> kr 6 >. Stillman Berry 1145 W. Highland Ave. Redlands. Calltfarma lo 2 v4. 1953 SMITHSONIAN NN | LIBRARIES Aus den Tiefen des Weltmeeres von Carl Chun. ed Schilderungen von der Deutjchen Tiefjee- Erpedition. ——n Mit 6 Chromolithographien, 3 Keliograpüren, 52 als Tafeln gedructen Dollbildern, 5 Karten und 482 Abbildungen im Tert. weite unıgearbeitete und jtarf verniehrte Auflage. Derlaa von Sujtav Sifcher in Jena 1905. Alle Rechte vorbehalten. j BER 23 Fe Meiner Frau und memen Kindern gewidmet. 1! > a 7 u de ww er: . i . ü . u u u 6 ' U - } ‘ i . j = Be ’ i Zu . re 5 % DD; 5 I u e j E IE 0 Leer ° 9 gr ’ m a z Y» 7 (a) # ‘ 5 u “ u £1 LE G ' gs & Ki . . x . 2 ID 0 u & De 0 Wo VE u . Gy B j iv Enz 2 Dorwort zur eriten Auflage. IE den vorliegenden Neifefchtlderungen wird eine Danfesfhuld abgetragen. Als ( die „Daldivia” nach neunmonatlicher Fahrt am I. Mai 1899 in den Hamburger Hafen zurücdgefehrt war, wiejen die Dertreter des Neichsamtes des Innern und des Preußifhen Kultusminiftertums in einer Konferenz darauf hin, daß es wünfchenswert fei, wenn in gemeinverftändlicher Form der Derlauf und die wichtigften Ergebnifje der Fahrt dargeftellt würden. Dies um fo mehr, als jeder Deutfche, der Interefje an den wiffenfchaftlihen Unternehmungen des Reiches hat, auch den Anfpruch erheben darf, aus einem ihm verftändlichen Nechenfchaftsbericht zu erfahren, in welcher Weife mit den großen, von dem Neichstag einftimmig genehmigten Mitteln gefchaltet wurde. Gern unterzog fi der Leiter der Erpedition der Derpflichtung, in anfprudhslofer _ form jene unvergeßlihen Eindrüde wiederzugeben, welche die glühende Farbenpract der Tropen mit ihrer überfhäumenden Fülle von Leben und die ernfte NMlajeftät der eifigen antarktifhen Regionen erwedten. Hätte er freilih geahnt, welche Schwierig- Feiten fich in den Weg ftellten, wenn es galt, auch die wiffenfhaftlichen Ergebniffe darzuftellen, jo würde er wenger freudigen Herzens dem Dorfchlage der Regierungs vertreter zugeftimmt haben. Wer es zum erftenmale unternimmt, gemeinverftändlich zu fchreiben, der hat das Thatfahenmaterial zu beherrfhen und fich nicht von der Überfülle erdrüden zu laffen. Yun vermögen wir zwar die oceanographifhen Er- gebnifje zu überfchauen, nicht aber die biologifhen. Die reihen Sammlungen find Faum erft den einzelmen Bearbeitern überwiefen worden, und fchwerlich werden dte nadı- folgenden Blätter dent Lefer einen Begriff von der Bedeutung eines Materiales geben, welches die Reifegefährten in ftillem Schaffen unabläfftg an Bord fichteten und Fonfervierten. So ift es denn gefommen, daß die Schilderung von Sand und Leuten mehr in den Dordergrund tritt, als die Thätigfeit auf dem einfamen AMieere. Aber auch in diefer Hinfiht müfjen wir unfere Unzulänglichfeit befennen: nur in wenigen Fällen dauerte der Aufenthalt fo lange, daß wir in der Lage find, ein einigermaßen zutreffendes Bild von der fremdartigen Scenerie zu entwerfen. Selten jind einer deutfchen Erpedition bei ihrer Heimfehr größere Ehrungen ent gegengebraht worden, als der unfrigen. Ihre Mlageftäten Katifer Wilhelm und König Albert von Sabfen gaben in huldvollen Telegrammen ihrer Genugthuung VI Dormwort. über den glüclichen Derlauf der Fahrt Ausdrud; der Staatsfefretär des Jnnern, Graf von Pofadowsfy, mit den vortragenden Näten des Neichsamtes, der fächjtihe Kultus- minifter von Seydewiß, Vertreter des preußifchen Kultusminifteriums und des Reichs- marineamtes, Bürgermeifter und Senatoren der freien Neichsftadt, der greife Direktor der Seewarte, der Aufjichtsrat und die Direftoren der Hamburg. Almerifa-Linie — jie alle waren perfönlich erfchienen, um, wie bei der Abfahrt, fo bei der Nücfehr dem lebendigen Intereffe für die wiffenfchaftliche Unternehmung des Neiches Ausdruf zu geben. Unfer Mentor, Sir John Murray, der den Schat feiner Erfahrung in Tieffeeforfchung mit auf den Weg gegeben hatte, war von Edinburgh herbeigeeilt, und endlich verfammelte der naturwifjenschaftliche Derein von Hamburg alle Feitgenoffen zu eiment folennen Kommerfe. Wenn wir auch die in fo feierlicher Form geäußerte Genugthuung über die glüc- liche Heimfehr der „Daldivia” mit warmem Danfe entgegennahmen, jo dürften wir uns doch frei von Überhebung wifjen. Reifen macht befcheiden — dies zumal dann, wenn man tagtäglih Erjcheinungen gegenüber fteht, die der enge Horizont des Einzelnen weder zu überfhauen noch zu erflären vermag. Die Wifjenfhaft wird ftreng und nüchtern vichten, ob wir unfere Pfliht thaten und ob die Ergebniffe einen Dergleich mit den Seiftungen der Tieffee-Erpeditionen anderer Nationen aushalten Fönnen. Daß das Werk in einem Gewande erjcheint, welchem der einfache Inhalt Faum entipricht, danken wir den vaftlofen Bemühungen eines längft bewährten Derlegers; daß wir das Wort fo überreih mit charafteriftifchen bildlichen Darftellungen erläutern Fonnten, ift den unabläffigen Bemühungen des. die Erpedition begleitenden jungen Künftlers, Fris Winter, zuzufchreiben. Photographifche Darftellungen, weldhe von anderer Seite, namentlich von einzelnen Erpeditionsmitgliedern, beigefteuert wurden, find als joldhe Fenntlih gemadht. YWicht minder haben wir an vielen Stellen auf die wertvollen Mitteilungen von Reifegenoffen und Bearbeitern des Materiales hingewiefen; auch ihnen fer insgefamt gedanft. Keipzig, im NMovenber 1900. Carl Chun. Dorrede zur zweiten Auflage, DS den Dorbereitungen zur Herausgabe der zweiten Auflage wurde darauf Bedacıt genommen, eimerfeits verfchiedenen geäußerten Wünfchen Rechnung zu tragen, andererfeits die an dem gefanmelten Materiale inzwifchen gewonnenen wifjenfchaftlichen Ergebniffe in den Bericht zu verflehten. Es haben daher einige Kapitel, welche vor- wiegend die Tieffee-fauna betreffen, eine wefentliche Erweiterung erfahren, die auch, in den 82 dem Tert neu beigegebenen Abbildungen ihren Ausdruck findet. Unter den leßteren mögen die Darftellungen der Grundproben und verfchiedener wichtiger Typen von Tieffeeorganismen, nicht minder auch die Figuren, welche den Bau der Augen und die Anordnung der Keuchtorgane von Tiefjeeformen erläutern, hervorgehoben werden. Im übrigen waren wir benrüht, ungenügend ausgefallene Abbildungen der erften Auflage durch befjere zu erjegen und den befchreibenden Teil durch neue landfchaftliche und ethnographiiche Dollbilder bezw. Tertbilder zu beleben. Dor allem fchien es an- gezeigt, durh Einfchalten mehrerer inftruftiver Aufnahmen von Eisbergen und von Kerguelen-Scenerien die entlegenen antarftifchen Regionen dem Kefer auch bildlich näher zu rüden. Dem oceanographifchen Teil wurde aus Anlaß der Deröffentlihung der „Wiijen- fchaftlichen Ergebniffe der Deutfchen Tieffee-Erpedition", deren I. Band die von Dr. Schott verfaßte Dceanographie enthält, dadurch Rechnung getragen, daß wir dem genannten Werfe eine inftruftive Karte über die Temperaturfchichtung im Atlantifchen und Indischen Deeane entlehnten. Allen Mütarbeitern an dem wifjenfchaftlichen Neifewerfe, welche für die zweite Auflage auf das Zuvorfommendfte ihre Abbildungen und die Refultate ihrer Unterfuchungen zur Derfügung ftellten, jet hiermit aufrichtig gedanft. Yicht minder gebührt unfer Danf dem thatkräftigen Derleger, Bern Dr. Fifcher, für fein Eingehen auf alle Wünfche und für feine fortgefesten Bemühungen und würdige Ausftattung der Keifebefchreibung. Keipzig, Hopember 1902. Carl Chun. r ü . 1: Laer U j ’ = . je j | | rn j 3 | i j Pr | L Rn. u. | D u j ‘ & s u ‘ 1 s . LI “ I . u i 4 A = = a ö I Fi R r 1 u IzI . Fe ı i a u \ 5 i h \ CB i ü Bi u . ur . F 7 \ . R 3 . | . S . = Fan ü u mr. u 5 u u v B E R i | Tu u ü | } De: L I i B DL Ben . Bu u j . B Inhalts: Derzeichnis. er Ener ee ee tn ee I Meruseitng ern: Se ee er EN II. Jm Nordatlantiihen Ocean. . . . . . re ea IV. Die Canarifchen Infen. . . . . N EN 55 V. Die Aquatorial-Ströme und der Gumea-Strom.. . . = 42767 VI rameruNg De ee me N a RE en. 2389 VIE Inn OR ee eo Ken) MINSEDTeBaroBes Siichbatzen ce nenne 159 Ian Südatlantiichent®cean 2. ME. eo like x MonokKapitaot zur Bonvetzäniel Am urn. + N) ST Smosantarktiicheu Meere... tl... Euer; 4 . . 194 XH. £eßter Dorftoß nah Süden . . EEE ER 7 A 225% Sue Dieskterauelenz . 2... BUS LEBE RE 2a RIVER iolichere Nnonherm Oceanı .. . sn nn 29 VERS UMAtLa ee het ee ee ee De Sg! öl NVEBanmDllentameiz3edeni... ren 0 ern: 2302 XVII. Die Nifobaren . . - BE a ee A ne 599 XVIN. Mach den Malediven. . . = u 1 30 TORE 2 2a. BAT RIED IEgOTHareias ir. 4 a en. en RED LER Sevchelleruer 21 en ale a 95 IOL Are) OieMpahten ara ao Dieg@refleerauna ee rn. er 508 XXI. Die Grundfauna der Tiefe... . . 2.2... ee XXIH Die pelagifhe Tiefenfama . . . 2.2... . 542 XXIV. Zur Biologie der Tiefjeeorganismen . 2... .. Sur. . 560 U -QUOH] Aaguyz 20a UP Uoa 29T 2g Inv wSUndpnlasgu 99 Sundtgung Ipru „viangjpT” . 5 i 1 0 h > > I. Einleitung, 9 Tiefen der Dreane haben feit alter Seit mächtig die Phantafie der Mtenfchen erregt; bald dachte man fie fich unergründlich und des organifchen Lebens bar, bald hielt man fie für das Abbild des Oberflächenreliefs unferer Erde und belebte jie mit phantaftifchen Geftalten. Das Intereffe für eine eingehendere Erforfhung fhlum- merte indefjen vollitändig bis zum Beginn unferes Jahrhunderts. Kein Geringerer als Sir John Roß erbeutete auf feiner Polarfahrt in der Baffins- bai i. %. 1818 aus einer Tiefe von 1500 m einen prächtigen lebenden Schlangenftern (Gorgonocephalus), der fich in die Kotleine verwidelt hatte. Mit einem Schlage war dadurch die Auffafjung feines franzöfifchen Seitgenoffen Peron widerlegt, der im Auftrage der Republif zwei Erdumfegelungen als Natur- forfcher begleitete, die Anfehauung nämlich, daß der Boden der Deeane mit Eis bedect feiz; überzeugend war weiterhin nachgewiefen, daß felbft im hohen Norden die großen Tiefen dem organischen Leben zugänglich find. Sein Befund geriet indejlen in Per- gefjenheit, und es bedurfte der ftillen Thätigfeit nordifcher Forfcher, um die von dem talentvollen Edward Forbes auf der Britifh Afjoctation i. I. 1845 geäußerte Abyfjus- Theorie, nach welcher unterhalb einer Tiefe von 500 Faden (ca. 550 m) Feine Drga- nismen mehr vorfommen follten, in Hweifel zu ftellen. Michael Sars, der fhon als Candidatus theologiae und als Pfarrer in Kind bei Bergen feine bahnbrechenden Entdefungen über den Öenerationswechfel publizierte, fand in Gemeinschaft mit feinem Sohne i. 5. 1850 eine reiche abyfjale fauna an den Sofoten in einer Tiefe von 450 Faden. Ebenjowenig Fonnten Coven und der als Dichter wie als Foologe gleich gefeierte Asbjörnfen eine Grenze für das tierifche Leben in den großen Tiefen der [Eandinavifchen Küfte nachweifen. Zu demfelben Er- gebnis führten die Unterfuchungen Ihwedifcher Forfher — es feien nur die Namen Torell, Kordenstjsld, Theel, £indahl und Aalmgren hervorgehoben — welche von 1858 ab in faft jährlich jich folgenden Erpeditionen die Küften und Meeresgebiete um Uovaja Semlja, Spitsbergen und Grönland aufflärten. Doch noch von einer anderen Seite jollte die Anregung zu Tiefjeeforfchungen Fommen. In den fünfziger Jahren wurde die Legung der fransatlantifchen Kabel geplant. Eifrig Thun, Aus den Tiefen des Weltmeeres. Sweite Auflage, l 12) Wpyoille Thomfon. war man bemübt, die Tiefen zu loten, bevor die Kabel verfenft wurden. Schon bei diefen Dorarbeiten ergaben jih unzweideutige Beweife für die Eriftenz einer fauna in Tiefen von mehr als IOOO Faden; noch draftifcher mehrten fich die Beweife, als das erfte transatlantifche Kabel, welches 1858 gelegt wurde, riß und bald darauf dem Sar- dinien und Algier verbindenden Kabel dasfelbe Schikjal widerfuhr. Beide Kabel wurden wieder aufgefifcht: auf beiden hatten fich Tiere angefiedelt. Drei Jahre hatten genügt, daß auf dem mittelländifhen Kabel in einer Tiefe bis zu 5000 m Dertreter von 15 Tierarten feftjigend gefunden wurden. Als dann weiterhin der fharffinnige Wallich IS60 in den Kotproben des englifchen Kreuzers „Bulldog” aus den Tiefen des nordatlantifchen Dceans bis zu IS0OO m ver- fchiedene lebende ntedere Organismen nachwies, zu denen fich gelegentlich von der Lot- leine erfaßte Röhrenwürmer und Schlangenfterne gefellten, Fonnte es nicht fehlen, day — diefe Befunde allgemeines Auffeben erregten. KLehrten fie doch eine Gefchmeidigfeit und Anpafiungsfähigfeit des tierifhen Drganismus an Eriftenzbedingungen Fennen, die alles überbot, was wir bisher von der geographifchen Derbreitung tierifcher Organismen in anfcheinend dem Leben feindlichen Regionen wußten. Die gefeiertiten Biologen, ein Ehrenberg, Burley und Milne Edwards, äußerten fih in Gutachten über die Tieffeeproben — fie alle ftimmten darin überein, daß bei fyjtematifch betriebenen Tieffee- forfchungen eine neue Welt dem SHoologen fi eröffnen würde. Der richtige Mann, welcher mit umfaffenden Wifjen und nie verfagender Begeifterung die neue Üra imaugurierte, fand fi) denn auch bald in dem Edinburger Profefjor Wpyoville Thomfon. AUngeregt durch die Funde, weldhe Sars an den Lofoten gemaht hatte, getragen von der Überzeugung, daß „auf dem Boden des Meeres das gelobte Sand der Foologen liegt", wußte er gemeinfam mit feinem älteren Freunde Carpenter, dem Dicepräfidenten der Royal Society, es zu erreichen, daß zwei Fleinere NTarine- fchiffe, Lightning und die Porcupine, zur Derfügung geftellt wurden. Don 1866-1870 wurden eine Reihe von Kotungen und Dredfchzügen um das nfelreich, längs der Küjte von Spanien und im Mittelmeer ausgeführt. Mit ihnen war der Grund zu unferen neueren Anfchauungen gelegt. Rafchlebigfeit ift die Signatur der heutigen Seit. Kaum vermögen wir uns nod) den Sauber zu vergegenwärtigen, den es auf die Mienfchheit ausübte, als mit dem Eintreffen des erften Kabeltelegrammes Seit und Raum zwifchen alter und neuer Welt nur nah Bruchteilen von Sefunden bemefjen wurden, Faum noch vermögen wir das Staunen zu faffen, mit welhem der Gebildete die Entdefung der Tieffeefauna ent- gegennahnt. „Da drunten aber ift's fürchterlich, Und der Menfch verfuche die Götter nicht Und begehre nimmer und nimmer zu fchanen, Was fie anädig bedeken mit Nacht und Grauen.” . A. Aaafitz. 5 Das war das Keitmotiv, welches fi durch die Mythen des Altertuns, durch die Sagen einer neueren Seit hindurchzog. Und nun trat an Stelle der phantaftifchen Geitalten, mit denen man die Tieffee bevölferte, eine Fauna, fo üppig, fo farbenpräc- tig und reizvoll, daß man die Begeifterung begreifen wird, mit der ein Mitglied des Parlaments auftrat und es als Ehrenpflicht Englands bezeichnete, eine Expedition in großem Stile auszurüften, welche die Tiefen der gefamten Dceane in den Kreis ihrer Forfhungs-Thätigfeit ziehe. inftimmig wurde der Antrag angenommen. Am 21. Dezember 1872 verließ die Corvette „Challenger" England mit einem Stabe ge- wiegter Forfcher an Bord unter Leitung von Wyoille Thomfon; am 26. Mat I8T6 fehrte fie nach Portsmouth zurüd. Was fie leiftete, ift eine wiffenfhaftlihe Großthat, die fih würdig den Ergebnifjfen der glanzvolliten Erpeditionen zur Seite ftellt. Die 98 voluminsfen Quartbände, in denen die Ergebnifje der Expedition, bearbeitet von Gelehrten aller Kationen, niedergelegt find, fprechen eine fo beredte Sprache, daß für die neue Periode, in welche die Dceanographie und Hoologie eintraten, Fein würdigerer Ausgangspunft denfbar tft. Dod auch die übrigen Nationen ficherten fih ihr Ehrenteil an der Erforfchung der Tieffee. Praftifche Intereffen, wie fie durch die neugeplanten Kabellegungen bedingt wurden, gingen ja öfter mit rein wiffenfchaftlihen Hand in Hand. Allen voran gingen dte Amerikaner. Als Pionier der amerikanischen Tieffeeforfchungen tritt uns Graf Pourtales entgegen, der fchon 1867-1869, alfo noch vor Beginn der englifchen Erpeditionen, das Florida- Riff und die angrenzenden Teile des Golfftromes unterfuchte. Don ISTT an erhielten die inzwifchen durch die Snitiative des unermüdlichen Spencer Baird eifrig geförderten Unterfuhungen ihre Signatur durch das Eingreifen von Alerander Agaffiz. eben Wpyoville Thomfon hat Fein Forfher einen ähnlich bedeutungsvollen Einfluß auf die Anfhauungen vom Leben in abyfjalen Regionen ausgeübt wie diefer energifche, vor feinen Schwierigfeiten zurüdjchrefende Erbe eines in der Biologie gefeterten Namens. 18TT—I8SO leitet A. Agaffiz die feitdem berühmt gewordenen drei Fahrten des „Blafe“, welche die Erforihung des Golfes von Merifo, des Laribifchen Meeres und der atlan- tifchen Küfte der Dereinigten Staaten betrafen. ISYI gilt es dem Pacifif, indem auf dem Dampfer „Albatroß" die abyffalen Regionen der Weit-Küfte von WMerifo und Hentral-Almerifa bis zu den Galapagos-Infeln unterfucht werden. Ueuerdings, 189I 1900, verlegte Agaffiz fein Forfhungsgebiet in den tropifchen pacififchen Dcean, der von dem „Allbatrog" in großem Bogen von San Francisco bis Japan unter befonderer Berücdjichtigung der Korallenarchipele gefreust wurde. Dem Studium der Korallenriffbildung galt denn vorwiegend auch die Fahrt, welche der unermüdliche Foricher im vergangenen Jahre JO nach den Malediven unternahm. Agaffiz war in der glücdlichen Lage, bei einem Teile feiner Erpeditionen fich der Unterftüäsung zweier ı* 4 Größte Tiefen. begabter Marine-Dffiziere, der Kapitäne Tanner und Sigsbee, zu erfreuen. Sie hatten nicht nur felbftändig bei früheren Fahrten eingegegriffen, fondern vor allem aud) dte Derbefferung der oceanographifh-biologifhen Apparate fich derart angelegen fein laffen, daß ihr Name dauernd mit der Tieffeeforfchung verbunden ift. Im Anfhlug an die genannten Erpeditionen mag nocd) hervorgehoben werden, daß den amerikanischen Kotungen die Entdefung der größten Tiefen im atlantifchen und pacifiichen Dceane zu verdanfen ift. Die Unterfuhung des Steilabfalles des weitatlan- tifchen Becens längs der Antillen ergab nördlich von Portorico eine Tiefe von 854 m und die Kotungen der „Tuscarora" (I8CH— CH) wiefen wejtlih von Japan Tiefen bis zu S5I5 m nad. Diefe werden noch überboten durch gewaltige Depreffionen von über 9000 m Tiefe, auf welche man zuerjt durch die „Egeria” in der Nähe der Tonga- und Kermadef-Infeln (85 und 9427 m Tiefe) aufmerffam wurde. Es ift bemerfenswert, daß diefe gewaltigen Tiefen, welche die höchiten Erhebungen im Dimalaja an Ausdehnung übertreffen, in der Nähe ausgedehnter Störungslinien im Schichtenbau der Erde, welche oft von Dulfanfetten begrenzt werden, auftreten. Sie repräfentieren langgezogene und fchmale Einfenfungen, fogenannte „Braben“, welche freilich einen nur verfchwindend Fleinen Bruchteil des Tiefenreliefs ausmachen. Steil fällt ihr dem SFeftland oder ehemaligen Kontinent zugefehrter Innenrand in die Tieffee ab und diefe Erfcheinung wiederholt fich nicht nur an den oben erwähnten Einfenfungen, fondern auch bet jenen, welhe längs der Aleuten, der chilentich- peruanifchen Küfte, im Süden der Sunda-Infeln und nördlih von det Karolinen fich hinztehen. In der leßtgenannten Brabeneinfenfung, welche von dem die „Llero" befehligenden amerifanifchen Kapitän Belfnap entdeft wurde, lotete Leutnant Hodges von der „ero" erft im Wopember 1899 bei der füdlichjten vulfanifchen Kadroneninfel Guam die größte bis jet befannt gewordene Tiefe von 9644 m (= 526% Faden). Berechnet man den Druck der dort auf dem Grunde laftenden Wafjerfäule, fo Fommt derfelbe nahezu 1000 Atmofphären gleih! Größere Tiefen als COOO m Fennen wir überhaupt nicht außerhalb diefer durch amerifanifhe und englifche Forjchungen uns befannt ge- wordenen Grabenverfenfungen; folche, welche zwifchen 6000 und COOO m Tiefe fich bewegen, jpielen gleichfalls eine nur untergeordnete Nolle, während Miulden von 5000-6000 m Tiefe in allen DOceanen zu breiter Ausdehnung gelangen. Den Amerifanern folgten die Sfandinavier, welche von ISTO—I8T8 auf der „Doringen“ unter der Keitung von 5. Mohn und ©. D. Sars in hervorragend gewilfenhafter Weile die oceanographifchen Derhältniffe des nordatlantifchen Deeans und die eigen- artige Tieffeefauna des hohen Nordens erforfchten. Seit I8SO rüftete Frankreich nicht weniger denn vier Erpeditionen aus, von denen die drei zuerft unternommenen Jahrten des „Travailleur“ der Unterfuhung des Golfes von Biscaya, der fpanifhen Küjten Frühere Tieffeeforfchungen. 5 bis zu den Canaren und des wejtlichen Mlittelmeeres galten. 1885 holte man dann auf einem geeigneteren Schiffe, dent „Talisman”, weiter aus, indem die franzöftich wiffenfchaftlihe Kommiffion — wie früher, fo auch diesmal unter dem Dorfis von Alphons Milne-Edwards — von Rochefort über die Lanaren und Lapverden das Sargafjonıeer auffuchte und über die Azoren zurückehrte. In die Erforfhung der abyfjalen Gründe des Mlüttelmeeres teilten fich weiterhin die Italiener mit den Öfterreichern und dem um Derbefferung der Tieffee-Apparate verdienten fürften von Monaco. 1881 Iotete der „Wafhington“ unter Giglioli die Tiefen um Sardinien bis nah dem Golfe von Heapel und nad) Sicilien, indem er gleichzeitig eine reichentwidelte Tieffeefauna nachwies, weldhe in vieler Hinficht mit der aus dem Atlantifchen Dcean befannt gewordenen übereinftimmte. Einen ähnlichen Reichtum von abyffalen Formen wies der fürft von Monaco 1886 dur) Anwendung feiner Tiefenreufen im öftlichen Müttelmeere nah. Später dehnte er feine Fahrten weiter aus, indem er mit der Nacht „Birondelle” den atlantifchen Dcean bis zu den Azoren und nah Heu-fundland Freuzte. Hatten fchon die vier Fahrten der Fleinen „Hirondelle“ reiche Auffchlüffe gebradht, fo fanden die Ergebniffe der mit den größeren Fahrzeugen „Princeffe Alice I" und „Princeffe Altce II" unternommenen Erpeditionen (mit der lettgenannten Dampfyachıt erforfchte der Fürft SYS das Polarmeer bis nah ‚Spitbergen) in inımer weiteren Kreifen die verdiente Würdigung. Das öfterreichifche Stationsfhiff „Pola” hatte fih anfänglich als Arbeitsfeld das durch eine minder reich entfaltete Tieffeefauna charakterifterte öftlihe Mittelmeer und das Ügätfche Meer erforen. Seine 1890 begonnenen Fahrten verlegte es dann von 1895 an in das Rote Meer. Der Schwerpunft der auf der „Pola“ ausgeführten Unter- fuhungen lag auf oceanographifhem Gebiete; da fie unter der bewährten Leitung von . Luffch ausgeführt wurden, Fonnte es nicht fehlen, daß die genannten NMteeres- abfchnitte nunmehr zu den in oceanographifcher Hinficht am beften befannten gehören. Ühnlich eingehend ift nur der Nord-Atlantifche Dcean in oceanographifcher, zugleich aber auch) in biologifcher Hinficht erforfcht worden. Außer den fchon früher erwähnten Unternehmungen beteiligte fih Dänemarf mit feinen beiden „Ingolf"-Erpeditionen 1895 und 1896 an der Erfchliegung der abyfjalen Gebiete um Grönland und Island bis Jan Mayen. Auch Holland wollte nicht zurücitehen, indem die unter Leitung von Mar Weber ftehende „Siboga"-Erpedition die Tieffeegründe im Bereiche des Hinterindifchen Kolonial- befites Fürzlih (A8IYYI—IIOO) Iotete und in biologifcher Hinficht gewiffenhaft unterfuchte. Wenn wir endlich nocdy hervorheben, daß die belgifche antarftifche Expedition auf der „Belgica" unter A. de Berlahe während ihres Dordringens gegen Graham-Kand und während ihrer Überwinterung (ISIT—ISIS) die günftige Gelegenheit für erfolg- reiche oceanographifche und biologische Tieffeeunterfuhungen ausnußte, fo hätten wir 6 Planfton-Erpedition und Fahrt der „Sazelle”. in eimem freilih nur vecht flüchtigen Überblif der wichtigften ausländifchen Unter- fuhungen gedadt. In prächtig ausgeftatteten Publifationen, welhe an wifjenfchaftlihem Gehalte Faunt hinter den Reports der Challenger-Erpedition zurücitehen, werden die Refultate der von Horwegen, den Dereinigten Staaten, von Sranfreich, dem Fürften von Ntonaco, Holland und Belgten unternommenen Tiefjee-Erpedittonen niedergelegt. Wir Deutfche hatten bisher zurücditehen müffen. Die forgfältigen Arbeiten der Kieler Kommiffion zur Unterfuchung der deutfchen Ateere erftrecen fih auf ein relativ flaches Gebiet und fchloffen die Erforfchung der Tieffee von vornherein aus. Die biologische Wiffenfchaft hat es mit Freuden begrüßt, daß durch die Munificenz Sr. Majeftät des Kaifers diefe Unterfuhungen auf das freie Mieer ausgedehnt wurden, inden dte von origmellen Gefichtspunften ausgehende Planfton-Erpedition unter der Seitung von Henfen den atlantifschen Dcean Freuzte und beftimmte Dorftellungen über das Quantum an organifcher Subftanz gewann, weldhe an der Oberfläche der Dceane flottiert. Die wichtige Rolle, welche gerade die mifrosfopifch Fleinen tierifchen und pflanzlihen Organismen durch die Mlafjenhaftigfeit ihres Auftretens an der Oberfläche im Haushalt der Natur fpielen, ift durch die Ergebniffe diefer Fahrt an der Hand einer fein ausgebildeten Mlethodif der Plankton-Unterfuhung in helles Kicht gerückt worden. icht minder bedeutungsvoll erwies fih die Planfton-Erpedition für die Erfenntnis des Einfluffes warmer und Falter Strömungen auf die Derteilung flottierender Dr- ganismen. i Aus älterer Seit find namentlich die gedtegenen Unterfuhungen der „Gazelle zu erwähnen, bei denen freilich die biologifche Unterfuhung größerer Tiefen ausgefchloffen war. Dafür zeichnen fich ihre Kotungen und oceanographifchen Unterfuchungen im weft-atlantifchen, imdifchen und pacififhen Ocean, nicht minder auch die topographifchen Aufnahmen einzelner Infelgruppen durch ihre Gewiffenhaftigfeit und Superläfjigfeit aus. Wenn wir an diefer Stelle der Fahrt der „Bazelle" unter dem Kommando — in es fpäteren Admirals von Schleini& nur Furz gedenfen, fo gefchteht dies aus dem Grunde, weil wir im Derlaufe unferer Darftellung noch Gelegenheit finden werden, aus eigener Erfahrung unferer Anerkennung über ihre Leiftungen Ausdrud zu geben. Swei Drittel der Erdoberfläche find durch die Tieffee-Erpeditionen in den lebten Jahrzehnten uns neu erfchloffen, ja geradezu neu entdeckt worden. Wir wifjen, daß tierifches Keben in Negionen üppig pulfiert, wo dte äußeren Eriftenzbedingungen die Sebensarbeit als vergebliches Ringen erfcheinen laffen, daß ein gewaltiger Druc von mehreren Hunderten von Atmofphären, eine Temperatur, die um den Nullpunkt fich bewegt, daß ewige Finfternis dem Dordringen einer erftaunlich reichen Fauna Fein Hemmnis entgegenfegen. Die größten Tiefen, welche bisher die Dredfche durhfurdte, Teue Probleme. fe haben fich dem tierifchen Leben nicht als feindlich erwiefen. In dem oben erwähnten Tonga-Graben erbeutete Agaffiz 189) aus einer Tiefe von C656 m (475 Faden) sroße Brucdjtüde eines lebenden Kiefelfhwanmmes, welher wahrfcheinlih zu der bisher aus weit geringeren Tiefen befannt gewordenen Gattung Crateromorpha gehört. Wahrlih, nicht nur der Hoologe, fondern auch der Phyfiologe, Chemifer und Phyfifer haben ein \nterefje daran, zu ergründen, duch welhe Mittel dem tierifchen Drga- nismus die Eriftenzfähigfeit in Taufenden von Mietern unterhalb des Mleeresfpiegels gewahrt wird. Immerhin ift nicht zu leugnen, daß die bisherige Erkenntnis vielfah nur einen propiforifchen Charakter trägt und daß eine Reihe von Problemen angeregt wurde, welche die Leitmiotive für fpätere Erpeditionen abzugeben haben. Wie verrichten die auf dem Grunde des Dreans fi aufhaltenden Drganismen ihre Kebensarbeit, wie entwideln te fich, wie ernähren fie fih? Wie weit dringen die polaren Arten und Gattungen gegen den Ügquator vor? und wie erflären fih die bemerfenswerten Kon- vergenzen zwijchen arftifchen und antarftifchen Formen? Auf alle diefe Fragen ver- mögen wir entweder nur mit Neferve oder überhaupt nicht zu antworten. Dazu Fommt, daß ungeheure oceanifche Gebiete bis jest noch völlig unerforfcht blieben: der indische cean war jowohl in feinen centralen wie auch in feinen weftlihen und öftlichen egionen bis in die jüngfte Seit noch jungfräulicher Boden. Mit Necht rügte es der OESEO ireftor der Seewarte, G. Heumayer, daß die Challenger-Erpedition im eigentlichen In + inne des Wortes den imdifhen Dcean Iinfs liegen lie und nad) ihrem Dorftoß bis zur antarftifhen Eisbarriere den Kurs direft nah Auftralien richtete. Seiner Ein- wirfung war es wejentlich zuzufchreiben, daß die „Bazelle" I8T5 die Tiefen von den Kerguelen bis nah Mauritius und dann weiterhin den indifchen Dcean zwifchen 50 und 50° füdlicher Breite lotete. Welche bemerkenswerte Refultate die biologifche und oceanographifche Erforfhung des indifhen Dreans in Ausficht ftellte, das zeigten nicht nur die Kotungen amerifanifcher und englifcher Schiffe (untern andern diejenigen der Enterprife), fondern au die an der Weitfüfte Dorder-Indiens bis zu den Saffadiven und vor allem im Golf von Bengalen unter der Leitung von A. Carpenter, Bosfyn und Alcod von I885—1896 veranftalteten Dredfchzüge. Weiterhin ergaben fich wejentliche Kücen in unferen Kenntniffen des füdlichen atlantifchen Dceans — namıent- lich im den an Südwejtafrifa fich anfchliegenden Regionen — und endlich bot fich im antarftiihen Dcean die verlodende Perfpeftive, einen Beitrag zur Aufflärung von Meeresteilen liefern zu Fönnen, deren Erforfhung in oceanographifcher und biologifcher Hinficht faft gebieterifch von der Wiffenfchaft gefordert wurde. Die Überzeugung, daß Deutfchland fich der Ehrenpflicht, im Wettjtreit mit anderen Kulturnationen an der Erforfchung der Tieffee fich zu beteiligen, nicht länger entziehen fonnte, brach fich allmählich Bahn. Wollte es fich bei einer derartigen Forfchungsreife 8 Plan einer deutfchen Tieffee-Erpedition. nicht lediglich an die engere nterefjenfphäre des heimifchen und Folonialen Befites halten, wie dies bei manchen früheren Erpeditionen anderer Hationen in Erfcheinung trat, jo war der Weg für eine deutjche Tiefjee-Erpedition von vornherein gewijjer- maßen vorgezeichnet: Sie hatte in weitem Bogen Afrifa zu umfreifen, den öftlichen atlantifhen Dcean zu erforfchen, von dem Kap aus eimen Dorftoß in die Falten, antarftifchen Stromgebiete zu unternehmen, um fchlieglich der Erforfchung des indischen Dceans ihre befondere Aufmerffamfeit zuzuwenden. Der Plan fand eine überrafhend günftige Aufnahme und in auffällig Furzer Frift nach jeinem erjten Befanntwerden waren die Mittel genehmigt worden und die erite deutfche Tieffee-Erpedition ftand zur Abfahrt bereit. Die Pflicht der Danfbarfeit gebietet es, in hiftorifcher Reihenfolge Furz der Thättg- feit aller maßgebenden Kreife zu gedenken. Als der fpätere Keiter der Erpedition dem preußifchen Kultusminifterium feine anfänglich recht befcheidenen Abfichten zu erfennen gab, wurde zunädhft von dem Münifterialdireftor Dr. Althoff darauf hingewiefen, daß es angezeigt fei, den Rahmen etwas weiter zu faffen und die Hilfe des Reiches zur Befhaffung der nötigen Mittel in Anfpruh zn nehmen. Es handelte fih in erfter Kinie darum, das ntereffe Sr. Mlajeftät des Kaifers wachzurufen und in einem Immediatgefuh den Plan einer deutfhen Tieffee- Erpedition auseinanderzufesen. Damit dem Gefuhe das erforderliche Neltef durch die Unterftüsung der naturwiljen- fchaftlichen Kreife Deutfchlands nicht fehle, wurde der in Braunfhweig im September ISYT tagenden deutfchen Uaturforfcher-Derfammlung der Plan einer deutfchen Tieffee- Erpedilion unterbreitet. Der wifjenfhaftlihe Ausfhuß der Gefellihaft 308 die Frage in Erwägung, und eine Kommiffton, beftehend aus dem Wirfl. Geh. Admiralitätsrat Heumayer-Hamburg und den Geheimräten Dirhow-Berlin und Waldeyer- Berlin, wurde erwählt, welche nach einem orientierenden Dortrage der allgemeinen Derfammlung am 24. September 1897 folgende Refolution zur Annahme vorfchlug: „Die Derfammlung deutfcher Naturforfcher und Ärzte hat den Vortrag des Profeffjor Dr. Chun über eine deutfhe Tieffee-Erpedition in den füdlichen Aleeren mit großem nterefje gehört, und fie erflärt fich mit dem Redner in betreff der zu jtellenden Aufgaben und der wifjenfhaftlichen Bedeutung der- felben einverftanden und ermächtigt denfelben, von diefer Erflärung bei der Dorlage feines Gefuhes um Unterftüßung der Erpedition an Allerhöcjiter Stelle Gebrauch zu machen; fie befürwortet diefes Gefuch in wärnfter Weife.” Bevor der Antrag des Dorftandes zur Abftimmung gebraht wurde, teilte der Dorfitende, Geheimrat Blafius, mit, daß das einzige Ehrenmitglied der Deutfchen Soologifchen Gefellfhaft, Geheimrat Keufart-Keipzig, aus Mendel an den Dorftand der Haturforfher-Derfammlung folgendes Telegramm richtete: Genehmigung der Mittel. 0) „Der foeben mir durh Chun zur Befürwortung mitgeteilte Dorfchlag einer deutjchen Tieffee-Erpedition würde meinerfeits, falls ich dort anwefend, aus wifjenfchaftlihen und patriotischen Gründen wärmftens vertreten werden. ch empfehle dem Dorftand, das Projekt zu dem feinigen zu machen.“ KSeudart. Einftimmig wurde die Nefolution angenommen und dem Immediatgefuh an Se, Mlajeftät beigefügt. Wenn fchon allgemein der Überzeugung Ausdruf gegeben wurde, daß unfer Kaifer bei feinem lebendigen und feinfühligen Intereffe für alle derartige Beftrebungen der Eingabe gegenüber fi wohlwollend verhalten werde, fo darf wohl betont werden, daß die Erwartungen weit durch die Allerhöhite Anteilnahme überboten wurden. Se. Mlajeftät unterzog das Gefuch einer eingehenden Prüfung und fprach die Er- wartung aus, daß die Erpedition in würdiger Weife ausgerüftet werde, ohne Rücjicht auf Erfjparnifje, welche die Sicherheit und den Erfolg gefährden Fönnten. Angefihts einer jo hochherzigen Anteilnahme war es erflärlih, daß im über- rafchend fchneller Folge die auf SOOOOO Mark veranfchlagten Mittel in Bereitichaft gefest wurden. Durch die Bemühungen des vortragenden Rates im preußifchen Kultus- minifterium, Geh. Oberregierungsrat Schmidt, wurde die Aufmerffamkeit des allen geographifch-naturwiffenfchaftlichen Forfchungen ein warmes nterefje bezeugenden Staats- fefretärs des Neichsfhaßantes, Freiheren von Thielmann, und des Unter-Staats- jefretärs Afchenborn auf die Expedition hingelenft. Dem Eintreten des Reichsichab- fefretärs war es zu verdanfen, daß noch im letten Momente bei Abjchluß des Hacdtragsetats die geforderte Summe in den Etat eingeftellt wurde. Die parlamen- tarifche Dertretung für die Forderung wurde dem Reichsamte des \nneren zugewiefen, das von nun ab gewifjermaßen das Patronat für die Erpedition übernahm. Es ift dem Keiter derfelben einer feiner angenehmiten Pflichten, dem Staatsfefretär des Inneren, Grafen Dr. von Pojadowsfy, und dem Neferenten, Geh. Ober-Regierungsrat Hauß, auch an diefer Stelle warmen Danf für das jederzeit bewiefene Dertrauen auszufprechen. Keine fpecialifierte Inftruftion, Feine gebundene Marfhroute ftand im Wege, wenn es ji darum handelte, den Entfchlug äußeren Derhältniffen anzupafien und im Rahmen des allgemeinen Programmes die gebotene günftige Gelegenheit auszunußgen. Sollte die Erpedition Erfolg gehabt und den Erwartungen entiprochen haben, jo dankt fie dies in erfter Kine der liberalen Auffafjung ihrer Beftrebungen von feiten des Neichsamtes des Inneren! Einftimmig wurde die Forderung von einem hohen Bundesrat und hohen Reichs- tag in der Situng vom SI. Januar ISIS nad) einigen befürwortenden Darlegungen des Abgeordneten Dr. Hermes genehmigt. 10 Förderung der Erpedition. Auch von anderer Seite wurden die Swede der Erpedition energifch gefördert. In erfter Tinte fei des weitgehenden Suvorfommens des Reichsmarineamtes gedacht, welches als die für die rein oceanographifhen Aufgaben der Erpedition Fompetente und zu- ftändige Reichsbehörde ihre Mitwirfung nicht verfagte. Das Reichsmarineamt beurlaubte einen Beamten der Seewarte an Bord des Erpeditionsschiffes behufs Ausführung oceano- sraphifcher Unterfuchungen; es veranlaßte die Prüfung des in Ausficht genommenen Handelsdampfers auf feine Seetüchtigfeit und wies die Katferliche Werft in Kiel zu leihweifer Hberlaffung einer Danıpfbarfaffe und namentlich der vollftändig umgearbei- teten Sigsbee’fchen Sotmafchine an. Die Seewarte und das nautifhe Amt verfahen uns mit Seefarten, Inftrumenten und oceanographifcher Kitteratur,; das Sanitätsamt der Marineftation in Kiel lieferte eine ärztliche Ausrüftung. Wenn auch die oceanographifhen Siele der Erpedition erft in zweiter Linie ftanden, fo hat es doch der Derlauf der Fahrt mit fih gebracht, daß fie gerade an entjcheidender Stelle, nämlih im fernen antarftifchen Süden, in den Vordergrund des nterefjes traten. Die Sigsbee’fhe Kotmafchine hat es uns ermöglicht, dort eine Reihe von Tief- feelotungen durchzuführen, welche der eingebürgerten Auffaffung von der relativ geringen Tiefe des antarftifchen Meeres den Boden entzog: möge der Staatsjefretär des Reichsmarineamtes, Admiral von Tirpiß, für fein Entgegenfommen des Danfes der Wifjenfchaft ficher fern! Endlich fei noh der Mitwirkung eines dritten Neichsamtes gedaht. Das Aus- wärtige Amt empfahl die unter der Neichsdienftflagge fahrende Erpedition jenen Re- gierungen, deren Gebiete berührt wurden, und ficherte uns von feiten der Gouverne- ments unferer Schußgebiete einen warmen Empfang. Den Sächfifhen Kultusminiftertum und den Kollegen in Leipzig ift der Keiter zu Danf verpflichtet, daß fie ihn, obwohl er Faum erft in neuen Derhältniffen warm geworden war, froß der unvermeidlichen Störungen im Unterricht vertrauensvoll ziehen liegen. Derfchiedene induftrielle Etabliffements festen es fih zur Ehre, die Erpeditton mit Inftrumenten und Ausrüftungsgegenftänden ohne Entgelt ausjuftatten, jo vor allen Dingen das befannte optifche Inititut der Firma Heiß in Jena, welches uns mit £upen, Müfroffopen und trefflich fi bewährenden photographifchen Dbjeftiven verjah. Die chemifchen Farbwerfe in Hödhft a. M. und in Elberfeld verforgten uns mit Ehemifalten, während die photographifhe Abteilung der Anilin-Fabrif in Berlim und die firma Schleußner in Frankfurt a. Ml. uns mit forgfältig hergeftellten und ver- paften Trofenplatten ausrüfteten. Geheimrat Henfen, der Keiter der Planfton-Er: pedition, jtellte bereitwillig den Schab feiner Erfahrungen uns zur Derfügung und über- nahm es jpectell, auch die Seilleitungen für die Planftonfifcherei nad feinen Angaben herrichten zu laffen. Hamburg-Amerifa-Kinte. I Insbejondere jei noch der Mlitwirfung der Hamburg-Amerifa-Linie gedacht. Uach- dem verjchiedene Schiffe in Ausjicht genommen waren, fiel die Wahl auf ihren Dampfer Daldivia, ein Fahrzeug, welhes bisher den Dienft zwifchen Hamburg und MWeitindten verfehen hatte. Don vornherein betrachtete es die Linie, auf welche Deutfchland mit Stolz blifen darf, als eine Ehrenfahe, pefuniäre Erwägungen in den Dintergrund zu ftellen und das Schiff jo praftifch herzurichten, als ob es eigens für die Swede einer Erpedition gebaut fei. Die umfänglichen, im Derlauf von Faum zwei Monaten vorgenommenen Änderungen und Einbauten haben fich durchweg bewährt, wie es auch) faum anders zu erwarten war, nachdem die Fürforge für dte Ausrüftung dem er- fahrenen und unermüdlichen nfpeftor der Hamburg-Amerifa-Kinie, Kapitän Polis, überwiefen war. Aus dem großen Bejtande der Linie wurden die qualifizierteften Dffiziere und Mannfhaften ausgewählt, und die Führung einem Kapitän anvertraut, dejfen Dergangenheit allein fhon einen glücklichen Derlauf der Fahrt verbürgte. Am PeterjensQuai (Hamburger Bafen). => > == SZ In “a ng00% II. Zlusrültung. Derabfchiedung der Daldivia. D‘ Abfahrt der Daldivia aus dem Hamburger Hafen um die Mittagszeit des fonntäglichen Sl. Juli geftaltete fih zu eimem feftlichen Aufzuge. Don allen Seiten wurden Ausrufe der Bewunderung laut über das fchmudfe, große Schiff, das in feinem weißen Tropen-Anftrih langfam wie ein Schwan die Elbe binunterglitt. Die Mannschaften der im Bafen liegenden Dampfer riefen ihr „Hipp, bipp, hurrah“ uns nach, die an den Quais und Ufern dichtgedrängte Menge wehte mit Tüchern, die Seewarte falutierte mit der Flagge, und auf Wiezels Hotel, in dem die Erpeditionsmitglieder gemeinfam mit | den von allen Seiten herbeigeeilten FSachgenofjen gar manchen : I anregenden Abend verlebt hatten, ftrengten dte Kellner fich mit ihren Servietten ganz befonders an. Das Schiff wurde bei Brunshaufen zu Anfer gebraht und für die Feier des nächiten Tages hergerichtet. Daß fie einen ernjten Charakter trug, war nicht zum mindejten durch das gerade befannt gewordene Binfcheiden des großen NReichsfanzlers bedingt. Der Staatsfefretär des Inneren, Graf von Pofadowsfy, ließ es fih nicht nehmen, Anfprache des Staatsfefretärs des Inneren. 