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Aus dem Leben der Sprache

Versprechen. Kindersprache. Machahmungstrieb.

Festschrift der k. k, Karl-Franzens-Universität in Graz aus Anlass der Jahresfeier am 15. November 1906

Von

Dr. Rudolf Meringer

o. ö. Professor

Berlin 1908.

B. Behr's Verlag.

W. Meyer-Lübke

gewidmet

Vorrede.

Der Freude am Beobachten verdankt diese Schrift ihre Entstehung-. Mich will bedünken, dass noch immer nicht genug beobachtet und gesammelt wird. Der kranke Mensch wird vom Arzte genugsam studiert, aber wer studiert den gesunden? Ich weiss sehr wohl, dass es eine Experimental- psychologie gibt, und gerade an unserer Universität haben diese Studien eine Heimatsstätte gefunden. Aber ich glaube nicht, dass das Experiment jede Beobachtung des gewöhn- lichen Lebens überflüssig macht. Beobachtung und Experiment mögen sich in die Arbeit teilen. Keines von beiden kann das andere völlig ersetzen,

W. Wundt schrieb im Indogerm. Anzeiger Bd. XII (1901) S. 19: „Darum sind die Beobachtungen von Meringer und Mayer über das , Versprechen' so lehrreich, weil hier die Bedingungen der individuellen Erscheinungen mit den ge- nerellen der Sprache, wie wir annehmen dürfen, sehr nahe übereinstimmen. Diese Übereinstimmung würde aber natürlich nicht mehr vorhanden sein, wenn M. und M., statt die un- willkürlich begangenen Versprechungen zu sammeln, etwa Experimente angestellt hätten, in denen sie ihren Beobachtern Wörter vorsprachen, mit der Aufforderung, sie falsch aus- zusprechen."

Ich kann auf einen Fall hinweisen, in dem das Experiment zu ganz ähnlichen Resultaten gekommen ist, wie die Beob- achtung. A. Thumbs und K. Marbes Experimentelle Unter- suchungen über die psychologischen Grundlagen der sprach- lichen Analogiebildung (Leipzig 1901) zeigen ungefähr das-

VI

selbe, was sich auch aus dem Versprechen erg"ibt'); freilich ist die Auskunft des Sprech fehlers, wenn die Beobachtung^en lange genug fortgesetzt werden, eine genauere und bessere. Was ich seit 1895, dem Jahre des Erscheinens von „Versprechen und Verlesen" beobachtet habe, findet sich hier im Auszuge wiedergegeben. Das meiste stammt aus den Jahren 1895 99, die ich noch in Wien zubrachte.

Dass ich noch einmal mit einer Sammlung von Sprech- fehlern hervortrete, das hat seinen Grund darin, dass V. und V. nicht imstande war, die Gedanken, die man sich über das Versprechen gemacht hatte, allgemein richtig zu stellen. Nach wie vor höre und lese ich, dass das Versprechen der Fehler der Gebildeten sei und was dergleichen unwahrer Redensarten mehr sind. Kann man aber auch etwas, was jeder, ab- solut jeder, tut, individuell nennen? Sind Erscheinungen individuell, die im Kindcsalter, mit dem Beginne des Sprechens, anfangen und ins hohe Greiscnaltcr ohne wesentliche Ver- schiedenheit dauern? Und wenn sich schon das Kind, wie ich unten zeige, so verspricht wie der Erwachsene, wer kann dann noch denken, dass ganze Stände vom Versprechen aus- genommen sind!

Meine Sammlung von Sprechfehlern der Kinder ist nicht umfangreich, was aber seinen Grund nicht darin hat, dass es selten ist, sondern darin, dass mir nicht mehr Raum zur Ver- fügung stand. Aus demselben Grunde sind die Anhänge zum I. Hauptstück kurz. Sie sollen nur im allgemeinen die Zu- sammenhänge mit dem Versprechen darlegen, ohne aber das Wesen von Verlesen, Verschreiben, Verhören, Verhandeln erschöpfend zu schildern. Deshalb habe ich auch auf die Anordnung dieser Fehler in Gruppen weniger Sorgfalt ver- wendet.

Die fehlerhaften Momentanbildungen sind überall mit dem Namen des Urhebers versehen. Junge Personen und alte sind speziell charakterisiert. Die meisten Fehler stammen von Erwachsenen der mittleren Lebensjahre. Wo mir ein

') ^^?l- weiter Thumb Indogerm. Forschungen XXII S. i ff.

vir

Fehler auffiel, habe ich noch über Tageszeit^) und besondere Umstände berichtet. Auch die Lebensstellung habe ich öfter angegeben, so dass sich der Leser, wenn er will, ein Bild der Sprecher machen kann. Ich will aber hier schon be- merken, dass ich nicht imstande bin, irgend eine Fehler- kategorie besonders einem bestimmten Lebensalter zuzu- schreiben. Ausgesprochen senile Personen zu beobachten hatte ich keine Gelegenheit, kann also nicht sagen, ob wie ich früher vermutete für sie die Nachklänge charak- teristisch sind. Übriofens hätte ich dabei die Grenze dieser Studien überschreiten müssen, denn ich habe es mit dem normalen, körperlich gesunden Menschen zu tun.

Bei den Sprechfehlern wird man häufig die Interjektion ah! antreffen. Sie wird bei uns sehr häufig, namentlich dann, wenn man sich auf einem Irrtum ertappt, verwendet. Sie be- steht aus einem kurzen ä, dem Kehlkopfverschluss vorausgeht.

Meine Ausführungen über die „Kindersprache" sind kurz gehalten, denn ich konnte den Umfang dieser Schrift nicht beliebig- ausdehnen. Was ich zurückhielt, soll in einer anderen Weise verwertet werden. Auch über den Nachahmungstrieb habe ich noch manches zu sagen.

Ich kann nur mit dem Wunsche schHessen, dass diese Schrift dieselbe freundliche Aufmerksamkeit finden möge, wie sie seinerzeit „Versprechen und Verlesen" '^) bei den Berufenen gefunden hat.

Besten Dank den Herren, welche mir Material beigesteuert haben 3).

Graz. R. Meringer.

*) Findet man Morgen- oder Tagesstunden angegeben, so bedeutet das, dass eben keine Ermüdung oder dergl. vorhanden war.

*) Versprechen und Verlesen. Eine psychologisch-hnguistische Studie von R. Meringer und K. Mayer 1895. ^i^^ zitiert V. u. V.

') Mein Freund Dr. W. Cartellieri. Professor an der Universität Inns- bruck, ist während der Korrektur gestorben.

Angaben über die Personen

von denen Sprechfehler verzeichnet sind ').

Dr. K. Adler, gew. Redakteur; vgl. V. und V. S. ii. Ist über achtzig Jahr alt verstorben.

Fr. Albrecht, General-Konsul. Altersgenosse und Mitschüler von mir.

Dr. Ferd. Freiherr v. Andrian-Werburg, Ehrenpräsident der Wiener Anthropologischen Gesellschaft. Geboren 1835.

Dr. Karl Graf Attems, Zoologe. War ein Dreissiger.

Leopold Au spitz. Als Gymnasiast gestorben.

Dr. R. Berl. War damals ein Zwanziger.

Dr. Eug. Bormann, Hofrat, Prof. a. d. Universität Wien. Ge- boren 1842.

Dr. Rieh. Bratusch, Oberlandesgerichtsrat. Graz jetzt Wien. War damals ein Dreissiger.

Dr. Olaf Broch, Prof. a. d. Univ. Kristiania. Geb. 1867.

Dr. K. Brockhausen, Reg.-R., Prof. a. d. Univers. Wien, Kanzlei- direktor. Geboren 1859.

Frau E. Brockhausen.

E. Bunzl. Damals ein Dreissiger. Hat gelehrte Bildung.

Dr. K. iurdach, Prof. Univ. Berlin. Geb. 1859.

Dr.' J. Cornu, Prof. Univ. Graz. Geboren 1849.

J. J. David, Schriftsteller. Geboren 1859. Gestorben.

Dr. Ferd. Detter, Prof. Univ. Prag. Geboren 1864. Gestorben.

Dr. A. Dopsch, Prof. Univ. Wien. Geboren 1868.

*) Personen der niederen Stände sind im Texte angeführt und nach Lebensstellung und Alter charakterisiert. Wo mir das genaue Alter der obigen Personen zu ermitteln unmöglich war, habe ich es abgeschätzt oder sonst orientierende Bemerkungen gemacht.

X

Dr. Hermann Freiherr v. Kgloffstein, Kabinettssekretär und Kamnierherr des Grossherzogs von Sachsen -Weimar. Ge- boren 1861.

Dr. (i. R. V. Escherich, Hofrat, Prot. a. d. Univers. Wien. Ge- boren 1849.

Dr. Franz Exner, Prof. Univ. Wien. Geb. 1849.

Dr. Sigmund E.xner, Hofrat, Prof. a. d. Univ. Wien. Geboren 1846.

Dr. Bruno Frankl R. v. Hoch wart, Nordbahnbeamter. Geb. 1860.

Dr. Lothar Frankl R. v. Hochwart, Prof. a. d. Univ. Wien. Geb. 1862.

Dr. Theodor Friedmann, Kais. Rat, prakt. Arzt. Geb. 1861.

Frau Flora Friedmann.

Dr. H. Friedjung, Schriftsteller. Geboren 1851.

Dr. L. G raff V, Pancsova, Hofrat, Prof a. d. Univ. Graz. Ge- boren 1851.

Dr. Th. V. Grienberger, Bibliothekar und Prof a. d. Univers. Czernowitz. Geboren 1855.

Dr. K. Grobben, Prof. a. d. Univers. Wien. Geboren 1854. Dr. H. Gross, Prof a. d. Univers. Graz. Geboren 1847. Dr. K Grünberg, Prof a. d. Univers. Wien. Geboren 1861. Dr. E. Guglia, Reg.-R., Chefredakteur der amtl. Wiener Zeitimg.

Geboren 1857. Fräulein Anna Haasz.

Fraulein R. H. jetzt meine Frau. S. s. v. Rida. Dr G. Haberlandt, Prof. Univ. Graz. Geboren 1854. Hahn reich, Beamter. War ein Fünfziger. Dr. W- v. Hartel, Hofrat, Professor, dann Minister. Geboren 1839.

Gestorben.

Dr. R. Heberdey, Prof. Univ. Wien. Damals ein Dreissiger.

Fr. Heger, Reg.-R., Direktor am kk. Naturhistorischen Museum in Wien. Geboren 1853.

Dr. W. Hein, Privatdozent Univ. Wien. Geb. 1861. Gestorben.

Dr. K. Hiecke. In den Zwanzigern gestorben.

Dr. C. Hiller, Reg.-R., Prof. Univ. Graz. Geboren 1846. Ge- storben.

Dr. R. Hoernes, Prof. Univers. Graz. Geboren 1850.

Freiherr von Hohenbruck, Hofrat: war damals etwa ein Fünf- ziger.

Dr. O. Holder-Egger.G. Reg.-R., Prof. Univ. Berlin. Geboren 1851.

Dr. A. Ho mann, Advokat. Damals ein Dreissiger.

XI

Dr. F. Hoppe, Gymnas -Prof. Damals ein Vierziger.

Dr. Hülsenbeck, Landesschulinspektor. War damals etwa ein

Fünfziger. Dr. V. Jagic, Hofrat, Prof. Univers. Wien. Geboren 1838. Dr. V. Jekel. War ein Dreissiger.

Dr. M. H. Jellinek, Prof. Univ. Wien. Geboren 1868. Jettel, Lehrer. War ein Dreissiger. Kain. Damals stud. phil.

Dr. J. R. V. Karabacek, Hofrat, Prof. Univ. Wien usw. Geboren 1845. Fr. Kick, Reg.-R., Prof. Technik Wien. Geboren 1840. Dr. R. Klemensiewicz, Prof. Univ. Graz. Geboren 1848. V. Kljucharich, Reg.-R. War em Fünfziger. Vgl. V. und V.

S. 12.

Dr. J. Krall, Prof. Univ. Wien. Geboren 1857. Gestorben.

Dr. K. Kramaf, Reichsratsabgeordneter. Damals ein Dreissiger.

Dr. J. Kratter, Prof. Univ. Graz. Geboren 1848.

R. Krebs, Kaufmann. Damals ein Sechziger.

J. Kryspin, Reg.-R., i. R. Geboren 1837.

Krön, Kaufmann. War ein Sechziger. Gestorben.

K Lacher, Museal-Direktor Graz. Geboren 1850. Gestorben.

J. Lewinsky, Hofburgschauspieler. Starb als Siebziger.

Dr. E. V. Lieben. War ein Zwanziger.

von Lieder, Konsul. War ein Dreissiger.

Dr. E. Lippmann, Prof. Univ. Wien. Geboren 1857.

R. Lischka, akad. Maler. War ein Zwanziger.

Dr. H. Lorenz, Prof. Univ. Graz. Geboren 1859.

Dr. J. Loserth, Hofrat, Prof Univ. Graz. Geboren 1846.

Dr. K. Luick, Prof. Univ. Graz. Geboren 1865.

Dr. Fr. Marek, Oberfinanzrat. War ein Vierziger.

Dr. Fr. Marx, G. Reg.-R., Prof. Univ. Bonn. Geboren 1859.

Frau Rosa May reder, Schriftstellerin.

K. Meringer, Minist.-Beamter. Geboren 1857. Gestorben.

Frau Marie Meringer.

Dr. W. Meyer-Lübke, Prof Univ. Wien. Geboren 1861.

Michel, Kommerzialrat. Ein Sechziger.

Dr. J. Minor, Hofrat, Prof. Univ. Wien. Geboren 1855.

Dr. E. Mühlbacher, Prof. Univ. Wien. Geboren 1843. Ge-

stürben. Dr. R. Much, Prof. Univ. Wien. Geboren 1862. Dr. M. Murko, Prof. Univ. Graz. Geboren 1861.

XII

Dr. Mor. Necker, Schriftsteller. Geboren 1857.

Dr. H. Notnagel, Hofrat, Prof. Univ. Wien. Geboren 1841. Ge- storben.

Uhnesorge, Kaufmann. War ein Fünfziger.

Dr. Fr. Pastrnek, Prof an der tschechischen Univers. Prag.

Dr. A. Penck, G. Reg.-R., Prof Univ. Berlin. Geboren 1S58.

Dr. J. Pernter, Hofrat, Prof. Univ. Wien. Geboren 1848.

Dr. Th. Pintner, Prof. Univ. Wien. Geboren 1857.

Fräulein Dr. Annette Pölzl, klin. Assistent, Wien.

]. C. Poestion, Reg.-R., Schriftsteller. Geboren 1853.

Dr. A. F. Pribram, Prof. Univ. Wien. Geboren 1859.

Dr. Franz Raab, Gymnasial-Professor Wien. Geboren 1836.

Dr. V. Radimsky, Bezirksvorsteher in Bosnien. War ein Dreissiger.

Dr. O. Redlich, Prof. Univ. Wien. Geboren 1858.

Reg.-R., R. R. Sief Kljucharich.

Dr. W. Reiche!. Ist als Dreissiger gestorben.

Reimers, Hofburgschauspieler.

Dr. E. Reisch, Prof. Univ. Wien. Geboren 1863.

Dr. M. V. Resetar, Prof. Univ. Wien. Geboren 1860.

Ri, Rida meine Frau (Fräulein R. H.

Dr. A. Riegel, Hofrat, Prof. Univ. Wien. War in den Dreissigern. Gestorben.

Dr. W. Roellig. War ein Zwanziger.

Dr. G. Roethe, Prof. Univ. Berlin. Geboren 1859.

Dr. A. V. Rosthorn, a. o. Gesandter und bevollmächtigter Minister

Persien. Heute im Anfang der Vierziger. Dr. F. de Saussure, Prof. Univ. Genf. Ein Vierziger. Schau, Fechtmeister. War ein Vierziger. Dr. K. Schenkl, Hofrat, Prof. Univ. Wien. Geboren 1827. Dr. K. Schima, Hofrat. Geb. 1862. Frau Johanna Schima.

Dr. J. Schipper, Hofrat, Prof. Univ. Wien. Geboren 1842. M. v. Schivizhoffen, Fabrikant. Geb. 1856. R. V. Schivizhoffen, Fabrikant. Geb. 1859. Dr. K. Cam. Schneider, Prof. Univ. Wien. Geboren 1867. Dr. Jos. Schneider, Schriftsteller. Geb. 1878. Rud. Schneider, Kaufmann. Geb. 1873. Dr. H. Schuchardt, Hofrat, Prof. Geboren 1842. A. F. Seligmann, Akad. Maler und Schriftsteller. Geboren 1862. Dr. H. Sittenb erger, Schriftsteller. Geboren 1863.

XIII

Dr. S. Singer, Prof. Univ. Bern. Geboren 1860.

Dr. H. Zdenko Skraup, Hofrat, Prof Univ. Wien. Geboren 1850.

Frau Helene Stökl, Schriftstellerin.

Dr. K. Strekelj, Prof. Univ. Graz. Geboren 1859.

Dr. K. v. Stremayr, Minister. Gestorben.

W. Stukki, Kaufmann. Damals ein Fünfziger.

O. Svoboda, Ober\'erpflegsvenvalter Sarajevo. War ein Fünfziger.

Dr. E. Szanto, Prof. Univ. Wien. Geboren 1857. Gestorben.

A. Freiherr v. Teuffenbach, Feldzeugmeister a. D. Geboren 1835.

Dr. H. J. Tomas eth, Musealbeamter, Schriftsteller. Geboren 1871.

Vita, Akad. Maler. Damals ein Fünfziger.

Dr. W. Vondräk, Prof. Univ. Wien. Geboren 1859.

Frau Mizi Vondräk. Gestorben.

Dr. Jul. Wagner R. v. Jauregg, Hofrat, Prof. Univ. Wien. Ge- boren 1857.

Dr. O. Walzel, Prof. Technische Hochschule Dresden. Geboren 1864.

Frau Hedwig Walzel.

Dr. A. Wassmuth, Prof. Univ. Graz. Geboren 1844.

Dr. R. Wegscheider, Prof. Univ. Wien. Geboren 1859.

Dr. A. V. Weilen, Prof Univ. Wien. Geboren 1863.

Dr. K. v. Weilen. Etwas jünger.

Frau Marie v. Weilen, Hofratswitwe.

Dr. R. M. Werner, Hofrat, Prof. Univ. Lemberg. Geboren 1854.

Dr. Fr. Wickhoff, Hofrat, Prof. Univ. Wien. Geboren 1853.

Dr. E. Witlaczil, Prof. Geboren 1858.

J. Wrzesinski, Oberbergkommissär in Dolnja Tuzla. Ein Vierziger.

Dr. O. V. Zallinger, Prof. Univ. Wien. Geboren 1856.

Dr. R. Zimmermann, Hofrat, Prof. Univ. Wien. Geboren 1824. Als Siebziger gestorben.

Dr. K. Zwierzina, Prof. Univ. Innsbruck. Geboren 1864.

Inhalt.

Seite

Vorrede V

Angaben über die Personen, von denen Sprechfehler ver- verzeichnet sind IX

I. Hauptstück. Das Versprechen.

Ä. Das Versprechen der Erwachsenen.

Vorbemerkungen i

1. Vertauschungen ii

a. Vertauschungen von Wörtern 15

b. Vertauschungen von Silben 18

c. Vertauschungen von Lauten 19

2. Vorklänge, Antizipationen 21

a. Vorklänge, Antizipationen von Wörtern und Silben . 22

b. Vorklänge, Antizipationen von Lauten 26

c. Antizipation des Geschlechts 37

d. Antizipation der Person 38

e. Antizipation der Quantität 38

f. Antizipation des Kasus 39

g. Antizipation des Numerus •. 39

h. Antizipation des Modus 39

3. Mitklänge, Konzipationen 39

a. Mitklänge durch Gesichtsbilder erregt 42

b. Beispiele von ,, Substitutionen" 45

c. Substitutionen infolge lautlicher Ähnlichkeit ... 50

d. Substitutionen infolge begrifflicher Assoziation ... 52

4. Nachklänge Postpositionen 54

a. Schwebende Wortbilder 56

b. Nachklänge, Postpositionen von Wörtern und Silben 59

a. Aus der Rede des anderen 59

ß. Aus der eignen Rede 61

XVI

c. Nachklange, Postpositionen von Lauten 62 a. Aus der Rede des anderen ... . . 62 ß. Aus der eignen Rede 63

d. Nachklang von früher miterregten VV^ortbildern 69

e. Nachklang des Genus 70

f. Nachklang des Casus . 70

g. Nachklang des Numerus 70

h. Nachklang des Umlauts 71

i. Nachklang der Komparation .... .... 71

k. Nachklang des Tempus 71

1. Nachklang der Person 71

m. Nachklang der Negation 71

n. Nachklang der Quantität . . 72

o. Nachklang des Hiatus 72

5. Kontaminationen 72

a. Kontamination von Sätzen und Redensarten ... 73

b Kontamination von Wörtern 77

6. Sprechschwierigkeiten 83

a. Zögerndes Sprechen 83

b. Stottern 84

c. Stottern aus Vorwirkung 86

d. Stottern aus Nachwirkung 89

7. Dissimilationen 91

a. Leichte Dissimilation . . 93

b. Schwere Dissimilation 94

a. Aus Vonvirkung 94

ß. Aus Nachwirkung 96

c. Silbendissimilationen 98

a. Aus Vorwirkung 98

ß. Aus Nachwirkung 98

8. Silbenunterdrücknng (Entgleisungen) 99

9. Individuelle Wortverkürzungen 10 1 XO. Füllwörter 10 1

11. Bahnverlegting 105

a. Aulsuclien vergessener Wörter 107

12. Formausgleichnngen, Neubildungen 108

a. Ausgleichung des Umlauts 109

b. Ausgleichung des Ablauts iio

XVII

c. Ausgleichung unregelmässiger Formen .... 1 1 1

d. Ausgleichung des Genus 112

e* Ausgleichung von Suffixen 112

f. Ausgleichung des Sandhis 112

B. Das Versprechen der Kinder . . . 113

1. Vertauschnngen 113

2. Vorklänge, Antizipationen. 114

3. Nachklänge, Postpositionen 115

4. Mitklänge (und Kontaminationen) 116

a. Mitklang durch Gesichtsbild erregt 117

5. Schwebende Wortbilder 117

6. Substitutionen 118

7. Formausgleichungen, Neubildungen 118

C. Rückblick auf das Versprechen . . 121

D. Anhänge zum ersten Hauptstück . 129

1. Andere Arbeiten zum Versprechen 129

2. Das Verlesen 131

a Vertauschungen 132

b. Antizipationen 133

c Postpositionen 133

d. Kontaminationen 134

e. Substitutionen " 134

f. Dissimilationen 135

a. Silbenunterdrückung 135

g. Schwierigkeiten beim Lesen 135

h. Stottern und Stolpern 135

3. Das Verschreiben 136

a. Vertauschungen 137

b. Antizipationen 137

c Konzipationen 139

d Postpositionen 139

e. Kontaminationen 140

f Substitutionen 140

g. Entgleisungen 141

h. Schwierigkeiten 141

i. Dissimilationen 141

k. Umstellungen 141

XVIII

I. Doppelschreibiingen 142

m. Unterdrückungen 142

4. Das Verhören 142

5. Das Verhandeln 143

II. Hauptstück. Zur Kindersprache. A. Kinderbiographien.

1. Gretl M 145

2. Johannes M. 164

3. Martha M 181

4. Vika Cartellieri 196

5. Erich Reinitzer 205

B. Allgemeines zur Kindersprache . . 206

III. Hauptstück. Zum Nachahmungstrieb 231

I. Hauptstück.

Ä. Das Versprechen der Erwachsenen.

Vorbemerkungen.

„Über Kunst und Altertum" brachte 1820 im 2. Hefte des II. Bandes auf S. 177 185 einen kurzen Aufsatz Goethes „Hör-, Schreib- und Druckfehler" 1), der bis jetzt wenig- Auf- merksamkeit g-efunden zu haben scheint. Und doch ist diese Abhandlung- für Goethes Forscherlust und wissenschaftliche Beg-abung sehr bezeichnend. Verschiedene Erfahrungen hatten Goethes Aufmerksamkeit erregt, und die Lust, sie mitzuteilen, fand sich, als Goethe auch allgemeine Gesichtspunkte und Regeln zu ihrer Erklärung beibringen zu können glaubte. So war der erste Schritt zu einer wissenschaftlichen Tat ee- schehen.

Goethe hat vieles, namentlich von seinen wissenschaft- lichen Arbeiten, nicht selbst aufgezeichnet, sondern diktiert, ohne gleich die Zeit zu finden, das Niedergeschriebene durch- zusehen und zu bessern. Als er nach einiger Zeit solche Blätter und Hefte zur Hand nahm, fand er die merkwürdior- sten Fehler, welche oft die Sätze bis zur völligen Sinnlosig- keit entstellten.

Goethe forschte nun den Quellen dieser Irrtümer nach. Er fand sie: die undeutliche Aussprache des Sprechenden, das Ohr des Schreibenden und was das eigentlich Wich- tige und Wertvolle ist die eigenen Gedanken des Schreibenden, seine innere Sprache, die durch das Gehörte erregt wird.

M Vgl. Goethes Werke Hempel XXIX. Teil S. 255 ff.

Meringer, Aus dem Leben der Sprache. 1

2

Neben kleinlichen Bcmerkunsren gibt hier Goethe wieder Züg-e tiefsten und feinsten Erkenncns.

Es ist auftallend, dass Goethe nur den Anfang eines langen Weges gefunden, dass er neben den Hör-, Schreib- und Druckfehlern nicht auch die wichtigsten und lehrreichsten F"ehler, die Sprechfehler, das ,, Versprechen"'), bemerkt hat. Aber es ist wohl ebensogut möglich, dass Goethe, der schon so weit war, auch dieses bemerkt hat, dass aber zum Nieder- schreiben in einem so tatenreichen, von vielen Interessen erfüllten Leben sich die Gelegenheit nicht mehr einstellte.

Nur wenige Bemerkungen im Anschluss an Goethes Worte.

Wenn Goethe sagt: ., Niemand hört, als was er weiss: niemand vernimmt, als was er empfinden, imaginieren und denken kann," so ist das eine richtig erkannte Tatsache und lässt sich in bezug auf unser Thema in die Formel zu- sammenfassen, dass wir alles, was wir sehen, hören, sprechen, durch das Medium des früher Gesehenen, Gehörten, Ge- sprochenen sehen, hören, sprechen. Wenn dann Goethe fort- fährt: ,,Wer keine Schulstudien hat, kommt in den Fall, alle lateinische und griechische Ausdrücke in bekannte deutsche umzusetzen," so streift hier Goethe das der Philologie wohl- bekannte Thema der Volksetymologie (V. u. V. S. 76). Zu den Worten Goethes: „Ferner kommt aucii wohl beim Diktieren der Fall vor, dass der Hörer seine inwohnende Neigung. Leidenschaft und Bedürfnis an die Stelle des Gehörten setzt" vergleiche man unten die Zusammenstellungen unter dem Titel: ,. Mitklänge eines miterregten Wortbildes." Goethes Beispiele von Hörfehlern fallen unter die Gesichts- punkte, die in V. und V. S 157 dargelegt wurden. Bei seiner Liste von ,, Druck- und Schreibfehlern aus Unachtsamkeit" habe ich den Eindruck, dass sie klare Lese- und Abschreib- Ichler sind, also auf optischem Gebiete zu erklären sind.

') So sage ich statt ..Das Sichversprechen''. Naturforscher und Ärzte gestatten sich oft genug solche Neubildungen. Meine Abkürzung hat auch keinen Widerspruch gefunden.

Kaum ein Fehler ist darunter, der beim Schreiben aus dem eig-enen Kopfe heraus entstanden sein könnte, d. h. durch Versprechen der inneren Sprache (V. und V. S. 99). Ich verweise nur auf Furchtbarkeit statt F'ruchtbarkeit, was als Lesefehler häufig g"enug ist, als Sprechfehler aber nach meiner Erfahrung nicht vorkommt.

Als ,, Versprechen und Verlesen" im Jahre 1895 erschien, konnte ich darauf verweisen, dass sich die Ergebnisse auf sechsjährige Beobachtungen meinerseits imd zweijährige Mit- hilfe C. Mayers stützen. Ich habe aber auch nach dem Er- scheinen der Arbeit nicht aufgehört, weiter zu beobachten.

Und auch die folgenden langen Jahre haben mir meine damals niedergelegten Regeln nur bestätigt. Der Zufall ist beim Versprechen vollkommen ausgeschlossen, das \"er- sprechen ist geregelt.

Diese Tatsache ist keine folgenlose. Wenn das Ver- sprechen gewissen Regeln folgt, dann ist es der Ausfluss konstanter, immer vorhandener Ursachen, und wir können in einen Sprechmechanismus hineinblicken, der uns ohne das Versprechen vollkommen geheimnisvoll geblieben wäre. Geht das Versprechen weiter aus konstanten psychischen Kräften hervor, dann können Erscheinungen desselben sich auch dauernd in eine Sprache einnisten, d. h. zu neuen Sprach- gepflogenheiten führen.

Ein missgünstiger Beurteiler von V. und V. machte die Bemerkung, dass ein Teil des Materials von Männern herrühre, deren Muttersprache nicht deutsch sei. Das ändert an der Sache gar nichts, denn die betreffenden Herren sprechen alle sehr gut deutsch. Der Prozentsatz dieser Beispiele kommt aber gar nicht in Betracht.

Ich habe die Regelung des Versprechens an der deutschen

Verkehrssprache erwiesen. Aus diesem Nachweise folgt ohne

weiteres, dass das Versprechen in jeder Sprache geregelt

sein müsse, allerdings nach Regeln, die nicht durchaus den

an der deutschen Verkehrssprache gewonnenen entsprechen

müssen. Sprachen mit ähnlichem Charakter werden ähnliche

Regeln zeigen.

1*

Meine Hoffnung, dass auch in anderen Sprachen Samm- lungen von Sprech fehlem gemacht werden, hat sich nur in geringem Masse erfüllt. Man kann nur in seiner Mutter- sprache solche Beobachtungen mit der nötigen Gewissen- haftigkeit und mit Aussicht auf Erfolg machen, und deshalb ist niemand in der Lage, diese Arbeit für andere Sprachen zu leisten.

Die Schwierigkeiten solcher Beobachtungen sind auch in der Muttersprache sehr gross, und es scheint, dass nur wenig Menschen dazu die Veranlagung haben. Aber die Klage über die mangelnde Fähigkeit zu sehen und zu hören im höheren Sinne ist ja eine allgemeine, und man macht dafür die Schule verantwortlich. Es mag etwas Wahres an diesem grossen Vorwurf sein. Jedenfalls muss diese natür- liche Fähigkeit des Menschen wieder zurückerobert werden. Bis jetzt gilt der Satz: qitod non est in actis, non est in mundo leider auch vielfach vom Gelehrten. Was nicht in den Büchern steht, das wird wenig berücksichtigt. Aber wie wenig von der Welt der Tatsachen steht bis jetzt in den Büchern!

Kaum war V. und V. ausgegeben, als das Werk des französischen Gelehrten M. Grammont: La dissimilation con- sonantique dans les langues Indo-europeennes et datis les lan- yues Bo)nanes Dijon 1895 erschien. Auch er kam durch die merkwürdige Erscheinung der Dissimilation zur Beob- achtung des Versprechens: Ce phenomhie est beaucoup plus frequent qu!on ne pense. Voici les exemples que fai entendus en irois jours: „Je vais taire du /e" pour „je vais faire du the"' „iZ ny a rien qui vous soüle comme de Vahsinthe apres une biere^ pour „il n'y a rien qui vous soule comme une absinthe apres de la biere^ „Je ne sais pas la teile cest qui est combee"^ pour „Je ne sais pas laquelle cest qui est tombee usw. La question detnande des recherches plus appro- fotulies schliesst M. Grammont S. iSs-

Dieser sein Wunsch war schon erfüllt, ehe Grammonts Buch erschienen war, allerdings nur für das Deutsche.

Die mangelnde Freude am Beobachten mag noch einen

anderen Grund haben, und ich denke, B. Delbrück hat ihn läng-st richtig- erkannt: ,,Dem g-egenüber hat dasjenige, was wir tägHch an uns selbst und anderen beobachten können, zwar den Nachteil der Trivialität gegen sich, hat aber für sich den Vorteil von jedem kontrolliert werden zu können" sagt er S. B. der Jenaischen Ges. f. Med. u. Nat. 1887 S. 92. Das wird's wohl sein: Die Beschäftigung mit solchen Dingen erscheint trivial gegenüber dem, was der ,, heilige Bronnen" des Pergaments spendet.

Aber die Schwierigkeit der Beobachtung wird doch wohl der Hauptgrund sein, warum meine Anregung so wenig Nach- folgerschaft gefunden hat. Wer wirklich Erfolg haben will, der muss die Fähigkeit besitzen, sich in jeder Lage so weit zu objektivieren, dass er trotz der Anteilnahme doch nie ganz in der Situation aufgeht. Und das ist allerdings sehr schwer, denn ein lebhaftes Gespräch, eine leidenschaftliche Situation gerade die günstigsten Bedingungen, um die Sprache in ihrer Blüte zu beobachten ziehen uns leicht zu sehr hinein, so dass das gesprochene Wort überhaupt nicht mehr genau vernommen wird, sondern nur mehr der Satz, der Sinn der Rede, der Gegenstand, um den es sich handelt. Da kommt es nun sehr häufig vor, dass einer sich verspricht, und dass weder er noch einer der Zuhörer etwas merkt.

Dass ich und C. Mayer die Regeln haben erfassen können, das danken wir unserer damaligen Junggesellen- Tafelrunde. Diese war so tolerant gegen uns, dass sie uns ieden Gefallen erwies. Nie durfte mehr als einer reden, und hatte sich jemand versprochen, dann durften wir sofort das ganze Gespräch zum Stillstand bringen, und das so lange, bis der Fall genau konstatiert und rubriziert war. Wenige Menschen lassen sich solchen Zwang gefallen.

Die Redensarten, die der Mann, der einen neuen Weg geht, über sich ergehen lassen muss, sind auch mir nicht erspart geblieben. Ich möchte daraus nur den Einwand her- vorheben, dass das Versprechen mehr ein Fehler der Ge- bildeten, weit voraus denkenden Menschen zu sein scheint. Ich habe in V. und V. S. 164 es für möglich erachtet, dass

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graduelle Unterschiede zwischen dem \'ersprechen der Ge- bildeten und der Bauern beständen. Nach meinen Beob- achtungen der folgenden Jahre kann aber auch davon keine Rede sein: Das Versprechen ist eine gewöhnliche Erscheinug vom Kindesaltcr bis zum Greisenalter, niemand ist dagegen gefeit, am wenigsten ein ganzer Stand. In dieser neuen Sammlung sind alle menschlichen Alter und ebenso Stände vertreten, Kinder, Erwachsene, Greise Gelehrte, Künstler, Diplomaten, Politiker, Handwerker, Mägde, Kellner, Schul- diener, Bauern usw.

Einige Bauernfehler, die C. Mayer noch 1895 im Sommer gesammelt, zitiere ich gleich hier.

,,. . bei einem Blauern . . Bauern bleibt . ." (erleichterter Vorklang; alter Jäger).

., . . ist hunter . . hinter der Kugel . ." (Anticip.; Gebirgsjäger, ungebildet).

„Ich war' im zweiten Stock oben und bin fast über fünf Stock gerutscht . ." für ,,. . fünf Stufen . ." (Erleichterter Nachklang; Amme, Bäuerin aus Iglau).

In V. und V. S. 167 habe ich das Versprechen zitiert „Sohne . . Söhne" (Prof. G. Anton), also eine klare Beein- flussung des Plurals durch den Singular^). Der umgekehrte Fall liegt vor in „KWder . . Kloster'', wo der Plural den Singular beeinflusst hat. Im wesentlichen kommt es auf das- selbe hinaus. Man sieht also, dass hier sich der Professor der Psychiatrie und ein Landstreicher, der mir in der Nähe von Sterzing unerbetenes Geleite gab, prinzipiell identisch versprechen. Den Fehler „. . in den Klostern . . Klöstern . ." hörte ich noch 1895 in Friedberg von einer wenig gebildeten Beamtenfrau. (Unten sind weitere Belege für dasselbe Ver- sprechen). Ebenda fragte ich einen alten Lederermeister, ob er Familie ha^e. „Ja, aber eine kleine, ah\ grössere," ant- wortete er.

Den Ausgleichungen durch Analogie habe ich schon

') Bei ,.Sohne . . Söhne" ist das zweite Wort die Korrektur. Ebenso bei dem folgendea Beispiel.

V. und V. S. i66 eine kleine Zusammenstellung- g-ewidmet. Es leuchtet ja ein, dass jede Analog-iebildung- lange Zeit nur Versprechen war, bevor sie Regel wurde. Ich habe als eine solche subjektive Momentan- Analogiebildung zitiert: y^Hier esst man^' statt ,,. . isst . ." nach „ich esse'^ usw. Da konnte nun V. Grienberger nicht umhin, mich zu belehren, dass das von mir gesprochene ,,esst'^ die mir bekannte judendeutsche Form sei. Von Grienbergers Erklärung hätte einen Sinn, wenn ich selbst Jude wäre und noch dazu in einer mau- schelnden Umgebung aufgewachsen wäre. Da ich aber spät erst, als vollkommen Erwachsener, das Judendeutsch, und zwar nicht das echte, sondern das, wie es in Wien von den gebildeten Juden scherzhaft nachgeahmt wird, kennen lernte, so ist eine solche Erklärung ausgeschlossen. Ich erwähne den Fall bloss als Muster einer Art rascher Hypothesen, die uns nicht fördern können.

Unten findet man denselben Fehler ,,esst"' für ,^isst"' mit der Marke meiner Frau, die ihn mehrere Jahre nach mir beging.

Schon G. V. d. Gabelentz, Die Sprachwissenschaft 1891, S. 45 hat Wert und Bedeutung der Momentanbildungen richtig- erkannt. Eine längere Stelle lässt darüber gar keinen Zweifel aufkommen. Ich erlaube mir sie zu reproduzieren:

,,. . jene grammatischen Veränderungen, die keiner Sprache erspart bleiben, was waren sie ursprünglich anderes als gram- matische Fehler? . . Heute sagt und schreibt man unbedenk- lich: „er frug^'', statt ,,er fragte'\ Der aber zuerst so gesagt hat, der hat falsch gesprochen, gerade so falsch, wie ein Kind, das etwa sagt: Ich habe die Tasse ausgetrinkt. Man versteht, wie das Kind dazu kommt, die leicht bildbare Form der schwachen Verba über Gebühr auszudehnen ; und wiederum versteht man es, warum etwa ein ungebildeter Norddeutscher sagt „gewunken^' statt „geivinJct"'. In beiden Fällen hat die Analogie gewirkt. Schwerer begreift man, warum ein Teil der Fehler nachträglich durch den allgemeinen Gebrauch geheiligt wird, der andere nicht.''

Auch die Bedeutung des Versprechens für die Lautlehre

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hat V. d. Gabclentz richtig- erkannt und erklärt (S. 37), dass die Fehler, die wir beim raschen Sprechen schwierig-er Sätze machen (z. B. bei „Fischers Fritz frisst frische Fische''^) vor- bildhch für manche Erscheinung-en des gcschiclitlichen Laut- wandels sind.

Ich verweise mit Gcnu^tuung^ auf diese vier Jahre vor V. und V. tredruckten Worte v. d. Gabclentz. Sie decken sich mit den von mir vertretenen Meinungen.

In allem Wesenthchen haben sich meine Regeln über das Versprechen bewährt. Nur ein einzig-es Mal haben sie mich im Stiche g-elassen. Ich war Juli 1895 in Deutsch- Altenburg; (Carnuntum) in einem Wirtshausg-arten, wo ein fahrender Zauberer und ,,Prestidigitateur'* seine Wunder mit einem grossen Wortschwalle beg-leitete. Seine Fehler spotteten aller Reg-eln. Es waren aber auch bedeutende Komplikationen im Spiele. Er hatte hochdeutsche Redensarten auswendig gelernt, ohne der Grammatik auch nur entfernt Herr zu sein. Dazu kam seine Befangenheit und die Ablenkung, weil er während des Redens doch den besten Teil seines Könnens vorbringen musste. Eine Unzahl ,, schwebender Wortbilder" flog also gewiss dem aufgeregten und eine ihm unnatürliche Sprache sprechenden Manne durch den Kopf, so dass ein Kauderwelsch von verhaspelten und verstotterten Sätzen zum Vorschein kam, das sich auch durch das rasende Sprechtempo der Fixierung entzog.

Nicht dieselben aber ähnliche Erfahrungen machte ich im September 1895 an einem Fremdenführer auf dem Hrad- schin in Prag. Er leierte seine Erklärung so geistesabwesend her, dass es unmöglich war, seine Fehler aufzuzeichnen und seine Nebengedanken zu kontrollieren.

Sehr viel an Versprechen leistete auch W. Ostwald auf einer Festkneipe in Salzburg 1905. Leider sass ich zu weit weg, um verlässliche Aufzeichnungen machen zu können. Ostwald war aber an jenem Abend gewiss körperlich nicht ganz wohl: er verliess auch den Kommers nach seiner Rede.

Als Resultat meiner Beobachtungen habe ich in V. und V. S. 164 folgende Sätze aufgestellt:

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,,Die Laute der inneren Sprache sind ung^l eich wertig-. Bei einem Laute, der eben gesprochen wird, khngen alle bereits zu sprechen beabsichtigten, gleichwertigen vor, die zuletzt gesprochenen gleichwertigen (allerdings etwas schwächer) nach, so dass diese Laute fehlerhaft jederzeit für den beab- sichtigten eintreten können."

Ich habe dieses Resultat dann in einem Schema ver- deutlicht, das ich hier wiederhole. Ich bemerke, dass von den unter einem Laute stehenden anderen die linken die Vor- klänge, die rechten die Nachklänge bedeuten.

Etwas ist

f

au

1

im

St

aa

te

D

ä

ne

m

ar

st,-

aa,-

te,—

D,f

ä, au

ne, ]

m, St

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ks.te

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D.-

ä,

ne,—

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ar,-

ks,—

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-, 1

,st

,aa

m,

ar,—

ks,—

f

,au

ks

-. nc -, te

1

Zum ersten Male war die Tatsache konstatiert, dass alle Laute eines Satzes in Beziehungen zueinander stehen, und waren die Regeln dafür gegeben. Ein Sprechmechanismus war damit enthüllt, von dem niemand etwas geahnt hatte. Wir wussten aus der Geschichte der Sprachen, dass neben- einander stehende Laute sich beeinflussen, ja dass sogar nicht nebeneinander stehende Laute desselben Wortes auf einander wirken können („Fernassimilation" und ,, Ferndissimilation"). Aber dass Laute verschiedener Wörter so heftig aufeinander einwirken können, dass sie ihre Plätze tauschen, oder dass einer ganz verdrängt wird, das lernten wir erst aus dem Ver- sprechen.

Man spricht öfter von allmählichem und momentanem Lautwandel.

Den letzteren findet man z. B. in BptjcpaxTo? für *SpucppaxToc usw. Aber auch dieser Übergang ist kein plötzlicher ge- wesen. Erst allmählich hat das erste p das zweite verdrängt, zuerst erschien die versprochene Form Bpyoax-o? vereinzelt, dann immer häufiger.

Und hier, in bezug auf die Ferndissimilation, hat schon V. und V. ein Resultat gebracht, das ich zu zaghaft, S. 190, angedeutet habe. Ich wundere mich, wenn ich heute noch lese, die Dissimilation sei nicht erklärt. Eher als irgend

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eine sprachliche Erscheinung ist gerade sie erklärt, im Leben beobachtet und bestimmt worden. Gerade das Rätsel von Bp'j^axTo? für *Bpu(ppaxTO(; ist gelöst Ich wiederhole die in Betracht kommenden Beobachtungen.

1. Salomon Stricker bemerkte beim stillen Sprechen, dass er nicht ,. Roland der Riese'' denke, sondern ,^Roland der lese'', ohne R im Anlaute also,

2. Ich habe beobachtet, dass in Wörtern der Form ^.Friedrich"'' häufig bei einem der r gestottert wird; es macht Schwierigkeiten und erscheint als ein rr.

3. Ich habe weiter beobachtet, dass statt der Sprech- schwierigkeiten oder des Stotterns einfach Ausfall eines der beiden r erscheint; es treten die Formen „Fiedrich" oder „Friedich'' auf.

Wie kann man also noch sagen, dass das Rätsel von BprpaxTO? nicht gelöst sei! Ich denke, wir könnten es als eine Art Ideal empfinden, wenn wir überall so weit gekommen wären •).

Wenn mich etwas über die Richtigkeit meiner Beob- achtungen beruhigen kann, so ist es die Tatsache, dass ich im Laufe der Jahre viele Versprechen zu wiederholten Malen gehört habe. Namentlich die Analogiebildungen, die ich V. und V. S, 166 ff. charakterisiert habe, wiederholen sich, und ich glaube, dass die weitere Entwicklung des Deutschen den Ablaut, Umlaut und dergleichen Erscheinungen immer mehr befehden wird. Die Überführung der starken Zeitwörter in die schwache Konjugation dürfte sich in ähnlicher Weise, wie im Englischen ausbreiten.

Ich will hier eine klare Äusserung über das, was uns das Versprechen für die Erklärung der historischen lautlichen Veränderungen nützen kann, abgeben.

') Die Arbeiten von Hoffmann-Krayer, Festschrift zur 49. Ver- sammlung deutscher Schulmänner und Philologen S. 491 II., und Edward Schröder, Blachfeld, Nachrichten der k. Gesellschaft der Wissenschaften, Göttingen, Phil Hist. Kl. 190S S. 15 ff., habe ich erst nach Abschluss des Manuskripts zu Gesicht bekommen.

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Für die Fernwirkung- der Laute aufeinander bietet uns das Versprechen g-ute Analogien. Für die grosse Masse der Lautübergäng-e z. B. für die Frage, warum ist indogermanisch b zu germanisch p geworden, kann uns das Versprechen nichts lehren. Diese zeitlich begrenzten Lautvvandlungen haben ihre wandelnden Ursachen. Die Bedingungen für das Versprechen sind konstant, nicht wechselnd. Über die Ur- sachen des zeitlich begrenzten Lautwandels wollen wir beim Nachahmungstrieb in der Sprache sprechen.

Ich behalte im folgenden meine alten Rubriken der Sprechfehler im wesentlichen bei. Es sind zwar verschiedene Vorschläge zu anderen Einteilungen gemacht worden, aber ich sehe nicht, dass diese besser wären. Meine Einteilung wird gewiss einem tieferen Eindringen nicht im Wege stehen, und deshalb sehe ich keinen Grund, davon abzuweichen.

1. Vertauschungen.

Ich wiederhole das Schema für die lautlichen Ver- tauschungen vgl. V. und V. S. 28 ij.

Elroas ist faul im Staate D cinctnarhs.

^^ »- +6- -i-6 ie +6x0+67

Die normalen Vertauschungen sind dadurch charakterisiert, dass Teile des Satzes, ein oder mehrere Laute oder ganze Wörter miteinander den Platz tauschen. Es geschieht aber öfter, dass der Sprechende den Fehler insoweit rechtzeitig

') -\- bedeutet den Anlaut hochbetonter Silben d. h. solcher, die den Hauptakzent oder einen starken Nebenakzent tragen.

X bedeutet den Anlaut aller anderen Silben.

6 bedeutet den Vokal oder Diphthong der -hochbetonten Silben.

bedeutet den Silbenauslaut der betonten Silben.

0 bedeutet den Auslaut unbetonter Silben.

Dort, wo Wörter oder Silben vertauscht werden, ist ebenso Gleich- wertigkeit Bedingung; d. h. es werden bloss betonte mit betonten, unbetonte mit unbetonten vertauscht.

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bemerkt, dass das sich von vorne nach rückwärts bewegende Wort oder der Laut nicht mehr an den neuen Platz gelangt. Eine solche teilweise korrigierte Vertauschung sieht genau wie eine Antizipation aus.

Nur gleichwertige Laute (oder Wörter) können mitein- ander vertauscht werden. Anlaut und Auslaut sind aber keineswegs gleichwertig, und deshalb ist der nicht seltene Sprechfehler „ScJiiff"' für „Flsch"^ und umgekehrt durchaus nicht eine Vertauschuug, sondern eine echte „Substitution" (vgl. V. und V. I, S. 24, 76), veranlasst durch den Mitklang des dem Klange und der Bedeutung nach so nahe stehenden Wortes.

Merkwürdig erschien mir, dass ich mehrfach ^Ijefestigen'''^ für „bcschäftäjen^ hörte. Vgl. unter Substitutionen. Wir haben es aber gewiss nicht mit einer V^ertauschung von „schaff'' zu ,,fäsch^'^ und Entgleisung in die ausgefahrene Bahn von „befestigen"' zu tun. Die Sache liegt vielmehr so: he- scliäftigen'^ zieht ,.sich befassen mit"' über die Schwelle des Bewusstseins und das Kontaminationsprodukt beider ist „6^^- festigen'*, und das erscheint, so wenig es auch in den Sinn des Satzes passt^).

Dagegen habe ich wieder beobachtet, dass 0 und g, mit- einander vertauscht werden können, auch wenn sie nicht gleichwertig sind. Ich habe V. und V. S. 25 y,Gebabung'* für y^Begabung'"'' mir aus der Gleichwertigkeit des Wortanlauts mit dem Anlaut der Wurzelsilbe erklärt Das ist aber un- möglich richtig, denn einen Fehler y^liegören"- für „gehören^, der dann auch erscheinen müsste, gibt es absolut nicht. Die einzelnen beobachteten Fälle sind (vgl. dazu V. und V. S. 21):

„geba . . begann"' (Kain)

') Einen Fall habe ich beobachtet, der wie eine (korrigierte) Ver- tauschung von An- und Auslaut aussieht. Detter sagte einmal: ,,Was soll da schäcksisch (schächsisch) sein.-'' für: „. . säcksisch (sächsisch) . ." Aber die verschiedentlichen s und seh haben hier ein Stottern verursacht, das Wort wurde nicht im gewöhnlichen Redefluss gesprochen und damit war die Wertig- keit der Laute verändert.

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„D/e GeschicJde der Schrift bei den Germanen gehinnP'- für „. . heginnf^ (Dr. Bein)

„geh . . . begreiflich'^ (Me)

„Begäck'' für „Gebäck'' (Maler Vita)

y,Begrauch ..." für „. . . Gebmuch ..."

,, . . Beg . . Beg . . Gebiet . ." (Frau Rosa Mayreder).

. . der Bru . . der Gruber . ." (Me). Ich weiss nicht bestimmt, ob ich „Brug-er" sagen wollte.

„. . Vabagund . ." für „. . Vagabund . ." (Prof. Wag-ner V. Jauregg^). Der Fall beweist nichts, weil in einem solchen Fremdwort auch andere Konsonanten in diesen Stellungen die Plätze tauschen könnten.

Der merkwürdigste Fall ist „vergoben'"'- für „verbogen''- , den ein 3y2Jährig-er Knabe leistete. S. unten „Das Ver- sprechen der Kinder'^

Meine Gretl sagte 9 jährig-: „gebossen'' für „begossen''. Meine Frau verlas einmal „Gebehr" für „Begehr'*.

Wieso gerade b und g die Reg"eln durchbrechen können, ist mir heute ebenso unklar wie vor Jahren. Ich dachte eine Zeitlang- daran, dass der Grund dieser Vertauschungen in dem Nebeneinandervorkommen der häufigen Vorsilben fec- und ge- liegt, aber „vergoben" spricht gegen diese Erklärung

Ich habe in V. und V. S. 82 auf die merkwürdige, aber vereinzelte Konsonantenvertauschung „Skenien" für ,,Xenien" hingewiesen. Und so findet sich auch ein meinen Regeln widersprechendes „Nesf für „Netz", das ich doch in den vielen Jahren meiner Beobachtung immerhin einige wenige Male gehört habe. Vielleicht ist es auch hier die grosse Ähn- lichkeit der Wörter, die den Anstoss zur Vertauschung gab, wie bei „Schifft' und „Fisch".

Sehr sonderbar ist, dass Vertauschungen manchmal gar nicht als Fehler empfunden werden. Wunderlich, Umgangs- sprache S. 218 zitiert: „schieb mer mol helfe" für ,,hilf mir mal schieben", „siverd anfange Icalt" für ,,es fängt an kalt zu werden" (V. und V. S. 26).

Den folgenden höchst merkwürdigen Fall verdanke ich der Güte meines Kollegen K. Strekelj.

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Stari pisci hrvatski XVI II. Pjcsni raziike Dinka Raiiine, pg. XVII der Einleitung- schreibt der Herausgeber M. Valjavec:

,,Das übrige unbeachtet lassend, will ich nur eine Eigen- tümlichkeit in Raninas Sprache hervorheben, da ich mich nicht erinnere, sie irgendwo sonst gelesen zu haben, und welche auch Petraciö (im Programm des Zengger Gymnasiums 1862) berührt hat, nämlich die, dass Ranina bisweilen das Verbum fmitum mit dem Infmitiv vertauscht z. B. it dize statt ide dici (er hebt gehen statt er geht heben) 125,1; it prosu statt idem prositi (ich bitte gehen statt ich gehe bitten) 137,1; it stuju statt idu stovati sie achten zu gehen (= sich anzuschicken) statt sie schicken sich an zu achten) 143,3; se it nc mori statt ne ide se moriti (er sich nicht quält zu gehen statt er geht sich nicht quälen) 145,5; it mece statt ide metati (sie wirft gehen statt sie geht werfen) 296,4; cinit zive statt eine ziviti (sie lebten machen statt sie machten leben) 145,67; cin't vene statt cini venuti (die Stimme schwindet machen statt macht schwinden) 312,2; cin't pati statt cini patiti (sie erduldet machen statt sie macht erdulden) 221,7; ^•'^'^ stvori statt cini stvoriti ^sie verwandelt machen statt sie macht verwandeln) 312,7; govor stat pravi statt stane praviti (sie hält die Rede zu beginnen statt sie beginnt die Rede zu halten) 322,5; cuti rjeh statt cuh riti (ich sagte hören statt ich hörte sagen) 99,1 und 400,105; silit se dobude statt sili se dobiti (er gewinne sich zu trachten statt er trachte sich zu gewinnen); doc umori statt dode umoriti (sie tötet zu kommen statt sie kommt zu töten) 354,34; viditi odiru statt vide odirati (sie plünderten zu sehen statt sie sahen plündern) 368,13s; cin't' sgine statt cini sginuti (sie verschwindet machen statt sie macht verschwinden) 400,57; ako bi viditi gdigod se sgodilo statt ako bi se vidjelo gdigod se sgoditi (statt ,,wenn es dir scheinen sollte, dass es sich zuweilen trifft", ist gesagt, ,,wenn es sich dir zuweilen treftcn sollte zu scheinen'') (Lied an Miho Mencetic;. Das ist eine ungewöhnliche merkwürdige Konstruktion. Wie ist sie entstanden? Ich möchte sagen, auf folgende Weise: Der Mensch verspricht sich bisweilen unwillkürlich, wie sich jener versprochen hat, der den i. Vers

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der ersten Eclog-e Verg-ils so rezitierte: Tityre, tu patulae recubans sub fagmine tcgl statt tegmine fagi, oder jener, der sagte po cijedi mu se pobradilo statt po bradi mu se pocije- dilo. So konnte sich auch Ranina versprechen, und er hat unwillkürlich aufgeschrieben: l'ubav bogove u zviri cin't stvori, statt cini stvoriti (die Liebe verwandelt Götter sich in Tiere zu machen statt macht Götter sich in Tiere verwandeln (312). Ein solche Konstruktion hat ihm, als er sie bemerkte, vielleicht gefallen, und er hat sie später öfters absichtlich angewendet."

Ein ähnlicher Fall bei Schiller VVallensteins Tod 3. Aufz. 12. Auft. Hempel 4 S. 181:

Gräfin: früher, später muss

Sie's doch vernehmen lernen und ertragen, eine klare Ver- tauschung für „. . . vernehmen und ertragen Jemen .^^

a. Vertauschungen von Wörtern. Vgl. V. und V. S. I3ft'. '

„. . nicht ein Hufpferdschlag . ." (Reg. R. zweimal ge- sagt, ohne Korrektur).

„. . im Anfang der Jahrsechs' ger . ." für „. . sechziger Jahre . ."

„. . Vorstandklinik . ." für „. . Klinikvorstand . ." (Mej.

„. . dreizehnhunderta . . achtzehnhundertdrei . ." (Mu).

^.Das ist in hohem Fall der Mass."' Dann Korrektur. (Me).

„. . mit dem Faust in der Schliert . ." sagt v. Lie., korrigierte aber dann lachend.

„. . mit tvas ich von dem Manne sprechen solV' (Minor). Nicht korr.

„. . so zu getraun behandelt . ." für „. . so zu be- handeln getraut . ." (Me). Das falsche Wort enthält aber die Kennzeichen der grammatischen Funktion, die der Stelle entspricht. Die Regel darüber in V. und V. S. 14.

Ebenso zu erklären sind die folgenden Fälle.

„. . ein dumm genuger 3fensch . ." für „. . ein genug dummer Mensch . ." (Me).

„/S'^e dumm und frech zugleicher JungeV' poltert ein Lehrer für ^ßie dtmim und zugleich frecher Junge !'^

n

IH

,Sie zechen Prelle . . sie prellen Zecht"' (K. Grünberg). bis ers hd Dir abholt . . . bis Dus bei ihm ab- holst.'' (Me).

„. . ich vermisse eine Kette in dem Gliede der Schluss- foUfertinyen.'^ (Wassmut; mittags). Nicht korr. Beachte die richtigen Artikel.

„. . am Hinge Finger . ." für „. . Hinge an den Fingern . ." (F. Marx).

y,Wennich die Herren dürften bitte. .",für „. . bitten dürfte . .^ (Heberdey ref.).

„Man hat nicht umsonst einen Vater zum Seltionschef . ." (v. Grienberger ref.).

„. . und sich auch jetzt zu weigern tue (kopfschüttelnd) SU tun weigere"' (xMu).

„Antiquar Reiter in der Pfeifschulgasse . ." für „A Pfeifer in der' Reit schulgasse . ." (Prof. H. Gross ref.).

Prof. H. Gross hat in seiner früheren richterlichen Tätig- keit beobachtet, dass das Wort ViehjJassjuxtahefte in folgenden Veränderungen erscheint „Fixtenpasserhcftenvieher'', y,Juckrnvieheri)asshefte'^, Viehjuxtapasshcfte^^ . Bei den ersten zwei Varianten scheinen aber die unbetonten Silben die Wörter wurden ja dialektisch ausgesprochen nicht richtig wiedergegeben zu sein.

„. . Brief geld und bare Marken . ." für ^. . Briefmarken und Bargeld . ." oder für „. . Bargeld und Briefmarken . ." (H. Gross ref.).

y. Hören Sie, das ist zu brav, dass Sie Hiren argen Vater verdächtigen!^ für „. . . arg, . . . braven . ./" (H. Gross ref.).

,.^Saaldiencr, knoten Sie mir diesen Löser auf!^ für „. . lösen . . . Knoten . .'" (H. Gross ref.).

„. . auf die einfachste Welt von der Weise . ." (Schau- spieler Reimers). Vertauschung durch gleichen Anlaut er- leichtert.

,.,Da hast Du jemand vor der Tür die Nase zugemacht'^ (Me).

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Ein andermal sagt meine Frau: „2)/(^ haut jedem die Nase vor der Tür zul'*

„. . beliehen den Bang ihrer Gehalts Masse . ," (Me).

„. . der Lohnt Len . ." für ,.. . der Leni Lohn . ." (Ri).

„. . mir hahens die Stimmbänder auf dem Polypen operiert'"'' für „. . . den Polyp auf den Stimmbändern'-'- (Mu).

,,Äsche ihrer Friede! . . Friede ilirer Aschel'-^ sagte ein Schuldirektor.

y,Ich nehme mir ein Hotel im Zimmer"- (Herr Krön).

„. . funktionärlicher Staatsanwalt . ." für „. . staats- anwaltlicher Funktionär . ." (Landgerichtsrat P.)

y,Das ist ein Panzenschupp . . Schuppenpanzer . ." (Me).

„. . 7nan sagt, er soll . ." für „. .er sagt, man soll. ." (Ri). Nicht bemerkt, aber zugegeben, als ich die Sprecherin aufmerksam machte.

„Steck den Mund nicht in den Finger !"^ befahl eine Frau ihrem Söhnchen. Ein andermal sagte dieselbe: ,.Half den 31 und vor . ." Hier unterbrach sie sich und sa^te lachend

O 7

sie habe jetzt sagen wollen: „Halt den Mund vor die Hand!'-'

„. . ivie die Dir kleine . ." für „. . ivie Dir die kleine . ." (Me).

„. . Mann an {Mangel) . ." wollte Detter sagen für ,, . . Mangel an Mann . ."

„. . Packhölzl . . Sireifhölzlpackl . ." (Me). Ich habe Packhölzistreif l" sagen wollen.

„Das tut sie nie, duss sie trinkt, nachdem sie schreit'-' für „. . schreit, . . trinkf* (d. h. getrunken hat), sagte meine Frau von unserem Kinde Gr., ohne den Fehler zu bemerken.

„. . weil ich schon iceiss, ivas mich auf morgen wartef-' für „. . morgen auf mich'* (Cornu). Nicht korr.

„. . ist die Frau meiner Schwester . ." Erst aufmerk- sam gemacht korrigierte ich ganz mechanisch ,,. . Schwester meiner Frau . ."

,,Es war ein Jahrwespen, ein Jahrivespen . ." sagt Cornu. Ich korrigiere leise: „ein Wespenjahr". Cornu wiederholt es richtig, anscheinend ohne zu merken, dass er früher anders gesagt.

Meringer, Aus dem Leben der Spracbe. 2

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,,Es Icommcn von allen Leuten Seite . . von allen Seiten Leute'''' (Me) ^l^io Uhr morgens.

,,/c/t glaubte, Sie kriegen das Jliriidl mit Niern so hold . ." sagt Dr. H. Reichelt zu mir V2'^ Uhr vorm. ,,Nierndln mit Hirn" ist bei uns eine beliebte Speise.

,,. . die lodernde Wahr . ." für ,,. . nähernde Lohe . ." (Cornu).

b. Vertauschungen von Silben. Vgl. V. und V. S. i8.

Dr. Tomaseth sagte zweimal richtig: y^Bringen Sie mir ein Achtel Weiss wein!^ Als der Kellner noch immer nicht reagiert, sagt er: „. . ein weissei Acht wein.'"'

„. . ivenn es anzuwerden schön fängt . .'' für „. . schön zu werden anfängt . ." (Me). Man beachte, dass die ver- tauschten Silben hochtonig sind.

„. . hlanolt und stanivunzi . ." sagte ich dial. für „. . steinalt und kleinwinzig . ." (in Jlidze bei heissem Wetter).

,,. . Versitzung und Erjährung . ." Nicht korr. (Hofr. Schima ref.).

,,. . in geheimer Ahschliessung bestimmen . ." für „. . in geheimer Abstimmung heschliessen . .' (M. H. Jellinek).

,,. . das fahrradende Publikum . ." für „. . rad- fahrende . /' (Mu). Die Vertauschung ist hier wie oft da- durch erleichtert, dass das neue falsche Wort an etwas Bestehendes anklingt; vgl. Fahrrad.

,,. . insofall gihfs einen Zufern . .*' für ,,. . inso- fern . . . Zufall . ." (Me. Müde im Eisenbahnwaggon). Vertauschung erleichtert durch die beiderseitigen /".

„Ich tvar daraus auf Käfer zu suchen^' (Mu ref.).

„Waga Berthula . ." für ,,. . Bertha Wagula . ." (H. Gross ref.).

Das Wort ,,unzurechnungsfähig''' erscheint nach H. Gross als ,.rechnungsunzufähig'^, ,,unrechnungszufdhig", „zurechnungs- unfähig^'.

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G. Habcrlandt schloss als Dekan eine Fakultätssitzuiiy mit den Worten: ^,Icli sitze die Schliessung.^' (7^2 1902: lange Sitzung, ermüdet).

„Sie Zeuge Kraxner, liaben Sie die Hase noch?'' für „. . Zeuge Hasner, . . . die Kraxe noch?^' (H. Gross ref.).

c. Vertauschungen von Lauten. Vgl. V. und V. S. 18.

„. . But und Glut . ." für „. . Gut und Blut''' (Frau E. Brockhausen).

„. . schmäl und langer . ." für „. . schmal und länger ■'^ (Ri). Nicht bemerkt.

„. . . die Klaul . . . Maul- und Klauenseuche ..." Ich wollte Klaul- und Mauenseuche sagen, habe aber korrigiert, so dass nur eine Antizipation entstanden ist. In V. und V. S. 19 ist schon bemerkt worden, dass die Lautvertauschungen deshalb seltener sind, weil sie oft bemerkt und dann kor- rigiert werden. Trotzdem ist mein jetziges Material ein ge- nügend grosses.

„. . . justisifierte ..." für „. . . justifimerte ..." (Mayer ref.).

„. . . J acht pagden . . ." für „. . . Jagd pachten . . ." (R. Berl ref. Richtig beobachtet?).

„. . Prular . ." für „. . Plural . ." (Dr. K. Weiss ref.).

„. . tectum tedustinatum . ." für „. . testudinatum . .'' (Me).

„. . und damin hit ich dnig . ." für ,,. . damit bin . ." berichtet O. Broch, den ich als feinen Beobachter kenne.

,,. . einen gedimpften Schänken . ." für ,,. . gedämpften Schinken . ." (Me).

„. . ein vergummelter Bermanist . ." für ,,. . verbummelter Germanist . .'' (Rud. Much).

„Die Callaverie . ." für „Die Cavallerie (Mu).

,,. . Das grote rosse Haus . .'' für ,,. . grosse rote . ." (Mu nachts).

,,. . verleichten leit . ." für „. . verleiten leicht . ." (Dr. Hans Sittenberger ref.).

2*

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„. . Frauhiehir . . Freimaunr . ." (Rida).

„. . zukünftig . . zukünftig . ." (Mu).

,,. . Fldsserwa . . Wasserflasche . ." (Rida).

,,. . wie Du (jlauch (jleihst . ." für ,,. . gleich glaubst . ." (Rida).

„. . ein nuchtsnitzigcs Weih . .*' für „. . nichtsnutziges . ." (Dr. Adler rcf.).

„. . Tufstiefe . . Tief stufe . ." habe ich öfter im Colleg- gesagt.

. . Poltar . ." für „. . Portal . ." hörte Mu in Prag. Ich glaube, dass der Fehler bei einem Deutschen nicht leicht vorkommen wird. Vgl. oben „Pfi/Zar" und V. und V. S. 93 und 94 Anm.

„. . Tuschfischer . ." für Tischtücher . ." (Dr. Adler). Ein komplizierter Fall, Vertauschung, Nachklang des seh und Einwirkung des Singulars Tuch. Seniler Sprcchfehler.

„. . bleib grehn Stete . . stehn Grete!^^ (Rida).

^Er siefzte teuf . ." für ,,. . Er seufzte tief . ." (Mu. ref.).

„. . süchtern und schug . . schüchtern und saghaft . ." (Me; V28 morgens).

„. . möchte Deine Schwester Du sir . . zu Dir sagen . ." (Me).

Wennst langsam geht, is dd kalst"" für Weymst langsam gehst, is d'f (ist Dir) kalt^ (Me). Ein schöner Fall für Ver- tauschung der Auslaute. Mittags.

„. . mit dem IVopf durch die Kand . ." (Frau E. Brock- hausen ref.).

„Dem hachsen die W . . dem wachsen die Haar"- (Rida).

,,Da h'dht kein Krahn mehr darnach"- (R. M. Werner).

y,Ich blauchs bross . ." für „. . Ich brauchs bloss . ." (Rida).

„. . Zuckerrübe . ." für ,,. . Zuckerrübe . ." (Dr. Th. Friedmann).

„. . Hamboss oder Ammer sein . ." statt „Hammer oder Amboss sein . ." sagt Kain, bemerkt es und lacht stark.

Wenn er nach Haus kommt, schliegt er Krag'"' sagte ein Notar nach Mitternacht. (Mu ref.).

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„. . früher war der Kleis kr einer'''' für „. . Kreis kleiner^. (Frau Fl. Friedmann).

„Der Detttr stählt die Zerne'"'^ für „. . sählt die Sterne''^ sagt Mu nachts 1 1 V2 Uhr.

„. . Sond und Monne . ." (Advokat; L. Frankl ref).

„, . dass ich diese Gesellschaft, von der Sie spreche, sehr genau kennen . .*' (Dr. Adler) für „. . sprechen, . . kenne . ."

,,. . eine DrucJckreste . ." sage ich. Ich merke, dass etwas nicht in Ordnung- ist, komme aber sehr schwer auf das beabsichtigte „. . DrecMruste . ."

