Kärolyi.
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angedeutete längste Aufenthalt, den Pettenkofen während der in Rede stehenden zwei Jahrzehnte in Deutschland nimmt, nicht in einer Kunst-, sondern in einer Badestadt, in Ems statt, wohin er am 28. Juli 1858 von Paris über Köln, Lahn- stein und Koblenz fährt und wo er dann über einen Monat die Kur gebraucht.
In den Mai des Jahres 1865 fällt eine kleine Schweizer Reise.
Im selben Jahre gliedert Pettenkofen diesem Aufenthalt in den helvetischen Alpen einen in den österreichischen an; im Sommer des Jahres 1863 verbringt er kurze Zeit im Salzkammergut, im Herbst des Jahres 1866 und in den Sommern der beiden folgenden Jahre verweilt er bald kürzer, bald länger in den österreichischen Alpen, und in den April des Jahres 1869 fällt der schon erwähnte Aufenthalt in Südtirol.
Diesen tatsächlich ausgeführten Reisen sei noch ein Reiseplan angereiht, der nie- mals zur Ausführung gelangt ist. In dem schon zitierten Schreiben an Karl von Kratzer, das vom 4. März 1858 aus Wien datiert ist, teilt Pettenkofen dem Freunde mit, daß er nächsten Sommer über Paris nach London reisen und dort ein Jahr bleiben wolle. Die Scheu vor der Seefahrt und der ihm völlig fremden englischen Sprache scheint ihn damals ebenso wie später davon abgehalten zu haben, seinen Plan ins Werk zu setzen.
In diesen zwanzig Jahren verbringt Pettenkofen jedes Jahr längere Zeit in seiner Vaterstadt; entsprechende Wiener Aufenthalte werden auch für die Jahre 1854 und 1864, für die das Itinerar versagt, anzunehmen sein.
Für die fünfziger und sechziger Jahre läßt sich noch feststellen, wo Pettenkofen in Wien gewohnt hat. Im September 1853 zieht er von der Wieden in das Haus Nr. 274 auf der Währingerstraße. Ist der Mitteilung eines Ausstellungskataloges') zu trauen, so hat er auch schon im Jahre 1851 in Währing gewohnt. Im Jänner 1856 ist seine Wiener Adresse: „Landstraße, Glacis Nr. 500 [heute Heumarkt Nr. 9], 3. Hof, 3. Stock." Im März 1858 wohnt er wieder Währingerstraße 274. Diese Wohnung hatte er übrigens von nun an bis zum Jahre 1870 inne, in welchem das Haus dem Neubau des Palais' Chotek (heute ist dieses in das „Atelier für Wohnungseinrichtungen" von F. O. Schmidt umgewandelt) zum Opfer fiel. Der Ab- bruch jenes ihm lieb gewordenen schön gelegenen alten Hauses gieng Pettenkofen so nahe, daß er sich darnach wie heimatlos vorgekommen sein soU.O —
Pettenkofens Freund- und Bekanntschaften, die den fünfziger und sechziger Jahren angehören und im folgenden besprochen werden sollen, stammen fast alle aus Wien; von den anderen ist eben schon in den beiden vorhergehenden Kapiteln die Rede ge- wesen.
Zuerst möge der Künstler gedacht werden.
Pettenkofen war sowohl mit Ignaz Raffalt, dem Vater, als auch mit Johann Gual- bert, dem Sohne, sehr gut. Des Alten, der im Freundeskreis einfach „der Nazi" genannt wurde, nimmt er sich in einem Pariser Brief vom 23. Mai 1855 an Franz Xaver Mayer in Wien mit folgenden Worten, deren völliger Sinn heutzutage frei- lich nicht mehr zu erschließen ist, wärmstens an: „Aus Ihren lieben Zeilen ersehe ich zu meiner Freude, . . . daß Sie auch den Nazi nicht vergessen. Sie tuen recht daran, er verdient es auch; er, der Nazi, hat genug für Sie getan, so daß Sie auch einmal etwas für ihn tuen können." Und am Schlüsse des Briefes heißt es noch-
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Schimmel. Ölbild.
Wien, Gottfried und Hermann Eißler.
mals: „ . . . vergessen Sie den Nazi nicht." In eine Landschaft Ignaz Raffalts im Besitz Franz Xaver Mayers (sen.; heute befindet sie sich im Besitz des gleich- namigen Sohnes) hat Pettenkofen ein paar Schweine hineingemalt. Auch an einera anderen Bilde des alten Raifalt, einer Klosterneuburger Landschaft, soll er mit- gearbeitet haben. ^) Durch die Bedeutung, die Ignaz Raffalt, der „Wolken-Raffalt", auf seinen Bildern der Luft beimaß, mag Pettenkofen dazu angeregt worden sein, auch seinerseits als Maler der Luft eine erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken. Der ältere Raffalt starb im Sommer des Jahres 1857; auf einem jener berühmten Aus- flüge, die die Künstler des alten Wien in die wunderschöne Umgebung ihrer Vater- stadt zu veranstalten pflegten, traf ihn der Schlag.
Pettenkofen scheint die Freundschaft, die ihn mit dem älteren Raffalt verbunden hatte, auf dessen Sohn Johann, der um vierzehn Jahre jünger als er selbst war, übertragen zu haben. Am 22. März 1860 erkundigt er sich von Paris aus bei Kratzer nach Raffalts Befinden und läßt ihn auffordern, ihm zu schreiben. Mitte Juli des Jahres 1863 reist er „mit Raffalt nach Salzburg, Zell am See und Szolnok". Am 27. April des Jahres 1865 fährt er mit Raffalt von W^ien nach Graz, wo sie s;ch einen Tag lang aufhalten, und von da über Triest nach Mailand. Er scheint dann die bereits erwähnte italienische Reise fast ganz in Raffalts Gesellschaft gemacht und
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sich erst am 29. Juni in Rom von ihm getrennt zu haben, um über Turin nach Paris zu fahren. Am 10. August desselben Jahres, also noch nicht dreißigjährig, ist dann Raffalt in Rom gestorben. Dieser Tod, der Pettenkofen sehr nahe gegangen sein muß, findet sich auf einem Zettel aus seinem Nachlaß notiert. Johann Raffalt war auch mit Leopold Karl Müller befreundet. Raffalt, der sehr begabt war, zeigt sich, wie schon erwähnt, in gewissen Bildern, namentlich solchen, die das österreichische Soldatenleben behandeln oder ihre Motive der Puszta entlehnen, deutlich von Petten- kofen abhängig. Er scheint sich besonders jene Malereien Pettenkofens, die, wie wir noch sehen werden, mit ihrem grellen Licht und ihren schweren Schatten an Decamps anknüpfen, zum Vorbild gewählt zu haben. Im Wiener Kunsthandel war im Frühling des Jahres 1913 ein Bild zu sehen, das zwei ungarische Bauern mit ihren Pferden an einer sandigen Böschung darstellt und der Tradition nach von Johann Raffalt und von Pettenkofen gemalt sein soll. Tatsächlich stach die Malerei des dunkelbraunen Pferdes von allem übrigen ab und war Pettenkofens Hand gar wohl zuzutrauen.
Das Hauptwerk, das Johann Raffalt hinterlassen zu haben scheint, ein umfäng- liches Bild, das einen figurenreichen, vielfach bewegten ungarischen Pferdemarkt darstellt, erinnert an einen anderen hochbegabten Künstler, der auch noch in jugend- lichem Alter in der ersten Hälfte der sechziger Jahre zu Wien starb und den Petten- kofen gleichfalls kannte und sehr hoch schätzte: an Teutwart Schmitson. Schmitson, dessen romantischer Lebensgang bei Wurzbach") nachgelesen werden möge, zeich- nete sich durch Pferdestücke großen Formates aus. Pettenkofen, seit seiner vor- märzlichen Periode auf seinen Bildern jede Bewegung vermeidend, wird an Schmitson neben der allgemeinen Großzügigkeit und der breiten saftigen Malweise besonders die vorzügliche Wiedergabe der bewegten Tiere bewundert haben. Schmitson ge- hört neben Rudolf Alt, Pettenkofen, Troyon und Waldmüller zu den in der Galerie Friedrich Gsells am stärksten vertretenen Künstlern. Pettenkofen kann Schmitson durch Plach oder durch Gsell kennen gelernt haben. Daß er sehr große Stücke von ihm gehalten hat, geht daraus hervor, daß sich in seinem Nachlaß nicht weniger als neunzehn Zeichnungen des Frankfurter Künstlers, größtenteils Aktstudien, vor- gefunden haben. Von einer „Skizze Schmitsons" hatte er sich schon früher getrennt; er hatte sie im Jahre 1871 um zweihundert Gulden dem Maler Ethofer verkauft. Pettenkofen soll vor Bildern Schmitsons sogar einmal geäußert haben, solchen Sachen gegenüber käme man sich wie ein Bub vor und täte besser daran, die Malerei überhaupt aufzugeben.') Unter Pettenkofens Notizen finden sich einmal hinter dem Namen Schmitsons die unverständlichen Worte „im 28. Regiment". Wie schon erwähnt, ist Pettenkofen wahrscheinlich durch Schmitson mit dem Frankfurter Maler Schreyer bekannt geworden; jedenfalls hat er von Schmitson, der mit Menzel befreundet war, viel von diesem gehört.
Daß Pettenkofen schon 1867 mit Otto von Thoren und dessen Familie in freund- schaftlichem Verkehr gestanden hat, ist aus einem vom 13. November dieses Jahres datierten Briefe an Kratzer zu ersehen.
Sind dies die paar Künstler, mit denen Pettenkofen zu jener Zeit einzig und allein in Wien näher verkehrt zu haben scheint, so muß im folgenden vor allem von
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Bauerngarten in Hallstatt. Ölbild. (1883?)
Wien, S. Kende.
zwei Männern gesprochen werden, die zwar nur als Händler und als Sammler mit der Kunst zusammenhängen, aber auf Pettenkofens Leben von größtem Einfluß waren.
Mit dem Kunsthändler Georg Plach hatte Pettenkofen, wie schon mitgeteilt wurde, vermutlich bereits vor seiner ersten Reise nach Paris zu tun. Daß sich Plach aber erst dann für Pettenkofen werktätig interessiert hat, nachdem sich dieser auch in Paris einen Namen gemacht hatte, darf wohl als ausgemacht gelten. In Petten- kofens Briefen und Notizbüchern tritt der Name Plachs erst im Jahre 1856 auf.*) Setzt dieses Datum den tatsächlichen Beginn von Pettenkofens Beziehungen zu Plach ungefähr um fünf Jahre zu spät an, so wird dagegen der 12. April 1877, unter dem Pettenkofen in seinen Notizbüchern zum letzten Mal einen Verkauf an Plach einträgt, so ziemlich richtig den Termin angeben, zu dem sich jene Bezie- hungen zu lösen angefangen haben. In der Zwischenzeit aber stand Pettenkofen mit Plach in reger geschäftlicher Verbindung. Plach ist im Jahre 1884 gestorben. Er war für Pettenkofen schon darum von großer Bedeutung, weil er ihn mit einem Käufer großen Stiles bekannt gemacht hat, auf den Pettenkofen fast zwei Jahrzehnte hindurch zählen durfte, mit Friedrich Gsell. Wie eifrig dieser Arbeiten Pettenkofens gesammelt hat, erhellt daraus, daß im Katalog der Auktion seines Nachlasses, die im März des Jahres 1872 unter Plachs Leitung im Wiener Künstlerhaus stattfand, nicht weniger als 132 Nummern Werke Pettenkofens sind. Mit Gsell aber stand
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Plach, wie er im Vorwort des eben genannten Kataloges selbst mitteilt, seit der Versteigerung der Barono wsky sehen Galerie im Jahre 1849 in Geschäftsverbindung. Über Plachs Bedeutung für den Wiener Kunsthandel in der Zeit von 1850 bis 1880 und über seinen beruflichen Werdegang ist Theodor von Frimmels Geschichte der Wiener Gemäldesammlungen") nachzuschlagen. Hier seien bloß ein paar Streif- lichter auf Plachs Charakter geworfen. Er besaß eine feine Witterung, war außer- ordentlich regsam und ließ sich bei seinen Geschäften nicht leicht durch Skrupel beirren. Besonders gern kaufte er um billiges Geld die „Attributen", wie er sich ausdrückte, die er dann zu den höchsten Preisen als eigenhändige Werke der betreffenden Meister an den Mann zu bringen verstand. Von jedem Bilde wußte er eine Geschichte zu erzählen. Zu lügen und sich zu verstellen war ihm zur zweiten Natur geworden. Sogar den Schauspielern vom Burgtheater, mit denen er häufig nach der Vorstellung zusammentraf, spielte er Komödie vor; er erzählte ihnen die unglaublichsten Sachen und trieb solche Narrheiten, daß sie aus dem Staunen und dem Lachen gar nicht herauskamen. Er sprang mit Künstlern und Käufern, auch wenn sie seine Freunde waren, auf das unerhörteste um. Da er aber Witz und Phantasie und vor allem eine unverwüstliche gute Laune besaß, so war es selbst für die Geschädigten schwer, ihm ernstlich böse zu werden. Doch hatte er einmal wegen des Verkaufes falscher Bilder eine schlimme Affäre mit der Künstlergenossenschaft. Man erzählt Stücke folgender Art von ihm: Er gabelte zum Beispiel irgendwo ein hübsches Mädel auf, setzte sie in einen Fiaker, fuhr mit ihr zu Amerling, gab ihm einen Hunderter und bewog ihn, sie zu malen. War er so in den Besitz eines Bildes gelangt, verkaufte er es womöglich auf der Stelle mit großem Profit an seinem Stammtisch, dem unter anderen der alte Raffalt und ein gewisser Holle, ein preußischer Amateur, '") angehörten. Ein anderes Mal kaufte er von Amerling ein Bild, das den dicken alten Raffalt als Falstaff darstellte, und ließ zwei Kopien darnach anfertigen. Alle beide hieng er zwei Bekannten, eine jede natürlich als das Original, an, und als der eine wutschnaubend zu ihm kam und ihm vorhielt, er hätte ihn versichert, ihm ein Original Amerlings zu ver- kaufen, in Wahrheit aber besitze der und jener das Original und ihn habe er mit einer Kopie aufs Eis geführt, beschwichtigte er ihn mit den Worten: „Aber dem dummen Kerl, der gar nichts von Bildern versteht, werd' ich doch nicht das Ori- ginal geben. Das Original haben natürlich Sie." Und dem andern sagte er das Gleiche. Er selbst aber hatte noch das echte Bild zu verkaufen. Als einmal ein Photograph zu ihm kam und sich erbot, ihm durch Übermalen photographischer Abzüge rasch und leicht täuschende Kopien von Bildern herzustellen, gab er ihm sofort eines von Pettenkofen mit, auf daß er die neue Kunst daran probiere. Plach hatte auch eine Frau, deren Schönheit stadtbekannt war. Hans Makart, einer der letzten Schützlinge Plachs, hat sie lebensgroß gemalt. (Das Bild befindet sich heute in der Österreichischen Staatsgalerie.) Auch seiner schönen Gattin wußte sich Plach bei seinen Geschäften nicht weniger vorteilhaft als unbekümmert zu bedienen. Aus Plachs Geschäft sind, ihm im Charakter überlegen und an Tüchtigkeit nicht nach- stehend, die Kunsthändler Charles Sedelmeyer in Paris") und Friedrich Schwarz in Wien hervorgegangen. Pettenkofen wird nicht nur lange Zeit von Plach, der
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ihm praktisch natürlich turmhoch überlegen war, materiell abhängig gewe- sen sein — war er doch, wie wir noch sehen wer- den, bis an sein Lebens- ende dessen Schuldner — sondern es werden ihn auch trotz allem Bedenk- lichen im Wesen des Mannes dessen Originali- tät und Begabung immer wieder angezogen haben. Plach dürfte es auch, wie gesagt, gewesen sein, durch den Pettenkofen Friedrich Gsell kennen ge- lernt hat. Gsell, von Ge- burt ein Elsässer, war ein großer Wollhändler. Er kaufte die Wolle in Un- garn und verkaufte sie wei- ter. Den Grund zu seinem Vermögen hatte er in Dien- sten der Straßburger Firma Joltrois & Ehrmann gelegt. Bilder zu sammeln, hatte Gsell Ende der vierziger Jahre begonnen. Seine mei- sten Ankäufe wurden ihm wohl durch Plach vermittelt. Da er sehr reich war, noch zu einer verhältnismäßig wohlfeilen Zeit sammelte, selbst Geschmack und Verständnis besaß, sich gut beraten ließ und bei seinen Ankäufen zielbewußt und großzügig vor- gieng, so gelang es ihm, in den wenig mehr als zwanzig Jahren seiner Sammeltätigkeit eine Galerie zustande zu bringen, die als die immerhin rasch entstandene Sammlung eines Privatmannes ihresgleichen suchte. Der Katalog der Versteigerung von Gsells Nachlaß legt heutzutage eigentlich allein mehr geschlossenes Zeugnis von der Bedeu- tung dieser Wiener Privatgalerie ab. Auf die kostbaren alten Bilder, die größtenteils in den angesehensten öffentlichen Kunstbesitz übergegangen sind, einzugehen, ist hier natürlich nicht der Platz, doch sollen einige von ihnen im Zusammenhang mit Pettenkofen weiter unten zur Sprache kommen. Unter den modernen Meistern, die in Gsells Galerie vertreten waren, seien zuerst alle Pariser genannt, für die Petten- kofen, wie bereits zu zeigen versucht wurde, Interesse hatte : Decamps (3 Ölbilder und 1 Zeichnung), Diaz (3 Ölbilder), Dupre (1 Ölbild), Fromentin (1 Ölbild), Ge- rome (1 Ölbild und 1 Zeichnung), Meissonier (1 Ölbild), Millet (2 Ölbilder), Raffet
Kleines Mädchen in der Tür eines Salzburger Bauernhauses. Ölbild. (1864.) Wien, Franz Xaver Mayer.
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I^f^^l00m^.: ■^^q\:.rp^j^j!:-^.s?pms^wmm^^ (5 Ölbilder und 14 Aquarelle und Zeich- nungen), Ricard (1 Ölbild), Rousseau (2 Ölbilder), Stevens (2 Ölbilder), Troyon (20 Ölbilder und 18 Zeichnungen und Aquarelle), Willems (2 Ölbilder). Von den hervorragenderen Österreichern waren in der Sammlung, abgesehen von Petten- kofen, zu finden: Rudolf Alt (2 Ölbilder und 299 Aquarelle und Zeichnungen), Amerling (1 Ölbild und 2 Zeichnungen), Canon (1 Ölstudie), Daffinger (1 Miniatur), Danhauser (1 Ölbild und 1 Zeichnung), Gau ermann (6 Ölbilder und 144 Ölstudien und Zeichnungen), Heicke (1 Ölstudie), Johann Nepomuk Geiger (4 Federzeich- nungen), Remi van Haanen (1 Ölskizze), Jettel (3 Ölbilder), Kriehuber (30 Aqua- relle und Zeichnungen), Laufberger (1 Federzeichnung), Lichtenfels (1 Öl- bild), Johann Raffalt (1 Ölbild und 8 Stu- dien), Ranftl (1 Aquarell), Schmitson, wenn man ihn zu den Österreichern rech- nen darf, (25 Ölbilder, 102 Studien und 2 Zeichenbücher), Schönn (2 Ölbilder), Schrödl (7 Zeichnungen), Straßgschwandt- ner (1 Ölbild und 66 Zeichnungen) und der letzte, nicht der schlechteste: Wald- müller (36 Ölbilder).
Diejenige Seite von Gsells Wesen, die ^ für Pettenkofen vor allem in Betracht , ^ • u • nr r •■ ^ ^ T.-. , . ^ kam, ist durch seine Galerie wohl am
Zigeunerknabe, sich eine Pfeife anzündend. Rotelstudie. Reichenberg, Frh.v.Uebiegsche Gemäldesammlung der Stadt. besten Und Vollständigsten Veranschau- licht. Hatte zuerst Plach zwischen Petten- kofen und Gsell vermittelt, so stand Pettenkofen jedenfalls vom Jahre 1861 an mit Gsell direkt in Verbindung. In dem ältesten Bilderverzeichnis von Pettenkofens Hand, das sich aus seinem Nachlaß erhalten hat, findet sich nämlich die Notiz, daß er am 24. Dezember 1861 um sechshundert Gulden Herrn Gsell eine „Markt- szene mit Pferden" verkauft habe. Es ist dies das erste Mal, daß in den auf uns gekommenen Aufzeichnungen Pettenkofens der Name Gsells vorkommt. Von da an aber kehrt er in Verbindung mit verkauften Bildern oder erhaltenen Beträgen in den Notizbüchern immer wieder, bis sich am 25. September des Jahres 1871 Gsells Tod verzeichnet findet.
An dritter Stelle — wahrlich nicht nach der Bedeutung, die ihm für Pettenkofens Leben zukommt — ist hier Franz Xaver Mayer zu nennen. Dieser väterliche Freund
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Pettenkofens steht in dessen ganzem Leben wie eine un- verrückbare Säule da. Er ist derjenige, auf den sich Pettenkofen jederzeit und in allen Lagen unbedingt verlassen konnte. Franz Xaver Mayer tritt, wie schon erwähnt, in Petten- kofens Leben zum ersten Mal als der vierte Tabular- gläubiger auf, der bei der öffentlichen Versteigerung von Pettenkofens über und über verschuldetem väter- lichen Gut Reiteben im Jahre 1835 nicht mehr be- friedigt werden konnte. Vom Jahre 1835 an bis zum Jahre 1851 läßt sich ein Verkehr Pettenkofens mit Mayer zwar nicht ur- kundlich belegen, doch spricht alles dafür, daß sich dieser auch während jener Zeit um den heranreifenden Künstler gekümmert hat. Vom 18. Oktober 1851 aber bis zum 29. Oktober 1888, also wenige Monate vor Pettenkofens Tod, haben sich fast hundert Briefe von ihm an Mayer erhalten. Es ist die ausgedehnteste Korrespondenz, die Pettenkofen während seines Lebens geführt hat. Gleich der erste Brief schlägt den Ton an, der für sämtliche die langen siebenunddreißig Jahre hin- durch charakteristisch bleibt. Es heißt da: „Hochgeehrter Herr von Mayer, teurer, edler Freund!! . . . Wie soll ich mich, wo ich Ihnen so vieles zu sagen habe, . . . an eine schriftliche Aussprache meines tiefgefühlten Dankes machen für die so freundliche Bereitwilligkeit, mit der Sie mir die Last materieller Sorgen zu verrin- gern suchen und mir so mehr Zeit und Gedanke[n] für meine Kunst geben." Im schon zitierten Pariser Brief vom 23. Mai 1855 heißt es ferner: „ . . . Verzeihen Sie, daß man Sie mit meinen Wohnungsschlüsseln belastet. Wäre ich Kaiser, ich würde die mehrer Städte in Ihre Hände legen, ..." Franz Xaver Mayer, der Mann
Zigeuner mit üeige, sich eine Pfeife anzündend. Ölbild. Purkersdorf.V. Zuckerkandl.
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des praktischen Lebens, hilft dem Künstler finanzielle Schwierigkeiten überwinden, ordnet dessen Geldangelegenheiten, erweist ihm auch sonst Gefälligkeiten aller Art und ist immer der anteilnehmende, warmfühlende Freund und schließlich die ganze Zeit hindurch, freilich nicht in so großem Stile wie Friedrich Gsell, auch ein Käufer von Pettenkofens Bildern. Daß die Bezahlung zumeist in Form der Abschreibung von einer Schuld hat erfolgen müssen, ist eine Sache für sich. Alle Bilder, die Franz Xaver Mayer, der Vater, von Pettenkofen erworben hat, befinden sich noch heute im Besitz von dessen Sohn. Überhaupt ist dieser, Herr Kommerzialrat Franz Xaver Mayer, so glücklich, in seinem Elternhaus in der Inneren Stadt, Annagasse Nr. 8, noch eine kostbare Altwiener Privatgalerie sein eigen zu nennen, wie sie sich gleich unverrückt und unversehrt kaum ein zweites Mal bis auf unsere Tage erhalten haben dürfte. Sie enthält nicht weniger als vierzig Werke von Pettenkofens Hand: Ölgemälde, Aquarelle und Zeichnungen — zwei Bilder, das eine bereits er- wähnte von Raffalt sen. und das andere von Alexandre-Marie Longuet, an denen Pettenkofen mitgearbeitet hat, nicht mitgezählt. Das älteste Datum auf diesen Bil- dern ist 1845, das jüngste 1886. Von den Pettenkofen-Schätzen der Mayerschen Sammlung geben die vielen Reproduktionen darnach, die dem vorliegenden Werk zur Zierde gereichen, eine Vorstellung. Natürlich sind auch die anderen Altwiener Meister in der Galerie gut vertreten, ja sogar ein kleines, aber echtes Bild von Rembrandt gehört ihr an. — Daß der alte Mayer, der „Kaffee-Mayer", wie sein Spitzname lautete, weil er einen Großhandel mit Kaffee betrieb, gute Beziehungen zu Kunst und Künstlern hatte, war schon durch seine Nachbarschaft zur Akademie der bildenden Künste bedingt, die bis zum Jahre 1876 seinem Hause gegenüber, nur durch das enge Gäßlein davon getrennt, in den Räumen des ehemaligen Sankt- Annen-Klosters untergebracht war.
Außer Gsell und Mayer scheint Pettenkofen in dem geschilderten Zeitraum nur noch zwei Männer gekannt zu haben, mit denen er gut war und die ihm wenig- stens dann und wann einmal ein Bild abkauften. Der eine ist Karl von Kratzer, von dem schon die Rede war, der andere Dr. Max Josef Schüler in Graz,'-) an den er am 22. März 1860 von Paris aus Kratzer Grüße aufträgt und dem er am 15. Jänner 1863 ein Bild verkauft. —
Auf Wiener Ausstellungen kommt Pettenkofen in den fünfziger und sechziger Jahren immerhin ein paar Mal vor, und zwar auf den Ausstellungen des Kunst- vereines, natürlich des jüngeren, und in den Jahren 1854, 1856 und 1866. Daraus, daß im Jahre 1866 das Aquarell „Der mitleidige Soldat", das bereits 1850 gemalt war, ausgestellt ist und daß in den Jahren 1856 und 1866 in den Katalogen bei den ausgestellten Bildern Pettenkofens Besitzer genannt sind, läßt sich mit aller Wahr- scheinlichkeit entnehmen, daß Pettenkofen, der niemals ein Freund von Ausstel- lungen war, auch damals nicht selbst ausgestellt hat. Dasselbe gilt auch wohl für die paar Bilder von ihm, die 1854 und 1855 auf Ausstellungen des Pester Kunstvereines zu sehen waren und von denen die im letzteren Jahre ausgestellten von der Pester Zeitungskritik mit ebenso wenig Verständnis wie Liebe beurteilt wurden.'^)
Aber auch an ausländischen Ausstellungen jener Zeit war Pettenkofen beteiligt. Von der Ausstellung der „Ungarischen Freiwilligen" im Jahre 1853 in Paris war
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schon die Rede. 1854 riefen auf der „Ersten allgemeinen deut- schen Gemäldeausstellung" in München der „Verwundeten- transport" in der Fassung des Jahres vorher und der „Fluß- übergang österreichischer Infan- terie" Aufsehen hervor. Ferner waren sogar auf der vom 1. Mai bis zum 15. November des Jah- res 1862 geöffneten internatio- nalen Kunstausstellung in Lon- don zwei Bilder von ihm zu sehen. Vermutlich waren sie ohne sein unmittelbares Zutun über den Kanal gesandt wor- den. Es waren die Nummern 1118: „Gipsies bathing", ein Ölbild (entweder das um die Mitte der fünfziger Jahre anzu- setzende Bild in Reichenberg oder das wahrscheinlich vom Beginn der sechziger Jahre stammende bei Baron Gustav Springer in Wien, wohl kaum dagegen das vom Jahre 1855 da- tierte bei Georg Weiß ebenda), und 1172: „Gipsy Life, Hun- gary", ein Aquarell (vermutlich eines jener Zigeunerlager aus den Jahren 1855 und 1856, wie sie Baron Alfons Rothschild oder das Kunsthistorische Hof- museum besitzt). Die Ausstel- lung war ungemein reich be- schickt und griff sehr weit zu- rück. Unter den Franzosen waren z. B., um ein paar der jüngsten ein paar der älte- sten entgegenzustellen, neben Gerome, Cabanel, Hamon, Daubigny und Meissonier auch noch Ingres, Charlet, Delaroche, Ary Scheffer, Delacroix, Diaz und Decamps vertreten. In der österreichischen Abteilung waren sogar noch Füger und Quadal zu sehen, im übrigen scheint sie ein ziemlich vollständiges Bild der malerischen Bestrebungen des Donaureiches während der ersten Hälfte des XIX. Jahrhunderts gegeben zu haben. '0 Pettenkofen erhielt für die Beteiligung an dieser Ausstellung 1863 das Ritterkreuz des Franz Josefs-Ordens.'*)
Zigeunerin, sich eine Pfeife anzündend. Ölbild. (,1862 ?j Wien, K. k. österreichische Staatsgalerie.
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Hier dürfen vielleicht auch noch die anderen Auszeichnungen, die Pettenkofen während der sechziger Jahre zuteil wurden, angeführt werden: im selben Jahre 1863 wurde er von der „R^union des artistes-peintres etc. du Royaume des Pays-Bas sous le nom de la soci6t6 ,Arti et Amicitiae'" zu ihrem Ehrenmitglied ernannt,'") und 1866 ward er wirkliches Mitglied der k. k. Akademie der bildenden Künste in Wien. ")
Auf Wiener Kunstauktionen kommen Arbeiten Pettenkofens das erste Mal 1859 bei Plach, dann 1860 bei Sedelmeyer, 1862 bei Mayer & Co., 1865 bei Alexander Posonyi und 1866 wieder bei Sedelmeyer vor. Erst vom Jahre 1868 an erscheinen sie häufiger und sind von da an bis auf den heutigen Tag, man könnte fast sagen : ein eiserner Bestand jeder größeren Wiener Bilderversteigerung geblieben. 1868 werden auf vier Auktionen Kaesers, 1869 auf einer Auktion Kaesers, auf dreien Plachs, dreien Alexander Posonyis, einer Friedrich Schwarz' und einer Sedelmeyers Bilder Pettenkofens veräußert. Das Ausland gieng hierin Wien voraus, denn, wie wir bereits gehört haben, gelangte in Paris schon im Jahre 1858 Pettenkofens Ge- mälde „Nach dem Duell" zur Versteigerung. —
Was die Wiener bildende Kunst zwischen 1850 und 1870 anbelangt, so muß ge- sagt werden, daß für sie innerhalb dieser Zeit nicht wenig geschehen ist, sowohl von Seiten des Staates, als auch aus dem Schöße der Künstlerschaft selbst heraus : 1864 wurde das Kunstgewerbemuseum, drei Jahre später die Kunstgewerbeschule gegründet, und schon im Jahre 1869 konnte die eben erst entstandene Künstler- genossenschaft ihr eigenes Haus beziehen.
Die jene zwei Jahrzehnte füllende Wiener bildende Kunst selbst ist hier, so reich sie sich auch entfaltet, bald geschildert, weil sie ihrem vorwiegend architektoni- schen, dekorativen Charakter gemäß mit den Zielen, dem Wesen von Pettenkofens Malerei so gut wie nichts gemein hat. Die Abtragung der Basteien, die 1857 be- schlossen wird, die Anlage der 1865 eröffneten Ringstraße auf den so gewonnenen Gründen, die Monumentalbauten, die sich zu beiden Seiten der Ringstraße von den sechziger Jahren an erheben, drücken dieser Periode den Stempel auf. Es ist nur begreiflich, daß sich nicht bloß die Plastik, deren bedeutendster Vertreter, der markige Erfurter Fernkorn, allerdings gerade hierin eine Ausnahme macht, sondern auch die Malerei der tonangebenden Schwesterkunst der Architektur unterordnet. War, wie bereits erwähnt, der Führich-Schule schon zu Beginn der fünfziger Jahre in der Ausmalung der Altlerchenfelder Kirche eine große dekorative Aufgabe zu- gefallen, so kamen Rahl, der Antipode Führichs, seit 1863 neben diesem Professor an der Akademie, und seine Schüler bei der malerischen Ausstattung des Arsenals, des Musikvereinsgebäudes und des Opernhauses zu Worte. Dieses mit Fresken zu schmücken, wurde Mitte der sechziger Jahre auch der längst zum Ausländer ge- wordene Schwind in seine Vaterstadt berufen. Direktor der Akademie ist Rüben, ein Schüler des Cornelius. Bezeichnenderweise ist Amerling der am meisten ge- feierte Porträtmaler der Zeit. Er hat mit seinen lebensgroßen, sehr geschickten, aber etwas äußerlichen und süßlichen Bildnissen die lebenswahreren und künstle- risch höher stehenden Aquarellporträte Kriehubers und die Miniaturbildnisse Daf- fingers abgelöst. Für den Massenbedarf an Porträten arbeitete die der Lithograr
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phie rasch den Garaus ma- chende Photographie. Von den Genre- und Land- schaftsmalern des Vormärz gehen in voller Kraft nur drei in die geschilderte Epoche über : Waldmüller, der zwar 1866 stirbt, dem aber noch im Greisenalter eine neue Licbtmalerei auf- gegangen war, deren ganze Bedeutung erst die Nach- welt zu ermessen vermocht hat, Rudolf Alt und — Pettenkofen selbst, denen beiden auch diese Ent- wicklungsphase der öster- reichischen Kunst zu über- leben bestimmt war. Am deutlichsten aber kommt der Wandel der Zeiten vielleicht darin zum Aus- druck, daß sich 1869, also noch im letzten Jahre der Periode, die hier zu über- blicken versucht wird, der- jenige Künstler in Wien niederläßt, der dem folgen- den Abschnitt der österreichischen Kunstgeschichte den Namen geben sollte: Hans Makart. —
Noch rascher als ein Bild dessen, was in den zwanzig Jahren von 1850 bis 1870 auf dem Gebiete der österreichischen Kunst vorgefallen ist, läßt sich ein Bild der politischen Lage Österreichs während jenes Zeitraumes umreißen. Vier Worte genügen: der Abschluß des Konkordates im Jahre 1855, der unglückliche Krieg in Italien im Jahre 1859, der unglückliche Krieg gegen Preußen im Jahre 1866, der Ausgleich mit Ungarn im Jahre 1867. Den Abschluß des Konkordates am 18. August 1855 hat Pettenkofen jedenfalls auf österreichischem Boden erlebt, denn am 26. Juli 1855 ist er in Sauerbrunn bei Salzburg und am 15. September schreibt er von Wien aus an Franz Xaver Mayer. Von der Niederlage Gyulays bei Magenta am 4. Juni 1859 hört er in Paris, während der Schlacht bei Solferino am 24. Juni aber ist er bereits in Wien. Die Kunde von der verlorenen Schlacht bei Königgrätz aber eben- so wie die von den Siegen bei Custozza und Lissa trifft Pettenkofen in Paris. Während der Krönung Kaiser Franz Josefs I. zum König von Ungarn am 8. Juni 1867 war er, scheint es, in Riva. —
Brustbild eines Zigeuners. Ölstudie. Wien, K. k. Ssterreichische Staatsgalerie.
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Die Bilder, die Pettenkofen in den fünfziger Jahren und die, die er in den sech- ziger Jahren gemalt hat, lassen sich ziemlich deutlich unterscheiden, wenigstens dem Stil und der Technik nach.
Die Besprechung der unglaublich ergiebigen fünfziger Jahre, die mehrfach auf bereits Gesagtes zurückgreifen muß, wird am besten mit dem Militärbild be- gonnen. Es hat mit dem „Verwundetentransport" und den „Ungarischen Frei- willigen" vom Jahre 1853 seinen Gipfel und im wesentlichen auch sein Ende er- reicht. Gleichwohl gibt es Nachzügler: die „Vor dem Haustor plaudernden Sol- daten" und die „Hütte mit einem toten Soldaten" vom Jahre 1854 und die „Sol- daten in einem Bauernhaus" vom Jahre 1856. Aus dem Jahre dazwischen stammt ferner jene Fassung des so beliebten „Verwundetentransportes", die sich heute als Leihgut des Mr. George W. Vanderbilt im Metropolitan Museum in New York be- findet. Von zeitgenössischen Militärbildern, die sogar noch den sechziger Jahren angehören, wird unten die Rede sein. Auch Pettenkofens Tätigkeit als Porträt- maler ist der Hauptsache nach um das Jahr 1850 abgeschlossen, doch stammt ein lebensgroßes Mädchenbrustbild, heute im Besitz des Herrn Salo Cohn in Wien, ist der Bleistiftnotiz eines Auktionskataloges") zu trauen, aus dem Jahre 1855. Der Malweise nach wäre es gut möglich. Ungefähr derselben Zeit muß nicht nur das nicht ganz zu Ende geführte kleine Profilbildnis der Geliebten, sondern auch das lebensgroße Brustbild von Pettenkofens Freunde, dem Maler Borsos, angehören, das sich heute im Budapester Museum befindet. Pettenkofen selbst erwähnt dieses Bild in seinen Notizbüchern erst im März des Jahres 1865. Das Bild ist aber aller Wahrscheinlichkeit nach vor 1861 entstanden, weil der Dargestellte darauf langes Haar träg^, während er auf einer Lithographie Marastonis, die vom 1, August jenes Jahres datiert ist, das Haar kurz geschnitten hat. Auch auf Pettenkofens Aquarell- porträt des befreundeten Künstlers, das 1847 gemalt ist, trägt dieser langes Haar. In der Regel nun deutet das lange Haar auf jüngere Jahre, und auf Pettenkofens Ölbild sieht Borsos auch tatsächlich noch jünger aus als auf der Lithographie seines Landsmannes. Das Porträt wird daher noch in die fünfziger Jahre gehören, ein Ansatz, mit dem sich auch das kühle Kolorit in Einklang bringen läßt.'") Außer- dem wird eine richtige Porträtzeichnung unten zu Beginn der sechziger Jahre zu erwähnen sein. Von den Kostümbildern ist das älteste das vom Jahre 1851 da- tierte Aquarell, das einen „Landsknecht im Kornfeld" darstellt. 1852 folgen die „Räuber im Kornfeld" in der Wallace CoUection in London, und dem Jahr darauf gehört das „Duell vor der Stadtmauer" im Museum Fodor in Amsterdam an. Diese drei Bilder bleiben aber trotz des Erfolges, für den doch der Verkauf der beiden letzteren im Ausland angesehen werden muß, fast ganz ohne Nachfolge. Es ist einzig und allein die „Ölstudie eines jungen Kavaliers in der Tracht des XVII. Jahr- hunderts" zu erwähnen, die ungefähr aus der Zeit des Amsterdamer Bildes stammen wird und vermutlich mit der „Ölstudie (Kostüm des XVII. Jahrhunderts)" identisch ist, die Pettenkofen im Juli 1867 um 200 fl. an Gsell verkauft. Ein Akt, die Öl- studie eines liegenden Weibes, heute im Besitz Alfred Wawras, gehört seiner kühlen Farbengebung nach unzweifelhaft den fünfziger Jahren an. Von Werken intimeren Charakters wurden die beiden Albums aus den Jahren 1851 und
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TAFEL XXVII DER KUSS. ÖLBILD. (1864.) WIEN, KUNSTHISTORISCHES HOFMUSEUM.
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TAFEL XXVIII
ZIGEUNERMÄDCHEN, AUF EINEM HERD HOCKEND UND RAUCHEND. UNVOLLENDETES ÖLBILD. WIEN, FRITZ DOBNER V. DOBENAU.
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Stilleben mit totem Huhn. Ölbild.
Wien, Ludwig Lobmeyr.
1852, das eine von Pettenkofen für die Geliebte gemalt, das andere von ihr aus Zeichnungen von ihm, die für sie bestimmt waren, zusammengestellt, bereits er- wähnt. Das Aquarellbildnis des Wirtes von Zell am Ziller und die seine Tochter darstellende Zeichnung vom Jahre 1856, endlich der wohl um dieselbe Zeit für die Geliebte nmit Feldblumen bemalte Fächer schließen sich an. In einem anderen, wenn auch nicht ganz im selben Sinne, wird auch die vom gleichen Jahre und aus Paris datierte Zeichnung einer auf einer Ottomane ruhenden Dame hierher gehören. Fremdländische Motive werden nur auf zwei bereits angeführten flüchtigen Zeichnungen, die beide ebenfalls aus dem Jahre 1856 stammen und in Havre und Dieppe entstanden sind, behandelt.
Was, vom stofflichen Gesichtspunkt aus betrachtet, übrig bleibt, die große, große Mehrzahl dessen, was Pettenkofen in den fünfziger Jahren geschaffen hat, sind Bilder, deren Themen dem ungarischen oder dem niederösterreichischen Land- leben, der ungarischen oder der niederösterreichischen Landschaft entnommen sind. Der niederösterreichischen Bilder aber sind verhältnismäßig so wenige, daß sie füglich vernachlässigt, d. h. unter einem mit den ungarischen behandelt werden können. Was die Themen der ungarischen Bilder anbelangt, so sind sie im allge- meinen bereits im Kapitel „Szolnok" aufgezählt worden. Die in den fünfziger Jahren entstandenen ungarischen Bilder müssen daher hier zuerst und vorwiegend vom stilistischen Standpunkt aus besprochen werden.
Vor allem wichtig ist die Frage nach dem französischen Einfluß. Er läßt sich, sieht man von dem bereits erörterten, nur kurze Zeit währenden Einfluß auf die Stoffwahl ab, nach zwei Richtungen hin feststellen. Einmal in der einer feinfühligen
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Tonmalerei. Als frühestes Beispiel dafür kann das Bild in der Österreichischen Staatsgalerie angesehen werden, das vom Jahre 1851 datiert ist und „Österreichi- sche Infanterie, einen Fluß passierend" darstellt. Es eröffnet eine ganze Gruppe von Gemälden, bei denen allen der landschaftliche Charakter überwiegt und denen allen der niedere Horizont und das große Stück bewölkten Himmels gemeinsam sind. In gewissem Sinne ist hierher auch der „Verwundetentransport" in der Fas- sung vom Jahre 1853 zu rechnen, nur stehen bei ihm die Figuren im Mittelpunkt des Interesses und sein Kolorit ist ein bißchen zu wenig gleichmäßig gedämpft; die Farben der Marketenderin fallen etwas heraus. Besonders eigneten sich für diese Malerei wolkige Abende bald nach Sonnenuntergang an der über ihre Ufer ge- tretenen Theiß. Solche Bilder sind die „Theißlandschaft mit den zwei Pferden" vom Jahre 1853 und die „Theißlandschaft mit den neun Pferden" vom Jahre 1854, beide in der Liebiegschen Gemäldesammlung der Stadt Reichenberg. Bei dem letzteren Bilde ist der Sommerabend heiterer, der Himmel nur mit gleich- förmigem Dunst bedeckt. Bei der ersteren sind links zwei Drittel des Firmamentes mit dunkleren Gewitterwolken überzogen, nur im letzten Drittel rechts ist es hell. Vom Jahre 1855 datiert ist eine Theißlandschaft, die vorne im Wasser mit einer Zigeunerin und ihren zwei Kindern staffiert ist. Hier ist der Himmel bis auf eine dunkle Wolkenwand, die sich nach links zu allmählich auflöst, an ihrem oberen Rande noch von der Sonne vergoldet ist und schwer über der Ebene lastet, rein. Das Bild gehört dem Herrn Georg Weiß in Wien. Bei dem vom Jahre 1855 da- tierten Bilde „Die wallachische Post" im Besitz Josef Engelharts in Wien breitet sich über den ganzen Himmel schweres, aber zerklüftetes, vom Winde nach rechts getriebenes Gewölk aus; es ist nach dem Regen, der Wind hat ihm Einhalt getan, sobald er aber aufhört zu wehen, werden sich die Wolken wieder verdichten, sich senken und ihr Wasser herabträufen. Der düsterste Himmel hängt über der „Theiß- landschaft mit den drei Zigeunerzelten und den badenden Zigeunerweibern und -kindern davor". Hier ist das Licht zum ersten Mal im Rücken des Beschauers, schwere graue Wolkenmassen füllen vollständig den Himmel aus. Das undatierte Bild, das aber um die Mitte der fünfziger Jahre entstanden sein wird, gehört gleichfalls der Galerie der Stadt Reichenberg an. Auch das 1904 in Paris versteigerte Bild „Le Debordement", das vom Jahre 1859 datiert ist und aus der Sammlung des Herrn Serge von Der- wies in St. Petersburg stammt, gehört hierher. Im seichten Theißwasser stehen da drei Pferde und ein Fohlen, der Himmel ist ziemlich rein und hell. Auf allen diesen Bildern spielt die Spiegelung des vom Himmel ausstrahlenden, das Gewölk durch- brechenden Lichtes im Wasser eine große Rolle. Pferde im Wasser, am Troge und badende Zigeuner sind die Staffage. Fast überall ist die Silhouette des für die Puszta so charakteristischen Ziehbrunnens zu sehen.
Mag Pettenkofen auch wie schon erwähnt die Anregung, sich malerisch eindring- licher mit dem bewölkten Himmel zu befassen, durch die berühmten „Lüfte" des älteren Raffalt empfangen haben, so kann es doch nicht bezweifelt werden, daß eine Gruppe von Bildern wie die eben besprochenen ohne Kenntnis des „Paysage intime" kaum entstanden sein könnte. Die naturwahreren Farben (wir erinnern uns, daß Pettenkofens Kolorit am Ausgang der vorhergehenden Periode ein bißchen
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Der Kuß zu Pferde. ÖlbUd. (1864.)
Wien, K. k. österreichische Staatsgalerie.
manieriert geworden war) und der immer mehr sich lockernde Farbenauftrag sprechen allein schon für eine solche Vertrautheit. Die Anlehnung an einen bestimmten Künstler aber läßt sich in diesem Falle nicht feststellen. Man kann nur sagen, daß die Meisterwerke Rousseaus, Daubignys und Dupres, vielleicht auch Diaz' als Ideale vorgeschwebt haben müssen.
Anders steht es mit einer zweiten Gruppe von Bildern, die sich durch scharfe Gegensätze von Licht und Schatten auszeichnen. Ihre Farben sind stark und satt; auch die, mit denen die hellen Partien gemalt sind, wirken kompakt. Die Atmo- sphäre, die auf einem solchen Bilde supponiert wird, ist fast von allem Wasser- dunst, der über die Dinge den zarten Schleier legt, frei. Es ist die klare, reine Luft nach einem Regen, die alles so deutlich macht und die Ferne so unheimlich nahe rückt. Interessant sind die Schatten; ihnen ist immer Blau beigemengt, das bald stärker, bald schwächer hervortritt. Was war das im Jahre 1894 in Wien, als hier zum ersten Mal die Münchner Sezession ausstellte, für ein albernes Gespött über die „blauen Schatten", die einige Münchner Künstler auf ihren Bildern gemalt hatten. Fünf Jahre vorher war Pettenkofen gestorben und er hatte — ^chon zu Beginn der fünf- ziger Jahre „blaue Schatten" gemalt! Doch das nur nebenher. — Alle hier ge-
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meinten Bilder sind sehr pastos gemalt. Das das grellste Sommermittagssonnenlicht zurückwerfende Weiß der Wand eines Bauernhauses ist z. B. so dick aufgetragen, daß die Struktur des Pigments auf dem Bilde die Unebenheiten des Mörtelbewurfes in der Wirklichkeit wiedergibt.
Dieser Gruppe gehören folgende Bilder an: „Niederösterreichisches Bauernhaus mit dem Treidelpferd und zwei Kindern." Das Gemälde ist vom Jahre 1851 datiert und ist Eigentum des Fürsten Johannes von und zu Liechtenstein. (Das dargestellte Haus ist aller Wahrscheinlichkeit nach ein Klosterneuburger Haus, denn das Treidel- pferd deutet auf einen Ort an einem großen Strome, die Bauart des Hauses und die Tracht der Kinder sind niederösterreichisch und Pettenkofen hält sich im Jahre 1851 nachweisbar in Klosterneuburg an der Donau auf.) — „Klosterneuburger Haus mit der hölzernen Stiege und mit Frau und Kind als Staffage." Das Bild ge- hört dem Baron Louis Rothschild und ist 1854 gemalt. — „Niederösterreichisches Bauernhaus mit der geschirrwaschenden Bäuerin davor." Dieses Bild ist vom Jahre 1856 datiert und ist Eigentum der städtischen Sammlung in Reichenberg. Ein undatiertes Bild mit einem ähnlichen Vorwurf — es wäscht auch hier vor der grell von der Sonne beschienenen Wand eines Bauernhauses eine Bäuerin, aber Wäsche und nicht Geschirr, und das Lokale ist deutlich ungarisch und alles ist einfacher — ist unbedingt auch der in Rede stehenden Gruppe zuzuteilen, dürfte aber beträcht- lich später, etwa um 1860 anzusetzen sein. Aus dem Jahre 1857 stammt das „Unga- rische Bauernfuhrwerk hinter einer Pfütze" im Besitz des Barons Louis Rothschild. Ferner ist in diesem Zusammenhang noch das Bild „Die lausende Zigeunerin" zu nennen, das nicht datiert ist, aber dem Ende der fünfziger Jahre angehören wird und sich in der Österreichischen Staatsgalerie befindet. Allen diesen Bildern ist, abgesehen von den oben erörterten malerischen Eigenschaften, gegenständlich eine vom grellen Sonnenlicht beschienene Hauswand gemeinsam, mit deren Weiß bläu- liche Schatten kontrastieren. Das Figurale spielt eine bedeutende Rolle, auf den beiden zuletzt genannten Bildern ist es die Hauptsache.
Für diese Reihe von Ölgemälden Pettenkofens nun läßt sich im Gegensatz zur vorherbesprochenen ein bestimmtes französisches Vorbild nachweisen: Alexandre Decamps. Wer diesen ausgezeichneten Meister kennt, wird zugeben müssen, daß die stilistischen Eigentümlichkeiten, die eben für gewisse Bilder Pettenkofens in Anspruch genommen wurden, ebensogut von Bildern Decamps hätten ausgesagt werden können. Die Übereinstimmung wird durch den gemeinschaftlichen orien- talischen Stoffkreis erhöht, denn die Puszta mit ihren Zigeunern dem Orient zuzu- rechnen, ist weniger paradox, als es scheinen mag. Die Brücke, die von Decamps zu Pettenkofen führt, wird hier nicht zum ersten Mal erkannt, schon 1876 spricht C. von Vincenti in seinem Büchlein „Wiener Kunst-Renaissance" davon, daß Petten- kofen „den eminenten Farbensinn eines Decamps besitze".^")
Nun läßt sich folgende wichtige Feststellung machen: Die frühesten Stücke der beiden eben besprochenen Gruppen von Bildern Pettenkofens, an denen französische Einflüsse nachzuweisen waren, sowohl der Gruppe von Bildern mit den hohen Lüften, als auch der Gruppe von Bildern mit den grellen Beleuchtungen in der Art Decamps', stammen bereits aus dem Jahre 1851: hier das Bild „Österreichische
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Szolnoker Geschirrmarkt, ülbild.
Budapest, Graf Ludwig Kärolyi.
Infanterie, einen Fluß passierend" und dort das Bild „Niederösterreichisches Bauern- haus mit Treidelpferd und zwei Kindern". Wir erinnern uns nun aber ferner, daß das älteste Stück der Gruppe von Kostümbildern Pettenkofens, denen schon weiter
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oben französischer Einfluß nachgesagt wurde, gleichfalls aus dem Jahre 1851 stammt: der „Landsknecht im Kornfeld". Daraus muß also der Schluß gezogen werden, daß der französische Einfluß auf den Maler Pettenkofen schon im Jahre
1851 zu wirken beginnt. Das ist aber ein Jahr vor seinem ersten Aufenthalt in Paris. Es sei hier daran erinnert, daß Pettenkofens Pariser Aufenthalt im Jahre
1852 als sein erster Pariser Aufenthalt nicht urkundlich belegbar ist, sondern daß er sich als solcher nur erschließen läßt. Nun möge hier alles zusammengefaßt werden, was dafür spricht, daß Pettenkofen das erste Mal nicht schon 1851, son- dern erst 1852 nach Paris gekommen ist: Aus dem Jahre 1851 gibt es eine Reihe von datierten Arbeiten Pettenkofens, die schon ihrer Gegenstände wegen, aber auch aus anderen Gründen nur in Österreich entstanden sein können: mindestens vier Lithographien der Serie „Die k. k. österreichische Armee", das ganze Dutzend Lithographien der Folge „Zwölf Szenen aus der Ehrenhalle des k. k. Militär-Fuhr- wesen-Corps", mindestens acht Aquarelle zu den entsprechenden Lithographien dieser Serie, das eine Ölbildchen und die elf Aquarelle mit Klosterneuburger An- sichten im Album für die Geliebte, die Aquarellfassung des „Russischen Bivouacs", das Ölbild „Zwei Kinder bei Sonnenblumen", das Aquarell „Des Künstlers Woh- nung in Währing" und endlich die drei oben genannten Bilder: „Landsknecht im Kornfeld", „Niederösterreichisches Bauernhaus mit Treidelpferd und zwei Kindern" und „Österreichische Infanterie, einen Fluß passierend". Das ist auch für ein ganzes Jahr eine genügend große Arbeitsleistung, umso mehr, wenn man bedenkt, daß ja sicher auch einiges Undatierte und Unbekannte in diesem Jahr entstanden sein wird. Doch könnte Pettenkofen Ende des Jahres 1851 nach Paris gefahren sein. Nach Paris und gar das erste Mal aber wird ein Maler höchstwahrscheinlich nicht im Herbst oder Winter, sondern im Frühling gehen, da er die große Ausstellung offen findet. Spricht dies alles gegen einen ersten Pariser Aufenthalt im Jahre 1851, so spricht folgendes für einen solchen im Jahre 1852: Das Tagebuch hebt im Mai
1853 mit dem Schluß eines Pariser Aufenthaltes an. Der Beginn des Tagebuches bezeugt, daß sich Pettenkofen eines denkwürdigen Lebensabschnittes bewußt war. Das trifft für einen ersten Pariser Aufenthalt natürlich besser zu als für einen zweiten. Die Geliebte heiratete am 29. Jänner 1853, und durchaus glaubwürdige mündliche Überlieferung versichert, daß das Mädchen Pettenkofen, als er das erste Mal nach Paris reiste, gelobt hatte, ein Jahr lang seiner zu warten, daß sie aber ihr Wort schon nach einem halben Jahre brach. Wörtlich genommen, würde das heißen, daß Pettenkofen Ende Juli das erste Mal nach Paris gieng. Wahrscheinlich aber wird er schon im Frühling gereist sein. Ist aber einerseits der französische Einfluß bereits für das Jahr 1851 mit aller Sicherheit nachzuweisen und kann es anderseits als ausgemacht gelten, daß Pettenkofen erst 1852 zum ersten Male nach Paris gekommen ist, so muß er schon 1851 in der Heimat jene modernen Franzosen kennen gelernt haben, die ihm dermaßen imponieren, daß er bereits in Werken desselben Jahres die von ihnen gewiesenen neuen Bahnen einschlägt und offenbar ihretwegen die Reise nach Paris plant. Auf welche Weise er sich diese Kenntnis verschafft hat, kann heute leider nicht mehr festgestellt werden. Durch irgendwelche öffentliche Ausstellung sicher nicht, da die Zeitungen von nichts der-
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Ungarischer Brotmarkt. Ölbild.
Reichenberg, Heinrich Frh. v. Liebiegsche Sammlung der Stadt.
gleichen zu berichten wissen. Am ehesten kann er daher diese für ihn so bedeu- tungsvollen französischen Bilder im Hause eines Privatsammlers gesehen haben. —
Der Gruppe von Bildern mit dem Decampsschen Einschlag reihen sich solche an, bei denen der Gegensatz von Licht und Schatten nicht so hervortritt wie bei jenen, die aber gleichfalls mit ungemein starken, satten Farben gemalt sind. Als Beispiele seien genannt: der „Kuß über den Zaun, mit den zwei Pferden" vom Jahre 1855 im Besitz des Barons Alfons Rothschild in Wien, der „Bauernknabe mit dem Pferd, vorm Eingang in eine Tanya" ebenda und die beiden einander sehr ähnlichen Fassungen des „Stelldicheins mit den zwei Pferden" im Besitz des Barons Albert Wodianer in Wien und der Liebiegschen Gemäldesammlung der Stadt Reichenberg. Der „Bauemknabe" und die beiden zuletzt genannten Dar- stellungen des „Stelldicheins" sind nicht datiert, werden aber den letzten fünfziger Jahren zugewiesen werden dürfen. Auch Bilder wie die „Pferde vorm Strohschober" und der „Ungarische Eselskarren mit zwei Bauernkindern", beide vom Jahre 1858, dieses jetzt bei H. O. Miethke, jenes bei Franz Xaver Mayer in Wien, gehören hierher, obwohl ihre Farben schon etwas weniger wuchten als die der eben besprochenen.
Gemälde dieser und der vorhergehenden Gruppe sind es, an die sich, nebenbei bemerkt und wie schon erwähnt, der junge Raffalt angeschlossen hat.
An die Bilder mit dem satten, schweren Kolorit läßt sich am besten eine Reihe von solchen angliedern, deren am meisten hervorstechendes Merkmal ihre Farbigkeit ist. Manchmal streift diese Farbigkeit beinahe an eine Buntheit, die ein ganz klein wenig kalt und hart ist. Die Gegensätze von Licht und Schatten sind natürlich auch auf diesen Bildern stark herausgearbeitet, und auf der Darstellung eines Szolnoker Marktes kontrastiert etwa die vom grellen Sonnenlicht beschienene Dreifaltigkeits- säule scharf mit dem finsteren Wetterhimmel oder dem tiefdunkeln Schatten, den
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die Flache eines Marktstandes wirft. Hierher gehören Bilder wie die beiden vom Jahre 1854 datierten Szolnoker Märkte, der eine bei Franz Xaver Mayer in Wien, der andere in der Liebiegschen Sammlung der Stadt Reichenberg.
Eine weitere Gruppe wird durch Bilder wie folgende vertreten: „Zigeunerin mit dem Kind an der Brust auf der Wanderschaft" bei Franz Xaver Mayer, „W^an- dernder Zigeunerjunge" in der Liebieg-Sammlung zu Reichenberg und „Hockendes kleines Zigeunermädchen, das ein Kind wiegt" bei Franz Xaver Mayer. Die „Zigeunerin" und der „Zigeunerjunge" wurden 1858 gemalt, das „Kleine Zigeuner- mädchen" stammt wahrscheinlich aus dem Jahre 1859, 1860 wurde es von Mayer gekauft. Gemeinsam ist diesen drei Bildern eine äußerst sorgfältige Ausführung. Ihre Malweise ist beinahe glatt zu nennen. Das Thema ist in allen drei Fällen die menschliche Gestalt, und zwar die eines Zigeuners. Die Wiedergabe eines be- stimmten Ausdruckes, worin sich Pettenkofen schon Jahre vorher auf Bildern wie z. B. dem „Verwundetentransport" so erfolgreich versucht hat, ist außerordentlich gelungen.
Andere Gemälde dagegen zeigen eine unverkennbare Anlehnung an Vorbilder aus der Schule von Barbizon, z. B. die vom Jahre 1857 datierte „Zigeunerhütte im Walde" bei Ludwig Lobmeyr und die undatierte, aber ungefähr derselben Zeit zu- zuweisende „Ungarische Bauernwirtschaft" ebenda. Bei dem ersteren Bilde stellen die entschieden zum Ausdruck gebrachten Kontraste von Licht und Schatten an der sonnenbeschienenen mit dickem Stroh gedeckten Hütte die Verbindung mit der Gruppe von Bildern, die an Decamps erinnern, und der Gruppe von Bildern mit den satten, schweren Farben her, doch schon hier, noch viel mehr aber auf dem zweitgenannten Bilde, der „Ungarischen Bauernwirtschaft", ist die lockere, flächige Behandlung des Baumschlages spezifisch französisch. Ein im Vergleich mit den sonst bei Pettenkofen üblichen Maßen ungewöhnlich großes Bild, der „Szolnoker Markt" vom Jahre 1855, heute im Besitz Alexander Beers in Baden bei Wien, stellt auch in seiner Technik eine Ausnahme dar: die Farben sind eigentlich ziemlich bunt, aber gedämpft, und das Ganze ist durchaus verblasen gemalt. Am weitesten aber geht in der aufgelösten Malweise das gleichfalls ziemlich große Bild „Ungarisches Bauernfuhrwerk, über die Puszta fahrend", das vom Jahre 1856 datiert und Eigentum Ludwig Lobmeyrs ist. Die Malweise dieses Bildes ist fleckiger als die des vorhergehenden, sein Gesamteindruck vor allem infolge der Einheitlichkeit des Tones weitaus angenehmer. Der „Markt" ist ursprünglich signiert und datiert; das „Fuhrwerk" ist gleichfalls mit Signatur und Datum versehen, dieses wie jene aber sind von Pettenkofen nachträglich hinzugefügt, was durch die Form der kleinen Initialen „a. p.", mit denen Pettenkofen nicht vor Ende der sechziger Jahre zu unter- zeichnen anfängt, und die Tatsache, daß Pettenkofen auf ausdrücklichen Wunsch Ludwig Lobmeyrs alle seine nicht signierten Arbeiten in dessen Besitz nachsigniert hat, zu beweisen ist. Bei diesem Bilde könnte daher gesagt werden, es sei zweifel- haft, ob es Pettenkofen zur Zeit, als er es malte, für ein vollendetes oder für ein unfertiges Bild gehalten habe. Dieses Bedenken fällt aber bei dem ersten Bilde, dem „Markte", weg, und daher ist es als ein ungemein interessanter früher Versuch anzusehen, etwa in der Art eines Troyon mehr andeutend als vollendend zu malen.
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Kopf eines Mädchens aus Riva. Bleistiftzeichnung. (1867.)
Wien, Ludwig Lobmeyr.
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und so möglichst viel von der ursprünglichen Frische des ersten Entwurfes zu be- wahren.
Alles aber, was bisher von Pettenkofens Bildern der fünfziger Jahre gesagt worden ist, gilt bloß von den Ölgemälden. Diesen aber stehen kaum in geringerer Anzahl die Aquarelle zur Seite. Auch sie weisen selbstverständlich vielerlei und große Stilverschiedenheiten auf. Doch lassen sie sich, sieht man einstweilen von dem Unterschied zwischen Studie und ausgeführtem Bild ab, der bei den Ölbildern der Periode gar nicht in Betracht gekommen ist, hier aber eine große Rolle spielt, immerhin in vier Gruppen zerlegen, die zum Teile und bis zu einem gewissen Grade den Gruppen, die bei den Ölbildern aufzustellen versucht wurden, entsprechen. Es gibt mit kräftigen Farben gemalte Aquarelle, bei denen der Kontrast von be- stimmten warmen und kalten Farben zuerst in die Augen springt; das Kolorit anderer ist gleichfalls stark und satt, zugleich aber mannigfaltiger und geschlos- sener; die Buntheit wieder anderer ist fast ein bißchen hart und kalt; eine vierte Gruppe endlich zeichnet sich durch äußerst breite, tonige Malweise aus. Für die erste Art mögen als Beispiele dienen: „Die Zigeunerhütte auf der Puszta" vom Jahre 1853 bei Karl Widakowich in Wien, die „Fischerhütte" vom Jahre 1854 bei Dr. Albert Figdor, die „Schweineherde am Wasser" vom selben Jahre bei Ludwig Lobmeyr, die „Erdhütte auf der Puszta", die „Zwei Zigeunerkinder am Kessel", beide Aquarelle vom Jahre 1855 und bei Ludwig Lobmeyr, der „Zigeunerreiter" ungefähr aus derselben Zeit bei Eugen Miller von Aichholz, das „Ochsengespann" vom Jahre 1857 bei Ludwig Lobmeyr und das wahrscheinlich aus demselben Jahre stammende „Tote Pferd" bei Miller von Aichholz. Die Aquarelle dieser Art sind natürlich am ehesten den Ölbildern mit dem Decampsschen Einschlag zu verglei- chen; der Kontrast zwischen Licht und Schatten auf diesen ist auf jenen zu einem von gewissen wärmeren und kalten Farben geworden. Die zweite Gruppe entspricht etwa der der Ölbilder mit dem starken, satten Kolorit. Sie wird repräsentiert durch drei große ausgeführte Aquarelle, alle drei Zigeunerlager darstellend, eines vom Jahre 1855 im Kunsthistorischen Hofmuseum, zwei vom Jahre 1856 bei Baron Alfons Rothschild, und durch die „Puszta mit Pferden" vom Jahre 1858 bei Gottfried und Hermann Eißler. Die dritte Gruppe deckt sich bei Ölbildern und Aquarellen fast restlos. Charakterisiert wird sie durch eine Buntheit, die an Härte und Kälte streift. Ihr gehören Bilder wie die „Wasserträgerin" vom Jahre 1853 bei Dr. Albert Figdor und der „Szolnoker Markt", gleichfalls vom Jahre 1853, derzeit bei S. Kende in Wien, an. Die vierte Gruppe endlich besteht aus den breit und etwas verschwommen gemalten Aquarellen, die den zuletzt genannten Ölbildern entsprechen, möglicher- weise sogar wie diese auf französische Beispiele zurückgehen. Baron Gustav Springer in Wien besitzt z. B. ein Aquarell von Decamps, mit dem Pettenkofens Aquarelle der vierten Gruppe einige Verwandtschaft zeigen. Die Gruppe der sorg- fältig ausgeführten, beinahe glatt gemalten Ölbilder findet unter den Aquarellen nur inhaltlich ein Korrelat. Auch unter den Aquarellen der fünfziger Jahre nämlich gibt es eine Menge Einzelfiguren von ungarischen Bauern und Zigeunern, z. B. der nach rechts stehende ungarische Bauer bei Baron Julius Forster vom Jahre 1851, der nach links stehende bei Stefan von Czärän und der auf dem Boden sit-
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Lagernde Soldaten im Herbstwald. Ölbild. (1868?)
Wien, Gottfried und Hermann Eißler.
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zende im Museum der schönen Künste, beide vom Jahre 1854, alle drei in Buda- pest. Ein vom nächsten Jahre datiertes und einen stehenden langhaarigen ungari- schen Schweinehirten darstellendes Aquarell ragt unter der Menge der verwandten Arbeiten durch die Größe seines Formates hervor. Es kam schon 1865 auf der Auktion Böhm vor, scheint von Karl Goebel, in dessen Besitz es nachträglich geriet, überarbeitet worden zu sein und tauchte erst neuerdings wieder im Wiener Kunst- handel auf. Alle diese Arbeiten wirken ihrer Technik zufolge in der Regel viel frischer und flotter als ihre in Öl gemalten Gegenstücke. Denn Pettenkofen hat bei seinen Aquarellen niemals die durch den glatten Elfenbeingrund der Miniaturen bedingte, mit spitzem, trockenem Pinsel Strichelchen neben Strichelchen setzende Technik geübt, wie sie etwa an den Aquarellen eines Daffinger oder Agricola beobachtet werden kann, sondern hat von allem Anfang an nach Art der Eng- länder auf körnigem Papier mit breitem, saftigem Pinsel gearbeitet. Hier sei die zwar selbstverständliche, aber vielleicht doch nicht ganz überflüssige Bemerkung eingeschaltet, daß bei einer Aquarellmalerei im Gegensatz zur Ölmalerei, wo immer wieder übermalt und schlimmstenfalls abgekratzt werden kann, jeder Pinselstrich sitzen muß, da ein Übermalen von dunkeln mit hellen Farben naturgemäß völlig ausgeschlossen und auch die Korrektur durch Auswaschen eine mehr als mißliche Sache ist. Der Aquarellmaler muß sich daher einer besonders sicheren Hand er- freuen, und für Pettenkofens Künstlerschaft ist es höchst bezeichnend, daß er von der Jugend bis ins Alter im Aquarell so Außerordentliches zu leisten imstande war.
Einteilungen von der Art der obigen werden immer den Anschein erwecken, als seien sie zu grob ausgefallen. Demgegenüber kann nicht nachdrücklich genug be- tont werden, daß selbstverständlich alle Gruppen untereinander durch zahlreiche Übergangsfälle verbunden sind und daß vor allem die angeführten Werke, wie ja schon wiederholt versichert wurde, bloß als Beispiele anzusehen sind. Ge- rade Pettenkofens Aquarelle der fünfziger Jahre aber sind trotz aller ihrer Mannig- faltigkeit doch viel einheitlicher als die gleichzeitigen Ölbilder. Die gewissen kon- trastierenden kalten und wärmeren Farben, die als das Hauptmerkmal der ersten Gruppe hervorgehoben wurden und sich von einem satten, dunkeln Graulich-Blau- Violett über ein scharfes Gift-, ein trübes Apfelgrün und ein schmutziges Gelblich- grau zu einem ungemein intensiven Gelbbraun bewegen, kehren nämlich, natürlich modifiziert, in allen Gruppen wieder.