15 nad feinem Befuch in dem Sterbehaufe in Friedrihsruh mit feinen vortragenden Räten perfönlich die Daldivia zu verabfchieden. Auch der fächfifhe Kultusminifter, Dr. von Seydewiß, erjchien perfönlih mit dem Winifterialdireftor und verficherte die Mit- glieder der Erpedition des lebhaften Intereffes, welhes Se. Majeftät König Albert an der Entjendung der erjten deutfchen Tiefjee- Erpedition nahm. Dertreter des Fönigl. preußifchen Kultusminiftertums, des NReichsmarinsamtes, der Direktor der See- warte, der regierende Bürgermeifter von Hamburg, Senatoren, die Direktoren und der Auffichtsrat der Hamburg-Ilmerifa-Linie, befreundete Fachgenoffen und der Heraus- geber der Ihallenger-Publifa- tionen, Sir John Murray, gaben der ftolzen Seft- verfanmlung ihren Cha- rafter. Es war begreiflich, daß in der NHede des Staatsfefretärs und in der Anjprahe von John Murray das Gedenken ‘an Fürft Bismard in erfter Sinie ftand. Wie hätte man vor Begrün- dung des Deutfchen Kei- ches daran en Fönnen, eine derartige wiljenjchaft- lihe Erpedition feitens Deutjchlands auszurüften! fo Flang es in beiden Reden wieder. Gerade der Umiftand, da es fih um ein rein wilfenfhaftliches Unternehmen handele, das feinen unmittelbaren, praftifh-wirtichaftlih verwertbaren Erfolg verfpreche, bezeuge den Unterfhied zwifchen dem Einft und Iebt. Alan müffe nicht vergefjen, fo betonte der Staatsfefretär, daß es mit den wohlhabenden und mächtigen Dölfern ähnlich wie mit wohlhabenden Privatleuten jet. Wie diefe nicht nur für ihre täglichen Kebens- bedürfniffe forgen, fondern auch ihr Heim Fünftlerifch fchmrücen wollten, jo habe auch eine große und wohlhabende KHation den Wunfh, für rein wiffenfchaftliche, ideelle Swele Opfer zu bringen. In der Förderung derartiger Unternehmungen durch das Reich liege eine Förderung des a danfens überhaupt. Hwar jet fchon von an- deren Nationen in Bezug auf die Xeltefv a es Meeres, die Temperaturen und die chemifchen Derhältniffe des saffers, die Mleeresftrömungen und die Fauna der Mieerestiefen Hervorragendes geleiftet in aber er hoffe doch, daß es der Erpedition gelingen werde, einen neuen Schritt vorwärts auf der endlofen Bahn 14 Derabichtevung der Daldivia. menschlicher Erfenntnis zu thun. Se. Atajeftät der Kaifer habe für das Unter- nehmen fein lebhaftes ntereffe geäußert und den Befehl erteilt, den Mitgliedern der Expedition Allerhöchft feine Glüc- wünfche auszufprehen und gute Reife zu wünfchen. Möchte Gott das Schiff und feine Befasung auf allen Wegen fhüsen und behüten, und wohlbehalten wieder in den Heimatshafen zurüd- führen! Die Heit der Abfahrt nahte heran. och ein letter Händedruf und die Teil- nehmer an der Feier verließen das Schiff. 2 ae Graf v. Pojadowsfy Sir John Murray und Geh. Rat Heuitayer, „Muß t denn, muß ti denn u Sum Städtle hinaus... fo Fang es von dem Flußdampfer, welcher mit den Ehrengäften und den Ange hörigen der Erpeditionsmitglieder an Bord langfam dreimal die Daldivia umfuhr, als fie den Anker gelichtet hatte. Miandh großartige Scenerie 309 fpäter vor unjeren Augen vorbei, aber feine vermochte den Eindruck auszulöfchen, den es auf uns machte, als unter den Klängen des Dolfsliedes die gefamte Mannfchaft der Daldivia in ihr Bipp, bipp, hurrah ausbradh, als hohe Staatsbeamte grüßten, die Tücher der Frauen, der Kinder, Freunde wehten, und als felbjt über die wettergebräunten Wangen alter Seeleute eine Thräne flo. Was uns das Kiebjte im Keben war, blieb zurück und brachte das Dpfer der Trennung — wie lange wird fie währen und wird das, was einen fo vielverjprecbenden Anfang nahm, aud einem ehrenvollen Ausgang zugeführt werden ? E {hiffes für die Mitglieder auch mit einem gewiffen Unbehagen verbunden tft. Alan läßt fich nicht leugnen, daß eine fo feierlihe Derabihiedung eines Erpeditions- ın weiß zwar wohl, daß die Ehrung nicht der Perfon, fondern den wilfenfchaftlihen Strebungen des Reiches gilt, aber nicht leicht wird der Gedanke genommen, daß man Träger der Müfjion tjt, den man Dertrauen jchenft, obwohl nod Feine Keiftungen aufzuweien jind. Gerade hierin liegt eim mächtiger Die „Brunshaufen” umfährt die „Daldivia”. Perfonal. Kapitän und Offiziere. 15 Antrieb, um bei der Eigenart und Dielfeitigfeit des Betriebes an Bord, welhe einen Müßerfolg nicht ausschließen, fi nicht abjchrefen zu laffen und vielleicht hochgefpannte Erwartungen der Rücbleibenden zu rechtfertigen. DPerjonal. Daß imdeffen die SZuperficht nicht fehlte, dafür garantierte fhon die erfte Orientierung in den neuen Derhältnifien. Da war in erfter Sinte unfer verehrter Kapitän, Adalbert Krec, der mit feinem unverwüftlihen Humor und mit feiner niemals erlahmenden Gewiljenhaf- tigfeit in der Führung des Schiffes das abfolute Dertrauen erweckte, daß wir uns in den beiten Hän- den befanden: „he is a jolly old fellow“, fo fangen es ihm fpäter NMtinifter und Der- treter des Kaplandes. Der erfte Offizier, Brunswig, ‚hatte neben der ihm zufom- menden Dberaufficht über die Mannfhaft alle An- orönungen für die Erpedi- ttionsarbeiten zu treffen; daß erfie fpäter, da er Feine Wache mit zu gehen hatte, oft ganz felbftändig übernahm, mag der befte Beweis für feine Umficht fein. — Die beiden zweiten Offiziere, Meyer und Hoppe, bezogen Tag und Hadht je vier Stunden die Wache auf der Kommandobrücde, — Der Kapitän Kredh,. Hapigationsoffisier Sachfe war der Erpedition als Mitglied beigegeben und hatte außer der eigentlichen Navigierung das Negulieren der Kompaffe, jäntlihe magnetifchen und aftronomifchen Beobachtungen und gelegentlich auch in Dertretung des Deeanographen die Kotungen zu übernehmen. Da er auc) photographifch gefchult war, ftellte er es fich zur befonderen Aufgabe, an nautifch wichtigen Punften die Küften aufzunehmen. 16 Befagung und Teilnehmer. ANtit befonderem Dank fei des vortrefflih gefchulten Mafchinenperfonals gedacht. Der erjfte Mafchinift Edelmann, unterjtütst von dem zweiten Mlafchiniften Schuh- macer und zwei dritten Mlafchiniften, Fellert und Pann Bi drei Genannten be- zogen alle vier Stunden die Mafchinenwache), haben es zumwege gebraht, daß die Erpedition unbehindert ihren Kurs verfolgen Fonnte und AN genötigt war, wegen Mafchinen-Störungen oder fonftiger eingetretener Schäden an den mafchinellen Einrich- tungen einen Hafen anzulaufen. Die große Kabel-Trommel, welche durcd e.nen äußer- lich nicht wahrnehmbaren Gußfehler bei einer Operation brad, wurde mit Bordmitteln in Fürzefter Seit repariert, und die Sigsbee’fche Kotmafchine, deren Trommel fich als zu fchwach erwies, wurde mehrfac) tadellos wiederhergeftellt. Ntan fchmiedete Rahmen für die Schleppneße an Bord, fertigte Kotröhren und befjerte in wenig Stunden die zahlreichen Fleineren Schä- den an den Be aus. — Als eine bejon- ders nüßliche I. dierung war es zu betradh- ten, daß ein überzähliger dritter Mafchinift, Schnei- der, ausschlieglich der Er- peditionsleitung zur Der- fügung ftand und dafür Sorge trug, daß die Kot- mafchinen, die Dampfwin- den und Seilleitungen ftän- dig gebrauhsfähig gehal- Derizlapitaneritepänenogen ten wurden. Das hier genannte Dffiziersperfonal wurde noch ergänzt durch den Sahlmeifter und Proviant-Derwalter Shimmelpfennig, der namentlih dann, wenn ein Kanden bevorftand, fich vedlich für die Intereffen der Erpeditionsmitglieder abzumühen hatte. Die Befatung des Schiffes beftand insgefamt aus 45 Perfonen infl. Kapitän. Im Hinblif auf die vermehrten Anfprüche, welche naturgemäß bet eimer derartigen Er- pedition an fie geftellt wurden, war fie etwas ftärfer als auf gewöhnlichen Handels- dampfern bemeffen, aber immerhin, wie auf Grund unferer Erfahrungen gejagt werden darf, Fnapp ausreichend, um den verfchtedenartigen Verpflichtungen nachzufommen. Daß unter ihr zwei erfahrene Fischer fich befanden, haben wir oft genug jhäßen gelernt, nicht minder auch, daß der Segelmacher, der Simmermann und der ftändig für das Aulöten der Gefäße in Anfpruch genommene Klempner uns willig an die Hand gingen. Befagung nnd Teilnehmer. Ic Für unfer leiblihes Wohl forgten Küper, ein Schlächter, ein Bäder, unfer fchrift- stelleender Koch, ein Oberfteward und drei Stewards. Handelte es fih darum, See-Elefanten abzubalgen, einen verwilderten Stier zu zerlegen, Fifche zu angeln, einen Hai an Bord zu ziehen oder bei dem auffonmenden Scleppnes behilflih zu fein, fo war man der Mlitwirfung aller geeigneten Kräfte fiher. Immerhin galt es bei einem reichen fange auf der Hut zu fein, da der Koh mit lüfternen Blifen die abfonderlichen Tieffeefifche und blutrot gefärbten Tieffee- frebfe — er behauptete, fte Fämen gleich gefoht an die Oberfläche beäugte und, wie nicht ohne Grund vermutet werden darf, auch gelesentlih in die Küche wan- dern ließ. Der wifjenfhaftlihe Stab der Erpedition feste fih außer dent Keiter aus folgenden Nütgliedern zufammen: Prof. W. Shimper (Bafel), Botanifer. Dr. &. Schott, Hilfsarbeiter an der Seewarte (Hamburg), Dceanograph. Dr. P. Shmidt (Leipzig), Chemifer. E. Apftein (Kiel), Soologe. Dr. $. Braem (Breslau), Soologe. E. Danhoeffen (Kiel), Soologe. Sadhfe (Hamburg), Havigationsoffizier. Die hier genannten fieben Herren waren offizielle Teilnehmer der Erpedition; ihnen hatten fich noch freiwillig angefchlofjen: Dr. M. Bahmann (Breslau), Arzt und Bafteriologe. Dr. A. Brauer (Marburg), Hoologe. Dr. ©. zur Straßen (Keipzig), Hoologe. $. Winter (Frankfurt a. M.), Wifjenfchaftliher Seihner und Photograph. Als Konfervator begleitete die Erpedition: R. Schmitt (Keipzig). Die Daldivia. Ha längeren Dorverhandlungen wurde im Februar 1898 von feiten der Hamburg- Amerifa-Linie der Dampfer Daldivia als das für die Erpeditionszwede geeignetite Schiff vorgefhlagen. Hacden es in Trodendod gebraht und feitens der Neichs- marineperwaltung nad eingehender Unterfuhung durch ihre Beamten als durchaus geeignet befunden worden war, entichied jich die Neichsperwaltung definitiv, dasfelbe für die Erpedition zu chartern. Thun, Mus den Tiefen des Weltmeeres, Zweite Muflage. DD 15 Dimenfionen der Daldivia. Die Daldivia wurde i. I. 1886 für dte Hamburg-Südamerifa-Dampfihiffahrts- Gefellihaft aus Stahl in England gebaut, und war als fraht- und Auswandererfchiff bis 1596 in den Dienft zwijhen Hamburg und Brafiltien eingeftellt. Später Fam fie in den Befit der Hamburg-Amerifa-Kinte, welche fie als Sracht- und Pafjagterdampfer für ihre Sinten nach Weftindien verwandte. — Daß die Daldivia größer war, als wir urfprünglih für unfere Swede in Ausficht genommen hatten, erwies fich fpäterhin als von unfchäsbarem Werte. Wir gewannen in ihr nicht nur geeignete Alrbeits- und Unter- funftsräume, fondern vermochten auch bei der 94 m (= 508 engl. Fuß) betragenden „Daldivia” im Peterfen-CJuat vor der Ausreife. Känge des Schiffes mehrfach gleichzeitig Arbeiten auf Dorderdef und auf Hinterdec vorzunehmen, die bei einem Fleineren Dampfer wegen der unfehlbar eintretenden Der- wirrung in den Seilleitungen Feinesfalls angängig gewefen wären. Die größte Breite des Schiffes beträgt I,2 m (= 56,6 engl. Fuß), die Raum-Tiefe 7,2 m (= 25,7 engl. Fuß); der Raumgehalt bemißt fi auf 2IT6 Regiftertonnen brutto und I5C2 Negifter- tonnen netto. Der fcharf gebaute Bug und die eleganten Linien des Dampfers, fowie das günftige Derhältnis zwifchen Länge, Breite und Tiefe find gute Dorbedingungen für die Schnelligfeit und die bewährten Seeeigenfchaften des Schiffes. Unfer vielgereifter Botaniker, Profefjor Shimper, erzählte in den erjten Tagen nad) der Abfahrt, daß er einft von Brafilien nah Hamburg auf einen Dampfer Tijuca zurüdfuhr, der ihm von allen Schiffen, welche er Fennen lernte, die angenehmijte Mafchine. 19 Erinnerung zurüdgelaffen hätte. Hu feiner Überraschung jtellte es jich heraus, daß unfer Schiff die Tijuca war, welche bei ihrem Übergang in die Hamburg-Almerifa- Kinte den Namen gewechfelt hatte. Die Daldivia befitst eine dreicylindrige Mafchine mit I400O imdizierten Pferde- fräften, weldhe dem Schiff eine Gefchwindigfeit von I2 bis I5 Knoten (in der Stunde) verlieh. Es handelte fih alfo um einen relativ rafchläuftgen Dampfer, wie er im Binblif auf die weite Ausdehnung der Fahrt (wir durchmaßen einen Weg von 2000 Seemeilen) der Erpeditionsleitung durchaus erforderlich fchien. Die Er- wartungen, welhe an die Gefchwindigfeit des Schiffe ın gefnüpft wurden, haben fich denn aucd vollauf erfüllt. Bei der Benußung nur eines Kefjels wurde eine durch- fchnittlihe Gefhwindigfeit von 8—9 Seemeilen erzielt, die für normale Derhältniffe ausreichte. Hur zweimal fuhren wir mit voller Kraft: das eine Mal, als wir nod bei Tage in den Gazelle-Hafen der Kerguelen einlaufen wollten, und das andere Mal, als wir von Port-Said aus nad) Beendigung aller unferer Arbeiten in rafcher Sahrt dem Heimatshafen zuftrebten. - Don der intenfiven Inanfpruchnahme der Mtafhine und ihres Perfonals Fann fich freilich nur derjenige eine Dorftellung machen, der dem Gange der Operationen bei dem Dredfhen und Koten beiwohnte. Da es fi darum handelte, daß die Kabel möglichit fenfrecht neben dem Schiffe ftanden, fo war bei unruhigem Wetter oder im Bereiche der Strömungen ein ftändiges Alanöverieren mit der Mlafchine notwendig; „langjfanı vorwärts!" „langfam rückwärts!" „ein Schlag vorwärts!” fo Flang es in Furzen Intervallen während der genannten Operationen. Yiemals, fo darf mit befonderer Genugthuung hervorgehoben werden, tft auch nur die geringite Störung in der Mafchine eingetreten. Da die relativ mäßige Koftenberehnung der Hamburg-Amerifa-Kinie wefentlich darauf beruhte, daß wir den größten Teil unferes Dorrates an Heizmaterial mitnahmen, um des teuren Anfaufes von Kohlen in ausländifchen Hafenorten überhoben zu fein, machte die Befchaffung des gewaltigen Koblenvorrates Feine geringen Sorgen. Aus den amtlichen Berichten der englischen Admiralität ging hervor, daß bei Einnahme auc) der beiten Stüdfohle die Gefahr der Selbjtentzündung nach drei Monaten für ein Schiff, welches längere Seit in Tropenregionen zu Freuzen hatte, nahe lag. Sie mußte fi in faft unheimlicher Weife fteigern, wenn für neun Mlonate der Dorrat an Bord mit- genommen werden follte. Auf Rat der Fatferlihen Nlarine entihloß jih jhließlich die Kinie zur Einnahme deutfcher Briquetts, deren nicht weniger denn 2100 Tons in einem Teile des Swifchendefs und in fämtlichen Unterräumen forgfältig, wie wenn es fih um Mlauern aus Siegelfteinen handelte, aufgebaut wurden, nachdem die Koblenbunfer mit ca. 400 Tons Stücfohlen aufgefüllt waren. Uur diefer Mlaf- regel war es zu verdanken, daß nicht einmal eine geringfügige Erhöhung der Tent- n* 20 Einnahme von Kohlen. perafur in den Dorratsräumen eintrat. Man hatte gleichzeitig durch Anbringen von wafferdichten Derbindungsthüren in den Querfchotten darauf Bedaht genommen, daß die Briquetts aus den Räumen in die Bunfer und vor die Feuer gebracht werden fonnten. Die leer gewordenen Bunfer füllten wir mit unterwegs gefauften Kohlen in Gran en in Padang und in Port Said wieder aus. Es läßt fih nicht leugnen, daß durch den anfehnlichen Kohlenvorrat der Dampfer bei Beginn der Reife recht tief lag und bei ftürmifchem Wetter reichlih Waffer übernahm; indes wurde dadurd die Manöverierfähigfeit des Schiffes in Feiner Weife beeinträchtigt. Erft als der Kohlen- vorrat bet dent lesten Abfchnitt unferer Fahrt im indishen Ocean zur Neige ging und das Schiff jehr hob aus dem Waffer lag, machte fi) der Einfluß der geringeren Tauchtiefe bei ftärferer Brife durch ein vafcheres Abtreiben geltend. Umbauten und Einbauten. Es lag in der Hatur der Sache, dag ein Perfonen- und Frachtdampfer für die HSwedle der Erpedition mit mamnigfachen Um- und Einbauten verfehen werden mußte. Unter diefen mögen namentlich folgende hervorgehoben werden. Ein Dedhaus auf dem Binterfchiff, das durch zwei Treppen in den Salon und zu den Kabinen hinab- führte, wurde als Mifroffopierraum hergerichtet. Da es eine Grundfläche von Id qm befaß, bot es für fehs Arbeiter Plaß und zudem ausreichendes Licht, nachden no) einige Fenjter eingefchnitten worden waren. Es bildete unfer ftändiges Kaboratorium, in dem alle feineren Arbeiten vorgenommen wurden. YUmlaufende Tifche, die mit den vielfältigen, mifroffopifhen Sweden dienenden Utenfilien und Einrichtungen ausgerüftet waren, wurden ftändig benußt und waren namentlich dann vollzählig befest, wenn die Fänge mit den feineren Planftonnesen in dem Dechaufe fortiert und den einzelnen Te En zur Unterfuhung und Konfervierung überwiefen wurden. Immerhin zogen es einige Mlitglieder vor, in wärmeren Mleeren ihren Arbeitsplat auf dem vom Sonnenfegel en Hinterded im Freien aufzufchlagen, wo eine angenehme Brife für die Unbequemlichkeiten der Rußplage entfchädigte. Im Binterfchiff wurden weiterhin eine Anzahl von Laboratorien im Hwifchended eingebaut. Der Chemiker, Dr. Paul Schmidt, verfügte über ein fehr praftifch ein- gerichtetes hemifches Kaboratorium mit Oberlicht und eleftrifcher Beleuchtung von nicht weniger als 2 qm Grundfläche. Hier waren unter allen Kautelen gegen die fhwanfende Bewegung des Schiffes die zahlreichen Reagentien und namentlich die für Prüfung des Basgehaltes des Seewaffers bejtimmten Apparate aufgeftellt. An das leßtere Tehnte fich das von dem Arzte der Erpedition, Dr. Bahmann, eingerichtete bafteriologifhe Kaboratorium an, das unter Berücjichtigung der Saboratorien. DI äußeren Derhältniffe den Kenner durch die finnreiche und zwecmäßige Aus- wahl und Aufftellung der Apparate überrafchte. Gleichzeitig diente es aud) als Doftorfammer, in der die zahl- reichen Fleinen Leiden der Bejabung ihre Behandlung fanden. Es made auf alle einen melancolifhen Eindrud, als mit dem Eintritt in den indischen Dcean diefes praftifch und unter vielen ANtühen eingerichtete Kaboratortum ver- waift dajtand. Endlid war noh als dritter Ar- beitsraum eime photographifcdhe Gemuse-Raum Dunfelfammer im Anlehnung an das bafteriologifche Kaboratorium nad den Angaben des uns begleitenden wiffenfchaftlichen Seichners und Photo- graphen F. Winter eingerichtet wor- den. Sie war ftarf umworben, da ein furor photographicus viele Mitglieder ergriffen hatte. Hicht weniger als fteben Piekegkaphläike Ntomentapparate wurden außer den Dunkelkammer größeren Cameras gehandhabt; man war niemals ficher davor, daß Fritifche Situationen von den auf den Anjtand fchleihenden üngern der Trocden- platten erhafcht und bei feftlichen Der- anftaltungen veröffentlicht wurden. Bei den argwöhnifhen Schwarzen gelang ihnen dies freilih nicht fo leicht: näherte man fich ihnen mit dem un- heimlich ausfchauenden Kaften, fo er- folgte meift eine wilde Fluht. Müt Genugthuung Fann indes hervorge- hoben werden, daß fich unter den Taufenden von Aufnahmen doch auc Chemisches Baclertologisches Laboralorium Laboratorium J wiyssmwsıy erne ftattliche oahl befindet, die ein Einbauten im Swifchended des Hinterfchiffes 22 Konfervierraum. Eisapparat. anfchauliches und wiffenfchaftlich verwertbares Bild der uns umgebenden Scenerie und aturobjefte liefern. Der größte Raum, welher für die Swede der Erpedition hergerichtet wurde, lag im Swifchendec des Dorderfchiffes und erhielt feine Bezeichnung als Konfervierraum; feine Grundfläche betrug ca. 56 qm. Es war für uns eine wahre Wohlthat, daß wir über einen fo umfänglichen und fpäter, nachdem die anliegenden Kohlenbehälter geräumt waren, fogar noch erweiterten Raum verfügen Fonnten. In ihm wurden die Refervefabel, die zahllofen Kiften und Kaften mit Glasgefäßen und Fifchereigegenftänden aufbewahrt; an den Dedfen hingen die Hebe, an den Seitenwänden waren die Schränke und Borte für Aufbewahrung des Handwerfszeuges und der Neagensgläfer angebracht, und vor allem wurde in ihm das gefamte Foftbare Material an Fonfervierten Drga- nismen aufgeftapelt. Dazu gefellten fich dte zahlreichen Behälter für die mannigfaltigen zur Konfervierung notwendigen NReagentien und zum Sortieren der Fänge dienenden Atnkfiften und Sinfwannen. Der Konferpierraum wurde ftändig in Anfprucd genont- men; bet fchlechtenn Wetter fortierten wir in ihm die mit der Dredfche heraufgebrachten Fänge, bei gutem Wetter wurden diefelben an Def rap ausgefuht und nachher in dem genannten Raum emer forgfältigeren Behandlung unterzogen. Die Schaffung aller diefer genannten Arbeitsräume hatte zur Folge, daß durh Ein- fchneiden von Fenftern für genügende Beleuchtung Sorge getragen werden mußte. Auch die eleftrifche Beleuchtung wurde erweitert und in die neuen Räume eingeführt. Eine große Bogenlampe mit Schirm diente für Fifchereizwece und war uns namentlich bei dem Auffonmen der Dredfhen in der Dunkelheit von Wert. Hierbei mag nod) erwähnt werden, daß auch der eleftrifche Motor der Sigsbee'fhen Kotmafchine den eleftrifchen Strom von diefer Leitung erhielt. Don fonftigen Einrichtungen, welche für die Swede der Erpedition getroffen wurden, fei an erfter Stelle der Befchaffung einer Kühlmafchine und eines Kühl- und Eis- apparates gedacht. Die Anlage eines Eisraumes, in dem die Temperatur ftändig — 4° betrug, in Derbindung mit einem Befrierraume für das Fleifch und einem Kühl- raum für das Gemüfe erwies fich als eine wahre Wohlthat. Die Eismafchine follte täglih mindenftens 5 kg Eis liefen, doch wurde das genannte Quantum fogar in den Tropen vielfah überboten. Für unfere wiffenfchaftlihen Swede erwies jic der reichlihe Porrat an Eis als unfhätbar. Die Tieffeeorganismen leben in einem Waiffer von fehr niedriger Temperatur und geraten bei dem Auffommen der Nebe in tropifchen Gebieten im gelegentlih um 25° wärmere Oberflähenfchichten. Hier zerjegen fie fich außerordentlih vafch, falls nicht mit Eis abgefühltes Seewafjer zu ihrer Aufnahme in Bereitfchaft fteht. Da namentlich die mit den Dertifalnesen erbeuteten Tiefenformen bisweilen noch lebend zur Dberfläche gelangten, vermochten wir fie ftundenlang im abgefühlten Wafjer am Leben zu erhalten, während gleichzeitig ihr Dampfwinden. Sadebaum. 25 Habitus durch” Miomentphotographien und ihre natürliche Färbung in Aquarellen feftgehalten wurde. — Die genannten Kühlräume waren im hinteren Swifchended unterhalb des Salons und der Kabinen angebraht, ein Dorraum zwifchen ihnen und den eingebauten Kaboratorien wurde mit Kleiderfchränfen und Ausrüftungsgegenftänden für die Mitglieder der Erpeditton befest. — Weiterhin erwies fih als notwendig, einen großen Deftillationsapparat für Süßwaffersweke aufzuftellen. Die Daldivia, welhe außer 95 Tons Wafferballaft zum Gebrauch für die Miafchine Feinen Doppelboden für Süßwaffer befaß, führte das zum Trinfen nötige Srifhwaffer in 4 Wafjertanfs von zufanmen 60 cbm Inhalt. Man war daher darauf angewiefen, Süßwaffer für Gebrauhszwefe an Bord zu be reiten. Das dejtillierte Wafjer war fo rein, daß wir es auch für unfere wifjenfchaft- lihen Swede ohne Anftand zu benußen vermochten. Endlihh mag noch hervorgehoben werden, daß auch an den Kabinen Underungen getroffen werden mußten, welche es ermöglichten, jedem der zwölf Teilnehmer eine von ihm allein bewohnte Kabine zur Derfügung zu ftellen. für die wifjfenfhaftlihen Arbeiten an Bord waren neben den genannten Ume= und Einbauten eine Anzahl von Emrichtungen zu fchaffen, unter denen in erjter Sinie die Aufitellung einer großen Dampfwinde mit Rohranfchlüffen hervorzuheben ift. Die- - felbe wurde von einem der größeren Dampfer der Hamburg-Almerifa-Kinie, nämlich der Palatia, auf die Daldivia übergeführt und diente der Bewältigung der fchweren Saften, welche beit dem Dredfchen aus großen Tiefen zu heben waren. Da die Kade- bäume von Ffrahtdampfern in der Regel auf eine Kaft von 21/, bis 5 Tons berechnet find, fo verftand es fich von felbit, daß fie den bei den Dredfcharbeiten an fte zu ftellen- den Anforderungen nicht gewachjen waren, infofern wir gelegentlich mit Kaften von C bis 8 Tons zu rechnen hatten. So wurde denn ein fchwerer Sadebaum aus Stahl von IO Tons Tragfähigkeit am Focdmaft angebracht und fpeciell mit der Seilleitung für das DredfchFabel verbunden. Daneben mußten eine Anzahl von Einrichtungen für Inftallierung der Kotapparate, für Aufftellung und Aufheißen der Dampfbarfaffe und für dte Sicherung der großen Kabeltrommeln getroffen werden; fchwere Blöcke für die Seilleitungen nad den Winden waren zu befhaffen, und endlich mußte auf dem Binter- def ein zweiter Regelfompaß aufgeftellt werden, wie denn auch weiterhin zwei Ertra- Ehronometer angefchafft wurden. Alle die hier genannten Einrichtungen influfive der noch zu erwähnenden Dredfch- fabel und der Derpflegung der Teilnehmer fielen der Reederei zur Kat. Hahdem der Reichstag die Forderung für die Tieffee-Erpedition am 51. Januar 1898 genehmigt hatte, wurde eifrig mit der Befchaffung und Beitellung der notwen- digen Ausrüftungsgegenftände begonnen. Diel Zeit war hierfür nicht zu verlieren, 24 Grofe Kabeltrommel. Stahlfabel. wenn der Abfahrtstermin am I. Auguft pünftlih eingehalten werden follte. Don großem Werte erwies es fi, daß die Hamburg-Amerifa-Kinie die Daldivia bereits vom Beginn des Juni ab außer Fahrt feste, wodurd volle zwei Mlonate gewonnen wurden, um alle an Bord notwendigen Ein- und Umbauten vorzunehmen. Diefenn Umftande war es nicht zum wenigjten zu verdanfen, daß ohne Überhaftung, wenn auch unter angeftrengter Thätigfeit alles jo jorgfältig hergerichtet wurde, daß es fpäterhin feine Probe bejtand. Die biologische Ausrüftung. Was nun die von fetten der Expedition zu befhaffenden Ausrüftungsgegenftände anbelangt, fo mögen zunäcft jene ins Auge gefaßt werden, welche die biologischen Unterfuchungen betreffen. Ein wichtiger und umfänglicher Ausrüftungsgegenftand war die große Kabel- trommel, die nicht weniger denn IOOOO m Stahlfabel für die Dredfcharbeiten auf dem Grunde des Deeans aufnehmen follte. Wir gaben bei der Aftien-Gefellfhaft „Dulfan” in Wien eine Kabeltrommel in Beftellung, wie fie bereits auf der öfterreichi- jhen Pola-Epeditton Derwertung gefunden hatte. Sie wurde mit einem Stahlguf- fettenrad von der Fleinen Winde aus betrieben und befaß eine Dorrichtung zur auto- matifhen Aufwidelung des Stahlfabels. Abgefehen von einem äußerlich nicht wahr- nehmbaren Bußfehler an dem eifernen Ständer der Trommel, welcher zu einem Bruce derfelben bei einer Dredfchoperation führte — ein Schaden, der durch unfer Mafchinen- perfonal in furzer Seit repariert wurde —, hat fich diefelbe trefflih bewährt. Befondere Anforderungen betreffs der Keiftungsfähigfeit waren an das Stahlfabel zu ftellen. Es ift ein wefentlihes Devdienft von Alerander Agaffiz, daß er an Stelle des noch von der Challenger-Erpedition gebrauchten Hanffabels das weit hand- lichere, wegen des geringeren Reibungswiderftandes im Wafjer ein fchnelleres Arbeiten ermöglichende StahlFabel fette, das denn auch alle fpäteren Tieffee-Erpeditionen in Aı= wendung gebradht haben. Das Stahlfabel von IOOOO m Känge und ein Nefervefabel von gleicher Länge wurden in New Cajtle bei der firma Th. und ID. Smith, den Kieferanten der englifchen Udmiralität, in Beftellung gegeben. Es beftand aus zwei zufammengefpleißten Kabeln, deren eines bei einer Känge von 6OOO m einen Durc)- mefjer von ID mm, deren anderes bei einer Känge von 4OOO m einen foldhen von 12 mm aufwies. Die für diefe beiden Kabel garantierten Bruchfeftigfeiten beliefen fich auf 9059 refp. SI65 kg. Die genannten Bruchfeftigfeiten wurden, wie wir aus dem Spiel des Dynamometers ermefjen Fonnten, fogar noch von den Kabeln überboten, und es Fann mit Genugthuung hervorgehoben werden, daß wir nicht einmal in die Sage famen, das Nefervefabel in Unfpruch zu nehmen. Seilleitung. 25 Große Kabeltrommel und Kopf der großen Danıpfmwinde, Auch der Seilleitung wurde befondere Aufmerffankeit zugewendet. Wir hatten die große Trommel auf dem Dorderfchiff, Steuerbord, aufgeftellt, und von hier lief das Kabel über den Kopf der großen Dampfwinde, » mit deren Welle gleichzeitig ein hählapparat in Derbindung gefest war, bis zu dem Dynamometer. 26 Seilleitung. Das Ießtere hatten wir wie- Mittterer- Aufbau derum nach) dem Dorgange der Dola in Anwendung gebradt. Es war für einen Jug von 10 Tons eingerichtet und wurde uns nebft einem Neferve- Dy- Ih 479 110W zuÄl namometer von der Firma Schäfer und Budenberg m N S Nagdeburg geliefert. Auch die S } Sn Dynamometer bedurften ftän- S 3 diger Kontrolle und gelegent- © liher Emeuerung ihres Gly- cerins, das bei feiner Kon- preffion den Druf auf eine Yadel übertrug, deren Spiel bei den Dredfhoperationen auf das genauefte beobachtet wer- den mußte. Durch verfchiedene, neu Fon- jtruterte Keitblöfe lief dann das Kabel über den oberen Blod am großen Kadebaum zu dem angehängten Schleppnes. Ein 100 m langes, 85 mm (im Um- fang) ftarfes Hanftau verband \ als Dorläufer das lettere mit dem Stahlfabel. für die Fifcherei = m mit den feineren Heben aus 4 Kane I Seidengase lieferte uns Geheim- SL) rat BHenfen eine von ihm Fon- | a S ftruierte Pleinere Trommel, ı FH S die fich bereits auf der Planf- a I ton-Erpedition bewährt hatte S 2 N und gleichfalls auf dem Dorder- S: fhiff, Badbord, Aufftellung S fand. Sie nahm ein jchwä- Re cheres Drahtfeil von COOO m Seilleitung auf dem Dorderded. Känge auf, das aus drei Teilen Kleine Kabeltrommel. Da von der vorhin genannten englifhen Firma gearbeitet war. 2000 m desfelben be- faßen einen Umfang von 20 mm, 2500 m einen folhen von 22 mm, und die Iebten 2500 m einen Umfang von 25 mm. Die für diefe Kabel garantierten Bruchfeftig- feiten betrugen IYTO refp. 2477 refp. SOSY Kg. Aucdy mit diefer Leitung war em Hählapparat verbunden, von dem aus das Seil über einen Fleinen Kopf der großen Danıpfwinde zu dem Fleinen KLadebaum geführt wurde. — Da die aus fehr zartem Material gearbeiteten Hete bei dem Schlingern des Schiffes leicht Gefahr laufen, zu reißen, wurden an der Dberfante des Kadebaumes Accumulatoren aus einer ftarfen Stahlfeder und aus Kautjchufrtiemen ange- bradt. Sie fpielen ftändig bei dem Fifchen und brechen den durch das Kollen des Schiffes bedingten ftärferen Zug. Leider haben die Rautfchufrtemen durh die Einwirfung der hohen Temperatur in den Tropen gelitten, fo daß wir jpäter faft nur noh auf die Stahlfeder angewiefen waren. Da wir indeffen im indischen Dcean meift bei jehr ruhigem Wetter fiihten, wurden wir durch die Be- wegungen des Schiffes weniger beein- trächtigt. Es verfteht fih von felbit, daß einen der wichtigften Teile unferer Aus- rüftung die Befhaffung der verfchieden- artigen Uebe betraf. Sie fcheiden fich in allgemeinen in Grundneße, welche bis auf den Mieeresboden hinabgelaffen werden, und andererfeits in Planftonnete, welche be- ftimmt find, die oberflächlichen und tieferen Wafferfhichten zu durchfifchen, ohne den Grund zu berühren. Demgemäß tft auch das Material, aus dem fie hergeftellt werden, ein verfchtedenes: dte Grundnebe bejtehen aus einem Yetbeutel, der aus ftarfem Manilahanf mit weiten Mafchen gearbeitet ift, die Planftonnese aus feiner Seidengaze. Kleine Kabeltrommel und Zähltrommel. Was zunädhft die Brundnebe anbelangt, fo repräfentiert unter ihnen die große Dredfche oder das Trawl das wichtigfte Werkzeug. Sie wurden bereits auf der I hallenger-Erpedition nach dem Dorbild der von den Fifchern der Uordfee viel- fach verwerteten „Kurre” in Anwendung gebracht und bei den fpäteren Erpeditionen mehr oder minder modifiziert. Unfer Trawl fest fi zunächft aus zwei eifernen, bogen 28 Grundnete. Trawl. förmig gefrümmten Schlitten zufammen, welche durch Fräftige Querftangen miteinander vereint find. Ein an der Fonveren Außenfeite der Schlitten befeftigtes, Fräftiges Hanf- tau dient zur Derbindung mit dem Dorläufer des großen Dredfchfabels. An dem gerade abgeftusten Hinterrand der Schlitten wird der große Hetfaf aus Manilahanf angebracht, der allmählich jich verjüngend eine Länge von etwa IO m aufweift. In den Hesjak felbit ift noch ein Fleinerer trichter- förmig geftalteter Beutel mit offenen Ende einge- fchaltet, der wie eine Reufe wirft und es verhütet, daß Fiiche, die in den hinterften Abfchnitt des Vetfades geraten find, entrinnen Fönnen. Um das Trawl auf den Grund der Tief- fee zu bringen, muß es noch durch eiferne Oliven beijhwert werden, deren gewöhnlih zweit von je 25 kg am Ende des Ueb- beutels befeftigt wurden. Der Hesbeutel wird durch Strife vor dem Fifchen zugebunden und nach dem Herauffommen des Trawl durch Köfen derfelben ge- öffnet. Es verjtand fich von felbjt, daß wir eine größere Anzahl folder Trawls von verfchtedenen Trawl am Cadebaum aus Stahl Dimenftonen jtändtg bereit hielten. Ein Trawl von mittlerer Größe, welches wir mit Dorliebe benusten, befaß vorn eine Weite des Hetbeutels von 2!/,; m. Der große DPorteil eines derartig Fon- itruterten Schleppnetes beruht darin, daß es unter allen Umftänden auf dem Grunde fiicht, mag es auf diefe oder jene Breitfeite fallen. Auffonmmen des Trawl, “ N = 2 Dredfhen. Neufen. 29 Außer dem Trawl verwendeten wir die Fleinere Grunddredfche, auch Blafe- dredfche genannt, wie fte namentlich von den amerifanifhen Forfchern vielfach ge- braucht wurde. Wir haben fie im allgemeinen nur feltener in Anwendung gebracht, da fie mit ihrem fcharffantigen Eifenrand, der bei einigen Eremplaren auch mit einem eifernen Rechen ausgeftattet war, fcharf in den Tieffeefhlamm einfchneidet, den Schlamm nicht fo fauber auswäfcht, wie das Trawl, und felten die flüchtigen Fifhe zur Ober- fläche bringt. Ein drittes Gerät ift die fogenannte Quaftendredfche. Sie ift namentlih dazu bejtinimt, auf fteinigem Untergrunde Derwertung zu finden, der von Korallen und von felfigen Untergrund liebenden feftfitenden Formen befeßt ift. In den aus zerfafertem Hanf gebildeten Quaften oder Schwabbern, welche von einem Fonver gebogenen eifernen Träger herabhängen, verfangen fi) außer Korallen au gern ftachelige Eruftaceen und fonftige auf dem Untergrunde feftgeheftete Organismen. Da wir derartige Schwabber auch feitlih an dem großen Trawl anbradten, haben wir im allgemeinen von der Quajftendredfhe nur untergeordneten Gebraudh gemadht, und verwendeten fie überhaupt nicht mehr, als fie fih auf der Agulhaes-Banf zwifhen Felfen fetgeflemmt hatte und einen Brucdy des Kabels bei einem durch den Dynamometer angezeigten Zuge von C Tons zur Folge hatte. Don dem fürften von Monaco wurden zuerft fogenannte Tieffeereufen in An- wendung gebracht, die auf den Grund des Meeres hinabgelafjen und dort längere Heit, oft einen Tag lang, fich felbft überlafien werden. Sie find felbftverftändlich an einem langen Tau befeftigt, das in eine Boje ausläuft, die auf der Oberfläche des Meeres flottiert und den Drt, wo die NReufe verfenft wurde, andeutet. Es läßt fich nicht leug- nen, daß die ausgiebige Derwendung derartiger Neufen mand fchönen fund im Ge- folge hat. Die Neufe wird mit Köder gefüllt und die denfelben aufftöbernden Fifche und Krujfter dringen durch die angebradhten Öffnungen in das Innere ein und gelangen oft in tadellofer Erhaltung an dte Oberfläche. R Wenn wir von derartigen Neufen weniger ausgiebigen Gebrauh machten, fo lag der Grund wefentlih darin, daß wir in relativ Furzer Heit eine große Strede zu durd)- fahren hatten und uns nur ungern entfchlojfen, einen Tag an derfelben Stelle liegen zu bleiben. Dazu Fam, daß wir fchon gleich vor den Canarifchen Infen zwei Neufen verloren, die auf felfigem Grunde feftgefommen waren und nicht wieder an die Oberfläche emporgezogen werden Fonnten. Dagegen haben wir nicht verfehlt, in allen Hafenorten Neufen auszufeßen, welche bisweilen fehr interefjante Organismen enthielten. Speciell für den Fang von SFifchen verwendeten wir ein Petterffon'fches joge- nanntes Otter-Tramwl, das namentlib in der Großen Fiihbat an der weitafrifa nifchen Küfte eine reiche Ausbeute lieferte. 30 Planftonmebe, Was nun die aus Seidengaze gefertigten Planfton-IHebe anbelangt, fo wur- den auf unferer Expedition wohl zum erften Male in größerem Umfange die Derti- Dertifalnef. Falnete verwendet. Schon die Planfton-Erpedition hatte fih mit einem folchen Vet < 3 c ausgerüftet, verlor es aber leider nad) den erjten Der- fuchen. Die Dertifalnete befiten einen weiten Durchmeffer und find bejtimmt, in große Tie- fen hinabgelafjen und dann langfam in vertifaler Rich- tung wieder gehievt zu wer- den. Sie fifchen neben grö- Beren Organismen auch eine Fülle jener Fleinen und Flein= jten Formen, dte flottierend in oberflächlichen und tieferen Wafferfchichten vorfommen und neuerdings allgemein als „Planfton” bezeichnet wer- den. Es handelt fich freilich - r um recht Foftipielige Iebe, gefertigte etsbeutel eine Kän- ge von durchfchnittlih 4 m befitst. Diefer feine Beutel er- hält dann noch einen fhüßen- den Überzug durch ein der- beres, weitmafchiges Yeb- zeug. Ich hatte auf Grund früherer Erfahrungen an dem Ende diefer Dertifal- neße einen Eimer aus Blas anbringen laffen, der in geeigneter Mefjingfaffung verfchraubt wurde. Diefe Einrichtung hat fi vorzüglich bewährt. Zwar fifcht das Het etwas we- niger, als wenn fein Grund mit einer filtrierenden Fläche ausgeftattet wäre, dafür aber Dertifalnebe. ol fanmeln fih die Organismen tadellos erhalten in dem Ölaseimer an, der einfach durch) Koslöfung der Derfhraubung abgehoben wird. Wenn es uns gelungen ift, eine reiche Anzahl von Organismen unter freffliher Erhaltung der langen Fühler, Tentafeln, Floffenftrahlen und fonftiger Körperanhänge zu erbeuten, fo tft dies wefentlich der ge- troffenen Einrichtung zu verdanfen. Hude fifchten die Hebe trot des nicht filtrieren- den Eimers ein fo anfehnlihes Quantum von Organismen, daß der Eimer faft voll ftändig wie mit einem Brei gefüllt war. Der ausgiebigen Derwertung diefer Dertifal- nee, die wir in verfchiedenen Dimenfionen herjtellen liegen, tit es wefentlich zuzuschreiben, daß wir in der Kenntnis jener Formen, welche die tieferen Wafferfchichten beleben, um eim gutes Stück weiter gefommen find. Un nur ein Beifptel anzuführen, fo ver- dankt die Erpedition gerade der Anwendung der Der- tifalnete die Entdefung jener wunderbaren Tieffeefiich- formen mit teleffopartig umgebildeten Augen, die fpäter- hin noch eingehender gefchildert werden follen. Modifizierte Dertifalnese repräfentieren die von Hen- fen Fonfteuierten Planftonneßge. Es handelt fich hier- bei um Üeße, die beftimmt find, einen Auffchluß über das Quantum an organischer Subjtanz zu liefern, welche innerhalb einer Wafjerfäule von befannter Höhe und be- Fanntenı Querfchnitte flottiert. Ste haben das wefentliche Requifit der früheren Planfton-Erpedition abgegeben und wurden fehr regelmäßig auch auf unferer Erpe- ditton in Anwendung gebradht, inden wir fie meift in eine Tiefe bis zu 200 m verfenften. Die hier genannten Uete fifhen alle Organismen welhe fowohl in der Tiefe wie in oberflächlichen Schich- ten vorfommen. Ein fcharfer Entfcheid über die Tiefe, in welcher die Organismen lebten, Fann felbjtverjtändlich mit dent Dertifalnes nicht gefällt werden. Wir haben allerdings verfucht, an einer und derfelben Stelle die Dertifalnete in verfchtedene Tiefen zu verfenfen und aus einem GSlaseimer am Dertifalnet. Dergleich des gewonnenen Mlaterials ein annähernd zutreffendes Urteil zu gewinnen, ob gewilje eigenartige Formen nur in der Mähe der Oberfläche oder in größerer Tiefe fchweben. Einen ficheren Entjcheid über die Tiefenverbreitung pelagifcher Organismen liefert in- deffen lediglich die Anwendung der fogenannten Schließneße. Sie find beftimmt, die tieferen Wafferfchichten geöffnet zu durchfifchen und dann fich felbitändig zu fchliegen, fo daß Organismen, welherin oberflählihen Schichten leben, nicht in diefelben hineingeraten Fönnen. Auf die dee der Derwertung derartiger Schliefnege waren nad) der Challenger- 32 Scliefneb. Erpeditton mehrere Forfcher gefommen. Wir verwendeten auf unferer Erpedition eine Konftruftion, dte ich dem verftorbenen Ingenieur der Soologifhen Station in Weapel, von Peterfen, verdanfte. Die genannten Vebe hatten mir bereits bei früheren Gelegenheiten wichtige Auf- jchlüffe geliefert, und fo wurde nicht geruht, den Mechanismus fo eraft zu geftalten, daß Fehler- quellen ausgefchloffen find. Dies war um fo notwendiger, als gerade unfere Erpedition es fih) zu einer der wichtigiten Aufgaben geftellt hatte, über das Dordringen flottierender Dr- ganismen in größere Tiefen Muffhlug zu erhalten. Käßt fich ein folches eraft erweifen, jo liegt auf der Hand, daß die Frage nad der Eriftenzberechtigung von auf dem Grunde des Mieeres feftjigenden refp. im Schlanmme lebenden Tieren unferem Derftändnis wefent- lih näher gerüdt wird. Denn die pflanz- lihen Organismen, von denen die Tiere fich in lester Sinte durchweg ernähren müffen, find an die oberflächlihen Wafferfchichten gebunden. Nur unter dem Einfluß des Sonnenlichtes vermögen fie zu afjimilieren und aus anorgantiichen Bejtandteilen ihren Plasmaleib aufzubauen. Den Tieffeeorga- nismen jteht Feine lebende pflanzliche Koit zur Derfügung; fie find auf den Abfall von oben, mag er aus zerfesten pflanzlichen Dr=- ganismen oder aus lebenden flottierenden Tieren beftehen, angewiefen. Daß freilich in tieferen Wafferfchichten lebende Tiere flottieren, wird von hervorragenden Forihern — unter ihnen fei nur A. Agaffiz genannt — beftritten. Auf Grund unferer Erfahrungen dürfte wohl fchwer- lih heute noch die Auffafjung verfochten werden, daß Planftonnet;. die tieferen Wafferfhichten dem organifhen Leben un- zugänglich Seien. Wir gingen namentlidh im antarktifchen Meere und im indifhen Ocean dazu über, an einer und derfelben Stelle Stufenfänge mit den Schließnegen zu veranftalten, die Schliefneb. 