„J)a.s' läuft daraus hinauf . ." für „. . darauf hinaus . ." (M. H. Jellinek).

H. Gross erzählt folgende Geschichte. Der Dichter Holtei bemerkte einst, er habe y,Schnusten und Hupfen''^ Gross, damals ein Knabe, brüllte vor Lachen. Holtei hatte sein Versprechen nicht bemerkt und meinte, ,.der Junge ist vom Bösen besessen''''.

y,Auf Seher! lichten Sie die Zünder an!"' (H. Gross ref.).

„Der Schtinken schinktl'* für ^^Ber Schinken stinkt!'-'' (Me).

„. . bei Etten und Lesthen . ."' für . . Letten und Esthen . .'* (Dr. Decsey).

„. . muss man aufn Dropf knacken . ." für „. . Knopf drucken . ." (Rida).

2. Vorklänge, Antizipationen.

Vgl. V. und V. S. 28 ff.

Ich gebrauche „Vorklänge" und „Antizipationen", „Nach- klänge" und „Postpositionen" im gleichen Sinne, obwohl man die Ausdrücke auf verschiedene Arten verteilen könnte.

Ich bemerke dazu ausdrücklich, dass meine Einteilung in Vorklänge, Antizipationen und Nachklänge, Postpositionen rein äusserlich ist, d. h. vom Standpunkte des Resultats ge- nommen ist. Inwiefern ein vor und nach bei den psychischen Vorgängen selbst anzunehmen ist, ist eine Frage für sich, denn es ist keineswegs ohne weiteres klar und sicher, dass die Teile des Satzes in der Reihenfolge gedacht werden, in der

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sie im gesprochenen, grammatisch richtig angeordneten Satze zum Vorschein kommen.

Man könnte zwischen Antizipationen und Vorklängen, zwischen Postpositionen und Nachklängen etwa in folgender Weise scheiden:

Reine Antizipationen sind jene Verstellungen von Sprachelementen, bei denen Späteres früher erscheint, aber an seinem berechtisftcn Platze schwindet.

Reine Vorklänge sind jene Verstellungen von Sprach- elcmentcn, bei denen Späteres früher erscheint, aber auch an seinem berechtigten Platze bleibt.

Reine Postpositionen sind jene Verstellungen von Sprach- elementen, bei denen etwas früher zu Sagendes später erscheint.

Reine Nachklänge sind jene Verstellungen von Sprach- elementcn, bei denen Gesagtes später wieder erscheint.

Ich sehe aber von diesen Unterschieden ab.

Das Schema für die Vorklänge ist folgendes (vgl. V. und V. S. 53 unter i):

Etivas ist Faul im Staate D änc marhs.

-^ ^+ 0- 4- 6 ie -^ 6 xe + 6 -

Es herrscht also auch hier das Prinzip der Gleichwertig- keit, und zw. ebenso bei den Lauten wie bei Wörtern und Silben.

a. Vorklänge, Antizipationen von Wörtern

und Silben.

Vgl. V. und \. S. 28 f.

„. . dritte Fahrt . . dritte Klasse und fahren ziveite (Me).

„. . ivenn man die Menschen unter den Handlungen . ." unter dem Eindrucke geicisser Handlungen. ." (K. Grünberg).

Bas Pet . . brennende Petroleum'* (Homann).

,,. . aber wenn ich mit ihm sag', geh mit mir ins Theater . ." für „. . SU ihm . ." Frl. R. H. Nicht bemerkt.

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„. . über . . hütt' ühersiedeln sollen.^' (Karabacck).

Eine Dame: yNeiäicli Jiahe ich hei Jügerhemden gesehen''^ für „. . hei Jäyermeyer Hemden gesehn. (Mu. ref.) Der Fall ist ganz charakteristisch. Weil es ein Wort ^.^Jägerliemden'^ gibt, schliesst sich das bereits intendierte „Hemden''^ zu früh an.

„. . mein Verstrehen . . Bestrehen diesen verfluchten Gegenstand . ." (Me).

y,Wenn man eine sitzende Beicegung hat, mtiss man . ." Hier wurde die Rednerin unterbrochen. Sie erklärte, sie habe sagen wollen: „Wenn man eine sitzende Lehensiveise hat, miiss man Bewegung machen.'^ Frl. R. H. hatte gar nicht gemerkt, dass sie sich versprochen hat.

„. . Nelkenstube . ." für „. . Weinstube in der Nell'en- gasse (Frl. A. H.).

„. . Das instruierte . . konstruierte Instrument . ." (May ref.).

„. . Die eine Kohle ist eine breite Kohlenplatte . ." für „. . der eine Pol . ." (May. ref.).

„. . die Windische . . die Irische Grammatik von Windisch . ." (W. Meyer-Lübke) i).

„. . mit Vollerheit . , mit voller Sicherheit . ." (R. Much).

„Wie lange geht es?''^ für ^Wie geht es? Wie lange bleiben Sie in Wien?^ (May ref.).

„Der Unterschied umsehen Typhus und diagnostischem Scharfsinn erfordert . . . zv;ischen Tijphus und Tuberhtdose er- fordert diagnostischen Scharfsinn."- (Hofr. Nothnagel).

„. . die gölte . . die edle Göttin . ." (Me.).

„. . lernen . . lesen in der Ferne . ." (Frl. R. H.)

„. . Pflusst . . Pflichtbewusstsein . ." (Me.).

,.Ich werde in den nächsten Jahrhunderten . . nächsten Jahren Hunderte von Gidden für die Bibliothelc auswerfen müssen."' (Mu). Der Fall ist so wie der obige mit den „Jägerhemden".

„. . Das habe ich ihr zu hegreiflich . . hegreiflich zu machen gesucht . ." (Detter).

*) Denselben Fehler machte einer meiner Hörer. Er ist dadurch er- leichtert, dass ein Wort icindisch besteht und namentlich in Graz oft für „slovenisch." gebraucht wird.

24

„. . ich überlasse Dir . . ich überlasse Dich einer . . ich überlasse Dich nur eine Weile Dir seiher.'' (Dr. Pintncr ref,).

„Der Dichter beschreibt dm Kiuteryann in die Unweit . .** für „. . . Ein(jan<j in die Unterwelt . ." (J. Sclincider ref.).

„. . was die naive Menge zu einer solchen Gattung Kunst- gesagt . . Kunstgesang sagt.'' Antizip., durch das s er- leichtert (Me).

„Wie viel Flibehi gibts denn nicht!" für „. . Fibeln . " (Szanto). Unklarer Fall, es scheint ein „Wortvag-ant," etwa lat. fibula, das allerdings in flibula versprochen werden kann, mitzuwirken.

„. . dass er sich ein schönes Güld . . Stück Geld crr- dient . ." (Me.).

„. . was wir mit unseren Sinnes wahr zeugen . . Sinnes- werh zeugen wahrnehmen . ."

„. . be . . entsprechen Bezeichnungen . ." (Penck).

„. . wenn mich . . wenn man mich damals gefragt hätte . .'' (Me). Antizip. erleichtert durch das m.

„. . er soll hinauffragen . ." für „er soll hinaufgehn und fragen . ." (Mu).

Ein schöner Fall: ^Weisst Du, dass Du . . weiss sie dass sie . . weiss sie, dass Du für mich kaufst?-" sagte ich rasch zu Mu , fehlte also zweimal (Vorklang und Nachklang) bis ich ins rechte Gleise kam.

„Da hast Du Dein Meugel . . Mohnbeugel! (Me).

„. . nicht ang' fangt, was ich anfangen soll (kopf- schüttelnd) nicht gewusst, was ich a^ifangen soll.'* (Ri).

„Ich marschiere marsch!" für „Ich kommandiere marsch!" (v. Lie).

„. . Ist durch den blossen Umblick . . Anblick umge- fallen." (Me).

„. . die Waschein mit dem Wascht . . ah! die Löffeln mit dem Wascht . ." (Ri).

„. . und deshalb brav' ich . . verdien' ich einen braven Mann . ." Beachte die verbale Form „brav' ich'"] (Ri).

„Ich will Deine pflegmatischen Nrrcheln . . Nerven auf- stacheln." (Frau Vo).

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„Kindern schliesst . . bringt nian's schliesslich Ja auch hei . ." (Ri).

„. . der Schritt . . der Kurs für Fortijeschrittne . . (Me).

„. . und der Meine Vondrdk sagt . . hat, wie Du selbst sagst, sich jetzt an die Milch ge wohnt. '•'■ (Me; mittags).

y^ln zwei Stunden habe ich nur acht Stunden geschlafen"" für „. . Tagen . . ." (Kellner, Dr. Adler ref.).

„JPwr toen sollen die Fremden die Türen schleisse . . leise schliessen?^'' (Dr. E. v. Lieben). Der Fall kann auch als Lautantizipation von sch und SS aufgefasst werden.

„. . so dass die Leuf net wollen . . wissen, was ich wilV" (Me). Das versprochene Wort nimmt die funktionelle Form des verdrängten an. (V. u. V. S. 28).

TFe/w sie deutsch geschrieben ivird . . ist, werde ich sie mir häufen."" (Dr. K. Adler).

„. . miteinunter . . miteinander hinunter.^'' (Me).

„. . das Untiere . . untere, das dunklere . ." (Me).

„. . der Lehrerin . . Lehrer der Kaiserin . ." (Me).

„. . und so f orten . . fortwährenden dumpfen Groll . ." (Me).

„. . es habt . . es heisst die Abtei . ." (Me).

„. . geschweig nis Erkenntnis des andern . ." für „. . ge- schweige . ." (Me).

Am 25. 3. 96 sagt meine Frau: „Er hat gesagt, er hätf noch einen Vorhang . . Vortrag angehängt."'" Am i. 4. ist von derselben Materie wieder die Rede und sie macht den- selben Fehler!

„Zti einem ehelosen ah! kinderlosen Ehepaar gehört ein Hund!'' (Rida).

„. . verständisch und kritisch'' (Me). Statt - ig ist -isch eingetreten.

„Da ist ein langer Mann mit einer Stange, ein Mann mit einer langen Stange'^ (K. Brockhausen).

„Mein Schwagerer . . Schivager Lederer . ." (L. v. Frankl ref.).

„Sie hat das Recht, das Doktorat zu erleihn . . ver- leihn und ausserdem zum Mitglied zu ernennen."' (R. Berl).

2b

„. . verscheint . . erscJicint er ihr rcrächtlicli . ." (Me).

„. . der Ziegelhcrgcr . . dir Wienerhergvr Zicyel- fahriJ: . ." (Me).

„Jetzt ist sie so mit dem Gitter . . mit dem Gesicht im Gitter gelcffcn und hat (jeschlafen."' (Rida von einem Kinde sprechend).

„. . meine verpflichte . . verdammte Pflicht und Schul- difikeit . ." (Me).

i^Der Gugelhupf . . der Guglia ist ja kein Widehopf . ." (Rida). Guglia dz. Chefredakteur der amtHchen Wiener Zeitung; Gugelhupf ist der österreichische Name des Napi- Uuchens.

„. . Hofzuschramtamt . ." sagt Ohnesoro-e für „. . Hof- zuschrotamt . ." ohne zu korrigieren.

„. . mit Schläfen einschläfern . . ah! mit Lesen ein- schläfei-n."" (Rida: krank).

„. . Ich habe Heinzel . . heute H< in zel gesprochen."- (Me).

y,Sic trorit . . sie transit gloria mundi."" (Luick).

y^Jcne Versammlungen, die sich auf beschränkte . . auf geladene Gäste beschränken . ." (Dr. v. Jekel).

„. . sagt die Frau . ., die Erblinger, die Neblinger san die rechten Erbschleicher^'' (Alte Frau).

y^So verkehrt er . . so verfügt er über keine Verkehrs- mittel"' (Oberverpflegsverwalter Svoboda).

„. . der Friederin . . der Kaiserin Friedrich . ." (Me; abends 7^7 Uhr).

b. Vorklänge, Antizipationen von Lauten. Vgl. V. u. V. S. 34

„. . bulliger^ billiger durchkommen .^^ (Prof. v. Zallinger).

,,J» /■ in Gesellschaff von seinen Freunden.'"'' (Jagic nach Broch).

,.. . einen Schp . . Schuttenspender . ." (Mu).

y^. . es hat sogar Bo'' (mit dunklem 0) Bo^djanskij (mit hellem 0) boshaft {0 dunkel) bemerkt . ." (Jagic nach Broch).

„. . Keil . . Kerl iveit . ." (Me).

„. . Lud . . Jud laut . ." (Me).

27

„D/e ältere Far . . Form dieser Namen'''' (Dr. v. Grien- bcrg-er).

„. . fer . . förderlich war . ." (v. Eschcrich).

„. . Bis wir einmal wuch^ ivissen, ivann der Mnch . ." (Frl. R. H.)

„. . verfluche verfluchte SacherJcost h'iegt . ." (Me).

„. . ich hob' herte . . heute meine erste Lektion . ." (May).

„. . Krankenheis . . haus Hof No. drei . ." (Me).

„. . zvonn ich komme . ." (Me).

„. . es sind Druckdehler . . fehler drin . ." (Broch).

„Most . . Mastochsrosthraten"- (Me).

„. , dass der Wurmhlant . . hr eint sich blamiert hat . .'■'■ (Mu).

„. . kauft . . lauft kopfi^her . ." (Me).

„. . dafar . . dafür hast Du aber auch ein paar sehr gute Schüsse gemacht.''^ (Me).

„. . die Luden . . yuden leben . ." (Me).

„Bündinger'-'' für „Büdinger'''' (Stud. Tkac). Ohne Korr. Ein seltener Fall, ob nicht „bündig" oder derartiges mitge- wirkt hat?

„. . tvie leicht h-rtüfer . . Irrtümer unterlaufen . ." (Schipper).

„. . in der Stradt drin'"'' für „. . Stadt . ." (RöUig ref.).

„. . mit dem Heufzer . . Seufzerhauche Uhl rezitierte ich.

„. . man kann die Sahl . . die Zahl der Selbstmorde . ." (Me).

„. . einen andern Schiceg . . Weg einzuschlagen .- ." (Me still versprochen).

„. . in einem Schupftüchel . . Schnupftüchel nach Feters- burg schicken . ." (Me).

„. . grut . . gutmütig tritt kein Volk . ." (R. R.).

y^Möntre . . Montenegro"' (Me).

„. . der ist nicht mehr dratn gekommen . ." (Me).

,,Als ivild die Tuber . . Tiber an ihr Ufer tobte . ." sagte Lewinsky als Cassius, Jul. Caesar I. 2 (Dr. Frank- furter ref.).

„. . sine debio . . sine dubio deficit . ." (Cornu).

„Das aufgelaufene Quartcd'' für „abgelaufene . ." (Mu;

28

V. Lied rcf.). Beabsichtigt scheint „aitb-"^ gewesen zu sein, aber Entgleisung in „auf*, wozu das folgende Wort mit be- hilflich gewesen sein mag,

„. . in der Mirte . . Mitte der Vierziger . ." (Prof. Fr. Raab).

„. . päga . . pädagogisthe . .** (Prof. Fr. Raab).

„Madrillen . . Marillen sind schwer verdanlich^ (Frl. R. H).

„Ein hübscher Spiii . . Stil liegt in ihrer Sprache."* (Frl. R. H. ref.).

„. . Beriefung nach Berlin . ." (Frl. R. H.).

y Schau nur, dass Du rechtzeitig die 5. Auflage von Km . . Kluge aus der Bibliothek kriegst\'^ (Me). Liegt hier etwa Dissimilation vor?

.^Ich ivollte mir die Knopfleich . . Knopflochscheer ein- steclcen (Ri).

„Fest . . Feist . . Festlichkeiten^^ (Alte Bedienerin).

„. . so süht . . sieht das Glück der Ehe aus!" (Me).

„. . wenn ich nur dazu eine schöne, g'mönte . . g* malte Madonna hätte'^ i^^^)- Die Länge des verdrängten a blieb.

„. . ich bin eine Na . . Wassernympfe'* (4Jähr. Knabe).

„. . in dem einen Fatz . . Satz sind eine Menge von Füllwörtern'' (Ri).

„Reiss' . . beiss' nichts rausl'' (Ri zum Hunde).

„. . die Exen, die Elfen'' für „die Hexen, die Elfen'* (Detter).

„. . auf dieschem . . diesem ^Schiff'' (Ri). Die Zisch- laute beeinflussen sich auch in verschiedener Stellung.

„Ich lebe . . liebe solche Reden' (Me).

,,. . die ostdreutsche . . ostdeutsche Rundschau . ." (Frl. A. H.).

,.Es drau . . schaut da drunten bös aus." (Me).

„Es war ö . . höchst ekelhaft" (Me). Interessanter Fall.

„Ich habe keine scheidene . . seidene Schnur" (Ri).

„. . der Iglitz .. . der Stieglitz ist kein Esel". (Me). Interessanter Fall.

-Ich habe geglaubt, ich habe meine Kerze drinnen blen- nen . . brennen gelassen" (Me).

29

„. , lenke . . lehne ich dankend ab . ." (bei lebhaftem Denken beobachtet). Me.

,^Das Hemd ist breit . . ist so steif wie ein Brett"' (Ri). Interessanter Fall, zu erwarten ,^breif^\ aber Entg-leisung- in das gewöhnliche JjreiV'' wobei „Brett'-'- mitspielt.

y,Bringen Sie die Leimpe . . Lampe hereinV'' (Me).

„. . Provat . . Frivatdozentimi . " sagte ich und machte also den V. und V. S. 40 zitierten Fehler auch. Ich habe ihn übrigens auch sonst noch vernommen.

„. . in der Schrüh' . . in der Früh' eine Schtund' (Stunde) . ." (Rida).

„. . Nachbittag . . Nachmittag bin ich . ." (Me),

,^3Iach das Fenster dof aufl'-'- für „. . dort auf\^^ (Me).

„. . Schlöpsenschögl . . Schöpsenschlöyl (Dr. C. Schneider).

„. . mit eingelßtikter Lanze . ." für „. eingelegter Lanze . ." (M. H. Jellinek).

„. . manchen Tat . . Tag tut er . ." (Rida; abends, nicht müde).

„Die heutige Neue freie Fresst . . Press gibst Du niirl" (Me; II Uhr nachts, müde). Beachte auch den /-Nachklang.

„. . aushänd . . ausländischen Buchhändler . ." (Bormann).

„. . von Dächern hör . . herrühren . ." (Dr. Reichel) ö ist assimiliert aus e an ü.

„. . ist ein Dragoner mitsamt seinem Pferz . . Pferd g'stürsf' (Me).

„. . für j auter lauter yubiläen . ." (Me).

„. . splekulieren . ." für „. . spekulieren . ." (Rida). Das Wort hat einen starken Nebenakzent auf der ersten Silbe, sonst wäre dieses Versprechen unmöglich.

„. . ivenn Euch nicht greist . . graust vor dem Weiber- volk . ." (Rida).

„So ra . . lass mich redenV'- (Rida; erregt).

„. . besalders . . besonders kalte Hände** (Me).

„. . und schtrin . . drin schteht (steht) . ." (Detter).

„. . wie oft habe ich meiner Muttn, Mutter eine Suppm gemachtl" (Me). Der labiale Nasal wird nach dem Dental zum dentalen.

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yyDa, schau den ApiietiVs, den Jiatl'* für „. . Appetit, den's (sie) hat'' (Mej.

„Heust . . Itcut ivillst noch was arbeiten?'^ (Rida). „. . denn die IVlucie iinrde erst mit sechs Wochen ye- taufV^ für „. . Lucie . ." (Rida, 2 h Nm.). Nicht korrigiert.

„Der- Beschnch . . Besuch scheint . ." (Detter).

r,Soll ich dra . . d'Ädress schreiben?'* Der Satz: y,Soll ich die Adresse schreiben?"' heisst bei uns dialektisch: „Soll ich d'Adress^ {dadress) schreiben?"' Aus "d'adress wäre also *dra{drcss) entstanden, wenn der Fehler nicht korrigiert worden wäre (Alte Frau).

„. . Brutzru . . Blutzulauf vergrössert . ." (Dr. Foltanek in einem Vortrag").

„. . Feunde und Freunde . ." für „. . Feinde und Freunde . ."' (Cornu 1/^9 abends, nicht müd).

„. . miwassende . . unpassende Worte . .'' (Me).

„. . ivas ich mir eingewirkt . . eingebildet habe, dass ieh als Richter wirhen werde . ." (K. Grünberg).

„. . abgesehn von seinem wissenscJiaftlichtn Stund . . StandpunMe . .•' (Dr. Kulisch).

„. . eivrige Nachrichten . ." Hier winkt vielleicht ein Vagant, etwa „gestrig'"'' mit.

„. . Bedeutungs dieses Nachahmungstriebs . ." (Me).

„. . Er braucht so a reckige . . dreckige Rauch stube^i"" (Me).

„. . geschlassene Sprachgebiete . ." (K. Grünberg).

„. . vauJer Bauch . ." für „. . voller Bauch . " (Me).

„. . Waltkaltwasserheilanstalt . ." (Dr. K. Adler).

„. . die Bürste des Fürsten (Bismarcks nämlich) . ." für „. . die Büste des Fürsten . ." soll der Bürgermeister einer deutschen Stadt gesagt haben. Einleuchtender Fall.

„Ich habe nie behauptet, dass das das grossartigste Prodikt der Kunststickerei ist"^ (Rida).

„. . klaum liegt er . ." (Junge Frau).

,,. . Du schtnudierst nicht \" für ,,. . studierst . ." (Rida). Merkwürdiger Fall, aber vollkommen sicher von mir gehört und von der Sprecherin selbst beobachtet.

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Haben Sie Brück auf der Brust . . Druck auf der Brust?'"'' (Lothar v. Frankl).

„. . anyestelste Ärzte . ." für „. . angestellte Ärzte . ." (Dr. C. Schneider).

„. . dass man die Fenster oben . . offen haben kann^^ (Me).

„Dm hast ja auch schtcutsch . . deutsche Schtilistik (Sti- listik . ." (Rida).

„. . Pfändvertrag . ." sagte Prof. E. Hiller. Gleich darauf gebrauchte er das Wort .^verpfändet^^ , das er offenbar schon länger im Kopfe hatte.

„Sie haben ja gestern schmir, mir geschrieben'"'' (E. Guglia),

„. . und ivenn er keck mis is {ist) mit mir . ." (Me).

„Die Firme . Firma hiess früher Miethke und Wawra'"'' (Me).

„. . in so und so viel Exemplaten vertreten sein soll . . Exemplaren . ." (Me).

„. . wenn Du vom Einkaufst . . Einkaufen kommst . ." (Me). Ich kann bestimmt versichern, dass ich nicht an „ivenn Du einkaufst'^ gedacht habe. Dieses wäre auch wegen des Zeitverhältnisses ganz unmöglich gewesen.

„. . deswegen, iveil's {iveil sie) Latern . Latein lernen^'' (Rida).

„. . hast mir verschrieben . versprochen aufzuschreiben^^ (Me; 9 b abends). Der vorausgenommene Sprechteil {schreibot) erhält die dem Platze angemessene funktionelle Form {ver- schrieben).

„. . Nordpalfahrer . ." (L. v. Frankl).

„. . Wenn ich ins kalte Weiss . . Wasser greif'-'' (Rida).

„. . zerknochte Nockerln . ." (Frau Fl. Friedmann). Vgl. oben den Fall: ^yScldnudierst nicht".

„. . Penta . . Penka doch ein Dilettant . ." (S. Singer).

„. . und da die Seite . . die Sache nicht gescheit gewesen lüäre . ." (Me).

,,. . eine IVenge Menge Wein . ." (Me).

„. . verstöhnen . . verstehen sich nicht:, eine Versöhnung ist nicht möglich"' (Siegm. Exner).

„. . eine Seh malm . . Schmiersalm . ." (Frau, vier Tage

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nach Operation mit Narkose). Dialektisch für „Schmicrsalbc". Kein häufi«jcr F'all.

„Sie brauchen nicht einen Zzüeistrich . . Beistrich in- zwi sehen setzen . ." (Mu),

„. . TahraU . Tabak- Regie . ." (Ohnesortre). Der Fall spricht dafür, dass der Wortanlaut (JReffie) gleichwertig ist mit dem Anlaut der betonten Silbe {Tab(ik).

. ich kennige . . kenne wenige Männer . ." (Me; mittags).

„. . 65 ist etwas, was mir momentan durch den Kopf gcf alten . gefahren und tvas ich für richtig halte."" (K. Schima).

„. . ein halbes Brut . . Brathuhn\'' befahl ein Wirts- hausgast.

„J/n galzen . . ganzen Salzkammergut . ." (Me).

„. . ein Schtünkl . . Schtückl {Stückl = Stückchen) stinkende Leber . ." (iMe).

„. . mag's schon aug . . auch arg getrieben haben"* (Me).

„. . dass ich meinen Bauch dort lein . . rein lass, Rida!" (Me).

„Icli will diese Lu . . diese Nummer noch lesen."" Ich weiss, dass ich „Lunimer'"^ habe sagen wollen.

„. . Dir ganze Praul-Baune- Schule . ." für „. . Paul- Braune-Schule . ." (Me).

„. . Fleiden . . Weidengeflecht . ." (Me).

„. . das haV ich säum kaum s' sammbracht"' (Me).

„. . ivenn Gscheit, Zeit iväre, wo er mit mir was Gscheits {Gescheites) reden könnte'"' (Me).

^. . er er feit . . erfährt, es sei . ." (Me).

„. . mir ist auch laud . . leid, wenn's naus [hinaus) kommt'' (Rida; 12I/2 ^ Nrn.).

„. . Sprnngbrunnen . ." für „. . Springbrunnen . ." (Flora Friedmann).

„Ich bil viel . ." für „7c/t bin viel . ." (Rida).

..Nicht so das Gopferl Topferl geben l"- sagt Rida zum Kindsmädchen.

r,Sie bemei, beneidet mich schrecklich^ (Rida).

y,Du musst jetzt zu U.^en auf hörnen ich lern ." (Me).

33

„. . Bries yebacl'sen . . gebacken, mit Erhsen . ." (Detter).

„. . die Schlüsse rasche Entschlussfähiqkeit . ." (K. Zwieriina).

„. . Grand . . Grund zur Angst . ." (Me).

r,Er ist grü . . glücklich und sagt: Lass mich in Friedend' (Me).

„Der manlfaue Bauer . . maulfaule Bauer . ." Wohl nicht /-Dissimilation, sondern Vorklang von Bauer (Me). Verg-leiche die folg"enden zwei Fälle von Ardisipation des Hiatus.

„, . auer Fetter . . ausser Feuer . ." (Me).

„JcA habe leier leider Steuer . ." (A. F. Pribram, müd). Aber dieselbe Erscheinung- auch bei völliger Frische. Früher habe ich schon angemerkt: „. . Freue des Coitiis . ." für „. . Freude . ."

„3Ian kann auch seine Et . . Meinungen ändern"' (Me). Unkorrigiert hiesse das versprochene Wort „Einungen''\ Es ist eine Tatsache von sprachwissenschaftlichem Interesse, dass durch Assimilation an den Anlaut von ^^ändern'^ aus „3Iei- nungen'"'' „Einungen^^ werden kann.

„. . hab' ich mit ihm in drei verschiedenen Wachten . . Waffen gefochten (Dr. Adler). Der Sprecher wurde auf den Fehler aufmerksam.

„. . jetzt muss die kleine R. Leni aber abräumen . ." (Me). Unkorrigiert wäre ,,Reni'''' erschienen.

„. . in der fröhlichsten Zweise Weise zwingt'"'' (Me).

y,lch habe geglaubt, die Li . . die Rida bleibt noch'"'' (Me).

„. . glo . . glücklich los . ." (Me).

„Meine Schwel ch . . Schwester hat ihre Milch . ." (Rida).

„. . sondern boss . . bloss beim angestrichenen . ." (Me). Merkwürdiger Fall. Wahrscheinlich hat J)eim'^ aus „bloss'^ „boss"' gemacht.

„. . das drifte . . dritte Heft . ." (Kain).

„. . vliel Fieder . ." für „. . viel Flieder . ." (H. Gross ref.).

„Zum Schluss bleiben bross die zwei Dimensionen übrig"', bross^ für „bloss"'' (Me).

Meringer, Aus dem Leben der Sprache. O

34

„Na scJiaustl^* Du sollst das nie so hcrletjotl'^ Ich wollte gewiss „schau'^ sagen, denn die hier gebrauchte Wendung, die noch dazu einen anderen Sinn hat, ist mir fremd. Der Wiener sagt zwar in der Überraschung „Da schaust her\* aber im Vorwurf nur „schaul"'

„Haben die Junden . . Juden keine Hundc?'-'^ (Rida),

„. . (jeschweibe denn ein Weiberl . ." für „. . (jescliweige."^

„. . dass's Ileisen . . eiss ah\ Eisen heisser ist^ für ,.. . Dass das Eisen heisser ist . ." (Dienstbote).

„. . Tre . . Begcnfropfrn . ." (AI. Kicgl).

„. . für eine gewitte gewisse Gattung Witze . ." (Rida).

„Ich loerde mich einlassen . . eitdaden lassen'* (Me).

„. . sie sau . . sie sei die Schauspielerin Jö." (Me).

„. . lithograwierte . . graphierte Visitenkarte . ." (Rida).

„. . u)ige'2i(nde . . ungesunde Zustände . ." (Me).

„Die Klüche ist licht"- (Mizi M.).

„. . dass er an Vortrag hätten hält' solln"' sagt ein Diener. Ich mache ihn aufmerksam, worauf er korrigiert: „haltn hätt' solln."^

„. . bei der Selcher in kommen auch die Kschivinder . . Kinder g'schtvitid (Lautwert kschivind) nacheinander^^ (Rida).

„. . kann ich erst ivarschen warten, bis Du Dich ge- waschen hast" (Rida).

„Ich leg auf das Nachtwicht . . Nachtlicht kein Gewicht'''' (Me).

„. . cerlengt . verlangt Senf . ." (Me).

„. . wenn ich's haben . . hätte haben uollen'* (Me).

„Du, dann lass die zweite Stale (spr. Schtale) Schale stehnl"- (Me).

„Den Mut . . den Hut muss ich nehmen" (Me).

„. . wieb . wie so ein TFe/Ä!" (Me).

„. . lernten kennen lernen . ." (Me).

„We)m er über die maskische bergamaskische Mundart . .'* (Cornu). Hier ist die Antizipation schuld an der Silbenunter- drückung).

„Der Türkenschmerz . . Türkensterz wird ihnen (von zwei Kaninchen ist die Rede) scJion schmecken''^ (Rida).

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„Jc/i schleiss . . ich zeichne Dir den Schlossturm a«*/*!" (Me).

Die Antizipationen werden durch partielle Gleichheit der Wörter erleichtert

Bereits besprochen sind Fälle wie . . . „aufg^ehaben . . g^ehoben haben".

So wird namentlich durch gleichen Anlaut die Antizi- pation von Wörtern und Silben wesentlich erleichtert.

Ähnlich steht es mit den Lauten. Ein Laut wird am leichtesten dann antizipiert, wenn er neben einem Laute steht, der gleich und gleichwertig ist mit dem eben zu sprechenden >).

Z. B. „. . unterdressen . . dessen dräussen , ." (Me). Im Bilde:

Sprechbahn: unterd e ss e n dr ss e n -* Vorklang: dräussen

Resultat: unterdressen

,,Ätis . . Aufgaben ausführen'-'' (v. Andrian). Hier ist die Antizipation durch das au erleichtert.

„besch . . berührend beschäftigt" (Jagic. Broch ref.).

„tvenu der Drumpf . . Rumpf drinnen ivär'-'- (Me).

r,Bro . . bloss neben ihm zu sitzen braucht'"'' (Me).

„. . hast einfach Brich . . Dich drauf verlassen''^ (Me).

„Das Bad schlecht . . schlägt mir schlecht an'-'- (Mu),

„. . ivenn einmann . . einmal ein Mann^'' (Me).

„. . die europolitäische . . die europäische Politik'-'' (Me). Hier hat das p die Entgleisung verursacht.

„. . droch . . doch drum Mlmmern'-'- (Me).

„Eisenbeamte . . Eisenbahnbeamte'''' (Dr. Czelechowsky).

„Schottenfahrer . . Schottenfelder Badfahrer'-'- (Dr. A. Homann).

„. . deswill . . deswegen will ich'-'' (Me).

„. . ich komme vor gen . . morgen vormittag'^ (Me).

*) Das hat J. Wackernagel Zts. XXXllI S. 9 schon gesehn und sehr schön dargelegt, einer jener vielen Fälle, wo durch eine glückliche Eingebung ein Erklärunpsprinzip gefunden wurde. Vgl. V. u. V. S. 175.

3*

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,.. . und in der Schtaht . . in der Tat sterben"' (Stud. liertoni).

„. . ich ward . . ich werde zwar . ."■ (Me).

„Neue Fresse'* für „Neue freie Fresse"' berichtet mir Dr. A. V. Rosthorn. Ich habe den Fehler schon V. u. V. S- 34 angeführt.

„. . wenn eine ordentliche Hausmannahocht . . Jcost 'kocht (dial. für gekocht) wird'"'' sagt Bedienerin M.

Dr. C. Hiecke spricht von X + i^ und nennt diese Ver- bindung „Lamtna Diffamma^ für „Lambda Di(jamiita^ .

„. . hei all Dingen . ."' für „hei all den Dingen . ." (Szanto ref.). Bemerkt aber nicht korrigiert.

„Du kannst sie aben . . haben, das Abendblatt und das Morgenblatt'' (Mc).

Vizeweld . . feldwebcV (Prof. Bormann).

„. . für meine Brau Fr an bringen Sie . ." (Me).

„Ich nehme Sie jetzt ins Mitshaus . . Wirtshaus mit"' (Me).

„. . mit wagischer magischer Gewalt . ." (Me).

... . auf . . auskommen, wenn man drauf eingeht"" (Ri).

„Jetzt haben die Schliegen . . ah\ die Fliegen etwas zu schlecken"' (Ri).

„Ich schrei . . ich scheide da streng (gespr. schtrengY (Me).

„. . in IV and ein Lei mv and . . inwendig ein Leimvand- kouvert . ." (Me).

„. . damit sie einmann . . einmal ihren Mann . ." (Me).

„. . die Bio . . Flöte geblasen . ." (Me).

„. . Kurch . . Kirchturm . ." (Me).

„. . mit Schweinen he . . Steinen (gesp. Schteinen) be- schwert . ." (Frau Meltzer).

„Das Wirtsheis . . haus heisst . ." (Mu ref.).

„. . der Brautfahrer und der Pfarrer . ." für „. . Braut- führer und der Pfarrer . ." (Loth v. F. H,).

„. . viellaucht . . leicht auch . ." (Me).

„. . endlich trenne mich . . trenne ich mich von ihr." (Me).

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„. . da überbieten sie sich gegenseitigheiten . . gegenseitig an Liebenstvürdigheiten^'' (Me).

„. . eine üniversitätsprau . . frau . . professorsfrau . ." (Me).

„. . er hätte gesagt, Du wirst jetzt mein bleib , . Weib und bleibst bravV^ (Me).

^Kinder weiben . . haben ivill jedes Weib.'* (Me).

„Äugustinerstrei . . Strasse heisst sie.'"'' (Ri).

„Die hättst jetzt fortgehen sollen'"' für „. . fortgehn sehen sollen'' (Me).

„. . Mode geioar . . geivorden war . ." (Dr. Hein).

„. . hat soch . . sich doch . ." (Me).

c. Antizipation des Geschlechts. Vgl. V. u. V. S. 42.

„. . schliessen sich an den Form . . an die Form des Fiisses an"* (Me).

,,Sehn 'S den . . das Gesicht von dem Hund an'* (Me).

„. . auf den seiner RangsMasse . . auf die seiner Rangs- Masse entsprechende Höhe . ." (Karabacek). „Den"' wegen des männl. Geschlechts von „Rang^'.

„Da haben Sie das . . den ganzen Tag nicht ins Haus können"' (Me).

„. . Das Mutter mit ihrem Sohne . ." sagte ich. Ich weiss, ich habe an „das Kind"" gedacht. (Eigentlich Anti- zipation eines Mitklangs).

„. . das Jammer . . der Jammer und das Flend . ." (Me).

„. . Denn die wird eine Schwiegermutter haben . ." für „. . denn der loird . . ." Mu. merkte den Fehler, korrigierte aber nicht.

„. . die Mond ist das Wei¥' (Kain). Das Feminimuin wurde antizipiert, entweder weil gleich darauf gesagt wurde, dass die Sonne als Mann aufgefasst wird oder durch Vor- wegnahme des natürlichen Geschlechts von Weib.

„Er hätte zahlen sollen den Vier zehnfachen des Werts" (Dr. Adler).

„Jetzt lebe ich vom Hand . . von der Hand zum Mund"'

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(Rob. V. Schneider). Die Phrase heisst bekanntlich etwas anders.

f,. . ivie's {das) Faust aufs Aurj . ." (Me). Man sieht, dass dieser und ähnhche Falle als reine Lautantizipationen aufgefasst werden können.

„. . zwischen einem Schwiegermutter und einem Tiger . ." (Grünb.) Nicht korr.

d. Antizipation der Person. Vgl. V. u. V. S. 42.

. . er sagte. Du fände . . er fände, Du hättest ein herr- liches Organ'"'' (Me).

Wenn ich nach Haus gelommen ist, da ist mein Bello mir entgegengcsjyrimgen.'''' (Frl. R. H.)

,,Die, die ich gerne gehabt hat, existiei't heute nicht mehr"^ (Me).

,,. . erst, ivie Du gekommen ist, hat sie ivieder gehellt . ." (Frl. R. H.)

y,Wenn jemand dabei bist und Du hast . ." (Me).

„Wemi irgend etwas bist . . ist . . Du kannst es nicht abiveisen!^^ (Me).

„. . dass Sie mit grösseren Humpen zu Tische gegangen bin (für sind) als ich " (Dr. Adler). Der Fall sieht arg aus, kommt aber oft vor. Möglich, dass er sich bei älteren Leuten öfter fmdet als bei Jungen. Adler hat seinen Irrtum nicht korrigiert

„TFi'e Du dort gesessen ist (für bist), hat sie (das Kind) gesehen . ." (Rida). Eine ganz junge gesunde Frau verspricht sich also ebenso wie der Greis.

,,Wenn die Mama viel Geld hast (für hat) und Du viel Geld hast . ." sagt mein fünfjähriges Mädchen. Alle drei der Greis, die Frau, das Kind haben ihren Fehler nicht bemerkt.

e. Antizipation der Quantität. Vgl. V. u. V. S. 41- Ich habe nur weniges gesammelt, die Erscheinung ist aber häufig.

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„Du hrauchst mich niecht . . nicht su fragen . ." (Me). „. . Verlesen und Versprechen . ." (Me).

f. Antizipation des Kasus. „. . für tvir, die ivir noch Junggesellen sind^*" (Mu).

g. Antizipation des Numerus. V. u. V. S. 42. „. . iveil sie (Plur.) immer geglaubt hat . . haben, sie lüird ihnen . ." (Rida).

Wir haben gestern mit dem X das ausgeführt.^ Ich wollte aber sagen: „Ich habe gestern . ." Der Fall lässt ver- schiedene Deutungen zu. Dieselbe Konstruktionsart ist in mehreren Sprachen allgemein gebräuchlich.

h. Antizipation des Modus. V. und V. S. 42. „Es ist so schade^ dass wir da nicht ein Bett hätten . . haben, da könnte ich gleich Siesta halten.^'' (Me).

3. Mitklänge, Konzipationen.

Ein Mitklang ist das Auftreten eines Nebenwortbildes.

Ein Mitklang entsteht z. B., wenn dem Sprechenden für einen Begriff Sjmonyma einfallen, oder wenn das Wort ein sehr ähnliches oder ein anderes auf irgendeine Art mit ihm assoziiertes heranzieht.

Als Mitklänge treten oft „schwebende Wortbilder", „Wort- vaganten" auf, die ich V. und V. S. 69 gekennzeichnet habe.

Man kann sagen, dass jeder Ort seine „schwebenden Wortbilder" hat, die Wohnung, das Professorenzimmer, das Parlament, die Kaserne, die Studentenkneipe. Im Empfangs- zimmer des Ministers stellen sich andere schwebende Wort- bilder ein als im Hörsäle und wieder andere im Wirtshause. Bekannt ist auch, dass die Verkehrssprache nach allen diesen Örtlichkeiten gewisse Besonderheiten zeigt, so dass der Mann, der über diese Verschiedenheiten nicht verfügt, gewiss nicht an allen Orten gleich willkommen ist. Im Zusammenhange mit dieser Erscheinung steht es, dass auch das ganze Gehaben,

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der Ton, sogar die Bewegungen und Gesten nach den Ört- liclikeitcn grösseren oder kleineren Schwankungen unterliegen Ein Mann, der nur eine Art sich zu geben hat, macht sich irgendwo lächerlich oder verhasst. Es ist langweilig, jemand im Wirtshause dozieren zu hören, es ist beleidigend, an einem ernsten Orte Wirtshausgepflogenheiten zu begegnen. Allerdings ist diese von der Örtliclikeit bedingte Verschiedenheit des ganzen Auftretens und der Sprache bei den einzelnen Völkern nicht gleich gross.

Aus der Fülle von „schwebenden Wortbildern", die jeder Ort mit sich bringt, kann leicht ein Vagant die beab- sichtigte Rede in manchmal unangenehmer Weise durch- brechen und entstellen.

Auf die Mitklänge eines durch ein Gesichtsbild erregten Wortbildcs war ich schon frühzeitig aufmerksam geworden. Aber erst nach dem Erscheinen von V. und V. wurde mir die Häufigkeit dieser Kategorie bewusst. Es kommt sehr oft vor, dass das Wort für einen Gegenstand oder Vorgang, den wir während des Sprechens sehen, in unsere Rede in irgendeiner Weise Eingang findet. Die Sache ist für mich wenigstens sehr merkwürdig. Dass durch ein Gesichtsbild ein Wortbild hervorgerufen wird, ist normal. Aber dass dieses Wortbild, das mich nicht interessiert, von dem und mit dem ich gar nichts will, in meine beabsichtigte Rede eindringen kann, auch wenn es mit dem von mir gewollten Inhalt gar nichts zu tun hat, auch wenn es geradezu stört und Unsinn schafft, das ist doch gewiss eine bemerkenswerte Tatsache. Ich betone nochmals, dass die Gesichtsbilder, von denen hier die Rede ist, zumeist ohne besondere Aufmerksamkeit, ohne Interesse, gleichsam mechanisch, photographisch entstehen, und dass die sie bezeichnenden Wortbilder trotzdem so leb- haft wirken können.

Man wendet mir ein, die Sache sei doch nicht so merk- würdig, ein eigendicher Willensakt werde hier nicht zerstört, man wolle ja beim Sprechen nichts, man spreche eben. Ich halte das für unrichtig. Ich denke, man spricht für gewöhnlich, um etwas mitzuteilen, oder zu erfahren, kurz mit einer Absicht,

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einem Willen. Ein blosses Plappern ist ja krankhaft. Es gibt sinnlose Füllwörter, Redensarteu u. a., aber die normale Rede ist doch keineswegs so zu bezeichnen. Wie dem auch immer sei ich komme in einem späteren Kapitel auf die Frage zurück die Beispiele, die ich unten eigens zusammen- stelle, zeigen alle, dass eine Rede, in der etwas gewollt wurde, die etwas Bestimmtes ausgedrückt haben wollte, von einem durch ein Gesichtsbild hervorgerufenen Vaganten gestört wurde.

Man wird aber auch aus den gleich zu bringenden Bei- spielen ersehen, wie Neben-Wortbilder einen beabsichtigten und gewollten Redeinhalt gewaltsam stören können.

,,Die Jackerln siml zu weib . . zu weit''-. Das b war mir unerklärlich, und ich mache die Sprecherin, meine Frau, aufmerksam. Sie sagt, sie habe an y^Leiberln''' (Leibchen) ge- dacht. Das mit .^JacMn'^ synonyme Wort wurde also durch die blosse Ähnlichkeit des Vokals {weit . . Leiherhi) heran- gelockt.

„. . Frestessen . ." sagte Eng. Mühlbacher in einer Fakultätssitzung, etwas ärgerlich. Er dachte natürlich an „Fressen'^, wollte das Wort aber vermeiden. Die Ähnlich- keit von .^Fressen''' und y,Fest''^ genügt aber, dass der Vagant einzudringen und den Willen des Sprechers zu durchbrechen vermag.

„. . hat die Schivester meines Mannes zur Frau.'* Ich wollte sagen „. . meines Weihes . ." denn ich gebrauche das Wort Weih im alten Sinne, ohne geringschätzige Be- deutung. Weih ist mit Mann assoziert und wurde durch dieses verdrängt.

Vgl. den Fall, den ich V. u. V. S. 77 zitiert habe. Detter sagte: „Die Mistel ist nach der Sage vom Himmel auf die Erde . . ah, Bäume gefallen.'* „Himmel''' und „Erde'* sind zwei so häufig verbundene Wörter, dass mit dem einen das andere mitklingt.

„Der Kopf liegt zwischen den Schädln . . Schenheln . ." (Stukki). Wir gebrauchen Kopf und Schädel ziemlich iden-

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tisch. Wieder genügt das gemeinsame sc/i, dass Schädel das richtige Schenkel beseitigt.

„. . Mozarts grösster Sohn . ." für Salzlnirgs grösster Sohn . ."' nämHch Mozart (Dr. Thommen).

„. . Aussichtsharte . ." für „. . Ansichtskarte . ." sagte Dr. Adler . . von einer Karte, die' eine „Atissichf^ bot.

„/c/i hin einmal in Berlin gcgassen . . gegangen . .•' Mein Nebengedanke war „m der Friedrich gasse^. VV^ieder hat die Ähnlichkeit das Eindringen erleichtert. Dem sprachlichen Resultat nach ergeben sich also durch die Einwirkung von Mitklängen ,.Kontaminationen", die unten noch speziell be- handelt werden sollen.

,^Er (so klagt ein Student über einen Professor) verlangts aber, dass er die LeuV in der Vorlesung sitzt^'^ (ohne etwas zu merken). Ich korrigiere „. . siehi"", was mechanisch wieder- holt wird. Der Nebengedanke war: „. . dass man in der Vor- lesung sitzt.'-'' Beachte die Ähnlichkeit von sieht und sitzt-

,.Der Manch, der Bauch tut ihr weh'^ (Alte Frau). Ge- fragt erklärt sie, dass sie an y,Magen''^ gedacht habe. Man sieht, dass Ähnlichkeit der Wörter nicht unbedingt not- wendig ist.

,.Soll ich Ihnen eine Semmel schulen?'-^ sagte Frau Fl. Friedmann, y Semmel geben'* und ^Apfel schälen'"'' sind hier durcheinandergeraten.

Bei den Nachklängen werden wir eine Reihe von Fällen kennen lernen, die man auch als Mitklänge auffassen kann.

a. Mitklänge eines durch ein Gesichtsbild erregten

Wortbildes. Ich komme ins Speisezimmer und will mein Söhnchen zum Schlafen abholen. Er sitzt aber und isst noch immer. Ich sage: „Btdn, kommst Du schon essen . . schlafen?''

Kain begegnet einem Dr. Binder, der sich am Mehl- platz eingemietet hat. K. fragt nun: ^^Sie haben sich am Binderplatze niedergelassen?"' Der Fall ist typisch für eine häufige Erscheinung: Wenn mir jemand gegenübersteht, so

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ist sein Name für mich „schwebendes Wortbild", und dieses kann sehr leicht in meine Rede eindring^en.

Meine Frau sagt zu mir: „Dw Fanny l . ." (das Dienst- mädchen gleichen Namens steht neben uns). Ich lache und lasse meine Frau nicht weiter reden, indem ich sie auf ihren Irrtum aufmerksam mache. Sie leugnet aber energisch, sich versprochen zu haben. Das Dienstmädchen bestätigt aber heiter die Richtigkeit meiner Beobachtung.

Ich sage zu Richard von Schivizhoffen : „. . dass da der Richard . . ah, die Rida . ." Erleichterter Mitklang wegen Ähnlichkeit des schwebenden Wortbilds.

Ein Student sagt zu mir: „Der Professor Meringer . . der Professor SchenJcl liest auch am (Datum) nochl'^

Beim Speisen. Meine Tochter Gretl und meine Frau sitzen bei mir. Ich will: ,,. . die Lini . ." sagen, sage aber „. . die Gre . . die Bi . . die Lini . ."

Ein Student will zu mir sagen: „. . heim LeMor Morieh . ." sagt aber ,^3Ierich^, weil mein Name ihm vorschwebt.

Meine Frau sagt zu mir auf der Strasse: „Jetzt werde ich den Böhm (dieser Herr geht soeben an uns vorbei) . . den Wagner fragen,''^

Es regnet sehr stark. Ich stehe am Fenster und sehe hinaus. Dann sage ich: ,,Wenn es hier regnet .. ah, brennt, dann . ."

Meine Frau legt „Socken'"'' in den Wäschekasten. Da bemerkt sie einen auf dem Boden stehenden Teller, von dem der Hund „LiserP'' gefressen hat. Sie nimmt den Teller und gibt ihn der Magd mit den Worten: „J)a ist noch ein Socken vom Liserl."^

Detter sagt zu einem Kellner: „Sie, bringen Sie mir einen Speiszell . . Speisezettel . ."

„Das Buch gehört gewiss Ihnen,^^ sagte ich, wollte aber sagen „das Taschentuch . ." Ich hielt dabei ein Buch in der Hand, das ich längere Zeit gesucht hatte.

„. . wenn man es (näml. ein Ei) trinkt . . isst . ." Das „trinkt"" erklärt sich daraus, dass ich in dem Augenblicke eine Flasche in der Hand hatte.

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Ich will ein andermal sagen: „Jlaii weiss ja nicht, was man da für einen Schund zusammenkauft.''' Unterdessen fällt mein Blick auf eine orrosse F" läse he und ich sage: „. . zu- sammentrinkt.^

Ich rede von g^elbcn Rüben und giessc dabei ein Glas voll: „Wenn ich ein Glaser l davon . . ah, ein wenig davon esse . ."

„Ich werde wirldich einen Zessel Zettel mir schreiben,'* sagt meine Frau und fragt darauf: Warum Jiabe ich jetzt „Zessel gesa(jt?^ Ich antworte: .^ Weil Du beim Sessel stehst, von dem wir gerade gesprochen."'

„Ich hab nur eine Angst, wenn der auf Deiner (in diesem Augenblicke lese ich auf einem Plakat: . . Strasse) Strasse geht, ah, Seite geht."

L. V. Frankl hebt sein Bierkrügel und sasft zum Kellner: „Kein Bier mehr, ein Krngl Weinl'' für „. . Viertel Wein."^

K. Grünberg liest auf der Karte: „Ziviebelschnitzel'* . In dem Moment sagt er zu mir: „ZweringerV"''

Wie man Vanilleeis essen kann, ist mir (in diesem Augen- blicke lese ich auf einem Anschlage: A b c n d - Konzert) Abend . . ist mir unbegreiflich.''^

Dr. Adler macht eine Handbewegung und wirft fast ein Glas um; darauf sagt er zum Kellner: „Geben Sie mir einen kleinen Glas . . Gras . . Griesschmarrenl'"''

Me. sagt: „Wenn man heiraten will . . (im selben Augen- blick rückt ein in der Nähe sitzender Herr in auffälliger Weise von der Dame neben ihm fort; Me. setzt fort:) . . und rückt . . und tritt dann an die Frage der Heredität heran . ."

Hierher gehört auch folgender Fall. Mayer hält eine Vorlesung, es kommt ein verspäteter Hörer mit Verbeugung herein: Mayer sagt: „Guten Abend''' im Texte und im dozierenden Tone des Vortrages.

„Hast Du Schneuztüchin . . ahl Strei f höhin? '' fragte ich. Ich war gebückt im Augenblick des Fragens und hatte ein im Wege liegendes Taschentuch beseitigt.

„Ich werde der Leni das Essen . . ahl das Geld geben**

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sagte Rida und fügte richtig hinzu: „Weil ich beim Essen hin, sage ich ,, Essen"' statt „Geld.''''

y^Bei Frudentius hahc ich seihst porgere getrunken . . ge- funden'''' sagte Cornu, sich zum Trinken anschickend.

Ich sage zu Much: y^Geh nur herein, sie (mein kleines Kind) muclt . . mnss ja ohnehin sofort aufwachsen [auf- wachen^.'-^ Das s des letzten Worts ist wohl ein Nachklang der Korrektur von „much' zu „w«ss".

Bein will sagen: „Wart ein hissel auf niich.^'' Da aber ein Wagen vorbeifährt, sagt er „fahr ein hissel auf michl''^

Die Verkäuferin sagte zu Dr. Bein: „Wolln's ein Bein, eine Marke?"

Wir sitzen zusammen: Dr. Sueti, Redakteur; Dr. Decsey, dessen Kollege; Dr. Zingerle, ich. Sueti sagt zu mir: ,,Herr Koll . . Doht . . Professor \ . .", spricht also gewissermassen im Geiste irrtümlich mit den bei uns sitzenden Decsey und Zingerle (der damals noch nicht den Titel Professor hatte), bis er sich auf mich besinnt.

Meine Frau kommt in mein Studierzimmer und berichtet mir, sie hätte gesagt: ,,Wir gehen auf die Kiese . . IViesel'' das K sei ihr unbegreiflich. Ich frage: ,,Zu wem hast Du denn gesprochen?'' Zu den Kindern'' sagt sie. Ich: ,,Und von diesem Worte, das Dir vorschivehte, stammt auch das Ä"!"

Johannes zur Gretl: „Die Mama sagt Dir, Du sollst Dir die Grete, die Socken hinauf ziehend'

Die hier erwähnten und auch bei den Nachklängen zu beschreibenden ,, seh webenden Wortbilder" werden der Grund sein, wenn, was aber sehr selten vorkommt, ein Versprechen ganz unerklärlich ist. Es scheint, dass man die Vaganten nicht immer, auch wenn man den Sprechfehler sofort bemerkt, über die Schwelle des Bewusstseins heraufziehen kann.

Zu den Mitklängen gehören die meisten der von mir früher

b. Substitutionen genannten Erscheinungen.

Vgl. V. und V. S. 71 ff.

W^ie die Mitklänge, so können aber auch Vor- und Nach-

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klänge und schwebende Wortbilder Grund sein, dass ein Wort durch ein anderes „substituiert" wird.

Um einen Überblick über die Fälle, wo ein anderes Wort als das ursprünglich beabsichtigte erscheint, zu geben, mache ich die folgenden Zusammenstellungen.

Die eigentlichen Substitutionen sind im wesentlichen diese:

1. Ein Wort wird wegen lautlicher Ähnlichkeit assoziiert.

2. Ein Wort wird begrifflich assoziiert,

a) wenn die Bedeutungen ähnlich sind,

b) wenn die Bedeutungen konstrastieren.

3. Ein Wort wird assoziiert, weil es mit dem Beabsich- tigten oft verbunden erscheint.

Warum das substituierende Wort assoziiert wurde, wird nicht immer von allen Psychologen gleich beurteilt werden.

Ich gebe zunächst eine Reihe von Beispielen ohne den Versuch der Einordnung zu machen.

„Er hat den Wunsch zum Kinde des Gedankens gemacht''^ für „. . zum Vater . ." (Reg.-R. Albrecht ref.).

„Ist das Petroleum in Bratul tjeraten?'* fragt Frau H. „Leider nichtl ah, glücklicher weise nichtl^ antwortet Rida.

„. . vielleicht in der Stadt schöner als hierl (R. v. Schiv) für „auf dem Lande . .^ ,

„. . bin ich täglich, hin ich Jährlich nach Fünfkirchen gekommen.'^ (Reg.-R.).

,.. . das nächste Mal . . ., das letzte Mal . ." (Me).

„. . im Caf . . Gasthause . ." (Mu).

„Ich ivar nur fünf Minuten, ah\ fünf Wochen dort"' (Frl. Anna H.).

„. . da sieht er entschieden jünger^ ah\ älter aus.''' (Dr. Homann).

Abgeordneter Dr. Kramaf spricht Bunzl mit „Dr. Bloch'* an. B. bemerkt sofort, dass er ihn mit dem Abgeordneten dieses Namens verwechselt habe.

In der V. und V. S. 1 1 genannten Gesellschaft wurden

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sehr oft die Namen „Uroch''' und „Dopsch''' verwechselt. Olaf Broch und A. Dopsch gehörten unserem Kreise an.

„Obst'\ für „Äpfel'^ (Kramai').

„Die Chine . . Japanti . . Chinesen haben wieder eine Schlacht verloren'"'' (Mu).

„. . ivenn er einmal iveniger ohne Sorgen sein wird,''' sagte Mu, meinte aber „mehr ohne Sorgen'^ wenn es überhaupt so zu sagen erlaubt ist.

Wir haben in Norddeutschland sehr gute Pferdebahnen . . . Pferdezuchf^ (Prof. Holderegger).

„. . heute früh, als ich ins Bett gegangen bin, ah\ ins BadV' (Muj.

„ZiviU'apellen'''' für ,,3Iilitärkapellen^'' sagt Grünberg.

„. . eiserne . . eisige Platten . ." (Albrecht).

„Fortbildungsverein für „VolJisbildungsverein"- (Reg -R.),

„Er ist nicht so alt . . jung'''' (Loth. v. Frankl).

„Kinder mär chen . . Kindermädchen'''' (Loth. v. Frankl).

„. . ein Jahr . . ein Tag . ." (Dr. S, Singer).

„Exerziert^ für „Jüomniandiert^' (Dr. Homann).

„. . damals hab' ich auf ihn so hinab . . hinauf geblicJctl" (Mu).

„. . nicht schwer . . nicht leicht zu definieren'^ (Mu).

„. . unter fünf Kilo . . ahl über fünf Kilo . ." (Rida).

„Ich bin bös', dass Du erst um 9 U gehst.'''' (Rida). Auf- merksam gemacht, erklärt sie, sie habe natürlich „schon'''' sagen wollen.

„. . Piedaktion der „Zukunft'''', ahl der „Zeit'''' . ." (Mu).

„. . Mayer . . ahl Weiss ist dagewesen . ." (Broch).

,,. . als den tveissen Monat . . als die tveisse Jahres- zeit . ." (Rud. MuchJ.

„. . ich habe in meinem Zimmer minus 9^ . . ahl 9^^ (Vondräk).

„. . aus den dreissiger Jahren dieses Jahres . ." für „. . Jahrhunderts . ." (Dir. Poestion). Nicht korrigiert.

„. . Suezkanal . . Strasse von Gibraltar , ." (May).

„. . Journalisten . ." für „. . Juristen . ." (Adl).

„. . sehr früh . . ahl sehr spät hingekommen . ." (Me).

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„. . Leipzig . ." für „. . Laibacli . ." (Prof. Reisch)

„. . ob das der Braut . . Bräutigam mcitifr Tochter ist . ." (v. Lieder).

„. . vier Motuite . . vie)- Wochen . ." (Me).

„. . kürzere Zeit . . längere Zeit . ." (Frl. R. ll.j.

,, Speistisch"' für ,, Schreibtisch"' (Me).

„Was haben s denn erst . . schon um achte fortzugehen?'' (Max V. Schiv).

Prof. Erich Schmidt wurde von einer Dame als y^Pro- fessor Erich Meyer'' vorg-estellt. (W. ref.).

Ich frage H. Hptm. Weiss; ^Was gibt es weis . , ah\ neu^s?"^

r,Laibachcr Bergwerk^' für ^Laibacher Erdbeben'* sagte Rud. Much. Da er meine Bestrebungen kennt, quält ihn der Fehler, weil er ihn sich nicht erklären kann. Endlich kommt er darauf. In den letzten Monaten war so viel von Ung-lücks- fällen in Bergwerken die Rede, dass das Wortbild leicht bei einem neuen Unglücksfalle mit erregt werden konnte. Die äussere Ähnlichkeit von y, Erdbeben'^ , „Bergiverk'^ (Komposita, zwei betonte e) erheben diese Vermutung zu annähernder Sicherheit.

,.Der beste Ochs ist doch der polit . . polniscJie Ochs'' sagte Ed. Strauss, Ökonom in Pottendorf. Er unterbrach sich selbst und sagte: ,.So. jetzt hätV ich bald gesagt: der politische OcJisl" Er erklärte weiter, dass er an „galizisch''^ gedacht habe. Dann also wollte er eigentlich mit Konta- mination y^polizisch" sagen, aber bei „polit . ." wäre der Zug über das geläufige ^politisch" abgerollt, das er merkte, aber noch verhinderte. Ein sicherer und lehrreicher Fall.

„. . sie (von meiner Hündin ist die Rede) ist immer so weit . . so nah . ." (Me).

„. . die Tische . . die Sessel umstülpen . ." (Me).

^Pfeffel" für ,, Scheffel'' (M. v. Schiv).

„. . da^ geht heute doch nicht mehr . . noch nicht anders'* (M. v. Schiv).

„. . TFare, die um 20 gr. schwerer ist."' Aufmerksam gemacht, korrigiert Sprecher „. . leichter ist'' (M. v. Schivj.

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„. . das lässt sich im Vorhinein nicht mehr 'bestimmen'''' für y^noch nicht . ." (Gf. Attems).

Den Fehler „hefest . . beschäftigt^ habe ich neuerding-s wieder mehrfach gehört. Jos. Schneid, berichtet mir dazu :

Wenn Sie sich viel mit den Klassikern befestigt haben . . " Vg-1. V. und V. S. 78. Ich habe in der Einleitung dargelegt, dass „befestigt^^ eine Kontamination aus „befasst'''' und „be- schäftigt^'' sei. nfest . . beschäftigen''^ (v. Lieder). ^Wenn

V

man sich nicht befestigt . . beschäftigt damit hat . ." (Streckeij).

y,Hoffmann^'' für ^^Svoboda'''' (Me).

„Am 4. iverden es vier Tag . . vier Monate . ." (Me). Klingt das bei „am vierten''^ etwa mit erregte „Tag^^ nach?

Ich erzähle Herrn Bertling, Kaufmann, 26 Jahr alt, von den Sprechfehlern. Er sagt: „Mich iverden Sie nicht er- wischen.'"'' Am Abend sagte er aber mehrere Male ^Agrarier oder Indogermanen^^ für „Arier 0. J." und leistet auch sonst bedeutendes, ohne etwas zu merken.

„C^echisch"' für „magyarisch'''' sagt Prof. Hermes aus Mors. Gleich darauf „Budapest'' für „Wien'''' (Eug. Bormann Zeuge).

„. . ausser, ivenn er sich nicht unanständig benimmt . ." sagte Dr. Homann, wollte aber sagen „. . nicht anständig . ."

A. V. Weilen erzählt mir, er habe in einer Vorlesung öfter „Miss Sarah Bernhardt'''' gesagt für „Miss Sarah Sampson'''' und sei erst durch das Lächeln seiner Hörer auf- merksam geworden.

„Willst Du ein Glas Wasser, ah\ Wein?'"'' (Me).

„. . nicht ganz die Hälfte, das heisst ein bissei mehr . ." (Fr. H. Walzel).

„Diese „RaffinerieV^ rief Mu aus statt: „Dieses „Baf- finementl''^

„Die Kellner glauben, ivir sind für sie da und nicht, sie sind für die Kellner da . . ah für die Gäste.'"'' (Adler).

„Nächsten Monat'''' für „. . Montag^'' (Me); dürfte eine häutige Substitution sein.

„Komm' gestern . . komm' morgen". Mu bemerkte den Fehler selbst.

Meringer, Aus dem Leben der Sprache. 4

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r,Bei dem toten Wtin macht es nichts, wiun er etwrnt kühler, <ihl wärmer ist"" (Me).

y,Eiwas weniger geruchlos sollte es hier sein^ sagt stud. phil. Köll, meint aber natürlich „Etwas mehr , ."

„. . Nachtmahl . . ah\ zu Mittag essen . ." (Mu). Ein etwas starker Fall. Miltag^s.

y,Ich habe so wenig geschlafen heuer"- für „. . heute"' (Ri), Ich habe den Fehler schon in V. und V. S. 76 ver- zeichnet.

„Zwei Polster und ein liosshaarpolster sind mir zu niedrig, ah\ m hoch"" (Ri).

Y,Mir ist noch nicht . . ah\ nicht mehr heiss'* (Ri\

„Wie oft habe ich schon Eierschalen ins Wasser ge- worfen, und sie sind verbrannt'.'' sagte Ri. „/ws Wasser?"- frage ich. „Ähl ins Feticrl"" verbesserte sie lachend.

y,Das ist nur ein Monat . . eine Woche gewesen"- (Ri).

„. . nicht für zu wenig . . für zu viel . ." (Ri).

„Machen Sie dort die Tliür . . das Fenster zul^'' (Me).

„3Iir ivars in der WinterjacJce zu kalt . . zu ivarm.'* (Frl. Mül. 22 Jahre alt).

Bei anderer Gelegenheit fragte Rida Frl. Mül.: „Jetzt iverden Sie wohl auch schon einheizen?"- Sie antwortet: ,,J.cÄ freilich\ Jetzt wäre es doch zu lieiss.^^ Nach einer Weile korrigiert sie selbst: „Zu kaltl"-

„Du siehst heute nicht schlecht . . nicht gut aus\"^ (Me).

„Gestern . . ah\ morgen müssen ivir . ." (Me).

„Benefikanten"- für „Blaleficanten"- Shakespeare Mass für Mass 11 I (Elbogen: Reimer X S. 181).

„Monument'-'- für „Moment'"'- II 1 ebd. Ist auch in unserer volkstümlichen Dichtung oft anzutreffen.

So viel, um einen Überblick über die Erscheinungen zu ermöglichen. Es folgt nun weiteres unter Kategorien, die man aufstellen kann, angeordnetes neues Material. In dieselben Abteilungen sind auch die schon vorgebrachten Beispiele leicht einzuordnen.

c. Substitutionen infolge lautlicher Ähnlichkeit. \\ickhoff sagt: ,, . . König von Persien . ." Ich korrigiere:

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„. . von Serbienl^^ Wickhofif wiederholt bestätig-end : ,,von Serhien^\ Ein sehr häufiger Fehler, den viele Menschen schon gemacht haben dürften.

,,Er ivar ein strammer Wind . . Wirf (Wrzesinski). Ein sonderbarer Fall, der nicht ganz normal zu sein scheint. Aber es ist allerdings auffällig, wie wenig Ähnlichkeit genügt, um einen Wortvaganten herbeizuziehen. Diese Kombinationen finden sich oft bei geistig nicht bedeutenden Menschen, und K. Mayer hat oft im Gespräch darauf verwiesen, dass die Wortwitzmacher, bei denen ähnlich klingende Wörter sich leicht assoziieren, zumeist beschränkte Individuen sind. Bei den anderen Menschen scheinen die Bedeutungsdifferenzen als Hemmungen der Kombination zu wirken. Sie finden sich aber auch bei besser Begabten, jedoch nur in schwachen Stunden, bei Müdigkeit, Krankheit usw.

„Fisch"" statt „Schiff'' habe ich mir speziell von v. Grien- berger notiert; ,,Fische" statt ^ßchiffe"^ von einem meiner Schüler in der ehemaligen Orientalischen Akademie. Vgl. oben unter Vertauschungen und V. und V. S. 76. Vgl. auch unten beim Versprechen der Kinder.

,,Wenn tnan sich auch damit noch beschaffen . . befassen müsste . .'' sagte ein junger Doktor. Die Ähnlichkeit ist hier nicht gross.

Abends 7 Uhr nach einem erfrischenden Spaziergange, sagte ich: „Das ist heute . . heuer ein cnt^ücJcender Winter . . ah\ Sommer \'' versprach mich also in einem Satze zweimal. Die Substitution von „heute'' und „heuer" habe ich schon V. und V. S. "^6 angemerkt; sieh auch oben S. SO.

L. V. Frankl will „Am eisen forscher" sagen, beginnt aber „Eisenbahn . ."

„1500 Gidden ins Büffet . . ins Budget (französ. aus- gesprochen !) eingestellt . ." (L. v. Frankl ref.).

„Notnagel"" für ,, Lobmayer" (Frau Fl. Friedmann).

Ich verwechsle im Kolleg öfter „Locativ" und „Optativ", ,, Deklination" und „Konjugation". Auch „Nominativ" und „erste Person", letzteres in die folgende Kategorie gehörig (erster Fall erste Person).

4*

f)2

„/-/j Itub' im Leinayer nachgesehen'* statt „Lehmann'*. (L. V. Frankl ref.).

d, Substitutionen infolge begrifflicher Assoziation.

„. . hat einen ffanz schönen roten . . ah\ schwarzen Hut-' (Mo). Nicht häufig.

„. . das gefüllt mir nicht gut . . nicht schlecht^ (Fräulein).

Ich wollte „fr(ühestens)^ sagen, meinte aber „spätestens'*.

r,. . kann man nicht früh genug kommen,'' sagte Brock- hauscn. Aufmerksam gemacht korrigiert er: „Ah, spät genug.''