Die Aquarellstudie wird durch die schon erwähnten Blätter: „Zwei Zigeuner- kinder beim Kessel" vom Jahre 1855, „Zigeunerreiter", „Ochsengespann" vom Jahre 1857, „Totes Pferd" und außerdem noch durch das Blatt „Wallachischer Fleischer", das sicherlich vom Ende der fünfziger Jahre stammt und der Liebiegschen Samm- lung der Stadt Reichenberg gehört, vertreten. Die raschere und für das Arbeiten nach der Natur bequemere Technik des Aquarells wurde von Pettenkofen häufig zur Herstellung von Studien für Ölbilder verwendet. Die Aquarellstudie des „Zi- geunerreiters" bei Miller von Aichholz ist ein Beleg dafür. Der Reiter kehrt als Teil einer größeren Komposition auf dem undatierten Ölbild „W^andernde Zigeuner" bei Baron Louis Rothschild wieder. Die Aquarellstudien sind das Material, das Pettenkofen aus Szolnok mitbrachte. Sie, die an Ort und Stelle und nach der Natur
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gemacht waren, wurden nachher in Wien oder in Paris zu Bildern verar- beitet.
Selbstverständlich wurde als Studie für ein Bild auch die Zeichnung, die mit leichten Farbtönen oder mit Sepia lavierte, die auf Tonpapier mit Bleistift ge- zeichnete und mit Kreide weiß gehöhte und die einfache Bleistiftzeichnung verwendet. Alle Zeichnun- gen der fünfziger Jahre sind sehr klar und bestimmt, was bei den einfachen Blei- stiftzeichnungen natürlich am deutlichsten zu ersehen ist. Die vom 14. September 1856 datierte Studie im Be- sitz Dr. August Heymanns für das Gespann auf dem Bilde „Ungarisches Bauern- fuhrwerk bei einer Pfütze" (vom Jahre 1857 und im Besitz Baron Louis Roth- schilds) mag als Beleg da- für dienen. Die mit Sepia lavierte Studie zu einem Szolnoker Markt, die der Mitte oder noch der ersten Hälfte der fünfziger Jahre angehören kann, und die mit „halben Färblein", wie Albrecht Dürer sagen würde, belebte Studie von ungarischen Bauern und Bäuerinnen an einem Marktwagen, die der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre zuzuweisen sein dürfte und Ludwig Lobmeyr gehört, endlich die gleichfalls leicht getonte Bleistiftstudie nach einem Pandurentrommler, die aus dem Besitz des Herrn Julius Herz von Hertenried in den der Österreichischen Staatsgalerie übergangen ist, sind weitere Beispiele für Pettenkofens Zeichenweise während dieses Jahrzehntes.
Alles in allem genommen, werden im Hinblick auf Stil und Technik von Petten- kofens Werken die fünfziger Jahre eine Zeit unermüdlichen Suchens und Versuchens genannt werden können. Der Künstler gibt sich nie lange zufrieden, er wechselt
Weiblicher Akt. Ölbild. (1868?)
Wien, Ludwig Lobmeyr.
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häufig seine Methode. Einmal hat es ihm die fleckige, lockere Malweise der Fran- zosen angetan, dann wieder pflegt er treu die glattverschmolzene Ölmalerei der alten Wiener. Bald bevorzugt er lebhafte Kontraste von Licht und Schatten, bald tonige Stimmungen. Satte, starke Farben und bunte, etwas harte und kühle lösen einander ab. Die Ölmalerei und die Aquarellmalerei kommen gleichmäßig zu Worte. Trotz aller Mannigfaltigkeit aber wird man von Pettenkofens Malerei in den fünf- ziger Jahren sagen können: sie ist eher farbig als tonig, eher hart als weich, eher kühl als warm. —
In der Malerei der sechziger Jahre dagegen herrscht deutlich das Streben nach Tonigkeit vor, die Buntheit dämpft sich, der Farbenauftrag wird lockerer und weicher, wenn er auch fast noch immer verschmolzen bleibt. Das trübende Medium in der atmosphärischen Luft wird mitgemalt. Die in der Sommersonne zitternde Luft über dem Szolnoker Marktgewühl samt dem Staub und Dunst, den sie in sich aufgenommen hat, kommt auf den Marktbildern dieses Jahrzehntes immer über- zeugender zum Ausdruck. Ist auch dann und wann ein Bild auf einen kühlen Ge- samtton gestimmt, so wird doch immer mehr und mehr der Wärme des Tones der Vorzug gegeben.
Die Produktivität der sechziger Jahre ist lange nicht mehr so groß wie die des Jahrzehntes vorher. Freilich hat auch Pettenkofen während dieser Zeit so gut wie nicht datiert, die Bilder der sechziger Jahre sind daher als solche nicht immer mit Sicherheit zu erkennen. Im folgenden seien etliche wichtigere Typen von Petten- kofens Arbeiten aus den sechziger Jahren, und zwar solche, die einigermaßen zu datieren sind, besprochen.
Für den Sommer 1863 ist ein Aufenthalt Pettenkofens im Salzkammergut nach- zuweisen. Damals wird er den „Salzburger Bauern im Hof eines Hauses" und das „Kleine Mädchen unter der Tür eines Salzburger Bauernhauses", Bilder, die beide Franz Xaxer Mayer das Jahr darauf von ihm gekauft hat, gemalt haben; vielleicht hat Pettenkofen 1863 auch bloß die Studien dazu gemalt. Das letztere Bild nimmt bis zu einem gewissen Grade die Kontrastmalerei in der Art Decamps' wieder auf, doch ist es weicher und wärmer als die entsprechenden Bilder der fünfziger Jahre. Sehr tonig dagegen ist der „Bauerngarten in Hallstatt" gehalten, ein Bild, das heute S. Kende in Wien gehört und umi dieselbe Zeit entstanden sein muß. Petten- kofen war nämlich auch schon Ende April 1861 in Hallstatt, was durch sein Porträt Anton Reithoffers bezeugt wird, aber um jene Jahreszeit war ein so hochsommer- licher Garten, wie es der des Bildes ist, im schattenreichen Hallstatt gewiß noch nicht als Modell zu finden. Die genannten beiden Bilder sind nicht nur durch das Lokale, sondern auch durch ein Monogramm miteinander verknüpft, das in einer eigentümlichen Verschlingung der beiden Initialen A. P. besteht und das von Pettenkofen nur selten angewendet worden ist. Das erste Mal begegnet es auf dem oben besprochenen großen „Szolnoker Markt" vom Jahre 1855. Ein Bild wie das einen „Schimmel" darstellende im Besitz von Gottfried und Hermann Eißler, das gleichfalls jenes Monogramm zeigt, wird daher schon wegen der Form seiner Signatur in die Zeit von 1855 bis 1863-64 anzusetzen sein. Die weiche und doch farbenkräftige Malweise spricht aber eher für das Ende als den Anfang dieser Frist.
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Das Bild ist leicht und sicher gemalt, der ab- gerackerte Gaul darauf vorzüglich charakterisiert. Sicher noch dem Beginn der sechziger Jahre gehört ein berühmtes Bild der Sammlung Gsell an, das auf dem Umweg über Paris erst jüngst wieder nach Österreich zurückgekehrt ist. Es ist der „Zigeuner, der sich, die Geige auf dem Schoß, eine Pfeife anzündet", heute im Be- sitz Generaldirektor Viktor Zuckerkandis in Purkers- dorf bei Wien. Die Rötel- zeichnung eines halbnack- ten Knaben, deren Repro- duktion dem Katalog der Auktion von Pettenkofens Nachlaß als Titelvignette diente und die sich heute in der Liebiegschen Samm- lung zu Reichenberg be- findet, ist eine Vorstudie zum Bewegungsmotiv des Bildes. Stofflich führt die- ses die Reihe der sowohl unter den Ölgemälden, als auch unter den Aquarellen vertretenen Einzelfiguren von der Puszta weiter. Dem Stil und der Technik nach schließt es sich an die Gruppe der Bilder mit den satten, starken Farben an. Natürlich ist es viel lockerer gemalt als etwa die „Zigeunerin mit dem Kinde" vom Jahre 1858 bei Franz Xaver Mayer. Ungefähr von derselben Art wie der „Zigeuner mit der Geige" ist das Kniestück einer Zigeunerin, die sich, ihren blauen Rock über den Kopf geschlagen, eine Pfeife anzündet. Dieses Bild, das sich in der K. k. österreichischen Staats- galerie befindet, ist darum wichtig, weil es, aus dem Besitz Dr. Max Josef Schülers in Graz stammend, höchstwahrscheinlich identisch ist mit dem „kleinen Bilde", das Pettenkofen am 15. Jänner 1863 an jenen Sammler verkauft, das demzufolge im Jahre vorher entstanden sein dürfte und sohin die beiläufige Entstehungszeit auch für verwandte Bilder wie den „Zigeuner mit der Geige" und das nicht ganz
Lautenschlägerin. Ölskizze.
Wien, Ludwig Lobmeyr.
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zu Ende geführte Brustbild eines Zigeuners (in der Österreichischen Staatsgalerie) angäbe. Den genannten Figurenbildern ist auch das „Auf dem Herd sitzende Zi- geunermädchen" anzureihen; es hat die Beine hochgezogen und zündet sich eine Pfeife an. Ein ähnliches Bild hat Pettenkofen schon viel früher gemalt. Es gehört dem Fürsten Liechtenstein. Die zwei später entstandenen Fassungen unterscheiden sich von jener älteren Arbeit hauptsächlich dadurch, daß das Zigeunerkind — es ist in beiden Fällen nicht mit Sicherheit zu entscheiden, ob es ein Bub oder ein Mädel ist — als Akt dargestellt ist. Das kleinere, nicht ganz vollendete, künstlerisch aber freiere Bild, das hier der Mitte oder zweiten Hälfte der sechziger Jahre zu- gewiesen wird, gehört k. u. k. Truchseß Fritz Dobner von Dobenau in Wien, das große, wahrscheinlich erst aus den achtziger Jahren stammende, von dem noch gesprochen werden soll, befindet sich jetzt im Besitz der Österreichischen Staats- galerie. Das reizende Stilleben eines toten weißen Huhnes und eines gelben Ton- kruges, das Ludwig Lobmeyr gehört, ist die sorgfältige Ausführung der untersten Partie jener Komposition. —
Gleichfalls noch den ersten sechziger Jahren wird ein Bild wie die „Pferde am Zieh- brunnen" im Besitz des Grafen Ludwig Karolyi in Budapest zuzuweisen sein. Auch dieses Werk setzt die Reihe der Bilder mit den satten, schweren Farben, und zwar an jenem Ende fort, wo die vom Jahre 1858 datierten „Pferde am Stroh- schober" bei Franz Xaver Mayer stehen, ist aber natürlich viel leichter und weicher gemalt als jene Werke der fünfziger Jahre. Ein anderes Bild im Besitz des Grafen Karolyi, der „Szolnoker Geschirrmarkt", zeigt vielfache Übereinstim- mung mit dem „Ungarischen Leinwandmarkt" der Liebiegschen Sammlung in Reichenberg, besonders in der etwas eckigen Formenbehandlung. Die beiden sicher zugleich entstandenen Bilder fallen gerade durch ihre Härte, die freilich mehr in der Zeichnung als im Kolorit zum Ausdruck kommt, ein bißchen aus der Manier der sechziger Jahre heraus, doch gehören sie diesen sicherlich an. Sie werden un- gefähr um das Jahr 1865 anzusetzen und als ein mit Pettenkofens künstlerischen Gepflogenheiten durchaus übereinstimmender Versuch, in einer Zeit weicherer Pinsel- führung auch einmal wieder etwas härter zu malen, zu verstehen sein. Wohl die bekanntesten von Pettenkofens ungarischen Bildern der sechziger Jahre sind die verschiedenen Fassungen eines Stelldicheins auf der Puszta. Das für Pettenkofen bedeutungsvolle Thema wird 1854 in einem Bilde, dessen gegenwärtiger Besitzer leider nicht angegeben werden kann, zum ersten Mal behandelt. Es stellt einen jungen ungarischen Bauern oder Zigeuner dar, der auf einem Esel sitzt und über einen Zaun sein Mädchen küßt. Fassungen des Stelldicheins, wo der Bursche zwei Pferde bei sich hat, aber auf keinem oben sitzt, vom Ende der fünfziger Jahre und im Besitz der Barone Alfons Rothschild und Albert Wodianer und der Liebieg- schen Sammlung in Reichenberg wurden bereits erwähnt. Im Jahre 1864 nun nimmt Pettenkofen nach einem Bilderverzeichnis, das sich in seinem ältesten Notiz- buch befindet, dieses Thema wieder auf. Er malt einen „Bauern zu Pferd, ein Mädel küssend". Das zweite Pferd ist in dieser Bezeichnung nicht genannt. Das Bild in dieser Fassung scheint von Pettenkofen mehr als einmal gemalt worden zu sein. Das hier abgebildete Exemplar gehört der Österreichischen Staatsgalerie. Im selben Jahre
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Mädchen, unter der Statue eines Amor ein Billet-doux verbergend. Bleistift- und Sepiazeichnung. Wien, Julius Reich.
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findet Pettenkofen jene Formulierung des ewigen Themas, die als die einfachste auch den meisten Anklang gefunden hat: über einen niederen Erdzaun neigen sich Bursch und Mädel einander zu, um sich zu küssen. Pettenkofen verkauft 1864 zwei Fas- sungen des Bildes und eine Studie dazu an Gsell. In dessen Nachlaßauktion findet sich nur mehr die Studie, die beiden Bilder muß er schon früher abgegeben haben. Eines kam noch 1868 durch Kaeser ans Belvedere, das andere ward 1902 in Amerika verkauft. Das Exemplar aus kaiserlichem Besitz ist hier abgebildet. Mit den „Räubern im Kornfeld" in London, der „Szene nach dem Duell" in Amster- dam und dem „Bauernknaben mit einem Pferd, vorm Eingang in ein ungarisches Bauerngehöft" hat dieses Bild die vielen breiten Risse gemein, die sogar auf der Reproduktion kenntlich sind. Wahrscheinlich war das Trockenmittel daran schuld, das Pettenkofen später in den achtziger Jahren, offenbar angesichts der Sprünge, die er noch selbst auf älteren seiner Bilder beobachten konnte, so sorgfältig zu studieren begann. Das Bild des Kunsthistorischen Hofmuseums ist ungemein weich gemalt und in einem warmen Ton gehalten. Vom Jahre 1866 stammt der „Unga- rische Bauernwagen, auf dem Melonen verpackt werden", vom folgenden Jahre der „Alte Melonen Verkäufer"; beide Bilder wurden von Pettenkofen an Franz Xaver Mayer verkauft, aus dessen Einschreibbuch auch die Datierungen, die nicht genau die Vollendungstermine sein müssen, stammen. Der „Markt mit dem Ochsen- gespann im Vordergrund", 1869 von Franz Xaver Mayer gekauft, zeichnet sich durch besondere Weichheit der Töne aus. Die „Ungarische Dorfstraße, auf der ein Bauer drei Pferde zur Schwemme reitet", im Besitz Julius Eymers in ^Vien, wird ungefähr derselben Zeit angehören. Während aber die Gesamthaltung des „Marktes" ziemlich kühl ist, herrschen auf der „Straße" die warmen Töne vor. Doch ist sie kein sehr glückliches Werk, die Weichheit ist hier zur Verschwommenheit abge- flaut. Ein Meisterstück und ein würdiger Abschluß von Pettenkofens malerischer Tätigkeit in den sechziger Jahren dagegen ist das Bild, das der Künstler selbst „Ungarischer Markt mit Fuhrwerk, Pferden und Melonen" nennt und das er am 8. April 1870 Franz Xaver Mayer verkauft. Begonnen wurde es gewiß noch im Jahre 1869. Sein Kolorit ist zugleich weich und kräftig, satt und duftig. Farbig- keit und Tonigkeit finden sich darauf aufs glücklichste vereint.
Pettenkofen hat während der sechziger Jahre aber auch andere Vorwürfe be- handelt als die bisher besprochenen. 1861 zeichnet er in Hallstatt seinen Freund, den Maler Anton Reithoffer, — das Blatt scheint das einzige Porträt des Jahrzehntes zu sein. Aus Pettenkofens Nachlaß hat sich, was hier wohl erwähnt werden darf, eine vom Jahre 1857 datierte Lithographie Kriehubers erhalten, die gleichfalls Anton Reithoffer darstellt. 1862 erhält er einen eigentümlichen Auftrag: er hat den Kaiser zu malen, wie er den Schaden besichtigt, den die große Donau-Überschwemmung des Jahres angerichtet hat. Auf dem Bild, das sich im Museum der Stadt Wien befindet, halten große Vorzüge und große Schwächen einander die Wage. Die Komposition ist sehr gut: hochragend auf das massige, von der Flut halb zerstörte Balkenwerk hingestellt, wirkt die Figur des Monarchen imponierend genug. Nur scheint sie doch etwas zu lang geraten zu sein, und ist schon sie nicht ganz von Pose frei, so gemahnt vollends der Gestus des Fleischhauers Josef Wimmer,
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Markt in Szolnok, vorne zwei ausgespannte Ochsen. Ölbild. (,i86g.)
Wien, Franz Xaver Mayer.
des Bestellers des Bildes, ein bißchen ans Theater. Die trübe Regenstimmung bot Anlaß, das ganze Bild in einem vornehmen kühlen Grau zu halten. Sechs Jahre später stimmt Pettenkofen abermals ein Bild auf ähnlich kühle, graue Töne. Es ist der „Herbstliche Buchenwald" (schlanke Buchenstämme muß Pettenkofen zeit- lebens besonders gern gehabt haben, Nadelholz hat er, scheint es, niemals gemalt) „mit ein paar Soldaten an einem Lagerfeuer"; einer von ihnen verbindet sich vorne eine Wunde am Bein. Aber nicht nur in diesem Bilde, das Gottfried und Hermann Eißler gehört, nimmt Pettenkofen das militärische Thema wieder avif. 1869 variiert er in Form zweier Skizzen sogar nochmals den „Verwundetentrans- port". Von den beiden Skizzen ist die eine, Plach gewidmete und dann in den Be- sitz Gsells übergegangene, verschollen. Die zweite gehört Baron Louis Rothschild und ist vor allem im Licht ganz ausgezeichnet. Freilich muß hier angemerkt werden, daß diese Datierung gleich allen ähnlichen, die auf Verkaufsnotizen Petten- kofens selbst zurückgehen, nicht unbedingt verläßlich ist. Es wäre natürlich mög- lich, daß er sich erst damals von einer Arbeit getrennt hat, die schon Jahre vorher entstanden war. Fest steht, daß dieser Fall bei Pettenkofen ebenso zu belegen ist wie der, daß Jahre nachher ein altes Thema nochmals aufgenommen wird. Immer-
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hin spricht die freiere, flottere Technik, zunächst aber die auch auf der Skizze er- kennbare Tonmalerei entschieden zugunsten der letzten sechziger Jahre. 1868 ver- kauft Pettenkofen Plach ein „kleines Ölbild: Badende im Wald". Das ist un- zweifelhaft der weibliche Akt bei Ludwig Lobmeyr, und es ist wahrscheinlich, daß er in diesem Jahre entstanden ist. Akte hat Pettenkofen wohl viele gezeichnet, aber nur sehr wenige gemalt. Von dem liegenden weiblichen Akt der fünfziger Jahre war schon oben die Rede. Derselben Zeit wie die „Badende" wird die ihrem Vorwurf nach ganz vereinzelt dastehende Ölstudie einer „Lautenspielerin", gleich- falls im Besitz Ludwig Lobmeyrs, angehören. Wegen des verwandten Sentiments, das vielleicht als Anklang an ein zeitloses Rokoko charakterisiert werden darf, läßt sich mit der „Lautenspielerin" die reizende Zeichnung eines „Mädchens, das unter der Statue eines Amor ein Billet-doux verbergen will" in Zusammenhang bringen. Das Blatt gehört Kommerzialrat Julius Reich in Wien. Endlich sind vom Jahre 1867 die bereits flüchtig erwähnten ersten italienischen Themen, Studien nach Volks- typen aus Riva zu nennen, Arbeiten, die aber besser vom Gesichtspunkt der Technik als dem des Motivs aus zu behandeln sein werden.
Ganz auffallend tritt während der sechziger Jahre das Aquarell zurück. 1864 führt Pettenkofen in der Verkaufsliste des ersten Notizbuches neben Ölstudien, Bleistift- und Sepiazeichnungen auch Aquarelle an, alles in allem 37 Arbeiten, die er alle Gsell abläßt, und 1867 spricht er an derselben Stelle von „fünf Aqua- rellen aus Ungarn", die abermals Gsell ersteht. 1869 kauft Franz Xaver Mayer zwei Aquarelle von dem Künstler, einen „Ungarischen Schafhirten" und den hier abgebildeten „Jungen ungarischen Bauern, der sich seine Pfeife anzündet". Die beiden Blätter werden auch nicht viel früher entstanden sein. Sehr angenehm ist namentlich die Wirkung des „Jungen Bauern" nicht. Das Bild ist allzusehr aus- geführt und ein etwas trübes Braun schlägt vor, — schon einmal, um 1850, verfiel Pettenkofen beim Aquarellieren diesem braunen Gesamtton und, wie wir sehen werden, nimmt er ihn sogar in den achtziger Jahren, freilich viel kraftvoller, noch- mals wieder auf.
Es ist, als ob während der sechziger Jahre die Aquarelle durch die Zeichnungen abgelöst worden wären, denn diese treten jetzt merklich hervor. Schon Blätter vom Anfang des Jahrzehntes, wie die 1860 datierte „Zigeunererdhütte" bei Ludwig Lobmeyr und die sicher gleichzeitige „Ungarische Dorfstraße" ebenda, sind mit weicherem Bleistift gemacht. Das Porträt Reithoffers vom Jahre darauf zeigt be- reits schwarze und weiße Kreide. Weichem Bleistift und schwarzer Kreide gesellt sich auf körnigem Grund auch der Rötel, lauter Materialien, die früher nicht oder doch nur ganz vereinzelt angewendet worden sind. 1867 in Riva nun zeichnet Pettenkofen ziemlich große Köpfe, vorwiegend mit weichem, breiten Bleistift, und auf kleinerem Räume ganze Figuren mit spitzer Sepia- oder Tuschfeder, häufig hilft er mit dem Pinsel nach, manchmal erzielt er mit dem bloß in Wasser ge- tauchten Pinsel, mit dem er die frische Federzeichnung übergeht, eigentümliche Wirkungen. Sowohl die Köpfe aber, von denen hier als Beispiel der eines Mäd- chens wiedergegeben ist, als auch die ganzen Figuren gehören keineswegs zu Pettenkofens glücklichsten Schöpfungen. Diese wie jene sind eigentümlich hart, ja
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TAFEL XXIX SZOLNOKER MARKT. ÖLBILD. (1870.) WIEN, FRANZ XAVER MAYER.
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Straße eines ungarischen Dorfes mit einem Bauern, der drei Pferde zur Schwemme reitet. Ölbild. Wien, Julius Eymer.
die Köpfe erinnern sogar ein wenig an die im Kerne eigentlich unkünstlerischen Zeichnungen von Christian Wilhelm Allers, dessen durch den Lichtdruck reprodu- zierte Serien: „Meininger," „Unsere Marine," „Bismarck in Friedrichsruh", „Das deutsche Korpsleben" usw. einst viel bewundert wurden. —
Dem Ende der sechziger Jahre wird am besten Pettenkofens Tätigkeit als — Re- staurator von Bildern anzugliedern sein, obwohl sie bereits im Jahre 1857 anhebt und er die meisten Arbeiten dieser Art erst im Jahre 1871 ausgeführt hat. Petten- kofen scheint sich nur während der Zeit von 1857 bis 1871 auf diesem merkwür- digen Gebiet bewegt zu haben, auf dem sich der Künstler und der Kunstgelehrte die Hände reichen sollen, auf dem ein vollwertiger Künstler ebenso erwünscht wie gefährlich ist und auf dem sich Kenntnisse, die einzig und allein durch Erfahrung und Übung gewonnen werden können, mit angeborenem Takt vereinigen müssen.
Freilich wird er vor- und nachher, um ein Wort des Künstlerjargons zu ge- brauchen, als „Bilderdoktor" tätig gewesen sein, als der er bei allen Malern, die Gelegenheit hatten, von ihm bei ihrer Arbeit mit Rat und Tat unterstützt zu werden, den höchsten Ruf genoß. Von einer solchen Mithilfe, die er einmal dem alten Raffalt hatte angedeihen lassen, war hier bereits die Rede. Staffagen in ein fremdes Bild zu setzen, scheint eine Force und eine Art Lieblingsbeschäftigung von ihm gewesen zu sein. Er gilt auch heute noch in Künstlerkreisen als unerreichter Meister der Anbringung von Staffagen. Noch hat sich ein gutes diesbezügliches Wort von ihm erhalten: „Eine Staffage darf nur dorthin kommen, wo sie nichts Gutes verdirbt."^") — Natürlich erschöpft sich im „Staffieren" das, was von einem
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Restaurator verlangt wird, nicht, und heutzutage, da man in dieser Hinsicht viel rigoroser denkt als einst, wäre speziell das derartige Tun eines Restaurators aufs strengste verpönt.
Im März 1868 malt Pettenkofen für 200 fl. seinem Freunde Kratzer eine Staffage, unter dem Datum des 24. Mai 1869 verzeichnet er in der Bilderliste des ersten Notizbuches drei Staffagen, die er um 200 fl. für Plach gemacht hat. Ob diese Staffagen in alte oder in neue Bilder hineingemalt worden sind, muß dahingestellt bleiben. Unter dem 1. August 1871 findet sich sowohl im ersten als auch im zweiten Notizbuch vermerkt: „Staffage in eine Landschaft von J . . . um 200 fl. für Herrn Plach gemacht." Mit dem „J." ist wahrscheinlich Eugen Jettel gemeint. Außerdem sei hier nochmals daran erinnert, daß sich im Besitz Franz Xaver Mayers eine Landschaft des Franzosen Alexandre-Marie Longuet befindet, in die Pettenkofen ein wasserschöpfendes Mädchen als Staffage gemalt hat.
Die interessanteste Staffage Pettenkofens aber, von der wir wissen und die wir von unserem heutigen Standpunkt aus geradezu als Fälschung bezeichnen müßten, ist die, die er 1871 um 100 fl. für Plach in ein Bild Ruysdaels gemalt hat. Er ver- zeichnet sie unter demselben Datum wie die eben erwähnte Staffage in einem Bild Jetteis. Es ist natürlich äußerst verlockend, nachzuspüren, was das für ein Bild war, doch muß gleich gesagt werden, daß darüber nur Vermutungen angestellt werden können.
Plachs ausgiebigster und ständigster Käufer um jene Zeit war Friedrich Gsell, der freilich im September des genannten Jahres 1871 starb, in dessen Nachlaß aber drei Bilder Jakob und zwei Salomon Ruysdaels vorkommen und von dem Petten- kofen im nämlichen Jahre nicht weniger als vier Restaurieraufträge erhält. Es wäre daher ganz wohl möglich, daß es sich um einen Ruysdael aus Gsells Galerie handelt.
Die drei Bilder Jakob Ruysdaels nun (ein viertes: Waldausgang, Nr. 496 des Auktionskataloges, wird bereits von diesem selbst als „moderne Imitation" be- zeichnet, geht um 32 fl. in den Besitz eines Herrn Höger über und kommt nach dem allen nicht in Betracht) sind nach dem Katalog folgende: Nr. 97: Wald- ausgang (Eichen und Buchen, am Boden bemooste Stämme, im Hintergrund Hirt mit Schafen, Durchblick auf die See). Holz. 69:98 cm. „Vorzügliche Erhaltung." Aus den Galerien Pierard in Valenciennes und Festetits in Wien. Gekauft wurde es um 5100 fl. von Posonyi. Nach C. Hofstede de Groot^') befindet es sich jetzt in der Sammlung W. A. Clarks. — Nr. 98: Landschaft mit Wasserfall. Das Haupt- stück der Sammlung. (Im Katalog in einer Lithographie abgebildet.) Bezeichnet. Leinwand. 69:55 cm. Aus der fürstlich Eszterhäzyschen Galerie von Gsell im Jänner 1871 um den „Höchstpreis" von 20.000 fl. auf der Auktion von des Grafen Brunatti Nachlaß gekauft. Auf der Auktion Gsell wurde es um 27.000 fl. von einem Herrn Hornick erstanden und nach Hofstede de Groot^O befand es sich 1896 im Besitz von Charles Sedelmeyer in Paris. — Nr. 495: Gothische Dorfkirche. Staffage von Cuyp. Holz. 82:70 cm. „Stimmung und Luft an den Judenfriedhof der Dresdener Galerie erinnernd." Aus der Sammlung des Barons Rauter. Das Bild wurde um 2400 fl. von Plach selbst gekauft, wo es sich heute befindet, ist
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auch Hofstede de Groot unbekannt.^')
Wenn von Ruysdael schlechthin die Rede ist, so meint man wohl Jakob Ruysdael. Daher spräche die Wahrscheinlichkeit da- für, daß sich das von Pet- tenkofen mit einer Staffage versehene Bild Ruysdaels unter den drei eben ge- nannten Jakob Ruysdaels befindet, und von diesen wieder käme vielleicht an erster Stelle das mittlere in Betracht, und zwar da- rum, weil es im Jänner 1871 von Gsell gekauft wurde. Natürlich geschah das durch Vermittlung Plachs, und damit wäre für das Jahr 1871 ein Ruys- dael nachgewiesen, der durch Plachs Hände ge- gangen ist.
Der Vollständigkeit hal- ber seien aber auch die bei- den Bilder Salomon Ruys- daels angeführt, die Gsell gehört haben, obwohl es von vornherein recht un- wahrscheinlich ist, daß Pet- tenkofen mit einem von
diesen zu tun gehabt hat: Nr. 99: Landschaft mit Thieren. Signiert. Holz. 50:68 cm. Das Bild wurde von Plach selbst um 1088 fl. erstanden. — Nr. 100: Hütte unter Bäumen am Wasser. Signiert: 1663. Holz. 53 : 63 cm. „Bekanntlich das vorzüglichste Bild des Meisters, vortrefflich erhalten." Aus der Galerie Festetits. Das Gemälde wurde um 5800 fl. von Hornick erstanden.
Sind die bisher besprochenen Arbeiten an Bildern anderer keine Restaurierarbeiten im strengsten Sinne des Wortes, so seien im folgenden wirkliche „Wiederherstellungen" aufgezählt. Sie finden sich in Pettenkofens Notizen unter den Schlagwörtern „Re- stauration" und „Übermalung" verzeichnet. Dabei darf wohl an Pettenkofens Lehrer Eybl erinnert werden, der sich als Maler, der an der Belvedere-Galerie angestellt war, natürlich besonders viel mit dem Bilderrestaurieren zu beschäftigen hatte.
Junger üigeuner, sich eine Pfeife anzuiuicnd. Aquarell. ( 1869?) Wien, Franz X. Mayer.
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Ungarischer Markt. Ölbild.
Budapest, Ministerialrat Johann Földi.
Die erste und allem Anschein nach die größte Restaurierarbeit, die Pettenkofen überhaupt auszuführen hatte, gilt einem Bilde von Metsu. Plach zahlt ihm dafür im April des Jahres 1857 die für Plach und jene verhältnismäßig frühe Zeit immer- hin beträchtliche Summe von 200 fl. Die Tatsache findet sich in dem frühesten der paar aus Pettenkofens Nachlaß erhaltenen Bilderverzeichnisse eingetragen. Mit Hilfe der schon oben angestellten Schlüsse kommt man bei dem Versuch, dieses Bild zu identifizieren, abermals auf die Sammlung Gsell, die auch tatsächlich ein Bild unter dem Namen Metsus enthält, mit dessen ganz erheblicher Größe — es mißt 70:90 cm — auch die relative Höhe des Honorars gut in Einklang zu bringen wäre. Das Bild führt im Katalog der Nachlaßauktion die Nummer 66 und ist da folgendermaßen beschrieben: Der Prinz von Oranien reitet mit seinen Kavalieren nach der im Hintergrund sichtbaren Reitschule, von einem Windhund begleitet. Rechts ein Stallmeister mit einem Pagen, der einen Braunen hält. Leinwand. Daß es schon früher durch Plachs Hände gegangen war, erhellt daraus, daß es aus der 1859 von ihm versteigerten Sammlung Festetits stammt, in die es aus der Galerie des Barons Puthon gekommen war. Hofstede de Groot^^) führt das Bild bloß als Bestandteil der Sammlung Festetits an, was allein schon dafür spräche, daß der Name seines Autors nicht ganz sicher ist. Tatsächlich hat es auch Bode eher für einen späteren Aelbert Cuyp gehalten. Als solcher ist es aber bei Hofstede de Groot nicht verzeichnet. Auch David Teniers und Francois Duchatel hat das Bild schon geheißen. ^^) Auf der Auktion Gsell wurde es um 36.000 fl. von Plach für Baron Nathaniel Rothschild gekauft, dessen Erbe Baron Alfons es heute noch besitzt. Aus dem Nachlaß Pettenkofens hat sich eine Zeitungsnotiz erhalten, die die Ergebnisse der Auktion Gsell mitteilt. Es heißt da, daß den höchsten Preis das in Rede stehende Bild Metsus erzielte, das von Rothschild für 30.600 fl. (die
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Ungarischer Markt. Ölbild.
Wien, Kunsthistorisches Hofmuseum.
Summe deckt sich, wie man sieht, nicht mit der oben angegebenen, die der Ein- tragung in einem Auktionskatalog entnommen ist) angekauft wurde, den nächst hohen aber ein „Großer ungarischer Markt" von Pettenkofen, den der Wiener Händler Löscher im Auftrag des Abgeordneten Kuranda um 18.050 fl. erstand. Die Notiz scheint von Pettenkofen selbst ausgeschnitten worden zu sein. Es mag für ihn ein eigentümliches Gefühl gewesen sein, zu sehen, daß die höchsten Preise erzielt wurden von dem Bild eines alten Meisters, das immerhin zum Teil, und von einem Bild, das ganz von seiner Hand gemalt war.
Unter dem Datum des 10. Mai 1868 notiert sich ferner Pettenkofen, daß er für eine Übermalung von dem Sammler Bosch 80, für eine ebensolche von Plach 50 fl. erhalten hat. Läßt sich in diesen beiden Fällen ebenso wie in dem von Pettenkofen 1871 ver- zeichneten, wo er für die Restauration von „verschiedenen kleineren und größeren Bildern" von Gsell 300 fl. gutgeschrieben erhält, natürlich nicht mehr feststellen, welche Bilder gemeint sind, so sind besonders interessant jene Restaurierarbeiten, die Pettenkofen außerdem im selben Jahre für Gsell ausgeführt hat. Da Gsell, wie schon erwähnt, Ende September 1871 gestorben ist und daher die von Petten- kofen noch in diesem Jahre für ihn restaurierten Bilder kaum mehr seine Samm- lung verlassen haben werden, so kann wenigstens das Eine als ausgemacht gelten, daß alle im Katalog der Nachlaßauktion zu finden sein müssen. Weil aber Petten- kofen stets nur den Meister und nie einen Bildertitel angibt und in zwei Fällen der Katalog unter dem betreffenden Maler mehrere Bilder anführt, so kann auch hier, wie oben bei der in einen Ruysdael gemalten Staffage, nur geraten werden, welches Bild gemeint sein könne. Bei anderen läßt sich wieder nicht herausbringen, wo sie sich heute befinden. Identität und heutiger Standort sind nur in einem ein- zigen Falle festzustellen, — vorausgesetzt, daß Plach bei der Übernahme der Samm- lung zur Auktion keine Neutaufe vorgenommen hat und daß Pettenkofen nicht den Namen des Meisters vergessen hat. Beides ist nicht sehr wahrscheinlich, da einer
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Ungarischer Markt bei Regen. Ölbild.
Wien, Ludwig Lobmeyr.
seits Gsell wohl die meisten seiner Bilder von Plach gekauft und dieser daher schon früher Gelegenheit gehabt hatte zu taufen und anderseits Pettenkofen zu genau, zu pedantisch und kunstgeschichtlich zu interessiert war, als daß er sich um einen Namen nicht erkundigt oder ihn unterdrückt hätte. Mit dem zuletzt charakterisierten Falle, dem günstigsten, sei begonnen.
1871 notiert sich Pettenkofen, daß ihm Gsell — die Gründe, warum Gsell Plach als Zwischenhändler ausgeschlossen und direkt mit Pettenkofen verkehrt hat, liegen auf der Hand — daß ihm Gsell für die Restaurierung des „Brustbildes eines alten Italieners" 100 fl. gutgeschrieben hat. Nun kommen im Katalog nur zwei Brust- bilder von unbekannten alten Italienern vor: Nr. 184: Venezianische Schule, Papst Sixtus V., Leinwand, 48 : 41 cm groß, ist das eine. Da dieses Porträt aber als „verputzt" bezeichnet ist und um bloß 70 fl. von Plach gekauft wird, kann es un- möglich das von Pettenkofen restaurierte Bild sein. Das andere aber ist Nr. 153: Alte Florentiner Schule, XV. Jahrhundert: Mädchen mit goldgeringelten Haaren, mit Geschmeide geziert. Von dem bekränzten Kopf fällt ein weißer Schleier über den Nacken. In der zierlichen Hand ein Blumensträußchen. „Voll Anmut und von großer Vollendung. " Ebenholzrahmen. Holz: 44 : 35 cm. Aus der Galerie Schleißheim. Es wurde um 665 fl. vom Kunsthändler Kohlbacher gekauft. Dieses Bild nun ist der schon von Morelli richtig erkannte, von Thode aber kaum verständlicherweise als Dürer publizierte Bartolommeo Veneto des Städelschen Instituts in Frankfurt am Main. Im Katalog des Instituts vom Jahre 1879 ist bei dem damals noch als Florentiner Schule des XV. Jahrhunderts (Nr. 13 der italienischen Schulen) bezeich- neten Bilde angegeben, daß es aus Schleißheim und aus der Galerie Gsell stamme. Es wurde 1872 vom Frankfurter Kunstverein um 2500 fl. erworben, — Kohlbacher hatte das Jahr vorher 665 dafür bezahlt!
Ferner merkt sich Pettenkofen 1871 an, daß er Gsell um 100 fl. ein Bild von Sassoferrato restauriert hat. Im Katalog findet sich nur ein einziges Bild dieses
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Ungarischer Markt. Ölbild.
Wien, K. k. österreichische Staatsgalerie.
Malers, das in Betracht kommt: Nr. 175: Madonna mit dem schlafenden Kinde. Leinwand. 88 : 58 cm. „Gut erhalten." Dieser Vermerk ist für Plachs Geschäfts- praxis ungemein charakteristisch und kann vielleicht bei der Identifizierung der noch zu besprechenden beiden anderen Restaurierarbeiten Pettenkofens verwertet werden. Das Bild wurde von Flach selbst um 1000 fl. gekauft. Leider ist nicht zu eruieren, wo es hingekommen ist. (Das zweite Bild, bei dem im Katalog allerdings bloß mit einem Fragezeichen der Name Sassoferrato steht, wurde um bloß 161 fl. an einen gewissen Kahn verkauft und kommt, wie gesagt, seiner Minderwertigkeit wegen nicht in Betracht.)
Weiter hat Pettenkofen 1871 um 100 fl. ein Bild von Ostade für Gsell restauriert. Da im Katalog nicht weniger als vier Bilder von Ostade, und zwar nur von Adriaen Ostade vorkommen, so hat man hier natürlich gar keinen Anhaltspunkt dafür, wel- ches der vier von Pettenkofen restauriert worden ist. Immerhin seien sie aufgezählt: Nr. 76: Das Innere einer Scheune, in der ein geschlachtetes Schwein hängt. Auf dem Boden Hühner, Hausgerät u. a. Signiert 1643. Holz. 69 : 49 cm. Aus der Galerie Pierard aus Valenciennes. Es wurde um 1830 fl. von einem Herrn Engländer gekauft. Nach Hofstede de Groot^*^^) befindet es sich heute im Städelschen Institut zu Frankfurt. — Nr. 11: Eine Schenke, in der ein Weib zur Fiedel tanzt. Die ange- heiterten Bauern sehen zu. Bezeichnet mit Namen 1642 (recte 1643). In tergo alte adelige Siegel. Holz. 47 : 65 cm. Aus der Galerie Eszterhäzy. Das Bild wurde um 1920 fl. von Hornick gekauft. Hofstede de Groot") verzeichnet es das letzte Mal als Nr. 149 einer Auktion, die am 25. Mai 1907 bei Charles Sedelmeyer in Paris stattgefunden hat. — Nr. 78: Dorfschenke. Bezeichnet. Holz. 27 : 22 cm. Aus der Galerie Festetits. Es wurde um 1990 fl. von Artaria & Co. gekauft. Nach Hof-
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stede de Groot") befand es sich noch 1908 bei Kunsthändler Charles Brunner in Paris. — Nr. 79: Spielende Kinder in einer Bauernstube. Monogrammiert. Holz. 21 : 25 cm. Gekauft wurde es um 1060 ü. vom Kunsthändler Löscher. Hofstede de Groot^') weiß nicht anzugeben, wo das Bild heutzutage aufbewahrt wird.
Schließlich notiert sich Pettenkofen im Jahre 1871 noch, daß er für Gsell ein Porträt von Tintoretto restauriert und dafür 200 fl. gutgeschrieben erhalten hat. Nach dem Preis zu urteilen, möchte man meinen, daß hier eine nicht unbeträcht- liche Arbeit an ein besonders wertvolles Bild gewendet worden ist. Der Katalog verzeichnet nicht weniger als drei Bildnisse Jacopo Tintorettos, unter denen es natürlich sehr schwer ist das von Pettenkofen restaurierte auch nur zu vermuten: Nr. 170: Bildnis eines Senators im pelz verbrämten schwarzen Kleide. (In schlechtem Holzschnitt reproduziert.) Leinwand. 100 : 82 cm. In schwarzem Rahmen. Aus der Sammlung Böhm. Es wurde von Plach um 1750 fl. erstanden. — Nr. 171: Feldherr in Rüstung, zur Seite ein Mohr, im Hintergrund die Flotte. Leinwand. 112:113 cm. Aus den Galerien Manfrin und Festetits. Es wurde um 1810 fl. von einem gewissen Caruta gekauft. — Nr. 172: Ein Senator in rotem hermelinverbrämten Kleide; grüne Draperie. „Gut erhalten." Leinwand. 136 : 105 cm. "Wie das vorige aus den Galerien Manfrin und Festetits. Es wurde um 1650 fl. von Plach selbst gekauft. — Die beiden anderen Bilder von Jacopo Tintoretto, Nr. 173: Dornenkrönung und Nr. 174: Dreifaltigkeit und Maria mit Donatoren, fallen, da sie keine Porträte sind, weg, und die beiden Bilder Domenico Tintorettos, Nr. 175: Bildnis eines Dogen, Leinwand, 46 : 54 cm, und Nr. 176: Porträt eines Kahlkopfes, der, einen Pelzrock an, im Lehnstuhl ruht, Leinwand, 115 : 93 cm, aus der Galerie Berry stammend, kommen wohl auch nicht in Betracht. Das erste scheint überhaupt nicht verkauft worden zu sein, das zweite, obwohl es im Katalog mit dem Zusatz „von bester Erhaltung" versehen ist, hat um nur 330 fl. Plach selbst gekauft, und schließlich meint man wohl, wenn man Tintoretto schlechthin sagt, Jacopo und nicht Dome- nico. — Nach dem Beispiel des Sassoferrato möchte man fast glauben, daß Petten- kofen das Bild Nr. 172, den Senator im roten Gewand, restauriert hat, weil es mit der Anmerkung „gut erhalten" versehen ist. —
Dies ist alles, was von der Restauriertätigkeit Pettenkofens bekannt ist. Seit Gsells Tode scheint er sie gänzlich aufgegeben zu haben.
Mit den Bildern der alten Meister aber hat er sich auch weiterhin eingehend befaßt, aber nicht mehr, indem er sie erhielt und verbesserte, sondern lediglich, indem er sich ihrer freute und von ihnen lernte.
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TAFEL XXX
FISCHERBARKEN AM STRANDE VON PORTICI. AQUARELLSTUDIE. (1873.)
WIEN, LUDWIG LOBMEYR.
TAFEL XXXI
BÄUERIN AUS TORRE DEL GRECO, MIT BLUMENTÖPFEN BESCHÄFTIGT. AQUARELL. (1873.) WIEN, LUDWIG LOBMEYR.
- r.if.ivtjyBpfej,'
TAFEL XXXII
NEAPOLITA^aSCHE NETZFLICKERIN. AQUARELLSTUDIE. (1873.) WIEN,
LUDWIG LOBMEYR.
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TAFEL XXXIII
INNERES EINES NEAPOLITANISCHEN BAUERNHAUSES MIT HOLZSTIEGE UND NÄHENDER FRAU. AQUARELL. (1873.) WIEN, LUDWIG LOBMEYR.
TAFEL XXXIV
NEAPOLITANISCHES BAUERNHAUS MIT BÄUERIN. ÖLBILD. (1873?) WIEN,
LUDWIG LOBMEYR.
FÜNFTES KAPITEL
DIE SIEBZIGER JAHRE
uch das Jahrzehnt von 1870 auf 1880 stellt sich als eine Periode von Pettenkofens Leben dar, und zwar sowohl menschlich als auch künstlerisch genommen.
Für Pettenkofen beginnen die siebziger Jahre nicht angenehm. Schon im Sommer 1870 gebraucht er in Brestenberg am Hall- wiler See in der Schweiz eine Kur. Das deutet darauf hin, daß seine Gesundheit angegriffen war oder daß er sie so fühlte. Was an seiner Krank- heit Einbildung, was Wirklichkeit war, wird sich schon zu seinen Lebzeiten nur schwer haben feststellen lassen. Schließlich läuft es aber auf dasselbe hinaus, ob jemand tatsächlich krank ist oder ob er sich krank fühlt — kommt es doch einzig und allein auf das Fühlen an. Jedenfalls aber muß man von nun an bei der Be- urteilung von Pettenkofens Tun und Lassen die Krankheit mit in Rechnung ziehen. Den Markstein für den Beginn der neuen Epoche bildet jedoch die Bekannt- schaft mit Leopold Karl Müller oder besser gesagt die Erneuerung dieser Be- kanntschaft, die bald zur edelsten und für beide Teile fruchtbringendsten Freund- schaft werden sollte. Unter dem 11. November 1871 notiert sich Pettenkofen: „Mit Müller in Padua." Er war aber Müller, den er schon von früher her, von Wien und Szolnok aus kannte, ohne daß sie einander näher getreten wären, bereits im Winter 1870 in Venedig begegnet. Damals müssen sie einander näher kennen gelernt haben, denn sie hatten schon damals im Palazzo Rezzonico (er, der heute dem Mr. Barett Browning gehört, war damals ganz an Maler vermietet, und es sei hier daran erinnert, daß ihn unter anderem Fresken von Tiepolo schmücken, den Pettenkofen sehr geliebt und bewundert hat) — denn sie hatten schon damals in diesem Palast ein gemeinschaftliches Atelier, das sie auch im folgenden Winter, in dem sie miteinander einen Abstecher nach Padua machten, wieder vereinte. Anläßlich dieses Ausfluges kommt in Pettenkofens Aufzeichnungen zum ersten Mal der Name Müller vor. Damals scheint Pettenkofen nach 28 Jahren zum ersten Mal wieder Padua betreten zu haben. Es wird in ihm nicht nur freudige Erinnerungen ausgelöst haben. War es doch der Ort, wo er als blutjunger Mensch
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zwei Jahre in Garnison gewesen, wo er im Spital krank gelegen war und wo er schließlich seinen Abschied hatte nehmen müssen. Daß er gerade in Gesellschaft Müllers diese Erinnerungen aufgefrischt hat, beweist allein schon, daß er dessen verständnisvoller, zartfühlender Teilnahme durchaus sicher war. Wenn nicht früher, so haben sich an jenem Novembertag des Jahres 1871 in dem Städtchen am Bacchiglione, wo Giotto, Donatello, Mantegna und Tizian geschaffen haben, die Bande geknüpft, die erst durch Pettenkofens Tod zerrissen werden sollten. Das Jahr 1871, das Pettenkofen seinen Mäcen Friedrich Gsell raubt, hat ihm endgültig Leopold Karl Müller zum Freunde geschenkt.
Müller, der um zwölf Jahre jünger als Pettenkofen und 1870 sechsunddreißig Jahre alt war, befand sich damals in einer Krise. Er hatte in diesem Jahre seine Stellung als Illustrator des Wiener politischen Witzblattes „Figaro", in der ihm sein Freund Ferdinand Lauf berger vorangegangen war und in der ihm Ernst Juch nachfolgte, aufgegeben. 1860 war ihm die Mutter, 1862 der Vater gestorben. In dessen Todesjahr hatte er jene Stellung angenommen, weil sie es ihm ermöglichte, seine vier unverheirateten Schwestern zu erhalten. Er hatte sich aber immer als Maler gefühlt und seine Tätigkeit als solcher nur blutenden Herzens mit dem Karikaturenzeichnen, für das er freilich gleichfalls ungewöhnlich begabt war, ver- tauscht. Wann es ihm seine karg bemessene freie Zeit erlaubte, griff er zu Pinsel und Palette, und ein Pariser Aufenthalt im Jahre 1867 hatte in ihm den Entschluß, sich von der zeichnerischen Journalistik loszusagen, unerschütterlich gemacht. 1870 endlich konnte er ihn in die Tat umwandeln. Sein Instinkt trieb ihn der Sonne und den Farben Italiens entgegen, die den Wiener nun einmal am raschesten und in einziger Pracht zu Venedig begrüßen, sein guter Stern brachte ihn dort mit Pettenkofen zusammen.
Der Zustand Müllers war etwas, das Pettenkofen aus eigener Erfahrung kannte, das er selbst durchlebt hatte. Auch er hatte sich von der Brotarbeit der Litho- graphie losgerissen, um Maler zu werden, auch er war es eigentlich erst durch Paris geworden. Auch er zog als Künstler und als Mensch sein Leben lang der Sonne nach, auch er liebte Venedig, liebte Italien und, was ihm seit vielen Jahren die Zigeuner waren, das sollten Müller bald die braunen und schwarzen Menschen am heiligen Nil werden, denen näherzukommen er 1870 wenigstens schon den ersten Schritt tat. Mußte Pettenkofen einerseits den Charakter und die Tatkraft des jüngeren Mannes hochschätzen und bewundern, so wird ihm, der eine so starke Neigung zur Hypochondrie hatte, anderseits das frische, wagemutige, immer froh- gelaunte Wesen desselben gar bald ans Herz gewachsen sein. Die Hauptsache aber war, daß er dem jüngeren Freunde etwas, und zwar viel sein konnte. Er war im Besitze einer reifen Meisterschaft, sein Vorbild, der tägliche Umgang mit ihm, die Gelegenheit, ihm bei seiner Arbeit zusehen und sich bei der eigenen Arbeit seines Rates erfreuen zu dürfen, das war für Müller ein gerade zu jener Zeit gar nicht hoch genug anzuschlagender Gewinst, wofür er Pettenkofen auch sein Leben lang die freudigste Dankbarkeit bewahrte. —
Wenn das Freundschaftsbündnis mit Leopold Müller auch sicherlich nicht der Anlaß war, daß sich die Beziehungen, die Pettenkofen mit der für sein Leben so
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TAFEL XXXV
HOF EINES UNGARISCHEN BAUERNHAUSES MIT ZWEI KINDERN AM
BODEN UND BUNTEN GEWANDSTÜCKEN AUF ZWEI DÜRREN BÄUMEN.
ÖLBILD. (1874?) WIEN, LUDWIG LOBMEYR.
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Ungarischer Markt mit Schirmen. Ölbild. iS;4.
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Wien, Kunsthistorisches Hofmuseum.
bedeutungsvollen Frau verknüpften, gelöst haben, so bot es ihm doch, als dies geschah, ganz gewiß den verläßlichsten Rückhalt. Bereits im Frühjahr 1869 — so verrät der älteste der dem Autor vorliegenden letzten Briefe Pettenkofens — gieng durch dieses Verhältnis ein tiefer Riß. Schon in diesem vom 20. Mai datierten Gratulationsbrief aus Riva, zwischen dessen Schrift auf ganz entzückende Weise ein blaues Blümlein mit Aquarellfarben eingemalt ist, so täuschend, daß man es weg- heben möchte, und in dem es unter anderem heißt „ . . . sei überzeugt, daß die Innigkeit und Wahrhaftigkeit meiner Gefühle bis zum letzten Herzschlag kein Maß und keine Grenzen kennen werden" — schon in diesem Schreiben finden sich aber auch Stellen, die den nahen Bruch als unvermeidlich erscheinen lassen. Sie lauten: „Ich will im Gegenteil die volle Überzeugung aussprechen, daß Du, von richtigem Gefühl und Sinn geleitet, wohl erkennen wirst, wie wenig Du damit gewinnst, wenn Du in mir nur den Abieiter schlimmer und verwöhnter Launen siehst und daß Du Dich dabei zum mindesten um den Wert unseres Verhältnisses bringst. Welche Leere dann ! Lasse vor allem die Achtung und die Teilnahme fortbestehen ..." Und weiter: „Fördere also meine Überzeugung von Deiner innigsten Teilnahme für mich, belebe dadurch meinen Mut und meine Kraft, reibe den letzten Rest meiner Gesundheit nicht durch Gemütsreizungen auf und nehme dagegen alles, was ich zu bieten imstande bin — meine besten und edelsten Ge- fühle bis ans Ende meines Lebens." Diese Sätze charakterisieren nicht nur das Verhältnis der beiden Menschen zueinander, wenigstens zur Zeit, als sein Ende herannahte, sondern werfen auch ein grelles Licht auf Pettenkofens Gesundheits- zustand. In dem zitierten Briefe unterschreibt er sich „Hiob", in einem — inhalt- lich weniger belangreichen — vom 29. März 1872 aus Paris gar „Hiob-Lazarus". Aus der ersten Hälfte Oktober desselben Jahres sind drei Münchener Briefe Petten- kofens an die Geliebte erhalten, in denen allen es sich um ihre bevorstehende
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Ankunft in München handelt. In dem ersten dieser drei Briefe, der vom 3. Oktober 1872 datiert ist, kommt Pettenkofens Stimmung vielleicht am deutlichsten zum Ausdruck. Es heißt darin: „Auf Deine unter besseren Umständen so glückliche Absicht, hierher zu kommen, wiederhole ich Dir ungefähr, was ich Dir bereits nach Ischl geschrieben, daß der Gedanke an ein Wiedersehen hier meine Brust mit Freude, aber auch mit Sorge erfüllt, denn ich denke meiner gegenwärtig ernsten Lage, meiner krankhaften Reizbarkeit, und wie wenig dieses alles geeignet ist, Deinen möglicherweise auf Frohes und Glückliches gerichteten Erwartungen zu entsprechen oder [sie] zu verwirklichen. — Ich kann aber mein Herz nicht be- wegen, ein entschiedenes Nein zu sagen, und so überlasse ich Ausführung oder Unterlassung Deiner in diesem Augenblick gewiß besseren Einsicht, als ich selbst besitze. Ich gebe Dir dabei nur wohl zu bedenken meine sorgenvolle Stimmung und meinen kränklichen Zustand, in welchem ich keinen Augenblick vor Ohnmacht und bei größerer Erregung vor Lähmung der Glieder sicher bin, — daß wir keinen Augenblick der Freiheit hier genießen können, denn es gibt nicht Tritt und Schritt, wo man nicht auf diejenige Gattung Wiener stößt, vor welchen sich sehen zu lassen, nicht ohne Konsequenzen wäre." Der nächste vom 8. Oktober datierte Brief hängt Erinnerungen an Erlebnisse nach, die einundzwanzig Jahre zurück- liegen und mit der Geliebten zusammenhängen. In ihm wie im folgenden, der am 12, Oktober geschrieben ist, finden sich Klagen über das schlechte Wetter, die von nun an in Pettenkofens Briefen geradezu ständig werden, und kommen aber- mals die widerstreitenden Gefühle zum Ausdruck, mit denen ihn der Gedanke, die Geliebte in München wiederzusehen, erfüllt. So heißt es in dem letztgenannten Schreiben: „Mit einem Sturm von Gefühlen sehe ich Deiner Ankunft hier entgegen. Es fehlt mir wahrlich an Worten, meine vorherrschenden Gefühle hierüber auch nur annäherungsweise aussprechen zu können. Ich betrachte dieses mir noch immer als unerwartet erscheinende Wiedersehen als notwendig für uns beide, insofern ich die besten Hoffnungen darauf setze, daß es für das Gemüt unser beider ein beruhigendes sein wird. Und so sehe ich Deiner Ankunft hier als dem einzigen freudigen Ereignis entgegen, das ich noch zu erwarten haben könnte." Der nächste Brief ist der letzte, den Pettenkofen an jene Frau, die einundzwanzig Jahre hin- durch in seinem Leben eine solche Rolle spielte, gerichtet hat. Er ist nur von „Mittwoch Abend" datiert, was darauf schließen läßt, daß sich Pettenkofen mit der Adressatin an ein und demselben Orte befunden hat.
Daß dieser Brief, der schon seinem Inhalt und seiner Form nach mit den drei bereits zitierten aus der ersten Hälfte des Oktobers 1872 stammenden aufs engste verbunden ist, ihnen auch zeitlich sehr nahe steht, ist von vorneherein wahr- scheinlich. Daß er überhaupt zu ihnen gehört, geht auch daraus hervor, daß er mit ihnen zusammen aufbewahrt worden ist, als das Ende der Reihe von Briefen, die Pettenkofen im Laufe von mehr als zwei Jahrzehnten an jene Frau geschrieben hat, — ebenso wie ja auch der Anfang dieser Briefe bis auf unsere Tage erhalten worden ist.
Am 30. Oktober 1872 war Pettenkofen noch in München, weil er an diesem Tag von da aus an Franz Xaver Mayer schreibt. So führt alles darauf hin, daß
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Karren mit Eseln. Ölbild. 1874.
Wien, Eugen Miller v. Aichholz.
jener Brief in der zweiten Oktoberhälfte in München, und zwar während der An- wesenheit jener Frau geschrieben worden ist. Er ist ganz kurz gehalten, der Schrift merkt man deutlich die Erregung an, die Geliebte ist mit „Sie" angeredet, und es fehlt die Unterschrift. Ihr Brief habe auf ihn einen größeren Eindruck ge- macht, als sie sich wohl vorgestellt haben möchte. Aus Gesundheits- und Ge- schäftsrücksichten könne er sie erst in den nächsten Tagen um einige Minuten bitten. Das ist der Inhalt. Auf dieses Schreiben hin scheint der endgültige Bruch, vermutlich in Form eines Briefes der Frau, erfolgt zu sein. Die Befürchtungen, die Pettenkofen vor dem Zusammentreffen hegte, hatten sich bewahrheitet. Am 13. Dezember 1872 schreibt er noch immer aus München an Franz Xaver Mayer: „Mir fehlt die Gabe, mich schriftlich mitteilen zu können, sobald ich von mir selber sprechen soll. Ich fühlte wohl, daß ich Ihnen so manche Erklärung schuldig sei. Aber sobald ich im Schreiben warm geworden, fühle ich auch immer, daß dies alles doch nur Dinge seien, die nur mir als wichtig erscheinen können. [Ich] hoffe, Sie im nächsten Sommer wiederzusehen und mich mit Ihnen aussprechen zu können." Diese Worte enthalten eine weitere Bestätigung dafür, daß jenes Ver- hältnis im Herbst 1872 in München sein Ende gefunden hat.
Das Facit des merkwürdigen Liebesbundes zu ziehen, ist natürlich schwer. Im allgemeinen wird man sich geneigt fühlen, seine Wirkung auf Pettenkofen eher als ungünstig, denn als günstig anzunehmen. Seinem Gesundheitszustand hat es zweifellos geschadet und damit auch seiner künstlerischen Produktion. Doch gilt dies wohl nur von der zweiten Hälfte der sechziger Jahre an. In den fünfziger Jahren hätte Pettenkofen kaum mehr schaffen können, als er geschaffen hat, und daß damals seine Liebe zu jener Frau für seine Malerei ein Ansporn war, ist ganz wohl möglich, gewiß empfand er sie damals als kein Hindernis. Alle Schuld
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am schließlichen Bruch der Frau zuzuschreiben, wäre sicher falsch. Wie die Dinge lagen, mußte das Ende einmal kommen. Daß es nicht auf eine versöhnlichere Art kam, daran war wohl das Temperament beider schuld. Daß die Frau das Maß des Gewöhnlichen überragt hat, beweist die Liebe, die Pettenkofen durch mehr als zwanzig Jahre für sie gefühlt hat. Als ausgemacht aber kann gelten, daß sie ein „robusteres Gewissen" und eine kräftigere Natur besessen hat als er. —
Das dritte Moment, das den Eintritt der neuen Periode von Pettenkofens Leben bestimmt, ist sein Aufenthalt in Italien, der sich nun nach dem „venti settembre" als künstlerisch fruchtbar zu erweisen anfängt. Nicht sogleich. Wenigstens ist Pettenkofen nicht sogleich imstande, italienische Motive zu verarbeiten. Aber er vermag in Venedig zu malen, vorderhand bloß Bilder, zu denen er sich die Studien aus Szolnok mitgebracht hat. Erst von seinem Aufenthalt in Neapel im Winter 1873 an beginnen die italienischen Vorwürfe unter seinen Werken eine Rolle zu spielen, die ihnen bis zu seinem Tode unbestritten bleibt. Von jenem Aufenthalt am parthenop eischen Golf an ist Szolnok nicht mehr der ausschließliche, kaum mehr der bevorzugteste Ort, von dem her sich Pettenkofen Anregungen für seine Bilder holt.
Es ist für Pettenkofens und Müllers Freundschaftsverhältnis charakteristisch, daß Pettenkofen zu jenem Neapolitaner Aufenthalt, der in seiner künstlerischen Ent- wickelung Epoche machen sollte, durch Müller veranlaßt, fast könnte man sagen: gezwungen wurde.
Müller plante, angeregt durch seinen Freund Jettel, den die Lektüre von Grego- rovius mit einer schwärmerischen Sehnsucht nach Sizilien erfüllt hatte, *) für den Winter 1872 auf 1873 mit Jettel zusammen eine Reise nach Neapel und Sizilien und suchte von Wien aus Pettenkofen, der damals in München weilte, zu bewegen mitzufahren. In einem Briefe vom Allerseelentage des Jahres 1872 aus München erbittet sich Pettenkofen Bedenkzeit, in einem vom 12. November lehnt er ab.
Der erste Brief ist für Pettenkofens Gemütsverfassung und Gesundheitszustand während jener Zeit — er hatte eben mit der Geliebten für immer gebrochen — zu bezeichnend, als daß er nicht zum größten Teil hier wiedergegeben zu werden ver- diente. Es heißt darin: „Lieber Figaro! Teurer Freund! Ich trage seit fünf Tagen Ihren lieben Brief im Sack herum, ohne ihn erwidern zu können, so sehr hat mich dieser mit Wünschen und Zweifeln in Bewegung gesetzt. Nichts in der Welt hätte mich auch in diesem Augenblick mit lebhafteren Gefühlen erfüllen können. Ich er- kenne in Ihrem herzlichen Antrag einen mir vom Glück gebotenen Moment, meine Gesundheit, mein Gemüt und meine geringen Fähigkeit[en] zu verbessern, die alle zusammen der Verbesserung gar sehr bedürfen und wozu Sie mir den freund- lichen und vielversprechenden Anlaß bieten. Aber ich bin durch meinen fortwährend leidenden Gesundheitszustand, der mich seit mehr als einem Jahre an allen ern- steren Anstrengungen hindert, zum Grübler und Zweifler geworden, und ich ge- stehe offen und mit nicht geringem Schmerz, daß mir in diesem Zustande, welchen ich selbst als einen gemütsversunkenen erkenne, eine solche Reise wie eine sehr große Unternehmung vorkommt, zu welcher mich zu entschließen ich in diesem Augenblick nicht die nötige Energie habe. Aber die lebhafte Vorstellung einer
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TAFEL XXXVI
HOF EINER UNGARISCHEN BAUERNWIRTSCHAFT; DARIN EINE BÄUERIN, DIE HÜHNER FÜTTERT. ÖLBILD. (1874?) WIEN, WILHELM KUFFNER.
Ungarische Ochsengespanne. Ölbild. 1874.
Wien, Kunsthistorisches Hofmuseum.
solchen Reise mit Ihnen, den ich als Mensch[en] [?] wie als Künstler gleich hoch schätze und liebe, hat eine so mächtige und bewegende Kraft für mich, daß ich ohne heftigen inneren Kampf nicht darauf verzichten könnte."
Müller folgt seinem Dämon und ist schon ungefähr Mitte Dezember 1872 mit Jettel in Sizilien. Goethe nennt Sizilien den Schlüssel zu Italien. Für Müller ward es der Schlüssel zu Afrika, denn schon den nächsten Winter 1873-74 verbringt er in Ägypten.
Unter dem 19. Dezember schreibt Müller aus Palermo an Pettenkofen in Mün- chen, anknüpfend an den Eindruck, den ihm und Jettel das malerische Durcheinander in Neapel gemacht hat: „Ein über das andere Mal schrein wir wie auf Kommando: Ach! wenn der Pettenkofen jetzt hier wäre!"
Ungefähr einen Monat später entschließt sich Pettenkofen tatsächlich, die Reise nach Neapel anzutreten. Er fährt am 18. Jänner 1873 von München weg, hält sich ein paar Tage in Venedig, ein paar in Rom auf und ist am 3. Februar in Neapel. Sein Begleiter ist der heutzutage in Salzburg lebende Maler Theodor Ethofer, den Pettenkofen „Etti" nannte und mit dem er sehr gut war. Pettenkofen erwähnt Et- hofer zum ersten Mal in dem oben ausführlich zitierten Brief an Müller aus Mün- chen, und zwar so, daß daraus zu schließen ist, er habe bereits vergangenen Sommer (1872) in Venedig näher mit ihm verkehrt.
In einem nicht mehr erhaltenen Telegramm, das Pettenkofen noch am Tage seiner Ankunft Müller nach Palermo gesandt haben muß, scheint er dem Freunde seine Unzufriedenheit mit Neapel ausgedrückt zu haben. Müller antwortet am fol- genden Tage, er sei sprachlos darüber, daß Pettenkofen Neapel nicht gefalle. Von Venedig sei er so begeistert und Neapel gefalle ihm nicht! Auf das hin traue er
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sich nicht mehr, Pettenkofen nach Palermo zu rufen (was er vorher unter Hinweis darauf, daß Pettenkofen die kleine Seefahrt von Neapel aus nicht scheuen solle, zweimal getan hatte). „Ein sehr warmer Freund Ihrer Persönlichkeit und Ihrer Leistungen, Obrist Berres sagte mir am Tage vor meiner Abreise von Wien : Ach, wenn der Gustel doch nur einmal nach Neapel gehen würde! Was für eine Masse Dinge wäre nicht dort für seinen Pinsel!"
Daß es nun Pettenkofen in Neapel schlechthin nicht gefallen hat, ist selbstver- ständlich nicht richtig. Die am ersten Tage abgeschickte Depesche hatte da, wie das schon geht, in ihrer Knappheit und Voreiligkeit zu viel gesagt. In einem der ausführlichsten und interessantesten Briefe, die sich von Pettenkofen erhalten haben, ist alles Für und Wider, das er Neapel und seiner Umgebung gegenüber auf dem Herzen hatte, anschaulich vorgebracht. Der Brief, der einen Monat nach jenem Telegramm, am 5. März 1873, an Eugen Jettel geschrieben ist, sei hier nach dem Abdruck, den er am 5. Jänner 1893 im Kunstblatt der „Neuen Freien Presse" ge- funden hat, vollinhaltlich wiedergegeben:
„Lieber, werter Freund! Gestern, spät Abends, habe ich zu meiner freudigen Überraschung Ihren lieben Brief erhalten. Bei der außerordentlichen Sehnsucht, welche ich jeden Tag mehr nach einem Zusammenkommen mit Ihnen und Freund Müller empfinde, ist auch schon jede schriftliche Berührung ein freudiges Ereignis für mich. Bei meinem so großen Verlangen nach einer endlichen persönlichen Ver- einigung wäre ich kaum entschuldbar zu finden, wenn ich Sie und Müller durch übertriebene Schilderungen, namentlich von Torre del Greco, zu einem raschen Hierherkommen anlockte. Wenn auch mein im Grunde herzliches Verlangen nach Ihrer beider Gesellschaft hier, durch die Ihnen beiden eigenen vortrefflichen Eigen- schaften, nicht ganz frei von (dem Künstler erlaubtem und gebotenem) Egoismus ist, so bin ich doch zu ehrlich, meine Wünsche durch den Kunstgriff zu erreichen, daß ich Ihnen nur die Schönheiten und Reize des fraglichen Terrains, nicht aber die Mühen, Plagen und Schwierigkeiten schildere, welche es — zum wenigsten mir — unmöglich machen, da in Öl zu malen, geschweige eingehendere, größere Arbeiten im Freien zu unternehmen. Seit ich hier bin, welches ich vom ersten Sonnenschein an rechne, bin ich betäubt, seit ich versucht, zu arbeiten, wirbelt mir
der Kopf. Es fehlt mir alle Ruhe, alle Sammlung und aller Mut. Für mich
ist hier das Straßenleben und von diesem die Marktplätze das Verlockendste und durch die Aufmerksamkeit, welche ich diesen Gegenständen mit Vorliebe zuwende, das Bilderreichste. Die Effekte dieser Bilder sind durch die Menge und Mannig- faltigkeit des Durcheinandergeworfenen der Gegenstände und Farben für mich wahrhaft bezaubernd und durch die Gierigkeit, mit der ich alles dieses sehe, allein
schon verwirrend. Aber nun kommen noch all die Dinge, welche aus diesem
Chaos heraus durch die betreffenden Sinne an meine leider nicht mehr sehr starken Nerven geleitet werden. Es wäre schwer, ja unmöglich, Ihnen einen Begriif von dem bestialischen Getümmel, dem Höllenlärm, welcher der Wirkung der Dampf- pfeife gleichkommt, zu geben, wenn Sie auf Ihren Spaziergängen in Neapel nicht die Orte berührt haben, welche für mich die ergiebigsten und erfolgreichsten sein würden, wenn ich dort mehr als nur in stenographischer Eile zu skizzieren im
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TAFEL XXXVII
ALTE VENEZIANERIN MIT VOGELKÄFIGEN. ÖLBILD. (1874.) WIEN, FRANZ
XAVER MAYER.