55 ein außerordentlich inftruftives Bild über dte Derteilung der Organismen im vertifalen Sinne lieferten. Es wird fich fpäterhin noch Geleg I finden, mit einigen Worten auf die Konftruftion der Schliegnete einzugehen. Deshalb sei hier nur hervorgehoben, daß es ft um Hebe handelt, en Rab- men beweglich gemacht ift, fo daß jie bald geöffnet, bald gefchlojfen in vertifalen Sinne durch die Waffer- fhichten gezogen werden. Ein derartiges Schliegneß wird gefchloffen in die ge- wünfchte ‘Tiefe verfenft; durch einen jinnreichen Utehanismus wird es mit Bilfe eines Propellers zumwege gebracht, daß bei dem Aufwinden das eb fich öffnet, eine be- jtimmte Stredfe geöffnet Suchfifht, und dann jich felbitthätig wieder fchließt. Wir hatten an unferem Schliegnese die Einrich- tung getroffen, daß die Strede, die geöffnet durch- fiiht werden Fonnte, fich beliebig in den Grenzen von 600 bis zu 20 m regulieren ließ. nsbefon- une dere war unfer Botanifer im en ftande, durch Stufenfänge bei Schliepnet vor dem Berablafien. pun.er Öffnungsdauer des Uebes über das Dordringen pflanzliher Organismen in größere Tiefen einen zuverläffigen Auffhluß zu erhalten. Anderer- feits vermochten wir dadurdh, daß wir die Hese in Tiefen bis zu 5000 m verfenften und eine Strefe von 5000 bis 4400 m durcdhftfchten, den Hachweis zu führen, daß felbit die zarteften Organismen in fo gewaltigen Tiefen nod) Thun, Uus den Tiefen des Weltmeeres. Zweite Auflage. 3 Scliefnet nach dem Auffommen. 54 Barfafle und Boote. lebend ihr Dafein zu friften vermögen. — Da die Auffchlüffe, welche die Schliegneße lieferten, in biologifher Hinficht befonderes Interefje verdienen, haben wir von ihnen fleiigen Gebrauch gemadht. Allerdings fangen die genannten Hete nur felten größere Drganismen, da fie ja einerfeits nur Fleine Streden dSurchfiichen, andererfeits im Der- gleih mit den Dertifalnesen immerhin zierlihe Apparate darjtellen. Es verjteht fih von felbit, daß auch von allen Dorrihtungen, die bisher für die Sifcheret Derwertung gefunden haben, ausgiebiger Nuten an Bord gezogen wurde. an angelte eifrig bei dem Stilleliegen des Schiffes, und erbeutete namentlih dSurh „Pülfen“ in fiich- reihen Buchten Tafelfifche, welche eine ftets gefchätste Abwechfelung für dte Speifefarte boten. Auf der Hodfee waren es die glänzend gefärbten Gold- mafrelen, weldhe in gewaltigen Sätßen herbeieilten und gierig nach den gligernden, aus Metall gefer- tisten Fiihchen oberhalb der Angelhafen hafchten. Mit Harpunen und einem Harpunengewehr wurde den Grind-Walen und Delphinen zu Leibe gegangen, Schlidruticher. ohne daß freilih der Wurf jemals geglükt wäre. Kraser, Schaber und Fleine, drei- Fantige Dredfchen wurden ausgiebig in der Hähe der Küften zum Sanszn von oberflählich lebenden Organismen verwertet, für Fifchereizwefe hatten wir außer den Net- tungsboten noch ein Fleines Whale-Boot, den jo- genannten Schlidrutfcher, angefchafft, das trefflich die See hielt und jedesmal ausgefeßt wurde, wenn das Schiff zur Dornahme von Arbeiten längere Seit bei ruhigem Wetter ftoppte. Keider mußte ich den Derfuc,, dasfelbe im imdifchen Ocean ausgiebig zum Dberflähenfange mit den feinen Müllerfchen Hand- negen zu verwerten, aufgeben, da die regelmäßig fich einftellenden Hate, deren einer einmal nah dem Nuder des Bootes fchnappte, die Dberflächenfifcherei allzu risfant erfcheinen ließen. Daß die Dampfbarfafje, die uns die Faiferliche Marine geliehen hatte, auch für Fifchereien ausgiebig Derwertung fand, mag nur beiläuftg betont werden, namentlich in dem ftillen Gazelle-Hafen der Kerguelen haben wir durch das Dredfchen von der Danpfbarfaffe aus in relativ Furzer Heit eine außerordentlih reiche Alusbeute zu ver- Dampfbarfajje. zeichnen gehabt. Konfervierung der Organismen. 90 Da wir auf baldige und rationelle Konfervierung der erbeuteten Objekte befonders bedaht waren, verjteht es fih von felbit, daß die Erpedition fi mit allem ausgerüftet hatte, was die moderne Technik in diefer Hinficht erfordert. So fei nur erwähnt, daß wir nicht weniger als SOOO Kiter 96 prozentigen Alfohol an Bord hatten, der in einem eigenen Raume unter ftrengem Abjhluß aufbewahrt wurde. Die Farbwerfe in Höchjt verforgten uns mit S0O Kitern Formol; dabei wurde an Sublimat und den verfchtedenen, für Konfervierungszwede in Betracht Fonimenden Säuren wie Pifrinfäure, Chromfäure, Effisfäure, Üperosmiunfäure u. f. w. nicht gefpart. Ebenfowenig war Mangel an Blaswaren zur Aufbewahrung der lebend an Bord Fommenden Objekte und der fpäterhin nah Behandlung mit verfchtedenartigen Reagen- tien Fonfervierten und in Alfohol übergeführten. Große Glasbehälter und Aquarien nahmen die lebenden Formen auf, ein Heer von Stöpfelgläfern, Blasdofen, Reagenzgläfern — von den Fleinften bis zu den größten — diente zur Aufbewahrung des Fonfervierten Materials. Umfänglihe Organismen wurden in Konfervegläfern der verfchiedenartigften Konftruftion oder in Sinfwannen und großen Kiften aus Sim, wahren Särgen, verpadt. Daneben waren Siebe, Siebtifhe und Bütten zu befchaffen, welche bei dem Auf fommen des Trawls Derwendung fanden. Eine mächtige, vierefige Sinfwanne, wie fie auf der dänischen Ingolf-Erpedition verwertet wurde, war gleichfalls im Dorbder- Ihiff aufgeftellt. Wir fanden es indefjen praftifcher, den aus den Grundnesen aus- geleerten Schlamm in Bütten zu verteilen, refp. den lesten Neft direft auf Bord aus- zufchütten. So diente denn die Sinfwanne nur gelegentlih zur Aufbewahrung größerer lebender Organismen; es trieben fich in ihr Seefchildfröten, Fleinere Haififche, felten einmal ein Tieffeefifih, umher, und Iuftig paddelten in ihr die auf den Kerguelen er- beuteten Pinguine. Daß die Sinfwanne ihre ausgiebigjte Derwertung bei Gelegenheit der Ügquatortaufe fand, mag vielleicht hier fchon verraten werden. Die oceanographifche Ausrüjtuna. Wenn aud die biologischen Intereffen der Erpedition im Dordergrunde ftanden und die oceanographifhen erjt in zweiter Linie Berücdjichtigung finden follten, fo hat doch der Bang der Erpedition es gelegentlih mit fich gebracht, daß das Derhältnis fich um- fehrte. So war es denn für uns von unfhäsbaren Werte, daß von vornherein auf eine zweckentfprechende und allen wichtigeren Arbeiten Rechnung tragende oceano sraphifhe Ausrüftung Bedacht genommen wurde. Es jet geftattet, m Kürze der verjchiedenartigen oceanographifhen und meteorologifhen Inftrumente zu gedenken, über welche der Dceanograph der Erpedition, Dr. Schott, gelegentlich in Gemeinfchaft mit dent Chemiker und Bafteriologen, verfügte. Sotmafchine. £otmafchine Syitem £e Blanc. Tieffee-Sotmafchine. 37 Unfere wichtigften Apparate repräfentierten die beiden Tieffee-Lotmafchinen. Eine derfelben, von Le Blanc in Paris Fonftrutert und auf den neueren Erpeditionen des Fürften von Monaco und der „Pola“ erprobt, wurde neu befhafft und mittjchiffs auf Steuerbordfeite aufgeftellt. Die nach) oben geführten Dampfrobrleitungen wurden mit einer Fleinen Dampfmaschine verbunden, welche die beiden zur Aufnahme des Kot- drahtes dienenden Trommeln, nämlid) eine größere für das gedrehte Stahlfeil und eine Fleinere für den Klavierfaiten draht, antrieb. — Daß von feiten der Reichsmarineverwaltung uns die nad) dem amerikanischen Syftem von Sigsbee Fonftruierte SLotmafchine leihweife über wiefen wurde, ift fchon oben hervorge hoben worden. Sie war umgebaut und mit einer Dynamomafchine verfehen wor- den, welche durch ihren ruhigen und ele- ganten Betrieb angenehm von der ge- räufchvollen Thätigfeit der franzöftichen Mafhine abftah. Obwohl die lektere in eimer noch zu erwähnenden BHinficht einen großen Dorzug vor der Sigsbee- fhen Mafchine voraus hatte, fo haben wir doch fpäterhin faft ausfhlieglich die mittfchiffs auf Bafbordfeite aufgeftellte amerifanifhe Mlafchine benust, da fte fhärfer als die Le Blanc’fhe dte Grund- berührung anzeigte und dabei etwas rafcher arbeitete. — Als Kotdraht ver- wendeten wir, wie bei allen derartigen Tieffee-Lotmafchinen, Klavierfaitendraht von 0,9) mm Durchmeffer, der eine garan- tierte Tragfähigkeit von 200 kg befaß und pro IOOO m nur I kg wog. Einfchlieglih fpäter erfolgter Nachbeftellung ver fügten wir über 25000 m diefes frefflih fih bewährenden und durch forgfältiges Reinigen und Einfetten ftändig gebrauchsfähig erhaltenen Drahtes. Die Le Blanc’iche Sotmafchine war mit etwas dicferem Draht, nämlich einer gedrehten Kotdrahtlise von £otmafchine Syitem Sigsbee. 58 Tiefenlot. Tiefiee-Thermometer. 1,5 mm Durchmeffer und einer Tragfähigfeit von 240 kg ausgeftattet; IOOO m der- jelben wogen Id kg. Mir hatten uns mit 5000 m diefes Kotdrahtes verforgt. — An das Ende des Kotdrahtes wurden Kotröhren befeftigt, deren wir 6, nämlich 5 Sigsbeefhe und 5 Broofe'fhe, beihafft hatten. Durch mehrfache Derlufte waren wir genötigt, noch 4 weitere Kotröhren von unferem Mafchinenperfonal mit Bord- mitteln anfertigen zu laffen. Da der Bafteriologe Wert darauf legte, die Tieffeegrund- proben auf ihren Gehalt an Feimfähigen Bakterien zu prüfen, fo wurden nad feinen Angaben Metallröhren verfchiedener Größe an Bord angefertigt und an die genannten Sotröhren angeihraubt. Sie füllten ftch mit Tiefjeefchlanm, der freilih mehrfach bei den Berauffonmen des Kotes ausgewafchen wurde, jo daß wir noch über den Schlammröhren einen Kugelverfhluß anbraten, welcher fih auch in den meijten Fällen wohl bewährte. Mit allen für bafteriologifche Unterfuhungen erforderlichen Kautelen wurden dann aus der Mitte dtefer Nöhren die zur Unterfuchung bejtinmten Alengen von Tieffeefhlamm entnommen. — Um das Kot auf den Grund zu bringen, wurden mit der Kotröhre Sinfgewichte aus Eifen verbunden, welche nach der Grund- berübrung auf dem Tieffeeboden liegen blieben; wir verwendeten für größere Tiefe Sinfgewichte von 23 kg Schwere, deren wir 250 hatten gießen lafjen, und für geringere Tiefe folhe von Id kg, deren wir über 150 verfügten. Auf die Befhaffung von Tieffee-Thermometern, welche mit der notwendigen Schärfe die Waffer-Temperaturen in verjchiedenen, geringeren und größeren Tiefen angeben, wurde felbitverjtändlich befonderer Wert gelegt. Wir verfahen uns mit IT Marimal- und Niinimalthermometern, wie fie unter Berüchfichtigung des gewaltigen Drufes, den fie in großen Tiefen ausgefest find, auf allen neueren Erpedittonen Der- wertung finden. Die Marimal- und Nlintmalthermometer, mit denen |. 5. die Challenger- Expedition allein verfehen war, fanden in allen wärmeren und gemäßigten oceanifchen Bebieten ausgiebige Derwendung. Da hier die Temperatur von der Oberfläche bis zum Grunde fuccefftive abnimmt, Fonnte man ficher fein, daß die auf dem Thermometer zu Fonftatierende Alinimaltemperatur genau jener entjprach, welche in der größten von denn Thermometer erreichten Tiefe herrfcht. In dem antarktifchen Gebiete mit feiner san 1 dihothermen Schichtung der Waffermaffen, welche 3. B. an der Oberfläche geringere Temperaturen als in größerer Tiefe aufweifen, Fonnten felbitverftändlic die se und Minimalthermometer nur befchränfte Anwendung finden. Bier war es notwendig, die von der firma Uegretti und Zambra in London Fonftruterten Unt- fippthermonteter in Anwendung zu bringen, deren Prinzip darauf beruht, daß das rcontrifch aufgehängte Thermometer bei dem Aufholen durch die Wirkung einer Pro- pellerfhraube ausgelöft wird, umfippt und durch einen abgeriffenen Quedjilberfaden die in der betreffenden Tiefe herrfchende Temperatur genau marfiert. Wir hatten uns mit 6 derartigen Kippthe , verforgt und verfügten endlih auch noch über Kippthermometer. Wafferfchöpfer. Meteorologiihe Inftrumente. 99 einen jehr umfänglichen Apparat, nämlich ein von Siemens Fonftruiertes eleftrifches Thermometer mit einem C5O m langen Kabel. Dasjelbe ift bejtinmt, durch Un- derung im eleftrifchen Keitungspermögen einer Platinfpirale die T Tiefen dem Beobachter gewiffermaßen zu telegraphieren. Es ergab fich freilich, daß der Apparat noch einige Mängel aufweift, die erjt nach weiteren Derfuchen ausgeglichen Temperatur aus größeren werden Fönnen; immerhin überzeugten wir uns, daß er mit einer bisher nicht erreich- baren Genauigfeit die Temperatur in verfchiedenen Tiefen markiert. Sur chemifchen Analyfe des Tieffeewaffers wurden gleichfalls Shon auf den früheren Expeditionen Wafferfhöpfer verwendet, welche derart Fonftrutert find, daß fie entweder eine Probe des Grundwafjers oder eine foldhe aus beliebiger Tiefe fchöpfen, ohne eine Dermifchung mit dent Wajffer a Schichten a ermöglihen. Wir verfügten über fieben nah den Ungaben von Ateyer, Sigsbee und Petterfjon Fonftruterte Wafferfhöpfer. Insbefondere war es ® Petterffon’fche Apparat, der mit Dorliebe von unferem Chemifer zum Schöpfen der Wafferproben Derwertung fand. für die verfchiedenartigen Unterfuhungen über die phvfifalifche Befhaffenheit des Seewajffers dienten zunäcit UAräometer, welche die Dichte des Seewafjers angeben, eine größere Sahl Wafjerthermometer in Hartgummifaffung, eine Forel’fche Farbenffala zur Beftimmung der Wafferfarbe, NRefraftometer zur Beftimmung des Fichtbrehungs- vermögens und damit auch gleichzeitig des jpecifiihen Gewichtes des Seewaffers, und endlich weiße Scheiben, welche von der Oberflähe herabgelaffen wurden und, je nach- dem je früher oder fpäter dent Auge entfhwanden, einen Rükfhlug auf die geringere oder größere Durchfichtigfeit des Seewaffers geftatteten. Daß die lettere im freien Ocean wefentlich durch das wechjelnde Quantum an organischer Subjtanz beeinflußt wird, lehrte der Dergleich mit den Ergebniffen unferer quantitativen Planktonfifcheret. Wenn endlich noc; der wichtigften meteorologifhen Ausrüftungsgegenftände gedacht wird, jo gefchieht dies mit Rücficht darauf, daß namentlich die im antarftiichen Mieere gewonnenen Ergebnifje einiges Intereffe beanfpruchen dürften. Die wachhaben- den Dffiziere führten nah der Angabe der Seewarte ein meteorologifches Journal, in welches vierjtündig Tag und Hacıt die wichtigften meteorologifchen Beobachtungen über Richtung und Stärfe des Windes, über den Druf und die Temperatur der Kuft, über die Beichaffenheit und den Sug der Wolfen, über das Wetter und den Zuftand der Mteeresoberfläche eingetragen wurden. Diefen Zweclen dienten ein Marine-Quedjtlber- barometer, zwei Aneroidbarometer und mehrere Pfychrometer zur Mefjung des Feuch- tigfeitsgehaltes der Kuft, die durh ein Agmann'ihes Afptrationspfychrometer Fon- trolliert wurden. Don der firma Richard Freres in Paris waren dann noch weiterhin regiftrierende Barometer, Thermometer und Hygrometer befchafft worden. Don fonftigen meteorologifhen Inftrumenten fei nur noch eines Infolationsthermo- meters mit fchwarzer Kugel zur Beftimmung der Intenfität der Sonnenftrablen gedacht. 40 Bibliothek. Endlich dürfte noch erwähnt werden, daß eine reichhaltige Bibliothek in unferem großen, behasglihen Salon auf praftifch eingerichteten, das Herausfallen der Bücher beim Schlingern des Schiffes verhütenden Regalen Aufftellung gefunden hatte. Sie enthielt neben nautifhen und oceanographiichen Werfen die für unfere Swece wichtigeren 300- logischen und botanischen Abhandlungen, unter ihnen die gefamten Bände der Challenger- Expedition, der norwegischen, franzöfifhen und amerifanifchen Erpeditionen, fowie eine größere Anzahl von erzählenden Reifewerfen. Wenn die Fänge an die Oberfläche Famen und glüclih Fonferviert waren, war man ftets eifrig damit befchäftigt, an der Hand der Bibliothef die Drganismen zu beftimmen, um wenigjtens ein vorläufiges Urteil über den Charakter der erbeuteten Sebewelt zu gewinnen. III. Im Hordatlantiichen Ocean. s fiel nicht leicht, in einen fo vielgeftaltigen und teilweife Fomplizierten NMtechanis- mus, wie er durch die Natur der Erpedition und durch die weit auseinander gehen- deir Beftrebungen der Mitglieder bedingt wurde, Drönung und geregelten Gang zu bringen. Immerhin ergab fih doc) rafcher, als man dadhte, ein neinandergreifen der Arbeiten und eine Horn für den täglichen Betrieb, welhe auch bei dem weiteren Der- lauf der Fahrt eingehalten wurde. Freilih war man von den Saunen der Witterung bei allen Dispofittonen derart abhängig, daß ein Dorausbejtimmen der vorzunehmenden Arbeiten nur dann möglich wurde, wenn mit-Sicherheit auf ruhigen Seegang gerechnet werden Fonnte. Da wir weiterhin in der Handhabung einer Anzahl von Apparaten und Geräten noh unerfahren waren, fchten es ratfam, nicht fofort die großen Tiefen des DOceans aufzufuchen, fondern eine Art von Probefahrt nad) rafch erreichbaren Regionen zu unter- nehmen, welche durch mäßige Tiefen und durch geeignete Bejchaffenheit des Grundes die vorzunehmenden Operationen erleichtern. Als folche boten fih von felbit jene für die Tieffeeforfhung Flaffifshen Gebiete im Norden Schottlands dar, auf denen eimft WDpypille Thomfon feine bahnbrehenden Unterfuhungen begonnen hatte. So wurde denn zunäcdhit der Kurs durch die Mordfee über Edinburgh nah den faröer genonmen. jeder einzelne war damit befchäftigt, fi in den neuen und unge- wohnten Derhältniffen zurechtzu- finden, was freilich gar manchem nicht leicht fiel, als nah Pafjteren der ER abe Klippe ftär- Ferer Seegang einfeßte und gewijfe unvermei Folgen mit fich bradte. Bei dem Diner waren die Site in der Mähe der Thür auffällig bevorzugt, und bald fand maninPlaids gewicelte, regungs=- lofe lebende Pafete auf Bänfen und Kehnftühlen zerftreut. Hoher Seegang 42 Schottifche Küfte. Um zunächft das Funktionieren der großen Kabeltrommel und der Seilleitungen zu erproben, wurden in der Yordfee, fpeciell auf der Doggerbanf, eine Anzahl von Dredfchzügen auf flahen Grunde ausgeführt, welhe zwar einen rafch in Edinburgh reparierten Schaden an der Kabeltrommel zur Folge hatten, aber doch immerhin das Dertrauen in die praftifhe Anlage der Keitungen beftärften. Unfer erftes Neifeziel war Edinburgh, wo wir unferen gefhästen Gaft, Sir John Murray, an das Land zu fesen und einige Ausrüftungsgegenftände in Empfang zu nehmen hatten. Die Nähe der fchottifhen Küfte machte fih an der rubigeren See bemerfbar, und bald tauchte fie mit ihren malerifchen Höhenzügen und dem in üppigen Grün prangenden Dorland vor uns auf. Anı Nachmittag des 5. Auguft Fanı der fteile, den Eingang zum Firth of Forth beherr- fhende Bafaltfelfen > Bag Ro in Sicht, belebt von Tau= jenden von Tölpeln (Sula Bassana), wel- he ihn, geihüßt durch ftrenge gejet- lihe Beftimmungen, bevölfern. Es war ein faft überwälti- gendes Schaufpiel, als bei dem Pafjteren Baf Rod. (Apftein phot.) hin die Dögel in Wolfen in die Höhe wirbelten und teilweife pfeilfchnell im das Waffer niedertauchten. Das Land trat näher heran, wir erfannten die Bewohner, welhe ihr fchottifches Hattonalfpiel, den goalf, auf den torfigen Hängen am Strand übten, und bald nahte fih bei einer jener Bafaltfuppen, alten Kraterausfüllungen, welhe den Leuchtturm tragen, der Kotfe, um das Schiff in den Granton Harbour zu bugjteren. Der furze Aufenthalt im Edinburgh gab jenen Mitgliedern der Erpedition, denen das englifche Keben aus eigener Anfhauung fremd war, Gelegenheit, die gewinnende Gajtfreundfchaft und gleichzeitig auch das Heimwefen eines jener großen englifchen Gelehrten Fennen zu lernen, die niemals im Keben eine offizielle Stellung einnahmen, deren Gedanken und Beftrebungen indeffen einen Wiederhall in der ganzen gebildeten Welt finden. Die Stunden, welche wir in Challenger Lodge, dem Heim Sir John Challeitger Lodge. 45 ANtlurray’s, verbrachten, bildeten eine der anziehendften Erinnerungen während der Jahrt. Hicht minder auch die genußreiche Umfahrt in der fchottifhen Hauptitadt mit Edinburgh Ihallenger Lodge, 44 Edinburgh. ihren malerifhen Rundbliden von den drei fie durchziehenden Höhenzügen und den Fühn die Thaljenfungen überfpannenden Brüden auf das düjter ragende Kajtell, auf den Scottifh Sion, die grünen Gefilde der gefegneten Grafihaft Nüdlothtan und auf die m bläulichem Duft verfchwinmende Hordfee. Großartige moderne Bauten legen Heugnis ab, wie für den Gemeinfinn, fo für das wifjenfchaftliche Streben einer reichen Be- völferung, die pietätvoll durch impofante Denfmäler jene Männer ehrt, weldhe Schott- lands Ruhm und geijtige Bedeutung der Nachwelt wad halten. Durhwandert man die Altitadt mit der Kathedrale St. Giles, dem düfteren Königspalaft der Stuarts Holy- rood, dem Haufe von KRnor, jo tauchen auf Schritt und Tritt die Erinnerungen an das Mittelalter und an die Seit der Reformation auf, durchwebt von vonantifcher Tragif und nur felten von einem Kichtftrahl erleuchtet und durch- wärntt. Gern hätte man bier noch länger feinen Gedanfen nachgehängt, aber die eilt drängte und gar manches, wa ın unferem Intereffenfreife näher lag, follte noh in Augenschein genommen werden. Der liebenswürdige Direftor des Botanifhen Gartens, Prof. Bal- four, demonftrierte die großartige Sammlung von nfeften frejjenden Pflanzen, und Sohn Murray erläu- terte die zwar in befcheidenen Räumen untergebradhte, aber an wifjenfchaft- lihem Werte einzig daftehende Samını- lung von Grundproben aus der Tief- John Murray. fee (deep sea deposits). Wir haben es lebhaft bedauert, daß die Zeit zu Fmapp bemejfen war, um diefe, für unfere Unter- fuchungen fpecielles Intereffe erregende Sammlung eingehender zu ftudieren. Die wiffenschaftlichen Kreife Edinburgbs, unter ihnen der ehrwürdige Anatom Sir Wil- liam Turner, fanden fih am YWachmittag in Challenger Kodge zufammen und Dezeugten mit jener den Schotten eigenen vorurteilsfreien Herzlichfeit ihr lebhaftes Intereffe an der Ausfendung der deutfchen Tiefjeer-Erpeditton. Sie gaben uns alle das Geleit zum Hafen, aus dem wir nad warmer Derabfchiedung am lbend des 4. Auguft ausfuhren. Wppille Thomfon-NRüden. 45 Der Kurs wurde gegen die Faröer gefeßt, um dort, wo wir zum eriten Mal tiefes Waffer trafen, gewiffermaßen die Probe auf unfere Ausrüftung zu unternehmen. Es ift ein Elaffiiher Grund, auf dem Wyopille Thomfon dereinft feine eriten Tieffee- Unterfuchungen unternommen hatte, und der fpäterhin durch dte norwegijche Tiefjec- Erpedition außerordentlih eingehend in oceanographifcher und biologischer Hinficht unterfucht wurde. Die Derhältniffe find fo intereffant, daß es der Mühe lohnt, fie mit einigen Worten Flar zu legen. Bet der erften Fahrt der „Light- ning” 1568 waren W. Thomfon und Carpenter darauf aufmerffam geworden, daß nördlich und jüdlich von den Faröer die Wafferfchichten auffällige Unterfchiede der Tempera- tur in gleichen Tiefen aufweifen. In 500 m Tiefe ift 3. B. das Waffer füdlich der Faröer um nahe- zu IO° C. wärmer, als nördlich der- felben. Um diefe Erjcheinung auf- zuflären unterfuchte John Murray nad) feiner Rüdfehr von der Challen- ger-Erpeditton ISSO und 1882 auf zwei Fahrten eingehend den Faröer- Kanal. Es bejftätigte fih hierbei die von Kapitän Tizard, dem Kome- mandanten der „Iriton”, zuerft ge- äußerte Dermutung, daß ein unter- feeifher Rüden füdlichh der Farder das Kaltwafjergebiet des nord- atlantifhen Dceans von dem Waffer- SEHE TeogmorZ ehtebutean: gebiet der füdlichen Kegionen fcheidet. Diefer „Wyville Thomfon-Rüdfen“, wie er dem fchottifchen Gelehrten zu Ehren genannt wurde, erhebt fich bis zu 500 Faden (= 580 m) und erweift fih als eine Einfhnürung zwifchen dem breiten „Island-Nüden” und dem Slahgebiet der Hordfee. Die beiftehende Karten- und Profilffizze, die wir den trefflichen Unterfuchungen des norwegifchen Gelehrten Mohn entnehmen, mag die Derhältniffe illuftrieren. Eine Temperaturferie, welche wir am 7. Auguft nördlich des Rüdens, am 8. Auguft füdlicd) desfelben ausführten, liefert denn auch ein u al. für die weitgehenden Temperaturdifferenzen innerhalb eines räumlich eng begrenzten Gebietes. 46 In der Farder-Shetland-Rinne. Aördlih von Thomfon-Rüden: Südlih vom Thomfon-Rüden: Oim er. Om I WO. 28 8 ae \O OT ORG 200T er CO: ZOUm ENT, S00FmENL 226,82 SOORTERZEREREEONGS AUUE E52 400 „ » . . 9,6°\ warmer atlan- | Falter polarer ara Ah O0 500 „» : . . 9,0P|tifcher Unterftrom. Unterftrom. 0 ee UN Gegen den Thomfon-Rücden verftreiht in nordöftliher Richtung eine tiefe Rinne, die Farder-Shetland-Rinne, weldhe von dem nordatlantifchen Befen ausgeht und mit eisfaltem Polarwaffer erfüllt it, deffen Temperaturen unter den YHullpunft (bis zu — 1,7) finfen. Südlich des Rüdens macht fih dagegen eine mächtige Durhwärmung auch bis in tiefere Schichten geltend: em deutlicher Hin- weis auf die Einwirfung des Golfitromes, der über den Thomfon-Rüdfen hin- wegflutet. Begreiflih, daß diefe auf- fälligen Differenzen in den Temperaturverhältnifjen eine nicht minder finnfällige Der- jchiedenbeit in der Jufammen- feßung der Tieffeefauna zur folge haben. Wohl Feiner unter uns wird den Eindrucd vergefjen, den es auf uns machte, als wir in relativ mäßiger Tiefe (in 456 m) am 6. Auguft nördlich des Thomfon-Rüdfens unferen erften Tiefen-Dredfhzug aus- führten. Als derjelbe gegen Abend mit allgemeiner Span- nung erwartet auffam, hin- Bodenrelief zwifchen Schottland und Island in 400 Zaden (750 m) Tiefe, R AN e R W.T. Wypille Thomfon-Nüden gen in den Quaften prächtige, - Kurs der Daldivia. . Be »—— + Riditung des Schnittes durch den W.T.-Rüden (vergl. nächte Figur). mit gewaltigen Stacheln aus= Dredfchzüge im Falten polaren Wailer. 47 gerüftete Seeigel (Dorocidaris papillata), die Mafchen waren überfät mit roten Schlan- genfternen und bleichen Brachiopoden, und der Saf war gefüllt mit Blasfhwänmten (Beractinelliden), Crinoiden und den bizarı geftalteten Spinnenfrebfen (Pyenogoniden), weldhe an ihrem voten oder gelben Keibe eine Brut von Nacyfonmen mit fich um- Ein Tieffeefiih (Lycodes) noch lebend heraus, und allge- herjchleppten. fprang meines Staunen erregte das Glühen der Augen der Tieffeefrufter, das durch em im Grunde derjelben gelegenes refleftieren- des Tapetum bedingt wird. YUINIIW UN 344 W Profil des Wyville Thomfon-Rüdens mit Angabe der vertifalen Temperaturfchichtung. 100...600 Tiefen in Saden. Die übrigen Ziffern geben die Temperatur in Celfiusgraden an. Auf zwei weiteren Dredfchzügen, die wir in etwas größerer Tiefe am T. Auguft ausführten, erbeuteten wir noch eine reiche Zahl jener für das eisfalte polare Waffer Einhandeln von Sifchen. charafteriftiihen und durch ihre Indipiduen- Sahl überrafhenden Dertreter der Tieffee- Einmal über 500 Eremplaren reizvoller Tieffee- er fauna. war das eb von weit jhwänmmte gefüllt (Tenea muricata), welche mit Knofpen an den Wandungen des Kör- pers ausgeftattet waren und offenbar, Danf diefer ungefchlechtlichen Dermehrungsweife, fih zu wahren unterfeeifhen NRafen zu- fammenfcharen. Während des Dredfchens Fam ein fhwar- zer Stichdampfer, begleitet von einer Fifcher- barfe, wie ein fliegender Holländer neugierig auf uns zu, und es gelang uns, von ihm einen großen Heilbutt und ein Dußend frifch- gefangener Dorfhe zu erhandeln. Zu wei- teren Gaben wollte er fich anfänglich nicht bereit finden laffen; als indeffen der Koch eine Speckjeite wie zufällig präfentierte und der Kapitän durch Reiben des Korfes an einer Flafhe Whisfy einen eigenartigen Sirenengefang ertönen ließ, war der Bann 48 Faröer. gebrohen und bald verfügten wir über einen ftattlihen Reichtum an Föjtlichen Tafelfifchen. Das Gelingen der erjten Kotungen, Dredfchzüge und Temperaturferten wurde wefent- ih dur das für diefe Gegenden ungewöhnlich prächtige Wetter begünftigt. Es war für uns ein wahrer Hochgenuß, als wir amı Sonntag, dem . Auguft, bei wolfenlofem Himmel dte füdlichjte der Farder-Anfeln, nämlich Suderoe, umfuhren. Kühn ragt fie mit fteil abfallenden Wänden aus der blauen See hervor, bedeckt mit grünen Matten, welhe nah aufwärts in Haidefrautflähen, und mit isländifhem Moos beftandene Strefen übergehen. lan wird nicht müde, dte malerifchen Sandfchaftsbilder, den Oftfüfte von Suderoe, Wecfel von fanft zum Meere fih neigenden Thalflähen und grotesfen Steilabftürzen mit ihren tiefen Schluchten zu bewundern. Yun gar diefe Pracht des nordifchen Dogel- lebens! Wie weiße Wolfen wirbeln dte Alöven (Larus tridactylus und marinus) auf und fammeln fih dann, eifrig fifchend, im Kielwaffer des Schiffes. Haben fie einen fetten Biffen erwifcht, fo ftürmt mit lauten J—oh eine braune Raubmöpve (Lestris ellend fchreienden Derwandten die eefhwalben (Sterna arctica) mit parasitica) heran und ruht nicht eher, als bis fie der g Beute abgejagt hat. ASuthunlich umfreifen uns die S ihren munteren Ruf, während in langgezogenen Reihen die fchnarrenden Papageitaucher (Mormon fratercula), untermifcht mit Haufen luftig tauchender Kummen (Uria arra) auf "OMANSZ oA SyngplogaoyT Suderoe. 49 der glatten Fläche fchwimmen. Dereinzelte Cormorane (Phalacrocorax carbo) gefellen fih zu den Sturmvögeln (Procellaria gla- cialis), deren eleganten, fajt taubenartigen flug über die Wogenfänme wir nah dem Derlaffen der Faröder noch fattfam zu be- wundern Gelegenheit fanden. Auf einen Pfiff mit der Dampfpfeife bin, der weithin den Widerhall von den Wänden wedte, wirbelte das alles faft finnverwirrend in die Höhe, während aus den Fleinen gegenüberliegenden DOrtichaften Kvalbo und Kvalvig die Einwohner famt dem Pajtor aus der einfachen Kirche längs der dunfeln Steinhäufer nach den Strande rannten. Als wir bei dem Umfahren von Suderoe uns dem 62. Breitengrad genähert und damit den nördlichiten Punkt unferer ganzen Nordfpite von Suderoe. Reife erreicht hatten, grüßten die übrigen Infeln der Farder-Gruppe in violettem Duft herüber, während zur Rechten das originelle EilandjFille Dimon einen wirfungsvollen Abfhluß diefer unvergleichlichen Scenerte abgab. Die Stimmung war alljfeitig eine gehobene: hatten fih doch alle Einrichtungen trefflih bewährt und das Dertrauen auf einen glücklichen Derlauf der Er- pedition geftärft. Allerdings foll nicht verjchwie- gen werden, daß die großen Schleppnese fo- wohl bei den Faröer wie au bei den Derfuchen der mächften Tages Kilfe Dimon. mehrmals jich über-* Thun, Aus den Tiefen des Weltmeeres. Zweite Auflage 4 ! 50 Schlechtes Wetter. fchlugen und mit leerem Beutel an die Oberfläche gelangten. Wir fchrieben dies an- fänglih der Einwirkung von Unterftrömungen zu, und ich begann ein Tiefennet zu amte Beutel in den eifernen Rahmen eingefchhloffen ift, jo dag ein Unflarwerden ausgefhloffen erfcheint. Späterhin überzeugten wir uns indejjen, daß wir offenbar die Uebe zu rafch in die Tiefe herabgelaffen hatten, wobet der einen ftarfen Reibungswideritand findende Hetbeutel langfamer finft als der vor ihm be- feftigte eiferne Schlitten. Als wir das durch eiferne Dliven befchwerte Met langfam und vorfichtig, freilich auch unter erheblich größerem Heitaufwand, verfenften, traten der- artige unliebfame Fehlichläge nicht mehr em. Fonftruieren, bei dem der gef ef Yach dem Umfahren der Infel Suderoe festen wir den Kurs füdweftlih und fpäter rein füdlih in der Richtung auf die Lanarifchen Infeln. An der Erwärmung des Dberflächenwaffers und der rafch fich geltend macdenden milderen Witterung wurde deutlich der Eintritt in das Gebiet des Golfjtromes verfpürt, der jich aber freilich auch durch fchlechtes Wetter anfündigte. Am Abend des 9. Augujt fteigerte fich der füdliche, allmählih nah Südweit und Weft umdrehende Wind zum vollen Sturm. Ntit ge- ringen Unterbrehungen hielt er bis zum 15. Auguft bei grober und hoher See an und ermöglichte uns erft am Id. wieder den Beginn der gewohnten Arbeiten. Es war eine harte, aber auch gute Cehre, weldhe uns in diefen Tagen gleich zu Beginn der Fahrt erteilt wurde. Wegen der ftändig überholenden Seen mußten alle Lufen zu den Kabora- torien gedichtet werden, Drabtfeile wurden längs der Neeling zum Fefthalten gezogen, und trotden fiel es zu Seiten nicht leicht, die Kommunifation an Bord aufrecht zu erhalten, zumal da audy die Treppe zum Hinterdef weggefchlagen wurde. Die Wogen donnerten unaufbörlich gegen die Kabinen, und da wir die Dünung dwars hatten, war ein ftarfes Rollen des Schiffes unvermeidlih. Was nicht niet- und nagelfeft war, machte die Bewegung mit; in der Pantry hatte fih ein Filtrator aus Steingut los- gelöft und Fnallte die Yacht hindurh gegen die Wände, im Dedfhaus rollten Gläfer und Glastuben auf dem Boden rhythmifch bin und her, und bisweilen jteigerte jich das Geflirr von Tellern, Taffen, Slaswaren, Mifroffopierfäften zu infernalifchem Särm. Bücher lodferten fih aus den Regalen und begaben fih im Salon auf die Wanderung, während in den Kabinen Stühle, Neifefäfe und Stiefel untermifcht mit umgefallenen Keimflafchen und Tintenfäffern ein anmutiges Chaos bildeten. An Schlaf war nicht zu denfen, da man es noch nicht gelernt hatte, fich durch eine ge= eignete Sage in der Koje feitzuflenımen oder durch zwifchengeftopfte Kiffen einen feiten Halt zu gewinnen. Hatte man alles und jich felbjt glücdlich verjtaut, jo verfolgte man von der Koje aus die Bewegung der an den Kleiderhafen aufgehängten Gegen- jtände und Gewehre, die oft in abfonderlih großem Winfel von den Wänden ab- ftanden. DBegreiflih, daß gar mancher des Morgens feine Klagen anzubringen hatte, Im Hordatlantifhen Ocean. al bevor er den Rat von Kapitän und Offizieren befolgte, fich in das Unabänderliche zu fügen und für gefichertes Derftauen der Objekte in Kabinen und Kaboratorien Sorge zu tragen. Bet diefem Aufruhr fegelten die fhwalbenähnlichen Petersvögel (Oceanites oceanicus) und die allmählih fich einftellenden Sturmtaucher (Puffinus arcticus) elegant über die Wogenfämme, während ab und zu die Tümmiler ihre Iuftigen Sprünge über Wellen- thäler ausführten. Erft am 15. Auguft vermochten wir wieder unfere Unterfuchungen aufzunehmen, die zunädhft an Hüge mit dem Dertifalnes anfnüpften. Schon in diefen Regionen gaben fie uns einen Dorbegriff von der erftaunlichen Organismenfülle, dte wir fpäterhin nod) auf diefem Wege erbeuten jollten. Auch die Schließ- | nebzüge, die wir vom 15. | | Auguft ab regelmäßig in m l / r erregten allgemeines nter- Y/ größerer Tiefe veranftalteten, effe. Faft jeder war damit befchäftigt, die aus beftimm- ten Tiefen erbeuteten Drga- nismen zu prüfen und die- jenigen Arten, weldhe noch lebend oder in abgeftorbenen Reiten in größeren Tiefen jchwebten, zu vermerfen. In der Höhe von Gibral- tar und Mladeira fteigen aus dem 4000 m tiefen AMleere eine Anzahl von Bänfen, Don vorn überfommende See. die Kuppen unterfeeifcher Dulfanfegel, fchroff auf, deren zwei, nämlich dte Jofephinen Banf und die bei Madeira gelegene Seine-Banf, wir anzufteuern verfuchten. Da die 3 Sage der Jofephinen-Banf in den nautifchen Handbüchern verfchieden angegeben tft, fonnten wir bier nur eine Derfeichtung nachweifen, vermocdten aber nicht ihre flachjte Stelle aufzufinden. Befjeren Erfolg hatten wir am IS. Auguft mit der Seine-Banf, deren Pojition uns durch dte »Silvertown Submarine Telegraph Company« in Kondon genau angegeben war. mn nur I5O m Tiefe führten wir mitten auf der Banf einen Schleppneszug aus, der uns mit einem wahren Regen von Crinoiden (Antedon pha- langium) überfchüttete. Gleichzeitig machte fih die Einwirfung des relativ Fühlen Tanarien-Stromes, eines Ausläufers des Golf-Stromes, in einen reichen Tierleben an der Oberfläche geltend. 52 Tierleben an der Oberfläche. Die wie Segelboote geftalteten blauen Delellen bededten in Schwärmen die Oberfläche; veilhenblau gefärbte Schneden (Janthina) flottierten an ihrem langgezogenen, mit Kuft erfüllten Floß, das fte fih) aus den Schleimdrüfen ihres Dorderfußes bilden. Hu ihnen gefellen fih die auf dem Rüden ftahlblauen, am Bauche filberglänzenden Hactfchneden (Glaucus), welche fi dadurch nahe der Oberfläche in Schwebe erhalten, daß fie Luft Shlufen und in ihrem Magen auffpeichern. Blau ift der Grundton aller auf der Mieeresoberflähe flottierenden, pafjiv durch Wind und Strömungen bewegten Organismen; wüßte man es nicht fhon längjt, jo würde bier noch eingehender darauf hingewiefen werden, daß es fih um eine Schuß- färbung handelt, welche mit dem tiefen Blau des Dceans harmontert. FEFTFTEFN m IV. Die Canarifchen Injeln, WB Mittag des 20. August gelangten wir im Sichtweite von Teneriffa. Bet etwas dunftiger Luft fchimmmerte allmählih immer Flarer die Silhouette des ge- waltigen, ScI6 m hohen Pif dur; nad einigen Stunden hob fich an der Dftipite die wild zerflüftete Se violett und rötlich fchattiert ab und die weißen Häufer der auf der Höhe gelegenen Ortfchaften Dittorta und Mlatanza, welche noch in ihrem Hamen dte Heiten a da die Spanier den heldenmütigen Widerftand der Ureinwohner der Canaren, der Buanchen, brachen, tauchten auf. Allmählich gliederte fih bet dem Anjteuern der Nordfüfte die Scenerie deutlicher; das gefegnete, üppig bebaute Thal von Drotava, lints durch die Höhen bet Sta. Urfula und durch die dunklen Säume der bis zur Cumbre fich hinziehenden Pintenwälder, vechts von dem Steilabfall des Tigayga begrenzt, bot fih unferen Bliden dar; dte Hauptitadt der Pif von Teneriffa. Thal von Orotava. 54 die Brandung gegen die Niffe der Kavablöde tofte. Jahren 8 Monate in genußreicher, ftiller Arbeit verbraht hatte, wieder Hordfüfte, die Dilla de la Drotava, grüßte herüber, während unten an dem Puerto Y mir eigenartig zu Mtute, als ich die >Islas afortunadas«, auf denen ich N Welhe Flut von Erinnerungen tauchte auf, als diefe großartige, Es war einft vor I begrüßen durfte. feierliche Sandfchaft dem beraufchten Blid fih darbot! Überall drängen die Kavafträme in das leer vor und laffen fich oft hoch hinauf bis zu ihrem Eruptionsfegel v folgen. Strahlenförmig durchfurdhen tiefe, aus fteiler Höhe fich niederfenfende Schluchten, die Barrancos, das vulfanifhe Geftein, durchraufht von Gebirgsbähen und an den Emfige Arbeit Thal von Orotava Wänden mit den bald reizvollen, bald bizarr geftalteten Dertretern der Canarifchen oden ijt erjtaunlich fruchtbar. Der Pif ragt über die Steilwand des Tigayga hinaus. In die Pflanzungen 23 >) bradte an den Hängen eine üppige Kultur zuwege; das ganze Thal von Drotava Felfenflora bededt. Der vulfanifh ift überfät mit Städten, Dörfern, Sandhäufern und Kapellen. drängen fi die Charafterformen der Tanarifchen Flora ein: die Canarienpalmen, welche an wuchtiger Entfaltung ihrer Belaubung den Dattelpalmen weit überlegen find, vereinzelte Drahenbäume und die überall an den Felswänden wie Kandelaber auf- jtrebenden Euphorbien beherrfchen die Scenerte. Höher hinauf benimmt eine horizontale Wolfenwand den Ausblif und badet in ftändige Feuchtigfeit die Region der leider nur Rundblid vom Pif. 55 allzu ftarf gelichteten Korbeerwälder. Dunfle Pintenwälder tauchen jenfeits der Wolfen- wand auf und herrfchen vor bis zu dem wildzerflüfteten Gebirgsfamm, der Cumbre. Das alles wird überragt von dem fchwärzlihen Afchenfegel des Pif, der aus einem der großartigjten Amphitheater der Welt, den Tanadas, aufjteist. Wie gar manchmal hatte ich diefen von Steilmänden begrenzten Lirfus, den alten längit mit Saven, Bims- ftein und Afche ausgefüllten Krater, durchftreift! YBaumartig aufftrebende Ginfter, das Spartium nubigenum, bilden in ihm die herrfchende Degetation. Wenn fie fich im frühjahr mit weißen Blüten bededen, tft die Luft mit balfamifchem Duft erfüllt, der meilenweit dem Seefahrer die Annäherung an die Lanaren verrät. Aühfelig tft der Aufftieg zu dem Afchenfegel, nachdem man die Hochebene durhwandert hat. Schwer Feuchen die Saumitiere unter ihrer Saft von Defen, Wafjer und Proviant, bis endlich das Hachıtquartier in halber Höhe des Kegels erreicht ift. Der Schlaf will fi freilich lange nicht einjtellen. Einfam und weltverloren, hoch über dem Betriebe der Menfchen jtarrt man auf diefe Welt von Trümmern und Afche hinab bis zu der den weiteren Ausblid benehmenden Wolfenwand; in nie gefehener Pracht flimmert der Sternhimmel und faft gejpenftifh vagt der Kegel auf, dem nur fpärliche weißlihe Dampfmaffen, eugen der nie verlöfchenden vulfanifhen Thätigkeit, entjtrömen. Dor Tagesanbrud geht die Wanderung weiter. Über fharffantige Obfidianblöde, durch nachgtebige Ajchen- majfjen bahnt man fich mühfelig den Weg; gar oft wird angehalten, um in der dünnen Kuft Atem zu holen oder ein Pifveilhen zu pflüden, das felbit in diefer Höhe noch feine Pfahlwurzel in die Afche treibt. Endlich ift der Gipfel bezwungen und erjchöpft fest man fih am Rande des engen Kraters nieder, um allmählich eine Rundficht auf fi wirfen zu lafjen, die auf Erden ihresgleichen fuht. Alan überfhaut eine fläche von 500 Quadratmeilen, einen Raum, der gerade einem Diertel von ganz Spanien gleich fommt. Wie eine Sandfarte liegen unter uns die fieben Lanarifhen Injeln aus- gebreitet: dort im Wejten Palma, Ferro und Gomera, dort im Dften Gran Canaria und die dem afrikanischen Fejtlande näher liegenden Fuertaventura und Kanzarote. Teneriffa fcheint nur den Sodel für den Afjchenfegel abzugeben, der weit nach Weiten feinen dunklen Schatten wirft. Und nun gar der Dcean! Wer von der Endlofigkeit des Meeres überzeugt fein will, der lerne es nicht nur auf Fahrten Fennen, die monatelang einen unbegrenzten Horizont darbieten, fondern fchaue es von dem Gipfel des Pifes von Teneriffa! Da der Horizont in gleiche Höhe mit dem Auge des Beobachters ver- legt wird, fo fcheint es einem ftahlblauen Trichter zu gleichen, an defjen Wänden lang- fam wie Schneden die Dceandampfer Friechen. Wie unermeglih ift die Salzflut, wie Plein find die nfeln, wie winzig die menfchlichen Siedelungen! Da fraht ein Schuß aus dem Böller, welt weiten Widerhall in der friedlichen Sandfhaft und fchreft den Träumer aus alten Erinnerungen auf. Der Anker rafjelt auf der offenen Reede des Puerto de la Drotava nieder; das Dolf, miftrauifch ob des pif von Teneriffa. Der Afe hebt fich aus den mit Spartium enum beftandenen Lanadas (ältere Aufıra Nordfüfte von Teneriffa. 