„Beim Papier zahlt man soviel drauf im Grossen . . im Klrinen'* (Rida). Gemeint ist „ivcnn man es in kleinen, in geringen Mrngen kauft''.

„Ja, Gott sei's gekla . . gedankt\'* (Rida).

„. . weniger'' für „mehr'* notierte ich mir von Weg- scheider.

„. . weniger leidenschaftslos . ." sagte Pintner. Ich frage: „Sie meinen weniger leidenschaftlich?'-^ ««^<*)" sagt er.

„. . ich schneid' ihrs eh' immer weg, wenns hart ist, ah\ wen HS wt'ich ist.'* (Me).

„. . im S . . im Winter . ." Meine Frau bestätigte, dass sie „Sommer'* sagen wollte.

„. . im Winter, ahl im Sommer . ." (Detter).

Ich: „Weisst Du, wie viel Grad es hat?''' Meine Frau: „Es wird nicht icenig haben]'* Ich vermute, dass sie sich versprochen hat und mache sie darauf aufmerksam. „Ah, nicht viel liahenl"* sagt sie.

„. . gestern, ahl morgen" (Me).

„Ich hin weit entfernt, ihn zu schätzen'* sagte Cornu ohne Korrektur, meinte aber das Gegenteil.

Dr. Friedjung beschreibt uns eine stürmische Parlaments- sitzung und sagt: „Schönerer ergreift ein Portefeuille . ." statt „Fauteuil'', einen Ministerstuhl.

„Auf dem rechten Auge sehe ich fast gar nichts, auf dem anderen viel weniger . . ah, etwas besser" (Dr. Dieterich).

„Kindern dürfte man ihn nicht so schwach geben" sagt meine Frau. Auf meine erstaunte Wiederholung antwortet sie: ^Ahl so starkl"^

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„Wann niuss sie jetzt abends immer Uopfen?"' fragt meine F'rau. „Abends?"' wiederhole ich, „Morgensl"'' verbessert sie kopfschüttelnd.

„Gestern ivars ja nicht so kalt . . so heiss"' (Ganser).

Meine Frau beklagt sich über Zugluft. Ich sage: „7c/i riech gar nichts.''^ Von einem Riechen war gar keine Rede. Auffallend.

Was war die Folge . . was war die Ursache?'''' (Rida),

„. . Tcostet nach Bussland 5 Gulden, ahl 5 Kreuzer^'' (Mu).

„Er ist der Vater seines Sohnes^ sagt Dr. Adler, wie immer pathetisch. Dann fügt er zu mir gewendet, hinzu: „Sie, ich habe das icirMich nicht unabsichtlich . . ah, ab- sichtlich gesagt'"'' verspricht sich also neuerdings. Dr. A. wollte statt „Vater'^ wahrscheinlich „Freund^'' oder Ähnliches sag-en.

„Und die Alte ist die Tochter von der Jungen, ah, die Mutterl"' (Me).

„Du isst mir . . Du trinkst mir zu viel Wasser, Gretll^^ (Me).

„Du trinkst ja nicht . . Du isst ja nicht davonl"' (Rida).

„Bier"- für „Wein^^ sagt meine Frau, ohne dass von Bier früher irgendwie die Rede gewesen wäre.

„Ich habe dieselben Möbel, die meine Kinder schon . . meine Eltern schon gehabt haben'''' (L. v. Frankl).

„. . denn die kriegt gewiss nur einen bösen Kerl zur Frau'-'- sage ich. Meine Frau korrigiert: „Zum Manne\^ Ich: „Zum 3Iannel Habe ich zur Frau gesagt?'-'' Meine Frau: „Jal" Also nicht einmal ich werde mich jedes Ver- sprechens bewusst.

„. . vorgestern, ahl vor zioei Jahren''^ sagte M. v. Resetar. Ein Fall, den ich für ganz unwahrscheinlich er- klärt hätte.

„. . in 24 Tagen . ." statt „. . Stunden . .•' sagt A. F. Seligmann, ohne etwas zu merken,

„Ich kenne viele ehelose Paare, die so herumradeln,"- sagte Mu, meinte aber: „. , kinderlose . ."

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„Die Sonne ist untt'njeyanytn wie Wasser . . wie Feuer . ." (junge Dame).

„Der Verteidiger, der (jlauht, sein Fat . . sein Klient . ." (L. V. Frankl). Der Sprecher wollte beim Arzte sehr be- grcitlich : y^ Patient^ sagen.

„Am Stephans platz ist ein solches Geschäft, hinter der Votivkirche'* sagte meine Frau statt „. . hinter der Stephans- kirche^, ohne etwas zu merken. Warum ihr die Votivkirche in den Sinn gekommen, war nicht zu konstatieren. Die Ver- drängung ist um so auffallender, als schon der Nachklang von y,Stephansplatz^'' auf das Richtige geführt hätte.

Herr Ohnesorge erhebt sich und sagt zu dem Herin, der nun Platz hat am Tische: „Sie nehmen meinen warmen Sessel bei dieser IV armen, ah\ kalten Witterung ein l" Nach- klang allein, oder auch warm durch kalt assoziert. Vielleicht beides.

H. Gross hat zwei Herren zu besuchen, die in derselben Strasse gegenüber wohnen, und zu deren einem er jetzt die Treppe hinaufgeht. Nun ist ihm aber entfallen, ob er zur Wohnung von Prof. Heine oder zu der von Prof, Winter gelangt. Längere Überlegung ergibt, dass er bloss bei der Wohnung Winters sein könne. Er läutet, Prof. Winter öfifnet ihm selbst, und Gross stellt sich vor: „Ich bin Pro- fessor Winter.'' Gesichtsbild wirkt mit!

In ähnlicher Weise stellte sich einmal Brockhausen als Pfeifer vor.

4. Nachklänge, Postpositionen.

Vgl. V. u. V. S. 44.

E In» as ist faul im Staate D ä nc mark s ^»^

Bei den Vorklängen, Antizipationen, ist Vorbedingung, dass ich mehr als das eben zu sprechende Wort im Kopfe habe, einen Teil des Satzes, vielleicht, unter Umständen wenigstens (z. B. bei kurzen Sätzen), den ganzen Satz. Hier

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handelt es sich also bloss um Beeinflussung- von Teilen meiner , .inneren Sprache'^ (V. u. V. S. i ff.).

Anders liegen die Dinge bei den Nachklängen, Post- positionen.

Wenn ich irgend etwas wiederhole, was ich schon gesagt habe, einen Laut, eine Silbe, ein Wort, so wirkt das Erinne- rungsbild des soeben gesprochenen Lautes, der Silbe, des Worts, und ebenso das Gehörsbild davon mit, oder das Ge- hörsbild allein, wenn ich etwas aus der soeben gehörten Rede eines anderen wiederhole, Faktoren also, die ausserhalb meiner inneren Sprache liegen. Nur für den Fall, dass ich nichts wiederhole, sondern nur irgendeinen Teil meines Satzes später setze, als wohin er nach gewöhnlichem Sprachgebrauch ge- hört, wirkt die innere Sprache allein. Diese letzteren Fälle kann man reine Postpositionen, Postpositionen im eigentlichen Sinne, nennen.

Dass wir so leicht ein von dem andern gehörtes Sprach- element in unseren eigenen Satz aufnehmen, ist in der Ge- schichte der Sprache gewiss nicht ohne Bedeutung. Wie könnte anders eine bestimmte Zeit eine bestimmte Gemein- sprache haben, wenn nicht die Rede des einzelnen so leicht von der des anderen beeinflussbar wäre!

Wer die Entstehung von Analogiebildungen im Leben beobachten will, braucht bloss auf ein Zwiegespräch zu achten.

Nehmen wir an, zwei Männer sprechen über einen Wagen, z. B. ein Bauer und der Wagner. In der Wechselrede wird das ganze Flexionsparadigma des Wortes nach und nach zum Vorschein kommen, und die einzelnen Formen der Flexion beeinflussen sich auf dem Wege des Nachklangs sehr heftig. Vgl. unten die Beispiele. Und dasselbe gilt vom Verbum. Wenn jemand ,,darf" gebraucht, so wird der Zweite leicht statt ,,dürfen" „darfen"' sagen. Der Sprechfehler „weissen'"'' für ^^wissen"" findet sich unter derselben Bedingung. Ja, sogar schon allein, d. h. ohne dass „^(;^/^s" vorausgegangen ist. Es scheint mir möglich, dass „weissen^^, ^^darfen'''' u. ä. sich all- mählich zur Regel durchsetzen werden.

Meine Kinder sprachen, solange sie zu Hause waren, ein

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ziemlich gutes, deutliches Verkehrsdeutsch. Wenige Zeit Schulbesuchs genügte, um ihre Sprache ganz umzumodeln, und heute sprechen die zwei älteren, 1 1 und 8 Jahre alt, das hässliche, undeutliche Schulmädel- und Schulbubendeutsch wie die anderen Kinder. Und etwas Ahnliches gilt auch von den Erwachsenen. Die Residua alles dessen, was wir gehört haben, aufgespeichert im akustischen Zentrum, die Sprach- vorstellungen, wirken auf die Sprechvorstellungen im moto- rischen Zentrum und bewirken eine Veränderung des Sprechens. Die Nachklänge sind eine, wahrscheinlich die bedeutendste, Quelle von

a. „schwebenden Wortbildern".

Die Bedeutung der „schwebenden Wortbilder" ist eine weit grössere, als ich 1895 wusste. Alles, was uns lebhaft beschäftigt, namentlich häufige oder lebhafte Eindrücke, hinter- lässt in uns „schwebende Wortbilder", sprachliche Vaganten. Und diese können durch eine Ähnlichkeit mit zu sprechenden Wörtern leicht herbeigelockt werden, erscheinen aber auch, ohne dass man einen Grund für ihr Auftreten angeben könnte. Warum sie einwirken, ist aber in gar keinem Falle zu sagen, und auch in dem Falle, wo eine Ähnlichkeit ihr Auftreten erleichtert, nicht anzugeben (vgl. V. u. V. S, 73 Anm.).

Ich gebe als erstes Beispiel für Wort^aganten die Be- obachtungen, die ich in einer Fakultätssitzung am 14. Dezember 1895 in Wien gemacht habe. Der Dekan bringt die Einlaufe vor und gebraucht dabei natürlich Wörter wie ^^ zu stimmend erledigen^, „beantragen^ usw. sehr oft. Sie sind nun für ihn wie für die ganze Gesellschaft der Sitzung „vagierende Wortbilder'', sie klingen jedermann im Ohre. Wie V. und V. aao. auseinandergesetzt, können sie sehr leicht durch ein ähn- liches zu sprechendes Wort herbeigelockt werden und ver- drängen das Wort oder wollen es wenigstens verdrängen. So sagt der Dekan: „. . ich hoffe sie zustimmend . . zustellen zu können''. Die Ähnlichkeit von y,sustellen"- mit dem vagierenden ..zustimmend . ." genügte schon, in eine falsche Bahn zu kommen. Oder „. . von dem allgemeinen Standpunkte

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aus heant . . betrachten su hönnen"'. Das Wort ,,1) e trachten"- lockte den Vag-anten ,^ he antragen" herbei.

In einer Familie sind die Namen der Mitglieder, der Dienstboten, auch der Name des Hundes, „schwebende Wort- bilder", wenigstens solange man in seiner Wohnung, in seiner gewohnten Umgebung ist. Als ich jung verheiratet war, be- herbergte mein enges Heim meine Frau {„Rida'\ „BiderV' genannt), eine iMagd {„Leni'-') und eine Hündin {,,LiserV'). Diese Wörter beeinflussten sich oft oder wurden miteinander vertauscht. Ich sagte z. B. zum Hunde: „BiderP' oder „BiserV. Meine Frau nannte ihn „Lenerl'''', einmal auch ,,LeserP^, weil sie vorher ,^Leni''' gesagt hatte. Ich sagte zur Leni „Lesi^, zu meiner Frau: ,,Liderl^\ die Magd rief ich „Reni^^. Meine Frau sagte zur Magd: ^^Gehn's, Lisi, abräumend Mich rief sie einmal: „Lenil^\ ein andermal die Leni y,BiidolfV'- Auch den Hund rief sie einmal „Btidolfl^''

Seitdem ich Kinder habe, sind die Verwechsluneen noch mannigfaltiger. „Wenn Du nur alle auffressen tätest, Greterll'"' sagte meine Frau zum Hunde. Ich sagte zur Gretel: ^^Bidal'' meine Frau sagte zu mir: „Du Mariannel'-'- (Name der Magd). Auch die Kinder irren sich zahllos oft und sagen zu mir ^Mama^% zur Mutter „PajM" und ganz geläufig ist das korri- gierte „Pdpmama'-' und ,^Mdmpapa'' . Ich nenne oft alle Namen durch, bis ich auf den richtigen komme usw.

Johannes sagte 4 Jahr 8 Mon. alt zu mir: „Ja, Gret . . Pa}) . . Mama . . Papa . .!", war also schon beim Richtigen angelangt und verliess es doch wieder.

Beispiele für andere schwebende Wortbilder.

„. . vierte Vorles . . Vorstellung . ." (A. F. Pribram). DemProfessoristnatürlich ,, Vorlesung'''' einschwebendesWortbild.

„. . interpoliert . ." sagte Heinzel für „. . interpelliert . ." Dem Philologen ist das erste Wort sehr geläufig.

Es ist von Enten die Rede. Da sagt Stukki: „. . die sind nicht gut zu enten . . su essend''

„. . bloss bei den Meinungern . . Meiningern . ." sagte ich. Warum das Wort „Meinungen''^ als Vagant hier auftrat, wurde mir nicht bewusst.

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Es ist von „verlorenen Minoritäten'* die Rede. Daraut sagt Grünberg, der selber das Wort gebraucht hatte: „(re- richtshczirke^ wo die Leute mit Dolmetsehen verloren . . ver- nommen werden.''

Ich sagte mir beim Schreiben vor: „Das Elbinger Yokabitular . ." Ich wollte sagen ,,. . Vokabidar', hatte aber in der vorausgegangenen Zeit so viel mit dem Capitulare de villis Karls d. Grossen zu tun, dass ich entgleiste.

Es ist von der Slowakei (wir sprechen: Schlowakei) die Rede, Darauf sagt R. Much: ,,7n den anschlo . . anschliess< n- den Teilen . ." Much gibt auch den Grund seines Ver- sprechens richtig an.

Jak. Krall arbeitete über den Auszug der Juden. Als er sich verspricht ,,. . im Auszikj . . im Anzüge . .'* frage ich ihn, an was er gedacht habe. Da erhalte ich die obige Auskunft.

Zeit des Burenkriegs. Man hört und spricht so viel über De IV et, dass dieses Wortbild schwebend wird. Von einer Theatervorstellung sprechend, sagt Wassmuth: ,,Die Dewei soll gestern recht gut gespielt haben.' Ich verbessere: ,,Z)/e Dewal" (eine Schauspielerin). ,,A ja\' bestätigt W. lachend.

Ein andermal sagt Wassmuth: ,,. . er fährt nach Budapest und dort erwartet ihn ein Separatabzug . . SeparatzugV ..Bürstenabzug'' und ,, Separat abdruck", die beide hier mitwirken, sind bei jedem Gelehrten schwebende Wortbilder.

M. Murko ist bekanntlich seit Jahren Professor der slavischen Philologie an unserer Universität. Der Lektor der englischen Sprache hiess Morich. Der Diener, der das Zimmer des Indogermanischen Apparats reinzuhalten hat, ar- beitete einmal längere Zeit neben mir. Ich habe ihm Ver- schiedenes zu sagen, und er will von Prof. Murko, dessen Zimmer angrenzt, etwas sagen, verändert aber den Namen in Murich. Für den Diener war also wenigstens in den Räumen der Universität der Name des Lektors Morich ein schwebendes Wortbild. Der Name war früher nicht genannt worden, auch nichts gesagt worden, wodurch das Wortbild hätte gelockt werden können. Es war eben schwebend,

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der Fall kann also auch bei den Mitklängen untergebracht werden.

Es ist von Hühnermayen die Rede. Da sagt meine Frau ,,. . wie viele Häute der Mäijn hat . ." Mäyn ist der dialek- tische Plural von 3Iagen, der also hier als Nachklang den Singular verdrängt hat.

Ich korrigiere mit Herrn Dr. Samsalovic einen i\ufsatz, in dem der Name des Hausforschers Bancalari häufig vor- kommt. Da sage ich zu meinen freundlichen Helfer: ,,Sie, BancalariV''

Es ist vom Honig, von den Wachswaben, dem Wachs- deckel der Zellen die Rede, so dass Wachs schwebendes Wortbild wird. Darauf sagt Cornu: ,,Das machst man ja nicht . . das merkt man ja nichtl"' JfacÄJS^st kontaminiert aus ,,merkV' und ,, Wachs' (gesprochen WacJcs).

Ich rede mit Martinak^ und wir zitieren öfter G. Anton. Dann sage ich zu Martinak: ,, Kollege Äntonl"

Es folgt eine Sammlung von Beispielen gewöhnlicher Nachklänge.

b. Nachklänge, Postpositionen von Wörtern und

Silben.

a- Aus des Rede des andern.

Jemand sagt: „Schopenhauer nennt ein Mädchen einen Knalleffekt.'^ Darauf Murko zum Kellner: ,.Leopold, bringen Sie mir einen Knall . . englischen Pudding.^^ Ich be- merke ausdrücklich, dass sofort festgestellt wurde, dass ein Spass dem Sprecher vollkommen fernlag, dass er sich wirk- lich versprach.

Ich sage: ,,lst das ein schöner WegV' Dr. Bein: ,,em wunderschöner WegV Ich: „Ich hin das Wegen . . das Gehen nicht gewohnt/^

Brockhausen gebraucht das Wort ,,. . eine Treibhaus- pflanze . ." Gleich darauf sagt seine Frau „. . die Fried- haus . .^' für „die Friedmanns . ."

Ich sage: „. . das Stipendium von der alten Baronin . .'" Meine Frau fragt dazu: „Wie alt ist das . . ivte gross ist das?'''

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Eine Dame sagt: ,,Ich hiu eine L/lauerin.'' Darauf Dr. Adler sehr erfreut und pathetisch: ,,Ich bin auch eine LilauerinV im vollen Ernste und wird erst durch das entstehende Ge- lächter aufmerksam. Man hätte Lust den F'all für einen senilen zu erklären, aber g^anz ähnliche Fehler kann man auch bei jung^en Leuten beobachten.

Ich sage: ,, Akademie . ." Meine Frau: „So ist es nur mehr möglich, dass wir morgen oder Samstag in die Akademie gehend' Ich frage erstaunt: „J» die Akademie?"' Darauf meine Frau: „Hm\ In den Tiergarten l" Sie hatte gar nichts gehört.

Ich sage: „Eine Reihe von Völkern hat ja daran ge- glaubt/' Ein Fräulein: „An die Völkerivanderung . . ah\ an die Seelemvanderung/'

Ich: ,,. . Haben Sie's gelesen?'' Maler Vita: „Und die Künstler genossenschaft hat's abgelesen . . abgelehnt/'

Meine Frau sagt: „Es handelt sich nur um Dich, ich kauf e keinen Schinken /' Ich: „Du han . . Du kauf st keinen Schinken ..."

Meine F'rau: ,.Nu, dann schreib' ich^s halt dort . ." Ich: „Sie schreiben . . bleiben ganz alleine^\

Meine Frau: ^Es ist Zeitl" Ich: „Ohne Zeit . . ohne ZiveifeU"'

Brockhausen spricht von der Dienstboten -Ordnung.''' Darauf Detter: „Wie sind denn diese Dienstboten . . ah, Rubriken . ."

Ri sagt: ,,. . am Netinundzwanzigsteii." Darauf ein Fräulein: „Am NeununddreissigstenV Aufmerksam gemacht sagt sie: „Ah\ Am EinimddreissigstenV' Auch dieser Fall zeigt, wie die vagierenden Wortbilder am leichtesten durch Klangähnlichkeit des zu sprechenden Wortes herangelockt werden (Neun ein).

Ich gebrauchte im Gespräche mit einem Bauern das Wort ,,ghert" (gehört). Darauf er: „An offnen Herd haV i scho ghert . . ah\ gsegn" (gesehen). Der Nachklang ist durch das von ihm gebrauchte Wort j.Herd'' erleichtert.

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,,Du hast da einen Fleck, Du schlechts MädlV Antwort: „So? Einen Schle . . Fleck?''

Ri gebrauchte das Wort „Niemand''. Ich antwortete: „Darauf kommt es mir gar Niemand . . gar nicht an."

Es war vom „Polenta'' (Mehl vom türkischen Weizen, Kukurutz) die Rede. Darauf sagt v. Graff ,.Spolento" für „Spoleto".

Es ist vom Hemdanziehen die Rede. Darauf Bein: ,,Das habe ich oft erst im Hemd getan" für „. . . Coupe . ."

Es ist von Sesseln die Rede, Darauf sagt eine alte Frau: „Die zivei Kasten sind ganz schöne Sessel" für „Kasten".

Bunzl hatte das Wort „Harnsekretionen" gebraucht. Darauf Kramaf: „Wenn ich Harn . . ah\ Weintrauben be- kommen hätte". Kr. versicherte, dass er „Harntrauben" sagen wollte.

ß. Aus der eignen Rede.

„Dieser Zappert hat einen Bub, der auch Zappert . . ah, Alfred heisst" (Dr. Adler).

„. . wennst keinen bessern Kosenamen findst, als mich Hansl nemen . . nennen . ." (Alte Frau).

,,. . haben vom Fiissball spiel g'spielt . . gesprochen . ." (Hofrätin v. Weilen).

Von 73 Kilo ist er auf 78 heruntergekommen, ah, auf 58" (Rida).

„Personalkommen ein Steuer" sagte Krebs an verschiedenen Tagen. Reine Postposition, anscheinend fest geworden.

v. Grienberger hatte vom Bett gesprochen. Dann sagte er: „eine Bette . ." für „. . eine Decke . ."

„. . zwei Monate in den Sitzungsmonaten (für Sitzungs- berichten) zusammengefasst" (Heger, ohne irgendetwas zu merken).

Ich erzähle meiner Frau, dass ich mit meinen älteren Kindern eine Druckerei besucht habe, und sage dann: ,,Es stellt zwar dort: Frßmden ist der Eindruck . . Eintritt ver- boten . ."

,,. . hundertachtundsiebzig Mezig Meter . ." sagte Prof.

ß2

Grobben vor lo Jahren, ein ruhis^er Mann auf der Höhe des Lebens.

,,So wie der Schuster Schuster macht" für .,. . Schuhe . ." (R R. V. Kljucaric). Nachklang erleichtert durch g-Jeichen Anlaut. Wurde nicht korrigiert.

,,Ich hohe dir ZeicJinumfen gezeigt . . gesehen, ahcr . ." (v. Hohenbr.) Nachklang und Entgleisung.

„Der Laternziinderanroch für „der Laternattzimderrock^^ (Röllig ref.).

,,. . in der Dorotheergassc wohnt er gewiss, ich iveiss nur nicht die Gctssc" für ,,. . , Nummer" (Me; abends 10^/4 Uhr). Nicht gemerkt und nicht korrigiert.

,,. . zehn Gulden oder 48 Gulden. ." für „zehn Gulden oder 48 Stunden Arrest . ." (Karabacek).

„. . dasz ihnen an der Auslage nix draus . . dranliegt" (v. Lie).

,,. . dass das die Fidibusse zcar, worannen man die Pfeife angezündet hat . ." für ,.. . waren, tvoran . ." (iMe).

„. . ein vorzuziehender Vorstand . . . Zustand (Me)

„. . Leute, welche die Seekrankheit während der ganzen Krankheit . . ah\ Seereise haben" (Bunzl).

..Man würde täuschen, icenn man sich glaubte . ." (Prof. Heinr. Schenkl in einem Vortrage). Postposition.

„. . dass man das Nächstliegetide liegt . . nimmt" (Dr. Bein im 32. Jahre).

,,ln Ungarn genügt es, sich zu genügen . . sich adop- tieren zu lassen'' (Helene Stökl, Schriftstellerin).

c. Nachklänge, Postpositionen von Lauten.

OL. Aus der Rede des andern. Meine Schwägerin R. erzählt, dass ihr Hahn unlängst den Hof verlassen habe (in Dolnja Tuzla) und auf über- schwemmtes Gebiet gekommen, wo er zugrunde gegangen sei. Da sagt meine zweite Schwägerin: „Er 'Wird halt auf Brautschwau ausgegangen sein." Ich frage sie. warum sie sich versprochen habe. Sie antwortet, sie habe an ,, Uberschwem- nnmg'' gedacht. Ein sehr lehrreicher Fall.

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Meine Frau sagt: ,,So hannst Du eben redenV^ Ich: ,,Abt'r auf eine Schweinerei kann ich mich nicht einladen !" Ich breche sofort ab und denke über das d von ,,einladen^^ nach, denn ich wollte ,,einlassen^' sa.gen. Es kann nur Xach- klanor von ..reden''^ sein.

Zufällig lesen meine Frau und ich laut. Meine Frau: ,,. . ÄbdrücJce . ." Ich: ,,. . nötrig . .'' für .,, . n'6ti(i . ."

Der Kellner empfiehlt einem Herrn der Tafelrunde: „OPoUo". Darauf sage ich: ,,Sipon\" für ,,SiphonV'

Ich: ,,. . verspätet . /' Darauf L v. Frankl: ,,Ist Seh;/- mann verspändigt . . verständigt?''

Ich frage Ri: ,^Ak\ Du siehst nicht?'' ,,Ich seh'' ant- wortet Ri. Darauf ich: ,,So, Du sehst . . siehstl"

Ich frage: „Was bläst {blasest) Du so?'' Ri antwortet: „Ich blas nichtl" I\Ian sieht aus solchen Beispielen, wie auch die Nachklänge die Vokaldifferenzen zusammengehöriger Wörter befehden Man kann sich leicht vorstellen, wie oft solche Gegenreden vorkommen, z. B. „Ich gebe . ." „Du gibst . ." oder „Du gibst . ." „IcJt gebe . ." Im ersten Falle führt der Nachklang zu ,,Du gebst . .", im zweiten zu: „Ich gibe". Um der einen oder anderen Form zum Siege zu verhelfen, bedarf es dann natürlich noch anderer Faktoren.

Ri gebraucht das Wort ,,. . verpflichtet . ." Ich will darauf „GeivichV antworten für „Gewissl" Das i erleichtert den Nachklang.

p. Aus der eigenen Rede.

„Dw kamist noch nicht mit dem Löffel essel" sagte meine F'rau zum Kinde.

„Der Wachs geht wag . ." sagte Dr. Adler und unter- brach sich: „Warum habe ich wag gesagt?'' fragte er mich. „Wegen Wachs", sagte ich. Unklar blieb, warum der Sprecher das Geschlecht von Wachs änderte.

„. . durch fünf Semester fünfständig . ." für „. . fünf- stündig . ." sagt Wickhofif mit Nachdruck und wiederholt es sogar, ohne etwas zu merken.

„. . an Bettschwere geritten . . gelitten'-'- sagt Dr. Adler

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abends '/^Q. Vielleicht nicht Nachklang-, denn die beiden r sind keineswegs g-leichwertig-, sondern Einwirkung eines Wort- vaganten. Ich habe den Fall nicht sofort genau untersucht. Oder senil?

y^Wie geht Ihnen s, ah, wie geht's Ihnen?" fragt mich Prof. Feod. Hoppe. Reine Postposition.

,, Durch den Wald führt ein schöner Wag . . Weg dorV^ Reg.-Rat Krispin.

,,Wenn die Hähne hrähnen, so wird sich das Wetter ändern^^ sagt Streckelj mittags, ohne etwas zu merken.

,,. . bei dieser photolithographischen Lieder . . IVieder- gabe . ." Detter 8 Uhr abends.

,,£ei anderen Sprachen ist wieder die Aussprache schprr . . schzoer"^ (Rida).

,, Diese Hestcl Wölbt verwende ich immer auf ..." für (Dial.) „Diese Restin WolV . . ." (Ridaj.

„. . die Zwei können spielen Verspecken mit einander^'^ für ,,. . . Verstecken . ." (Rida, abends, müde).

,,. . kräht kein Kahn . . ." für „. . Hahn . . ." (Brock- hausen).

„Die einen Arzte sagen: aufwärken . . aufwecken . .*' (Rida).

„Du musst doch hie und da ein Buch einbunden . . ein- binden lassen" (Rida).

im Zeichen des Wacher . . Wasserynanns . .'* (Rida). Dunkelkummer . . Dunkelkammer . ." (Maler Liscbka mittags).

„. . verschleppt durch die Schippe . . Schiffe . ." (Dr. Pintner).

„Das kann sich in der Jahreszeit furchtbar schnell el . . ändern"' (Me 1 1 Uhr abends).

,,. . weil sie vom Wetter überwascht . . überrascht . ."• (Ganser, alter Herr, an einem Julimittag, sehr heiss). Bei der Entstehung dieses Versprechens wirken besondere Um- stände mit, Alter des Sprechenden, erschlaffende Hitze, aber der Fehler ist trotzdem nichts anderes, als was sich bei gesunden jungen Personen in frischen Stunden ebenfalls findet.

65

,,. . Kain und Aibel . . Abel . ." (Rida). ,,. . er hat zu hagen . . zu sagen . ." (Rida). „. . die Miss Hiden (spr. Haiden) hat mir g' schreiben, geschrieben . ." (Rida).

Ich: ,,. . hat das Fleisch auch mit gefressen" Meine Frau: „Jal hat Freiss, ah\ Fleisch auch mit gefressen." Nachklang- ist mir hier wahrscheinlicher als Vorklang aus der eignen Rede, obwohl auch dies möglich ist, denn die Sprecherin gebraucht ebenfalls das Wort „gefressen".

,,. . ein Schickt Schtinken . ." für ,,. . ein Stückl Schin- ken . ." (Kain).

,,. . das Wetter müsste etwas fetter . . fester sein" (Loserth). Der Sprecher hat weder von seinem Versprechen noch von seiner Korrektur etwas grewusst. Mich dünkt, dass diese unbewussten Korrekturen für den Seelenforscher von Interesse sein müssten,

„. . zivölf Sttinden in der Wuch . . Woche . ." (Dr. Witlazil 9 Uhr abends).

„. . iuit einem Lappen, da geht der oberlächli . . ober- flächliche Schmutz iveg . ." (Alte Frau).

,,. . merkwürdiger Meise . . Weise . ." (Me).

,,. . hat man ihnen Sträflingskreider . . kleider angelegt . ." (Me 9 Uhr abends).

„. . im Nevaldholf getroffen . . im Nevaldhof getroffen . ."■ (Rida, mittags).

,, Glauben Sie, loird das Fleisch iveiss genug sein?" für ,,. . . iveich . . ." (Rida). iveiss dürfte aus „iveisch'-' durch Entgleisung, d. h. Einlaufen in die ausgefahrene Bahn, ent- standen sein.

„. . englische Faschon . .*' (Frl. M. Müller).

„. . und trifft auf der Striege . . Stiege den Schipper. ''^ (Bruno v. Frankl V2I0 Uhr abends).

,,. . Älea:ander Ksa . . ZappeH . ." (Dr. Adler).

„Meine Schwester ist viel zu g'schwei . . g'scheidt dazu" (Rida).

,,. . und mit reichem vollem Schwalle zu dem Balle . .

Meringer, Aus dem Leben der Sprache. &

66

Bade.." (ein Fräulein; ,.Bali' lag weder ihr noch der ganzen Sachlage nach nahe).

,,. . ivii'sö isi demi das eine liimö . . liumänin . ." (Rida, gesund, im 26. Jahre, p'/g Uhr abends).

„SeppV. Geh, gib mir . ." (Me).

,,Äuf neue, seure säur . . saure Pflaumen (Broch).

„. . entarterirr Nachkomme'^ sa^te mit Emphase Reg.-R. Das wiederkehrende t zog wohl auch das r wieder hervor. Bei emphatischem Reden dürfte sich Nachklang des r über- haupt leicht einstellen.

,,cffcktiv ijcschhftiii'^ für ,,. . geschhchtlf/.^' Dr. Homann. Unwohl.

„. . eklcktantesten lall . ." (Mu) für „eklatantesten Fall''.

,,. . ob er mit ihm Du ist oder Sti . . Sie ist"' (Prof. R. M. Werner).

,,Das ist ein furchtbar glattes Glas'' für ,,. . . Gras" (May, ref.).

,,. . mit Staunen rersto . . vernommen . ." (Vondrak).

,,. . den hat er angenagelt den Uittlcr . . Bittner . ." (Me). Der Fall ist nicht ganz klar. Vgl, dazu ,,. . Grieslu . . nudeln in der Milch . .", wo eine Antizipation vorliegt. In beiden Fällen ist das wirksame l Silbensonant (gesprochen: genaglt, Nudln).

„. . hat sich eitlen berühmten Ramcn . . Namen gemacht . ," (Dir. H.).

„Er ist ein kritischer Kropf . . Kopf" (Fr. Joh. Schima) k erleichtert den Nachklang.

„. . eine üppige Wiise . , Wiese . .*' (Lschinsp. Hülsenb.).

„. . zitiere einmal eine Stiele . . Stelle . ." (Vondr.).

,,Humanoria" für „Hiimaniora" (v. Lieder),

„Der Homann wird wahrscheinlich morgen bei seiner Bar . . Braut seinV' (Mu). Der Sprecher erklärt sich ab- solut keines Nebeno-edankens bewusst zu sein. Dann also Nachklang von „ahr" und Vorklang von B.

Ich sage: „Hausivcscn" . Darauf Dctter: „Kost . . Kocht sie gut?'' Merkwürdiger Fall.

,,. . ein Fürst Stscherbar . . Stschcrbazkoi?" (Me).

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,, Wenn ich nach Hause schreibe, so schraube ich . ." (Vondr.). Hier wurde Redner unterbrochen.

,,. . in Staub und Moder verivatidern . . venvandeln Icönnen". (Me).

„. . Antrag des geehrten Herrn Vorrad . . Vorredners . ." (Penck).

,. Bring ein Kriigl in einem geschlossenen Gras . . GlasV (v. Lieder).

„Ich habe in meinem Leben noch nie Nod . . Sodbrennen gehabt" (RR).

„Jetst sitsst Du da wie ein Meines 3Ieisner . . Meissner Porzellan- Figiirchcn'' ' ( Me) .

.,Und in dem Moment, wo der M . . Wagen kommt . ." (Vo).'

„. . lateinisch heischt es . ." für „. . heisst es . ." (Me).

,,. . Tdassische Schachen . . Sachen . ." (Lehrer Jettel). Gegen die Reg^el, weil Zischlaute.

„Von wom?^' für „Von ivem?'' (Pribram). Bei jungem Manne seltener Fall.

„Diese schabige Eleganz ivünst man nichf" für „. . ivünscht . ." (Me).

„Ich nehni' wegen weiner . . meiner . ." (Me).

„Wenn der Lehrer flagt . . fragt . J^ (Kind; Murko ref.)

„Milchspeis ist auch mahrhaftV' für ,,. . nahrhaftV' (Ri).

„Was ist ein Bauerngollasch?'^ fragt O. Broch. Ich sage: „Das können bloss Gau . . Bauern essen !"

„Grosshornrinde^' für „Grosshirnrinde^' (K. M.).

„Er sah, ivie eine Frau ihr Kind mndigte . . züchtigte.'''' (Rud. Schneider).

„. . er hat eine Vollblutstute gerutten.^^ (Ein Schauspieler; Bunzl ref.).

„Professor Bro . . Bormann . ." sagte ein Schuldiener. „Bro . ." ist gewiss nicht Metathese von „Bor{mannY, denn nachvokalisch vor Konsonant sprechen wir gar kein r.

„Klosterneuburg ist glo . . gross"' (P>au Friedmann).

Vor- und Nachklang.

„Der Goldmops kommt mir sehr solt . . seltsam vor^^

ö*

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(Detter). Die Wahrscheinlichkeit eines Nachklangs ist mir grösser. Ich denke „solt-^^ klingt nach „Gold-^^ nach. Als Ibsens Klein Eyoif in Wien aufgeführt wurde, war viel vom „Goldmops'^ die Rede.

„Wir sind drei Trem . . Temperenzler'' (Mu).

„. . eine volUjefro . . gefressene Boa constrictor/' (Me).

,,. . aus leicht heglnfliihen Gründen . ." (Mu). Ich habe den F"all scht)n bei verschiedenen Personen beobachtet.

,,. . Einhciligkeit . ." für „Einhelliglett . ." sagte ich^ ohne etwas zu merken.

Auch die Nachklänge werden erleichtert durch partielle Ähnlichkeit der Wörter, obwohl diese keineswegs nötig ist. Zu den schon angeführten Beispielen noch folgende:

„Was er für Studien (spr. Schfudien) gemacht hat in Schtönhrunn . . Schünhrumi . ." (Röllig ref.).

Meine Bedienerin gebraucht das Wort „Kaffee". „Das tue ich nur vor dem Kaffee . . Kolleg,^' antworte ich.

,,. . 65 Zentimeter Durchmeter . . Durchmesser . ." (Me).

Es ist von einer „Katastrophe' ' die Rede. Darauf sagt Dr. H. Sittenberger zum Kellner: „Bringen Sie mir eine kleine Katastrophe . . einen Meinen Kaffee, aber sehr weissV^

„Unser Fall ist ja nicht ein fall . . nicht einfach" (Me),

„. . wie ich ihn inner . . immer habe . ." (Me).

,,. . züo der IVogscheider . . Wegscheider . ." (L. v. Frankl).

„Die Deutsch- Bussen sagen das j ganz deutschlich . . deutlich" (L. v. Frankl).

„Die anderen Sprachen sind noch nicht genug untersicht" (Mu) für ,.. , untersucht".

„Dreimal im Trag . . Tag , ." (Frl. A. Haasz).

„. . die Westgoten und die Ostgoten, mit de liaV i net g'schproten . . gesprochen" (Alte Frau).

„. . mit Filzstoff hestannt . . bespannt . ." (Rida).

,,Du bist ein schrecMiches Ding . . zudinglich . . zudring- lich wie eine Wespe" (Me).

,,. . mit Nahrungssar . . sorgen . ." (Hahnreich).

,,. . leidet, wie der technische Ausdruck leitet . . lautet . ."' (Siegm. Exner).

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Ich: „Du setzt Dich schon ivieder auf meinen Stuhll" Meine Frau: ,Jch mache nur ein Paar Sttt . . Stichel"'

,,. . und hat er ein solches Glas getrunken, so fänf/t er sofort an zu trinken . . zu singen'^ (Detter).

„. , die eine ausgestrichen, die andere eingestrichen.'^ Meine Frau wird erst von mir aufmerksam g-emacht und korrig-iert dann: ,,einges ehr i eben''.

d. Nachklang von früher miterreg-ten Wortbildern.

Vgl. V. u. V. S. 51.

Rud. Much erzählt mir einen sehr interessanten Fall, eine Anekdote. Ein Schauspieler hat zu sagen: „Der Connetable schickt sein Schwert zurück" (Schiller, Die Jungfrau von Orleans I 2). Ein anderer hänselt ihn und bittet ihn, sich doch nicht zu versprechen und etwa zu sagen: „Der Con- fortahel schickt sein Schivert zurück^'' Das tut nun aller- dings der Erste auch nicht, aber er sagt als König Karl: „Der Connetable schickt sein Pferd zurück." Was war ge- schehn? Bei „Connetable" vfurde „Confortabel'' mit assoziiert, und mit diesem fuhr sein „Pferd", welcher Mitklang durch die Ähnlichkeit mit ,, Schwert" so stark wurde, dass es das letztere Wort verdrängte.

„Das ist leichter gesagt als behau . . bewiesenl" Bei „gesagt" klingt ,,behauptet" mit, und das kommt dann zum Vorschein (Me).

„. . durch die Gnade seiner Majestät ist er zum Minister des Kai . . des Äussern gemacht worden." (R. R.). Bei ,, Majestät" klingt natürlich „Kaiser" mit.

Ich singe: „A so a Frauderl is a Weib" für „A so a Weiberl is a Freud". Bei „Frauderl" kam mir das richtige „Weiberl" in den Sinn und das verdrängte dann als Nach- klang das Wort „Freud".

Meine Frau erzählt von unserer Hündin „. . und quietscht hat sie, dass alle Leute g'schrien ah\ g'schaut haben." Bei quietschen klang schreien mit.

Meine Frau: „Heiss ist mir." Ich höre das und will sagen: „Rida spritz' nichtl" sage aber ,,. . schwitz' nicht V'

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Durch heiss war schwitzen herangezogen worden, und die ÄhnHchkcit mit spritzen erleichtert sein Einwirken.

Ich ärgere mich über mein stumpfes Messer und sage: „Ich werde es nie mehr einem solchen Kerl yebenV' Gemeint war ein hausierender Schleifer, aber dieses Wort wurde nicht ausgesprochen. Darauf meine Frau: „Die Messer schlei . . schneiden jetzt nicht besser."

Schima sitzt und notiert. Man fragt ihn, er antwortet: „Wenn ich noch lang dasitz\ brauch ich noch einen zweiten Sessel . . Zettel."

,,. . für Kleinifjkeiten habe ich in meinem Kopfe keinen Gehirn . . Raum." (Me).

e. Nachklanof des Genus.

Vgl. V. u. V. S. 51.

„. . dort gibt es in der Glyptothek einen Saal, die . . der grossartig ist." (Dr. Kramai).

,,. . das ist durchaus keine Sache, die im Konnex ist mit der Quantum des Wissens . ." Bei R. R. sind solche Fehler sehr häufig, er sagt z. B. ,,die Interesse" u. drgl. ohne zu korrigieren, während er solche Irrtümer bei anderen gewiss bemerken würde.

„Der Phonograph ist noch nicht auf der Höhe, den . . die man braucht für ivissenschaftliche Zwecke." (Me).

„. . nun hat sie sich den Magen an ihr (statt „an ihm"; vom Käse war die Rede) verdorben." (Lothar v. Frankl).

„Handkuss an Deine Mama, meine Alte V^ statt: „. , mein Älter]" 1/2 12 Uhr nachts (Me).

„Die Esche ist ein Baum, die vorkommt . ." (Dr. Adler).

f. Nachklang des Kasus.

„Es wird alles den Menschen, denen es angeht, die es angeht, vieJ ärger mitgeteilt . ." (Me; mittags).

g. Nachklang des Numerus.

„. . und dann gibts noch einige andere Orte, wie Fried- berg sind . ." für ,,. . ist . ."

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h. Nachklang des Umlauts. ,,. . einen röteren Bart . . Bart als der aticlcre.^^ (Me).

i. Nachklang der Komparation ettvas weniger länger . ." für „. . lang . ." (Kellner). schwerst zu hehandelnsten . ." (Guglia),

k. Nachklang des Tempus. „. . so hübsch wie meine Kleine vom vorigen Jahr tvird sie auch geivesen sein^' für „. . wird sie auch sein . ." (Me)

1. Postposition der Person.

„. . und ich bin der, der am weitesten gekommen bin" (Broch). Nicht korr.

„Ich denke immer nach, spriche . . s^wich . . spricht er . ." (Jagic nach Broch).

„Gestern ivareti zivei BacJcfischeln dort, und das Unglück hat es gewollt, dass ich zu ihnen zu sitzen gekommen sind . . bin'' (Me).

Ich erzählte einen Witz aus den ,,F1. Bl", wornach ein Student sagt: „Bas Luder von einem Hund schaut mich, seit- dem ich durchgefallen ist, immer so merkwürdig an!" für „. . bin . ."

„Und ich sag' Bir ruhig alles, was der Mann gesagt hast . . hat . ." (Me).

,,Jch weiss nicht, wie der Vorschlag ausgefallen ist, weil ich erst seit heute da isf"' für „. . da bin.'' (Heberdey).

Frau Schima erzählt: „Ich kam später nach Haus, mein Mann war schon ganz ausser mirV für „. . ausser sich\"

Ich sage von der Grete: „Sie macht einen Heidenspektakel wenns net kommt . . ivenn Du nicht kommst."

,,Er hat eine solche Schrift, dass ich nicht imstande ist . . bin, es zu lesen'"' (Cornu).

„Weis st Bu noch, wie der Bubi ausgeschaut hast?" fragte mich meine Frau.

m. Nachklang der Negation. „. . zu verhindern, dass das Leben nicht aufhöre" heisst

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es in der Übersetzung von Turgenjew Gedicht in Prosa, Reclam.

n. Nachklang der Quantität. „. . Stich und Hib'' für „. . . Hieb . .'' (Dr. Adler).

o. Nachklang des Hiatus. Oben schon Beispiele. Jemand sagt ,,. . leihen''. Ich: ,,Der Herr Hofrat wird es brauen . . brauchen.''

Mit den Vertauschungen, den Vor-, Mit- und Nachklängen sind die Fälle des Versprechens, soweit das Einteilungs- prinzip aus den Ursachen genommen wird, erschöpft.

5. Kontaminationen.

Vgl. V. und V. S. 53 fif.

Kontaminationen sind Folgen von Vorklängen, von Mit- und von Nachklängen. Hier werden noch besondere Beispiele für diese Produkte verschiedener gedachter Sprechfehler ge- geben, um die Formen der auf diesen Wegen entstandenen Mischbildungen zu charakterisieren. Dies geschieht vornehm- lich aus sprachwissenschaftlichem Interesse, damit man für die in den allgemeinen Sprachgebrauch eingedrungenen Kontaminationen ein Vergleichsmaterial, das den Momcntan- bildungen des Augenblicks entnommen ist, hat. Als Ver- suche graphischer Darstellung der bei den Kontaminationen vor sich gehenden seelischen Prozesse bitte ich, die Figuren in V. und V. S. 65 69 zu betrachten.

Ich habe schon V. und V. S. 54 aufmerksam gemacht, dass sich oft dem Redenden Synonyma darbieten, und dass er sie verschmilzt. Es kommt aber auch vor, dass sie bloss adhärierende Bestandteile tauschen.

Z. B. Eine Dame sagt: „. . für eine junges Mädchen . ." nach „eine junge Dame''' (Dr. H. Sittenberger ref.).

,,. . damit der Bein für den Hund übrig bleibt . .'* sagte Bunzl. Ich dachte zuerst, dass das Geschlecht von „Hund'' antizipiert sei, aber Bunzl erklärt, er habe an ..Knochen" gedacht.

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„Man kennt dort kein'' andern Wort . ." Lorenz. Kontam. aus „das Wort'^ und „der Ausdruck".

Ähnlich bei dem Numerus des Verbums. Ich ärgere Bu., und er sagt mir sehr heftig: „Leute, die nicJit über Möd- ling hinausgekommen ist . ." Nebengedanke ,,Ein Mann, der tvie Du, nicht über Mödling hinausgekommen isf".

Ähnlich sind jene Fälle, wo die Kasustektion des Syno- nyms eines Zeitwortes eintritt. „Es hat mich riesig gefallen", kontam. aus etwa ,,mich riesig gefreut" und ,^mir riesig ge- fallen".

Ähnlich beim Genus, z. B. „. . . meiner Weih . ." (Me), kontam. aus ,,. . meinem Weib . ." und „. . meiner Frau . ."

a. Kontaminationen von Sätzen und Redensarten.

„Das ist des langen Pudels kurzer Kern", kontam. aus „Das ist des Pudels Kern" und „Das ist der langen Rede kurzer Sinn" (Frl. Pölzl ref.).

,,. . dass wir es um eine assoziative Störung handelt . ." (May ref.). Kont. aus ,,. . dass wir es mit . . zu tun haben . ." und „. . dass es sich um . . handelt . ."

„. . Knies hat zuzückzu führen ivollen . ." (May ref.). Kont. aus ,,. . hat zurückzuführen versucht . ." und „. . hat zurückführen tv ollen . ."

„. . tveil ich mit ihm zu reden möchte . ." Kont. aus ,,. . zu reden hätte . ." und ,,. . redeti möchte . ."

„. . ich habe durch viele Jahre lang . ." kont. aus „durch viele Jahre" und „viele Jahre lang". (Adl.).

„. . das sind die Angenehm . . die Annehmlichkeiten . ." Kontam. aus ,,das ist das Angenehme daran" und ,,das sind die Annehmlichkeiten davon'' (Me).

„In Sibirien ivird Champagner in Strömen getrunken" (Mu); kontam. aus „. . fiiesst in Strömen" und ,,. . wird in Menge getrunken".

„. . wie ich heute in der Tramway eine Frau gesessen ist . ." (Frl. R. H.). Die Sprecherin wollte sagen ,,. . ge- sehen habe", dabei scheint sich aber ein Nebengedanke „eine Frau ist dagesessen" geltend gemacht zu haben.

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„Jch weiss nicht, wovon das liegt''' kontam. aus ,,. .woran das liegt" und ,.. . ivovon das abhängt'^ (v. Andr.).

„Du fängst an zu erzählen und sttz'st nicht fertig" kont. aus „. . setz' st nicht fort" und „erzählst nicht fertig" (Ri).

„Was soll ich mich entschieden?" kontam. aus „Wozu soll ich mich entschli essen?" und „Wie soll ich mich tnt- scheiden?" und „Was soll ich tun?" (Ri).

..Jetzt ist mir rotl" kontam. aus „. . ist mir heiss" und ,,. . bin ich rot" (Rida).

„IcJi habe ganz vergessen aufzuschrieben" kontam. aus „Ich habe nicht aufgeschrieben" und „Ich habe g. vergessen aufzuschreiben" (Rida).

,,. . mich, ich wurde von niemand gefragt". Es spielt herein „Mich hat n. g." (Pribram).

,,. . ein Ausweg ist getroffen worden". (Skraup) aus „gefunden ivorden" und „ein Übereinhommen ist getroffen worden".

„Solange wie ich midi ex . . erinnere . ." (Fechtmeister Schau). Es spielt „Solange ich existiere . ." herein.

,,. . die es überhaupt existieren", sagte Detter, kontam. aus ,,. . die es gibt . ." und ,,. . die existieren".

„Ich bin mit einer Gruppe Hörer übereinandgekommen . ." (Loth. V. Frankl). Kontam. aus „übereingekommen" und Wir haben mit einand ausgemacht". Der Fehler kommt öfter vor.

„Mir tut alles müd", sagte meine Frau im 25. Lebens- jahre. Kontam. aus ,,. . alles weh" und „Ich bin müd."

„. . wo es Dir schiver anfällt . ." (Me). Kontam. aus „schwer fällt" und „schwer ankommt".

„. . sie war damals junger jünger als heute" (Me). Kont. aus „noch jung" und „jünger als heute".

„Sie sind dann gar nicht mehr auf dem Land . . ah, in der Stadt". Kont. aus „. . nicht mehr in der Stadt . ." und ,,. . schon auf dem Lande . ."

„Sei doch nicht gescheidtl" (Me). Kontam. aus „. . ge- scheidtl" und „. . nicht dumml"

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,,Z)a hast Du ganz ivahrl (Vondräk; kommt öfter vor). Kontam. aus „. . ganz rechtV' und ,,Das ist wahrV"

,,. . belianntlicher Weise . ." (v. Grienberg-er). Kontam. aus „heJcanntlick^ und „bekannter Weise''. Kommt öfter vor.

Ich bitte meine Frau eine Schnur wegzunehmen. Sie sagt: „Ich nehni's g'rad vorhin ivegV' ohne zu korrigieren. Aufmerksam gemacht, erklärt sie, dass sie gedacht habe „Ich ivollte sie gerade vorhin wegnehmen''' und „leh nehme sie gleich iveg."

„Ich habe kein Organ, das nicht intakt ist", sagte Marek, meinte aber das Gegenteil. Kontam. aus „. . nicht ange- griffen tväre"' und ,,, . intakt ist."

,, Wir schreiten zur Tagesordnung über'' sagte A. Penck als Dekan. Kontam. aus: „Wir gehen über" und ,,TFir schreiten"'.

„Ich haV ja wollen auswechen" (Me). Kontam. aus „ausweichen" und „aus dem Weg' (ich spreche Wech) gehen."

„Mir friertl" sagt meine Frau spät abends. Kontam. „mich friert" und „mir ist kalt."

„Die Bombe ist ins Rollen gekommen" (Fräulein von 22 Jahren). Kontam. aus: „Bombe ist geplatzt" und ,,Der Stein ist usw."

„. . ivenn der Papa ivo {= irgendwo) Staub gewesen hat . . gesehen hat . ." (Frau Mizi Vondräk). Kontam. aus ,,. . irgendwo Staub gesehen hat . ." und ,,. . ivenn irgendwo Staub gewesen ist und der Papa hat ihn gesehen."

„Wenn ich eine mutterlose Frau wäre . ." (Rida). Kontam. aus: ,,. . kinderlose Frau . ." und ,,. . tvenn ich nicht Mutter iväre . ."

,,. . is ein Fass mit einem leeren Boden . ." (Schima). Kontam. aus ,,. . leeres Fass . ." und ,,. . Fass ohne Boden . ."

„Ich weiss nicht, ivoran es hängt . ." (Bormann). Kontam. aus „. . wovon es abhängt . ." und „. . ivoran es liegt . ."

„. . da haV ich mich zunächst nicht zurechtgekannt . ." (M. Necker). Kontam. aus „. . nicht ausgekannt , ." und „. . nicht zurecht gefunden . ."

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,,Das ist nicht nach ihrem /'"a//" (Rida). Kontam. aus „ihr FalV' und „nach ihrem Wiuische'''' .

„Das hab' ich ihm gleich angemacht^'^ sagt meine Frau und lacht. Sie erklärt die Kontam. richtig aus „. . anye- tnerkt^^ und „das haV ich mir gleich gedacht''^.

„Von vier Desserttellern fehlen mir zwei" sagt meine Frau. Auf meine zweifelnde Frage sagt sie: „Na, von sechsl" Kontam. von „Ich habe nur vier . ." und ,,To>/ sechs . ."

„Am letzten Sonntag hab' ich ihn beisammen gesehen"' (Mu). Kontam. aus „ihn gesehen^'' und „. . ivar ich mit ihm beisammcn^^.

,,. . setzt Kraft in Anspruch . ." (F. de Saussure). „. . setzt Kraft voraus^'' und ,,. . nimmt usw."

,,. . frage ich Sic an . ." (Dr. Adler). Kontam. aus „. . frage ich Sie . ." und „frage ich mich bei Ihnen an . .'"

„. . sticht sich nicht gut ab . ." (Frau Flora Friedmann). Kontam. aus ,,. . hebt sich . . ab'^ und ,,. . sticht nicht . . ab . ."

„. . bi)i ich iveit in der Welt nmhergetvesett/^ Kontam. aus „umher gereist"^ und „gewesen". Peter Nansen, Gottesfriede Berlin 1892 S. 92. Ähnlich auch S. 223.

.,. . sicher war sie ziemlich zu Jahren" ebenda S. 127. Kontam. aus „bei Jahren" und „zu Jahren gelommen^^.

„. . hat sich einer damit beschafft . . bcfasst" (Me). „Sich SU schaffen machen" und „sich befassen".

,,. . stellen sich nach dem Leben . ." Kontam. aus „stellen ich nach" und „trachten sich nach dem Leben". Mogk Paul Grundriss 1 - S. 381.

Eine merkwürdige Kontamination bei Lessing. In der Emilia Galotti heisst es, der Prinz habe Emilien „nicht ohne 3Iissfallen" betrachtet. Kontam. aus „nicht ohne Gefallen" und „ohne Missfallen" . Behaghel, Die deutsche Sprache in Das Wissen der Gegenwart, LIV. Bd. Leipzig 1886 S. 40 hat meines Wissens diese Stelle zuerst richtig gedeutet.

Ganz ähnlich sagte Marek ,,. . die einfach nicht undurch- führbar sind". Kontam. aus „undurchführbar" und „nicht durchführbar'^

,,Ich habe die angenehme Überraschung gemacht, dass ich

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genug Material (zum Sticken) habe'^ (Ri). Kontaminiert aus: ,,Ich war angenehm überrascht . ." und „Ich habe die angenehme Entdeckung gemacM^\

„. , wurde abschlägig bewilligt (R. Hoernes), kontam. aus „. . abschlägig beschieden'^ und „nicht beivilligt."

b. Kontaminationen von Wörtern,

„Schert . . g''hert sich das?" ,, Schert^ ist Kontam. aus „schickt" und „gliert" (dial. = gehört).

„bast'^ kontam. aus „beinalie"' und „fasf\ Kommt öfter vor.

„Da übereilte sie der Tod"' Grillparzer, König Ottokar am Sarge Margaretas. Kontam. aus „ereilte" und „über- holte''.

R. Much sagte einmal „Figari^' (für „Figaro", ein Witz- blatt) nach Kikeriki, wie ein anderes heisst.

. . Dass in Wien die Monumente so dütter schütter gesät waren" (Feldzeugmeister v. Teuffenbach). „Dütter'' ist kontaminiert aus „dünn" und „schütter".

„Klau" Kontam. aus ,,klug" und „schlau'' (Kain). Ich glaube den Fall schon mehrfach gehört zu haben, ohne es aber bestimmt behaupten zu können.

Richard Heinzel hat mich am 18. 6. 1895 aufmerksam gemacht, dass in W. Wilmanns Walther von der Vogelweide, hrsg. V. W. Wilm 2. Aufl. 205 „zugetan" steht; contam. aus „angetan" und „zugefügt". (Die Stelle ist Walth. 4026 ,,frowe Minne, daz si iu getan, was W. im Com. mit „Sehet das als euch zugetan an" übersetzt,)

„entsehen" aus „entnehmen" und „ersehn" (Pastrnek).

Es ist von einem Braten die Rede. Dr. Homan: ,,Ich habe ihn noch nicht gesessen". Kontam. aus „gesehn'' und gegessen'''.

„entnüchtert" aus „enttäuscht" und „ernüchtert". (Rud. Schneider ref.).

„Mansch" aus „Mann" und „Mensch". Zuerst bei Kljucharich gehört, kommt aber häufig vor, auch bei Kindern. S. unten.

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,,(So ein Manschl'' sagte Ri. Sic wusstc nur, dass sie an ^^Mnisch" gedacht hatte und fragte mich, woher das a stamme. Ich erklärte ihr, dass ,,Marw" mitspiele. Einige Monate da- rauf sagte Detter: „Dieser Mansch^', machte also denselben p-ehler.

„Ich habe Bücher ausgelchnV' kontam. aus . . ausge- liehn^' und . . cntlehfit" (Mu).

. . Gedanken splänc, kontam. aus „Gedankensplitter^^ und „Gedankenspänc'^ (Me).

„Seifenschazert' sagte ein 4 jähriges Büblein. Der Fall befremdete mich. Durch vorsichtiges Fragen kam „Seifen- tazerV' und „SeifcnschalerV heraus.

,, . . Durch die das Licht durchbrinrff . . dringt" kontam. aus „durchbricht'' und durchdrintjt (Me).

,^Die Gefangenen freisetzen . . (schreibt A. v. Rosthorn) kontam. aus ,,. . freigeben^' und „in Freiheit setzen"'.

. . ich konnte ihnen das nicht erklärlich machen'' kontam. aus ,,. . erklären" und „begreiflich machen'''. (Ri).

,, . . Ilundsjirachc . . " kontam. aus „Mtmdati" und „Volkssprache'' (Gu Meltzer 16 jährig).

„Meidi^' kontam. aus „Mädi" und Weibi'^ (Me).

,, . . sitzen möchf das Meidi schon" (Rida). Ebenso zu erklären.

„3Iund weise''. Kontam. aus „Mundart"' und „Redeiveise" (älterer Landwirt).

. . mit seiner leder durch-spohrt" (R. Mayer ref.). Kontam. aus „durchstochen" und durchbohrt

„überstaunt" aus „überrascht" und „erstaunt" (Meyer ref.).

„vei'lei . . „beleidigt" (Szanto). Sprecher wollte oftenbar sagen „verleidigt", kontam. aus „verletzt" und „beleidigt".

. . Tele . . Depeschen" (Me). Ich wollte sagen „Te?e- peschen", kontam. aus „Telegramm" und „Dep)eschen" .

. . einen Kamen, den Du noch nit geg^hört hast"; Lorenz, „geg'hört" ist klare Kontamination aus „gehört" u. Dial. gliört. (Derselbe Fehler unten wieder nachgewiesen).

„anbetrifft" kann man bei uns öfter hören und wohl auch lesen. Kontam. aus ..betrifft" und anbelangt".

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,, . . ein Bittschreiben eingerichtet" (Dr. Reichel abends lo Uhr), ,, ein gerichtet'''' ist kontam. aus ,,aw ihn gerichtet^'' und eingereicht.

„. . im abgeflossenen . . verflossenen Jahre . ." (v. Stre- mayer; v. Grienberg-er ref.). Es spielt ,, ab gelaufen'^ hierein.

„vcrquicJcste Geschichte^' sag-te Detter. Kontam. aus „ver- quickt"' und „verflixP'. Detter bestätigte die Richtigkeit dieser Erklärung.

,,Man würde sie für eine Gutsbesitzersfraii anhalten"' (Junges Fräulein). Kontam. aus „halten für^' und ,,an sehen als''.

„Er erzählt, dass sie (die Albanesen) Menschen hin- schiessen ivie Hasen" (Mu). Kontam. aus „hinmorden"' und „nieder schiessen".

„Dienstbotmädchen" (Mu). Kont. aus ,, Dienstbote" und „Dienstmädchen".

„. . ob dort Anzug . . ist . ." (Mu). Gemeint war ,,. . ob der „Zug" dort „Anschluss" findet".

,,. . wenn ich den Anzug versäumt hätte . . den An- schluss (auf der Eisenbahn); kontam. aus „Anschluss und „Zug". (Mu).

„. . forscht . ." Kont. aus „fordert" und „heischt" (Me).

„Foltzmann" (J. J. David). Kont. aus „Boltzmann" und „Physiker".

,,thumm" kontam. aus „dumm" und „thöricht" (Me).

„zeitaufraubend" (Mu). Kont. aus „zeitraubend" und aufregend".

„auszüglich" kont. aus „ausgezeichnet" und „vorzüglich" (Penck).

„slavatisch" kont. aus „slavonisch" und „kroatisch" (Penck).

,,. . eine ganze Messe . . Mange . . Menge von Be- ziehungen . ." „Masse" und „Menge" schneiden sich hier zweimal (Jos. Schneid, ref.).

Einen Fall will ich besonders hervorheben. Mu. sagte: „alle heiligen Augenblicke" kont. aus „alle heiligen Zeiten" und „alle Augenblicke". Die Redensarten haben entgegen- setzten Sinn!

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„öj6 mir ein ZechserV, kontam. aus „ZthnerV^ und ,,SechserV' (Ri).

,,jB»" hat doch eine Frei . ." Hier unterbrach sich die Redncrin (Ri) und crkliirte, sie habe an „i'VaM" und ,,gehei- rateV gedacht.

In einer Abendgesellschaft verlangte v. Eglofifstein vom Kellner ,,dM Kriigel Layner" für „. . Lager'^. Spottend forderte man mich auf, den Fehler zu erklären; ich konnte das nicht. Da kam einer von den Herren auf die richtige Erklärung. „Lagner ^' sei nach ,,Pllsner" gebildet.

,,. . Abgestie . , gestorbenen . ." (Ri) kontam. aus „Ge- schiedenen . ." und ,,. . Abgestorbenen . ."

„Ich Juib ihr ein Zwar . . ein Paar gegeben'^ (Ri). „Zwar''^ kontam. aus „ein Paar^' und „zivei^'.

„. . werden vielleicht nicht wehr . . mehr haben*'. (Ri). Kontam. aus Nebengedanken: „. . . weniger . ."

„. . GastJianf . . Gasthaus . ." (Bormann). Es spielt Gasthof herein.

„Jetzt war's mir hast so gegangen wie Dir . ." (Me) „basf' kontam. aus „bald'"' und „fast" (Sieb oben 2. Beispiel).

Meine Frau sagt zu mir : „Leivös"^ I Kontaminiert aus „Leb wohV^l und „Servus^' Sprecherin erklärte den Fall aus ihrem Bewusstsein sofort richtig.

Es ist von „Trautmansdorf'' die Rede. Darauf sage ich: „Trautmayr . . Lobmagr^'.

„aufgebläst" für „aufgeblasen" nach „aufgebläht". (Alte Frau).

„Am Montag schtebütiert der Kainz zum erstenmale^' . (Rida) Kontamin. aus „debütiert" und schpidt (spielt)."

„Ich hatte den festen Absatz" (Me). Kontam. aus „Absicht" und „Vorsatz". Schon öfter beobachtet.

„. . eine fabelhafte Zimmer . ." (Me) Kontam, aus „Ziffer*' und „Snmme".

„Aber ich bitf Dich Rind , . Kiml, Ridal" (Me).

„. . aus den Gleinern . ." (Me). Kontam. aus „Gliedern" und Gebeinen"

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,,Was ein guter Wein ist, das scJunerkt man . ." (Dr. C. Schneider). Kontam. aas „schmecM^'' und ,.merJcV'.

„Drinwendig" (Me) aus „drinnen''' und ,,inwendi</\

,, . . heute ist erst Dinnerstag. Dienstag und Donnerstag geht die L. fort''. (Rida.)

„Lieblings g es peise"^ (Junges Fräulein). „Gericht"' spielt herein.

„Der Bendrian, . . „der Benndorf . ." (Me). Es war vorher von v. Ändrian die Rede.

„Phantasie hat dabei iveites Spielraum'''' (v. Grienberger). „FeW wirkt mit.

„Bcneinuiu/' sagte Detter. Kontam. aus „Bejahung''' und „Verneinung^^.

„. . die Burentachnih . ." (Me). Mitklang von TaUih".

„Da haben Sie gar lieinen IdeeV' (Anna Haass). „Jceineti Begriff'' sagen wir oft im selben Sinne.

,,. . in der ersten Aufgabe"' Detter). „Ausgabe'' und „Auflage'' sind hier kontaminiert.

„Heute ist ihr alles geglungenV'' (Rida). Nach „geglückt''.

„Jetst kriegfs (unsere Hündin) eine Zutl" (Rida). Kontam. aus „Zorn" und „Wut".

„Sekaniert" (Strekelj). Kontam. aus „chikaniert" und „sekiert".

.,. . unter aller Kredik'' (Wassmuth). „Kredit" ist hier mit ,, Kritik" verschmolzen.

,,Herr Schurich hatte einen Hund namens „Bussel". Meine Frau versprach sich öfter und nannte ihn „Schussel".

„Er kann Um nicht ausleiden''' (Oskar Walzel), „leiden" und „ausstehen^'.

Eine schöne Bildung ist „geghört" (Rida) entstanden aus dem dialektischen „gliert" und dem schriftdeutschen ,,gehört" '). (Derselbe Fehler oben von H. Lorenz).

„Der Semmering hat den Vortul . ." (Kommerzialrat Michel). „Vorzug" und „Vorteil".

') Vgl. Süd- unil ostfränlcisch gekört Paul Prinzipien'' S. 148. Meringer, Aus dem Leben der Sprache. O

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,. Wir liahcii Veineu l{c(fcntu(f miiychuht'^^ y(/diabt'^ und „mit()nna(hV' (Rida).

.,Lbcrdi)i(fs" aus „überdies'' und „allenlinffs'' (Rida).

.,. . grille Stimme . ." (Mc). Aus „grell" und „achrilV'.

.,. . einen feine)) Ge)uchsrer)nögcn'^ (Rida). Das männl. Geschlecht von dem mit assoziierten „Geruchssinn^^.

„Umgangsvr)dliseh . . englisch kann ich doch noch''' sagte meine Frau. Sie wollte noch „endlich^' sagen, das aber nach der Antizipation ganz wegfiel.

,,. . lett . . lieb . .'' Natürlich spielt „nett" mit.

„Wir fozzeln ihn ja nur (Me). Kontam. aus „frozzeln^' und „foppen''.

Ich will sagen: „Es ist nichts {los)\" Dr. Witlazil sagt dazwischen: .,. . kein Stoff. ." Ich sage also: „Es ist nichts loff-'

Im Kolleg habe ich einmal ^attisch gesagt, aus Attisch nach yonisch.

„Diese Anf sorgen . ." (Loth. v. Frankl). Kontam. aus „Sorgen" und „A)(fregungen''' .

Mir gehen Sie V^ Ty)-oten" . . TgrolcrV (Karl v. Weilen). Nebengedanke ,,. . Bote)) . ."

„Bid(t^ der wiezwölfte ist heute?'' (Me). Kontam. von „ivievielte?" und „zwölfte?"

,,Se])r bald iibersiegt auch hier'' (Minor; Mu ref.), Kontam. aus ..siegt" und „Hbertciegt".

„Die Stiefel sind morb". (Brockhausen). Kontam. von „mnrb" und „morsch".

... . mit Omivay . ." (Frau Fl. F"ricdmann). Aus „0))inihus" und „T)amivay'\

„. . aus anderen Bciccgnngen . ." sagt Burdach. Kontam. aus „Beweggründe))" und ..Er)vägiingen'''. Mein Tagebuch bemerkt, dass Burdach behauptet, sich nicht versprochen zu haben.