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TAFEL XXXVIII
ALTE VENEZIANERIN, SICH SCHNEUZEND. ÖLBILD. 1874. WIEN, EUGEN
MILLER V. AICHHOLZ.
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TAFEL XXXIX BLUMENSTÜCK. ÖLBILD. 1874. WIEN, EUGEN MILLER V. AICHHOLZ.
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Ungarisches Bauernfuhrwerk. Ölstudie.
Wien, K. k. Österreichische Staatsgalerie.
Stande wäre. Aber auch dieses ist mir bei meiner immer wachsenden Empfind- lichkeit kaum möglich durch das viehische Umdrängen des tumult- und spektakel- süchtigen Gesindels, sobald man nur den Blick an etwas heftet und einen Blei- stift in der Hand zeigt. Es ist mir außerordentlich schmerzlich, diesen Bil- dern, welche mich, ich kann sagen, zauberhaft anzogen, im Bewußtsein meiner künstlerischen und physischen Schwäche zu entsagen. Ich fühlte mich dadurch um- somehr angetrieben, in der Nähe von Neapel einen ruhigen und für mich mög- lichen Ort zu finden. Von allem, was ich bis jetzt gesehen, ist Torre del
Greco nach meiner Wahl am bilderreichsten sowohl in seinen Straßen, seinen Schiffs- bauplätzen am Meere, als auch in seinen Bauernhöfen, die letzteren (zwar in kleinem Räume) mit landschaftlicher Umgebung und Hintergrund; diese Bauern- höfe müssen Ihnen, wenn sie einmal nebst dem reichen Pflanzenwuchs, welcher sie jetzt ziert, den Schmuck des Sommers, das Laub der Rebendächer und des
Feigenbaumes haben, so manches herrliche Bild geben. Torre del Greco ist
eine ansehnliche, an den Berg aufsteigende Stadt, auf Lava (an den Ufern von prächtiger Farbe und auch Form) erbaut und sehr stark bevölkert. Aber, obgleich hier eine Menge reicher Leute wohnt, gibt es doch nur die dreckigsten und elend- sten Spelunken von Wirtshäusern, in denen eine Existenz nicht möglich ist. Man könnte hier sicherlich wohnen, vielleicht sogar gut wohnen, leben aber könnte ich hier nicht, da ich rücksichtlich meiner nicht starken Gesundheit auf Fleischnahrung und trinkbares Wasser, welches beides hier nicht zu finden ist, angewiesen bin. Aber dies wäre bei der geringen Entfernung (20 bis 25 Minuten Eisenbahn) von Neapel kein Grund, daß ich mich dort nicht schon in verschiedene Arbeiten ein- gelassen, wenn ich die Beunruhigungen bei der Arbeit zu ertragen im Stande wäre,
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welchen der Maler an diesen Orten durch die Bestialität des lärmenden, hailo- henden, skandalsüchtigen Gesindels ausgesetzt ist, welches sogleich einen engen Kreis um ihn schließt, sobald er nur Miene macht, sich vor einem Gegenstande festzusetzen ; dann folgt noch regelmäßig die tumultuarische Begleitung dieser Bande, wie dies bei den die Bevölkerung eines Städtchens zur Vorstellung ladenden Aus- trommlern einer Seiltänzertruppe der Fall zu sein pflegt. Bei einiger Sprach- kenntnis, welche ich gar nicht, Ethofer nicht genügend in der Mundart besitzt, bei etwas weniger empfindlichen Nerven wie die meinigen wäre es wol leicht möglich, diese für mich wirklichen Hindernisse nach und nach zum Teile zu entfernen,
zum Teile zu gewöhnen. Ich möchte wol wissen, wie andere es machen,
solche Beschwernisse zu umgehen oder zu ignorieren! Wol denkbar aber ist
es mir, daß sie von vielen anderen von [wo] immerher empfunden wurden, was ich daraus zu schließen geneigt bin, daß man bei dem hierzulande unsäglichen Reichtum von Bildern so erzjämmerlich wenig wahrhaft gute Bilder von daher zu sehen bekommt, und das beste, O. Achenbach, ist, wenn man die Natur hier
mit strengem Auge gesehen, doch nur dekorativer Art. Ich habe Ihnen mit
diesem nur die Schwierigkeiten gegeben, welche ich selbst finde, ohne mich in Vermutungen einzulassen, ob dieselben auch Bezug auf Sie und Müller haben würden. Jedenfalls sind der Landschaftsmalerei in dieser Art große Erleichterungen
zugestanden. Ich denke Sie mir in Palermo in der göttlichen, ländlichen Ruhe,
welche ich so unsäglich für mich wünsche, um auch nur zum allergeringsten, be- scheidensten Teile den Anforderungen gerecht werden zu können, welche ich,
von augenblicklicher Täuschung hingerissen, hier an mich selbst stelle. Ich
möchte Sie und Müller um keinen Preis bewegen, auf Illusionen hin Ihre Abreise von Palermo zu beschleunigen. Aus den Illustrationen Freund Müllers (leider fehlt mir ein weiter eingehender Vergleich), für welche ich ihm heute noch den Dank schuldig bin, weiß ich wol mit Bestimmtheit (nach individueller Ansicht) zu sagen, daß Sie in Torre del Greco gleich diesen für Sie vollkommen geschaffene Gegen- stände, wenn auch von anderem Charakter, finden würden, aber ich möchte nicht um den Preis unseres von mir ersehnten Zusammenkommens die Verantwortung übernehmen, daß Sie auch die Bequemlichkeiten, welche Sie sicherlich in Palermo haben werden, hier finden würden, mit welchen eingehendes Schaffen und Vollen- den vor der Natur allein denkbar ist. Mit wirklichem Schmerz spreche ich diese Gedanken aus, denn dadurch wird die Aussicht auf unsere Vereinigung gewiß nicht nähergerückt, von der ich eine große und wohltätige Wirkung für mich zu
vermuten mich nicht entschlagen kann. Sie beide würden mich mit dem
Ihnen eigentümlichen Wert ermutigend anregen, und Müller würde mir mit seiner beweglichen, frischen Tätigkeit und seinem unverdrossenen praktischen Vorgehen über manche kleinliche Bedenken und Ungeschicklichkeiten hinweghelfen; ein persönlicher Austausch würde wohltätig ermunternd sein. Ich würde dann viel- leicht nicht denken, daß es möglich sein könnte, daß ich vielleicht schon in wenigen Tagen, gleich Tannhäuser, diesen Reizen (diesen Ueberreizen könnte ich wol sagen) ohne die Potenz der Befriedigung (vielleicht auch Tannhäusers Fall) den Rücken kehre — um von einem Katzenjammer in den andern zu verfallen. Bei der
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etwas getrübten Stimmung, wel- cher ich mich mit jedem Tage weniger entschlagen kann, würden mich einige Stellen Ihres lieben Briefes noch trauriger gestimmt haben, hätten die Randverzierun- gen des den Nagel immer auf den Kopf treffenden , Figaro' nicht einen völligen Umschlag bewirkt. Möge er diesen meinen herzlichen Dank mitnehmen für den frohen Lacher, welchen er unbewußt her- vorgerufen. — Einer freundlichen Erwiderung entgegensehend, grüße ich Sie wie Figaro. Mit ganzem Herzen Ihr Pettenkofen."
Die Stadtteile Neapels, wo sich noch bis auf den heutigen Tag das ursprüngliche Volksleben mit all seiner malerischen Buntheit und Bewegtheit, mit seinem Lärm und Schmutz und der ihm eigentüm- lichen Drastik erhalten hat, schwin- den immer mehr und mehr dahin. Sie werden von den Einheimi- schen mit einem Ton, in dem sich Stolz und Wehmut mischen, „Na- boli vecchia" genannt. Wer je- mals dort auch nur mit dem photo- graphischen Apparat eine Moment- aufnahme zu machen versucht hat, wird zugeben, daß Pettenkofens Schilderung nicht allzu übertrieben und hypochondrisch ist. Petten- kofen und Ethofer aber hatten mit noch ganz anderen Unannehmlich- keiten zu kämpfen, als in dem Brief an Jettel aufgezählt sind. Abends besuchten sie beide einen Aktkurs an der Accademia delle belle arti. Einmal war es im Saal besonders ruhig. Plötzlich unterbrach ein fürchterlicher Knall die Stille, es knatterte und zischte und Rauch stieg auf, als ob die Hölle los wäre. Die beiden Freunde, die in der letzten Reihe saßen, flohen entsetzt, ihre Zeichenbretter in Stich lassend, zur Tür. Ein ungeheueres Gelächter folgte ihnen. Die Schüler, natürlich lauter junge, tolle Kerle und miteinander im Einverständnis, hatten ein geräuschvolles Feuerwerk abgebrannt. Das war selbstverständlich für Pettenkofens Nerven zu
Junge Venezianerin, im Gebetbuch lesend. Ölbild. 1874. Wien, Eugen Miller v. Aichholz.
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viel, und mit dem Aktzeichnen war es aus. Ein anderes Mißgeschick traf ihn beim Aquarellmalen in Torre del Greco. Er bemerkte nämlich, daß die blauen Schatten auf seinen Blättern ausbleichten, und zwar auch dann, wenn er sie nach- malte. Als Ursache dieser ärgerlichen Erscheinung wurde ihm später mitgeteilt, daß er wahrscheinlich beim Malen schwefelhaltiges Wasser benützt hätte. 0
Immerhin verblieb Pettenkofen bis Ende Mai am Golf von Neapel, und die künstlerische Ausbeute, die er von dort mitnahm, war reich genug. Freilich ist er nie mehr wieder hingefahren. Zu Müller und Jettel nach Palermo reisten Petten- kofen und Ethofer nicht, weil diese auf eine dringliche Anfrage, ob dort wirklich künstlerisch mehr zu holen sei als in Neapel, telegraphisch antworteten: „Neapel ist allerdings malerischer." Damals suchten Pettenkofen und Ethofer auch den neapolitanischen Maler Domenico Morelli auf, um von ihm zu erfahren, wo es malerische Punkte gebe.^)
Am 29. Mai 1873 fuhr Pettenkofen nach Rom. Dort verweilte er wieder nur ein paar Tage, während deren er mit Fortuny, Villegas und Ramon Tusquez zu- sammentraf. Von da gieng's über Perugia und Florenz nach Venedig, wo er einen knappen Monat bis zum 3. Juli blieb.
Venedig nun ist derjenige Ort Italiens, wo sich Pettenkofen vom Beginn der siebziger Jahre an am längsten und häufigsten aufhält. Im Winter 1870 ist er dort, im Herbst 1871, in den Sommern 1872 und 1873, dann vom Oktober 1873 bis in den Juli 1874 hinein und in den Sommern 1875, 1876 und 1877, die Jahre 1878 und 1879 freilich kommt er nicht hin.
Dann verweilt er, abgesehen von kürzeren Aufenthalten wie dem eben erwähnten, ein paar Mal längere Zeit in Rom. Schon den Winter 1873 auf 1874 möchte er am liebsten dort verbringen, ohne Angabe der Gründe aber schreibt er sowohl Kratzer (am 3. November 1873) als auch Mayer (am 6. November 1873), daß dorthin zu gehen für ihn unmöglich sei. Wußte er vielleicht jene Frau dort, von der er sich vor einem Jahre für immer geschieden hatte und der er nicht begegnen wollte? 1875 endlich bringt er die Zeit vom 19. Jänner bis zum 14. April in Rom zu und noch am 27. November desselben Jahres kommt er wieder hin, bleibt bis zum 22. Dezember dort und hält sich dann, obwohl er sich in einem Brief vom 26. Dezember aus Florenz an Franz Xaver Mayer über die Teuerkeit der römischen Ateliers beklagt, vom 8. März 1876 bis zum 5. Juni 1877 abermals dort auf. Während sich aber unter Pettenkofens Arbeiten vom Jahre 1873 an mit Sicherheit Motive aus Venedig nachweisen lassen, hat er wedef aus Rom, noch aus dessen Umgebung Vorwürfe für seine Bilder geschöpft. Aber er vermochte dort zu ar- beiten. Was ihm sonst die ewige Stadt geboten haben wird, ist überflüssig auch nur mit einer Silbe zu streifen. Im Hinblick auf die malerische Ausbeute verhält es sich mit Florenz, wo er im Winter 1875-76 am längsten (vom 22. Dezember bis zum 8. März) verweilte, ähnlich wie mit Rom. Dagegen findet er in Assisi, wo er sich 1876 vom 7. Juni bis zum 9. Juli aufhält, Themen, die ihn malerisch interessieren. Gleicherweise fruchtbar oder mindestens anregend scheint sich ein Aufenthalt in Belluno und in dessen Umgebung während des Sommers 1875 er- wiesen zu haben. Bevor er in diesem Jahre dorthin gegangen ist, schreibt er Kratzer am
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16. Juni aus Ve- nedig, und eine Stelle dieses Brie- fes, die ebenso sein Verhältnis zu Venedig wie zu den tirolischen und Venezianer Alpen beleuchtet, sei hier wiedergegeben. Zu- erst beklagt er sich über die Hitze in Venedig, die ihm körperlich sehr schlecht bekomme und ihn zur Ab- reise zwinge; die- se falle ihm sehr schwer, weil er keinen Ort kenne, der ihm zur Erho- lung und Arbeit zu- gleich passend wä- re. Dann heißt es weiter: „Ohne Ar- beit halte ich es nirgends vierund- zwanzig Stunden aus ; die Ruhe, wel- che ich so sehr brauche und wel- che ich in unseren Gebirgsländern fin- den würde, würde mich in kürzester Zeit — ermorden, denn ich würde da gewiß nicht malen
können, da ich mich nicht begnügen kann, Bauernhütten oder dergleichen darzu- stellen. Es ist mein besonderes Verlangen, in den paar Monaten, welche ich noch meine Studien fortsetze, der italienischen Rasse nahe zu sein, und so werde ich in den nächsten Tagen von hier ins venezianische Gebirg gehen."
Was Pettenkofen sonst während der siebziger Jahre von Italien gesehen hat, teilt das im Anhang abgedruckte Itinerar mit. —
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Stubeninneres mit Hündchen. Ölbild. 1875.
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Wien, Ludwig Lobmeyr.
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Pettenkofen hat am Golf von Neapel, durch die Ungunst der Verhältnisse dazu gezwungen, nur Aquarelle gemalt. Es sind große, äußerst flotte Arbeiten, die be- sonders im Licht und in der Farbigkeit ihresgleichen suchen. Das Aquarell, das in den sechziger Jahren etwas hinter die Ölmalerei hatte zurücktreten müssen, begann damit aufs neue in Pettenkofens Schaffen eine wichtige und glänzende Rolle zu spielen. Was diese Neapolitaner Aquarelle aus dem Winter des Jahres 1873 von denen der fünfziger Jahre unterscheidet, ist vor allem die größte Naturwahrheit, der völlige Mangel irgend welcher, auch der schwächsten Manier. Aber auch der Pinselzug hat auf ihnen eine Kühnheit und Sicherheit erlangt, wie sie bisher noch nicht zu sehen war. Es sind reine Wasserfarbenmalereien, das höchste Licht ist das W^eiß des Papiers, mit dem die trotz Ausbleichen und Übermalen noch immer wirkungsvollen bläulichen Schatten lebhaft kontrastieren. Die Themen dieser Aqua- relle sind ungefähr folgende: Hof- und Gassenwinkel, belebt durch bunte Wäsche- stücke, die zum Trocknen aufgehängt sind, durch Grünzeug, durch rotgebrannte Tongefäße, durch einen angeschirrten Maulesel oder ein arbeitendes Weib; Bäuerinnen vor ihrem Haus mit Netzflicken, in ihrem Garten mit Gemüse oder Blumen, in ihrer Stube mit Vogelkäfigen beschäftigt; an den Strand gezogene dunkle Fischerboote, von vorne, von der Seite, mit herabgelassenen und mit ein- gezogenen Segeln, sich vom hellblauen Meer abhebend oder in der Farbe gut zum düstern Wolkenhimmel stimmend; ein Fischer an seine Barke gelehnt; braune Muli allein oder mit ihrem Treiber, leer oder beladen ; ein Hund, an ein Bäumchen gekettet, dessen dürres Geäst auf eine grell von der Sonne beschienene Wand einen wirren Schatten wirft; eine Küche mit einem offenen Herd, einem kleinen Mädchen und zwei Katzen; die Stube ejnes Bauernhauses mit einer braun und schwarz geräucherten einmal absetzenden Holztreppe, mit Kupfergeschirr an der Wand und einer Frau, die auf einem Sessel sitzt und näht.
Die meisten dieser Aquarelle befinden sich im Besitz Ludwig Lobmeyrs, dessen Name von Pettenkofen zum ersten Mal am 17. Juli 1873 genannt wird. An diesem Tage verkauft er ihm 14 Aquarellstudien. Es ist anzunehmen, daß alle 14 Stück Motive vom Golf von Neapel zu Gegenständen hatten.
Hier sind abgebildet: „Die Netzflickerin", „Die Fischerbarken am Strand von Portici", „Die Bäuerin aus Torre del Greco, die im Garten mit Blumentöpfen be- schäftigt ist" und der „Innenraum mit der Stiege und der nähenden Bäuerin". Alle vier Blätter gehören Ludwig Lobmeyr.
Ein Ölbild, gleichfalls bei Ludwig Lobmeyr, das den Hof eines italienischen Bauernhauses darstellt (an dem vom vollsten Sonnenlicht getroffenen Pfeiler eines dunkeln Schuppens sitzt eine Bäuerin, ober dem Dach des Schuppens ist Wäsche aufgehängt) geht aller Wahrscheinlichkeit nach gleichfalls auf den Neapolitaner Aufenthalt im Winter des Jahres 1873 zurück. Es erinnert stark an die aus den fünfziger Jahren stammenden Bilder in der Art des Decamps, doch ist es viel lockerer und weicher gemalt.
Unter den Neapler Aquarellen im Besitz Ludwig Lobmeyrs stellt eines eine alte Bäuerin dar, die ein rotes Tuch auf dem Kopf hat und sich mit einem Vogel- käfig auf dem Tisch vor ihr zu schaffen macht. Aus dieser Naturstudie ist das
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Vor der Schmiede. Ölbild.
Wien, Ludwig Lobmeyr.
im Jahre 1874 zu Venedig gemalte Ölbild im Besitz Franz Xaver Mayers hervor- gegangen. Das Hauptmotiv der mit dem Vogelbauer beschäftigten Alten ist ge- blieben, ihr rotes Kopftuch ist der lebhafteste Farbfleck des ganzen Gemäldes. Doch
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ist nicht nur der liebevoll behandelte Hausrat, sondern auch, man möchte sagen: die malerische Haltung des Bildes venezianisch geworden. Das Licht ist gedämpft, alles ist von einem leicht verschleiernden Helldunkel umflossen, der Gesamtton ist ungemein warm, die Malweise weich und locker.
Andere Ölbilder, nicht nur in Venedig gemalt, sondern auch venezianische Mo- tive darstellend, sind: das Kniestück eines stehenden Mädchens, das im Gebet- buch liest, ein im Kirchenstuhl knieendes und betendes Mädchen, eine sitzende Alte, die liest, und eine (es ist dasselbe Modell), die sich schneuzt.
Auch diese kleinen Bilder sind ungemein warm im Ton und sehr locker und flüssig gemalt. Besonders die beiden „Betenden Mädchen" sind viel einfarbiger als die „Alte mit dem Vogelkäfig", ein goldiges Braun ist auf allen diesen Bildern die bestimmende Farbe. Die „Sich schneuzende Alte" fällt durch ihre Drastik auf. Vor- würfe wie dieser oder die „Lausende Zigeunerin" vom Ende der fünfziger Jahre zeigen Pettenkofen als einen Nachfolger der Niederländer des XVII. Jahrhunderts. Alle diese Bilder sind vom Jahre 1874 datiert, die beiden „Betenden Mädchen" vom Mai dieses Jahres. Ebenfalls in diesem Monat ist ein Bildchen mit einem seltenen Vorwurf entstanden: auf einem Kommodeneck steht ein großer weißer blau- geblümter Blumentopf, der mit weißen Pfingstrosen gefüllt ist ; vorne unten flattern zwei Schmetterlinge. Die Struktur der Blumenkörper kommt nur, und zwar meisterhaft, durch die Art, wie das pastose Weiß aufgetragen ist, zum Ausdruck.
Das „Stehende betende Mädchen", die „Sich schneuzende Alte" und das Blumenstück gehören Eugen Miller v. Aichholz, den Pettenkofen in seinen Tagebüchern am 15. November 1874 zum ersten Mal nennt. Pettenkofen hat an diesem Tage Herrn von Miller für 15.250 Gulden 18 Bilder verkauft, darunter auch die genannten.
Daß Pettenkofen mit den Hauptkäufern seiner Werke — wie mit Gsell und Mayer sen. so von nun an mit Lobmeyr und Miller von Aichholz — , bis der Tod dazwischen tritt, in freundschaftlichem Verhältnis gestanden ist, legt gewiß für ihn als Menschen das denkbar günstigste Zeugnis ab.
In Florenz wurde 1876 das Grisaille-Brustbild eines Knaben gemalt.
In Assisi interessierten Pettenkofen zwei Motive: ein Garten, den er mit einem Mönch staffierte und noch in der Mitte der achtziger Jahre auf dem Ölbild ver- wertete, das in den Besitz Franz Xaver Mayers übergegangen ist,0 und eine Küche. Das letztere Motiv ist als ein aus der Stadt des heiligen Franz herrührendes durch das Ölbild, das eine in einer Küche vor dem Kamin sitzende und spinnende Bäuerin darstellt, und die Bezeichnung: „Assisi 1876"^) trägt, gesichert.
Bei der Feststellung der Motive dagegen, die Pettenkofen während der siebziger Jahre aus den venezianischen Bergen geholt hat, ist man auf das Raten angewiesen. Vielleicht ist das entzückende Bildchen im Besitz des Fürsten Liechtenstein, das die reich mit Blumengeschirr ausgestattete Dachterrasse eines italienischen Bauern- hauses darstellt, dort entstanden. Aus den siebziger Jahren stammt es jedenfalls. Diesem Bilde steht gegenständlich und technisch ein vom Jahre 1876 datiertes im Besitz Franz Xaver Mayers nahe. Es stellt eine Brüstung dar, auf der aller- hand Gefäße: Kübel, Kisten, Gartengeschirre mit südlichen Pflanzen und Blumen stehen, um die Schmetterlinge spielen. Ist am Ende gleich dem vorigen dieses Bild
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TAFEL XL
ZWEI UNGARISCHE BAUERNKINDER BEI SONNENBLUMEN. ÖLBILD. (1876.) WIEN, K. K. ÖSTERREICHISCHE STAATSGALERIE.
in Assisi und nicht in den Bergen des Veneto entstanden? Vielleicht gibt aber die Ölskizze, die in einem Garten ein Mädchen bei Vogelkäfigen darstellt, 1877 von Pettenkofen Karl v. Kratzer gewidmet worden ist und sich heute in der Öster- reichischen Staatsgalerie befindet, eine Anregung aus einem Orte im veneziani- schen Gebirg wieder.
Den italienischen Bildern stehen noch immer, wenigstens so zahlreich wie diese, die ungarischen gegenüber. Die in die erste Hälfte der siebziger Jahre datierbaren ungarischen Bilder sind vorwiegend sehr kleinen Formates. Hierher gehören zum Beispiel die beiden „Ungarischen Märkte", die denselben Hintergrund haben, deren Figurales aber verschieden ist, nur Gänse finden sich beide Male im Mittelgrund. Das eine Bildchen gehört Ministerialrat Johann Földi in Budapest, das andere dem Kunsthistorischen Hofmuseum in Wien. Der verhältnismäßig große und in der Regel ziemlich leer belassene Vordergrund — er erinnert unwillkürlich an photo- graphische Aufnahmen, die Pettenkofen, nebenbei bemerkt, um jene Zeit bereits dann und wann für seine Bilder benützt hat') — der so beschaffene Vordergrund namentlich des Bildchens beim Ministerialrat Földi wird von nun an für die Quer- stücke dieser Art charakteristisch. Auch die beiden Märkte, der eine bei grauem Wetter, der andere bei Regen, jener im Besitz der Österreichischen Staatsgalerie, dieser das Eigentum Ludwig Lobmeyrs, gehören hierher. Sie sind mit Sicherheit in den Anfang der siebziger Jahre zu datieren. Drei Bildchen, sämtlich aus dem Jahre 1874, schließen sich abermals zu einer Gruppe zusammen. Das eine mit sehr großem Vordergrund stellt zwei ungarische Markt-Plachenwagen mit Ochsen- gespannen dar, das andere einen ungarischen Markt mit Verkäufern, die auf dem Boden sitzen und sich gegen die Sonne mit Schirmen schützen, das dritte endlich den Piachenkarren eines ungarischen Bauern, der aus einer an der Deichsel befestigten Futterraufe seine drei ausgesträngten Esel fressen läßt. Charakteristisch ist für diese drei Bildchen nicht so sehr der goldbraune Ton, den wir bereits auf den venezianischen Bildern des Jahres 1874 kennen gelernt haben, als vielmehr die gänzlich aufgelöste, auf ein Zusammengehen der groben Pinselstriche bei Be- trachtung aus der Ferne berechnete fleckige Malweise, die man, wenn man wollte, impressionistisch nennen könnte. Alle drei Bilder wurden im Jahre ihres Ent- stehens zusammen mit den bereits angeführten venezianischen vom Künstler an Eugen Miller v. Aichholz verkauft, das „Eselsgespann" befindet sich noch in dessen Besitz, der „Markt mit Schirmen bei Sonnenschein" und die beiden „Ochsen- züge" gehören dem Kunsthistorischen Hofmuseum.
Das Bildchen mit der ungarischen Bäuerin, die inmitten der Strohschober ihrer Wirtschaft die Hühner füttert, gehört infolge seines warmen Gelbbraun und seiner flotten Tupftechnik gleichfalls hierher. Es befindet sich heute im Besitz Wilhelm Kuffners in Wien und ist aller Wahrscheinlichkeit nach identisch mit dem von Pettenkofen selbst als „Bauernhof (Hühner)" bezeichneten Bilde, das er am 15. November 1874 Eugen Miller v. Aichholz verkauft hat.
Am 24. Juni 1874 schreibt Pettenkofen von Venedig aus an Franz Xaver Mayer in Wien und schickt ihm zugleich ein Kistchen mit drei kleinen Bildern zur freund- lichen Aufbewahrung. Von den Bildern heißt es im Brief: es sind „Kleinigkeiten,
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Arbeiten, die ich hier gemacht habe, um die Übung im Kleinmalen zu erhalten oder neue Erfahrungen darin festzuhalten." Es ist zweifellos, daß es sich hier um Arbeiten von der Art der eben besprochenen, wenn nicht gar um drei von ihnen selbst handelt.
Ein Bild größeren, ja für Pettenkofen geradezu großen Formates wird vielleicht hier am besten einzureihen sein. Es hat gleichfalls ein ungarisches Motiv, ein von vorne gesehenes Bauerngespann auf der Puszta, zum Vorwurf, die fleckige, fast wilde Malweise ist, vergröbert, ungefähr die der beiden Bildchen mit den Eseln und den Ochsen. Nur ist die Stimmung gerade das Gegenteil von der auf diesen zwei Bildern festgehaltenen: die hier mit schweren, dunkeln, vorwiegend kalten Farben zum Ausdruck gebrachte Stimmung ist eine, wie sie bei schlechtem, dem Herbst vorauseilenden Wetter nach einem Regen an Spätsommertagen auf der Puszta zu beobachten sein mag. Das Bild, das ein falsches Monogramm hat, befindet sich in der Österreichischen Staatsgalerie. Wenn nicht in diesem Zu- sammenhang, wäre es nur schwer im Oeuvre Pettenkofens unterzubringen.
Anderer Art ist ein Bild, das Pettenkofen 1874 Ludwig Lobmeyr verkauft hat und das dieser noch besitzt. Es hat folgenden Gegenstand: Vor den zwei Türen eines niederen ungarischen Bauernhauses stehen zwei dürre Bäume, an deren ab- gekappte Äste verschiedenfarbige Lappen und Kleidungsstücke gehängt und braun und grün und grau und gelb glasierte Tongefäße gesteckt sind; zwischen den Türen auf der Erde sitzen zwei Kinder, vorne auf dem Boden liegen ein paar Kürbisse, hinter denen eine hölzerne Mulde und ein irdener Krug stehen. Die außergewöhn- liche Buntfarbigkeit des Vorwurfes ist auch hier durch das warme Goldbraun des Daches, der Türen und des Bodens zusammengehalten. Das Bild ist aber, wenn auch keineswegs glatt, so doch viel verschmolzener gemalt als die bisher bespro- chenen mit ungarischen Themen.
Ein anderes Bild — „Sonnenblumen mit Staffage" nennt es Pettenkofen selbst — hat er am 18. Jänner 1877 an Dr. Max Josef Schüler in Graz verkauft, der als Be- kannter und Käufer bereits in den sechziger Jahren aufgetreten ist. Das Bild, das nach dem Datum des Verkaufes im Jahre 1876, in dem sich Pettenkofen, nebenbei bemerkt, am längsten in Szolnok aufgehalten hat, gemalt sein wird, gehört heute der Österreichischen Staatsgalerie in Wien. Die „Staffage" besteht in zwei unga- rischen Bauernkindern, von denen das größere, ein Mädchen, das kleine, das in einer hölzernen Mulde liegt, in den Schlaf zu wiegen sucht. Das Bild, ein Hoch- stück und gleichfalls nicht groß, gibt die Sommersonnigkeit unübertrefflich wieder. Es ist ganz außerordentlich frei und locker gemalt.
Werden die „16 Bildchen", die Pettenkofen im Februar und März 1877 für 8700 fl. Herrn Theodor Eggers verkauft, als Wiederaufnahme und Fortsetzung der oben besprochenen Kleinmalereien anzusehen sein, so kann der kleine „Szolnoker Markt bei Regen", der am 26. Juni 1880 in den Besitz Franz Xaver Mayers über- gegangen ist, als die Krone von Pettenkofens Kleinmalereien der siebziger Jahre gelten. Man weiß nicht, was man mehr daran bewundern soll: den schweren blei- farbenen Regenhimmel, das gedämpft bunte Marktgewühl, den das zerstreute Licht des Regentages spiegelnden Kot der Straße oder den meisterhaft verkürzten Graben,
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der, von vielen Brettern über- brückt, links jener entlang läuft. In seinem Tagebuch nennt Pet- tenkofen selbst das Werk : „ Straße in Ungarn bei Regenwetter (klei- nes Bildchen)". Da Franz Xaver Mayer 1879 kein und 1880 nur dieses eine Bild von Pettenkofen erworben hat, so muß es mit demjenigen identisch sein, von welchem Pettenkofen in seinem Münchner Brief vom 14. März 1879 an Franz Xaver Mayer auf folgende Weise spricht: „Meine Hauptabsicht ... für dieses Jahr war, mich durch ein meinen Fä- higkeiten entsprechendes Werk in eine meine künstlerischen und bürgerlichen Ansprüche för- dernde Erinnerung zu bringen." „Es drückt mich seit langem aufs quälendste, daß ich ... es nicht zur Vollendung des Bild- chens gebracht habe, welches ich wünschte Ihnen als Beweis meiner verbesserten Auffas- sungsweise und meiner innigen und herzlichsten Verehrung zu schicken." Diese Äußerungen beweisen nicht nur, daß sich Pettenkofen mit dem Bildchen besondere Mühe gegeben, son- dern auch, daß er etwas davon gehalten hat.
Neben Ungarn und Italien beginnt von den siebziger Jahren an auch Südtirol Pettenkofen Stoffe für seine Bilder zu liefern. Im Frühling 1872 und im Spät- sommer 1873 hielt sich Pettenkofen länger in Riva auf, das ihn immer wieder zur Arbeit anregte. Wenn er von hier aus am 22. Mai 1872 Franz Xaver Mayer schreibt, daß er trachte, möglichst viel an „Aquarellen, Zeichnungen und Studien zusammenzubringen, um damit einen Verkauf vielleicht im Anschluß an einen an- deren größeren Verkauf in einem machen zu können," und daß er .„diese Tätigkeit so lange wie möglich fortsetzen" wolle, so geht aus dieser Äußerung hervor, daß er damals in Riva von der genannten leichteren Ware viel produziert hat. Aller Wahrscheinlichkeit nach besteht ein großer, wenn nicht der größte Teil der kleineren
Italienische Dachterrasse. Ölbild. Wien, Fürst Johannes von und zu Liechtenstein.
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Arbeiten Pettenkofens, die Ludwig Lobmeyr besitzt, aus solchen 1872 in Riva entstandenen Blättern.
Im August 1875 hielt sich Pettenkofen ein paar Tage in Toblach auf, in seinem Tagebuch steht neben dem Datum des 16. August verzeichnet „altes Haus (Schloß eines Herrn Klebelsberg, jetzt [Conte] Fedrigotti in Innsbruck, alte Zimmer mit bäuerischen Neuerungen)". Aus diesem im Jahre 1500 erbauten Herrenhaus hat sich Pettenkofen unter anderem das Motiv für das Bildchen „Zimmer ecke mit Hündchen" bei Ludwig Lobmeyr geholt.
Das etwa gleich große Bild „Vor der Schmiede", ebenfalls bei Lobmeyr, ist, seiner Technik nach zu urteilen, höchst wahrscheinlich ungefähr zur gleichen Zeit wie die „Zimmerecke" entstanden. Ihm kommt darum eine gewisse Bedeutung zu, weil seine Staffage, der Reiter und der Schmied, das Kostüm des XVII. Jahr- hunderts zeigt und von dem Bilde daher behauptet werden kann, daß es die Reihe der Kostümbilder aus Pettenkofens letzter Periode, wenn schon nicht eröffne, so doch vorbereite.
Im Anschluß an dieses Bild sei von einem Zug in Pettenkofens künstlerischem Wesen die Rede, der sicherlich niemals darin gefehlt hat, vom Beginn dieses Jahr- zehntes an aber immer deutlicher hervortritt, am besten als retrospektiv zu be- zeichnen sein wird und zu einer Zeit, da in der deutschen Literatur Scheffel und Hamerling und Dahn und Ebers den Ton angegeben haben, weiter nicht befremden kann. Die bereits erwähnten Restaurierungen alter Bilder, die Pettenkofen um das Jahr 1870 herum ausgeführt hat, sind natürlich nicht so sehr ein Ausfluß als viel- mehr eine Weckung und Nahrung jenes Hanges. Bald aber äußert sich dieser auch in Ankäufen von Gipsabgüssen (1875 in Florenz) und „antiken" Stoffen und Kostümen (1875 in Rom, Florenz und Bologna). In Kisten verpackt, werden diese Gegenstände bald in München bei Lenbach, bald in Wien bei Franz Xaver Mayer deponiert. Die Adressen von Trödlern finden sich im Tagebuch notiert. Alte Stiche werden erworben, so 1879 in München solche von Rugendas. Von nun an be- gegnen unter den täglichen Notizen immer häufiger alte Kunstwerke und Künstler- namen: 1872 in Würzburg Tiepolo, 1875 in Amsterdam Bartholomäus van der Helst und Bakhuizen, in Haarlem Frans Hals und 1877 in Vicenza Palladio und Tiepolo.
Sieht man von der einen eben erwähnten Ausnahme ab, so sollten sich aber alle diese Absichten und Vorbereitungen erst im nächsten Jahrzehnt zu Werken verdichten.
Von ähnlicher inhaltlicher Bedeutung wie das Bild „Vor der Schmiede" ist eines, das Pettenkofen 1877 gemalt hat. Es stellt ein kleines, städtisches Mädchen dar, das ein Hündlein an der Leine führt, dem gegenüber sich ein Straßenköter unge- bührlich benimmt. Zu dem Bilde gibt es überdies eine Reihe von Vorarbeiten. Es ist darum wichtig, weil es wieder ein ausgesprochenes Genrebild ist, — in den acht- ziger Jahren hat dann Pettenkofen, wie noch gezeigt werden soll, gleichsam eine Übung seiner Jugendzeit neu belebend, eine ganze Menge von Genrebildern — freilich nicht ausgeführt, aber doch geplant. Das Bild ist auch durch seine Technik merkwürdig: es ist eine Gouachemalerei. Dieses Verfahren, das Pettenkofen sicherlich
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in Paris kennen gelernt hat, fin- det sich bereits bei jenem Ra- gazzo angewendet, den Petten- kofen das Jahr vorher in Florenz gemalt hat. —
Dies wäre, an der Hand von Beispielen angestellt, ein Ver- such, das künstlerische Ergebnis der siebziger Jahre zu über- blicken. Zusammenfassend wird man vielleicht folgendes sagen dürfen: Pettenkofen lernt wäh- rend dieses Jahrzehntes neue Ge- genden kennen, die seinem Pin- sel Motive liefern, die seine künstlerischen Neigungen anzie- hen und befriedigen. Neapel und Venedig sind die Hauptorte die- ses Neulandes. Aber auch sonst bereichert er seine Stoffgebiete durch Wiederaufnahme des Genre- und Kostümbildes. Was die Auffassung betrifft, so schreitet er von der nahsich- tigen zur fernsichtigen fort; bei der Darstellung eines Mark- tes gibt er z. B. nicht mehr wie früher eine jede Figur sorgfältig wieder, sondern be- müht sich, das aus einer ge- wissen Distanz gesehene Markt- gewühl als Ganzes, in dem sich Einzelheiten nicht mehr deut- lich unterscheiden lassen, fest- zuhalten. Hand in Hand geht mit dieser geänderten Auffassung die unter den technischen Errungenschaften der Periode an erster Stelle zu nennende fleckige Malweise, die Pettenkofen besonders im Jahre 1874 gepflegt zu haben scheint. Zeitweise wird ein goldigbrauner Ton bevorzugt. Doch kann von einer einseitigen Tonmalerei während des Jahrzehntes nicht die Rede sein. Gegen dessen Mitte zu fällt der Höhepunkt von Pettenkofens Kleinmalerei. Das Aquarell spielt eigentlich nur im Winter 1873 zu Neapel, wo die Umstände zu seiner Anwendung genötigt haben, eine größere Rolle. In einem Münchner Brief vom 14. März 1879 an Franz Xaver Mayer konstatiert Pettenkofen selbst, daß er im Aquarell lange nichts gemacht habe. In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre erweitert sich
Mädchen im Garten bei einem Vogelkäfig. Ölbild. 1877. Wien, K. k. Osterreichische Staatsgalerie.
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der Kreis der von Pettenkofen ausgeübten technischen Verfahren um die Gouache- malerei.
Jedenfalls aber ist die Produktion der siebziger Jahre, als Ganzes genommen, nicht sehr reich. Es ist, als ob Perioden von ein paar ungemein fruchtbaren Wochen Perioden von mehreren, ja vielen durchaus unergiebigen Monaten gegen- überstünden.
Schuld an diesem unverkennbaren Rückgang von Pettenkofens Schaffenskraft ist natürlich seine Krankheit. Ihretwegen war er im Juni und Juli 1870 in Marienbad, dann, wie schon erwähnt, im August in Brestenberg; im Jänner 1872 unterzog er sich in Auteuil einer Kaltwasserbehandlung, deren Erfolg er Franz Xaver Mayer in einem Brief vom 22. Mai 1872 aus Riva als „sehr zweifelhaft" hinstellt und noch im Sommer desselben Jahres gebraucht er, bereits zum zweiten Mal, eine Kur in Ems. Mit der im Juli und August 1873 gebrauchten Karlsbader Kur ist er, wie aus einem an Karl v. Kratzer gerichteten Brief vom 22. August d. J. hervorgeht, zu- frieden. Im Sommer 1873 badet er in Ostende, kaum zwei Wochen.
Hier darf wohl eine Erwähnung des ausführlichen Verzeichnisses gewisser von Pettenkofen selbst gewöhnlich „Anfälle" genannter Krankheitszustände eingeschaltet werden. Diese Liste, die sich im Besitz der Damen Müller befindet, endet mit dem 12. Mai 1887. Der Umstand, daß sie mit dem Jahre 1872, zufälligerweise gleichfalls mit dem 12. Mai, anhebt, ist ein weiterer Beleg dafür, daß Pettenkofens Gesundheit vom Beginn der siebziger Jahre an erschüttert war.
Am 28. Dezember 1877 schreibt Pettenkofen aus Paris an Franz Xaver Mayer: „Ich beklage und verdamme die der großen Rücksicht der Selbsterhaltung gegen- über nur kleinlichen Rücksichten und Bedenken, welche mich abgehalten haben, auch dieses Jahr den eigenen ernsten Ermahnungen und denen des ärztlichen Freundes" (gemeint ist wahrscheinlich Dr. Gruby in Paris) „entgegen meine Ge- sundheit mit allem, was daran hängt, durch einen Winteraufenthalt in Cairo zu verbessern. Mein Gesundheitszustand im ganzen wie im einzelnen gibt mir vollen Anlaß, diese Unterlassung aufs tiefste zu bereuen. Und doch hat der Winter kaum erst begonnen. — Eine so entschiedene Auskunft über diese meine wichtigste per- sönliche Angelegenheit, von welcher alle anderen so nachteilig beeinflußt werden, gebe ich nur Ihnen, so ungern ich 's auch tue, aber ich glaube, dies mir schuldig zu sein gegenüber der Meinung, welche Sie, verehrter Freund, möglicherweise von mir haben könnten, als wäre meine nachlässige Betreibung fruchtbringender Pro- duktion nur die Folge launenhafter Verdrießlichkeit über kleine Schwierigkeiten und Unbequemlichkeiten, die jeder zu bestehen hat und welche von jedem, der nur mit gutem Willen gerüstet ist, leicht übersehen oder doch leicht überwunden werden kann. Ich aber weiß, verehrter Freund, daß, wenn ich noch etwas der Rede Wertes zu erreichen imstande bin, dies nur im ringenden Kampf mit meiner miß- lichen Gesundheit geschehen kann. Niemand braucht das zu wissen, aber ich sage es Ihnen im Vertrauen." Ferner schreibt Pettenkofen in einem Brief vom 23. Juli 1878 ebenfalls aus Paris und an Franz Xaver Mayer: Zur Abreise von hier „noch vor Erreichung von Resultaten meiner bisherigen Arbeiten" zwingt mich die „außer- ordentliche Verschlimmerung meines langwierigen Leberleidens, zu welchem sich
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in letzterer Zeit besorgliche Krankheitserscheinungen ge- sellt haben und welche es mir unmöglich machen, den auf- reibenden Kampf, welchen ich durch so lange Zeit gegen die Beschwerden dieses Übels füh- re, fortzusetzen. Ich bin end- lich genötigt — was ich wohl vor allem anderen hätte tun müssen — wenn nicht Heilung, doch Besserung meines Übels zu suchen, so lange noch die Möglichkeit dazu da ist." Pet- tenkofen spricht dann weiter von einer abermaligen Kur in Karlsbad, zu der er sich werde entschließen müssen. Doch hat er sich in den siebziger Jahren keiner mehr unterzogen.
Diese beiden Briefstellen sind darum wichtig, weil sie den lähmenden Einfluß von Petten- kofens körperlichem Übelbefin- den auf sein künstlerisches Schaffen expressis verbis fest- stellen und weil sich in ihnen zum ersten Mal eine bestimmte Krankheit genannt findet. Was für tiefe Gemütsdepressionen seine gestörte Gesundheit bei ihm hervorzurufen imstande war, beweist folgender Satz in einem Brief, gleichfalls an Franz Xaver Mayer aus München und vom 14. März 1879: „Furcht vor der Pest, von welcher Sie als von einem uns drohenden Unglück erwähnen, empfinde ich bei meinem Gesundheitszustand, der mich ohne allen Zweifel der Sorge um mein höheres Alter enthebt, im geringsten nicht."
Der typische Neurastheniker entlarvt sich in den Klagen über das Wetter, von denen, gleichwie von den Beschwerden über das Atelier, wie schon gesagt, vom Beginn der siebziger Jahre an fast kein Brief mehr frei ist: bald ist die Hitze, bald die Kälte unerträglich. Unter einem fürchtet er sich vor dem Wiener Winter und beschwert
Motiv aus Venedig. Ölstudie (Siccativ-Experiment). 1881. Wien, K. k. Österreichische Staatsgalerie.
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sich über den Scirocco in Venedig, dann wieder findet er den Florentiner Winter zu kalt. Unter dem Winter leidet er überhaupt am meisten. In einem Brief an Leopold Karl Müller vom 3. September 1877 schreibt er, nachdem er abgelehnt hat, mit nach Ägypten zu fahren: „. • • und so werde ich fünf endlose Monate lang der arme Dulder eines unbarmherzigen Winters sein — einer stupiden Einrichtung der Natur, der sich jeder Lausbub der technischen Hochschule in Stixneusiedel zu schämen hätte."
Im Winter 1873 scheint sich Pettenkofens übler Gesundheitszustand irgendwie herumgesprochen zu haben, und am 19. Dezember brachte „Die Presse" folgende Notiz: „Der in Rom weilende österreichische Maler Pettenkofen ist, wie man der ,Morgen-Post' meldet, so schwer erkrankt, daß sein Zustand große Befürchtungen erregt."') Pettenkofen hat sich über diese „müßige und charakterlose", über diese „bübische Zeitungsnachricht", wie aus seinen Briefen vom 23. Dezember 1873 an Franz Xaver Mayer und vom 4. Jänner 1874 an Karl v. Kratzer hervorgeht, sehr aufgeregt und geärgert. Ein Dementi der Meldung aber, von dem Pettenkofen in dem eben genannten Schreiben an Kratzer spricht, scheint, in der „Presse" und in der „Morgen-Post" wenigstens, nicht erfolgt zu sein. —
Abgesehen von den bereits erwähnten Reisen nach Szolnok, nach Paris, nach Italien und in Italien und nach den Badeorten ist Pettenkofen auch sonst noch während der siebziger Jahre durch seine ahasverische Unrast genug umhergetrieben worden. Besonders sei eine in die erste Hälfte des September 1875 fallende Reise nach den Niederlanden erwähnt. Im Tagebuch finden sich zwar unter dem 8. dieses Monates die Eintragungen „zwischen Delft und Rotterdam . . . malerische Land- schaften mit Windmühlen, ferne Stadt, mannigfaltige Vordergründe, ... an den Kanälen viel Malerisches" — aber was Pettenkofen schon vor dreizehn Jahren von Holland gesagt hatte, daß es kein Land sei, das ihn künstlerisch zu inspirieren vermöchte, hatte seither seine Geltung nicht verloren; er scheint auch 1875 dort weder gemalt noch gezeichnet zu haben.
Eine andere beträchtlich größere Reise ward von Pettenkofen wiederholt aufs ernstlichste geplant, schließlich aber doch niemals ausgeführt: die Fahrt nach Ägypten zusammen mit seinem Freunde Müller, der ihn vom Jahre 1875 an immer wieder, das letzte Mal noch 1886, aufs dringendste auffordert mitzukommen. Ein großer Teil des Briefwechsels zwischen Pettenkofen und Müller dreht sich um diese nie zustandegekommene Tour. Das erste Mal ist von ihr die Rede in Petten- kofens vom 25. Oktober 1875 datiertem Pariser Brief; er schreibt Müller da, daß er zur angegebenen Zeit nicht nach Ägypten reisen könne; außerdem habe ihm sein Vetter Mayer gesagt, er müsse dort für den Tag zwei bis drei Pfund rechnen, was ihm zu viel sei. (Nebenher bemerkt, duzen einander um diese Zeit die beiden Freunde schon; brieflich spricht Pettenkofen Müller zum ersten Mal in dem vom 27. April 1875 datierten Brief aus Venedig mit Du an.) 1875 war Müller mit Huber, den Pettenkofen bereits in dem eben erwähnten Schreiben grüßen läßt, noch im August in Ägypten. Im Spätherbst wollte er abermals hinfahren, da sollte Petten- kofen mitkommen; Lenbach und Makart würden auch von der Partie sein. So berichtet er in einem Brief vom 16. August aus Cairo. In einem Grazer Brief vom
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TAFEL XLI
UNGARISCHER MARKT BEI REGEN. ÖLBILD. (1880.) WIEN, FRANZ XAVER
MAYER.
28. Oktober 1875 schreibt Müller Pettenkofen, daß er mit Sparsamkeit in fünf Monaten in Ägypten nicht mehr als 2000 fl. brauchen werde; er, Müller, verstehe schlecht, mit dem Gelde umzugehen, von Pettenkofen aber sei er überzeugt, daß er weniger brauchen werde; Pettenkofen werde z. B., da er weniger trinke, in zwei Tagen mit einer großen Flasche "Wein auskommen. Am 19. November 1875 vermerkt Pettenkofen in Triest resigniert in sein Tagebuch: „Abfahrt der Gesell- schaft nach Alexandrien." Die „Gesellschaft" bestand aus Müller, Makart, Lenbach, Huber, dem Architekten Gnauth und dem Fürsten KhevenhüUer. Sie fuhr damals dem fidelsten Winter am Nil entgegen. Müller soll den Moment des Abschieds, da die Reisegefährten in See stechen und Pettenkofen ihnen vom Ufer her betrübten Sinnes nachwinkt, in einer irgendwo publizierten lustigen Zeichnung festgehalten haben. In einem Florentiner Brief vom 28. Dezember 1875 an Franz Xaver Mayer drückt Pettenkofen seine Reue darüber aus, daß er nicht mit nach Cairo gefahren ■ sei, und schiebt alle Schuld daran, daß er es nicht getan habe, auf seinen „Wider- willen vor einer langen Seereise". Im Jahre 1877 wiederholt sich dasselbe Spiel. Am 3. September schreibt Pettenkofen Müller totunglücklich aus Paris, daß er wieder nicht mit nach Ägypten kommen könne. Am 19. desselben Monats hatte er aber scheinbar seine Meinung geändert, wenigstens schreibt er Müller: „Das Vorgefühl des Winters, welcher jetzt schon seinen Anfang hier nehmen zu wollen scheint, hat mich bereits erfaßt, macht mich feig, dem Weitern entgegenzusehen, und gibt mir den Mut, an eine Überfahrt zu denken, der sich unter der weiteren Einwirkung winterlicher Gefühle bis zur Tat steigern dürfte. Da ich mir meine Reise und meinen Aufenthalt drüben nur in Deiner , schützenden' Gesellschaft denken kann, ist es mir zur völligen Ausbildung meines Entschlusses unerläßlich nötig: a) zu glauben, daß Du Dich für meine Mitreise wirklich interessierst, 2) daß ich dann Dein Reiseprogramm genau kenne. Eine Abreise vor Mitte Oktober wäre mir zu bald, eine weitere Reise von Cairo aus, wenn Du eine solche wirklich in Aussicht hast, würde ich nicht unternehmen, allein in Cairo [zu] sitzen, denke ich mir — augenblicklich — scheußlich." Die Antwort Müllers hat sich nicht erhalten. Sicher aber traf nicht ihn die Schuld, daß Pettenkofen nicht mitgereist ist. Wie sehr es diesen im Dezember desselben Jahres 1877 abermals gereut hat, nicht mit an den Nil gefahren zu sein, ist bereits oben mitgeteilt worden. Noch am 28. Februar 1881 schreibt Müller aus Gherga^) in Ägypten an Pettenkofen in Venedig: Ich habe „Dinge gesehen, Dinge, die aller Beschreibung spotten — auch aller Malerei. Ich war in den Tropen — habe ganz Oberägypten gesehen und einen Teil Nubiens. Ich versichere Dich, es ist wenig, wenn ich sage, daß ich jeden Tag mindestens einmal an Dich dachte, wenn ich die oberägyptischen Dörfer und Städte durchzog. Es ist eine zum Himmel schreiende Sünde, daß Du nicht hierher kommst. Oberägypten ist Deine Domäne, ist für Dich erfunden worden. Niemand könnte Oberägypten so gut packen, als Du es könntest. Und wie ge- sund Du hier werden würdest! Welch einen herrlichen Winter habe ich durch- lebt." Und noch 1886 schreibt Müller Pettenkofen am 10. Jänner aus Cairo: „Es ist jammerschade, daß Du nicht auch da bist und mitschanzest. Du würdest hier viel malen und auch Deiner Gesundheit nützen." —
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Wichtiger, als Pettenkofen auf seinen tatsächlich ausgeführten und auf seinen bloß geplanten Reisen zu begleiten, ist es wohl, die Orte, die Gegenden nam- haft zu machen, von denen bisher noch nicht gehandelt worden ist und wo er sich während der siebziger Jahre häufiger und länger aufgehalten hat.
Da ist an erster Stelle München zu nennen. Während des Jahrzehnts ist Petten- kofen nur das einzige Jahr 1876 gar nicht dorthin gekommen. Sonst verweilt er in jedem Jahre bald länger, bald kürzer in München. Sein ausgedehntester Aufenthalt daselbst erstreckt sich von Mitte September 1878 bis Mitte Juni 1879, ferner ver- weilt er, nachdem er am 24. Juli zum Ehrenmitglied der königlich bayerischen Akademie der bildenden Künste in München ernannt worden war, vom 1. Sep- tember bis in den Jänner des folgenden Jahres hinein in München, und 1877 bleibt er von der Mitte August bis zur Mitte September dort.
Was Pettenkofen an München anzog, war die „Vereinigung von Land und Malerstadt", wie er sich einmal in einem Brief vom 14. März 1879 an Franz Xaver Mayer ausdrückt. Im selben Schreiben betont er aber auch, was ihm München verleidet hat: „Wenn schon das Klima packend auf meinen empfindlichen Organismus wirkt, so wirkt der gänzliche Mangel an genügender geistiger und ge- mütlicher Anregung im empfindlichsten Grad herabstimmend auf mein Gemüt. Es herrscht hier leider — eine Schattenseite dieser sonst freundlichen Stadt — aus- schließlich nur die Zerstreuung und Vergnügung des Kneipenlebens, zu welcher ich selbst in tiefster Not nach Zerstreuung aus Abneigung wie aus Gesundheits- rücksichten nicht greifen kann und dadurch zu dem unter den gegebenen Um- ständen schlimmen In-mich-Versenken geführt werde."
Fleißig suchte Pettenkofen die österreichischen Alpen auf, besonders Tirol und meistens während des Sommers. In Südtirol verweilte er am liebsten. Von seinen Aufenthalten in Riva war schon die Rede. 1871 und 1878 kam er auch ins Salz- kammergut. Nur in den Jahren 1874, -76 und -77 sahen ihn die Alpen nicht. Häufig kam er nach Graz, wo er freilich nur in den Sommern 1871 und -79 länger als ein paar Tage verweilte. Wahrscheinlich besuchte er dort seinen Freund, den Dr. Max Josef Schüler.
Das Jahrzehnt von 1870 auf 1880 ist die Zeit, in der Pettenkofen während seines ganzen Lebens am wenigsten in Wien war. In den Jahren 1872 und 1878 kam er gar nicht hin. Im Weltausstellungsjahr 1873 hielt er sich knappe drei Wochen in seiner Vaterstadt auf, im Jahre 1875 gar nur zehn Tage.
In Pettenkofens Briefen finden sich ein paar Stellen, die sein Verhältnis zu Wien ins "rechte Licht rücken.
Am 18. Mai 1874 schreibt er Kratzer, der ihm vorher von dem zu einer Zeit, da der berüchtigte „Krach" des Vorjahres in Wien natürlich noch nicht verschmerzt sein konnte, recht wohl begreiflichen ungünstigen Verlauf einer Auktion (der Ale- xander Posonyis am 27. April?) Mitteilung gemacht haben muß, aus Venedig: „Die Nachricht, welche Sie mir geben, daß zwei Bilder auf der Auktion ohne An- bot blieben, kann meinen Entschluß, mein Geschäft zur Zeit selbst und in Paris zu betreiben, gewiß nicht wankend machen. In Wien mag es wohl sehr schlecht stehen, aber Wien ist zum Glück nicht die Welt, und ich habe Existenz und Ge-
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TAFEL XLII
DAS DUELL IN DER AU. PASTELLBILD. (1882.) PARIS, CHARLES SEDEL-
MEYER.
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Das Duell in der Au. Ölskizze.
Budapest, Baron Johann Harkäny.
sundheit und Leben eingesetzt, durch eisernes Studium das nachzuholen und zu erreichen, was mir immer als ein Mangel in meinem Können hinderlich gewesen, und ich glaube zum mindesten ein[en] Teil erreicht zu haben und dadurch außer der Berührung der gegenwärtig schlechten Zeit zu stehen. Ich habe mir Wien bereits abgewöhnt und werde hoffentlich nie mehr anderer Gesinnung werden • und dort leben." Hierauf folgt der schon weiter oben mitgeteilte Satz, daß er kommenden Herbst für immer nach Paris gehen werde.
Diesem Zug nach der Fremde, der sich, wie wir wissen, als trügerisch erweisen sollte, steht die um diese Zeit immer stärker werdende Sehnsucht nach einem eigenen Heim gegenüber, die unwillkürlich trotz aller wirklichen und aller er- künstelten Abneigung doch immer wieder zugleich auch auf die alte Vaterstadt gerichtet ist. Schon in einem venezianischen Brief vom 28. April 1875 an Karl von Kratzer regt sie sich. Dort heißt es nach Klagen über die Unbilden des Winters und die ewige Ateliemot: „Ich sehne mich unsäglich nach einem ruhigen heimlichen Wohnort und nach einer gleichmäßigen behäbigen Tätigkeit." Viel stärker aber kommt dieses Heimweh in einem um weniges später, am 5. Mai, gleichfalls aus Venedig an Franz Xaver Mayer geschriebenen Brief zum Ausdruck: „Das Bedürfnis nach einem sichern heimatlichen W^ohnort ist nach und nach be- reits übermächtig in mir geworden und ich fühle recht sehr das Bangen eines ,Nirgendszuhauseseins'. Wien ist meine natürliche Heimat, wo ich meinen mensch-
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liehen Gefühlen nach hingehöre, aber mit der Malerei, welche mein ganzes Wesen allein vollkommen beschäftigt, ist es ein anderes. Ich wüßte aus dem, was sich da bietet, nichts zu machen, ich wüßte da nichts zu machen, das ich mir nicht von anderswo erst wieder holen müßte, und was dann immer wieder ein Mittelbares, Unvollkommenes geben könnte; was meinem Sinne wie meinen Fähig- keiten nicht entspricht. Es überkommt mich eine tiefe Entmutigung da [in Wien] schaffen zu müssen, um eine natürliche Heimat zu gewinnen. Zu dem kommen augenblicklich da noch die gegenwärtigen moralischen und pekuniären Verhältnisse, deren deprimierendem Einfluß man sich in nächster Nähe um so weniger ent- ziehen kann. Ich habe somit durchaus nicht das beruhigende Bewußtsein, eine Heimat zu haben, welche den Bedürfnissen meines Berufes wie denen meiner Gefühle entspricht. Und so fehlt es mir an der Beruhigtheit und an der Befriedi- gung, welche ich meinem ganzen Wesen nach so notwendig brauche, um mit Er- folg meine gesammelten Erfahrungen und Kenntnisse, so weit diese im Bereich meines Talentes liegen, nutzbar zu machen." 1878 aber hat jene Sehnsucht bereits einen Entschluß gezeitigt, dem er am 15. November dieses Jahres in einem Brief aus München an Franz Xaver Mayer folgende Worte leiht: „Mein unendliches, praktisches wie gemütliches, Bedürfnis nach einem heimatlichen Wohnsitz wird immer drängender, und ich bin somit zu dem entschiedenen Entschlüsse gelangt, mein bisheriges Wanderleben, als einer geregelten und somit erfolgreichen Pro- duktivität entschieden hinderlich, aufzugeben und, sobald nur die größte Strenge des Winters vorüber ist, nach Wien zu kommen, um mir da das ,Heim' zu schaffen, das ich meinem Wesen nach in der Fremde nicht finde, und welches ich zur Verwertung meiner Studien und Erfahrungen in meinem Fache brauche. Der Ge- danke an eine solche Tätigkeit, nach welcher ich mich seit Jahren sehne, mag mir über den Gedanken hinaushelfen, daß mir die alte Heimat sonst wenig Frohes und Verlockendes zu bieten hat, als die Befriedigung der treuen natürlich[en] An- hänglichkeit, welche ich für sie empfinde." Im März 1879 freilich erscheint die Festigkeit der Absicht, nach Wien zu übersiedeln, schon wieder erschüttert. Wenigstens fügen sich in einem Brief vom 14. dieses Monats aus München an Franz Xaver Mayer den bereits mitgeteilten lebhaften Klagen über München fol- gende Worte an: „Instinktmäßig denke ich an Wien, fürchte aber dort die größte Nahrung für meine Nervosität."
Daß Pettenkofen am Ende der siebziger Jahre den Entschluß gefaßt hat, sein Wanderleben aufzugeben und sich in seiner Vaterstadt dauernd nieder- zulassen, geht wohl nicht nur auf Krankheit und Alter zurück, sondern hängt auch sicherlich damit zusammen, daß er sich in diesem Jahrzehnt be- sonders lange von der Heimat ferngehalten hat — fernhalten hat müssen — , denn es gibt gerade zu dieser Zeit Umstände und Ereignisse, die besonders darnach angetan waren, ihm den Aufenthalt in Wien zu verleiden: der Tod Gsells, des langjährigen Mäzens und Freundes; der Bruch mit der Geliebten, die ja in Wien wohnte; 1873 die Weltausstellung und der finanzielle Zusammen- bruch, dessen üble Folgen noch lange zu verspüren waren; der Festzugsrummel des Jahres 1879.
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Kavaliere, ihre Gegner zum Duell erwartend. Kohlenzeichnung.
Budapest, Ministerialrat Johann Földi.
Mochte er aber auch dessen, was in der Heimat vorgieng, nur mit Widerwillen und Bitterkeit gedenken, so ließ es ihn doch weder äußerlich unberührt, noch in- nerlich gleichgültig.
1873 auf der Weltausstellung waren von Pettenkofen nicht weniger als 22 Ar- beiten, Ölbilder und Aquarelle, ausgestellt,") ohne sein Zutun, vermutlich gegen seinen Willen und anfangs wohl auch ohne sein Wissen. Seine Wiener Freunde, ihnen voran Franz Xaver Mayer, scheinen die Ausstellung mit seinen Bildern be- schickt zu haben. Wegen dieser — ungewollten — „Mitwirkung zu den Erfolgen der internationalen Wiener Weltausstellung des Jahres 1873", wie es im Diplom heißt, erhielt er aber am 30. Oktober 1873 den Orden der Eisernen Krone III. Klasse. Am 8. November dankt er Franz Xaver Mayer aus Venedig für dessen freund- lichen Glückwunsch zur Auszeichnung, die ihm, wie dieser wohl richtig urteilen werde, „mehr Bedrückung als Freude" zu machen imstande sei. Im Dezember 1874 wird er in den Ritterstand erhoben.
Mit seinem Widerwillen gegen Ausstellungen war es Pettenkofen, nebenbei be- merkt, wirklich ernst. Denn am 8. Mai 1878 beantwortet er Franz Xaver; Mayers Anfrage, ob von ihm Arbeiten auf der Pariser Weltausstellung dieses Jahres zu sehen wären, auf folgende Weise: „Ausgestellt habe ich nicht! Das^Vorstehende [Klagen über Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit] gibt hierüber den richtigen Auf-
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Schluß. Ich beklage zwar den Anlaß, der mich verhindert hat, nicht aber, nicht ausgestellt zu haben. Nun kann ich wohl sagen, daß ich ein .jungfräulicher' Künstler bin, denn ich habe niemals selbst ausgestellt." Und am 15. Jänner 1879 schreibt er Franz Xaver Mayer: „Was die von Lobmeyr angeregte Ausstellung Ihrer ganzen Sammlung betrifft, so muß ich außer dem von Ihnen angeführten Grund dagegen (während des traurigen Winters Ihre Wohnung nicht ihres heiteren Schmuckes zu berauben) noch den Grund dagegen anführen, daß das Interesse des kunstliebenden Publikums in Wien dermalen ein sehr frostiges ist und Sie sich einer frostigen Aufnahme aussetzen könnten. Darum rate ich Ihnen, nicht auszustellen."'")
Daß Pettenkofen an Vorgängen, die Wien, die Österreich betrafen, Anteil ge- nommen hat, braucht natürlich nicht erst bewiesen zu werden. Immerhin seien zwei einschlägige Stellen aus seinen Briefen angeführt: Als sich im Sommer 1876 Serbien und Montenegro gegen die Türkei erhoben und Österreich die Okkupation von Bosnien und der Herzegowina ins Auge faßte, schrieb Pettenkofen am 17. Juli 1876 von Venedig aus an Franz Xaver Mayer: „Nachdem ich während der ganzen Zeit meines von jedem Verkehr abgeschlossenen Aufenthaltes [in Assisi] beinahe in gänzlicher Unwissenheit über alle die Vorgänge gewesen, welche augenblicklich das gespannteste Interesse der ganzen Welt in Tätigkeit erhalten,") bin ich durch österreichische und ausländische Zeitungen in diejenige Aufregung versetzt, welche jeder patriotische Österreicher, wie ich glaube, ,jetzt' empfinden muß. Hieran reihen sich meine peinlich besorgten Gedanken an unsere entmutigenden gesellschaftlichen Zustände." Und im Hinblick auf den Festzug schreibt er unter dem 14. März 1879 an dieselbe Adresse: „Ich freue mich über die große lebhafte Tätigkeit, welche Wien aufregt, um eine Festlichkeit zu begehen, welche ebenso sehr Zeugnis gibt von seinem'^) Patriotismus, wie von seiner") Leichtlebigkeit und dem guten Ge- schmack, sich zu amüsieren."
Mit besonderem Interesse verfolgte Pettenkofen an sich weniger bedeutende Wiener Ereignisse, die uns wieder auf das Gebiet der Kunst hinüberleiten: die Kunstauktionen, auf denen Werke seiner Hand feilgeboten wurden. Diese Ver- steigerungen setzten ja die Preise fest, die er ungefähr für seine Bilder verlangen durfte, und bestimmten damit zugleich die Höhe seiner Einkünfte. Von der größten dieser Auktionen, der von Gsells Nachlaß, war schon ausführlich die Rede. Daß ihn die Mitteilung Kratzers, es wären auf einer Auktion im Frühjahr 1874 zwei seiner Bilder unverkauft geblieben, unangenehm berührt hat, wurde gleichfalls schon erwähnt. Am 15. November 1878 schreibt er Mayer aus München: In wenigen Tagen soll die Oelzeltsche Bildersammlung versteigert werden, „und ich bin sehr begierig, ob da zum augenblicklichen Kurs günstig oder ungünstig (hausse oder baisse) entschieden wird." Die Auktion, die am 18. November unter der Leitung Kaesers stattfand, brachte, nebenbei bemerkt, hohe Preise. Die vier Bilder Petten- kofens, die sich in der Oelzeltschen Sammlung befanden, wurden um 2510, 2760, 2980 und 8500 fl. verkauft. Die letzte Summe wurde für den „Großen Szolnoker Markt" gezahlt.
Eine wie große Rolle Pettenkofen während der siebziger Jahre auf dem Wiener Kunstmarkt gespielt hat, mag daraus ersehen werden, daß in diesem Jahrzehnt
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TAFEL XLIII
DER APOTHEKER. AQUARELL. (1885.) WIEN, EUGEN MILLER V. AICH-
HOLZ.
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Der Schuster. Ölbild. (1885.)
Budapest, Ministerialrat Johann Földi.
auf mehr als fünfzig Auktionen, die in Wien von Holle, Kaeser, Löscher, Löscher und Plach, Miethke, Miethke und Wawra, Plach, A. Posonyi, Ruf und Flach, Schwarz, Sedelmeyer aus Paris und Wawra veranstaltet wurden, Bilder von ihm vorkamen. Das im Anhang mitgeteilte Verzeichnis der Auktionen gibt nähere Auf- schlüsse darüber. — Auch Deutschland beteiligte sich seit den siebziger Jahren auf dem Wege öffentlicher Feilbietung am Kauf und Verkauf von Werken Petten-
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kofens. 1874 versteigert Lepke in Berlin, 1878 und 1879 Heberle in Köln Bilder von ihm.