57 großen weißen Dampfers, ftiebt auseinander und vorfichtig naht fich das Boot mit der Sanität. Als man die deutfche Flagge erfennt, Löft fich der Bann — es find Feine Amerifaner, welche troß der eingeleiteten Friedensverhandlungen feiten Fuß auf den Lanaren faffen wollen! freudig nehmen uns des Abends alte Befannte anı Quai in Empfang und in gewohnter Behaglichfeit läßt man es fih in der Fonda der forg- lihen Dona Juana wohl fein. „Wer einmal die Canaren gefehen hat, fo meinte fie, den treibt die Sehnfucht wieder nach ihnen zurüd, und als ich den Schuß hörte, wußte ich Sofort, daß Don Larlos zurücdgefehrt jet und feinen Einzug halte.“ Da unfer Botanifer Wert darauf legte, die berühmte endemifche canarifche Flora aus eigenem Augenfhein Fennen zu lernen, wurde für den nächiten Tag ein Aus- flug längs der Küjte bis nah dem durch feinen alten Drachenbaum berühmten cod in Ausfiht genom- men. lit einem wahren Hochgenuß erfrifchte man fich in der Frühe vor der Abfahrt an der alt- gewohnten Stelle in der Hähe des am Strande gelegenen Kichhofes duch em Bad, und dann ging es durch das ftille Städtchen und üppig bebaute Unterland Teneriffa, Küfte bei £a Rambla. vorbei an dem groß- artigen, an einen Eleinen Dulfanfegel fich anlehnenden Sanatorium, das freilich während der Kriegszeiten volljtändig leer ftand. Überrafchend war die Frifche und Üppigkeit der Degetation hier auf der Hordfeite, trodem wir uns am Ende des Hochfommers befanden und noch fein Gewitterregen eingefest hatte. Die von KEucalyptus, Tama- risfen, dem Schinus molle und den mit ihrer roten Blütenpraht uns überfchüttenden Dleandern eingefäumte Landftraße gewährt überrafchende Ausblike rechts nach den Strande, linfs bis zur Cumbre und voraus auf den immer wuchtiger entgegentretenden Steilabfturz des Tigayga, der den Gipfel des Pif verdekt. Bananen-Pflanzungen und Rebengelände mit vereinzelt eingeftreuten Canarien-Palmen und Fleinen Drachenbäumen (Dracaena draco) wechjeln mit üppig Fultivierten Feldern ab, welhe durch ein finn- reiches Syitenı von Bewäfferungsanlagen beriefelt werden. Die Sandjtraße überschreitet in Serpentinen einzelne Barrancos und windet fih an den fauberen Nealejos vorbei, 28 Uordfüfte von Teneriffa. © wo einft der faft IOO jährige Kampf um den Befit der Canaren mit der Kapitulation des Guanchen-Heeres unter dem edlen König Bencomo feinen Abflug fand. Immer ichroffer drängen die Felsmaffen des Tigayga vor, von wild zerflüfteten Barrancos durchriffen und überfät von den Iharafterformen der canarifchen Felsflora. Da er- heben fich die an Kakteen erinnernden weit über Manneshöhe erreichenden Euphorbien, die Euphorbia canariensis und die ftrauchförmig geftaltete Euphorbia regis Jubae; Politer der Semperpiven entiprießen den Felswänden, die Büfche von Liftus und der Fandelaber- artig verzweigten Com- pofite Kleinia drängen ft überall vor. An Hatur- jhönheiten Fann der Steil- abfall der Küjte bei Fa Rambla es mit den ge- oo priefenften Strecen füdlihen Italten und des Kaplandes wohl aufneh- men. Mlan wird nicht es müde, den Blid hinauf zu den wilden Hängen, hinab zu der tiefblauen See mit ihrer tofenden Brandung und dem vor- genden, üppig Fultivier- ten Gelände, aus dem die Canarienpalmen mit ihrer vollen Belaubung herauf- grüßen, gleiten zu lajjen. — Binter Sa NRambla, wo ausgedehnte Kavafel- der Surchfchnitten werden, nimmt dte Scenerte einen Euphorbia Canariensis. einförmigen Charakter an; alles erjcheint verftaubt und ausgedörrt, und erjt gegen Jcod zu tritt wieder üppigere Kultur in den Pordergrund. Gleichzeitig eröffnet jich der Ausblif auf den in feiner ganzen Pracht vor uns liegenden Kegel des Pif, der gerade von hier aus fih) am freieften dem Befchauer darbietet. Leider wurde uns nur zu rafh der Ausblid durch den fich niederfenfenden Wolfenfchleier benommen, welcher einen von der Bevölkerung lange erfehnten fanften Regen fpendete. Das Staunen in Jcod über den zahlreihen Fremdenbefuh war Fein geringes. Die Engländer, Drahenbaum von Jcod. 9 welche feit den Zeiten, da ich zum erften Male die Canaren befuchte, in Schwärmen auf ihnen eingefallen waren, hatte der Krieg verfcheucht, die Gasthöfe waren gefchloffen, und es Fojtete Mühe, eine befheidene Wirtfchaft ausfindig zu machen, in der man unfere leiblichen Bedürfniffe befriedigte. Das ganze Intereffe wen- dete jich felbftverjtändlich dem Drachenbaume zu. Hätte ihn Hume boldöt gefehen, fo würde fchwerlic) der längft vom Sturm gefnicte Drahenbaumvon Drotava zu fo hohen Ehren ge- langt fen. An Umfang undFfraft- ftrogendemlducds überbietet der alte Riefe von Jcod mit fernen aus demGeäjtenieder- hängenden Kuft- wurzeln und der wuchtigen Belau- bung alle auf den Lanaren nod) er- haltenen Erem- plare. Es liegt etwas LUngefüges in diefem ehrwür- digen Stamme, der als Heuge einer gro die fie befchattete, auf denen neben Dramenbaufuzuon Stop: Dergangenheit einst Stein- dem König die Beften des Guanchenvolfes ihren Tagoror, den Dolfsrat, abhielten. Wie alt er fein mag — wer will es fagn? Am 25. Juli 1496 Fapitulterten die Buanchen bei Kealejos vor der Faftilianifchen Ritterfchaft, nachdent fie 2 Jahre zuvor 60 Icod. in dem Barranco beit Mlatanza nat und nur mit der fichtenen Sanze und der Stein- fhleuder bewaffnet die gepanzerten und fchwer gerüfteten Spanier nahezu vernichtet hatten. Das gewaltige Ringen um den Befit der gefegneten Infeln, welches 1402 mit der Sandung des edlen normannifchen Ritters Jean Bethencourt auf Kanzarote begonnen hatte, fand feinen ergreifenden Abjhluß. S00 Jahre find feit jener Heit verfloffen, wo ein von glühendem freiheitsdrang befeeltes Hirtenvolf, das phantaftifche Alldeutfhe zu Nachfommen der Germanen ftempeln wollten, den Drachenbäumen wegen ihres fagenhaften Alters pietätvolle Derehrung zollte. Wer freilich vermeint, dag man heutigentags einen alten Drahenbaum als Hationalbeilistum fchüsen würde, rechnet nicht mit dem mangelhaft entwidelten biftorifchen Sinn und dem gänzlich feh- lenden naturwifjenfchaftlihen Interefje des Spaniers. Er fteht in einem engen Gärtchen, deffen Mauer fih an den Stamm anlehnt und von der einzigen Stelle, wo man ihn frei überblidt, die breit auslaufende Bafis verdedt. Der Befiter, ein einfacher Sandmann, bot mir fein Unwesen mitfant dem Baume für 5500 Duros (etwa 14000 Mlarf) an und wäre wohl noch um ein Erheb- liches herabgegangen, wenn ich thatfädh- lich zu einem Anfaufe Mittel und Yei- gung gehabt hätte. Früher — fo erzählte mir der Direktor des botanifchen Gar- tens in Drotava, der Schweizer Wild- pret — trug er fih mit der Abficht, den Baum fällen zu lafjen, weil er £andhäufer in Jcod (ältere Aufnahnte). die Kulturen im Gärtchen zu ftarf be- ichattete, — erft als Fremde fich häufiger einftellten und ein befcheidenes Entgelt ent- richteten, blieb er vor der Dernichtung bewahrt! Icod ift ein einfaches Kandftädtchen, das dem Drachenbaum und dem großartigen Ausblif auf den Pif die Anziehungsfraft auf den FSremdling verdankt. Ihm fehlen die altipanifchen Paläfte, wie fie nach der Eroberung von Teneriffa von Adels- sefchlehtern in der Dilla de la Drotava und in Saguma aus einem NMlateriale gebaut wurden, das Jahrhunderten Troß bot. Denn ihre reizvollen Galerien jmd aus dem Holze der Canarienpinie gejchnist, und die Treppenaufgänge beftehen aus den Fojtbaren Stämmen des Lorbeer. In Icod trifft man nur die befcheidenen ein= oder zweiltöcigen - Canarifches Haus. 61 Dilla de la Orotava, Am Pif lagert die Wolfenwand (ältere Aufnahme). Sandhäufer, welche indeffen durch ihre Balerieen und vergitterten Fenjterläden eines tdyllifchen Reizes nicht entbehren. Die größeren umfchliegen nach canarifcher Art eimen offenen, von Galerieen umgebenen Patio, in dem Palmen und duftige Blütenpflanzen gezogen werden. Der Eintretende wird mit gewinnender Kiebenswürdigfeit empfangen und mit einem wahren Sabfal, nämlih einem Slafe Fühlen filtrierten Wafjers, bewill fonımnet. Der Filtrator aus Kalffinter, den man bei Kas Palmas bricht, fehlt in feinem Haufe; er filtriert um fo reiner, je üppiger er mit dem reizvollen Denushaar (Adiantum capillus Veneris) bewadhjfen ift. Eine Feine Anhöhe, von deren Rampe man die padfende Rundficht voll genießt, wird von der einfachen Kirche gefrönt. Aus ihr bewegte fich, als wir uns zum Auf bruc, rüfteten, eine von Neferviften geleitete Danfprozefjion für die foeben befannt ge- wordene Beendigung des Krieges. Die ganze Injel war durhfhwärmt von Nefer viften in blauen Drilljafen, welche ihrer Freude darüber, daß die Lanaren von dem Befuhe amerifanifcher Kriessihiffe verfchont geblieben waren, lebhaften Ausdruf gaben. — Es fehlte nicht in den an der Straße gelegenen Sonden an reichlichen Kiba tionen, und die „Alemanes“ Fonnten fih Faum den Umarmungen und Derbrüderungen 62 Sorbeerwald von Agua Garcia. entziehen. „Die Philippinen den Deutihen!“ fo Flang es allerorts, „und die Karolinen dazu!" fo lautete der Refrain. Welch eine Wandlung gegen eine Heit, die nur wenige Jahre zurüdliegt ! Der nächfte Tag galt einer Durchquerung der nfel, während gleichzeitig der Dampfer die Anaga-Kette umfuhr und in Santa Cruz vor Anker ging. Hur wenige Stellen find in Teneriffa noch vorhanden, wo die alte einheimifche Degetation, fo- weit nicht die Felfenflora in Betraht Fommt, fi ungeftört erhalten hat. Dies be- trifft fpectell den Schmuck der canarifhen Infeln, nämlich die Korbeerwälder. So war denn der Neft des alten Korbeerwaldes, der auf dem Höhenrüden bei Tacoronte fteht, das nächite Marfchziel. Wir fchieden von Doüa Juana, die uns mit ihren zu an- mutigen Blüten erwachfenen Töchtern den Aufenthalt behaglich geftaltet hatte, und wendeten uns der gegen Laguna führenden Kandftraße zu. Sie gewährt von der Höhe von Santa Urfula aus, wo oft die Palmen fich zu leinen Hainen zufammendrängen, einen malerifchen Rückblif auf jenen paradiefiichen Slefen Erde, der fih Dalle de Ta Drotava nennt. Späterhin führt fie durch trodene Ge- biete, die mit ihren Agaven und Kaftus oft einen mehr italtenifchen Charafter an- nehmen. m der Son- nenglut war es ein mübfeltger Weg, bis wir über abgemähte Felder, auf denen die Eingeborenen das Getreide durch Werfen gegen den Dind von derSpreu reinigten, die dun- ken Wipfel des Sorbeerwaldes von Agua Garcia erblic- ten. Er wird ums fäumt von den allem hier noch jtehenden Stämmen eimer Stecheiche llex platyphyllus) und von der baumförmigen Erica arborea. Santa Urfula, Palnten (Phoenix canariensis). Kaguna, 65 Im £orbeerwald von Aqua Garcia. Strünfe der Persea indica. Der Korbeerwald felbft wird hauptfächlih von Laurus canariensis und der von den Eingeborenen Vinatico genannten Persea indica gebildet. Das üppige Unterhol;, die an den Stämmen fih anfiedelnden Farne und die bereits die Ktanen der Tropen vorbereitenden Schlinggewächfe geben dem Walde einen außerordentlich anheimelnden Anfteih. Allerdings Fann ich nicht verhehlen, daß er mehr und mehr troß der jtrengen, aber niemals Forreft durchgeführten Forftgefete ausgehoßt wird. Daß er mir lichter fchien, als ih ihn von früheren Seiten in Erinnerung hatte, mochte freilih auh durch die trocdene Jahreszeit bedingt fein. Immerhin hingen in der an einer laufchigen Quelle beginnenden Schlucht die langen Wedel der Woodwardia in elegantem Schwung an den Felswänden nieder, während das feltene, am Ende der Schluht vorfommende fchwarsgrüne Trichomanes radicans zu diefer Jahreszeit nur in Färglihen Wedeln gefunden wurde. Müt dem geheimnisvollen Dunfel der immergrünen feuchten KSorbeerwälder, wie ich fie auf Palma fab und wie fie von dem einfamen Gomera Feiner ftimmungsvoller fchilderte als ein deutfcher Botaniker, Bolle, fann es der Wald von Agua Garcia nicht aufnehmen. Troßdem verfehlt 64 Santa Cruz. er auf denjenigen, der ihn zum erften ale befucht, feinen Eindruf nicht, und jo verging faft der ganze Tag, bevor wir uns von ihm trennten und in rafcher Jahrt über Tacoronte in Kaguna, der einftigen Hauptitadt von Teneriffa, eintrafen. Mit ihren alten Paläften, die von vergangener Praht und Wohlhabenheit zeugen, macht fie auf der ziemlich Sden Hochebene einen melandholifhen Eindrud, obwohl fie im Sommer, wo die Bewohner von Santa Cruz auf die Fühlere Höhe flüchten, mehr Keben aufweit, als im Winter. Auch Kaguna befitt feinen alten Drachenbaum, der fich indeffen mehr in die Breite entfaltet hat und durch feinen ungefügen Stamm einen etwas plumperen Eindruf macht, als derjenige von Jcod. ls wir die zahlreichen Serpentinen hinab auf die Südfeite der Jnfel nach) der gefchäf- tigen Hauptjtadt Santa Cruz fuhren, Fam es uns vor, als ob wir aus para- diefifscher Gegend in einStüfSahara ver- feßt worden feien: alles war Fahl, öde, verjtaubt und ver- trodnet. Wir waren froh, als wir dem Treiben der heißen Straßen entrüdt auf dem luftigen Derded der Daldivia in Ge- meinfchaft mit unferen in Santa Cruz anfäfligen Dradhenbaunm von £aguna Sandsleuten — von der Dilla des Konfuls grüßte die deutfche Flagge den Abend verplaudern Fonnten. Wenn fhon bei der Annäherung an die Lanaren die Luft ihre gewohnte Klarheit vermiffen ließ, jo nahm fie immer auffälliger einen eigentümlih dien, unfichtigen Charakter an. Wir fuhren in der Macht nah Gran Canaria ab, das nad) Sonnen- aufgang erjt in allernächiter Nähe zu erfennen war und den Ausblid auf feine wild zerzadte Cumbre neidifch verwehrte. Da felbft die nahe gelegene Hauptjtadt Sas Palmas fich bei der mit Wüjtenftaub erfüllten Luft den Blifen entzog, nusten wir gern den Furzen durch Auffüllen der Bunfer mit Koblen entjtehenden Aufenthalt aus, um ihr einen Befuch abzuftatten. Die zum Hafen führende, von einer Trambahn durchzogene Kandjtraße wird durch eine Wanderdüne eingeengt; ihre Staubmaffen wirbeln faft unerträglih auf und geftalten Sas Palmas. 65 die Fahrt im Hochfommer zu einer peinlichen. Daß man die großartigen neuen Hotels gerade an diefe Kanditrage in eine wenig anziehende Umgebung verlegte, welche nicht einmal über einen günftigen Badeftrand verfügt, Fommt beinahe einen SFehlgriff gleih. Immerhin wurde verjichert, daß fie im Winter von Engländern vollzählig befest find. In noch weit höherem Grade als bei Santa Cruz machte fich hier der Einfluß der Dürre geltend. Der Fluß Guiniguada war vollftändig verjiecht, und erft bei dem Eintritt in die wohlhabende Stadt wird man angenehm enttäuscht. Die Alameda von Santa Cruz; im Hintergrund die AnagasKette. Sas Palmas tft unter den einen rein europätfchen Charakter tragenden Städten die am weiteften nach Süden vorgefhobene. Die Bevölferung hat fich von der Beimifchung fremden Blutes frei gehalten und jeder Derfehr mit den verfommenen Berberjtänmten der nahen afrifanifhen Küfte tft ihr ftreng unterfagt. Dies gilt namentlich für dte Fifcher, welche die erftaunlich reichen Fifhgründe zwifchen den Ceraren und den Seit lande ausbeuten. So macht denn Sas Palmas einen durchaus füdfpantifchen Eindrud, der fich nicht nur in dem Treiben des Dolfes, fondern auch in der Bauart der Häufer und der aus dunklen Quadern errichteten Kathedrale wiederfpiegelt. Eine energifche Kaufmannfhaft und intelligente Sandwirte, welche die großen Güter der von der Hatur reich ausgeftatteten und mit einen milden oceanifchen Klima gefegneten nfel Chun, Aus den Tiefen des Weltmeeres. Zweite Auflage 5 66 Sas Palmas. bewirtfchaften, haben rafch die Krifen überwunden, welche durch den Hiedergang der Suderrohrplantagen und der Lochenille-Anpflanzungen herbeigeführt wurden. Eine Seit lang überflügelte es Santa Cruz durch feine trefflichen Hafenanlagen an der Ssleta; da indeffen die auf den Aufihwung der canarifhen Schweiterftadt jeit jeher eiferfüchtige Hauptftadt von Teneriffa durch einen unter enormen Koften aufgeführten Damm ihre Reede gleich frefflich ficherte, fo verteilt fich jest der lebhafte transatlantifche Dampfer- verfehr gleichmäßig auf beide Freihafen. Die Beziehungen zu dem Mlutterlande waren feit jeher innige (die Canaren bilden Feine Kolonie, fondern eine fpanifche Provinz) und gerade Sas Palmas hat eine ftattlihe Zahl von Staatsmännern geliefert, welche den ftreng rechtlichen Sinn der canarifhen Bevölferung auf ihren größeren Wirfungs- Freis übertrugen. Keine fpanifche Provinz, vielleicht nur wenige Kanditrefen Europas weifen einen ähnlich geringen Prozentfas an Derbrehen gegen Eigentum und Leben auf. Iener graufame Zug, welcher dem ftolzen und felbjtbewußten Spanier häufig an= haftet, fehlt den Bewohnern der Canaren; man Ffennt dort nicht die Mieteleten der Stiergefechte und die abgöttifche Derehrung ungebildeter, Faltblütiger Toreadores. Daß auc für wiffenfhaftliche Beftrebungen in Las Palmas Raum tft, bezeugt das gut gehaltene Mufeum mit feinem einzig daftehenden Schat von Funden aus der Buanhen-Zeit. Ich verfehlte nicht, dem Gründer desfelben, dem betagten Gejchicht- fchreiber der Canarifhen Infeln, Don Gregorio Chil y Naranjo, meinen Befuch abzuftatten. Daß er alten Malvafter aus Freude über das Wiederfehen Fredenste, nahm man um fo danfbarer hin, als auch die Fahrt durch den an Sas Palmas fic anschließenden Barranco feco mit feinen Bananenhainen und feiner Pracht an alten Canarienpalmen uns mit Staub überfjchüttet hatte. Je ya Ye Ve ve ee se V. Die AquatorialsStröme und der Huinea=:Strom. Ye dem Derlafjen der Tanarifchen Infeln hielt das fett dem 20. Auguft ein- ( getretene diefige Wetter an, welches unangenehm feuchte, fchwüle Luft bei bedecktem Himmel und fehr befchränfter Fernficht mit fich bracdte. Es war nicht die typifche Dafjat-Mitterung, wie man fie in diefen Gegenden erwarten durfte. Der Einfluß der nahen Wüfte machte ji gerade während unferer Fahrt unangenehm geltend und wurde dem Auge dadurch Fenntlih, daß feiner, rötliher Müftenftaub auf der Kuv-Seite des Schiffes fih niederfhlug und die weißen Stüßen des Sonnenfegels deutlich vot tönte. Der Fonftant wehende Hordoft-Pafjfat entführt indefjen nicht nur die bei Sandftürmen aufgewirbelten feinen Partifel, fondern bedingt auch an der Küfte im Bereiche der Sahara eigenartige Auftrieberfcheinungen des Falten Tiefenwaffers. Um diefe zu er- Flären, fei es geftattet, etwas weiter auszuholen. Wie fhon Herfchel und Franklin nachwiefen, und wie der verftorbene Königs- berger Geograph Zöpprit auf Grund mathematischer Berechnung darzulegen verfuchte, fo ift wefentlich der herrfchende Wind jener Motor, der die oberflächlichen Wafferfchichten in Bewegung fest und Deranlafjung zu den in Fonftanter Richtung fliegenden Strö- mungen des Mleeres abgiebt. Da wir in den nächiten Tagen drei mächtige und für die äquatorialen Gebiete des atlantifhen Deeans wichtige Stromgebiete pajfjteren jollten, nämlich einerfeits den NWord-Ilquatorialftrom, in den wir gerade eingetreten waren, weiterhin den Guineaftrom und endlich den Sid-Ilquatorialftrom, fo mag darauf bingewiefen werden, daß die genannten Strömungen fih in entgegengefester Richtung bewegen: der Word-Aquatorialftrom fließt im allgemeinen von Dften nach Weiten, der Guineaftrom umgefehrt von Weit nah Dft, während der Süd-Üquatorialftrom wieder dtefelbe Richtung wie der Nord-Ilquatorial trom eimfchlägt. (Dergl. die Karte auf S. 72.) Die Beziehungen zu den Fonftanten Windrichtungen find hier nicht minder finn fällige, als wir jte fpäterhin aus dem äquatortalen indischen Ocean werden Fennen lernen. Der Nord-ÜUquatorialftrom ltegt im Gebiete des Nordoft-Pafjat, der Buineaftrom in jenem des Südweit-Monfuns und der Süd-Äquatorialftron im Gebiete des Südoit-Paffat. Da nun der Hordoft-Pafjat die warmen oberflählihen Wajferfhichten von der afrifanifchen Küfte weg in den freien Dcean treibt, Fann ein Erfaß für die abfliegenden 5* 68 Anftrieberfheinmungen an der Kitfte, Waffermaffen nur durch Unterftröme gefchaffen werden, welche Fühleres Tiefenwajfer an die Oberfläche befördern. Um diefe Erfcheinung aus eigener Anfhauung Fennen zu lernen, nahmen wir von Gran Canaria aus den Kurs gegen die afrikanische Küfte, und zwar gegen jenen leicht vorfpringenden Punft, der als Kap Bojador bezeichnet wird. Das Aufquellen Falten Waffers zeigte fih uns weniger deutlich, als früheren Beobadhtern, welche im Auguft bei Miogador nur 19,6° maßen: Temperaturen, denen man in der gleichen Jahreszeit erft wieder 20 Breitengrade nördlicher begegnet! Die Oberflächentemperatur fhwanfte fo lange, als wir in der Nähe der Küfte unferen Unterfuhungen nahgingen (am 24. Augujt waren wir nur 40 Seemeilen von ihr entfernt), zwifchen 20,5° und 22°. Hachdem wir in- deffen wieder dem freien Dcean zuftrebten, ftieg fie rafch und erreichte am 27. Auguft bereits 26°. Das find im Hinblif auf die auffällige Konftanz der Temperatur in den einzelnen Stromgebieten immerhin recht finnfällige Unterfchiede. Die ftarfe Dünung, welche der Fräftig wehende Hordoft-Paffat bedingte, erleichterte es uns freilich nicht, unferen ge- wohnten Arbeiten, dem täglichen Koten, Fischen und Meffen der Tiefentemperaturen nadı- zugehen. Das Schiff rollte ftarf während des Stilleliegens und nahm mande See über. Der Chemiker und Bafteriologe waren genötigt, die Lufen über ihren Laboratorien dichten zu laffen, und die Hoologen wurden zu häufigen Umarmungen ihrer Nüifroffope veranlaßt. Als wir langjam unfer Dertifalnes am 27. Auguft in die Tiefe gleiten liegen (feinen Hlaseimer umwidelten wir mit einer Matte, um bei dem Auffommten ein Herbrechen an den Bordwänden zu verhüten), brachte ein Zuruf des Kapitäns, daß ein großer Hai das Schiff umfreife, alles in Aufregung. lan ftürmt auf die Bad, wo rafch durch den Navigationsoffizier ein Stüf Spef an den Haihafen befeftigt und herab- gelaffen wird. Bald gewahren wir den Carcharias mit graubräunlihem Rüden, großen Bruft- und Nücenfloffen und breitem Kopfe, der langfam um das Drabhtfeil des Der- ttalnetes fchwimmt. Er mußte die Koft gewittert haben; doch dauert es längere Heit, bis er in die Nähe des Hafens gelangt. Einen ungemein feffelnden Anblick gewährte es, als die die Haie ftets begleitenden Piloten (Naucrates ductor) mit ihrer Sebra- Streifung gleichfalls fihtbar wurden und unermüdlich alle Wendungen des riefenhaften Genofien in elegantem Bogen mitmachten, indem fte bald über dem Dorderförper fhwammen, bald unter den Bruftflofien fich decften. Mit gefpannter Aufmerffamteit verfolgen wir alle Bewegungen, bis fchlieglih der Hafen dadurch gefaßt wird, daß der Hai fih auf die Seite legt und mit dem unterftändigen Maule den fetten Bifjen zu ver- fhlingen fucht. Dies giebt das Signal zum Aufziehen. Jeder greift an, aber es tft umfonft: der Sped ift abgeriffen und der Hafen hat nicht gefaßt. Während ein weiteres Stüf an lesteren befeftigt und angebunden wird, verfündet ein Zuruf, daß ein zweiter Hat in der Hähe ift, dem fih rafh ein dritter und fchlieglich noch ein vierter, ein jeder mit feinen Femen Begleitern, binzugefellt. Xubhig und langfam in eleganten Haifang. 69 Bogen umfreifen die mächtigen Tiere das Dorderteil des Schiffes, während ein zweiter Köder am Hafen ihnen zugeworfen wird. Es dauert denn auch nicht lange, bis der erite Hafen gefaßt wird und im Rachen feithaftet. Die wilde Aufregung, welche fich nun der Schiffsmannfchaft bemächtigt, fpottet aller Befchreibung. Der Ruf, daß ein Bat an der Harpune hängt, dringt in den Mafchinenraum, in die Küche und in die Kojen. Don allen Seiten ftürmt die Ntannfchaft herbei und zieht an dem Tau, während der Hai, fei- nem Element entriffen, an dem Hafen fich wild bäumt und mit der Schwansflofje die Bord- wandung peitjcht, fo daß weithin die Schläge dröhnen. Bald erfcheint fein blutiger, mit drei- eigen, fpiten Hähnen befeßter Rachen an der Reeling; einen Rud und die Beftie liegt an Bord, nadı allen Sei- ten fich emporfchnellend und rafend mit dem Schwanze um fich fchla- gend. Da heißt es vorfich- tig fein, um nicht dem Ataule oder der weit ge- fährlicheren Schwanz- floffe nahe zu Fommen. 3 (Sachse phot.) Der Bootsmann ftürmt mit einem fchweren Knüppel, der Zimmermann mit einer Art herbei, während andere ein Tauende um den Schwanz zu werfen verfuchen, das denn auch fchlieglich faßt und eng um einen Blof gewunden wird. Yur mit Mühe gelingt es, die Mannfhaft davon abzuhalten, daß das Tier durch Hiebe zerfleifcht und vernichtet co Auf dem Wendefreis. wird. Der Hat ift der gefchworene Feind des Seemannes, und nie habe ich wildere Schimpfworte gehört, als fie dem gefefjelten Beherrfher der Mieere zu teil wurden. Alan fpeit ihn an und bittet fi wenisitens die Gunft aus, das Shwanzende abzuhaden, aus dem das Blut in dicfen Strömen hervorfcießt. Während wir noch um das erfte Opfer befhäftigt find, verfündet ein Freuden- gefchrei, daß ein zweiter Hat die von der Brüde ausgeworfene Angel gefaßt hat. Kurz darauf beißt der dritte, fchlieglich auch der vierte an. jedesmal wiederholen fich die- felben aufregenden Scenen, und felbft der Sa fucht mit feinem Bratjpieß nachzu- helfen, daß dte wütenden Bejtien glüdlich über die Xeeling an Bord gehißt werden. Dabei rollt das Schiff in der Dünung, eine See nah der andern Fommt über Bord, übergießt den übereifrigen Photographen und wirft die andern nieder, die angftvoll tach dem Tauende greifen, um nicht in den blutigen Gifht, in dem die Haie das De mit Schlägen peitfchen, hineingefpült zu werden. Wer nicht von Heptun mit feuchtem Guß bedaht wurde, fteht fchweißtriefend da und läßt fih von den Soologen belehren, daß dte in den lesten Hucfungen liegenden Haie der Gattung Carcharias, und zwar der in diefen Regionen häufigen Art Car- charias Lamia, angehören. Darauf deutet die ungewöhnliche Breite der Bruftflofje, die Stellung der hohen, vorderen Rüdenflofje, die abgerundete, wenig verlängerte Schnauze und die Geftaltung des aus dolhförmigen HSähnen beftehenden Gebifjes. Wir mefjen ein Erenplar und finden, daß es die immerhin beträchtliche Länge von 2,48 m (von der Schnauzenfpite bis zum Ende der Schwanszfloffe) aufweift. Bei der Sektion, die uns Anlaß bietet, Gehirn, Herz und Spiraldarm für anatomifhe Swede herzurichten, ergtebt es fich, daß der Magen volljtändig leer war. Die Beftien müffen einen wahren Heighunger verfpürt haben, da es fonft Faum erflärlich gewefen wäre, daß fie troß der abgefeuerten Schüffe der Reihe nah anbiffen und uns in fo reicher Zahl zum Opfer fielen. Baififhe haben fpäterhin nur allzu oft dem ftillliegenden Schiff Bejuch ab- geftattet und uns leider gar manchmal dte Luft benommen, das Fleine Boot ausfesen zu lafjen, um der pelasifchen DOberflächenfifcherei nachzugehen. Über die aufregende Jagd hatten wir Faum darauf geachtet, daß wir den Wende- Freis überfchritten und in die Tropenregion eintraten. Die zunehmende Wärme der letsten Tage überzeugte uns hiervon recht eindringlich, nicht minder auch die Folgen des hohen Feuchtigfeitsgrades der Luft. Die Kleider in den Schränfen, die Stiefel, Sedereinbände der Bücher, felbft die Cigarren hatten fih mit einem grünen Schimmel- Dbelag überzogen, und die njtrumente nebft Stahlfedern begannen zu roften. Der Fräftige Pafjat hatte von dem Feftlande her eine größere Anzahl von Dögeln verfchlagen, welche zum Teil vollftändig ermattet das Schiff als Ruheplat auffuchten. Obwohl wir uns bereits in großem Abjtande von der Küfte befanden, war doch die Artenzahl der Dögel, von denen wir nur ungern einige als interefjante Belege für die Capverdifche Infeln. au Derfchleppung von Organismen erlegten, eine auffällig große. Den Hauptbeftandteil bildeten mehrere Würger (Lanius senator) und Ffleinere Singvögel, die bald eifrig an Bord auf dte zahlreichen Schmetterlinge, Fleine Eulen, Spanner und andere formen Jagd machten. Die reiche Kollektion von verfchlagenen Infeften, welche überall auf dem Sonnenfegel erbeutet wurden, ift ein deutlicher Fingerzeig dafür, daß man die Derbreitung flugfähiger Organismen duch Wind und Schiffe nicht unterfchäßen foll. Wir janmelten am 28. Auguft auf den Sonnenfegel 50 Schmetterlinge, weldhe un- sefähr Id Arten angehören. Erft in der YKähe der Lapverden machte fih am 29. Auguft ein Witterungs umfchlag geltend. Er war von einer außerordentlich heftigen Negenböe begleitet, die 19,6 mm Hiederfchlag und eine angenehm empfundene Abfühlung der Luft von 27,5° C. auf 24° C. mit fi bradte. Daß man den Tropenregen willfonmten bie und mit Genuß die vom Himmel nieder- gehende Dufhe ausnuste, lag auf der Hand: wir hatten ja feine Da- men an Bord. Schon in der Haht zum 29. Auguft fichteten wir die am wei- teften öftlich ge= legene Infel der Tap- verden, Boapifta. Als langgejtrecftes Eiland mit vor- © ‚ . 8 ista, gelagerten Dünen und Fahlen, ifoltert A aufitrebenden, fteilen Kegeln, denen freilich der pittoresfe Aufbau der Lanaren fehlt, bot jih uns diefe vegetationslofe, nur in den Thälern bier und da grüne Streifen auf- weifende Lapverden-Infel dar. Ein prächtiger Tropenabend nach dem Gewitter ließ uns bei Sonnenuntergang eimen Dorgefhmaf von jener Mifhung farbiger Tinten empfinden, wie wir fie fpäter noch fo vielfach bewundern follten. In violetten, nad) Sonnenuntergang faft jchwarzen Tönen lag Boarifta vor uns; im Weiten waren die Wolfen blutrot gefärbt, während dte See jchwärzlich wie gefhmolzenes Blei fich ausnahm. ah Umfahren von Boarifta, in deffen Nähe wir einige erfolgreiche Dredfchzüge ausführten, die uns namentlih an Glasihwämmen (Beractinelliden) und Korallen (Isis) mit orange gefärbten Polypen eine reiche Ausbeute lieferten, wurde der Kurs in füdöftlicher Richtung genommen. 40 er Azoren - Guineaftrom, Die Stromgebiete des öftlichen Atlantifchen ©ceans. In die Karte ift der Kurs der Daldivia und das Tiefenrelief (Atlantifcher Rüden) in 5000 Nleter Tiefe eingezeichnet. Wir traten Schon am 51. Auguft in den Bereih des öftlich fließenden Guinea- tromes ein, deffen warmes, falzarmes und tiefblaues Wafjer uns in den nächten Wochen faft eine UÜberfülle von herr- Iihen Schäßen liefern follte. ee Eu ER Da es fi) um eines der intereffan- N teften Stromgebiete des äquatorialen atlantifhen Dceans handelt, fo dürfte es fich vielleicht dev Mühe verlohnen, die Hatur desfelben etwas genauer an der Hand einiger Daten zu er- ae a Ve n va Was zu= % u ae Er - nächft die Ober- ——SÜD-AQUNTORALSSTRÖN- N flähentempera- Bere ER tur anbelangt, Ir N a == E one | fo war fie an- Ge | fänglih (füb- Be, .“ lich der Cap- | verden) mit Grkischbe), | 282 Cr eine auffällig 74 : hohe. Mit he der An- näherung gegen den “ sı98 ü 2 n> un 2 ; 5 ö ER % = en 205° z Tiefentemperaturen. %5 Aquator jank fie etwas, offenbar unter dem Einfluffe des regnerifchen Südweft-NMTonfuns. Befonders auffällig ift indeffen das Derhalten der Temperaturen in tieferen Schichten. Eine Temperaturferie, die wir am 2. September inmitten des Guineaftromes führten, ergab nah den Beobahtungen des Dceanographen folgende Neihe: aAus= Breite 8°58’ N. Sänge 16° 28’ W. DEmwer207277:26,0%2 Mm. Some, ee oje POBEE N BODRCS Gern. 198° OS ee 414,52 ZOO ra SOOREee ne, SOOE Eat IND EN SS DOOF N se Was diefe Serie anbelangt, fo fällt an ihr zunähft auf, daß fhon in geringer Tiefe das Waffer auffällig Fälter ift, als an der Oberfläche; wir fanden es bereits am 90. Auguft nm SO m Tiefe um IO° Fühler, als an der Dberflähe, infofern damals in 90 m Tiefe I7,5°, an der Dberflähe hingegen 27,4° gemeffen wurden. Im Dergleiche mit der Golfitrom-Trift und dem Üquatorialftrome ergiebt es fich, daß die Tiefenteniperaturen im Guineaftrome erheblih niedriger liegen. Um dies an einent fpeciellen Beifpiele zu erläutern, möge eine Temperaturferie aus dem Canarien= ftrome (öftlih von Miadeira) derjenigen aus dem Guineaftrome an die Seite gejtellt werden. u Lanarten-Strom m Guineaftrom (S2°T N. und 15° 5’ W.) (0) 26,6° 2@ 100 14,5° 16,9° 200 12,98% 10,2° 600 6,9° 114° 800 5,2° ,,9° 1000 4,8° 8,8° Man erfieht aus diefen Daten, daß die Durhwärmung der tieferen Schichten im Bereiche des Mord-Aquatorial- und Golf-Strom-Gebietes eine weit erheblichere tft, als diejenige im Gebiete des Guimeaftromes. In IOOO m Tiefe ift das Seewaffer in erfterem um 4° wärmer, als in le&terem, obwohl die Oberflächenteniperatur des Guinea- jtromes beträchtlich höher liegt. c4 Witterungsverhältniffe. Sur Erklärung diefer Unterfchiede mag darauf hingewiefen werden, daß der Südwelt- NMonfun bei einem ftändig hohen Feuchtigfeitsgehalt der Luft fhwüles und regnerifches Wetter bei meift bedeftem Himmel zur Folge hat. Die Derdunftung an der Mleeres- oberfläche wird herabgefesst, die niedergehenden Regenmaffen tragen zur Derminderung or es Salzgehaltes bei und das fpecififch Leichte Waffer wird ftarf erwärmt, ohne in die Tiefe zu finfen. Anders in den nördlichen Gebieten. Der heitere Witterung bedingende Mord-Dit- Paffat hat eine ftärfere Derdunftung des Dberflächenwaffers im Gefolge. Infolge- deffen wird es falzreicher, fpecififh fchwerer und finft in die Tiefe, indem es gleichzeitig feinen Wärmevorrat an die tieferen Schichten abgiebt. Mie fhon erwähnt, fo ift ein weiteres Kennzeichen für den Eintritt in den Guinea: from das auffällige Surüdfgehen des Salzgehaltes. Stemlich unvermittelt finft diefer Wert von 56%, im Paffatgebiet auf 54/0; ein Betrag, der ungefähr der Salinität der Hordfee entjpriht und unter Berückfichtigung der überhaupt im Dcean geringfügigen Unterfchiede ein recht beträchtlicher genannt werden darf. Ähnliche Unterfchiede, wie wir fie hier zwifchen dem Gebiete des Hordoft-Paflat und des Guineaftromes hervorhoben, traten uns, nur in umgefehrter Folge, ent- zegen, als wir zehn Tage nach dem Eintritte in den Guineaftrom uns dem Üquator Ic näherten und die Wirfung des Südäquatorialftromes verfpürten. Der Südweft-MNTonfun mit feinen häufigen Regenböen und bedectem Himmel wich füdlichen und füdsftlichen Winden, fo daß wir bereits am 6.—8. September, als das Schiff den Alquator pafjierte, ein Aufflaren des Himmels und heitere, dem Südoft=Pafjat entjprechende Witterung mit fehr bemerflicher Abfühlung verfpürten. Genau auf dem Ugquator, in der Haht vom €. zum 8. September, traf es fich, daß wir eine für die Tropen aufßer- ordentlich niedrige Lufttemperatur von 21,6° und eine Wafferteniperatur von nur 21,9° hatten. Was diefe anbelangt, jo ift fie nicht verwunderlich, da wir ohne HSweifel in den Südäquatorialftrom refp. in die letten Ausläufer des Fühlen Benguelaftromes ein- getreten waren. Dafür fprah aucd die auffallend veränderte Wafferfarbe; aus dem tiefen Blau ging fie in eine blaugrüne über, und die Durchfichtigfeit des Wafjers, die im ÖSuineaftrome für die verfenkte weiße Scheibe über 50 m betrug, sing hier unter der Sinie zurücd bis auf 12—15 m. Außerdem waren die Stromverfeßungen, die vorher durchweg nah Dit und Südoft gerichtet waren, feit dem 8. September nad Nord und Hordoft gerichtet. Ein weiteres Anzeichen für das Derlaffen des Guineaftromes war die nunmehr allmählich vor fich gehende Sunahme des Salzgehaltes des Dberflächen- wafjers, der indeffen nicht den hohen Betrag des Hordoft-Pafjat-Gebietes erreicht. Mit den hier gefchilderten oceanographifchen Derfchiedenheiten der drei großen äquatorialen Stromgebiete gingen auch Unterfhiede in der Sufammenfesung des an der Oberfläche flottierenden Mlatertals von Drganismıen, des fogenannten Plankton, -- Oberflächenplantton des Guineaftromes. 145) Hand in Hand. Da fie immerhin einiges ntereffe bieten und auch jpäter noch von uns herangezogen werden follen, um die Biologie der Tieffee-Drganismen verjtändlich erfcheinen zu laffen, fei es geftattet, diefe Furz zu charafterifieren. Frühere Unterfuhungen, insbefondere auch diejenigen der Planfton-Erpedition, lehren, daß gerade die niederften, dem bloßen Auge Faum Fenntlichen Urtterchen oder Protozoen außerordentlich fein auf die phyfifalifchhemifchen Unterfchiede des Seewaflers in den verfchiedenen Stronigebieten reagie- ren. Es handelt fich bierbet um einzellige Drganismen, die uns das Seben in denkbar einfachiter, faft nadter Form zur Schau tragen. Diejfe Protozoen fchei- den fich in Formen, welche eimerfeits mehr pflanzliche, andererjeits mehr tierifiche Charaf- tere aufweifen, obne daß indefjen, wie man in neuerer Seit er- Fannte, ein fcharfer Ent- fcheid möglich wäre, fie dem Tier- refp. Pflan- zenreihe zuzurechnen. Unter jenen Protozoen, über deren tierifche refp. pflanzlihe Hatur feit jeher Botaniker und Peridineen des Warmmajjers. fl a. Peridinium divergens Ehrbg. 