,.So ein schleichts . . leichtes Kraut . . (Direktor Schlumpf; von Zigarren war die Rede). „Schlecht' und „leicht".

..Kon))))t GrcndlV sagt meine Frau zur Gretl. Es spielt „Kindl" mit.

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„Hcrfiehildef' aus ,,aiisgchildet"' und „herf/estellt^'' (Sigrn. Exner).

„. . mit Kot und Fall seine Prüfungen hestehf" (Hahn- reich). Der Kasus gehört wohl hinauf als Verschränkung von ..Kncdl und Fall fällt'' und „mit Not . . besteht'.

,,. . mit meiner Einstimmung^', aus „Eimvilligung" und ^,Zustinitnung^'.

... . allerheil . . allerlei Leute . ." aus ,Mllerlei" und ,,allerhand''' (Sieg. Exner).

Zur Zeit des Boxeraufstands. Meine Frau sagt: ,,Wem7. ich nur wüsste, tvas mit den Kesandten ist?'' Ich verspotte sie wegen des k; sie sagt, sie hätte an Kinesen {Chinesen) gedacht,

,,, . hureauJcratischc Anschicht . ." (Mu). Kontam. aus „Ansiclif und ,, Anschauung^' .

„Nachlassenschaft''' (Rida). Aus „Nachlass'' und Ver- lassenschaft''.

„Der ist ein rechter Tausendnöter^' (Junges Fräulein). Aus „Tausendsassa" und „Schwerenöter^^.

„Ausgesogen" für „ungezogen"' und „ausgelassen^'' (Me).

In der Deutschen Literaturzeitung 1901 Sp. 397 steht ^jWortspalterei'^ . Aus „Wortldauberei" und „Haarspalterei".

„Fragelhaft"' aus „fraglich" und „zweifelhaft" (Me).

„Spiegel mit . . Symhlemen . ." (Karl Meringer). Aus „Siimboleri'' und .,Eniblemen" .

,,. . in einem Konvenkel . ."■ (A. F. Pribram) „Konven- tihV und „WinM".

„. . am leisten . ." (Me). Aus „besten"' und „liebsten".

6. Sprechschwierigkeiten.

a. Zögerndes Sprechen. Vgl. V. und V. S. 84, S. 126. Zögerndes Sprechen infolge von Sprechschwierigkeit stellt sich dann ein, wenn ein Laut in gleicher Wertigkeit oder schwierige Laute überhaupt in welcher Stellung auch immer mehrfach hintereinander gesprochen werden sollen. Unter denselben Verhältnissen tritt auch Stottern beim nor-

6*

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malen, g-ewöhnlich nicht stotternden .Menschen ein, so dass man sagen kann, das Stottern ist bh)ss ein höherer Grad jener Störungen, die sich beim zögernden Sprechen, bei den Sprcchschwierigkcitcn, offenbaren.

Da es mir nicht immer möghch ist, die Art, wie die Sprechschwicrigkcit sich sprachhch ausdrückt, in der Schrift anzudeuten, bleiben einige der folgenden Wörter und Sätze, bei denen ich zögerndes Sprechen konstatierte, ohne nähere Angabc. Sonst ist der Laut oder die Silbe, bei denen die Schwierigkeiten sich einstellten, gesperrt gedruckt. Doppel- setzung eines Konsonanten bedeutet, dass dieser gelängt wurde.

Die Hauptquelle der Erkenntnis der Sprechschwierig- keiten bietet die Selbstbeobachtung. Bei anderen kann man sie an gewissen Pausen, Längung von Konsonanten und Vokalen und anderen Abnormitäten, die man leichter merken als beschreiben kann, erkennen.

„. . G'rad drauf (/rechnet . ." (Rida).

„. , Zwischen zwei Geschwistern . .'' (Me).

„Das ist dazu der Dativ . ." (Me).

„Der Dillettantismus . ." (v. Holderegger). Ich hätte in dem Falle Stottern bei den Dentalen erwartet. Wenn ich aber recht beobachtet habe, wurde das / gelängt. Vielleicht um Zeit zu gewinnen für die Vorbereitung der folgenden Dentale :

,.. . ein eilelirischer Schhuj . ." (Me).

„OherhibUothel'ar*.

„Semesstralsei(<jnis''' .

„. . zum Beispiel hei mir . .'' (Me).

,,. . sie befestigt sich ihm immer mehr . ." (Me). Das Wort „ihm^' machte mir Schwierigkeiten.

.,. . ein energischerer Mann . .''

,,Am€lioratio)i'\

„Strichstich- SticJccrei'' * .

b. Das S totte rn. Ohne merkliche Grenze geht die Sprechschwierigkeit in

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Stottern über; der Laut oder die Silbe, welche gestottert wird, erscheint geläng-t, die Schwierig-keit des Hervorbringens wird sehr deutlich; es kommt auch zu wirklicher Wieder- holung- eines Lautes, eventuell mit Wiederholung- des nächsten Vokals (z. B. Ba . . baclqnäver).

Wie beim krankhaften Stottern ist es auch beim normalen Stottern der Anlaut des Wortes, der besonders oft gestottert wird. Die Erscheinung kann nicht wundernehmen, da aus anderen Beobachtungen klar ist, dass der Anlaut zu den hochwertig^en Lauten zählt. Nichts hat aber unser Stottern mit dem hysterischen, bei dem eine krankhafte Abneig-ung- geg-en irg^endeinen bestimmten Laut besteht, zu tun.

Das Anlautstottcrn tritt nun nach meinen Beobachtung-en vorzüglich dann ein, wenn zwei oder mehrere W'^örter mit demselben Laute beg^innen. Das ist sozusagen das normale Anlautstottern, das man bei allen Menschen beobachten kann.

Ich will z. B. sag-en: ^,lcli tveiss nicht, warum der Wind ivieder halt wird^\ stottere aber Wivivind", d. h. ich verlängere das über alle Gebühr. Der Grund ist hier ein g"anz klarer. In dem Augenblicke, wo ich Wind sagen will, klingen die bereits gesprochenen w (von ,,Züeiss" und ,,wariün^') nach, die von ,,7C'ieder^' und ,,wird^' klingen bereits vor. Das Resultat ist ein gcstottertes tvwiv^).

Bei Menschen mit geringerer Sprechdisziplin, bei denen jeder Nebengedanke bei leicht erregbarer Sprechtätigkeit sich auch sofort sprachlich äussert, zeigt sich Stottern auch ohne das Vorhandensein der erwähnten Bedingung. Wenn z. B. Mu sagt „losla . . leye^', yScluir . . Schuften'-'', so zeigt sich hier plötzliches Verlassen der eingeschlagenen Sprechbahn (,./o5?o.s\sY'", ,. SchurJcen'"') und Einlenken auf eine andere, und

') Über das krankhafte Anlautstottern vgl. z. B. Giitzmann, Des Kindes Sprache und Sprachfehler S 174. A. Lieb mann, Vorlesungen über Sprachstörungen i. 2. Heft S. 7. 19 Auf S. 27 berichtet L. von einer Patientin, die besondere Schwierigkeiten hatte, -xenn die beiden ersten Wörter mit demselben Anlaut anfingen, z B. ,.Meine Mama''. Das sind eben die- selben Fälle, bei denen sich Sprechschwierigkeiten und sogar auch Stottern oft beim ganz normalen Menschen einstellen.

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ich hätte diese beiden Falle V. und V. S. 6i) besser nicht unter Kontamination, sondern unter Stottern gestellt.

Solche Erscheinungen kommen aber bei imruliigem Sprechen, wenn man während des Redens neue Mittel des Ausdrucks wählt, auch sonst vor.

Es ist aber auch noch ein anderes Anlautstottern möglich. Man weiss, dass man von entfallenen Worten oft nur den Anlaut weiss und durch Wiederholen die richtige Bahn zu finden sucht. Es scheint mir möglich, dass das Anlautstottcrn bei manchen Personen wirklich den Grund hat, dass ihnen momentan von dem zu sprechenden Worte wirklich nur der Anlaut zur Verfügung steht, und dass ihr Stottern einen Ver- such bedeutet, ins rechte Gleis zu kommen.

c. Stottern aus Vorwirkung von Sprachelementen.

„P . popkr-' (Me).

,,/// . nicutchiiial^'' (M).

„B . bibliothrks-BwJi"' (stud. Tkac).

,yHat der V . Vlrchou: wirklich . .?'' (P. Ausp.).

,,. . und so muss man saijen . ." (Jagic nach Broch).

„. . die P . Pdf Professoren . ." (Me).

,,. . man muss v . vollkommen das Gefühl haben . ." (Me).

,,. . tr . rotzdem zusammen geh rächt . ." (Me).

,, Diese K.ki:rW' (Me). Ich dachte nebenbei ..Kainpl^^ dessen K offenbar in dem gestotterten Anlaut des anderen Wortes vorklingt.

„/ . / denk', er ivird in irgendeiner Kanzlei . /' (Dr. Pfeifer).

„. . w . Tcill, Wenn . ."

,,. . da braucht man hl . loss aufgelegt zu sein'* (Me).

„. . dass ein besserer Journalist Schaff . . Sss. Sreznewsky sei''. (Jagic nach Broch). Nebengedanke ,,ScJiaffari¥'. Das Seh veranlasst Stottern bei dem ,S'.

,,. . . rorlaufig für Dich . ." (Me).

.,. . ein gro . gro . grosser Teil der Kroaten . ." (Murko). Der Fall zeigt Silbenstolpern, d. h. mehrfaches

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Anschlagen einer ganzen Silbe wegen grosser Ähnlichkeit einer folgenden.

„Eti/mo . Etymoll . Etymologie^' (M. H. Jellinek), Warum hier gestottert?'^ Ist das o schuld? Wahrscheinlich irgend- ein Wortvagant.

,^Daran gl . glaub ich gar nicJif^ (^^c)- ^st hier das y schuld?

,,Sau . saure Pflaumen'' (Brock). Isi au schuld?

,,. . ^u ar/al . amalgumieren . .'' (E. Reisch). Vorklang und Stottern. Letzteres war nicht näher zu fixieren. Wegen der a?''

,,. . die He . He . Herren, hei denen Sulcali hört . ." (V. Hartel).

,,War der Murlco heute Mitte . . Mittag da?'" (Me). Vielleicht nachklingendes Stottern.

,,/» Istrien ka . ka . kann man im Freien kampieren''^ (Mu).

„Eine en . enorme Energie^' (Me).

,,. . da mu . . muss man halt . ." (Me).

„. . wei . . Tüeisst, was ich erwarte?'' (Me).

,,. . einen grä . . yrä . . griisslichen Rachenkatarrh . ." (Me).

„. . wa . . wann ich keine Verantwortung habe, so ist mir das ganz IVurst"' (Me).

,,. . er ersch . . scheint schliesslich'' (Me).

„. . uml h . . heut ist auch die Marie nicht zu Haus . ." (Me).

,,. . Be . Berufung nach Berlin . .'' (Me).

„. . en . en . energisch entschieden erzogen werden . ." (R.-R. V. KL).

„. . Fr . rofessor Raab . ." (Me).

„. . M . menschen von einem mittleren Schlag . .*' (Me).

„Die T . todesco . ." (Szanto).

,,Der Gr . rundriss von Brugmann . .'* (Me).

,,. . w . wie wenn politisiert wird.'' (Me).

,,. . ha . haben Sie meine Bücher schon an die Hof- hibliotheh . ." (Me).

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.,. . V . 7'crfbtchte . ." (Mc).

,,. , seil . streng (g^espr. schtrciiy) zu In schreibenden phij- sischcn Grund . ." (O. Walzel).

„. . in einem gro . (jron-sen Restaurant . .'' (Me).

„JV . Wo . wollen Sie dann übernachten?'' (Mc).

„Ich habe g . gestern vergessen . ." (Me).

,.. . 1:1 glich . ." (Me).

,.. . es seh . schrint zerstreut (gespr. zcrschtreuty^ (Me).

,,. . bl . laue Bluse . .'• (Me).

„. . a' . mie wir Männer . .^' (Me).

„. . nia . nuDi müsste . ." (Me). * ., . sie sei . seins in ihnerer Landessitte so gewohnt'' sagte ein Bauer.

. / . leicht erldürlich . ." (Me).

„Ich habi rdindieh g . geglaubt . /' (Ri).

.,. . ff . roUh>mme)i falsch . ." (Mc). Den Fall habe ich wieder orcnau beobachten können. Ich stotterte erst ,,vz> . ." und konnte dann erst mit neuem Einsätze sagen ^,rollkommen falsch' '.

... . all . lein herumlaufen . .'' (Me).

„Wenn jemand ko . kommt, kann sie . ." (Me).

,,. . w . wenigstens haben wirs so gespielt'^ (Me).

,,. . bei ärgstem Schnee . seh . gestöber fgespr. geschtö- her'^). Die Stellung des seh ist interessant (Ri).

.,. . die die das schafft . ." für „die das . ." (Me).

„. . k . k . kurz g halten (spr. „kJtaltn"') (Me).

,,. . einen Mo . Moment . ." (Me).

V . Verfasser" (M. H. Jellinek).

„Ba . baclcpulvcr" (Rida). Die Laute p und b haben die Lippenartikulalion gemein.

,.. . ssollten die unbesoldeten Frofessoren . ." (Lippmann). Brachte die Ähnlichkeit der ganzen Silben sollt und soldl

,,. . seh . seh . schon dem Scharlachalter entrücli ist.''' (Szanto).

,,. . scJi . schreibt, so seid reich (streich) ich es ihm diirch (Me).

„zur Erld . lärung der sprachlichen Tatsachen . ." (Me).

„Mu. 3IundniusJ,-ulatur'' (Me).

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,,Das Jiat er für eine (jotiije fällige Hu . Handlung ge- halten" (Me).

„ein . . ka . ha . Krakauer Kalender . .'' (Rida). Die „Jca . ha /' sind klare Vorklänge von ..Kcdender''.

„. . IV . waren wirhlich''^ . ." (Me).

,,. . fünfzig Ki Kilo ivi'trden da kosten . ." (Me).

„Wann r . reist die Roethe ah?'^ (Me).

,,Pr . raJderei'' (Me).

„Icli IV . will zoarten'' (Me).

Ich bin V . Vormittag von ilir fortgegangen^'' (M. H. Jellinek).

. . Jiat die Seh . Schrift schpiessndenlaufen lassen'^ (Minor).

,, . . einfl . hissreichsten Leuten . ." (Me).

,, . . in . n die Indogermanische {Gesellschafty^ Me.

„Er hat nach den He . Heften von Heinzel . ." (Me).

„H . Höhst . . ohstündler'-^ für ,, Uofohsthändler'- (R. Berl) Das Wort zeigt noch sonst Vorklang von bst. Das im Anlaut o-estotterte // ist an der zweiten Stelle ge- schwunden, also noch schwere Dissimilation. S. u.

„Sie sind heute verwd . iv^ . ivaisf" sagte Marek. Ich begriff den Grund des gestotterten ivd nicht u. frage ihn, woran er nebenbei gedacht hat. Er sagt: ,.Än WeihV' Er meinte, ,,ohne WeiV'.

,,Br . Br . Brunnenröhren''^ (Cornu).

Strekelj will sagen: „sHs g'schperrt [es ist gesperrtY\ sagt aber: „s'is . seh . seit . seit . g'sjJerrt^'. Blosses 5c//-Stottern oder sind die vorausgehenden s schuld? Im letzten Falle hätten wir ein Stottern infolge von Nachklang.

„Statu . Statistische Tabellen.'^ (Dr. Bratusch). Nicht klarer Fall.

,,. . Dass die . die . Dir gefälW' (Rida).

Das Stottern wird auch durch Nachklänge erzeugt. Es folgen die Beispiele.

d. Stottern aus Nachwirkung von Sprachelementcn. „Diese sind s . so mangelhaft. (Jagic! Broch ref.).

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^^Oherlämli.r tU . lustricrn . .'' (Me).

„. . eine falsche V . Zforaussetzuntf/' (Jagic nach Broch).

„ihr u . urspri'dnjliches^'^ (Mc).

„Prarsidial . list^^ (Me).

„. . aafijeschichtet standen (gcspr. ,,sc/itaiiden") scho . acho . schon da'' (Prof. Holdereg'g'er-Berlin).

„. . eine en . ncrtjische . ." (Ale). Die Ursache des Stotterns lic«-t dariu, dass „ein-'^ und „en-^' gleichwertig sind.

„. . Stück (gespr. Schtäeh) st . stellt (gespr. sc/tteJd)'' (Me).

„Ein Fuhlikum ko . kommt dal" (Me).

„. . Dramen auftr . treten . .'• (Me).

,,. . bosnische Nationalität und Sprache (gespr. „Schp räche'') seh . seh . schaffen . . (Mu). Das seh wurde dreimal her- vorgebracht.

,,. . schtürzt seh . schon herein''' (Me).

„JVeiss zo . wein (Bu).

,,iüenn er einem nicht einmal das Recht ein . . einräumt (Me).

,,5a' hein so en . etienjisches . . (Mc).

,,. . (jlänzcnde L . leistung . ." (De).

„Protestant . antismus . ." (Ri); sehr auliallend bei einer 24-jährigen Person.

,,. . in einem, Auflauf . . lauf hetriliyt hat . .*' Auf- fallend bei Pe., Mann von 35 Jahren.

,,. . des Schriftstellers seh schliesst . .'' (v. Hartel).

„. . Eisenfeilspän . pe polsterl . ." f. „. . Eisenfeilspän' polsterl . ." (Ri).

„Bischofbro . brot'' (Rida).

„. . mein Ma . MayenJcatarrh . .'' (Me).

,^Blumenb . bouqet^' (Me).

,,Jw drei Wochen muss man dreimal soviel Wasch' . waschen'"'- (Rida). In dem gestotterten „lüä ." klingt deutlich „Wasch'' nach.

„. . in einem ein . einsamen Bauernhause . ." (Cudiö, junger Mann).

„. . der alte Neryler hat all . lein . ." (Me),

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„. . die D . Betalls . ." (Rida). „. . man . ma . macht . . (iMe). „. . und ein Schtäclcel . seh . Äp feiseht nidel (Rida). Ein sehr interessanter Fall. Das seh klingt nach und erscheint als selbständiges Gebilde vor dem nächsten Worte ').

7. Dissimilationen.

In V. u. V. S. 95 habe ich zwischen leichter und schwerer Dissimilation unterschieden. Von einer leichten Dissimilation rede ich dort, wo ein Laut durch die Wirk- samkeit eines in der Nähe stehenden gleichen und gleich- wertigen Lautes zu einem andern, aber ähnlichen gemacht wird, Fälle, von denen die Sprachgeschichte viel zu berichten weiss. Eine leichte Dissimilation liegt also z. B. vor, wenn aus r . . . r ein l . . . r oder r . . . l entsteht.

Solche Fälle der leichten Dissimilation habe ich (mit Ausnahme gewisser Erscheinungen bei 5 c/i- Lauten niemals mit Sicherheit konstatieren können-).

Schwere Dissimilation ist mir das durch die Wirksamkeit des in der Nähe stehenden gleichen und gleichwertigen Lautes bedingte Schwinden des Lautes z. B. r . . . r wird zu Null . . . r oder r . . . Null.

Diese schwere Dissimilation, der Schwund, ist nach meinen Beobachtungen die Folge des höchsten Grades der Gründe, die zu Sprechschwierigkeiten und Stottern führen. Der Schwund des Lautes ist die letzte Stufe dieser Hemmungen des Redeflusses.

Um gleich ein Beispiel zu geben. Währendem ich

') Einer meiner Hörer hat mich aufmerksam gemacht, dass das sch vielleicht von „ScJltrudcl (Strudel)" herührt, indem die Sprecherin zuerst nur Strudel allein sagen wollte, dann aber sich verbesserte Das war nicht undenkbar, ist aber deswegen unwahrscheinlich, weil ich den Fall gleich notierte u. meiner Frau vorlas, wie ich es in allen Fällen tat, so dass sie mich wohl darauf aufmerksam hätte machen können, wenn sie zuerst etwas anderes hätte sagen wollen.

^) Das eine Beispiel V. u. V. S. gb ,Jm hellen leuchtenden Sonnengrame . . glänze''^ ist verdächtigt, durch den Wortvaganten ..Kram-'' beeinflusst zu sein. Meine neuen Beispiele sieh unten.

92

schreibe und mir den Text halblaut vorsage, bemerke ich, dass ich statt: ^.Schpreclischwieriy'kelten^'' ,,Schi)reclnvierigJceiten^' saee. Der Nachklang des ersten seh hat also das zweite p^anz erdrückt.

Zusammenfassend kann man über Sprechschwicrigkeiten, Stottern und Dissimilation folgendes sagen. Es führt ein und der- selbe Weg von den leichten bis zu den schwersten Erscheinungen, wenn derselbe oder sehr ähnliche Laute sich in wichtigen Stellen rasch hintereinander wiederholen.

1. Stadium. Man spricht langsam, zögernd, mit Schwierigkeit, z. B. d . ie . . D . i . d . o " oder man sagt mit Längung eines Dentals etwa ,.dle Ddido''.

2. Stadium. Es tritt Stottern ein, es wird ein Laut doppelt gesprochen, Lautstottern, oder eine Silbe doppelt ge- sprochen, Silbenstottern. Man sagt z. B. „d . die Dido" (vor- klingendes Stottern) oder ,,die d . Dido'', (nachklingendes Stottern), oder „die die Dido'^ oder „die Di-dido" (Silben- stottern).

3. Stadium. Der früher gestotterte Laut oder eine ge- stotterte Silbe wird ganz unterdrückt, „schwer dissimiliert". Man sagt: „Dido'^ statt „Die Bido'-.

Nach meiner bisherigen Erkenntnis stellt sich die Er- klärung folgendermassen.

1. Stadium. Der Vor- oder Nachklang längt den Laut oder die Silbe.

2. Stadium. Der Vor- oder Nachklang drängt sich neben den Laut oder die Silbe (Stottern).

3. Stadium. Der Vor- oder Nachklang verdrängt die Laute oder Silben, bei denen er zum Wirken kommt.

Diese heftigen Wirkungen der Vor- und Nachklänge hängen davon ab, dass ein Laut, eine Silbe, ein Wort um so stärker vor- oder nachklingen, je ähnlicher sie dem zu Sprechenden, dem Laut, der Silbe, dem Wort, sind, wie ich oben mehrfach hervorgehoben habe.

Gleiche Laute, Silben, Wörter werden also in erster Linie fähig sein, die besprochenen Erscheinungen wachzu- rufen.

9a

a. Leichte Dissimilation.

,,. . ciu grosser Gleit . Greuel . .'' (Me).

„Der Kerl ivar ganz verdattelt . . v er datiert . /' (Me). Der Fall gehört gewiss nicht hierher, denn die r sind nicht gleichwertig" und dann spielt augenscheinlich der Wortvagant ,, vertrottelt'' mit.

,,. . gibt's mir son . . schon einen Schtich (Stich)" (Me).

,,. . dann hat er einen Blechschn . Schlitten"' . ." sagt Mu. xA-uf sofortiges Befragen gibt er an, er habe „Bhch- schnitten^'' sagen wollen. Auf weiteres Befragen antwortet er, er habe sonst an nichts gedacht. Da Mu als Gelehrter alles Vertrauen verdient, ist auch hier Dissimilation l : n immerhin möglich.

Es ist von der ,, Maria Theresia^'' die Rede, Auf eine Anfrage sage ich : ,,lJie Zumhusch ise'' für ,,Zumbuscltisclie".

..Bla . . Bravo Gretll'^ Leichte Dissimilation von r . . r zu l . . . r oder Einfluss des l von ,,Gretl"' oder ein un- bewusster Wortvagant?

,.. . durcJi Scliidiictrli liassieren^' für ,,. . eachieren . ." (Roethe).

Ich sage: :,Wir hüttn's uns ja net rauf schleppen lassen brauchen müssen" und lache selbst über das Satzungeheuer. Meine Frau will ihn wiederholen und sagt: ,,raufschre2)pe)i . ." Das r ist entweder Dissimilation oder wahrscheinlicher Nach- klang von ,rauf".

,,. . Ubergebri . . gebliebenes FleiscJi . .'' (Alte Fraui.

„Habe ich den Wegscheider son schon . ." (Me).

„. . Icosten beim Delihatessenhändler dleissig dreissig Kreuzer'^. Aber r . . . r ist hier nicht zu l . . . r dissimiliert, sondern die im Drucke hervorgehobenen l klingen nach.

,,Das ist doch ungrau . . unglaublich, ivie verschieden die Kinder sindl" sagte ich zu meiner Frau. Möglich ist hier abei, dass der mir vorschwebende Name .,Rida'^ an dem versprochenen r schuld ist.

Man sieht, dass das Material sehr dürftig ist, und dadurch schon die leichte Dissimilation (mit Ausnahme der Fälle von seh : s) zweifelhaft gemacht wird. Dass sie sich, wenn sie

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wirklich vorkommt, wohl nur bei solchen Personen findet, die ein Zungcn-r sprechen, bedarf keiner besonderen Er- wähnung.

b. Schwere Dissimilation.

a. Aus Vorwirkung" von Sprachelemcnten.

„. . hat mir gestern (/eträmut, oder hat Bus gesagt . ." ,.hat^' für „hcfst'^, wohl sicherer Fall von s-Dissimilation.

Szanto beginnt -rtTcc . . will aber sagen rsToadqayjwv.

,,. . und ivir erparrn statt 5f! Kreuzer nur 28 Kreuzer . ." (Me) für ,.. . ersparen . .''

„Ich laim mir das, tcas I . . Rida selireiht . hrstätigen" (Me). Ohne Korr. hätte ich wohl ..]da'' gesagt. Hier wird sogar das anlautende M unterdrückt. Vgl. S. Strickers : j.Rotand der iese''.

,.. . tvie Graf Attem eins gegessen hat''' für ,.. . Attems eins . .'' (Me). Auch der Fall ist so gut wie sicher Dissi- milation,

„Die resdner . die Dresdner . ." (Me). Nicht etwa ermüdet.

,,. . der Senec häft's herausgeh-iegtV' (Me) für ... . der Senex . ."

,,. . der ganse Instantenstig . ." für .,. . Instansenzug . ." (Mu).

„Ich geh' auf den Gang heraus purpurne Finternisl" für „Finsternis'' (Me).

,,Ich bin boss bloss verpflieldet . .'" (Me).

„Ja, das ist das Otel . . Hotel. Erzherzog Johann . ." (Me).

„Diesen ScJiuss . diesen Schluss hätf er lassen soUen'' (Mu;.

,,. . Schei . . Sehreihebrief . ." (Me).

Ich wollte sagen „der Tratra-GrilV als Bezeichnung eines Feuerwehr-Kommandanten dieses Namens, sagte aber: „d(r Ta . ta . Tratra Grill".

„. . Sehüttelfost . . Schüttelfrost l'riegt man . ." Frau, 57 Jahr alt).

,,. . einen Klecl: . . findst . ." für „. . Klecls findsf Ri machte eine Pause nach „KlecJ:'^ aber ohne zu korrig.

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Wenn er ivird auf dem To . . SchtocJcerl (Stockerl) schtelin [stelm) . ." (Ri). Zweifellos war „. . Tockerl . ." in- tendiert.

Einen F'all habe ich besonders deutlich an mir beob- achtet. Ich wollte sagen: ,,. . tvo tvir ivenigstens rnJiig reden Jcömien^^ kam aber nur bis ,,iceni(/stens'\ wo ich pausieren musste, weil das r mir nicht zur Verfügung- stand. Hätte ich weitergesprochen, so hätte ich nur ,, tdüg reden'' sagen können. Dissimil. wegen Vorklangs.

„Das Eegierungsräte . . gerate hat's gemerkt" (Me). Diss. aus Vorklang. Vgl. den Fall ,, , . Jiat gavs raue Haare ghaht'"'' (Mu). V. und V. S. 88. (Regierungsrat v. Kljucharich hiess bei uns ,,das Hegierungsgeräte''^).

„Sie hat abolut . . absolut das Sah vergessen"' (Me).

„Bezüglich des Aufsettens . . Aufsetsens lasse icJi mit mir handeln . ." (Rida). 5-Dissimilation.

,,. . eine go . . grosse Reldamnotis . ." (Me).

„Gahiel Ugron" für „Gabriel . ." (Me).

,.Da sind wir ings rings um ihn herumgesessen^'' (Me).

,,. . die beteffenden Professoren . ." für ,,. . betreffenden . ." (Mej. Ein ander Mal: „Der bete . . betreffende Professor . ."

„. . einer Zeit . ." für ,,seiner Zeit {TseitY^ (Me).

„. . denn sonst hätt mirs doch gesagt'-'- (hätte sie mir es doch gesagt, also) für ,,denn sonst hätfs mir's ..." (Me).

Vor einer Annonze der Berliner Gewerbe-Ausstellung sage ich: ,,Da kommt der am m er . . Hammer aus dem Meer hervor . ."'

„. . aber Du behaiiiHei es . . behauptest es . ." (Me).

„. . unbegr . . begrenzter Kredit . ." (Ein Beamter).

„Bei Fiume ist doch kein Fusslauf . . kein Flusslauf . ." (auf der Reise, müd, abends). Der Fall trug sich unter be- sonderen Umständen zu, ist aber nichts anderes, als was sich in sehr frischen Momenten ebenfalls ereignet.

„. . und dieses Komitee heit . . heisst auf deutsch Aus- schuss . ." (Me).

„Drts ivas uns das Entsetlichste ist . ." für ,,Entsetslichste^ (Me).

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„. . so iviirilc ick ir Dir (ins ruhig sniftii'^ (Mc).

„. . kein schüft . . g'schäft mclir g'habt Jiat'^ (Me).

,,. . com Ernt . . Ernst ijsa<)t . .'' (Mei.

„. . unser (jestiyes . i/cstriges Gespräch . ." (Me).

„. . fün keins kleins Glasl . ." (Me).

„Jeder Russe, der jetzt nach Laihach kommt, wird jetzt 2ur Folitei sitiert^^ (Strekelj). Unbemerkt,

„. . im Lüwenhäu ijrauft . ." für „. . Löwenbräu . ." (Me).

Trapifvtikloster^ habe ich zweimal nacheinander gesagt.

„. . die Hödrichsmi'ihle , ." für „. . Höldrichf^miihle . ."* (Me).

. . hat statt dohtriR geduckt . . gedruckt dohtrik'* l>fe). Vor- und Nachklang".

„. . unsere Faschen . Flaschen sind zu klein . ." (Me).

„Post, Frau Rida!" für „Prost!'' (Mc).

„. . bist boss bloss blödl"" (Me).

Ich sag-te im Kolleg^: „Denken Sie an das Paradiga . . Paradigma merga.''-

„Politik ist doch ein rechtes komplitiertes . . komplisiertes Zeug'' (Rida).

„. . unsere Kiint Kunstindnstrie . ." (Me).

„Verschu . . rerschwunden gewesen . ." (Me).

„Ich bin foh . . froh, dass der Streber endlich etwas er- reicht hat^ (Me;.

ß. Aus Nachwirkung- von Sprachelementen.

„Zur relativen Cho . . Chronologie^ (Me).

„. . dass man einen Bruchstieh . . Bruchstrich draus machen kann'^ (Me).

„Stilliveigen ! ''■ (gespr. Sc/itillweigen) für „Stillschweigen'^ sagte Adl. klar und deutlich. Ich halte den Fall für einen besonders beweisenden, denn es schien im g-egebenen Mo- mente jede Komplikation ausgeschlossen.

Ich wollte sagen : „Abriss der indogermanischen Laut- [lehreY, kam aber nur bis „Laut-"^'^ ich habe genau beob- achtet, dass ich eine Zeitlang- das zweite l nicht denken und

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nicht sprechen konnte. Ich gebrauche das Wort .^Lautlehre^ natürHch sehr häufig, bis jetzt geschah es ohne Anstand.

„. . ahyesehen von der Natur-rew; . . Xaturtreue . ." (Adl.); der Sprecher bemerkte den Fehler selbst,

„. . du: reissiy . ." für ,,. . die dreissiy . ." (Me).

„. . h-HikJos im räum . . im Traum . ." (Me).

„. . Dienstag 8 9 im Sal <:chzelin'^ für „sechzehn'^. Denkbar, dass Ang-leichung- an ,.achtgehn^'' vorliegt (Me).

„Er hat einen erzfehler . . Herzfehler"- (Me).

„. . Krakauer alender . . Kalender . ." (Me). Ein sehr interessanter Fall nachwirkender Dissimilation.

„. . Disserta . . tion . ." sagte ich, ohne das zweite t (d. h. also ts) sogleich hervorbringen zu können,

„Die Frau farjt . . fragt, für weti . ." (Me).

„Chinesischer Reichsbeamter ist der Osthorn . , Rosthor n^^ sagte ich.

„Der Mann leidet a)t Herzhopf . . klopfen'^ (Me).

,.In der Früh' fürt . . friert mich immer'' (Me). Nach- wirkende r-Dissimilation und Nachklansf des ü.

„, . der Klavier . . Klavierlehrer der Paula . ," Ich konnte das / von „. . lehrer^ nicht gleich sprechen und wiederholte das Wort, Dann grelang es.

„, . im Wissenschaftlichen Klub gau . . glauV ich . ." (Me).

„. . er is einmal ein Sansl^ritit gewesen . ." (Me),

„Schweinmalz . , SchiveinscJimalz'''' (Rida).

„. . wegen Agram ida . Rida!''' (Me). Der Name „Ida"' ist mir ungeläufig.

„. . Vortrag über Sophon . . Sophron . ." (Hofrat Schenkl),

y,. . Rosenhanz . . RosenJcranz . ." (Me).

„Von den Schtudenten (Studenten) merzlich . . schmerzlich empfunden^' (Me).

„. . von drei Stolchen Strolchen angegriffen"- (Me). Vor- und Nachklang.

Wie ich in die Schul' gegangen bin, hat man lieine

Meringer, Aus dem Leben der Sprache.

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Feiss . . F kisszetieln hehommen^ (Rida). Die einwirkenden / sind nicht gleichwertig'.

„. , (/er wird als Kapital ist ausgeschieden ai(s dem reise . Kreise der Privatdosenten"' (Mc).

Wenn Du ihr ein aufgelöstes Zuchernasser gibt . . gibst . ." (Me).

„Wenn Du so eine Angst hat . . hast, suche ich sie selber"' (Me).

„, . neil Du schon tehst, Du Schwein!"- für ,,. . schtehst (stehst)'^. Vor- und Nachklang.

„. . und da droben dürfte das eiserne ohr liegen . . das eiserne Tor'''' (Mc). Die d und / sind bei uns im Dialekte wenig verschieden. Von einem „Ohr^'' war absolut keine Rede. Ich war nicht müde.

r,Der arme Hascher, der Tschänis (James) raucht Vir- tinia . . VirtscJiinia [Virginia) (Me).

yFriedich"- für „Friedrich" (Muchs Nichte).

„Das ist ivirlxlich unglaub . . unglaublich \" Ich konnte eine Weile das dritte / nicht sprechen.

,.Den letzten öffel . Löffel issfs^' (nämlich die kleine Grete) (Rida).

y.Sehr viele Buben haben sofort die Emmel . . Semmel zuri'tcTigezogcn " ( Me) .

c. Silbendissimilationen. a) Aus Vorwirkung. y^Eine freuliche . . erfreuliche Erscheinung . ." (Me). „. . einladen . . eingeladen gewesen . ." (Mu). „. . hat sich heute seinen dritten halt . . Gehalt geholt . ." (Me).

„3Ian muss doch fragen, was drückt die Kunststellung aus, die Kunstausstellung aus?" (Ein Redakteur).

y,Der Friede wird durch die rechti gleit . . Gerechtigkeit gefordert'' (Me).

ß. Aus Nachwirkung. ,,Singularis oder Pluris . . Fluralis" (v. Grienberger). Der Nachklang von -la- hat hier -al- verdrängt. Interessant. „Investionsscheine"' für „Investitioyisscheine" (VVassmuth).

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8. Silbenunterdrückung und Silbenüberspringung.

(Entg'leisungen.) Vgl V. und V. I, S. 83, S. 183. Vgl. auch oben unter Antizipation, Dissimilation, Konta- mination. Eine Silbenüberspringung- infolge von Antizipation bieten Fälle wie „i^/a?e'' für ^/Filiale''. Hier ist von i aus sofort auf das nächste gesprungen, d. h. besser ausgedrückt, das hinter dem ersten 7 stehende und schon wirksame zweite i hat das erste, und was ihm folgte, unterdrückt. Das Bild V. und V. S. 186 kann aufrecht gehalten werden.

Ebenso erklärt sich „InditelV'' für „Individudl'' durch Überspringung von d aus, was man auch so darstellen könnte.

Resultat: ,,Induel¥^.

Nach diesem Bilde könnte man auch wohl von einer Entgleisung reden. Der Fall ist genau wie oben, s. Antizi- pationen: ,,. . hei JägerJicmden gesehen . ." für „. . hei Jäger- meyer Hemden gesellen

ii

Resultat : .,Jügerhemden'^.

Ebenso „Superintvnf'' für ^, Superintendent^^ mit Entgleisung vom Dental aus, „Millijahren^' für „3IiUionen Jahren", wo Entgleisung von j aus erfolgt.

7*

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Darnach wird man eine Anzahl von Fällen, die Ent- g-lcisungen darstellen, nunmehr zu bestimmen in der Lage sein.

„Dercktor . . der Direläor" (Me).

Das Versprechen von „Fiale^^ für ,, Filiale'^ hat auch Frau Muhr, Wirtin in den Vierzigrer Jahren, gemacht. Vgl. oben und V. und V. S. i86).

„DuniaU . .*' für ,,Du damals . ." (Me).

„Commentoren^^ für „Cotumt'ntatoren^^ (Detter).

„Dann hat er auch Tier . . Papier zu hernnjeu'' (Me).

„Staatsivohltiyhit . . wohltätiij'kdtsloUerie^'' (Schima).

„. . seigiä . ." für „. . sei so gut . ."

„SaiibascJic . . Saubagaschc''' (R. Schneider). Das a ist schuld an der Entgleisung.

^Bhddürsterich^'' für ^^blutdürstiger Wüterich'^ Entgleisung von t aus.

„. .ob ich sugrundtii sollte"' für ,,. . zugrunde gehn . ." (Jos. Schneid, ref.).

„. . wo Dti . . wozu Du . ." Antizip. durch u erleichtert. (Me).

,,. . zwischen den Zwcibündeln . . zwei Heubünddn . ."^ (Mu).

,,. . hab alles stehn und liegen müssen . . liegen lassen müssen". Hier bieten sich „liegen"" und „lassen'' zugleich dar. Die Bahn fährt über „liegen^^ ohne .^lassen" mehr zu berühren. Erst Korrektur stellt dieses wieder her.

Anderer Art ist der folgende Fall: „Das werden wir nicht herumlassen . . herumliegen lassen.'' (Me).

„. . kolossachen . . Jcolossale Sachen . ." (iMe).

,,. . sehr interessache . . interessante Sachen . .'' (Bezirks- vorsteher V. Radimski).

Oben ist bei der ,, Silbendissimilation" der Schwund von Silben, die sich im Satze wiederholen, durch Beispiele erörtert worden. Ich führe hier noch einiges an.

„Meine Vorlesung sinken . ." für ,,. . Vorlesungen sinken . ." Es dürfte zwar Dissimilation die Hauptursache sein, aber es wäre denkbar, dass der Singular als schwebendes Wortbild mitwirkt.

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Schuchardt teilt mir einen anderen Fall mit. Er sagte im Gespräch uniloco für unico loco. Er bemerkt dazu selbst, dass Dissimilation möglich sei, dass aber nach seinem subjek- Gefühl univoco, unisono mitgewirkt hätten. Ich habe nichts dagegen einzuwenden.

Ein kleiner Rest von Fällen bleibt imerklärt.

„Saz . ." für ,,Situasion'^.

„Katorie^'' für ^.Kateyorie''^ .

„. . Staub abhelfen. . abivisclien helfen . ." (Me; lo Uhr abends, normal). Ganz seltener Fall.

9. Individuelle Wortverkürzungen.

Diese sind besonders bei lebhaften Personen, wenn sie formelhafte Wendungen gebrauchen oder wenn die Ergänzung naheliegt, so dass das Verständnis nicht leidet, zu bemerken. Hier nur wenige Beispiele, die ich an die Silbenunterdrückung deshalb anschliesse, damit man die Verschiedenheit von den bis jetzt besprochenen Fällen erkenne.

„IcJt liabe lebhaft bedau . . ."

„Es ist (jar Jcein Zwei ..."

y,Die österreichische Belecjation und die im ..."

Solche Abkürzungen habe ich namentlich bei v. Klju- charich beobachtet, bei dem sie besonders zahlreich waren. Aber ich bin nicht in den Verkehrskreis hineingfekommen, in dem das Mode ist, denn dass dieser Mann das selbst er- funden hätte, ist ausgeschlossen. Sporadisch kommen die- selben Erscheinungen auch bei einzelnen Individuen jener Kreise vor, in denen ich verkehrte.

Ganz anderer Art sind jene Fälle, in denen ein Individuum gewissermassen laut denkt, sich dessen plötzlich bewusst wird und abbricht. Gretchen im Faust: „Die Midter ivürde mich ". Unsere Schulbücher nennen diese ,, Figur" bekanntlich ,,Apo- siopese''. Damit habe ich es hier nicht zu tun.

10. Besondere Verkürzungen bei Füllwörtern.

Ich habe V. u. V. S. 73 f. über die Füllwörter einige Bemerkungen gemacht, die ich hier ergänzen möchte.

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Eines der häufigsten Füllwörter ist \Viss«u Sie'^* manch- mal mehr als Ruf denn als Frage betont. Bei v. Kljucharich hörte man aber ausser der vollen Form noch ., Wissen's?* und r,Witn?^' ja auch „Win?'', tlas letzte namentlich bei lebhafter Unterhaltung-, aber bei ihm immer wirklich fragend betont.

Man sieht daraus keine Neuigkeit , wie ein häufig und noch dazu sinnlos gebrauchtes Wort bedeutenden Ände- rungen unterworfen ist. Mein Eindruck war, dass bei jenem Sprecher ein Individuallautgesetz ssn: tu: n zu konstatieren sei.

Das war ein Irrtum, denn win habe ich auch, allerdings mehr als wnn gesprochen, bei einem Schriftsteller gefunden, der in den Dreissigern stand, also wesentlich jünger war als der R-R.

Wie sinnlos das „Wissen Sie"' gebraucht wird, darüber ge- nügen folgende Notierungen. Bei v. Kljucharich sowie bei Bunzl fand ich, dass sie „Wissen Sic"' auch zu Männern sagen, mit denen sie sich dutzen. Bunzl sagte auch „wtisst?'^ zu Leuten, zu denen er Sie sagt. Auch K. Mayer sagte zu mir: „. . .so also, ivisscn Sie ..." als wir schon längst auf Du waren, ebenso Pribram. Im Jahre 1902 notierte ich mir: ,,K. Hillebrand ist mit mir seit 8 Tagen ,,J)it". Er sagt nie „Sic'' zu mir, aber er sagt meistens „ivissens?" und korrigiert auch nicht immer.

Es kommt auch in ganzen Dialekten vor, dass Füllwörter entgegen ihrer Form und ihrem ursprünglichen Sinn gebraucht werden, z. ß. kommt es im Bairischen vor, dass ein „iveisst'' in Anreden an eine Person eingeschaltet wird, die mit Sie an- gesprochen wird. Vgl. Wunderlich Unsere Umgangssprache S. 56 und Reis in Paul Braune Beiträge 18. Band S. 477.

Das ,,Witn?'' „Win?" legt nun nahe, auch bei anderen verschliffenen Füllwörtern nach ihrer alten Quelle zu fragen. Ich denke, die .,ahn", y,pnah''. y^mettem" , die ich V. u. V. S. 731". anführte, sind Reste von sehr häufig gebrauchten Wörtern.

Für das y,mettem^, das ich in V. u. V. erwähnte, scheint sich eine Erklärung zu bieten. E. Szanto erzählte mir von einem älteren Herrn, der füll weise „mit dem Dinge'' oder schlechtweg „mittem"* sagte. Derselbe soll auch statt „Bill-

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roth''^ y,RothhilV' u. ä. geleistet haben. Szantos Mutter fügte hinzu, es sei einmal eine Frau klagend zu ihm gekommen, und er habe seine Worte an Sie mit dem Satze geschlossen: „Und jetst honimen Sie und schreien: mit dem Dih(j, mit dem Dimj!'^ Trotz ihres Jammers hätte die Frau Mühe gehabt, ihm nicht ins Gesicht zu lachen.

Ich erzähle die Geschichte bloss, um ein drastisches Bei- spiel von sinnlosen Füllwörtern zu geben. Wie aber bei verschiedenen Personen ,,mit dem Din(j''^ ein Füllwort werden kann, das ist allerdings nicht zu sagen.

„Ahn'''' sagte einer unserer Lehrer, Professor der dar- stellenden Geometrie. Primarius Dr. Bamberger äusserte den Gedanken, dass das sonderbare Wort von „Haben Sies?''' komme (nämlich das Vorgezeichnete), oder „j[>a haben Sie'sl'^. Ich stimmte zuerst freudig bei, aber wurde doch wieder be- denklich. „Haben Sie's?'^ kann es schwerlich sein, weil sonst wohl der fragende Ton geblieben wäre, wie bei R.-R. „TF/«.^" immer ganz klar eine F'rage war. Und „Da haben Sie'sV"^ scheint mir deshalb nicht plausibel, weil dann der Gestus er- halten worden wäre, „abn'"'' wäre eine Demonstrativpartikel geworden 1). Anderseits würde wieder für Dr. v. Bam- bergers Erklärung sprechen, dass auch der Lehrer der dar- stellenden Geometrie meines Bruders sich nach jeder Linie, die er angekündigt und dann auf der Tafel gezeichnet hatte, umdrehte und sagte: Hab's schonV''

Ich will hier nur anregen, auf diese Frage zu achten; ich denke, es wird sich bei manchem Menschen in späteren Jahren eine andere Formel nachweisen lassen, als die war, die er früher gebrauchte. So fand ich bei R. R. schon weit mehr „TF^YJ^" und „TFm" als „Wissen Sie''''.

Natürlich müssen nicht alle Füllwörter so enstanden sein. Das beliebte „ä/i!" wird wohl eine ganz andere Er- klärung brauchen.

In den Sommerferien 95 hatte ich in Friedberg in Steier- mark Gelegenheit, an einem Manne die Füllwörter gut zu stu-

*) Allerdings wird im Englischen das •znm Grusse gewordene HolV do you do nicht mehr fragend betont.

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diercn. Es war der Gastwirt Muhr. Er war ein Sechzij^cr, hatte eine Gymnasialklasse gemacht, natürlich etwas Alko- holiker. Er hatte folorende Fiillwörter:

„/)/ der Hinsicht''', ^<iahz natürlich'', ,.ilcrartiy'*, „in der Beziehung'', y,und dergJricheti'' , y,verstanden?"\ „mit der Beitier- kunn", „ja!", „ivas mau sagt", „wii- man sugt^, „i man (meine) mir'', im grossen ganzen'^, „und so iveiter'*, „gunz richtig", „toid dann ist zu hemerhcn", „diesbezüglich".

Er gebrauchte diese Füllwörter vollkommen sinnlos. Um Missverständnissen vorzubeugen will ich einige genau beob- achtete Beispiele geben.

,.. . tind haben in der Hinsicht eine Kisten gehabt, ver- standen'i . ."'

„. . is täglich hinuntergegangen und dergleichen" .

,.. . haben sich derartig übers Kreuz gestellt . ."

„. . ein Par Eheleute, wie man sagt, . ." (es war kein Euphemismus beabsichtigt!)

„. . Das Icann ich mir nie derartig enträtseln, warum . ."

„. . Dass man dem Ehepaar, in der Hinsicht, wie man sagt, ein Geschenk darbringt, ja!"

„Im grossen ganzen tcar heute ein heisser Tag'"' (Es war aber den ganzen Tag über abnorm hciss).

Merkwürdig ist, dass sich bei Muhr diese Füllwörter noch durchaus nicht weiter verschliffen hatten. Das mag seinen Grund darin haben, dass Muhr eben eine grosse Anzahl hatte, und dass er sehr langsam und überlegend sprach, um seine Spässe vorzubereiten, denn er hatte wirklich Humor. Die P'üUwörter halfen ihm Zeit gewinnen. Hätte Muhr das Tem- perament von R.-R. gehabt, so wäre er schon längst mit seinen Füllwörtern fertig gewesen und hätte mindestens eine Anzahl von ihnen auf ein Minimum von Lauten reduziert. Ich hoft'te ihn nach Jahren wiedersehn zu können und wollte dann berichten, ob seine Füllwörter sich etwa abgeschlift'en haben, was allerdings schon kaum mehr zu erwarten stand. Muhr ist aber seither verstorben.

Auch die Art wie Muhr die Fremdwörter herrichtete,

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war interessant So z. B. sagte er ,^3IanipoV für ^^Monoi)ol'^ , wahrscheinlich nach „3IamiJi(lation'\

Ein Wiener Freund hatte folg-ende Füllwörter : Und so^'' und „m dieser Weise^\ Nach Jahren hatte er die Zahl ver- mehrt um folg-ende: „unter Umständen^'' y,und dies und jenes''' „und derlei''^ „im Grunde (/enommen'\ ,,schau nur'"'' „ohne weiteres''^ „an und für sich.'"'' Dazu bemerke ich, dass ,.m dera Weis''' beim niederösterreichischen Landvolke sich eben- falls als Füllwort findet.

Sonst hört man häufig: „Ic]i muss (aufrichtig) gestehen''' , „Ich muss lüirhlich sagen'', „EhrlicJi gestanden^.

Ein alter Herr, Sachse, sagte als Füllwort „stim Beipin'"'' (= zum Beispiel) und „näbhi"' (nämlich) i).

Meine Frau sagt einmal ganz ruhig zu mir: „Aber ick litt Sie, das sieht man ja ..."

Bei Kommis und Kellnern kann man es erleben, beim Fortgehen eine „gide Kachtl"' bei hellem Tage und einen ,,gutc)i Togl'' am Abend oder gar bei Nacht zu erhalten.

Zu der gewaltsamen Veränderung der Worte eines Grusses vergleiche die Verstümmelungen von „Kilss' die HandV' ,Jcsthand'% „l'siant"', „ste Hand'', „de Hand", „Hand''.

11. Die Bahnverlegung.

Vgl. V. u. V. S. i6o Anm. Sprechhindernisse entstehen, wenn ein Wort sich vor ein anderes stellt und dieses für eine Zeit nicht über die Schwelle des Bewusstseines gelangen lässt. Die Bedingungen sind also im Allgemeinen dieselben, wie die bei der Entgleisung, nur wird in unserem Falle das Nebengleise als falsch erkannt und gemieden. Ein ganz starker Fall ist mir begegnet. Herr Dr. S. Frankfurter erzählte mir, dass ihn die Leute oft Dr. Hamburger nennen. In diesem Augenblicke war mir sein geläufiger Name entfallen, und ich konnte erst, nachdem ich etwa 50 Schritt mit ihm gegangen war und das bahnver- legende „Hamburger'-- entschwunden war, mit Anstrengung auf seinen Namen kommen. Ein andermal suche ich den

') Wegen ..Beippi'' vgl. V. u V. S. Sq und hier pass.

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Namen „Rrinhohl"^, komme auf ^Rtnanl'^ (beides Namen von Künstlerinnen), ohne dann mehr das Richtige finden zu können.

Dr. Adler beginnt: Äntise . . Aiitise . . im, wie heisst denn das Wort^^ Ich sage: „Antisemitisch.'* Detter findet sofort den Grund, nämlich dass f,antisei)tisc}i'* sich dem Sprecher aufgedrängt hatte, was dieser aber als falsch abwies. Die Erklärung wird doch wohl richtig sein, denn in unserer Ge- sellschaft, in der so viele Mediziner verkehrten, war y^antisep- tisch^ eines der schwebenden Wortbildcr.

R. Much sagt: ,,. . was es für eine Bcivandtnis hat mit dem Drnhmal ton Karakilissar!^ Ich erkenne den Irrtum, finde aber ebensowenig wie Much das richtige Wort. Erst beim Aufzeichnen des Falls fiel es mir ein: ..Adaniklissi''.

Maler Vita sagt: „eine Maroniette''^ (Kontam. auch „Mario- nette'^ und „]\Iaroni'*). Ich will ihm helfen, kann aber im Augenblicke selbst „Marionette'' nicht finden.

Ich lese in den Hochschulnachrichten den Namen „Seeliy- müller'^. Sofort denke ich an einen wohlbekannten und ge- schätzten entfernten Kollegen. Ich sehe ihn klar vor mir, ich erinnere mich verschiedener gemeinsamer Stunden, aber erst nach langem energischen Suchen fällt mir der Name ein : „Seemidier''.

L. Hartmann zitiert den schönen Vers der Friederike Kempner, aber nicht ganz richtig : „Oh Otto etwa Kleingeld hat."^ Es dauert lange, bis mir das Richtige einfällt : „ob Robert ....?«

.,Nessel^ heisst doch der Erfinder der Schiffsschraube '^* fragt Detter. Nach vielem Bemühen finde ich das Wort: „Ressel.""

Ich sage „GUiel'smann**, weiss aber, dass das nicht der Name ist, den ich suche. Endlich stellt sich „SchUessmann'^ ein.

Ich lese den Namen „Habarf'^ und finde ihn seltsam. Dann denke ich: „Wie heisst denn der bel'annte Thilosoph?'' Ich bringe es nicht heraus. Ich probiere: ..Hehart'^. Wieder geht es nicht. Endlich kommt's: „Herhart.'*

Einige hier aufgeführte Fälle füliren mich zur nächsten Kategorie von Sprechschwierigkeiten.

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a. Aufsuchen vergessener Wörter (Namen). Vgl. Y. u. V. S. i66.

Wir finden oft ein Wort, einen Namen nicht, ohne dass wir einer bestimmten Hemmung" uns bewusst werden können. Wir probieren nun ähnHche Klänge, die aber, wie gezeigt, dann, wenn sie einmal ausgesprochen sind, oft gerade be- wirken, dass wir das Richtige um so schwerer fmden. Ich stelle hier verschiedene P'älle zusammen, die zeigen sollen, welche Elemente des vergessenen Worts beim Suchen zuerst über die Schwelle des Bewusstseins kommen.

Ich suche einen Namen und denke, er fängt mit K an und ist dreisilbig.

Ich versuche also „Krist'^. . „Kristeck'^. Also teilweiser Irrtum, denn der gesuchte Name war zweisilbig.

Architekt Tischler sucht den Namen ^.Hirschl''' u. "probiert: y^Fleisclil", ..Fröschl'-'. „Hirschl"' sage ich. ^Hirscld"- be- stätigt er.

Vondräk gebraucht das Wort .^Induction^'^ falsch für „Suggestion''^. Zwei anwesende Herren begreifen ganz wohl, was er meint, fmden aber trotz Suchens das ihnen so ge- läufige Wort nicht.

Ich suche den Namen „Reimers''' u. beginne: .^Bai . . Bai . . Bainer, Beinecke ..." Erst nach einiger Zeit komme ich auf das Richtige.

Ich suche den Namen „Grasherger'''' u. sage: y,Grass .... Grassauer . . Grasherger'''.

„Wie heisst er? Bauer . . Brauer . . ?" sage ich. „Braun^^ antwortete E. Szanto.

Von den Namen „Komzack^'' fiel mir bloss das K ein.

„Professor ,Bahr oder ,Pahr'?'^ sagte Archit. Tischler. Er meinte Professor „Baab'\

„Ledewol . . Leheivol . , Edelhofgassel (Me),

Deinhartstein . . Ditscheiner . . Deininger!''' (Me).

„Wie heisst doch die Frau? Sie hat einen griechischen Namen'?"' Nach einigem Nachdenken: „Eudoxia!''' (Me).

„Schraufer . . Stauffer . . Bauschen'^ (Me).

Ich war mit Dr. Bein in Deutschlandsberg. Ich suche

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mich des Namens des Wirts, bei dem wir eingekehrt waren, zu erinnern. Bein sagt: „Frlt.:her(fer'^. Nein, sa^e ich, der Name hat nur zwei Silben. Ich probiere: y.Stalzer''^ y.Stiher!'* meldet sich endlich.

Ich suche den Namen eines Sängers. Ich sage, er ist kurz und französisch und klinge so wie de Grach. Nach einiger Zeit fällt mir ein. dass er holländisch ist und mit van beginnt. Auch jetzt hatte ich noch die grössten Schwierig- keiten, um auf ,. Van Difcl:"^ zu kommen.

yJch sah Laroche im Egmont als Vans . . Vans . . ]«wsrn/" (Me).

,, Kleist, der Dichter des (hiis, Guis ..." Ich konnte nicht weiter. Endlich fiel's mir ein: ,, . . des Guiscard!

Man sieht aus diesen ja völlig bekannten Tatsachen, dass man nicht nur ein Wortbild hat, sondern auch Bilder von diesem Wortbild, und dass man mit Hilfe dieser Eindrücke vom Wort, dem Wort beizukommen sucht.

12. Formausgleichungen, Neubildungen.

Dass die associativen Neubildungen der Sprache häufig durch Nachklänge aus der Rede des anderen im Zwiege- spräch, oder durch Nachklänge und Vorklänge aus der eigenen Rede hervorgerufen werden, das war mir schon 1893 wohl bewusst vgl. V. u. V. S. 166, 67. 68, 4_|.

Etwas Neues erlernen wir aus diesen Bildungen die alle unter die Rubriken Vorklänge, Mitklänge, Nachklänge fallen somit nicht. Wenn sie nun mit neuen Belegen für sich behandelt werden, so hat das den Zweck, den Vergleich mit der grammatischen Kategorie der „falschen Analogie" zu ermöglichen.

Hier erhebt sich noch die Frage, ob zu dieser Art der momentanen Neubildungen Vor- und Nachklänge notwendig sind oder nicht?

Es muss zugegeben werden, dass sie zumeist im Gespräch erblühen, aber sie sind auch ohne Gespräch möglich und können im stillen Versprechen, im „Verdenken" (V. u. V. S. 99), sowie im Ausruf beobachtet werden.

109

Ein Beispiel. Mein Söhnchen sitzt (in seinem 5. Jahr war es) neben mir, ich lese, er blättert in einem Buch mit Abbildungen. Plötzlich ruft er aus: ^Bic Häser.''' Ich sehe hin, es sind Hasen dargestellt. Er hatte also nach einem schwebenden Wortbilde, etwa nach „Kälber^\ seine neue Mehrzahlbildung gemacht.

a. Ausgleichung normal lautender und umlautender

Form en.

„lassen sich'^ nach „lässt sich''^ (Me).

„lassen nämlich."' Ausgleichung nach dem schwebenden Wortbild ,,lässt'' oder Antizipation von „nämlich?''^ Vielleicht beides.

„Gründe lassen sich immer finden'-'' (Mu ref.)

^straft'-' (Me).

Ich : ..Behältst Du das?"- Meine Frau: „Ja, ich hehältdasl"'

Ein Jahr vorher. Ich: „Du hältst nichtl"' Meine Frau: y,Ich hält schü7i\"'

„Diese Gewänder müssen alle in Klöstern . Klöstern ge- macht loorden sein^^ i^^^)-

„Soweit die Aufzeichnungen in den Klostern reichen ..." (ein Student). Denselben Fehler habe ich (oben S. 6) von Prof. Anton und einem Landstreicher, also von vier ver- schiedenen Personen gehört.

„Das ist auch ein (jlanz . . glänzender Einfalll'^ Anti- zipation oder Ausgleichung nach „Glanz'^.

. . die ich selbst für eine Jud . . Jüdin halte'* (Me).

Gotter . . Götterdämmerung^^ (Detter).

, . sie haben längere Ohren . . Ohren'-'- (Hahnreich).

. . wurden Steina . . äxte gefunden.'^ Prof. Kick. Der Redner wollte gewiss ,, Steinäxte'' sagen.

. . haben sich Krot . . Kröten aufgehalten''. (Cornii, unwohl.) Der Sprecher kennt den dialektischen Plural schwer- lich. Erklärung unsicher.

. . in den andern Vortragen . . Vorträgen . ." (Rida).

. . kann num um so langer . . länger laufen . /' (Ri). Nachklan of von a nicht wahrscheinlich.

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b. Ausgleichung- des Ablauts.

,,Vie1 ZK nenitj tiird das geuiesstl^^ sagt Direktor Lacher. Ich mach ihn aufmerksam, er leug-net aber rundweg und er- klärt, er habe gesagt ,,. . genicsst viav fs." Das war wahr- scheinlich der Nebengedanke.

Ich: ,,Icli nehme etwas anderes'.'' Meine F'rau: ,,Was nehmst Du denn?'' Sehr unwahrscheinlich, dass das juden- deutsche „nemmst^' aus irgendeinem Witz hier mitspielte.

Heger sagt: .,Es ist schhcht geschrieben''. Ich: ,,Es ist scheussUch geschrieben"'. Heger: Ich möchte schrieben . . ."schreiben . ."

Ich frage Detter: ,.\Vann liest Du?'' „Ich lies am Sams- tag'' antwortet er. Detter gebrauchte nie diese auch dialek- tisch vorkommende Form.

y,riiclschreitlich'' (Prof. Kick).

„von da an hafs gehissen . ." sagte Frau Brockhausen ohne Korr,

„. . wenn es heisste . . " (Heger).

,.heisste^- für „hiess'' habe ich auch im Colleg gesagt; ein andermal ,.gehissen"^ für ,.geheissen''.

„Wann wird denn das entscheidet iverden?" (Rida). Nicht korr. Übergang in die schwache Beugung.

„. . soll erzieht haben'' (Cornu). Ohne Korr.

„das ist nur mehr hineingeziehen . . gezogen . ." (Me).

„is erlugenl" sagte Dr. Adler. „Lug" spielt mit.

„. . muss gemeidet 71-erden''' sagte ich in einem Vortrag. Niemand merkte etwas. Als ich aber selbst aufmerksam machte, entstand ein allgemeines Gelächter.

Nach einem sprachwissenschaftlichen Abend sagt Prof. Svoboda: „Niemand spriclit ö und «''. Darauf Luick: „Ver- zeihen Sie. ich sprich . . ich Sprech esl''

,.. . dass einer da gesifs . . gesessen ist" (Witlazil).

„. . Jiat sich bedingt gehabt.'' (Heger).

„gedenli" für „gedacht'' (Guglia, Rida u. ö.)

„. . haben den Anreiz gebietet . ." (S. Exner). „Anreiz'^ auch „Beiz'' und „Anstoss. Anregung'^.

„. , getrieft, getroffen . ." (Mu).

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„Er hat sich versprechen . . versprochen'^ (Student).

„Er hat davon besprachen . . gesprochen.^' (Prof. Redlich).

„Ben Carfiol (Blumenkohl) esst man . ." für ... . . isst man"- (Ri). Schon V. u. V". S. i66 konstatiert.

„. . «7s sie aiissiehn oder aiissiehn möchte für „. aussieht oder aussehn möchte'''' (Ri).

„. . hat sich eineweiV besinnt" für „. . . besonnen'^. (Frl. 30 jährig-).

„Bulgarien ist l'ein anerlcennter Staat^' sagt Mu und wiederholt noch „anerl'ennt'' ohne des Fehlers gewahr zu werden.

,,Nie in der Schid g sitzen . . " für ,, . . gesessen . ." (Rida; nicht korrigiert, aber selbst bemerkt).

c. Ausgleichung unregelmässiger Formen.

„Bie Leute Joannen . . Jcönnen nicht . ." (Ive).

,.jetzt Jcannen Sie esl" (Krispin).

„ivemi's einmal (von Kindern ist die Rede) .so iveit sind, dass sie eins so verstellen ivie der Hund, dann l'annens . . l'önnens auch schon reden'' (Me).

,,Ba tceissen Sie es!'' sagt ohne Korr. Cornu. Niemand, auch er selbst nicht, hat „7reiss" gebraucht. (Schon beobachtet V. u. V. S. 166).

„Wetsst Ihrs . . u-isst Ihr's?'' (Mu).

Ein Herr sagt: ,,Sie u'issen keinen . ." Ich: ..Ich tvtss . . ueiss l'cine7il''

,,. . von mir kannst Bus schon weissen''' (Me).

y,In philosophischer Rücksicht magen Sie recht hahen^'. (Pernter).

Ich gebrauche ^,7nag'\ Im nächsten Satz sage ich ,,magen" für „mögen".

Ich: „Haben Sie sich schon Pansch genommen?'' Die Magd: ,,Kein. ich mag nichtV Ich: ,,Ahl Sie magen nicht'' .

Eine Dame sagt: Sie dürfen ivirklich nichtl" Ich: ,,Ich dilrf . ich darf ivirklich nicht?''

„Bas kanntich nicht behaupten" (Me). Kontam. aus „kann" und „könnt".

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Meine Frau: „Grdcrl, wo bist denn? Das Kind: .^Beim Papa bist ichV Ein Spass war nicht beabsichtigt.

R. Schneider zu mir: ,, . . . Du hrtiuchst Dich gar nicht SU ijeniert'n." Ich: .,Wie ich Junggesdl gewesen bist , ."

Schima: „Weil ich der jüngste Minister ial-Si.hxtär bist, während er . . . ist/'

Meine Frau: ,,Wie tcir schon ausgezogen ist, isfs (das Wasser, die Leitung) in die StoclaverJce gtJcomnwn.''

Ich: ,,Ich tveiss e.s j/Vt!*' Cornu : ,,Sie weissen es jaV'

Die Fälle sehen auf dem Papiere krass aus. In Wirk- lichkeit werden sie meist nicht einmal wahrgenommen! Man kann sie sehr häufig beobachten.

„getti . . getan'' (Rida). .,getHt" war beabsichtigt. Jahre vorher hatte sie einmal gesagt: ,,. . sie haben das wahrschein- lich getttn . . getan".

d. Ausgleichung des Genus.

Die Fälle sind oft nicht mit Sicherheit zu erklären.

„Da tut einem der Wahl wehl'^ (Kratter).

„Den Vaterhaus von Jagic ist ein Pfahlbau'' (Me) (viel- leicht spielt dialektisches „Den Jagic sein Vaterhaus" . . . mit).

„Er hätte zahlen sollen den 14 fachen des Werts." {den vierzehnfachen Wert") (Dr. Adler).

e. Ausgleichung von Suffixen.

„Der Gärtner hat von einer Wärtnerin erzählt . ." (L. v. Frankl).

Meine Frau sagt: .,Gib mir eine Zeitung, die gestrige oder eine andere . ." Ich: „Nein, jetzt kannst Du schon die heutrige lesen".

,,. . Äntisemist . ." sagte Hof, Bahnbeamter. Bildung nach Turist, Jurist u. a.

f. Ausgleichung des Sandhis.

Ein Lied der Ivette Gilbert hiess : Les quatres etudiants,

also nach trois, deux mit einem s versehen. Solchen durch

Analogie verschleppten falschen Sandhi haben auch wir im

Dialekt öfter: ,,wiar <" (= wie ich), y,haur r' {hau ich) iisiv.

113

Von einem Volkssänger hörte ich „voner an Freund", also nach „tmter an, über an^ gebildet. Man hört auch: „mitter an'"'' = mit einem"'.

Bei Brockhausen ist ein solcher Fehler fest geworden, nämlich „heuten ahencV. Es ist nach „morgen, diesen, guten ÄbencV^ gebildet.

Andere Fälle.

„So erlaubt er sir . . sich sie (die Rosen) Dir anzubieten!'^ (Me). Hier ist also auf die Dauer eines Moments ein „sir" entstanden, das sehr gut zu „mir, Dir'^ pass.

„Hechts und lenks^^ Cornu.

„. . am ein . . am ersten . ." Dr. Adler gibt zu, dass er am „einten'''' hat sagen wollen.

„Jetzt bist Du kleiner als mich"- sagte Rida. Befragt erklärt sie, den Fehler selbst nicht bemerkt und auch an keine andere Konstruktion gedacht zu haben. Sehr in- teressanter Fall.

B. Das Versprechen der Kinder.

Ich denke, dass nichts so sehr die Allgemeingültigkeit der Regeln des Versprechens darlegen kann als der Nach- weis, dass Kinder, sobald sie die Sprache zu beherrschen an- fangen, sich ebenso versprechen wie die Erwachsenen. Des- halb sind hier diese Fälle besonders zusammengestellt, wobei ich aber von einer genaueren Einteilung absehe.

1. Vertauschungen.

„Saufhanden'"'' für „Sandhaufen''' (Gretl). Wurde zweimal gesagt, Korrektur erst auf Mahnung.

„Kamee fühle'''' für „Kaffeemühle''^ (Gretl 2Y2 Jahr).

Mit 3 Jahr 8 Monat sagte mein Sohn „vergoben^'' für „ver- bogen'"'', also schon so früh die rätselhaften Beziehungen von b und g, die sich gegen alle Regeln beeinflussen.