Die größte Bedeutung aber für Pettenkofen hatten selbstverständlich die Pariser Auktionen, weil sie die Preise des Weltmarktes diktierten. Mehr als ein Dutzend Versteigerungen, auf denen während der siebziger Jahre zu Paris Bilder Petten- kofens vorkamen, hat sich ausfindig machen lassen. Unter ihnen verdient eine darum besondere Beachtung, weil sie von einem Wiener Freunde Pettenkofens veranstaltet worden ist. Es ist die Auktion Eugen Millers von Aichholz am 15. April 1876 im H6tel Drouot. Sämtliche 18 Bilder, die Miller am 15. November 1874 von Pettenkofen um 15.250 Gulden erstanden hatte, wurden da neben anderen modernen Gemälden feilgeboten. Der Pessimismus, mit dem Pettenkofen in einem Brief vom 5. März 1876 aus Florenz an Franz Xaver Mayer wegen der ungün- stigen Zeitumstände und darum, weil sich unter den zum Verkauf gebrachten Werken keine von namhaften französischen Meistern befänden, dieser Versteige- rung entgegensah, erwies sich als vollkommen gerechtfertigt: es blieben fast alle seine Bilder unverkauft.
Daß der 1871 verstorbene Friedrich Gsell als Abnehmer von Bildern Petten- kofens noch während der siebziger Jahre in Eugen Miller von Aichholz und Ludwig Lobmeyr Nachfolger gefunden hat, ist schon früher mitgeteilt worden. Diesen beiden Käufern großen Stiles hat sich 1877 als dritter der Hamburger Theodor Eggers angeschlossen, der sich in Wien oder genauer gesagt: in Leesdorf bei Baden niedergelassen hatte. Im Februar 1877 hat ihm Pettenkofen „16 Bildchen" für 8700 Gulden verkauft. Nicht weniger als 25 Bilder Pettenkofens aus dem Be- sitz von Eggers wurden 1888, also noch bei Lebzeiten des Künstlers, durch Miethke in Wien versteigert. — Aber auch noch mit dem Hause Friedrich Gsells blieb Pettenkofen weiter in Verbindung. Einerseits durch den ihm befreundeten Fried- rich Ehrmann, der an hervorragender Stelle in Gsells Geschäft tätig gewesen war und später, zu Beginn der achtziger Jahre, für Pettenkofen Bilder verkaufte; ander- seits durch Gsells überlebende Schwester, Fräulein Julie Gsell, die nach dem Tode ihres Bruders Wien verließ und nach Bischweiler im Elsaß übersiedelte. Dort pflegte sie Pettenkofen auf der Fahrt nach oder von Paris aufzusuchen und noch bis in den Juni 1888 stand er mit ihr in Korrespondenz. Bis zum Jahre 1883, in dem er das letzte Mal nach Paris reiste, überbrachte er Fräulein Gsell persön- lich, später, zuletzt noch im Jahre vor seinem Tode, schickte er ihr von Zeit zu Zeit ein Bild „als Zeichen seiner Freundschaft und Verehrung" — zugleich aber auch als Ratenzahlung einer alten Schuld, deren Guthaben von Friedrich Gsell auf seine Schwester Julie übergegangen und bei Pettenkofens Tod noch nicht völlig erloschen war. Durch die geschilderte Art der Schuldabtragung gelangte Fräulein Gsell allmählich in den Besitz von einem halben Dutzend von Bildern Petten- kofens, die nach ihrem Tode ihre Nichte Madame Valade erbte.
Unter den Künstlern, mit denen Pettenkofen während der siebziger Jahre ver- kehrte, stand ihm Leopold Karl Müller am nächsten. Als schönes Freundschafts- denkmal hat sich Pettenkofens Brief an Müller vom 18. November 1876 erhalten. Pettenkofen beginnt ihn mit einer Mitteilung, daß Eitelberger, der damals in Sachen
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TAFEL XLIV
BLICK AUF DIE DÄCHER DER CALLE DEI FUSERI IN VENEDIG. GOUACHE- BILD. 1885. WIEN, EUGEN MILLER V. AICHHOLZ.
der österreichischen Kunstpflege vielleicht das gewichtigste Wort zu sprechen hatte, ihm gegenüber den lebhaften W^unsch ausgesprochen habe, Müller als Professor an die Wiener Akademie zu bekommen, und daß er, Pettenkofen, sich Eitelberger als Vermittler bei Müller angetragen habe. „In diesem Eingang," heißt es dann weiter, „ist alles enthalten, um was es sich handelt, und ich habe daher im Interesse Deiner, welches ich in meiner Freundschaft für Dich sehr wohl empfinde, nur die Bemerkung hinzuzufügen. Du möchtest diese Sache einer ernstlichen und vorurteils- freien Erwägung unterziehen. So, wie ich Eitelberger für Dich gestimmt verlassen habe, dürftest Du — unter uns gesagt — so manche Bedingung zugunsten Deiner persönlichen Freiheit als auch anderer Vorteile stellen können, ohne dadurch den Wert, Dich gewonnen zu haben, zu schwächen. Du wirst hoffentlich zufolge dieses ein Wort an Eitelberger schreiben, und wäre [es] auch nur ablehnend und in Form des Dankes für seine große Sympathie und [das] Vertrauen, welches er im Inter- esse der Akademie in Dich setzt. Ich kenne und veranschlage den Wert der per- sönlichen Freiheit zu hoch, um noch etwas hinzuzufügen, was berechnet wäre. Dich zu einer solchen Annahme zu bestimmen, obgleich ich der Akademie einen solchen Gewinn wünschte. Ich denke. Du wirst die Sache wohl überlegen, [den] Vergleich nämlich eines verdienstvollen Wirkungskreises und beruhigter Existenz mit den Reizen der durch Umstände oft eingeschränkten persönlichen Freiheit." Der männliche Ernst, die knappe Sachlichkeit und die freundschaftliche Wärme, womit Pettenkofen hier dem Freunde ein Ziel beleuchtet, das ihm selbst in jungen Jahren trotz aller Abneigung gegen den akademischen Unterricht als erstrebens- wert erschienen war, haben etwas Rührendes an sich. Im Jahre darauf hat Müller dieser Berufung Folge geleistet.
Die Wärme des Freundschaftsverhältnisses, das Pettenkofen mit Müller verband, scheint auch auf die Beziehungen ausgestrahlt zu haben, die Pettenkofen zu Künst- lern hatte, mit denen auch Müller gut war. Sehr nahe ist ihm der um 23 Jahre jüngere Eugen Jettel gestanden. Das beweisen schon seine strenge, aber eindring- liche Charakteristik Jetteis, die bereits weiter oben mitgeteilt wurde, das gleichfalls schon erwähnte ausführliche Schreiben an ihn vom Jahre 1873 aus Neapel und der im September 1875 in Gesellschaft Jetteis unternommene Ausflug von Trouville nach Villerville. Aber auch zwei Briefe an Franz Xaver Mayer legen davon Zeugnis ab, daß Pettenkofen Jettel sehr hoch schätzte. In dem einen, schon mehrfach an- gezogenen vom 8. Mai aus Paris findet sich im Anschluß an die Auskunft, daß die Weltausstellung zwar eröffnet, aber noch nicht fertig sei, die bereits wörtlich mit- geteilte Stelle, in der nebeneinander die Namen Makarts und Jetteis vorkommen. Das Lob Jetteis, der außerordentliche Fortschritte gemacht habe und dessen Land- schaften den besten der ganzen Ausstellung zuzuzählen seien, wirkt hier neben der eiskalten Objektivität, mit der der Erfolg Makarts konstatiert ist, besonders warm. In einem Brief vom 31. Juli desselben Jahres, abermals aus Paris, beschreibt Petten- kofen mit liebevoller Ausführlichkeit vier Bilder Jetteis, die er überdies noch durch Federskizzen erläutert. Sie gehören Sedelmeyer, dem gegenüber Jettel durch einen Vertrag verhalten ist, alle seine Bilder nur ihm zu verkaufen. Sedelmeyer erbietet sich, zwei dieser vier Bilder nach Wien zur Ansicht zu schicken. Pettenkofen
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schließt seine Mitteilungen über Jetteis Bilder mit den Worten: „Ich glaube, daß es für Jettel wünschenswert wäre, sich in Wien wieder in günstige Erinnerung zu bringen, um daß seine Bilder auf vaterländischem Boden die Wertschätzung ge- nießen, welche sie in Wirklichkeit verdienen. Er wurde bei der Medaillenverteilung in den Ausstellungen hier übergangen, doch teilt er hierin nur das Los so vieler anderer, welche vor so vielen mit Auszeichnung[en] Beteiligten eine Anerkennung verdient haben."
Mit Rudolf Huber, der, wie bereits erwähnt, 1875 mit Müller in Ägypten war, tauscht Pettenkofen in diesem Jahre durch Müllers Vermittlung Grüße aus.
Auch Franz Lenbach war ja mit Müller befreundet. Daß auch er jener Künstler- gesellschaft angehört hat, die Pettenkofen am 19. November 1875 von der Trie- stiner Rhede aus schweren Herzens nach Alexandrien abdampfen sah, wurde schon gesagt. Pettenkofen muß mit Lenbach in München bereits während der siebziger Jahre intim verkehrt haben. Mit Lenbach und Knaus war er im Frühjahr 1876 auch in Rom beisammen.
Im folgenden seien unter den übrigen Künstlern, mit denen Pettenkofen während der siebziger Jahre mehr oder weniger vertrauten Umgang gepflogen hat, zuerst die österreichischen aufgezählt: Mit Eduard Kaiser war Pettenkofen noch von seiner vormärzlichen Wiener Periode her befreundet. Er traf ihn im Juni 1876 in Assisi, wahrscheinlich mit Aufnahmen für die Arundel Society beschäftigt. Mit Ethofer war er nicht nur, wie schon erwähnt, im Sommer 1872 in Venedig und im Winter 1872 auf 1873 in Neapel, sondern auch 1875 in Riva und 1876 in Rom beisammen. In Rom verkehrte er auch mit dem Bildhauer Josef Kopf und dem Maler Heinrich Ludwig, dem gelehrten Herausgeber von Lionardos Trattato della pittura. Ludwigs Bekanntschaft wird namentlich für Pettenkofens kunsttheoretische Interessen von Bedeutung gewesen sein. Mit Franz Rüben, dem Sohn des Akademiedirektors, Ludwig Passini, Giovanni Simonetti und Eugen Blaas verkehrte er schon vor dem Herbst 1875 in Venedig; Eugen Felix, mit dem zusammen er im Juli des Weltausstellungs- jahres 1873 in Wien die Gastfreundschaft Kratzers genoß, traf er im Herbst des- selben Jahres in Venedig wieder. Julius Blaas, den Bruder Eugens, läßt er im Sommer 1879 durch Kratzer in Wien grüßen. Über den Tod Kurzbauers gibt er am 15. Jänner 1879 Franz Xaver Mayer von München aus die melancholische Auskunft: „Ich soll Ihnen über das Befinden Kurzbauers berichten. Heute drei Uhr hat man ihn zur ewigen Ruhe in die Erde gelegt. An einem Krebsübel im Gesicht seit langem martervoll leidend, war der Tod wohl das kleinste Übel für ihn." Im selben Brief teilt er mit, daß William Unger, der übrigens schon sechs Jahre vorher für die damals neu gegründete Wiener „Gesellschaft für vervielfälti- gende Kunst" ein auf dem Herd hockendes Zigeunermädel Pettenkofens radiert hatte, neuerdings eines seiner Bilder, und zwar eines von denen, die Mayer gehörten, zu radieren beabsichtige und er für seinen Teil ihm die Erlaubnis hiezu gegeben habe.
Von ausländischen Künstlern, mit denen Pettenkofen in den siebziger Jahren ver- kehrte, sind die drei Spanier Fortuny, Villegas und Ramon Tusquez, mit denen er im Frühling 1873 in Rom beisammen war, und auch Lenbach und Knaus schon genannt worden. Im selben Jahre 1876, in dem er mit den beiden letzteren in
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Bücherstilleben. Aquarell.
Wien, Eugen Miller v. Aichholz.
Rom zusammentraf, machte er dort auch die Bekanntschaft Alma Tademas, von dem er das Atelier übernahm. 1873 lernte Pettenkofen in Wien, und zwar in dem heute nicht mehr existierenden Hotel „Zur Stadt Frankfurt" in der Spiegelgasse, durch Lenbach Arnold Boecklin kennen. In Venedig soll Pettenkofen die Bekannt- schaft Whistlers gemacht haben.") Dies könnte nur im Herbste 1880 gewesen sein, denn Whistler war nur ein einziges Mal in seinem Leben in Venedig, und zwar in den Jahren 1879 und 1880 vierzehn Monate hindurch und Pettenkofen war 1879 gar nicht dort und 1880 erst vom 18. September an. In Cecil van Haanen, Eugen Blaas, Franz Ruhen und Martin Rico hätten Whistler und Pettenkofen gemein- same Bekannte gehabt. Whistler gieng es in Venedig finanziell sehr schlecht. Er zeichnete dort nachmals berühmt gewordene Pastelle.")
Unter den übrigen Freunden und Bekannten Pettenkofens aus den siebziger Jahren sind außer den bereits genannten und den alten wie Franz Xaver Mayer und Kratzer, deren steter Verkehr mit ihm bereits durch seine an sie gerichteten Briefe gewährleistet ist, etwa noch Direktor August Rath, der Schwager Ludwig Lobmeyrs, und der Frankfurter Architekt und Sammler Alexander Günther her- vorzuheben. —
Von den wichtigsten Ereignissen, die während der siebziger Jahre unmittelbar oder mittelbar Wien betroffen haben, wurden diejenigen bereits aufgezählt, die Pettenkofen irgendwie in Mitleidenschaft gezogen oder über die sich von ihm irgendwelche Äußerungen erhalten haben: die Weltausstellung, der Bankerott, die
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Nötigung Österreichs, Bosnien und die Herzegowina zu besetzen, der Festzug. Der neue Ausgleich mit Ungarn im Jahre 1877, der den Dualismus schuf, und zwei Jahre nachher das Bündnis mit Deutschland, von so grundlegender Bedeutung dieses wie jener für das Schicksal der Monarchie auch sind, seien hier ebenso wie die Donauregulierung und Hochquellenwasserleitung, die beide wieder für die Stadt Wien Ereignisse von der größten Tragweite sind und Pettenkofen, der einer- seits sehr viel auf gesundes Trinkwasser hielt und anderseits selbst eine Donau- überschwemmung gemalt hatte, gewiß nicht unberührt gelassen haben werden, mit Stillschweigen übergangen. Am meisten wird Pettenkofen schon als alten Wiener und Künstler die rasch fortschreitende architektonische Ausgestaltung der Stadt interessiert haben. Während der siebziger Jahre wurde in Wien an folgenden wich- tigeren Monumentalbauten gebaut: an der Akademie der bildenden Künste, den beiden Hofmuseen, dem Justizpalast, dem Parlamentsgebäude, dem Rathaus, dem Burgtheater, der Universität, der Votivkirche, der Börse, dem Kunstgewerbemuseum und der Kunstgewerbeschule. Davon wurden in dem Jahrzehnt vollendet: 1871 das Kunstgewerbemuseum, 1877 die Börse, die Kunstgewerbeschule und die Akademie der bildenden Künste, die selbstverständlich der Bau war, den Pettenkofen mit dem größten Anteil verfolgt haben wird, und 1879 die Votivkirche. Zugleich mit der Architektur, die damals in Wien durch Hansen, Ferstel, Schmidt und Semper aufs glänzendste vertreten war, wurden auch der Plastik neue Aufgaben gestellt. Das 1872 enthüllte Schubert-Denkmal von Kundmann sei darum angeführt, weil es das erste Monument ist, das in Wien einem Künstler, einem Bürgerlichen ge- setzt wurde. In den siebziger Jahren kam auch Zumbusch nach Wien, aus dessen Hand die meisten großen Denkmäler hervorgehen sollten, mit denen Wien in der nächsten Periode geschmückt wurde. Den begabtesten und eigenartigsten Plastiker aber besaß das Wien jener Zeit in Viktor Tilgner. Der Stempel jedoch wurde dem Kunstleben Wiens während der siebziger Jahre durch Hans Makart aufge- drückt, der wieder mit dem Festzug zu Ehren der Silbernen Hochzeit des Kaiser- paares im Jahre 1879 seinen höchsten Triumph feierte. Makart verdunkelte alle anderen Maler, auch den edeln Feuerbach, der damals krank und verbittert Pro- fessor an der Akademie war. Die vielen malerischen Talente, die es damals außer- dem noch in Wien gab, gelangten eigentlich alle erst nach Makarts baldigem Tode zur vollen Entfaltung. Dies gilt vielleicht nicht von dem beträchtlich älteren Canon und sicher nicht von dem allerdings in Wien so gut wie fremden Pettenkofen und dem gleich ihm aus dem Vormärz herüberragenden Rudolf Alt, der still und un- wandelbar seines Weges gieng, vom Schicksal auserkoren, rüstig schaffend auch noch das nächste Jahrhundert zu erleben.
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SECHSTES KAPITEL
WIEN 1S80-1889
in eigenes Heim in seiner Vaterstadt, das er sich, wie wir ge- hört haben, so sehnlichst wünschte, hat Pettenkofen auch wäh- rend der letzten neun Jahre seines Lebens nicht gefunden. „Hätte ich auch nur das bescheidenste Heim in Wien, würde ich trotz manchen andern Bedenkens unverweilt dahingehen, denn mehr und mehr fühle ich das Bedürfnis des ,Zu- hauseseins' an dem Orte, den ich nach meinen herzlichen Ge- fühlen — leider aber im Widerstreit zu meinen Erfahrun- gen — als meine wahre Heimat erkennen muß", schreibt er am 14. Dezember 1883 von Venedig aus an Franz Xaver Mayer. Drei Jahre später erklingt, wieder im Wintermonat und wieder aus Venedig, das alte Lied, dessen erste Strophe, die Klage über den W^inter, uns auch nicht mehr neu anmutet, abermals: „Ich habe seit Wochen nur der Wärme genossen, welche ich selbst besitze und welche mir das Bett und der niemals abzulegende Winterrock gibt. Die Öfen sind stinkig, aber sie wärmen nicht. Der Plagen für mich sind viele, aber meine Furcht vor Wien mit seinem unbarmherzigen Klima, und weil ich nicht das kleinste, be- scheidenste ,Heim' besitze, was ich als Winterquartier betrachten könnte, ist noch größer." So heißt es in einem Brief an Franz Xaver Mayer vom 4. Dezember 1886. Ja sogar noch am 8. Oktober 1888 in einem Brief wieder an Mayer und aus Bozen wird dieselbe Weise, diesmal mit leicht scherzhaftem Unterton, nochmals — zum letzten Mal — aufgenommen. „Hätte ich auch nur das bescheidenste ,Heim' in Wien, würde ich keinen Augenblick zögern, sogleich dahin zu kommen. — Wie schwer es sein würde, mir ein solches in der Bälde, wie ich's brauche, verschaffen zu können, entmutigt mich, den Versuch zu wagen und auf unbestimmte Hoff- nungen hin noch vor Anbruch des vollen Winters dahin zurückzukommen. — Wenn Sie, mein hochverehrter Freund, etwas in dieser Sache tun könnten, würden Sie dies schon längst ohne meine besondere Aufforderung getan haben, darum will ich auch keinerlei Bitte um Ihre Intervention an Sie richten; vielleicht aber entschließen Sie sich, mir die Hausmeisterstelle Ihres Hauses in Mistelbach zu verleihen; freilich wäre das nicht gerade in Wien, da Sie aber öfter dahinkommen, so hätte ich da wohl öfter die Befriedigung, Sie wiederzusehen, als wenn ich
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mich irgendwo anders befände, und dies würde meinem Herzen überaus wohl tun." Aber noch im selben Jahre 1888 hält der Sehnsucht nach dem Heim in der Vater- stadt ein so starker Widerwille gegen Wien die Wage, daß Pettenkofen, wie wir bereits wissen, am 20. Juni Fräulein Julie Gsell schreiben kann, er hoffe von Zeit zu Zeit seine Reise oder auch seine Umsiedlung nach Paris bewerkstelligen zu können.
Allein trotz alledem ruhte das Schwergewicht von Pettenkofens Leben in dessen letztem nicht mehr vollständigen Jahrzehnt nirgends anders als in Wien. Ein Heim fesselte ihn allerdings nicht an seine Vaterstadt; wenn er sich in ihr aufhielt, mußte er in einem Hotel wohnen (seit dem Verlust der ihm so teuern Währinger W^ohnung im Jahre 1870 scheint er in Wien immer im Hotel „Elisabeth" in der Weihburggasse Quartier genommen zu haben). 0 Dafür aber bot ihm das Atelier an der Akademie, das ihm das Unterrichtsministerium im Jahre 1880, in welchem er auch den Titel „k. k. Professor" erhielt, ^ auf drei Jahre vermietete,') manche Bequemlichkeit, vor allem aber die Möglichkeit ungestörter Arbeit. Zwar spottet er noch 1881 über seine neue Werkstatt, wenn er am 12. Februar von Venedig aus an Franz Xaver Mayer schreibt: „Mein Atelier in Wien, in so schlechtem Zustand es auch immer sein mag, macht mir nur den einen Kummer, daß ich es bezahlen muß", er behält es aber doch bis an sein Lebensende und hat es gewiß im Laufe der Zeit und bei zunehmender Krankheit immer höher schätzen gelernt. —
Der Bezug des Ateliers an der Akademie kann als der äußere Markstein für den Beginn der letzten Periode von Pettenkofens Leben gelten. Eine deutlichere Cäsur wird jedoch durch die Veränderung des Charakters seiner während der achtziger Jahre geschaffenen Werke gebildet. Mit seinen Arbeiten sei daher be- gonnen.
Das ungarische Genre wird noch nicht aufgegeben. Es läßt sich im Gegenteil nachweisen, daß Pettenkofen noch im Juni 1888 persönlich ein Bildchen „Markt in einem ungarischen Dorfe" dem Obersten von Lachnit verkauft. 0 Nun war es durchaus nicht Pettenkofens Art, einem Freunde, den er, wie es hier der Fall war, besonders hochschätzte, ein altes Bild tale quäle zu überlassen. Er malte entweder ein Bild nach einer alten Studie oder malte ein vor Zeiten angefangenes Bild zu Ende, jedenfalls aber arbeitete er daran, bevor er es aus der Hand gab. Er war aber im Herbst 1881 das letzte Mal in Szolnok. Schon im Frühling dieses Jahres hatte er Franz Xaver Mayer mit merkwürdiger Voraussicht aus Venedig geschrieben: „Wenn es meine Gesundheit zuläßt, möchte ich mich gern noch einmal der Plage, nach Ungarn zu reisen, unterziehen. Ich habe in Wien, wie Sie wissen, noch mehrere Arbeiten von dort stehen, welche ich nur mit Aushilfe der dortigen Natur vollenden kann."
Daraus, daß Pettenkofen 1881 das letzte Mal in Szolnok gewesen ist, aber noch bis frühestens Mitte 1888 Bilder mit ungarischen Vorwürfen gemalt hat, läßt sich der Schluß ziehen, daß alle die vielen Arbeiten dieser Art, die er während der achtziger Jahre verkaufte, entweder mehr oder weniger flüchtige Naturstudien von jenem letzten Szolnoker Aufenthalt her, unfertig belassen oder zu Ende gemalt,
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waren oder daß diese Bilder zwar neu gearbeitet waren, aber auf Grund solcher oder noch älterer Studien. Was die Betrachtung des Verlaufes von Pettenkofens künstlerischer Tätigkeit so anziehend gestaltet, ist das Moment der Entwicklung, das durchwegs vorhanden ist. Er ist als Künstler nie- mals still gestanden, son- dern hat sich in rastloser Arbeit immer weiter ge- bildet. Natürlich hat auch er dann und wann einmal einen falschen Weg ein- geschlagen und selbstver- ständlich gibt es auch bei ihm Zeiten der Müdigkeit und Unlust, die auf die Produktion abfärben, alles in allem aber darf von ihm — wohl das höchste Lob, das einem Schaffenden ge- zollt werden kann — gesagt werden, daß er bis an sein Lebensende fortschreitet.
So kommt es, daß sich auch noch unter Petten- kofens ungarischen Bildern der achtziger Jahre Leistungen finden, die seinen besten zugezählt werden können. Die vor der Natur alla prima ebenso rasch wie unfehlbar sicher hingetupften Farben- eindrücke sagen dem durch die Schule des Impressionismus gegangenen modernen Betrachter ganz besonders zu. Doch darf nicht außer Acht gelassen werden, daß namentlich Bildchen, wie sie z. B. Baron Dr. Adolf Kohner in Budapest in dem „Ungarischen Markt" und den „Szolnoker Mietwagen" besitzt und wie sie in großer Zahl durch die Nachlaß-Auktion in den Handel gekommen sind, von Pettenkofen, wenn er sich auch ihres künstlerischen Wertes unzweifelhaft bewußt war, trotzdem gewiß nicht als fertige Bilder angesehen wurden. Mit seiner Signatur (als die er bei solchen Gelegenheiten in der späten Zeit bloß die kleinen Initialen „a. p." zu verwenden pflegte) hat er sie nur zu Verkaufszwecken versehen. Den Typus eines vollendeten ungarischen Bildes vom Beginn der achtziger Jahre stellen die „Unga- rischen Marktweiber" dar, die aus dem Besitz des Obersten von Lachnit in den des
Im Archiv. Unvollendetes Ölbild. Reichenberg, Heinrich Frh. v. Liebiegsche Sammlung der Stadt.
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Ministerialrates Johann Földi in Budapest übergegangen sind. Das hier farbig wieder- gegebene aus dem Nachlaß stammende Bild desselben Gegenstandes bei Oskar Bondy in Wien ist eine nicht zu Ende geführte Variante des vorher genannten Werkchens. Die skizzenhaften kleinen Bilder dieser Art, deren Vorfahren noch aus der ersten Hälfte der achtziger Jahre bereits angeführt wurden, unterscheiden sich von diesen durch eine erhöhte Farbigkeit. Derartige Bildchen sind es, die Petten- kofen im Laufe der achtziger Jahre öfter, jedesmal in größerer Anzahl, an seinen Freund Friedrich Ehrmann mit einem vorher ausbedungenen Gewinstanteil bei weiterer Abgabe verkaufte, so z. B. laut Eintragungen ins Tagebuch am 21. Mai 1880 nicht weniger als 27 Stück, am 6. März 1882 12 Stück. Als Repräsentant der vielen im Nachlaß vorhandenen Bilder, die, so entzückend sie auch häufig wirken, dennoch nicht mehr als Anfänge, Untermalungen sind, mag die in Farben reproduzierte ungarische Marktszene aus dem Besitz des Hauptmannes Franz Artaria gelten. Ihr ist in der Gegenüberstellung von hellem Giftgrün, warmem Lichtbraun und rosigem Weiß ein ganz besonderer koloristischer Reiz eigen.
Das ungarische Marktgewühl, als Ganzes oder im Einzelnen genommen auch das Thema der bisher besprochenen Bildchen, — „kleine Brettchen" nennt sie Pettenkofen gelegentlich selbst — wurde von ihm aber auch noch während der achtziger Jahre in größerem Format dargestellt. Als Beispiel dafür möge der „Szolnoker Markt" im Besitz der Damen Müller dienen. Er ist nicht ganz vollendet und nimmt im wesentlichen die Auffassungs- und Darstellungsweise des „Szolnoker Marktes" vom Jahre 1869 bei Franz Xaver Mayer auf. Die Farben sind weniger bunt als die der kleinen Bilder, satter und dunkler und in ihrer Wirkung mehr zusammengehalten. Das Ganze wirkt aber lebendiger als das um zwölf, vierzehn Jahre ältere Bild. Ein eigentümlicher prickelnder Reiz ist vorhanden; Pettenkofen, der sich nie schämte, Schüler zu sein, hat vielleicht von Fortuny und Favretto gelernt.
Auf anderen Bahnen zeigt ihn das große Bild, das gleichfalls aus dem Nachlaß herkommt, jetzt der Österreichischen Staatsgalerie gehört und ein fast ganz nacktes, halbwüchsiges Zigeunermädchen darstellt, das mit angezogenen Beinen auf einem Herd sitzt und eine Pfeife raucht. Das Thema selbst ist alt; wie wir wissen, hat es Pettenkofen noch in den fünfziger Jahren darzustellen begonnen. Das Neue dieser Fassung liegt vor allem in der ungewöhnlichen Größe des Formates. Es ist, als ob sich Pettenkofen mit den großen Figurenbildern, die sein Freund Müller um jene Zeit aus Ägypten mitbrachte, in einen W^ettstreit hätte einlassen wollen. Das große Format, das sich ihm zeitlebens als ungünstig erwies, ließ ihn auch diesmal im Stich. Das Bild wirkt trotz des vorzüglichen Aktes nicht sehr angenehm ; es hat etwas Frostiges und Glattes an sich, das ältere und kleinere Bild mit dem gleichen Vorwurf, das k. u. k. Truchseß Dobner von Dobenau besitzt, gleich dem in Rede stehenden nicht ganz vollendet, ist viel lebendiger.
Hatte Pettenkofen schon im Jahre 1881 das letzte Mal aus der für ihn so reich- haltigen Fundgrube Szolnok geschöpft, so versah ihn bis wenige Monate vor seinem Tode Venedig, der andere Ort, der für ihn gleichfalls wie kaum ein dritter voll künstlerischer Anregungen war, mit immer neuen Motiven. Dem so gehaßten
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TAFEL XLV . - ;
GARTEN IN GRÜNAU. GOUACHEBILD. (1886.) WIEN, EUGEN MILLER V. |
AICHHOLZ.
I
Kücheninneres. Aquarell.
Wien, Kunsthistorisches Hofmuseum.
Winter und der leidigen Ateliernot zum Trotz muß Pettenkofen in einem Brief vom 14. Dezernber 1883 an Franz Xaver Mayer Venedig und den Venezianern ihr Recht lassen.
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Er schreibt im Anschluß an die Mitteilung, daß es ihm erst nach drei Wochen gelungen sei, eine sehr schlechte Werkstatt zu finden: „Doch das Ungesunde, welches sich durch Feuchtigkeit und Unheizbarkeit an solche Orte hängt, abge- rechnet, läßt mich alles andere unberührt, denn der venezianische Typus ist hoch malerisch und mit fieberhafter Ungeduld erwarte ich die Austrocknung des Ofens, welcher nach hiesiger Art aus Ziegeln gemauert wird und welchen ich machen zu lassen genötigt war."
Aber vorerst sei noch nicht von Pettenkofens figuralen venezianischen Bildern die Rede. Es zieht ihn schon auch die Architektur der Lagunenstadt an, aber, seinem ganzen, bei allem Selbstbewußtsein doch im Grunde bescheidenen und fast scheuen Wesen entsprechend, nicht etwa, mag er auch noch so malerisch verfallen und verwittert sein, der Monumentalbau irgend eines großen alten Meisters, son- dern zum Beispiel ein Hof, umgeben von den hohen Mauern der vielstöckigen venezianischen Zinshäuser, ein Hof, in dem Wäsche zum Trocknen aufgehängt ist, in dem ein paar Bäumchen wachsen und eine Menge Blumentöpfe steht, auf die und deren bunten Pflanzeninhalt von hoch oben herab die Sonne scheint. Ein anderes Mal malt er von der Terrasse seines Hotels aus den Blick hinunter in ein enges venezianisches Gäßchen, die Calle dei Fuseri. Wer die Dächer Venedigs und deren vielgestaltige Schornsteine kennt, weiß auch, was in diesem Fall dem Künstler den Pinsel in die Hand gedrückt hat. Eine Notiz, die sich aus Petten- kofens Nachlaß noch erhalten hat, bezieht sich auf den Vorwurf des eben genannten Bildes. Sie lautet: „Als mich einmal ein . . . G. besuchte (in Venedig, Hotel V[ictoria]) und ich ihm die malerische Aussicht auf die Dächer der Calle [dei] Fuseri, welche ich von meinem Fenster aus übersah, zeigte, machte er mich auf-, merksam, daß Goethe auf derselben Stelle, auf der sich seinerzeit das Albergo Königin Elisabeth befand, [gewohnt habe.]"
Die „Calle dei Fuseri" gehört Eugen Miller von Aichholz und ist ein vom Jahre 1885 datiertes Aquarell, das sich besonders durch die Wiedergabe von Licht und Luft auszeichnet, der „Venezianische Hof" dagegen ist ein Ölbild im Besitz der Stadt Reichenberg, das gleichfalls der Mitte der achtziger Jahre angehören dürfte.
Als drittes Beispiel von Pettenkofens venezianischer Architekturmalerei der acht- ziger Jahre sei das aus dem Nachlaß stammende kleine Ölbild " im Besitz der Öster- reichischen Staatsgalerie angeführt, das anscheinend ebenfalls von einem Fenster aus gemalt ist und den Blick auf einen kleinen venezianischen Platz an einem Kanal darstellt. An sich reizend durch seine flotte Unmittelbarkeit, ist das Bildchen durch die mit Bleistift in den noch nassen Firnis eingeschriebene Notiz „Siccatif- Experiment 24/4 81" bemerkenswert. Ein zweites ähnliches Siccativ-Experiment, vom 24. Jänner 1881 datiert, stellt Schiff'e im Hafen Venedigs dar und ist aus dem Nachlaß in den Besitz des Kommerzialrates Franz Xaver Mayer übergegangen. Diese Trockenmittel- Versuche beweisen die Sorgfalt, die Pettenkofen als alter Mann bei der technischen Herstellung seiner Arbeiten walten ließ. Er hatte eben, wie schon oben erwähnt, die zerstörende Wirkung schlechter Trockenmittel an eigenen älteren Bildern kennen zu lernen Gelegenheit gefunden.
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TAFEL XLVI
KÜCHE IN RIVA. AQUARELL. (1886.) WIEN, EUGEN MILLER V. AICH-
HOLZ.
Klostergarten. Motiv aus Assisi. Ölbild. (1885.)
Wien, Franz Xaver Mayer.
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Eine der letzten Arbeiten, die Pettenkofen überhaupt ausgeführt hat, ist aber- mals ein Motiv aus Venedig, das Ölbild „Venezianische Küche", das er am 26. Februar 1888 beendigt und schon am 6. März um 5000 Gulden dem Kunst- händler Neumann verkauft.
Südliche Küchen haben Pettenkofen öfter zur malerischen Wiedergabe verlockt. Der vom warmen Braun stufenweise ins Schwarz verräucherte Innenraum, erhellt von dem durch ein kleines Fenster hereinfallenden Sonnenlicht und belebt durch eine Figur, die irgend ein farbiges Kleidungsstück an sich hat, das war das Thema, in das sich Pettenkofen zu vertiefen nicht müde ward. Schon im Jahre 1876 brachte er aus Assisi Küchenstudien mit, die meisten fertigte er wohl in Riva an, wo er sich auch im Herbst 1886 wieder längere Zeit aufhielt. Das Aquarell im Besitz Eugen Millers von Aichholz ist durch die Eintragungen in Pettenkofens Tagebuch vom 17. und 23. November und vom 9. Dezember 1887 als „Küche in Riva" sichergestellt. Dieses Motiv hat er mehrmals behandelt, ebenso finden sich zahl- reiche Zeichenstudien darnach vor. Eine Abwandlung des Themas ist ein anderes Aquarell, heutzutage im Besitz des Kunsthistorischen Hofmuseums. Jenes ist ein Querbild, auf dem der offene Herd ganz, die Lichtquelle gar nicht sichtbar ist; beim Kessel macht sich hier eine Frauensperson zu schaffen, der ein auf dem merkwürdigen Tisch neben dem Herd sitzendes kleines Mädchen zusieht. Das Bild im Hofmuseum hat Hochformat, der Herd ist vom linken Bildrand überschnitten, dafür ist rechts aber auch das lichtspendende Fenster zu sehen; auf dem Herd sitzt ein kleines Mädchen, eine Schüssel auf dem Schoß. Das Bild bei Herrn von Miller ist ungleich frischer und erweckt deutlich den Eindruck, daß es an Ort und Stelle geschaffen ist. Das Aquarell des Museums ist im Vergleich damit trockener, es stört das allzu viele etwas tote Braun, man möchte fast glauben, daß dieses Bild nach Studien daheim im Atelier fertiggestellt wurde.
Den Kücheninterieurs aus Assisi, Venedig und Riva ist, wie hier eingeschaltet werde, auch eines aus Toblach anzufügen, das Pettenkofen 1882 Franz Xaver Mayer verkauft und das, da er vor 1882 das letztemal 1875 in Toblach war, in seiner Konzeption noch in dieses Jahr zurückgehen muß.
In Assisi war Pettenkofen nur einmal in seinem Leben, im Sommer 1876. Aber Motive aus diesem Ort hat er zu wiederholten Malen noch in den achtziger Jahren verwertet. So verkauft er am 3. März 1880 Friedrich Ehrmann drei Studien aus Assisi: „Kind am Fenster", „Zimmer mit Gabletten-Bett" und „Weib, Hände waschend". Am 3. Juni desselben Jahres tritt er Franz Xaver Mayer das kleine Ölbild „Garten aus Assisi" ab, das durch ein Mädchen zwischen Blumen- geschirr und bei Vogelkäfigen staffiert ist. Auffallender ist aber noch das ziem- lich große und ausführliche Ölbild bei Franz Xaver Mayer, das Pettenkofen diesem erst zu Beginn des Jahres 1886 übergibt und an dem er einem Briefe zufolge noch am heiligen Abend des Jahres vorher arbeitet. Es sei hier nur daran er- innert, daß das Bild, von dem weiter oben schon die Rede war, einen Garten, in dem ein Mönch beschäftigt ist, darstellt und als eine wohlgelungene Leistung betrachtet werden darf.
Neben Ungarn und Italien, zu welchem eben vorher anläßlich der Besprechung
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TAFEL XLVII
DER HUFSCHMIED. GOUACHEBILD. (1886.) WIEN, EUGEN MILLER V.
AICHHOLZ.
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T'CT'TJT.
TAFEL XLVIII
STRASZENKAMPF IN EINEM VENEZIANISCHEN GÄSSCHEN. UNVOLL- ENDETES ÖLBILD.(1887.)WIEN, K.K. ÖSTERREICHISCHE STAATSGALERIE.
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Venezianischer Hof. Ölbild.
Reichenberg, Heinrich Frh. v. Liebiegsche Sammlung der Stadt.
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der Kücheninterieurs im Widerstreit mit der Landkarte Riva gerechnet wurde, ist das erträgnisreichste Gebiet für Pettenkofens künstlerische Tätigkeit während der achtziger Jahre Tirol, wo er sich in den Sommern und Herbsten der Jahre 1882, 1884, 1886, 1887 und 1888 längere Zeit aufhält. Bozen, Riva, Toblach und Ster- zing sind die Orte, wo er am meisten für Stift und Pinsel findet.
Eine Spezialität, die Pettenkofen im letzten Jahrzehnt seines Lebens fast aus- schließlich auf Grund tirolischer Motive ausgebildet hat und die er in Öl- und Aquarellfarben, mit der Kreide und dem Bleistift pflegt, sind die verschiedenen Handwerker, die er in ihren Werkstätten, umgeben von ihrem Gerät und den Er- zeugnissen ihres Fleißes, darstellt. So hat er den Schmied — diesen besonders gern und zwar als Huf-, als Sensen- und als Nagelschmied — , den Schuster, den Töpfer, den Tischler und den Schleifer geschildert. Darf man den Handwerkern auch die geistigen Arbeiter zuzählen, so sind hier noch der Apotheker, der Amts- schreiber und der Archivar zu nennen.
Zwei dieser Bilder verdienen eine besondere Hervorhebung: der „Hufschmied" und der „Schuster". Das erstere ist ein Aquarell im Besitz Eugen Millers von Aich- holz. Dieser erzählt, von Pettenkofen über die Entstehung des Bildes folgendes gehört zu haben: Auf dem Stilfser Joch, auf dem Wege nach Trafoi und Mals^) mußten die Pferde von Pettenkofens Wagen beschlagen werden. Dies veranlaßte ihn, die Schmiede zu betreten. Künstlerisch zog ihn darin besonders der mannig- faltige Widerschein des draußen frisch gefallenen Schnees an. Er machte sich eine flüchtige Studie, die er durch Notizen vervollständigte, und malte darnach später das Aquarell. Auf dieses bezieht sich unzweifelhaft auch die aus des Künstlers Nachlaß erhaltene Aufzeichnung : „Schmiede, Aquarell. Eilig in der Ausführung, flüchtige Technik, vollendet in der Ton- und Farben Wirkung. " Den zweiten Teil dieses Urteiles wird sich auch heute noch der Betrachter des Bildes gerne zu eigen machen. Da der Zettel, auf dem jene Notiz steht, mit der Jahreszahl 1886 versehen ist, so darf das Aquarell, das Pettenkofen am 4. Februar 1888 um 300 Gulden Herrn von Miller verkauft hat, als im Jahre 1886 entstanden ange- sehen werden.
Anders verhält es sich mit dem zweiten Bilde, dem „Schuster". Das Motiv ist, schon nach der Wandvertäfelung zu urteilen, dem „alten Hause" in Toblach ent- nommen. Da Pettenkofen das „kleine Bildchen" bereits am 21. Mai 1885 an den Obersten von Lachnit, aus dessen Besitz es in den des Ministerialrates Johann Földi in Budapest übergegangen ist, verkauft und er in den achtziger Jahren erst im August 1887 nach Toblach kommt, so muß es noch nach Studien von seinem ersten Toblacher Aufenthalt im Jahre 1875 gemalt sein. Bezeugt ist, daß er wäh- rend der achtziger Jahre in seinem Atelier an der Wiener Akademie daran arbeitete. Dieses soll damals stets voller Schuhe gewesen sein, nach denen sich eine vor- treffliche Bleistiftstudie aus dem Nachlaß im Besitz des Grafen Lanckoronski von Brzezie in Wien befindet. Aber das Bild selbst hat trotz des Rufes, dessen es sich in Liebhaberkreisen erfreut und trotz oder vielleicht wegen seiner gediegenen Aus- führung etwas, das nicht anders denn als Mangel an Frische, an Unmittelbarkeit zu bezeichnen ist und das leider mehr als einer Arbeit aus Pettenkofens letzter
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TAFEL IL
DES KÜNSTLERS ATELIER. GOUACHEBILD. WIEN, MARIE UND BERTA
MÜLLER.
Szolnoker Mietwagen. Ölskizze.
Budapest, Baron Dr. Adolf Kohner.
Zeit anhaftet. Das Gegenteil von dem, was der Künstler selbst in seiner allzu harten Selbstkritik an dem vorher besprochenen Aquarell „Tiroler Hufschmied" als „eilig in der Ausführung und flüchtige Technik" rügt, ist der Fehler dieses kleinen Ölbildes, bei dessen Betrachtung einem unwillkürlich die Worte einfallen, die Petten- kofen auf einem vom Jahre 1885 datierten Zettel niedergeschrieben hat: „Seit 15 Jahren bin ich krank und erhalte mich nur künstlich, aber Treibhauspflanzen tragen keine genießbaren Früchte."
Nicht alle Stücke dieser Bildergruppe sind über ein vorbereitendes Stadium hinausgediehen. Der „Archivar", ein Ölbild der Liebiegschen Sammlung in Reichen- berg, ist z. B. vom Künstler in unfertigem Zustand stehen gelassen worden. Das Motiv stammt ebenfalls aus Tirol, und einer dortigen Klosterbibliothek werden wohl auch die alten Folianten angehören, nach denen Pettenkofen das ausgezeich- nete Bücherstilleben bei Eugen Miller von Aichholz aquarelliert hat.
Naturalistische Arbeiten Pettenkofens, deren Motive weder auf Ungarn, noch auf Italien, noch auf Tirol zurückgehen, gehören während der achtziger Jahre zu den größten Seltenheiten. Dennoch gibt es solche, und ein paar davon seien beispiels- halber angeführt.
Eine, ein Aquarell im Besitz Eugen Millers von Aichholz stellt eine Partie des Gartens von dessen Besitzung in Grünau bei Gmunden dar. Zu diesem Bilde wurde der Künstler wohl durch die im durchsonnten Grün zum Trocknen aufge- hängte weiße Wäsche und durch das mannigfaltige Spiel von Licht und Schatten im Gezweig der Bäume, auf den Leintüchern, auf dem Rasen mit Wäschekorb und Sessel und in der stark verkürzten Kegelstatt verleitet. Dem Itinerar zufolge muß das Aquarell im August 1886 gemalt sein.
Derselben oder einer noch späteren Zeit gehört ein anderes Aquarell an, das sogar ein Wiener Motiv behandelt: des Künstlers Atelier an der Akademie. Man wird schwerlich fehlgehen, wenn man als Ursache dieser außerordentlichen Arbeit nicht bloß die Freude an den schönen, starken Farbenkontrasten von Gelb und
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Rot und Weiß und Schwarz im Vordergrund, für die der dunkle Hintergrund mit seiner gedämpften Buntheit wieder die wirksamste Folie abgibt, sondern auch die Freude am allmählich zusammengetragenen Besitz, am Surrogat für das so sehr ersehnte „eigene Heim" annimmt. Natürlich ist dieses Bild, das den Damen Müller gehört, auch durch seinen Vorwurf, durch die Gegenstände interessant, die es uns kennen lehrt. Diese Dinge, die den Künstler während der letzten Zeit bei seiner Arbeit in Wien umgeben haben, werden übrigens alle noch pietätvoll von den Schwestern Leopold Müllers, Pettenkofens Erbinnen, aufbewahrt.
Unter den auf dem Aquarell angedeuteten Bildern an der Wand sei das rechts von der Tür hervorgehoben. Es ist eine flotte große Ölstudie, die aus dem Nach- laß in den Besitz Eugen Millers von Aichholz übergegangen ist, und stellt Len- bachs Garten in München dar. Das Bild mit seinen schlanken, herbstlich verfärbten Laubbäumen verdient hier wegen seines Motivs, das gleichfalls weder Tirol noch Italien noch Ungarn angehört, Erwähnung. Pettenkofen hat es vermutlich im Herbst 1883 in München gemalt. —
Aber alle die bisher behandelten Bilder, so sehr sich auch, wie noch gezeigt werden soll, die angeführten Aquarelle zum Beispiel von allen früheren unter- scheiden, sind nicht diejenigen Arbeiten Pettenkofens, welche als charakteristisch für seine letzte Periode angesehen werden müssen.
Diese Arbeiten nun sind durch innere und durch äußere Merkmale, häufig durch diese wie jene zugleich, gekennzeichnet. Es treten nämlich einerseits neue Vor- würfe, anderseits neue Verfahren auf, und oft ist ein neues Thema mit Hilfe einer neuen Technik dargestellt. Die Neuerungen im Gegenständlichen lassen sich durch drei Worte erläutern : Pettenkofen malt Kostümbilder und malt Genrebilder, und zwar solche, die anekdotisch zugespitzt sind, die eine Pointe haben, die ein bißchen ins Literarische hinüberspielen, in das, was die Kritik der nächsten Generation den Bildern eines Knaus und Vautier und Defregger so sehr verübelt hat ; Petten- kofen betätigt sich schließlich als Illustrator. Die neuen technischen Verfahren aber, die er anwendet, sind vor allem die Gouache- und die Pastellmalerei; ferner spielt jetzt die Zeichnung bei ihm eine vorherrschende Rolle, und zwar im größeren Format besonders die Kreide-, weniger die Kohlenzeichnung, im kleineren Format die Pinsel- und Federzeichnung mit Tusche und Sepia und Deckweiß.
Natürlich lassen sich die Ansätze sowohl zu den technischen, als auch zu den gegenständlichen Neuerungen schon in etwas frühere Zeit zurückverfolgen. Es sei z. B. an das Gouachebild des „Florentiner Knaben" und an das Kostümbild „Vor der Schmiede", beide aus der Mitte der siebziger Jahre, erinnert. Noch viel merk- würdiger aber ist die Wiederaufnahme von künstlerischen Gepflogenheiten der Jugendzeit: Pettenkofen pflegt das Genrebild und die Illustration wieder.
Die erste bedeutende und genau datierbare Arbeit der neuen Art ist das große Bild „Während des Duells", auch genannt „Die Pferde der Duellanten" oder „Das Duell in der Au". Diese drei verschiedenen Titel ersetzen schon beinahe eine Be- schreibung : In einem herbstlichen Laubgehölz erwarten Stallknechte mit den Pferden ihrer Herren den Ausgang eines Zweikampfes. Das Kostüm ist etwa das der Prinz- Eugen-Zeit, also das der Wende des XVII. Jahrhunderts auf das XVIII. Die Bäume
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sind jene schlanken Laubbäume, hoch- aufgeschossene junge Buchen, wie sie Pettenkofen besonders geliebt hat. Schon auf der aus dem Jahre 1857 stammenden „Zigeunerhütte im Walde" bei Lobmeyr kommen sie vor.
Pettenkofen spricht in einem Brief, den er an Franz Xaver Mayer am 3. Juni 1883 von Venedig aus schreibt, selbst von diesem Bilde und seiner Technik: „Pastellmalerei ist eben in Paris wieder Mode geworden; und so habe ich voriges Jahr, angeregt durch manches, das ich dort sah, einen Versuch gemacht, ,das Duell', dessen Sie erwähnen, gleichzeitig mit meinem Bild in Pastell zu malen. Aber die mir unbekannte und ungeübte Technik machte mir solche Schwierig- keiten, daß ich diese Arbeit, obgleich schon ziemlich fortgeschritten, stehen ge- lassen hätte, hätte mich Herr Sedelmeyer (als Käufer) durch sein ganz unverdientes Lob nicht zur Vollendung getrieben. Aber es ist eine schwache Arbeit geblieben, und es ist mir recht unlieb, daß dieser Versuch in einer Ausstellung hängen soll."
Die Unzufriedenheit des Künstlers mit seiner Arbeit wird von Herrn Sedelmeyer bestätigt. Er erzählt, daß er Pettenkofen, der damals bei ihm wohnte, abends das beim Fenster hinausbürsten sah, was er tagsüber gearbeitet hatte. Die Ausstellung, auf Grund deren Mayer in dem Brief, den Pettenkofen beantwortet, von dem Bilde gesprochen haben muß, kann nur diejenige sein, die Sedelmeyer erst im nächsten Jahre 1884 unter dem Titel „Kollektion von Gemälden österreichischer und ungari- scher in Paris lebender Künstler, ausgestellt im Künstlerhaus" in Wien veranstaltet hat und von der Mayer im vorhinein gehört haben muß. Die Ausstellung umfaßte unter anderem Arbeiten von Brozik, Eduard Charlemont, Jettel, Hynais, Munkäcsy, Payer, Ribarz und Thoren. Von Pettenkofen enthält sie den „Verwundetentransport" vom Jahre 1853 und das „Duell", das im Katalog ausdrücklich als im Jahre 1883 und in Paris gemalt bezeichnet ist.
Pettenkofen hat das Bild am 25. Juli 1883 Sedelmeyer verkauft, der es 1887 in Amerika veräußerte und 1909 wieder zurückerwarb.
Der Widerspruch in den von Pettenkofen und von Sedelmeyer angegebenen Daten erklärt sich einfach dadurch, daß jener das Bild immer wieder vorgenommen hat. Es gibt auch heute noch verschiedene Fassungen davon, die zwar sämtlich weniger ausgeführt sind als das Exemplar im Besitze Sedelmeyers, darum aber noch nicht alle vorbereitende Studien dazu sein müssen. So weiß Rudolf Konopa
Ungarischer Markt. Ölskizze. Budapest, Baron Dr. Adolf Kohner.
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von Rudolf Huber, daß sich Pettenkofen noch in Wien mit dem „Duell in der Au" beschäftigt hat. Das wäre aber vor dem Winter 1884 nicht möglich, da Petten- kofen nach dem Herbst 1882, in dem er seinem eigenen Zeugnis zufolge das erste Mal an dem Bilde arbeitete, nicht früher nach Wien kam als eben im Winter 1884. Pettenkofen bat seinen Freund Huber, der als ehemaliger Kavallerist und als Tiermaler dazu besonders geeignet war, ihm bei einer Expedition, die er mit Pferden und Modellen in die Auen der Donau vorhatte, behilflich zu sein. Wirk- lich kam das ebenso umständliche wie kostspielige Unternehmen zustande, an Ort und Stelle war Pettenkofen aber von der Wirkung des Ganzen so enttäuscht, daß er keinen Strich zeichnete und sohin alles umsonst war. — Solche verschiedene Fassungen des Bildes finden sich bei Markgraf Alfons Pallavicini, bei k. u. k. Truch- seß Fritz Dobner von Dobenau, bei Eugen Miller von Aichholz und bei den Brüdern Gottfried und Hermann Eißler in W^ien und bei Baron Johann Harkäny in Buda- pest. Eugen von Miller und Baron Harkäny besitzen große Ölstudien, die Brüder Eißler eine große leicht getonte Kohlenstudie; das Exemplar bei Truchseß von Dobner ist eine kleine Ölskizze, das bei Markgraf Pallavicini, im Gegensatz zu allen übrigen Fassungen ein Hochstück, ist gleichfalls groß und ist flüchtig in Pastell ausgeführt.
Abgesehen von den verschiedenen technischen Verfahren, liegen die Unter- schiede vor allem in der Haltung der zusehenden Diener und der bald mehr von der Seite, bald mehr von hinten gesehenen Pferde. Die Kohlenstudie bei den Brüdern Eißler wirkt vielleicht am unmittelbarsten. Natürlich gibt es auch eine Menge von Detailstudien für die Pferde und die Landschaft. Ferner hängen die beiden Reitbücher von Newcastle und von Parrocel, die sich Pettenkofen im No- vember 1882 und im Jänner 1883 in Paris kauft, unstreitig mit seinen Bemühungen um das eben erörterte Werk zusammen.
Im Anschluß an dieses Duellbild wird am besten ein anderes zu besprechen sein, das aber über eine große Kohlenstudie nicht hinausgediehen zu sein scheint. Diese gehört Ministerialrat Johann Földi in Budapest und stellt Kavaliere dar, die ihre Gegner zum Duell erwarten. Das Kostüm ist diesmal das des XVII. Jahr- hunderts. Die Idee zu einem solchen Bilde hat Pettenkofen lange beschäftigt. Wir erinnern uns der wahrscheinlich noch aus der ersten Hälfte der fünfziger Jahre stammenden Ölstudie eines wartenden Kavaliers, der sich die Handschuhe an- zieht. Auch noch Ende der sechziger Jahre hat sich Pettenkofen mit diesem Thema befaßt, denn in einer vom 26. Dezember 1868 datierten Liste, die „Bilder und Studien im Versteck" überschrieben ist, findet es sich folgendermaßen vermerkt: „Kavaliere, ihre Gegner zum Duell erwartend — aus den betreffenden Kostümen ein Paket zum Absenden machen." Schließlich ist es in einer in die achtziger Jahre anzusetzenden Notiz, die „Skizzen und angefangene Bilder" betitelt ist, etwas näher beschrieben: „5 Figuren groß — 3 Figuren klein. Herbst. Früher Morgen. Nebel. Waldweg." Die flotte Studie bei Herrn Ministerialrat Földi dürfte den achtziger Jahren zuzuweisen sein. —
Das in Paris entstandene „Duell in der Au", wenigstens in seiner am meisten ausgeführten Fassung, gehört als Pastellmalerei und als Kostümbild zu den be-
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sprochenen Neuerungen der achtziger Jahre. Gleichfalls dazu gehört der „Apo- theker" oder „Provisor", wie das Aquarell heißt, das Eigentum Eugen Millers von Aichholz ist. Nach dem Modell, das er schließlich für das Bild benützte, zeichnete und malte Pettenkofen, wie vom Jahre 1883 datierte Studien beweisen, schon im Winter dieses Jahres in Venedig. Vor allem auf dieses Modell scheint sich die oben mitgeteilte gleichzeitige Äußerung vom „hochmalerischen venezianischen Typus" zu beziehen. Aber Pettenkofen braucht damals nicht schon auch die Idee zum Bilde gehabt zu haben. Erst am 2. Mai 1884 notiert er sich in sein Tage- buch: „Malerei in der Apotheke S.Stefano" und erst am 13. Juli des nächsten Jahres verkauft er das Bild an Eugen von Miller.
Auch zu diesem Bilde gibt es zahl- reiche Studien und verworfene Fassungen in Bleistift, Kreide, Kohle, Sepia und Aquarell; der Apotheker ist in ganzer Figur oder als Brustbild aufgenommen, und auch das Laboratorium ist für sich allein dargestellt. Die alte Einrichtung der Apotheke, an der besonders die ori- ginellen kupfernen Retorten auffallen,
scheint aus der Goldoni-Zeit zu stammen und wohl das Kostüm, mit dem Petten- kofen sein Modell bekleidete, bestimmt zu haben.
Das „Duell in der Au", wenigstens in dem Exemplar bei Sedelmeyer, ist bereits eines jener Genrebilder, die für den modernen Geschmack, der sich freilich seiner Wandelbarkeit und Hinfälligkeit stets bewußt bleiben sollte, schon beinahe ein wenig zu viel erzählen. Die Fassungen, auf denen das eigentliche Duell hinten nicht mehr sichtbar ist und die zusehenden Reitknechte weniger erregten Anteil nehmen, sagen dem heutigen Betrachter noch am meisten zu.
Von dieser letzteren, nur ganz schwach ans Theater gemahnenden diskreten Art ist das Aquarell „Der Apotheker". W^as darauf die Figur tut — der Mann gießt aus einer Phiole ein paar Tropfen in einen Tiegel — ist so ungezwungen und unaufdringlich, daß dem Bilde gegenüber der Vorwurf der Pose nicht nur un- ausgesprochen, sondern auch ungedacht bleiben muß. Das Ganze ist eigentlich nichts anderes als ein Zustandsbild, freilich mit der Tracht und dem Innenraum einer vergangenen Zeit. Sich an diesem letzteren Umstand allein aber zu stoßen, wäre gewiß durchaus verfehlt, da es sich der Künstler nie wird nehmen lassen,
Ungarische Marktweiber. Ölbild. 1888. Budapest, Ministerialrat Johann Földi.
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auch einmal ein Stück Vergangenheit darzustellen. Er muß es nur völlig im Geist seiner Kunst anpacken und nach Zolas berühmtem Wort durch sein Temperament sehen. Pettenkofen bleibt auf Bildern wie dem „Apotheker" durchaus malerisch und höchst persönlich, und die große Mühe, die in der ganzen Arbeit unzweifel- haft steckt, ist durchaus nicht zu merken, so frisch und flott ist alles gemalt. Das aber sind die drei Klippen, an denen zum Beispiel ein so bedeutender Künstler wie Meissonier gescheitert ist. Er malte Dinge, die besser zu erzählen gewesen wären, war von einer solchen Sachlichkeit, daß man über sie seiner Persönlichkeit vergaß, und seine überpeinliche Ausführung ließ die aufgewendete Mühe unverhüllt. —
Ist nach alledem der „Apotheker" kein Genrebild im heute verpönten Sinne und gehört er daher, was seinen Gegenstand anbelangt, nur als Kostümbild zu den oben charakterisierten Neuerungen, so unterscheidet sich dafür seine Technik, wenn auch noch nicht dem Prinzip, so doch dem Grade nach, von der von Petten- kofens früheren Aquarellen. Sie ist noch breiter, noch kühner geworden und ist noch viel mehr für die Fernsicht berechnet als etwa die der neapolitanischen Aquarelle aus dem Jahre 1873.
Dagegen zeigt die Technik der schon besprochenen Aquarelle „Hufschmiede", „Garten in Grünau" und „Des Künstlers Atelier" einen prinzipiellen Unterschied gegenüber der Technik aller früheren Aquarelle Pettenkofens. Auf diesen dreien kommt nämlich, sowohl rein, als auch mit anderen Farben gemischt, Deckweiß vor, während auf den früheren das Weiß immer ausgespart, dann und wann ein- mal, z.B. am Beginn der fünfziger Jahre, auch ausgekratzt ist. Da die „Schmiede" und der „Garten" in das Jahr 1886 datiert werden können, so wird dieses Jahr ungefähr die Zeit bezeichnen, in der sich Pettenkofen mit jener technischen Neue- rung praktisch befaßte. Daß er schon früher Gouachefarben verwendet hat, wissen wir: mit ihnen ist die Studie eines Florentiner Knaben vom Jahre 1875 und das „Mädchen mit den zwei Hunden" vom Jahre 1877 gemalt.
W^ährend der achtziger Jahre wandte Pettenkofen überhaupt der Aquarelltechnik, die er eigentlich seit dem Jahre 1873 vernachlässigt hatte, eine erhöhte Aufmerk- samkeit zu. Am 12. Februar 1883 trägt er zu Paris in sein Tagebuch ein, daß er bei Sedelmeyer Aquarelle von Mauve gesehen habe. Diesen Belgier hat er, wie Herr Sedelmeyer mitteilt, sehr bewundert, — besonders um der „valeurs" willen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß ihn dessen flächige Technik angeregt hat, selber breiter und kühner zu werden. — Von theoretischer Beschäftigung mit der Aquarell- technik zeugt eine Notiz, die ungefähr aus dem Jahre 1888 stammen dürfte. Sie lautet : „Es bleibt der noch so jungen Maltechnik — dem Aquarellmaler — manches zu lernen, zu vervollkommnen übrig, und das hat mich in der letzten Zeit ange- regt, mich derselben mehr anzuschließen, in derselben der Natur ähnlicher [zu] werden, als dies bis jetzt das Bestreben war, — vielleicht weil man die Mittel nur da für ausreichend hielt, wo es sich nur um den momentanen Ausdruck einer Naturerscheinung handelte. In Vergleichung mit der Natur gibt es da noch vieles zu lernen. — "
Wie der „Apotheker" zu Venedig und auf Grund venezianischer Eindrücke ist das „Rencontre" oder der „Zweikampf in einem venezianischen Gäßlein" konzi-
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TAFEL L
UNGARISCHE MARKTWEIBER. UNVOLLENDETES ÖLBILD. WIEN, OSKAR
BONDY.
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UNGARISCHER MARKT. UNVOLLEITOETES ÖLBILD. WIEN, HAUPTMANN
FRANZ ARTARIA.
Winkel mit allerlei Gerät. (Motiv aus Riva.) 1886.
Wien, Eugen Miller v. Aichholz.
piert worden. Die Notiz, die Pettenkofen am 30. April 1884 zu Venedig in sein Tagebuch schreibt und die knapp genug „Alte Gasse in Venedig" lautet, bezieht sich anscheinend darauf, daß ihm damals die Idee zu dem Bilde gekommen ist.
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Gearbeitet hat er viel später daran, erst im Juni 1887, wo sich im Tagebuch ein paar Mal die Eintragung findet: „6 Uhr früh. Kleine Gasse." Auch eine Stelle im Venezianer Brief vom 17. März an Franz Xaver Mayer hat unzweifelhaft die Malerei am „Rencontre" im Sinne. Sie lautet: „Wohl habe ich Freund Müller gesagt, daß ich Ende Februar in Wien sein werde, denn ich hatte mich damals, so wie es meine schwanke Gesundheit forderte, in zeitbeanspruchende Arbeiten noch nicht eingelassen und an das mehr vom Momente abhängende Zeichnen ge- halten, welches für mich einen doppelten Wert hat. Weil aber um diese Zeit das Wetter so lieblich und mild wurde und der günstige Einfluß auf meine Gesund- heit mich ermutigte, glaubte ich wieder, den Moment benützen zu müssen und zur Palette zu greifen. Aber wenn auch in allem andern der Anfang schwer ist, so ist er doch in der Malerei — im ,Bilderanfangen' sehr leicht und nur das Be- enden wird oft durch die Umstände sehr erschwert." In diesem Falle war das Zuendeführen so schwer, daß es in weniger als einem Jahre von des Künstlers Tod überholt wurde. Das Bild kam nicht mehr fertig aus Pettenkofens Hand und wurde erst auf der Auktion seines Nachlasses verkauft. In jener Calle arbeitend, soll sich Pettenkofen die Erkältung zugezogen haben, der er später erlegen ist.
Cecil van Haanen erzählt über die Entstehung des Bildes folgendes: Als er im Winter 1883 auf -84 bei zwei Schwestern namens Raffaelli mit Pettenkofen zu- sammen ein Atelier hatte,") malte er, van Haanen, ein Bild, das den Blick in ein enges venezianisches Gäßchen darstellt, aus dem heraus ein altes Weib auf eine jüngere Frauensperson schimpft, während vorne eine dritte, einen Kleiderklopfer in der Hand, so als ob sie bereit wäre, damit der Gescholtenen zu Hilfe zu eilen, halben Leibes aus einer Tür nach den hinten Streitenden späht. Die Photographie des Bildes, die dem Autor 1905 von Herrn van Haanen gezeigt worden ist, weist eine so unverkennbare und so unleugbare Übereinstimmung mit dem in Rede stehenden Gemälde Pettenkofens auf, daß Herrn van Haanens Mitteilung, Petten- kofen sei durch jene streitenden Weiber zu seinem „Straßenkampf" angeregt worden und habe zu dessen Schauplatz dieselbe Calle benützt, unbedingt Glauben zu schenken ist. Wenn es erlaubt ist. Kleines mit Großem zu vergleichen, so hat Pettenkofen den von Cecil van Haanen heiter gesehenen Vorgang ins Ernste über- tragen, ähnlich wie z. B. Richard Wagner durch das „übermütige" Stück, zu dem sein Freund Karl Ritter die Tristansage verarbeiten wollte, zu feiner Tragödie an- geregt worden ist. ') Abgesehen von allen anderen Unterschieden hat Pettenkofen den Kampf selbst, einer Gepflogenheit entsprechend, die wir schon seit der ersten Hälfte der siebziger Jahre an ihm beobachten und die ihn einen großen leeren Vordergrund bevorzugen läßt, weit nach hinten verlegt und das Kostüm des XVIII. Jahrhunderts gewählt. Lehrreich für Pettenkofens Arbeitsweise jener späten Zeit ist eine große Photographie bei Franz Xaver Mayer, die den Straßenkampf in jener Calle, aufgeführt von kostümierten Modellen oder Theater Statisten, zeigt. Auch zu diesem Bilde, das Pettenkofen, wie gesagt, nicht mehr beenden sollte, gibt es eine ganze Menge von Studien aller Art. Es ist die letzte Fassung des Duell- themas, das Pettenkofen, rechnet man die humoristische Lithographie „Die Be- denklichkeit" mit, 44 Jahre hindurch, läßt man sie weg und beginnt man die Reihe
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Der Jöchelsturm in Sterzing. Leicht lavierte Kreidezeichnung.
Wien, Eugen Miller v. Aichholz.
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seiner Darstellungen eines Zweikampfes mit dem Ölbild „Der Sieger" vom Jahre 1853 in Amsterdam, länger als ein Menschenleben künstlerisch beschäftigt hat.
Ist schon dieses Bild Pettenkofens nicht mehr ganz zu Ende geführt gewesen, so wird vollends der Schluß dieser Pettenkofens Gemälden gewidmeten Betrach- tungen in der Aufzählung einer Reihe von bloßen Entwürfen bestehen müssen. Darf es einerseits als ausgemacht gelten, daß einige dieser Kompositionsskizzen sowohl der ihnen zugrunde liegenden Idee, als auch der Ausführung nach, die sie schließlich gefunden haben, in frühere Zeit zurückreichen, so muß anderseits wieder betont werden, daß sie alle für den Künstler, der so streng gegen sich und so rasch bereit war, eine Arbeit, die ihn nicht mehr befriedigte, zu zerstören, noch am Ende seines Lebens eine gewisse Bedeutung gehabt haben müssen, sonst hätte er, der seinen Nachlaß aufs sorgfältigste gesichtet und für den Verkauf vor- bereitet hat, sie zweifellos vernichtet; schließlich läßt sich für einige dieser Ent- würfe mit Bestimmtheit feststellen, daß Pettenkofen während der achtziger Jahre an ihnen gearbeitet hat.
Es seien zuerst die Kostümbilder angeführt. Unter diesen ist das „Rokoko-Rendez- vous" besonders interessant, nicht nur weil es das letzte Stelldichein ist, das Petten- kofen gemalt hat, sondern vor allem darum, weil es fast ganz nach demselben Schema komponiert ist wie das „Rencontre in einem venezianischen Gäßchen". Auch auf dem „Rendezvous" läuft gerade ins Bild hinein der Weg, den rechts eine hohe Gartenmauer und links dicht gepflanztes und streng beschnittenes Busch- werk begrenzt. Befinden sich dort die Kämpfenden im Hintergrund, so ist hier die Dame, die sich auf den verschiedenen Fassungen einmal entfernt, das andere Mal nähert, tief nach hinten gestellt. Der Figur des Mannes, der, den Degen in der Hand, aus einer Tür links nach hinten späht, entspricht der Liebhaber, der, die Hand an der Klinke des geöffneten Gartenpförtchens, vorgebeugt, der Ge- liebten hinten nach- oder entgegensieht. Das große Stück Boden zwischen dem unteren Bildrand und einerseits der Kämpfergruppe, anderseits der Dame hinten ist durch ein Schoßhündchen hier, durch weggeworfene Mäntel dort belebt. Das Kolorit des „Rendezvous" scheint, dem freudigen Vorgang entsprechend, heller und bunter als das des „Rencontre" geplant gewesen zu sein. Auf der dem Autor allein im Original bekannten Ölstudie aus dem Nachlaß (heute im Besitz des Grafen Karl Lanckoronski von Brzezie in Wien) trägt z. B. der Kavalier einen zinnoberroten Frack.