8. Ornithocercus magnificus St. Hoologen jtreiten, vers c. Ceratocorys horrida St. d. Phalacroma rapa St. dienen ein befonderes ze) Intereffe die fogenannten Beißelinfuforien oder Flagellaten. Ein Teil derfelben ift mit der Fähigfeit betraut, nah Art der Pflanzen aus den vom Seewaffer abforbierten und in ihn enthaltenen anorganifhen Beftandteilen, vornehmlich aus Kohlenfäure- und Stidjtoffperbindungen, unter der Einwirfung des Sonnenlihts ihren aus Eiweiß be- jtehenden Sellleib aufzubauen. Dies vermögen freilich nur jene, welche einen dem grünen Farbitoff der Pflanzen, co nee \ Peridineen aus dem Öuineaftrom. . c. Ceratium sp. d. Ceratium fusus Ehrbg. Peridineen. dent Chlorophyll, nahe verwandten bräun- lichen oder gelblihen Farbftoff aufweifen. Er it an Fugelige oder fcheibenförmige Fleine Protoplasmafchollen, fogenannte Chromato- phoren, gebunden, welche der Hellwandung anliegen. Da nun gerade diefe Slagellaten in befonderer Maffenhaftigfeit an der Ober- fläche des DOceans flottieren, erweifen jte fich als Hahrungsproduzenten, welche in lester Kine die Eriftenz aller höheren marinen Dr- ganismen bedingen. Unter den für den Haushalt des Mieeres wichtigen Flagellaten ift die Familie der Peridineen durch zwei Geigeln ausgezeichnet, deren eine in einer den KHellförper quer ume fäumenden Furche gelegen ift, während die andere aus emer fenfreht zu derfelben ge- ftellten, tiefen Grube hervorragt. Ein ftarrer Panzer, oft durch lange Fortfäse oder durch flügelähnliche, wie Segel oder Falljchirme ge= ftaltete Derbreiterungen ausgezeichnet, fchüst den Weichförper. Da dem leßteren bisweilen die Chromatophoren fehlen, jind nicht alle Peridineen als „Hahrungsproduzenten“ be- fäbigt zu afftmilieren. Es ijt bemerkenswert, daß das Dorhandenfein oder der Mangel von Afiimilattionsorganen durchaus nicht der jyfte- matifchen Derwandtichaft parallel läuft; fo entbehrt 3. B. das Peridinium divergens der Ehromatophoren und ift auf organifche Koft angewiefen, während andere Arten derfelben Battung nad) Art der Pflanzen zu afjimilteren im ftande find. Es foll fpäterhin noch darauf hingewiefen werden, daß das Überwiegen pflanzlicher refp. tierifcher Charaktere, wie es durch das Dorhandenfein oder durch den Mlan- gel von Chromatophoren bedingt wird, von wefentlihem Einfluß auf die vertifale Tiefen- e. Amphisolenia sp Derjchiedene Sufammenfeung des Plankton in den Strömungen. cc verbreitung der Peridineen ift. In wunderbarer Pracht und Üppigfeit traten uns diefe Peridineen in den Gebiete des Buineaftrons entgegen. Die bei 4 ftehenden Abbildungen, welche Dertreter der Gattungen Peridinium, Ornithocercus, Cera- tocorys und Phalacroma darftellen, mögen einen Begriff geben von den Architeftonif und reizvollen Schalen-SFulptur diefer win- jigen formen. Fu ihnen gefellen fich die langen, ftabförmig ausgezogenen Arten der $attung Amphisolenia, und die mit drei Fort- fäßen ausgeftatteten Dertreter der Gattung Ce- ratium. Außerdem trat noch eine Fleine, einzellige, Fugelige Alge, die durch ihr Keuchtvermögen ausge- zeichnete Pyrocystis noctiluca, maffenhaft auf. Man glaubt zuerft, daß man es mit bizarı geftalteten Kindern einer nach ihren Saunen Fünftlerifch fchaffenden Hatur zu thun habe, doc lehrt ein genaueres Eingehen auf ihren Bau, daß all diefe anfcheinend zweclofen Fortfäge in Geftalt von Stäben, Fallichirmen und Segeln eine wichtige funktion zu erfüllen haben. Wie ein tüchtiger Kenner der Peridineen, Schütt, nachgewiefen hat, fo handelt es fich im diefen Auswüchfen des Fell leibes um Schwebevorrichtungen, welche Reibungswiderftände in dem Seewajfer fchaffen und es ermöglichen, daß die ohnehin leichten Organismen in dem Waffer auf ungefähr gleihem Hiveau fich jedenfalls folange jchwebend erhalten, als fie noch unter dem Einfluffe des Sonnenlichtes zu affimilieren im ftande find. Profeffor Shimper machte darauf aufmerffam, daß die hier erwähnten formen in dem Guineaftrom vorherrfchten; fie traten reichlicher auf, als wir die erften Deränderungen in der Qualität des See- waffers bei dem Übergang des Hordäquatorialftromes in den Guineaftrom nachzu- weifen vermochten, und fchwan- Pyrocystis noctiluca Murray. \\lf , Ip, den wie mit einem Sclage, als wir am 6. September in den Südäquatortalftrom gelang- ten. An Stelle der mit lan- gen Hörnern ausgeftatteten IS —T Ceratien gelangten andere INN NY Arten, die nach dem Typus / \ N 2 ° . | | L\\ So des Ceratium lunula mit ganz LS en ID kurzen Fortfäßen verfehen wa- Halosphaera viridis Planktoniella sol. Schütt (nah Schmit;). (nach Scätt). ren, zur Alleinberrfchaft. In tieferen Wafferfchichten fchwebende Protozoen. ” 8 Tiefenplanfton. Einfluß des Salzgehaltes. Dagegen ergaben unfere Beobahtungen mit den Schliegnegen, daß in den drei Stronigebieten gleihmäßig Arten von Peridineen, einzelligen Algen und Diatomeen vorfamen, die freilih an der Oberfläche volljtändig fehlten, und erjt in den tieferen Wafferfhichten von SO bis IOO m an beobachtet wurden. Diefe „Schattenflora”, welche die intenfive Belichtung und hohe Temperatur des Oberflächenwafjers fcheut, beiteht einerfeits aus emer Fugeligen, einzelligen, mit grünen Chlorophyllförpern ausgeftatteten Alge, Halosphaera viridis, andererfeits aus zwei Arten der Gattung Planctoniella, und endlih aus einer mit relativ dicfem Kiefelpanzer ausgeftatteten Diatomee aus der Battung Coscinodiscus; fie fcheinen nicht unterhalb 500 m, wo für unfer Auge bereits Dunfelheit herrfchen dürfte, hinabzufteigen. Schließneszüge, weldhe man in größerer Tiefe ausführt, bringen zwar eine Fülle der genannten formen an die Oberfläche, aber eine genauere Unterfuhung ergiebt, dag entweder nur noch die ftarre Membran vorhanden ift, oder der Protoplasmaförper ftarf zerjest vorliegt. Auf die bier Furz ffizzierten Beobachtungen werden wir im weiteren Derlauf unferer Darftellung noch zurüdfommen, und fo möge denn nur eine Frage, die fich vielleicht BEN dem Kefer aufdrängt, beantwortet werden: Woher ? N —\ Fonmt es, daß im dem Guineaftrom nicht nur jene = \ < ; prächtigen, mit fallfhirmartigen Schwebevorrichtungen B ausgeftatteten Formen vorherrfchen, fondern vor allem 6b \ auch die Ceratien mit monftrös langen Hörnern ver- \ fehen find, während in den ÄUgquatorialftrömen Formen lese ee mit fehr Furzen Fortfäsen und relativ mangelhaft ent- vorherrichen. wicelten Schwebevorrichtungen vorwiegen? Da es ja unfer Beftreben tft, die Geftalten der tierifchen und pflanzlichen Körper zu erflären und mit den äußeren Eriftenzbedingungen in Einflang zu bringen, wird man naturgemäß die verfchtedene Qualität des Seewaffers in Rechnung ziehen. Da verdient nun in erfter Linie hervorgehoben zu werden, daß der Guineaftrom durd geringen Salzgehalt und hohe Oberflächentemperatur vor dem Hord- und Südäquatorial- from fich auszeichnet. Berechnet man das abfolute fpecifiihe Gewicht des DOber- flähenwaffers nad) der Formel 55 (wobei S den Salzgehalt, t die MWafjertemperatur bedeutet), jo ergiebt fih für den Mordäquatorialftrom der Wert 1,02%, für den Buinea- ftrom 1,022, und für den Südäquatortalftrom wiederum 1,024. Wenn es fi aud hierbet um Werte handelt, die erft in der dritten Decimale zum Ausdruf Fommen, jo lehren doch immerhin diefe Unterfchtede, daß das Fühlere Wafjer der Uquatorialfträöme ein größeres abfolutes fpecifiihes Gewicht aufweit, als das warme des Guineaftromes. Ih war anfänglich geneigt, die verfchtedene Dichte des Seewaffers in den einzelnen Stronigebieten für die mehr oder minder ausgiebige Entwiklung der zum Schweben Scwebefähigfeit. 4) dienenden Körperfortfäse als ausfchlaggebend zu betrachten. Seten wir nämlich die Schwebefähigfeit einem Sinfen mit minimaler Gefhwindigfeit gleich, fo würde es verftändlich fein, daß im dichteren Waffer der Üquatorialjtröme die Schwebevorric) tungen weniger ausgiebig entwicelt jind, als im weniger dichten des Guineaftromes. Indeffen bin ich durch meinen Kollegen, Prof. Dftwald, darauf aufmerffam gemacht worden, daß für die Schwebefähigfeit pelagifcher Organismen in erfter Linie die innere Reibung des Wafjers in Betraht fommt. Die lestere tft von der Temperatur in einem Fonjtanten Derhältnis abhängig, infofern fie ziemlich genau für einen Grad um 2°/, abnimmt. So beträgt 3. B. bei einer Temperatur von 25° die innere Reibung gerade die Hälfte von derjenigen, welche bei O° vorhanden ift. Da nun bet gleicher Sinfgefhwindigfeit die Dberfläche des finfenden Körpers proportional der inneren Reibung fich geftaltet, jo muß die aa ns des fchwebenden Organismus bei einer Fonjtanten Temperatur von 25° doppelt fo groß fein, als bei einer folchen von 0°. Don diefem Gefichtspunft aus würde fich leicht die namentlich von Schütt betonte Thatfahe erflären, daß die Ceratien des Falten polaren Wafjers durch ihre einfache und plumpe Geftalt von ihren Derwandten aus warmen Stromgebieten mit ihren oft bizarr geftredten oder durch mächtig entwidelte Fortfäse ausgezeichneten Arten fich unterjcheiden. Für die oben erwähnten Unterfchiede zwifchen den Formen aus den Ugquatorialftrönen und dem Guineaftrom ift nun nicht nur die höhere Temperatur des lettgenannten Stromes, jondern auc fein geringerer Salzgehalt in Rechnung zu ziehen. Denn die innere Ne wird bei geringerem Salzgehalt etwas — wenn auch nur wenig — herabgefeßt: ein Umftand, der wiederum auf die Derlängerung der die Reibungswiderftände I Fortfäße von Bumeaftromformen zurücwirft. Wenn wir überhaupt die Schwebefähigkeit von Drganismen einem Sinfen mit minimaler Gejchwindigfeit gleichfegen, jo würde fich die Sinfgefchwindigfeit nad) Dftwald in folgender einfacher Formel ausdrüden laffen: Übergewicht Sinfgefhwindigfeit = —————. — — SEX seh 3 Innere Reibung X Sormwiderftand Unter „Übergewicht” oder Abtriebfraft würden wir hierbei die Differenz der fpecifi- ihen Gewichte von Flüffigfeit und finfendem Körper verftehen. Es liegt auf der Hand, daß ein Organismus um fo rafcher finfen wird, je größer die Differenz in den ge- nannten fpecifiichen Gewichten ift. Die innere Reibung, ftarf beeinflußt von Temperatur und gelöften Stoffen, verhält fihh umgefehrt proportional der Sinfgefhwindigkeit. Ihr Effekt Fann gefteigert werden durh die Schaffung von Formwiderftänden, welche im allgemeinen auf einer Der- größerung der Oberfläche der finfenden Drganismen beruhen. s0 Srindwale. Um indeffen von den Hwergen der Mieeresoberfläche den Blicd wieder den Riefen zuzumwenden, fei eines Dorfommmniffes am 51. Auguft nach Derlaffen der Tapverden noh gedaht. Während wir in der Frühe eine Tiefe von 4740 m loteten, wurden aus der Ferne die Nücenfloffen zahlreicher Wale bemerkt. ch zählte deren nicht weniger denn 44, welche rafh in die Mähe des Schiffes gelangten. Deutlich ver- nahmen wir ihr Blafen beim Auftauchen aus dem Wafjer, und bald wurde es aus der wie eine Adlernafe gefrümmten Nücdenfloffe und aus der Geftalt des unförmlichen Kopfes Far, daß wir es mit dem Grindwal (Globiocephalus melas) zu thun hatten. Wir befchloffen, einen Derfuh mit der Harpune zu wagen. Das Boot wurde herab- Srindwale, gelaffen und mit tüchtigen Ruderern bemannt, während unfer erjter Offizier fich mit der Harpune bewaffnete. Wir gelangen rafh in die Hähe der ftattlichen Tiere, die ein wahres Blasorchefter aufführen, bald in elegantem Bogen auffteigen und ihren ganzen Rüdfen zeigen, bald den unförmlichen Kopf, der wie ein Baumftrunf fich aus- nimmt, über Wafler erheben, bald mit der Schwanzflofje die Oberfläche peitfchen. Daß die Harpunme viermal vergeblich geworfen wurde, mag der Aufregung zu gute gehalten werden. Freilich Fümmerten fich die Grindwale wenig um unfer Thun, und da fie meift in Trupps von etwa I2 Stück fchwanmen, gelang es uns leicht, ihnen den Weg abzufchneiden. Allmählih wurden fie etwas fcheuer, und während ich vorher einen Schuß vermied, jo verfuchte ih mit der Büchfe mein Glüf. Der erfte Schuß Befchaffenheit des Tieffeegrundes. sl traf, die anderen gingen fehl, aber der fehwerverwundete Wal peitichte mit der Schwanz- flofje das Wafjer, wälzte fih mehrmals um feine Längsahfe und verihwand in der Tiefe, ohne zu unferem Keidwefen wieder an die Oberfläche zu Fommien. Denn wir auch noch mehrmals den Walen nahe waren, die bisweilen in ängjtlicher ITähe des Bootes auftauchten, fo wurden die Tiere doch fchlieglich Scheu und verihwanden, ehe ein Schuß anzubringen war. Dielleiht war es ein Glüf, daß die Harpune nicht faßte und wir von einem Unfall bewahrt blieben. Aber nicht leicht vergißt man das Blafen der auftauchenden Beftien, welche unfer Boot an Känge übertrafen, die abenteuerlihe Geftalt des oft fenfreht auffchiegenden Kopfes, das Peitichen des Wafjers mit der Schwanzflofje und die begreifliche Aufregung der Jagd inmitten diefer Ungetüme, welche uns nicht minder als die von Dampfer zufhauenden Erpeditions- mitglieder in Alten hielten. Was nun das Refultat unferer Trawlzüge anbelangt, die wir zum Teil in recht großen Tiefen bis zu 4990 m ausführten, fo mag zur Würdigung derfelben hervor- gehoben werden, daß wir uns teilweise in TER: nicht alzugroßer Entfernung von der 2 H) a Küfte bewegten. Der Tieffeegrund wird in diefen Regionen von einem unangenehmen zähen grünlih-fhwarzen Schlid gebildet, dem Beftandteile des von den weitafrt- Fanifchen Flüffen mitge- führten Schlammes bei- gemengt find. Erft als wir in der Mähe des ÜUquators weiteren Land- abjtand gewannen, feste fih der Tieffeegrund rein aus jenen Ablagerungen zu= jammen, welche Murray als pelagifhe bezeichnet. Por allen Dingen handelt es jfich bier um # jenen „Blobigerinenfhlamm“, der in SEE ian se den äquatortalen und gemäßigten H9- Tropifcher Slobigerinenichlamm aus dem Atlantijchen Ocean, nen aller Dceane weite Flächen bedeckt. Priimulian Menarat, P, Canartensis Sphaerudins dchiscens Orblinn Er wird von den Kalffchalen Fleinfter universa, Pullenia ee Globigerina bulloides. Chun, Aus den Tiefen des Weltmeeres. weite Auflage 6 82 Slobigerinenfchlamm. Ürtiere gebildet, die als Foramini feren in oberflächlichen Schichten flottieren. YWah dem Ab- fterben des Weichförpers jfinfen die häufig mit Schwebevorrichtun= gen in Gejtalt fei ner Kalfftacheln befegten Schalen auf den Meeres boden nieder, um jich hier im Kaufe der Seit zu mäch- tigen Schichten an- zufammeln. Bei dern langfamen Hie- derfinfen wird in den tieferen Schich ten der Befat von Kalfnadeln auf- gelöft und häufig auch Zoroaster fulgens Wyv. Thomson. 5240 m. SZwifchen Kanaren und Kapverden y- Stelleriden. 80 die Schale felbft mehr oder minder ftarf angegriffen. Immerhin fanden wir noc in 4990 m die Schalen fo wohlerhalten, daß die einzelnen Foraminiferenarten leicht beftimmt werden fonnten. Da es immerhin von ntereffe ift, eine Dorftellung von der Sufammenfeßung des Tieffeefchlammes zu erhalten, geben wir in vorftehender Abbildung bei [hwaher Dergrößerung eine Darftellung desfelben aus der genannten Hyphalaster Valdiviae Ludwig n. sp. 4990 m. Golf von Guinea. Xat. Größe, Tiefe von 4990 m. Bemerft fei nur noch, daß fäntlihe in der Figurenerflärung namentlich aufgeführten Arten eine pelagifche Kebensweife führen. Der Tieffeefhlamm enthält nah den Unterfuhungen unferes Chemifers jtets ein, wenn auch nur geringes, Quantum von organifcher Subftanz;, das von dem offenbar noch nicht völlig zerfesten Plasma der Foraminiferen und anderer auf den Boden 6* 54 Aquatortaufe. niederriefelnden Organismen herrührt. Diefer Umftand läßt es erflärlich erfcheinen, dag auch in großen Tiefen Schlanmfrefjer leben, deren wir ein ganzes Heer in Geftalt von Seewalzen, Schlangenfternen und Seejternen erbeuteten. Die Ausbeute von der weftafrifanifchen Küfte und aus dem Golfe von Guinea bietet, wie zu erwarten war, ein nur geringeres ntereffe, da wir hier meift nur be- Fannte formen, wenn auch gelegentlich in befonders fhönen Eremplaren, dredfchten. Mir illuftrieren fie durch den von Wyville Thomfon befchriebenen Zoroaster fulgens aus der Familie der SHoroafteriden. Immerhin lieferte au) das Atlantifhe Gebiet neue Arten, die namentlich der für die größten Tiefen typifchen Familie der Porzellan- afteriden angehören. Aus einem Abgrund von 4)90 m haben wir im Guinea-Bolfe den prachtvollen, der Gattung Hyphalaster zugehörigen Porzellanafteriden herauf- gebracht, welchen unfere Abbildung vorführt. Er unterfcheidet fih von dem ihm nahe jtehenden Hyphalaster Parfaiti Perr. (den wir mehrmals erbeuteten) durch die größere Hahl von cribriformen Drganen auf den Randplatten und durh eine abweichende Geftaltung der Platten der Bauchfeite. Zu Ehren des Erpeditionsfhiffes hat ihn Prof. Sudwig als H. Valdiviae bezeichnet. Ein feltfamer fund fam am 5. September aus einer Tiefe von 4990 m an die Dberflähe. In den Schwabbern des Trawl hing eine mit Seewaffer gefüllte Cham- pagnerflafche, welche ein Schreiben des göttlichen Beherrfhers der Meere, Heptunus, barg. Er erklärte dem Kapitän der „Daldivia", daß er am nächiten Tage mit feinem unterfeeifhen Gefolge an Bord des Schiffes erfcheinen würde, um die meeres- übliche Taufe vorzunehmen, die fih um fo eindringlicher geftalten würde, als feine Schwiegermutter ehr ungehalten fei, weil wir ihr fo fchwere Kote auf den Kopf geworfen hätten. Punft 5 Uhr am 6. September ertönte ein Schuß aus dem Böller: Heptun mit großem Gefolge ftieg aus den Wogen auf und begab fih in einem phantaftifch bergerichteten Kahne an Bord der „Daldivia". Doran fchritten drei Yeger, die Paufe, Eymbeln und Harmonifa bearbeiteten; ihnen folgten ein Aftronom, ein Notar und mehrere ertrunfene Matrofen. Endlich erfchien Se. göttlihe Niajeftät in lang- wallendem Barte mit dem Dreizaf in der Hand, und hinter ihm Frau Heptun, eine anmutige Dame mit Strohhüthen, langen Söpfhen: ganz Parifer Chic, wenn auch nur wenig der Dorftellung entfprechend, die man fih von Amphitrite bildet. Sie benahnt fich den Derhältniffen entfprechend mit zierlihem Anftand, den fie freilich gegen Schluß der Feier nicht ganz aufrecht zu erhalten wußte. Hinter dem Heptun’fchen Ehe- paar fchritt der Polizeileutnant in Hofen, die wohl ISIS angängig waren, nicht aber im fittfamen Jahre IYOO geduldet werden würden. Dier unterfeeifche Poliziften in martia- lichen Koftüm paßten fharf auf, daß Fein Ungetaufter entrann. Heptun umwandelte mit Gefolge die ganze „Daldivia”, hielt in Herametern eine Anfprache an dte Mitglieder Aquatortanfe. 85 der Erpedition, worauf fein Aftronom mit mächtigem Sirfel und Fernrohr die Breite beftimmte und entdeckte, daß wir uns gerade auf 0° 0’ 0” befanden. Da war es höchite Heit, die Taufe vorzunehmen. m feierlihen Suge begaben fich die Seegottheiten nad dem Dorderdef und gruppierten fich malerifh um die Hese der Erpedition. Ulnfer großes Seewafjerbefen diente als Tauftifh;, einen geeigneteren hatte fchwerlich je ein Schiff zur Derfügung, das den Üquator überfchritt. Der Leiter der Erpedition machte den Anfang, wurde von Neptun mit einer finnigen Anfprahe begrüßt, erhielt einige Kübel Waffer über den Kopf, worauf man ihm fein Diplom ausfertigte, in dem Heptun ihn in feinem Reiche willfommen hieß. — Weniger gelind verfuhr man mit den fonftigen Heulingen. Alan verband ihnen die Augen, feifte fie ein, bearbeitete fie mit hölzernen Raftermeffern, und nachdem Xeptun mit Donnerftimme ihnen ihre Sünden deflamiert hatte, befahl er die Taufe. Ein Ruck von dem Polizeileutnant, und binterrüds jaufte man in das Taufbefen, worauf reichliher Abguß aus dem Schlauhe der Dampffprise das übrige beforgte. So ging es Schlag auf Schlag, gleihgültig ob es fi) um Privatdocenten oder Schiffsjungen handelte, wel lettere freilich erft noch einen Schlaucdy aus Segeltuch zu paffieren hatten unter reichlicher Hachhilfe mit der Dampffprise von hinten. Hulett ergab es fih, daß auch Frau Üeptun noch nicht über die Kinie gefommen te16) Uberfchreiten des Aquators. war. Mit Strohhut, Föpfhen und Nödchen überfhlug fie jih in dem Taufbeken und gab dann, wie alle Getauften, den auf den Anfer geleifteten Schwur ab, daß man von nun an treuer Diener feiner göttlichen Mageftät fein wolle. — Dann ging ın es m N: naffenn Fuge unter erhebender Mtufif wieder um die „Daldivia”, worauf Heptun uns feines dauernden Wohlwollens verjicherte und in feinen unter- feeifhen Kryftallpalajt hinabftieg. Yahden wir am 7. September den Üquator allerdings nur um 15 km über- fchritten hatten, ergab eine Kotung die beträchtliche Tiefe von 5695 m. Es it dies die größte Tiefe, welche wir aus dem GBolfe von Guinea Fennen. Sie wird direft N dem Ügquator nur von der durch das Dermeffungsfhiff La Romanche in 18° geloteten Tiefe von TSTO m übertroffen. Wachdem wir den ganzen Tag für oceano- grapbifche und biologifche Arbeiten verwendet und die bereits oben berührten Unter- fchtede in der Qualität des Seewaffers und der an der Oberfläche flottierenden Organismen nachgewiefen hatten, war der Zwed unferes Dorftoßes in füdlicher Richtung erreicht. Der Kurs wurde nun auf Kamerun, unfer nächites Reifeztel, gefeßt. Die angenehme, relativ fühle, an das Pafjatgebiet erinnernde Witterung machte allmählich wieder der für den Buineaftrom typifhen Schwüle und regnerifchen Witterung Pla. Auch die Dredfch- züge, weldhe wir ausführten, lehrten, daß wir bald wieder in das Gebiet der auf Sandnähe hindeutenden Ablagerungen gerieten. Wie zuvor an der Küfte von Sene- gambien, fo machte fih auch hier bei der Annäherung an die Higer-Mündungen die Einwirfung der wejtafrifaniihen Ströme in dem Abfat jener zähen, grünlih-[hwarzen Schlammmaffen geltend. für die relativ fpärliche, den Tieffeefhlamm bevölfernde Fauna wurden wir indeffen auf der ganzen fahrt nach dem Derlaffen der Capperden durch die geradezu Bi glanzvollen Ergebnifje entfchädigt, welche die in größere Tiefen OD verfenften Dertifalnese lieferten. Zum erjten Male trat uns 8 der Sauber der pelasifhen Tiefjeefauna entgegen mit Bolitaena (Eledonella). Wenig verkleinert. (Rübsaamen gez.) Pelagifche Tiefenfauna. X einer wahren Nberfülle neuer und durch ihre Drganifation bemerfenswerter Typen. Da wir diefelben noch in anderem Sufanmenhange jchildern werden, mag der Hinweis genügen, daß hier zum erften Mal in unfere Hete jene [hwarzen Tieffeefiiche gerieten, welche durch ihre Ausrüftung mit Keuchtorganen und durch ihren bizarren Habitus feit jeher das nterefje der Forfcher in be fonderen Maße erresten. Su ihnen gefellten fih große, blutrote Krufter, hafenußgroße Riefenformen von Mufchel- Erebfen, durchlichtige Tintenfifche, mit rotem Darm aus- geftattete Pfeilwürmer, violett gefärbte Nledufen, duf- tige und ungemein zart geftaltete fchwimmende See- walzen, bisher noch nie beobachtete Tieffeeformen der Rippenquallen und eine Überfülle von Radtolarien mit ihren reizvollen Kiefelffeletten. Alan war in ftän- diger Erregung über dtefe ungeahnte Pracht bei dem Auf- fommen der Hebe; alle Hände hatten voll zu thun, um fie zu zeichnen und zu Fonfervieren, und oft gab man in enthuftaftifhen Worten feinem Staunen über den farben- Schmelz, die Durchhfichtigfeit und bizarre Geftalt mancher formen Ausdrud. In feiner eigenartigen Weife that dies unfer Künftler. Als er zum erften Atale den abfonderlihen Tieffeefifih Melano- cetus zu Geficht befam und zu zeichnen ver- fuchte, entfchlüpfte ihm die ÄAußerung: „Man meint, unfer Berrgott habe alle Dummbeiten, die er gemacht, in die Tieffee verftect." Um indeffen dem Kefer ein anfchaulihes Bild von u einigen pelagifchen Tieffeeformen zu geben, greifen wir zwei Arten von acdhtarmigen Tintenfifhen heraus, welche durch ihre Anpaffung an eine flottierende Kebensweife n- tereffe erweden. Die eine Art führt einen Dertreter der Gattung Bolitaena a Bolitaena von der Bauchjeite mit ge- vor. Sie erwedte mit vollem Rechte das lebhafte Interefje öffneten Gallertmantel. Man fieht das Nanteljeptum, den jtarf des verftorbenen Steenftrup, welcher das erjte, freilich piamentierten Eingeweidejad und die verftümmelte, Eremplar erhielt. Auch die fpäter von der ee fan anetimne Thallenger-Erpedition erbeuteten und als Eledonella rejp. es gez.) Japetella befchriebenen Formen geben ein nur unvollfommenes Bild vom Bau diejer ungemein zarten und dabei eine anfehnliche Größe erreichenden Tintenfifche. Erjt durch unfere Fahrt werden die gallertartig verquollenen, halbdurhfichtigen und lebhaft Pelagifche Tiefenfauna. je s) [0 6 votgelb pigmentierten Bolitänen genauer befannt, da wir jte in den verfchiedenten Altersjtaditen tadellos erhalten an die Dberfläche beförderten. Das im vorftehenden Bilde dargeftellte Eremplar ift em Männchen, deffen dritter Arm der rechten Seite Fräftig entwicdelt und zu emem Begattungsapparat umgebildet (heftofotylifiert) ift. Der zweite Tintenfifch, den wir im Bilde vorführen, tft eine der abenteuerlichjten Geftalten unter den pelagifhen Tieffeeformen. Er gehört zu der Familie der Lirrho- teuthiden und unterfcheidet fi) von allen befannten Gattungen dadurdh, daß er vier gefonderte Rüdenfloffen befist. Wie alle Cirrhoteuthiden, fo find auch unfere Erem- plare (wir haben deren drei in jugendlichen Stadien erbeutet) mit Cirrhen ausgeftattet, welche an jedem der durch breite Säume verbundenen Arme in zwei Reihen fich vor- finden. Sie bilden bei dem Sufanmenfchlagen des Armtrichters eine Art von Reufe, in der die Hahrtiere zurückgehalten werden. Die Tiere find fammetfhwarz; gefärbt mit einem Stich in das Diolette und zeigten bei dem Berauffommen einen rubinroten Augenbintergrund. Vampyroteuthis infernalis Ch. %ı. N VI Kamerun sn Regenwolfen verhängten am Wiorgen des Id. September eine dunkle Berg- landfchaft, die düfter gegen das in hellem Sonnenfchein rechts vor uns liegende Fernando Po mit feinen Elarence-Pif abftah. Mit dem Fernrohr wurden bald die Wipfel graugrün gefärbter Urwaldriefen Fenntlich, welche dicht bis an den Der fleine Kamerunpif, Strand herantreten. Bier und da hebt fich eine Kuppe ab, hinter welcher der Uebel damıpft; in verfchwonmmenen Konturen, die oft rafch wieder durch fchwärzlichgraue Strihwolfen verwifcht werden, giebt fich der Steilabfall des innerjten Winfels der Guinea-Bucht Fund. Das Ufer umfäunen die weißen Kämme der Brandungswogen, welche an Klippen oder in engen, tief eingeriffenen Schluchten zu feinem, oft minutenlang fichtbar bleibendem Yebel zerftieben. Kein Haus, Feine Anftedelung ift zu erfennen, 90 Die Umbas-Buct. Der große Kanterunpif nur der tropifhe Regenwald, wie er in diefer Eigenart gerade für das Kameruns- gebirge typifch tft, prägt in ernfter Miajeftät der Sandfchaft ihren Charakter auf. Allmählich gliedert fih die Scenerie. Swar verhindert eine horizontale, fcharf abgefchnittene Wolfenfbicht den Ausblif auf die Höhen, aber im ftets wechjelnden Bildern fchteben fih bei der Annäherung an Dictoria die dicht bewaldeten KLand- zungen und Kuppen vor. Die Ambas-Budt, jene Perle im deutfchen Kolonial- befit, gleicht dem dunklen Rahmen eines Hochgebirgfees, aus dem freundlich die weißen Häufer der Faftoreien und Gouvernementsgebäude hervorleuchten. Sechs bizarr geformte Klippen, an Größe gegen das freie Mleer faft regelmäßig abnehmend, die lagerten Eilanden Ambas und Ntondoleh. Die Einfahrt in die AUmbas-Bucht übte einen mächtigen Sauber auf uns alle aus, da wir wochenlang die Sonne aus dem Meere auftauchen und am fernen Horizont bDlutrot untergehen fahen. Müt einem Schlage waren wir in eine unvergleichlih groß- artige und jtimmungsvolle Sandfchaft verfett. Die Hebelwolfen jagten, von dem in der Höhe herrfchenden Sturmmwind gepeitfcht, an den Hängen des Gebirges entlang, und faft wie durch einen Sauber lüftete fih der Schleier, welcher neidifh den Ausblik benahm. ZAZuerft tauchte der fteil gegen die Küfte abfallende, völlig bewaldete Fleine Kamerunberg und bald darauf der langgezogene Kücen des 5960 m hohen Kamerun- pifs auf. Deutlich wurden in der oberen Waldregion dte weißlichen Stationsgebäude Sandung in Dictoria. 91 von Buea fihtbar; weiter oben verlief fih die Baumregion, oft in lange Sipfel vorgezogen, gegen das hellgrünli jchimmernde Grasland, das allmählihb an dem langgezogenen Kamm mit feinen tief eingeriffjenen Schluchten in die anfcheinend vegetationslofen rotbraunen vulfanifchen Gejteins-, Scutt- und Afjchenmafjen über- geht. Weiter unten fchweift der Blicd über bewaldete Kuppen und Hügel zu den fhmuden Gebäuden und anfpruchslofen Hütten von Dictoria und zu dem düfteren, die Bucht abfhliegenden Kap Nachtigall mit feinen von der Art noch nicht berührten Urwald- riefen, in deren Dunkel der Gorilla unbehellist hauft. Dorbei an den faft unzugäng- lichen Pirateninfeln, auf deren größter und dem Sande zumächt liegenden ein Ueger- dorf fichtbar wird, zwifchen dem palmenumgürteten Ambas und Mtondoleh nimmt der Dampfer feinen Kurs, um im Schuße der Ießteren Infel den Anker fallen zu lafjen. Weithin hallt der Schuß aus dem Böller wieder, auf dem Gouvernement fteigt die deutfche Flagge auf und mühjam fucht vom Sande her das von Schwarzen in fhmudfer Matrofentraht geruderte Regierungsboot gegen die Wellen anzufämpfen. Wir erfahren von dem an Bord fommenden Beamten, der — wie das in den Tropen garıg und gäbe ift — im einer Perfon den Hafenmeifter, Hollinfpeftor und Polizei- meijter vereint, daß wir einer gaftlihen Aufnahme ficher find. Ungeduldig, zum erjten Male den Fuß auf afrifanifchen Boden und auf deutjches Schußgebiet zu fegen, lafjen wir uns an Sand rudern. Da gerade Marfttag ift, herrfht an der Kandungsitelle ein lebhaftes Treiben. In den langen, fchmalen, aus einem einzigen Baunftanım sefertigten Lanoes häufen die von Fifcherei lebenden Ueger die Früchte auf, welde fie gegen Fifhe umtaufhten. In fisender Stellung rudern faft nadte Männer und Weiber mit ihren Furzen, in eine fcharfe Spitse auslaufenden Paddeln geihift durch die Wogen; hier hot am Strande ein Trupp von anfpruchslofen Gebirgsnegern, dort drängt fih eine buntbefleidete Menge vor, um die Meu- linge anzugaffen und in unerfchöpflihem Wis, der lachenden Widerhall findet, fich zu ergehen. Wir haben allerdings während unferes Aufent- halts in Dictoria redlich dazu beigetragen, daß das dem Heger angeborene Talent für Wis und Ironie reichlih Nahrung fand. Da rannte der Eine mit Spiritusgläfern hinter Krabben, Käfern und Schmetterlingen her, da mühte der andere fih) ab, Fliegen zu fangen, Blüten und Zweige durch mächtige Rauchbrillen zu betrachten und fie in umfänglihe Botanifiertrommeln zu ftecen, (Schmidt phot.) 02 Dictoria. während der dritte mit unbeim- lichen photographifhen Apparaten der fchwarzen Gefellichaft zu Leibe rücte und fi wunderte, wenn diefe bei der Erpofition nad) allen Windrichtungen auseinanderftob. AMachte nun gar der Photograph fih auf dem Goupernements-Pony — dem Schweinhen — beritten, indem er mit dem Stativ herum- fuchtelte und mit den langen Beinen faft den Sand berührte, fo Fonnte es nicht befremden, wenn die Hütten der Bafwiri von frohem Sachen widerhallten, jo oft ein Schwarzer mit unnachahmlicher Draftif das Treiben der fonderbaren Fremd- linge der grinfenden Mtenge fchil- Hütten der Bafwiri. (Sachse phot.) derte. Dictoria, emft in englifchen Kolontalbefiß, wurde durch die Bemühungen des unvergeglihen Generalfonfuls Nachtigall dem anı Kamerunfluffe erworbenen Schub- gebiete angegliedert. Die Anftedelung hatten aus Fernando Po vertriebene fchwarze Dictorianer gegründet, deren Nachfommen heute noch in auffällig fauberen und oft von kleinen Blumengärten umgebenen Häuschen wohnen. Sie fetsen den mittelften der drei Straßenzüge zufanımen, aus denen die Alnfiedelung befteht. Die vorderfte, dem Strande parallel laufende „Soden-Straße" hat ganz europäifchen Charafter. In ihr liegen die Saftoreien, das Bezirfsamt, die Miffionsgebäude nebit den in das Grün verftecten Fleinen Kirchen. Don Bananen und Ölpalmen überfhattet und malerifch durcheinander gewürfelt bilden endlich die Hütten der eingeborenen Bafwirti den hinterften Straßen- zug — falls eine derartige Bezeichnung für das an KReinlichfeit und Sorgfalt der Ber- jtellung bedenflih zurüditehende Hegerviertel zutrifft. Ein reizvoller Blif über die ganze Kandfchaft eröffnet fih von dem fchmuden, auf einem Hügel gelegenen Gouvernementsgebäude, in das wir von dem ftellver- tretenden Bezirfsanıtmann, Dr. Horn, nad herzlihem Willfommen geleitet wurden. Der Eindrud, welchen die mageftätifhe Sandfhaft auf mi machte, als ih nad unferer Rüdfehr von der Hochgebirgstour gaftlihe Aufnahme im Gouvernements- sebäude fand und im der Mlorgenfrühe auf den Balfon trat, wird mir ftets uns vergeßlich bleiben. Weit fchweift der Blif hinaus über die blaue Salzflut, aus Botanifcher Garten. 95 der fich in violetten Duft der fanft auffteigende Kegel des Pifs von Fernando Po erhebt; friedlich liegt die Ambas-Budht, umrahmt von dunklen Urwald, mit ihren Infeln und Klippen zu unferen Füßen ausgebreitet, und im Hintergrund ragt ftols das Kanterun-Bebirge mit feinen wallenden Iebelfchleiern auf. ach drei Regentagen, während deren unerhörte Waffermengen niedersingen, hatte endlich die Sonne fih durch gerungen, begrüßt von dem anmutigen Gezwitfcher zahlreicher Ueftarinten und dem melodifhen, an unfere Schwarzanfel erinnernden Sclage der Bülbül (Pycnonotus Gaboonensis). Das fchrille Konzert der Lifaden tft verftummt und zahllofe bunte Falter wiegen fih um die mit Blüten überfäten Gefträuche und Bäume. Das Goupernement wird von dem weit ausgedehnten botanifchen Garten umgeben, der unter der Keitung von Dr. Preuß fteht. Ich hatte die befondere Freude, ihn als ehemaligen Schüler begrüßen zu Fönnen, und verdanfe diefen tüchtigen Kenner der einheimifchen Flora und fauna, der feit I2 Jahren im Kamerungebiete anfäfftg tt und wohl den ältejten dortigen „Afrifaner" abgiebt, gar mandhe genufreiche Belehrung bei unferen Wanderungen. Man darf an den botanifchen Garten, der namentlich der unermüdlihen Fürforge des früheren Gouverneurs, v. Soden, fein Aufblühen zu verdanfen bat, allerdings nicht den Maßftab eines unferer europäifchen botanifchen Gärten legen. In ihm ift eine dee verförpert, welhe Humboldt vorfchwebte, als er die Anregung zur Gründung eines Jardin d’acclima- tation in Drotava gab: das Gelände follte nicht nur wiijen- fchaftlihen, fondern auch praftiihen Sweden dienen und die Beftrebungen landwirtfchaftliher Derfuchsftationen mit den rein wiljenfchaftlihen Sweden eines botanischen Gartens vereinen. Während freilich der Garten in Drotava über befcheidene Dimenftonen aus Mangel an Mitteln und Dictoria (Apstein phot.) 94 Umgebung von DPictoria. Intereffe von feiten der Regierung nicht hinausfanı, imponiert die großartige Anlage in Dietoria fchon rein äußerlich durch ihren Umfang, nicht minder aber auch durch die ver- ftändnisvolle Bewirtfhaftung. Hier werden die Erfahrungen über die Einwirkungen des Kameruner Regenflima auf im Schußgebiet nicht heimische Hußpflanzen gefanmelt und bereitwillig den Pflanzern übermittelt. Wenn die Kafaoproduftton der Kolonie einen ähnlich impofanten Auffhwung genommen hat, wie in Fernando Po und San Thome, wenn fie jest [hon Erträge abwirft, welche die Hoffnung erwefen, daß dte Kolonie in abjehbarer Seit jih aus eigenen Mitteln erhält, fo fol dabet nicht vergeffen werden, daß dte Dorverfuche im botanischen Garten mit den verfchtedenen Kafao-Arten die wert- volliten Winfe abgaben. Sollte freilih der Garten zu einer Derfuchsplantage in großem Stil erweitert werden, welche den Pflanzern ein annähernd ficheres Urteil über die Ertragfähigfeit und Nentabilität bietet, fo würde das hierfür auszeichnet geeignete und von dem Kimbefluß Surchftrömte Terrain noch einer wefentlihen Erweiterung bedürfen. Wer indeffen glaubt, daß ein botanifcher Garten, in welchen Pflanzungen von Kafao, Kaffee, Vanille, Pfeffer, Gewürznelfen, Tabaf, Baumwolle, Kautfchuf- bäumen, Bananen und fonftigen tropifchen Huspflanzen angelegt wurden, einen für das Auge monotonen und wenig malerifhen Eindruf darbietet, wird fih auf das UAngenehmfte enttäufcht finden. Überall drängen fih in den Garten und in die angrenzenden Nafaoplantagen die Urwaldriefen ein, weldhe man als willfonmene Schattenfpender fchonte. Bei einem am erften Hachmittag in Begleitung von Dr. Effer, Kieutenant Bornmüller und dem Kapitän durch den Garten und die Kafaoplantagen der Wejt-Afrifanifchen Plantagengefellfhaft unternommenen Ritte war es weniger die Kultur, denn die einheimifche Degetatton, welche faft fmnberüfend dte Aufmerffamtkeit feffelte. Senne gewaltigen Baumriefen, umranft von Kianen und überfät von phantaftifchen Orchideen und Jarnen (ein alter Ficus nicht weit von dem Wohnhaufe von Dr. Preuß bildet mit feinem Gehänge von Schmarosern allein einen botanifhen Garten für fich), jener Wechfel von Sandichaftsbildern, welche die in üppiger Fülle ftroßende Degetatton am Kimbefluß Schafft — dies alles wirfte beraufchend. Der für unerfüllbar gehaltene Traum der Jugend war verwirfliht und in berüdender Pracht eröffnete fich der Eimblit in ein Urwaldgebiet, das an wuchltiger Entfaltung und an Reichtum von formen auf Erden feinesgleihen fucht. Weder am Congo, noh in Sumatra, noch auf Ceylon und den übrigen Infeln des Indifhen Deeans wurden uns Degetations- bilder geboten, welche den Dergleich mit dem Kameruner Urwald ausgehalten hätten; mein Neifegenoffe Schimper, der die füdamertkanifchen und binterindifchen Urwälder durchwandert hatte, verficherte mir, daß die Waldregion des Kamerunpifs fich eben- bürtig den großartigen Scenerien diefer vielgepriefenen Sonen zur Seite ftellt. Einen genaueren Einblit in diefe paradtefifche Kandfhaft zu gewinnen, war unfer Mit Stanen bedecfter Stanını ines Eriodendron im Botanischen Garten von Diftoria. o oe “> ir Xiederichläge. 95 brennender Wunfch. Don allen Seiten wurde uns an- geraten, eine dreitägige Tour über Buea bis in die Grasregion des Pifs zu unternehmen, und vafch waren bei dem liebenswürdigen Entgegenfommten die Dorbereitungen für den nädjten Tag ge troffen. Träger wurden geworben, Pferde wur- den zur Derfügung geftellt, und frohen Niutes fette fich die Fleine Karawane frühmorgens in Bewegung. Ein gut gehaltener, nur in den oberen Regionen etwas fchwierigerer, von der Regierung angelegter Weg führt in etwa 4 bis 5 Stunden hinauf nah Buea. Da wir uns mit Sammeln und Photographieren aufhielten und ge- legentlih vor dem wie eine Sündflut niedergehenden Regen Schuß fuchten, verging die doppelte Seit, ehe wir auf der Station bis auf die Haut durchnäßt anlangten. Dazu famen die Schwierigfeiten, mit denen der in den Tropen reifende Photograph zu Fämpfen hat: die Kamera war ver- quollen, die Schieber der Kaffetten liegen fich Faum öffnen, und wenn endlich die Einftellung erfolgt war, feste der Regen von neuen ein und zwang häufig zu fehleunigem Einpaden. Wir mußten allerdings auf derartiges gefaßt fein, da wir uns in einen Tropengebiete befanden, in welchem dte jährlichen Hiederfchläge an die höchjften auf Erden gemeffenen Werte heranreihen. Während der nördliche Teil des Schußgebietes nur eine Regen- zeit aufweift, treten deren zwei im füdlichen auf. Das Kamerungebirge bildet infofern eine Scheide, als die Regenmengen in feinen Weften um ein Beträchtliches dtejenigen des Dftens überbieten. In Debundja füdlih von Bibundi an der MWeitfeite des Gebirges wurden jährlihe Regenmengen von SIT cm gemeffen; das find Hieder- fchlagsmengen, welche nur noch von einem Drte der Erde (Cherrapunji an der Süd- feite des oftindifchen Chafjia-Bebirges) übertroffen werden. Die gewaltigen während der Hauptregenzeit von Anfang Juli bis Ende September niedergehenden Waffermengen, dte feuchtwarme Treibhausluft und ein humusreicher, en vulfanifher Boden lafjen es erflärlich fcheinen, daß tim Kameruner in Urwald alle Bedingungen zufammentreffen, um diefe überwältigende Entfaltung der Degetation zu bedingen. Da der Wald fich weit den Berg hinauf bis in eine Höhe von ungefähr 2200 m (in den Schluchten faft bis 27OO m) erxftrekt, Fann es nicht auffallen, daß die Fühlere obere Region einen anderen Charakter aufweift, als die untere. Die ungefähre Grenze zwifchen beiden Etagen liegt bei Buea refp. in einer Höhenzone von as 1000 m. In der Mähe von Dictorta, wo offenbar fchon feit alter Seit Hegeranfiedelungen 96 Kianen. beftanden, ift der Wald lichter. Diefer Umstand trägt nicht wenig dazu bei, den malerifhen Charafter der Scenerie zu heben: zwifchen den einzelnen Urwaldriefen flutet breit das Sicht bis zum Boden und bedingt eine Ippigfeit in der Ent- faltung des Unterholzes und der Kianen, weldhe man in dem eng gefchloffenen Bejtand vermißt. Piperaceen und Lucurbitaceen, Lonvolvulaceen und Bignonien treten Kianen bildend auf und bededfen den Boden nebit den Stämmen fo dicht und undurdh- dringlich, daß felbjt mit dem Bufchmefjer faum ein Weg zu bahnen ift. Dft find die glat- ten Stämme der Baum- riefen, unter denen die Wollbäume (Eriodendron anfractuosum) vorherrichen, derartim Grün verjtet, daß man die breiten Stammbafen mit ihren flü- gelförmig vor- fpringenden, fchlangenartig über den Bo- den hinfrie- chenden, weit über Mlannes- höhe erreichen- den Planfen Faum bemerft. ; \ Bis hbboh im u N iR DR, PR das Aftwerf Olpalnten (Elaeis Guineensis); im Dordergrunde Carica papaya. Urwald der unteren Neaion. 97 Flettern die Kianen, und da in dem tropifchen Regenwald die Entwiclung des Kaub- werfes gefördert, die Holzbildung dagegen zurüdgedrängt wird, hängen oft breite grüne Louliffen nieder, zwifchen denen in anmutigem Schwung die feilartigen Stämme fich binziehen. Wo die Kianen Raum frei laffen, fiedeln fih als Halbparajiten Orchideen und farne an, unter welch letteren die Asplenien und die Platycerien mit ihren geweih- artig veräftelten Wedeln bejfonders auffallen. Überall drängen fih die grasiöfen Ölpalmen (Elaeis Guineensis) ein, ohne indeffen dichte Beftände zu bilden, während die Weinpalme (Raphia vinifera) etwas vereinzelter auftritt. Beide liefern den Palm- wein, dem wir bei unferen Wanderungen bald den Dorzugs vor anderen Getränken gaben. Don der Weinpalme bezieht der eingeborene Bafwirt das Mlaterial zum Bau feiner anfpruchslofen Hütten und zum SFertigen der Matten, während die Ölpalme in ihren Kernen und dem aus ihmen bereiteten Palmöl noch auf lange Seit hinaus der Kolonie wichtige Handelsartifel liefern wird. in den unteren Wafferläufen ftehen auf Stelzen die Pandanus, und überall am Wese als Refte früherer Stedelungen die Bananen und langftämmigen Mtelonenbäume (Carica papaya). So werden denn zu beiden Seiten des breiten Weges nah Buea Landfchaftsbilder sefhaffen, welhe auf Erden ihresgleihen fuhen. Keines gleicht dem andern, und doch tragen fie wieder ähnlichen Charafter. Die ernften Waldriefen bilden die Streben, an denen fich in faft übermütiger Fülle die Stanen emporranfen, um in zu Kaub gewordenen Kasfaden niederzuwallen und einen wirfungsvollen Rahmen für die ftolzen Kronen der Palmen abzugeben. Einförmiger ift das Bild des Urwaldes dort, wo niemals der Derfuh genmadt wurde, ihn zu lichten. Auf der Nachtigallhalbinfel zwifhen der Ambasbuht und dem Kriegsfchiffhafen ift er heute noch in feiner ganzen Urfprünglichfeit erhalten. Die glatten Stämme ftehen dichter, und da die Kronen eng zufanmenfhliegen, fo wuchert in dem Halbdunfel das Unterhol; weniger üppig. Dafür drängen fich überall die Termitenbauten, riefigen Hutpilzen vergleichbar, ein. Wenn fie es nur ahnen laffen, weldhe Fülle tierifhen Lebens der Wald birgt, fo wird man bei Sonnen untergang noch jinnfälliger bierauf bingewiefen. Unter fchweren Slügelfhlägen jammeln fit) die Hashornvögel in den Kronen, un vereint mit den graziöfen Turafos und den grauen Papageien in fremdartigen Frächzenden oder tiefen Tönen einen geeigneten Schlafplat zu gewinnen. Gleichzeitig jmd Millionen von Lifaden und Acridiern an der Arbeit, um mit ihren Geigen und Nafpeln das die Nacht hindurd währende Urwaldfonzert aufzuführen. Größere Säugetiere wird freilich der flüchtige Neifende Faum im gefchloffenen Waldbeftand zu Geficht befommen. Wer fie gar erlegen wollte, Fann nur dann auf Erfolg rechnen, wenn er geborener Jäger und mit den Gewohnheiten der jagdbaren Tiere genau vertraut ift. So fet denn nur Furz erwähnt, daß gelegentlich der Elefant feinen Weg bis zu den Pflanzungen findet, Chun, Aus den Tiefen des Weltmeeres. 