„gebossen^'' für „begossen'^ (Gretl 9 jährig).

Wenn wir schien . . schnell gehn . . " sagte Gretl mit 5 1/2 Jahren. Unklar. Entgleisung von e aus?

..Zwadenßrn'''' für Zwirnfad en^'' (4 jähriges Mädchen),

Meringer, Aus dem Leben der Sprache. o

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yNolporfahrer"' für y^Nordpolfahrcr'^ (Johannes 4 jährig). Derselbe ,,Walinc'" für y^Lawine''^ .

,,PischtaV'' für „Schpital {Spitaiy^ Johannes 4 jährig. Den- selben Fehler macht nach vier Jahren die 6jährige Martha: ,.Hcrr Pischtalcr^^ für „. . . Spitäler'^.

„Die Piir thtzoi . ." für ,.Die Tür putzen . ." (Gretl

3 jährig).

^Kinimerzinder^'' für y, Kinderzimmer"' (Gretl 6 jährig).

,.]\IoJ:ode'' für „Kommode'-'' (R. M. Meyers Sohn, fast 6 jährig).

,,Doc1cenptq)per"' für y,PHppendo1Uor'-'- (Gretl 2 1/4 jährig).

„Schiffhein'' für ,^Fischhein" (Gretl 6jährige). Ich erzählte vom Walfisch fang, wobei das Wort y, Schiff'' oft vorkam. Also eigentlich Nachklang und Substitution (Siehe unten bei den Biographien der Kinder).

y^Ist das ein Rettwenn . . Wettrennspiel?'* (Gretl 7 jährig).

„Das Lüsten ist so hustip" für ,^Das Husten ist so lustig''' (Gretl 7 jährig).

y Auf der Mann ist a B an Je gesessen l"* (Johannes 8 jährig).

yGih mir das Bild mit de Bücher!''^ sagt Gretl 3 jährig dreimal nacheinander, ohne etwas zu merken.

,,. . vierklättriger Bee . ." für „. . vierblättriger Klee . ." (4 jähriges Mädchen). Der Fall zeigt auch Z-Dissimilation.

,.. . Phifson . ." für „. . Syphon . ." (6 jähriges Mädchen),

,,. . Kachenofel . ." für „. . Kachelofen . ." (Johannes

4 Jahr 9 Mon.).

y,Du das Schleif . . das fleisch hrauchst Du nicht zu schneiden"' (Gretl 4 jährig). Vgl. oben den Fall „schien"'' für „schnell". Wenn hier wirklich Anlaut und Auslaut vertauscht worden sind, dann ist in diesem Falle wenigstens ein Unter- schied zwischen Kinderversprechen und Versprechen Er- wachsener zu konstatieren. Die Fälle sind zu selten, als dass man viel daraus schliessen könnte.

2. Vorklänge, Antizipationen.

,,. . und der Ideine (näml. Zeiger) schlauft noch viel schnelhr . ." (Johannes 3 jährig). Nicht korrigiert.

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„Botübuch'' für „Notu'bucli'''' (Johannes 3 jährig),

Warum hluu . brauchst Du so eine Glocke?'"'- (Johannes

3 jährig-)-

„So stoll er stehenl^ (Johannes 3 jährig-) für „. . soll . ." Nicht bemerkt.

„Pratonen''^ für ^^Fatronen"' sagte Johannes 8 jährig längere Zeit: fest gewordenes Versprechen

y,Ich Schmerle' s heim Schlucl-en.^ Nicht bemerkt.

„In der Schul' ist man nie sucher . sicher, oh nicht eine andere Stund hommt.^'' (Gretl 1 1 jährig). MögHch, dass auch yiSchuV'-'- mitgewirkt hat.

„Ein jeder Munsch Mensch inuss . ." (Johannes 8 jährig).

,.J)fl tu ich lauter Bratiln B lattin runter schneiden . ." (Marta 6 jährig).

,,. . Xormalschuss . schulgasse . ." (Gretl 7 Jahr 4 Monate).

,,. . imamgenehm . ." (Joh. 4 Jahr 8 Monat). Der Fall wird aber nicht Antizipation sein, wobei er den Regeln wider- spräche, sondern daraus zu erklären sein, dass Johannes früher yiUnamheciuem'''' sagte, wobei ;// aus n wegen des folgenden b entstanden ist. Also Contamination.

„. . hunderln Busserln . ." für „. . hundert Busserln . ." (Johannes 4 Jahr 9 Monate).

„Das sind Kro . . Klosterfrauen'''' (Gretl 3 jährig).

3. Nachklänge, Postpositionen.

Ich sage fortgehend zu Johannes (4 jährig): y,Sei bravl^'' Er ruft mir nach: „Bleih hrav . . hleih hei mir\^

„Du sagst ,nach Haus', ,nach Haus sagst ja auch ich V^ (Gretl 7 jährig).

Kindertheater bei uns. Meine Frau sagt von Rudi H. (3'/., jährig) zu dessen Mutter: „Er versteht die Worte nichtl" Da fällt eine Figur auf der Bühne um. Rudi ruft: „Die Worte sind umgefallen.^''

Johannes (5 jährig) hat soeben laut „Schöchel'^ (Berg in der Nähe von Graz) geschrien. Dann sagt er: „Diese Rinde schecld . . schniecJd mir so gut''^.

Johannes erzählt 8 jährig, dass man ihm in der Schule

8*

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keinen Haken für seine Kleider angewiesen hat, was mich und meine Frau veranlasst, diese Ilakenan^elei^enhcit gleich zu er- forschen. Plötzlich sieht Johannes, dass die beiden anderen Kinder Äpfel haben. „Du Mama^, schreit er: j,ich will auch einen Haken . . einen Apfel l"

Diese Art Nachklänge spielen bei den Kindern, woraut mich auch E. Sievcrs in einem freundlichen Briefe aufmerksam machte, eine grosse Rolle und sind für das Sprechenlernen wohl von entscheidender Bedeutung. Ich habe diese Erfahrung an einem kleinen, lebhaften, sehr gesunden, 4 jährigen Knaben gemacht, den ich liurch mehrere W^ochen jeden Mittag und Abend bei Tisch beobachten konnte. Er hörte aus den Ge- sprächen der Erwachsenen viele ihm neue und unbekannte Wörter heraus, auch wenn er gar nicht zu achten schien, und wiederholte sie dann lachend oft bis ins Unendliche. Das Finden und Wiederholen machte ihm offenbar grosse Freude und alle Strafandrohungen waren vergeblich. Er musste die Wörter nachsagen. Ich denke, der Fall wird wohl ein typischer sein.

Auch die Lust zu reimen war bei dem kleinen Mit- menschen gross. Einmal kam er durch Kontamination von „Seifenschalerl''^ und ,.Seifentazerl^^ auf ein ,.ßeifenschazerl'*. Das Wort gefiel ihm dann so, dass er eine Reihe von neuen Wörtern auf ^•aserV'' bildete.

„Seitdem Du mir gesagt hast, wie die Mama fortwarst . ." (Martha 6 jährig).

„Ich glaube, sie fressen auch Glas . . Gras dazu.'* (Gretl 1 1 jährig).

4. Mitklänge (und Kontaminationen).

Johannes hat in seinem 5. Jahre das Wort ^unamhequem"' gebildet, eine Kontamination aus „unangenehm''^ und „un- hequem^^. Das Wort hielt sich jahrelang und jetzt sagt es die kleine Marta (6 jährig) schon seit Jahren, obwohl er es nicht mehr gebraucht.

Die Kontamination ,, Mansch" aus „Mann" und „Mensch" machte Johannes in seinem dritten Jahre, also die-

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selbe Bildung, die oben (S. //f.) unter Kontaminationen bei einem alten Regierung"srate nachgewiesen ist.

Wir gehen oft zum Hilmteich und in den Hilmwald, ^,Wie tvir durch den Hihnwei . . Hihmvald gegangen sind . ." (Gretl 5 jährig).

,,l)u nnisst mir's einfiissen . . einfülle)/ . .'' (Gretl 5jähr.). Das Kind meinte, die Mutter möge ihm Kugeln in ein Gefäss ^,einf(issen" oder .^einfüllen''.

.,lch IV ei SS es nicht, vielleicht wird es die Mama von den Mäddn ivei . ivissen". Der 3jährige Johannes macht also mit seinem ,, ?t'e^(ssew)" den Fehler, der bei Erwachsenen und auch bei alten Leuten nachgewiesen ist.

^Wenn man Dich nicht ficht . . sieht . ." sagt Gretl (5 jährig) und lacht. Sie weiss, dass sie an ,.findet^^ ge- dacht hat.

„Einmal, tvie die Gretl mit mir in die Schide gegangen hin, da hat ..." (Marta 6 jährig). Nebengedanke: „. . ivie ich mit der Gretl gegangen bitjt . ." Nicht korrigiert.

,.Garten^'' aus ,.Gattungen" und ,,Arten'^ (Johannes 5jährig).

„F^adr^ iür ,,NadJ'' sagt Gretl 6 jährig. Es spiel ,,^«(?ew" herein.

.,Ich hin heinuhe erschwitzt^^ (Johannes 57, Jahr). Kontam. aus „erhitzt^' und „ich schwitze''.

Unsere Kinder nannten den Lebertran ,, Lebertran Je' \ was die Kleinste (]\Iarta 6 jährig) erfunden haben dürfte. Ein schönes Beispiel von ,, Volksetymologie".

a. Durch Gesichtsbild erregter Mitklang. Meine Frau liest Zeitung. Johannes (8 jährig) kommt herbeigelaufen und ruft: „Du. Mama, die Elster kann jetzt nicht in ihr Erdbeben (sein Blick war auf die Zeitung ge- fallen, wo das Wort gross gedruckt stand) na, ivas sa^ ich denn dal Weil hier (er zeigt auf die Stelle) Erdbeben steht'. Die Elster kann jetzt nicht in ihr VogelhäusV.'^

5. Schwebende Wortbilder.

Wie oft meine Kinder Mama und Papa (so betonen sie) verwechseln, lässt sich nicht abzählen. Namentlich Johannes

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hatte eine Zeit, wo er fast regelmässige .,Maiii-P(ipa^ oder „Pap-Muma'' sagte, sich also vergriff, aber noch rechtzeitig die Korrektur anbrachte. Im dritten Jahre sagt er einmal „Mam . Pap . Mizi'% nennt also falsch Mutter und Vater, bevor er den gewünschten Namen, den des Kindermädchens, findet.

,,Schucksenf/el^' für Schuf zengel'' sagte einmal Johannes (4 jährig). Es war nicht zu ermitteln, welchem Wortvaganten das ck entstammte.

6. Substitutionen.

„Wie der Mcum ditj Tür zuschUiytl dass tnans kaum hörtV (Gretl 5 jährig). Gemeint war das Gegenteil.

„Gestern'' für „morgen'' und umgekehrt hörte ich jahre- lang. Es wird wohl noch oft zu bemerken sein.

,^Heiss" für ,,/ia/<'* (Johannes 3 jährig). Auch sonst öfter.

„Langsam" für „schnell" (Gretl öjährig). Kommt oft vor.

„Ich hin half schon zu hlein" für ,,. . zu gross (Marta öjährig).

VV. Sterns Söhnchen sagte i Jahr 2^2 Monate alt: „siehst? [siesty statt „hörst? (herste)"^). Seine Tochter sagt 2 jährig „zu" für „auf"' ~).

Eine schöne Entgleisung. Johannes (4 jährig) will sagen: „Du bitterböser Papal", ein Witz, den er nach „bitterböser Baum" gemacht hat, sagt aber ,.Du Bitterpapal''

7. Formausgleichungen, Neubildungen.

„Ich bin deschiüimmf . . deschwommen . ." (Johannes 4 jährig).

„Ich habe mir icas eimledenlcf, ich will in Dein Zimmer dehn". „Eindedenli'' (= *eingedacht) ist nebstbei als Konta- mination von „//er/ac/i^'' und „{mir ist) eingefallen" interessant (Johannes 3 jährig). Noch im 5. Jahre sagte er ,,mir denkt

') Cl. und W. Stern, Die Kindersprache, S. 88.

-) Ebd. S. 55. Stern bemerkt, das Kind habe ..zu oft in seinem Gegensinn auf gebraucht". Wann ,,2M'' den Gegensinn „auf" habe, dürfte wohl allen Linguisten unbekannt sein.

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das ein^^, was man allerdings nicht mehr als Versprechen fassen kann, weil er es gewohnheitsmässig sagte. Mit 4 Jahr 7 Monaten sagte er einmal: „Was Gutes denk ich mir ein''.

„Gereitef-- (Joh. 3 jährig).

„D?e Pferde haben von meinem Käse gefross . . (jefressen^' . Wie Joh. 3 jährig zu dieser Bildung kam:

„Äbdewischen, dehiwjt, deivoUen^ (Joh. 3 jährig).

y,Sie war noch Idein und hat's nicht verstehtl''^ (Joh. 3 jährig).

„Da ist ein Hund degehn . . degangen'^. (Joh. 3 jährig).

„Ich hahs selber aufdebrungen (Joh. 3 jährig).

„Schau, die Marta hat das detragt (Joh. 3 jährig).

„Der Hans haVs nicht deweisstl"' (Joh. 3 jährig).

„Sie willen nichP'' (Joh. 4 jährig).

„Wir binnen schon zu Haus"^ (5 jähriges Mädchen); vgl, das V. und V. S. 168 zitierte kindliche y^iuir bind'''.

„. . die Hasen . ." für „. . die Hasen'"'' (Joh. 3 jährig).

„Läufen"' für Jaufen'\ ,^ich war' beinahe hinunter- deplumpsen''' für „. . geplumpst'^, „der Mama seine (für „ihre'^) Uhr^, „Hände", ^,geessen"' für „gegessen"^ „Mäusen^' für 3Iäuse^', „haltet" für „hält" (Johannes 3 jährig).

„Sie stehen . .", „. . ivenn's der Gärtner g' sieht hat" (Johannes 5 jährig).

„Die toerden ivir erbrennenl" für „. . verbrennen'' (Joh. 5 jährig).

Mit 3 Jahren sagte Johannes gewöhnlich „silbere, gollere'' für „silberne, goldene'', ja sogar einmal „gebacJceres Fleisch". Um so auffallender, als er für „andere"' immer „ande" sagte. Auch „verschieder e^' für „verschiedene^'.

Ich zeigte Johannes Bauernhausglocken. Er sagt (3Y4Jährig): ,, Wenn der Bauer kommen soll, dann gl . . glocken die Leute"', „glocken" = „läuten". Beachte auch das vorwirkende Stottern.

Sehr erstaunt war ich über das neue Wort „die Rauche", das Johannes in seinem vierten Jahre im Sinne von Tabaks- pfeife erfand und dann beibehielt. Im 4. und 5. Jahre hatte

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er mehrere solcher Bildungen im Gebrauch, die aber meist nur momentane Geltung hatten. „Hauche'^ ist ganz verständig gebildet. Er spielte aber auch, indem er ganz neue Laut- komplexe zusammenstellte. Dann frug er öfter, was seine neuen Worte heissen. So wollte er einmal wissen, was ^,Änspri^^ bedeute. Aus dieser Zeit stammen auch die fol- genden Bildungen.

„Vergremimgen^'^ im Sinne von ,,Gre)izen, Beyreuzung^.

„Es fängt schon zu grausein an^\ sagte er eines Abends; er meinte .^grauslich, hässlich zu werden".

„In meinen Sack ist so ein Kalt hineingekommen": „der Kalt" für „die Kälte".

,,. . (r wird anfangen zu laushuhen" d. h. „Laushuhl zu sage)}".

Meine beiden Mädchen waren lange nicht so erfinderisch wie der Knabe, von dessen Neubildungen dies nur ganz kleine Proben sind. Marta sagt einmal 6 jährig zu Johannes: „Du bist nicht der Befehler", d. h. „Du hast {mir) nichts zu be- fehlen". Weiteres unter ,, Kindersprache".

„Gedenkt^'' für „gedacht", „geflechtet"- für „geflochteri" (Marta 6 jährig). Zur selben Zeit „geessen", ,,geisst".

„Es war ein solcher G'stttnk dort . ." für „. . Gestank . ." nach „hat . . gesttniken^'' (Marta).

y,. . die vornere Seite . . (Gretl y Jahr 4 Monatej. Eine Neubildung nach ,, hintere".

Gretl sagte noch 7 Jahr 5 Monate alt „unJängstens" für „unlängst" nach „meistens".

„Du hast uarme Hände . . und die Mama hat die aller- warmsten" (Johannes 3 Jahr 8 Monate). Ausgleichung infolge von Nachklang.

Ich sage zu Johannes: „Natürlich iceisst Du^s nichtl" Er antwortet: „Weissen tu ich^s schonl"

„Sie magen mich nicht" (Gretl 3 jährig).

„Es hat mir weh getut" (etwa 4 5 jähriges Mädchen).

„Der Wind windet da herein" (Gretl 3 jährig).

„Der Mann hat zwei Äffe" für „. . Äffen" (Gretl 3 jährig).

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C. Rückblick auf das Versprechen.

Im allgemeinen bestätigt also mein hier vorgelegtes Material das, was ich im Jahre 1895 dargelegt habe. Auch all das, was ich gehört, aber nicht aufgezeichnet habe, war im Einklang mit meinen Regeln.

Es bleibt ein minimaler Rest unerklärter Fälle übrig (Vgl. schon oben S. 8).

So habe ich z. B. einmal gesagt: ,,7c/< liahe . . meinen Spaziergock (für „SpanerstocJ:") an einem Sessel verschlagen^'. Woher das g? Gewiss nicht von „. . zerschlagen'^.

Oder: .,N(lhladl . . NähnadV\ Das l des Auslauts ist es wohl nicht, das hier antizipiert wurde.

„3Ioll'te'' für ,Mol.the'' (Br. v. Frankl.

,,. . ivenns auf den Holzhoden fahren . . fallen^' (Rida).

„s' ivird aher Weizengrüste . . griitse sein'^. (Me). Meta- these von ts zu st ist sehr unwahrscheinlich.

Ich denke, dass bei solchen Bildungen, die gegen die sonst erkennbaren Regeln sind, vagierende Wortbilder mit- wirken. Bei dem „A7/A/af7/" dürfte ..,MehlhuW mitspielen, weil ich oft den Kindern das dialektische Sprechkunststück ,,Ä 3Iölladl. an Oarladl und a Makaroninudlladl er' vorsagte. Bei „MolJite" kann sich ein „folgte^' etwa gemeldet haben u. dergl. m.

Diese Vaganten weiss oft der Sprechende noch anzugeben, aber er vergisst sie, wenn man nicht sofort fragt. Der Hörer erkennt sie oft nicht, wenn sie auch naheliegend genug sind.

Z. B. Klemensiewicz erzählt von einer Jagd. „Der Stel . . der Schweiss ist uns heruntergeronnen . ." Ich bin über das Stei . . sehr erstaunt und frage in einer Pause den Sprecher, warum er sich versprochen habe. Er sagte ohne viel Zögerung: ,, Weil ich an Stirne gedacht habe". Ich ärgerte mich, dass mir diese gewiss richtige Erklärung trotz vieljähriger Erfahrung nicht sofort eingefallen war. In dem vorliegenden Falle wäre ich wohl später auch noch auf die richtige Erklärung gekommen, aber es gibt Fälle, wo auch die sofort vorgenommene Prüfung des Bewusstseinsinhalts des Vaganten nicht mehr habhaft wird. So gelang es mir im

122

Falle von ,,Sp((zi€rgork'' absolut nicht, den flüchtigen Wort- vag^anten, der hier ein^^ewirkt hat, zu eruieren.

Ich habe schon hervorgehoben, dass jedermann, auch Kintl und Greis, sich verspricht. Man kann nicht sagen, dass eine Art des V'ersprcchens in einem bestimmten Alter über- wiege. Aber über die perzentuelle Häufigkeit ist schwer zu einem Urteil zu gelangen, denn man ist ausserstande, alle Sprechfchler, die man hört, oder auch nur die, die man von ein und derselben Person im Laufe der Jahre hört, zu notieren. Ich habe früher die Nachklänge für Ermüdungserscheinungen oder sogar für senil gehalten. Meine neuen Beispiele wider- legen das klar: ich habe so arge Fälle bei gesunden, nicht ermüdeten, jungen Individuen gehört, dass ich meine Vermutung nicht aufrecht halte. Übrigens habe ich V. und V. S. 52 vorsichtigerweise nur gesagt, dass die Menge der Nach- klänge erst senil ist und daran mag etwas Wahres sein.

Richtig bleibt, dass einzelne Individuen sich mehr ver- sprechen als andere. Aber auch diejenigen, die sich häufiger versprechen, bevorzugen nicht bestimmte Gattungen. Dann achtete ich darauf, ob etwa schneller sprechende Menschen sich mehr versprechen als langsame. Auch dabei kam ich zu keinem Resultat. Ich kenne Menschen, die in einem gedankenfluchtartigen Tempo reden und sich trotzdem weniger versprechen als andere, die langsam sprechen.

Es gibt Menschen, in deren Sprachvorstellungen die akustischen Bilder vorwiegen (Hörer), solche bei denen die motorischen vorherrschen (Sprecher), endlich solche, bei denen das geschriebene Wort (,, Leser" müsste man sie nennen) oder die Schreibebilder, (.. S ch r ei b e r '•) beim Sprechen mitwirken. Bei allen diesen könnte man verschiedene Typen des Versprechens anzutreffen hoffen es ist nicht der Fall.

Dass das Versprechen nicht auf eine Sprache beschränkt sein kann, sondern dass höchstens einzelne Regeln anders sind, das bedarf keines Beweises.

Und so wird man nun schon vorbereitet sein, wenn ich

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sage: Alle Menschen versprechen sich, im wesent- lichen in derselben Weise.

Die zunächst sich ergrebende Fragfe wäre nur: Wann tritt das Versprechen auf? Welcher Grund ist für sein Erscheinen anzugeben? Diese Frage ist nicht zu beantworten.

Freilich, wenn man z. B. einen Tischredner in seiner Not Fehler über Fehler machen hört, wenn man einen schlecht vorbereiteten Prüfling beobachtet, dann wird man sagen: Der Grund ist die Aufregung, das Herumschwirren innerer Wort- bilder, die aufgescheuchten Schwärme von schwebenden W'ort- bildern u. dgl.

Mag sein. Aber was ist denn der Grund, dass ich mich in der allerruhigsten Stimmung, in meiner gewohnten und mir erwünschten Umgebung verspreche? Freilich, wer alles erklären will, wird wieder einen Grund angeben : Weil ich mich in einer solchen Lage gehen lasse, weil ich nicht acht- gebe.

Man kann dagegen einwenden, dass man auch in Augen- blicken, in denen man sehr auf die Worte achtet, nicht vor dem Versprechen sicher ist.

Mögen hier andere das Wort nehmen. Ich habe keinen Mut, einen bestimmten Grund für das Auftreten des Ver- sprechens anzugeben, d. h. ich habe den Grund, der zur Er- klärung aller Erscheinungen ausreichen könnte, nicht gefunden und eine Redensart zu machen habe ich keine Lust.

In der Sprachwissenschaft ist es eine anerkannte Tatsache, dass das Wort nur in einem beschränkten Masse ein Eigen- leben lebt, denn es tritt fast nur als Teil des Satzes auf. Und noch viel mehr ist der Laut etwas Unselbständiges, der wieder nur als Teil des Wortes erscheint und niemals allein, während das Wort doch in den Fällen, wo es einen ganzen Satz aus- macht, z. B. in der einwortigen Beantwortung einer Frage oder im Ausrufe, allein erscheint. Und trotzdem verzeichnet jede historische Grammatik die Geschichte des Einzellautes und vermag siegreich die Berechtigung dieses Standpunktes dar- zulegen.

124

Und das Versprechen demonstriert die Berechtigfung dieses V'orcj'an^s so klar als nur möt^lich ad oculos. Wir sehen den einzelnen Laut, aus seiner Umgebung^ herausgerissen, nach vorwärts oder rückwärts springen, sehen ihn einen gleich- wertigen anderen Laut verdrängen und seine Stelle einnehmen. In viel höhcrem Masse, als man glauben sollte, ist der Laut ein selbständiges Element der Sprache; er ist durchaus nicht bloss eine grammatische Abstraktion, er lebt sein eigenes Leben, hat Beziehungen zu gleichartigen, schlicsst sich aber gegen andere ab.

Diese Tatsache ist nun um so merkwürdiger, als wir nicht lautierend sprechen lernen (vgl. V. u. V. S. 7), sondern in den ersten Lebensjahren Wörter, Lautkomplexc, hören und diese nachsagen.

Aber trotzdem ist auch der einzelne Laut in uns früh- zeitig vorhanden, was ich 1895 noch nicht wusstc. Die Lall- periode der Kinder, die noch ganz unabhängig ist von der gehörten Sprache der Erwachsenen, zeigt, dass das Kind früh- zeitig im Besitze aller Laute der Sprache seiner Umgebung und noch anderer Laute ist. Ich kenne nichts, was uns die Vererbung von geistigen Dingen so klar vor Augen treten Hesse, als das Lallen der Kinder.

Die Beziehungen der Laute, die wir im V^ersprechen kon- statieren konnten, sind Verdrängungen und Assimilationen. Wegen der letzteren Fälle verweise ich auf die Längungen von kurzen X'okalcn durch vor- oder nachklingende lange (sieh V. u. V. S. 41, 51).

Warum finden wir aber im Versprechen keine klaren Be- ziehungen zwischen aneinanderstehenden Konsonanten? z. B. ■warum erscheint ,.gehackt^ im Versprechen nicht als y.gehatt'^ mit verdrängtem /.-? Und ebenso in y^geleht^, „gesagt^: Aller- dings sind die Konsonanten verschieden, der erste ein blosser Implosivlaut, der zweite ein blosser Explosivlaut, und vielleicht ist das der Grund, dass sie sich nicht assimilieren.

Aber wie im Italienischen aus octo otto wurde, so machte meine Martha aus „möchte"' ein ^mötte^, assimilierte also diese Laute. Und die Verkehrssprache sagt y^Sfappark'"^ für y,Stadt-

125

park^, ^mibhringen'^ für „mitbringen''. Ich habe bei mir ud^iygf'tan"' für ,,(jutgdan'\ ,,gu(j gegangen"' für „gufgcgangen'' konstatiert, Formen, die sich wohl auch bei anderen finden. „Zum Ueippiel" ist ja eine ziemlich verbreitete Assimilation.

Wann also erfolgt die Assimilation und wann nicht?

Es ist längst klar, dass unser Sprechen kein rein gedächt- nismässiges ist, d. h. dass wir nicht alle und jede Form fertig aus dem Gedächtnis reproduzieren, wenn wir sie brauchen. Sprechen wäre unmöglich, wenn nicht in unserer Seele etwas wäre, was den Regeln der Grammatik (wenigstens den rich- tigen) entspräche; es sind die Sprachgruppen, die in Gruppen zusammengeschlossenen Sprachvorstellungen. „Sie sind ein Frodukt aus alledem, was früher einmal durch Höreji anderer, durch eigenes Sprechen und durch Denken in den Formen, der Sprache in das Bewusstsein getreten ist *). Einzeln treten die Vorstellungen ins Bewusstsein , werden aber hier nach den Assoziationsgesetzen in Gruppen vereinigt. Aber die Einzel- vorstellung z. B. eines Genitivs eines Worts ist wieder eine komplexe, denn sie ist ein Erinnerungsbild von akustischen sowie motorischen Erlebnissen. In der Seele assoziiert sich dieser Genitiv mit anderen gleichgebildeten zu einer Genitiv- gruppe, die mitwirkt, wenn ich im Sprechen einen Genitiv benötige, ebenso wie eine Regel der Grammatik.

Wenn man nun vielleicht denkt, dass wohl der Kultur- mensch nach diesen Sprachgruppen spreche, der Bauer aber ihrer entraten könne, weil das Gedächtnis hinreicht, um die Formen seines Wortschatzes zu umfassen, oder dass er da doch auch bei ihm das sprachliche Material nach den Assoziationssfesetzen sich anordnen muss wenigstens im höheren Grade gedächtnismässig spricht als der gebildete Städter, so halte ich das für falsch. Wir verfügen leider über kein Vergleichsmaterial darüber, wie viel Wörter der Bauer versteht und gebraucht und wie viel der Städter. Aber mir scheint sicher zu sein, dass der Bauer sehr viel Worte kennt und zu gebrauchen in der Lage ist. Man muss bedenken.

') Paul Prinzipien'' S. 23.

126

dass die Tätigkeit des Bauern eine sehr extensive ist, dass er im Hause eine Menge Dinge und Teile dieser Dinge zu be- nennen hat, und dass es ausser dem Hause bei der Feldarbeit wiederum sehr vielerlei gibt. Der Bauernhof hat bis vor kurzer Zeit fast alles selbst erzeugt und erzeugt auch heut noch den Hauptteil der Bedürfnisse. Es ist möglich, dass der Bauer nicht alle Ausdrücke der Arbeiten der Weiberleut kennt, aber die allermeisten wird er wohl aus seinen Knabenzeiten wissen, in denen er viel bei den Weibern war, im Sommer auf dem Felde beim Mähen und Garbenbinden, im Winter beim Spinnen, wobei er die Aufgabe hatte auf den brennen- den Kienspan zu sehen.

Ich möchte, wenn ich einen Vergleich mache, eher glau- ben, dass der Bauer einen grösseren Wortschatz hat als der Städter der unteren Schichten.

Die Sprachvorstellungen sind die in Gruppen angeord- neten Erinnerungsbilder von allem gehörten und allem selbst gesprochenen Sprechen. Sie kommen auf demselben Wege zustande wie die „schwebenden Wortbilder", die wir oben beobachten konnten, sie sind derselben Art.

Solche ,.schwebende Wortbilder" müssen zur Erklärung mancher kindlichen Neubildungen herangezogen werden. Ich habe oben erzählt, dass mein Söhnchen 4 jährig auf der Strasse einen Mann seine Tabakspfeife anzünden sah. Sofort machte er ein Wort für den ihm neuen Apparat und nannte ihn „eine Bauche'*. Er behielt dann das Wort eine Zeitlang bei. Nur ganz wenige Beispiele konnten als „schwebende Wortbilder"' zur Entstehung dieses Wortes geführt haben. Bekannt waren ihm gewiss y^HacJie^' zu „haclen", vielleicht „Sä(je'^ zu „sägen'^ und darnach machte er zu „rauchen'' den Namen des Instruments ,.die Rauche"' im Augenblick, ohne das geringste Nachsinnen.

Der Knabe hatte vielleicht schon ,,die Pfeife^'' gehört, fand aber das Wort nicht mehr, was auch begreiflich ist, denn es ist eine Ausnahme: Mit dieser Pfeife pfeift man nicht, sondern raucht man; also ist es eine ,, Rauche^'.

Eine Ausnahme ist nun auch für jung und alt

127

^,ivir 2vissen'\ Wir haben gesehen, dass es infolge eines Nach- klangs in „ivcissen" verwandelt werden kann. Ich habe aber auch beobachtet, dass es ohne einen derartigen Nachklang, ganz spontan, auftreten kann. Hier wirkt also die normale Gruppe: ,,IcJi reisse (dial. reiss)'', ,.tvir reissen^^ ablautbefeh- dend mit.

Das Wort, welches ich brauche, oftenbart sich mir nicht immer in seiner gewünschten fertigen Form, sondern oft nur in seiner primitivsten Gestalt, sagen wir in einer Art von Wurzel. Diese primitiven Wortbilder werden von grossen Schwärmen von Wortvorstellungen umkreist, welche erst die Formgebung v^erursachen.

Wenn ich den Plural von „Schacht'^ brauche, schwirren zwei Schwärme heran, der Schwärm der umgelauteten und der der nicht umgelauteten Plurale von Substantiven männHchen Geschlechts. Irgendein Moment wirkt nun ein, dass die neue Form sich dem richtigen Schwärm anschliesst; schliesst sie sich dem Schwärm an, zu dem sie bis jetzt nicht gehörte, dann entsteht eine Analogiebildung.

Wenn ich aber sagen will: „Es ist heiss^', dann naht sich ein einzelner Wortvagant, das durch den Kontrast herbei- gelenkte Wortbild „Jcalf'', und im Versprechen erscheint dies oft genug für jenes.

Das mag genügen, um die Verwandtschaft der Sprach- vorstellungen, der sprachlichen Gruppen mit meinen ,, schwe- benden Wortbildern" zu erklären.

Je nach dem momentanen Stärkeverhältnis der das zu bildende Wort umkreisenden Schwärme schwebender Wort- bilder oder einzelner schwebender Wortbilder, einzelner Wortvaganten, die oft ganz unbewusst sind, kommt dann in dem gesprochenen etwas Altes oder etwas Neues zustande. Das Abnormale, die Neubildung, entsteht dann, wenn eine unregelmässige, also bloss gedächtnismässig zu reproduzierende Form von einem Schwärm oder einem Einzelvaganten attra- hiert wird, und wenn eine regelmässige Form von einem an- deren Schwärm als der ist. zu dem sie bis ietzt gehört hat, erfasst wird.

12S

Beim {gewöhnlichen Sprechen werden wir uns der Muster, jener Schwärme von VV'ortbildern, nicht bewusst. ^Alle Äusserungen der Sprachtätitjheit fUessen aus diesem dunkeln Räume des Unbeuussten in der ^Seelc" (Paul, Prinzipien-* S. 23J. Nicht alle, nur die normalen. Beim V'ersprechen ist man oft in der Lag"e, die Ursache des Versprechens anzugeben, der störende Wortvag-ant iibertritt die Schwelle des Bewusstseins oder ist ihr so nahe, dass er mühelos heraufgezogen werden kann.

Die Möglichkeit dieses Heraufziehens wird wohl niemand leugnen. Es stimmen dazu andere Erfahrungen. Man sucht ein Wort und sagt: ,,Es liegt mir auf der Zunge". Man fühlt, dass das Wort sich regt, ohne es über die Schwelle des Be- wusstseins bringen zu können. Findet sich irgendeine ,, Hilfe*', so gelingt das.

Es ist lehrreich, Kinder in bezug auf solche in der Nähe der Bewusstseinsschwelle sich bewegende sprachliche Bilder zu beobachten. Auch der Erwachsene hat ein Unlustgefühl, wenn er ein Wort, das ihm ..auf der Zunge liegt", nicht aus- sprechen kann. Noch stärker ist dieses bei den Kindern. „Mama, ich hah ivas sagen wollen, und jetzt (wenn man nicht gleich zuhört) hah ichs vergessend sagen die Kinder und weinen und schreien. Der Trost, dass es ihnen schon wieder einfallen wird, wirkt nicht; sie wissen bald aus Erfahrung, dass das meistens nicht mehr geschieht.

Dass gewisse Erscheinungen der Sprachgeschichte mit dem, was das Versprechen zeigt, innigst zusammenhängen, ist an- erkannt. Vgl. Paul Prinzipien 3 S. 60. Aber den Versuch des Nachweises für alle Einzelheiten dieses Zusammenhangs muss man verschieben, bis auch aus anderen Sprachen genaue Sammlungen von Sprechfehlern vorliegen. Verschiedene Laut- erscheinungen lassen schliessen, dass die Regeln in verschie- denen Sprachen teilweise verschieden sind.

Hier will ich nur ganz wenige Bemerkungen machen. Wenn Graramont La dissimilation S. 147 sagt: ,,/.s}>ai(vo)- Vi'-pr,: na jamais existe'% so ist das falsch. Es kommt doch

129

auch vor, dass wir sagen: ,,eine noch heiterere Sache^^, und dass das schwierige Wort ohne weiteres gehngt.

Mich freut es, J. F. XXI. S. 367 f. zu lesen, dass Brug- mann Mzlx^b-ioc, nicht mehr aus MsXa/vav/ö-io? erklärt d. h. nicht mehr als causa movens den gleichen An- und Auslaut der Silbe betrachtet, sondern aus Ms7.av/av/8'io;. Ich verweise auf das, was ich V. und V. S. 183 f. über lat. selimjniodius, consuc[ti]tudo usw. gesagt habe, wozu auch bald F. Stolz seine Zustimmung gab.

D. Anhänge zum I. Hauptstück.

1. Ändere Arbeiten zum Versprechen.

Ich muss hier eine Arbeit nennen, nicht so sehr, weil sie uns wirklich gefördert hätte, sondern weil der Verfasser dieser Meinung in so hohem Grade ist, dass er das, was ich mit Mayers Hilfe erkundet und niedergeschrieben habe, nur als „Vorarbeit" seiner erschütternden Leistung gelten lassen kann.

Herr Siegmund Freud hat in seiner Schrift Zur Psycho- pathologie des Alltagslebens ^) den Versuch gemacht, viel tiefer in das Wesen des Versprechens einzudringen, als das mir geglückt war. Von einigen bei mir gelesenen Fällen, in denen Nebengedanken sich offenbaren (z. B. „dann aber sind Tatsachen zum Vorschwein gekommen" wegen „Schweine- reien" V. u. V. S. 62), ausgehend, hat er die Meinung ge- fasst, dass in allen F'ällen des Versprechens, auch in den reinlautiichen und formellen überhaupt, solche Nebengedan- ken die Ursache des Versprechens sind. Dies suchte er durch psychische Analysen einiger Fälle, die er gesammelt hat, darzulegen. Diese Analysen sind öfters jenseits von gut und böse.

Die Auseinandersetzung mit Freuds Erklärungen ist un- nötig, denn seine Deutungen haben schwerlich einen Eindruck gemacht, ausser etwa bei den Herren, welche den publizisti-

*) Monatsschrift für Psychiatrie und Neurologie. X. Bd. i. Heft; dann auch separat erschienen Berlin S. Karger 1904.

Meringer, Aus dem Leben der Sprache. "

130

scheu Weitervcrschlciss dieser Phantasien in den Blättern unter dem Titel: „Unfreiwillige Geständnisse" besorgten •).

Unnötig ist eine Polemik gegen diese Schrift, weil sie schon durch das Material, das in V. u. V. niedergelegt ist, widerlegt war. Wäre Herr Freud imstande, seinen Ein- fällen einige Kritik angedeihen zu lassen und sein Luftschiff zu lenken, so hätte er das selbst sehen müssen. Das neue Material, das ich hiermit vorlege, wird wohl genügen, etwaige weitere Versuche in der Freudschen Richtung unmöglich zu machen. P'reud hat es ist die einzige Spur von Selbst- kritik in seiner ganzen Arbeit das Motto aus Goethes Faust gewählt:

,.Nun ist die Luft von solchem Spuk so voll, Dass niemand weiss, wie er ihn meiden soll." Ich hoffe, dass diese Art Spuk jedermann zu meiden verstehen wird -).

Es wäre mir nicht eingefallen, mich mit Herrn Freuds Ausführungen überhaupt zu beschäftigen, wenn ich nicht fürchtete, dass sie unter Umständen geradezu Unheil anrich- ten könnten. Nicht in der Wissenschaft aber im Leben. Ein Versprechen ist nur dann zu erklären, wenn ich die Seele des Mannes, der sich versprochen hat, kenne. Es ist aber unmöglich, aus einem Versprechen die Seele des Mannes kennen zu lernen, denn hier werden einzelnen Treffern sehr viele Fehlschüsse gegenüberstehen. Ich kann mir wohl vor-

') oder unter dem Titel der Freud'schen Schrift. Vgl. Frankfurter Zeitung. 23. Oktober 1902.

*) Für die Art der wissenschaltlichen Erklärungen dieses Herrn nur ein Beispiel von „Vergreifen" (ich sage „Verhandeln"). Herr Freud berichtet S. 4S. dass er in einem Hause einmal in den dritten Stock statt in den zweiten gegangen sei, sich also „verstiegen" habe Er fährt fort: „Das andere Mal ging ich wiederum „in Gedanken versunken" zu weit; als ich es bemerkte, umkehrte und die mich beherrschende Phantasie zu erhaschen suchte, fand ich, dass ich mich über eine (phantasierte) Kritik meiner Schriften ärgerte, in wel- cher mir der Vorwurf gemacht wurde, dass ich „immer zu weit ginge", und in die ich nun den wenig respektvollen Ausdruck „verstiegen" einzusetzen hatte". Vor dieser Gattung Wissenschaft möge uns ein gütiges Geschick bewahren I

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stellen, und ich habe es oft erlebt, dass ein Mann im Ver- sprechen etwas sagt, was durchaus nicht seine Meinung ist, so dass er selber darüber erschrickt.

Gegen diese Verwertung meiner Gedanken, wie sie Herr Freud beliebt hat, gegen diese Nacharbeit zu meiner „Vorar- beit", protestiere ich auf das energischeste.

In einer kleinen Arbeit (Casi di „Lapsus linguae")^) hat Attilio Levi einige Sprechfehler aus dem Italienischen ge- sammelt. Leider viel zu wenig, als dass man sich ein genaueres Urteil machen könnte. Für ihn liegt dem Versprechen Be- fangensein, Zerstreuung u. a. zugrunde. Flüchtige Verände- rungen pathologischer Natur seien die Ursache.

2. Das Verlesen.

Vgl. V. u. V. S. 100.

Ich gebe hier nur einen kleinen Materialnachtrag: die Beispiele stammen meistenteils noch aus den Deutsch-Stun- den an der Orientalischen Akademie (jetzt Konsular-Akademie) in Wien.

Unterdessen hat die Frage eine eingehende Behandlung erfahren von Dr. O. Messmer Zur Psychologie des Lesens bei Kindern und Erwachsenen Leipzig 1904. (Meumann, Archiv für die gesamte Psychologie I. Band i. Heft).

Ich habe V. u. V. S. 129 gesagt: ^Beim Sprechen ent- scheidet hei der Substitution Sinn- und Klant/ähnlichJceit, heim Lesen kommt dazu die Ähnlichkeit des gedruckten Wortes^. Wenn Messmer dazu sagt: ,. Diese heiläufige Bemerkung gibt für eine psychologische Betrachtung gerade die Hauptgesichts- punktc an'"', so ist damit jedenfalls anerkannt, dass mir die letzteren eben nicht entg^ang-en sind. '

I. Stunde. Paul Heyse, Zwei Gefangene. Reclam.

S. 49. ,,macJien zti wusste^^ für ,.zu machen ?<;."

S. 50, ,,em iveihliches Lehen^'' für Wesen"'.

S. 52. .^verrauscht'''' für ,.,verraucht'^ , Ohne Korr.

') Accademia Reale delle scienze di Torino iqoö/oy 15 Seiten. Torino Carlo Clausen 1906.

9*

132

2. Stunde.

S. 55. ^lustig dahinschanendcn'^ für „luftiy dahinschweben' den Fräulein . ."

S. 55. „verdrrhlichcH''^ für „verblichen".

S. 57. .^dessen" für ^desselbcn"^ , Ohne Korr.

S. 60. y,Jconnte"' für „mocJde''^. Ohne Korr.

S. 60. „ine jre«n sie einen Nebel vor den Augen hättey ah\ von den Augen wegwischen wollte.'* (Mannheimer).

3. Stunde.

S. 67. riDie Damen trugen sämtliche HUte"^.

S. 70. „ein starker Ambradru . dtift^.

S. 72, „schöne Sachen s. schenkt''*.

S. 75. .^ausgcstarrt^ für „angestarrt'^. Nicht korr.

S. 76. ^Hände zu begleiten'^ für „Hände begleitend^. Nicht korr.

S. 79. „auch nur seinen Schirm . . . Schritt zu be- schleunigen oder einen Schirm aufzuspannen.^''

Mehrere andere Stunden. Ibsen, Die Kronpräten- denten, Reclam.

S. 30, „was^ für „wenn es".

S. 45. „de)i Ueiligenschrein mitreissen" langsam gelesen.

S. 59. „verbirgt"'' für i: erber gt"'-.

S. 61. r,da der'' für „der da''.

S. 62. „zuletzt" für „zuerst". Nicht korrigiert.

S. 73. „in die Hände" für „in die Hand". Nicht korrigiert.

S. 72. „eine Trone fragen" für „. . Krone . ."' Nicht korr.

S. 87. „zum fremden Stande . . Strande".

S. 88. „?c/t hörte die Stadt . . Stadtleute so rätselhaft".

So viel nur zur Übersicht, damit man sich aus der leicht zugänglichen Reclam-Ausgabe eventuell ein genaues Situations- bild des fehlerhaft gelesenen Wortes maclien kann. Diese und andere Fälle hierauf unter den betreffenden Rubriken.

a. Vertauschungen.

Vgl. V. u. V. S. 118.

Von Wörtern. Es kommt wohl nur bei nebeneinander- stehenden Wörtern vor.

I

133

yinachen su ivusste'"'' für y^su machen irusste^'-.

„da der"" für y^der da".

Von Lauten. „Gebehr^^ für „Begehr'"' (Frl. R. H. 2 mal •gelesen). Sieh oben „Vertauschung-en" S. 12.

yTonre . . erde". Also eine Metathese aus optischen ■Gründen.

b. Antizipationen.

Vgl. V. u. V. S. 119.

Von Wörtern.

„. . auch nur seinen Schirm . . Schritt sn beschleuni- gen oder einen Schirm aufsiispannen'^. Antiz. erleichtert durch gleichen Anlaut.

„. . Stadtbeamte . ." für ,,. . Stadtbauamte . ." liest meine Frau. Sie erklärt, sie habe das folgende Wort: Haus- besitzer" schon vorausgelesen gehabt.

„Die Schpö . . Störungen der Sc /iß räche [Sprache) . ." (Ri).

von Lauten.

„. . Gesiuchtsurnen . .'' für „Gesichtsurnen . ." liest Dr. Arneiz. iu klang wie ü.

„Die Damen trugen sämtliche Hüte'". Nicht korr.

„eine Trone tragen " für ,.. . Krone . ." Nicht korr.

„ich hörte die Stadt . . Stadtleute so rätselhaft'^.

„. . Frone . . Frosemiitar . ." (Hfr. v. Hartel).

„. . zurücJczngeivünnen ivünscht . ." (Hofr. R. Zimmer- mann). Vielleicht auch Nachklang.

c. Postpositionen. Vgl. V. und V. S. 121.

Von Wörtern oder Silben. „Lassen sie von Un gelehrten,

die von ün . . Inhalt gar nichts ahnen . ." (Frl. R. H. nach Wolfif: Tannhäuser). Von Lauten. „Ein starJier Ambradru . duft.'^

Antizipation oder Postposition. „. . . mittelst geschätzter Schi . Zuschrift . . ." (Karabacek).

134

d. Kontaminationen. Vgl. V. und V. S. 123.

Man kann doch auch beim Lesen von diesen reden, wenn nämlich der Text gewisse Nebengedanken weckt und deren Worte dann mit den Worten des Textes zusammen- fliessen, z. B.

Ibsen, Kronpractendenten, Reclam S. 30. „er sagt, dass die Bäume zweimal im Jahre Früchte tragen, dass die Vögel siveimal im Jahre b ritten, seitdem Hakan König ist."' Statt „brüten'* wurde „bluten^ gelesen. Da Dissimilation in diesem Falle sehr unwahrscheinlich ist, kann man wohl nur denken, dass der Leser erwartete, es komme ein Passus, dass alle Pflanzen zweimal blühten; dieser Klang wird durch das so ähnlich klingende Wort ^.brüten"' herbeigelockt und verdrängt das andere. Vgl. oben über „vagierende Wortbilder".

e. Substitutionen. Vgl. V. und V. S. 123.

y^ausgestarrt'^ für „angestarrt^\ Nicht korr.

y^wie ivenn sie einen Nebel vor den Augen hätte, ah . . von den Augen wegwischen wollte''' (Subst. der Konstr.).

„Hände zu begleiten"- für ^., Hände begleitend^. (Subst. der Konstr.).

yjionnte" für ,, mochte'* . Ohne Korr.

„dessen^' für „desselben^. Ohne Korr.

„verderblichen" für „verblichen'*.

„lustig dahinschauenden^'' für „luftig daliinsch webenden Fräulein^'.

„verrauscht^ für „verraucht^. Nicht korr.

„ein weibliches Leben . . . Wesen'^.

„zuletzt'' für „zuerst^'. Nicht korrigiert.

„in die Hände" für „in die Hand''. Nicht korrigiert.

„tveiss'* für ,,muss'*. Korr.

Die nächsten Beispiele aus Turgenjew, Gedichte in Prosa Reclam. Wo es nötig erscheint, gebe ich die Seitenzahl an.

„Bauernhofe" für „Bauernhause''. Nicht korr.

„dort oben" für „dort, aber". Nicht korr.

135

„Worte"' für „Wochen'' (S. 34). Nicht korr. nAnhIick''' für „Augenhlick'-'. Nicht korr. „(jing" für „lief"'. (S. 38). Nicht korr, „nicht'* hinzug-efügt (S. 51). Nicht korr. „einer''' für .Jener'-' (S. 70). Nicht korr.

f. Dissimilationen. Vgl. V. und V. S. 126.

„sum fremden Stande . . Strande". Der Fall scheint mir sicher Dissimilation zu sein, denn Substitution von ^^Stande" ist nach dem g'anzen Zusammenhang'e der Stelle in Ibsen, Kronprätendenten, Reclam, Seite 87 wohl ausg"eschlossen.

. . die Wissenschaft zu plegen . . pflegen, bevor . ." las ich vor.

„. . Forschungstrieb treit . . treibt . .'•' (Ale).

„Fachlandes . . Flachlandes . ." (Me).

g. Silbenunterdrückung-. „Behellimg . . . Behelligungen" (Karabacek).

g-. Schwierigkeiten beim Lesen, Zög-erndes Lesen. Vgl. V. und V. S. 126. ,,den Inttressen des Institutes." Häufung- der Dentalen ist hier die Ursache des langen t. (v. Escherich).

„anher gelang, en lassen zu wollen." Nach der Silbe lang gezögert, weil „lassen" schon gesehen und innerviert war (Karabacek).

„den Heiligenschrein mitreissen."

h. Stottern und Stolpern. Vgl. V. und V. S. 126. „Wer lehrte Dich die Dichtkunst?" Stark gestolpert. „. . auf dem Krö . . . . Königsthron sitzen mit dem Kronreif . ."

Metathese. „Sterben" iür „Streben" (Ein Zögling). Häufiger Lesefehler. Als Sprechfehler unerhört.

136

Wie leicht man einen Druckfehler Übersicht, dafür hat mir Dr. W. Frankl ein gutes Beispiel erzälilt. In einer Grazer Zeitung" stand

Guter Obstmobst billig zu verkaufen. Die meisten Leser merken hier nichts von einem Fehler.

5. Das Verschreiben.

Vgl. V. und V. S. 151 ff.

Richard M. Mayer hat mir eine Anzahl eigener Schreibfehler zur Verfügung gestellt, die ich mit Dank unter der Marke RMM bringe. Er schreibt lateinische Schrift.

Zur Mechanik des Schreibens möchte ich nur nachtragen, dass mir der schriftgewandte Mann doch auch nicht buch- stabierend zu schreiben scheint. Ich denke, die Selbstbe- obachtung wird jeden lehren, dass man nach Wortgesichts- bildern schreibt, nur seltene Wörter buchstabiert man wirklich. Das Buchstabieren (d. h. die Schwierigkeit des Schreibens) tritt oft in denselben Fällen ein, in denen das Sprechen Schwierig- keiten macht und Stottern zum Vorschein kommt.

Ich stehe neben dem Univers. -Diener Bl., als er schreibt. Plötzlich spricht er halblaut. Mir fällt die Sache auf, und ich frage ihn. „Ahl sagt er, das , Wort „philologisches"- ist so schwer zu schreiben." Ich habe mich dann öfter selbst dabei ertappt, dass ich das Wort nur mit Aufmerksamkeit richtig schreiben konnte, ebenso dass bei diesem Worte sich leicht zögerndes Sprechen und Stottern einstellt.

Die Schreibfehler sind vielfach bloss geschriebene Sprech- fehler und zeigen dann auch dieselben Regeln. Die optischen und motorischen Bilder vom zu Schreibenden (und Geschrie- benen) stellen aber neue Fehlerquellen dar. Um nur ein Beispiel eines spezifischen Schreibfehlers zu geben. Ich soll „iJiode" schreiben. Weil aber 0 und d in ihrem unterem Teil ganz gleich sind, gerate ich von 0 sofort in das d und schreibe Mde.

Eine vorzügliche Untersuchung y,Zur Psychologie der

137

Schreibfehler" hat Julius Seifert Prag 1904 (28. Jahres- bericht der deutschen Staatsrealschule in Karolinental) uns gegeben.

Schreibfehler aus dem Französischen hat g-esammelt M. Niedermann „Das Verschreiben" (Estratto dal II vol. degli Studi glottologici italiani diretti da Giacomo de Gregorio).

Ich habe schon in V. und V. S. 7 darauf aufmerksam gemacht, dass wir oft gebrauchte, d. h. geschriebene Wörter mit andern Buchstaben, flüchtiger, schreiben als die andern. Das ist also eine Parallele zu der grösseren Lautverschleifung in häufig gebrauchten Wörtern z. B. in Grüssen [„guten TagV^ wird zu ,^n T«//!" und „Tagl'-^) und dgl. Ich will nun darauf hinweisen, dass ich „Sjirache^'' mit einer Ligatur von Sp schreibe, die ich sonst nirgendwo verwende. Natürlich schreibe ich das Wort sehr häufig.

Ich brauche nicht zu allen Fehlern Erklärungen zu geben. Der Leser wird wohl den Grund bei jedem einzelnen anzugeben in der Lage sein. Das dürfte bloss bei den „Substitutionen'' Schwierigkeiten machen.

a. Vertauschungen.

„495" statt „459" (RMM).

„X7 124'' statt „,,XIV 126'' (RMM).

„i6" statt „6i" (RMM). Dieses wohl gewiss optisch.

F. Detter schreibt: „wie solche Diehsaugen in unsere Ma (wurde gestrichen) Familie Jüommen'''. Es scheint „Mafilie"' intendiert gewesen zu sein".

ygnasen'-'- für „ganzen"' (RMM).

Ein Beamter der Universitäts-Bibliothek in Wien schrieb an seine Tür: „Bitte der Beinigung halber den Zimmerschlüssel auszuflogen"' für „. . . auszufolgen" (Dr. v. Gri ref).

b. Antizipationen.

„7e" korrigiert „Ve" für „V^^" (RMM). „ivierder" für „nieder" (RMM). „handelta dann" für „handelte dann" (RMMk „imlatf' statt „platf-' (RMM).

138

„ssfws" für „sass" (RMM.

^seian alle''' für ^seicn alle'' (RMM).

R. M, M. schreibt ein e vor l fast immer so gross wie das folaende /. Assimilation.

„Aexandric))^'. Beachte die Ähnlichkeit von e und l. (RMM).

„Doch''' für „Dir doch'*. Erleichterte Antizipation. (RMM).

,,Or,.orr' statt „91.20'' (RMM).

„75. 5-' statt „76.9'' (RMM).

„(/er Pewu.sstr. Paris'"' (RMM).

„war?" statt „nach fZ" (RMM).

„In andern Gedichtet reimt . ." statt „. . GedicJiten . ." (RMM).

r^traf niemandem auf dem Wege" (RMM).

y./nennt mit mit dem Namen" statt „. . mich mit . ." (RMM).

„Mab hei'' für „Mal bei" (RMM). „vllstündig" für „voUstäudi;/". Beachte die Ähnlichkeit von 0 und v bei raschem Schreiben (RMM).

^jetzb bei . bau Haupt'' statt ^ jetzt bei Haupt" (RMM).

„sieht nicht" statt „sich nicht'' (RMM). Erleichterte Anti- zipation.

„aus Haupt" statt „,,a/5 Haupt" (RMM).

„Pret . ." statt „Petroleum" (RMM).

„. . der Knittel verschwindet . ." für „. . Knittelvers ver- schwindet . ." (Wickhoff).

„Ober- Österreich'' statt „Oberösterreich" (Me).

„Wie tvier" statt „Wie wir hier'' (RMM).

„Pier" statt „Die hier" (RMM). Erleichterte Antizipation.

„erhlältet" statt „erJcältet" (RMM).

„vorn vornherein" (RMM). Erleichterte Antizipation.

„den correldon Ton" (RMM).

„eingeiteilt" (RM.M).

,.Mart" begann Sz. statt „Material" . Vgl. das russische marterjahj V. und V. S. 92.

„. . ganz (statt „kann") zu Tanz und Freude gehen . ." (Me).

1

139

5V

nach ivelcheln . ReyehX . .*' (Ale). Lanteran- Konzil . ." (Me). Henenc . ." für .^Helene''' (Me). löscjelöst'''' für y^losgelösP'' (Me).

a. Antizipation der Quantität. „Hohenemsehy hier'"'' statt ,^Hohenemser . ." (RMM),

|3. Antizipation der Gemination. „oogyeline'-^ statt ^^vogelltne"' (RMM).

c. Konzipationen.

Dr. Pintner soll den Namen „De 3Ian'' schreiben, schreibt aber 3 mal „dem . ." hat also deutsches „dem Mann" im Sinne.

Ich will „imterbricht''^ schreiben, höre aber, wie Dr. Adler „Klangt'' sagt. Ich schreibe also: „unterhringt"- .

Ich will schreiben: „. . Leo M{eyer) . ." Im Augeriblicke höre ich meine Frau sagen „. . Mörtel . ." Ich schreibe also: {Leo M)örtel

d. Postpositionen.

„Das brennende Pret . .*' für „. . Petroleum"^; oder Anti- zipation?

„vollständige Grammatik der Sanshritgrammati¥'' für „. . . Sanskrit spräche'^ (RMM).

„XXIV 124'' statt „XXIV 427'' (RMM).

„umgegelirt^' statt „umgekehrt"' (RMM).

„in dieser Weiser" statt „in dieser Weise'' (RMM).

Ich schrieb an De: „Ich sehe ich ja wohl noch früher" für „. . . Dich ..." Erleichtert durch Ähnlichkeit.

„. . gnosno . ." für ,,. . gnoseo . ." (Me).

„Die Betonung des griechischen Verhums betont . . erklärt sich." (Me).

„In diesen Fehler verfeh . . verfallt . ." (Me).

„Bei den Ariern findcrn ivir . ." für „. . finden . ." (Me).

„. . kleinere sprachlichere . ."' (Me).

„. . an einer Steller . ."

Postposition der Gemination. „schafett" statt „schaffet" (RMM).

140

Nachklang' eines miterrepften Wortbildcs.

yWoJiniüigcit'''' statt „Wartiutigeyi"' schreibt RMM, weil von Stuben die Rede war.

e. Kontaminationen.

r,Dc)iu hätte das ichf. itur . . (fcJialt liiitte'^ (RMM); kontam. aus Jiättc das . . (jduiht"- und ,.?re»« das . . yehaht Inittr' (RMM).

,.Man muss imtürlich um . . zu hegreifen. imiss man na- türlich . ." (RMM).

f. Substitutionen.

„besucht" statt JjesonjV (RMM).

,. Vollsdichter sincft'' für „söu/" (RMM). Nachklang eines miterresrten Wortbildes.

„Nur überschätze (für .,unt er schätze'^) man vicht'-^ (Me).

Einer meiner Schüler schrieb: ,.dem beschränlicu (wurde g-estricheu) bedrängten Spa))ien^'. Hier liegt ein innerer Sprech fehler vor, Antizipation des Seh von „Sjmnien'^. In- teressant ist aber dann das vollständige Einlenken in die Bahn des einmal angefahrenen Wortes, wie das A* beweist,

Sehr häufig sind in der Schrift Vertauschungen kleiner Wörtchen. Sie sind nur als Schreibfehler möglich.

y^Das ist Till Eulen spieiiel'^, der die Schneider als (für „das'') Zivi mein fädeln lehren ivilV (Me). Weit und breit war kein ,.rt?5'' im Texte.

„nicht'' für Jsf

^.zti'-' für ,.so" und umgekehrt.

„ist" für „?c//" und umgekehrt.

yund"' für „um"

„auch" für ,,aus"

„nicht '' für „ich'^

„iw" für „ist"-

,.das" für ,,da"

„alle" für „also".

„Ich hcdte es viel (statt „für^') sehr gut möglich" (Me).

„unter'- statt „unten" (RMM).

„Sicher sich vor allem die drei Sätze . ." Ich las diesen

141

Satz mehrere Male, ohne zu merken, dass ich ,,sich^'' für „sind"" geschrieben habe.

g-. Entgleisungen. „. . paralle . ." für ,,. . parallele . .'■' (Me). Dieser Typus ist sehr häufig, man springt gleich zu dem zweiten Laute, wenn Wiederholung stattfindet.

h. Schwierigkeit des Schreibens stellt sich oft in denselben Wörtern ein wie Schwierigkeit des Sprechens. Von zwei gleichen oder ähnlichen Silben wird oft eine unterdrückt (s. Antizipation, Dissimilation) oder man schreibt mehr Silben, als man wollte. Man achte nur, wenn man Wörter wie ,, Substitution" zu schreiben hat.

Ein sonderbarer Fall. Ich wollte „Kindes^'' schreiben. Mein Blick haftet (warum?) auf dem «, das ich bereits ge- schrieben. Ich schreibe „Kinden^'.

Auch in bezug auf die Schriftzeichen selbst kann man ähnliche Erfahrungen machen. Man kommt häufig von einem Buchstaben, durch teilweise Ähnlichkeit verführt, in einen folgenden hinein, ich meine, man schreibt dann einen Buch- staben, der eine Kombination zwischen dem zu schreibenden und einem folgenden ist. Ebenso werden von einer Anzahl gleicher Buchstaben oder Buchstabenteile gerne einer oder der andere unterdrückt, oder man schreibt gerade umgekehrt zu viele solcher Zeichen.

i. Dissimilationen. „Steuerheber" für St euer er lieber^'' (RMM). „derste'^ statt „der crste^' (RMM). „Zuhören'' statt „Zuhörern"' (RMM). „hier aben"' statt „hier haben" (RMM). „woher eben laini" statt „ivoher er eben kam (RMM). ,,. . entschiedenen Schluss . ." für „. . Entschluss . ." (Mu).

k. Umstellungen. „sptä" für „S2)ät" (RMM). „rehalten" statt „erhalten" (RMM).

142

,.Nautrcin!ia)}(/^^ statt „Naturcinganfi^^ (RMM). .jErzlneg . ." statt „Erzichnny" (RMM).

1. Doppelschreibung-cn. „Kindeu den'' statt „KimJ den'' (RMM).

m. Unterdrückungen. Alle Beispiele sind von RMM. ,,vo r'' statt ,,vo)' r'' „es ind"" statt „es- sind'' ,,crehra1" statt „cerehrcd" „y,'- statt „3/,4- „nich statt ,. nicht" ,,tvoh" statt „wohl" „hesondes'' statt „besonders" „Bd" statt „5af/" .,gcänder'' statt „(jeänderV „Dr" statt „Ä>" „r^e" statt „viele"" „Beiige" statt „Beilage" „ac ontinnis" statt ,,«c continuis" „Porträhogen" statt Fort rätbo gen" „s cheinV statt ,.es scheint'' „hervorheu" statt „hervorheben" „ahtraJct" statt „abstrali'' „und och" statt „?n?f? doc/<" ,,drt5 hervorgende" statt „hervorgehende".

4. Das Verhören.

Vgl. V. und V. S. 157.

Ich habe davon nur wenig gesammelt.

„Russland" für „Buhcstand" (Bunzl).

„Sacl'" für „Sarg" verstanden Dr. Adler und Pintner.

Der Kellner sagt zum Jungen: „2 Seitel, 1 Krügl^ Flasche Lgsol!" So wenigstens verstand meine Frau, die mit mir am Nebentisch sass. Ich hatte gehört „2 S.. 1 K. rasch besorgen!" was wohl der Wahrheit nahe kommen wird. Meine Frau lachte über ihren Hörfehler und erklärte

statt: „einen reinen Eid^^ wird gehört

143

sehr richtig, dass ihr „eine Flasche LysoV ein naheUegcndcs Wortbild sei. Unser ältestes Mädchen wurde damals mit ver- dünntem Lysol gewaschen.

Meine Frau: „Was fehlt ihm denn?" L, v. Frankl: „Meseliügge is er!'-'- M. Fr.: „Wie, versehiednes?'-'

H. Gross berichtet über die Hörfehler bei der Eides- formel für Zeugen. Sie lautet: „Ich scJnvöre bei Gott, dem ÄlhnäcJdigen, Älhvissenden einen reinen Eid, dass ich über alles, ivas ich bei Gericht befragt tverde, die reine Wahrheit n)id nichts als die Waltrheit aussagen werde so ivahr mir Gott helfe!''

keinen Eid eine KleinigJceit einen Bleineid Reu und Leid Dreieinigkeit

statt „bei Gericht befragt tverde'^ wird gehört „nicht be- fragt iverde''\

statt: „reine Wahrheit^'' wird gehört „keine WaJirlieit".

statt: „nichts als die Wahrheit'-'' Avird gehört „und nix die Wahrheit''.

statt: „ich schwöre, so ivahr mir Gott helfe'^ wird gehört „Ich ivahre so seJ/iver mir Gott helfel'-' „Ich helfe, so schiver mir Gott wahrt!'-'

Bei einer gerichtlichen Sektion wird diktiert; „Gehirn blutreich'-'-. Der Schreiber versteht: ,.Gehirn gut und iveich'-^. (H. Gross).

Jemand sagt: „Ihr Tisch! sollte einen Rand haben'-'. H. Gross versteht: „Ihr Tischler soll einen Brand haben,, (dh. verrückt sein).

5. Das Verhandeln.

Ich sage absichtlich so, weil Vergreifen'-'- nicht auf alle Fälle passt. Vgl. V. und V. S. 98.

Oftmals passierte mir und anderen, dass man auf die Uhr sieht, um zu sehen, wie viel Grad die Temperatur hat, oder auf das Thermometer, um zu erfahren, wie viel Uhr es ist. Man verspricht sich auch in dieser Weise und sagt: „Sieh

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aufs Thermometer, wie viel Uhr es ist!"* oder „Sich auf die Uhr, wie viel Grad es hat!"

Bei mir oder meiner Frau ereiuj'nct sich ein solches Verhandeln besonders des Morgens vor tlcm Schulg-ang' der Kinder, da in dieser Zeit die Uhr wegen richtigen Eintreffens der Kinder in der Schule und das Thermometer wegen der Kleidung zu Rate gezogen werden müssen.

In den Bibliotheken ist mir öfter begegnet, dass mir ein zurückgebrachtes Buch wieder überreicht wird, statt des von mir ausgestellten Empfangscheins.

Kostbar ist, dass Ilillebrand einmal Licht machte, um zu sehen, ob in seinem Zimmer Licht ist.

Martha hat sich nass gemacht. Meine Frau holt eine neue Hose untl will sie in allem Ernste dem Johannes über seine Lederhose anziehen; bricht natürlich, durch die lebhaf- ten Proteste des Knaben aufmerksam gemacht, in helles Ge- lächter aus.

Ich sage zur Tabakverkäuferin: y^Zehn Stück Rosita!*' Sie beginnt abzuzählen, denn ich nehme mir nie die Zigarren selbst. Unterdessen frage ich: „Wie gehn sie denn?" (näm- lich die Rosita, eine neue Sorte). Sie sagt: „Ganz gut! Ein Herr, der in einem Automobil vorgefahren ist, hat zwanzig Stück genommen!" Sie zählt mir nun ruhig 20 Stück her, trotzdem ich nie mehr als lO Stück nehme.

Zum Verhandeln gehört auch der folgende Fall von Verschreiben. Ich erhielt am 23. 2. 08 einen Brief, dessen Vermerk besagte, dass er von Architekt A. Dachler in Wien abgesandt sei. Ich lese den Brief und ersehe, dass er irr- tümlich mir gesandt wurde, denn es ist von „Meringer" drinnen die Rede. Ich seh nun den Brief von allen Seiten an und finde, dass er gar nicht meine Wohnungsangabc hat, sondern die von Dr. Rudolf Much in Wien. Und dieser hatte mir den Brief, weil er ja meinen Namen trug, auch zugeschickt. Dachler wollte ihn also an Much senden, war aber in Gedanken so mit mir beschäftigt (wir sind in wissen- schaftlichem Streite), dass er statt „Much" meinen Namen schrieb, aber sonst alles andere richtig angab.

IL Hauptstück.

Zur Kindersprache, Ä. Kinderbiographien. 1)

1. Gretl.

Geboren am 15. 5. 1896.

Das Kind war in den ersten Nächten sehr unruhig-. Nach ganz kurzem Schlafe wachte sie immer wieder auf und be- gann zu jammern: la la . . la-i la-i. Dann kam ein äh voll tiefen Missbehagens und endlich Weinen und Schreien. So ging es durch neunzehn Nächte hindurch. Wir konnten nicht schlafen, aber ich fand doch nicht die Energie aufzu- stehen und alle die Laute, die sie in ihren Klagemonologen vorbrachte, zu buchen. Jedoch kann ich versichern, dass ich in jenen unheimlichen Nächten so gut wie alle Laute unseres Deutsch und noch viele andere gehört habe.