Von all den hier zu besprechenden Entwürfen scheint dieser noch am meisten bildmäßige Gestalt angenommen zu haben. Wenigstens gibt es eine in Pastell aus- geführte Fassung, die mit dem Monogramm des Künstlers versehen und vom Jahre 1883 datiert ist. Auch dieses Thema ist von Pettenkofen in zahlreichen mehr oder weniger skizzenhaften Arbeiten abgewandelt worden. Unter den erhaltenen Detail- studien dazu sind die mit schwarzer Kreide und Rötel flott hingeworfenen Figuren- zeichnungen hervorzuheben. Am 30. Dezember 1882 schreibt Pettenkofen zu Paris in sein Tagebuch : „Die Zeichnungen des Liotard im Lou vre, 1738, mit Rotstift und schwarz." Es ist zweifellos, daß ihn diese Technik des alten Meisters dazu angeregt hat, jenes Thema aus dessen Zeit auch mit dessen Zeichenmaterial zu skizzieren.
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TAFEL LH
GASSE IN RIVA. KREIDEZEICHNUNG. 1886. WIEN, EUGEN MILLER V.
AICHHOLZ.
Werkstattinneres. Sepiastudie.
Wien, Ludwig Lobmeyr,
Schließlich sei anläßlich des „Rendezvous" noch erwähnt, daß sich dazu auch eine bloß in den Umrissen gehaltene Pinselzeichnung auf Pauspapier erhalten hat, auf der die wichtigsten perspektivischen Konstruktionslinien eingetragen sind. Perspektivische Konstruktionen sind auch für den „Straßenkampf" und die „Vene- zianische Küche", auf deren offenem Herd, eine Milchschüssel im Schoß, ein kleines Mädchen sitzt, nachzuweisen. Auch sie tun aufs überzeugendste dar, mit welcher Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit Pettenkofen noch am Schlüsse seines Lebens seine Bilder vorbereitet hat.
Andere Entwürfe zu Kostümbildern sind:
„Der Besiegte". Dieses Bild war gewissermaßen als das Gegenstück zu dem im Museum Fodor in Amsterdam gedacht. Die Skizze zeigt den Unterlegenen, der die Hand an die Wunde preßt, im Vordergrund niedergestürzt; vor ihm auf dem Boden liegt sein Degen. Hinten entfernen sich der Täter und sein Begleiter durch ein Türchen in der Stadtmauer. Dieser Entwurf, der seiner Idee nach wahrschein- lich noch dem Beginn der fünfziger Jahre angehört, hat Pettenkofen zweifellos noch während der achtziger Jahre beschäftigt, denn die Notiz: „Nach dem Ren- contre. Stadtmauer" in dem schon zitierten aus jener letzten Zeit stammenden kleinen
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Verzeichnis, das „Skizzen und angefangene Bilder" überschrieben ist, kann auf keinen anderen Entwurf gedeutet werden. — Der „Verwundete in der Apotheke". (So nennt Pettenkofen in der eben angeführten Liste selbst das Bild und notiert sich dazu als die Zeit, in die er sich die Szene verlegt denkt, das XVI. Jahrhundert.) Dem Blessierten, der, den Oberkörper entblößt und nach vorne geneigt, auf einem Stuhl sitzt, wird anscheinend gerade eine Kugel herausgeschnitten. — Altes Weib, in einer Truhe kramend. Sie kniet und ist von hinten gesehen. Das Licht fällt von rechts oben ein. Dieser Entwurf hat in dem Ölbild bei Herrn Professor Anton von Frisch in Wien, das 1886 in Venedig gemalt worden ist, einen vorläufigen Ab- schluß gefunden. Pettenkofen wollte die Alte ursprünglich in Geschmeide wühlen lassen, auf dem das höchste Licht ruhen sollte. Doch ersparte er sich schließlich diesen Effekt. Das Bild sollte „in der Art der alten Niederländer" gemalt werden. ') — „Hehler und Dieb. Dunkle Spelunke." So in jener Liste. Unter den Entwürfen selbst findet sich nur einer, der möglicherweise auf diesen Titel zu beziehen wäre und der zwei Männer in der Tracht des XVII. Jahrhunderts mit Sachen (Säcken, die das gestohlene Gut bergen ?) beschäftigt zeigt ; rechts von ihnen steht ein dritter (der Hehler?) und sieht ihnen zu. — „Der Pardon. Einzelner Reiter, Hintergrund Stadt. XVIII. Jahrhundert." So lautet der Passus im Verzeichnis. Eine Skizze aus dem Nachlaß läßt sich kaum damit in Verbindung bringen.
Andere Entwürfe gehören insoferne zusammen, als auf ihnen nackte oder halb- nackte Kinder (meist sind es Zigeunerjungen) die Hauptrolle spielen. Einmal trinkt ein Zigeunerbube, der auf dem Rücken liegt und den Kopf zwischen die Hinter- beine einer Ziege gesteckt hat, aus deren Euter, während sein Kamerad rittlings auf ihr oben sitzt. Diese Skizze erinnert mit der Urweltlichkeit ihres Themas an verwandte Kunstwerke des Altertums. Ein anderes Mal hat ein Zigeunerjunge auf ein Stäbchen, das er in der Hand hält, eine noch lebende Schlange aufgespießt und reizt sie mit der anderen Hand. Dann wieder läuft einer, mit drei einander bei den Händen fassenden Spielgefährten als dem feurigsten Gespann durch eine Schnur verbunden, über die Pußta. Ludwig Knaus soll diese Skizze, wie Herr Eugen Miller von Aichholz erzählt, in Pettenkofens Atelier gesehen und darnach zu dessen größtem Ärger ein süßliches Bild „Zigeunerfuhrwerk" gemalt haben. Dessen Entstehungsjahr 1884") gibt nach dieser Mitteilung einen terminus ante quem für Pettenkofens Skizze ab. Endlich ist ein Zigeunerjunge in einer Schlucht (versetzte man die Szene nach Szolnok, so könnte man nur an die dort hoch und steil abfallenden Ufer der Theiß denken) abgestürzt, ein anderer klettert hurtig den Abhang herab, jenem zu helfen.
Fast alle diese Entwürfe sind große, ziemlich furiose Gouacheskizzen in Schwarz und Weiß.
Die reichste Komposition aber, mit der sich Pettenkofen während der achtziger Jahre beschäftigt hat, ist das „Verbotene Bad". So betitelt er in dem öfter ge- nannten Verzeichnis selbst das Bild. Er fügt da noch folgende erläuternde Worte hinzu: „Fluß. Höheres Ufer an einer Mühle. Steg über den Fluß." Zu diesem Bild, das über eine große Gouacheskizze in Clairobscur bei Herrn von Miller nicht hinaus- gediehen ist, haben sich zahlreiche höchst flüchtige, zum Teil geradezu rätselhafte
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Bleistiftentwürfe erhalten. Auf Grund von ihnen allen läßt sich der Vorwurf des Bildes ungefähr folgendermaßen be- schreiben. Eine Schar von Knaben badet an einer Stelle des Flusses, wo das Baden verboten ist. Vielleicht, weil das Wasser hier zu tief ist oder die Gefahr besteht, daß ein Badender unter das Mühlrad gerät. Als sich die muntere Ge- sellschaft eben am sorglosesten ihrem nassen Vergnügen hingibt, kommt über den nahen Steg der zu dieser Zeit durch- aus nicht erwartete gefürchtete Herr Pfarrer. Derjenige, welcher ihn zuerst erblickt, ruft es erschreckt den anderen zu, und nun trachtet alles über Hals und Kopf ans Ufer zu gelangen. Man schwimmt, watet und läuft, stößt und wird gestoßen, plantscht und purzelt, greift nach den Kleidern, versucht in sie hineinzu- schlüpfen.
Natürlich ist der Vorgang hier poin- tierter dargestellt, als er auf Pettenkofens
Bild zu sehen gewesen wäre. Den Pfarrer hätte er sicher ganz in den Hintergrund geschoben, schließlich vielleicht gar nicht gezeigt. Sein Thema wäre eine Menge aufs mannigfaltigste bewegter Knabenkörper gewesen, malerisch zusammengehalten durch das Spiel des Sommersonnenlichtes auf dem Wasser und den nassen Lei- bern. Ins Jugendlichere und Heitere übertragen wäre das Bild etwas dem Karton Michelangelos „Das Treffen bei Cascina" Verwandtes gewesen. Nur hätte Petten- kofen sicherlich die Aufgabe malerisch und nicht, wie es der große Florentiner getan hat, zeichnerisch zu lösen versucht. Dieses für Pettenkofen im Grunde ge- nommen recht befremdliche Sujet ist unzweifelhaft eine Frucht der Aktstudien, die er zeitlebens aufs eifrigste betrieben hat.
Die Reihe der Entwürfe sei mit zweien beschlossen, deren einer offenbar auf Neapel zurückgeht und daher wenigstens dem Gedanken nach 1873 entstanden sein wird, während vermutlich zu dem anderen ein in Südtirol geschautes Motiv die Anregung gegeben hat. Dieser wird von Pettenkofen selbst in der Liste der „Skizzen und angefangenen Bilder" folgendermaßen beschrieben: „Junge Mädchen hinter einer Gartenplanke. Langformat, die Köpfe 8 cm groß." Der auf braun- gelbem Grund mit dunkelbraunem und weißem Pinsel ganz flüchtig hingemalten großen Skizze ist zu entnehmen, daß das kleinere Mädchen dem größeren, das einen Sonnenschirm hat, in dem Garten, aus dem hohe Malven aufragen, etwas zeigt. — Die andere Bildidee läßt sich nach den drei Fassungen, in denen sie vor- liegt, als folgende Szene verstehen: Ein Mädchen diktiert einem öffentlichen
Marktweib. Federstudie. Wien, K. k. Österreichische Staatsgalerie.
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Schreiber, der sein Tischchen an der Säule irgend eines Palazzo aufgestellt hat, einen Brief in die Feder, —
War bisher von Bildern die Rede, deren Komposition vom Künstler nicht zu Ende gedacht wurde, geschweige denn, daß ihre Ausführung abgeschlossen wäre, so sollen nun Zeichnungen betrachtet werden, die er selbst in diesem wie in jenem Sinne für vollendet gehalten hat.
Pettenkofen hat während der achtziger Jahre mehr denn je gezeichnet und, was er da gemacht hat, übertrifft an künstlerischer Bedeutung weitaus alle seine früheren Zeichnungen.
Am 27. Jänner 1886 verkauft Pettenkofen nicht weniger als 133 Zeichnungen an Ludwig Lobmeyr. Sie dürften der großen Mehrzahl nach in den Sommern der Jahre 1884 und -85 in Tirol entstanden sein. Manches geht aber auch auf irgend eine kleine Stadt der Terra ferma, vieles auf Venedig zurück. Das Figurale tritt auf diesen Blättern zurück, Innenräume, Landschaften, Veduten aus Dörfern und Städt- chen überwiegen. Die Technik ist ungemein mannigfaltig, ersichtlich durch ein ausgebreitetes und eindringliches Studium der Handzeichnungen der alten Meister angeregt. Eine bloß mit dem Sepiapinsel meisterhaft hingeworfene Zeichnung wie die „Werkstatt" bei Ludwig Lobmeyr oder die aus dem Nachlaß stammende mit rascher sicherer Kraft geschaffene Federzeichnung eines die Hände in die Hüften stemmenden dicken Höckerweibes in der Österreichischen Staatsgalerie verraten die innigste Vertrautheit mit Rembrandts Zeichenstil.
Von Zeichnungen dieser Art aber, die nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum Zwecke, Studien zu Bildern sind, unterscheiden sich prinzipiell diejenigen großen Kreidezeichnungen, die Pettenkofen 1886 größtenteils in Riva, aber auch in Bozen, Sterzing und Venedig geschaffen hat. Aus Pettenkofens Nachlaß hat sich ein Ver- zeichnis erhalten, das den Titel „Kreidezeichnungen" führt und nicht weniger als 92 Nummern umfaßt. Trotz des Titels findet sich hie und da eine andere Technik vermerkt, z. B. Bleistift oder Kohle oder Tusche, die überwiegende Mehrzahl aber ist mit schwarzer Kreide gezeichnet. Dieser, im Anhang mitgeteilten Liste kommt darum ein besonderer Wert zu, weil Pettenkofen ihre Nummern mit Rötel auf die einzelnen Blätter geschrieben hat und sich viele von ihnen auf diese Weise lokali- sieren und mit weiterer Hilfe des Itinerars auch genauer datieren lassen. Die meisten und besten dieser Zeichnungen besitzt Herr Eugen Miller von Aichholz. Pettenkofen wollte ursprünglich eine Auswahl der besten der Albertina verkaufen. Bedauerlicherweise soll aber die Summe, die er dafür begehrte, dem Institut zu hoch gewesen sein.") Am 9. Dezember 1887 verkaufte er 61 Stück dieser Zeich- nungen um 6000 Gulden Herrn Eugen Miller von Aichholz. Dieser erzählt, daß ihm der Künstler die Blätter besonders ans Herz gelegt habe, als das Beste, was er geschaffen hätte. Tatsächlich sind alle diese Zeichnungen von einer bewunderns- werten Freiheit der Darstellung. Was an ihnen am meisten imponiert, ist die sou- veräne Beherrschung der künstlerischen Ausdrucksmittel. Von ihrer Großzügigkeit geben die drei hier erheblich verkleinert reproduzierten Blätter (Das Gäßchen mit dem Ochsenwagen in Riva, der Winkel mit allerlei Gerät ebendort, der Jöchels- turm in Sterzing, alle drei Zeichnungen im Besitz des Herrn von Miller) nur eine
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Gil Blas' Onkel, der Canonicus Gil Perez, lehrt ihn lesen. Sepiaskizze. Wien, Eugen Miller v. Aichholz.
schwache Vorstellung. Die Themen sind z. B. eine Schmiede in Bozen; Gassen, ein Platz, eine Küche, ein Bauernhof, Bauerngerätschaften in Riva ; Dorfhäuser, ein altes Herrenhaus in Sterzing; eine Klempner Werkstatt, Auf- nahmen von der Straße, aus dem Kaffee- haus, aus einer Bibliothek in Venedig; Innenräume aus Tiroler Bauernhäusern ; verschiedene Ansichten aus einem nicht näher bezeichneten Kapuzin er kloster; eine Gartenecke; ein nähendes Mäd- chen, ein Bauernschuster in Riva; Köpfe und Halbfiguren einer alten Veneziane- rin, eines alten Venezianers, venezia- nischer Kinder. —
Pettenkofens merkwürdigste Zeich- nungen aus den achtziger Jahren aber, vielleicht überhaupt die merkwürdigsten Arbeiten, die er während dieser Zeit ge- schaffen hat, sind seine Entwürfe zu Illustrationen für Lesages berühmte „Ge- schichte des Gil Blas von Santillana".
Über die Entstehungszeit dieser Blätter sei gleich hier bemerkt, daß Herr Maler Theodor Ethofer ausdrücklich mitteilt, daß Pettenkofen bereits 1873 an den Abenden in Neapel an ihnen gearbeitet habe. Sämtliche auf diese Illustrationen bezüglichen Notizen, die sich aus dem Nachlaß erhalten haben, gehören jedoch den achtziger Jahren an. Die Skizzen stellen daher eine Arbeit dar, die in ihren Anfängen be- reits auf das Weltausstellungsjahr zurückgeht, mit der sich Pettenkofen aber — vielleicht nach jahrelanger Unterbrechung — erst in den achtziger Jahren intensiv beschäftigt hat.
Die beträchtliche Anzahl der Blätter macht eine sich über mehrere Jahre er- streckende Arbeitsfrist von vorneherein wahrscheinlich. Noch auf der Nachlaß- auktion bei Miethke waren in zwei Mappen 147 Zeichnungen vorhanden. Sie ver- blieben vorerst Miethke, von dem sie später Herr Eugen Miller von Aichholz kaufte. Dieser aber besitzt sie leider nicht mehr ganz vollzählig. Zu den im Katalog der Nachlaßauktion verzeichneten 147 Stück kommen noch etliche andere hinzu, die freilich so flüchtig sind, daß sie sich nur kaum mehr entziffern lassen. Sie finden sich verstreut unter den noch bei den Damen Müller erhaltenen Resten von Pettenkofens künstlerischem Nachlaß.
Die von Pettenkofen unter dem Schlagwort „Gil Blas" zusammengelegten Blätter sind zwar zum weitaus größten Teil Illustrationsentwürfe im eigentlichen Sinne, etliche aber sind Naturstudien, die ursprünglich nicht im Hinblick auf Lesages Roman geschaffen sind. So finden sich unter jenen Zeichnungen auch Landschafts- studien, Veduten aus alten italienischen Städtchen, rasch festgehaltene Innenräume und Gerätschaften aus dem XVII. Jahrhundert oder einer noch früheren Epoche,
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alles Arbeiten, die von dem Künstler erst nachträglich als vielleicht für jenen Illustrationszweck verwendbar erkannt wurden.
Wie der Grad der Ausführung der einzelnen Zeichnungen verschieden ist, so abwechslungsreich ist auch ihre Technik. AUerflüchtigste, kaum mehr zu ent- rätselnde Notizen liegen neben Zeichnungen, die trotz aller Frische und Unbe- kümmertheit dennoch alle Absichten des Künstlers bereits vollständig erkennen lassen. Bleistift, Feder und Pinsel wechseln entweder ab oder treten vereinigt auf. Sepia und Tusche sind häufig mit Weiß gehöht.
Eine Szene, eine Figur, die bestimmte Geste einer solchen, möchte man sagen, findet sich oft und oft wiederholt. Aber nicht bloß daraus läßt sich schließen, daß in den erhaltenen Zeichnungen nichts Endgültiges vorliegt. Es ist viel- mehr selbst keine der am meisten ausgeführten von ihnen so weit gediehen, daß sie — in Pettenkofens Sinne wenigstens — reproduktionsreif wäre. Das ist jammer- schade, weil die Skizzen schon so, wie sie auf uns gekommen sind, wirklich etwas Ausgezeichnetes darstellen. Man möchte glauben, daß die fertigen Illustrationen etwas geworden wären, was den Vergleich mit den entsprechenden Arbeiten Menzels nicht hätte zu scheuen brauchen. Muß man einerseits an den Zeichnungen bewundern, wie vorzüglich trotz der durchgängigen Flüchtigkeit, die ja niemals ein Detail näher ausführt, dennoch der Charakter des XVII. Jahrhunderts getroffen ist, so ist man anderseits davon überrascht, daß Pettenkofen, den man seit dem Beginn der fünfziger Jahre als Naturalisten strenger Observanz kennt, der nichts darstellt, was er nicht selbst gesehen hat, daß Pettenkofen „inwendig so voller Figur" ist. Das alte Wort von der Rückkehr zur ersten Liebe bewahrheitet sich auch in diesem Fall: Pettenkofen nimmt am Ende seines Lebens das wieder auf, was er in seiner ersten künstlerischen Periode im Vormärz, vornehmlich als Litho- graph, so eifrig und erfolgreich gepflegt hat: er fängt wieder zu erfinden, zu er- zählen an, er wendet sich wieder der Illustration, der Schwarz -Weiß -Kunst zu.
Wie sich Pettenkofen die Vervielfältigung seiner Zeichnungen gedacht hat, dafür findet sich freilich im Nachlaß keinerlei Anhaltspunkt. Doch kann kein Zweifel darüber bestehen, daß er den Holzschnitt im Auge gehabt hat, der ja in den siebziger und achtziger Jahren sowohl als „Facsimile-" als auch als „Ton- holzschnitt" — wenn man sich schon diese nicht sehr klare Unterscheidung zu eigen macht — eine nicht mehr zu übertreffende Höhe der Vollendung erreicht hatte. Vielleicht dachte Pettenkofen daran, das zu tun, wozu sich 1876-77 sogar Menzel bei seinen ausgezeichneten Illustrationen zu Heinrich von Kleists „Zer- brochenem Krug" bereit gefunden hatte, nämlich nicht auf Holz zu zeichnen, sondern seine Zeichnungen auf photographischem Wege auf die Holzstöcke übertragen und dann schneiden zu lassen.
Wie er sich das Werk als Ganzes ungefähr vorgestellt hat, das erfährt man aus einer ebenso wichtigen wie interessanten Notiz, die sich glücklicherweise aus dem Nachlaß erhalten hat. Sie lautet: „G[il] Blas.'O Porträt Lesage. Pr6face. Recht- fertigung. I. Band. [Das soll wohl heißen: ein Band.] Orvieto (oben). fSo steht deutlich auf dem Zettel. Das ist aber offenbar nichts anderes als eine Verschreibung für Oviedo, jenen Ort, an den die Eltern des Gil Blas von Santillana aus über-
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Weißgehöhte Sepiaskizze zum „Gil Blas".
Wien, Eugen Miller v. Aichholz.
siedelten. Pettenkofen wollte augenscheinlich den eigentlichen Text des Buches mit einer Ansicht Oviedos als oberer Randleiste eröffnen.] Die Eltern. G. Blas fängt seine Geschichte an. Initialen. (Karte von Spanien. Spanischer Geschichtsauszug in der Zeit des Gil Blas-Ronian[es]. Historische Porträte. Städteansichten in alter Zeit.) Sprache französisch? (Breitfolio, klein.) Die Illustrationen zum G. Blas sollen den Bilderreichtum des Le Sageschen Romans nur benutzen, um ein selbständiges Kulturbild während der Dauer der Erzählung dar[zu]stellen, und das Verständnis der Bilder soll nicht von der Kenntnis des Textes allein abhängen. Jedes Bild soll ein Zeitbild für sich allein geben und als solches verstanden werden können."
Trotz ihrer Dürftigkeit gibt diese Notiz immerhin einigen beachtenswerten Auf- schluß. Vor allem über die ernste, gediegene Art, wie sich Pettenkofen die künst- lerische Behandlung gedacht hat. Aus dem Worte „Oviedo" allein wäre bereits der Schluß zu ziehen, daß er die Absicht hatte, die Gegenden, in denen der Roman spielt, persönlich aufzusuchen und dort an Ort und Stelle zu zeichnen. Tatsächlich wird sein Plan einer Reise nach Spanien, die er einmal in Gesellschaft des Redak- teurs Dr. Wilhelm Lauser unternehmen wollte, auch sonst bestätigt, z. B. durch die Schwestern Müller, Charles Sedelmeyer und eine aus dem Nachlaß erhaltene Aufzeichnung, die besagt, daß er sich einmal auch einen Kreditbrief an den Credit Lyonnais, Agence de Madrid, hat anweisen lassen. Von wann diese Eintragung stammt, läßt sich nicht mehr feststellen. Die Reise wird wohl hauptsächlich infolge von Pettenkofens Kränklichkeit unterblieben sein.
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Auf welche Weise er zu dieser Illustrationsarbeit die bildende Kunst des XVII. Jahrhunderts heranziehen wollte, lehrt der allerdings ganz flüchtige Entwurf des Titelblattes. Darauf findet sich der Hinweis auf eine Zeichnung des gebürtigen Straßburgers und nachmaligen Wiener Hofmalers Wilhelm Baur (1600-1640) in der Albertina. Aus dem Vergleich von Baurs Sepiazeichnung mit Pettenkofens Bleistiftskizze geht deutlich hervor, daß jene die Anregung zu dieser gegeben hat. Nur gedachte Pettenkofen, die beiden oberhalb des Medaillons, das bei ihm den Titel enthalten sollte, sitzenden männlichen Figuren, die Baur nur zu einem deko- rativen Zweck verwendet, in die Gestalten der Wahrheit und der Satire umzu- wandeln. Dagegen wollte er anscheinend die Gruppe des Zeichners und der ihm zusehenden Personen unten, natürlich entsprechend verändert, sogar bis auf den am Boden liegenden Hut von dem alten Meister übernehmen.
Was Pettenkofen zuerst am „Gil Blas" angezogen hat, ist sicherlich das, was alle Leser an diesem Roman fesselt: die mannigfaltige Fülle des Inhalts, die ebenso geistreiche wie anmutige Form der Darstellung, der überlegene Humor und die tiefe Menschenkenntnis des Autors. Der Künstler Pettenkofen wird an dem Buch die bunt und lebhaft bewegte, schier unerschöpflich reiche äußere Handlung und das Milieu des XVII. Jahrhunderts, das ihm als die Zeit der großen niederländischen und spanischen Maler besonders ans Herz gewachsen war, geschätzt, der Mensch endlich, der von einem Arzt zum andern lief und unaufhörlich an sich selbst und andern herumdokterte, wird sein herzlichstes Behagen an der köstlichen Ver- spottung des Ärztestandes gefunden haben, dem bekanntlich gar viele Pfeile von Lesages Satire gelten.
Am 31. Oktober 1888 deponiert Pettenkofen im Hotel „Schwarzer Greif" zu Bozen außer einer römischen Geschichte des Tacitus und einem Reisehandbuch für Nordfrankreich und die Niederlande auch ein Exemplar des „Gil Blas". Seine oben mitgeteilte schriftliche Aufzeichnung über den „Gil Blas" gehört, da sie sich in dem vom 6. November bis zum 10. Dezember 1888 reichenden Notizbuch findet, dem Spätherbst dieses Jahres an. Am 16. November 1888 notiert er sich in Venedig eine von Philippoteaux und Pellicer illustrierte italienische Ausgabe des „Gil Blas"; sie ist 1885 in Mailand gedruckt und hat sich neben einer hundert Jahre vorher in Berlin erschienenen deutschen, die mit Kupfern Chodowieckis geschmückt ist, aus dem Nachlaß im Besitz der Damen Müller erhalten. Daten über Philipp IV. und Lesage müssen, da sie in dem die Tage vom 6. November 1888 bis zum 6. März 1889 umfassenden Notizbuch vorkommen, gar erst während dieser Zeit ver- merkt worden sein. Daraus geht deutlich genug hervor, daß die Illustrationen zum „Gil Blas" Pettenkofen bis in die allerletzte Zeit seines Lebens beschäftigt haben. —
Da die Entwürfe der Illustrationen zum „Gil Blas" die letzte Arbeit Petten- kofens sind, die im Verlauf dieser Darstellung betrachtet wird, so bietet sich zu einem Versuch, seine gesamte künstlerische Tätigkeit nochmals und im Zusammen- hang rasch zu überblicken und ihm eine Stelle in der bildenden Kunst seiner Zeit anzuweisen, wohl hier die beste Gelegenheit,
Was er als Lithograph geleistet hat, kann hier füglich außer Acht gelassen
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werden, hat es doch bereits im ersten Kapitel eine eingehende Würdigung gefunden. Hier sei nur als Auszug des Ergebnisses der dort angestellten Betrach- tungen wiederholt, daß Petten- kofen unter den Wiener Litho- graphen der ersten Hälfte des XIX. Jahrhunderts, denen im Range nur die gleichzeitigen Franzosen vorangehen, ein erster Platz gebührt. Auf einen solchen hat er auch als Wiener Genre- maler des Vormärz wohlbegrün- deten Anspruch. Seine Spezialität als solcher sind Szenen aus dem zeitgenössischen Soldaten- und Kriegsleben. Als Porträtist be- tätigt er sich eigentlich nur während jener frühen Periode, es ragen aber seine Leistungen über das allgemeine, freilich auf- fallend hohe Niveau dessen, was damals in Wien auf diesem Ge- biete geleistet wurde, nicht allzu sehr hervor, und als Porträtmaler wird er von manchem seiner Wiener Zeitgenossen, es seien nur Waldmüller, Amerling, Kriehuber, Daffinger genannt, übertroffen. Der Landschaft schenkt er dazumal noch geringe Beachtung. Die rechtzeitige Bekanntschaft mit Werken der großen französischen Meister seiner Zeit bewahrt ihn davor, in Manier zu versinken, eine Gefahr, welche auf gewissen Ölbildern und besonders Aqua- rellen vom allerersten Anfang der fünfziger Jahre deutlich genug zu erkennen ist. Zugleich führt ihn sein Stern in das Herz Ungarns und lehrt ihn in der Puszta und deren Bewohnern eine Fundgrube von Motiven kennen, die er, sowohl was das Gegenständliche, als auch was dessen künstlerische Auffassung und Dar- stellung betrifft, von nun an bis zu seinem Lebensende zu erschöpfen trachtet. Durch seine Szolnoker Bilder macht er sich und Ungarn berühmt. Von der gemalten Anekdote geht er zum Zustandsbild über, Menschen und Tiere hält er nunmehr in der Ruhe fest, der Landschaft fällt von jetzt an auf seinen Bildern eine immer größere Rolle zu. Besonderes Interesse wendet er dem Szolnoker Marktgetriebe, den dürftig aussehenden und doch so zähen ungarischen Steppenpferden und den Zigeunern zu. Infolge der ununterbrochenen Fühlung, in der er mit den gleich- zeitigen führenden Pariser Meistern steht, gelingt es ihm, sich in Stil und Technik
Der Mohr Domingo überrascht Gil Blas beim Fluchtversuch. Weißgehöhte Tuscheskizze. Wien, Eugen Miller v. Aichholz.
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stets auf der Höhe der Zeit zu erhalten. Schulte er sich aber an den Franzosen — zuerst etwa an Meissonier, Decamps und einigen Meistern von Barbizon, später wohl auch an den Pleinairisten und Impressionisten — , so ahmt er sie doch niemals sklavisch nach. So vielseitig und so verwandlungsfähig er nämlich auch ist, so weiß er sich doch immer seine Persönlichkeit zu bewahren. Wie mit dem Spanier Fortuny und dem Italiener Favretto, so wird er auch mit manchem fran- zösischen Künstler in verwandtem Streben zusammengetroffen sein. Ist er einerseits der Entwicklung gefolgt, so war er anderseits zweifellos auch eine der Kräfte, die sie bewirkt haben — wenn auch keine jener elementaren, die Bahn brechen und die andern mit sich fortreißen. Immer ein tüchtiger Zeichner, war er doch vom Anfang an vornehmlich eine koloristische Begabung. Von etwas harter und kühler Buntheit geht er in seinen Bildern zu warmer Tonigkeit über, und schließlich verleiht ihnen eine flott und sicher hingesetzte Fleckigkeit vibrierendes Leben. Bevorzugt er zu- erst die kühnen Formen windbewegter Wolken und starke Gegensätze von Licht und Schatten, so liebt er später die flimmernde, staub- und dunstdurchsetzte Atmo- sphäre sonniger Sommertage, die den Dingen Distanz gibt und ihre Farben und Umrisse verschwimmen läßt. Anfänglich sind ihm bei seinen Marktdarstellungen die einzelnen Figuren und Sachen das Wichtigste und er malt jede Kleinigkeit so treu als möglich, schließlich aber gibt er das aus einiger Entfernung gesehene Marktgewühl als unruhiges Ganzes wieder, dessen Einzelheiten in Form und Farbe der Blick nicht festzuhalten vermag. Was im Detail verloren geht, z. B. die Dar- stellung eines Gesichtsausdruckes (man erinnere sich etwa der ausgezeichnet gemalten schmerzverzerrten Antlitze auf dem „Verwundetentransport"), wird an Überzeugungskraft der Gesamterscheinung gewonnen. Der Stil der Fernsichtigkeit überwindet den der Nahsichtigkeit, und mit einer neuen Auffassung geht eine neue Technik Hand in Hand. In Pettenkofens Technik gibt es große Abwechslung. Zu Zeiten herrscht das Ölbild, dann wieder das Aquarell, schließlich die Zeichnung vor. Gouache und Pastell werden gepflegt, die Zeichnung erfährt in Anlehnung an die alten Meister alle erdenklichen Wandlungen. Pettenkofen verschmäht es nicht, sich eines so wichtigen Hilfsmittels zu bedienen, wie es für den bildenden Künstler die Photographie ist. Gleich Meissonier und Menzel, nur natürlich in viel beschei- denerem Maße, arbeitet auch er mit alten Kostümen, sowohl echten als auch vom Theaterschneider angefertigten, und studiert auch er aufs sorgfältigste die einschlä- gigen Werke der alten Meister. Während des letzten Drittels seines Lebens liefern ihm außer Ungarn noch Neapel und Venedig und die österreichischen Alpenländer, denen er auch schon früher dann und wann einmal einen Vorwurf entlehnt hat, Motive. Was Pettenkofen während der achtziger Jahre geschaffen hat, braucht hier, als in diesem Kapitel bereits ausführlich behandelt, natürlich nicht mehr erwähnt zu werden: die Kostüm- und Genrebilder, die größtenteils auf Tirol zurückgehenden Kreidezeichnungen, die Handwerker- und Architekturdarstellungen, die Entwürfe zu Illustrationen des „Gil Blas". —
Da Pettenkofen bis an sein Lebensende keine Mühe scheut, sich in seiner Kunst zu vervollkommnen, überhaupt rastlos tätig und außerdem der strengste Kritiker seiner selbst ist, so gibt er kaum jemals ein Werk aus der Hand, das ihn nicht
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Gil Blas sieht zum erstenmal Laura, die Zofe der Schauspielerin Arsenia. Weißgehöhte Tuscheskizze.
Wien, Eugen Miller v. Aichholz.
auf der Höhe seines Könnens zeigte, und nur selten wagt er sich an Aufgaben, denen er nicht gewachsen ist. Seinen Arbeiten ist vielmehr bis zuletzt ein stetiger Fortschritt anzumerken. Er ist nicht taub für die Rufe seiner Zeit, aber er verkauft sich nie an die jeweils herrschende Mode oder Gewinstes halber. Wie als Mensch ist er auch als Künstler vornehm und lauter. Mit dem Besten aus der Kunst der Vergangenheit und der Gegenwart vertraut, mit auserlesenem Geschmack und einer scharfen Urteilskraft begabt, bildet er sich selbst den Maßstab, nach dem er sich und andere bewertet. Wohl lernt er vom Ausland, aber er verleugnet doch niemals sein Österreichertum. Sein Stil ist international, aber die meisten Vorwürfe seiner Bilder sind der Heimat entnommen, ist doch Ungarn die Hälfte der Donau- monarchie. Er ist kein Bahnbrecher und kein Schulhaupt, aber eine ausgereifte, volle und ganze Persönlichkeit von starker Eigenart, auf die stolz zu sein die österreichische Kunst alle Ursache hat. —
Man hat Rudolf Alt den österreichischen Menzel genannt. Das ist nicht nur ziemlich geschmacklos, sondern auch nur zum geringsten Teile richtig. Eher könnte man Menzel und Pettenkofen in Parallele stellen. Schon Richard Muther hat den Wiener Künstler unmittelbar nach dem Berliner behandelt. Natürlich überragt Menzel auch Pettenkofen. Menzel ist die gewaltigere Arbeitskraft, ihm setzt das große Format keine Schranken, er ist der weitaus sicherere Zeichner. Aber die beiden Künstler machen eine ähnliche Entwicklung durch. Von der Illustration, von der Lithographie gehen sie aus. In der Malerei schreiten ihr Stil und ihre Technik stetig
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fort. Keiner von beiden überlebt sich selbst. In jedem von ihnen paart sich natu- ralistisches Bestreben mit historisierendem. Jeder hat sein Lieblingsgebiet, das er nach allen Richtungen hin ausschöpft: Menzel die Fridericianische Epoche, Petten- kofen die Puszta und ihre Bewohner. Beide haben ihre eigenen Gedanken und verfügen über eine mehr als gewöhnliche Bildung. Im Kolorit und im Geschmack ist Pettenkofen Menzel überlegen.
Mit Meissonier, einer verwandten Erscheinung der gleichzeitigen französischen Malerei, wurde Pettenkofen bereits früher flüchtig verglichen.
Pettenkofen war sich übrigens selbst dieser Beziehungen zu Meissonier und Menzel, die er beide sehr hoch schätzte, wohl bewußt. —
Plastischer aber als durch solche Gegenüberstellungen wird das Bild, das wir uns von einer künstlerischen Persönlichkeit machen, durch die Aufdeckung des Gemeinsamen und des Gegensätzlichen in ihrem Verhältnis zur zeitgenössischen Kunst der Heimat.
Daher sei hier die Wiener Malerei, wie sie zu Pettenkofens Lebzeiten beschaffen war, wie sie auf ihn einwirkte und wie er sich zu ihr stellte, nochmals rasch über- blickt, ist sie doch während seines ersten Lebensabschnittes der Boden, dem seine Kunst entwächst, das Milieu, das ihn fördernd und hemmend umgibt, während des zweiten aber der Hintergrund, von dem sie sich abhebt, ohne den sie nicht richtig eingeschätzt werden kann.
Auf dem Gebiete der Musik hat Wien seit den Tagen Mozarts und Haydns bis in die jüngste Vergangenheit herauf eine führende Rolle gespielt. Im Hinblick auf die bildende Kunst aber kann Wien niemals eine solche Bedeutung zugemessen werden, auch dann nicht, wenn man die glänzenden Perioden der Wiener Archi- tektur in der ersten Hälfte des XVIII. und in der zweiten des XIX. Jahrhunderts mit nichten aus dem Auge verliert.
Was besonders die Malerei anbelangt, so kann von einer Wiener Malerei eigentlich erst vom XIX. Jahrhundert an gesprochen werden. Denn die vielen tüchtigen und ausgezeichneten Maler des XVIII. Jahrhunderts, die in Wien gewirkt haben, sind entweder zu sehr von Italien abhängig, als daß man ihre Malerei wienerisch nennen könnte, oder sie sind überhaupt Italiener, wie Pozzo und Guglielmi. Die alte Kaiserstadt hat eben zu allen Zeiten fremde Talente angelockt, und es sei hier daran erinnert, daß auch Füger und Krafft Ausländer sind.
Im XIX. Jahrhundert aber gibt es tatsächlich eine Wiener Malerei, und schreitet sie auch nicht der Entwicklung voraus — das zu tun, ist seit den Tagen Louis Davids die Sendung der Pariser Malerei — , so ist sie doch so selbständig und eigenartig, daß sie, so wie sie ist, an keinem andern Orte der Welt gedacht werden kann als in Wien.
Ganz grob gesprochen, läßt sich der Werdegang der Wiener Malerei des XIX. Jahrhunderts in zwei ungefähr gleich lange Perioden einteilen, die mit den Worten Genre und Makart zu kennzeichnen wären. Die beiden Entwicklungsphasen werden um die Mitte des Jahrhunderts herum durch zwei so verschiedene Ereig- nisse wie die Revolution im Jahre 1848 und den Abbruch der Basteien im Jahre 1857 voneinander getrennt. Die zweite Periode endigt erst nach dem Tode Petten-
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Gil Blas als Arzt trifft am Krankenbett von des GewUrzkrämers Sohne mit dem Doktor Cuchillo zusammen. Feder- und Pinselskizze. Wien, Eugen Miller v. Aichholz.
kofens, aber vor dem Ausgang des Jahrhunderts, nämlich mit der Gründung der „Sezession" im Jahre 1897.
Die Benennungen Genre und Makart sind natürlich viel zu enge und heben nur das AUerwichtigste hervor. In der ersten Hälfte des Jahrhunderts wird das Genre, mit dem die Landschaft und das Porträt aufs innigste verschwistert sind, von dem Klassizismus, der Romantik, dem Nazarenertum und der Historie begleitet. Aber keine von diesen Richtungen hat in Wien eigentlich tiefer Wurzel geschlagen, und wahrhaft volkstümlich ist nur die Genremalerei geworden, die überhaupt die populärste Wiener Kunst des XIX. Jahrhunderts ist.
Fanden die Freskomaler des XVIII. Jahrhunderts in der Kirche, unter dem Adel und am Kaiserhof ihre Auftraggeber und die Maler der Makartzeit im Staate und in der Plutokratie, so war der Abnehmer der Genremalerei der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts der bürgerliche Mittelstand. Hatte sich die Genre- malerei im Vorwurf wie im Format den niederländischen Sittenmalern des XVII. Jahrhunderts, die gleichfalls das Leben und Treiben von Bürger und Bauer dar- stellten, angeschlossen, so wählte sich die großflächige Malerei der Makartzeit Rubens, Veronese und Tiepolo zu ihren Vorbildern. —
Seit der Mitte des Jahrhunderts, da es, wie zu zeigen versucht worden ist, mit dem Genre zu Ende geht, findet Pettenkofen nur schwer einen Anschluß an die
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Wiener Malerei. Gleich Waldmüller, nur länger, muß er abseits stehen. Wo, um nur die drei wichtigsten Repräsentanten aufzuzählen, Führich, Rahl und Makart den Ton angeben, da ist für Pettenkofen kein Raum. So verschieden nämlich diese drei Künstler untereinander sind, so haben sie doch etwas gemeinsam — nennen wir es mit einem der abgegriffensten Schlagwörter: Idealismus. Allen dreien ist es im letzten Grunde um etwas ganz anderes zu tun als um die möglichst getreue Wiedergabe eines Naturvorbildes, Jeder von ihnen will auf seine Art über die Natur hinaus, Pettenkofens wörtlich einbekanntes Ziel aber ist, der Natur so nahe als möglich zu kommen. Und noch etwas verbindet jene drei untereinander und trennt sie zugleich von Pettenkofen: das große Format, dessen sie sich zwar nicht durchwegs, aber häufig bei ihren Arbeiten bedienen. Führich und Rahl verstanden al fresco zu malen, Makart, ein anderer Ghirlandaio, wünschte einmal sehnlichst, die Ausmalung der Stephanskirche übertragen zu bekommen. Pettenkofen aber war zeitlebens ein Kleinmeister — „Perlen sticken" nannte er selbst, vielleicht mit leiser Ironie, sein Malen. Dieses große Format, die Lust und die Fähigkeit, große Wand- flächen mit Bildern zu schmücken, ist aber mehr als bloß ein äußeres Moment. Es ist die augenfälligste Kundgebung des dekorativen Hanges der Wiener Malerei, der sich schon einmal im bautenreichen Zeitalter des Barock zu höchster Blüte entfaltet hatte, der während der bürgerlichen Periode der ersten Hälfte des XIX. Jahr- hunderts scheinbar verloren gegangen und unterdrückt worden war, der aber, als sich in den sechziger Jahren die vielen Prachtbauten an der Ringstraße zu erheben begannen, zu neuem Triumph erwachte und in Hans Makart einen alles mit sich fortreißenden Vertreter fand. 1884 bis 1889, diese kurzen fünf Jahre von Makarts bis zu seinem eigenen Tode, darf Pettenkofen vielleicht als der Gipfel der Wiener Malerei angesehen werden. Während dieses Quinquenniums wurde auch durch ihn und seinen Freund Leopold Karl Müller, der dasselbe künstlerische Credo wie er betete und der in gewissem Sinne auch sein Schüler genannt werden kann, in der Wiener Malerei dem koloristischen Naturalismus — wenn man der beiden Bestreben vielleicht so taufen darf — zum Siege verholfen. Blieb diese Herrschaft aber auch gewiß nicht ohne nutzbringenden Einfluß, so war sie doch — was hier vorgreifend und abschließend bemerkt werde — nur von kurzer Dauer. Denn das stärkste Talent, das die Wiener Malerei der nächsten Folgezeit aufzuweisen hatte und das sich noch während der achtziger Jahre, also noch zu Lebzeiten Pettenkofens, die Sporen verdiente, sollte sich auf die Seite der dekorativen Richtung schlagen: Gustav Klimt. —
Hat schon das eben Gesagte ein Streiflicht auf die Wiener Kunstverhältnisse während des letzten Jahrzehnts von Pettenkofens Leben geworfen, so sollen sie nun durch ein paar Worte etwas näher beleuchtet werden. Dies möge mit Hilfe einer Auslese der allerwichtigsten Namen geschehen. Mit Makart ist Canon, der ihm schon nach einem Jahre im Tode nachgefolgt ist, durch ein mehrfach ver- wandtes Streben verbunden. Im selben Jahre wie Pettenkofen stirbt der hochbegabte, vielseitige Romako, der, solang er lebte, in seiner Vaterstadt durchaus unver- standen geblieben ist. Unter den Porträtmalern erfreut sich Angeli eines über die Grenzen Österreichs hinausreichenden Rufes. Der bedeutendste Landschafter ist
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der feinsinnige Emil Jakob Schindler. Wie die Maler die Glanzzeit des alten Venedig und Antwerpen heraufbeschwören wollen und die Architekten im Stile des alten Griechenland, der französischen und deutschen Gotik und der italie- nischen Renaissance bauen, so beruht auch der mächtige Aufschwung, den das Wiener Kunstgewerbe dank der neugegründeten staatlichen Schule erfahren hat, zum größten Teil auf der Nachahmung alter Vorbilder und läßt auf diese Weise Werke entstehen, die sich zwar durch ihre solide Technik auszeichnen, dem heutigen Geschmack aber schier unerträglich geworden sind. Durch die Berufung William Ungers und Wilhelm Hechts nach Wien erleben die Radierung und der Holzschnitt als vervielfältigende Künste eine hohe Blüte. In der Plastik ragen
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Gil Blas' Herr, der Stutzer Don Mathias de Silva, und dessen Freund Don Antonio
Centelles spielen mit dem Wucherer Descomulgado Ball. Bleistiftskizze.
Wien, Eugen Miller v. Aichholz.
Zumbusch und Tilgner hervor. Dieser, der Österreicher, mit dem Pettenkofen be- kannt war, zeichnete sich vor allem durch seine Porträtbüsten aus, jener, der Mann aus dem Reiche, schuf ein Menschenalter hindurch Wiens größte Denk- mäler. Die Enthüllung von Zumbusch' Maria -Theresien- Denkmal hat Pettenkofen noch erlebt. Während der achtziger Jahre wurden die meisten der großen öffent- lichen Ringstraßenbauten ihrer Bestimmung übergeben: der Justizpalast, das Rat- haus, die Universität und das Parlament; die beiden Hofmuseen wurden wenig- stens im Bau vollendet, der heute noch nicht zu Ende geführte Flügel der Hof- burg wurde zu bauen begonnen. Um von der Architektur, der „steingewordenen Musik", auf die Musik selbst überzugehen, so ist zu sagen, daß die Wiener Musik der achtziger Jahre vor allem durch Brahms und Johann Strauß den jüngeren ver- körpert wurde. Der junge Hugo Wolf rezensierte einstweilen mehr, als er kompo- nierte, und der greise Brückner konnte kein Gehör finden. In der Literatur zählten, um von Hamerling und Rosegger, die beide außerhalb Wiens schufen, zu schweigen.
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Marie v. Ebner-Eschenbach und Pettenkofens Vetter Ferdinand v. Saar erst einen kleinen Leserkreis. Das Burgtheater hatte sein bescheidenes, enges, altes Haus, in dem doch so Großes geleistet worden war, mit dem neuen Prunkbau vertauscht. In seiner Direktion war Dingelstedt durch Wilbrandt abgelöst worden. Die Schau- spielkunst bedeutete mehr als die Dichtkunst. In der Oper griff, wie anderswo auch, die Kunst Richard Wagners durch, eine Wiener Besonderheit war der gegen ihn organisierte Widerstand. Die Offenbachsche Operette, deren Herrschaft auch in Wien lange unwidersprochen geblieben war, hatte der Wiener Operette weichen müssen, die dank der Werke von Strauß und Supp6 und Millöcker die Welt zu erobern begann. Dem Volksstück, das so lange um Raimund getrauert hatte, war in Anzengruber, der sich endlich durchgerungen hatte, ein starker Helfer erwachsen. —
Von den Werken, die Pettenkofen in den achtziger Jahren geschaffen hat, war bereits die Rede, mit wenigen Strichen wurde auch schon das zu skizzieren ver- sucht, was sich während jener Zeit auf dem Gebiet der Wiener Kunst abgespielt hat, — es bleibt nur mehr die Schilderung von Pettenkofens Privatleben in den letzten neun Jahren seines Daseins übrig.
Er begann das Jahrzehnt in Venedig, an dem er so viel auszusetzen hatte und das ihm doch so teuer war. 1880-81, 1883-84 und 1886-87 lebte er vom Herbst bis in den Sommer dort. 1882 verbrachte er den ganzen September und den größten Teil des Oktober, 1885 die zweite Hälfte des September und wieder den größten Teil des Oktober, 1888, das letzte Mal, nur neun bis zehn Tage des November in der Stadt des heiligen Markus. Die Künstler, mit denen er dort verkehrte, sind die- selben wie während der siebziger Jahre. Natürlich wird der eine oder andere, wie z. B. der Ungar Skutezky, den Bekanntenkreis erweitert haben.
Interessant ist die knappe Notiz, die Pettenkofen am 15. Juni 1887 zu Venedig in sein Tagebuch schreibt: „Leiche des Favretto." Ob er diesen Künstler persön- lich gekannt hat, ist ungewiß, bezeugt aber ist, daß er ihn von allen italienischen Malern der Zeit am höchsten geschätzt hat. „Der Favretto ist der einzige unter ihnen, der was kann", soll er gesagt haben. *^) Favretto hatte sowohl unter dem Einfluß Fortunys, als auch infolge des Verlustes von einem Auge in seinen letzten Lebensjahren eine äußerst geschmackvolle, ebenso flotte wie delikate buntfleckige Malweise angenommen, die auf seinen Spätwerken das Licht und die Luft förm- lich zittern und flirren läßt.'O Wie wir gesehen haben, strebt die malerische Ent- wicklung Pettenkofens, vielleicht gleichfalls angeregt durch das Schaffen seines Freundes Fortuny, einem ähnlichen Ziele zu. Nur gieng er beispielsweise niemals so weit wie Favretto. Dieser war der dritte Künstler, der Pettenkofen nahe stand und noch in den dreißiger Jahren starb. Der erste war Johann Gualbert Raffalt, der zweite Mariano Fortuny.
In das Ende des Juli und den Anfang des August des Jahres 1885 fällt eine ganz kurze Reise nach Holland, auf der Pettenkofen nur den Haag, Scheveningen und Amsterdam berührt. Am 1. August suchte er in Amsterdam Maris und Mesdag auf. Die unter demselben Datum in sein Tagebuch eingetragenen Worte: „Aquarelle von Mauve bei Goupil" sind wohl nur so zu deuten, daß der Kunsthändler Goupil
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in Paris Aquarelle von Mauve besitze, die er, Pettenkofen, sich, wenn er das nächste Mal nach Paris komme, was er damals vielleicht für sehr nahe Zeit plante, zu besichtigen vornahm. Aquarelle von Mauve und Bilder von Maris hatten auf ihn, wie wir uns erinnern, schon im Februar 1883, als er sie bei Sedelmeyer in Paris sah, einen großen Eindruck gemacht.
1883 hält er sich vom halben Oktober bis zum halben November, 1884 vom halben September bis gegen Ende November, 1888 eine Woche im Oktober in München auf. 1883 und 1884 muß er dort viel mit Lenbach verkehrt haben. 1884 hat ihn dieser gemalt. Pettenkofen soll Lenbach gleichfalls zu porträtieren versucht haben, wahrscheinlich hat er aber seine Arbeit, unzufrieden damit, zerstört, jeden- falls ist nichts von ihrem Verbleib bekannt. In einem jener beiden Jahre wird es auch gewesen sein, daß er irgendwie auf Lenbachs Porträt Papst Leos XIII. Ein- fluß genommen hat. Sein Nachlaß hat nämlich eine große Photographie jenes Bildnisses aufbewahrt, auf der anscheinend von Pettenkofens Hand geschrieben steht: „Probe! Pettenkofen und Lenbach fec." Entweder hat er, der berühmte Bilderdoktor, Lenbach einen von diesem befolgten Ratschlag, z. B. hinsichtlich des Arrangements gegeben oder er hat Scherzes halber irgendwelche Kleinigkeit des Bildes gemalt. Am 14. Oktober 1888 trägt er zu München in sein Tagebuch die Namen Hauser, Piglhein und Seitz ein. Hauser, den namhaften Restaurator, mag er in Sachen der Technik der alten Meister zu befragen gehabt haben, Pigl- hein interessierte ihn wohl wegen seines Panoramas der Kreuzigung, das damals viel von sich reden machte, und Seitz, weil auch dieser seine Stoffe aus der Ver- gangenheit wählte, was ja Pettenkofen in den achtziger Jahren, in denen wir ihn mit dem „Gil Blas" beschäftigt wissen, gleichfalls tat.
1882 in Kissingen traf er mit den Malern Gentz und Meyerheim zusammen.
Soviel, da von seiner letzten Reise nach Paris bereits die Rede gewesen ist, über seine Aufenthalte an ausländischen Kunststätten und seinen Verkehr mit Künstlern des Auslandes in den achtziger Jahren.
Innerhalb der Monarchie hielt er sich, abgesehen von seinem gleichfalls schon besprochenen letzten Aufenthalt in Szolnok, während der achtziger Jahre, wie eben- falls anläßlich seiner Werke bereits erwähnt wurde, viel in den Alpenländern, be- sonders in Tirol auf. Österreichische Künstler, deren Bekanntschaft er auf Grund seiner Tagebücher und Briefe zu jener Zeit machte oder erneuerte, sind Robert Ruß, mit dem, Leopold Karl Müller und dessen Schwestern Marie und Bertha zusammen er im September 1887 in Tirol reiste, Trenkwald, dem er am 26. Juni 1888 vier Bände über Columbus borgt, und Viktor Tilgner, mit dem er noch am 16. Jänner 1889 beisammen ist.
Zu seinen anderen Freunden und Bekannten, die übrigens zu einem großen Teil bereits als Käufer seiner Bilder angeführt wurden, traten in den achtziger Jahren nur ganz wenige nennenswerte Personen hinzu. Unter ihnen ist der Fürst Porzia, der Besitzer jenes berühmten Renaissanceschlosses in Spittal in Kärnten, wo ihn Pettenkofen in den Sommern der Jahre 1880, 1887 und 1888 aufsucht, hervorzu- heben. Oberst Lachnit wurde bereits als Käufer genannt.
Größer als der Zuwachs von Pettenkofens Freundes- und Bekanntenkreis ist
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während der in Rede stehenden Zeit dessen Einbuße. Am 22. Dezember 1882 stirbt die Baronin Nakö, das Jahr darauf Eitelberger, 1884 Plach, mit dem Petten- kofen zwar seit langem schon durch nichts anderes als durch eine Schuld, die er — wenigstens seiner strengen Auffassung gemäß — bis über seinen Tod hinaus an diesen hatte, verknüpft war, der aber immerhin in seinem Leben eine bedeutende Rolle gespielt hatte.
Traurige und erfreuliche Erlebnisse seiner Freunde geben ihm, wie die erhaltenen Briefe beweisen, Anlaß zu herzlichen Kundgebungen. Eines dieser betrüblichen Ereignisse, das aber die gesamte österreichische Kunst aufs schmerzlichste betraf, ist die Augenerkrankung Leopold Karl Müllers, dem eine Operation nur allzu kurze und trügerische Heilung brachte. Diese Operation sollte zuerst schon im Winter 1886-87 vorgenommen werden. Unter dem 4. Dezember 1886 schreibt Pettenkofen aus Venedig an Franz Xaver Mayer: „W^as Sie mir von L. Müller sagen und was er mir vor einiger Zeit selbst mitteilte, macht mir um ihn Sorge und Kummer, doch will ich hoffen, daß er seine volle Sehfähigkeit wiedererlangt und der öster- reichischen Kunst ihr bester Maler noch lange erhalten bleibe." Und am 27. des- selben Monats schreibt er gleichfalls aus Venedig an Müller selbst: „Mein lieber Leo! Wenn ich auch meine Scheu vor brieflicher Mitteilung nicht zu bekämpfen imstande bin (es fehlt mir am frohen und merkwürdigen Stoff, der briefliche Mit- teilung so leicht fließen macht), so öffnet sich Dir zu dieser Zeit doch mein Herz in eingewurzelter Freundschaft, um Dir nach gutem alten Brauch herzliche Wünsche
zum neuen Jahr zu schicken. Ich freue mich mit Rührung des Moments, wo
Dein Auge Dir und der selten gewordenen wahren Kunst wieder Freude und Nutzen machen wird." Am 4. Mai 1887 schreibt er abermals aus Venedig, aber an Fräulein Marie Müller und zwar auf ihre Anzeige von der nunmehr knapp bevor- stehenden Operation hin: „Ich beeile mich, Ihnen herzlich Dank zu sagen für die Ankündigung eines Ereignisses, welchem ich ebensosehr mit Ungeduld als mit bewegtem Herzen entgegensehe. Obgleich mir schon in Wien, wie hier, von Fach- kundigen versichert wurde, daß der Erfolg der Operation ein zweifellos guter sein wird, werde ich doch erst wieder vollkommen beruhigt sein, wenn das Resultat als vollkommen günstig festgestellt sein wird; und so erwarte ich, das Endgiltige
von Ihnen zu erfahren. Dabei vergesse ich weder auf Sie, Fräulein Marie,
noch auf Ihre guten Schwestern, welche in dieser kritischen Zeit manche Herz- bewegung zu bekämpfen haben mochten, Leopolds vortreffliches Naturell ist
ihm jetzt eine gewaltige physische und moralische Hilfe, diese harte Probe zu bestehen, und so wollen wir mit froher Zuversicht der endgiltigen Entscheidung entgegensehen." Am 6. Juli schreibt er noch immer aus Venedig und auf die Kunde von der — scheinbar wenigstens — glücklich vorübergegangenen Operation hin an Fräulein Marie Müller: „Daß Sie meine Gefühle für Sie und Leopold nicht nach meinem Stillschweigen beurteilen, glaube ich sicher sein zu dürfen, und so darf ich mir denn auch jede erklärende Entschuldigung ersparen. Schon vor Ihrem Brief war ich von der glücklichen Operation unterrichtet, und obgleich ich nur Gutes erwartete und hoffte, fiel mir bei Erhalt Ihrer bestätigenden Nachricht eine drückende Last von der Brust, und nun genieße ich die Freude mit Ihnen allen
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Pinselskizzen zum „Gil Blas".
Wien, Eugen Miller v. Aichholz.
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von ganzem Herzen." Im Oktober hatte die Operation Müllers ein Nachspiel, das Schlimmes für die Zukunft ahnen ließ. Pettenkofen schreibt darüber am 29. Oktober an Franz Xaver Mayer: „Müller hat sich in der vorgestrigen Nacht sein operiertes Auge in etwas beschädigt und wird mehrere Zeit die größte Ruhe unter augen- ärztlicher Pflege beobachten müssen; er wird also Montag abends nicht bei Ihnen sein können. Seine Schwestern sind begreiflicherweise nach so vielen erlebten Auf- regungen des Gemütes über diesen Zwischenfall trotz der Tröstungen Dr. Fuchs' in einer großen Gemütserregung und auch auf mich hat derselbe bei meiner sonstigen Überempfindlichkeit einen peinlichen Eindruck gemacht. Jedenfalls würde, wenn der Abend Montags bei Ihnen stattfindet, durch diesen Fall der heiterste und froheste Ihrer Gäste fehlen."
Alle diese schriftlich niedergelegten Äußerungen legen ebenso sehr Zeugnis ab für die warme und zartfühlende freundschaftliche Teilnahme Pettenkofens an dem Menschen, als auch für seine Hochschätzung des Künstlers Müller. —
Mehr aber als mit anderen war Pettenkofen in dieser Schlußzeit seines Lebens mit sich selbst beschäftigt, denn seine Krankheit machte, scheint es, rasche Fort- schritte, die ihm, dem scharfen und geübten Selbstbeobachter, auch abgesehen von den stetig wachsenden Beschwerden und Schmerzen, nicht verborgen bleiben konnten.
In den achtziger Jahren häufen sich die Kuren, mit denen Pettenkofen sein Leiden zu bekämpfen sucht. Im Sommer 1880 gebraucht er zu Ebensee in Ober- österreich eine Kaltwasserkur, im Sommer 1882 weilt er, natürlich gleichfalls zum Kurgebrauch, in Kissingen, und in den Sommern der Jahre 1883, 1885, 1886 und 1888 unterzieht er sich in Karlsbad der Kur. Im Jahre 1886 gebraucht er, noch bevor er nach Karlsbad geht, über einen Monat eine ihm anscheinend recht wenig bekömmliche Kur in Jena.
Überall, wo immer er sich aufhält, befragt er einen Arzt. Es seien nur die nam- hafteren Ärzte Wiens genannt, die er entweder bloß konsultierte oder von denen er sich kürzere oder längere Zeit behandeln ließ: Schrötter, Bamberger, Nothnagl, Oser, Breuer, Skofitz, Pollitzer, Urbantschitsch, Frisch. Mit Professor Schrötter und mit Dr. Frisch, der Professor der Anatomie an der Akademie der bildenden Künste und in der letzten Zeit sein behandelnder Arzt war, stand er in freundschaftlichem Verhältnis. Mit Professor Schrötter, dessen kurz angebundenes Wesen ihm impo- nierte, duzte er sich sogar. Er verkehrte auch mit der diesem verschwägerten Familie Wagner, die er ein paarmal in St. Justina bei Bozen besuchte.
Naturgemäß mehren sich sowohl im Tagebuch als auch in den Briefen die Bemerkungen über den Krankheitszustand. Aber während sie dort bis knapp vor dem Ende bloß registrierender Art bleiben, schwellen sie hier gelegentlich zu be- weglichen Klagen an. Unter dem 23. Februar 1888 findet sich z. B. im Tagebuch eine Zusammenstellung der Anfälle, die er seit dem 1. Oktober des vergangenen Jahres gehabt hat. In dem bereits angezogenen Pariser Brief vom 6. Jänner 1883 an Franz Xaver Mayer spricht er von seinem Leber- und Milzleiden, das den Winter über stark im Vordergrund stehe. Den tiefsten Eindruck machen natürlich jene Stellen seiner Briefe, in denen er seine Schaffenskraft zu seinem Übeln Gesund- heitszustand in Beziehung setzt. So schreibt er z. B. in dem Brief vom 3. Juni 1883 aus
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Venedig an Franz Xaver Mayer: „Ja! mein verehrter Freund, zu was Sie mich in Ihrem Brief anzuregen suchen: viele Sujets zu sammeln, das habe ich bereits getan, darunter nicht Unbedeutendes, und es wird mir voll ums Herz, wenn ich bedenke, daß mir die Kraft ausgehen wird, bevor ich einen Teil werde vollenden können. Wenn nur die Phantasie frisch und bereitwillig ist, fehlt es nicht am Trieb zum Schaffen und nicht an Illusionen, welche nur zu leicht vergessen machen, daß die
Don Raphael unterhält die Korsaren mit seinem Saitenspiel. Bleistiftskizze zum „Gil Blas". Wien, Eugen Miller v. Aichholz.
Arbeitskraft, welche die Ausführung fordert, — eines Tages fehlen könnte." Am 26. Mai 1884 spricht er in einem Brief abermals aus Venedig und abermals an Franz Xaver Mayer von dem „immerwährenden Kampf geistigen WoUens mit körperlicher Unfähigkeit " .
Da sich Pettenkofen über die Gefährlichkeit seines Zustandes erstaunlich klar und er zeitlebens ein Mann peinlichster Gewissenhaftigkeit und Ordnung gewesen ist, so denkt er bei Zeiten an die Besorgung seiner irdischen Geschäfte. Zuerst ordnet er, womit er bereits im Herbst des Jahres 1887 begonnen zu haben scheint, seinen künstlerischen Nachlaß. Er sichtet, vernichtet wohl auch, legt Verzeichnisse an, läßt schätzen und schließt noch den einen und den andern größeren Verkauf
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ab. Ja er stellt sogar eigenhändig die Zeichnungen, von denen mehrere auf ein Passepartout kommen müssen, zusammen, wählt selbst den dickeren braunen und den dünneren blauen Karton mit dem roten Rand dazu aus und bestimmt selbst die beiden Stempel, mit denen die Arbeiten seines Nachlasses als solche bezeichnet worden sind. Auf die Ölbilder und die Passepartouts der Aquarelle und Hand- zeichnungen wurde als Stempel ein Facsimile seiner Unterschrift „Pettenkofen", auf die Aquarelle und Handzeichnungen ein Stempel mit Druckbuchstaben „Nach- laß Pettenkofen" gedrückt.
Dann bereinigt er bis auf drei noch aus alter Zeit herstammende Schuldposten, um die wir bereits wissen, von denen aber nochmals die Rede sein wird, seine materiellen Verbindlichkeiten und errichtet schließlich sein Testament.
Zu diesem Schritt wurde er durch das schlechte Verhältnis, in dem er zu seinem Bruder Ferdinand stand und das für ihn im Februar des Jahres 1888 den Gipfel der Unerträglichkeit erreicht zu haben scheint, veranlaßt. Was immer auch dieser Bruder für ein Mensch gewesen sein mag, sicher ist, daß er Pettenkofen sein ganzes Leben lang fremd geblieben ist und dieser, wie er sich selbst ausdrückt, nichts mit ihm gemeinsam hatte als die Eltern. Ebenso sicher ist ferner, daß Pettenkofen den größeren Teil seines Lebens hindurch für diesen Bruder Geldopfer gebracht hat. Wegen der Heirat, die Ferdinand Pettenkofer — so schreibt sich der Bruder — eingegangen war und die ihn vollends mit dem Künstler entzweit hatte, wollte dieser ihm in seinem Testament wohl eine lebenslängliche Rente aussetzen, ihn aber durchaus nicht zum Universalerben machen und vor allem dessen Frau und Kinder von der Erbfolge ausschließen. In diesem Sinne errichtete er auch sein Testament, dessen Entwurf er am 3. April 1888 bei dem Advokaten Dr. Josef Stöger deponierte. Am selben Abend gieng er der Eintragung im Tagebuch zufolge, wohl weniger weil er sich erleichtert fühlte, als vielmehr weil ihm nach jenem aufregenden Entschluß Zerstreuung und Ablenkung vonnöten war, ins Carltheater. Am 9. April endlich hinterlegte er bei Stöger die endgiltige Fassung des Testa- mentes, das auch von diesem Tage datiert ist und das am 22. März 1889, einen Tag nach Pettenkofens Tod, kundgemacht wurde.
Das Testament beginnt mit folgendem Satze: „Da es zumeist auf Zeitumstände, Launen der Mode oder auch auf andere Umstände ankommt, ob der künstlerische Nachlaß eines Malers Geld einträgt, und dann, ob mehr oder weniger, so weiß ich heute nicht, — da ich nur wenig Barvermögen und auch nur wenige künstlerische Arbeiten hinterlasse, wie viel ich zu vererben haben werde."
Sein Bruder Ferdinand, der ihn übrigens nur ganz kurze Zeit überleben sollte, erhielt eine lebenslängliche Jahresrente von 1200 fl., die für den Fall, daß eines der hinterlassenen Lose einen entsprechenden Treffer machte, bis auf das Doppelte vermehrt werden sollte.
In welchem Betrag das Guthaben, das von Friedrich Gsell auf dessen Schwester Julie in Bischweiler übergegangen war, noch zu Recht bestünde, sollte von Fräulein Gsell selbst bestimmt werden, und desgleichen wurde Franz Xaver Mayer ge- beten, die Summe, die ihm Pettenkofen noch schuldete, aus dessen Nachlaß ein- zufordern.
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Bezeichnend für Pettenkofen und das Verhältnis, in dem der Kunsthändler Plach zu ihm gestanden war, ist der den dritten Schuldposten betreffende Passus des Testamentes. Er lautet: „Anbei findet sich eine Schuldverschreibung, von mir aus- gestellt über ein Guthaben des bereits verstorbenen Kunsthändlers Georg Plach, welche mir durch dessen Witwe, gegenwärtig Baronin Schwarz, Heugasse 8, nach dessen Tode auf sein Verlangen zugestellt wurde. Dennoch betrachte ich diese Schuldverschreibung — jedoch ohne Zurechnung von aufgelaufenen Interessen —
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Der Haushofmeister Rodriguez stellt Gil Blas seinem Herrn, Don Mathias de Silva, vor. Bleistiftskizze.
Wien, Eugen Miller v. Aichholz.
als in voller Giltigkeit, und der darauf haftende Betrag ist meinen Schulden zuzu- rechnen."
Als Universalerben setzte er die vier Fräulein Müller ein, die Schwestern seines Freundes Leopold. Hätten diese die Erbeinsetzung abgelehnt, so wäre die Karoline Riedische Kinderspitalstiftung in Wien an ihre Stelle getreten.
Zum Testamentsvollstrecker ernannte er seinen „hochverehrten Freund" Franz Xaver Mayer sen.
Von dem Tag, an dem Pettenkofen sein Testament niederschrieb, bis zu jenem, an dem ihn der Tod ereilte, sollte kein volles Jahr mehr verstreichen.