5mweite Auflage. 7 98 Die Bafıwirt. und daß nah mir glaubwürdig gemachten Derficherungen felbjt der Gorilla noh auf der Hachtigallhalbinfel vorfommit. Doch zurüf zu dem Wege nah Buea. Ein lebhaftes Treiben herrfcht auf ihm, da er die Hauptverfehrsader zwifchen den Stämmen der Gebirge und der Hiederung abgiebt. Schwer beladen und auf einen Bergjtof fih jtüsend Fonmen die Bafwirt- Weiber oft in ganzen Karawanen an. Die älteren find meift von abfchredender Häßlichfeit, und aucd unter den jüngeren trafen wir felten auf anfprechende Gefichts- züge. Dafür entfchädigt freilid — wie bei vielen Naturvölfern — die tadellofe und oft graziöfe Haltung des Fräftigen und unterfesten Körpers, welche nicht wenig durch die von früh auf geübte Gewohnheit, die Saft auf dem Kopfe zu tragen, begünftigt wird. Daß die im Durchfchnitt nicht über Mittel größe erreichenden Bafwirt-Männer Fräftige Geftalten mit wohl aus- gearbeiteter Musfulatur reprä- fentteren, mögen die Photo- graphien unferer Träger bezeugen. Sie lieben es, ebenfo wie die nur mit einem Furzen, bis zu den Knieen reichenden Ken- denfchurz befleideten Wei ber, den Körper mit dun Felblauen Tättowierungen zu bedefen. Wenn ich au oft meiner Derwunderung FE Ausdrud gab, welche Kaften von e 2 ihnen fpielend den fteilen Weg hinauf Dr befördert wurden (wir hatten hierbei oft überreichlih Gelegenheit, in der feuchten Shwüle den eigentümlichen Geruch der fchweiß- triefenden Yeger Fennen zu lernen), fo haben fich doch die Bafwirt als Plantagen- arbeiter nicht bewährt. Eine ihnen angeborene Indolenz und ihre Abneigung gegen Fontraftlich jte verpflichtende Arbeiten drängten die Plantagenbejiter frühzeitig nad) ge- eignetem Erfas durch Kru-lteger und Dertreter anderer Stämme. Seitdem indeffen eine Hamburger Firma die Derdingung der Kruboys monopoliftert und wefentlich ver- teuert hat, fällt es jelbjt dem Goupernement fchwer, tüchtige Arbeitsfräfte von der Kiberiafüfte zu beziehen. Es muß daher als ein in jeder Hinficht glüdlicher Griff bezeichnet werden, daf die bereits, von Hintgraff angefnüpften Beziehungen mit Barega, dem König der Die Bali als Plantagenarbeiter. 99 Bali, durch die in Gemeinschaft mit erfterem unternommene Expedition von Effer (A896) zu einer befriedigenden Köfung der Arbeiterfrage ausgenußt wurden. Garega, deffen Charakterbild Sintgraff jo anfhaulich jchildert, verpflichtete jih zur Stellung von Bali-Keuten für den Plantagenbetrieb, und Sintgraff übernahnt es jelbjt, den erften Transport aus dem Innern des Kameruner Hochlandes nad) der Küjte zu geleiten. Das Kontraftverhältnis mit den meift auf ein Jahr fich verdingenden Schwarzen wurde durch die Regierung geregelt, und der Fürzlich verjtorbene Garega müßte nicht der fchlaue und aufgeflärte Despot gewesen fein, der mit eijerner Hand feine ihm abgöttifch verehrenden nadten Bali im HSaume hielt, wenn er nicht bald die Dorteile eingefehen hätte, die ihm aus dem Abfommen zuflojjen. Sur Zeit unferer Anwefenheit waren auf dem bis Buea fich erftrecfenden Terri- torium der Weftafrifanifchen Pflanzungs-Gefellfihaft „Dietoria“ zwifchen JOO—IIOO Plantagenarbeiter aus dem Bali-Lande befchäftist. Etwa 920 ha waren gerodet und mit über 400000 Kafaobäumen bepflanzt, welche bereits im dritten Jahre die den mn n Bananen ähnlichen braunroten Früchte am Stamme zur Entwicdlung bringen. ihnen find die Bohnen enthalten, welche forgfältig vom Fleifche befreit und in Troden- häufern mit dem Mayfart’fchen Kafao-Dörr-Apparat der weiteren Behandlung unterzogen werden. Da die Fruchtbarfeit des Bodens eine fo ausgiebige ift, daß vierjährige Kafaoftänıme über dem Kopfe des Reiters ihr Kaubwerf entwickeln, wird man die hochfliegenden Erwartungen begreifen, welche an die weitere Ausbildung der Kafao-Kultur im Schusgebtete anfnüpfen. Sie werden in Erfüllung gehen, wenn durch gefchikte SZuchtwahl und durd rationelles Trokenverfahren ein erftflaffiges Produft in den Handel Fommt. Eine Dorbedingung ift freilich die geregelte Zufuhr von fhwarzen Plantagenarbeitern. Die Fürzlih entitandenen Unruhen im Binterlande haben zur Folge gehabt, daß der Zuzug der Balt und der neuerdings herangezogenen Jaunde zur Küfte abgefchnitten wurde. Hat einmal die Schußtruppe Ordnung gefchaffen und find die Derhältnifje Fonfolidiert, jo wird die günftige Prognofe, welche die Sachver- ftändigen der Entwidlung unferer Kafaofultur ftellen, ficher ihre Rechtfertigung finden. So mijchten fich denn unter die Bafwirt von Dictoria Shön gewachhene langichenkelige Seute von fchwärzlich-grauer Farbe, welhe Faum auf das Motdürftigite beFleidet die Dlantagenarbeiten zu allgemeiner AJufriedenheit verrichteten. Dft Famen fie uns in langen Sügen, einer hinter dem anderen gehend und Bananenblätter zum Schub gegen den Regen über den Kopf haltend, entgegen. Auf dem Dorwerf Boana, das unter der Keitung eines im Bufchleben ganz aufgehenden weißen Infpeftors ftand, leifteten wir gern der freundlichen Aufforderung zum Eintritt Folge. Scheu ftarrten uns die Balt an, während der Infpektor die Erlebniffe bei feinem Blutsbruder Garega zum beiten gab. Als indeffen der Photograph den Derfuh machte, troß des Regens feinen Apparat auszuframen und die Schwarzen Gefellen aus dem Binterlande im Bild feitzuhalten, mr [% 100 Weg nad Buea. nahmen fie fchleunigit Reifaus und nur nıit Mühe gelang es, die im beiftehenden Bilde vereinigten Schwarzen zum Ausharren zu bewegen. Unfere Bafwiri hatten längjt ihre abergläubifhe Angjt vor dem Hauberfajten abgelegt, nachdem ich jte in denfelben hinein- blifen ließ. Unfinnig vor freude machten fie Luftiprünge, weil ihre Brüder, durch den Apparat betrachtet, auf dem Kopfe ftänden. Hinter Boana wird der Pfad nah Buea fhwieriger und führt bisweilen fteil durch Hohlwege, welhe von tropifhen Bäumen mit oft feltfam geftalteten Früchten über- ichattet werden. Die mächtigen Wollbäume treten zurükf und oft jchweift der Blick über ausgedehnte Kichtungen mit Hegerhütten oder über die unter Keitung von Herrn Güntber ftebenden Soppo-Plantagen nah dem Kamerunbaff und den fernen in Duft Stationsgebäude in Buca, verfhwinmenden Häufergruppen von Kamerun. Durch Wildbäche, die fih fchäumend den Weg über Bafaltflippen zwifhen Farngeftrüpp bahnen, gelangten wir endlih in von dem Berge fih herabfenfendem Hebel nach der Station Buea. Ein jhmudes Gouvernementsgebäude, umgeben von Gartenanlagen und Tennisplat zur Sinfen, vor uns ein Wachthaus, aus dem die Polizeifoldaten in das Gewehr treten, dahinter das freundliche einftöftge Stationsgebäude mit Hebenräumen und ich anfhliegenden Hegerhütten: fo bietet fich heutzutage das von grünen Gefilden umgebene Buea dar. Doch die Phantafte fchweift weiter und malt fih das zufünftige Buca als Dillenfolonie aus, welche durch eine Gebirgsbahn mit Dictoria und der das Hinter- land erfchliegenden Lentralbahn verbunden ift. Man lächele nicht über derartige Bali-Leute. Im Hintergrunde: Stanım eines Eriodendron. Buea. 101 Suftihlöffer, denn Buea ift beftimmt, dereinft in der Entwicklung der Kolonie eine hervorragende Holle zu fpielen. Es wird nicht nur das Centrum der weit am Berge fih hinziehenden Plantagen abgeben, fondern auch) als Flimatifcher Kurort eriten Ranges von feinem Punfte der Wejtafrifanifhen Küfte übertroffen werden. Schon jest jucht dort der Fieberfranfe Genefung und der Beamte Erholung von der anftrengenden TIhätigfeit in der heißen Hiederung. Alan atmet freier auf in dtefer herrlichen Gebirgs luft, laufht dem Raufhen der in der Regenzeit ftarf angefhwollenen Bähe, erfreut fih an dem anmutigen Gezwitfcher und oft melodifchen Befange der bunten Dogel- welt, und Fann jich Faunı von der großartigen Rundficht trennen. Denn weithin fchweift Souvernementsgebäude in Buea. der Bli über den Urwald hinweg auf das Mieer und die Miederung bis zu den Flar hervortretenden Negierungsgebäuden von Kamerun und zu den in bläulichem Duft jich verlierenden Nfofji-Bergen. Im Hintergrund hebt fich jharf der langgezogene Kamm des Pifs gegen den Himmel ab und die Brasregion fheint uns faft greifbar nahe gerüdt. Wir haben die obigen Heilen fo jtehen laffen, wie fie auf den erften Eindruf bin niedergefchrieben wurden. Inzwiichen — nach faum drei Jahren — haben jich die Derhältnifje völlig geändert und manches, was wir als Spiel der Phantafie bezeich- neten, it in Erfüllung gegangen. Dies nicht zum mindejten durch den Umstand, daf die Regierung fih entfchloß, den Sit des Bouvernements aus der wegen der Malaria verrufenen Niederung nach dem fieberfreien Buea zu verlegen. Schon beginnt in der 102 Buea. Höhe eine Dillenfolonie fih auszudehnen und nicht lange wird es dauern, bis die von der Wejtafrifanifchen Pflanzungs-Hefellfihaft in einer Länge von 60 km geplante Felöbahn au Buea erreicht hat. Buea liegt in einer Höhe von 920 m. Während die mittlere Jahrestemperatur von Dictoria und Kamerun zwifchen 25—26° beträgt, fo ift es in Buea um 9—6° fühler. Das tft für.den an das gleichmäßige Tropenklima der Küfte gewöhnten Europäer eine recht beträchtliche Differenz, welche namentlich während der trocenen Seit von Hopember bis Mai fih um fo angenehmer geltend macht, als Malaria hier gänzlich unbefannt ift. Mit wahrem Behagen ftredte ich mich unter die wollene Defe und nahm frühmorgens ein erquidendes Bad im frifchen Bebirgswaffer. Als wir dann des Abends in behaglihem Gefpräc mit dem Stationsvorfteher, Herin Leufchner, und deffen Gattin zufammenfaßen, mit Hauptmann v. Beffer und den ummwohnenden Sandsleuten alte Erinnerungen auffrifchten, da fiel es oft fchwer, fich in den Gedanken hereinzufinden, daß man nur 4 Breitengrade entfernt von Ugquator lebe. Wie weit fcehien für den, der hier in friedlicher Stille hauft, die Seit zurüdzuliegen, da die Buea-Leute felbft den anmwefenden Gouverneur beläftisten und fchließlich Dr. Preuß eingefchloffen hielten, bis die Schußtruppe unter führung von Hauptmann v. Gravenreuth zum Entjas anrüdte. Müt erftaunliher Gefchwindigkeit und Gefchidlichfeit bauten die Neger in der Hacht Derhaue, und wenn diefelben auch im Sturme genommen refp. umgangen wurden, fo war doch der Sieg mit dem Tode Grapvenreuth’s fhwer erfauftl. Er fiel amı 5. Hovember 1895; fein Tod hat einen großen Eindruf auf die Bafwirt gemadt, die nicht verfehlten, mir die Stelle zu zeigen, wo er von den Blei getroffen niederfanf. Erft nachdem im darauffolgenden Jahr das Strafgericht über die immer noch auffäffigen Gebirgsneger ergangen war, Fehrte Ruhe ein. Dier Jahre hatten genügt, daß auf dem Schauplat wilder Scenen ein friedliches Gemeinwefen entjtand, dem wir eine günftige Prognofe für die Jufunft ftellen. Kurz nad unferer Abreife 309 allerdings Buea in unliebfamer Weife die Aufmerf- famfeit auf fih. Die Polizeifoldaten (meift Wei-Neger von der Kiberia-Küfte), welche dem Stattonsleiter unterftellt find, wurden aus geringfügigem Anlaß widerfeslih und fchmiedeten ein Komplott, den Leiter und fämtliche Weiße umzubringen und frau Keufchner in den Urwald zu fchleppen. Der Plan wurde verraten und® dem ener- gifchen Eingreifen des Stationsleiters war es zu verdanken, daß man im Derein mit den rafch benachrichtigten Weißen den niederträchtigen Anfchlag im Keim erfticte. Einige Soldaten wurden niedergefchoffen und der Neft flüchtete in den Wald. Iharaf- teriftifch für die dortigen Derhältniffe ift der Umftand, daß die Bafwirt, weit entfernt, den Anjchlag zu unterftüsen, den ihnen verhaßten Wei-Leuten auch nicht eine Hand voll Reis verabreihten. Halb verhungert Famen die Meuterer auf die Station zurüd, um das Strafgericht über fich ergehen zu laffen. Obere Urwaldzone. 105 Der nädjfte Tag (IT. Septem- ber) galt einer botanifhen Er- furfion in das Grasland des HKamerunpifs. Eine Beftet- sung des Gipfels, wie fie mehrmals durh Dr. Preuß und Hauptmann v. Beffer ausgeführt wurde, lag weder in unferer Abjicht, noch au wäre fie während der Negen- zeit ratfam gewefen. So pilgerten wir denn, mit nur leichtem Gepäd ver- jehen, durch das üppig Ful- tiviterte Gelände um Buea der oberen Urwaldregion zu. Schon bei dem Eimtritt in diefelbe gemahnen vereinzelte Baumfarne daran, daß der Iharafter der Degetatton in der Fühleren Höhenlage fich geändert hat. Bet weiterem Doröringen auf dem fteil an- jteigenden fchlüpfrigen Pfad ipringt der phyliognomifche Unterfhied zwifchen dem Ur- wald der Niederung und je nem der Höhenregion innmer Kb7 : 2 We Se finnfälliger in das Auge. Knorrige Stämme mit brei- ten Kronen treten an Stelle der fchlanf aufftrebenden Rie- fen; häufig bilden ihre Kuft- wurzeln mäctige Strebepfei- ler, zwifchen denen der Pfad in malerifhen Rrünmungen fih windet. AMloofe, Fleine sarne und Flechten über- Hrwald an Kamerunpit In T000 m Göhe. 104 Beftände aus Farnbäumen. wuchern das Aftwerf, und ein undurhdringlihes Gewirr von Kianen, Farnen und niederem Bufchwerf hemmt das Fortfommen. Der Kameruner Urwald ift reih an Foftbaren Yushölzern, und gerade diefe obere Region birgt einen Schaß von Kautichuf- bäumen (Landolphia), Ebenhol; (Diospyros) und fonjtigen harten, fchweren Hölzern, die bei rationellem forjtwirtichaftlichen Betriebe eine nicht zu unterfhäßende Einnahme- quelle für die Kolonie abgeben werden. Einen befonderen Shmuf bergen die Wälder der Höhenregion in ihren Sarnbäumen (Cyathea). Bald vereinzelt oder in Gruppen zufammenjtehend, bald wieder Fleine ge- fchloffene Bejtände bildend, tragen fie nicht wenig dazu bei, den tropifchen Eharafter der KSandfchaft zum vollendetiten Ausdruf zu bringen. Wie oft hatte ich nicht im ftillen mich gefehnt, mit eigenen Augen die Pracht der Farnwälder zu fchauen, wie fie der auftralifchen und neufeeländifhen Region zufommen: nun nahm ein Sarnwald uns in fein geheimnisvolles Swielicht auf, der an wuchtiger Entfaltung der fhwarzen jtachlisen Stämme und an graziöfem Schwung der gewaltigen Wedel feinesgleichen fuht. Die eigenartige Stimmung von Schwarz und Grün, untermifht mit dem Braun der abgeftorbenen alten oder hirtenftabförmig gebogenen jungen Wedel, der harafteriftifche Duft und das durch die Fiederäfthen gedämpfte Licht wirfen faft zauberifh auf den unbefangenen Befhauer. Kein Palmenhain der Kofosinfeln hat Sarnbäume am Saume des Urwaldes in 2000 m Höhe EEE > = . I. BEN, 104 Beftände aus Farnhäumen. wuchern das Aftwerf, und ein undurchdringliches Gewirr von Kianen, ‚Karnen und. niederem Bufchwerf Iemmmt das Kortfommen. Der Kamerumer Urwald if wor an Foftbaren Uusbölzerm, und gerade biefe obere Region birgt einen S hat von j Ene bäumen (Landoiphi, Ebenhols (Diospyros) und fonftigen a schweren B gern, die bei rationelle torjtwirtichaftlichen Betriebe eine nicht zu unterfchä Yeende Einnahme quelle für Sie Kolonie abgeben werden. . Einen bikonderen Schmud bergen die Wälder der Höhenregion in ihren Sarnbäumen | Cyatkoaı Bald vereinzelt oder in Gruppen zufammenftehend, bald wieder Kleine: ge- jdtoiem Beitände bildend, tragen fie nicht wenig dazu bei, den tropifchen Charakter dor Samdichaft zum vollendetften Ausdruf zu bringen. Wie oft Hatte ich nicht nn | Jen mich gefehnt, mit eigenen Augen die Praht der Farnwälder zu Ihauen, m ir der auftraliichen und neufeeländifhen HRegion zufommen: nun nahm ein aaa uns in fein geheimnisvolles Swielicht auf, der an wuchtiger Entfaltung der fhwarzen Nachlisen Stämme und an graziöfem Schwung der gewaltigen Wedel feinesgleihen fuht. Die eigenartige Stimmung von Schwarz und Grün, keakaee mit, dem Braun der abgeftorbenen alten oder hirtenftabförmig gebogenen jungen Wedel, der charafteriftifche Duft und das durch die Fiederäftchen geddı we Kicht wiefen faft. zaubertfch auf den unbefangenen Beihaner. Kein Diner ihain der Katreiiie, n hat ‚sdöd m = ouE] ni #Q= nid sn (sodisyD) lnamın?, | Grasregion. 105 es mir fo angethan, wie diefer aus dem Adel der niederen Pflanzenwelt gebildete Bejtand! Steil windet fich der Schmale Pfad bergauf durch eine faft finnverwirrende Fülle von verfchiedenartigen Waldbäumen, bis endlih in etwa 2000 m Höhe die obere Grenze erreicht ift. Mit einem Schlage ändert fi die Scenerie: ein weites Grasland dehnt fich vor uns aus, zuerft fanft, dann fteiler gegen die rötlih-grauen Hänge des fait greifbar nah gerücten langgeftredten Kammes anfteigend. In den Schluchten zieht fi der Ur wald noch bis zu faft 25300 m hinan, hier und da an feinem Rande von Fleinen Gruppen der Farnbäume wirfungsvoll umrahmt. Das Grasland hat für denjenigen, welcher tagelang in der Treibhausatmofphäre des Urwaldes pilgerte, feinen befonderen Neiz. Müt wahrem Entzüden atmet man die Fräftige Bergluft ein und genießt man das großartige Panorama. Wie eine SandFarte liegt die Kameruner Hiederung und der Buinea-Bolf vor uns ausgebreitet, hier und da ftiehlt fih die Sonne dur das graue Gewölf und hebt eine Kuppe, ein Stüf der Ebene wirfungsvoll von dem düjteren Grausgrün des Urwalds ab. An denn Kamme des Pifs jagen fich die Mebelfhwaden, bis fie die Fernficht benehmen und mit faft ängjtliher Gefhwindigfeit uns alle mit ihrem Schleier verhüllen. Das Wandern in der Grasregion ift mühfelis und erfordert gefpannte Aufmerf- fankeit. Der Untergrund befteht aus vulfanifhen Bomben, untermifht mit Ajche und größeren Blöfen. Dies alles wird von oft bis zur Bruft reichenden Grasbüfchen überwuchert, zwifchen denen in überrafchender Fülle die anmutigen Kinder einer bunt blühenden, häufig ftrauchförmig entwidelten Flora jpriegen. Ste verdeckt die trüge- rifchen tiefen Löcher und Spalten zwifchen dem Gejtein, in die leicht der Fuß, oft aud der ganze Körper eimfinft. Mir fchwebt noch immer unfer Photograph vor, als er mitfamt feinem Apparate, wie von der Erde verfchlungen, dem Blid entihwand und nur mit Mühe aus der unbehaglichen Sage befreit wurde. Mit Recht befürchtete das Bouvernement, daß der Derfuh, Allgäuer Dieh in der Grasregion anzufiedeln, an dem fchwierigen Terrain fcheitern möchte. Seitdem ich indejen fah, wie verwilderte Rinderherden auf der im Indischen Dcean einfam gelegenen vulfanifchen Infel Heu UAmjfterdam über weit gefährlicheres Terrain flüchtig dahineilten, glaube ih, daß eine Beftedelung der Grasregion mit heimifchen Rinderrafien Ausfiht auf Erfolg dar- bieten wird. So überwältigend und finnberaufhend aud die Eindrüfe waren, welche wir während der erjten drei in der üppigften Tropenfcenerte verbrachten Tage empfangen hatten, jo jehnte man jih doch fchlieglih nah Ruhe, um im ftillen das Genofiene verarbeiten zu Fönnen. Es ift weniger das Gefühl der Überfättigung, welches einen überfommt, — dies habe ih auf der ganzen Neife nicht verjpürt — als die Er- Fenntnis der Unzulänglichkeit, alle die Wunder würdigen und verftehen zu lernen, welde 106 Der Kameruner Regenwald. fih in den Tropen oft auf den engjten Raum zufammendrängen. Die Fülle an tierifchen und pflanzlichen neuen Arten wirft finnverwirrend, und wenn man fie auch allmählich Fennen und von verwandten Formen unterfcheiden lernte, jo wäre doch damit nur der erfte vorbereitende Schritt zu einer tieferen Einficht gethan. Denn fie fechten ins- sefamt ihren Kampf um das Dafein aus, fie ftehen in innigen Wechfelbeziehungen zu einander und find Kinder des feuchtwarmen Klimas. Wenn Freund Schimper während der Wanderung darauf aufmerffam macht, wie der Kameruner Urwald jich den auf ihn ergiegenden Regenfhauern anpaßte, wie in der Art der Derzweigung der Bäume, in der form der Blätter und in den Schußvorrichtungen der Knofpen fich zwefmäßige Einrichtungen nachweisen laffen, welhe das Ablaufen des Wafjers be- günftigen, fo hat man wenigftens einen allgemeinen Gefichtspunft gewonnen, den man gern auf den Specialfall überträgt. Da lernt man auc die freudige Überrafhung des Botanifers würdigen, wenn er zwifchen den auf den Stämmen fchmarogenden Arten eine Utricularia findet, ein Pflänzhen, deffen nädfte Derwandte in unferer Heimat als Bewohner der Sümpfe in Torfmooren vorfommen. Während die Blätter der einheimischen Arten in haarfeine Sipfel gefpalten und mit eigenartigen Blafen- fallen zum fang von Fleinen Süßwafferfrebfen ausgerüftet find, bleiben jte bet diefem tropischen Sandbewohner unzerfpalten und ordnen fich zu einer Nofette an, aus deren Mütte der Stengel mit feinen prächtig gelb und violett gefärbten Blüten fprießt. sadenförmig verzweigte Würzelhen, welche den Wafjerformen fehlen, dienen zur Anheftung im feuchten Moofe und find mit blafenförmigen Anfchwellungen — den Fallen der heimifhen Arten vergleichbar — verfehen. Welhe Fülle von Auffchlüffen verfpricht nicht die eingehende Unterfuhung eines einzigen befcheidenen Tropen- pflänschens, das fih vom Wafjerleben an den Aufenthalt im feuchten Mtoofe des regengefhwängerten Urwaldes angepaßt hat! Unfere Schwarzen forgten freilih dafür, daß man derartigen Gedanken nicht lang nahbing. Schon lange Fauerten fie frierend und fchnatternd im Hochgebirgsnebel, mit wehleidigen Blicken das Signal zur Umkehr erwartend. Und als es dann endlich wieder bergab ging, als nah einem im behaglichen Geplauder verbrachten Abend und nach einer zweiten erquiefenden Hachtruhe im gaftlichen Bouvernementsgebäude von Buea die Treibhausatmofphäre der unteren Urwaldzone uns wieder aufnahm, da brad die angeborene Frohnatur durh. Troß der fchweren Kajten, des jchlüpfrigen Weges und der unendlichen auf uns niedergehenden Regenmafjen nahm der Gejang fein Ende, welcher in einförmigen Ritornells (fie erinnerten mich gar oft an diejenigen der neapolitanifchen Fifcher und Hafenarbeiter) die Fleinen Schwächen der Pflanzen und Gewürm fammelnden Fremdlinge geißelte. Bevor wir am 19. September dem an Naturfchönheiten überreichen Pictoria den Rüden wendeten, waren wir noh Feugen eines eigenartigen Schaufpiels, das fi auf Urwaldjcenerie am Kamerunpif in ISOO Meter Böbe. Auf der Bobia-Infel. 107 S Unfere Bafwiri int Webel der Grasregion einer der Fleinen Bobia-Infeln abfpielte. Der nicht volfreihe Stamm von Hegern, welcher jih auf der größten diefer fteilen Klippen angefiedelt hat, lebt hauptjfächlich von den Erträgniffen der Fifcherei. Gegen feindliche Ilberfälle, wie fie früherhin öfter vorfamen, als die Bobia-Meger noch einige Siedelungen an der Küfte bewohnten, tft er durch die Unzugänglichfeit des Dorfes gefhüst. Es Frönt die Kuppe des Eilandes und fann nur auf einem über Felsblöfe führenden teilen Pfade erflettert werden. > Eine fchmale Zunge bietet die Möglichkeit einer Landung. Hier herrfchte zwiichen den primitiven auf den Strand gezogenen Canoes ein gefchäftiges Treiben; der ganze Stamm, Mlänner, Weiber und Kinder, war um einen Surchenwal von mittlerer Größe verfammelt, den man am Tage vor unferem Befuhe harpuniert hatte. Im Hinblif auf die primitiven Müttel, über welche die Heger verfügen, wird man den unerfchrodenen Harpuneuren alle Anerkennung zollen, daß es ihnen gelang, das mächtige Tier zu bewältigen und auf den Strand zu ziehen. Das Gouvernement läßt es hierbet an Anregung nicht fehlen und fo war es denn bereits der zweite Wal, welcher im Kaufe des Sommers erlegt wurde. Herfulifhe Neger, wahre Pradtgeftalten, wie wir fie fpäterhin nicht mehr zu Geficht befamen, mühten fih ab, den Wal aus feiner Seitenlage auf den Bauch zu wälzen. Den vereinten Bemühungen gelang dies fchlieglih, wobei freilich die Gafe 108 Harpunieren von Surchenwalen. aus den bereits ftarf aufgetriebenen Eingeweiden entwichen: für die Schwarzen ein lteblihes Aroma, für uns eine wahre Pejt! Da Walfishfleiih, zumal wenn es den nötigen haut-goüt erlangt hat, bei den Küftennegern als gefchätte Delikateffe gilt, für die jie bereitwillig ihre beiten Taufchartifel hergeben, fteht ein harpumierter Wal hoch im Wert. Die Barten werden freilih Faum gewürdigt, und diefem Unitande hatte ich es zu verdanfen, daß mir bereitwillig ein Teil derfelben ausgehauen wurde. Der Harpuneur fchenft den Wal dem Stamme und der Iettere zögert nicht, dem Danf und der Freude über die großartige Gabe entjprechenden Ausdruck zu verleihen. Die Kunde von dem glüdlihen Fang verbreitet fih rafh, und von allen Seiten fonmen die Lanoes herbei, beladen mit Taufchwaren und mit einer gefchwäßigen Menge, die an dem Freudenfeft teilzunehmen gedenft. Xeger von der Bobia=Injel, Den Weißen zu Ehren hatte der alte Ring fein feitliches Gewand angelegt, und jo ftah er denn im Tropenhelm und weißen Talar, um den als Schärpe ein frottier- handtuh geihlungen war, recht ftattlih von feinen Faum mit dem Notwendigiten befleideten Untergebenen ab. Er fchüttelte mit einem Fräftigen „Guten Mlorgen” die Hand und war fichtlidy erfreut, daß wir den fteilen Pfad zu der Siedelung erflommen, in der freilich, weil alles um den Wal verfammelt war, nur fchwarzes Borftenvieh rtiges Bild dar. In langem Zuge, angeführt von einem in abfonderlihen Sprüngen fih ergebenden Schwarzen und von ihm folgenden abfchrefend häßlihen nadten Detteln, umfreifte ein Teil des Stammes den Wal. Die jüngeren Weiber und Männer fchlofjen fich in einer lang gezogenen Reihe an und rückten nur langfam vorwärts, indem fte unter den Willfomm grunzte. Als wir zurücfehrten, bot fih uns ein eigenartt Int Krieasichiffhafen. 109 vhythmifchen Singfang tanzende Bewegungen ausführten und ein langes Stück Tuch mit den Händen gefaßt hielten. Den Befchluß bildeten die Stammaälteften und der King, der einen Sonnenfhirm über einen im Gefiht und an den Füßen weiß bemalten Kerl hielt. Es war der glüdlihe Harpuneur, wie mir der King durch Pantomimen flar zu machen verfuchte. Man hatte ihm einen Eylinder aufgefest und die ganzen Gefchenfe des Stammes in Geftalt von zahllofen wollenen und Fattunenen Tüchern umgepaft. Schweißtriefend und mit ftoifcher Ruhe feste er langfam Schritt vor Schritt, und ftundenlang dauerte der tanzende Umgang, während die Weiber preifend die Hände erhoben und fie dann auf das harpunierte Ungeheuer legten. Yoc lange, nahdem wir die nfel verlaffen hatten und uns zur Abfahrt rüfteten, tönte der monotone Rhythmus des Kobgefanges nah und hielt die Erinnerung an eine Scene wach, wie jte in ihrer naiven Urwüchjigfeit wohl nur noh an folhen vom Fuße des Weißen felten betretenen Eilanden fich entfalten dürfte. Die Hadtigall-Balbinfel mit ihren riefenhaften Urwaldftämmen trennt die Ambas- Bat von dem Kriegsihiffhafen und giebt für den letteren zugleich einen vortrefflichen Schuswall gegen die Weitwinde ab. So fommt es denn, daß der Kriegsichiffbafen, wie auch fein Name fchon andeutet, mit Dorliebe von den Fleinen, in den Kolonien jtattonierten Korvetten als Anferplas benust wird. Die Bucht gewinnt durch die engere Umrahmung einen idylliihen Reiz, der noch erhöht wird durch cirfusartig gefchloffene Grotten, welche nur fhmalen Sugang zum Mieere haben. Sie dienten in früherer Seit den Dorfahren des Ring Bell als gefhüste Derfteke für die erbeuteten Sflaven, und die mit Kianen behängten Steilwände mögen wohl Zeugen gar mancher grauenvollen Schredensjcene gewefen fein. Der ftarf verengte äußerte Sipfel des Hafens bietet günftigen Sugang zu der Faftorei der Kameruner Sand- und Plantagen-Befellihaft, deren weiße Gebäude zwijchen Palmen verftect fchon von weiten herübergrüßen. Die unter der Seitung von Herrn Friederict ftehende Faftorei hat fih zu einer Mlufter- plantage entwidelt, auf welcher unter Anwendung der neueften technifchen Einrichtungen wiederum in erfter Kinie die Gewinnung und Derarbeitung des Kafaos in Betracht fommt. Wir folgten der Einladung zu ihrer Befihtigung um fo lieber, als wir aud zufällig in dem Kriegsihiffhafen auf unfere Korvette „Habicht“ tigen, deren Komman- dant und Dffiziere fi dem Befuche anfchloffen. Sie hatten mit ntereffe die oceano- sraphifche Ausrüftung der „Daldivia" in Augenfhein genommen und fchienen auch nicht gerade ungehalten darüber, daß wir „Münchener frifch von Kaffe” dem Kühl- raum entnahmen. So gab es denn einen ftimmungsvollen Tropenabend auf der gaft lichen Plantage; die Licaden geigten ihr Konzert um die Wette mit der Schiffsfapelle, ger unten tanzten die Neger und oben pofulierten die Weißen. IR — nt Auch 9” os. Greenwich . Sr Ei x E) KT BENE sw 10° - N H Tr T E _ \ Ä EV > R ] “ 4 V ‘ Bakasi In. B f 5 = 2 - 3” ae 6) Koita Merardı) Sce Endokoko , Bonako ] i h ” ° Bonampasi > / P Mutiiembe B 85) zn a Paonsiote %, Pan. Fam H | "een. en Lu — Y 88 ENG N % N PFB | en CL 4 - sg \ 0 Suelap: 110 Küftengebiet von Kamerun. (Mitteil. aus d. deutfch. Scdiugebieten, 1895.) Souvernement Kamerun. 111 Souvernement Kamerun, Der nähjite Tag brachte uns nad vierftündiger Fahrt zum Hauptorte unferer Kolonie. Ein merfwürdiger Kontraft mit der Kandfhaft um Dictoria: hier eine romantische, von dem gewaltig auf- ragenden Pif beherrfchte Bat, dort ein durch den Hufanmtenfluß dreier Ströme, nämlich des Mungo, des Wurt und des Dibamba gebildetes Haff mit trübem Waj- fer; bier die riefenhaften Stämme des Urwaldes, dort eine NMlangrove- Hiederung auf flachen Strande; hier die ur- wüchfigen und noch we nig Fultivierten Bafwiri, dort die fchlauen, weit in das Innere den Swi- fchenhandel beherrfchen- den Dualla; bier nur wenige in europätfchem Stile gebaute Häufer, dort eine fhmude Stadt, wel- he mit ihren für tro- pifche Derhältniffe groß- artigen Bauten den Ein- drucd auf den Fremdling nicht verfehlt. — Ka- merun tft durch die zahl- NE R SER reichen Schilderungen in Mangrove am Kamerunhaff. (Sachse phot.) Deutfchland fo befannt geworden, wie faun ein anderer Drt unferer Kolonien. Als es nun palmenumgürtet in friedlicher Stille auf der gegen das Ufer fteil abfallenden Joß-Platte vor uns auftauchte, mufterten wir mit begreiflichem Intereffe die Stätten, auf denen gar mancher wilde Kampf fich abgefpielt hatte, bevor es zu einer "Konfoli- dierung der Derhältniffe Fam. Die Hulfs, auf denen einft die Kaufleute ein amphibifches 112 Gonvernement Kamerun. Dafein führten, find verfhwunden und nur wenige fchwarze Planfen deuten die Stelle an, wo fie verankert lagen. Ste wurden erfest durch behagliche und Iuftige, von breiten Bartenanlagen umgebene Wohnhäufer, welhe in Gemeinfhaft mit dem Gouver- nenient und den in feinem YUmfreis zerjtreuten, von fchattigen Deranden umfäumten Regierungsgebäuden dem Ganzen einen durchaus anzichenden und idyllifchen Charafter verleihen. Man möchte den Aufenthalt in Kamerun für einen beneidenswerten erachten, wenn es fich nicht um einen Flef Erde handelte, der unter der Geißel der Tropen, nämlich der Malaria, in befonderem Maße zu leiden hat. Immerhin ift man in der Befämpfung ihrer verhängnisvollen Hahwirfungen, insbefondere des Schwarzwaijer- fiebers, neuerdings durch verftändige Regelung des Chiningenuffes einen guten Schritt weiter gefonmen. Daß die Zahl der durch Fieber verurfachten Todesfälle wefentlich herabgefetst wurde, daß die Malaria nicht mehr wie ein Würgengel durch das Land geht, it ein Derdienft unferer Tropenärzte, unter denen der Kameruner Regierungsarzt, Dr. Alerander Plehn, gewiß nicht an letter Stelle zu nennen ift. Mit begreiflichem Stolze zeigte uns diefer erfahrene Kenner der Tropen, zugleih auch ein leidenfchaft- licher und glüclicher Jäger, das unter feinen Aufpicten neu errichtete Sazarett. Wenige Anlagen haben uns durd ihre praftifche innere Einrichtung, welche der Eigenart von Tropenfranfheiten auf Grund langjähriger Erfahrung Rechnung trägt, ähnlichen Ein- druf gemacht, wie gerade das großartige Kameruner BRranfenhaus. Einer gaftlihen Aufnahme waren wir gewiß, und gern machten wir von der liebenswür- digen Einladung des jtellvertreten- den Gouverneurs, Negterungs- rat Dr. Seit, Gebraud), in. dem Goupernements- gebäude zu übernachten. Seine Anlage rührt von dem un die Kolonie hocpverdienten früheren Gouverneur von 50=- den her, und ich Fann verfichern, daß die weis ten, luftigen Räume nach dem langen Aufent- halte in den naturgemäß beengten Derbältnifjen auf dem Stammbafis der Mangrove (Rhizophora mangle). (Sachse phot.) Regierungsgebäude und Dualla-Dorf. 115 Schiffe uns ein befonders wohl- thuendes Gefühl der Behaglichkeit verliehen. Als bei u Erwachen ein Beer von Fleinen PDögeln an- mutig zwitjcherte, als . Bülbül ihren melodifchen Gefang ertönen liegen und graziöfe graubraune Tau- ben zwifchen den Palmwedeln fic) umbertrieben, da fiel es fchwer, fich zu vergegenwärtigen, daß dort, wo alles auf eine wohlgeordnete fried- lihe Eriftenz hindeutet, gar manches Mtenjchenleben feinen tragifchen Ab- fhluß fand. Ein ftummes Seugnis hierfür legen die Denfmäler vor den Manga Bell’s Palaft (Schmidt phot.) Gouvernementsgebäude ab, unter denen namentlich das mit einem Löwen gefrönte, zu Ehren v. Gravenreuth errichtete ins Auge fällt. Es war felbftverftändlich, daß wir dem aus auffällig fauberen Hütten aufgebauten und von geraden, breiten Straßen durchzogenen Dualla-Dorfe einen Befuch abjtatteten, der uns denn auch Gelegenheit gab, die Bekanntschaft von Manga Bell zu machen. Er war gerade damit befchäftigt, eine Gerichtsfisung in der Hähe feines anfpruchs vollen, nad europätfchem Mlufter im Rohbau hergeftellten, aber aus Mangel an Mitteln nicht vollendeten Palaftes abzuhalten. Er empfing uns als vollendeter Gentleman, bewirtete uns mit Champagner und fchenkte mir als Gegengabe für das große Bild des Kaifers, das ich ihm überreichen ließ, einen Stegenbod. Wohl fchwerlich dürfte ein Kameruner Wiederfäuer einen ähnlihen Umweg nah Deutfchland gemacht haben und unter fchwierigeren Derhältniffen feine Kebenszähigfeit bewiefen haben, als der „Bell- Bod". Bis Kapftadt hatte er noch gute Tage, aber als es in die antarftifche Region ging, flüchtete er in den Keffelraum, verbramnte fich bei den fchweren Stürmen un- zählige Male die Schenkel, verweigerte hartnädig die an Stelle von Grünfutter ge- reichten Konferven, und nährte fi redlich von Zeitungen, Hobeljpänen und Ligarren- ftummeln. Da er auch ein Aftenftüf auffraß, dürfte es fich vielleicht empfehlen, da% man höheren Drtes die Beftrebungen von King Bell in der Zucht fo hervorragend nüslicher Stegenböfe einer wohlwollenden Erwägung unterziehe. Der Bo hatte jich in dem Sao noologifhen Garten ein wohlgemäjtetes Känzlein und im rafcher Anpafjung an veränderte Bedingungen eimen dicken Winterpelz zugelegt. In diefem It erinnerte er bei dem gedrungenen und ftänmigen Bau auffällig an die Steinböde, Chun, Aus den Tiefen des Weltmeeres,. Zweite Auflage. Ss 114 Familie Bell. Gewohnt, Menfhen und Tiere tapfer anzugreifen, ging er in dent Kampfe mit einem Kamelbengjt ehrenvoll zu Grunde. Manga Bell erwiderte den Befuch mit einem Teil feines Gefolges auf der „Daldivta” und gab feinem Interefje an unferer Fahrt dadurch Ausdrud, daß er mich bat, feinen jüngften Bruder mitzunehmen und in Deutjchland erziehen zu laffen. Es bedurfte eines längeren, in Gemeinfhaft mit feiner Schwefter Franzisfa in meiner Kabine abgehalten Palavers, um ihn zu überzeugen, daß es in Anbetracht der weiten Manga Bell und Gefolge auf der Daldivia. (Sachse phot.) und für einen Yegerjungen leicht verhängnisvoll auslaufenden Reife nicht angängig Set, auf feine Bitte einzugehen. zugeh Das Gefolge hatte es fi inzwifchen im Salon bequem gemacht. Ein wunderliches Bemifhb von europäifh angebauchter Halbfultur und afrifanifher Urwüchligfeit, von fcheuer Surüdhaltung und dreiftem Erfaffen der Situation! An fympathifchem Wefen und Uußeren überragt Manga Bell weitaus feine Angehörigen, in Hinfiht auf adrett fitsendes Koftün und auf fchlagfertige Kunft der Unterhaltung vermochte es der weibliche Teil des Befolges nicht mit Prinzeg Franzisfa aufzunehmen. Auf dem Negertypen. 