Als das Kind sich endlich wohl fühlte und ruhig schlief, waren alle die gehörten Laute verschwunden und das Kind in bezug auf Sprachlaute fast stumm zu nennen.

Erst am ersten Tage des vierten Monats hielt es, ruhig im Bette liegend, einen Lallmonolog, in dem die Lautver- bindungen grli grli guch mehrfach vorkommen, so dass wir

*) Literatur in: Clara und William Stern. Monographien über die seelische Entwickelung des Kindes I. Die Kindersprache, Leipzig 1907, Ein ganz vortreffliches Buch! Dazu weiter E, Tappolet, Die Sprache des Kindes. Basel 1907. Ernst und Gertrud Scupin Bubis erste Kindheit Leipzig 1907.

Meringer, Ans dem Leben der Sprache. l"

146

scherzend diesen Monolog die Geschichte vom Grit Grit Guch nannten. Die Lautfolge Grli ist eine so schwierige, dass das Kind in der Zeit der eigentlichen Spracherlernung ein solches Wort gewiss vereinfacht hätte. Aber ich habe bei allen meinen Kindern die Beobachtung gemacht, dass sie in ihren ersten Lallmonologen Laute und Lautverbindungen richtig sprachen, die ihnen später grosse Schwierigkeiten machten'). An einer vererbten Prädisposition zur Hervorbringung der Sprachlaute kann man nach solchen Beobachtungen nicht zweifeln. Das merkwürdige ist nur, dass gewisse Laute, die das Kind bereits sprechen konnte, zur Zeit des nachahmen- den Sprechcnlernens unter mehr oder weniger grossen Schwierigkeiten wieder neu gelernt werden müssen.

Die Kinder zeigten aber im Lallen einen viel grösseren Schatz an Lauten, als das heutige Verkehrsdeutsch hat, eine Fülle von Zischlauten, wie sie die slavischen Sprachen haben, mullierte Laute und nasalierte, wie sie den romanischen Sprachen eigen sind. Die Vererbung erstreckt sich also nicht auf die einzelnen Laute, sondern auf die Fähigkeiten der Lauthervorbringung überhaupt, und es können durch spielende Kombination von Muskeltätigkeiten im Lallen beim Kinde Laute erzeugt werden, die der Sprache der Eltern vollkommen fremd sind.

Gretl 9 Monate alt.

Bis jetzt hat G. mir nur einmal „&«" nachgeahmt, als der Hund bellte und ich den Klang mit diesen zwei Lauten wiederholte. Sonst spricht sie absolut nichts nach^). Nur wenn sie selbst etwas lallt und man sagt es nach, lacht sie und wiederholt es mehrfach. Bald darauf fehlt jede Möglich- keit, sie zum neuerlichen Hervorbringen zu veranlassen.

Um dieselbe Zeit reagierte Gr. auf die Frage: ,. Wie gehts

») E. Tappolet S. 85.

') Cl. u. W, Stern aao. S. 83 berichten, dass ihr Sohn Günther mit 8 Monaten nur „Mama" mit Mühe nachsprach. Erst im nächsten Monate werden einige Wörter nachgesprochen. Über das Nachsprechen in den weiteren Stadien aao. S. 93 S. 101.

147

Dir?^' mit „J.?t?w/"" oder y^Äpfüh'^ Nach einiger Zeit war es unmög"lich, diese Lautfolge mehr aus ihr herauszubringen.

Gretl I Jahr 7 und 8 Monate alt.

Am Weihnachtsabend 1897 erhielt Gr. Würfel, die sie sofort aufeinandertürmte. Dazu sagte sie baufibau)) „bauen"; ihr erstes Wort.

Das Kind sitzt am 31. i. 98 auf meinem Schosse, wäh- rend ich arbeite. Sie hält einen Monolog:

,.Mama, papa, guna (unser Dienstmädchen Fanny), papü (Essen), hrum-hrnm (Blumen), Ah, Ah, buwä-buwä (Buben im Sinne von „Kinder"), Nja, Nja, Ijlj, mvlj (mul- lierte 1), . . . gocJca, gocka (sie berührte meine Tischglocke), papa buch . . buclt (sie sieht die Bücher vor mir an, dann wiederholt sie einiges, dann jubelnd :) Eia, heija, heija, Ei, Eiahaih . . . . mang, papa^ pang {?), mang, mama, Ahancha . . papü, buwä . . . hng, hng, hng, gucka, gucka, gucka (Ich frage: Wo ist eine Guckal" „Da\"' sagt Gr. und zeigt auf die Glocke; dann:) rl rl rl rl^.

Darauf setzte ich Gr. weg. Diese aber erhebt die Hände, wie sie immer tut, wenn sie genommen werden will und sagt dazu: ,^Mama . . puppä . . papal''^ Nach der ganzen Situation kann ich nur glauben, dass sich Gretl versprochen hat und weder ^^Mama'^ noch ,.inippä"' sagen wollte, denn sie hob die Hände gegen mich (meine Frau war gar nicht anwesend) und ^^puppü'^ (Puppe) bedeutet wohl auch nur einen Versuch zu „Pajia" zu kommen, denn eine Puppe war nicht vorhanden und die Annahme, dass sie nach ihr ver- langt hätte, war durch ihre Geste ausgeschlossen.

Ihren Wortschatz im Alter von i Jahr 9 Mon. gibt die folgende Zusammenstellung.

I. Substantiva.

a. Personen. 2)ctpa

mcbna

güna-güna; gunä-gunu] gnd-gnä wurde das Dienstmäd- chen Fanny genannt

ifi*

148

buwa (aus „Bube") „Kind" überhaupt.

mann

fall „Frau**

kali „Karl"

r?"

b. Tiere.

Die erste Bezeichnung- der Katze war naun aus vorg-e- sprochenem mjaiV). Mit i Jahr 8 Mon. zeigt man dem Kind das Bilderbuch und fragt: Wie macht

der Hund? Antwort: bäbä

die K atze? ,, miau

das Schaf? ,, ma (mit Kehlkopfverschluss).

die Ziege? mäh

das Pferd? ng, ng, (dabei hopst das Kind)

der Esel? ,, (Mit i Jahr loMon. schon „iä"*

die Ente? a'-a'^)

die Kuh? ,,

der Vogel? piipiipii (mit hohem u weil man

dem Kinde pipl vorgesgrochen hatte).

Mit diesen Wörtern bezeichnete das Kind auch die Tiere selbst. Eine Taube war für sie eine „a-a"', also eine „Ente".

c. Körperteile. atign „Augen" | Beachte die Assimilation dieser begrifif- ogn „Ohren" \ hch verwandten Wörter. Über indi- agn „Haare" j viduelle Suffixe vgl. Cl.u. W.Stern S 91. Ägn „Haare" nennt sie beim Hunde (langhaariger Spitz!) nur die Haare des Kopfes, nicht die anderen auf dem Leibe. Wenn ich sie frage: „Wo ist mein Bart?", greift sie dar- nach und sagt: „Dal" Dann greift sie an ihr Kinn und auch nach dem der Mutter. Auf die Frage: „Wo hast I)ii Deinen Bart?''' nimmt sie sich beim Kinne.

pupu „Popo". Das Wort bedeutet aber auch ,,Popo waschen'^, „geschlagen werden", „fallen". ha „Bart".

') Mit dem Zirkumflex bezeichne ich die Nasalierung, mit ' den Kehlkopf- verschlusslaut.

149

d. Kleidungsstücke.

jack , Jacke, Kleid"

hucTc „Hut"

hatsi (dial. „Batschn"-) „Schuhe"

geid ,, Kleid"

ma „Mantel"

am oder hamhani „Handschuh".

dbim oder ahün-ahün „Haube". Ihr mit blauer Seide gefüttertes Spitzenhäubchen spielt in ihrem Seelenleben eine grosse Rolle. Manchmal spricht sie schon beim Erwachen von ihrer Ahün-Ahün.

tu-tu „Tuch"

hück oder hück-hiich „Hut"

Wenn man sie fragt: „TFb hast Du Deine Schuhe?" zeigt sie zuerst auf ihre Schuhe, dann auf meine, auf die meiner Frau, aber auch auf die Pfoten des Hundes.

e. Nahrungsmittel.

papü „Essen", „gib mir zu essen". Das Ammenwort „Papperl" wurde von uns nie gebraucht, ist aber doch viel- leicht einmal von der Magd gebraucht worden. Merkwürdig ist der Akzent des kindlichen Wortes, doch vgl. auch abün- dbün „Haube", gumi „Fanny".

gn-gn ,, Wasser", ,, trinken", ,,Gib mir zu trinken", gn-gn ist aus ,, trinken" entstanden. Mit anderer Betonung ge- braucht das Kind diese Laute, wenn es etwas haben will. Dabei schlägt es mit beiden Händen auf den Bauch. Ein Versuch ,, Margarete" zu sagen, war dieses gn-gn, das sehr früh auftrat, gewiss noch nicht.

ham-ham sagte das Kind zuerst, als der Hund spielend nach meiner Hand schnappte. Dann gebrauchte das Kind dieses Wort, um den Hund zu reizen. Endlich bedeutete es, „etwas in den Mund stecken" und allgemein ,, essen". Vgl. das ham von Taine's Tochter, Cl. u. W. Stern, S. 306, 322.

bot „Brot"

hulika „Butter"

150

f. Spielsachen.

6a, hang, bangana, mangan „Ball"

Balüni „Ballon"

hil, hili „Bilder"

teine ,, Steine"

mani ,,eine Musiktrommel". Das Wort bedeutete eigent- lich „Kaffeemühle", wurde aber auf das Spielzeug übertragen, weil dieses auch eine Kurbel hatte. Mani ist wohl ,, Mühle".

puppa ,, Puppe", auch puppa-puppa

buch, Mehrzahl biich (mit kurzem u und ü). Buch im Sinne von Bilderbuch war eins der ersten korrekt gesproche- nen Wörter.

g. Andere Substantiva.

gn-gn auch gi-gi ,,Uhr"; später u.

0 „Ofen"

ho „Korb"

jauch „Rauch".

ef „Heferl, Töpfchen"

gawi „Gabel"

bidla-budla „Sprudler" (Reduplikation und Vokalwechsel!)

le-le „Schlüssel"

has „Kasten"

terna (gespr. teana) ,, Sterne"

meta ,, Thermometer"

jing „Ring"

beiss „Bleistift" und „Feder"

hau „Haus"; auch hau-hau

brum-bruma „Blumen", jeder Dessin (z. B. auf dem Tischtuch), dann „der Christbaum", ,, Eisblumen", ,, Tannen- zapfen".

2. Adjektiva. wat-icat man ,,ein schwarzer Mann".

3. Verba. lagn „schlagen" gebn {gern) ,, geben" bitte „bitte"

151

ne-ne ,, nähen" wass ,, waschen".

4. Adverb ia u, ä.

au „auch"

no ,,noch*'.

II. Sätze.

mama tiJc ivagn-decke gn-gn „Mama stickt eine Wagen- decke für die Grete".

tnann hol hacli „Der Mann hat Kohlen g-ebracht".

mann hol wagn „Der Mann hat den Wagen geholt".

huk auf „Hut aufsetzen".

Nach einem Spaziergang sagt sie: ^,papä, bwva, gn-gn, ad^' d, h. „ich war fort (und habe) Kinder, Pferde, Tauben (gesehen)".

Beim Einschlafen hält sie folgenden Monolog:

„Anna huppä ge anna anna hau huiva buch (jubelnd) huwoh buwahll anna (sie muss husten) bau-hau (sie weint) mama (weint wieder) abün-ahün\ . , . brum-brum'\ Es ziehen also die Bilder des Tages in der Erinnerung an ihr vorüber: „anna (?) Puppe, . . . ?, bauen, Kinder, Bilderbuch, Kinder- Kinder!! . . . ? Haube! . . Blumen."

Im 20. Monate nimmt Gretl eine Zuckerbüchse in die Hand und sagt bucka-bucka. Wir hatten ihr das Wort nie vorgesprochen, sie hat es selbst aus den Sätzen unserer Rede erkannt und losgelöst.

Am selben Abend erhielt sie einen Wagen zum Geschenk und sagt „Wagen" nach: wagi-wagi". Einige Tage später sagte sie ,,wägn-iüägn^'' und auch tvägn-wägn.

Am 12. 3. 98 zeige ich Grete auf einem Bild Schnee und benenne ihn. Das Kind sagt sofort ne-ne. Beim Speisen sagt sie ausser tuch auch tis (mit nicht ganz reinem seh). Das Wort trat plötzlich auf, wir wussten noch nicht, dass das Kind das Wort kannte.

Gretl I Jahr 9 Mon. alt. Gretl sprach bis jetzt noch kein Wort auf Verlangen nach. Wohl aber dann, wenn sie den Gegenstand oder ein

152

Bild von ihm sieht. Wenn man z. Beispiel von ihr verlangt, dass sie Mama sagt, läuft sie zur Mutter, schlägt sie mit der Hand und sagt mama. Und so in anderen Fällen. Kann sie die Sache, deren Name genannt wurde, nicht erreichen, so zeifft sie darauf und wiederholt das Wort. Man sieht also, dass sich das Wort nach dem blossen akustischen Ein- druck nicht so leicht einstellt, als wenn Gesichts- und Tast- eindrücke damit kombiniert werden.

Wiederum erschienen einige Wörter ganz plötzlich. Zu dem schon genannten tis „Tisch" ist nachzutragen, dass es auch „Sessel" und „Schemel" bezeichnete.

his „Bürste"

Die Vokale dieser Wörter waren ganz aufteilend kurz (ebenso bei tis).

hi „Besen"

fitch „Fuss"

papi-papü „Papier, Zeitung"

iva-iva „Seife" (aus ,, waschen" entstanden, also eine kind- liche Neubildung", die in den Mitteln der späteren Sprache ausgedrückt „die Wasche" hiesse).

män-män „Waschfleck". Wieso r

0 erhielt zur Bedeutung „Ofen" auch noch die von „Ofen- kübel".

Ich zeige auf den Sessel und frage Gr. : „Was ist das? Sie läuft hin, schlägt mehrfach darauf und sagt „tis-tis"' („Tisch"), wus-iviis „Wurstel".

Am 2. 3. 98 sagt Gretl statt hangana „Ball" bälli-hälli und setzt dazu (/alloli; hier geht also das Kind entschieden über das überlieferte Sprachmaterial hinaus und betätigt sich selbst wie früher schon bei hangana mangan.

uagi-ivagi wurde um diese Zeit auch das Modell eines Spinnrades genannt, das auf meinem Schreibtisch stand. Auch ein Fahrrad (Bicycle) wurde so bezeichnet und schliess- lich ein Rad allein.

Am II. 3. 98 merkte ich mir an: Gretl spricht vielfach vorgesprochene Wörter nach, z. B. sagt sie statt ,.Rida" hija, hida, statt „Rudolf" tvidhi, ivull.

Neuerdings sagt sie auch habn-liahn, wenn sie etwas haben will. Es ist entnommen aus unserem abwehrenden:

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„Das kann man nicht haben!" was das Kind natüdich oft zu hören bekommt, weil es seine Händchen nach allem begehr- lich ausstreckt.

GretI sagt öfter püppä püppä, wenn sie essen will, ver- spricht sich also, denn dieses Wort bedeutet „Puppe" wäh- rend „essen" papü heisst.

Zu einem Gestell auf zwei Rädern mit zwei sich über- schlagenden Hampelmännern sagt Gr. helüm-helütn. Auch eine Winde, mit der bei einem Hausbau Bretter in die Höhe gezogen wurden, wurde so genannt. Schliesslich auch eine Trommel. Das Wort ist nicht aus der Verkehrssprache her- zuleiten.

Am 14. 3. 98 steht Gr. beim Einkauf korbe und sagt: wais da „Fleisch ist da", apli da „Äpfel sind da", es waren aber Orangen, die sie vor kurzem noch Bangana „Ball" be- nannte. Übrigens sind auch die Erdäpfel für sie apli.

Statt ballt erscheint hall.

Um diese Zeit tritt ein Laut für die Bejahung auf, ein zaghaftes Vibrieren der Stimmbänder. Einen bestimmten Laut für die Vereinung hat das Kind noch nicht. Es treten neu auf:

mi-mi „Milch"

ga „Glas"

kahao korrekt gesprochen.

Gretl sieht ein Glas Wein stehn und sagt: ^^papa pappü"' d. h. „Das ist Papas Getränke" oder „das wird Papa trinken."

Man sagt oft, es gibt kein Denken ohne Sprache, Wenn man kleine Kinder beobachtet, möchte man das be- streiten, denn sie scheinen Schlüsse zu ziehen, bevor sie noch irgendwie sprechen können. Allerdings muss zuge- standen werden, dass die akustischen W^ortbilder (das innere gehörte Wort) schon weit vor den motorischen, vor den ersten Versuchen die Wörter selbst hervorzubringen, vorhan- den sind,

Gr. nennt alle Damen, die öfter zu uns kommen, anna- anna, wie ihre Tante heisst. Eine Unbekannte ist eine wau- wau „Frau^.

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tock-töck „Stock" ho'ho „Hose"

Grctl 1 Jahr lo Monate alt.

Am i8. 3. 98 sagt Gr.: wagn-uagn oJil näh\ Eija eija mang eija . . aja ja bis . . augn . . eng (jammernd:) manial . . (sie schläft ein). Es ziehen also wieder die Eindrücke des Tages an der Seele vorüber, Wagen, Männer, Bürsten (die ihr sehr gefallen; sie streichelt sie gerne), Augen, (der Menschen, in die sie immer mit dem Zeigefinger hineinfahren will, wie in die Augen ihrer Puppen und Hanswurste^), Engel (die ihr offenbar wegen der Flügel Eindruck machen). Dann meldet sich die Müdigkeit mit ihrer Unlust, das Kind ruft wie in aller Bedrängnis die Mutter, schläft aber sofort ein.

Neue Wörter:

bebe „beten"

Mbi „Besen"

pl-pl „Vogel". Das Wort ist kaum vom vorhergehenden unterschieden,

na „Nadel"

gäwl bedeutet jetzt „Messer, Gabel, Scheere"

tvö-le „Wolle, Seide, Zwirn*'

bil-bU bedeutet „Bild, Bilder, Album"

gäm-gäm ..Kamm"

telld „Teller"

tännä „Sterne". Das Wort war schon in korrekterer Form vorhanden.

töck bedeutet „Stock, Regenschirm", ebenso bezeichnet sie aber auch meinen Degen und meinen Säbel.

üpeis „Zuspeise"

gege „Grete, ich'''

topi „Topf".

Ich stehe in Wien in meiner Wohnung im 3. Stockwerk am Fenster und sehe hinaus. Auf der Strasse kommt Gretl mit der Mutter. Gr. sieht mich, hebt die Hände und ruft:

') Scupins Söhnchen zeigte diese Leidenschaft schon im 8. Monate. Aao S. 27, 30. Wegen des Eindruckes einer Bürste, Scupin S. 37, 39 f.

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„papa hoppa-hoppal"" Sie verlangt also, dass ich sie hinauf- hebe. Raumvorstellungen scheinen noch sehr mangelhaft zu sein.

Das Dienstmädchen fragt Gretl: „Willst Du nicht zu mir kommen?" Das Kind antwortet: „nicht mir Jcommenl"' dh. „Ich will nicht zu Dir kommen.

„da schaut er auf dich''^ dh. : „. . . auf mich'* „hihi nicht schaut auf dich, mama schaut auf dich, papa schaut auf dich"' dh. „Johannes sieht nicht auf mich, aber Mama und Papa sehen auf mich." Gretl sagt (wie früher schon)

habt für „hat" (eine echte Kindergrammatik-Form) fanny, nehmenl Der Infinitiv noch für Imperativ. Einige Sätze dieser Zeit (beachte die Reduplikationen.): papa auch semmel hat {hat tritt auf). fanni-fatmi eine-eine semmel hat eine. Auftreten des un- bestimmten Artikels.

fanni ivu^st hat „F. hat eine Wurst." wu^st heiss-heiss ist „Die Wurst ist heiss." mama gege hall pil „Mama spiel mit mir Ball!" mama gege gar nie pupu gehnl „Mama, gib mir nie Pupul (schlag mich nie)."

gege mama lieh hahn „Ich hab Dich lieb". gege topi mach, a mama gege hoppa nem dh. „Wenn ich in den Topf hinein mache, dann wird mich die Mama hoppa nehmen". Der erste Nebensatz.

Gretl 2 Jahr 2 Monate alt.

da da will sitzenl zum erstenmal flektiertes ivill (i i. 8. 98).

. . schaut auf dich „. . sieht auf mich".

das hissi hergehen „gib mir das ein bisserl (ein wenig)!"

gete (nicht mehr assimiliertes gege) hat g'sehn ivazen Mann „Ich habe einen schwarzen Mann gesehen." Das Per- fektum tritt auf.

papa keine hauhe hat nicht.

gete hahn löffeV. „Ich will einen Löffel haben".

gete kann essen. „Kann** flektiert wie oben „will''.

gete allein essen „Ich will allein essen".

156

mvdcr-)iuntpr katn> mau gehott ,.Man kann hinuntergehen". „Man" tritt auf.

dicsen-diescH hui aufsetzenl (nicht mehr huJc)

gete kann son aUein\ „Ich kann es schon allein!" ein später oft gebrauchter Satz, mit dem sie jegliche Hilfe ab- lehnte.

gete senc armi hat „Ich habe schöne Arme".

papa tviedcr von lauft „Papa läuft wieder davon". Gretl sagte das oft, weil ich bei verschiedenen Heimlichkeiten Reiss- aus nahm, von „davon" neuer Erwerb.

huml-hund gdc fi'irdttcn „Der Hund fürchtet mich". Sie fuhr ihm nämlich immer mit dem Finger in die Augen.

himd tvicder da kommt hund. Flektiertes „kommt",

hund wieder papa gangen „. . ist . . fortgegangen".

Meine Frau fragt: Wo ist meine Maus? Gretl: da-da topfi sitzt\ Das erste Erscheinen von pf. Noch immer keine Präpositionen („auf dem Topf" ist gemeint).

haisst? haisst? gockil „Hörst Du? Hörst Du? Glocken!"

haisst-haisst, wie papa fi'tssc geht? Ich ging mit krachenden Stiefeln im Zimmer auf und ab.

mann-mann. wie jeimt er\ „Wie der Mann rennt!"

Gretl versprach sich einmal und nannte mich Fanni. „papa senen bat Jtabn, mama keinen hat haben nicht, „Papa hat einen schönen Bart usw.". Sonderbar, dass hier wieder der Infinitiv eintritt, während das Kind früher schon Jiabt und h^t gebraucht hatte.

papa nur gege hebn tut, „Nur (neuer Erwerb !) hebt mich zu sich empor)". Wieder gege, obwohl gete schon gebraucht worden war.

gege auch das machen könnenl „kann" war schon erworben.

pa2m ihr hut dort. „Ihr'" statt „sein"; „dort" Neuerwerb.

Aus dem Hofe tönt Musik herauf. Ich gebe zuerst mit dem Hute, dann mit der Hand allein den Takt dazu. Grete sagt: das nicht hut machen, das nicht hand tun also für: „mit dem Hut, mit der Hand".

Das Wort „Chineser" (Dial.) gab Gretl mit kinderneser wieder, leistete also eine Kinderet\'mologie. Im Sommer

157

lernten wir in Vöslau einen Albanesen kennen, der Gretl wegen seiner malerischen Tracht und seiner Freundlichkeit g^efiel. Sie nannte ihn anderneser mit einer neuen Kinderety- molog-ie.

Ich zu Gretl: „Da sieh, was der Fritz tut!" Gretl: abrissen tut\ Ausgleichung- des Ablauts. Gemeint ist, er reisst Blätter ab.

Gretl 2 Jahr 3 Monate alt.

papa dirm hall pilin „Papa spiel mit mir Ball!" dirm = „mit Dir". Also die erste Spur einer Praeposition'), (21. 8. 98.)

mama noch hat laß „hat geschlafen". Schwaches Partizi- pium statt starkem.

hei der Mama will sitzen. Die erste korrekte Praeposition. (22. 8. 98)

der so iiell lauft er „der läuft so schnell".

ein hieftägB ist „Dort ist ein Briefträger."

göss „gross"

hain „klein"

gaxln „kraxln, klettern"

tvai „zwei"

wats „schwarz" (früher wat)

nedi „Knödel, Kloss".

Gretl hatte eine ganz kurze Periode, in der sie geradezu abscheulich sprach. Ich bemerke, dass der Grund in unserer häuslichen Umgebung nicht zu suchen ist. Vielleicht wirkten Klänge von der Strasse mit.

mök nicJit „mag nicht"

auer aiver ,,aber" (zuerst in dieser Zeit aufgetreten),

Tiiädl ,,Kerl"

lchiä9t „ghert, gehört" auch „verkehrt"

fiäatig ,, fertig"

diädr Hiädr „der Herr" Neuerwerbungen :

fasse „Flasche"

^J Cl. und W. Stern Index „Praepositionen'

158

daheim „dableiben"

hätts „Blätter"

witzeti „schwitzen"

thiken „stinken"

tcicke)i „zwicken"

2>i>ige)i „sping-en"

tickerei „Stickerei"

titzi „Stritzi"

gas „Glas"

hiimc „Blume"

ttopf „Knopf"

Von anlautender Doppelkonsonanz wird noch immer nur ein Laut wiedergegeben.

Gretl nennt sich jetzt geye, gelte und niangette (Margarete). Verschiedene Wörter ihres früheren Sprachschatzes sind ver- schwunden, aber den Waschfleck nennt sie noch immer man.

Wenn Gretl jetzt ein Wort ziemlich richtig sag^t, füg^t sie oft hinzu: gette kann schon sagen. Sie war sich also wohl früher dessen bewusst, dass ihre Wörter anders klangen als unsere, konnte es aber nicht besser machen. So z. B. sagte sie früher niuk. Als man sie jetzt aufmerksam machte, dass es so nicht heisst, antwortet sie selbstgefällig-: gette kann schon ^ sagen ^musik'^. Das Wort kam ohne weiteres, ohne weitere Zwischenstadien, plötzlich vollkommen richtig- zum Vorschein.

firn „frisieren"

Jcoldt ,, Schokolade"

nieta ,, Thermometer"

Das r ersetzt Gretl im Anlaute durch j:

jicla ,,Rida"

jupi „Rudolf"

betta ahjaissen ,, Blätter abreissen".

Im Inlaut verschwindet es meist ganz:

rvats „schwarz"

Von einem g-eschlififenen Steine, von einem Lamm aus Porzellan, vom Porzellangesicht einer Puppe sagt Gretl, sie seien nass. Sie meint ,,kalt".

fussil ,,Fusserln"

159

sucherl „Schucherl"

tumpfil ,,Strumpferl"

Hier wird also unser dialektisches Suffix-r? teils richtig-, teils falsch wiederg-egeben.

fanni näher hergehnl Richtiger Komparativ.

Gretl wirft mir einen Kuss zu. Ich tu so, als ob ich ihn in der Luft auffinge und wegwürfe. Sie begreift den Spass und sagt:

papa ein hussi wegivorft ,,. . hat weggeworfen".

gelte seid nicJit „. . sieht . ."

der mann hat gette geld geben. Zum erstenmal der Artikel. Das ge- des Partizipiums war bis jetzt nicht zu be- obachten.

mama dirm takt geben ,,Mama gib mit mir {Dirm = mit Dir s. o.) Takt!"

amgift ,, angegriffen". Schwache Flexion.

austunkt ,, ausgetrunken".

Mneinpunkt ,,hineing-esprungen*' (29. 8. 98).

gette nnll diär löffel haben. Zum 2. Male hörte ich den Artikel, aber der für den.

Am I. 9. 98 antwortete Gretl zum ersten Male mit Jal Ganz kurze Zeit vorher war Neinl aufgetreten^). Gleichzeitig mit Ja, am selben Tage, wurde mir zuerst gebraucht-), denn bis jetzt sagte sie immer gete oder dir. Das Kind war in der letzten Zeit sehr gesund und war an diesem Tage schon morgens beim Erwachen wie verändert. Es kreischte voll Übermut in Tönen, die wir noch nicht bei ihm gehört hatten, und hatte einen besonders klugen Gesichtsausdruck.

Wir sahen wieder, dass die Entwicklung nicht gleich- massig vor sich geht, wenigstens nicht zum Ausdruck kommt, sondern sprungweise^). Was sich lange vorbereitet hat, wird fast plötzlich ausgelöst.

da anlagt hat gete ,,Da habe ich mich angeschlagen."

') Cl. und W. Stern S. 39,56 ') Aao. S. 54. ^) Aao. S. 130.

160

dtr mann seht gege da ,,Ich sehe den Mann da". Wieder Nominativ des Artikels für Akkusativ (29. 9. 98).

Kameefiihle für „Kaffeemühle'^ Versprechen, Vertauschung (5. 9. 98). Am folgenden Tage dockenpupper für „Puppen- doktor''.

Auftallend sind die Adjektiva garste und mutze für „garstige" „schmutzige", vielleicht nach schwarze gebildet z. B. in der Verbindung wurtze mutze Hand oder wartze garste Hand (die r kaum feststellbar).

fola „Flora".

hule „Bluse" (12. 9. 98).

Beim Auf- und Niedergehen eines Aufzuges mit Kübeln (zur Hinaufbeförderung des Kalks) bei einem Hausbau sagt Gretl:

waimpapn loaimpapn. Ganz unerklärlich').

da Augi tvas neinpunkt is, ein garster mist wirds wcsen sein „Mir ist da etwas ins Auge hineingesprungen; ein garstiger Mist wirds gewesen sein." Die Ausdrucksweise „wird's ge- wesen sein" ist in diesem frühen Alter sehr auffallend. Der unbestimmte Artikel tritt hier zum zweiten Male auf.

Man fragt: „Wo ist der Papa?" Gretl: geti gaubs nichtl d. h. „ich glaube es nicht", gemeint ist aber „ich weiss es nicht" '■').

') Ich muss hier eine allgemeine Bemerkung machen. Jetzt beim Durch- lesen komme ich wie wohl auch der Leser auf den Gedanken, dass das Kind etwa „Weinfass'- gemeint haben könnte. Ich kann aber mit gutem Gewissen versichern, dass diese naheliegende oder eine andere derartige Erklärung, wenn sie richtig wäre, meiner Frau und mir, die wir doch das Um und Auf unseres Daseins in den damaligen Grenzen gut genug kannten, nicht hätte entgehen können. Gegen ,,Weinfass" spricht auch, dass das Kind „-fass" nicht durch ,,-papn" wieder gegeben hätte.

Aber eine eigene Schöpfung war das Wort gewiss nicht. Vielleicht hat das Kind von irgendwem, von der Magd oder auf der Strasse etwas gehört, was hier zum Vorschein kommt. Ob ein sehr flüchtiges Hören schon einen genügenden Eindruck hinterlassen kann, vermag heut noch niemand zu sagen, denn wir haben noch keine Mittel festzustellen, wie oft ein Wort gehört werden muss, um Hirnbesitz zu werden, oder ob etwa schon ein einmaliges Hören genügt.

'') Über das Auftreten solcher Abstrakta Cl. und W, Stern S. 65, S. 107.

[

161

papa das sen jibt hat „Papa hat das schön geschrieben". jibt schwach flektiert. mach „Mantel" mitze „Mütze" tick „Strick" sirze „Schürze"

Gretl 2 Jahr 4 Monate alt.

Die puppe kann wirkerivahr tehn „Die Puppe kann wirklich stehen", tvirkerwahr ist aus unserm „wirklich wahr!" ent- nommen und hier nicht ganz korrekt verwendet. Der weibliche bestimmte Artikel zum erstenmal.

Die iir kann auiva sen singen „Die Uhr kann aber schön singen", sagte das Kind vom Läuten eines Weckers.

Zur Puppe sagt Gretl: Komm mein maust, gehn wir jetzt zur senen mama. Komm ich zeig dir sene Sachen im korhi. Eine Fülle von Neuerwerbungen: tvir, zur, im\

Am 5. 10. 98 sagt Gretl zuerst fich der Mama „für die Mama", fich den putzi „für den Putzi" (Hundename).

Am II. 10. 98: was die mama hatl Seint (es scheint) wetsclien (Zwetschken) hat sie bacht (gebracht). Dann erkennt sie, dass es Weintrauben sind. Ah, nicht wetschen, kugi (eig. „Kugeln") hat sie. Geti will habenl „Scheint" ist hier also ganz richtig verwendet.

Gretl 2 Jahr 8 Monate alt. Januar 1899. släfen „schlafen" Doppelkonsonanz im Anlaut! für für früheres fich snell für früheres nell mantel. Aber noch immer anlautend j für /.

Gretl 3 Jahr 2 Monate alt.

Das sind kro . . klosterfrauen. Versprechen, Antizipation. S. V. und V. S. 28 (18. 7. 99).

sie magen mich nicht. Versprechen, Ausgleichung des Ablauts (V. und V. S. 166).

Meringer, Aus dem Leben der Sprache. H

162

der tcind ivindet da herein. Winden für wehen, wobei Nachklang- von Wind mitg-ewirkt haben kann. Kindliche Neu- bildung-.

der mann hat zwei äffe für „. . . Affen". Falscher Plural (V. und V. S. i66ff.)

Gretl 3 Jahr 3 Monate alt.

(19. 8. 98) Gretl spricht schon fast korrekt'). Aber g-e- wisse Dinge lassen sich ihr nicht beibringen. Sie flektiert du gehst, er geht usw., ebenso du ne^nnist, er 7iömnd usw. Jeden Versuch, ihr die richtigen Formen aufzudrängen, lehnt sie ab, Sie hat offenbar das Gefühl, dass zu „nehmen" nur nemmst usw. gehören kann.

Die Reflexiva bildet sie nur mit sich: Ich setz sich, tvir setzen sich. Solche Dinge hat sie nicht gehört, denn niemand in unserem Kreise spricht so. Auch gegen die Abstellung dieses Fehlers wehrt sie sich.

Bei ihrer Lautgebung ist am auffallendsten, dass sie fast jedes e sehr offen spricht in grossem Gegensatz zu ihrer ganzen Umgebung.

Dabei merkt sie aber sehr gut, wenn andere anders sprechen als wir. So sagt sie z. B. einmal:

du Mama, der lierr sagt „ich hoh"^). Als ein Herr,,Flesch" für ,, Fleisch" sagte, bemerkte sie es sofort und bespöttelte es.

Von Resten früheren Sprechens ist geblieben Watschen „Zwetschken", lampsam „langsam". Äffe ,, Affen". Statt ,, pro- bieren" sag-t sie poiren proiren prowiren.

Statt „Wespe" sagte sie am 21. 8. 99 ivepse wefspe ivefste. Am nächsten Tage gelang das Richtige nach einigen miss- glückten Versuchen.

Gretl 3 Jahr 9 Monate.

lampsam, geh, nem, gehst, nemmst, geht, nemmt sind noch immer häufiger als die richtigen Formen.

') Auch Cl. und \V. Stern S. 7 1 konstatieren, dass bei ihrem Günther mit 3 Jahr 2 Monaten dieSprachentwicklungin den Hauptsachen abgeschlossen war -) Wir sprechen in „ich hab'" zwar kein helles a. aber auch kein 0.

163

ich ivart bis du gescJireihen hast.

Frage: ,,Was haben wir sonst getan?" Grete: . , . und auch gereden.

die einerc heisst mila, die einere mizi. Im selben Sinne gebraucht sie die andere die andere.

Für dialektische Lautunterschiede hat sie ein sehr feines Ohr. Sie spottet drüber, wie die Steirer die kneip f (Knöpfe) sagen.

Gelegentlich frage ich: „Gretl. wer ist grösser, Du oder die Mama?" Grete: die mamal Ich (langsam): „Gretl, wer ist grösser, Du oder das Bubi?" Gretl: die mama. Dieser Ver- such wird noch zweimal mit demselben Resultate wiederholt.

Dann stelle ich nochmals, aber allein, die letzte Frage. Grete: das Btd}i ist auch Mein, und die mama ist grösser.

Dann frage ich wieder dieselbe Frage, wer grösser sei, sie oder das Bubi, Grete: die mamal

Diese Antworten erinnern stark an die Ergebnisse von Versuchen mit pathologischen Individuen.

Gretl wird aufmerksam gemacht, dass man sagt, ich gehe nach Hause, nicht zu Hause. Grete: du sagst nach hause\ nach hause sagst ja auch ich. Nachklang.

Ich frage: „Bin ich langsam oder schnell gegangen?" Grete: schnell hin ich (für bist du) gegangen] Nachklang.

rotJcöpfchen sagt Gretl konstant, obwohl sie weiss, dass die Bezeichnung von der Kappe genommen ist. Sie nennt auch Kinder mit roten Hauben so.

geschlafen und geessen; gehriecht.

unser bubi ist kein gassenbub, das ist ein zimmerbubl

Gretl 4 jährig. Die luaggöne.

das ist das noch schönstere Kleid.

warum muss man immer den lieben Gott bitten, er soll mis beschützen, das iveiss er doch ohnehin, dazu ist er ja der liebe Goit\

Gretl 4 Jahr 9 Monate. Sie erinnert sich noch aus der Zeit, als sie i Jahr 8 Monate alt war, dass in Vöslau ein Herr namens Krebs immer mit zwei Hunden spazieren ging, auch

11*

164

dass man von unserer Wohnung in Wien in einen Garten sah, wo sich eine Katze aufliielt.

Gretl 4 Jahr lo Monate, ich spiele so, als icollte ich ein huml sein „als wäre . . .''

ich habe ihm antijrwortei . . (24. 4. 1901).

Gretl 5 Jahr 2 Monate, es sieht so aus, als icollte es ein fuss sein „als wäre es . .'*

mir kommt vor, alstvollt ich das noch sehen, was ich nnmal gebaut habe „als sähe , ,"

beinahe als wollt ich fliegen bin ich gerannt „. . als ob ich flöge . ,••

7 Jahr 3 Monate, gestri/f'en für „gestreift*' u, a.

2. Johannes M.

Geboren 19. Januar 1899 als besonders kräftiges Kind.

Als er nahezu i Jahr alt war, begann er sich aufzurichten und im 15. Monat (8, 4, 1900) lief er frei. Der Knabe war also vollkommen normal, entwickelte aber seine Sprache später als seine ältere Schwester.

Mit 7 Monaten hörten wir von ihm babababa

Johannes i Jahr 3 Monate alt. ba „Ball'*

bu „Blumen, Bäume" huhu „Hund"

Johannes i Jahr 7 Monate alt.

ham „Semmel". Also hier wieder das Wort, das wir schon bei Gretl, zuerst als Nachahmung des Schnappens des Hundes, dann als Bezeichnung des Essens überhaupt, kennen gelernt haben. Aber beim Buben trat es ohne besondere begleitende Umstände auf. Sein ham dürfte wohl eine Kom- bination des nachahmenden Naturlauts ham und des Wort- bildes „Semmel" sein.

buda „Brot"

weinn „Fleisch"

wa „Wasser"

Uta „Uhr"

165

has „Hase"

hat „Pferd" (aus hot-hot)

miaum ,, Katze"

„Lamm"

Johannes i Jahr 9 Monate alt.

hoppajömml wenn er genommen werden will (wahrschein- lich aus hoppa nehmenl)

huda jetzt auch „Butter"

gaga ,,GretI"

uh „Schuh" und „zudecken"

wann „Frau", „Fleisch" und ein bestimmtes Buch

ku „Kuchen"

a'a' mit doppeltem Kehlkopfverschluss „Enten"

wakkaka „Soldat". Hier betätigt sich seine eigene Sprache über das Gehörte hinaus. Er hat die Soldaten mit Trommel- und Trompetenklang vorbeimarschierend kennen gelernt und nennt eine Trompete wrakaka, was wohl mit dem Wort für Soldat zusammenhängt. Bald darauf nannte er auch einen in mehreren Farben des seidenen Gewandes prangenden Wurstel ivrakaka.

rida „Giesskanne"

Johannes 2 Jahre alt.

I. Substantiva

a. Personen.

papa mama hub „Bub" mäde „Mädi" jojo „Nikolo"

jeke „Grete" vereinzelt; gewöhnlich

gege „Grete" (aber auch noch gaga)^ er nennt sie auch weiwe „Weibi" jida „Rida" Han „Hans"

b. Tiere. hada „Hase"

166

uuarma „Waldmann''

wein ,, Schwein"

tniam ,, Katze" (früher miaum)

tititin ,, Hühner"

„Bär"

ja „Esel" (i-ah!)

mepepem „Schmetterling"

Jcikije „Kikeriki"

kenne „Henne"

wowo „Löwe"

icanna „Elefant"

oA-e „Ochse"

jpipi „Vogel"

c. Körperteile. ann „Augen"

,mum „Mund" haiiM „Bauch" hii „Füsse" und „Schuhe"

d. Kleidungsstücke, hut „Hut", „Mütze"

wrok, ruok (aus „Rock"), „Kleid" „Schürze" u. a. nio „Knopf"

e. Nahrungsmittel.

huk „Zucker", „Bäckerei", ,, Mehlspeise", wenn der darauf- gestreute Zucker sichtbar ist.

f. Spielsachen. 6m ,,Buch"

uda „Peitsche" auch ,,Rute" go „Stock"

giglang „Rad", „Dreirad". Welches Wort er hier selb- ständig weiter entwickelt, wurde nicht klar (Klingkling?) lüän „Wagen" '^a zweisilbig, früher nda „Giesskanne"

g. Sonstige Gegenstände.

pamma „Bleistift". Man kann zweifeln, ob nicht ein anderes Wort zugrundeliegt. bw-bw „Papier"

167

ge „Deckel"

wuo „Löffel*"

tis „Tisch"

joto „Lotto", ein Spiel

fnup „Schmutz'"

gim „Kug-eln" und „Kreuzer"

jade „Lade"

heivi „Heferl'^

ging-ganga „die elektrische Bahn"; wohl aus „Klingkling"

nui „Schnur"

wampe, später Ijampe „Lampe"

ne „Schnee"

2. Zeitwörter. an „anschauen"' liuch „zudecken" (früher uh) heija „lieg-en, schlafen" ten „stehen"

ging „läuten" (aus „macht kling-kling") heng „aufhängen, umhängen"

3. 4. Interjektionen u. a.

wa-wa\ „weh-weh"

jennl „Ich will es allein machen", Wohl aus allein ent- standen. Derselbe Wunsch kam auch bei Gretl ganz leiden- schaftlich zum Vorschein, Im selben Sinne gebraucht er auch dudu !

du\ Im Sinne von „Ich!" Er gebraucht es auch, wenn er sagen will: ,,Ich will es haben, gib mir es!"

ann\ wenn er aus seinem hohen Stuhl herausgenommen werden will.

unn\ wenn er vom Pferd herunter will.

dankel

5. Adjektiva. tot „tot".

6. Zahlwörter.

at iii „acht Uhr"

168

7- Satzbildung.

Johannes zeigt auf die elektrische KHngel über dem Speisetische und sagt: da mama ling kakaun omm, wa omni, ivann omm, upa omm dh. „Da klingelt die Manna, der Kakao kommt, das Wasser kommt, das Fleisch kommt, die Suppe kommt". Wohl schon eine Art Nebensatz: „wenn da die Mama klingelt ..."

Gretl gibt an, sie spielt „dass ein Regen kommt, sie muss in einen Wagen einsteigen, Soldaten kommen und schiessen." In grosser Aufregung erzählt das Johannes der Mutter: jegen omm, wagen omm, gaga nagn, wrakaka omm, hum-humW

wa ninn „Da ist Wasser drinnen!"

bitte wal „bitte umWasser!"; bitte ivannl „bitte umFleisch!"

Johannes war im ganzen sehr sprechfaul. Nur wenn ihm etwas besonderen Eindruck machte, wiederholte er es. Dann sah man, um wie viel weiter er war, als er zeigte. Als ich ihm einmal mit recht flehentlichem Tone und der ent- sprechenden Geste: „Bitte, bitte, bittet vorsagte, wiederholte er die Wörter zu meinem Erstaunen s^anz tadellos und be- hielt sie dann bei. Ein anderes Mal erzähle ich meiner Frau ein altes Berliner Erlebnis, indem ich auf der Strasse dazu- kam, wie einer einem kleinen aber masslos kecken Kerl eine „^^'atsche" gab. Johannes hatte sehr aufmerksam zugehört und zugesehen und sagte heiter: papa watz\ dh. „Papa spricht von einer Watsche". Das Wort war ihm ganz neu.

Als er I Jahr 7 Mon. alt war, machten wir einen Aus- flug in die Umgebung von Graz. Wir sahen eine kleine Ziege, die Gretl und ihm sehr gefiel. Aber Johannes wieder- holte das Wort nicht. Da kam das Tier ganz nahe zu ihm, der sich zur Mutter geflüchtet hatte, und berührte ihn. In seiner grossen Angst stiess er hervor: ige-tge\ sprach also jetzt das Wort nach.

Johannes 2 Jahr i Monat alt.

mtwd (z"/. 2. Ol) bium ,, Strumpf",

169

hode ,,Hose"

ho „so"

cJii „Marie"

tüiss „Würfel"

huwe „Bubi"! so nennt er sich selbst öfter.

hu „Bürste" und „Pinsel"

hudu „hutschen, schaukeln"

ame „Amsel"

hin ,,Ring-".

Am 1.3. Ol nimmt er das Liederbuch und singt daraus eine selbstgemachte Melodie mit ganz unverständlichen Worten.

oar „Ohr"

mein hu ,, meine Schuhe". Das Pronomen posscssivum zum 1. Male.

jois „Loisl, Alois"

jitt-hu „Schlittschuh"

wetsch „Zwetschken"

Im November bekamen wir in einem Leinwandsack Zwetschken aus Bosnien, Als am 2. 3. 01 ein ähnliches Post- paket gebracht wurde, jubelte Johannes: da wetsch nin\ „Da sind Zwetschken drin !"

Am Weihnachtstag 00 war J. auf einen kleinen Nudel- walker getreten, gefallen und hatte sich sehr weh getan. Er wurde sofort zum Arzt gebracht. Davon erzählte er oft: „da wuja iveh-weh"- „Da hat mir der Nudelwalker weh getan". Als im März 01 die Mutter über Schmerzen klagt, sagt er sofort: mama as gehn „Mama soll zum Arzt gehn". mu „Muff".

jenn (vgl. oben) sagt er nur mehr selten. Jetzt du-du das schon früher begonnen hatte. gigar „Zigarre" (7. 3. 01)

tnan komm pacJc „Ein Mann kommt mit einem Paket" epia aputz „den Divan abputzen" (13. 3. 01) Es läutet. Johannes nimmt die Mutter bei der Hand und sagt: gen tvaii alten, alten ivau gen „gehn wir zur alten Frau." Es war die Zeit, zu der die alte Gemüsefrau zu kommen pflegte.

170

tete „Universität"

dwol „Ich will vom Topfe aufstehn!"

Er zeigt auf dem Bilde einer Kuh auf die Euter und sagt: da kakao.

Johannes 2 Jahre 3 Monate alt.

Gegen Ende März macht er grosse Fortschritte und spricht fast alles nach. Er bittet um alles und sagt auch gerne danke, danke, mama.

Hch ,,auch*' sagt er jetzt oft im Sinne: ich will es auch sehen, haben usw. Im April sagt er schon: Das haben wollen.

julö (Rouleaux) aufziehn nennt er das Aufmachen des Gitters seines Bettes.

aiüo bedeutet auch ,,aus dem Bett gehen".

Sich selbst nennt er noch immer Du oder Buwe.

nunter haun ,,hinunterschaun".

mahl „Marie".

hlb hahn „lieb haben"

Jiort gen „fort gehn"

Die Mutter sagt: „Wir gehn in den Stadtpark". Da wird Johannes sehr aufgeregt: neinl hin-aus, hintein, jois dort, handJiaiifn piln, herg hum huch „Nein, gehn wir hinaus zum Hilmteich, der Loisl ist dort, Sandhaufen spielen, am Berg Blumen suchen". Das war nämlich am Tag vorher so gewesen.

nödn „Knödl" und ,, Nockerln".

gisbif „Biskuit"

papa sein himma ,,dem Papa sein Zimmer (Dial.)". sein hier zum i. Male.

awotandenl (aufgestanden!) ruft er, wenn er vom Topfe aufstehn will.

jampe ,, Lampe"

Jaufen „laufen"

äfer „Käfer"

atze ,, Katze'*. Im Inlaut spricht er aber k vgl.

mükn „Muh-Kuh".

he)nbal „Selber" war ein neues Wort für sein stetes Ver- langen, alles selbst zu tun.

171

hadgack „Stadtpark"

timpfe „Strümpfe"

appi „Kappe, Mütze"

jafn „schlafen"

Die Bedeutung- der Namen, über die ich J. F. XVI. S. 164 ff einige Bemerkungen gemacht habe, ist auch bei den Kindern sehr gross. Johannes wollte kein Schweinefleisch essen, aber Hühnerfleisch behagte ihm sehr. Da verfielen wir auf ein Auskunftsmittel. Wir nannten das Schweinefleisch schweindipipi (Schweinehuhn) und Johannes ass. Auch die Gemüse waren ihm nur aufzuzwingen, wenn man sie ihm als Abarten von mitmat „Spinat" erklärte i).

Johannes 2 Jahr 5 Monate alt (Ende Juli 1901).

mitmat „Spinat'^, „Zuspeise"

tvaiss (früher Wann) „Fleisch".

wo „Löffel"

halz „Salz"

gaga „Gretl". Meine Frau hat auch gege und gete gehört.

jesi „Resi"

messa „Messer"

dab „Gabel"

tea „Teller"

herwetie „Serviette"

henhi „Henkel" (Nachgesprochen).

hand, ßnger, hut, rock, hose gut nachgesprochen.

Mt „Bart"

oa „Ohr"

nase, aug, mundi

Jmdn oder han „Haare"

gaid ,, Kleid"

gigarr „Zigarre"

birse „Bürste"

') Kluge Leute behandeln auch die grossen Kinder so, wie Fritz Mautner Die Sprache S. 107 richtig bemerkt hat. Sie nennen ein Kaffeesurrogat „Malz- kaffee", und es gelingt ihnen dadurch ..unzählige wortabergläubische Menschen zu verführen, den künstlichen Ersatz lür die Sache zu nehmen, die ihnen früher gut geschmeckt hat."

172

gas „Glas"

wein

wasse ,, Flasche"

hu „Schuh"

haitoch „Zeitung"

uhr

erze ,. Kerze"

heda „Feder"

goche , .Glocke"

„Radiergummi" spricht er nach als dirbummi

„Stiefelzieher" spricht er nach als tifenhtr

weiss, jot

Johannes 2 Jahr 6 und 7 Mon. alt.

Die Tantannen „die Kastanien" (12. 8. 01). Zum i. Male der Artikel.

hagack (früher hadgack) „Stadtpark"

0 neim\ „o Nein". Beachte den labialen Verschlusslaut!

humem „Buben" (aber tvaun, herrn) 26. 8. 01.

toei gotten „Zwei Götter" nannte Johannes zwei Stand- bilder vor einer Kirche,

irche „Kirche" 1 , . , . , ^ j 7

( noch immer kern anlautendes k arte „Karte" J

wef'pen „Wespen" (August 01)

ivai Mgenbocken „Zwei Ziegenböcke"

Am 24. Aug. sagte J. zum i. Male ein anlautendes s.

nein, du bei dir jäfen daussen ,,Nein, ich will bei Dir draussen schlafen" (25. 8. 01).

das da tajes seinen tül „Das ist der Therese ihr Stuhl".

du das ässen ichl „Ich will das essen!" Johannes sagt zum 1. Male ich aber noch neben du (30. 8. 01).

da hucka ninnen, ich so ver-omnien, das so süss is „Da ist Zucker drinnen, mir kommt so vor, das ist so süss."

Am 30. 8. Ol spricht Johannes auf Verlangen tadellose anlautende s. Trotzdem sagt er für gewöhnlich noch h.

Am 31.8. sagt J. hane. Ich sage: ,,Du kannst ja schon Zähne sagen". J. wiederholt es tadellos. Es war sein erstes Z-.

173

Johannes ist mit der 3 monatlichen Martha allein im Zimmer. Die Mutter kommt herein, er berichtet: mädi jairiy ich sagen: mädi juhig sainl mädi juliig ,,das Mädi hat gre- schrien. Ich sagte: Mädi, ruhig sein! Das Mädi war ruhig." Das war Bubi's erste Erzählung.

Ich biete J. „Bärenzucker" an. Er will ihn nicht. Ich gehe hinaus. Er sagt zur Mutter; papa huck; nein, hrr\ (er spuckt aus) ,,Papa hat mir Zucker angeboten, ich mag ihn nicht, ich spuck ihn aus'^

Johannes 2 Jahr 8 11 Monate alt.

die mama mir die schü anzielten ,,Die Mama hat . . . angezogen" (24. 9. 01). Der Artikel richtig. Zum i. Male war mir am 17. 9. 01 aufgetreten.

das hiff henhar tvimmem ,,Das Schiff schwimmt selber'', (21. 9. Ol).

der haum mir ören ,,Der Baum gehört mir" (29. 10. 01).

Johannes hat noch keine flektierten Formen. Doch sagte er schon einmal da hastl also mehr als Interjektion, Sonst erscheinen Infinitive, die aber manchmal an die Parti- zipien Perfekti assimiliert werden. ivimtliiaje mir heute geich hachenl ,, Schwimmtiere mir heute gleich bringen!**

wöbe ,,Löwe", haihift ,, Bleistift", die schon länger in der- selben Form vorhanden waren.

mani ,, Marie''

liimme tuntannen ,, viele Kastanien'*.

nein, die suppe ich nie essenl nie ,, nicht".

gad ivüa ßs deesst ,,Grad früher habe ich einen Fisch gegessen".

Das seh spricht Joh. am Ende des 2ten Jahres noch immer s und s aus : sauen ,, schauen" tis „Tisch", sissgewehr „Schiessgewehr".

Das l machte ihm lange Zeit im Inlaut Schwierigkeit. Er sagte hinder „Bilder", fend ,,Feld", nenner „schneller". Ferner poista „Polster", sai^: ,,Salz". Aber tül und tull für „Stuhl". Im Doppelanlaut fällt es weg: lüiegn „fliegen", goche „Glocke".

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Die Partizipien werden fast alle stark flektiert.

ich das gut demachen „Ich habe das g^ut gemacht"

ich mich andeJagcn aber nicht deweinen ,,Ich habe mich angeschlagen aber nicht geweint.

du mir Fusssoldaten debachen? „Hast Du mir Fusssoldaten gebracht!"

ich das nicht detunl „Ich habe das nicht getan",

ich auch das desagen. „Ich habe das auch gesagt*'.

. . die decke depacJcen .,. hat die Decke gepackt, angefasst".

Die Konsonantengruppen des Anlauts werden noch immer vereinfacht: tvau „Frau", restine „Christine", gocke „Glocke", nalle „Schnalle", zündtein „Zündstein", {s aber korrekt) nabe „Knabe", icalen ,, quälen", waingas „Weinglas".

Johannes 3 Jahre alt.

denommen, degeben, demissen ,, geschmissen" (3. 2. 02)

Was reden die siffe? fragt Johannes, meint aber die ßsse ,,die Fische". Er macht also die oben mehrfach nachge- wiesenen Sprechfehler. Er besass nämlich Fische, eine Gans, ein Schiff, alles aus Blech und hohl, so dass es schwimmen konnte.

. . goss gross . . Zum i. Male korrigiert er ohne Auf- forderung einen nur teilweise gesprochenen anlautenden Doppel- konsonanten.

ich auch önnen nien „Ich kann {önncn ,, können") auch knien".

tvo is die bilder? statt ,,. . sind . ."

ich kann das nicht sagen. Also schon ganz korrekte Sätze.

ich hob das desagen ,. gesagt'*.

(Die Soldaten) sind alle tot defallet} . dieser teht ganz allein auf\ geich (gleich) die umfallen tverden . jetzt sind sie tot.

Johannes sagt 5. 2. 02 . . Kugel und siissgewehr . . ver- spricht sich also (Nachklang), korrigiert aber sofort sissgewehr; zu meinem fröhlichen Erstaunen setzt er hinzu reib (schreib) auf papa\ hast du Kugel und sissgewehr dereiben (geschrieben)? Ich lese das Niedergeschriebene meiner Frau vor. Sie fragt: „Hat erdereiben gesagt?" nein, schreit Johannes, deriebenl Er

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irrt sich aber, ich hatte gewiss recht gehört. Beachte, dass er in Sissgewehr das ge ganz richtig spricht, während er de- reihen, deriehen, dehraxn (gekraxelt), dehören (gehört) sagt. Er hat das Wort ,, Schiessgewehre" viel später gelernt, als er schon ge sagen konnte. Das Wort fiel also nicht mehr dieser Lautveränderung zum Opfer. Dass er im Partizip noch immer de sagt, ist nur Gewohnheit.

Am selben Abend sagte Johannes zum i. Male schwach andesaut „angeschaut".

hast du was debingen „gebracht'^? ich hah die tür zude- pern ,, zugesperrt" (6. 2. 02).

was das Krüsthind debingen hat . . Aus ri machte Johannes rü. Er sagt heute noch oft früsch „frisch".

Am 9. 2. 02 sagt er ich sehen? gebraucht also den Infinitiv, aber flektiert sonst z. B. ^9a5S auf Mama\ ivas hast du?

Die gräthen korrekt. Er hat das Wort erst in der letzten Zeit gelernt.

ich bin nicht zugedecTien. Zum i. Male richtig ge- (9. 2. 02).

umgrehn ,,umdrehn". Zum i. Male bemerken wir Bubis Lautgesetz dr '. gr ').

so schön detehn und nicht andehalten „so schön gestanden und nicht angehalten."

Aber ich hab son mein bot gegessen. Man sieht s und seh, de und ge sind noch nebeneinander im Gebrauch.

degeben „gegeben".

Johannes 3 Jahr i 3 Monate alt. der fis dadinnen hatdewimmen ,,ist geschwommen (i 2. 2, 02.) die martha hat debechen ,, gebrochen, zerbrochen". Sich selbst bezeichnet er schon regelmässig mit ich, und wenn die grete gesund bin, dann geht sie auch mit (15. 2. 02).

ich habe das schön debaun ,, gebaut". da haben wir, Gott sei Danh, Äpfell morgen haben die martha dlacht (gelacht) zu mir (20. 2. 02)

') M. Ament Entwickig. von Sprechen und Denken beim Kinde S. 4g.

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(jreJiH „drehn''.

eins tvei yrei „eins zwei drei*'.

erste iveite greite vierte ., erste zweite dritte vierte", (jreite ist Kinderetymolog-ie {— *dreite).

/<äst*r'); wird sofort in Jtasen korrigiert.

heisbif ,, Bleistift''.

(de tvarzen pferde, die rappen^ sind mit tinte amlemtden? Der Ton der Frage zeigte, dass das Kind ein ja erwartete.

ich kann das pferd kragen „tragen". tr:Jcr; früher sagte er tagen (25. 2. 02).

krinkcn ,,trinken*^

jetzt haben wir den wrif hindndepicken Gretel „Den Schweif hineingepickt, geklebt^'.

da ist das glas, ich hob von der grete scins gefcrunken „von der Grete ihrem getrunken".

ivetin ich mich umgreh „umdrehe".

ich so ruhig da detehn „Ich bin so ruhig dagestanden'*.

ich ein reh tveinen desehn, wie wir fortdehn. Die Form des letzten Worts ist unklar, der Sinn des Nebensatzes war „als wir fortgingen". Das Zeitwort iveine)i bezog sich auf das ,, Geweih", wie meine Frau sofort konstatierte. Das Reh hat irgend etwas mit seinem Geweih gemacht.

mein gas hat nicht die anna debingt „Glas", „gebracht".

nur so viel gunkcn „getrunken" (27. 2. 02). Gleich darauf:

Wasser hinken

wo Imst du denn den papa seinen tewolwa? „Revolver".

Du hast mir nicht die wei (zwei) golleren sabel umdebindet (umgebunden) i. 3. 02.

sau die gottermuttesl „Schau die Muttergottes!" Ver- sprechen, Vertauschung.

das so machen, wie das wüher dewaren ist „früher ge- wesen ist", dewaren kontaminiert aus „gewesen" und „war" (2. 3. 02 2).

es ist ausdebennen, es ist schon ausdebennt „ausgebrannt".

') Derselbe Fehler bei Tappolet s. 91 verzeichnet.

^) Stern S. 29S berichtet wasen, eine Kontamination aus war und ge- weaen.

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Ende Februar machte Johannes verschiedene schwache Partizipia. Aber schon am 3, 3. 02:

ich hah toirJclich (meist würJclich) delafn ,,g-eschlafen".

das sind ivei hausen, wei häuser ,,zwei H/'. Die Korrektur sofort, spontan.

ich hah wollen das umgrehn ,, um drehen".

dekreten „g-etreten". (7, 3. 02).

valaiibst (verlaubst ^^ erlaubst) du^ dass die martha da klopft'^ Zum I. Mal Jd-.

die Küfer magen das haupt (überhaupt) nichtl Wegen der Form magen für mögen vgl. die Erscheinungen des Ver- sprechens (S. 118).

die martha iviss das nicht (wiss ^= ,, weiss"). Meine Frau korrigiert: „Die M. weiss d. n." Johannes wiederholt starr- köpfig seine Fassung, er ist wieder von der Unanfechtbarkeit der Form tuiss überzeugt. Vgl. die Ausgleichungen von weiss: wissen beim Versprechen (S. iii, 120).

was lüillen die tldere? fragt er wiederholt beim Anblick ihrer Bilder. Vgl. das Versprechen.

wer hat mir senf degeht, degiht? Hier fühlt er sich also unsicher.

ich todier was „ich studiere was", sagt /. oft. ich mir was erdenken . ich mir tvas eingedenken.

Er sagt öfter noch tein, obwohl er ganz gut klein sagen kann.

spuktähn ,,Buchstaben'^ Eine Art versprochene Form.

2)ischnat „Spinat*'. Ebenfalls (22. 3. 02).

das sind auch so kleine nopsen (Knospen).

zucki, Plural zuckin.

tun die jungen hunden nichts?

und da sind der gretl seine . .,,ihre''.

. . hat gezwicken . .

kreiht „treibt", degrauht ,, geglaubt" (Mai 02).

magen die Vogi wasser? Vgl. oben.

ich hah einmal einen grossen spatzen desehn, der hat tvÖh (Flöhe) dehaht und hat heissen, behauptet J.

Meringer, Aus dem Leben der Sprache. 12

178

gibts gollere (g-oldene) lufthalhns? Über sein Suffix -ere schon oben (S. 1 19).

Johannes 3 Jahr 5 7 Monate.

Er hat folg-ende -e/r-Bildung-en: (/oJlere, silbere, höhere, zerhrochere, abdebroihfre (abgebrochene), jnclere (pickende, klebende), verschiedere.

der papa hat deschöre (geschorene) haare

hausin ,, Häuser" wie zuckin ., Zuckerln**. Als er hausin gebraucht hatte, wurde er bedenklich und sagte: man kann auch ]iäuser sagen. (I)

Das Wort j.Stadtpark'" erscheint als pätgak. ichpagak, schütgak.

noltporrar ,,Nordpolfahrcr"

kann man Kinder stöhlen'^ „stehlen".

fähren gewöhnlich für „fahren" nach „fährst, fährt"

Im September sprach er schon oft die Vorsilbe -ge, aber wir hörten jetzt noch immer defahren, delassen, degange».

dlocke „Glocke" (15. 10. 02)

krompete ,, Trompete"

die gete (Grete) verlauht (erlaubt) mir zu schreiben auf der gete seiner tafel (28. 10. 02).

mundmamone „Mundharmonika" (November 02)

Anlautendes tr- meist richtig, nicht mehr kr- also tröpfeln nicht mehr kröpfein.

kastanne. „Kastanie" kann er nur schwer nachsagen.

der lieben goft trat um diese Zeit auf und blieb bis ins 5. Jahr (Aug. 1903 noch).

ist jetzt Sonntag oder herbst? ,, Sonntag" versprochen für ,, Sommer".

Ich erzähle, dass v. Andrian kommen wird. Gleich ruft J.: der andimnnn, der andimann\ Kinderetymologie. Später sagte er brandandimann „Baron Andrian". Ich spreche ihm dann das Wort vor. er sagt: andiran, andijan, andian. anrian und endlich andrian; gleich darauf singt er wieder brandandimannl

I

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Johannes am Schlüsse des 3. Jahres.

die rauche bedeutete die Tabakspfeife (Okt. 02).

ich habe dort ein hunderl aus dem fenster herausgeschaut. Versprechen. Kontaminiert aus: ,,Ein Hunderl hat heraus- geschauf' und ,,Ich habe gesehen, dass . . ^''

sie schauen aus, dass (als ob) sie geputzt wären.

der Meine zeiger ist schon über dem geschrieberen (auf der Uhr steht: Omega) drüber. Wieder -ere-Bildung.

gesitzt „gesessen'*

. . der martha . der gretl sein lederen ball „der Gretl ihren ledernen B," Johannes hatte sich zuerst versprochen. Noch eine -ere-Bildung.

Seit 12. 12. 02 beobachtete ich, dass Johannes an aus- lautende Vokale ein ng anhängt. Er sagte in den nächsten Tagen :

nitwäng „n[t\\ahr}'^,jäng ,.ja", dang „da", ma mang „Mama'', papäng ,,Papa'', sogar schaung ,, schau".

Die Erscheinung war vollkommen rätselhaft, er war ge- sund und hatte auch keinen Schnupfen. Ich bemerke, dass er auch nie maman in französischer Aussprache gehört hat.

eine mähe nennen Gretl und Johannes eine Sense.

Am 6. I. 03 hörte ich von Johannes düng „du". Sein Lautgesetz: auslautender Vokal wird guttural nasaliert, breitete sich also aus.

Er talkt jetzt öfter falsch: die docke dlocl'e glocke ivill ich haben, oline für Violine.

der schaut aus (ein Storch), tvie (als ob) hinten flössen sind (wären).

gefliegen, gefliegt „geflogen''.

Am 10. I. 03 greteng ,, Grefe". Merkwürdig ist, dass diese Nasalierungen immer mit einem bestimmten Ton, beim Rufen und Ansprechen erscheinen, nicht im Innern des Satzes.

siff für fis (Fisch) sagt Bubi, wenn er talken will, macht also den mehrfach besprochenen Fehler'). Sieh S. 12, 51, 114.

*) is = „Fisch" und „Schiff'' verzeichnet Scupin (aus dem 18. Monate seines Sohnes) S. 73. Vgl. „Schiff" für „Fisch" Ament Entwicklung von Sprechen und Denken beim Kinde S. 67.

12*

180

das ist ein (jiraffenmann, ein härmann, tin scherniaun, tin mvermann, ein fjeJirmann usf. Spasshafte Neubildungen ohne Sinn.

Johannes 4 Jahr i 6 Monate alt.

es gibt die mama der grete noch eine larveng ,.Larve, Ge- sichtsmaske". Also wieder seine Endnasalierung-. Ich be- merke hier, dass bei diesem rätselhaften -ng von einem Spasse des Kindes absolut keine Rede sein kann. Aus dem -ng ent- wickelt sich öfter ein -m: päpänil, mäniäml (Der Zirkumflex bedeutet in diesen Fällen geschleifte Betonung).

heis . . hausmeister Versprechen, Vorklang.

umgef allere Fahne, offeres messer. Neue -erc- Bildungen.

mietz\ng\ ,,Mitzi"; mämäm (3. 3. 03). Neue Auslaut- nasalierungen.

ist heilte der vJerteng? ,, Vierte" (4. 3. 03).

fällt da nicht die Erde auf die andere seiteng ,, Seite"

(4- 3- 03).

Das ist eine ruschiche (russische) marke (April 03).

Noch immer fähren.

gewaschen und gezähneputzt hin ich (April 03).

frissen i mal für „fressen''.

Am Ostermontag 1903 hörte ich zum 1. Male: der gretl ihre semmel. Sonst immer seine

päpäm, mir scheint, ist der zu nahe (nämlich ein Zinn- soldat). Konjunktion dass fehlt

autohohil.

in maga krost . . , .Maria Trost" sagt Johannes plötzlich wieder 12. 5. 03, nachdem er tr- schon längst richtig spricht.

wir scheint, haben die das gemacht. Nach „scheint" inver- tierte Wortstellung, ohne Konjunktion (wie zuvor).

was für einen Kling das hat\ sagt J., indem er an ein Blechblättchen klopft. Neubildung Kling ,, Klang".

Johannes im 4. Jahr 2. Hälfte. agmet ,, Magnet"

gestriffen ,, gestreift". Wahrscheinlich Einfluss von Gretl^ die zur selben Zeit öfter so sagte.

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ich habe keine geivaltiykeit zum festliebhaben d. h, „Kraft zum festen Umarmen".

ich nenne den hund, dass er ein dackerl ist.

picTizeug ,, Papier zum Flieg^enfangen".

der mann schaut so aus, dass er ganz alt ist „. . als ob er . . wäre".

in der kuh seinen bauch (8. 9. 03).

druckdings „Petschierschaff'

ausgeesseti Versprechen

Im Okt. 03 sagte Johannes plötzlich wieder papang, greteng. Die Formen verschwanden dann auf immer.