Noch am 2. März 1889 scheint sich Pettenkofen verhältnismäßig wohl gefühlt zu haben. Er war da mit Müller und Lichtenfels zusammen und besuchte abends, was er, der Pferdekenner und -liebhaber, sehr gern getan haben muß, den Zirkus Renz. Mit dem nächsten Tag aber setzen im Tagebuch die ausführlichen Krank-
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heitsschilderungen ein, und vom 4. ab konsultiert er Dr. Breuer. Am 7. befragt er auch Professor Schrötter. Aber noch am 8. hat er mit dem Kostümmeister des Operntheaters Burghart zu tun. Dienstag den 12. schreibt er in sein Tagebuch: „Heute früh am schlimmsten, vollkommen gebrochen, die Kräfte tief herunten. Fieber dauert gleichmäßig fort. Heute früh 91 Puls. Einen Teil der Nacht habe ich sitzend im Bett zugebracht, der Husten ein krampfhaftes Würgen, kein Aus- wurf, aber Blut mit Schleirh und Speichel vermischt. Atmen sehr erschwert. Magen- zustand wie gestern . . . Beim Ausgehen, Stiegensteigen außerordentliche Atemnot, krampfhafter Husten, Abgeschlagenheit in den Beinen, Kräfte sehr herunten. Großer Widerwille zu essen, Bedürfnis zu trinken und Kaltes zu trinken. Wasser?" Aber an diesem Tag macht er noch drei Besuche: bei Dr. Breuer, seinem Bruder und Dr. Frisch. Unter Donnerstag dem 14. heißt es weiter im Tagebuch: „Diese Nacht die schlimmste von allen, voll unsäglicher Leiden, die Luftwege alle verstopft, unausgesetzt tief krampfhaftes, erschöpfendes Husten mit Rasseln und Pfeifen in den Luftwegen. Mein Kopf wie zerbrochen, — habe den größten Teil der Nacht sitzend verbracht. Die Nervenschmerzen durchbohrend. Hatte diese Nacht einen Prießnitzumschlag. Puls 73, Blut 37'8. Entkräftung außerordentlich. Früh und mittag . . . Essen und Medizinnehmen unmöglich. Milch." Diesen Tag unternahm er zu Professor Oser seinen letzten Ausgang. Freitag den 15. legte er sich. An diesem Tage heißt es unter anderm im Tagebuch: „Meine gewöhnliche Reinlichkeits- Frühabwaschung stellte mir den Hochgenuß vor, den mir der Sprung in einen kalten klaren See bereiten müßte." Samstag den 16. wurde er auf Betreiben Müllers aus dem Hotel Elisabeth, wo er wie gewöhnlich wohnte, ins Sanatorium Low transportiert. Er träg^ an diesem Tage folgendes ein: „Äußerste Entkräftigung und Atemnot . . . Beide Füße seit vorgestern angeschwollen." Sonntag den 17. heißt es: „Die Nacht vergieng unter großer Atemnot und Nervenschwäche. Heute der Schwächezustand am höchsten. Prof. Oser. Fortwährende Atemnot, zunehmende Schwäche. Die Nacht große Not, Erschöpfung — Verzweiflung!" Montag den 18.: „Wie vorher. Abends Oser. Nacht Not und Erschöpfung. Schlaflos." Dienstag den 19.: „Früh 7 Uhr. Große Erstickungsnot, Kräfteverfall! Ich kann nicht mehr!"
Mit diesen ergreifenden Worten schließen die Eintragungen, die den Künstler ganz so wie einen kaltblütigen Naturforscher, etwa einen Arzt, bis knapp vor dem Tod als unerbittlichen Beobachter sogar des eigenen Verfalles zeigen. Jedenfalls geht aus diesen Notizen auch hervor, daß das, was Pettenkofen in seiner letzten Lebenszeit einmal nachdenklich und sehnsuchtsvoll in sein Tagebuch schreibt: „Euthanasie, das sanfte Sterben" ihm selbst nicht beschieden war.
Donnerstag den 21. März um halb 9 Uhr früh wurde er erlöst. Wie Hogarth, dessen Geburts- und Todesdatum er sich gelegentlich aufschreibt, erreichte er ein Alter von nicht ganz 67 Jahren. Er starb in den Armen von Dr. Frisch. Zu einer schleichenden Entzündung des Muskelfleisches war eine Rippenfellentzündung ver- derblich hinzugetreten. Den Grund zu dieser soll eine Erkältung gelegt haben, die er sich noch in Venedig, als er im Gäßchen seines „Straßenkampfes" malte, geholt hatte. Schließlich machte seinem Leben ein Herzschlag ein Ende.
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Auf dem Totenbett wurde Pettenkofen von Josef Engelhart, dem wienerischesten unter den Wiener Malern der nächsten Zeit und einem großen Verehrer des Dahin- geschiedenen bis auf den heutigen Tag, gezeichnet, und diese Zeichnung wurde dann mittels Heliogravüre vervielfältigt.
Wie so oft enthält auch in diesem Fall der Partezettel manches, was die bitterste Ironie des Verstorbenen geweckt hätte; so gibt, wie nun schon einmal die übliche Phrasierung lautet, „schmerzerfüllt Nachricht von dem ihn tief betrübenden Ableben seines innigstgeliebten Bruders" — Ferdinand Pettenkofen, also just der Mensch,
Dreifaltigkeit auf
der August Petten- kofen innerlich am fernsten stand; fer- ner tituliert die To- desanzeige Petten- kofen wohl „k. k. Professor " und „ Ritter der eisernen Krone III. Klasse und des Franz Josef- Ordens etc. etc.," deutet aber mit keiner Silbe an, daß er — Maler war, und schließ- lich spricht sie gar von seinem — „ kur- zen Leiden!"
Das Leichenbe- gängnis fand am 23. März statt. Der Leichnam wurde in der Pfarrkirche zur allerheiligsten
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Bleistiftskizze zum „Gil Blas". Wien, Eugen Miller v. Aichholz.
der Alserstraße ein- gesegnet und in einem eigenen Grab auf dem Zentral- friedhof bestattet. Nach dem Tode Leopold Karl Mül- lers, der so bald, schon am 4. Au- gust 1892, dem Freunde nachfol- gen sollte, wurden die Leichen beider in einem von der GemeindeWien ge- widmeten Ehren - grab beigesetzt. Es ist mit einem Mar- mordenkmal von der Hand Viktor Tilgners geziert : an einem Obelisken sitzt ein trauernder
Mann, die Rechte über ein Medaillon gelegt, das die Profilbildnisse der beiden Künstler zeigt. Tilgner hat dieses Monument auf Grund einer (hier abgebildeten) flüchtigen Bleistiftzeichnung Pettenkofens, die sich in dessen Nachlaß fand, ausge- führt. Die Zeichnung ist aber keineswegs, wie gemeint wurde, ein Entwurf Petten- kofens für ein Grabdenkmal. Derlei stünde unter Pettenkofens Arbeiten ganz ver- einzelt da. Gegen diese Annahme spricht schon der Profilkopf auf dem Medaillon, der trotz seiner Flüchtigkeit dennoch das XVIII. Jahrhundert erkennen läßt. Die Zeichnung ist vielmehr eine rasche Notiz, die sich Pettenkofen wie so oft nach einem Kunstwerk machte, das ihm besonders gefiel. Wo dieses Grabmal nun zu suchen wäre, weiß der Autor leider nicht zu sagen. Vielleicht in den Denkmal- wäldern de^ P^re Lachaise oder Montmartre.
Die Gemeinde Wien ehrte übrigens Pettenkofen nicht bloß durch die Verleihung
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des Ehrengrabes, sondern auch durch die Taufe einer Gasse im dritten Bezirk auf seinen Namen.
Noch im Herbst von Pettenkofens Todesjahr fand eine ausschließlich ihm gewid- mete Ausstellung im Wiener Künstlerhaus statt, und im Jänner des folgenden Jahres wurde ebenda durch Miethke sein künstlerischer Nachlaß, der nicht weniger als 561 Nummern umfaßte und über 83.000 fl. einbrachte, versteigert. Durch jene Ausstellung und durch diese Auktion lernten die Wiener erst kennen, was sie an Pettenkofen verloren hatten.
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SIEBENTES K^VPITEL
DER pq^NSTLER UND DER MENSCH
as in diesem Kapitel vorgebracht wird, soll ein Versuch sein, mit Hilfe des verschiedenartigsten Materials, das sich in das Gewebe der chronologischen Darstellung nur schwer hätte ein- flechten lassen, nochmals und zwar geschlossener und von allem außerhalb der Persönlichkeit Liegenden unabhängiger, als dies bisher geschehen konnte, ein Bild von Pettenkofens äußerem und innerem Menschen zu entwerfen. Mit dem äußeren Menschen, der zugleich Matrize und Abguß des inneren ist, sei begonnen. Er wird uns vor allem durch eine Reihe von Bildnissen nahe gebracht.
Das älteste Porträt, das von Pettenkofen vorhanden ist, stellt ihn als zehn- bis zwölfjährigen Jungen dar. Der dilettantischen Aquarellminiatur, die von der Hand von Pettenkofens Vetter Theodor Mayer stammt, ist aber nicht sehr zu trauen, da sie die Augen hellbraun statt hellgrau zeigt. 0
Das nächste Bildnis führt Pettenkofen als Kadetten bei den Bayern-Dragonern vor, den Helm auf dem Haupt und hoch zu Roß. Das Original, eine Feder- zeichnung, ist eine gemeinschaftliche Arbeit von Karl Göbel und Pettenkofen selbst, ist 1841 entstanden und stellt daher Pettenkofen als neunzehnjährigen Jüngling dar. Göbel hat die Hauptfigur, eben den jugendlichen Pettenkofen, und dieser die paar übrigen nur leicht angedeuteten Reitergestalten, die den Hintergrund füllen, ge- zeichnet. Das Blatt ist heute leider verschollen. ^) Eine Kopie darnach war am 16. April 1889 im „Illustrierten Wiener Extrablatt" reproduziert. Da die Zeichnung dem Autor nur aus diesem abgeleiteten Zeitungscliche bekannt ist, läßt sich aus diesem Porträt auf Pettenkofens Aussehen als Jüngling kein irgendwie ergebnis- reicher Schluß ziehen. ')
Eine bessere Vorstellung von Pettenkofens Äußerem vermittelt das schon er- wähnte, in zwei eigenhändigen Exemplaren erhaltene kleine Aquarell Pettenkofens, das ihn selbst und seinen Freund, den Maler Franz Brudermann, wiedergibt. Freilich wird auch auf die Bildnistreue dieser Arbeit nicht allzufest gebaut werden dürfen. Es fallen der kleine Kopf und, trotz des Gegensatzes zu dem kleineren
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Brudermann mit dem Hängebauch, die für den kaum Dreißigjährigen eigentlich wenig schlanke Gestalt auf. Das Haar ist kastanienbraun, die bequeme Haltung verrät gleichwohl Schnellkraft. Schon ist das Kinn ausrasiert, eine Barttracht, die Petten- kofen bis an sein Lebensende beibehält. Auch der Vatermörder, das mit der Hand geknotete weiche Halstuch und die Virginier-Zigarre sind charakteristisch und haben im wesentlichen Pettenkofen durchs Leben begleitet. Desgleichen scheint er zur schönen Zeit und auf dem Land den weichen breitkrempigen Hut (hier ist es ein Strohhut, auf einer aquarellierten Zeichnung, die sein Logement darstellt und aus dem Besitz der Geliebten stammt, ist es ein grauer Filzhut) bevorzugt zu haben.
Eine vom 7. Februar 1852 datierte und „Pepi Berres" ') signierte Bleistiftzeich- nung im Besitz der Damen Müller, die die Brustbilder von Pettenkofen und Brudermann darstellt, ist zu schwach, um irgendwelche wichtigere Anhaltspunkte zu liefern.
Nicht viel später als die eben besprochenen Porträte, aber doch wohl bereits nach dem ersten Pariser Aufenthalt, dürfte Pettenkofens gleichfalls schon einmal genannte flotte Aquarellskizze anzusetzen sein, die ihn und die Geliebte darstellt. Von einer Porträtähnlichkeit, mindestens der Gesichter, kann hier infolge der Flüchtigkeit der Ausführung nicht gesprochen werden. Dafür scheint die Haltung vorzüglich wiedergegeben zu sein und auch die Tracht ist von Interesse. Wie auf dem Aquarell, das Pettenkofen zusammen mit Brudermann darstellt, hat er auch hier die Hand in der Rocktasche. Hier sieht er zum ersten Mal groß und schlank aus. Ungemein persönlich mutet, wenngleich hier durch die um Haupteslänge kleinere Begleiterin motiviert, der leicht vor- und herabgeneigte Kopf an. Der Hut ist. ein sogenannter Stößer, d.i. ein Zylinder mit flacher, gerader Krempe. Dieser Stößer gilt in Wien bis auf den heutigen Tag, da er freilich kaum mehr auf der Straße und nur selten noch auf der Bühne zu sehen ist, als ganz besonders wienerisch. Der Burgtheaterdirektor Burckhard und der Schauspieler Martinelli haben ihn getragen, jetzt trägt ihn wohl nur mehr der Klavierfabrikant Bösendorfer. Pettenkofen scheint sich zeitlebens nicht von ihm getrennt zu haben.
Noch den fünfziger Jahren gehören die vielen Selbstbildnisse in dem oben er- wähnten Album von Pettenkofens Geliebter an, das aus illustrierten phantastischen Episteln zusammengestellt ist. Freilich ist hier alles leicht karikiert, trotzdem werden namentlich gewisse Bewegungen der schlanken, elastischen Gestalt zweifel- los treu festgehalten sein. Auf einer mit der Feder gezeichneten Schlußvignette des Fragmentes eines Briefes an die Geliebte, der höchstwahrscheinlich auch noch den fünfziger Jahren angehört und sich dermalen im Besitz des Autors befindet, sind zum ersten Mal die sogenannten Sechser zu erkennen, d. h. die von hinten nach vorne im Bogen aufwärts übers Ohr gekämmten Haare. Auch das ist eine typische altösterreichische Mode, Schmerling trug sich z. B. so.
Die nächsten Bildnisse sind bereits Photographien. Sie stammen jedenfalls schon aus den sechziger Jahren und veranschaulichen demnach Pettenkofen als reifen Mann, zu Beginn oder in der Mitte der Vierzig. Von Aufnahmen in Visiteformat geben ihn zwei mit ganz geringen Verschiedenheiten in ganzer Figur wieder, eine
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Pettenkofen und Brudermann in Kloster- neuburg. Aquarell. Wien, Dr. Albert Figdor.
dritte') ist ebenso wie eine Aufnahme in Kabinett- format ein Bruststück, Auch dieser Fall beweist wieder die grundlegende Bedeutung der Photographie. Denn so interessant und zum Teil künstlerisch wertvoll die bisher besprochenen Porträte auch sind, so gewinnt derjenige, welcher Pettenkofen nicht gekannt hat, doch erst angesichts dieser Photographien den Eindruck, nunmehr mit Pettenkofens Äußerem einigermaßen ver- traut zu sein. Auf den Visitebildern fällt der ernste, beinahe finstere Ausdruck auf. Das Auge beobachtet mit ruhiger Schärfe. Die Stirn ist hoch. Das auf dem Scheitel schon etwas gelichtete Haar ist in der Mitte abgeteilt, das Kinn zeigt ein Grübchen. Die Haltung ist vornehm-nachlässig, der Kopf trotz der zwar nicht sieht-, aber fühlbaren Stütze des Photographen, die ihn etwas steif aufrecht hält, abermals leicht vor- geneigt. Die Linke hält einen Stößer. Anderes, teils weniger, teils mehr, sieht man auf dem Brustbild in Kabinettformat.'') Der Blick ist leerer, doch läßt sich hier zum ersten Mal, sieht man von dem Kinderbildnis ab, die helle Farbe der Iris erkennen. Die Stirn erscheint etwas niedriger und weniger steil. Die proportionierte Nase ist deutlich als gerade zu erkennen. Viel- sagend ist der Mund mit der sinnlich vollen, beinahe ein bißchen derb aufge- worfenen Unterlippe.
Nun vergehen etwa anderthalb Jahrzehnte, bis sich Pettenkofen wieder porträ- tieren läßt. Am 8. Mai 1878 schreibt er aus Paris an Franz Xaver Mayer: „Es ist sehr freundlich, daß Sie mich an meine Photographie erinnern; ich werde sie machen lassen, sobald ich mich wieder etwas frischer fühle. Es ist des besseren Eindruckes wegen." Zu dieser Photographie scheint es aber nicht gekommen zu sein. Dagegen wurde Pettenkofen einem schriftlichen Zeugnis zufolge das Jahr darauf von Lenbach porträtiert. Der schon erwähnte Alexander Günther schreibt nämlich über das in seinem Besitz befindliche Bild am 24. Jänner 1890 aus München an Leopold Karl Müller: „Mein Porträt ist 1879 gemalt, es ist das einzige, welches ein vollständiges Bild Pettenkofens und zwar von seiner sympathischen Seite gibt und, wenn es photographiert wird, werde ich sehr gerne Ihnen und Ihren Fräulein Schwestern Exemplare der Photographie zustellen." Es ist das hier abgebildete Pastellporträt von der Hand Lenbachs, von dem sich bis auf den heutigen Tag zwei Photographien im Besitz der Damen Müller') erhalten haben. Auf diesem Bild nun, das Lenbach sehr genau, aber weniger eindrucksvoll in Öl wiederholt hat, *) sieht Pettenkofen nicht nur gealtert, sondern auch kränklich aus. Das Gesicht ist zugleich hagerer und schwammiger geworden. Das Haar läßt den Scheitel be- reits bloß, ist angegraut und nicht mehr so sorgfältig gepflegt wie früher, fast ein bißchen verwildert. Nach Lenbachs Art ist — auf dem Pastell mehr als auf dem Ölbild — der Blick der hellen Augen besonders herausgearbeitet. Stärker noch als auf der Kabinettphotographie ist der beinahe trotzige, mindestens von stolzer Selb-
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ständigkeit zeugende Zug um den Mund. Schön ist die Stirn, deutlich die steile Doppelfalte über der Nasenwurzel. Außer dem schon Hervorgehobenen fallen die rechte Braue, die sich anders, nicht im selben flachen Bogen, wölbt als die linke, die etwas schweren oberen Lider und der große fleischige Lappen des hier zum ersten Mal ganz sichtbaren Ohres auf.
Wie Pettenkofen am 3. Juni 1883 aus Venedig an Franz Xaver Mayer schreibt, hat er das Jahr vorher in Paris zur selben Zeit, als er am „Duell in der Au" arbeitete, auch sich selbst in Pastell zu porträtieren versucht. Er scheint aber mit diesemi Selbstbildnis ebensowenig zufrieden gewesen zu sein wie mit dem un- gefähr gleichzeitigen Pastellporträt von Sedelmeyers Frau, das er mit einem Esel signierte. Während aber das Bildnis der Frau Sedelmeyer noch erhalten ist, existiert das Selbstporträt nicht mehr. Er hat es sicherlich mit eigener Hand ver- nichtet.
Lenbach hat aber Pettenkofen noch ein drittes Mal gemalt, im Jahre 1883, ^) als Einundsechzigj ährigen also. Das Bild, das Franz Xaver Mayer gehört, ist besonders durch die Radierung, die William Unger darnach hergestellt "), und durch die kleine Heliogravüre darnach, die den Katalog der Nachlaßauktion eingeleitet hat, bekannt geworden. Lenbach hat es — wie übrigens die beiden älteren Porträte auch — mit seinem vollen Namen signiert und dadurch bekundet, daß er es für keine schlechte Leistung seiner Hand hielt. Angesichts eines derartigen Werkes von Lenbach muß man sich glücklich preisen, daß Pettenkofens Züge durch einen solchen Meister der Nachwelt überliefert worden sind. Doch schränkt sich diese Freude unwillkürlich ein, ist man in der Lage, die photographische Momentauf- nahme, die sich Lenbach als Hilfsmittel für das Porträt selbst gemacht hat "). niit diesem zu vergleichen. Vor allem zeigt die Photographie insoferne mehr, als auf ihr noch der ganze rechte Arm mit der den Pinsel haltenden ausdrucksvollen mageren Hand und hinten auch noch die von der Linken gehaltene Palette sichtbar sind. Es ist ein Augenblick festgehalten, in dem sich der mit seiner Arbeit beschäftigte Künstler, den Pinsel absetzend, mit Haupt und Augen von dem Bild vor sich auf der Staffelei wegwendet und auf jemanden blickt, der ihn anspricht. Die uns bereits vertraute vorgeneigte Haltung des Kopfes, nunmehr schon durch die leichte Alterskrümmung des Rückgrates verstärkt, fällt als besonders charakteristisch auf. Das Bild zeigt Pettenkofen viel aufrechter. Ein Vergleich der beiden Antlitze aber entscheidet vollends zu Gunsten der Photographie. Auf dem Bilde ist alles runder, weicher, mehr ausge- glichen und darum farbloser. Der Blick ist sanfter, die Stirn ist mehr gewölbt, der Nasenrücken ist nicht so scharf, die Unterlippe drängt sich weniger vor, das Haar ist ein bißchen mehr geordnet, aber auch der Körper ist voller, sogar die Spitzen des Vatermörders sind stumpfer. Nur die etwas auffällige Bildung des Ohres und die Kerbe im Kinn treten beinahe auf dem Gemälde stärker hervor als auf der Photographie. Diese Photographie ist vielleicht das einzige Porträt Petten- kofens, das eine entfernte Ähnlichkeit mit dem erhaltenen Bilde seines Vaters zeigt. Manche wollen auch auf der Lenbachschen Photographie Pettenkofens Typus un- garisch, ja geradezu zigeunermäßig finden.
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Pettenkofen. Photographie.
Das Porträt Lenbachs ist das letzte, das von Petten- kofen bei seinen Lebzeiten gemacht wurde.
Das nächste, die schon erwähnte in Heliogravüre vervielfältigte Zeichnung Josef Engelharts, ^■) stellt Pettenkofen bereits auf dem Totenbett dar, und gar erst ein paar Jahre nach seinem Hinscheiden schuf Viktor Tilgner das wenig ansprechende, die greisen- haften Züge fast bis zur Grimasse geschärft wieder- gebende Profilbildnis Pettenkofens an dessen und Leopold Müllers Grabstein.") —
Die Zartheit von Pettenkofens Gestalt wird durch sein Körpergewicht verbürgt, das er von Zeit zu Zeit gewissenhaft verzeichnet. So findet sich z. B. auf einem Zettel die Notiz: „1857, 19. März. Gewogen 124 Pfd. . . .", und im Tagebuch heißt es beispiels- weise am 30. November 1869 : „Gewogen 124 Pfund, vor Tisch, leichte Kleidung" oder am 2. August 1873: „Gewogen 125 Pfund Vj, leichter Anzug" oder am 1. September 1884: „Gewogen ohne Rock und Hut, Herbsthosen 66 kg 700 g." Noch in späteren Jahren war er so gelenkig, daß er ein Bein über den Nacken schlagen und in lustiger Gesellschaft beim Champagner vorzüglich demonstrieren konnte, wie man in Paris Cancan tanze — ein Tanz, der ihm übrigens nach seinem eigenen Geständnis in den phantastischen Briefen an die Geliebte vom Jahre 1852 schon als jungem Menschen und zwar nicht bloß vom Zusehen her bekannt gewesen sein muß.
Sehr scharf waren bis in sein Alter seine Sinne. Wohl kam es vor, daß er als Sechzigjähriger beweglich über die Abnahme seiner Sehschärfe klagte, sein Freund „Leo" vermochte ihn aber leicht von der Grundlosigkeit oder Übertriebenheit solchen „Lamentos" zu überzeugen. Wenn Pettenkofen längst die Beschwerde über seine Augen vergessen hatte, warf Müller, etwa auf eine ferne Kirchenuhr zeigend, herausfordernd hin: „Du behauptest immer. Du hättest so gute Augen, wie viel Uhr es aber jetzt dort am Turm ist, siehst Du doch nicht." Pettenkofen, die Falle nicht ahnend und auf sein scharfes Gesicht stolz, sagte dann: „Oho, das seh' ich schon noch" und las zum großen Gaudium Müllers die Zeit richtig ab.
Pettenkofen war ein starker Esser, genierte sich aber wegen seines Appetites. Das soll der Grund gewesen sein, warum er z. B. Sedelmeyers Einladung, an dessen Tisch zu speisen, ablehnte. Sein guter Magen blieb ihm bis an sein Ende treu, und klagte er gleich auch über ihn, so berichtigte er sich doch auch in diesem Falle und abermals vor Müller als halbgeärgertem, halb belustigtem Zeugen durch ein mehr als ausgiebiges „Einverleibungsfest", das dem gesündesten Magen zur Ehre gereicht hätte, nach nicht zu langer Zeit und aufs gründlichste selbst.
War nun schon einmal von der einen der beiden Hauptkräfte, durch die Natur das Getriebe der Welt zusammenhält, von dem Hunger, die Rede, so soll auch die andere, die Liebe, nicht unerwähnt bleiben. Daß diesem Triebe in Pettenkofens
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Leben keine unbedeutende Rolle zugefallen ist, verrät der sinnliche Mund, der uns schon von den Porträten her bekannt ist. Dem einigermaßen weltkundigen Be- trachter von Pettenkofens Leben könnte es ferner auch ohne die diesbezüglichen Hinweise der mündlichen Überlieferung unmöglich verborgen bleiben, daß ihn das andere Geschlecht sehr viel Geld gekostet hat. Richtig ist, daß andere Personen aus Pettenkofens Arbeiten sehr viel besser Kapital zu schlagen gewußt haben als er selbst und daß er für seinen Bruder hat sorgen müssen, trotzdem blieben bei seinem Fleiße und den keineswegs unbeträchtlichen Summen, die ihm immerhin für seine Bilder bezahlt wurden, seine ihn durchs ganze Leben begleitenden Schulden schlechterdings unerklärlich, setzte man nicht in sein Ausgabenkonto jenen von ihm im Tagebuch allerdings diskret verschwiegenen, ohne Zweifel aber recht erheblichen Posten ein. Eine verständlichere Sprache als Vermutungen und Andeu- tungen aber führen gewisse freie Zeichnungen, die sich von Pettenkofens Hand erhalten haben. Daß diese Blätter höchst wahrscheinlich gegen seinen Willen auf die Nachwelt gekommen sind, ist eine Sache für sich, die aber den Historiker na- türlich nicht dazu veranlassen kann, diese Erzeugnisse übermütiger und üppiger Stunden ganz mit Stillschweigen zu übergehen. Die Zeichnungen erzählen mit vollendeter Künstlerschaft und gutem Humor von „Meister Istes" Triumphen und „Grillen".
Der Frau Leopoldine Mayer hat Pettenkofen einmal auf die Frage, warum er nicht geheiratet habe, geantwortet, weil er eine Frau nicht hätte erhalten können. Das war nur insoferne die Wahrheit, als Pettenkofen, ohne ein Knauser zu sein, als älterer Mann tatsächlich die bei seiner Kränklichkeit ja nicht so unbegründete Angst hatte, er werde mit seinem Gelde nicht auskommen. Wenn Müller in einem Fiaker fuhr, so nannte er ihn einen Verschwender, und als ihm während seiner letzten Krankheit Müller zuredete, doch in ein Sanatorium zugehen, sagte er: „So was kann ich mir nicht leisten, da bin ich zu arm." Müller mußte ihn schließlich eigenmächtig ins Sanatorium Low schaffen lassen. — Für Pettenkofens Jungge- sellentum war natürlich jenes Verhältnis, das in die Blütezeit seines Lebens fällt, ein triftigerer Grund als die Unzulänglichkeit seiner Mittel. —
Das Aussehen eines Menschen wird durch die Art, wie er sich kleidet, kaum weniger bestimmt, als durch seine Leiblichkeit. Zu dem, was schon früher anläß- lich der Bildnisse Pettenkofens von seiner Tracht gesagt worden ist, seien folgende paar Bemerkungen nachgetragen: Pettenkofen hielt zeitlebens etwas auf sein Äußeres und trug sich, wenn schon nicht elegant, so doch gewählt und sorgfältig. Jedenfalls machte er einen sehr distinguierten, keineswegs einen vernachlässigten Eindruck. Am Schlüsse seines Lebens haftete ihm vielleicht ein bißchen etwas Alt- modisches an. Er sah wie ein „Offizier in Zivil", wie ein „Kavalier" aus, eine aristokratische Dame nannte ihn den „Diplomaten" oder den „Lord". Als junger Mensch mag er wohl etwas eitel gewesen sein. Müller neckte ihn später gern mit der Behauptung, er habe ihn in jungen Jahren oft zum Friseur gehen sehen, sich dort die Haare brennen zu lassen.
Seine vom Wiener Dialekt fast völlig freie Redeweise war gemessen und poin- tiert. Doch kam, im Disput mit einem Freunde etwa, gar leicht sein Temperament
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zum Durchbruch, und dann sprach er immer schneller und lauter und gestiku- lierte dabei aufs lebhafteste. Tilgner äußerte sich einmal sehr amüsiert über eine solche Szene, die Pettenkofen und Müller in seinem Atelier aufgeführt hatten. Einer suchte den andern an Heftigkeit der Ge- berde und des Wortes zu überbieten, es war, als ob zwei Vollblutitaliener mitein- ander stritten, und Tilgner erkundigte sich nachher bei Fräulein Marie Müller, ob diese Art der Konversation Müller von Pettenkofen oder Pettenkofen von Müller angenommen habe.
Pettenkofens Schrift ist sein Leben lang angenehm und leicht leserlich. Ist sie noch zu Beginn der fünfziger Jahre klein und eng und dünn, so dehnt sie sich im Lauf der Jahre mehr auseinander und wird stärker und größer. Sie ist auch sehr flüssig, was allein schon dafür spräche, daß die Feder zu führen nichts Ungewöhntes für ihn war. Ein paar da- tierte Schriftproben sind im Anhang mitgeteilt.
Pettenkofens Handschrift möge zu seiner Bildung hinüberleiten. Sie war selbst- verständlich nichts weniger als systematisch. Bevor er als fünfzehnjähriger Junge an der Akademie, in deren Elementarschule er schon mit zwölf Jahren gekommen war, die historische Zeichenklasse Kupelwiesers besuchte, hatte er im besten Falle eine Hauptschule oder die vier Grammatikaiklassen eines Gymnasiums absol- viert. ") Frühzeitig hieß es verdienen, die Militärjahre kamen dazwischen, und der außergewöhnliche Fleiß, den er in seinem Beruf entfaltete, ließ ihm gerade in jenem Alter, in dem der Mensch den Grund zu seinem Wissen zu legen pflegt, keinerlei Muße, seine allgemeine Bildung zu vervollkommnen. Etwas, das man bei ihm, der so viel gereist ist und so viel im Ausland gelebt hat, vielleicht zuerst erwarten möchte, die Kenntnis fremder Sprachen, eignete ihm nur auf sehr un- vollkommene Weise. Unter seinen Aufzeichnungen fallen die vielen Fremdwörter und Zitate aus anderen Sprachen mit beigefügten Verdeutschungen auf. Wie er kein Sprachentalent besaß, so ermangelte er auch der damit so häufig verbundenen musikalischen Begabung, ja er scheint sogar jedes Interesses für die Musik bar gewesen zu sein, was immerhin merkwürdig ist, da doch sein Vater nicht nur ein großer Musikfreund, sondern auch selbst ungewöhnlich musikalisch war. Dagegen aber scheint er, was bei einem bildenden Künstler bekanntlich nicht so häufig der Fall ist, von Jugend auf Sinn für Literatur gehabt zu haben und immer ein fleißiger Leser gewesen zu sein. Dafür sprechen zahlreiche Lesefrüchte, Titel von noch zu
Pettenkofen. Photographie.
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lesenden oder bereits gelesenen Werken, die er sich notiert hat, und vor allem die schöne Bibliothek, die er hinterlassen hat.
Auf Grund dieses Materials sei im folgenden versucht, ein Bild von Pettenkofens Lektüre zu entwerfen. Da sich nicht nur aus den Leuten, mit denen jemand um- geht, sondern auch aus den Büchern, die er liest, erkennen läßt, wer er sei, wird schon dieser Überblick einen wertvollen Beitrag zur Kenntnis von Pettenkofens innerem Menschen liefern.
Unter den Büchern aus Pettenkofens Besitz fallen zwei Kategorien besonders auf: die antiken Klassiker und die Reisebeschreibungen. Der letzteren Zusammen- hang mit des Künstlers oft besprochenem Wandertrieb liegt auf der Hand. Doch fällt auf, daß die Schilderungen von Entdeckungsreisen und exotischen Ländern einen so breiten Raum einnehmen. So sind zum Beispiel vorhanden : Stucks „Ver- zeichnis von altern und neuern Land- und Reisebeschreibungen", die „Sammlung der besten Reisebeschreibungen", „(Forsters) Magazin von merkwürdigen neuen Reisebeschreibungen", die „Geschichte der geographischen Entdeckungsreisen" (aus der „Allgemeinen deutschen Taschenbibliothek"), Robertsons „Reise in die mittäglichen Länder, oder nach Australien", „Naturgemähide der neu entdeckten Polar- und Tropenländer", Bechtingers Buch „Ein Jahr auf den Sandwich-Inseln", Irvings „Reisen der Gefährten des Columbus", Bemal Diaz del Castillos „Ent- deckung und Eroberung von Mexiko", De la Casas' „Verheerung Westindiens", Les Ynca Garcilasso de la Vegas „Geschichte der Eroberung von Florida", des Jesuitenpaters Wolfgang Bayer „Reise nach Peru", Francisco de Xerez' „Geschichte der Entdeckung und Eroberung Peru's". Die letztgenannten Werke verraten ein besonderes Interesse an den von den Spaniern entdeckten und eroberten Gebieten der neuen Welt. Die ganz außergewöhnliche Stärke dieses Interesses wird noch überdies durch die Menge der auf verschiedene Zettel geschriebenen Titel von einschlägigen Büchern bezeugt, die in der Anmerkung'') zusammengestellt sind. Daß Pettenkofen diese Werke, wenn auch vielleicht nicht alle, wirklich gelesen hat, geht daraus hervor, daß sich auf den Zetteln das eine oder andere notiert findet, das er sich später sogar selbst gekauft hat. Das Bestreben, über die um- fängliche Literatur der Reisebeschreibungen möglichst gut orientiert zu sein, er- hellt ferner aus folgenden verschiedentlich notierten Büchertiteln: Acosta, Der Je- suiten Reisebuch; Bekmann, Literatur der älteren Reisebeschreibungen, 2 Bände, Göttingen 1807; Kapitän Bligk, Reisehandbuch; Dufau und Guadet, Vollstän- diges Handwörterbuch der wichtigsten geographischen Entdeckungen bis 1542, Halle 1792; William Rocher, Kolonien, Leipzig 1856, 2. Auflage. Etliche Zitate zeigen Pettenkofen außerdem mit den Schriften Alexander v. Humboldts wohl vertraut.
Pettenkofens Guidensammlung kommt an sich nur eine geringe Bedeutung zu, doch ist manches dieser Büchlein schon allein durch sein Datum interessant: Ein Führer durch Linz und vom Salzkammergut ist vom Jahre 1851, einer durch Havre vomi Jahre 1853, einer durch Prag und einer durch Berlin und Potsdam vom Jahre 1858, einer durch Verona vom Jahre 1859 datiert. Da man sich in der Regel das zuletzt erschienene Reisehandbuch kauft, so erlaubt die Jahreszahl 1867 auf einem
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französischen Führer durch Spanien und Portugal den Schluß, daß Petten- kofen schon in diesem Jahre oder doch in einem der allernächsten die oft geplante aber niemals unter- nommene Reise nach der iberischen Halbinsel ins Auge faßte. Für diesen Reiseplan sprechen in seiner kleinen Kartensammlung auch die drei Karten von Spanien und Portugal. Sein Inter- esse an Spanien, das ja auch das Vater- land seines Freundes Fortuny und des von ihm so hoch verehrten Velas- quez ist, kommt überdies in der ihm gehörenden „Geschichte Spaniens" von Belmont und in folgenden zwei von ihm notierten Büchertiteln zum Ausdruck: Graf Schack (Pettenkofen schreibt „Jaques!") „Die Poesie und Kunst der Araber in Spanien und Sizilien" und Mendoza „Geschichte der Empörung der Mauren in Gra- nada". An einen anderen oft erwo- genen und gleichfalls nicht zur Aus- führung gelangten Reiseplan erinnern die Titel zweier Bücher von Buchta
über das moderne Ägypten: „Der Sudan und der Mahdi" und „Der Sudan unter ägyptischer Herrschaft " .
Ist die reiche Reiseliteratur die eine Besonderheit von Pettenkofens Bibliothek, so ist die Sammlung von Übersetzungen antiker Klassiker unzweifelhaft die zweite Merkwürdigkeit, die sie aufzuweisen hat. Seine Bücherei enthielt, fast durchwegs in Langenscheidtschen Übersetzungen, folgende alte Autoren : Aeschylos, Aristoteles („Naturgeschichte der Tiere"), Bion, Caesar, Cicero, Homer (eine Ausgabe mit Umrißstichen nach Genelli), Horaz, Longos („Daphnis und Chloe" und zwar in zwei deutschen Übersetzungen und in einer französischen; diese sich im Besitz von nicht weniger als drei Übersetzungen ausdrückende Vorliebe ist immerhin auf- fällig; sollte sich Pettenkofen am Ende gar mit dem Gedanken getragen haben, die berühmte Hirtengeschichte zu illustrieren?), Lukian, Marc Aurel, Martial, Moschos, Nepos, Plato (nur den „Phaedon"), Plinius den jüngeren, Plutarch, Sallust, Seneca, Strabo, Tacitus, Theokrit, Thukydides und Vitruv. Juvenal und Ovid finden sich notiert. Die Aufzeichnung von Friedländers „Römischer Sittengeschichte" und der Besitz der „Geschichte des Altertums" von Pütz und zweier Karten zur alten Geschichte und eines dazu gehörenden Namensverzeichnisses legen weiteres Zeugnis ab für Pettenkofens gründliches Interesse am Altertum.
Pettenkofen. Pastellbild von Franz Lenbach.
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Durchaus des Lateinischen unkundig kann er nicht gewesen sein, sonst fände sich in seiner Bibliothek wohl kaum ein lateinisches Lexikon vor. Weil schon von einem Behelfe zur Erlernung oder Anwendung einer fremden Sprache die Rede ist, so sei gleich auch erwähnt, daß Pettenkofen nicht weniger als drei englische Sprachbücher sein eigen nannte, woraus zur Genüge hervorgeht, wie ernstlich er eine Reise nach England geplant hat.
Die übrige Weltliteratur war besonders durch folgende Werke vertreten: die deutsche Dichtkunst durch Wieland (Gesamtausgabe), Lichtenberg (Ausgewählte Werke), Herder („Legenden"), Goethe (Gesamtausgabe und „Faust"), die englische durch Shakespeare (Gesamtausgabe und „Timon von Athen") und Byron (Gesamt- ausgabe), die italienische durch Dante, Boccaccio und Ariost und die spanische durch Cervantes („Don Quijote"). Von Lesage, Pettenkofens Lieblingsdichter, enthält seine Bibliothek außer den schon erwähnten Ausgaben des „Gil Blas" noch den „Guzman von Alfarache" und den „Baccalaureus von Salamanca"; die „Geschichte des Estebanel Gonzales" ist notiert. Merkwürdigerweise weder von Pettenkofen aufgezeichnet noch unter seinen Büchern findet sich der „Hinkende Teufel".
Bereitet die Einzelausgabe des „Timon von Athen" auf die Züge von Menschen- verachtung vor, die sich bei Pettenkofen gegen Schluß seines Lebens zu feststellen lassen, so verrät sich sein Hang zur Satire, abgesehen von Cervantes, Lichtenberg und Wieland, durch Butlers „Hudibras", eine französische Ausgabe des „Till Eulen- spiegel" und — die Goethesche Bearbeitung nicht mitgezählt — zwei verschiedene Ausgaben des Tierepos von Reineke Fuchs.
Ferner ist eine Vorliebe für Biographien, besonders für Autobiographien, unver- kennbar. Es finden sich nämlich unter Pettenkofens Büchern die Tiecksche Aus- gabe des „Escudero Marcos Obregon", ferner Quevedo Villegas' „Geschichte und Leben Don Paul's" und notiert sind die Beschreibungen, die Hans von Schweinichen und Schärtlin von Burtenbach von ihren Leben hinterlassen haben. Wie schon in vielen der früher genannten Werke, so kommt besonders in diesen Biographien, einem Buch wie dem „Meier Helmbrecht", das gleichfalls zu Pettenkofens Bibliothek gehört, und den Romanen des Lesage, — literarischen Arbeiten, in denen allen eine bestimmte Zeit entweder durch jemanden, der in ihr gelebt hat, oder durch jemanden, der sich auf Grund eingehender Studien mit ihr besonders vertraut ge- macht hat, anschaulich geschildert wird, — jener ausgeprägte Wirklichkeitssinn zum Ausdruck, der für den produktiven und den rezeptiven Pettenkofen in gleicher Weise charakteristisch ist.
Die Belletristik der eigenen Zeit spiegelt sich besonders in folgenden Werken wieder: in des älteren Dumas „Drei Musketieren" und einer ihrer Fortsetzungen, in ein paar Romanen Paul de Kocks, in Turgenjews „Gedichten in Prosa", in Heines „Buch der Lieder", „Romanzero" und „Neuen Gedichten" und in den Gedichten Frei- ligraths. In Freiligraths Versen mag Pettenkofen das Exotische, in den Romanen von Dumas pöre das Milieu des von ihm so geliebten XVII. Jahrhunderts, bei Heine und Paul de Kock das pikante, bei Heine überdies das satirische Moment angezogen haben.
Dieser leichteren Ware sei Pettenkofens allerdings kärglicher Besitz an philo- sophischen Werken gegenübergestellt. Von Kant sind die „Naturgeschichte und
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Theorie des Himmels", die „Kritik der praktischen Vernunft" und die „Macht des Gemüts" vorhanden. Hegel ist vollständig da, hingegen fehlt interessanter Weise Schopen- hauer. Renans „Leben Jesu" leitet zur Kirchengeschichte über, die gleich der Geschichte der Päpste durch ein altes Werk vertreten ist. Zwei alte Bibeln dürfen wohl hier eingefügt werden.
Königs „Philosophie der schönen Künste" (Nürnberg 1784) stellt die Brücke zu den Büchern über die bil- dende Kunst her. Zuerst seien die theoretischen Werke angeführt: Böck- lerns „Radier -Büchlein" (Nürnberg 1669), Dauws „Kunst-Erfahrner, cu- rieuser, galanter, doch aber zugleich erbaulicher Schilder und Mahler" (Kopenhagen 1721),Lairesses „Großes Mahler-Buch" in drei Bänden (Nürn- berg 1784), Schäffers Ausgabe des Handbuches der Malerei vom Berge Athos, Ilgs Ausgabe der Tractate des Heraclius, des Cennini und des Biondo, Ludwigs (den, wie wir wissen, Pettenkofen persönlich gekannt hat) Aus- gabe von Lionardo da Vincis Trattato della Pittura, Schönbrunners (des Direktors der Albertina, deren fleißiger Besucher Pettenkofen war) „Verschiedene Malarten". Notiert findet sich eine ganze Menge alter, natürlich fast nur italienischer Künstler- geschichten, die in der Anmerkung'") aufgezählt werden mögen. Von kunsthistorischen Werken im engeren Sinne des Wortes sind nur folgende vorhanden: Springers „Handbuch der Kunstgeschichte" (die mit einem Vorwort Friedrich Theodor Vischers versehene Ausgabe vom Jahre 1855), Guhls „Künstlerbriefe" und „Vorträge und Reden kunsthistorischen Inhalts" und als einzige Künstlermonographie: Stirlings „Velasquez". Pettenkofens Interesse an aktuellen Fragen, die den Stand der bil- denden Kunst seiner Heimat betreffen, offenbart sich im Besitz von Waldmüllers Broschüre „Belebung der vaterländischen bildenden Künste" (Wien 1857) und der Schriften von Waldmüllers Gegner und Pettenkofens Freunde Eitelberger: „Wie steht die Kunst in Österreich?" (ein Separatum aus der Donauzeitung, worin Eitel- berger vor der Londoner internationalen Ausstellung im Jahre 1862 die bildende Kunst Österreichs zu überblicken versucht), „Das Wiener Genrebild vor dem Jahre 1848", „Die Plastik Wien's in diesem Jahrhundert" (beide Aufsätze vom Jahre 1877) und „Die Kunstbewegung in Österreich" (vom Jahre 1878). Diese drei Broschüren
Pettenkofen. Photographie von Franz Lenbach.
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sind mit handschriftlichen Widmungen des Autors versehen. Für den Maler nötige Hilfswissenschaften sind durch folgende Werke vertreten : drei Lehrbücher der Per- spektive, als Unterstützung von deren Studium zwei Lehrbücher der Geometrie und eines der darstellenden Geometrie, Baumeister-Rueffs „Anleitung zur Kenntnis des Äußern des Pferdes" (Stuttgart 1857) und drei andere hippologische Werke des XVIII. Jahrhunderts, alles Bücher, die für den Pferdemaler besonders wichtig waren. Unter den hierher gehörigen Notizen ist das schon im Verlauf der Darstellung er- wähnte Reitbuch Newcastles und das Fechtbuch Peschkans (1666) zu erwähnen: jenes brauchte Pettenkofen zum „Duell in der Au", dieses zum „Straßenkampf in einem venezianischen Gäßchen". Lacroix' großes kulturgeschichtliches Abbildungs- werk und Drugulins „Historischer Bilderatlas" finden sich verzeichnet. Hauslabs Büchlein „Über die charakteristischen Kennzeichen der geschichtlichen Entwickelungs- Abschnitte der Kriegertracht vom Beginn des XVI. bis zu jenem des XIX. Jahr- hunderts" gehört der Bibliothek des Künstlers an. Eine besondere Stellung unter den in Pettenkofens Besitz befindlichen Werken, die sich auf die bildende Kunst beziehen, nimmt das wohl am besten hier einzuschaltende Werk Eduard Langes ein: „Heerschau der Soldaten Friedrichs des Großen" (1856), das sich Pettenkofen natürlich wegen der Holzschnitte Menzels angeschafft hat. Von den paar Japonica in Pettenkofens Besitz war schon die Rede.
Von diesem für den Künstler so bezeichnenden Bestand von Pettenkofens Bibliothek sei zum Schluß auf einen anderen übergegangen, der im Gegensatz dazu bloß für den Menschen charakteristisch ist: es ist die gar nicht so unbeträchtliche medizinische Literatur, die Pettenkofen sein eigen genannt hat. Darunter finden sich Hirscheis „Homoeopathischer Arzeneischatz", Matteis „Elektro-Homoeopathie" und „Neues (homöopathisches) Vademecum", Riklis „Bett- und Partial-Dampf- bäder-Hausordnung", „Allgemeine Kur-Regeln der Naturheilkunde" und „Lehrbuch der Naturheilkunde (I. Teil: Fieberkrankheiten, mit besonderer Berücksichtigung der Blattern)", Liebauts „Regenerationskur", das „Nervensystem des Menschen" von Moebius und der „Tisch für Magenkranke" von Wiel. Sind des Mercatus „Consultationes morborum" vom Jahre 1614 als Curiosum zu betrachten, so läßt eine 1887, also zwei Jahre vor Pettenkofens Tod, zu Mannheim erschienene Schrift von Schneider, „Die Feuerbestattung", vermuten, daß Pettenkofen daran gedacht hat, seinen Leichnam verbrennen zu lassen.
Auf ein ganz anderes, aber wieder höchst persönliches Gebiet führt ein „Trente et quarante-Roulette" betiteltes Büchlein, das 1868 in Bad Ems erschienen ist, wo Pettenkofen einer Eintragung in sein Tagebuch gemäß am 29. August 1872 121 Thaler verloren hat.
Merkwürdig ist schließlich, um dies auch noch zu besprechen, der Mangel an Dicht- werken der Heimat. Pettenkofen besitzt eigentlich nur den „Innocenz" seines Vetters Ferdinand v. Saar, die Novelle, mit der dieser zuerst die Aufmerksamkeit der Kenner auf sich gezogen hat. Hier wird erwähnt werden dürfen, daß Saar bei der Gestalt des Malers in seiner Novelle „Ninon" laut eigenen Geständnisses an Pettenkofen dachte.") Hat Pettenkofen aber auch so gut wie nichts von österreichischer Lite- ratur sein eigen genannt, so scheint sie ihm doch durchaus nicht fremd geblieben
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TAFEL LIII
FRANZ LENBACH, PORTRÄT PETTENKOFENS. ÖLBILD. (1883.) WIEN,
FRANZ XAVER MAYER.
zu sein. In dem Fragment eines Briefes an die Geliebte, das wahrscheinlich noch den fünfziger Jahren angehört und sich heute im Besitz des Autors befindet, zitiert Pettenkofen nämlich vier Verse aus Zangas hinreißender Schlachtschilderung in Grillparzers „Traum ein Leben". Daß Pettenkofen es auch versucht hat, der Dicht- kunst Ungarns, des Landes, mit dem sein Name für alle Zeiten verknüpft bleiben wird, näher zu kommen, beweisen die beiden Übersetzungen Kertbenys in seiner Bibliothek: das „Album hundert ungrischer Dichter" und die Dichtungen Petöfis.
Die vielen alten Bücher, die Pettenkofen gehören, zeigen, daß er bei seinen Aufenthalten in Italien und Paris den Buchhändlern der Straße eine liebevolle Auf- merksamkeit geschenkt haben muß. Das eine oder das andere alte Buch, das sich in seiner Bibliothek findet, hat er natürlich nicht des Inhaltes wegen gekauft, sondern weil ihm der Einband, die typographische Ausstattung gefallen hat.
Auf wie liebenswürdige W^eise Pettenkofen Freunden seine Bücher zur Ver- fügung gestellt hat, ist aus einem an Leopold Karl Müller gerichteten Zettel zu ersehen. Er ist (wegen Müllers Augen?) groß mit Bleistift geschrieben, undatiert und lautet: „Mein lieber Leo! Über den Tag, der gar kein Tag ist und auch nicht werden wird, magst du dich trösten und in deinem Bette beruhigt ,Nebelfeiem*. Die beifolgenden'*) Bücher: Geschichte Perus, 1 Bd., Peter Schlemihl, Columbus v[on] W. Irving, 4 Bde., Velasquez, 1 Bd., Künstlerbriefe [von] Guhl, 2 Bde., Ab- deriten v[on] Wieland, Marcus Aurelius, Selbstbetrachtungen werden Dich im Ver- hältnis deiner eigenen Laune interessieren und zerstreuen. Hoffentlich auf baldiges Wiedersehen. Mit herzlichem Gruß und Wünschen dein Pettenkofen." —
Dieser Versuch, von Pettenkofens Lektüre eine Vorstellung zu gewinnen, ist notwendigerweise lückenhaft. Trotzdem aber macht er nicht nur mit vielen seiner geistigen Interessen vertraut, sondern deutet auch bereits den einen oder anderen Zug seines Charakters an. Die im folgenden mitgeteilten und paraphrasierten Auf- zeichnungen von Pettenkofens Hand aber, die teils eigene, teils fremde Gedanken fixieren und sich verstreut auf einzelnen Zetteln aus seinem Nachlaß erhalten haben, werden weiter in seine Gedankenwelt einführen und Urteile, die er sich über seine Zeit, über sich selbst und andere bildete, Anschauungen, die er von den Menschen im allgemeinen, von der Welt, von dem Leben hatte, kennen lehren und mittelbar und unmittelbar auch seinen Charakter deutlicher hervortreten lassen.
Unter den mannigfaltigen Interessen Pettenkofens, auf die sich nur mehr aus Lesefrüchten schließen läßt, mag dasjenige, welches er an der Astronomie findet, zuerst erwähnt werden. Ist es doch dadurch merkwürdig, daß die Astronomie eine Wissenschaft ist, zu der von Pettenkofens Beruf scheinbar keinerlei Brücken führen. Dieses Interesse bekundet sich in Notizen über die Verhältnisse auf dem Monde (auf Grund eines Artikels in der „Gartenlaube"), über die Entfernung der Erde von der Sonne, vom Monde, über die Beschaffenheit der Erdoberfläche, über die Polarität. Aufzeichnungen gelten dem Quadranten und der Magnetnadel, be- sonders aber interessiert sich Pettenkofen für ein Astrolabium, wie aus ein paar darauf bezüglichen Notizen hervorgeht. Einmal schreibt er sich das Wort Keplers auf, nach dem Astronomie und Physik so genau miteinander verknüpft seien, daß keine ohne die andere vervollkommnet werden könne. Am bemerkenswertesten
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aber ist vielleicht eine Aufzeichnung über den Bielaschen Kometen, die eine nicht ganz genaue und nicht ganz vollständige Abschrift folgender zwei Stellen aus Humboldts „Kosmos" ist: „Bielas Comet hat eine Umlaufszeit von 6V4 Jahren.... Er hat das erste sichere Beispiel eines unsere Erdbahn schneidenden Cometen dargeboten. Die Bahn des Biela'schen Cometen ist daher eine Bahn, die Gefahr bringen kann, wenn man jedes außerordentliche, in historischen Zeiten noch nicht erlebte und in seinen Folgen nicht mit Gewißheit zu bestimmende Naturphänomen gefahrbringend nennen soll." (I, 113, 114.) „Da die Beruhigungsgründe, welche der Wahrscheinlichkeits-Rechnung entnommen werden, allein auf die denkende Betrach- tung, auf den Verstand, nicht auf die dumpfe Stimmung der Gemüther und auf die Einbildungskraft wirken, so hat man der neueren Wissenschaft nicht ganz mit Unrecht vorgeworfen, daß sie Besorgnisse zu zerstören bemüht ist, die sie selbst erregt hat. Es liegt tief in der trüben Natur der Menschen, in einer ernsterfüllten Ansicht der Dinge, daß das Unerwartete, Außerordentliche nur Furcht, nicht Freude oder Hoffnung erregt." (I, 119.)
Daß sich der vom Wetter so sehr abhängige Pettenkofen für die Ursachen des Klimas interessiert, kann nicht Wunder nehmen. Auf Grund eines Artikels im Aus- land (Nr. 6, Februar 1884) merkt er sich an: „ also nicht die Verteilung von
Wasser und Land ist es direkt, welches den namhaftesten Einfluß auf die klimati- schen Verhältnisse ausübt, sondern es sind vor allem die Meeresströmungen, welche die unregelmäßige Wärmeverteilung auf der Erdoberfläche schaffen."
Auch mit optischen Erscheinungen befaßt er sich. Eine Notiz handelt von der „feuchten Luft, die dem direkten Sonnenstrahl den Durchgang zur Erde ge- stattet, . . .". Eine andere stellt die eigene Beobachtung eines schon von Benvenuto Cellini in seiner Autobiographie beschriebenen Phänomens fest; sie hat folgenden Wortlaut: „Schatten auf dem betauten Grasboden, um den Kopf herum heller Schein von glänzendem Tau (Benv. Cellini). [Dazu eine flüchtige Skizze.] 25. August V29 Uhr Früh der Schatten 8 — 9 Schritte lang; reiner Himmel um die weißstrahlende Sonne. Etwas dunstig." —
Mit der eigenen und mit fremder Menschlichkeit beschäftigen sich die im folgenden mitgeteilten und kommentierten Notizen.
Das Bruchstück des Entwurfes eines Briefes (vielleicht an die Geliebte) ist sowohl durch das Unabhängigkeitsbedürfnis, das sich darin äußert, als auch durch die Bedeutung, die es der Selbsterkenntnis beimißt, interessant; es lautet:
„Die täglichen Lebensfragen lassen mir nicht Zeit, eine [!] Rechenschaft über ein Gefühl zu geben." „. . . auch wollen wir uns den Kopf nicht heiß machen, um Nachricht von uns zu geben, aus zwei Gründen: 1. bekümmert dies niemanden; 2. wenn dies auch wäre — wir halten uns nicht gebunden, uns mit dem, was andere kümmert, abzugeben, sondern uns um uns selbst zu kümmern; und selbst das nehmen wir uns, die Freiheit zu vernachlässigen, wenn es uns behagt. — Wenige Menschen sind nämlich imstande, eine erträgliche Auskunft von sich selber zu geben, wie sehr sie sich auch anstrengen."
Wie treffend sich Pettenkofen selbst zu beurteilen vermag, geht aus Aphorismen wie den im folgenden angeführten hervor :
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„Ich habe nur zu sehr die unpraktische Eingebung, das Studium als Zweck und [bin] nur zu wenig [fähig, es] als Mittel für den Zweck [zu] treiben."
Pettenkofen zählte eben nicht zu jenen praktischen Naturen, deren einziges Ziel, um dessentwillen allein sie alles und jedes unternehmen, der Erfolg ist. Die Art, wie er z. B. von der Natur für seine Bilder zu lernen pflegte, charakterisiert er folgendermaßen :
„Es ist zweierlei: Naturstudien zu machen oder Naturstudium zu treiben — [das letztere ist] eine Spekulation im Großen zur Erkenntnis des Geistes in der Natur."
„Ich bin mein Lebelang [!] ein Arbeitstier gewesen, aber kein weiser Arbeiter und immer ein schlechter Geschäftsmann."
Mag der erste Teil dieses Ausspruches vielleicht auch etwas übers Ziel schießen, so ist der zweite, wie wir ja schon wiederholt gesehen haben, zweifellos richtig. Während sich Pettenkofen für seinen unermüdlichen Fleiß mit verhältnismäßig ge- ringem Entgelt bescheiden mußte, wurden an seiner Arbeit Zwischenhändler aller Art reich. Im Hinblick auf eine derartige Erwägung und wohl auch auf das, was er zeitlebens für den ihm innerlich so fremden Bruder tun mußte, schrieb er sich neben der Skizze einer brennenden Kerze die bekannte Devise auf: „Aliis inserviendo consumor".
Dieselbe Vornehmheit der Gesinnung aber, kraft deren er seine Kunst nicht zur „tüchtigen Kuh" erniedrigen konnte und stets jeder Reklame für seine Person, selbst der für den Künstler fast unumgänglich notwendigen der Ausstellung, abhold war, ließ ihn voll selbstbewußten Stolzes die Worte aufschreiben:
„Ich halte es mit dem ,Mehr sein als scheinen' [„Plus etre que paraitre" notiert er sich ein anderes Mal], ich will etwas sein um meinetwillen ; etwas scheinen der anderen wegen — Beweis niedriger Denkungsart". —
Als Beispiele seiner Menschenkenntnis, seiner Fähigkeit, sich den Charakter eines andern klar zu machen, mögen folgende wohl nur bruchstückweise erhaltene Auf- zeichnungen dienen :
„. . . zuvorkommend bis zum Übermaß. Der einzige Zug, der diese trefflichen Eigenschaften in gewissem Grad entstellt, ist der Mangel an Festigkeit und eine Art von krankhafter Unbeständigkeit."
„Lenbach besitzt Intelligenz und praktischen Verstand genug, um seine Mitwelt genau so zu behandeln, wie sie es verdient."
„ ,r.' — Er hat wohl Verstand, aber keinen Geist, woraus erfolgt, daß es ihm an Phantasie, an Erkenntnis des Schönen und all dem fehlt, welches des Menschen Geist mit feinen Fäden wie mit einem Netze umfängt. Seine Person wie sein Be- nehmen entbehrt jeder Elastizität und gefälliger Form, welches denn auch voll- kommen seinem Geistesleben entspricht."
„Mein Freund G r hat gute Eigenschaften des Geistes, einen vortrefflichen
Verstand, ausgezeichnetes Gedächtnis und dadurch eine Menge von Wissen. Da er aber keinerlei Berufstrieb besitzt, vergeudet er diese Eigenschaften zumeist auf den Tand kritischer Beobachtung und satirischer Kritik von Personen, die unter seine Freunde und Bekannten gehören, also unter seiner beständigen kriti- schen Aufsicht stehen. Man bewundert, ihm zuhörend, die Schärfe seines kriti-
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sehen Geistes, ohne sich für die vorgetragene Sache selbst interessieren zu können."
Dafür, daß die Ursachen einer derartigen Charakteristik nicht etwa in persön- licher Empfindlichkeit zu suchen sind, bürgen folgende Zeilen :
„Wenn man mir die Wahrheit sagt, ist mir dies, und wäre es auch nicht schmeichelhaft, für mich doch sehr lieb, denn ich unterrichte mich dadurch über mich selbst und die Menschen und werde auch aufmerksam, mein Benehmen für diese besser einzurichten."
Wer aber nicht bloß über sich selbst so klar und unbefangen denkt, sondern auch andere dermaßen zu durchschauen vermag, der kommt leicht in die Lage, irgend eine gefeierte Größe weniger günstiger zu beurteilen, als dies etwa die Menge der Fernstehenden tut:
„Vom Meere aus bemerkt man die bedeutende Höhe, je näher man aber seinem Fuße kommt, desto mehr verschwindet sie. Die beiliegende von Humboldt ent- worfene Ansicht bestätigt dies, so daß es dem Ch[imborasso?] so geht wie den berühmten Männern, die auch desto kleiner werden, je näher man ihnen steht."
Daß aber eine solche Bemerkung nicht vereinzelt vorkommt, sondern ihr etliche andere, womöglich von noch misanthropischerer Denkungsart zeugende zur Seite stehen, kann nicht Wunder nehmen. Es sind bittere Wahrheiten, die der Mensch- heit im allgemeinen und gewissen Menschenklassen im besonderen gelten :
„Die Magen- und Geschlechtsfunktion stellen [!] den Menschen gleich dem Tiere; daß er auf der obersten Stufe derselben [!] steht, ist die einzige Meinung, die er von seiner Vollkommenheit haben darf."
„Aber wir andern Leute müssen uns von den reichen Leuten alles gefallen lassen, selbst das, was uns angenehm ist."
„[Weder] Rechenschaft geben, noch Rechenschaft fordern, darin besteht die öster- reichische, respektive Wiener Gemütlichkeit."
Nimmt dieser Satz Pettenkofens engere Landsleute aufs Korn, so sind es die ihm am nächsten Stehenden, denen er mit den folgenden Zeilen unbarmherzig ins Gesicht leuchtet. Sie lesen sich umso schmerzlicher, als sie am 11. März 1889, also knapp vor seinem Tode niedergeschrieben sind. Wie einsam muß er sich nach diesen Worten an der Schwelle des Grabes gefühlt haben!
„ , Freunde' sind nur diejenigen, welche einen brauchen; nächstens brauchen könnten oder doch gelegentlich brauchen dürften. — An Freunde, von denen man bereits abgebraucht wurde, erinnert man sich immer wieder, wegen ihrer gehabten besonderen freundschaftlichen Güte. Natürlich darf man Liebenswürdigkeiten artiger Leute nicht mit Freundschaft [verwechseln.]"
Wie aber Pettenkofens Menschenhaß im Kerne beschaffen gewesen ist, verrät die folgende im Gegensatz zu den drei vorhergehenden wieder an eine allgemeinere Adresse gerichtete Aufzeichnung:
„Ich liebe die Menschen, aber ihr Umgang ist mir nur in den seltensten Fällen auf die Dauer erträglich."
Besonders viele Sätze gelten der Gegenwart, mit der sich Pettenkofen durchaus nicht befreunden kann, die er auf Kosten der ihn so viel besser und schöner dünkenden Vergangenheit immer tiefer und tiefer zu stellen geneigt ist:
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„Ich schätze die Alten so außerordentlich, weil ich unsere Zeit so sehr gering schätze."
„Für mich leben nur die längst gestorbenen Meister der Kunst." (Diese Worte sind 1885 geschrieben.)
„Es tut mir leid, daß so viele Talente an der gegenwärtigen Zeit zugrunde gehen. — Diese Zeit, welche jeder Tiefe des Geistes und der Seele entbehrt — die Zeit der , Moden-Monomanen', in welcher das Geschick der Kunst in der Hand unverständiger und verschwenderischer Parvenüs liegt. Heute gilt nur mehr das Überraschende; daher die Exzentrizität in der Malerei wie im Roman,"
Zum Kreise dieser Klagen gehört auch die folgende, leider unvollständige Notiz, die überdies davon Zeugnis ablegt, daß Pettenkofen nicht nur in der Malerei, son- dern auch in der Literatur auf die Form etwas gehalten hat:
„Das Deutsch, welches unsere großen Schriftsteller schreiben, sollte geschützt werden vor den frechen pygmäenhaften Kerlchen unserer Zeit, welche sich durch die dumme aller Konsequenz entbehrende Zustutzung ..."
Auch folgender Satz, dessen Tadel offenbar gleichfalls auf die Gegenwart gemünzt ist, gehört hierher:
„Der Mangel des Verständnisses und Geschmacklosigkeit zeigt [!] sich am deut- lichsten in der Bewunderung des Unbedeutenden und in der Gleichgiltigkeit für das Bewundernswerte."
Daß Pettenkofen aber in der Vergangenheit nicht nur Ersatz für die Jämmerlich- keiten der Gegenwart gefunden, sondern aus ihr auch Trost für ein mögliches Leben nach dem Tode geschöpft hat, geht aus einer höchst merkwürdigen Nieder- schrift hervor, die übrigens unverkennbare Ähnlichkeit mit einer berühmten Stelle in Piatos „Apologie des Sokrates" zeigt. Pettenkofens Aufzeichnung, die wahr- scheinlich durch jene Worte des Sokrates angeregt worden ist, lautet:
„Die großen Weltbeherrscher und Kriegsmänner, kühnen und entschlossenen Entdecker und Eroberer; die großen Geister in den Wissenschaften und Künsten; die großen Meister griechischer Gelehrsamkeit und Kunst; der göttliche Raphael, der größte Maler Tizian und all die schönen Geister seiner Zeit; und so die edelsten Herzen wie Christus. Alle sind sie dahingegangen, kein einziger ist zu- rückgeblieben, und es kann für mich armen Sterblichen nur eine Freude und Ehre sein, dahin zu kommen, wo sie alle sind."
Eine aristokratische Denkweise drückt sich in der Behauptung aus: „Der Rang eines Volkes gründet sich auf die Zahl (Häufigkeit) seiner Talente — alles andere ist — Vieh!"
Das wohl bei Pettenkofen wie auch bei anderen seinesgleichen so häufig vergeb- liche Bemühen, den angeborenen Adel der Gesinnung mit den Erfordernissen des praktischen Lebens in Einklang zu setzen, schimmert durch folgende Maxime durch:
„Ich werde Liebenswürdigkeit nie vergessen, auch nicht über darauf folgendes Unliebsames, nur werde ich mein eigenes Benehmen nach dem mir zuletzt er- wiesenen einrichten."
Eine Stelle aus dem jüngeren Plinius — es ist der Schluß des 17. Briefes im VIII. Buche, des Briefes an Macrinus, worin sich Plinius besorgt bei dem Freunde
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erkundigt, ob er durch die verheerenden Überschwemmungen des Tiber und des Anio keinen Schaden an Leib und Gut erlitten habe — , diese Stelle kann Petten- kofen wohl nur darum exzerpiert haben, weil sie seiner Meinung nach die ärgste Qual der Gemütsverfassung, in der er sich befand, als er die Notiz niederschrieb, aufs treffendste charakterisiert haben wird: „Denn der Unterschied ist nur gering, ob man ein Unglück erleidet oder erst erwartet, außer daß der Schmerz sein Maß hat, die Furcht es aber nicht hat. Den Schmerz empfindet man nur insoweit, als man das Geschehene kennt, Furcht aber für alles, was etwa noch geschehen könnte." Er hatte dabei wohl zunächst eine Verschlimmerung seines Krankheits- zustandes im Sinne.
Daß Pettenkofen — zu Zeiten wenigstens — sein ganzes Leben keineswegs durch eine rosenfarbene Brille gesehen hat, bezeugt ein Satz wie der folgende, — der freilich zugleich auch wieder beweist, daß Pettenkofen nicht der Mann gewesen ist, sich von einem widrigen Schicksal unterkriegen zu lassen:
„Man muß Glück kennen gelernt haben, um vom Unglück niedergeschmettert werden zu können."
Auf etwas unklare und weitschweifige Weise kommen in der hier zum Schluß wiederzugebenden Aufzeichnung Gedanken zum Ausdruck, deren wesentlichster Inhalt uns bereits bekannt ist : Zufällig sind die Verhältnisse, in die uns die Geburt versetzt, und es gibt höhere Pflichten für uns als diejenigen, welche uns jene Ver- hältnisse auferlegen. Die Notiz lautet:
„Es ist eine schwache Ansicht von moralischer Verpflichtung, sie bloß auf das Zufällige der Geburt und des Geburtsortes beschränken zu wollen. Ein solcher späterer Stand der Dinge kann zur Folge haben, daß sich alle unsere Pflichten ändern, und es ist nötig, dieselben zu erfüllen, wie sie sind, nicht wie sie bisher gewesen und wie sie später sich ergeben können. Die, welche von dem bloßen Geburtsort so großen Lärm machen, haben gewöhnlich keinen klaren Begriff von ihren V höheren Pflichten. Über unseren Geburtsort können wir nicht verfügen, während wir an die Erfüllung solcher Pflichten, welche wir freiwillig übernommen haben, streng gebunden sind."
Wäre es falsch, Pettenkofen darum, weil er einmal beim Rouge-et-Noir 121 Thaler verloren hat, für einen Hazardspieler zu halten, so gienge man offenbar nicht weniger fehl, wollte man sich einzig und allein auf Grund der zuletzt mitgeteilten Aufzeichnungen ein Bild seiner Lebensauffassung machen. Es wäre zweifellos all- zu einseitig schwarz gefärbt. Man darf eben nicht vergessen, daß diese pessimisti- schen Notizen sicherlich aus der letzten Zeit von Pettenkofens Leben herrühren, in der ihm wirkliche und noch mehr eingebildete Krankheit nicht nur in der Gegenwart, sondern auch in der Vergangenheit alles Schöne und Angenehme hinter das Widerwärtige und Häßliche zurückdrängte.