03) Blatte eines Fäcers, der als Fremdenbuh der „Daldivia" diente, zeichnete fich die familie Bell ein; ich bewahre es als fymıpathifches Alngedenfen, das fhon manden wegen der gewandten und flüffigen Schriftzüge überrafchte. Als man fich verabfchiedete und es befannt wurde, daß der Königsfohn den heimifchen Gefilden treu bleiben werde, verfehlte man nicht, Ferfel und Bananen, die man als Kodfpeife für Gewährung der Überfahrt an Bord gefchafft hatte, forgfältig wieder einzupaden. Ein befonderes Intereffe gewährte der Befuch bei dem Kommandeur der Schub- truppe, Major von Kamps. Yiemand hat, wie er, das Schußsgebiet — freilich nicht auf friedlichen Pfaden — fo ausgiebig durchftreift und dabei fo reichlich Gelegenheit gefunden, mit offenem Blif und humanem Sinn die Charaftereigenfchaften der hinter- ländifchen Stämme fennen zu lernen. Seine luftige behaglihe Wohnung bildete eine Art von ethnographifhem Mufeum, in dem nicht nur die primitiven Erzeugniffe weit- afrifanifcher Kunftfertigfeit — darunter Stüde von hohem ntereffje — aufgeftapelt find, fondern auc die verfchiedenen Typen in persona eine lebendige lluftration zu dem Hausrat abgeben. Da traten drei als Geifeln zurücdbehaltene Söhne von Häuptlingen des Bane-Stammes an, gefolgt von dem gefangen eingebrahten Heffen des Häuptlings Tunga; prächtige, felbitbewußte Jungen, die nichts weniger als un- zufrieden mit ihrem Lofe fchienen. Ein Soldat der Hauffa in feiner malerifhen Tracht, Männer der Jaunde und Pangwe mit ihrem originellen Put über denı Ohre, und ein langer Fansfleger gaben Gelegenheit, die weit auseinandergehenden phyjiognomifchen Eigentümlichfeiten der Stännme aus dem Imnern zu ftudieren. Intereffanter, als alle dtefe fchon vielfach gefchilderten Typen, war ein Weib der Bafelli-Swerge, die Major von Kamps als Erfter zu Geficht befam. Er berichtete felbft über diefen merfwürdtgen Stamm aus dem Rameruner Hinterland folgendermaßen: „Während des Aufenthaltes in Tunga war es mir vergönnt, zum erjtenmale mehrere Seute des bisher nur dem Hamen nad befannten Swergvolfes der Bafelli zu fehen. Die Bafelli bewohnen den weftlichen Urwaldgürtel und Fommen haupt- fählih im Ugumba-, Bafofo- und Buligebiete vor. Nach wiederholter Aufforderung brachte mir Tunga einen Häuptling und fieben Männer diefes Dolfes. ch habe die Körpergröße diefer acht Keute gemefjen, die von 1,45 bis 1,60 m variiert. Die Bafellt haben fich augenfcheinlih fchon vielfah mit anderen Stämmen gemifcht, nur bei den Fleinften Männern waren die hellere, beinahe gelbe Hautfarbe und die eigen ftarf- Fnochigen Gefichter zu bemerfen. Schon während meines Aufenthaltes in Mlatemape waren von einer Patrouille ein Bafelliweib und ein Knabe ergriffen worden. Uur der Knabe fchien von reiner NRaffe zu fein. Beide entwichen, abfichtlih nicht ftreng be wacht. Späterhin Faufte ich in Kolodorf von einem UÜgumbahäuptling ein ausgewac- jenes Bafellimädchen frei; dasfelbe tft 1,24 m groß; ich habe es behufs Meffungen und Abbildung nah Kamerun gebraht. Die Bakellis follen fleifige Gummifammler und g*+ 116 Bafelli-5werae. Jäger fein; troßdem werden fie von den anderen Stänmen veracdhtet und werden Faum als Menfchen angefehen. Die oben erwähnte Bafelli-Gefandtihaft entließ ich befchenft, nachdem ich ihnen gefagt, daß fie ihre bisherige Scheu vor Weißen ablegen follten." Die beiftehende Abbildung des Bafcllimädchens mag den Habitus verfinnlichen und zugleich lehren, daß diefelben Eigentümlichfeiten wiederfehren, welhe für die Swerg- völfer Inner-Afrifas typifch find. Eine in das Bräun- lichgelbe fpielende Hautfarbe, das Furzfiljige Haar, die Furze und breite Dlattnafe, aufge- wuljtete Sippen, ein fcheuer mifanthropifcher Blick, fhwad entwicelte Brüfte: das find die hervorftechendften phyfiogno- mifchen Süge. Dazu Fommt die troß der völligen Entwidlung auffällig geringe Größe von 1,24 m und ein ungewöhnlich ftarf ausgebildeter Hegerge- ruch. Trosdem das Bafelli- mädchen gutbehandeltwird, ent wich es doch öfters in den Bufch, wo es bald von den fchwarzen Spürnafen wieder aufgefunden wurde. „She smells the bush“ erklärten grinfend die Soldaten, wenn fie der Fleinen aromatt- fchen Genofjin habhaft wurden. Daß auch der Kameruner Urwald derartige Hwergpöl- fer birgt, welche als gefchickte Jäger und Einfanmler von San Gummi nomadifterend ibn Bafelli-Weib und 20 jähriger Pangwe-Mann (Pehmidt ph tt.) i (vom Saffon-Stanım). durchftreifen, ift von nicht ge- ringem Intereffe. Nachdem fie zuerft von Schweinfurth als Affa und jpäterhin von einer ganzen Reihe befannter Forfcher im centralen, weftlihen und öftlichen Urwald- gebiet nachgewiefen wurden, fteht zu erwarten, daß gerade die in erreichbarer YTähe haufenden Bafelli nody manchen ethnograpbifch wichtigen Auffchluß geben werden. Unterlauf des Wuri. 1IZ Auf dem Wuris-Slup. Don feiten des Gouvernements war uns in liebenswürdiger Weife der Dorfchlag gemacht worden, einen Ausflug in das Hinterland zu unternehmen. Alan hatte den Regierungsdampfer „Soden“ für uns bereitgeftellt, und fo wählten wir denn in An- betracht der befchränften Seit die Fürzefte der vorgefchlagenen Routen. Sie galt dem Wuri-fluß bis hinauf zu feinen Stromfchnellen bei Jabaffi. Er ift der mittlere der drei in das Kamerun-Haff einmündenden Ströme, und Fonnte, da er infolge der Negen- zeit ftarf angefhwollen war, leicht mit dem Dampfer befahren werden. Es fällt fchwer, mit wenig Worten die wechfelvollen, bald anziehenden, bald monotonen Panoramen wiederzugeben, welche dem ob fold feltenen Genuffes faft trun fenen Auge fi) darboten. Aus den üppig Fultivierten Dorlande, das zu beiden Seiten des allmählidy jih verfihmälernden Haffes gelegen ift, gelangt man faft unvermittelt in ein Wirrfal Fleiner Flußläufe, welche das Wuri-Delta zufammenfesen. Der Blick wird eingeengt und an Stelle reicher Dualla-Dörfer, wie Afwatown und Didory, ftattlicher Miffionsgebäude und idyllifcher, am Ufer gelegener Bufch-Fakftoreien tritt niedriger, aus Rhizophora mangle gebildeter MTan- grovewald. Ein üppiges Geftrüpp = ua ’ von Raphia-Palmen, unternengt mit ee gelegentlich lang ausgezogenen Pandanus- = Beftänden und bis in die Wipfel der Man- Regierungsdampfer „Soden“. grove fich emporranfenden NRotang-Palmen, jäumt die Ufer ein, während die duftigen weißen Blüten des Pancratium maritimum dte Oberfläche des Waffers fhmücden. Das allmählihe Zurüctreten des bei der Flut vordringenden Bracfwaffers, welches jhlieglih dem reinen Süßwaffer ganz weicht, macht fih auch in einer Änderung der Scenerie geltend. Den Mangrove-MWaldungen fchließt fih ein üppig Fultiviertes Schwenm- land an, durchfest von zahllofen Dörfern der Bafofo-Neger, welche gerade jest zur Regenzeit faft vollftändig unter Waffer ftehen. In den Uferfneipen, wo erfrifchender Palmwein gereicht wird, herrfcht ein lebhaftes Treiben, nicht minder aber audf längs der ganzen Strede bis Jabafft. Die Kunde, daß der Gouverneur auf dem Regierungs- dampfer eine fahrt flußaufwärts beabfichtige, hatte fich bereits verbreitet und eifrig war ein der Tronmmelfprache Fundiger Neger bemüht, von Bord aus die Holztrommel mit den Schlegeln zu bearbeiten, um nähere Mitteilungen zu geben. Sie wurden am Sande aufgenommen und ftundenlang genoffen wir das merfwürdige, von Drt zu Ort 118 $luß-Scenerie, weitergegebene und in der Ferne verflingende Trommel-Orchefter. Auf den Tanarifchen Infeln hatte ich einft die Pfeiffprache der Bewohner von Gomera Fennen gelernt; ich war nicht wenig ftolz darauf, das es mir gelang, den Sinn des Gepfiffenen zu enträtfeln und den Hirten Mitteilungen pfeifend zufommen zu lafjen, ‚welche diefe ihrerfeits ver- jtanden und beantworteten. Db aber auch die Trommelfprachhe der Kamerun-Ieger darauf beruht, daß man Klangfarbe und Betonung der Wortfilben, ähnlich wie bei der Pfeiffprache, wiederzugeben verfucht, vermochte ih um fo weniger mir Flar zu machen, als hierzu die genauefte Kenntnis der Sprache und Denfweife der Eingeborenen gehört. Sudem find die Heger mit Mitteilungen über die Art der Derftändigung dem Weißen gegenüber fehr zurüchaltend; fie hüten die Trommelfprahe wie ein ihmen anvertrautes Geheimnis und fo vermochte auch niemand unter unferen Kandsleuten Aufflärung zu geben. Alan wird in hohem Maße durch die Dichte der Bevölkerung überrafht, welche ihrer Loyalität durch Aushängen von Flaggen und gelegentlich etwas ftarf mitgenom- menen fchwarzweiß-roten Kappen Ausdrucd zu geben fuchte. llperall blisen aus den Hütten dunfle Augen hervor und drängen fich Weiber, Kinder und Männer zufammen, um neugierig dem Dampfer eimen Willfomm zuzuwinfen. Ihre Arme find oft mit großen Elfenbeinringen behängt, und um die Hüften werden grell gefärbte Tücher (lawa-lawa) gefhlungen. Bier und da ftößt aus den Bananenhainen oder aus den mit Scilf und Lolocafien bewachfenen Ufern ein Boot hervor, das mit den zugefpisten Paddeln gerudert wird. WMleift find die aus Notholz gefertigten Lanoes gefchwärst und häufig auch mit faft Schwarzen Segel ausgeftattet. Hachdem der Wuri-Fluß den von rechts Fonmmenden Abo in einer hügeligen be- waldeten Sandfchaft aufgenommen hat, gabelt er fich, um die weite, fogenannte Wuri- Infel zu umfaffen und dann bei Mlutimibelembe eine Sandfhaft zu durchfliegen, die mit ihren fchilfbewacfenen Ufern und zurüctretenden Urwaldbäumen an die Dder- landfchaften erinnert. Ein von weiten auffälliger, von Neihern und fonftigen Sumpfvögeln bevölferter Baunı deutet die Stelle an, wo der während der trockenen Jahreszeit von Flußpferden bevölferte Dibombe von rechts ein- mündet. Der leßtere bildet zugleich die Grenze der Sandfhaft Bodiman. Sie muß befonders dicht bevölfert fein, denn allmählidy fäumen Ölpalmen, Bananen- und HSucderrohrpflanzungen mit ihren eingeftreuten Hütten in fajt endlofer Mionotonie die Ufer em. Dafür entfchädigt der Ausblid auf die fernen Hfoffi-Berge, die in ihren tiefen Blau gegen den Se mit fchweren Regenwolfen verhängten Hintergrund, das in Zabafii. 119 Galeriewald bei Jabajji, allen Schattierungen abgetönte Grün der Ufer und gegen den fchmubßig-gelben, in der c Ferne filbern glänzenden Fluß fich wirfungsvoll abheben. — Hady neunftündiger Fahrt langten wir endlich vor Jabafft an, einem Fleinen Hegerdorfe, von dent aus die be- triebfamen und gefchäftsfundigen Dualla ihre Handelsbeziehungen nah dem Hinterland des Wuri aufrecht erhalten. Die Scenerie ändert fich hier wie mit einem Schlage. Die Ufer rücen näher zu fammen und die eine Furze Strede oberhalb Jabafji auftretenden Stromfchnellen fesen der Schifffahrt auf dem eingeengten und rafch dahinfchiegenden Fluffe ein Stel. Der malerifhe Charakter der hügeligen Kandfchaft wird nicht zum wenigften dadurch be- dingt, daß ein mächtig aufftrebender Galeriewald die Ufer umfäumt. Die Fülle der verjchiedenen Baumarten ift eine überrafhende; in die fchirmförmig geftalteten oder wie eine Kuppel gewölbten Kronen Flettern die Ktanen an den grauen Stämmen empor, un dann mit anmutigem Schwung bis zu der Oberfläche des Waffers niederzuwallen. Schwer trieft aus dem KLaubdach der Regen auf die ärmlichen Hütten nieder, deren vöt liches Herdfeuer durch die am Abend aufwallenden Flußnebel feltfan gedämpft erfcheint. 120 Eine Naht in Jabafft. KSange noch faßen wir in der feuchtwarmen Tropennaht auf dem Derdef des Dampfers und laufhten den Erzählungen unferes vielgewanderten Ddyffeus, des Kommandeurs der Schustruppe. Alles fhwärnte dafür, echt afrifanifch in den Hütten der Eingeborenen zu übernachten. Am nädften Morgen gaben mir freilich die meiften recht, daß ich eim gutes Feldbett auf dem Dampfer der Poefie von Hegerhütten vorzog: diefen hatten die Mlosquitos zerftochen, jenem waren Ratten über die Beine gelaufen; der eine Flagte über den Geftanf von Palmfernen und Siegen, der andere über die Intimitäten der nebenan haufenden Heger. Als wir, zun Teil etwas übernächtig, nah Kamerun zurückfuhren, ahnte man freilich nicht, daß die in Jabafjt verbrachte Nacht noch verhängnisvollere Nahwirfungen im Gefolge haben follte. Nah adt bis zwölf Tagen, als wir bereits den Congo in Sicht be- fommen hatten, er- franften von den elf Teilnehmern an der Wuri- fahrt neun an Malaria unter den für die Ka- meruner form typi- fhen Erfheinungen. Don den zwölf Er- pedittonsmitgliedern blieben nur drei fie- rn ae berfrei; einer hatte Treiben in Jabaffi. (Apstein phot) an &and übernachtet, der andere fchlief an Bord und der dritte war in Kamerun zurücgeblieben. Wenn die alaria auf einer durch den Stich blutfaugender Mücen verurfachten Infektion beruht, fo dürfte nach unferen trüben Erfahrungen vor dem Übernachten in den dem verfchteden- artigften Ungeziefer Unterfhlupf bietenden Flußdörfern der Heger befonders gewarnt werden. Wir Feimen freilich noch nicht den Swifchenträger der Kameruner Malaria, dürfen aber nah den Unterfuhungen der Soologen, welche in der Frage nach der Ätiologie des Tropenfiebers ein gewichtiges Wort mitzufprechen haben, mit Sicherheit annehmen, daß es fih um Mosquitos — vielleicht nicht einmal um die dem Menfchen amı meiften zufeßenden Arten — handelt. Die Forfhungen von Roß, Graffi und Schaudinn haben überzeugend dargethan, daß mit dem Sefret der Speicheldrüfe, J Malaria. 121 welches ‚die Mlosquitos bet dem Stiche in die Wunde einfließen laffen, Fleine fichel- förmige Keime übertragen werden, welche die roten Blutförperhen warmblütiger Tiere angreifen, in dtefen zu dent Plasmodium malariae heranwachlen, und fchlieglich in eine Brut Fleiner Keinzellen zerfallen. Diefe fuchen nun wiederum neue Blut- Förperchen auf und machen diefelbe ungefchlehtlihe Dermehrung durch. Die Zahl der Ffieberanfälle, welche jedesmal eintreten, wenn die in die Blutförper eingedrungenen Parafiten fih zur Dermehrung anfhiden, giebt einen Maßjtab für die Zahl der auf- einander folgenden ungefchlehtlihen Generationen ab. Schließlich tritt indefjen eine Art von Erfhöpfung der ungefchlechtlihen Dermehrungsweife ein; es werden Fortpflanzungs- zellen von zweierlei Größe: Fleine wurmförmig geftaltete und größere Fuglige, gebildet. Die Fleinen entfprechen den Samenfäden der höheren Tiere, die größeren den Eiern. Wie nun bei lesteren die Befruchtung dadurch erfolgt, daß die Samenfäden in die Eizelle eindringen und diefe zur Teilung anregen, fo Fann auch eine Weiterentwidlung der Malaria-Parafiten nur dadurh ermöglicht werden, daß ein Fleiner wurmförmiger Keim mit einem größeren fugligen fich vereinigt. Wan bezeichnet diefen der Befruch- tung höherer Organismen entfprehenden Dorgang als Konjugation. Yiemals erfolgt die Konjugation innerhalb des Körpers von Warmblütern refp. des Menfchen; wir vermögen fie indefjen Fünftlich zu erzielen, wenn wir die abgezapften Bluttropfen fih abfühlen lafjen. Diefer Umftand deutet bereits darauf hin, daß das Blut Fieberfranfer in Faltblütige Tiere übertragen werden muß, damit eine Kon- jugation der Gefchlehtszellen erfolgt. Als Träger der Gefchlehtsgeneratton find die Mosquitos erfannt worden, welhe ihren AMlagen nach) dem Stiche mit Blut füllen. Im Magen erfolgt die Konjugation, die vereinigten Zellen durchfegen die Magen- wand, encyitieren jich unterhalb derfelben und zerfallen in eine Brut Fleiner fichelförmig geftalteter Keime. Diefe wandern in die Speicheldrüfen ein und werden nad) dem Stiche wieder dem Blute des Menfchen einverleibt. Die Fortpflanzungsweife der Mlalaria-Parafiten it alfo durch einen Generations- wechjel, d. h. duch einen gefesmäßigen MWechfel ungefchlehtlih fich vermehrender Generationen mit Gefchlehtsgenerationen charafterifiert. Gleichzeitig ift hiermit ein Wirtswechel verfnüpft, infofern die ungefchlehtlihe Generation im Blute des Mlen- jchen, die Gefchlehtsgeneration hingegen in den Mosquitos fich findet. Auf Grund der neuen Forfhungen, welche der uralten Dorftellung von Beziehungen zwijchen Mosquitos und Malaria eine geficherte Grundlage geben, Fönnen wir be- haupten, daß in jenen Tropengegenden, wo Mlosquitos fehlen, auch feine Malaria herrfcht. Wir lernten ein derartiges tropifches Küftengebiet in der Umgebung der großen Fifchbai (im füdlichen Angola) Fennen. Auf den dortigen öden Sanddünen gedeiht Fein Bufh, Fein Gras wegen völliger Abwefenheit von Süßwaffer. Da die Sarven der Mosquitos fich überall entwickeln, wo Fleine Sahen von Süßwaffer D> Malaria-Recidive. auftreten, jo erklärt es fih, daß die gelegentlich von allen Qualen des Durftes gepeinigte Bevölferung der Fiihbat nah mir dort zugegangenen Mitteilungen wenigjtens von der Malaria verfchont wird. Der Derlauf unferer Fahrt brachte es mit fih, daß die Möglichkeit einer weiteren Infektion ausgefchloffen war. Aus diefem Grunde machte unfer Arzt, Dr. Bahmann, die durch mehr als drei Monate anhaltenden Necidive an Alalaria zum Gegenftand einer fpeciellen Unterfuchung, deren Abfhluß freilich fein früher Tod ein Stel feste. vr 2 @ongo, ie Reifenden verfehlen nicht, auf den überwältigenden Eindrucf hinzuweifen, welchen die großen afrifanifchen Ströme machen. Dies trifft ficher ftets dann zu, wenn der Marfch fih durch weite, einfame Savannen erftrecte, bevor dte oft anmutigen Ufer des fegenfpendenden Stromes in Sicht Fommen. Anders geftaltet fih der Eindruck j auf jene, die lange Fein Land zu Geficht befamen und fich felbft da eingeengt fühlen, Am Ufer des Congo. wo, wie in der Mündung des Congo, das gegenüberliegende Ufer nur duftig ver fhwonmmen fihtbar tft. Daß es fich freilich um ein gewaltiges Stromgebiet handelt, davon überzeugten uns fchon am Tage vorher, faft 190 Seemeilen von der Mündung des Congo entfernt, die Unterfuhungen. Das Oberflähenwafjer war etwas verfärbt, befaß geringeres fpecififches Gewicht und zeigte eine Beimengung von Organismen, 124 Wafferfchichtung in der Congomündung. welche dem Plankton der Hochfee vollftändig fehlen: ein Heichen, daß das Süßwafjer des Congo weit hinaus in das Meer feine Wirfung geltend madht. je mehr wir uns dem AWlündungsgebiete des Fluffes näherten, defto auffälliger nahmen diefe Er- iheinungen zu. Die Oberfläche zeigte einen dunfelbraunen Ton, und höchjft eigenartig nahm es fih aus, als in dem Schraubenwaffer das grüngefärbte Seewaffer empor- gewühlt wurde. Schon mit dem bloßen Auge bemerkt man den Unterfchied, wenn das Waffer aus verfchiedenen Tiefen gefhöpft wird. Bis zu 5m Tiefe ift die im Glas- sefäße enthaltene Probe bräunlich gefärbt, m 9 m Tiefe zeigt fie einen Stih m das Grün- liche, in IO m Tiefe ift fie vollftändig durchfichtig : ein Beweis, daß felbit in der’ Mündung des Congo direft vor Ba- nana das Süßwaffer nur in relativ ober- flähliher Schicht das reine Seewaf- fer überflutet. Die erfte An- näherung an dte Longo-Küfte ver- rät jih in einem vötlih gefärbten Steilabfall des Süd- ufers. Allmählich tritt das dunkle Dor- land fchärfer hervor, bededt von hohem Urwald, der von nie= drigentDalmengebüfch umfäumt wird und dann in einen weißlic) gefärb- ten Strand übergeht, auf dem hier und da Stämme lie- (Sachse phot.) Saaalatuomoberenk&oneos gen, die freilich von manchen Mitgliedern Die Bangala. 125 der Erpedition mit Kebhaftigfeit für Krofodile in Anspruch genonmen werden. Reizpoll im Grün verftecft Fommien die weißen Gebäude der Far- toreien zum Dorfchein, und bei der Annäherung an das Südufer beit Shart-Point wird die portu- giefifsche Flagge gehißt, deren Gruß wir vom Schiff aus erwidern. Die langgezogene, palmen- ungürtete Sandzunge des Mordufers, auf der die Faftoreien von Banana liegen, fcheidet ein ftilles Altwaffer (Lreef) von dem Ocean, das eine trefflihh gefhüßte, von Schiffen belebte Neede abgiebt. Sie grenzt fich allerdings gegen die Longomündung durch eine Barre ab, welche bei niedrigem Wafferjtande erjt nach Eintritt der Flut von tiefgehenden Schiffen pafitiert werden Fann. Wir halten an der Boje vor der Barre und Bar warten die Ankunft des Kotfenbootes ab, das Bangala, Mann und Weib. gewandt von Bangala gerudert wird. Die TCongo-Negierung verwendet diefe Bewohner des inneren Longo-Öebietes als zuverläffige Polizeifoldaten und Marinare. Bizarr genug bieten fie fich demjenigen dar, der fie zum erftenmal zu Geficht befommt: meijt Tätowierungen der Bangala 126 In den Ereefs des Congo. Fräftige, oft herfulifche Geftalten mit den mannisfachften Haarfrifuren, unter denen namentlich jene Keute auffallen, welhe den Kopf Fahl fcheeren und nad) Art der Raupe auf dem bayrifchen Helm einen medianen Wollfamm züchten. Sie lieben es, die Schneidezähne fpis zu feilen, fich zu tätowieren und die Haut zwifchen den Ein- jhnitten durch adftringierende, pflanzliche Mittel, wie mir fpäterhin der Chefarzt des Longo-Staates, Dr. Etienne, mitteilte, zu MWülften vorfpringen zu laffen. Meijt jtehen fich diefe tätowierten MWülfte über die Mitte der Stirn weg, vielfach auch werden fie unterhalb der Augen horizontal bis zu den Dhren angebradt, und einige hatten das ganze Geficht fo fein wie die Maori Heu-Seelands mit Tätowierungen bedeckt. Während der Einfahrt in den Creek lernten wir das außerordentlich reich entfaltete Tierleben der Longo-Mündung Fennen. Bier und da bliefen Wale, Schwärme von Seefchwalben umflatterten in graziösfem Fluge das Schiff, und die Geteradler (Gypo- hierax Angolensis) mit ihrem weißen Kopf, weißer Bruft und fchwarzen Slügeln zogen einfan ihre Kreife. Es gelang uns, mehrere der lesteren zu erlegen und uns an der Hand der Unterfuhung ihres Mageninhaltes zu überzeugen, daß fie fich von den Früchten der Ölpalme und vorwiegend von Krabben und Einfiedlerfrebfen nähren. Hachhden wir vor Banana am Abend des I. Dftober den Anker hatten fallen lafjen, wurde uns durch den Generalfefretär des Congo-Staates, Mir. Ghislain, Mill fommen geboten und zugleich die Einladung von feiten des Gouverneurs zu einem Befuche in Boma übermittelt. In Kamerun hatte Regenzeit geherrfht; hier am Congo, jenfeit des Ügquators, waren wir gegen Ende der trocdenen Jahreszeit an= gelangt, und fo machte der relativ niedrige Wajfferftand des Fluffes es leider unmöglich, mit der immer noch tiefgehenden „Daldivia” bis Boma zu gelange Da uns die Beförderung in einer denn Boupernement gehörigen Dampfbarkaffe in en geftellt wurde, nahmen wir das Anerbieten um fo danfbarer an, als fih auf diefem Wege die Gelegenheit bot, das Mlündungsgebiet des Longo eingehend Fennen zu lernen. Wir hatten es denn auch nicht zu bereuen, daß wir zwei Tage unter allerdings etwas beengten Derhältniffen in der Barfaffe verbrachten. Sie drang gleich nach dem Derlaffen von Banana bet Sonnenaufgang in das Gewirr von Altwafjern (Lreefs) ein, deren eigenartige und feifelnde Scenerie wir nie von einem den Fluß ae fahrenden Dampfer hätten in Augenfchein nehmen Fönnen. Die Ufer find von dem niedrigen Geftrüpp einer Stachelpalme (Phoenix spinosa) umfäumt, hinter dem eine immer höher aufftrebende Wlangrove - Degetation den landfchaftlihen Charakter bedingt. Ein merfwürdiger, auf Stelzen ftehender Wald, diefer impofante Mangrove-Urwald des Congo! Der Stamm der Rhizophora mangle läuft in bogenförmig gefrümmte und gabelfpaltig fich teilende Wurzelftelzen aus, welche ihn im Schlamme veranfern. Ihnen gefellen fih Suftwurzeln bei, zus oft aus be=- deutender Höhe wie lang ausgezogene Spinnfäden niederhängen. Da fie gleichfalls zur Nanagrove. 124 Mlangrove (Rhizophora mangle). (Sachse phot.) Deranferung beitragen, wird ein undurchöringliches Wurzelwerf gebildet, das gegen dte einzelmen Stämme mit ihren ernften, in ihrem Charakter an unfere Erlen erinnernden Saubmaffen Fonvergiert. Hwifchen den Mangroven wuchern die Wedel eines Karn frautes (Chrysodium), das Fosmopolitifh überall da vorfommt, wo Mangrove-Bil dung herrfht. Einen befonderen Shmuf erhalten indefjen diefe ftillen Lreefs dur die Raphia-Palmıen, die fi) überall vordrängen und mit ihren graziöfen MWedeln ein vollftändiges Kaubdah über den labyrinthifch verfhlungenen Wafferläufen bilden. Man bewundert die Sicherheit, mit welcher der fhwarze Steuermann in diefem Wirrfal fich zurechtfindet, und das Gefchik, mit dem er die fcharfen Rrümmungen unter den dte hin fchtegende Barfaffe ftreifenden Palmwedeln pafftert. — Ab und zu treten die Nlangrove zurüd, und es erfcheinen die bizarı geformten Pandanus nebit Ölpalmen und mannig fahen Urwaldftänmen, über welche Sianen — meift von Ipomoea gebildet — hinfriechen. Einen anmutigen Shmudf in dem undurhödringlichen Dieicht bilden gelbblühende Hibis- eus, rofafarbene Orchideen und fleifchrote Apocyneen. Man wandelt freilih nicht un geftraft unter Palmen: als wir von der Barfafje aus dte buntblühenden Formen zu Congo=Ulfer bei der Saftorei Mallela. "PAD SUP wos up uauupg-eıydey gun (s[fsuew wıoydoziyy JAOASUDIIT Baumameifer. 129 fammeln verfuchten, gab es auf dem Dorderdedf eine erregte Scene. Die Gewehre wurden weggeworfen, die Röcke ausgezogen, und wie von der Tarantel geftochen fprang alles umber, weil dichte Shwärme von Ameifen fih in die Unglüdlichen verbiffen hatten. Bald wimmelte das fahrzeug von Arbeiterameifen, die ihre Puppen wegjchleppten, und biffigen Soldaten, die nur unter Derluft ihres Kopfes von der Haut abzuftreifen waren. Die Umeifen gehörten der in den Tropen weitverbreiteten Gattung Oecophylla an, welche auf Bäumen lebt und ihre Hefter aus miteinander verwobenen Blättern herftellt. Sonderbare Dinge berichtet ein englifher Beobachter, Holland, über die Art der Herftellung des Veftes. „Die zu verbindenden Blätter werden erft von den Ameifen mittels ihrer Dberfiefer in die richtige Lage gebraht und zufammengehalten. Dann fommen andere in großer Sahl, jede eine Karve im Maule tragend, und fahren nun mit dem Dorderende der Karve von einer Kante des Blattes zur andern. Wo der Mund der Karve das Blatt berührt, erfcheint ein Befpinftfaden, der an dem Blatte feftflebt. Diefer Prozeß wird fo lange fortgefeßt, bis die Blätter an ihren Rändern durch ein haltbares Gewebe verbunden find und fchließlih ein filsiger, papterähnlicher Stoff fich bildet, der aus unzähligen, übereinander liegenden und fich Freuzenden Spinn- fäden befteht." Diefelben AUmeifen follen auh rings um den Stamm, auf dem ihr Heft fich befindet, einen manchmal fußbreiten Gürtel von Spinngewebe mit Bilfe ihrer Sarven weben, in dem fich Fleine AUmeifen einer andern Art, mit denen fie ftändig im Kriege leben, verfangen. Gewiß ein eigenartiger und in der Tierreihe faft einzig da- jtehender Inftinkt, fich nicht der eigenen, fondern getrennter lebendiger Werkzeuge zu bedienen, um den Swed zu erreichen! Die Karven wären die „Spinnrädchen“, welche den sefchieten Arbeiterinnen den Faden liefern. Als mich der ausgezeichnete Kenner der Ameifen, Pater Wasmann, auf diefe wenig beachteten und meift in Zweifel gezogenen Beobahtungen aufmerffam machte, veranlaßte ich einen Schüler zu einer genauen anatomifchen Unterfuhung der Oecophylla-Xarven. Da ergab es fich nun, daß diefe Spinndrüfen befisen, welche an ungewöhnlicher Entwidlung alles überbieten, was wir von den gleichen Drüfen fonjtiger Hymenopteren, fpectell auch der Ameifenlarven, Eennen. Sie beftehen aus vier mächtigen, den Körper in ganzer Länge durchziehenden Schläuchen, welche fich jederfeits vereinigen und zu einem auf der Unterlippe ausmündenden Gange zufammenfließen. Da die ausgebildeten Ameifen Feine Spinndrüfen befiten und wohl fchwerlich mit ihren Dberfieferdrüfen den Faden herftellen, dürfte man weniger daran zweifeln, daß die BHiftorie von den „Spinnrädchen“ auf richtiger Deutung des Por- ganges beruht. Hur felten begegnet man in diefen einfamen Ereefs einem Canoe, dejlen Infaffen fich bet der Annäherung fheu in das Mangrove-Bufhwerf drüden. Um fo reicher ift dagegen das Tierleben entwidelt. Bier und da hufchen Nonnenaffen (Cercopithecus mona) von Aft zu At, Eisvögel (Ceryle rudis), bald fhwarz und weiß Thun, Aus den Tiefen des Weltmeeres. Zweite Auflage 9 150 Congo-Savanne. gejprenfelt, bald auffällig bunt gefärbt, beleben mit Schildraben (Corvus scapulatus), Schattenvögeln (Scopus umbretta) und den auf einzelftehenden Strünfen aufbäumenden Geieradlern die Scenerie. Wir hatten bereits eine ziemlich reihe Jagdausbeute gemadıt, Jäger ein Schnellfeuer eröffneten, und wir an einem dumpfen Klatjfchen bemerften, daß es einem Krofodile gegolten hatte. Ähnlich wie der Seemann auf jede denfbare Weife feinen Haß gegen die Haififche äußert, fo verfällt auf dem Sande das Krofodil der Derfolgungswut des Menfhen; fo viele wir auch in naher als von dem Dorderteil der Barfaffe unfere und weitejter Entfernung erblidten, fo wurde doch niemals Pulver und Blei gefpart, um der Abneigung gegen diefe Scheufale Ausdrud zu geben. Hah dreiftündiger Fahrt erweitern fich die Lreefs feeartig, und bald eröffnet fich der Ausblif auf den Congo felbft. Auf dent jenfeitigen Ufer tauchen die weißen Jaftoreien von fanga auf, durch dte Kuftjpiegelung nochmals ver= fehrt über dem Drte felbit fchwebend. Uns zur Seite liegt die Fleine Anfiedelung Mallela, an der wir Halt machen. Die Plantage wird durch Mufferonghes, vom portugiefifchen Ufer herübergefonmene Ueger, bearbeitet, welche fich teils unter einer mächtigen, nod in vollem Saube ftehenden Adanfonia malerifch gruppiert hatten, teils fich in den am Strande liegenden Lanoes zu Schaffen madhten. Sie treiben, wie alle Congo-leger, das aus einem ausgehöhl- ten Baumftamme gefertigte Fahrzeug in auf- i% ER z = rechter Stellung mit langen Rudern vorwärts TER, RE — im Gegenfate zu den Kamerun-Hegern, die itets fitend ihre Fürzeren Padden handhaben. Der Anfferonates: ganze Strand war hier mit Miufchelfchalen aus der Battung Galathea dicht befät, die in Boma zu Kalf gebrannt werden und, wie wir dort mehrfach fahen, auh zur Pflafterung Derwertung finden. Die Uferfcenerie beginnt hinter Mallela fi vollftändig zu ändern. Das Bradwafjer reicht nicht mehr bis bier herauf, umd fo wird denn der Fluß von einem Galerie- wald umfäumt, in dem außer Adanfonten namentlich die ftämmigen Ficus, die hoch aufftrebenden Wollbäume (Eriodendron anfractuosum) und die zahlreichen Ölpalmen einen charafteriftifchen Beftandteil bilden. Direft am Ufer ftehen Pandanus, hinter denen die graziöfen Wedel von Papyrusftauden fih anmutig im Winde wiegen. Zahlreiche treibende Hölzer und MWurzelftöhe nötigen uns bisweilen zu vorfichtiger Baobab. 151 fahrt, während die Mitte des Fluffes von Sandbänfen und langgeftredten Infeln eingenommen wird, auf denen oft eine überrafchende Fülle von Reihern und Schwinme- vögeln umherftolzieren. Auf den einzelnftehenden Stämmen am Flußufer fisen mit herabhängenden Flügeln die Schlangenhalsvögel (Anhinga rufa), welche gelegentlich ab- fliegen und durch ihre erftaunliche Ge- fchilichfeit im Schwimmen und Tauchen uns manden bewun- dernden Ausruf entloden. So wird denn allmäh- lih der Übergang zu der Savannenland- fhaft des Congo vorbereitet, die um fo mehr zur Berr- fchaft und Beltung gelangt, je näher wir an Boma heranfommen. Stadhlige Mti- mofen untermifcht mit rotblühenden Bibiscus und gel- ben Papilionaceen werden überragt von mannshohem Gras und Scilf, in welchem die Webervögel ihre zahl- reichen Xefter aufhängen. Heben dem bisweilen ausge- dehnte Beftände bildenden Papyrus treten die Charafterformen der Sa- vanne immer mehr in den Dorder- IRRIRETIESRE RT SEE Im Bintergrunde Olpalmen. grund. In erfter Sinte die bizarr gefta digitata), die während der trofenen Jahreszeit des SLaubes bar find und an langen ılteten Affenbrotbäume oder Baobab (Adansonia Stielen ihre monftröfen fpindelförmigen Früchte tragen. Es liegt etwas Ungefüges in iefen riefenhaften Baobabs, welhe um fo mehr die Aufmerffamfeit und Phantajie es Beobadhters feffen, als fie vereinzelt und nie zu dichten Beftänden zufammıentretend, 9* DIE 152 Savannenpalmen. in die monotone Kandfhaft Wechfel und Leben bringen. Yur felten läßt fich der Stamm, allmähli fi verjüngend, bis zum Wipfel verfolgen; bald löft er fich un- vermittelt in drei oder vier auf gleicher Höhe ftehende Üfte auf, bald erfchöpft er fich derart in der Abgabe zahlreicher Hauptäfte, daß er wie ein plumper Kegel erfcheint. Im leßteren Salle fteht der gewaltige Umfang der Stammbafis von 6 bis Sm um fo weniger in Derhältnis zu der Höhe, als häufig die Derzweigung fchon dicht über dem Boden anhebt. Und vielgeftaltig, wie der Stanım, erfcheint auch das Aftwerf. Bald jtehen die Hauptäfte gefpenftifh lang gereft von dem Stamme horizontal ab, bald entfprießen fie verfürzt unter fpißem Winkel; hier erfcheinen fie gerade geftrect, dort gewunden und unvermittelt in Yebenäfte aufgelöft. Kein Baum gleicht feinem Hachbar und doch wiederholt fich überall der gleiche phyfiosnomifhe Charakter, welcher bald den Stamm, bald das Ajtwerf — oft auch beide zufammen — beherricht: eine unförmlich die Bafis mit fchroffem Übergang in die feitlihen Derzweigungen. Uralt mögen manche diefer „Mlaftodonten des Pflanzenreichs” fein, wie fie Pierre Soti nannte, Fein Baum ift charafteriftifher für die afrifanifche Savanne, Feiner prägt fich in feiner eigenartigen Phyfiognomie dem Gedächtnis fchärfer ein. Freudig begrüßten wir den Baobab wieder, als wir, ein halbes Jahr fpäter, uns der ojft- afrikanischen Küfte näherten. Während die Adanfonien erjt bei der Annäherung an Boma häufiger auftreten, fo bedingen weiter unterhalb die Savannenpalmen (Hyphaene) den Charakter der Scenerie. Dies um fo nachdrüdlicher, als fte bisweilen in der Nähe der Ufer zu Fleinen Hainen zufanmentreten. Swifchen den jüngeren Stämmen ftreben vereinzelte alte Niefen auf, deren vertrocdnete Blattfächer unterhalb der etwas ftarr und jpröde fih ausnehmenden Kaubfrone dem Stamme dicht angefchmiegt herabhängen. Da die Savanne durch die Neger regelmäßig in Brand gefest wird, fo ergreift die Kohe aud) das dlrre Blattwerf der Palme und vernichtet es bis auf die angefengten, fperrig vom Stamme abjtehenden Blattjtiele. Es erhält fih nur an gejhüsten, dem Feuer unzugänglichen Stellen; von weitem hat man dann den Eindrud, als ob ein ungefüger, gegen die Krone an Dicke zunehmender Stamm der Palme eigen jet. Swifhen Baobabs und Savannenpalmen eingeftreut trifft man als alte Befannte vereinzelte Ölpalmen und mächtige Wollbäume. Sie überragen niedrigere Stämme mit fchirmförmiger oder Fugliger Krone, unter denen namentlich Dertreter der Gattung Anacardium und die ftrauchförmige derbblätterige Anona Senegalensis auffallen. Der Boden tjt bedecft mit meterhohem fperrigem Gras, das in einzelnen Büfchen wäcft und nur felten Rispen von doppelter Manneshöhe treibt. In der Mähe des Fluffes zeigt die Savanne mit ihrem reichen Dogelleben, den eingeftreuten Uferpflanzen und den weit ausgedehnten Beftänden von Papyrus, deren auf dreifantigem, gelegentlih 4 m hohem Stiele fisende Blattfhöpfe und Fadenbüfchel in der Savanne am ER. = Baobab (Adans onia | 152 Savannenpalmen. in die monotone KLandfhafi MWechfel und Leben bringen. ILur jelten läßt fich der Stamm, allmählich fih verlüngend, bis zum Wipfel verfolgen; bald Iöji er fi un- vermittelt in drei oder wier auf gleicher Höhe ftehende Afte auf, bald erfchöpft er fich derart in der Abaabe zahlreicher Hauptäfte, daß er wie ein plumper Kegel eriheint. Im letsteren Falle fteht der gewaltige Umfang der Stammbafis von 6 bis 8m um fo weniger im Derbältnis zu der Höhe, als häufig die Derzweigung fchon dicht über dem Boden anbebt. Und vielgeftaltig, wie der Stamm, erichemt auch das Ajtiwerf, Bald ftchen die Hauptäfte gefpenftiih lang geredt von dem Stamme horizontal ab, bald entiprteßen fie verfürzt unter fpigem Winfel; hier erfchemen fie gerade geftrect, dovi aewumden und unvermittelt in Lebenäfte aufgelöft. Kein Baum gleicht feinem Yiohıbar und doch wiederholt fich überall der gleiche phyfiognomifche Charafter, welber bald den Stamm, bald das Aftwerf — oft auch beide zufammen — beherrfht: eine unförmlich dide Bafıs mit fchroffen Übergang in die feitlihen Derzweigungen. UÜralt mögen mande diefer „WMaftodonten des Pflanzenreichs" fein, wie fie Pierre £oti nannte; fein Baum ift harakteriftiiher für die afrifanifche Savanne, Feiner prägt fih in feiner eigenartigen Phyfiegnomie dem Gedächtnis fchärfer ein. Freudig begrüßten wir den Baobab wieder, als wir, ein halbes Jahr fpäter, uns der oft afrifantfchen Küfte RS. siigib sinoensb #) dnden ones Während die Adanf fonien‘ "ei, sei der Inmähelimg ot Doma häufiger MUB; fo bedingen weiter unterhalb © die 3 worin mo arme ale ne) den Ehinnalter der Scenerie. Dies um Hegnachsüglicher, als fie bisweilen in. der Nähe der Ufer zu Eleinen Hainen zufammentreten. Hwifchen den jüngeren Stämmen jtreben vereinzelte alte Riefen auf, deren vertrodnete Blattfäher unterhalb der etwas jtarr und jpröde fich ausnehmenden Saubfrone dem Stamme dicht angefchmiegt herabhängen. Da die Savanne durch die Üeger regelmäßig in Brand gefest wird, fo ergreift die Lohe aud) das dürre Blattwerf der Palme und vernichtet es bis auf die angefengten, perrig vom Stamme abjtehenden Blattjtiele. Es erhält fih nur an geichüßten, dem Feuer unsugänglichen Stellen; von weitem hat man dann den Eindrud, als ob ein ungefüger, gegen die Krone an Dide zunehmender, Stamm der Palme eigen fet. Swiihen Baobabs und Savannenpalmen eingeftreut trifft man als alte Befannte vereinzelte Dlpalmen und mächtige Wollbäume. Sie überragen miedrigere Stämme mit fchiemtörmiger oder Fugliger Krone, unter denen namentlich Pertreter der Gattung Anacardium md die ftrauchförmige derbblätterige Anona Senegslensis auffallen. Der Boden it bedecft mit meterhohen fperrigem Gras, das in einzelnen Büfhen wädhlt und nur Velten Rispen von doppelter Nlanneshöhe treibt. In der Mähe des Sluffes zeigt die Savanne mit ihrem reichen Dogelleben, den eingeftreuten Uferpflanzen und den weit ausgedehnten Beftänden von Papyrus, deren auf dreifantigem, gelegentlich 4 m hohem Stiele fitende Blattfhöpfe und Fadenbüfcel VE U a EA ln UELl L UL Charafter der Savanne. 195 Hyphaene in der CongosSavanne. fih anmutig in der frifchen Brife wiegen, einen durhaus anziehenden Charafter. Weiter Iandeinwärts entzieht fich das Tierleben den Augen des Beobadhters. Alles fcheint totenftill und fchonungslos der Glut der Sonne preisgegeben. Wer fih ein Bild von der Savanne während der Trofenzeit machen will, der denfe jich weite, aus fperrigen Halmen gebildete Grasflähen, über die gerade noch das Auge des Wan- derers hinwegblidt, dazwifhen öde fhwarze, durch das Feuer verfengte vegetattonslofe Infeln, überall auftauchende Baobabs, welhe gefpenitifch ihre in der trodenen Jahres- zeit des Kaubfchmudfes entbehrenden Üfte zum Hinmel refen, bier und da eine Savannenpalme oder eimen grünen Bufch der Anona; man denfe fih weiterhin das 154 Annäherung an Boma. aus rotem Katerit gebildete Terrain wellenförmig gefaltet und den Horizont von roten Hügelreihen umfäumt, welche oberhalb Boma in die Fahlen Granitberge übergehen. Das ijt eine melanholifhe Kandfchaft, in der gar manches Menfchenleben unbeachtet und unbetrauert verfhmachtete. Su folhen Gedanfen regte ein bleichendes Hegerffelett an, das mit den noch erhaltenen Metallringen neben einem Baobab von den Keife- gefährten gefunden wurde. Der Abend brah herein. Eine Fräftige Seebrife Fräufelte die Wellen des vafd dahinfliegenden Stromes, und blutrot ging die Sonne unter. Nur Furz dauerte die Dämmerung; in der hereinbrechenden Finfter- nis waren die Ufer und die roten Katerit- Hügel nur noch fhwärzlic verihwon- men Fenntlih, während ab und zu die Savanne durch einen Feuer- brand erleuchtet wurde. Die Bar- Faffe Fämpfte fchwer gegen den Strom an, und es wurde fpät, als die mächtiger aufftrebenden Berge die Annäherung an Boma verrieten. Kaum war das unterhalb der Stadt errichtete Fort mit feinen C Dreh- türmen Fenntlich, dem am gegenüberliegenden por- tugiefifhen Ufer — etwas mehr jtrom- abwärts — ein noch im Bau befindliches wohl jchwerlich ge- wachjfen fein dürfte. Als wir endlich des Abends IO Uhr in Boma landeten, wurden wir durch den Directeur de la marine bewillfommt- net und nach dem glän- Inu zend erleuchteten „Nejtau- MR ” Y i Fa : en - REN £ _ -— - rant Xeopold 11." geführt. (Sachse phot.) Negerhütte bei Banana; im Bintergrunde Hyphaene mit den den Stamm umgebenden vertrodneten Blattmaffen. Da wir als @äjte des Boma. 155 Blit auf Boma von der Congo =Jnfel. Congoftaates in folenner Weife bewirtet wurden, hatten wir erjt am folgendem Tage Gelegenheit, genauer die Eigentümlichfeiten des von Portugiefen geleiteten und von Schwarzen bedienten Reftaurants Fenmen zu lernen. Möge der Kefer entfchuldigen, wenn ich fie ihm vorenthalte: der Schmusß, der eine portugiefiiche Wirtfchaft auszeichnet, macht u jich dem Anfömmling in empfindlicher Weife geltend, und ich beneide nicht die Beamten or es Congoftaates, die darauf angewiefen find, Jahr aus Jahr ein ihre Anfprüce an veinliche Berftellung der Speifen und an faubere Bedienung auf ein Nlinimum herab- zuftimmen. Dagegen waren wir in unferem am fluß gelegenen Hotel den Umftänden nach behaglich gebettet, wobei freilih in Betracht zu ziehen tft, daß man in einem Holzbau logiert, der den Bajt über das Thun des Hachbars ftändig auf dem Laufenden hält. Früh fhon wurde man durch das gefhwäsige Treiben der Hegerbepölferung auf der Straße gewect, und mit begreiflichem Intereffe genoß man von der Deranda den Rundblik auf den trüben, rafch dahineilenden Fluß mit feinen großen, im Grün verftecften Infeln, denen in weiter Entfernung rote Hügel und in feinem Duft jchim- mernde Berge folgen. Daß wir uns in einer rafch aufftrebenden Stadt befinden, 156 Bevölkerung von Boma. zeigen die ftattlihen Kegierungsbauten, die in langer Neihe bis zum Quai bin fich erftrefen. Die Bedeutung von Boma liegt weniger auf Fommerziellem Gebiete, denn auf feiner Hatur als Mietropole des gewaltigen Congoftaates, und fo trägt es aud mehr den Charakter einer Beamtenftadt, in welcher der Kaufmann an Geltung zurüd- tritt. Immerhin wird es fhon allein aus dem Grunde ftets auch eine Fommersielle Bedeutung bewahren, weil nicht fehr tiefgehende Dampfer bis Boma flußaufwärts zu fahren vermögen und an den praftifch eingerichteten Quais das Laden der Güter bewerfitelligen. Die Stadt wird überragt von dent Boupernementsgebäude und den in der Mähe ltegenden Kafernenbauten, zu denen ein Dampftram hinführt. Im übrigen ift die Scenerie Fabl, und überall drängt fih die Savanne mit ihren Baobabs, Miimofen, Papyrusgebüfchen und dem roten Kateritboden ein. Yücht minder find auch in der Bevölferung die Kontrafte ausgeprägt. Die Stadt war zur Seit unferes Befuches von etwa IHO Weißen bewohnt, während das Haupt- Fontingent der Anfäfjigen durch eine buntfhedige fchwarze Gefellfhaft gebildet wird. Dom vollendeten Gigerl mit Stehfragen bis herab zu den auf das Hotdürftigite befleideten, in Trupps und Karawanen anlangenden Majumba werden fämtliche Typen der mehr oder minder von der Kultur beleften afrifanifchen Bevölferung uns dargeboten. Am meiften Interefje erregen die urmwüchfigen, aus dem nnern anlangenden Karawanen-Meger, unter denen namentlich die fehwerbelafteten Weiber durch den reichen Behang von Meffingringen um Knödhel und Hand, von Perlen- jhnüren um Bals, Oberarm und Taille, durch große Ohrringe und einen Fleinen, aus Baft geflochtenen Hüftfhurz auffallen. Ihre Kaften, gelegentlih aucd die auf dem Rüden reitenden Kinder, fchleppen fie in geflochtenen Tragfäden, die mit einer Binde um die Stirn befeftigt find. Man mag fi) das Staunen ausmalen, mit dem diefe naiven Kinder der Hatur die auf dem Fahrrad dahineilenden Weißen, oder das jchnaubende Ungetüm, welches die Tramwagen zieht, betrachten. Wenn fie auch mit unfäglicher Deradhtung von den fehwarzen Dandys geftraft wurden, fo verrieten doch leßtere noch in einer Hinficht die Anpaffung an ihren Urfprung aus einer Savannen- und Bufchbevölferung: troß der lebhaften Konverfation gingen fie nicht nebeneinander, fondern in langgezogenen Reihen hintereinander. Indefjen muß ih zur Ehre der Schwarzen, wie wir fie in Dictorta, Kamerun und am Congo unter den mannig- faltigiten Derhältniffen antrafen, hinzufügen, daß uns niemals auch nur ein einziger angebettelt hat. Hachden wir den Tag mit Ausflügen in die von glühendem Sonnenbrand fchonungs- los heimgefuchte Savanne und auf die große, Boma gegenüberliegende Flußinjel ver- wendet hatten, bildete den Befchluß unferes Aufenthaltes ein genußreicher Abend in dem Bouvernement. Der Gouverneur, Mr. Fuchs, imponierte uns durch die Sicherheit Rüdfahrt nah Banana. 