3. Martha M.

Geboren 7. Juni 1901.

Lall-Laute: tötötötö, bababawa, mbaivabai, ababä, aa, wivw^ awww, a tl {l tonlos), bababap.

M hat sich inbezug auf das Sprechen abnorm langsam entwickelt, obwohl sie körperlich und intellektuell durchaus normal war, so dass über ihre erste Zeit kaum etwas zu be- richten ist.

Mit I V2 Jahren hatte sie eine sehr charakteristische Geste bei gespannter Aufmerksamkeit. Sie stand mit gebeugten Knien, die Hände darauf gestützt, mit vorgebeugtem Ober- körper und sah und lauschte. Sie wurde dabei viel kleiner, und man musste sich wohl fragen, was für einen Sinn diese Haltung haben könnte. Wenn sie z, B. etwas in der Ent- fernung (auf der Strasse, im Garten) genau beobachtete, nahm sie diese Stellung ein, die absolut nicht zweckmässig genannt werden konnte. Bei Erwachsenen beobachtete ich diese Geste nur, wenn jemand etwas ganz Überraschendes hört, was er womöglich nicht glauben will. Martha beugte sich sogar, um meine Schlaf-Zipfelmütze besser bewundern zu können, obwohl ich stand und diese auf dem Kopfe hatte.

Aufgefallen ist mir um diese Zeit, dass ihre Vorstellungen von der dritten Dimension sehr mangelhaft waren. Ich be- obachtete sie oft, wenn sie ihre Tiere auf die Tischfläche, die für sie in Augenhöhe war, stellen wollte. Sie schob sie

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immer so wenig hinein, dass sie am Rande umschlug-en und mit den Beinen liäng-en blieben oder überhaupt herabfielen. Das letztere Resultat war g-ewiss nicht beabsichtigt, denn sie wurde nicht müde, ihre Versuche zu wiederholen.

Um dieselbe Zeit rief sie die Mutter

d-d (beide nasaliert).

Mit I Jahr 7 Mon. veränderte sich dieses zu .

ä-mäl „Mutter!^*

Marthas Verständniss war ganz tadellos. Meine Frau sagt z. B.: „Bring das VVagerl in das Winkerl, wo es hinge- gehört!" Martha tut das, benützt aber dann die Gelegenheit gleich, um Verstecken zu spielen.

Ich sage: ,, Martha, bring mir das kleine Sesserl !" Ich blicke dabei nicht auf den verlangten Gegenstand. M. eilt so schnell sie nur kann, um den Stuhl zu holen, und bringt ihn mit seelenvergnügtem Gesichte.

I Jahr 7 Monate. Im Schlafzimmer. M. nimmt mich bei der Hand und führt mich zur Tür. Ich weiss, sie will in mein Zimmer gehen, um Hustenbonbons zu erhalten, tue aber, als verstünde ich sie nicht, und bleibe bei der Türe stehen. Sie nimmt meine Hand und hebt sie zur Türklinke hinauf. Als ich wieder nicht zu begreifen scheine, weiss sie kein Mittel mehr und fängt zu weinen an. Darauf erlöse ich sie aus ihrer Unruhe, Die kleine Szene spielte sich ganz stumm ab. M. hatte keinen Laut von sich gegeben.

M. kennt eine ganze Reihe von Dingen, bringt sie auf Wunsch, versteht Fragen ohne etwas reden zu können.

Martha i Jahr 8 Monate alt.

mämahl „Mutter!'*

dadal „da hier!''

awa ,, Wasser"

iva ical „wehl"

dhl „Säbel"

Damit begann also endlich ihre Sprechtätigkeit. Da wurde sie schwer krank (Lungenentzündung), und wir fürch- teten einige Zeit um ihr Leben. Sie erholte sich aber doch

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wieder, aber die Stimulantien des Herzens während ihrer Krankheit scheinen hemmend auf ihre sprachhche Entwickelung- eingewirkt zu haben. Körperhch war sie sehr bald wieder vollständig- hergestellt.

I Jahr lo Mon. Am 6. 4. 03 sitzt Martha im Bett und plaudert. Es war ihr erster gesprächiger Tag: nä. Als sie mich im Nebenzimmer sprechen hört, ruft sie: jjopa! Ich komme herein! da\ sagt sie befriedigt. Es war die erste mit sprachlichen Mitteln hergestellte Unterhaltung.

Wenn M. sich ganz wohl befindet, streckt sie oft die Zunge hervor ein Zeichen ihres Behagens. Ich habe bei Kindern nichts Ahnliches gesehen, nur eines Kollegen während des Freiwilligenjahres erinnere ich mich, der bei besonders herzlichem Lachen, bei sogenanntem „Lachen aus vollem Halse", die Zunge aus dem weit geöffneten Munde hervorstreckte.

Das Wort aiva „Wasser" erschien nach der Krankheit als apah, pawah.

hu ,,Buch, Bilderbuch"

ho „Boden". Sie sagt es immer, wenn etwas auf den Boden fällt; später auch dann, wenn sie selbst fällt.

1 Jahr II Mon. Am 11. 5. ruft M. zum i. Male ete\ „Grefe", und wiederholt den Ruf, als auch die Mutter die Grefe ruft.

Am Ende des zweiten Jahres erwarb das Kind noch folgende Wörter:

hu „Hut"

hu „Buch", jetzt auch „Blumen"

ha „Ball"

teie\ „Grefe!" nicht mehr ete\

Martha 2 Jahre alt. Eine kleine Freundin meiner Kinder heisst Ilse. Am 11. 6. 03 sagt M. tadellos ilse, meint aber deren kleinere Schwester Gerda. Das erklärte sich bald, indem wir bemerkten, dass sie jedes kleine Mädchen Ilse nannte. In ähnlicher Weise waren meine anderen Kinder der Ansicht, dass jede Tabakverkäuferin ein „Fräulein Zilli" ist.

2 Jahr I Monat. mtimü „Brot"

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jmpa „Wasser"

nivi „Mitzi" (das Kindermädchen)

u „Schuh"

aal „Jah!"

Martha 2 Jahre 2 Monate alt.

ä-dnjä\ {nj mulliertes n) „Marianne!'' ini Rufe; auch nja-njd\ „Marianne".

Martha vormittags allein bei mir. Niemand ist sonst zu Hause. Ich beschreibe das, was sie in der Zeit von lO bis ca. 12 Uhr tat. Sie holt sich meinen Papierkorb. Sie ver- sucht es, sich auf ihn zu setzen. Es g-eht nicht, denn er ist zu hoch. Da sie ihn neben den Divan g-estellt hat, will sie auf diesen klettern. Auch das missglückt, und die Versuche werden aufgegeben. Dann will sie sich neben den Papierkorb knien, findet aber längere Zeit nicht die ihr passende Stellung. Als sie sie endlich gefunden, fängt sie an, die Papiere aus- zuräumen. Die zerknüllten Stücke legt sie rechts und wischt mit ihnen auf dem Boden herum. Die glatten legt sie auf den Divan. Mit einem reinen und glatten Papier kommt sie dann zu mir zum Schreibtisch und sagt ?'-?! Ich verstehe, dass sie einen Bleistift meint, und gebe ihr einen. Sie legt sich auf den Boden und kritzelt auf dem Papier von rechts nach links und zurück gerade Linien und flache Kurven. Ich frage: „Martha] tust Du schreiben?^' Sie antwortet «a! ,,ja!" Beim Schreiben sagt sie dee 0^); dann nimmt sie einen neuen Zettel, feuchtet den Bleistift an (ich weiss nicht, von wem sie das gesehen hat) und schreibt wieder. Bald gibt sie mir den Bleistift zurück. Dann kommt sie wieder und sagt: „papa ä da da! (?). Ich sehe, sie will etwas haben und reiche ihr verschiedene Sachen. Sie lehnt alles ab und sagt: ,,t ?'!" Ich gebe ihr also wieder den Bleistift, den sie be- friedigt nimmt. Es stellt sich Langweile ein. Ich rolle einige grosse Gedenkmünzen auf dem Boden zu ihren Füssen hin. Das Rollen bewegt sie zu keinem Laute. Sie setzt sich, nimmt die Münzen, dreht sie, bis die Köpfe darauf gerade stehen, und legt sie darauf nieder. Dann kratzt sie auf den Münzen. Sie steht auf, bringt sie zurück, legt sie in meine

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hole Hand und schlägt mit ihrer flachen Hand darauf, als wollte sie sagen: y,So, da hast du siel''- Das hat sie wohl schon jemand tun gesehen.

Sie geht um den Schreibtisch herum und sieht ein Lineal. Sie nimmt es. Da fällt ihr eine glänzende Messing- handhabe einer Lade auf. Sie vergisst das Lineal und nestelt an dem Messing herum. Dann nimmt sie den Gurt der Fensterjalousien und kratzt mit dem Nagel des Zeigefingers.

Plötzlich ruft sie: pä, i, l! (?) Ich sehe, sie verHert ihre Hose. Ich sage: „Geh hinaus und ruf Mariannel'' Sie geht zur richtigen Tür und ruft äänjäl Als sie wieder ins Zimmer gelassen wird, sagt sie da da dal Sie legt ihren Kopf auf meinen Oberschenkel und hebt auch die Beine; ich sehe, sie will auf meinem Schoss schlafen. Als sie be- merkt, dass sie sich selbst nicht in die entsprechende Lage bringen kann, wird sie immer ungeduldiger. Ich nehme sie endlich und lege sie auf den Divan. Gleich darauf kommt die Mutter mit den anderen Kindern nach Hause.

Trotzdem das Kind blühend aussah und sich sehr wohl befand, hat es doch in den zwei Stunden nur wenige Laute von sich gegeben.

ane „Marianne"

anan „Johannes"

de hinweisend „da"

Beim leisesten tadelnden Tone verhüllt Martha ihr Ge- sicht und lässt ein Kehlkopfbrummen hören.

Wie sie etwas haben will, sagt sie nur die Laute a' a (mit doppeltem Kehlkopfverschlusse) dafür, was wohl ^^hdben"' ausdrücken soll. Den Gegenstand, den sie will, deutet sie durch Gesten an.

Als Gretl (30. 9, 03) ein wieherndes Pferd nachahmt, läuft M. auf uns zu und versucht es auch.

Martha 2 Jahr 3 Monate alt.

12. 9. 03. Ich sage zu Martha: ,,Sag danlceV^ Sie ant- wortet: „dan^'. Es war das erstemal, dass sie etwas nachsprach. Martha 2 Jahr 4 Monate alt.

mi „Milch"

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ja „ja" 25. 9. 03. na „Kastanie"

bo „zerrissen", eig-entlich ,, gebrochen" Wenn Martha die Grete ruft, sagt sie dodol Sonst sagt sie hur do, zu ihr und von ihr sprechend.

Martha 2 Jahr 5 Monate alt. be „Bett"

bii ,,bubi"

ti ,, Tisch"

)H0 ,, Knopf"

hi ,, picken"

bii ,, Puppe"

ha ,, baden"

änän „Johannes"

tje ,, adieu"

hu ,,hut"

hi „Papier"

bei „Bleistift"

bal „Ball"

nii „ich", also aus ,,mich" entstanden.

a\ „auch", „ich will es haben i"

Im Oktober 03 sagt M. einmal sich zärtlich anschmiegend

zu mir mal korrigiert aber dann ^a! Ihr erstes Versprechen.

a-njahl (Ich deute die Silbentrennung an) „Mariane".

Martha 2 Jahr 6 Monate alt. pi ,, Pinsel"

„Bürste"

„nähen"

ma „Mama". Aber im Rufe langezogen mämä.

mamal hi „Mama! Ich springe"

mi pa da „Papa soll bei mir da bleiben"

Xein, aber sehr undeutlich ausgesprochen, wurde um

diese Zeit beobachtet.

/( „Stuhl", „Hut"

bu „Buch", Bussi"

ne „Schnee"

Jan „Tante"

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Gegfen Ende November 1903 trat vollkommen deutliches und richtig" verwendetes Nein auf.

Martha 2 Jahre 7 Monate alt.

&a „Krampuss"

me „Messer"

ho „Polster"

de „Decke"

wei „Fleisch"

Ei „Ei"

e „essen"

en „Eng-el"

bomm „komm"

nei „schneiden, schneien"

tveua „Feuer"

dan-dan mi-mi bed „die Stange von meinem Bett (ist heruntergefallen)"

Martha sieht ein Buch, das „Tante" Reinitzer gehört. Jan Je^, mama nein, dede nein, änän nein, papa nein „(das gehört) Tante Reinitzer, der Mama? Nein, der Grete? Nein, der Marianne? Nein, dem Papa? Nein.

Martha 3 Jahre 8 Monate alt.

,,müde"

mam ,,Mann"

bei „Bleistift"

,, Eisenbahn"

beij ,, Papagei"

hal „ja!"

na be 0 „Die Tapeten oben knacksen^'.

bui nachgesprochen für „Bubi". Sie spricht gerne nach, aber der Erfolg ist schlecht.

e ,, essen"

di-di heisst eine kleine Musiktrommel.

wau „Frau"

„Gemüse"

jei ,, Kleid"

bir „Papier"

bui, nui ,. Spule"

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mama, bi-hi, nui nü-nü ,,Mama, bitte, die Spule zum Nüsse (aufschlag-en)".

Martha 2 Jahr 9 Monate alt.

hau ,, Bauch". Sie hatte einmal nach dem Genüsse von Wursteln ,, Bauch weh''. Seit der Zeit schlägst sie sich beim Anblick von Wursteln auf den Bauch und sagt in klagendem

Tone bau\

Sie macht oft verzweifelte Anstrengungen, sich verständ- lich -zu machen, aber es gelingt ihr nicht. Sie hat schon einen Schatz von Kenntnissen aber wenig verständliche Wort- bilder. Sie versteht aber sehr gut. Wenn man z. B, von ihr sag-t: „Die Martha wird dort herunterfallen", ruft sie sehr bestimmt: ,,Nein!*'

dei , .gleich". Ihre Antworten sind äei, nein oder he „später".

em ,,Hemd"

tun Strümpfe'"'

ür „Uhr"

,, Knöpfe"

ör „Ohr"

mama, nicht mehr ma „Mama"

häja ,, Bändel"

mo „Knopf"

mama häja „Die Mama muss das Bandl annähn"

homo „Domino'*

hem „Hemd" (8 Tage nach em)

haha „Sacktuch"

ja ja „Schachtel"

tva „Wasser"

au te „auch Tee !"

her „Herr"

he , .brechen"

in „Ring"

auten „aufstehn"

mu „IMuschel"

wü9r „früher"

„bügeln"

hau „schau"

189

tvu „Wurstl" heml ,, Semmel" bi ,, spitzen^' ho „Stock" mo ,,noch^' en „eng"

i ,,ich" findet sich schon öfter, während sie bis jetzt ml für ,,ich" g'csag't hat. au „auch" hibir „Papier" we-tve ,,Cafe" bau ,, bauen" (und ,, Bauch")

Martha 2 Jahr 10 Monate alt. bäja heu? fragt M, die Mutter, indem sie ihr ein Stoff- fleckchen zeigt. Das heisst: „Schenkst Du mir das (Fleckerl) Bandl?"

Soll Johannes die Spielsachen aufräumen, so ruft sie gleich Jie-Jie „helfen (will ich) !"

ich und mir werden schon oft richtig verwendet. diu ,, trinken"

mama decle hol ,,Mama ging die Grete holen"

hüch, „Schürze"

mama aupuln „Mama tut aufspulen"

Johannes sagt: „Martha ist schlimm, weil sie am Stuhl kniet". Da ruft M. sehr erregt: himm mi-mi nien? nein „schlimm, ich knien? Nein!"

we-we ,, Serviette"

papadei ,, Papagei"

hubala „Schuhbandl"

popo ,, stoppen"

beinme ,, Beinmesser"

örwe „Ohrenweh"

hör mamal

nl mama bommt „nicht kommt die M."

danwe „Zahnweh"

mii ,, Schnupfen"

ham-ham „Lampe"

190

„Honig*'

ho „Brot", „Stock"

jci „Kleid" (noch immer)

wei „zwei"

alla nem „alles nehmen"

kirn ni bomt „die schlimme Näherin kommt nicht"

„böse" pupa „Puppe"

einmian „einschmieren"

nein, bau i ni „Nein, brauch ich nicht"

dede hör oder niama hör „gehört der Grete, der Mama"

neua hähä „neues Sacktuch"

hau papa wil mo ein wil „Schau, Papa, eine Fliege! Noch eine Fliege!"

hab hon ,,hab' schon"

dei bu „gleich gut"

aufhei „aufschreiben"

himm niä „schlimmes Mädel"

nein haühaü ,,nein, (ich bin keine) Raunzerin"

dinnen a dinima „drinnen im Zimmer"

de hol „geh' holen"

ich ha woln büei das da „Ich hab das Bügeleisen da haben wollen"

alla dein „alles ist mir zu klein"

abni ,, abgeschnitten"

wi bu-bu de ,, viele Bussi geben"

na-na ,,gute Nacht"

a2i hei-hei „auch Seife"

we-ice ,. Kaffee"

dau-dau „Kakao"

dijjpo „Kipfel"

das da mi-mi höH sagt sie bei allem, was sie als ihr Eigentum kennt.

Wie sie mit 2 Jahr 11 Monaten sprach, davon wenige Proben.

dei bn „gleich gut" („gleich gut sein" im Sinne von „wieder gut sein")

191

umwal „umfallen"

wi hu de „viele Bussi geben".

Martha 3 Jahre alt.

Ich spreche ihr einmal Frestidigitatciir vor, Sie sagt petititetör. Das war nicht so übel, und gab mir Hoftnung-, dass ihre sprachliche Entwicklung nun rascher vor sich gehen wird.

daka (sie!) mir hör „das da gehört mir", mir gebrauchte sie schon seit einiger Zeit statt des früheren mi.

wer tvi de, ich him-bim mach „Wenn jemand über die Wiese geht, mache ich bim-bim".

ahein „allein"

hama hon „hammer" (dial. für haben wir) schon"

hitei „Hilmteich"

täta „Zahnarzt"

är abnitt ,.Die Ärmel sind abgeschnitten"

ivi-wi mämmer bommt „Viele Männer kommen"

ma ni mir „macht mir nichts.

3 Jahre 2 Monate alt.

einher), „einschenken"

dene hu „Zähne putzen"

mur wei-wei i-i e-e „nur Fleisch esse ich"

ivoivorn „verloren"

^ ni ha de, mur buhaun „ich geh nicht baden, nur zuschaun"

^ hauhau dm „ich will vorausgehn"

hau hihi „blaue Schürze"

mepei „Mehlspeise"

Martha 3 Jahr 3 6 Monate alt.

nein i ni ti-tiivei hihi „Nein, ich kein Tischlerweib bin"

mama, hi-hi hambi „Mama, bitte zusammenbinden"

neua hua andi „neue Schuhe anziehn"

di jeia? „dieses Kleid"

hahau den „nach Hause gehn"

hu ni ivo den „Du nicht fort gehn!"

honiama „Gross mama"

hu himma bu hi „Du bist ein schlimmer Bub"

hon „Toni"

192

nö-nö „Knöpfe" hir „Schere" nu-me „Messer"

hi-bi ho hi^ ich an lud drn „bis ich gross bin, geh ich auch in die Schule"

wowar i bomama? „fortgefahren ist die Grossmama?" i au hui bau-bau „ich auch den Stuhl brauche** me-me ha „möchte haben"

Um diese Zeit lernt sie ihren Namen leidlich richtig nachsagen (15. 10. 1904). Bisher sagte sie ma-ma nach. wei mama? „wcisst, Mama?" Wird oft gesagt. ivohi demeibüei? „wohin hastDu mein Bügeleisen gegeben?" hi mama, das da nem ich „siehst, Mama, das nehme ich" neiv, das ni mir hör, das hä-hä hör „nein, das gehört nicht mir, das gehört dem Johannes"

mama, hau, wo mei hamma „Mama, schau, wo ist mein Hammer?"

ni toar, da hä-hä hör „nicht war, das gehört dem Johannes?" bo-bo na einha „grossen Nagel einschlagen" ich auch we-wehaus de „ich will auch ins Kaffeehaus gehn! bu ni wo de mama, bu hahau dei ,,Du gehst nicht fort Mama, Du bleibst zu Hause".

lüei mama, mir hör bü-bü ,,weisst Mama, mir gehört das Büchl"

hä-hä umha de „dem Johannes einen Umschlag geben" mei wau dan hi-hi „meine Frau ist krank" eräpa dau hi-hi ,, Erdäpfel drauf sind" das ho bu hi\ „das so gut ist" bebejei ,, Bäckerei" bumbalja „Strumpfband"

tvei mama, bu he aude tver „weisst Mama, du später aufsteh n wirst".

wei mama, i ni änbä tver jeia, he-be wode wer; papa au wode? papa hi -hö ivode? ,, weisst Mama, ich werde nicht anpantschen das Kleid, (weil wir) später fortgehen werden", (wird) der Papa auch fortgehn? Ist der Papa schon fort- gegangen?"

193

26. II. 1904 Zum erstenmal du „Du", aber noch nicht immer.

dumm richtig nachgesagt, ebenso toni „Toni"

na-na bo-ho ,,Schnackerl stossen (= Schluchzen haben)"

ich ha hin ,,ich bin ein braves Mädi"

mama he mi andi\ „Mama, jetzt mich anziehn!"

han-han „Handschuhe"

hoi-hoiy wa-iva hui ,,Dolfi, warte Du!"

demma wir wo ,,gehn wir fort"

mu den ,,nuntergehn"

oje oje mama ni mer da ,,0 je, die Mama ist nicht mehr da"

wau he-he „Frau Rätin"

wa da dl war? ho, buhubo di war? „was da drinnen war? So, Butterbrot war drinnen?"

ne-ne mal ich au mitde „nächstes Mal geh ich auch mit^

ich au huitata nem „ich nehme auch eine Schul- tasche"

8. 10. 04 beim Aufwachen weint sie: i ni haha dan, ima hem-hem ma „ich kann nicht schlafen, es macht immer bem-bem". Es war nämlich eine sehr stürmische Nacht ge- wesen.

mama iva ma du denn da? ,,Mama, was machst Du denn da?"

wei er mi hühü ha-ha „weil er mich auf den Rücken geschlagen hat"

dan hon ahein mu den „kann schon allein hinunter gehen"

huhi „Kugelspiel"

her „Schere"

we-we „Fleckerl"

we-we din „Kaffee trinken"

dau-dau ha ich „draussen schlafe ich"

haüi „Sacktuch"

mu-mu ha ich „Schnupfen hab' ich"

ich iver mei potne auhe „ich werde .nein Portemonnaie aufheben"

mur eima hu ha „nur einmal hab' ich gerufen"

dau-dau ho mu-mu hi „draussen ist's so schmutzig"

Me ring er, Aus dem Leben der Sprache. 1"

194

haha ha immu, da ich ein da-da hi „Johannes sag^ immer, dass ich ein (ja-ga (garstiges) Mädl bin" maM „Marie" mi-mi „Mizi"

hä-hä dor c-e du ? „Johannes dort essen tut?" mei hubuwa ^mein Puppenwagen" ich au hur mc ich „ich auch turnen möchte ich" ich dan ni mi andi „ich kann nicht mich anziehn" mei hir-hir „meine Schürze"

Martha 3 Jahr 9 Mon. alt. 14. 3. 1905 Martha sagt zum erstenmal ja\ toni ho hi-hi nei „Toni solche Gesichter schneidet".

3 Jahr II Monate, de mir der dei(n) dämm „gib mir den kleinen Kamm" (9. 5. 05).

dan wo he? „Können Vogel reden?" Bemerke dan, das ein liunnen voraussetzt, nicht ein können, also zu den Fällen von Ausgleichung des Ablauts gehört.

4 Jahr, ich me ho dern anhaun der depa\ „Ich möchte so gerne anschaun den Krebs I" 4. 7. 05.

den wir hau-hau „gehn wir nach Hause".

henima „Semmel".

da mümü ma ich nll „Das Gemüse mag ich nicht!"

i die dete in hui dana? „Ist die Grete in die Schule gegangen?"

171 dei järn loer i au in hui den „In drei Jahren werde ich auch in die Schule gehn".

Das waren schon die bedeutendsten sprachlichen Lei- stungen des Kindes.

hodendate „Correspondenzkarte"

4 Jahr I Monat. Martha sah einem Wagenunglück zu. Die Pferde gingen durch, der Kutscher kam zu Fall und blutete stark. Sie kommt nach Hause und erzählt (27. 7. 05):

der huhu ha ho dehuhn „Der Kutscher hat so geblutet."

Dass uns bei solchen schlechten Fortschritten die ernsteste Sorge beschlich, ist begreiflich. Nach wenigen Monaten noch verhältnismässiger Stummheit fing Martha plötzlich zu sprechen an, und nun kam alles so rasch und unvermittelt, dass ein Auf-

195

zeichnen kaum mehr mögUch war: Die Sprache war so gut wie plötzUch da, aus der stummen Martha war eine redende geworden. Ihre „innere" Sprache war gewiss längst fertig, nur die äusseren Organe standen unter irgendwelchen Hem- mungen.

Einige Fehler macht sie noch jetzt, in ihrem 6. Jahre.

manchmal hinter mir und manchmal vorder mir.

ohne sie iveiss, es ist meine mutze, hat sie's runter gerissen „ohne dass sie gewusst hätte, dass es ihre Mütze ist, hat sie sie herabgerissen."

kandddedd „Katheder"

was das lusfere, das lusterste (Lustigste) ist, kann ich nicht sagen.

Ein grosses Verdienst um die sprachliche Entwicklung des Kindes hat sich meine Frau erworben. Als es gar nicht mit dem Sprechen vorwärts gehen wollte, nahm sie das Kind in ein stilles Zimmer und begann mit ihm Sprechübungen. Gutzmann') sagt: „Der Einfluss des fortwährenden Sprechen- hörens auf das (sprechunlustige) Kind wird sich bald zeigen." Das bewährte sich hier, wo die Mutter mit dem Kinde allein war und jede Störung ferngehalten wurde, so sehr, dass es gar nicht lange dauerte und die „Lektionen" waren nicht mehr nötig. Die Sprechlust war einmal erregt, und alles Übrige machte sich von selbst.

Ich schliesse hier eine Bemerkung an, die ich nicht besser unterzubringen weiss. Gutzmann erwähnt, dass die Angehörigen von sprechunlustigen Kindern oft verlangen der Arzt möge dem Kinde das Zungenbändchen durchschneiden. Er hält das in den allermeisten Fällen für sinnlos. Aber er berichtet weiter, dass in manchen Gegenden die Hebammen mit dem Fingernagel das Zungenbändchen durchreissen. Hier liegt offenbar ein alter Volksaberglaube vor, der das „Lösen der Zunge" befahl. Die Sache wäre weiterer Aufmerksamkeit wert^).

^) Über Verhütung und Heilung der wichtigsten Sprachstörungen S. 7.

-) Die alten Jäger schnitten den Raben, Dohlen, Elstern und Hähern das frenulum durch, damit sie leichter sprechen lernen. Marshall's Anm. zu Garner's Die Sprache der Affen S. 106 auf S. 178.

13*

196

4. Vika Cartellieri.

Geboren 3. Juni 1897*).

Von den „ersten Lauten" notierte Cartellieri bloss: akru akrä atta (jatta-gatta galt arolla rolla rait papapa papap papa pap papi apaij ahl mannama mmama mama ive ivc

I Jahr 6 Monate.

a petsi, a pcfsi (ihr Brüderchen Peter)

hüwi „Bubi"'

häsi „Hasi"

medi „Mädi"

ivi-wl

oto-teati „Hotopferdi"

hitta Uta liitta ditta „Vika"

imm „Rüben"

niimme „Birne"

arli „Karl" und „Hare" (offenbar „Karli" und „Harli")

*aisi „Fleisch"

'rt/s/ „Wasser" („Glas Wasser")

tet auivus „da steht der Krampus"

iör, „Nikolo" (der hl. Nikolaus)

iutta „Himmelmutter"

puppi „Suppi"; popß „Topf", „Erdäpfel"; podl „Brot"; mammä popp „Mama kommt"; ajjß Uli „Apfel schälen"; ettot „Helf Gott!"; mama memmi „Mama, nehmen!"; miuch, pliich „Bilderbuch"; 'ammi „haben"; titter „Zither"; wetti „Serviett"; betti „Bett"; autesa, otesa „Augengläser"; Uli ,, Brille"; papä lihl (warnend) „Papas Buch!"; tätsi, taitsi, taitsi „tanzen"; pt2n „Papier"; ekJceing „Schmetterling"; tat „Hut"; pupß „Strumpf".

Vika I Jahr 7 Monate alt.

4. I. 99. Nene pape mamä hoch ,, schöne Lampe, Mama gebracht" sagt V. auf die neue Lampe zeigend, ganz spontan.

Aüiüus müm müm (zeigend) ti, dittä baf „Der Krampus

') Ich gebe hier die täghchen Aufzeichnungen, die mir W. Cartellieri, zuletzt Professor des Sanskrit in Innsbruck, seinerzeit in Wien geschenkt hat, mit Beibehaltung von Cartellieri's Lautdarstellung wieder. Die Zeichen sind dem Linguisten wohlbekannt.

197

hat bumbum g-emacht an die Tür (von aussen), da war die Vika (g-leich) brav", erzählt sie der Tante, die zu Besuch konnimt, wiederholt, auch am Schlüsse ein treuherzig beteuerndes jäl anfügend.

bitti-hittil sammt Geste „bitte bitte" (früher sagte sie bl-M); wenn recht dringend, dann sagt sie bibittil

tauivi ,, Taube" (früher auwi)

tetsi ,, setzen". Sie sagt manchmal vielfach nacheinander testi tsetsi tetsi setsi bibittil tetsi bibettil, wenn sie auf den Schoss gesetzt werden will. (Das letzte e ist Nachklang der früheren, versprochen).

4. I. tseln ,, schälen" (früher Uli), tse „Schnee"

5. I. äpapei, auch pdpei ,, Papagei" (im Bilderbuch) mm (mmch) ätsaü {äsaun)\ „Bilderbuch anschaun!" gögi „Vogerl"

metsenin ,, Schmetterling"; nach mehrfachem Verbessern metteling.

butter (eig. bütter) ,, Butter"

örlärli „Cartellieri"

petsi-t-oto ,,dem Petschi sein Hoto-Wagerl"

tatatapiippie (gesungen) ,,tarara bumdieh"

leleräpß , .Schälapfel" „Apfel" überhaupt. Das Schälen ist ihr besonders interessant.

gaucli, pauch, tauch, naucJi, ^aucli sind Versuche, Brauch wiederzugeben.

mim mam ,,bimbam"

7., 8. I. tsessi. sessi „Sesserl"

Papa zieht die Stiefel an; sie setzt sich zu ihm auf den Boden, weil das Zuschnüren sie sehr interessiert und sagt:

2Mpä tsü ätsi, dittä tets ,,Papa Schuh anziehn, Vika setzen". tsü ist nicht etwa dial. cVScliuJi, was sie nie hört.

memmil bedeutet den Wunsch auf den Arm genommen zu werden. Nach der widerholten Bitte, die verstärkt als ditta memmi bibitte auftritt, wird sie genommen und sagt dann befriedigt: ditta mümmi. Was ist tnümmi'^

dittä tsen „Vika schön" (sich im neuen Kleid bewundernd).

198

Aber nene päpel „schöne Lampe!"

plf „Brief**. Aber täte dittä tif „der Tante Vika ihr Brief."

,,Anschaun" heisst jetzt nicht mehr ätSaun sondern änt- Saun, das wie aintsaun kling-t.

ut^imi „haben". Sehr liäufig gebraucht, -i ist ihr eigener Zusatz.

Vika hat drei neue Schürzchen (titsi) erhalten, zwei blaue (fall), ein rotes (clöt). Bei dem Versuche, ihr die Farben und die Bezeichnungen einzuprägen, läuft sie weg.

Ihr Bruder Petschi langt nach einem Apfel. Sie sagt lachend: apß ammi petsi „Apfel haben Petschi".

Sie hört, dass ein Bilderbuch ihr von Herrn Pepper ge- schenkt worden ist. Das nennt sie von da ab: ä {er) peppa miuch „Herr-Pepper-Bilderbuch'*.

Man sagt ihr, der Krampus habe die zerbrochene Puppe mitgenommen. Sie wiederholt: anivus {aiwiis, aijus) midommi midjommi amvus pepi (Name der Puppe) mihommi. Und später: pepi mommi, auwus pepi mommi usw.

häpßff „Bleistift"»)

aisi, aisi ,, Wasser", obwohl sie das Wort ganz gut nach- sprechen kann.

12. I. waiser „Wasser" {s dem ch ähnlich) naisi „Nase"

monne, monje „Sonne".

13. I. st)} (zweisilbig; <• nasaliert) „schälen" (früher h'li) pepi taidi autsitl sagt Vika, nachdem sie ihrer Puppe

namens Pcppi das Kleid ausgezogen hat.

tätlich papal Sinn: „Da liegt dem Papa sein Sacktuch!"

tsessi ditta dmm ,,Das Sesserl will die Vika haben". Zum I. Mal dmm statt dmmi.

petsi ninna eihei ,, Peter drinnen (im andern Zimmer) schläft," Spontan gesagt.

hüt auß sagt Vika von der Puppe, die einen Hut aufhat. Das i von auß falsche Analogie, oder es war beabsichtigt liüti

'j Ein anderer Knabe, Hans Schima, dessen Sprache ich nicht mehr bringen kann, sagte zweijährig babupf.

199

auf. Dann versprochen, Postposition. Das mundartliche aufß hört das Kind nie, würde hier auch gar nicht passen.

14. I. Peter ist im Nebenzimmer erwacht und schreit. Vika ruft, wie sie es von der Mutter gehört hat:

petsi, pöp sön\ „Petschi, komm' schon!'"

petsi möch? apäpfil „Was hat der Peter gemacht? Abgestrampelt!"

ditta möch? „Was hat denn die V. gemacht?" (wenn sie etwas angestellt hat).

äpäp auch „Der Hampelmann auch".

In den nächsten Wochen war Cartellieri in Innsbruck.

31. I. biUdahiich „Bilderbuch"

Neben ämmi schon hämmi „haben". Sie sagt nicht nur papi hammi, wenn sie essen, ivaisa hammi, wenn sie trinken will, sondern auch mama hämmi als Ausdruck der Sehnsucht nach der abwesenden Mutter, petsi hammi, wenn sie mit dem Brüderchen spielen will; ja sogar iviwi hammil Auch tatsi hammil „tanzen haben", wenn ihr der Vater das Lied spielen soll, nach dem sie gewöhnlich tanzt.

fai „zwei", fi ,,vier"

Sie hält in jeder Hand eine Puppe und sagt, das Zählen nachahmend, fai fi pepi „zwei vier Peppi". Ihre Puppen be- nennt sie alle Peppi. Ebenso sagt sie fi aits „vier eins", indem sie die Knöpfe an des Vaters Weste zählt.

Das Kind nennt sich selbst die ditta. Es kann ganz gut Vika nachsprechen, bleibt aber bei ditta, wie auch die Um- gebung sagt. Vilia spricht sie so nach, dass es oft wie blosses Tcka klingt, dass also die betonte Silbe wegfällt!

hatsihäd „Franzensbad"

ispuck ,, Innsbruck"

I. 3. höpjyä ämmi „Hoppa haben", wenn sie aus ihrem Sessel gehoben werden will.

pauivi ,, Tauben" (früher auwi)

Am 2. 3. 99. verreiste Cartellieri wieder nach Innsbruck und kehrte am 9. nach Wien zurück.

Unterdessen einige bedeutende Veränderungen.

200

Vika I Jahr 8 Monate alt.

lO. 2. häwi, hauwi „haben". Nicht mehr ammi. Die Assimilationen verlieren sich.

fimm „schlimm"; früher mimm

Öffater „Grossvater"; früher otater

sein „schälen"; früher Jeli

^eler „Schäler" (Schalen); früher leler. Wegen Krankheit keine Aufzeichnungen,

2o. 2. simm „schlimm"

bene läppe „schöne Lampe"

hepp „Hemd", heppi „Hemdi"

fäm (zweisilbig-) „Schwalben"

fätsihäd „Franzensbad"

eder „Eger" (nachgesprochen)

ummogn „guten Morgen!"

22. 2. Sie will die grosse Puppe haben, die sie zerbrochen hat und die ihr deshalb weggenommen wurde. Man gibt ihr eine kleinere, die sie aber nicht mag:

Nein neinl össe pepi, ditta bochl „Nein, nein, die grosse Peppi, die die Vika zerbrochen hat!" Ein Nebensatz!

2. 3. Die assimilierten Formen werden durch richtigere bedrängt, aber noch nicht beseitigt. Das Neue erscheint neben dem Alten.

attoffe „Kartoffel" {popftl

stiipf „Strumpf" (pupfi)

goJcJier, dohker „Dotter"

gukka-hetti, sukka-betti, tsiikka-hefti „Zudeckbetterl"

ncnasln „Nähmaschine"

eggi (oder ekki) „Engerl"

sai „Scher"

aisiupp „einstuppen"' (mit Puder)

ätsaun „anschaun"

täte „Tante"

häti „Handi"

Diese Beispiele (und eggi) zeigen, dass auf dieser Stufe n vor Konsonant noch nicht gesprochen wird.

sam „Schwamm"

201

hüder „Bruder"

näkhamäki ,,Nackermandl^' (auf mäkJcamaki)

3- 3- 99- tauwi ,, Taube" neben pauivi

menasin neben nenasln „Nähmaschine".

Kohlen wird nachg-esprochen höln, töln, thöln, fsöln.

die ditta ätsaun mamä papi toche „Ich will zuschaun, wie die Mama das Essen kocht."

Sie nennt sich zum i. Male spontan Vika. Das nächste Mal gleich wieder ditta.

Vika I Jahr 9 Monate alt.

5. 3. 99. attucht „Handtuch" sattucht ,, Sacktuch"

hilderhuclit ,, Bilderbuch" (bemerke dasselbe Suffix!)

appust ,,Krampus"j auch uzv/. öfter appus

Auch fist neben fis ,, Fisch". In allen diesen Fällen ein temporär wirkendes Individualsuffix -i.

er wird durch ai, ae wiedergegeben:

sai ,, Scher" und thaiivi ,,Körberl, Körbchen"

säi (zweisilbig-) „Schnee"

acke „Jackerl"

okke ,,Rockerl"

tsitte'ing „Zitherring" (zum Zitherschlagen)

inge inge aie „Ringe Ringe Reihe"

nüniiß, (dreisilbig) „ruinieren"

mittöme „mitgenommen"

pepper mittöme ,,Herr Pepper hat (es) mitgenommen"

die ditta ivewe, austöst topfi da „Ich habe Weh-Weh, ich habe mich angestossen mit dem Kopf, da!" Bemerke au = an.

6. 3. fetsi ,, Zwetschken" fimm simni tsinim ,, schlimm" fänt „Schwalben"

fibe „Zwiebel"

fai „zwei"

rifaist „Rindfleisch", r ist uvular. Wieder das t- Suffix.

petsi nin „da ist der Petschi drinnen" (z. B. im Spiegel).

üter beit „unterm Bett"

däkkel „Danke!"

202

8. iHich ,, Milch" (palatalcs ch) wü§ ,, Wurst"

papa wus, die ditta michpapi „Pai^a isst Wurst, ich eine Milchspeise".

di ditta ,. meine Schuhe"

9. 3. ä^m „Arm". tsigä'in ,,Zi8farren" stkke ,, Schinken"

10. 3. malike ,, Mantel"

cisibaun ,, Eisenbahn" (au etwas nasaliert)

ir. 3. engi „Eng^erl" (daneben noch efjgi)

singe ,, singen"

12. 3. pHer ,, später" (auch seter, fpeter nachg-esprochen)

14. 3. atiwise „abwischen"

15. 3. oks oder (aufmerksam nachsprechend) ohst „Ochs". Wieder das t- Suffix,

ba'i, hae „Bär" (in Schönbrunn)

waisser ninne, him hum\ „im Wasser drinnen bum bum!" sa^ sie dem Bären zusehend.

pfau „Pfau" (ebenfalls in Schönbrunn)

17. 3. hai hae „her" dewai deivae „Gewehre" da hai „daher!" (zeigend) auslain „ausleeren"

da sau hai „da schau her".

18. 3. mamä topp ,,Mama kommt" (früher popp) titte „Tinte"

19. 3. die ditta hier austukke hier häivi, noch ja, bittel „Ich hab mein Bier ausg-etrunken Bier haben, noch, ja, bitte!"

die ditta ball „der Vika ihr Ball = mein Ball".

20. 3. papä hüt üter tis „dem Papa sein Hut liegt unter dem Tisch". Gemeint war „auf dem Tisch".

mamä topt ,,Mama kommt". Beginn der Flexion.

21. 3. der petsi seit „der P, schreit", der zum i. Mal. häti dem „die Hand geben"

23. 3. supiJB „Suppe"

speter „später" wird mit Mühe nachgesprochen.

203

happhnan ,,lizmpe]msLVLn" mich „Milch" (l stark nasaliert) papttüpp „Papierkorb" hiters thor „hinters Tor"

24. 3. petsi spiJcJc ,,Der Petschi springt"

25. 3. picqja iveive üter m „Der Papa hat Wehweh an dem Knie." Das üter (,, unter") des Kindes hat allgemeine lokativische Bedeutung vgl. oben üter tis „auf dem Tische".

mama üter bett „unter der Mama ihrem Bett". Falsche Wortstellung. lies „Käse" hitter „Kinder" hiche „Kirche"

26. 3. Jiept (früher hepp) ,,Hemd". Das dial. Hembd, Hempt hört das Kind nie.

pfüshöcln, füsbödeii, fuisböden „Fussboden"

tsäde „Zahndl"

die ditta hefi dä\ „Ich will das Häferl da"

mama tür aufmachenl „Die Mama soll die Tür auf- machen!"

die ditta papi tochi „Ich möchte Essen kochen"

die ditta ball is? „Wo ist nur mein Ball?" Fragesatz.

die ditta mach däl „Was ich da mache!" sagt sie meist, wenn sie etwas Unerlaubtes tut. Von den Eltern hört sie: „Ja, was machst Du denn da?"

29. 3. se2)f „Senf". Sie lernte Wort und Sache erst heute kennen. Alle Versuche, ihr die richtige Aussprache beizu- bringen, sind erfolglos.

W^enn ihr Luftballon ihr entkommt und an die Decke stösst, so dass sie den herabhängenden Faden nicht mehr er- reichen kann, sagt sie:

bitte papa aufhebenl Das Wort kommt davon, dass man ihr Gegenstände, die ihr, indem sie auf dem hohen Kinderstuhl sass, entfielen, aufhob.

31. 3. die ditta fetta zumachl ,,Ich habe das Fenster zugemacht".

die ditta papi harn, papi üter tis, bittel „Ich will das

204

Bappi (einen Biskuit) haben, das Bappi unter (auf!) dem Tisch." Sieh oben.

I. 4. 2)(ip(>' hoste ,,Papa soll kosten"

ivaclier chocht ,,das Wasser kocht". Gewöhnlich aber schon richtig ivasser. Nach mehrmaligem Vorsprechen tvasser hockt.

ispult „Innsbruck". Wieder das -/.

Vika I Jahr 10 Monate alt.

3. 4. die data hffe nunter fall ,,Dcr Vika ihr = mein Löftel ist hinuntergefallen"; nunter ist das erste Beispiel von korrektem nt.

papa, taisilaufe, bittel „Papa, lass den Kreisel laufen, bitte!"

8. 4. die data füf such ,,Ich fürchte mich". Das Kind kann längst Vika sagen, sieh 30. i. 99.

V. kann bis zwölf zählen, lässt aber immer elf weg! eis, fei, dei, fi, fipf, sekse, sime, achte, neine, tsene, fef. Für fipf sagt sie auch füf, wenn man ihr fünf mit recht deutlichem ü vorspricht. Zu ßpf vgl. scpf = Senf.

Die Mutter hat ihr ein Spiel vorgemacht. Sie zerriss Orangenschalen in kleine Stückchen und gab diese in einen kleinen Topf, dabei zählend. Vika macht das nach, beginnt aber meist bei sechs, zählt richtig bis zehn und dann kommen die andern Zahlwörter ohne Ordnung:

sekse, sime, achte, neinc, tsene (auch sscne), achte, fipf, sime usw.

13. 4. die ditta papä lettich müt neisteck ,,Ich habe dem Papa seinen Rettig in den Mund gesteckt" (dh. ,,ich nahm Papas Rettig und ass ihn"), lettich erstes Beispiel l für r. müt obwohl die Lautverbindung nt schon einmal richtig ge- sprochen worden war (3. 4.)

petsi uffalt „Petschi ist (im Bett) umgefallen". Woher das -^? Vgl. 20. 3.

17, 4. Statt bitte hittel sagt Vika, wenn sie recht eindring- lich bittet hode bodel (Ich habe gerade bei diesem Worte auch ähnliches bei Martha beobachtet, aber viel später). Statt bode erscheint auch büde bei Vika.

13. 4. noch immer hejH ,,Hemd*'

205

15. 3- <^^^ <^'^^<^ luppe fester ueiivoff't „Ich habe Kluppen (zum Wäscheaufhäng-en) zum Fenster hineingeworfen". Ge- meint war aber „hinausgeworfen". Wohl Versprechen, nei- ivofft schwaches Partizipium.

17. 3. Sie will in ihren Kindersessel hinaufgehoben werden, sagt aber: die ditta mmtersteigny bittel Belehrt sagt sie die ditta naufsteign.

Ende April. Vika steht auf einem Stuhl und sieht zum Fenster hinaus. Sie sagt: immer lets, immer lets (immer regnets), die ditta nicht päpa (ich geh nicht aus), mamä eitaufe (sie sieht auf der Strasse die Mutter einkaufen gehn) a feisch Otter a lies „(ein) Fleisch oder (einen) Käs", steckt er nein sacki nein poizeimann hopt (sie sieht unten einen Polizeimann kommen, von dem sie gehört hatte, dass er die schlimmen Kinder in einen Sack steckt), kaiwi, kaiwi, (sie sieht, dass Kälber zum Fleischer gebracht werden).

Hier brechen die Aufzeichnungen Cartellieris ab. C, war beinahe vier Wochen von Wien abwesend. Zurückgekehrt fand er das Sprachbild Vikas ganz verändert. Sie selbst kannte ihn kaum mehr, sah ihn erstaunt an und wich scheu zurück. Von ihren Reden verstand C. nicht viel, die Mutter musste sie ihm übersetzen. Auch nach dreiwöchentlichem Aufenthalt zu Haus hatte er noch keine vollständige Kenntnis der Sprache des Kindes. Das Kind sprach jetzt sehr schnell und nachlässig, so dass sie halbe Wörter verschluckte. Cartellieri übersiedelte nach Innsbruck.

5. Erich Reinitzer.

Geboren November 1896.

Aus den Aufzeichnungen des Vaters 1) entnehme ich nur ganz wenige Tatsachen.

Erich hat ta demonstrativ verwendet. Mit 16 Monaten htt er an Aphthen. Darnach war ta verschwunden, um erst nach fünf Wochen wieder aufzutreten.

Im 19. Monate hängt er an auslautende Vokale ein m (vgl. Johannes oben S. 179)-

') Friedrich Reinitzer, Professor an der technischen Hochschule in Graz.

206

adm für ad

hotom für hoto „Pferd''

haham für haha „Hund"

tarn für

Besonderen Wert lege ich auf folgendes. Erich sah im 20. Monat im Bilderbuch das Bild eines schnappenden Fisches und sagte dazu Jiaml Seit dieser Zeit nennt er jeden Fisch ham. Der Lautkomplex ist also auch bei ihm ganz spontan entstanden. Vgl. oben Gretl S. 149 und Stern S. 306, 322.

Auch Rcinitzer fiel es auf, dass sein Söhnchen unter einer heftigen Gemütserregung plötzlich ein Wort ziemlich richtig sagen konnte. Bei einem heftigen Gewitter sagte Erich Donner sofort als dünm, iünnS, tömiä nach.

B. Allgemeines zur Kindersprache.

Man sollte eigentlich nicht von der Sprache der Kinder oder gar von der Kindersprachc sprechen, denn es gibt streng genommen keine. Was wir darunter verstehen, ist die Sprache der Erwachsenen in jenen Veränderungen, welche die Kinder mit ihr vornehmen, wozu noch der ganz geringe Teil von sprachlichen Äusserungen kommt, die sich nicht auf die Sprache der Umgebung der Kinder zurückführen lassen. Wenn man nun für gewöhnlich auch das Lallen zur Kindersprache hinzu- rechnet, so schadet das weiter nichts, denn niemand wird im Zweifel sein, dass es sich hier um ein eigentliches Sprechen nicht handeln kann. Dagegen will mir scheinen, dass unsere Aufzeichnungen zu früh schliessen, denn das kindliche Sprechen hat erst mit dem Augenblicke sein Ende erreicht, in dem das Individuum die Sprache seiner Umgebung vollständig beherrscht^) und das dauert auch bei den Kindern der Gebildeten, die bis jetzt beobachtet worden sind, sehr lange, denn vereinzelte Fehler werden wohl bis in die Nähe der Pubertät reichen, und es w^ird bei den Kindern der Bauern wahrscheinlich noch länger dauern.

Dass man sich nicht schon längst gezwungen gesehen

*) Eine aber verkehrte Definition der Kindersprache bei Ament Begriff und Begriffe der Kindersprache 1902 S. 25.

207

hat, das Wort „Kindersprache" aufzugeben, ist eig"entUch auf- fallend, hat aber seinen Grund darin, dass die Veränderung"en, welche die Kinder vornehmen, g-evvisse gemeinsame Merkmale zeigen. Aber diese führen nicht zu einer Identität. Nicht einmal meine drei Kinder, die genau dieselben sprachlichen Muster hatten, hatten dieselbe „Kindersprache"', sondern unter- schieden sich scharf von einander. Nach solchen Erfahrungen, die wohl auch von jedem anderen Beobachter gemacht worden sind, ist es ziemlich unbegreiflich, wie z. B. Ament^) sagen konnte: „Die SpracJte des einzelnen Kindes verhält sich zur Kindersprache im allgemeinen ivie irgendein Dialekt zu seiner Stammsprache: Die Worte sind sehr verschieden, die Gesetze ihrer Bildung aber gleich.''^

Aus derselben Sprache, der Sprache der gemein- samen Eltern, könnten aber die Kinder derselben Familie nach denselben Gesetzen nur dasselbe machen! Woher dann die Differenzen bei den sprach- lichen Leistungen der Geschwister?

Aber Ament ist noch weitergegangen. „Die Onomato- poetiha und die gesamte Ammensprache üherhaui^t sind nicht eine Erfindung der Mütter und Ammen, sondern der ungezählten Kinder vieler Jahrtausende, zu der die Mütter und Ammen in keinem andern Verhältnisse als dem der Fixierer, überlieferer und Nachahmer des Gegebenen stehen''^.

Eigentlich schade, dass das nicht wahr ist, denn wer hätte denn eine grössere Freude über dieses altehrwürdige Idiom als gerade der Linguist! Ich will dem verdienten Ament nicht nahetreten, aber das Jahrhundert des Kindes ist auch das Jahrhundert der kindischen Erwachsenen. Es liegt in der Zeit, dass wir alles, was sich auf das Kind bezieht, masslos überschätzen.

Es wäre sehr schön, wenn jemand ein Wörterbuch der Kindersprache schriebe und unter dem Schlagworte der Ver- kehrssprache all das verzeichnete, was die bis jetzt beob- achteten Kinder daraus gemacht haben geordnet nach zeit- lichen Abschnitten. Dann erst könnte er versuchen, auch die

*) Ament, die Entwicklung von Sprechen und Denken beim Kinde. S. 39.

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gleichbleibenden „Gesetze" zu formulieren und sie etwa mit unseren Lautgesetzen vergleichen, wobei es nötig wäre, dass er diese erfasst hat.

Es ist erfreulich konstatieren zu können, dass um nur das Wichtigste zu nennen die Arbeiten von Wundt, Meumann und jetzt von W. Stern (ich möchte aber auch Idelb erger und die kleine Schrift von Tappolet dankbar erwähnen) die Romantik von der Kindersprache abgestreift und die Fragen auf wissenschaftlich festem Boden ihrer Be- antwortung näher gerückt haben. Das ist ein sehr bedeuten- der Fortschritt gegen den Zustand, der noch vor nicht langer Zeit geherrscht hat.

Ich habe bei meinen drei Kindern genau das allmähliche Werden der Lautsprache beobachtet und trotzdem muss ich sagen, dass das Sprcchenlernen mir noch immer als ein Wunder erscheint. Unser Kollege A. Rollet pflegte zu sagen, die Sprache sei ein Geschenk des Ohrs. Das ist im allgemeinen richtig. Taubheit, ja schon höhere Grade von Schwer- hörigkeit in der Kindheit sind imstande, die Entwicklung der Sprache ganz oder in hohem Grade zu hemmen •). Und das Ohr hat seine Rolle für die Sprache nicht ausgespielt, wenn die Sprache erlernt ist, wie die merkwürdige Tatsache lehrt, dass vor der Pubertät ertaubte Kinder die Sprache wieder völlig verlieren können 2). Aber wie die Laute erzeugt werden, das kann das Ohr nicht lehren. Hier hilft der Ge- sichtssinn weiter. Aber auch das Auge kann vom Sprech- mechanismus nicht viel mehr als die Lippenartikulation beob- achten 3). Die überaus grössere Mehrheit der Sprechakte voll- zieht sich im Räume zwischen den Stimmbändern des Kehlkopfs und den Zähnen, ist also einer Beobachtung von aussen unzu- gänglich. Noch immer würde man das Sprechenlernen be- greifen, wenn man sähe, dass es das Kind so macht wie der

') A. Kussmaul, die Störungen der Sprache. 2. Aufl. S. 259.

^) Ebd. S. 52 und Anm. i.

') Über die Frage, ob die Kinder überhaupt die Mundstellungen der sprechenden Erwachsenen beobachten H. A. Idelberger, Die Entwicklung der kindlichen Sprache 1904, S. 70.

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Erwachsene, der eine fremde Sprache erlernt, indem er fort- während das von ihm Hervorg-ebrachte mit dem vom Lehrer Gehörten vergleicht und darnach bessert. Einen solchen syste- matischen Vorg-ang kann man beim Kinde nicht bemerken. Die Kinder üben nicht, sondern plötzlich, wie mit einem Schlage, erscheint ein neuer Erwerb, dessen Vorbereitung in keiner Weise zu beobachten gewesen war. Und so vollzieht sich, wenigstens für den Zuseher, die ganze Entwicklung der kindlichen Psyche nicht in Art einer aufsteigenden Geraden, sondern treppenartig, in Sprüngen.

Hier hegen grosse Rätsel vor, deren Lösung kaum jemals ganz gelingen wird. Gleich die erste Zeit der kindlichen Lauterzeugung, die Lallperiode, die der nachahmenden Zeit vorausgeht, zeigt Laute, die von denen des Tieres vollkommen verschieden sind. Eine Meng-e von Lauten, so zahlreich, wie sie gar keine Sprache kennt, aber von wirklich menschlichen Lauten, die kein Tier hervorbringen kann, ohne etwa nachzu- ahmen wie der Papagei. Diese Kindeslaute können noch nicht nachgeahmt sein, denn zur Nachahmung reichen die unvoll- kommnen Sinne noch nicht aus, sie kommen aus dem Innern, sie entspringen ererbter Disposition. Mit Wundt muss man annehmen, dass das Kind infolge seiner Abstammung von unzähligen Generationen sprechender Ahnen physiologische Prädispositionen zur Lautbildung mitbringt i).

Aufs lebhafteste war ich aber überrascht, als ich beob- achtete, dass Kinder in der Lallperiode Laute von selbst hervorbringen, die sie in der Zeit der nachahmenden Sprache nicht gleich zu erzeugen in der Lage sind, sondern erst durch andere Laute substituieren, bis sie sie dann wieder mit einem Male produzieren können. Zu meiner Freude kann ich fest- stellen, dass diese wichtige Beobachtung auch Ament^) und Tappolet gemacht haben. Tappolet sagt 3): ,^Es ist eine durch genaue Beobachtung mehrfach erprobte Tatsache, dass

') W. Stern S. 149.

*) Ament Begrift" und Begriffe der Kindersprache S. 51 f.

^) E. Tappolet, die Sprache des Kindes, Basel 1907, S. 85.

Meringer, Aus dem Leben der Sprache, 14

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das Kind, bevor es sprechen Jcann, unendlich viel mehr Laute hervorbringt, als es nachher braucht . . . Besonders merkwürdig ist nun, dass das Kind auf dieser primitiven Stufe oft Laute erzeugt, die ihm nachher, in der Periode der Nachahmung nicht mehr gelingen. Wie viele Kinder haben wir g und k lallen hören, ge-ge-ge und ka-ka-ka usw., die gleichen Kinder sagen aber später regrlmässig: dut für gut, tolc für Kohle und distanne für Griesskanne •* .

Das entspricht gfenau meiner BeobachtunjT. Nur habe ich von Gretl noch uvulares /•, l, auch Zischlaute gehört, soweit sie ohne Zähne hervorzubringen sind. Bei Gretl ereignete sich das Sonderbare, bis jetzt noch nicht Beobachtete, dass sie gleich nach der Geburt Laute lallte, dann bei eintretender Gesundheit verstummte und erst wieder genau mit Beginn des vierten Monats, aber dann in der behaglichsten Stimmung, lallte i).

Wie sich dieses scheinbare Verschwinden der ererbten Laute erklärt, ist bis jetzt nicht bekannt. Vermag das Kind in der ersten sprachnachahmenden Zeit die 7, k, r usw. nicht zu erkennen? Die labialen und dentalen Laute sind ja viel leichter zu erkennen, weil sie ganz oder teilweise der Beob- achtung des Auges zugänglich sind. Oder aber erkennt das Kind auch die schwierigeren g, k, r usw. und sind nur die Nervenleitungen vom akustischen (Wernickeschen) Zentrum zum motorischen (Brocaschen) noch nicht leistungsfähig?

Warum hat sich aber in der Lallzeit, in der das Kind auch g, k, r usw. bereits sagen konnte, nicht eine gut funktio- nierende Verbindung von akustischem und motorischem Zentrum entwickelt? Hat das Kind damals seine eigenen Laute im akustischen Zentrum aufgenommen, so dass die akustischen mit den motorischen Bildern in Beziehungen getreten sind, oder nicht? Jedenfalls kann man nicht annehmen, dass damals bloss für einzelne Laute die Bahn vom akustischen zum motorischen Zentrum fahrbar gemacht wurde.

') Das Kind, das schon im 4 Monat grli-grli sagte, sprach 1 Jahr 9 Mon. Jing für „Ring".

noch mit

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Die Sache steht wohl so, dass aus der Lallzeit über- haupt keine brauchbare Verbindung- vom akustischen zum motorischen Zentrum besteht, und dass erst in der nach- ahmenden Zeit nach Massgabe der progressiven Perzeption der Laute die Leitungsbahnen leistungsfähig werden. Und das wird auch durch die Schwierigkeit der ersten Nach- ahmung von gehörten Sprachteilen bestätigt.

Ich will hier eine Beobachtung zur Vererbung erzählen. Mir fiel schon vor vielen Jahren auf, dass die Juden mechanisch mit einem ch sprechen, wie wir es nur nach einem dunkeln Vokale, also etwa in Sache, suchen sprechen, während wir in dem Worte mechanisch dasselbe ch hervorbringen wie in Sichel, fächeln usw. Mir gelang es einige Male nach der Aus- sprache des Wortes mechanisch festzustellen, dass ein Mann, den ich bis dahin für einen Christen gehalten hatte, weil nichts mehr, weder die Sprache noch sonst etwas an den Juden erinnerte, ein Jude sei. Meine Diagnosen erwiesen sich als richtig. Um nun sicher zu gehen, bat ich E. Szanto, der selbst Jude war, auf das Wort bei seinen Glaubens- genossen zu achten. Auch Szanto bestätigte nach mehr- jähriger Beobachtung die Richtigkeit der Tatsache.

Aber woher haben nur die Juden ihr ch in mechanisch ? Wirkt hier noch die Sprache ihrer Ahnen mit, oder ist es bloss die Nachwirkung des Unterrichts im Hebräischen, den sie in ihrer Jugend geniessen? Auffallend ist jedenfalls, dass eine völlig fremde Sprache, wie es das Hebräische für den Juden von heute ist, solche tiefe Spuren hinterlassen kann^).

Die Vererbung der sprachlichen Disposition ist unzweifel- haft. Aber man darf sich dieselbe nicht so vorstellen, dass etwa ein Kind deutscher Eltern gerade für das Deutsche besonders prädisponiert wäre. Davon ist keine Spur zu be- merken. Es wäre sonst auch ganz unbegreiflich, dass Kinder rein deutscher Eltern im Lallen Laute hervorbringen, die dem

') Kann man etwa in Deutschland, wo auch die Christen im Gymnasium. Unterricht im Hebräischen geniessen, bei diesen dieselbe Erfahrung machen. dass sie in mechanisch das ch von suchen, Sache sprechen?

14*

212

Deutschen vollkommen fremd sind. Die Reichhaltig"keit der von den Kindern in der Lallperiode hervorgebrachten Laute zeigt, dass die Kinder zur Erlernung jeder menschlichen Sprache durch Vererbung prädisponiert sind.

Von grösster Wichtigkeit ist für das Sprechenlerncn auch der Nachahmungstrieb. Ich sehe keinen Grund, in ihm etwas anderes als eben einen Trieb zu erblicken, denn er bestimmt und treibt uns in verschiedenen Altern zu Hand- lungen wie eben ein richtiger Trieb. Schon Aristoteles hat ihn richtig gewürdigt^): .,Das Nacliahmcn ist dem Menschen angeboren u)id von Jugend auf vertraut: ragt er doch in An- sehung dieser Begabung und dadurch, dass er seine ersten Kenntnisse auf diesem Wege erwirbt^ vor den anderen Lebe- wesen hervor-, und nicht minder allgemein ist die Freude an Nachahmungen'*. Der Nachahmungstrieb ist in der Jugend am stärksten und nimmt dann allmählich ab, ohne aber je ganz zu verschwinden.

Der Mensch ahmt nach, weil er nachahmen muss. Kussmaul sagt-): ,,Das Kind ahmt die Worte der Mutter nach wie das Seilen des Hundes und das Blöken des Schafes"". Ein normales Kind ist auch sprechlustig. Sprechunlust ist abnorm und wird am leichtesten durch fortwährendes Sprechen- hören geheilt^], was ich, wie oben mitgeteilt, in meiner eigenen Familie zu erleben Gelegenheit hatte. Je öfter etwas gehört wird, desto stärker wird der Nachahmungstrieb heraus- gefordert.

Bei den Tieren ist gewiss Nachahmungsfähigkeit ein Zeichen geistiger Begabung. Die Vögel lernen voneinander singen, viele Vogelarten machen sehr erfolgreich die Töne anderer Vögel nach*). Aber beim Menschen genügt schon

') Ilepi «otTjTix^c c. 4. Vgl. Aristoteles Poetik übersetzt und eingeleitet von Th. Gomperz 1S97 S. 6. Ament Begrifl" und Begriffe der Kinder- sprache S. 7.

-) A. Kussmaul. Die Störungen der Sprache 2. Aufl. S. 8, 54.

') H. Gutzinann. Über die Verhütung und Heilung der wichtigsten Sprachstörungen 1S98. S. 7.

*) Garner. Die Sprache der Atien übersetzt von Marshall 1900 S. 131 Vgl. auch S. 177 (Marshalls Anm. zu S. 106).

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sehr geringe Begabung zur Nachahmung. Es gibt idiotische Kinder, sagt H. Gutzmann, die vollständig reden können, ja die Redensarten der Erwachsenen ^^nur so hervorsprudeln'^. Merkwürdig ist, was hier nicht unerwähnt bleiben soll, dass der Affe niemals versucht, die menschliche Sprache nachzu- ahmen. Hier scheint sein Rubicon zu sein (Marshalls Anm. zu Garners Buch, S. 113 auf 181). Beim Menschen kommt es aber in seiner höheren Entwickelung darauf an, ob er die Nachahmung einschränken kann und seine Kräfte freier zu entfalten vermag.

Dass blindgeborene Kinder später sprechen lernen als andere, ist ein Beweis, dass das Sehen der Muskelbewegungen des Mundes das Sprechenlernen erleichtert^). Die jüngeren Geschwister lernen im allgemeinen leichter sprechen, weil die Nachahmung der Sprache der älteren Geschwister ihnen leichter wird als die Nachahmungder Sprache der Erwachsenen^).

Ich habe mir keine speziellen Zusammenstellungen über die Zeit des Auftretens der ersten klaren Nachahmungen des Kindes gemacht. Oltuszewski hat die ersten Nachahmungs- bewegungen im achten Monat bemerkt 3). Scupins Knabe ahmte im elften Monat spontan das Hundegebell mit huhiih und wuhu nach'*) und meine Gretl ahmte rnir im 8. Monate ha nach, als der Hund bellte und ich den Laut wiederholte. Ich habe den Eindruck, dass solche Erlebnisse der Kinderseele die Fähigkeit nachzuahmen früher auslösen als die gewohn- ten Vorgänge.

Dass die Nachahmungskraft des sprechenlernenden Kindes viel bedeutender ist als die des Erwachsenen, ist allgemein anerkannt. Man muss staunen, mit welcher Treffsicherheit Kinder Geräusche, die sie nie zuvor gehört haben, nachahmen^)- Gerade das Neue, Ungewohnte, Abweichende ist es, was oft die Kindesseele am meisten aufregt und zur Nachahmung zwingt.

') H. Gutzmann aao S. 6.

^) Stern aao S. 2545.

") W. Oltuszewski Psychologie und Philosophie der Sprache 190 1. S. 47

*) E. und G. Scupin Bubi's erste Kindheit S. 43.

^) Stern aao S. 273.

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„Unsere Hilde^\ sagt Stern S. 256, „nahm um i; 10.^) von einem . . . sehr stark schlesisch sprechenden Kindermädchen in wenigen Tagen die Endung ele an, die sie nun in allen möglichen und unmöglichen Formen verwandte. Und noch mit fast 7 Jahren war sie für DialeJcte so empfänglich, dass sie schon nach zweitätigem Aufenthalt in Graudenz begann, in be- stimmten Redensarten unbewusst den singenden Ton der West- prcussen zu gebrauchen.

Ein Kind braucht nur eine Stunde bei einer stotternden Person zu sein, um das Stottern nachahmen zu können, kann aber auch dadurch schon selbst zum Stotterer werden. Ein Lehrer hatte bei Beginn des Schuljahres einen Stotterer in der Klasse, am Schlüsse des Schuljahres stotterten fünf^). Patienten mit sprachlichen Defekten sollen einzeln behandelt werden. „Findet sich z. B. unter den Fatienten einer, der ganz besondere Schwierigkeiten hei einem Laute hat, so kann man oft erleben, dass mehrere andere diesen Laut mit einem Male auch nicht mehr herausbekommen^^ '^). Hier liegt natürlich eine krankhafte Steigerung des Nachahmungstriebs vor.

Früh erworbene Fehler in der Aussprache bleiben manchmal zeitlebens. Gutzmanns berichtet'*): „In einem Falle handelte es sich um vier Geschwister, welche sämtlich nach dem Vorbilde der Amme die s- Laute aus dem rechten Mundtvinhel her vor zischten. Als diese vier Geschwister er- wachsen waren, pflanzte sich diese üble Angewohnheit auf das Kind eines derselben fort. Die andern hatten ihren Kindern schon Namen gegeben, in denen kein s-Laut vorkam und ent- zogen sich so viel ivie möglich dem Umgange mit ihrai Kindern, um nur die Übertragung zu vermeiden. In einer anderen Familie fand ich denselben Fehler auf drei Kinder durch die Amme übertragen. In einer dritten Familie hat ein Kind ein

') i. e. I Jahr lo Monate. Diese Art der Altersbezeichnung würde sich zur allgemeinen Annahme empfehlen.

*) H. Gutzmann. Des Kindes Sprache und Sprachfehler 1894 S. 41,

44, 47. 179-

') A. Lieb mann Vorlesungen über Sprachstörungen i. 2. Heft S. 49 (1898).

■*) H. Gutzmann Über die Verhütung usw. S. 9.

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wendisches Kindermädchen . . . so sprach es statt „HuP^ Ut, statt r,Hanne'^ Anne.

Ich komme auf diese Tatsachen noch zurück.

Ich möchte in bezug auf die sprachHche Entwicklung" des Individuums vier Stadien annehmen^), von denen sich die ersten zwei mit denen Wundts decken.

I. Die Zeit der Schreilaute, das erste Vierteljahr2).

II. Die Lallzeit, die Zeit der artikulierten, sinnlosen Laute. Das Kind verfügt bereits über spezifisch menschliche Laute^).