Ein Leichtfuß wird Pettenkofen nie gewesen sein, in jüngeren Jahren aber war er sicherlich ein lebensfroher Gesell, konnte er doch noch als älterer Mann in einem Kreise, in dem er sich wohl fühlte, ausgelassen lustig sein, ohne dabei aber jemals die Grenzen der Wohlerzogenheit zu überschreiten. Daß sein Menschenhaß nicht ganz waschecht war, beweist außer bereits Gesagtem auch sein Verhältnis
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zu den Kindern, die er sehr gern hatte, und mit denen er vorzüglich umzugehen wußte. In der von ihm hinterlassenen Photographiensammlung findet sich eine ganze Menge von Bildern der kleinen Leute. Die Damen Marie und Berta Müller waren in Bozen Zeuginnen davon, wie Pettenkofen ein zerlumptes Bettelbüblein zum Krämer hineinnahm, ihm da reichlich Zucker und Kaffee kaufte und ihm nach- her einschärfte, diese Gaben ja recht schön der Mutter nach Haus zu bringen. Ein anderes Mal hob er wieder, wie gleichfalls die beiden Fräulein erzählen, ein kleines Mädchen, das auf der Gasse niedergefallen war und jämmerlich weinte, auif, ließ es mit den Quasten seines Schirmes spielen und redete ihm so lieb und tröstlich zu, daß es bald wieder seinen Schmerz vergaß. Daß er für den Fall, daß die Schwestern seines Freundes Müller die Erbschaft nach ihm nicht angetreten hätten, sein Vermögen einem Kinderspital hat vermachen wollen, gehört gleich- falls hierher.
Das Geschichtchen vom Tiroler Betteljungen beweist, daß Pettenkofen ein gutes Herz hatte und, seinem vornehm zurückhaltenden Wesen entsprechend, mag er, ohne davon viel Aufhebens zu machen oder davon überhaupt nur zu reden, gar manche Wohltat erwiesen haben.
Das aus dem Nachlaß in den Besitz der Damen Müller übergegangene Konzept von Pettenkofens Antwort auf einen Bettelbrief ist ein nicht uninteressantes Ge- misch von Gutmütigkeit, Wahrheitsliebe und Genauigkeitssinn, gewürzt mit einem Körnlein Sarkasmus. Es lautet: „Euer Wolgeboren! Wenn Sie einerseits durch Lebhaftigkeit der Schilderung mein Mitgefühl in besonderer Weise erregten, muß ich anderseits den mir irrtümlich beigelegten verwandtschaftlichen Grad eines Vetters (Cousin[s]) berichtigen. — Die Ehe des Feldk[riegs-] Sekretär[s] Ferd. v. Nespern, [eines] Bruder[s] meiner Mutter war kinderlos; er starb im Frühjahr oder Sommer 1843; ich sah nachmals die kinderlose Witwe noch im Jahre 1844 oder [-] 45. — Da den Menschen in Notlagen auch eine kleine Gabe willkommen ist, lege ich hier 5 fl. bei. Ich bezeige Euer Wolgeboren für Ihre menschen- freundliche Bestrebung meine Hochachtung. August von Pettenkofen."^**) —
Hat auch die Krankheit, die wirkliche und die eingebildete, die Pettenkofen un- gefähr die letzten zwei Jahrzehnte seines Lebens hindurch so viel zu schaffen machte, die allseits bezeugte Vornehmheit seines Charakters nicht zu erschüttern vermocht, so wird sie doch, wie wir bereits zu vermuten Gelegenheit hatten, im Verein mit mancher gerade an nahestehenden Menschen gemachten schlimmen Erfahrung sicherlich seinem Wesen den einen oder andern herben Zug aufgeprägt haben.
Aber nicht in dieser Hinsicht soll hier nochmals von Pettenkofens Krankheit die Rede sein. Lediglich auf seine Hypochondrie soll ein Blick geworfen werden. Zu ihr wird man bereits die krankhaft übertriebene Selbstbeobachtung rechnen dürfen, die sich unter anderem in dem schon erwähnten 25 Jahre hindurch mit peinlicher Genauigkeit geführten Verzeichnis seiner Anfälle kundgibt. Sowohl mit dieser Selbst- beobachtung als auch mit der trotz allem Dilettieren im medizinischen Studium vor- handenen Angst, etwas zu versäumen oder von einem Arzte unrecht behandelt zu werden, hängt es zusammen, daß Pettenkofen von einem Doktor zum andern läuft,
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eine Heilmethode nach der andern probiert. Ein Berg von Rezepten, der sich im Nachlaß vorgefunden hat, legt davon tragikomisches Zeugnis ab. Hand in Hand damit, daß sich Pettenkofen von so vielen Ärzten behandeln ließ, gehen sowohl die Skepsis gegenüber dem ärztlichen Wissen und Vermögen, als auch die Lust, sich selbst und andere kurieren zu wollen. Die überlegene, lehrhafte Art, wie er in Briefen über den Gesundheitszustand anderer Diagnosen anstellt und ihnen Verhaltungsmaßregeln erteilt, ist ergötzlich genug. So angesehen, wohnt z. B. folgender Briefstelle neben der wärmsten Teilnahme auch ein bißchen unfreiwillige
Komik inne: „Was die noch andauernde Nervosität Frl. L s [der Tochter
des Adressaten] betrifft, ist dies wohl ernst zu beklagen, da man mit solchen Ver- stimmungen niemals recht froh sein kann. Aber bei ihrer Jugend und sonstigen vortrefflichen Gesundheitsanlage muß dieser Zustand, der zwar peinlich, in keiner Weise aber gefährlich ist, ja baldigst den regenerierenden Selbstbestrebungen der Natur und dem Einfluß von Jugend, Gesundheit der Hauptlebensorgane weichen; und vieles zur Erreichung ihrer vollen Gesundheit wird ja die Pflege beitragen, welche hauptsächlich auf Abhärtung durch Heilgymnastik, Bewegung in freier Luft, passende Beschäftigung und Zerstreuung gerichtet ist." Noch kategorischer muten Diagnose und Therapie in einem Schreiben vom 9. März 1881 an, das aus Venedig an Franz Xaver Mayer gerichtet ist: „Sie klagen über ein Leiden, und das kommt, ohne daß Sie und Ihr Arzt es wissen, von der mit Gas geschwängerten und über- hitzten Luft in Ihrem Bureau während des Winters. Sie müssen jeden Morgen einen Spaziergang machen und jeden Abend ohne Unterschied des Wetters einen tüchtigen Marsch,"
Einen geradezu pathologischen Eindruck macht die allerdings auch wieder ein wenig zum Lachen reizende Angst, die Pettenkofen vor den verschiedensten Dingen hegt. So fürchtet er sich z, B, angesichts von Rissen im Mauerwerk davor, daß der venezianische Palazzo, in dem er sein Atelier hat, heut oder morgen den Einsturz drohe. Er setzt es mit vieler Mühe durch, daß eine Kommission erscheint, die die vermeintlichen Zeichen naher Einsturzgefahr in Augenschein nimmt und ihn schließlich dahin beruhigt, — daß er in dem Gebäude noch hundert Jahre un- gefährdet malen könne, ^")
Krankhaft ist auch die Angst, die er vor den Hunden und den Gefahren, die ihre Krankheiten den Menschen drohen, gehabt zu haben scheint. Einmal notiert er sich das schreckliche Faktum, daß sich die Eier des Bandwurmes des Hundes (Taenia), vom Menschen eingeatmet, in diesem zu Echinokokken ent- wickeln, das andere Mal versteigt er sich gar, ausgehend von der Hundswut, zu einem in seiner Leidenschaftlichkeit abermals etwas lächerlichen Ausfall gegen die Hundefreunde und deren offizielle Beschützer, Diese sonderbare Notiz hat folgen- den Wortlaut: „Hundswut, Wie lange werden wir uns noch die gefährliche, schweinische, lästige und stupide, sinn- und geschmacklose Liebhaberei der Hunde- freunde gefallen lassen? — da sich die mit der Sicherheit der Bevölkerung be- traute Behörde, sei es, daß eine große Zahl derselben selbst Hunde hält oder der Liebhaberei so vieler angesehener Hundebesitzer sich nicht nahe zu treten getraut (epidemische Hundebefreundung). [Wann] werden wir endlich selbst darangehen,
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uns diese Last, welche uns diese Freunde unserer Hundeliebhaber allenthalben geworden sind, vom Halse zu schaffen? — Die Mittel dazu werden uns gleich- gültig sein, wir werden den Hund oder auch seinen Herrn angreifen."
Auch vor Schlangenbissen scheint ihm auf etwas unnatürliche Weise gebangt zu haben. Wenigstens schreibt er sich einmal etwas über Ammoniakinjektionen auf, mit denen Schlangenbisse geheilt werden können.
Von anderer als Pettenkofens Hand, wahrscheinlich von der eines befreundeten Mediziners, findet sich auf einem Zettel des Nachlasses der Milzbrand-Karbunkel beschrieben. Er selbst merkt sich im Februar 1884 einen die Malaria in Italien be- handelnden Artikel der Zeitschrift „Das Ausland" an. Wie ihm diese beiden Krank- heiten offenbar Angst eingeflößt haben, so muß dies auch die zweischneidige Natur des Cocains getan haben, dessen Bekanntschaft zu machen allerdings auch der normale Mensch leicht in die Lage kommt; es finden sich nämlich auf den schon erwähnten Blättchen des Nachlasses zwei Notizen über die Cocapflanze und ihre offizin eilen Wirkungen.
Ist hier aber nun schon einmal von Pettenkofens Eigenheiten die Rede, so sollen den krankhaften gleich noch andere, harmlosere angereiht werden.
In Pettenkofen, der einerseits, wie wir wissen, zeitlebens Schulden hatte und dadurch niemals völlig frei war, war anderseits das Bedürfnis, unabhängig zu sein, so stark, daß es ihn, dessen Manieren doch die denkbar besten waren, wie fol- gende Mitteilung des Herrn Ethofer beweist, gelegentlich beinahe unartig werden ließ. Im Jahre 1886 waren Ethofer und Cecil van Haanen die Gäste des Fürsten Porzia auf dessen prachtvollem Renaissanceschloß in Spittal a. d. Drau. Auch Pettenkofen wurde erwartet und, da der Fürst ausdrücklich wünschte, daß auch er im Schlosse wohne, gebrauchten Haanen und Ethofer die List, ihm, dessen Abneigung gegen derlei Zwang sie kannten, gleich bei seiner Ankunft auf dem Bahnhof zu sagen, daß alle Gasthäuser besetzt seien und er daher, ob er nun wolle oder nicht, im Schlosse logieren müsse. Pettenkofen ließ sich überreden und brachte wirklich eine Nacht im Schlosse zu. Beim ersten Spaziergang aber erkun- digte er sich im nächstbesten Hotel, ob schon Platz sei, erfuhr dabei, wie er hinters Licht geführt worden war, wurde äußerst zornig und übersiedelte sofort vom Schlosse ins Hotel.
Pettenkofens Reiselust und Vielgereistheit sind wiederholt hervorgehoben worden und sind für ihn unzweifelhaft sehr charakteristisch, aber sein Wandertrieb macht nicht immer einen ganz ursprünglichen Eindruck, sondern sieht oft genug wie Un- rast aus, namentlich von der Zeit an, da ihm die Sehnsucht nach Seßhaftigkeit, nach einem eigenen Heim die Wage zu halten anfängt. Daß Pettenkofens Drang zu reisen so häufig nicht zur Tat geworden ist, daran trägt freilich vom Beginn der siebziger Jahre an seine Kränklichkeit die größte Schuld. Aber nicht bloß aus Gesundheitsrücksichten ist Pettenkofen nicht der Typus eines echten und rechten W^andervogels, — es widerstreben ihm nämlich zu viele Dinge in der Fremde: ihre Sprache beherrscht er nicht, Besonderheiten ihres Klimas verträgt er nicht, die Kost, die Gewohnheiten der Einheimischen stoßen ihn ab, die See ist für ihn keine Brücke zu anderen Ländern, sondern ein unüberwindliches Hindernis, dahin zu gelangen.
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Den bereits im Verlauf der Darstellung erwähnten, nicht zur Ausführung ge- langten Reiseplänen dürfen parenthetisch hier wohl noch ein paar andere, die sich nur auf Zetteln des Nachlasses notiert finden und sich nicht näher datieren lassen, angefügt werden. Der weitestgehende dieser Pläne scheint der einer Reise nach Konstantinopel zu sein und zwar von Paris aus und mit dem Orientexpreßzug. — Im zweiten Kapitel wurde es auffällig gefunden, daß sich Pettenkofen so wenig von der französischen Provinz ansah. !Pin Zettel beweist, daß er zu Zeiten wenig- stens die Absicht hatte, Frankreich nach mehreren Richtungen hin zu bereisen. Auf der einen Seite dieses Blattes ist in Schlagwörtern eine Reise in die Provence angegeben : „Von Marseille nach Arles / Arles (Arfene, Aliscamps und die ganze Stadt) / Abbaye de Montmajour und die Stadt Les Beaux / von Arles nach Aigues- mortes / von Aiguesmortes nach Nimes / von Nimes nach dem Pont du Gard, St. Gilles / nach Avignon (Palais des papes) / Avignon gegenüber Villeneuve-les- Avignon / Tarascon und Beaucaire / Carcassonne (la cite de Carcassonne) / Bouches- du-Rhone / Gard | Vaucluse / Languedoc." Diese Gegenden dürften Pettenkofen wohl fast ebenso sehr durch ihre antiken Denkmäler wie durch ihre Landschaft angelockt haben. Ins Herz und in den nördlicheren Teil Frankreichs sollten die folgendermaßen auf der Rückseite des Zettels verzeichneten Reisen führen: „Tou- raine / Orleans / von Orleans nach Blois / von Blois nach Amboise und Chenon- ceaux / zwei Schlösser : Chambord und Chaumont / die Stadt Loches. Von Paris / Dijon / Auxerre / Meaux."
Andere Pläne gelten viel kleineren Reisen und Tagesausflügen. So wollte Pettenkofen einmal, wohl von Venedig aus, über Padua, Monselice und Este nach Montagnana und von da eventuell über Mantua nach Mailand. Ein anderes Mal beabsichtigte er, wohl gleichfalls von Venedig aus, mit der Bahn über Bassano nach Marostica und von da im Wagen nach Thiene zu fahren, von wo es dann wieder mit der Bahn nach Vicenza gehen sollte. Da sich die in der betreffenden Notiz enthaltenen Worte „Schloß und Graben und Mauer" wohl nur auf Thiene beziehen können, so muß man annehmen, daß sich Pettenkofen nicht so sehr für die Fresken des Veronese im Schlosse, als vielmehr für dieses selbst interessiert hat. Einen ähnlichen Zweck hätte er dann auch mit der Fahrt nach Montagnana verknüpft, einem Städtchen, das durch seine vorzüglich erhaltenen mittelalterlichen Befestigungen mit zinnengekrönten Mauern und Türmen berühmt ist. Und wenn er weiters von Florenz aus über Empoli nach San Gimignano und von da nach Siena zu fahren plante, so lockte ihn zweifellos abermals das wohlerhaltene Bild ferner Vergangenheit, das die „Stadt der schönen Türme" bietet. Motive für Bilder aber dürfte er an allen diesen Orten kaum gesucht haben, eher für seine Illustra- tionen zum „Gil Blas". —
Nach dieser Abschweifung, die von einigen bisher noch nicht mitgeteilten Reise- plänen Pettenkofens gehandelt hat, sei aber wieder zu seinen Eigenheiten und Schrullen zurückgekehrt. Die nunmehr zu besprechenden leiten schon vom Men- schen zum Künstler über.
Anderen über ihre künstlerischen Leistungen seine Meinung zu sagen, war Pettenkofen höchst peinlich und fiel ihm sehr schwer. Mußte er es dennoch tun.
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so gebrauchte er dabei die sonderbarsten Umschweife, hielt mit seiner wirklichen Ansicht hinter dem Berg oder sagte geradezu etwas anderes als das, was er sich dachte. Zeigten ihm z. B. die Fräulein Marie und Berta Müller Arbeiten, so fieng er etwa an: „Meine Damen, Sie haben wahrhaft Tizianisches Talent, aber . . .", dann äußerte er behutsam ein oder das andere Bedenken und schließlich ließ er keinen Stein auf dem andern. Kam zu ihm ein junger Mensch auf die Akademie und bat ihn um sein Urteil über mitgebrachte, nichts weniger als vielversprechende Studien und Entwürfe, so rief er seinen Freund Müller zuhilfe, dessen Gewandt- heit größer war, jemandem schonungsvoll beizubringen, daß er die Malerei lieber stehen lassen und etwas anderes anfangen solle. Den Worten Müllers stimmte er dann aufs lebhafteste bei.
Herr Maler Dome Skutezky erzählt^') folgendes hierhergehörige Erlebnis, das er zu Beginn der achtziger Jahre mit Pettenkofen in Venedig hatte. Pettenkofen wurde ihm, bevor er ihn persönlich kennen lernte, von allen Seiten als ein unnah- barer Sonderling geschildert. Skutezky kannte Pettenkofen seit Jahren vom Sehen her in Venedig, schob es aber, obwohl er eine Empfehlung an ihn hatte, immer wieder hinaus, sich ihm vorzustellen. Da sollte ein Zufall beider Bekanntschaft vermitteln. Skutezky stand vor einer größeren Reise, wollte sein Atelier aufgeben und weitervermieten und hängte deshalb an die Haustür den in Venedig wohlbe- kannten unbeschriebenen weißen Zettel, der anzeigt, daß im Hause etwas zu ver- mieten sei. Eines Tages läutet es, Skutezky hört Tritte die Stiege heraufkommen, geht auf den Gang hinaus und vor ihm steht — Pettenkofen. Er begrüßt ihn nicht ohne Herzklopfen. Pettenkofen aber will, als er das Atelier besetzt sieht, sofort wieder umkehren. Skutezky erklärt ihm, daß es tatsächlich zu mieten, daß das Licht gut sei und dergleichen mehr und bringt ihn so endlich hinein. Nach vielem Bitten und Zureden setzt sich Pettenkofen, spricht geschäftlich über das Atelier und will gleich wieder gehen. Um ihn zu halten und mitteilsamer zu machen, sagt ihm Skutezky schließlich, daß er ihm seit vier Jahren den Gruß eines Freundes zu überbringen habe. Auf das hin taut Pettenkofen endlich auf, und es entwickelt sich ein Gespräch. Auf Skutezkys Staffelei stand ein fertiges, von London aus be- stelltes Bild, eines jener süßlichen novellistischen Genrebilder, wie sie im Handel begehrt sind. Skutezky mußte Pettenkofen ausdrücklich darum bitten, daß er es ansah. Dann sagte er: „Ah, das wird ja ein nettes, liebes Bild, das werden Sie leicht verkaufen." Skutezky war betroffen: „So habe ich's nicht gemeint, verehrter Meister. — Das Bild ist übrigens bereits verkauft." „Um so besser, ja, ja, der- gleichen verkauft man immer." Skutezky aber wollte durchaus Pettenkofens wirk- liche Meinung über das Bild erfahren und ließ nicht ab, ihn zu bitten, sie ihm mitzuteilen. Da sagte er endlich: „Sie wissen ja selbst am besten, wo Sie der Schuh drückt. Das Bild ist nicht im Freien, ist nicht an Ort und Stelle gemalt." Mit diesen Worten griff er nach Pinsel und Palette und malte ohneweiters ein paar kraftvolle Striche in das fertige glatte Bild. Skutezky verstand ihn wohl, — aber er hatte hernach ein paar Tage zu tun, um die vorzüglichen Übermalungen aus dem Bilde zu entfernen. Mit ihnen hätte es der Engländer gewiß nicht über- nommen. — Einige Jahre später — es mochte 1884 gewesen sein — malte
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Skutezky im Hofe des Dogenpalastes ein kleines Bild. Pettenkofen kam zufällig des Weges und geriet über die Malerei in eine derartige Begeisterung, daß sich Skutezky fast schämte. „Wer hätte das damals gedacht, als ich das schlechte, dumme Bild bei Ihnen in der Calle delle Acque sah. Nein, dieser Marmor, — wenn es Ihnen nur gelänge, die Figuren auf die gleiche Höhe zu bringen." Skutezky fügt bescheiden hinzu: „Leider gelang es mir nicht, denn den Marmor malen viele Künstler gut, Figuren aber nur wenige." Man ersieht aus dem Verhalten Pettenkofens gegenüber diesem zweiten Bilde, daß er, wie auch schon Skutezky bemerkt, und was wir auch sonst noch bestätigt finden werden, leicht zu Enthu- siasmus geneigt war.
Pettenkofens schärfere Seite wird durch ein Geschichtchen beleuchtet, das ihn gleichfalls als Beurteiler der Leistung eines Kollegen zeigt und Herrn Maler Ethofer zum Gewährsmann hat. Einer Einladung folgend, besuchte Pettenkofen einmal in Rom in Begleitung Ethofers das Atelier des Malers T. Die beiden Freunde bekamen da ein Kolossalgemälde zu sehen, das darstellte, wie Tilly, auf einem blauen Schimmel sitzend, in einer Kapelle den Segen empfieng. Pettenkofen lobte alles auf überschwängliche Weise. Ethofer wollte seinen Ohren nicht trauen und fragte Pettenkofen, als sie beide wieder draußen waren, ob denn das, was er gesagt habe, sein Ernst sei. „Lieber Etti," antwortete Pettenkofen, „wenn ich dem Manne etwas ausstelle, so hält er mich für einen Esel. Das will ich doch nicht." Das Bild soll nämlich entsetzlich gewesen sein.
Pettenkofen ließ nie oder nur höchst ungern das, woran er arbeitete, was er vorbereitete, sehen. Selbst seinen nächsten Freunden konnte er die Bitte, sein Atelier besichtigen zu dürfen, abschlagen. Einmal wollte Leopold Müller seine Schwester Marie und eine Cousine in Pettenkofens Atelier an der Akademie führen. Der sonst so artige Pettenkofen versperrte sich aber und ließ Müller, der nicht nachgab, und die beiden Damen eine halbe Stunde auf dem Gang warten. Als er dann schließlich doch aufgeschlossen hatte, fand sein Besuch im Atelier fast nichts zu sehen. Die Bilder waren entweder versteckt oder mit der bemalten Seite gegen die Wand gelehnt. — Wie Maler Ethofer erzählt, bat Pettenkofen einmal von zwei Koburger Zwillingsbrüdern, die Müller hießen und mit denen er in Rom verkehrte, den einen, der Bildhauer war, er möge ihm als Behelf für ein Bild, das er gerade in Arbeit hatte und das einen mit einem gestohlenen Hammel auf dem Rücken einen Abhang herablaufenden Zigeuner darstellen sollte, ein Figürchen modellieren. Der Bildhauer willfahrte der Bitte, verlangte dafür aber von Pettenkofen als Gegenleistung, daß er ihm sein Atelier und seine Arbeiten zeige. Pettenkofen hatte das nämlich, obgleich er selbst das Atelier der beiden Brüder aufs genaueste kannte, vorher durchaus nicht tun wollen. — Einen ähn- lichen Vorfall berichtet Franz Rüben: Pettenkofen hörte in Venedig von einem Bild, das Passini malte; es stellte dessen Tochter dar, wie sie im Garten Rosen brach oder Äpfel pflückte. Pettenkofen gieng zu Passini hin, um das Bild kennen zu lernen. Passini aber, darüber ärgerlich, daß Pettenkofen, der selbst niemals etwas herzeigte, bei den andern alles sehen wollte, verwehrte die Besichtigung seines Bildes mit den Worten: „Wie du mir, so ich dir."
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Von Pettenkofens Verschlossenheit war schon oft die Rede. Diese Eigenschaft seines Charakters ließ ihn z. B. selbst seinen besten Freunden gegenüber all das verschweigen, was lediglich seine Person angieng. So teilen beispielsweise die Damen Müller und Frau Leopoldine Mayer übereinstimmend mit, daß Pettenkofen von seinen Angehörigen nicht oder nur sehr selten und wenig sprach. Die Damen Müller erfuhren z. B. erst nach seinem Tode, daß er überhaupt einen Bruder hätte. Aber diese Zurückhaltung allein macht noch nicht sein oben geschildertes Benehmen gegen Kollegen begreiflich. Dafür scheint Maler Ethofer die richtige Erklärung zu geben, wenn er sagt: „So verehrungswürdig Pettenkofen als Mensch war, ein ebenso großer Egoist war er als Künstler; er nützte alles und alle für seine Zwecke aus." Fällt einem hiebei unwillkürlich die Stelle in dem oben voll- inhaltlich mitgeteilten Neapolitaner Briefe Pettenkofens an Jettel ein, wo er von seinem „dem Künstler erlaubten und gebotenen Egoismus" spricht, so muß man sich anderseits hier auch des bereits erwähnten Falles erinnern, in welchem Petten- kofen ein von ihm gefundenes Motiv von einem Bekannten einfach weggenommen wurde.
Am drastischesten aber offenbart sich dieser künstlerische Egoismus Pettenkofens vielleicht in folgender Anekdote: Hofrat v. Schrötter fand Pettenkofen einmal ganz außer sich. „Denk' dir, was mir der Müller angetan hat! Ich selbst plag' mich jahrelang, um auf das Geheimnis der braunen Untermalung zu kommen. Endlich gelingt's mir. Ich bin so unvorsichtig und sag's dem Müller. Der aber hat nichts eiliger zu tun, als es allen seinen Schülern zu verraten. Heute weiß es schon die ganze Akademie." Schrötter, der zu Pettenkofens größtem Erstaunen Müllers Vor- gehen nicht so entsetzlich finden konnte, stellte folgende Frage an ihn: „Bist du am Ende auch der Meinung, daß ich, wäre ich so glücklich gewesen, ein Heil- mittel für die Lungenschwindsucht zu entdecken, nur allein damit kurieren, es niemand anderm mitteilen dürfte?" „Natürlich!" lautete Pettenkofens im Ton der vollsten Überzeugung gerufene Antwort. ^^)
An seine Modelle stellte Pettenkofen die denkbar höchsten Anforderungen. Mittelbar erfuhr der Autor von einem Herrn, der zufällig in Szolnok Zeuge der von ihm berichteten Szene war, daß Pettenkofen, der für ein Bild — es war viel- leicht der eben vorhin erwähnte „Hammeldieb" — einen eine Böschung herab- laufenden Zigeuner brauchte, sein Modell rücksichtslos immer wieder herunter- rennen ließ. Wie er selbst bei der Arbeit keine Ermüdung kannte, so setzte er eben auch bei seinen Helfern das Aufgebot all ihrer Kräfte als selbstverständlich voraus.
Gegen Lob, besonders wenn es zu dick aufgetragen wurde oder doch übertrieben herauskam, war Pettenkofen sehr empfindlich. Es verstimmte ihn aber auch, wenn sich jemand, auf dessen Urteil er etwas gab, angesichts einer neuen Arbeit allzu wortkarg verhielt. Wenn z. B. Franz Xaver Mayer also tat, so ließ Pettenkofen nicht ab, mit Fragen in ihn zu dringen, was ihm denn an dem Bilde mißfalle. Nannte dann Herr Mayer etwa eine Stelle, mit der er aus diesem oder jenem Grunde nicht ganz einverstanden wäre, so stimmte Pettenkofen dieser Meinung ohneweiters zu : ja, das habe er sich auch schon gedacht. Und dann konnte es
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geschehen, daß Herr Mayer, wenn er sich nach einiger Zeit bei Pettenkofen wieder nach dem Bilde erkundigte, die Auskunft erhielt: das existiert nicht mehr. Mit der Vernichtung von Arbeiten, an denen ihm irgend etwas nicht zusagte, war er überhaupt schnell bei der Hand. Von verschiedenen glaubwürdigen Seiten wird berichtet, daß er dieses oder jenes Werk zerrissen, zerbrochen, zerschnitten, zer- hackt, verbrannt habe. Die Herren Balthasar Krzisch und Maler Rudolf Konopa besitzen heute noch solche von Pettenkofen halb zerstörte und dann nicht weiter beachtete Arbeiten, die nachträglich von anderer Hand wieder zusammengesetzt worden sind.
Pettenkofens hier bereits oft und oft gerühmter Fleiß kommt nicht nur in den zahlreichen Arbeiten, die er geschaffen, sondern auch in den Übungen zum Aus- druck, die er noch als reifer Meister, ja sogar noch als alter Mann angestellt hat, um in seiner Kunst auf der Höhe zu bleiben. Die größte Mühe verwandte er auf die Zeichnung. Das Zeichnen, sagte er den Fräulein Marie und Berta Müller, ist die Hauptsache, das Malen kommt von selbst. Er tadelte es an ihnen, daß sie nicht immer und überall ein Skizzenbuch bei sich hätten, um alles zu zeichnen, was sich ihnen darböte. Und was er andern riet, befolgte er auch selbst. Maler Dome Skutezky erzählt, daß er Pettenkofen einmal in Venedig im Restaurant „Cittä di Firenze" traf, wie er zwischen zwei Gängen des Mittagsmahles seinen ihm gegenüber an der Wand hängenden Hut auf ein Briefkuvert zeichnete. Er sagte: „Sie können sich nicht vorstellen, wie schwer es ist, so einen runden steifen Hut richtig zu zeichnen, ihn so wiederzugeben, daß es der und kein anderer Hut ist. Schauen Sie nur her, diese Linie da bringe ich nicht zusammen. Ja, wenn ich jung wäre wie Sie, dann würde ich zeichnen lernen, — wie wollte ich da überhaupt lernen, lernen."^') Zu Sedelmeyer sagte Pettenkofen, ein Maler müsse so zeichnen können wie ein Virtuos spielen; zeichnen müsse die Hand von selber können. Cecil van Haanen bezeugt, daß Pettenkofen in Venedig nicht nur mit Pinsel und Feder nach Photographien von Bildern des Velasquez, sondern daß er auch nach Gipsen gezeichnet hat und zwar so, daß z. B. in einer Viertelstunde ein Arm fertig sein mußte. Franz Rüben teilt mit, daß Pettenkofen in Venedig nach Gips- abgüssen von ägyptischen Reliefs — es können nur die aus dem Grabe des Ti sein, von denen noch die Rede sein wird — gezeichnet hat. Maler Andreas Wildhack erinnert sich, daß Pettenkofen 1860 oder 1861 ein Semester hindurch an der Wiener Akademie den Aktkurs, den abwechselnd eine Woche Wurzinger, die andere Karl Mayer leitete, besucht hat. Pettenkofen war damals bereits ein anerkannter, namhafter Meister und erregte daher unter den jungen Leuten kein geringes Aufsehen. Daß Pettenkofen zusammen mit Ethofer am Aktkurs an der Akademie zu Neapel teilnahm, wurde bereits oben mitgeteilt, daß er es auch in Venedig tat, bezeugen van Haanen und Sedelmeyer. Ein Geschichtchen, das aber- mals Herr Maler Skutezky mitteilt, ^0 illustriert sowohl Pettenkofens Ansicht über das Zeichnen, als auch das Verhältnis, in dem er zu Ludwig Passini stand, der ihm als Maler wohl etwas zu glatt und süßlich gewesen sein wird. Passini zeigte Pettenkofen einmal ein Aquarell, das er soeben für den Fürsten Liechtenstein fertig gestellt hatte. Pettenkofen blieb stumm. Auf das Drängen Passinis, doch
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seine Meinung zu äußern, sagte er nichts als: „Ja, das Zeichnen ist halt schwer." Mit diesen Worten tat er Passini, der gerade auf sein Zeichnen besonders stolz war, sehr weh. Passini erwiderte gekränkt und gereizt: „Man macht eben, was man kann." Pettenkofen wiederholte : „Ja, ja. Zeichnen ist schwer" und gieng. Auf dem Heimweg kaufte er bei einem Gipsgießer einige Abgüsse von Teilen der Niobiden- gruppe und schickte sie Passini. — In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, daß nach Sedelmeyer Pettenkofen an den französischen Impressionisten vor allem die schwache Zeichnung rügte.
So viel von der hohen Bedeutung, die Pettenkofen dem Zeichnen beigemessen hat. Über das Malen im engeren Sinne des Wortes haben sich von ihm zwei Auf- zeichnungen erhalten. Die eine ist vom Jahre 1886 datiert und lautet: „Die Farben der Palette werden nach und nach gefunden, durch Beobachtung der Natur." Die zweite Notiz dürfte so ziemlich derselben Zeit wie die erste angehören und spinnt den in dieser angedeuteten Gedanken etwas weiter aus: „Über meine Methode in der Malerei. Die Farben meiner Palette wurden mir nach und nach gegeben durch das Bedürfnis da[r]nach in Vergleichung der Natur; die Harmonie dieser Palette kam zu einer bestimmten Vollendung und Selbständigkeit durch Bedürfnis darnach, welches Arbeit hervorgerufen. Der ganz umgekehrte Fall wird es sein, wenn man diese Palette einem in die Hand gibt, um daraus das Bedürfnis nach Harmonie erst zu finden." Dieser nicht sehr glücklich formulierte Ausspruch betont zwei Momente, ein objektives und ein subjektives. Das objektive ist eine möglichst treue Nachahmung der in der Natur gesehenen Farben mithilfe der in den Tuben bereits vorhandenen und der auf der Palette durch Mischung dieser erst zu er- zeugenden; das subjektive ist die sich im Laufe der Jahre bei der Arbeit allmählich herausbildende Bevorzugung gewisser Farbenharmonien in der Natur sowohl als auch auf den Bildern. Anders ausgedrückt, könnte diese Malvorschrift auch lauten: Naturalistisches Kolorit, gewählt und geläutert durch persönlichen Geschmack. Tatsächlich wäre „Natur Wahrheit und Geschmack" vielleicht die knappste Formel, auf die die Eigenart von Pettenkofens Farbengebung — vielleicht seiner ganzen Malerei — gebracht werden könnte.
Als charakteristisch für Pettenkofens Verhältnis zu den Farben mögen hier noch folgende drei Mitteilungen Platz finden: Die Damen Marie und Berta Müller er- zählen, daß sich Pettenkofen, als sie an der Wiener Akademie im Atelier ihres Bruders malten, jedesmal, wenn er guten Morgen wünschte, von ihnen durch den Türspalt ihre Paletten zeigen ließ und nach einem Blick auf diese ihnen voraus- sagte, ob es den Tag gut gehen werde oder nicht. — Fräulein Anna Wagner be- richtet, daß sich Pettenkofen geärgert habe, als sie ihm auf die Frage, was ihre Lieblingsfarbe sei, antwortete: Purpur. Er habe der Lavendelfarbe vor allen andern den Vorzug gegeben. Zu dieser Anekdote sei bemerkt, daß die Makart- Verehrung der Dame oft einen Streitpunkt zwischen ihr und Pettenkofen abgegeben hat. — Die Herren Ethofer und Sedelmeyer teilen übereinstimmend mit, daß Pettenkofen das größte Gewicht auf die „Valeurs" legte.
Wie jeder ordentliche und tüchtige Handwerker — ein Handwerker steckt be- kanntlich in jedem Künstler — hielt auch Pettenkofen viel auf gute Materialien
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und gutes Werkzeug. Daß er sich Farben, Pinsel und Leinwand durch Kratzer in Paris kaufen und von dort nach Wien schicken ließ, wurde schon gesagt. Auch Sedelmeyer hatte gelegentlich derlei für ihn zu besorgen. In dem diesem Buche beigegebenen „Verzeichnis der Werke" ist in all den Fällen, wo es sich hat fest- stellen lassen, die Herkunft der Malgründe angegeben. Eine ganz besondere Sorg- falt verwendete Pettenkofen auf die Auswahl der Rahmen für seine Bilder. Er stimmte nicht nur den Rahmen zum Bilde, sondern insoferne auch das Bild zum Rahmen, als er es erst darin fertig malte. Zu dem „Ungarischen Markt" im Besitz der Damen Müller hat er sich z. B. den Rahmen eigens aus Paris kommen lassen. Die Vergoldung mußte echt sein, und in der späteren Zeit hob er oft den Rahmen eines kleinen Bildes durch einen sorgfältig ausgewählten Peluchegrund.
Aus Pettenkofens Nachlaß haben sich verschiedene Rezepte zu Malmitteln und Grundierungen, eine Anweisung, Lein- oder Nußöl zu reinigen, und dergleichen erhalten. Auch die von ihm unseres Wissens niemals ausgeübten Techniken der Fresko- und der Temperamalerei interessierten ihn. Seine datierten Siccativexperi- mente wurden bereits angeführt. Fräulein Marie Müller berichtet, daß er auf Brettchen verschiedene Farbmischungen aufzustreichen und dazu das Datum zu schreiben pflegte, um auf diese Weise die Dauerhaftigkeit der Mischungen kennen zu lernen. Auch hat sich aus seinem Nachlaß in Glasflaschen und Papiersäcken eine ganze Menge von Rohfarben erhalten, wie er sie aufbewahrte, um sie dann eigenhändig für den Gebrauch zuzubereiten. Frau Leopoldine Mayer erzählt, daß er ihr oft untermalte Bilder brachte und sie bat, diese in ihren Glasschränken auf- zubewahren, aber ja niemandem zu zeigen. Nach langer Zeit, manchmal erst nach Jahren, nahm er die Bilder dann wieder zu sich und malte sie zu Ende. Er tat dies, um ihre Solidität zu erhöhen.
Diese letztere Mitteilung leitet bereits zu Pettenkofens Arbeitsweise hinüber. Von ihr, und zwar in einem weiteren Sinne als dem bloß technischen, soll nun ge- handelt werden.
Ähnlich wie Pettenkofen ein bereits angefangenes Bild stehen ließ und erst nach einer langen Pause wieder hervorsuchte, um es zu vollenden, konnte er auch ein Thema Jahre hindurch immer wieder von neuem anpacken. Das beste Beispiel hiefür ist der „Verwundetentransport", ein Vorwurf, den er bekanntlich 1849 zum ersten, 1869 zum letzten Mal behandelt hat. Aber nicht immer wurde wie in diesem Falle die Wiederaufnahme eines alten Themas zu einem neuen Bilde. Recht häufig unterscheidet sich die zweite Fassung eines Bildes von Pettenkofen nur recht wenig von der ursprünglichen, so daß jene bei oberflächlicherer Be- trachtung ganz leicht für eine eigenhändige Kopie dieser angesehen werden könnte. Hier darf wohl auch nochmals der Vorliebe Pettenkofens für gewisse Sujets wie das „Duell" und das „Rendezvous" gedacht und schließlich die merkwürdige Tat- sache verzeichnet werden, daß Pettenkofen, der geschworene Feind des Winters, niemals ein Schneebild gemalt hat. —
Pettenkofen hat nicht nur von der Natur, sondern auch von der Kunst, und zwar der gegenwärtigen und der vergangenen gelernt.
Seinen bereits weiter oben mitgeteilten Aussprüchen über seine Art, die Natur
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zu studieren, sei hier eine Bemerkung angereiht, zu der ihn anscheinend die Lek- türe von Humboldts „Reisen" veranlaßt hat. Sie lautet: „ — was im Angesicht der geschilderten Gegenstände niedergeschrieben ist, hat ein Gepräge von Wahrheit (ich möchte sagen : von Individualität), das auch den unbedeutendsten Dingen einen
gewissen Reiz gibt. — Je gewaltiger und großartiger die Natur , desto
strenger muß man bei Naturschilderungen an der Einfachheit festhalten, die das vornehmste, oft das einzige Verdienst eines ersten Entwurfes ist."
Zur Vermittlung bedient sich Pettenkofen beim Arbeiten nach der Natur späte- stens vom Jahre 1869 an, wie wir wissen, auch der Photographie. Außer durch die in diesem Jahre beim Szolnoker Photographen Chryastel bestellten Aufnahmen für zwei ungarische Bilder und die Photographie zum „Straßenkampf in einem venezianischen Gäßlein" wird diese Benützung des photographischen Apparates auch noch durch etliche Abzüge, die sich aus dem Nachlaß erhalten haben, belegt : Einer von diesen stellt ein auf dem Boden kauerndes nacktes halbwüchsiges Zigeunermädel, ein anderer einen an eine Mauer gelehnten Franziskanermönch dar; das sind zwei Themen, die von Pettenkofen tatsächlich in Bildern behandelt worden sind. Andere Naturaufnahmen geben italienische und ägyptische Typen (die Blätter mit diesen sind Pettenkofen wohl durch Müller verschafft worden), Fisch- und Geflügelstilleben, Brombeerranken und eine Malvengruppe (eine solche wollte Pettenkofen auf dem Bilde mit den beiden über eine Gartenplanke spähenden Mädchen verwenden), Akte, Tiere, Architektur und Landschaften wieder. Eine besondere Erwähnung verdient die Stereoskopaufnahme von Soldatenleichen, die auf einem Schlachtfeld zu einem Haufen zusammengeworfen sind. Damit hängt ein Zettel zusammen, auf dem ein Pariser Photograph Lewis notiert ist, bei dem „Stereoskopen-Bilder von Schlachtfeldern [in] Italien" erhältlich sind. Es ist nur selbstverständlich, daß Pettenkofen, der so viele Tote und Verwundete des öster- reichisch-ungarischen Feldzuges während der Jahre 1848-49 nach der Natur oder nach Erinnerungsbildern gezeichnet und gemalt, der, wie wir uns entsinnen, die größere Darstellung eines Schlachtfeldes geplant hatte, an einem solchen Hilfs- mittel, das der technische Fortschritt der Zeit dem Maler an die Hand gab, das höchste Interesse nahm.
Ein anderer Behelf beim Malen waren für Pettenkofen Kostümstücke, die er zu Zeiten eifrig sammelte. Die früheste Erwähnung von Kostümen in seinem Besitz findet sich auf dem schon zitierten Zettel, der vom 26. Dezember 1868 datiert und „Bilder und Studien im Versteck" überschrieben ist. Da ist notiert, daß für das zu vollendende Bild „Rauchendes Zigeunermädel" „auf die Reise mitzunehmen [seien:] Hemd, Kittel, roter Gürtel, weißes Leintuch, Pfeife etc.," für das Bild „Kavaliere, ihre Gegner zum Duell erwartend" „aus den betreffenden Kostümen ein Paket zum Absenden zu machen" sei und für das Bild „Der Vogelsteller", ein ungarisches Motiv, „die betreffenden Wäschestücke [gleichfalls] ins Paket" zu geben seien. Besonders viel mit Kostümen hat Pettenkofen im Jahre 1875 zu tun. Am 12. Februar kauft er sich in Rom, wahrscheinlich auf dem berühmten Trödel- markt vor der Cancelleria, ein Meßkleid aus violettem Samt, gelben Damast, weiße Seide mit Blumen, solche mit Silber, orangefarbene Seide, mit Gold gestickt, und
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roten Samt. Am 8. März ersteht er, ebenfalls in Rom, violette Seide, einen Mantel, ein Mieder und ein grünes Meßgewand. Am 15. April erwirbt er in Florenz grüne Seide mit Silber sticker ei und eine gelbe Pferdedecke, am 19. einen Sattel mit grünem Samt, Schuhe aus dem XVII. Jahrhundert, 1 m roten Flanell und 16 m weiße „Gallone" (d. i. eine Borte), am 23. roten Samt und rote und grüne Gallonen und am 25. in Bologna ein Paar Handschuhe, ein Paar kleinere, ein Paar größere weiße Schuhe, ein kleines Stück schwarzen Samt und gelben Samt mit violetten Zutaten. (Nach etlichen dieser Erwerbungen, mit dem Sattel als Hauptstück, hat Pettenkofen ein Stilleben aquarelliert.) Am 7. Mai wurden ihm nach Venedig aus Rom ein „rotes Seminar kleid" (die Robe eines „Gambero" ?) und ein Ziegenfell nachgeschickt. Am 8. April 1879 bezahlt er einem Schneider in München die An- fertigung eines Kostümmantels, am 19. Mai aber verkauft er ebenda für 500 Fr. „antike Stoffe" an Lenbach. Am 12. September 1887 kauft er in Bozen beim Anti- quitätenhändler Übersbacher einen alten Sattel, am 1. Oktober begleicht er, wieder in Bozen, bei seinem Freunde, dem Architekten Alexander Günther, die Rechnung für eine rote Pferdedecke, die dieser für ihn aus Florenz mitgebracht hat. Am 28. Fe- bruar 1889 verhandelt er mit den Costumiers der Wiener Hofoper Burghart und Hohenleitner und noch am 8. März, also wenige Tage vor seinem Tode, zahlt er Burghart für einen Rock und eine Weste aus Zwilch 22 fl. aus. Diese zwei Kostümstücke, von Pettenkofen noch für seinen „Venezianischen Straßenkampf" bestellt, gehören heute den Schwestern Müller, den Bozener Sattel und andere Kostümstücke aus Pettenkofens Nachlaß aber haben sie der Kostümsammlung der Wiener Akademie der bildenden Künste zum Geschenk gemacht.^')
Aber auch auf theoretischem Wege bemühte sich Pettenkofen der Natur näher- zukommen. Als reifer Mann wendete er nicht nur perspektivische Hilfskonstruk- tionen (für das „Rokoko-Rendezvous" und die „Venezianische Küche") an, sondern studierte er auch, wie viele noch erhaltene Zeichnungen bezeugen, fleißig die Ana- tomie des Menschen und des Pferdes.
Was aber die Kunst anlangt, so gieng Pettenkofen nicht nur bei der, wie wir schon wissen, von ihm immer besser gekannten und immer höher verehrten alten, sondern auch bei der seiner Zeit in die Schule. Er verstand es eben, immer und überall zu lernen. So haben sich aus seinem Nachlaß ganze Stöße ausgeschnittener Holzschnitte aus den Zeitschriften „Neue illustrierte Zeitung", „Le monde illustre", „The illustrated London News", „Harpner's New Monthly Magazine" und „Punch" erhalten. Pettenkofen sammelte diese Blätter, wie er gelegentlich zu den Schwestern Müller bemerkte, der Anregungen wegen, die von derlei Sachen ausgiengen und weiterwirkten. Es ist — wenn das hier eingeschaltet werden darf — interessant zu sehen, wie noch vor kurzem der heute fast schon ausgestorbene Hirnholz- schnitt diese wichtige Mittlerrolle von Langholzschnitt und Kupferstich in den An- fangszeiten der graphischen Künste gespielt hat. Heute sind, abgesehen von der Photographie selbst, die ja auch schon Pettenkofen ausgiebig benützt hat, und der seither neu hinzugekommenen Kinematographie, die photomechanischen Repro- duktionsverfahren, vor allem die beiden Arten der wohlfeilen Zinkätzung an die Stelle des Hirnholzschnittes getreten. — Pettenkofen, der, wie uns bekannt ist.
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selbst nicht ausstellte, war aber ein fleißiger Besucher von Gemäldeausstellungen. Nach den erhaltenen Resten zu urteilen, müssen seine Notiz- und Skizzenbücher voll gezeichneter und geschriebener Anmerkungen gewesen sein, zu denen ihn die Bilder der Zeitgenossen veranlaßten. In Photographien hat Pettenkofen begreif- licherweise nur die Bilder jener gleichzeitigen Maler besessen, mit denen er be- freundet war. Diese wurden fast alle schon vorher im Laufe der Darstellung erwähnt.
Kaum weniger als die Kunst der Gegenwart hat Pettenkofen die der Vergangenheit studiert. Äußerst interessant ist, daß er hiebei bereits hinter das klassische Alter- tum zurückgieng. Wir haben schon gehört, daß er in Venedig nach Gipsabgüssen ägyptische Reliefs gezeichnet hat. Es müssen dies die zwanzig Abgüsse nach Flachreliefs sein, die um das Jahr 3000 v. Chr. in die Felswände des von Mariette entdeckten Grabes des Ti zu Sakkara in Ägypten eingemeißelt worden sind. Pettenkofen hat sie, vielleicht durch Leopold Karl Müller für die ägyptische Kunst interessiert, am 19. April 1875 bei Casaglia in Florenz erworben. 1882 hat er sie dem Gipsmuseum der Wiener Akademie zum Geschenk gemacht. Sie sind mit den Inventarnummern 1345 — 1364 versehen, befinden sich aber nicht mehr alle im Museum der Akademie, sondern sind 1902 zum Teile (nämlich die Nummern 1345, 1348, 1354, 1356 und 1364) an das Gipsmuseum der Universität abgegeben worden. Sie stellen dar: den Fischfang, die Vogeljagd, Männer mit Eseln, Ochsen- treiber, ein in einer Schlinge gefangenes Kalb, Schafe, einen Hund, einen Affen, Gazellen, Ibisse, Geflügel im Schilfe, die Todtenklage, die Todtenbarke und das Opfer vor Osiris. Es sind ausgezeichnete Arbeiten, in den bloßen Umrissen von der höchsten Lebendigkeit. In Bezug auf sie versteht man die von Franz Ruhen über- lieferte Äußerung Pettenkofens, daß ihn jetzt nur mehr die Primitiven interessieren.
Mit besonderem Eifer aber hat Pettenkofen die Kunst des klassischen Altertums studiert und von ihr zu lernen getrachtet. Er hat nicht nur nach antiken Originalen (nach einem Dionysos-Torso im Louvre, nach einem etruskischen Spiegel usw.), sondern, wie wir wissen, auch nach deren Gipsabgüssen gezeichnet, und außerdem haben sich in seinem Nachlaß zahlreiche Photographien sowohl nach antiker Plastik, als auch nach antiker Architektur erhalten. Die Bronzestatuette des sogenannten Narciß im Neapler Museum hat Pettenkofen beispielsweise in nicht weniger als vier verschiedenen Aufnahmen besessen. Sehr merkwürdig ist eine schriftliche Aufzeich- nung Pettenkofens, die sich mit antiker Malerei befaßt. Es ist ein Exzerpt aus einer deutschen Übersetzung von Sir William Gells „Pompeiana", das folgendermaßen lautet: „Es ist auffallend, daß in manchen Fällen, wo sich nämlich ein Gemälde gut erhalten hat und aus einer gewissen Entfernung dem Auge sichtbar wird, ein Stil in Anwendung gebracht ist, [der,] wiewohl darauf berechnet, die Wand zu verzieren, doch bei einer größeren Annäherung keineswegs verständlich erscheint. [In einem Zimmer] . . . befindet sich ein Gemälde, welches, aus einer gewissen Entfernung gesehen, eine Stadt, ein Zelt und etwas einer Hochzeitsfeierlichkeit Ähnliches dar- stellt, allein es verwandelt sich, wenn man sich ihm nähert, in eine Zusammen- häufung von dem Anschein nach nichts bedeutenden Flecken, so daß es der Ge- schicklichkeit eines Künstlers spottete, der bemüht war, es in Entfernung von 3 bis 4 Fuß zu kopieren."^'') Pettenkofen war im Februar 1873 in Pompeji. Damals,
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wahrscheinlich einige Zeit nachher, muß er sich auch die eben mitgeteilte Stelle ausgeschrieben haben, die, an ein Wandbild des „Hauses des tragischen Dichters" zu Pompeji anknüpfend, vom impressionistischen Stil gewisser antiker Malereien handelt. Nun ist es sehr interessant und wohl mehr als ein bloßer Zufall, daß, wie wir uns erinnern, Pettenkofen 1874 in Venedig, wenn man so sagen darf, im- pressionistisch zu malen beginnt: auch die Pinselstriche auf kleinen Bildern dieses Jahres, wie z. B. dem „Eselsgespann" bei Eugen Miller v. Aichholz oder den „Ungarischen Ochsen wagen" im Wiener Hofmuseum, werden erst, aus einiger Entfernung betrachtet, verständlich. Nun wird ja Pettenkofen durch die ihm be- kannten impressionistischen antiken Malereien allein gewiß noch nicht zu seinem fernsichtigen Stil der siebziger Jahre angeregt worden sein, er kannte aber damals bereits die impressionistischen Bestrebungen Manets und seines Kreises, hatte sich selbst in seiner Malweise diesen bis zu einem gewissen Grade genähert, und im Zusammenhang damit mag die von ihm so hoch gehaltene Autorität des klassischen Altertums auf ihn schon einen mehr oder weniger bestimmenden Einfluß ausgeübt haben.
Im Zusammenhang mit diesem Interesse an der Kunst und dem bereits früher geschilderten an der Literatur des Altertums betrachtet, erscheinen auch Petten- kofens freundschaftliche Beziehungen zu Malern antiker Stoffe wie Geröme, Hamon und Alma Tadema in einem neuen Lichte.
Der Kunst des Mittelalters ist Pettenkofen anscheinend ferner gestanden, da- gegen scheint er für die des Quattrocento bereits etwas übrig gehabt zu haben. Wenigstens hat er nach Botticellis „Grablegung" in München gezeichnet und haben sich aus seinem Nachlaß Photographien nach Jan van Eyck, Memling, Man- tegna und Verrocchio erhalten. Ein besonders eindringliches Studium hat er, wahr- scheinlich während der achtziger Jahre, als innerhalb seiner eigenen Tätigkeit das Zeichnen mehr Raum zu beanspruchen anfieng, auf die Handzeichnungen der Meister hauptsächlich des XVI. Jahrhunderts verwendet: Lionardo, Michelangelo, Raffael, Andrea del Sarto, Annibale Carracci und von deutschen Malern Holbein d. j. finden sich in seiner Sammlung vertreten. Ferner haben sich aus seinem Nachlaß Photographien nach Bildern folgender Meister des XVI. Jahrhunderts er- halten: Andrea del Sarto, Perugino, Palma Vecchio (2 Stück), Tizian (6), Paris Bordone (2), Moreto, Morone, Correggio und Holbein d. j. (5). Sehr viel hat er nach allen möglichen Flächenkunstwerken des XVII. Jahrhunderts gezeichnet und zwar im Hinblick auf seine Illustrationen zum „Gil Blas". Außerdem ist dies die Zeit der von ihm besonders hochgestellten Maler Velasquez, nach dem er nicht weniger als 16 Photographien besaß. Van Dyck und Frans Hals. Er nannte aber auch Photographien nach Rembrandt und Rubens sein eigen. Nach einer Mitteilung von Fräulein Anna Wagner erklärte er das Bild „Der Maler in seinem Atelier" von Vermeer in der Galerie des Grafen Czernin für das beste Bild in Wien. Vier Radierungen Tiepolos und sieben Photographien nach Bildern Goyas zeigen, was Pettenkofen an späteren Epochen der Kunstentwicklung besonders geschätzt hat.
Es ist nur begreiflich, daß diese ebenso ausgebreitete wie eindringliche Beschäfti- gung mit der Kunst vergangener Zeiten bei Pettenkofen auch ein gewisses kunst-
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theoretisches Interesse gezeitigt hat. Speziell in kunstgeschichtlicher Hinsicht äußert es sich, abgesehen von dem, was darüber bereits gesagt worden ist, in folgendem: Er hat sich Notizen über die Wasserzeichen auf Handzeichnungen Lionardos, Michelangelos und Holbeins d. j. gemacht. Er hat sich des Plinius Lebensbeschrei- bungen der Künstler des Altertums ausgeschrieben. Er hat sich in deutscher Über- setzung die berühmte Stelle aus dem Vitruv notiert, die von den Proportionen des Menschen handelt. (Als Photographie war, nebenbei bemerkt, auch die Zeichnung Lionardos dazu, die sich in der Akademie von Venedig befindet, in seiner Samm- lung vorhanden.) Er hat sich, wie wir wissen, die Werke der namhaftesten Kunst- schriftsteller des XVI. und XVII. Jahrhunderts verzeichnet. Er hat endlich, und das ist das Interessanteste, den Vorsatz gefaßt, selbst über die Malerei seiner Zeit zu schreiben, was durch folgende Aufzeichnung zu belegen ist: „Kritik der Malerei meiner Zeit. Wenn ich bedenke, wie viele nützliche und wissenswerte Nachrichten über die Maler uns aus allen Zeiten dadurch verloren gegangen sind, daß hierin wohlunterrichtete Männer entweder nicht schreiben konnten oder wollten, fühle ich mich zu dem Versuch ermutigt, eine Darstellung der Malerei und der auf sie Einfluß übenden Zustände während der Zeit meines Lebens zu
geben. Indem ich mich an die Überzeugung halte, daß der Wert dieser
Blätter in der klaren Anschauung und Wahrheit liegt, wird es mir leicht, meine Bedenken zu beschwichtigen, daß ich der Interesse erregenden Schreibart ja un- kundig sei und [es] sogar unterlasse, meine Unternehmung in schön gesetzter Rede
in üblicher Weise zu entschuldigen. Wer über die Kunst seiner Zeit schreibt,
schreibt ja nur für wenige Menschen, aber sicherlich für alle Zeiten, denn er reiht damit nur ein Glied an die große Kette der Tradition, die so lange fortlaufen wird, wie die intellektuellen Bestrebungen der Menschen. Wenn ich der Künstler und Kunstfreunde, der Kunsthändler und aller derjenigen Erwähnung tue, welche zum Apparat der Malerei meiner Zeit gehören, geschieht dies nur so weit, als es zur Vervollständigung der Darstellung notwendig ist." Natürlich ist diese unper- sönliche und inhaltsarme Einleitungsformel nur ein dürftiger Ersatz für die geplante, aber wie so manche andere Arbeit Pettenkofens nicht zustande gekommene Schrift, die sicherlich äußerst lehrreich geworden wäre.
Daß sich Pettenkofen auch mit der Ästhetik beschäftigt hat, kann nach der Dar- legung seiner übrigen, wie wir gesehen haben, höchst mannigfaltigen kunsttheo- retischen Interessen nicht Wunder nehmen. Seine Beschäftigung mit der Äs- thetik ist mit zwei Notizen zu belegen. Die eine lautet: „Nach meiner Auffassung ist Ästhetik das veredelte Denken, Empfinden, Sehen und Schaffen. Das dürfte nach meinem Begriff die , Ästhetik' des Künstlers umwerfen." Die andere Auf- zeichnung hält einen Satz fest, der „die Welt der Anschauung im weitesten Sinn des Wortes" als das der Ästhetik eigentümliche Gebiet hinstellt. Dieser Ausspruch ist dem Aufsatz „Über einige Prinzipienfehler der modernen Ästhetik von Dr. Max Schasler" in der Halleschen „Zeitschrift für Philosophie" entnommen.
Aufschlußreicher als diese etwas blutleeren allgemeinen Sätze sind ein paar viel persönlicher gefärbte Aussprüche Pettenkofens, in denen eine Art praktischer Äs- thetik zum Ausdruck kommt. Zu Fräulein Anna Wagner sagte er: „Ich war immer
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ein Dichter" und „Das Höchste in der Kunst ist die Anmut." Was er natürlich mit diesen beiden Sätzen, namentlich mit dem ersteren gemeint hat, ist umso schwerer festzustellen, als die Überlieferung völlig zusammenhanglos ist, denken läßt sich dabei natürlich allerhand. Verständlicher sind zwei von Professor Robert Ruß mitgeteilte Äußerungen: „Jedes Bild muß etwas Zuckendes haben" und „Der Fleiß ist beim Malen die Hauptsache, aber es muß dabei ein Moment kommen, in dem der Künstler den Fleiß totschlägt."
Für eine richtige Beurteilung von Pettenkofens Verhältnis zur Akademie ist es nötig, seinem schon zitierten Ausspruch : „Der akademische Unterricht ist der Ruin aller Kunst" nicht nur seinen Jugendwunsch, Professor an der Akademie zu werden, und seine durch Professor Ruß verbürgte Äußerung, es habe eine Zeit gegeben, in der er gerne Rektor der Akademie geworden wäre, sondern vor allem die eben mitgeteilten Tatsachen entgegenzuhalten, daß er als alter Mann eifrig nach der Antike, nach dem Gips gezeichnet, daß er mit dem gleichen Fleiß Anatomie, Perspektive, Kostümkunde und Kunstgeschichte getrieben hat, — alles Gegenstände des akademischen Unterrichtes, den er einmal so sehr verpönt hatte!
Urteile Pettenkofens über zeitgenössische Künstler sind leider nur in geringer Anzahl auf uns gekommen. Die bereits mitgeteilten seien hier noch um ein paar Beispiele vermehrt, die immerhin auf Pettenkofens Beziehungen zur Kunst seiner Zeit charakteristische Schlaglichter werfen.
Sehr große Stücke hielt er von Menzel. Ihm gilt sogar eine der auf die schon so oft angeführten Zettel des Nachlasses geschriebenen Notizen: „Im Besten und Guten, was Menzel macht, liegt immer noch Anregung; und es ist vieles von ihm zu lernen, sei es durch Nachahmung oder — Vermeidung." Auf demselben Zettel stehen noch die Worte: „Vergleichung seiner Malerei mit Auffassung und Zeich- nung." Wie interessant wäre es, wenn diese Worte für uns nicht bloß ein Titel geblieben wären! — Pettenkofen schätzte aber auch Meissonier sehr hoch. Franz Rüben war einmal Zeuge, wie Lenbach zu oder vor Pettenkofen äußerte, bei Meissonier sei alles Garderobe. Da soll Pettenkofen Meissonier aufs nachdrück- lichste und lebhafteste verteidigt haben. — Unter den Malern der Heimat stellte Pettenkofen, wie wir schon wissen, seinen Freund Müller am höchsten. Als Müller einmal vor Pettenkofen als Früchte seines letzten Aufenthaltes in Cairo lebens- große Brustbilder, Halbfiguren und Kniestücke ägyptischer Modelle auspackte, da soll Pettenkofen angesichts dieser Arbeiten — so berichten die Schwestern Müllers — ganz hingerissen gewesen sein und mit Tränen in den Augen ausge- rufen haben: „Leo, vor dir muß man sich ja niederknieen." — Auf Makart war er, wie wir schon gehört haben, nicht gut zu sprechen, wenn er dessen Genie auch anerkannte. Wie Professor Ruß berichtet, nannte er Makarts Malerei ge- legentlich „Tapeziererkunst", und nach einer Mitteilung von Fräulein Anna Wagner war ihm Wilhelm Lausers Nekrolog,^') der in der Behauptung gipfelt, Makart sei, was die Freunde längst geahnt hätten und nunmehr die Psychiatrie bestätigt habe, schon seit Jahren nicht mehr ganz zurechnungsfähig gewesen, aus der Seele ge- schrieben. — Mehr Zeugnisse seines kaustischen Witzes als seiner tatsächlichen Meinung über die beiden Künstler sind folgende Aussprüche Pettenkofens: Vor
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Canons Deckengemälde „Der Kreislauf des Lebens" im Naturhistorischen Hof- museum soll er bloß gesagt haben: „Ich habe selten eine so große Leinwand ge- sehen",^") und gefragt, wie er ein Bild von Schönn finde, sagte er: „Es steht ja drauf" — (nämlich: schön, — ein Wort, das, nebenbei bemerkt, im Munde Petten- kofens einem vernichtenden Urteil gleichkam)^').
War bisher davon die Rede, wie Pettenkofen zur Kunst und zu den Künstlern seiner Zeit stand, was er der Kunst der Vergangenheit verdankte und wie er seine Künstlerschaft auffaßte und ausübte, so soll zum Schluß auch noch darüber ge- sprochen werden, wie er sie verwertet hat — ist doch dieses Umsetzen der eigenen künstlerischen Leistungen in das, was man zum Leben braucht, und was einem das Leben verbessert und verschönt, für den Menschen und für den Künstler gleich charakteristisch.
Mit Pettenkofens ganzem vornehmen und zurückhaltenden Wesen stehen sein Widerwille gegen jede Art von Reklame und sein Unvermögen, sich irgendwie selbst in Szene zu setzen, in vollem Einklang. Wie wir wissen, hielt er sich während seines ganzen Lebens von Ausstellungen fern, eine so unüberwindliche Scheu hatte er sogar vor dieser anständigsten Form, sich selbst auf den Markt zu bringen und da einem kauflustigen Publikum anzubieten. Nun mußte er aber doch von seiner Hände Arbeit leben, und da ist es merkwürdig und für ihn be- zeichnend genug, wie er sich in den verschiedenen Zeiten seines Lebens anstellte, seine Werke an den Mann zu bringen. Als Lithograph erhielt er Aufträge von Verlegern. Als Maler arbeitete er die längste Zeit fast ausschließlich für Plach, der es so einzurichten verstand, daß Pettenkofen immer — wie wir wissen: bis zum Tode — in seiner Schuld stand und diese Schuld „abzumalen" hatte. Gsell war ein Jahrzehnt hindurch ein Abnehmer, auf den Pettenkofen zählen konnte. Vom Tode Gsells an verkauft er seine Arbeiten fast nur mehr an Freunde und Bekannte, häufig wurde mit diesen vereinbart, daß ihm im Falle des Weiterver- kaufes ein bestimmter Gewinstanteil zufallen sollte. Mit Kunsthändlern hatte er in der letzten Periode so gut wie nichts mehr zu tun, — mit Sedelmeyer war er befreundet, es ist eigentlich der einzige Heinrich Neumann in München, mit dem er sich in ein Geschäft eingelassen hat. Daß er bei dieser Art, seine Werke zu verwerten, nicht sehr gut hat fahren können, liegt auf der Hand. Er hätte noch weniger verdient, hätten seine Bilder nicht, ganz unabhängig von ihm, auf Auk- tionen hohe Preise erzielt, die immerhin auch seine Käufer, ob sie nun wollten oder nicht, ein bißchen berücksichtigen mußten.
Im „Verzeichnis der Werke" sind deren Preise, so weit sie sich haben er- mitteln lassen, angegeben. Im folgenden seien ein paar Stichproben dieser von Pettenkofens Bildern auf dem Kunstmarkt erzielten Summen mitgeteilt. Zuerst sei einer der seltenen Fälle vorgebracht, in denen sich verfolgen läßt, wie sich der Preis von dem Tag an, da der Künstler das Bild aus der Hand gab, bis in die Gegenwart herauf gewandelt hat.
Am 1. Juni 1864 verkauft Pettenkofen um ungefähr 700 fl. (mit zwei anderen Gemälden zusammen um 2000 fl.) das Bild „Der Kuß". Am 31. Juli desselben Jahres verkauft er ein anderes Bild des nämlichen Gegenstandes, wieder an Gsell
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und um den gleichen Preis von 700 fl. Am selben Tag verkauft er Gsell außer- dem noch eine Studie zum „Kuß" für den Preis von 150 fl. Auf der Auktion von Gsells Nachlaß am 14. März 1872 kommt nur ein als Studie bezeichneter „Kuß" vor, der um 3350 fl. von einem gewissen Horny erstanden wird. Die beiden Bilder hatte Gsell schon früher abgegeben, eines davon war am 18. Dezember 1868 vom Wiener Kunsthändler P. Käser um 1725 fl. an die Galerie des Belvedere ver- kauft worden. Es ist das in diesem Buche reproduzierte Exemplar des Kunst- historischen Hofmuseums. Am 4. Dezember 1871 hatte derselbe Käser das zweite Bild um 1852 fl. von der Wiener Firma Miethke & Wawra erworben. Er scheint es an A. Dreyfus in Paris verkauft zu haben. Auf der von G. Petit geleiteten Vente Dreyfus am 29. Mai 1889, also etliche Wochen nach Pettenkofens Tod, wurde nämlich ein Exemplar des „Kusses" um 12.000 frcs. versteigert, anscheinend an P. C. Hanford aus Chicago. Dieser verkaufte es 1902 in New York um 625 Pfund (= 7500 fl.) an Knoedler & Co. G. Petit scheint sich nachher aber auch in den Besitz der Studie gesetzt zu haben, die Pettenkofen 1864 um 150 fl. an Gsell verkauft und Horny 1872 um 3350 fl. auf der Auktion Gsell erstanden hatte. Denn er verkauft einen „Kuß" am 15. November 1906 um 244 Pfund, das sind 2928 fl.
Im allgemeinen läßt sich über die Preise von Pettenkofens Bildern folgendes sagen: Er selbst erhält lange Zeit sehr niedrige Preise, sicher war dies noch während der fünfziger Jahre der Fall, einer Zeit, aus der aber gerade eine Reihe von Bildern stammt, die später am teuersten bezahlt werden sollten: z. B. das „Russische Bivouac", der „Verwundetentransport", die „Ungarischen Freiwilligen". In Pettenkofens ältestem Bilderverzeichnis, das die Jahre 1857 bis 1862 umfaßt, kommen nur zwei Bilder vor, für deren jedes er über 1000 fl. bekommt: das Ölbild „Puszta mit Zelten und Zigeunergruppe", das er am 29. Mai 1858 einem nichtge- nannten Käufer um 1300 fl. verkauft, und das Ölgemälde „Der Kaiser bei der Donau- überschwemmung", für das er am 7. Mai 1862 von Herrn Wimmer, dem Besteller des Bildes, 1400 fl. gezahlt erhält. Alle andern Zahlen sind nur dreistellig. Vom Beginn der sechziger Jahre an tritt Gsell als Mäcen auf, der — anfangs wenig- stens — freilich auch noch sehr billig kauft. Immerhin soll Gsell, wie Herr Sedelmeyer mitteilt, in Wien der erste gewesen sein, der für ein Bild von Pettenkofen einen höheren Preis bezahlt hat, freilich nicht an den Künstler selbst, sondern an Plach. Gsell soll nämlich für einen „Ungarischen Markt" (den sogenannten „Großen un- garischen Markt", Nr. 310 des Kataloges der Versteigerung von Gsells Nachlaß?) 1000 fl. gegeben haben. Das wurde damals noch als etwas so Außergewöhnliches empfunden, daß ein gewisser Baron Schloißnigg in Gegenwart Gsells ausrief: „Welcher Esel hat denn das bezahlt?" Trotz dieser wenig schmeichelhaften Titu- latur bekannte sich Gsell, stolz auf seine Kunstkennerschaft und sein Mäcenaten- tum, als Käufer. Vor allem durch die Auktion von Gsells Nachlaß stiegen die Preise auch für Pettenkofen selbst. 1874, also zwei Jahre nach dieser Versteige- rung, erhielt er für so kleine Bilder wie die „Sich schneuzende alte Venezianerin" und die „Lesende alte Venezianerin" von Eugen Miller v. Aichholz 2000 und 2500 fl. Der höchste Preis aber, den er selbst für ein Bild einnahm, waren 5000 fl..