III. Die Zeit der Sprachnachahmung-, der eigentlichen Spracherwerbung. Der Lautstand wird vollkommen beherrscht aber noch nicht die Formen.

IV. Die Formen werden erst in dieser Periode voll- ständig- erworben. „Der Dackel ist mir ansfjeiveichP'' , „Es hat heute sehr gegiesst^^ (geg-ossen, stark g-erechnet), sagte Johannes noch mit 41/4 Jahren.

Vereinzelte Fehler, die diesen Formentgleisung-en ent- sprechen, kommen bis ins hohe Alter vor, wie oben die Auseinandersetzung-en über das Versprechen zeigen.

Über die Laute der Lallzeit (II) verg-leiche man Idel- b erger Entwicklung- der kindlichen Sprache S. 68, Ament Begriff und Begriffe der Kindersprache S. 52, Stern S. 128, 146, Scupin S. 219.

Wenn man eine allgemeine Charakteristik der Zeit der Sprachnachahmung (III), dessen, was man gewöhnlich „Kinder- sprache" nennt, geben will, so müsste man etwa folgendes sagen:

1. Von den Silben des Worts wird die hochbetonte (Akzent)-Silbe am besten wiedergegeben, die anderen im An- fang gar nicht.

2. Von der Akzentsilbe ist es wieder der Vokal, der am treuesten reproduziert wird.

*) W. Ament, Begriff und Begriffe der Kindersprache S. 6, 8, 17, 25.

*) A. Kussmaul. Die Störungen der Sprache- S 47.

^) E. Mach. Die Prinzipien der Wärmelehre Leipzig 1896 leugnet im Kapitel über ,,Die Sprache" die Berechtigung, die Sprache der Tiere unartiku- liert zu nennen. Doch vgl. Marshalls Aum. (zu Garner S. 103) S. 176. Paul, Prinzipien^ S. 169.

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3- Lautet die Akzentsilbe konsonantisch an und aus, so wird der Anlaut besser wiedertj;-ei>-cben als der Auslaut. Letzterer erscheint im Anfang- oft überhaupt nicht. Lautet aber die Akzentsilbe vokalisch an, dann erscheint der Aus- laut schon früher.

4. Zwei- und mehrfache Konsonanz wird vereinfacht.

5. Von den Konsonanten werden zuerst die Labialen, dann die Dentalen, endlich die Gutturalen richtig- wiederge- g-eben. Die Liquida r, l sowie s, seh, h machen meist zu- läng-st Schwierigkeiten.

Ich möchte also versuchen, anderes und mehr zu geben, als z. B. Stern S. 285, mit dessen Charakteristik der „Kinder- sprache" ich nicht g-anz einverstanden bin.

Auf die Ammensprache näher einzugehen, habe ich keinen Grund. Sie ist nichts anders als ein Versuch, das Wort ähnlich, wie die Kinder es selber tun, zu verunstalten und ist ein Unfug, denn ein Kind, mit dem man immer „talkt" wie wir sagen lernt später richtig sprechen als ein anderes. Immerhin wäre es gut, wenn man die Ausdrücke der Ammen zusammenstellte (z. B. hot-hot „Pferd", haidi „schlafen usw.), damit man einmal nachsehen kann, woher diese von Ament so phantastisch überschätzten Gebilde stammen. Weither ist es mit ihnen gewiss nicht^). Welche Wörter des Urindogermanischen aus dem Lallen und Sprechen der Kinder stammen, ist eine Frage für sich. Sterns Versuche der Er- klärung von indogermanisch *p9ter „Vater" spricht mich nicht an.

Von Interesse für die Sprachwissenschaft sind die Kinder- reduplikationen und Assimilationen. Sie sind Paul 2) nicht entgangen. Er schreibt: ^^Das Kind vermag zunächst nur einen Konsonanten mit einem Vokale zu Jcomhinieren, welche Kom- bination dann in der Regel verdoppelt wird. Von solcher Form sind die am frühesten erlernten Wörter der Ammensprache {papa, niama usw.), und auf diese Form werden zunächst

*) Paul Prinzipien der Sprachgeschichte ^ S. 163 *) Paul Prinzipien S. 16S.

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kompliziertere Wörter reduziert.^ Paul zitiert aus dem Sprach- schatze eines zweijährigen Mädchens tata „Martha", bahel „Gabel", popf „Knopfe, detie „Decke", pomm „komm" usw.

Die Kinderreduplikation stellt uns wirklich vor ein Rätsel.

Idelberger sagti): „i)^e Gefühle {Affekte) und Begehrungen sind nun hei dem einjährigen Kinde in solcher Stärke vor- handen, dass sie nicht durch einen einmaligen, sondern erst durch einen mehrmaligen Gehrauch eines Wortes vollständig ausgelöst iverden. Deshalh ist auch gerade die Beduplikation seiner sprachlichen Äusserungen neben dem Klange der kind- lichen Stimme und der ihre Verwendung hegleitenden Gehärden das sicherste äussere Kennseichen ihres emotionell-volitionalen Gebrauchs. Diese Beobachtung halte ich für eine der wert- vollsten, die ich hei der Beschäftigung mit dieser Frage gemacht habe, iveil sie uns einerseits tatsächlich ein unfehlbares Mittel an die Hand gibt, den Wunsch oder affektionellen Charakter der Kindesivorte zu erkennen, andererseits auch die Entstehung vieler Eeduplikationen physiologisch begründet."

Das letztere ist eine Frage für sich, aber das andere lässt sich hören. Wenn ich gleichwohl nicht davon überzeugt bin, so hat das seinen Grund darin, dass Martha (5 V4 jährig) noch val-val-kleid „Voilakleid" sagte, aber ebenso bei-hei für „dabei". Bei diesem letzteren Wort ist wohl wenig ,,Emo- tionell-volitionales" vorhanden.

Auch W. Stern denkt anders. Er hält (S. 149) die Silbenverdoppelungen für ein letztes Residuum der Wieder- holungstendenz der Lallperiode. Aber er meint weiter (S. 275), dass die Reduplikation eine Übereinstimmung von Kind und Naturvolk darstelle, wovon später zu sprechen sein wird.

Was ist nun wahr? Richtig ist, dass die Kinder sich endlos wiederholen, wie ungebildete oder leidenschaftliche Erwachsene, die sich nicht ausschöpfen können. Aber die Kinderreduplikation ist spezieller Art, sie ist nicht mehr das zahllose Wiederholen der Lallzeit, sie ist der Regel nach eine Doppelsetzung. Das ist ihr charakteristisches

'j Entwicklung d. k. Spr. S. 39.

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Gepräge. Und von dieser Doppelsetzung- bleibt dann, wie Paul ganz richtig gesehen hat, die Assimilation von An- und Auslaut, von der jede Kinderbiographie Belege bringt.

Eine Erklärung der Kinderreduplikation müsste also gerade der Doppel Setzung gerecht werden. Sie hat viel- leicht einen ph\'siologischen Grund. Wir Erwachsene sprechen mit der linken Hirnhälfte (Brocasche, Wernickesche Stelle), wenn wir Rechtshänder sind, mit der rechten, wenn wir Linkshänder sind. Der kleine Sprechling ist Doppelthänder. Seine innere Sprache wird demnach nicht entweder links oder rechts, sondern wird beiderseitig lokalisiert sein. So könnte die Kinderreduplikation eine Folge der doppelten Impulse sein, die um diese Zeit noch von beiden Hirnhälften aus- gehen. Je mehr eine Hand verwendet wird, desto mehr tritt auch die eine Hirnhälfte in Funktion. Die rechte Hirnhälfte des Rechtshänders kann aber nicht von jeher ganz ohne sprachliche Betätigung gewesen sein, denn sonst wäre es unmöglich, dass sie für die linke einspringen kann, wenn diese durch Krankheit ausser Dienst gesetzt ist. Das Wieder- erlernen der Sprache bei den Aphatischen würde sich am ehesten daraus erklären, dass wenigstens in früher Jugend die andere Hirnhälfte bei der Spracherzeugung mitbeteiligt gewesen ist.

Aber darin hat Idelberger sehr recht, dass er mit Nachdruck auf den emotionell-volitionalen Charakter der ersten Kindersprache hingewiesen hat. Kinder sind sehr leiden- schaftlich, so lange sie wachen, wollen und begehren sie irgend etwas. Und deshalb sollten auch ihre mimischen Ausdrucksformen beobachtet werden wie ihre Sprache.

Das Gefühlsleben des Kindes ist ein reiches. Lust und Unlust begegnen noch keinen Hemmungen. Auch kleine Ursachen erzeugen grosse Wirkungen. Aber für das Kind ist eben nichts klein und unbedeutend. Alles kann Gegen- stand seines Begehrens werden. Martha ahmte mit i Jahr 5 Monaten nur einige Laute (aJi! puhl) und einfache Gebärden nach (z. B. Kopfnicken), aber sie hielt manchmal nicht oft Lallmonologe mit ah wah . . . und reichlicher Aktion

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der Hände. Johannes hielt um diese Zeit mit „Rednergebärden und Sprecherg"ewicht" Sermones, um seinen jeweiligen Stand- punkt zu vertreten (3 Y^ jährig). Bei Gretl hatten sich aber mit 6 Jahren schon die meisten mimischen Ausdrucksformen verloren oder doch sehr abgeschwächt. Der Unterschied der Kinder war um diese Zeit (November 1902) sehr auffallend. Die kleineren erschienen viel leidenschaftlicher in ihren Aus- drucksbewegungen als die ältere Schwester.

Mit der Zunahme der Sprache scheinen die mimischen Mittel des Ausdrucks zurückzugehen. Erziehung tut natürlich auch noch das ihrige, um den Leidenschaften Hemmungen zu bereiten, die habituell werden.

Die freudigen Affekte werden mit V^okalen ausgedrückt. die gehobenen Kehlkopf bedingen. Wenn Martha der Bau eines Turmes gelang, so jubelte sie ijil Ärger und Verdruss fand seinen Ausdruck in ä und u. Johannes heulte in ä- und M-Lauten. Damit stimmt auch, dass das Lachen der Er- wachsenen mit hihi, das ganz breite mit haha wiedergegeben wird. Wenn der Dichter das Gruseln hervorrufen will, bedient er sich der ««-Färbungen der Vokale 1).

Scupin hat im ersten Monate schon Mundspitzen bei Aufmerksamkeit entdeckt (S. 3), eine Bewegung, die man bei Frauen öfter beobachten kann. Martha warf i Y^ jährig bei grosser Freude (z. B. wenn man mit ihr tanzte) den Kopf so weit ins Genick, dass man meinen konnte, er breche ab. Ahnlich lachen wie schon bei Marthas Biographie ge- sagt — manche Erwachsene mit auffallend weit zurückgelegtem Kopfe. Als Ausdruck der Freude beobachtete ich auch, dass die Kinder auf die Schenkel schlagen, was bei den Er- wachsenen eine Geste des Erstaunens ist. Gretl schlug sich vor Vergnügen auf den Bauch, was später auch Martha machte. Bei den Erwachsenen sagt man, sie halten sich vor Lachen

^) Im „Graf von Eulenfels" heisst es:

Hier stöhnt es dumpf und schauerlich, Wie aus dem oftnen Grabe : Huhul Wie lange, dass ich mich Nicht mehr gewärmet habe!

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den Bauch. Vielleicht steht das in Zusammenhang mit den kindlichen Gesten.

Die Ausdrucksbeweg'ungen sind ererbt und bleiben beim Menschen, wenn sie auch durch Kulturzunahme zurückgedrängt werden. In Momenten, wo die Hemmungen wegfallen, stellen sie sich alle wieder ein und die tierische Sprache mit allen ihren Ausdrucksmitteln erscheint neben der menschlichen.

Viel wurde die Frage erörtert, ob die Kinder sprach- schöpferisch sind. Ich bin zur selben Ansicht gekommen wie Stern (S. 337). Wenn man unter Urschöpfung oder Worterfmdung die selbständige Herstellung einer künstlichen Beziehung zwischen Wortklang und Bedeutung versteht, dann spreche ich sie den Kindern ebenso ab wie Stern (S. 342). Auch Idelbergeri) leugnet ein spontanes Erzeugen, eine Wortbildung der Kinder ohne äussere Anregung. Zur Beurteilung der scheinbaren Worterfindungen haben Idelberger und Stern so viel Gutes gesagt, dass es nicht nötig ist, auf diesen Punkt weiter einzugchen.

Aber Neuschöpfungen mit oder infolge äusserer An- regung sind ebenso sicher nicht in Abrede zu stellen.

Ganz gewiss ist mir das Wort harn für „essen". Ich habe oben erzählt, wie Gretl und Erich Reinitzer zur Bildung dieses W^orts kamen. Es malt die schnappende Bewegung des Mundes nach Speise. Dieses liani, das genau dem Worte derselben Bedeutung entsprach, das Taine von seinem 14 monatlichen Mädchen hörte, ist vorläufig das best belegte Beispiel einer originellen Kinderschöpfung^). Aber sie hängt mit dem Dinge, das sie bezeichnen soll, zusammen.

In deutlicher Verwandtschaft mit diesem ham steht am, mam. Darwins Sohn sagte mumm (englisch zu sprechen), Compayre berichtet am, Scupins Sohn sagte mam für „Milch", später mama für „Flasche" „will trinken"^).

') Die Entwicklung der kindlichen Sprache S. 46, 48.

-) Man wird ham wohl gewiss noch oft finden. Aber es sei zur Vorsicht gemahnt, denn es kann leicht auch aus haben', entstehen und denselben Sinn annehmen. Nur dort, wo diese Entstehung ausgeschlossen ist. kann unser ham vorliegen.

^) Stern S. 306, Ament Begriff usw. S. 26, 28, Scupin S. 29, 42.

221

Und dieser Zusammenhang besteht wohl auch, wenn Kinder etwas sich Drehendes, etwas Rollendes bezeichnen wollen. Gretl nannte den „Ball" ha, hang, hangana, mangan. Schon die Mehrheit der Formen zeigt, wie hier die Kindes- seele selbsttätig- mitarbeitet. Ein andermal setzte sie zu halli-halli noch galloli hinzu. Ein fast identisches Wort hat Kussmaul schon konstatiert i) : „Ein Knahe von i V2 Jahren . . . hegrüsst alle rollenden OhjeMe: Kugeln, Münzen, einen Garnlinäuel, Bleifedern usw. mit dem Ansrnf ,,Galloh!''' „Dies ist ein Anschauungsreflex in Gestalt einer Lautmetapher"' . Auch Gretls helum-helum gehört hierher. Aber nur onomato- poetisch ist Bubis giglang „Rad", „Dreirad", wohl von dem yJdingMing'''' der Alarmglocke, und ebenso ging-ganga „elek- trische Bahn".

Wie man nun den Zusammenhang etwa zwischen einem rollenden Gegenstande und einem Worte galloh, galloli'^) her- stellen soll, darüber möchte ich keine Meinung abgeben, aber der Zusammenhang besteht.

Auch hier wieder brauchen wir Zusammenstellungen, ehe wir weiter können. Auch der sonst so besonnene Forscher Stern geht mir viel zu weit, wenn er weitere Zusammenhänge sucht, wenn er auch Demonstrativa usw. so entstehen lässt. Diese Fragen sind noch nicht spruchreif. Ohne es zu wissen folgte hier zwar Stern den Spuren Jakob Grimms, der schon sagte, Je sei so recht fähig, das Wesen der Frage auszudrücken, t zeige, deute, erwidere, aber unser Material reicht hier noch nicht aus. Man muss erst wirklich sehen, ob unsere Kinder ganz von selbst auf Demonstrativa mit einem Dental kommen, ohne Beeinflussung ihrer Umgebung.

Schon sehr alt ist der Glaube, dass „die Kindersprache" etwas über den Ursprung der Sprache überhaupt lehren

') Kussmaul, Die Störungen der Sprache ' S. 49 Anm. Vgl. dazu Ament Begrift' usw. S. 27.

■^) Diese Wörter sind nicht etwa aus einem „Hallo^^ der Erwachsenen entstanden. Das wäre weder uns, meiner Frau und mir, noch auch einem Beobachter wie Kussmaul entgangen. Material bei Stern S. 330.

222

kann. Soweit es sich um Wörter des ham- und galloli- Typus'), denen man den onomatapoetischen ftw-Typus (Bellen) hinzu- gesellen muss, handelt, hat die Frage einen Sinn.

Aber keinen Sinn hat sie bei jenen Wörtern der Sprachen, die nicht auf solche Typen zurückzuführen sind, und das ist die erdrückende Mehrheit.

Auch Haeckels biogenetisches Gesetz^) hat man in der Sprachentwicklung des Individuums finden wollen, in der „Kindersprache". Für mich, der die Existenz einer „Kinder- sprache" überhaupt leugnet, besteht die ganze Frage nicht. Aber wenn man auch am alten Worte und dem, was man darunter verstand festhält, braucht man doch nicht an dieses Gesetz zu glauben. Stern sagt S. 263: „jBei einer Nach- prüfung der Frage ivird man gut tun, das Häckelsche Wort ,biogenetisches Gesetz' zu vermeiden, da es die auf alle Fälle

*) N. Rhodokanakis macht mich aufmerksam, dass in den semitischen Sprachen die Wurzel gall im Sinne von „rund", „rollen" u. ä. vorkommt. Er gibt mir folgende Zusammenstellungen.

Hebräisch, gal (Stamm: gll.) „Steinhaufen", von übereinander ge- rollten Steinen. Jos. 7,26. Gen. 31,46. Hi. 8,17. usw.

galgal (Stamm: gl^ redupl.) „Rad", Jes. 5,28. Jer. 47,3 usw.

gilgäl nomen loci, vgl.

gulgoläd- iTol-io^a'.) „Schädel, Kopf." Ri. 9,53. 2 K. 9,35.

gälil (Stamm gll.) „drehbar" i K. 6,34. „Walze" Esth. i,6.

g:lüäh „Umkreis, Landstrich" vgl. Galilaea! Von demselben Stamm (gll) verschiedene Verbalformen mit der Bedeutung im Aktiv: „rollen, wälzen" ; Passiv: „Zusammengerollt werden" usw.

Im Arabischen ist dieselbe Radix (gll) in ähnlichen Bedeutungen, wenn auch nicht so durchsichtig, erhalten; z. B. §alla-t^^ „runder Mistfladen" (gewöhnl. Brennmaterial.) §algala-P'^ „Schädel".

Das Aramäische (nur im Syrischen Dialekt herangezogen) kommt in den Ableitungen und Bedeutungen von gll dem Hebräischen sehr nahe. Das markanteste Beispiel: giylä (aus *gilglä) „Rad".

Im Äthiopischen dürfte die Radix glg („häufen" etc) mit gl, gll der übrigen semitischen Sprachen zusammenzustellen sein.'

Assyrisch gallu „wogend" gillu „Welle Fluth" hängt mit Heb. gal „Quelle". PI. „Wellen"; syrisch ^faZZä „Woge", graWeZ „wogen" usw. zusammen und wird allgemein von demselben Stamme gll abgeleitet.

*) Ament Begriff usw. S. 78: Das biogenetische Grundgesetz (!) Ament Fortschritte der Kinderseelenkunde 1906 S. 16.

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anfechtbare Behauptung enthalt, dass das Individuum in irgend- einer geheimnisvollen Weise zu einer ReJcapitulation der gattimgs- mässigen EntwicJdungstatsachen angelegt sein solle.^^ Damit ist so viel weggeworfen, dass kaum mehr etwas übrigbleibt. Stern will nur von „genetischen Parallelen" sprechen i). Das möge man auch tun, möge sie sammeln und möge sich hüten, viel daraus zu schliessen!

Geradezu Verdruss müssen dem Sprachforscher die Ver- suche machen, zwischen der „Kindersprache" und der Ge- schichte der Sprachen Parallelen herauszufinden. Ament hat damit begonnen, aber ohne in das Wesen der sprachlichen Veränderungen irgendeinen tieferen Einblick zu habend). Übrigens sind solche Versuche schon vor Ament für verein- zelte Erscheinungen gemacht worden. Ein Gelehrter be- obachtete, dass ein Kind für „KatzerV' tatzerl sagte. Sofort war ihm klar, warum der alte Inder einst caJcära statt ^kaJcära gesagt hätte. Solche Erklärungen, die jenseits von Gut und Böse sind, verstummen nach und nach, aber was bleibt, ist nicht viel besser. Wenn M. Grammont^) sagt: Toutes les modifications fonetiques, morphologiques ou sintaxique qui carac- terisent la vie des langues apparaissent dans le parier des enfants, so mag das hingehen, denn die Kinder verändern in ihrer Gesamtheit so viel, dass allerdings Parallelen erscheinen müssen. Aber bedenklich wird die Sache, wenn Grammont einem kindlichen capet „paquet" beifügt, c'est la meme nietatese que woMS trouvons p. e. dans lit. Jcepii ä cöte de v. sl. peht., gr. 7i£(7(70). Dieselbe Metathese? Vielleicht auch nicht, denn wir wissen nicht, ob sie aus derselben Ursache entstanden sind. Vielleicht sind beides „versprochene" Formen; dann hätten sie mit der „Kindersprache" überhaupt nichts zu tun.

Auch Stern sagt S. 285: y^ßetrachtet man die Verstümme-

*) Stern S. 264: „Diejenigen Seiten des Sprachprozesses, die aus inneren spontanen Entwicklungstendenzen geistigen Lebens hervorgehen, können onto- genetisch und phylogenetisch Parallelen zeigen; diejenigen Seiten, welche durch Ausseneinflüsse bestimmt werden, müssen Disparitäten zeigen."

*) Man vgl. Ament Entwicklung usw. S. 41, 45, 46, 47, usw.

^) Melanges linguistiques offerts ä M. A. Meillet Paris iqo2 S. 61, 73.

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lungen der Kindersprache unter linguistiscJiem GesichtspnnTcte, so zeigen sich alle Formen, die auch die allgemeine Sprach- geschichte Icennt: Elision, Lautivandrl, Assimilation, Metathesen, freilich zum Teil mit eigentümlichen Modifihationen.

Das wäre eine sonderbare „linguistische" Betrachtung's- weise. Auch Stern weiss nicht genau, was eine sprach- g-eschichtliche Veränderung- ist. Diese ist an Bedingungen gebunden, gilt im weitesten Umfange und wirkt bloss inner- halb bestimmter zeitlicher und örtlicher Grenzen. Die „Kindersprache"* könnte man mit den wirklichen Sprachen dann vergleichen, wenn es eine gäbe. d. h. wenn die Kinder einer denselben Dialekt sprechenden Genossenschaft eine gemeinsame Kindersprache sprächen, die nach denselben Ge- setzen aus der Sprache ihrer Umgebung gebildet ist! Das gibt es aber nicht. Nicht einmal die Kinder derselben Eltern sprechen gleich.

So kommt man auch hier wieder im besten Falle zu „Parallelen". Man kann auch diese zusammenstellen, aber man möge wieder so wenig als möglich daraus schliessenli) Für die Geschichte der lautlichen Entwicklung der Sprachen werden uns die kindlichen Individualsprachen nicht viel lehren, mehr für die Formenlehre; aber dass z. B. die Reduplikation der Sprachen mit dem kindlichen Doppelsetzen etwas andres als die menschliche Basis gemeinsam hat, gilt mir als unbe- weisbar und unannehmbar.

Verschiedene Gelehrte sind der Ansicht, dass die Tatsache der immerwährenden Veränderung der Sprachen ihren Grund darin habe, dass die Sprachen auf immer neue Gene- rationen von Kindern übertragen werden. Also die „Sprache der Kinder" wäre schuld an dem ewigen Wechsel. Ich habe nie daran geglaubt und glaube auch heute nicht daran, nach-

') Mein Johannes machte aus „trinken" kritiken, aus „drehn" grehn. Denselben Fehler merkte Ament Entwicklung usw. S. 49 an. Dieselbe Er- scheinung finden wir im späten afrikanischen Latein macri = matri (Sommer, Handbuch der lateinischen Laut- und Formenlehre S. 232). aber auch im Paelignischen pristafalacirix = lat. ^praestabulatrix, und wieder finden wir den Wechsel in franz. craindre gegen lat. tremere. Was folgt daraus.-

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dem ich drei Kinder neben mir zu beobachten reichhchste Gelegenheit hatte.

Nur in bezug auf wenige Punkte könnte ich einen Ein- fluss der „Kindersprache" auf die Entwicklung der Sprachen für diskutabel halten.

1. Schwache Laute werden in der neuen Generation über- haupt nicht mehr perzipiert und daher unterdrückt.

2. Gewisse Assimilationen könnten aus der Kindersprache herstammen. Meine Martha sagt heute noch ich möU „ich möchte".

3. Schwache Kategorien schwinden. Vergleiche den Kampf der Kinder gegen unsere starken, ablautenden Zeit- wörter, die sie durch schwache zu ersetzen Lust haben.

4. Seltene, in ihrem Bau unklar gewordene Wörter fallen in neue psychische Assoziationen (Volksetymologie).

Aber auch hier homme ich über die Zweifel nicht hinaus, denn alle diese Regungen finde ich genau so beim Erwachsenen und habe sie reichlich beobachtet. Wie stark müssen diese Triebkräfte auch beim Erwachsenen sein, wenn sie sich so häufig trotz aller Übung und Gewöhnung auch bei ihm finden und oftmals im Versprechen sich offenbaren!

Zu 2 möchte ich bemerken, dass ich yuy gegangen „gut gegangen" und Ähnliches mehr sage. Zum beippil, zum beippi „zum Beispiel" ist doch gewiss nicht bei Kindern, sondern bei Erwachsenen entstanden. Wegen 3 verweise ich auf das Versprechen. Paul, Prinzipien ^ S. 206 sagt: „Jede Sprache ist unaufhörlich damit beschäftigt, alle unnützen Ungleichmässig- Jceiten .zu beseitigen, für das funldionell Gleiche auch den gleichen lautlichen Ausdruch zu schaffen''^. Das ist vollkommen richtig. Wenn wir aber sehen, wie sich diese Arbeit auf die verschiedenen Alter verteilt, so finden wir daran nicht nur die Kindheit, sondern auch das Mannesalter, ja auch das Greisenalter be- teiligt. Zu 4 möchte ich nur hinweisen, dass die deutschen Soldaten vom Jahre 1870/71 von den Zuckerhüten des Onkels Baldrian sprachen, wobei sie die Geschosse des Forts vom iMont Valerien meinten. Wegen ähnlicher Kinderetymologien

Meringer, Aus dem Leben der Sprache.

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verweise ich auf hrandamlimann „Baron Andrian" und Stern

S. 373-

Aber mehrere Tatsachen sprechen laut j^c^en jede Er- klärung" der Sprachveränderungen aus der Kindersprache.

1. Idelberg^er') sagt: Es zeigt sich „eme so geringe Fähigleit, das einmal Gesprochene fesizulialtcn und zti wieder- holen, dass man hieraus mit aller WaJirscJieinlichkeit schliessen kann, dass das Kind nicht imstande ist, eine etwa erfundene gegenständliche Bezeichnung auch nur einmal zu wiederholen, geschweige denn konstant derart zu gehrauchen, dass dieselbe zu einem zeitweisen oder dauernden Bestandteil seiner Sprache ivird."' Das gilt von den „Urschöpfungen", aber noch mehr von den lautlichen Veränderungen. Und diese ändern sich ja selbst immer wieder. Ja, wenn die Kinder derselben Sprachgenossen- schaft dieselben bleibenden Tendenzen in der Veränderung der Laute hätten ! Aber davon ist nichts zu bemerken.

Scupin S. 47 sagt: „Eigentümlich ist, dass oft Gutge- lerntes wochenlang nicht mehr angewandt und getan wird. Es ist augenscheinlieh vergessen und niuss wieder von neuem ge- lernt iverden^.

Man denke auch daran, wie selten unsere Erinnerungen aus der ersten Kinderzeit sind. Sie beginnen zumeist erst mit dem 5. und 6. Jahre; in dieser Zeit ist aber die „Kindersprache" meist schon geschwunden.

2. Vor der Geschlechtsreife erlaubte Kinder können die Sprache vollkommen verlieren! Sie werden taubstumm, wenn sie vor dem 6. oder 7. Jahre ertaubten. Aber es sind Fälle beobachtet worden, wo die Sprache noch nach dem 14. Jahre vollkommen verloren wurde. Wie schwach müssen also die Ein- drücke der „Kindersprache" auf die kleinen Sprecher selbst sein.

Ich habe eine merkwürdige Beobachtung an Johannes gemacht. Als er schon leidlich sprechen konnte, gefiel er sich in der Rolle eines Baby 2) und talkte wieder aber

*) Idelberger. Die Entwicklung usw. S. 50.

*) Kinder spielen überhaupt gern Baby sein. Der Besuch bei einem Wickelkind macht ihnen oft einen solchen Eindruck, dass sie sofort Baby spielen müssen, mit jenem tiefen Ernste, der jedem kindlichen Spiele eigen ist.

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falsch I Er konnte es nicht mehr, er hatte seine Lauteebuno- selber schon vergessen. Hier einige Beispiele:

toltaten und perde „Soldaten und Pferde" Okt. Nov. 1902. „iveil ich so dein bin"" „klein"

du bist ein jabenüich „Rabenvieh"

iveyyetotten „weggestossen"

di midi soll dommen „die Mizi soll kommen".

(jemüde „Gemüse".

ich will einen goten („grossen") schimmel htiifen und nach Hutland („Russland").

lüill tand ^„Sand") taufein („schaufeln") mit dem tiefer (, Schiefer").

Johannes hat in diesem kindlichen Hyperdorisch klar bewiesen, dass er keine rechte Ahnung mehr hatte, wie er früher gesprochen.

Wenn die Verhältnisse darnach wären oder einstmals ge- wesen wären, dass es zu einer wirklichen „Kindersprache" käme oder hätte kommen können, könnte man trotzdem noch an manches glauben. Es wäre an sich denkbar, dass durch den Verkehr der Kinder eine gewisse gemeinsame Sprache sich irgendwo entwickelt hätte. Aber dazu waren weder in alter noch in neuerer Zeit die Verhältnisse günstig. Die Kinder haben in den ersten Jahren früher in den verstreuten Wohnsitzen der Siedelungen noch weniger Gelegenheit sich in grösserer Anzahl zusammenzufinden als heute, wo doch meist nur Kinder von Nachbarn verkehren. Und zu einer halbwegs einheitlichen Sprache könnte es auch so nicht kommen, denn das verschiedene Alter der Kinder und der verschiedene Stand ihrer sprachlichen Entwicklung liesse eine gemeinsame Sprache nicht aufkommen. Bei den kleineren Kindern fehlt aber zum Verkehr die notwendige Voraussetzuno-, eine gewisse Fertigkeit in der Sprache.

Die Kinder haben eine ganz besondere Fähigkeit, auf- fallende sprachliche Erscheinungen nachzuahmen, und be- halten solche durch Nachahmung erworbene Eigentümlichkeiten lange, oft zeitlebens bei. Ich habe oben auf einige hierher- gehörige Beobachtungen (Ansteckende Kraft des Stotterns,

15*

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einer falschen Aussprache von Zischlauten usw.) hingewiesen. Wir finden hier eine Zähigkeit des F'esthaltens, die sonst der kindlichen Seele fremd ist. Es handelt sich offenbar um starke Eindrücke. Daraus könnte man eher schliessen, dass Kinder besonders gceio^net erscheinen, Abweichungen der Sprache, die sie bei einzelnen Erwachsenen bemerken, nach- zuahmen und festzuhalten. Aber was erklärt die Tiefe des Eindrucks solcher bei völlig normalen Menschen unter allen Umständen doch nur geringer Verschiedenheiten? Ich kann mich erinnern, dass ich als Gymnasiast in den ersten Jahren die Sprachweise eines Lehrers nachahmte und dafür von meinem Mitschülern verspottet wurde. Aber geblieben ist von dieser nachgeahmten Sprechart bei mir nichts.

Dass die lautlichen Veränderungen der Sprache nicht von den Kindern herrühren, ist meine feste Überzeugung i). Das Gegenteil wurde oft auch von Männern ausgesprochen, die weder den Beweis, dass sie die Kinder, noch den, dass sie die Erwachsenen im Sprechen beobachtet haben, jemals er- bracht hatten. Von niemand ist auch nur die Spur eines Beweises der Urheberschaft der Kinder gefunden worden.

Aber auch die anderen sprachlichen Veränderungen schrieb man den Kindern zu. Ich greife auf einen älteren Aufsatz von A. Wallensköld-) zurück, weil hier die Ansichten, die auch heute noch die meisten Anhänger haben, besonders deutlich ausgesprochen sind.

y,Wie weit die Ua geschicktheit heim Erlernen des Neuen gehen kann, zeigen die Metathesen, Dissimilationen und Assi- milationen sivischen zwei nichtbenachharten Lauten, die sämtlich M. E. im Munde eines Anfängers entstanden sind. Ein italienisches Kind {oder eine erwachsene Person), das zum ersten- mal glorioso hörte und es nachsagen tvollte, irrte sich und sagte grolioso, ohne den Unterschied wahrzunehmen, wonach es immer die umgebildete Form brauchte wul sie auf andere Individuen,

') Auch der neue Versuch von £. Herzog, Streitfragen der romanischen Philologie 1904 (vgl. namentlich S. soff.) ist missglückt.

'j A. Wallensköld, „Zur Klärung der Lautgesetztrage" Roman. Ab- handlungen Herrn Prof. Dr. Ad. Tobler dargebracht. S. 2S9.

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die das Wort mich noch nicht l:annten, übertrug. Dass ein Mensch, der schon fßorioso aussprechen Tcann^ dazu Tionimen tvürdc, diese Aussprache in grolioso auf lautyesetzlichem Wege SU ändern, ist natürlich undenkbar (!), da glorioso > grolioso einen Sprung in der Aussprache voraussetzt und die lautgesetz- liclien Lautverändenmgen, wie ich gezeigt zu haben glaube, in ausserordentlich Ideinen Schritten vor sich gehen müssen^. (VVallensköld S. 296).

Ich hoffe, meine obigen Darlegungen über die Be- ziehungen entfernter Laute in der inneren Sprache werden auch VV. von diesen seinen Meinungen abbringen. Selbst das Argument der Sprunghaftigkeit der Entwicklung von glorioso : grolioso, welches übrigens schon H. Paul zu denken gab, be- weist nichts. Auch die Metathesen, Assimilationen, Dissimi- lationen bereiten sich langsam vor, indem die „versprochenen" Formen immer häufiger werden. Warum sie dann in manchen Fällen durchdringen und zur Regel werden, bleibt dabei dunkel.

Auch die Schöpfung eines ital. greve (statt grate) nach lieve fällt nach W. einem römischen Kinde zu. Er achte aber im Leben darauf, wie zahlreich die Erwachsenen solche Bildungen hervorbringen, und er wird zugeben, dass die Möglichkeit der Entstehung- solcher Kontaminationsformen immer gegeben ist.

Man kann aber an einzelnen Fällen zeigen, dass sie be- stimmt nicht den Kindern ihr Dasein verdanken. Die Hunderter werden im Jonischen, i\ttischen und Lesbischen mit -xotioi gebildet (Biaxöaioi usw), das aber sonst (im Dorischen und Böotischen) als -xaTioi erscheint. Woher stammt nun das 0 von -X0C7101? Man sagt allgemein, dass es von dem 0 der Zehner auf -xovTa abstammt. Haben nun die Kinder das Wort für die Hunderter nach dem Wort für die Zehner um- gebildet, die sprechenlernenden Kinder unter sechs Jahren? Diese pflegen zumeist noch andere Sorgen zu haben, als die Zahlwörter über hundert zu üben.

Ähnliches lehrt das Lateinische. Nach quadräginta ist gebildet sexäginta, nonägintä. Also wieder Analogiebildungen. Neben octögintä erscheint spätlateinisch ocfägintä. Das

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von sepfuägintä scheint von einem alten octucujintä abzu- stammen, das aber von einer Neubildung odögintä verdrängt wurde *)• Es sind also auch bei den Zehnern reichliche Analogiebildungen zu bemerken, die man. nach den Erfahrungen an unseren Kindern zu schliessen, gewiss nicht den Kindern vor Jahrtausenden zuschreiben darf.

Um nur noch einen Fall zu nennen, wo die Kinder keine Rolle spielen können. In allen Sprachen ist das Pronomen personale der Tummelplatz der lebhaftesten Analogiewirkungen. Und eerade dieses tritt bei den Kindern zuletzt auf, wenn die Sprache schon mehr oder weniger festsitzt. Am persönlichen Fürwort kann sich also die „Kindersprache" nicht mehr be- sonders betätigen, denn ihre Zeit ist ziemlich bald abgelaufen, wenn das Ich auftritt ').

Meiner Meinung ist der Anteil der Kinder an den sprach- lichen Veränderungen sehr gering. Wenn wir dann sehen, wie z. B. die Sprache kleinster Kreise gesellschaftlicher, sozialer Art schöpferisch ist, dann muss man zum Schlüsse kommen, dass der die Kultur verändernde Faktor auch die Sprache ändert, der Erwachsene.

*) Sommer Handbuch S. 498.

*) Stern S. 239; namentlich S. 243.

3. Hauptstück.

Zum Nachahmungstriebe^).

Oft hört man, der Mensch sei ein Herdentier. Wer macht uns denn dazu? Das ist der Nachahmungstrieb, einer der elementarsten Triebe des Menschen- Lustg-efühle ent- spring-en seiner Befriedigung, Unlust, bis zum Schmerz ge- steigert, entspringt seiner Hemmung. Wenn Essen den Hunger stillt und das Individuum erhält als Individuum, so ermöglicht der Nachahmungstrieb erst das Leben des Individuums in seinem sozialen Kreise. Wer diesen Nachahmungstrieb nicht in genügendem Masse hat, erscheint den andern als von der Natur verkürzt, ein Narr oder ein Bösewicht. Der Nach- ahmungstrieb ist der gesellschaftbildende und gesellschafter- haltende Trieb, der Trieb, der höhere Vereinigungen, als die Familie es ist, ermöglicht. Ohne ihn gibt es keine Organisation, kein assoziatives Handeln, keinen gemeinsamen Angriff, keine gemeinsame Abwehr.

Der Nachahmungstrieb ist jene Einrichtung, womit die Natur das unbegabte Individuum vor den Folgen seiner Dumm- heit schützt. Man tut das, was die andern tun; das genügt, man ist ein Ehrenmann, ein tüchtiges Mitglied des Kreises, dem man angehört.

') Vgl. die wissenschaftliche Beilage der Neuen freien Presse vom 2 1 Januar 1904. Indogerm. Forschungen XVI S. I95f. 1904. Ich halte mich hier an meine damaligen Ausführungen.

Literatur: G. Tarde. Les lois de l'imitation 3 Paris 1900. Ein Buch, das mich schon wegen der Art. die Dinge zu sehen, wenig anspricht.

P. Beck, Die Nachahmung und ihre Bedeutung für Psychologie und Völkerkunde Leipzig 1904. Enthält viel Anfechtbares.

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Nachahmung ist auch meist und für die allermeisten Indi- viduen das einzig Richtige. Was nützt es, sich ausser die Reihe der Nachahmenden zu stellen, wenn man nicht die Kraft zum Kampfe hat? Gegen den. der etwas anders machen will, stellt sich sofort die ganze Herde und senkt die Hörner. Nicht mit Unrecht. Sic verteidigt einen erträglichen, mindestens ge- wohnten Zustand, Neues ist nicht immer Gutes. Hat aber der Neuerer Gewalt in sich, dann wird er ein Führer, seine Gedanken werden aller Gedanken, er denkt für die andern, bis dann im notwendigen W'echselspiel der Kräfte der Ge- danken wieder ein anderer kommt und im Kampfe für sich die Palme des Sieees erwirbt. Wer den guten Gedanken, aber nicht die Gewalt hat, wird ein Vorläufer. Er ist ein Halber, aber er steht hoch über dem gewöhnlichen Nachahmer, an dem nichts neu oder originell ist, obwohl ihn dieser ewige Erfahrung geringschätzt.

Das Alter, in dem jedes Individuum so gut wie nichts als Nachahmer ist, ist die Kindeszeit. Ich möchte nicht jede Ver- erbung verwerfen, denn man findet bei Kindern Erscheinungen, die man nicht anders erklären kann. Die allermeisten Über- einstimmungen von Kindern und Eltern entspringen aber dem Nachahmungstriebe in dieser so aufnahmsfähigen Zeit. Wenn die Ärzte heute sagen, das Kind kommt gesund zur Welt, der kranke Vater oder die kranke Mutter übertragen erst im Verkehr etwas, z. B. eine Lungenkrankheit, auf das Kind, so scheint mir das auch auf geistigem Gebiete zu gelten. Das Kind ahmt alles nach, oft ganz sinnlos, es folgt einem ge- bieterischen Triebe, es muss. Ein Kind gut erziehen, heisst ihm für seinen elementaren Nachahmungstrieb die richtigen Muster geben, was man glücklicherweise nachgerade weiss. Das ewige Wort des Kindes, das die Eltern so oft ungeduldig macht, ist: „Ich auch, ich auch!" Alles, was andere tun, will es auch tun, was andere haben, auch haben.

Ich glaube, dass das, was man beim Kind Neid nennt, oft nichts weniorer als das ist. Aber auch beim Erwachsenen ist Neid oft nur die Hemmung des Nachahmungstriebes. Der normale Neid ist nur das Auchhabenwollen, das Auchtunwollcn,

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das nicht ermöglicht ist. Aber in dem Triebe Hegft nichts Unedles. Wenn ein anderer mehr arbeiten kann als ich, bessere Gedanken hat als ich, so bin ich ihm nicht neidig- in dem Sinne, dass ich wünschte, er hätte solche Eig^enschaften nicht, ich wünsche nur, ich hätte sie auch. Dass ich es ihm nicht nachmachen kann, das ist mein Unlustg-efühl. Was ist also Neid? Verhinderung des Nachahmungstriebes. Man hat sehr richtig- g-esagt, dass der Bettler nicht den Mann beneidet, der in die Equipag-e einsteigt, sondern den Mitbettler, der den Wagen rascher erreichen kann und so ein Almosen er- langt. Der Neid lebt also nur in der Verkehrsgenossenschaft, in der eben auch die Nachahmung herrscht. Natürliches Ge- fühl nennt den, der einen Herrscher beneidet, einen Narren. Das ist schon insofern richtig, als das Neidgefühl das Gefühl der Gleichheit mit dem andern voraussetzt, der wirklich be- stehenden oder der beanspruchten.

Soviel mag vom normalen Neide gelten. Abnorm wird er, wenn man das dem andern nicht gönnt, was man selbst hat. Das ist Herrschsucht, denn man will nicht, dass der andere in derselben Verkehrsgenossenschaft, sagen wir gleich Nachahmungsgenossenschaft, dieselbe Achtung geniesst wie man selbst, oder überhaupt dieselben Vorteile irgendwelcher Art, die ihn ebenso mächtig machen. Das Auchhabenwollen leugnet niemand, den wirklichen Neid aber jedermann, und wär's auch der missgünstigste Geselle Es ist raöghch, dass jemand den wirklichen Neid als das Prinzip erklärt und das Auchhabenwollen als seine Kulturerscheinung. Ich sehe die Sache anders. Neid erscheint mir abnorm, ein Krankheits- oder Altersdefekt. Sucht ein vollgefressenes Tier einem anderen die Nahrung wegzunehmen?

Was noch gar nicht genügend studiert ist, das ist die unglaubliche Nachahmungsfähigkeit des Kindes. Von Freude oder Leid werden sie fast augenblicklich entzündet. Man sieht bei ihnen übrigens auch bei Erwachsenen Er- scheinungen, als ob die eine bewegte Psyche die andere ohne weiteres im selben Sinne erregen könnte, wie eine Saite die andere gleichgestimmte zum Mitklingen bringt. Mit was für

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Ding^cn das zug'cht, das weiss der liebe Gott allein. Über- haupt: Der liebe Gott! Wie oft wäre er seither entdeckt worden, wenn seine Entdeckuni;- nicht schon so uralt wäre. Ein grosser Historiker sagte, das Beste bei der Erklärung der Weltgeschichte müsse noch immer der liebe Gott leisten. Das kann man wohl von aller Wissenschaft sagen; aber deshalb steht sie noch nicht unter der Kritik jedes Toren.

Im Leben des Erwachsenen heisst die Fuchtel, unter der er steht, Mode. Sie ist weit weniger harmlos, als man ge- wöhnlich meint. Mode ist nicht nur herrschender Geschmack in Kleidung, Mode ist aller herrschende Krauch, auch die herrschende Art, zu denken, zu fühlen, zu handeln. Es ist nicht der geringste Grund vorhanden, diese Arten und Äusserungen des Nachahmungstriebes zu zerreissen, es gehört alles nach seiner psychischen Quelle zusammen, ist dasselbe. Auch die Kleidcrmodc ist herrischer, als die meisten empfinden. Man kann sich ihr nur in Kleinigkeiten entziehen. In manchen Gegenden trägt der Bauer seinen Pelz mit den Haaren nach aussen. Weh' dem, dem es einfiele, den Pelz mit den Haaren nach innen zu tragen. Er wäre ein Narr, mehr als das, ein PVevler, man würde ihn meiden. xAber nicht genug mit solchen Dingen. Heute stutzt man den Pferden den Schweif; eine törichte Geschmacklosigkeit und eine unnötige Tierquälerei noch obendrein. Man kann sagen, dass es geradezu ein Gesetz ist, dass Pferde, den besten Ständen gehörend, gestutzte Schweife haben. Warum? Weil man's tut. Alle Bekannten haben ebensolche verunzierte Tiere. Eine Dame würde sich schämen, mit anderen Pferden auszufahren, man würde sie ver- höhnen. Nämlich die Standesgenossen. Man kann heute eben nicht mit anderen Pferden fahren, wenn man den obersten Ge- sellschaftsklassen angehört.

Bismarck sagte einmal, das Mitglied einer politischen Partei brauche einen Führer, damit es sehen könne, ob es bei einer Abstimmung aufstehen oder sitzen bleiben solle. Man kann die organisierte Nachahmung nicht besser charak- terisieren. Doch spielt hier noch etwas anderes mit. Aber auch in Dingen, auf die wenig oder nichts ankommt, wird

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nachgeahmt und muss nachgeahmt werden. So in allem, was der Ethnograph Sitte und Brauch nennt. Es gibt genug Menschen hauptsächlich Männer, Frauen weniger die den Unsinn vieler unserer Bräuche ganz gut einsehen. Aber sie folgen trotzdem, denn sie wissen, es anders machen, heisst kämpfen müssen, und der Kampf ist bitter. Man muss das tun, was „man tut". Das heisst, man muss so denken, fühlen, handeln wie der Kreis, dem man angehört. Für den Mann, dem solcher Zwang unerträglich ist, gibt es nur ein Rettungsmittel: die selbstgewähltc Vereinsamung.

Die Nachahmung in der Wissenschaft. Sie besteht hier so gut wie anderswo. Die wenigsten Gelehrten sind originell. Das „man tut es" gilt auch hier, nur wird es „wir glauben", „wir nehmen an" ausgesprochen; das heisst, man glaubt, man nimmt an, was die andern, ein Kreis, eine Schule glaubt und annimmt. Das genügt. Wer in der Arbeitsrichtung einer Schule den grössten Fleiss entwickelt, geniesst das höchste Ansehen. Diejenigen, welche den Haufen umschwärmen darauf achten, dass er mit den andern Truppen in Fühlung bleibe und nicht etwa in einen Sumpf gerate, werden weniger geschätzt.

Das, was man in der Wissenschaft Schulen nennt, hat aber seine Berechtigung. Nichts hat so sehr das Recht, sich auszuleben als der Gedanke. Und das besorgen die Schulen. Erst wenn es sich zeigt, dass der Gedanke nicht mehr fähig ist, des Stoffes Herr zu werden, dann ist er und mit ihm die Schule verloren. Je mehr in einer Richtung gearbeitet wird, desto besser, denn um so eher muss sich zeigen, ob der Gedanke die Belastung des ungeheuren Tatsachenmaterials verträgt oder unter ihm wie eine schlechte Brücke zusammen- stürzt. Der wissenschaftliche Kärrner, der neue Lasten auf die Brücke schleppt, so wie er es andere tun sieht, der träumt oft, zu bauen, und er hat doch nur geholfen, die Brücke zu zerstören. Doch an ihr liegt nichts. Es kommen neue Ge- danken und schlagen neue, bessere Brücken. So ist es immer gewesen, so wird es immer sein. Jeder Brückeneinsturz ist ein Triumph der Wissenschaft. Die neue ist meist bald wieder

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da. Wer sich's nicht vcrdriesscn lässt, der kann über das Kapitel Nachahmung' in der Wissenschaft leicht ein Buch schreiben. Am merkwürdigsten ist, wie manche Vertreter von Geisteswissenschaften die Methode der Naturwissenschaften naciiahmen wollen. Früher hat man umg-ekehrt die Vorgänge in der Natur nach Art von menschlichen Ereignissen sich zurechtgelegt. Goethes „Wahlverwandschaften". Aber die Naturwissenschaften haben andere Objekte als wir. Dort gibt es ewig bleibende Gleichmässigkeiten der Erscheinungen, Gesetze. Auf dem Boden der Geisteswissenschaften ist nur eines ewig, der Wechsel. Und dieser Wechsel ist unberechen- bar, keine Erfahrung von früheren Vorgängen erlaubt einen Schluss auf kommende. Und wenn sich auch etwas zu wieder- holen scheint, es ist doch nicht ganz dasselbe, es ist, wenn man näher zusieht, etwas ganz anderes. Nur in einem kann die Methode der Geisteswissenschaften der der Naturwissen- schaften gleichen, in der Beobachtung. Die Beobachtung des unmittelbar Zugänglichen muss das nur indirekt Zugängliche vergangener Zeiten erklären helfen ein Gemeinplatz! Gewiss. Aber wenn man hingeht auf diesen Gemeinplatz, dann ist man in der besten Gesellschaft, nämlich so ziem- lich allein.

In der Geschichte der Wissenschaften, wie auch sonst noch oft, bemerkt man allerdings auch einen Trieb, der dem der Nachahmung direkt zu widerstreiten scheint. Ich meine das Gesetz des Widerspruchs. Es ist der V\'idcrspruch aber nur eine Nachahmung anderer Art, die Kontraimitation, wie man sie genannt hat^). Wenn ich auf eine Frage ja sage und ein anderer ebenso entschieden nein, so ist der Unter- schied zwischen uns beiden nicht so gross, als man glauben möchte. In der Hauptsache aller Wissenschaft, in der Frage, sind wir ja einig. Eine wirkliche Änderung tritt erst ein, wenn wir erkannt haben, dass man überhaupt ganz anders fragen muss. Die Geschichte der Wissenschaft ist die Geschichte dieser Fragen.

*) Tarde aao. S. XII.

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Der Widerspruch der Kontraimitation lässt sich durch alle Adern des wissenschaftlichen Lebens verfolgen. Wenn einer etwas sagt, zum Beispiel a, so sagt vielleicht ein Zweiter oder ein Dritter noch a; sicher ist aber, dass mehrere das Gegenteil sagen werden. Das ist schon deshalb notwendig, weil sonst jeder a sagen könnte. Auch in der Wissen- schaft gibt es Mine und Kontremine, Positivisten und Negativisten, Spieler und Gegenspieler, Ormuzd und Ahriman. Aus dem Kampfe von These und Antithese ergibt sich erst der wahre Wert der Idee. Sachlicher Widerspruch, Wider- spruch mit Gründen, ist eine Wohltat, denn er zwingt, die These so stark zu machen, als sie nach ihrer inneren Ent- wicklungsfähigkeit gemacht werden kann. Was den Wider- spruch nicht verträgt, ist niclit lebensfähig.

Es gibt Perioden widerspruchsarmer Ruhe, die gewöhnlich auf grosse Funde folgen, wo alle in einer Richtung arbeiten, dann wieder über diese Arbeiten geschrieben wird, die Zeiten der „abschliessenden" Werke. Gottlob, das sind auch immer die Zeiten vor dem Sturm.

Besonders kräftig ist der Nachahmungstrieb beim Weibe, wenigstens beim heute noch gewöhnlichen Typus. Deswegen ist sie in aller Kultur das erhaltende, bewahrende Prinzip. Das Weib hat das bitterste Gefühl der Schande, wenn es nicht das haben kann, was die andern haben Die Trina in Turgenjews „Dunst" hat nur einen alten Mantel: „O, wie sie es hasste, dieses Mäntelchen!" Natürlich, sie weiss ja die Gedanken der anderen, wenn diese ihren Aufzug sehen, hört ja im Geiste ihre höhnenden, mitleidlosen Worte über sich und ihr Mäntelchen.

Nirgendwo ist der Nachahmungstrieb so gewaltig, wie in der Sprache. Hier ist der klassische Boden seiner Betätigung. Schon im ersten Stadium des Sprechenlernens. Man kann sagen, dass der Mensch überhaupt sprechen lernt, verdankt er nur dem Nachahmungstriebe und einer ganz enormen, oft geheimnisvollen Nachahmungsfähigkeit. Die Kinder zeigen eine Art leidenschaftlichen Dranges, sich der Sprache zu bemächtigen.

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Die Kindersprache liat heute noch etwas Romantisches, sogar für manche Forscher; auch diese Romantik verduftet, wenn man sich die Augen reibt und scharf zusielit und zu- hört. FreiUch sieht man dann neue, wirkhche Wunder. Wir haben davon gesprochen. Die Kinder sollen daran schuld sein, dass die Sprachen sich fortwährend ändern! Dann fand man wieder, dass die Kindersprache bei Deutschen oft auf ilem Standpunkte vor der ersten Lautverschiebung stehe, und konstatierte sofort das biogenetische Gesetz. Und so geht es fort. Man beobachtet zu wenig und phantasiert zu viel. Man muss nur recht viel behaupten, und zwar gerade über die allerschwierigsten, dunkelsten oder weitausgreifendsten Fragen, dann hat man den Erfolg bei der grossen Menge für sich. Ich habe bei so bedeutenden Männern meist nur einen Seufzer auf den Lippen: „Herr! Verzeih' ihm, er weiss nicht, was er spricht, denn der Mann ist geistreich."

Das Kind lernt die Sprache des Hauses, in dem es lebt, nach und nach vollständig und vergisst die Art, wie es im Anfang gelallt, getalkt hat, ebenso gründlich. Mit sechs bis sieben Jahren wird das Kind so ziemlich die Sprache seines Kreises innehaben.

Wie kommt es aber zu Änderungen in der Sprache ? Nach allen Erfahrungen des Lebens, nach dem, was man jederzeit in jedem kleinen Verkehrskreise beobachten kann, sind es einzelne Individuen, die ihre Art, zu sprechen, doch zumeist viel mehr als das, den anderen aufdrängen, oder, besser gesagt, darin von den anderen nachgeahmt werden. Wer in einem Kreise die grösste Achtung besitzt, den anderen am meisten gilt, die grösste Gewalt besitzt oder wie man das immer nennen mag der wird nachgeahmt. Durch die Einwirkung des einen, den unbewusst, in manchen Dingen ganz bcwusst, zuerst wenige, dann mehr nachahmen, entstehen Standessprachen. Ein einflussreicher, mächtiger Stand kann wieder in vielem vorbildlich werden, er wird bewusst oder unbewusst nachgeahmt; sehr viele streben darnach, auch vor- nehm zu erscheinen. Man betrachte die jetzt im Reiche übliche Art zu sprechen: sie geht von Preussen aus und speziell vom

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preussischen Oft'iziersstande. Daher der kurz ang-ebundene Satzbau, die bestimmte Art, die hohe Tonlage. Natürlich hängt die Ausbreitung- dieser Art, zu sprechen, damit zu- sammen, dass man die g^anze Offiziersart mehr oder weniger nachahmt, das ganze Auftreten und Gehaben, man hat ein gewisses Ideal von Schneidigkeit, dem man nachstrebt.

Als Mitglied einer gewissen Verkehrsklasse denke, fühle und spreche ich wie diese, und mit dieser Klasse ändere auch ich mich in jeder Beziehung. Das hat man bis jetzt zu wenig betont, dass Sprechen mit allem andern zu- sammenhängt, mitDenken, Fühlen, Handeln; einund derselbe Verkehr ist der Grund der ganzen Ver- änderungen in mir und an mir und um mich.

Ein Lautgesetz ist nun die Konstatierung der Tatsache, dass ein bestimmter Laut zu einer bestimmten Zeit innerhalb be- stimmter geographischer Grenzen zu einem andern wurde. Die Isolierung eines derartigen Gesetzes erst macht es zu etwas romantisch Mystischen, Es wurde alles noch merk- würdiger, als man erkannte, wie gross die Konsequenz dieser Lautgesetze sei. Man sprach ihnen Ausnahmslosigkeit im bestimmtesten Wortverstande zu.

Der ganze Nimbus verschwindet, wenn man sieht, dass der Lautwandel die Folge oder Erscheinungsform einer anderen Tonart, Art zu sprechen ist, und dass diese Änderung Hand in Hand mit anderen Nachahmungen geht. Ein Lautgesetz ist um nichts merkwürdiger als das Gesetz des roten Schirmes und schwarzen Kopftuches beim Bauernweib, der Krinoline, der Puffärmel in anderen Kreisen zu anderen Zeiten. Ich weiss, dass man sich mit solchen Ansichten lächerlich machen kann. Das tut nichts. Überzeugung scheut auch dieses Opfer nicht. Man hat sich von dem Ernste eines Gesetzes, wie das des roten Regenschirmes eines ist, von seiner ungeheuren Kraft, sich durchzusetzen, eben keine rechte Vorstellung gemacht. Es ist gerade so viel oder so wenig ausnahmslos wie ein Lautgesetz, es entsteht nach und nach, verbreitet seine Herrschaft über eine gewisse Gegend und erlischt einmal. Deswegen muss man fordern, dass die

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Sachwcllcn. die Ausbreitungsj^ebictc g^ewisscr Kulturcrschcin- unj^^en, im Zusammenhange mit den Sprachwellen, dem Gebiete der Lautwandlungen, studiert werden. Wo man sie zusammen studiert hat, sah man, dass die Linien zueinander stimmen, dass Beziehungen vorhanden sind natürlich! Denn der

V'erkehr, der Austausch der Begabungen, ist der Grund alles Kulturlebens. V'erkehrsgenossenschaft bedingt Kultur- genossenschaft.

Friedrich Müller hat 1884 die Lautgesetze Moden ge- nannt. Das fand man indiskutabel. Weil man eben von der Mode eine ganz ungenügende Vorstellung hatte. Zudem hielt man die Mode für bewusstc Nachahmung, die Lautveränderung für unbewusst. Beides ist unrichtig. Die Mode ist sehr häufig unbewusst, und die Lautveränderungen können bewusst sein, wenigstens so weit, dass man eine ganz Art zu sprechen bewusst nachahmt. Übrigens kommt es gar nicht auf bewusst oder unbewusst an, sondern auf das Nachahmen müssen, und das ist überall vorhanden. Schon 1885 erklärte sich H. Schuchardt mit der Auffassung Fr. Müllers ziemlich ein- verstanden und konnte auch andere Gelehrte anführen, denen solche Gedanken nahelagen.

Die anderen Forscher aber sagten, der Grund des ver- änderten Lautes sei die Änderung des Bewegungsgefühles bei der Hervorbringung. Dieses Bewegungsgefühl verändere sich bei allen gemeinsam, niemand könne sich ihm entziehen, und so seien die Lautgesetze eben ausnahmslos : Einer spreche wie der andere, man könne bloss minimale Difterenzen zugeben.

Also das Bewegungsgefühl ! x\uch ein Haupt-Wortfetisch, würde Fr. Mauthner sagen. Aber ist es denn erlaubt, von einem solchen Gefühl wie von einer plötzlich entstandenen Kraft zu reden, anzunehmen, dass etwas Fremdes wie mit einem Schlage in die Menschen hineingefahren sei? Ein ver- ändertes Bewegungsgefühl setzt schon veränderte Aussprache voraus. Und woher kam denn die: Dabei gab man aber den gesellschaftlichen Charakter aller Sprachänderungen gerne zu, die Nachahmung, aber das Resultat soll doch überall das-

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selbe gewesen sein. Wie ist denn das möglich? Jede Ver- kehrsgenossenschaft hat doch Individuen von sehr verschiedenem Alter und sehr verschiedener i\.ufnahmsfähigkeit!

Der Junge spricht anders als der Alte, der Mann anders als die Frau, der Gescheite anders als der Dumme. Diese Unterschiede sind auch bloss vom rein sprachlichen Standpunkt aus betrachtet gar nicht so gering. Der junge Bauer weiss oft ganz bestimmt, dass er anders spricht als seine Mutter oder Grossmutter, wenn er das auch bloss am Wortschatze beobachtet hat. Richtig ist, dass in praxi diese Unterschiede wenig in Betracht kommen, weil die literarischen Denkmäler zumeist von Männern mittlerer Jahre, also der aufnahms- fähigen Zeit, herrühren und weil produzierende Männer auch sprachliche Führer sind. Den gesetzlichen Lautwandel hat man den lautmechanischen genannt. Dieses Wort muss eliminiert werden, denn es kann zu der falschen Auffassung verleiten, dass der Lautwandel in einer Veränderung unserer Sprachwerkzeuge seinen Grund hat. Das wäre ein grober Irrtum. Nichts in der Sprache ist mechanisch, nicht in den Sprachwerkzeugen wird die Sprache gemacht und verändert, sondern in der Seele, dort, wo alle Kultur sitzt. Kann man den Walzer der Deutschen und den Kolo der Slaven aus der verschiedenen Beinmuskulatur der Völker erklären?

Beim Lautwandel finden sich zwei Arten. Die einen Laut- übergänge sind allmähliche, der eine Laut geht langsam und allmählich in einen anderen über. Wir alle machen solche Laut- wandlungen mit und merken sie ebensowenig wie dieUmdrehung der Erde. Es gibt aber andere Veränderungen, die geschrieben wie plötzliche aussehen, man hat sie „sprunghafte" genannt. Unser Wort „Vogel" kommt von „fliegen", muss also in alter Zeit „fluglaz" gelautet haben. Hier ist das erste 1 einmal geschwunden. Aber die Veränderung ist auch hier keine ur- plötzliche. Zuerst hat sich „fuglaz" nur als „versprochene" Form eingestellt, wurde immer häufiger, schliesslich die Regel. Alle die Erscheinungen des sprunghaften Lautwandels kann man im „Versprechen" beobachten. Hier liegt eine besondere Art von Lautwandel vor, der unserer unmittelbaren Beob-

Meringer, Aus dem Leben der Sprache. lo

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aclitung zug^änglich ist. Aber auch dieser Wandel ist psycho- logisch. Besonderes Merkmal dieses sprunghaften Lautwandels ist, dass er sich zu den verschiedensten Zeiten, bei den ver- schiedensten Völkern bemerkbar macht, kurz etwas Bleibendes ist, wie eben auch das Versprechen.

In letzter Linie geht also der Lautwandel auf ein Indivi- duum zurück. Und da fragte man: Warum oder wie kommt aber das Individuum dazu, zu ändern? Das ist das Muster einer schlecht gestellten Frage, die auch der grösste Denker nicht beantworten kann, und deshalb konnte auch niemand eine befriedigende Antwort geben. Das Individuum, von dem die Änderung ausging, braucht selber gar nichts geändert zu haben; es sprach so wie die anderen. In seinem Munde klang die Sprache anders als bei anderen, das gilt ja von jedem, aber es wurde in seinem ganzen Gehaben, in seiner ganzen Art nachgeahmt, die anderen nicht. Seine nächsten Nach- ahmer steigerten das Charakteristische, das Besondere zu einer Art Ideal, es wurde nicht nur die Art, zu sprechen, sondern ein gewisses Ideal des Handelns und Fühlens aufgestellt und entwickelt, und an dem arbeitet dann die ganze Sprachgenossenschaft und ahmt es nach. Nicht um die Sprache allein handelt es sich, sondern um die Art, auf äussere Eindrücke zu reagieren, um einen Mode- charakter. „Die Änderungen fangen nicht mit dem Laute an, sondern mit der Tonierung des Satzes, mit seiner seelischen und musikalischen Färbung" lehre ich seit vielen Jahren.

Und mit dem Stimmungsinhalt der Seele verändert sich der Wert des einzelnen Lautes. Das hat E. Sievers zuerst gesehen. Aber nicht gesehen hat er den Weg. Ch. Darwin hat zuerst wissenschaftlich den Zusammenhang von Gemütsbewegung und Gesichtsausdruck dargestellt. Aber die Gemütsbewegung verändert nicht nur die Musku- latur des Gesichts, sondern, worauf Darwin zuwenig ge- achtet hat, auch die der Zunge, wirkt auf die Tätigkeit der Stimmbänder, auf Atmung und auf die Herz- tätigkeit, kurz auf alle Faktoren, die bei der Sprache in Funktion treten. Man rede sich einmal in eine schau-

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spielerische Wut hinein und sage: „Sie sollen kommen!!" Es wird klingen wie: „Se sallen kämmen!" Jetzt sage man die Worte zärtlich: i und o klingen geschlossen.

Und nun nehmen wir einen Menschen, der leicht mit Wut reagiert. Seine o werden nach a hinneigen, sowie in seinem Gesichte sich jene Runzeln eingraben werden, die der Art dieser Gemütsbewegung entsprechen, was ja mutatis mutandis das Charakteristische eines jeden Gesichtes ausmacht. Nehmen wir nun weiter an, dass viele ihm nachahmen, aus Liebe oder Furcht, so wird sein Verkehrskreis helle o sprechen, und man wird einmal finden, dass zu dieser Zeit sich das „Lautgesetz" : „o wird zu a" zugetragen hat.

Das ist ein grobes Beispiel und übertrieben. Aber man folge weiter. Beobachten wir einen Aristokraten. Was drückt sein ganzes Gehaben aus: Es ist langweilig, ich weiss schon, kenne das schon usw.; ich möchte das die äh!-Stimmung- nennen. Es ist Mode, als Aristokrat so zu reden, kurz eine gewisse gleichgültige Gemütsstimmung nachzuahmen, wenn auch das Individuum ganz anderer Art ist; man spielt eine Rolle, man eifert einem bestimmten Ideal nach. Man kann doch auch nicht verkennen, dass der Offizier ein bestimmtes Ideal von Schneidigkeit hat und dass damit sein Sprechen mit ge- hobenem Kehlkopfe, die hohe Tonlage, seine Syntax zusammen- hängen. Der Österreicher, namentlich der Wiener, spricht „gemütlich", ergeben. Aber damit hängt auch sein ganzes Auftreten, seine Mimik, seine Gebärden, seine Lebens- und Weltanschauung zusammen. Man spielt den Gutmütigen, und wenn man das auch durchaus nicht ist, wie der Berliner den Schneidigen, und wenn er auch ein gutmütiges, ganz unschneidiges Individuum ist.

Man hat früher dem Klima einen Einfluss auf die Sprache zugeschrieben. Das war die Zeit, wo man die Geschichte eines Volkes gewissermassen von der Landkarte ablesen zu können glaubte. Aber wir haben es alle selber erlebt, dass ein altes Volk von Seefahrern eines schönen Tages kein ein- ziges brauchbares Schiff hatte. Das ist jedenfalls aus seiner geographischen Lage nicht zu erklären. Man hat überhaupt

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dem Klima eine zu grosse Rolle bei der Kulturentwicklung eingeräumt, was man nicht oft genug hervorheben kann.

Aber gewiss scheint mir der Einfluss des Volks- charakters auf die Sprache zu sein. Nur muss man sich diesen nicht als gleichbleibend denken. Das Deutschland des „Simplizissimus"-Zeitalters ist nicht mehr das der schönen Zeit der Alleinherrschaft der „Gartenlaube". Wie weit hinter uns scheint das schon zu liegen! Der Volkscharakter ist die historisch begründete, aus den Erlebnissen ge- flossene Nachahmung eines gewissen gemeinsamen Ideals. Die Männer, die das jetzige Mannesideal des Deutschen geschaffen, können wir an den Fingern herzählen, man strebt ihnen nach, wenn das auch nur den wenigsten bewusst wird. Aber ewig werden auch diese Muster nicht bleiben. Aus neuen Verhältnissen werden neue Lebensideale erstehen, auch solche, die den Namen Ideale nicht mehr verdienen. So hebt und senkt sich die Woge für jedes Volk und hat sich öfter gehoben und gesenkt, als wir wissen können. Und alle diese Erregungen hat die Sprache mitgemacht und trägt gewiss in ihrer Geschichte die Spuren, die wir aber nicht verstehen. Nur beobachten kann uns helfen. Eine einzige richtige Beob- achtung des Zusammenhanges von Sprache und Seele wiegt einen Band auf! „Geist" brauchen wir nicht, Verstand tut not, und vor allem Augen und Ohren!

Druck Ton Max Scfameraow vorm. Zahn & Bae&del, Eirchbjüii N.-L.

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Meringer, Rudolf

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