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die ihm der Münchner Kunsthändler Heinrich Neumann für die „Venezianische Küche" bezahlte, — und das war erst am 26. Februar 1888, also ein Jahr vor seinem Tode! Noch bei seinen Lebzeiten aber hatten Bilder von ihm ganz andere Summen ein- gebracht, z. B. auf der Auktion Gsell der „Große ungarische Markt" 18.000 fl., im selben Jahre 1872 die „Ungarischen Freiwilligen" 16.350 fl., 1883 der „Verwundeten- transport" vom Jahre 1853 11.150 fl., 1887 das Pastell „Pferde der Duellanten" 30.000 frcs. Außerdem läßt sich noch sagen, daß die Preise bis auf den heutigen Tag fest bleiben, ja sogar steigen. So wurde der oben genannte „Verwundeten- transport" 1904 um 16.000 fl. verkauft, das „Russische Lager", das 1871 1110 fl. eingetragen hatte, gieng 1906 auf 18.500 K und für den „Flußübergang", für den 1884 13.000 frcs. gegeben worden waren, wurden 1912 30.000 K gezahlt.
Sind aber auch die Preise, die die Werke eines Künstlers erzielen, vielleicht der deutlichste Ausdruck der Wertschätzung, die er findet, so sind sie doch weder das einzige, noch auch das sicherste Kennzeichen der Wirkung, die er auf Zeitgenossen und Nachwelt ausübt. Die Ehrungen, die er nicht so sehr von Staaten, als viel- mehr von Künstlervereinigungen erfährt, für sich allein genommen natürlich auch noch kein untrügliches Beweismittel, sagen da schon etwas mehr. Und hier sei daran erinnert, daß Pettenkofen das erste Mal schon sehr früh und zwar im Aus- land, auf eine solche Weise ausgezeichnet wurde, nämlich 1857 durch die „Konink- lyke Akademie van Beeidende Künsten te Amsterdam", die ihn zu ihrem Mitglied ernannte. Von allen übrigen bereits angeführten derartigen Ehrungen sei hier nur nochmals die letzte, die ihm bei Lebzeiten widerfahren ist, der Professortitel, er- wähnt, den ihm 1880 die Wiener Akademie verliehen hat.
Überdies äußert sich die von einem Künstler ausgehende Wirkung auch noch in den Urteilen, die die sogenannten Kunstverständigen über ihn fällen. Bei Pettenkofen ist da zu sagen, daß bereits im Jahre 1861 ein so berufener Kritiker wie Eitelberger ihn unter den ersten Malern Österreichs anführt.^")
Ganz anders, vor allem nicht reflektiert, sondern unmittelbar ist der Einfluß, den ein Künstler auf seinesgleichen ausübt. Schulbildend hat Pettenkofen nun wohl nicht gewirkt, doch darf der Same, den von ihm die ungarische Malerei empfangen und der, wie bereits geschildert wurde, so eigenartige und reiche Frucht gezeitigt hat, nicht unterschätzt werden. Einen Schüler im eigentlichen Sinne des Wortes hat Pettenkofen niemals gehabt. Denn nicht einmal der jüngere Raffalt kann als solcher gelten. Pettenkofen war aber noch sehr jung, als er andere bereits beein- flußte, , als andere bereits ihm nahezukommen trachteten. Es sei nur an Zampis erinnert. Ausgiebig und nachhaltig gelernt haben viele von Pettenkofen. Außer Johann Gualbert Raffalt sind da wohl Müller und Jettel an erster Stelle zu nennen. Aber auch auf manchen anderen, der ihm ferner stand, der vielleicht nicht einmal mit ihm persönlich bekannt war, hat Pettenkofen eingewirkt. Sedelmeyer weiß zu berichten, daß sein Schwiegersohn Brozik, der Historienmaler, den man doch sonst gewiß nicht mit Pettenkofen in künstlerischen Zusammenhang bringen würde, unter dessen Einfluß farbiger wurde. Hevesi spricht von einer Epoche Rudolf Alts, in der diesen Pettenkofens Sonnigkeit in Bann geschlagen haben soll. Deutlich zeigen sich z. B. die Wiener Maler Schrödl und Rumpier von Pettenkofen beeinflußt.
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Franz Rumpier, als Künstler und als Lehrer gleich ausgezeichnet, darf wohl als der berufenste Verwalter von Pettenkofens künstlerischem Erbe angesprochen werden. Durch ihn aber haben wieder seine zahlreichen Schüler — er ist seit dem Jahre 1885 Professor an der Wiener Akademie der bildenden Künste — in Petten- kofens Geiste die Natur sehen gelernt. So wirkt, was Pettenkofen geschaffen hat, wenigstens bei vielen Wiener Landschafts- und Genremalern noch in der Gegenwart lebendig nach.
Von den Anregungen Pettenkofens aber, die auf fruchtbares Erdreich gefallen sind und Früchte getragen haben, sind die ausgesprochenen Nachahmungen zu unterscheiden, die ihm wenig Freude bereitet haben werden. Solche haben sich von Benza, Kratzer und Pettenkofens Bruder Ferdinand erhalten. Sie ragen alle künstlerisch wenig hervor, die meisten sind geradezu schlecht. Die Bilder von Pettenkofens Bruder scheinen zu unliebsamen Verwechslungen geführt zu haben. Diejenigen, welche der Autor zu Gesicht bekommen hat, sind, gewiß infolge eines von August Pettenkofen ausgeübten Zwanges, mit „Fernand" oder einem ähnlichen Pseudonym signiert.")
Diese Arbeiten sind schon bedenklich den Fälschungen verwandt, in denen schließlich gleichfalls die Beliebtheit und die Bedeutung eines Künstlers zum Aus- druck kommt. Pettenkofen wird seit den siebziger Jahren und bis auf den heutigen Tag gefälscht. Er ist zweifelsohne einer der am häufigsten gefälschten Wiener Maler. Es werden z. B. nicht nur Klecksereien Kratzers, denen allerdings bisweilen Untermalungen Pettenkofens zugrunde Hegen, für Werke Pettenkofens ausgegeben, sondern es tauchen auch Bilder im Handel auf, die eigens zu dem Zwecke ge- macht sind, echte vorzutäuschen, und nicht selten von sehr geschickten Händen herrühren. Der bereits mitgeteilte Umstand, daß sich Pettenkofen häufig selbst wiederholt hat, erleichtert natürlich dem Fälscher sein Tun, sollte aber auch den Sammler zu doppelter Vorsicht mahnen. Für Pettenkofens Popularität charakteri- stisch ist eine Gruppe besonders tiefstehender Fälschungen, Ölbilder, wie sie in einer minderen Rahmenhandlung zu kaufen sind und die mit Pettenkofen nichts als das ungarische Sujet und die großgeschriebene Signatur gemeinsam haben. —
Was einen Menschen am deutlichsten und am dauerhaftesten überlebt, sind seine Taten. Die Taten eines Malers aber sind seine Bilder. Der Geschichtschreiber, der es übernommen hat, das Schaffen und die Bedeutung eines Malers darzustellen, hat daher vor allem dessen Werke zu sammeln, zu studieren und kritisch zu sichten, denn erst auf dieser Grundlage kann er den Werdegang des Künstlers rekonstruieren und ihm einen Platz in der Entwicklungsreihe seiner Zeit anweisen. Je weiter aber der Ruhm des Künstlers leuchtet und je zahlreichere Werke er hinterlassen hat, desto mehr werden sie in alle Welt verstreut sein, und desto schwieriger wird sich für den Historiker die eben umrissene Aufgabe gestalten.
Noch schwieriger aber wird es ohne Zweifel sein, denselben Künstler dem Leser auch als Menschen, losgelöst von seinen Werken, nahezubringen. Denn im ersten Falle steht dem Autor, sollte er auch schriftstellerisch versagen, das gar nicht hoch genug zu veranschlagende Hilfsmittel der Abbildung zu Gebote, die, läßt auch ihre
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Originaltreue mehr oder weniger zu wünschen übrig, dennoch sogar demjenigen, welcher etwa keine einzige Arbeit des Künstlers kennen sollte, dessen Lebenswerk auf eine Weise vor Augen führt, wie es das Wort allein nie und nimmer zu tun imstgmde wäre. Von so starker Sinnfälligkeit ist diese Wirkung der bildlichen Wiedergabe, daß hinter sie die eigentliche wissenschaftliche Leistung des Verfassers, wie sie oben zu kennzeichnen . versucht wurde, beinahe zurücktritt.
Ein Behelf von ähnlichem Werte, wie für die Schilderung des Künstlers die Reproduktion, ist, sieht man von den selteneren Formen der Autobiographie und des Tagebuches ab, für die Schilderung des Menschen der Brief. Es sei beispiels- weise nur an den großen Anteil erinnert, den an der Kenntnis von Schwinds und Feuerbachs Menschentum der beiden Briefe beanspruchen dürfen.
Wenn aber wie im Falle Pettenkofens verhältnismäßig nur wenige Briefe er- halten sind und sich diese wenigen gerade nicht durch die Fülle ihres Inhalts aus- zeichnen, so muß selbstverständlich Notizen des Künstlers selbst und anderer Per- sonen Mitteilungen über ihn, wie sie in diesem Kapitel als Grundlage und Ausgangs- punkt für die Charakteristik des Menschen benützt worden sind, eine erhöhte Be- deutung zuerkannt werden. Doch ist natürlich nicht zu vergessen, daß das solcher- maßen zustandegekommene musivische Bild schlechterdings nicht vollständig sein kann und wahrscheinlich in hauptsächlichen Partien zu skizzenhaft und in belang- loseren wieder zu sehr ausgeführt erscheinen wird. Der Autor des vorliegenden Buches hielte sein Ziel annäherungsweise für erreicht, dürfte er sich der Gewißheit freuen, daß sich in seiner Darstellung Pettenkofens Persönlichkeit neben seinen Bildern nicht zum bloßen Schemen verflüchtigt.
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ANMERKUNGEN.
ERSTES KAPITEL: WIEN 1822—1852.
1) Schimmer, Häuserchronik. Wien 1849. S. 67.
2) Totenrotel im Wiener Rathaus.
ä) Handschriftliches Tagebuch Perths im Besitze des Herrn Hof- und Gerichtsadvokaten Max Freiherm v. Mayr in Wien.
Mathias Franz Perth war, wie Alois Trost gütigst mitteilt, Beamter im k. k. Obersthof- und Landjägermeisteramt, wurde am 1. Februar 1788 geboren und starb am 17. Februar 1856.
Das Journal Perths ist es, aus dem Julius Leisching in seinem hübsch illustrierten Büchlein »Aus dem Tagebuche eines alten Wieners« (2. Aufl., Wien 1907) einen Auszug veröffentlicht hat, der zwar von der schriftstellerischen Gewandtheit des Herausgebers, keinesfalls aber von histo- rischem Sinne zeugt.
Der musikalischen Soireen bei Pettenkofens Vater hat auch bereits Richard Heuberger in seiner Monographie über Franz Schubert gedacht (Bd. XIV der von Heinrich Reimann herausgegebenen »Berühmten Musiker«, Berlin 1902, S. 32, Anm. 60 und 61 auf S. 102).
Perth führt solche musikalische Abendunterhaltungen bei Anton Pettenkoffer an: am 18. Mai 1819 (Bd. XXXII, S. 111, 112), am 2., 16. und 30. Dezember 1819 (Bd. XXXII, S. 265, 270 und 274), am 13. und 27. Jänner 1820 (Bd. XXXII, S. 291 und 302), am 17. Februar 1820 (Bd. XXXII, S. 317), am 2., 16. und 29. März 1820 (Bd. XXXIII, S. 8, 18 und 28), am 12. April 1820 (Bd. XXXIII, S. 37), am 19. Oktober 1820 (Bd. XXXIII, S. 210), am 2., 16. und 30. November 1820 (Bd. XXXIII, S. 230, 244 und 254), am 14. und 28. Dezember 1820 (Bd. XXXIII, S. 266 und 273), am 11. und 25. Jänner 1821 (Bd. XXXIII, S. 291 und 307), am 8. und 22. Februar 1821 (Bd. XXXIV, S. 7 und 21), am 8. und 22. März 1821 (Bd. XXXIV, S. 41 und 59). —
Seit der hier in Betracht kommende Teil des Textes gedruckt ist, haben dem Verfasser zwei Nichten Pettenkofens, die Fräulein Klotilde und Emilie Mayer (vgl. über sie und ihre verwandt- schaftlichen Beziehungen zu dem Künstler die Anmerkung 1 zum VII. Kapitel) folgende freundliche Mitteilungen gemacht, die die betreffenden Stellen des Textes ergänzen und berichtigen: Petten- kofens Vater war ungemein musikalisch. Er spielte mehrere Instrumente und besaß auch eine kost- bare Sammlung von Instrumenten. Seine musikalische Begabung vererbte sich (was hier wohl eingeschaltet werden darf) auf seinen Sohn Ferdinand, bei dem sie auf merkwürdige Weise zutage trat. Er lernte nämlich noch als alter Mann Klavier spielen und brachte es darin zu hoher Vollendung. Er ließ sich aber höchst selten vor jemandem hören und spielte gewöhnlich so, daß der Klang durch Tücher, die er über die Saiten gebreitet hatte, gedämpft war. — Pettenkofens Vater veranstaltete jene musikalischen Soireen, von denen Perth erzählt, nicht als Unternehmer, der damit Geld ver- dienen wollte, sondern als generöser Amateur und Gastgeber.
Der alte Pettenkofen soll, wie ebenfalls die Schwestern Mayer gütigst mitteilen, adelig gewesen sein, aber seinen Adelsbrief verloren haben. Das soll der Grund gewesen sein, warum sich später der Maler als Besitzer des Ordens der eisernen Krone um die Erhebung in den Adelsstand be- worben hat.
*) Mitteilung der Spitalsflickerin Leopoldine v. Nespern, die Ende 1906 oder Anfang 1907 im größten Elend in Wien starb. Sie war eine Tochter der Frau von Pettenkofens Onkel mütterlicherseits
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Ferdinand Edelm v. Nespern, der am 13. November 1841 aus dem Leben schied. Seine Witwe Amalie, eine geborene Mayerhofer, genas 1849 in Floridsdorf jener Tochter, die sie 1869 oder 1870 in Klosterneuburg adoptierte (Aufzeichnungen Pettenkofens im Notizbuch 7).
Von dieser seiner Tante Amalie soll Pettenkofen ein Porträt gemalt und auch signiert haben. Auch die Schwester dieser Tante soll er porträtiert haben.
Ob das »Gut in Ungarn« nicht auf einer Verwechslung mit der gleich zu erwähnenden Be- sitzung in Kärnten beruht, muß dahingestellt bleiben.
Die Aussagen der Leopoldine v. Nespern wurden dem Verfasser gütigst durch Fräulein Elsa Pistl vermittelt. —
Des alten Pettenkofen Glück im Spiele und seine Leidenschaft, über seine Verhältnisse hinaus ein großes Haus zu führen, werden durch die Damen Klotilde und Emilie Mayer bestätigt. Eine Zigeunerin soll ihm einmal prophezeit haben, daß er drei Haupttreffer machen werde, und wirklich machte er drei Treffer, den dritten aber, der nur 6000 fl. betrug, ließ er als Haupttreffer nicht gelten. Das Geld soll er nicht nur mit Reisen, sondern hauptsächlich mit seinen Gastereien durchgebracht haben.
6) Das anonyme Pastellgemälde, ein lebensgroßes Brustbild, befindet sich dermalen im Besitze der Kindergarten-Vorsteherin Frau Raphaele Feichtinger. Nach der Angabe ihrer Tochter, Frl. Eugenie, ward es von ihr für eine Schuld von ihrer Großtante, der Mutter Ferdinand V. Saars, der Schwägerin des Dargestellten und Tante Pettenkofens, übernommen. 1897 war (was dem Autor leider erst, nachdem die betreffende Partie des Textes schon gedruckt war, durch Frl. Feichtinger bekannt wurde) das Bild als Nr. 183 auf der Schubert-Ausstellung der Stadt Wien ausgestellt. Das im Katalog mitgeteilte Todesdatum Anton Pettenkoffers (nicht: V. Pettenkofers) 9. August 1828 ist unrichtig; auf Grund der Todeseintragung im Archiv der Stadt Wien starb er erst am 14. Mai 1834. Dagegen ist vermutlich die ganze im Katalog mitgeteilte Geburtsangabe richtig, weil nach der »Sperrs-Relation« im k. k. landesgerichtlichen Archiv, wo das Lebensalter des Verstorbenen mit 46 Jahren angegeben ist, das Geburtsjahr stimmt. Diese Geburtsangabe sei daher hier nachgetragen: Szöny, 2. Mai 1788. Szöny ist wohl gleich 0-Szöny, das ist ein Ort ganz in der Nähe und südöstlich von Komorn. Daß Pettenkofens, des Malers so vieler ungarischer Bilder, Vater ein gebürtiger Ungar war, ist natürlich von einer gewissen Be- deutung. — Das Bild ist jetzt reproduziert in dem Buche von Otto Erich Deutsch: Franz Schubert. Die Dokumente seines Lebens und Schaffens. III. Bd. Sein Leben in Bildern. 2. Aufl. München und Leipzig. 1913. S. 327.
Die Fräulein Klotilde und Emilie Mayer besitzen auch noch eine Silhouette des alten Petten- kofen und zwar aus dem Nachlaß des Hauptmannes Ferdinand.
«) In der »Sperrs-Relation« von 1834 wird diese Tochter Henriette genannt und ihr Alter mit 15 Jahren angegeben. In der Todeseintragung vom Jahre 1837 heißt sie Antonie und ist 16 Jahre alt.
Als die Stelle des Textes, auf die sich diese zwei Zeilen der Anmerkung beziehen, längst ge- druckt war, erfuhr der Autor von den beiden Fräulein Klotilde und Emilie Mayer, daß eine Schwester Pettenkofens namens Henriette noch bis zum Jahre 1841 gelebt hat. Auf Grund dieser Tatsache sind die Angaben über Pettenkofens Geschwister folgendermaßen richtigzustellen: Pettenkofens Eltern hatten sieben, nicht sechs Kinder. Von diesen überlebten den Vater der Maler August, der Hauptmann Ferdinand und die zwei Mädchen Henriette und Antonie. Antonie starb 1837 sechzehn-, Henriette 1841 zweiundzwanzigj ährig.
Henriette schied in Ober-St. Veit bei Wien aus dem Leben und zwar am selben Tage wie ihre Mutter. Dieses merkwürdige Zusammentreffen führte erfreulicherweise auch auf das längst, aber immer vergeblich gesuchte Totesdatum von Pettenkofens Mutter. Die auf die beiden Frauen bezüg- lichen Eintragungen in den Sterberegistern der Pfarrkirche zum hl. Veit (Tom. E, fol. 153) lauten :
»Am 20. Mai 1841 gestorben St. Veit No 90: Frau Anna Pettenkoffer, geb. v. Nespern, Gutsbesitzers- witwe, gebürtig von Wien, katholisch, 48 Jahre alt, an Zehrfieber gestorben, beerdigt am 22. Mai.«
»Am 20. Mai 1841 gestorben St. Veit No 90: Henriette Pettenkoffer, Tochter der verwitweten Frau Anna Pettenkoffer, Gutsbesitzerswitwe, katholisch, 22 Jahre alt, am Zehrfieber, beerdigt am 22. Mai.« —
Es sei hier nachgetragen, daß Pettenkofens Eintritt beim Militär unzweifelhaft mit dem Tode der Mutter zusammenhängt: am 20. Mai stirbt sie, schon am 16. Juni wird er assentiert.
') Quellen: Hinterlassenschaftsakten nach Anton Pettenkofen im k. k. landesgerichtlichen Archiv und Todeseintragungen im städtischen Archiv zu Wien.
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8) Der Taufschein, der sich im Besitze des Herrn Kommerzialrates Franz Xaver Mayer in Wien befindet, gibt nur den Tag der Taufe an. Daß dieser aber identisch mit dem der Geburt ist, geht aus dem am 18. Dezember 1874 präsentierten Gesuch Pettenkofens hervor, in dem er auf Grund des ihm am 27. Oktober 1873 verliehenen Ordens der eisernen Krone II. Klasse um die Erhe- bung in den Ritterstand einkommt (Adels-Archiv des k. k. Ministeriums des Äußern und Regi- stratur des k. k. Handelsministeriums).
■') Zum Teil auf Grund eines Briefes, den Ferdinand v. Saar am 23. Februar 1905 aus Blansko in Mähren an den Autor gerichtet hat.
10) Akademie-Protokolle 38 (für die Jahre 1834 bis 1843), S. 19; 4I1/2 (für die Jahre 1839 bis 1846), S. 29; 59>/2 (für das Schuljahr 1849 bis 1850), S. 28.
i>) Hofrat Prof. Dr. A. Fournier in der »Neuen Freien Presse«, 25. Februar 1910.
12) Nach Leopoldine v. Nespern.
13) Eybl als Lehrer Pettenkofens ist, abgesehen von der weiter unten zu besprechenden Litho- graphie, durch Friedrich Ehrmann, Cecil van Haanen und Leopoldine v. Nespern beglaubigt.
") Freundliche Mitteilung Herrn Ehrmanns.
1") Gleichfalls auf Grund einer gütigen Mitteilung Herrn Ehrmanns.
18) Haupt-Grundbuchsblatt in der Fachrechnungs-Abteilung des k. u. k. Kriegsministeriums.
") Grundbuchsblatt und liebenswürdige Auskünfte der Herren Hauptmann Sommeregger und Major Pallua-Gall im k. u. k. Kriegsarchiv.
18) Das Pendant zu diesem Blatt, die »K. k. österreichische Armee, Nr. 1« ist eine Originallitho- graphie Josef Eduard Weixlgärtners. —
Es sei hier die Gelegenheit ergriffen, die von W^urzbach [Biographisches Lexikon, Bd. LIV (1886), S. 210 f.] begangenen und von Josef Meder [Die vervielfältigende Kunst der Gegenwart, Bd. IV (Wien, 1903) : Die Lithographie, S. 66] wiederholten Irrtümer wenigstens im gröbsten richtig zu stellen: Der Aquarellist und Stillebenmaler Josef Eduard Weixlgärtner ist mit dem Lithographen identisch. Er wurde 1816 in Ofen geboren und starb 1873 in Wien. Ein Sohn desselben, Johann W^eixlgärtner (1846 in Wien geboren und 1892 ebenda gestorben), war hauptsächlich als Zeichner für den Holzschnitt und als Illustrator tätig. Ein zweiter Sohn des Lithographen, Richard Weixlgärtner (1849 in Wien geboren und 1912 ebenda gestorben), malte Aquarelle mit Sujets aus Wien und Dalmatien und war Redakteur des »W^iener Neuigkeits -Weltblatts«, für das er auch nach eigenen photographischen Aufnahmen Architekturen und Landschaften zeichnete. Der Bruder Josef Eduards, Vinzenz, 1829 in Ofen geboren, lebt noch heute in Budapest, wo er als Zeichen- lehrer und als Apostel der Pflanzenkost bekannt ist.
") Die Inschrift auf Karl Schindlers Grabstein zu Laab am W^alde in Niederösterreich gibt als Geburts- und Todesdatum an: 23. Oktober 1821 und 22. August 1842. (Freundliche Mitteilung Alois Trosts.)
20) Protokoll 7 und 38.
21) Akademie-Protokoll 38.
22) Leipzig 1903, S. 86 ff'.
23) Cf. des Autors Aufsatz : Fünf unbekannte Lithographien Pettenkofens zu Dullers »Erzherzog Carl von Oesterreich« in den Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst, Wien 1912, S. 5 ff., und den Nachtrag hierzu, ebenda, S. 37 f.
21) W^ohl aber gibt es einen Johann Nepomuk Mayer, von dem im »Verzeichnis der Litho- graphien« (Nr. 77: »Einzug des Frühlings«, Anm.) die Rede ist.
25) Akademie-Protokoll 38. — Im Protokoll 7 heißt es: »Borsos Joseph, gebürtig in Wesprin, 19 Jahr, katholischer Religion, wohnt auf der alten Wieden, Schleiffmühlgasse Nr. 774. Der Vater ist Zeitungsschreiber.« Sein Eintritt ist hier unter dem 3. November 1840 verzeichnet.
28) Ferdinand Pettenkofen wurde 1836 assentiert, machte vor dem ungarischen Feldzug auch die Belagerung von Wien mit und gieng 1854 als Hauptmann (erster Klasse) des 22. Jägerbataillons in Pension. Haupt-Grundbuchsblatt in der Fachrechnungs-Abteilung des k. u. k. Kriegsministeriums.
27) Josef Meder, Die Lithographie in Österreich, S. 4, Bd. IV der Vervielfältigenden Kunst der Gegenwart, Wien 1887 bis 1903.
28) Cf. Hugo Frh. v. Komers-Lindenbach, Geschichte des k. k. Ulanenregimentes Alexander II., Kaiser von Rußland, Nr. 11 (vormals 7. Chevauxlegers-Regiment) von seiner Errichtung 1814 bis Ende 1877, Wien 1878, S. 146fT.
29) Cf. Komers-Lindenbach, 1. c, S. 140f.
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30) »L'intr6pide Lefevre. . . . le 19 juin 1800 ä Hallhauzen, lors du passage du Lech, N. Lef6vre, Soldat a 3me Bataillon de Sapeurs, ne dans le Dept. de la haute-marne, s'elanca le premier sur une peutre la seule qui restat d'un pont coupe par l'ennemi, franchit un affreux pr^cipice creuse par le torrent et marcha sous un feu terrible de mousqueterie, contra une batterie des Canons qu'il enleva ä l'aide de quelques camarades, enhardis par son exemple.«
'1) »Le Retour du Prisonnier.
France adoree! Douce contr6e. Je t'embrasse, 6 terre ch^rie! Enfin, j'ai cesse de souffrir; Oui desormais je puls mourir, Salut ä ma Patrie!
(De Berenger.)«
82) Von C. G. Börner, Leipzig, 9. November 1885.
33) A. Einsle, Wien, 25. Jänner 1897, Nr. 2380.
3«) Die Entstehung des Bildes »The Surprise« in der Wallace CoUection zu London (Nr. 621 des Kataloges vom Jahre 1901) ist ohne Kenntnis von Pettenkofens »Horchern« undenkbar. Das Bild ist signiert und datiert: A. P. 1846. Von Pettenkofen, wie Herr Kunsthändler Friedrich Schwarz, der den Autor auf das Bild gütigst aufmerksam gemacht hat, meint, ist es bestimmt nicht. Ein bißchen erinnert es, auf Grund der Photographie geurteilt, an den frühen, wilden Stil des jüngeren Raffalt. Dann wäre die natürlich nicht von Raffalt selbst beigefügte Signatur, was wohl auch das wahrscheinlichste ist, eine Fälschung auf Pettenkofen. Dagegen, daß das Bild von dem Franzosen Adrien-Auguste-Isidore Pils gemalt ist, dem es der Katalog der Wallace CoUection zuschreibt, sprechen allein schon die österreichischen Uniformen. (Die vor der Tür Wartenden sind zum Unterschiede von Pettenkofens Original Dragoner.)
3'') Die Bemühungen des Ministeriums und des Autors, von Herrn Vanderbilt die Erlaubnis zu erlangen, daß das Bild für das vorliegende Werk photographiert werde, waren vergeblich. Die Radierung von Greux ist als Tafel Alfred de Lostalots Aufsatz über Pettenkofen in der »Gazette des Beaux-Arts« (1877) beigegeben, für die Kenntnis der alten Photographie ist der Verfasser Herrn Charles Sedelmeyer in Paris zu Dank verpflichtet.
3«) Im Feuilleton des »Moniteur universel« vom 23. Februar 1860, auf das schon \Vurzbach im Artikel über Pettenkofen [Biographisches Lexikon, Bd. XXII (1870), S. 135] hinweist. Das Feuilleton führt den Titel: »Tableaux de l'ecole moderne. Exposition: Au profit de la caisse de secours des artistes peintres, sculpteurs, architectes et dessinateurs.« Vgl. auch die Feuilletons im »Moniteur« vom 6., 9. und 20. Februar.
3') Das andere Bild Pettenkofens, das Gautier dann noch erwähnt und von dem er bedauert, es nicht mehr gesehen zu haben, »Die Zigeunerin, die mit ihren Kindern über die Puszta wandert«, ist vom Jahre 1858 datiert und befindet sich im Besitze des Herrn Kommerzialrates Franz Xaver Mayer in \Vien.
3s) Freundliche Mitteilung Friedrich Ehrmanns.
3") Freundliche Mitteilung Charles Sedelmeyers.
<") Rudolf Eitelberger v. Edelberg, Gesammelte kunsthistorische Schriften, I. Band: Kunst und Künstler Wiens der neueren Zeit, Wien 1879: Die Kunst-Entwicklung des heutigen Wien, S. 1 ff. Das Wiener Genrebild vor dem Jahre 1848, S. 37 ff. Peter Krafft, S. 61 ff. J. Danhauser und Ferdinand Waldmüller, S. 73 ff. Friedrich Gauermann, S. 92 ff.
*i) Ferdinand Georg Waldmüller, Das Bedürfnis eines zweckmäßigen Unterrichtes in der Malerei und plastischen Kunst. Angedeutet nach eigenen Erfahrungen. ^Vien 1847. Wieder abgedruckt bei Artur Rössler: Georg Ferdinand Waldmüller. Sein Leben, sein W^erk und seine Schriften. Wien 1908. — Rudolf Eitelberger, Die Reform des Kunstunterrichtes und Professor Waldmüllers Lehr- methode, Wien 1848.
ZWEITES KAPITEL: SZOLNOK 1851—1881.
1) Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin. Herausgegeben vom Fürsten Herbert Bismarck. Stuttgart 1900. S. 346 ff.
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*) Er ist am 8. Dezember 1827 in Szolnok geboren. Für seine gütigen Mitteilungen sei hier dem Herrn Professor der wärmste Dank abgestattet.
3) Herr Dr. Takäcs Zoltän, Kustos am Museum der schönen Künste in Budapest. Er, der liebe Freund, sei nicht nur für seine dem Autor in Szolnok geleistete Hilfe, sondern auch für all seine nimmer- müde Bereitwilligkeit, mit der er ihm Jahre hindurch die wertvollsten Auskünfte namentlich über den Verbleib von Bildern Pettenkofens in Ungarn erteilt hat, aufs herzlichste bedankt. Besten Dank schuldet der Verfasser auch dem Herrn Obemotär der Stadt Szolnok Dr. Gruber Jozsef und dem Herrn Maler Fenyes Adolf einerseits für wichtige Führer- und Dolmetscherdienste, anderseits für in- teressante Mitteilungen über die Verhältnisse in Szolnok.
*) Über die Unterschiede zwischen dem alten und dem neuen Szolnok vgl. den Aufsatz »Pettenkofen Szolnokon« von Rözsaffy Dezsö in Müveszet IV. ev. (1905), 6. sz., S. 386ff.
s) Das Denkmal ist ein W^erk von Eduard Telcs.
«) Szolnoker Schreiben vom 7. Oktober 1874 an Karl v. Kratzer.
') Pariser Brief vom 8. Mai 1878 an Franz Xaver Mayer.
8) Die Schilderung des »Szolnoker Müller« auf Grund freundlicher Mitteilungen der Herren Pro- fessor Ujhäzy Ferencz und Maler Deäk-Ebner Lajos. Auch diesem sei hier der aufrichtigste Dank ausgesprochen.
") Das Haus ist abgebildet bei Rözsaffy Dezsö, 1. c, S. 399.
10) Ein Schreiben Pettenkofens an den »Szolnoker Müller«, worin er Chryastel Weisungen für photographische Aufnahmen erteilt, ist weiter unten, in der Anmerkung 6 zum V. Kapitel, abge- druckt.
1') Freundliche Mitteilung des Herrn Malers Deäk-Ebner Lajos.
12) Szolnok a müveszetben. Emleklapok a Szolnoki müvesztelep tizesztendös jubileumära. Szer- kesztette Dr. Läzär Bela. Kiadja a Szolnoki müveszegyesület. 1913 mäjus haväban. (Szolnok in der Kunst. Gedenkblätter zum zehnjährigen Jubiläum der Szolnoker Künstlerkolonie. Redigiert von Dr. Bela Läzär. Herausgegeben vom Szolnoker Künstlerverein. Mai 1913.) Dr. Rözsaffy Dezsö, Idegen müveszek Szolnokon (Fremde Künstler in Szolnok), S. 7 ff.
") Szolnok a müveszetben Dr. Läzär Bela, Magyar müveszek Szolnokon (Ungarische Künstler
in Szolnok), S. 19 ff. und A Szolnoki müvesztelep törtenete (Die Geschichte der Szolnoker Künstler- kolonie), S. 27 ff.
Über die Jubiläumsausstellung in Szolnok selbst vgl. den Aufsatz von Dr. Zoltän v. Takäcs im Pester Lloyd vom 25. Mai 1913.
") Richard Wagner an Mathilde Wesendonck, Tagebuchblätter und Briefe, 1853—1871. III. Auf- lage. Berlin 1904. Brief aus Wien vom 13. September 1861, S. 282.
15) Über Gräfin Bertha Näkö vgl. die Einleitung des von Dr. Nyäry Sändor verfaßten Kataloges der Ausstellung ihrer Gemälde, die im Frühjahr 1906 im Budapester Kunstgewerbemuseum zu wohltätigen Zwecken stattfand: GröfNäkö Kälmänne Festmenyeinek kiällitäsa. Ungefähr den gleichen Inhalt wie diese Einleitung hat das Feuilleton desselben Autors, das in der Neuen Freien Presse vom 2. Mai 1906 veröffentlicht war: Eine aristokratische Malerin (Gräfin Bertha Näkö). Vgl. ferner: Briefe eines Unbekannten (Alexander von Villers). Aus dessen Nachlaß neu herausgegeben von Karl Graf Lanckoronski und Wilhelm Weigand. 2 Bde. Leipzig 1910. Passim.
DRITTES KAPITEL: PARIS 1852—1883.
1) Mündliche Mitteilung von Heinrich Porges' Bruder Herrn Adolf Porges im Juni 1905 in Paris.
2) Der älteste erhaltene Brief Pettenkofens an Kratzer, der sich damals in Paris befand, ist vom 30. Jänner 1856 datiert. — Kratzer hinterließ eine hübsche Kunstsammlung, in der sich außer etlichen Bildern Pettenkofens auch zwei Bleistatuetten des Merkur und der Venus von Raphael Donner befanden, die jetzt dem Kunsthistorischen Hofmuseum angehören. Die Nachlaß-Auktion fand am 12. Jänner 1904 bei Karl Wawra in Wien statt.
s) Sie wird Herrn k. u. k. Generalmajor Josef Berres Edelm v. Perez, der mit Pettenkofen be- freundet war, verdankt.
*) Auskunft des k. k. Ministeriums für Kultus und Unterricht auf eine diesbezügliche Anfrage des Autors, Z. 2126 ddo. 23. August 1911.
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">) Ventes k l'Hotel Drouot: Tableaux des CoUections Sedelmeyer et San-Donato: Pettenkofen. Gazette des Beaux-Arts, Paris 1877, 410 ff. «) Vergl. S. 293, Anm. 34 zu Kapitel I. ^) Briefliche Mitteilung Charles Sedelmeyers.
8) Lostalot, 1. c, 412.
9) Spemanns »Museum«, VII, S. 91, Text zu Taf. 151.
1») Auf einer Auktion des Dorotheums am 18. März 1912. Im Auktionskatalog ist die Studie auf Tafel 18 in Autotypie abgebildet.
") Paris 1895. — De Nittis starb am 21. August 1884, 38 Jahre alt.
>2) Valerian v. Loga, Goyas Zeichnungen, in den »Graphischen Künsten«, Wien 1908, XXXI, 2.
") So schreibt Pettenkofen in seinem Tagebuch. Er meint damit wohl die durch Bismarck in den Zeitungen verbreitete Abweisung des französischen Botschafters Benedetti durch König Wilhelm I. am 13. Juli. Die Kriegserklärung Frankreichs an Deutschland erfolgte erst am 19. Juli.
") Wiener Fremdenblatt, 1864, Nr. 309: »W^ien ist nahe daran, einen seiner bedeutendsten Künstler für immer zu verlieren. Der ausgezeichnete Maler Pettenkofen gedenkt nämlich nächstens nach Rom zu reisen und im Frühjahre wieder auf kurze Zeit unsere Residenz zu besuchen, um sodann wahrscheinlich seinen definitiven Aufenthalt in Paris zu nehmen.« (Auf diese Notiz wurde der Autor durch seinen Freund Alois Trost gütigst aufmerksam gemacht.)
VIERTES KAPITEL: DIE FÜNFZIGER UND DIE SECHZIGER JAHRE.
1) Das Bild scheint aus begreiflichen Gründen nicht ausgeführt worden zu sein. Jedenfalls ist es an Ort und Stelle nicht vorhanden. Eine eingeleitete archivalische Nachforschung ist er- gebnislos verlaufen. Zwei Marienbilder aus viel früherer Zeit haben mit dieser Stiftung natürlich nichts zu schaffen.
2) Richard Wagner, Mein Leben. München 1911. S. 683.
3) Pettenkofen-Ausstellung im Wiener Künstlerhaus. 1889. Nr. 35.
^) Vgl. Theodor v. Frimmels Einleitung zum Katalog von Pettenkofens künstlerischem Nachlaß (W^ien 1890), S. IX f. und Carl v. Lützows Aufsatz »August v. Pettenkofen« in den »Graphischen Künsten«, Wien, XVIII. Jg. (1895), S. 43.
5) Vgl. die Kataloge der Auktionen von P. Kaeser (Wien, 3. Dezember 1869, Nr. 63) und A. Posonyi (Wien, 27. April 1874, Nr. 70).
6) Biographisches Lexikon, Bd. XXX (1875), S. 327 ff. ') Freundliche Mitteilung Charles Sedelmeyers.
*) Brief an Franz Xaver Mayer vom 28. Mai.
') I. Halbband: Einleitung und Geschichte der kaiserlichen Gemäldegalerie. Leipzig 1899, S. 42 ff.
10) Die Versteigerung seines künstlerischen Nachlasses fand am 28. Dezember 1869 durch Plach statt.
11) Er ist es, dessen freundliche Mitteilungen der Schilderung Plachs zugrunde liegen.
12) Sein künstlerischer Nachlaß ward anfangs 1909 durch Wawra in Wien versteigert. August SchäfFers Vorwort zum Auktionskatalog enthält eine knappe Selbstbiographie Dr. Schülers.
J') Vgl. darüber das von Rözsaffy Dezsö in seinem schon zitierten Aufsatz »Pettenkofen Szol- nokon« in der Zeitschrift »Müveszet« (1905) auf S. 390 f. Gesagte.
") Für die auf dem schwer zugänglichen Katalog der Ausstellung fußenden Mitteilungen über sie ist der Autor Mr. Arthur E. Popham an der Kupferstichsammlung des Britischen Museums zu Dank verpflichtet.
15) Das vom 15. Februar 1863 datierte Verleihungsdekret im Besitze der Schwestern Müller.
1") Die Ernennungsurkunde ist vom 15. Dezember 1863 datiert und befindet sich im Besitze der Damen Müller.
1') Die Ernennung fand in der Ratssitzung vom 14. April, die Bestätigung durch den Kaiser am 1. Mai statt, und die Urkunde, die sich gleichfalls im Besitze der Schwestern Müller befindet, ist vom 9. Mai 1866 datiert.
18) Nr. 72 der Auktion G. Posonyis am 10. Februar 1893 in Wien.
295
1') Der vom Autor, der das Bild nur an seinem Platze im Budapester Museum hoch über einer Tür gesehen hat, nicht bemerkte links unten eingeritzte Name Borsos, auf den Herr Dr. Läzär Bela brieflich aufmerksam gemacht hat, kann natürlich nicht befremden. Auf der Porträt- studie Amerlings, die er nach dem Düsseldorfer Kollegen Bendemann gemalt hat und die sich jetzt im Kunsthistorischen Hofmuseum zu Wien befindet, ist z. B. gleichfalls der Name des Darge- stellten mit dem Ende des Pinselstieles in die feuchte Farbe eingeschrieben. Als Arbeit Pettenkofens ist das Porträt überdies, wie im Katalog nachgelesen werden möge, von inneren Gründen ganz abgesehen, auch äußerlich aufs beste beglaubigt.
2») (auf S. 144) C. V. Vincenti, Wiener Kunst-Renaissance, Studien und Charakteristiken. Wien 1876. S. 328.
20) (auf S. 161) FreundUche Mitteilung von Prof. Robert Ruß.
21) Beschreibendes und kritisches Verzeichnis der Werke der hervorragendsten holländischen Maler des XVII. Jahrhunderts, Eßlingen a. N., Paris. Band IV (1911), Nr. 497 bis Nr. 1042.
22) 1. c, IV (1911), 419.
23) 1. c, IV (1911), 779g.
2<) 1. c. I (1907), 223: »Drei Kavaliere zu Pferd, dabei ein Windhund. Leinwand. 70 : 90 cm.« 25) Vgl. neuestens über das Bild Theodor v. Frimmel: Geschichte der Wiener Gemäldesamm- lungen. Abschlußbände mit übersichtlichen Zusammenstellungen. Lexikon der Wiener Gemälde- sammlungen. Buchstabe A bis F. Wien 1915. S. 361 f., Nr. 28. 2«) Hofstede de Groot, 1. c, III (1910), 407 und 416c.
27) 1. c, III (1910), 605.
28) 1. c, III (1910), 571.
29) 1. c, III (1910), 482 a.
FÜNFTES KAPITEL: DIE SIEBZIGER JAHRE.
1) Freundliche Mitteilung Franz Rubens (Venedig, 1905). Rüben machte übrigens einmal Jettel persönlich mit Gregorovius bekannt. Jettel soll da aber von seinem Ideal sehr enttäuscht worden sein.
2) Diese Mitteilungen werden der Freundlichkeit des Herrn Maler und Commendatore Theodor Ethofer in Salzburg verdankt.
3) Gleichfalls gütige Mitteilung des Herrn Commendatore Ethofer.
*) Daß dieses Bild ein Motiv aus Assisi darstellt, wird durch Herrn Maler Max Suppantschitsch freundlichst bestätigt, der auch mitteilt, daß der Garten in Assisi ein Privat- und kein Kloster- garten ist.
■') Das Bild befand sich 1889 als Eigentum der Frau Gräfin Marie Sizzo-Noris auf der Petten- kofen-Ausstellung im Wiener Künstlerhaus. Eine Radierung darnach von Th. Alphons ist Lützows Aufsatz über Pettenkofen in der Zeitschrift für bildende Kunst (Neue Folge, Bd. I [1890], S. 85 ff.) als Tafel beigegeben.
«) Die Bibliothek der k. k. Akademie der bildenden Künste in Wien bewahrt außer einem Blatt, auf dem sich vorne und hinten flüchtige Federskizzen und ausführliche schriftliche Erläuterungen befinden, auch ein Schreiben Pettenkofens an den sogenannten »Szolnoker Müller« (Mappe 4|67, Inv.-Nr. 21.364 und 21.365) auf. Zeichnungen und Brief sind durch die genauen Anweisungen, die Pettenkofen darin dem Photographen Chryastel in Szolnok für Aufnahmen erteilt, die er zu zwei Bildern braucht, interessant.
Der Brief lautet:
»In Eile. Sonntag, den 12. April 1868.
Geehrter Freund!
Indem ich Sie bitte, mein Verlangen zu erfahren, wie es Ihnen geht und was Sie machen, zu befriedigen, bitte ich Sie zugleich, mir die Gefälligkeit zu erzeigen, M. Chryastel zu fragen, ob er mir die schon vor längerer Zeit bestellten Photographien machen will. Ich brauche diese dringend, da es mir an ähnlichen Studien fehlt, um mit meinen Arbeiten noch vor meiner Reise fertig zu werden. W^enn M. Chryastel diese nicht machen will, so bitte ich Sie, werter Freund, mir dies mit umgehender Post anzuzeigen, daß ich nicht vergebens darauf warte und meine Arbeiten ver- zögere. Wenn aber M. Chryastel sie machen will, dann bitte ich Sie, mir die Freundschaft zu erzeigen und ihm ein wenig mit Ihrer Kenntnis und Umsicht an die Hand zu gehen, namentlich
296
bei Auswahl der Pferde, und ich bitte Sie, die Briefe zu lesen, welche ich M. Ch. für diese Be- stellung geschrieben habe und in welchen ich alles genau und deutlich angegeben und durch Zeichnungen erläutert habe. Und in diesem Falle bitte ich Sie, bei den drei Pferden auf einem Blatte darauf Bedacht zu nehmen, daß die Sonne die Pferde von rückwärts (die Sonne etwas mehr links) beleuchtet und die Rücken der Pferde starkes Glanzlicht haben. Auch bitte ich, das Pferd links etwas mehr von hinten sehen zu lassen und die Maschine so hoch zu stellen, daß man ziem- lich auf den Rücken der Pferde sehen kann. Im übrigen bitte ich, sich an den betreffenden Brief, welchen ich M. Chr. geschrieben, ganz zu halten, namentlich daß die Pferde klein sind, große Bäuche und Köpfe haben und im ganzen rechte Bauernschindmähren sind. Doch Sie wissen das alles, verehrter Freund, besser zu finden wie ich und ich verlasse mich ganz auf Ihre freundschaft- liche Gefälligkeit.
Ich gebe Ihnen nochmals die drei Pferde [flüchtige Federskizze, die das Gesagte veranschau- licht], da mir an der Stellung und besonders an der Beleuchtung sehr gelegen ist. Nun bitte ich Sie, verehrter Freund, mir umgehend zu schreiben und mir wissen zu lassen, wie es Ihnen und Ihren werten Verwandten geht, welchen ich meine Empfehlung auszurichten bitte. Zu jedem Gegen- dienst bereit, grüße ich Sie von ganzem Herzen.
Ihr aufrichtiger Freund Pettenkofen.«
Auf der Vorderseite des oben erwähnten Blattes ist ein auf der Pußta nach links fahrendes Ochsenfuhrwerk gezeichnet. Daneben steht : »Das Licht von hier aus [die Lichtquelle ist links oben angegeben], aber keine Sonne. Unter den Ochsen und [dem] Wagen muß der Lichtreflex auf dem nassen Weg sehr stark sein. Auf dem Wagen vorne soll eine Figur stehen und gegen die Mitte des 'Wagens zu gebückt sein. Hinten auf dem Wagen eine oder zwei Figuren sitzen[d].«
Auf der Rückseite des Blattes sind größer die Ochsen allein gezeichnet. Der rechte Blattrand halbiert die Vorderräder des Wagens. Die schriftliche Anweisung lautet: »Beide Photographien sollen so groß sein, als sie die Maschine gibt; die Ochsen sollen so groß sein, daß nur das vordere Rad noch auf dem Bilde Platz hat. Bei den rückwärtigen [sei. Ochsen der Zeichnung auf der anderen Seite] ist das Terrain die Hauptsache, so daß der Wagen im Bilde nur mittelgroß erscheint. — Das Licht von hier aus [abermals links oben], d. h. die Sonne soll links von den Ochsen stehen, aber durch den grauen Himmel verdeckt sein, so daß keine Sonnenbeleuchtung sichtbar wird.«
') Die Notiz findet sich in der »Morgen-Post« vom selben Tage, lautet gleich und ist in diesem Blatte ein vom 18. Dezember datiertes Telegramm aus Rom. Am 18. Dezember 1873 befand sich Pettenkofen gar nicht in Rom, sondern in Venedig. Interessant ist die Schreibung des Namens in jener Depesche: »Pettenkoffer«.
8) = Gergia, östlich von Fayum am Nil?
») Weltausstellung 1873 in Wien. Offizieller Kunstkatalog. 3. Auflage. Wien 1873. S. 173, Nr. 512 bis 532, S. 176, Nr. 729.
'») Diese Abneigung Pettenkofens gegen eine Ausstellung seiner Bilder in Wien wurde von den Herren Lobmeyr und Mayer dankenswerterweise und insoferne respektiert, als sie beide ihre Sammlungen erst nach des Künstlers Tode ausstellten: Lobmeyr vom 1. Juni 1889 an im Wiener Künstlerhaus, Mayer vom 2. Juli 1893 an ebenda.
11) Im Manuskript »erhält«.
1*) Im Manuskript »ihrem« und »ihrer«. Die beiden Possessiva sind aber selbstverständlich auf Wien zu beziehen.
13) Durch Herrn Friedrich Pollak freundlichst vermittelte Nachricht Professor August Wolffs in Venedig.
1*) Vgl. E. R. and J. Pennell, The Life of James Mc Neill Whistler. London 1908. Zwei Bände. II, 261, 267 und 269.
SECHSTES KAPITEL: WIEN 1880—1889.
1) Vgl. die Eintragung im Tagebuch unter dem 3. November 1879. —
Am 15. Jänner 1914 wurde im Vestibül des Hotels »Kaiserin EUsabeth« zu Ehren von Grieg, Liszt, Menzel, Pettenkofen und Wagner, die alle dort gewohnt haben, eine Gedenktafel enthüllt.
2) Das Dekret ist vom 19, Jänner 1880 datiert.
297 * ""
VERZEICHNIS DER TAFELN,
I. Josef Borsos. Aquarellstudie. 1847. Wien, Dr. August Heymann , . . Nach Seite 24
II. Der Unterricht. Ölbild, 1847. Wien, C. A. Wels » » 24
III. Österreichische Infanterie, in einem Dorf kampierend. Unvollendetes
Aquarell. Wien, Eugen Miller v. Aichholz » » 44
IV. Österreichische Artillerie, in ein Dorf einrückend. Unvollendetes Aqua- rell. Wien, Eugen Miller v. Aichholz » » 44
V. Der Sturm auf Ofen. Lithographie. 1849 » » 48
VI. Ungarischer Landsturm. Lithographie. 1850 » » 48
VII. Der brave Tambur. Aquarell. 1850. W^ien, Dr. August Heymann ... » » 48
VIII. Ignaz Imrddy Edler v. Omorovicze. Ölbild. 1850. Wien, Dr. Albert Figdor » » 56
IX. Reisewagen auf der Fahrt von W^ien nach Klosterneuburg. Aquarell.
1851. Wien, Theodor Bergmann » » 56
X. Österreichische Infanterie, eine Furt passierend. Ölbild. 1851. Wien,
K. k. österreichische Staatsgalerie » » 60
XI. Russisches Bivuak. Ölbild. 1852. Wien, Kunsthistorisches Hofmuseum » » 60 XII. Der Verwundetentransport. Ölbild. 1853. Wien, Rudolf Reichert ... » » 64
XIII. Nach dem Duell. Ölbild. 1853. Amsterdam, Museum Fodor » » 64
XIV. Niederösterreichisches Bauernhaus mit gemüsewaschender Bäuerin. Öl- bild. 1854. Reichenberg, Heinrich Frh. v. Liebiegsche Sammlung der Stadt » » 80
XV. Klosterneuburger Bauernhaus mit Bäuerin und Kind. Ölbild. 1854. Wien,
Baron Louis Rothschild » » 80
XVI. Zigeunerlager auf der Pußta. Aquarell. 1855. Wien, Kunsthistorisches
Hofmuseum » » 82
XVII. Zigeuner zu Pferd. Aquarellstudie. Wien, Eugen Miller v. Aichholz . . » » 82 XVIII. Zwei Zigeunerkinder bei einem Kessel. Aquarellstudie. 1855. Wien,
Ludwig Lobmeyr » » 86
XIX. Das Stelldichein. Ölbild. 1855. Wien, Baron Alphons Rothschild ...» »86 XX. Zigeunerzelte auf der Pußta, vorne badende Zigeuner. Ölbild. 1856?
Reichenberg, Heinrich Frh. v. Liebiegsche Sammlung der Stadt ...» »88
XXI. Ungarisches Bauernfuhrwerk. Ölbild. 1857. Wien, Baron Louis Rothschild » » 96
XXII. Zigeunerhütte im Walde. Ölbild. 1857. Wien, Ludwig Lobmeyr ...» »104
XXIII. Ungarischer Bauernhof mit Bäumen und Strohschobern. Ölbild. Wien,
Ludwig Lobmeyr » » 104
XXIV. Pferde vorm Strohschober. Ölbild. 1858. Wien, Franz Xaver Mayer . » » 106 XXV. Wandernde Zigeunerfamilie. Ölbild. 1858. Wien, Franz Xaver Mayer » » 110
XXVI. Zigeunermädchen auf der Pußta. Aquarell. 1859. Wien, Eugen Miller
V. Aichholz » » 112
XXVII. Der Kuß. Ölbild. 1864. Wien, Kunsthistorisches Hofmuseum .... » » 140 XXVIII. Zigeunermädchen, auf einem Herd hockend und rauchend. Unvollendetes
Ölbild. Wien, Fritz Dobner v. Dobenau » » 140
XXIX. Szolnoker Markt. Ölbild. 1870. Wien, Franz Xaver Mayer » »160
XXX. Fischerbarken am Strande von Portici. Aquarellstudie. 1873. Wien,
Ludwig Lobmeyr » » 168
630
») Dieses Brustbild in Visiteformat ist mittels Zeichnung stark vergrößert und so als Titelbild im »Wiener Illustrierten Extrablatt« vom 27. November 1889 reproduziert worden.
Die im Text wiedergegebene, Pettenkofen in ganzer Figur darstellende Photographie in Visite- format zeigt im Original am linken Rand und von oben bis unten eine schwarze Fehlstelle des Negativs, die auf dem Klischee retuschiert werden mußte. Diese Aufnahme ist aber schärfer als die zweite, auf der Pettenkofen fast unverändert ebenfalls in ganzer Figur zu sehen ist.
«) Nach dieser Photographie, die Pettenkofen für die Geliebte in Paris hat aufnehmen lassen, ist der Holzschnitt in Lützows Aufsatz über den Künstler in der Zeitschrift für bildende Kunst, N. F., I (1890), S. 85, und nach diesem Holzschnitt wieder das Klischee bei Muther (II, 530) gemacht. Das Exemplar der Photographie, das dem Klischee im Text zur Vorlage gedient hat, wird der Freundlichkeit des Fräuleins Anna Wagner verdankt.
') Nach einer dieser beiden Photographien wurde das Klischee des Textes angefertigt. Wo sich heute das Original befindet, ist dem Verfasser unbekannt.
8) Dieses Ölporträt war 1905 als Nr. 40 des Kataloges, wo es auch abgebildet ist, auf der Lenbach- Ausstellung in München ausgestellt. Das im Katalog angegebene Datum 1883 beruht offenbar auf einer Verwechslung mit dem weiter unten zu besprechenden Pettenkofen-Porträt Lenbachs. Die 1905 ausgestellte Skizze wurde damals — leider vergeblich — vom Autor dem Unterrichts- ministerium zum Ankauf für die Moderne Galerie empfohlen. Seither wurde sie von der Galerie der Stadt Reichenberg erworben.
9) Die Familie Mayer gibt als Entstehungszeit des Bildes das Jahr 1884 an. Pettenkofen hielt sich sowohl 1883 als auch 1884 längere Zeit in München auf. Da aber das Jahr 1883, wie wir oben gesehen haben, im Katalog der Lenbach-Ausstellung als Entstehungszeit für ein Pettenkofen- Bildnis genannt wird, freilich für eines, auf das es sich unmöglich beziehen kann, da diese Angabe allem Anschein nach auf Aufzeichnungen Lenbachs zurückgeht und das von der Familie Mayer angegebene Datum 1884, wie in anderen Fällen auch, vermutlich das der Erwerbung des Bildes ist, so dürfte es angebracht sein, sich für das Jahr 1883 zu entscheiden.
1°) Als Beilage für Lützows Aufsatz über Pettenkofen in den »Graphischen Künsten«, Jg. XVIII (1895), Taf. vor S. 25.
Die als Tafel dem vorliegenden Buch beigegebene Heliogravüre ist selbstverständlich nach dem Original bei Herrn Kommerzialrat Franz Xaver Mayer hergestellt worden. Fräulein Marie Müller hat dieses Bild zweimal (einmal im Auftrage der Stadt Wien) originalgroß, ein drittes Mal klein, als Miniaturbildnis, wiederholt. Auch Fräulein Berta Müller hat das Porträt originalgroß kopiert. Daher finden sich zwei originalgroße Kopien bei den Damen Müller, eine im W^iener Städtischen Museum.
1') Das durch Flecke, die glücklicherweise dem Gesicht ausweichen, entstellte Negativ einer Vergrößerung darnach wird von den Damen Müller aufbewahrt, die auch, ebenso wie Herr Professor Robert Ruß einen alten Abzug davon besitzen. Auf der Photographie, die dem ver- kleinerten Klischee des Textes zugrunde liegt, wurden die Flecke retuschiert.
Auf Grund dieser Photographie und eigener Erinnerungen hat Fräulein Marie Müller im Todes- jahr Pettenkofens sein Porträt sowohl gezeichnet als auch in Öl gemalt. Die Zeichnung ist, in Holz geschnitten, dem oben zitierten Aufsatz Lützows in der Zeitschrift für bildende Kunst (S. 125) beigegeben. Das Ölbild zeigt im Gegensatz zu dem Holzschnitt wie die Photographie auch die beiden Hände mit Pinsel und Palette.
12) Diese Bleistiftzeichnung war die Nr. 146 der am 24. April 1894 von H. O. Miethke in Wien veranstalteten Auktion Heinrich Rechtnitz. Sie gehört heute Herrn Dr. August Heymann.
'ä) Eine Zeichnung von F. Umlauft im Besitze Kommerzialrat Franz Xaver Mayers, die einen zerlumpten Mann darstellt und eine Karikatur Pettenkofens sein soll, und eine zweite Zeichnung bei Dr. August Heymann, die von Borsos herrühren und gleichfalls ein Porträt Pettenkofens sein soll, haben beide keinerlei Anspruch auf Authentizität.
^0 Vgl. Carl V. Lützow, August v. Pettenkofen, S. 26 der »Graphischen Künste«, Wien, XVIII. Jg. (1895).
1 ') Bericht, Gründlicher, des in America zwischen dem Rio Orinoco und Rio de las Amazonas sich erstreckenden Strich Landes, welches die ostindische Compagnie dem Grafen Friedrich Casimir zu Hanau überlassen hat. Frankfurt 1669. — Cudena, Pedro: Beschreibung des portugie- sischen Amerika. Übersetzt von Leiste. Braunschweig 1750. — Gage, Neue merkwürdige Reise- beschreibung nach New Spania etc. Leipzig 1693. — Gille, Jesuitenpater: Storia dell' Orinoco. Rom, XVIII. Jhdt. — Gottfried, Newe Welt und americanische Historien. Frankfurt 1651. —
299 38»
Harnisch, W. : Gesammelte Reisen: Des amerikanischen Geheimschreibers W. B. Stevensons Reisen in Peru und auf der Westküste des Staates Columbia. (Um 1823.) — Harnisch, W. : Ge- sammelte Reisen: Alex. Caldclenghs Reisen in Südamerika. Leipzig 1830. — Hemmersam, Guine- ische und westindianische Reisebeschreibung. Nürnberg 1663. — Hennepin: Beschreibung der new entdeckten Landschaft Louisiana. Nürnberg 1689. — Hennepin, Neue Entdeckungen vieler sehr großen Landschaften in Amerika zwischen New Mexico und dem Eismeer. Übersetzt von Langen. Bremen 1690. — Irving, Wash.: Transatlantische Skizzen. Leipzig 1855. — Koppe: 3 Berichte Don F. Cortez' an Karl V. Berlin 1834. — Las Casas, Amerika. — Mendez, Reise des Fernand. In der »Bibliothek großer Reisen und Entdeckungen«. Jena 1868. — Murr, Reisen einiger Missionäre der Gesellschaft Jesu in Amerika. Nürnberg 1785. — Orviedo: Geschichte Amerikas. Madrid 1853. — Prescott Will. : Geschichte der Regierung Ferdinands und Isabellas der Katholischen. 2 Bde. Leipzig 1842. — Rio, Kapitän Antonio del, und Dr. P. F. Cabrera: Beschreibung einer alten Stadt (Mexico). Berlin 1832.
— Rocheford: Historische Beschreibung der antillischen Inseln. Frankfurt 1688. — Sepp, A., und A. Böhm: Der Societät Jesu Priester Reisebeschreibung, wie dieselben aus Hispanien in Para Quaniam kommen etc. Nürnberg 1697. — Solis, La Conquista de Mejico. — Solls, Antonio de: Geschichte Neu-Spaniens. — S(pringer), I. C. E.: Physikalische Untersuchung, ob auch patagonische Reisen möglich und die Erzählungen davon wahr sind. Leipzig 1769. — (Vespucci, Am.): Aller- älteste Nachricht von der Neuen Welt, welche dieser Erfinder derselben ehemals erteilt. Berlin 1722.
1^) Accolti, Petrus, Florenz 1625. — Amman, Jost, Frankfurt 1578. — Armenini, Joh. Bapt. : Die wahren Regeln der Malerei in drei Büchern, welche von richtiger Manier zu zeichnen und zu malen handeln. Ravenna 1587. — Baglione, Joh., Rom 1642. — Bocchi, Franc, Über Donatello. Florenz 1584. — Bocchi, Franc, Die Raritäten der Stadt Florenz. Florenz 1591. — Bisagno, Franc, Venedig 1642. — Borghini, Raff., Florenz 1584. — Bosse, Abrah., Paris 1649. — Condivi de la Ripa [Transone], Ascan., Das Leben des Michelangelo. Rom 1553. — Doni, Venedig 1549. — Dürer, Albrecht, Kunstbücher. ^ Gauricus, Pomponius, Amsterdam 1609. — Junius, Franc, Amsterdam 1637. — Lamo, Alexander, Cremona 1584. — Lomazzo, Joh. Paul, ein Mailänder Maler, Mailand 1584.
— Lomazzo, Joh. Paul, Idee des Baues von der Malerei. Mailand 1590. — Lomazzo, Joh. Paul, Von der Gestalt des Menschen, welche die griechischen und lateinischen Antiken erfordern. Mailand 1591. — [Morello, Benedetto,] Die Leichenbestattung Augustini Caraccii. Bologna 1603. — Passovinus, Ant., Venedig 1603. — Ridolfi, Carlo, Venedig 1648. — Sandrart, Deutsche Akademie. — Varchi, Bened., Florenz 1549. — Vasari. — Zucharo, Friedr., Pavia 1604. — Zucharo, Friedr., Torino 1607. — [Der sogen. Anonymus des Tizianello,] Das Leben des berühmten Tizian. Venedig 1622.
") »Der , Maler' ist, wie Sie richtig erraten, Pettenkofen, wenn auch da just nicht alles wörtlich zu nehmen ist.« (Fürstin Marie zu Hohenlohe und Ferdinand v. Saar. Ein Briefwechsel. Heraus- gegeben von Anton Bettelheim. Wien 1910. S. 234. Brief Saars vom 9. November 1896.) (Gütige Mitteilung Alois Trosts.)
18) Auf dem Original stehen zwischen diesem und dem nächsten W^orte ungetilgt die beiden Worte »die beifolgen«.
19) Dieser Brief kann nur an die Spitalsflickerin Leopoldine v. Nespern gerichtet gewesen sein. Vgl. über sie Anm. 4 zu Kap. I.
20) Freundliche Mitteilung von Herrn Direktor Szana Tamäs. ") Brief an den Autor vom 11. Juni 1908.
22) Freundliche Mitteilung des Herrn Prof. Alfred v. Schrötter in Graz.
23) In dem schon zitierten Schreiben an den Verfasser vom 11. Juni 1908. 2«) Gleichfalls in dem Briefe vom 11. Juni 1908.
26) Diese Widmung findet sich auch erwähnt in dem Buche: Theodor Lott, Bericht über die Studienjahre 1876 1 77 bis 1891/92, erstattet aus Anlaß der Feier des zweihundertjährigen Bestandes der Akademie, Wien 1892, S. 52.
*') Die 1834 in Leipzig erschienene deutsche Übersetzung, die Pettenkofen vorgelegen ist, war dem Autor unzugänglich. Mit Hilfe des englischen Originals aber ließ sich Pettenkofens nicht ohneweiters verständliche Notiz ergänzen. Die betreffende Stelle der englischen Ausgabe (Sir William Gell, Pompeiana. 2 Bde. London 1832. Bd. I, S. 164f.) befindet sich im achten, das Haus des tragischen Dichters behandelnden Kapitel und lautet:
300
»It is Singular that, in many cases, though a picture be not ill preserved, and may be seen from the raost convenient distance, a style of painting has been adopted, which, though calculated to decorate the wall, is by no means intelligible on a nearer approach.
In a Chamber, near the entrance of the chalcidicum, by the statue of Eumachia, is a picture in which, from a certain distance, a town, a tent, and something like a marriage ceremony, might be perceived; but which vanished into an assemblage of apparently unmeaning blots, so as to entirely elude the skill of an artist who was endeavouring to copy it at the distance of three or four feet.«
") In der »Allgemeinen Kunstchronik«, 11. Oktober 1884; vgl. aber auch die Nummern vom 18. Oktober und vom 20. Dezember dieses Jahres.
28) In einem anonymen Feuilleton des »Neuen Wiener Tagblattes« vom 26. März 1889, über- schrieben »Aus dem Leben Pettenkofen's. Persönliche Erinnerungen.«
2») Freundliche Mitteilung Maler Rudolf Konopas.
">) In der hier (S. 261) bereits genannten Abhandlung: »Wie steht die Kunst in Österreich?«
") Vgl. auch: Paul Eudel, Fälscherkünste, neu herausgegeben und ergänzt von Arthur Rößler, Leipzig 1909, S. 101 f.
301
XXXI. Bäuerin aus Torre del Greco, mit Blumentöpfen beschäftigt. Aquarell.
1873. Wien, Ludwig Lobmeyr Nach Seite 168
XXXII. Neapolitanische Netzflickerin. Aquarellstudie. 1873. Wien, Ludwig
Lobmeyr » »168
XXXIII. Inneres eines neapolitanischen Bauernhauses mit Holzstiege und
nähender Frau. Aquarell. 1873. Wien, Ludwig Lobmeyr » » 168
XXXIV. Neapolitanisches Bauernhaus mit Bäuerin. Ölbild. 1873? Wien, Ludwig
Lobmeyr .■ • • » » 168
XXXV. Hof eines ungarischen Bauernhauses mit zwei Kindern am Boden und bunten Gewandstücken auf zwei dürren Bäumen. Ölbild. 1874? Wien,
Ludwig Lobmeyr » » 170
XXXVI. Hof einer ungarischen Bauernwirtschaft; darin eine Bäuerin, die Hühner
füttert. Ölbild. 1874? Wien, Wilhelm KufFner » »174
XXXVII. Alte Venezianerin mit Vogelkäfigen. Ölbild. 1874. Wien, FranzXaverMayer » » 176
XXXVIII. Alte Venezianerin, sich schneuzend. Ölbild. 1874. Wien, Eugen Miller
V. Aichholz » »176
XXXIX. Blumenstück. Ölbild. 1874. Wien, Eugen Miller v. Aichholz » »176
XL. Zwei ungarische Bauernkinder bei Sonnenblumen. Ölbild. 1876. Wien,
K. k. österreichische Staatsgalerie » » 184
XLI. Ungarischer Markt bei Regen. Ölbild. 1880. Wien, Franz Xaver Mayer » » 192
XLII. Das Duell in der Au. Pastellbild. 1882. Paris, Charles Sedelmeyer . . » » 194
XLIII. Der Apotheker. Aquarell. 1885. Wien, Eugen Miller v. Aichholz ... » » 198
XLIV. Blick auf die Dächer der Calle dei Fuseri in Venedig. Gouachebild,
1885. Wien, Eugen Miller v. Aichholz » » 200
XLV. Garten in Grünau. Gouachebild. 1886. Wien, Eugen Miller v. Aichholz » » 208
XLVI. Küche in Riva. Aquarell. 1886. Wien, Eugen Miller v. Aichholz ...» » 210
XLVII. Der Hufschmied. Gouachebild. 1886. Wien, Eugen Miller v. Aichholz . » » 212
XLVIII. Kampf in einem venezianischen Gäßchen. Unvollendetes Ölbild. 1887.
Wien, K. k. österreichische Staatsgalerie » » 212
IL. Des Künstlers Atelier. Gouachebild. Wien, Marie und Berta Müller . » » 214
L. Ungarische Marktweiber. Unvollendetes Ölbild. Wien, Oskar Bondy . » » 220
LI. Ungarischer Markt. Unvollendetes Ölbild. Wien, Hauptmann Franz Artaria » » 220
LH. Gasse in Riva. Kreidezeichnung. 1886. Wien, Eugen Miller v. Aichholz » » 224
LIII. Franz Lenbach, Porträt Pettenkofens. Ölbild. 1883. Wien, Franz Xaver
Mayer » » 262
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