157 und Ruhe in der Beurteilung der Derhältniffe und dur die Arbeitsfreudigfeit, mit der er, niemals von Krankheiten heimgefucht, fein verantwortlihes Amt führte. Er ift von deutfchem Urfprung und einer feiner Dorfahren hat als tüchtiger Botanifer bei Benennung der befannten Sierpflanze, der fuchjia, Pate geftanden. Yur mit fhwerem Herzen lehnten wir die in liebenswürdiger form gemachte Einladung ab, auf der Congobahn auch den mittleren Lauf des Congo fennen zu lernen. Wir waren nun einmal auf den Dcean angewiefen, und fo fuhren wir denn amı 4. DF- tober in Begleitung des Chefarztes des Congo-Staates, Dr. Etienne, rafh ftromabwärts. Wir wären wohl in fürzefter Frift mit der Flei- nen Barfafje in Banana angelangt, wenn nicht die inzwifchen einfeßende und bis weit in die Creefs hinein fich geltend machende Flut amı rafchen Fortfommen gehindert hätte, Die zurüdgebliebenen Gefährten hatten inzwifchen eifrig die Gegend um Banana durdhjtreift und ver- fügten über mand) interefjante Jagd trophäe. Da die Tradition an die Sflavenjagden aus früherer Seit noch lebendig war, erwiefen fich die Be- wohner der im Wald verftecten Siede- lungen häufig noch recht jcheu und flüch teten bei der Annäherung der Weißen. So Eonnte denn au in aller Muße eine Fetifchhütte photographiert werden, vor der in abenteuerlihem Aufpuß auf einer Kifte ein a HZ roh gejchnißtes Idol ftand. Bangala im Bufchwald der Congo=Infel. Daß auch unferem Kapitän die Seit nicht zu lang wurde, dafür jorgte ein weiß- bärtiger Kollege, der ein ganzes Menfchenleben hindurd den Congo befuhr. Wie ein Roman Flang es, wenn er von den „schönen Seiten“ erzählte, wo der Sflavenhandel 158 Ber Banana. blühte und an Schwarzer Ware ein Dermögen verdient wurde. Man brachte es fertig, den alten Bären, der feit Jahren fein Schiff nicht mehr verlafjen hatte, zu einem Be- fuche auf der „Daldivia” zu bereden. Kopffchüttelnd betrachtete er Kotmafchinen, Kabel und Schleppnebe, und andächtig hörte er zu, als der Kapitän ihm fchilderte, was wir Alles mit einem Kabel von 0000 m Känge aus IJ5000 m Tiefe heraufholten. „Junge, Junge, du lügft“, brummte der Alte und verabfchiedete jich. ar a Setifchhätte im Arwald der Congomündung (Sachse phot.) VII. Die Große Sijchbat. us den Tropengegenden in Kamerun und amı Unterlauf des Congo, über welche die Watur mit verfchwenderifcher Pracht das Füllhorn ihrer Neize ausgegoffen hat, möchte ich den Kefer in eine noch im Tropengürtel gelegene Sandjchaft führen, welhe an Ode und Monotonie wohl ihresgleihen fuchen dürfte. Am IO. Dftober fichteten wir gegen 2 Uhr bei trüben, regnerifhem Wetter die von fteilabfallenden Anfiedelung auf der Tiger=Halbinjel. Sanddünen gebildete Küfte und gelangten gegen Abend in die Große Fifchbai, auc Tigerbai genannt. Sie liegt nur 25 Seemeilen nördlih von der Mündung des die Grenze des Deutfih-Südweitafrifanifchen Schußgebietes bildenden Kunenefluffes entfernt und erftrecft fi von 16° 55’ f. Br. nicht weniger als 20 Seemeilen weit in füdlicher Richtung bei einer durchfchnittlichen Breite von 4 bis 5 Seemeilen. Früher galt die Große Fifhbat für verfandet und erft die genauen, i. . 1894 gemachten Aufmahnıen n 140 Dünenlandfchaft bei der Großen Fifchbai. der „Waterwitch”, wel- che in einer treff- lihen englischen AdmiralitätsFarte niedergelegt find, lehrten, daß felbit die größten Kriegs=- Schiffe in der gan- zen Ausdehnung der Bat günftigen Anfergrund finden. Keine Barre ver- wehrt den Hugang bis zum füdlichen Ende, da eine See- 32, meile vom Kande Dünen an der Großen Sifchbai. (Braem phot) entfernt durchjchnittlich IS m Tiefe Fonftatiert werden. Auf der Fejtlandfeite wird die Große Fiihbat von 90 bis 150 m hohen Sandbergen, deren Formation fortwährendem Wechfel unter- worfen ift, umgeben. Don dem Aieere trennt fie eine nur wenige Mieter hohe, lang- gezogene Düne, die fog. Tiger-Halbinfel. Dde und troftlos ift die Scenerie. Wer etwa Gelegenheit fand, die Dünen unferer Kurifchen UHehrung Fennen zu lernen, wird fich einen Begriff von diefen großartigen Sandbergen mit ihrer durch den Wind wellenförnig gefräufelten Oberflähe machen fönnen. Bei Sonnenaufgang oder Sommen- untergang zeigt die Landfchaft etwas mehr Keben. Dann fejjelm nicht nur die Fon- traftreichen Karben des rötlih-gelben Sandes, des grau=violetten Himmels und der dunfelblauen Bucht, fondern vor allem auch die tiefen Schlagihatten und das fcharf fih abhebende Syitem von Wellenlinien auf den Wanderdünen. Dergeblich fchaut man fih nach einem Busch oder anfpruchslofen Wüftengras um: Sand und immer wieder Sand ift die Signatur diefer eigenartigen Kandichaft. Aber als ob die Natur dem troftlofen Einerlei einen Gegenpart hätte fchaffen wollen, jo birgt die Bai einen geradezu erftaunlihen Neichtum an niederen Drga- nismen und vor allem an gefhästen Yusfifhen. Im letsterer Binficht dürfte fie um fo weniger von irgend einem Punfte der füdweftafrifanifhen Küfte übertroffen werden, als wir allen Grund zu der Annahme haben, daß fie, den Baffen der Ditfee vergleichbar, einen bevorzugten Kaichplat abgiebt, den die wichtigften Nusfiihe nad) unferen Wahrnehmungen in der zweiten Hälfte des Dftober auffuchen. Es machte einen faft märchenhaften Eindrud, als am Abend nah unferem Eintreffen die Fifchreichtum. 141 Dberflähe des Waffers zu phosphorescieren begann und fich ein Nafetenfeuer von Hunderten glühender Streifen entwidelte, die ebenfo vajch wieder verihwanden, als fie auftauchten. Es waren große Fifche, welche bei dem Durchjichneiden des Wafjers die mafjenhaft an der Oberfläche angeftauten niederften Organismen (Diatomeen und Pyrocyftis) zum Seuchten brachten. Wir verjenften bis in die Mähe des Wafjer- fpiegels unfere großen eleftrifchen Lampen und fahen, daß, angeloft durch ihren Schein, außer fifhen Hunderte von Ningelwürmern (Heteronereis) fajt pfeilichnell durch das Waffer eilten und vergefellfhaftet mit einer Fülle von niederen Organismen dem eleftrifchen Kichte zuftrebten. Unfere Fifcher holten die langen Angelleinen hervor und „pülften“ in Furzer Frift einige große Dertreter der im Kapland gefchästen Kap- Schellfiihe (Sciaena aquila). Bald war die ganze Mannjchaft damit bejchäfttgt, die Seinen auszjuwerfen und oft nur mit Anftrengung die im Mittel Id kg jchweren, mit ihrem Schwanze Fräftig die Planfen peitfchenden, filberglänzenden Fiihe an Bord zu ziehen. Auch während der nächiten Yacht ließ die Aufregung und die Erwartung auf eine gefhästte Koft unfere Matrofen nicht zur Ruhe fommen. Am Morgen lohnte denn auch reicher Gewinn: gegen \5O Practeremplare der Sciaena — darunter eines von SO kg Schwere — lagen an Bord. Wie die Unterfuhung des WMlageninhaltes ergab, fo nähren fie ji von dem füdlichen Hering, der denn auch noch einem zweiten, feineren Tafelfifh, nämlich dem prächtig rofenrot gefärbten Dentex rupestris zur Beute fällt. Der Iettere hält fich im Gegenfat zu der Sciaena mehr in der Mähe des Grundes auf. Ein eigenartiges Schaufpiel bot fih uns am Morgen des 12. Dftobers dar, als in der Mähe des Schiffes dichte Schwärme von Schwimmpögeln einem lebhaft bewegten breiten Streifen im Waffer folgten, der darauf hindeutete, daß ein größerer Zug von Sifchen längs der Küfte feinen Weg nahm. Sofort wurden unfere beiden Fifcher mit dem Petterfon’fchen Schleppnes (Dttertrawl) beordert, welche vom Kand aus das- felbe zogen. Der Fang bejtand faft ausfchließlih aus Heringen und lieferte eine folche Fülle, daß unfer großes Boot den Reichtum nicht zu faffen vermochte. Der füdliche Hering (Clupea ocellata) gleiht in Größe und Färbung auffällig feinem nordifchen Derwandten und dürfte ihm auch im Gefhmaf faum nadjtehen. KEifrig war die Mannfhaft damit befhäftigt, den Fang einzufalzen, einzupöfeln oder auf andere Weife als willfommene Abwehfelung für den Speifezettel zu verwerten. Diefe Beifpiele mögen allein fchon genügen, un den geradezu ftaunenswerten Siih- reihtum der Tigerbat zu illuftrieren; immerhin jet erwähnt, daß wir außer den genannten Yusfischen nocd) Seezungen, Wiafrelen und Triglen erbeuteten. Außer- ordentlich gemein muß in der Bat der Fleine Dornhat (Acanthias) fein, da wir ihn in unferen Reufen und mit der Angel in Mienge fingen. Den Beringen jcheinen denn auch die Wale, wahrscheinlich der Gattung Balaenoptera angehörig, zu folgen, deren 142 Grundfauna. Doagelleben. wir drei im Innern der Bucht blafen fahen. Es liegt auf der Hand, daß fo gewaltige, lange und dichtgedrängte Schwärme von Fischen zu ihrer Eriftenz eines entfprechenden Quantuns von Mährmaterial bedürfen. So fei denn erwähnt, daß die quantitativen Süge mit unferen feinen Planftonnesen aus der Mitte der Bat eine derartige Fülle niederer pflanzlicher Organismen ergaben, wie fie bisher nur während der fogen. Haffblüte in den Haffen der Dftfee zur Beobahtung gelangte. Sie fegen fih aus Sadenalgen, Diatomeen und Bacillarten zufammen. Diefe pflanzliche Urnahrung liefert das Material, von dem fich Mlyriaden Kleiner fchwimmender Krufter, Würmer und Mollusfen nähren. Sie fallen ihrerfeits wieder größeren Formen zum Opfer und werden teilweife in fchmadhaftes Ftfchfleifh umgefest. Auch der Boden der Großen Fifchbai birgt an manchen Stellen einen überrafchenden Reichtum von reizvollen Polypen (Vere- tillum), welche wie Blumenbeete ihn auf weite Streden bedefen müfjen. Su ihnen gefellen fih Seefterne, Schneden, Iruftaceen und Nöhrenwürmer in folder Fülle, daß oft unfere Mebe von ihmen vollgepfropft erfchienen. Troßdem fcheint der mafjenhaft niederfinfende organische Detritus nicht vollftändig aufgezehrt zu werden; namentlich im hinteren Teile der Bucht, wo au die Grundfauna nur fpärlich entwidelt ift, war dem Schlamme übelriehende, in Serfesung befindliche organifche Subjtanz beigemengt, die durch die Bewegung der Schraube zu unferem lebhaften Unbehagen aufgewirbelt wurde. Auf dem Reichtum an Fiichen, Mollusfen und Kruftern beruht die üppige Ent- faltung des Dogellebens. Wenn die Fifchbat troß der Dde der Umgebung doch einen un- vergeglichen Eindruf hinterlieh, fo tft dies wefentlich dem fefjelnden Treiben einer bunten Gefellihaft von Schwimm- und Watvögelm zuzufchreiben. Su Hunderten und Taufenden Freifen die Tölpel (Sula capensis) in der Luft, um aus der Höhe von Id—20 m in I—1'/, Sefunden mit plötlih dicht angelegten Flügeln herabzufchiegen und nach 4 bis Sefunden mit der erhafchten Beute an der Oberfläche wieder aufjzutauchen. Hu ihnen sefellen fih Sturmtaucher (Puffinus), fhwarze Sturmvögel (Procellaria aequinoctialis) und die graziöfen Naubfeefhwalben (Sterna), während die verfchtedenen Niöpenarten die Brandung an der Außenfeite der Tiger-Halbinfel als Jagdrevier bevorzugen. Auf vorfpringenden Sandzungen und auf eingerammten Pfoften fisen in langen, jchwarzen Reihen die Cormorane (Phalacrocorax capensis), während auf der Düne dichte Scharen der Strandläufer und Regenpfeifer (Charadrius hiaticula) zuthunlich vor uns hertrippeln. Die weitafrifanifhe Küftenregion ift in omithologifcher Hinficht fo genau durchforicht, daß die fyftematifhe Kenntnis ihrer Dogelfauna wohl als abgejchloffen gelten darf. Um fo mehr bat es Profeffor Reichenow, der unfere Dogelfammlung durchmufterte, überrafcht, daß unter den auf der Düne erlegten Negenpfeifern jich eine neue Art befand, welche er Charadrius rufocinctus nannte. Ihren Artnamen hat jie von einer hell-rotbraunen Kropfbinde erhalten, die fich von der weißen Unterfeite des Körpers fcharf abhebt. Pinguine. Temperaturverhältnifje. 145 Einen eigenartigen Reiz gewähren die in Schwarz-Weiß-Not gefleideten Slamingos (Phoenicopterus roseus), welche bald in langen Reihen nebeneinander fifchen, bald in Schwärmen zu mehreren Hunderten auffliegen und den Horizont rofa umfäumen. Einen fonderbaren Anbli bietet es, wenn man von Bord aus dem Treiben diefer grapitätifch einherfchreitenden Dögel mit dem Fernrohr folgt. Man möchte glauben, ein Kompagnie= ererzieren zu erleben, infofern die Trupps wie auf ein Kommando bald eine Wendung halbrehts machen, würdevoll eine Seit lang einherjchreiten, bald mit halblinfs wieder die alte Richtung einfchlagen oder in aufgelöften Linien einen Anlauf gegen das Ufer nehmen. Den Drnithologen wird vielleicht am meiften die Thatfache überrafhen, daß der Großen FSifhbai auch die Pingume nicht fehlen, deren Dordringen in den Tropen- gürtel des weftafrifanifchen Gebietes wir zum erften Mal nachzuweifen in der Sage waren. Wir bemerften allerdings nur Jugendformen von einförmig grauen Tone und dunkler gefärbtem Kopfe, mit lebhaften, fhwarz glänzenden Augen, welche wenig fheu oft in direfter Mähe des Schiffes und der Boote auftauchten. Immerhin waren fie fhwer durh emen Schuß zu erlangen und wir mußten froh fein, daß wir wenigjtens ein Eremplar erbeuteten, in welchen Prof. Reihenow die Jugendform des am Kap der guten Hoffnung niftenden Spheniscus demersus erfannte. Im Umfreis der Großen Fifchbai fehlt Süßwaffer vollitändig. Da Fein Rinnfal in die Bat einmündet, jo erflärt es fih, daß der Salzgehalt bis zum Ende der Bucht fih gleich bleibt und mit 59,4% fich auf derfelben Höhe hält, wie in dem angren- zenden Dcean. — Die Temperatur des Waffers betrug an der Oberfläche 15,5 bis 16,5°%, in 20 m Tiefe (der mittleren Tiefe der Bat) 14,1°. Da im allgemeinen die Sufttemperatur der Oberflächentemperatur des Seewaffers gleihfommt, fo erflären fich hierdurch die abnorn niedrigen Temperaturen in diefer Tropenregion. Wir fanden es empfindlih Fühl und es hätte nicht erjt des Therniometers bedurft, um uns zu überzeugen, daß wir in das Gebiet des Falten Benguelaftromes eingetreten waren, der längs der füdweftafri- Fanifhen Küite verjtreiht und feine Wirfun- gen felbit bis in die Mähe des Ügqua- tors geltend madt. Das WDajjer war in- folge der reichlich 144 Bevölkerung der Tiger-Halbinfel. in ihm flottierenden Organismen relativ undurdjihtig und fhwärzlih-grün gefärbt. Yocd 100 Seemeilen von der Küfte entfernt machte ji) diefe Färbung geltend und wich erft dann dem blauen, oceanifchen Ton. Schon bei der Anfteuerung an die Tiger-Halbinfel bemerft man einige wenige, foltd gebaute Fleine Häufer, denen Trocfendarren und ärmlihe Negerhütten fih anfchliegen, welche durch; Dünenwälle gegen den herrfhenden Südoft-Paffat gefhüst find. Es ift ein elendes und wahrlich nicht beneidenswertes Dafein, welches die Bevölkerung mit den wenigen portugtefischen Beamten dort führt. Sie lebt ausfchlieglih von dem Erträgnis der Fiicherei, das freilih fo reih ausfällt, daß eine völlige Ausnusung in wirtichaft: licher Hinficht nicht erfolgt. Die Herrichtung der Fische für den Export gefchieht auf höchft primitive Weife, indem Angola-Megerinnen — fie tragen zum Schuß gegen den fühlen Wind Jaden aus Schafpel; — mit Beilen den Fifchen den Kopf abhaden, die Eingeweide auf übelriechende, von Alyriaden von Fliegen umfhwärmte Haufen werfen und die zerteilten Fleifchjtüfe auf lange Trodengeftelle legen. Ausschließlich Sciaena und Dentex werden getrodfnet; für eine Derwertung des Neichtums an Beringen und Mafrelen waren feine Dorrichtungen zu bemerken. Die getrocneten Fifche werden nah Moffamedes, hauptfächlich aber nad den portugiefifchen Infeln Principe und St. Thome verfradtet. Die etwa SOO Bewohner, welhe zu einem Drittel aus portugiefifchen Fifhern und zu zwei Dritten aus Angolanegern beftehen, werden von Mofjamedes aus mit Süßwaffer und Diftualten verforgt. Bei dem vollftändigen Nlangel von Trinfwafjer hat die Negierung noch dafür Sorge getragen, daß in dem Fifcherdorfe auf der Tiger-Balbinfel ein Deftillattonsapparat aufgeftellt wurde. Über die Beichaffenheit des von Moffamedes Fonmenden Süß- waffers wurde lebhaft Klage geführt, weil dasfelbe häufig Dysenterie erzeuge, welche Suftände bei portugiefifcher Wirtfchaft fich gelegentlich einftellen, mag ein uns zuge- gangener Brief des auf der Halbinfel anfäffigen Geiftlihen bezeugen. Er lautet in der Überfegung: „Ich bitte um die Gefälligfeit, mir ein Sag Süßwaffer zu überlaffen oder zu verfaufen im Binblit auf den Umftand, daß der Deitillationsapparat des Gouver- nements nicht funktioniert und der Berölferung Fein Trinfwaffer liefert.“ Man ftelle fih vor, welche Leiden eine von allen Qualen des Durftes gepeinigte, aus 500 Köpfen beftehende Bevölferung unter Umftänden hier durchzufämpfen hat! Es verfteht fich von felbit, daß wir den Bitten um Überlaffung von deftilliertem ne bereitwillig entfprahen und diefem noch mand anderes Kabfal beifügten. r ftändige Genuß von SFiichfleifh muß einen wahren BHeißhunger nad anderer a erzeugen. Die Träger ftürzten auf das halbverfaulte Fleifch, welches wir in den Reufen ci hatten, und verfchlangen gieris das ihnen dargereichte Brot. Da die Entfernung von der Tiger-Bat bis zum Kunene nur einen Tagemarjch Bedeutung der Großen Fifchbai. 145 beträgt, der über ein wohlgangbares, felfiges Plateau führt, jo it es fchwer ver- ftändlih, daß nicht fchon längft der Derfuh gemacht wurde, auf diefem Wege die Bevölferung mit dem Hotwendigften zu verforgen, Müt jener faft an das Wunderbare grenzenden Schnelligkeit, welche bisweilen die Umwandlung aller Derhältniffe in Südafrifa charafterifiert, hat fih auch auf der Tiger- Halbinfel feit unferem Befuche die Lage geändert. Wo Flamingos, Cormorane und ein Heer von Schwimm- und Stoßtauchern unbehelligt in einfamer Gegend fifchten, da herrfcht jest geräufchvolles Treiben. Eifenbahnfchienen werden gelegt und nicht lange wird es dauern, bis die erfte afrifanifhe Querbahn den Atlantifhen und Indischen Deean durch das füdlihe Angola, den Horden unferes füdweft-afrifanifchen Schuß- gebietes, durch Betjchuanaland und Transvaal verbindet. Sie findet Anfhluß an jenes gewaltige Unternehmen, welches Kapftadt mit ÜUgypten durch einen Schienenftrang in Beztehung fest. Daß die South-Weft-African Company, in der deutjche und englifhe Kapitaliten zufammenfließen, gerade die große Fifchbat zum Ausgangspunft eines Bahnunter- nehmens wählte, welches zunächft den Dtawi-Kupferminen gilt, liegt in der Hatur der Sache begründet. Die Große Fifchbat ift der grandiofefte natürliche Hafen der ganzen Weftfüfte; in ihr vermöchten fämtliche Flotten der Welt gleichzeitig vor Anfer zu gehen, ohne unter dent fchweren Wogengang zu leiden, welcher gegen die Tiger-Halbinfel — diefen lang- gezogenen Wellenbreher — anftürmt. Während der zwei Tage und drei Nächte, die wir in der Fiichbat fo ftill verbrachten, als ob wir im Hamburger Hafen lägen, machte fi draußen eine grobe See geltend, die in gewaltigen Brechern ihre Kraft an der Tiger-Halbinfel erfhöpfte. Keine Barre verwehrt den Schiffen das Einlaufen, und wenn auch zur Zeit die Anfteuerung wegen der geringen Erhebung der Düne und der in diefen Gegenden herrfchenden Refraftion nicht günftig ift, jo werden fich die Der- hältnifje beffern, fobald an Stelle der Bafe auf Tiger-Point (der äußerten Spite der Halbinfel) ein Leuchtturm errichtet wird. _ Wie bereits oben erwähnt wurde, fo verdanken wir wefentlich den englischen Dermeffungen im Jahre 1895 die Kenntnis der Thatfahe, daß die große Fifchbai nicht verfandet ift und im ihrer ganzen Ausdehnung günftigen Ilnfergrund bietet. Hätte man dies früher gewußt, fo wäre jie vielleicht längft in deutjchen Bejit übergegangen. Das portugiefifhe Gouvernement in Mioffamedes fie im füdlichen Angola auf fo viele durch Eingeborene und Wanderburen veranlaßte Schwierig- feiten, daß ihm der Befit verleidet wurde. Gegen mäßiges Entgelt war Portugal bereit, einen Teil von Süd-Angola einfhlieglih der Großen Fifchbat Deutfchland zu Thun, Aus den Tiefen des Weltmeeres. Zweite Auflage. 10 146 Die Große Sifchbai. überlaffen. Nachdem inzwifhen der Mletallreihtum des Gebietes und die günjtige Befchaffenheit der Bat erfannt wurde, lag es in der Yatur der Sache, daß man, unbefümmert um etwaige fpätere territoriale Geftaltung, die natürtihe Eimbruchs- pforte in Südweft-Afrifa zum Ausgangspunft eines großen imduftriellen Unternehmens wählte. Wie ein Jdypll aus längftvergangenen Seiten wird demjenigen, der das gefchäftige Treiben um anfonımende Güter- und Perfonenzüge auf der Tiger-Halbinfel vor Augen hat, die Schilderung Flingen, welde wir von der zur Heit unferes Befuches nody ein- famen und weltverlorenen Großen Fifhbai gaben. IX. Im Südatlantifschen Ocean, B25 dem Derlaffen der Großen Fifchbai gegen Mittag des 12. Oftober empfing uns eine durch ftürmifchen Südoft-Paffat aufgeregte, fchwere See. Alles mußte ge- dichtet werden, das Schiff holte reichlih Waffer über, und für die an Malaria-Reci- diven leidenden Mitglieder geftaltete fi) das Kiegen in den Kojen oft recht peinlich. Angefihts des Schlehten Wetters mußten wir auf die Abficht verzichten, längs der Küfte unferes füdweftafrifanifchen Schußgebietes die Unterfuhung über die Fifcherei- verhältnifje, wie wir fte in der großen Fifchbat begonnen hatten, fortzufesen. Es wurde weit vom Sande abgehalten, und erft am 15. OF tober gelang es, zur Not wieder einige Arbeiten vorzunehmen. Eine Ent- fhädigung für die Zeit der Un thätigfeit bot das Auftauchen der Kaptauben (Daption Ca- pense), denen fich bald aud) die erjten Albatrofje anfhlofjen. Ich habe diefe niedlichen, fchwarz- weiß gefprenfelten Kaptauben — Na = echte Sturmvögel mit [hwärzlichem ; Be = hwachem Schnabel — wahrhaft lieb ; a = : gewonnen, zumal fte uns auch fpäterhin es ee bis in den äußerften Süden treu blieben. Oft waren fie in großen Schwärnen verfammelt, um gierig nach den reichlichen Abfällen aus der Küche zu fchnappen, wenn das Schiff bei den verfchiedenen Dperationen ftoppte. Sie fchwimmen rafch auf die an der Oberfläche treibenden Broken los, tauchen aber nicht, wie ihre Derwandten, nad) den jchon tiefer gefunfenen Fleifchftükfen. Sonit folgen fie mit dem den Sturmvögeln eigenen graziöfen Fluge, ihren fhwarzgeränderten Schwanzfächer breit fpreizend, un- ermüdlich dem Schiffe. icht minder fefjelte es, dem großartigen fluge der Albatrofie (Diomedea exulans auf der Bildfläche erfchtenen, 10* (Schmidt phot.) Kaptaube (Daption Capense) an Bord. bewundernd zuzufchauen, die oft — man wußte Faum wie 148 Albatroije. Phosphorescen;. um entweder nach wenigen Mtinuten wieder dem Gefichtsfreife zu entfhwinden oder ftundenlang in weiten Bogen das Schiff zu umfreifen. Die Haltung bei dem Fliegen ift nicht gerade graziös zu nennen, infofern der Hals fharf eingezogen wird und der Kopf etwas plump dem Körper aufjtst; um fo mehr aber imponiert es, wie diefe Segler ohne Slügelfhlag bald über den Wogenfämmen fchweben, bald hoc über das Schiff fich er- heben und in allen Stellungen den Körper und die Flusflähe der bewegten Luft darbieten. Auch fie waren eifrig darauf erpicht, die Küchenabfälle fih zu nuße zu machen, trieben fih oft in Fleinen Herden um das Schiff umher und bifjen gierig nach der für fie eigens bergerichteten Angel, an der wir fie mit Keichtigfeit an Bord zu ziehen vermochten. Bier benimmt fich der gefangene Albratos in hohem Maße ungefchiet; er vermag nicht aufzufliegen, erhebt fich felten auf die Füße, um einige watjchelnde Schritte vor- wärts zu machen, und duct fih dann ruhig ergeben nieder, neugierig dte Umgebung mufternd, ab und zu mit einem Ffräftigen Schnabelhiebe unter ärgerlichem heiferem Blöfen den ihn zu nahe Kommenden verfcheuchend und gelegentlich den öligen Inhalt des Kropfes von fich gebend. Sun Abtöten wendeten wir Chloroform an, was uns wefentli dadurch erleichtert wurde, daß der mächtige Dogel fih Faum abwehrend verhielt. Bewährte das Treiben der Dögel bei Tage genußreiche Unterhaltung, fo war bei Abend das Meerleuchten nicht minder feffelnd. Yiemals ift es uns in ähnlicher Pracht geboten worden, wie gerade während diefer ftürmifchen Seit. Wie Nafeten fhoffen in dem Kielwaffer von der Schraube umbhergewirbelt große, in bläulihem Lichte erglühende, walzenförmige Körper umher, welche bei einigen gelungenen Derfuchen, fie zu erbeuten, fih als feuerwalzen (Pyrosomen) erwiefen. Dagegen trat das durch Fleine Keuchtfrebfe und fonftige niedere Organismen bedingte Phosphorescieren mehr in den Hintergrund. Es war auffällig, wie fhwadh entwidelt das Mtleerleuchten fich uns fpäterhin darbot; insbefondere vermißten wir während der ruhigen Mächte im äquatorialen Indischen Deean die aus dem Atlantifhen uns befannte ntenfität. Als wir endlih — am IT. Dftober — unfere gewohnten Unterfuchungen wieder aufzunehmen vermochten, hatte fich längft fchon eine gewiffe Norm für den Gang der vorzunehmenden oceanographifchen und biologifchen Arbeiten herausgebildet, die wir — jelbft auf die Gefahr bin, den Tefer mit Einzelheiten zu ermüden — doch nicht unterlaffen wollen, zu fchildern. Eine Befchreibung der wichtigften von uns benusten oceanographifchen Inftrumente mag dazu dienen, ihre Handhabung bei den einzelnen Operationen verjtändlich erfcheinen zu lafjen. Als unabweislich ftellte fi heraus, das Tagewerf mit einer Tieffeelotung zu beginnen, die wir aus Gründen, welche noch erwähnt werden follen, auch an jolchen Tieffeelotungen. 149 Stellen vornahmen, wo frühere Erpeditionen bereits gelotet hatten. Da die Kotung nicht nur über die Tiefe, fondern auch durch die aufgebrahte Brundprobe über die Befchaffenheit des Bodens Auffhluß gab, hing es dann wefentlih von diefen beiden Saftoren ab, welche Arten von biologifhen Unterfuhungen vorzunehmen waren. Selbit- verjtändli war auch der Seegang und das Abtreiben des Schiffes in Strömungen für den weiteren Gang der Arbeiten ent- fcheidend. Was nun die Kotungen anbelangt (ich fchildere die oceanographifchen Arbeiten mit Benußung von Angaben, die ich un- ferem Dceanographen, Dr. Scott, ver- danke), jo begannen wir mit ihnen ziem- lich regelmäßig früh amı Tage, meift um 91/, Uhr morgens. Die Mafchinen- wache wurde vorher benachrichtigt, daß geftoppt werden follte, und ließ den Danıpf- druck fallen, worauf das Schiff vor Wind und Strom fo hingelest wurde, daß auf jener Seite, von welder aus gearbeitet werden follte, Kup war. Wenn aud, wie früherhin auseinandergefest wurde, in den meiften Fällen die herrfchende Wind- richtung und die Stromesrichtung zufant- menfallen, jo Fommen doch immerhin Abweichungen vor, die befondere Dorficht in der Handhabung der Apparate be- dingen. Gleich fchwierige Derhältniffe Fönnen fich ergeben, wenn, wie wir es im Guinea- from und im Agulbasftrom fehr auf- fällig bemerften, eine XRichtungsdifferenz zwifchen der Strömung der oberen Waffer- & Schichten und derjenigen der tieferen Schich- SÜRAEINE Sul Sn: ten vorhanden war. In folhen Fällen jtand der Draht zuerft fenfrecht, bis er plößlich in Tiefen von 200—400 m unter dem Schiffe verfhwand. Da dann Gefahr vorhanden war, daß die am Draht angebundenen, Eoftbaren nfjtrumente durch die Reibung an den Bordwänden verloren gingen, bedurfte es des ganzen feemännifchen Gefchides 150 Die Sigsbee’fche Sotmafchine. unferes Kapitäns, um durch geeignetes NMlanöverieren mit dem vorzüglich gehorchenden Schiff den Draht wieder frei zu befommen. Im allgemeinen Fann hervorgehoben werden, daß es bei den Tiefenlotungen mit dem fchnellablaufenden Klavierfaitendraht meift möglih war, durch Mlanöver mit dem Ruder und der Mafchine den Dampfer dicht an der Stelle zu halten, wo der Draht im Meere verfhwand. Alan hatte dann eine Garantie dafür, daß die ausgegebene Drahtlänge der wirklichen Tiefe entfprehe. Daß das Manöpve- rieren in rafch fließenden Strömungen oder bei auffommendem ftürmifchem Wetter nicht leicht war, liegt auf der Hand. in lesterem alle wurde das Schiff mit dem Bug auf der See (gegen Wind und Seegang andampfend) gehalten. Um nun das Derfahren bet einer Tiefen- lotung zu fchildern, mag es geftattet fein, uns auf die mit der Sigsbee’fhen Mlafchine aus- geführten Sotungen zu befchränfen. Der wicdh- tigfte Teil der Lotmafchine ift die Trommel (a), auf welche der Kotdraht vor Abgang der Erpedition in einer Gefamtlänge von SOOO m vorfihtis aufgewidelt wurde. Der Durchmeffer der Tront- mel, die nah unferen Erfahrungen unter allen Umftänden aus Stahlguß bergeftellt werden follte, beträgt un- gefähr 60 cm, ihr Gewicht 140 ke. Don der Trommel läuft der Draht direft über das Mleßrad (2), auf deffen Achfe ein Hählwerf (c) be- feitigt ift, welches die Umdrehun- gen des Mießrades regiftriert. Bei der Sigsbee’fhen Kotmafchine Fam der Sigebee’fche Kotmafhine. Amfang des Mlegrades einem halben englifchen (Erflärung im Eert) Faden (O,J1 m) gleich. Die Reibung des über das Megrad gelegten Drahtes genügt, um das Rad in Bewegung zu feßen. Don dem Mieß- rad würde man den Draht direft in die See geführt haben, falls die Mafchine am Hed Aufftellung gefunden hätte. Da fie mittjchiffs Bafbord ftand, mußte man noch Bord- abitand zu gewinnen fuchen; diefem Swecfe diente der Davit (d), an dem ein Blod (e) hing. Der Draht glitt nun von den Miekrad über einen BloE (f) und den am Davit hängenden Blod (e) frei vom Daß der von uns für die Sigs- bee’fhe Mafhine benuste Kotdraht einen Durchmeffer von nur 0,9 mm aufwies und eine garantierte Tragfähigkeit von 200 kg befaß, wurde fchon gelegentlich der Befchreibung der Ausrüftung Schiff in das Wafjer. Broofe’ihes Tiefenlot. 151 men ee sse hervorgehoben. Wir hatten polierten Stahldraht von der firma Were Poehlmann in Mürnberg bezogen, der fich trefflich bewährte. Da- mit er nicht rofte, wurde er bei dem Aufholen des Kotes durch Broofe’jches Tieffeelot bei dem Auffommen, einen Matrofen von Seewaffer gereinigt und vor dem Aufwinden auf die Trom- mel durch einen zweiten AMlann forgfältig eingefettet. An dem Ende des Lotdrahtes war ein Dorläufer aus Hanf angebraht, an dem das eigentliche Tiefenlot hing. Die Tieffeelote find im allgemeinen derart Fonftruiert, daß um die Sotröhre ein eifernes Sinfgewicht an- gebracht wird, welches den Draht zum Mleeres- grunde hinabziehen foll, um dann unten lie- gen zu bleiben und die Drahtleitung für das Einwinden zu entlaften. Eine ältere Konftruf- tion, nänılich das Broofe’fche Tief- Broofe’fches Tieffeelot bei dem Herab= feelot, zeigt die mefjingene oder laffen. ; rg 5 % u > Schlammröhre zur Gewinnung von eiferne Kotröhre (2), weldhe von Stundproben. (Erflärung im Cert.) dem ovalen, in der Mitte durch- bohrten Sinfgewicht (a) umfcheidet wird. Kebteres wird mit Drabt an einer felbftthätig wirfenden Auslöfevorrichtung auf- gehängt. An dem oberen Ende der Nöhre find nämlich zwei furze, um den Bolzen c beweglihe Arme (d und d,) ange- bradt, und in der flahen Einferbung jedes dtefer Arme it jener Draht, der zum Sinfgewicht führt, aufgehängt; wenn das Kot den Grund berührt, fallen die zwei Arme in der durch Fleine Pfeile angedeuteten Richtung infolge ihrer Schwere etwas abwärts und die Drähte gleiten ab, fo daß das Sinf- gewicht felbft abfällt. Es Fommt indeffen vor, daß nur ein Draht abgleitet und das fchwere Gewicht hängen bleibt, was immer unangenehm ift, da es die Tragfähigfeit des Drahtes 152 Derfahren bei dem Kotent. bei dem Einwinden auf eine Fritifche Probe ftellt. In diefer Hinficht arbeitet das Sigs- bee’fhe Tiefenlot ficherer, da das Sinfgewicht hier nur an einem Hafen (a) hängt. An die Lotröhre wurden noch Schlammröhren, welche unfer Bafteriologe, Dr. Bahmann, Fonftruiert hatte, angefchraubt; fie beftanden aus Gasröhren von verfchiedener Länge und verfchtedenem Durchmeffer, welche, um ein Auswafchen der Schlanmprobe bei dem Aufholen des Kotes zu verhüten, oben durch ein Kugelventil gefchloffen waren. Wenn wir große Tiefen erwar- teten, benusten wir Sinfgewichte von 23 kg Schwere; bei geringeren Tiefen (unter IOOO m) genügte ein Gewicht von 15 kg, um das Kot _ En Er ae Re a ee a See z auf den Grund zu bringen. Bei dem Ausgeben des Kotdrahtes darf man das Lot Fr See ß mit Gewicht und Inftrumenten nicht frei fallen laffen, da bei der Grundberührung infolge des Trägheitsmomentes der fich drehen> den Mafchinentrommel und des Eigengewichtes des Drahtes die Be- wegung nicht zum fofortigen Stillftand Fommen würde. Käßt man das Lot zu rafch auslaufen, fo muß man gewärtig fein, daß die Grundberührung nicht erfannt wird, während gleichzeitig der im Überfhuf auslaufende Draht fih auffnäult und “Knice be- fomnıt. Das feine Koten großer Tiefen ift eine Kunft, die durh Erfahrung gelernt fein will. Es Fommt wefentlich darauf an, durch Anziehen einer Bremfe an der Trommel fo viel Hemmung zu erzielen, daß das Gewicht der außenftehenden Drabtleitung — ausschließlich des Sinfgewichtes — immer Font- penftert it; fobald dann das fchwere Sinfgewicht den Grund erreicht und Feine Jugfraft mehr ausüben Fann, fteht die NMafchine jtill. Hierbei ift weiterhin zu beachten, daß der Draht troß feiner Seinheit und feines geringen Gewichts (AODOO m des Drahtes wiegen in der Luft I kg) einen folhen Neibungswiderftand im Gh „ Sigsbee’fches Tiefjeelot bei dem Herab= Waffer findet, daß bei zunehmender Tiefe das Gewicht laffen. a ß x x ‘ : a. Yafe des Schlippers, welcher durch der außenftehenden Drabhtleine ausgeglihen wird. Bei einen Pallhebel (c) bei dem Herablaffen großen Tiefen nimmt die allmählich fich fteigernde Hem- fetsehelten wird. Bei der Grunde rührung fenft fich der Pallhebel (c) und mung derart zu, daß fie durdy ein Lüften der Bremife giebt den Schlipper frei, der durch eine x Feder (5) nach rüfwärts gedrüdt wird. überwunden werden muß. Kur Regulierung der AUb- Die das Sinfgewicht tragende Draht- laufsgefhwindigfeit dient eine Bremsleine (g), deren Der- re lauf unfere Figur (S. 150) nur teilweife erfennen läßt. Diefe Leine wirft hemmend an der Trommel, indem fie in eine Freisförmige Rinne eingreift, die an der auf der Figur nicht fichtbaren Trommelfeite angebradht ift. je ftärfer man das Bremsfeil anzteht, dejto jtärfer ift die Hemmung. Regulierung der Ablaufsgejchwindigfeit. 155 Das oben genannte Mießrad (2) fit fernerhin in eimem eifernen Schlitten (2), welcher zwifchen den Ständern (7 und 7) der Kotmafhine auf und ab gleitet. Er hängt nämlih an zwei Accumulatorfedern, die im Innern der Ständer angebracht find. Die durch die Federn bedingte Beweglichkeit des Schlittens dient zur Ausgleichung der den auslaufenden oder hereinfommenden Draht in unerwünfch- ter Weife beanfpruchenden Schiffsbewegung. HSugleich ift in finn- reicher Weife für em gleihmäßiges Kaufen der Trommel (a) dadurch geforgt, daß die Bremsleine auch) mit dem federnden Schlitten (2) in Derbindung gebradt ift, wie die Figur unter r erkennen läßt. Xollt das Schiff ftarf, fo dehnen refp. Fon- trahieren fich die Federn; der Schlitten geht nieder oder auf und infolgedeffen wird das in der Frifttonsrinne der Trommel liegende Bremsfeil felbjtthätig lofer oder fefter angepreßt. Während man den Draht mit einer Gefchwindigfeit bis zu 2,5 m in der Sefunde ablaufen ließ, wurde er nach der Grundberührung etwas langfamer (,9—2 m in der Se- Funde) wieder aufgeholt. Hierzu dient ein Eleftromotor, der in dem großen Kaften (im Dordergrunde der Figur) ent- halten ift. Bei »= ift der Griff angedeutet, vermittelft defjen man das Ein- und Ausfoppeln der Trommelwelle vom Elektromotor ausführt; die Mlotordrehungen werden ver- mittelft eines Schnedfenrades überfest. Eine Tiefenlotung von etwa 5000 m beanfprucht un- gefähr I!/, Stunden Seit, eingerechnet 5 7 Minuten, die man vor Beginn des Aufwindens abwartet, damit das Tiefenthermiometer am Meeresgrunde fich richtig auf die Bodentemperatur einftellt. Bei dem Einwinden des Kot- drahtes wird dte Trommel ftarf beanfprucht, da einige Taufend Wicelungen mit einer an fih nicht großen, aber fich ng direft addierenden Kraft auf dte Trommel Fommen. Da die Trommel der Sigsbee’fhen Kotmafchine nicht aus Bußjtahl De- jtand, wurde fie mehrmals auseinander gedrücdt, und nur der Gefchielichfeit unferes Mafchinenperfonals war es zu verdanken, daß die Reparaturen ftets vafh und eraft ausgeführt wurden. Als Beifpiel für die näheren Umstände und fpeciell auch für die Seitangaben mag eine an der KEisgrenze ausgeführte Kotung nach dem Protofoll des Dceanographen angeführt werden. 154 Dauer einer Kotung. Station 144. Tiefjeelotung a: BounvetzInfel und Enderby-Kand. Datum: 9. Dezember 1898 51/.— Dr:mH8nga Ss. Br. amd 30, ar RD, NG, Wind: rw. NO. 5. Heftiges Schneegeftöber während der ganzen Kotung; Eisberge und Treibeis ringsum. DR m. Seegang: rw. NO. 5; hohe lange Dünung aus NW. £ufttemperatur: — 0,5° C. Temperatur des Meerwaffers an der Oberflähe: — 0,0°C. n a R am Grund: —0,4°C Benubt wurde die Sigsbee’fche Kotmafchine, ein Sinfgewicht von 23 kg und ein Tegretti-Sambra’fches Kippthermometer. Die untenjtehenden Zahlen geben — indem der Beginn der Kotung auf 0" 0" O° einer Sefundenuhr angefest ift — die Gefamtdauer und die für je OO Umdrehungen des Sählwerfes benötigte Seit an; eine Umdrehung des Hählrades war genau !/, englifher Faden. Draht hinab: 1 | Ennürebunaen Seit ro a eu Zumdrehurngen Seit | pro ee (a Faden) (Min. Ser) |? ae SR (Me Faden) | (Min. Set.) ee z Zurse, DS | | 0 O0 0 | 4400 29 25 45 1000 6 0) 56 4500 307.10 45 1500 973325 AL 4600 50 55 45 2000 12 45 40 4700 re) 42 2500 16 7 40 4800 BEE20 45 5000 19 40 | 45 4900 3D 5 45 5100 20 20: | 40 5000 55 45 40 5200 20 57 | 37 | 5100 54 30 45 5500 21 40 45 5200 55 12 | %2 5400 12722 5} 55 5500 en ee, 45 5500 22 52 5 5400 36 30 | 45 5600 23 35 45 5500 37 25.| 45 5T0O 2 18 45 50600 58 14 4% 5800 25 5 45 TOO 387.00 45 5900 25. 50 47 5800 39 55 45 4000 >26 50 40 5900 40 18 45 4100 | 27. 12 42 | 6000 41 5 4 4200 27 55 45 | 6100 41 8 58 4500 | 28 40 45 6200 2 50 47 ın Bei 6270 des FZählwerfes ftand die Kotmafchine, d. h. die Tiefe war 6270 halbe Faden = 5155 Faden = 5755 m. Das Lot war alfo in rund 45 Mlinuten bis zum Aieeresgrund gelangt, und die mittlere Fallgefhwindigfeit betrug von Tieffeethermomeeter. 155 o1 3000 m Tiefe an ungefähr 44 Sefunden pro IOO (!/, Faden) oder pro Sefunde 2AlmE Das Einwinden des Drahtes mittels des Eleftromotors dauerte 1" 0" 55°; pro Sefunde wurden alfo 1,6 m eingehievt. Es dürfte vielleicht von Intereffe fein, einige allgemeine Angaben dem hier Er- wähnten noch hinzuzufügen. Wir führten ungefähr 180 Kotungen aus, bei denen rund 868000 m Draht bewegt wurden. Da wir 6622 m Draht verloren, fo beläuft fich der Derluft auf 0,7%,. Im Dergleiche mit den Derluften, welche die Kabeldampfer verzeichnen, Fönnen die unfrigen als fehr mäßige gelten. Wenn man weiterhin in Betracht zieht, daß wir von dem Klavierfaitendraht der Sigsbee- Mafchine nur IAT m, von der gedrehten Drahtlite der Se Blanc-Mafhine dagegen 6505 m verloren, jo würden die Lotungen mit erfterer allein nur O,O1°/, der bewegten Drahtlänge an Derluft ergeben. Die Derhältnifje liegen für die amerifanifhe Mafhine infofern noch günftiger, als wir fie 54 mal, die Le Blanc-Mafhine nur 46 mal benusten. Hierbei wurden II) Sinfgewichte a 28 kg und 54 Sinfgewichte A 15 kg verbraudit. Dberhalb der Kotröhre wurde ftets ein Tieffeether- mometer befeftigt, welches die Temperatur des Wafjers amı Meeresgrunde angab. Da in den tropifchen und ge- mäßigten Xegionen die Temperatur fucceffive gegen den Mleeresgrund abnimmt, fo verwendeten wir hier Mlari- munme= und WMinimun-Thermometer, die gegen die ge- waltigen Drude (pro IO m eine Atmofphäre) durch eine befondere Glashülle gefhüst find. Wlan lieft an ihnen die Atinimumz=Seite ab unter der Dorausfesung, daß die Mtini- mume=Tenperatur der größten Tiefe, in dte man das n- ftrument verfenfte, zufommit. In dem antarftifchen Mteere Kipptbermometer mit feinen fpäter noch zu fchildernden verwidelten Tent- Se TETK onen peraturverhältniffen (an der Oberfläche ift es Fälter als in tieferen Schichten) erwies es fih als notwendig, die von Üegretti und Sambra Fonftruierten Kippthermometer zu ver- wenden. Bei diefen Therniometern ift die Kapillarröhre bei z derart verengt, daß, wenn man das Inftrument umfehrt, ein der betreffenden Temperatur genau entjprechendes 156 Kippthermometer, Tieffeewafjerfchöpfer. Stüf des Quedfilberfadens abreißt und in den unteren Teil der Kapillarröhre fällt, wo es als Fleine Mlafje fo gut wie Feine Ünderungen durch fpätere Temperatureinwirfungen erleidet. Um nun dtefes Umfippen zu bewerfitelligen, wird das durch eine Metallhülfe (2) gefhüste Thermometer in einem Metallrahmen (c) in labilem Gleich- gewichte aufgehängt. Das Thermometer Fippt um, fobald die Spindel (d) des Propellers (e) fih auf- wärts aus der Therniometerhülfe herausgedreht hat. Diefes Freigeben des Thermometers erfolgt, nachdem man das Inftrument durch eine O—I5m mächtige Wafferfchicht aufwärts gewunden und die Propellerfchraube (e) dadurh in Thätigfeit gefest hat. Die Teilung nah Graden it auch gleich für diefe Stellung und für den abgerifjenen Qued- filberfaden berechnet und ange- bradt. Yicht genug damit, daß man bet einer Kotung über die Tiefe, die Befchaffenheit des Schlammes und die Tiefentemperatur orientiert wird, fucht man auch eine Probe des Tiefenwaffers zum Hwede che- | mischer Unterfuhung zu gewinnen. Fu _- Diefem Swelfe dienen Tieffee- Sinpthermenetenee Megveiffuund’Santbra wafsferfhöpfer, deren wir meh- PET rere Konftruftionen benusten. Sur Gewinnung von Grundwafjerproben verwendeten wir meift den Sigs- bee'fhen Wafferfhöpfer, zumal da es fih um Fleinere Inftrumente von 1/, Kiter Fafjungsvermögen handelte, die ohne Bedenken dem Kot- draht anvertraut werden Fonnten. Das Gefäß wird durch einen Mefiing- cylinder (a) gebildet; zwei Dentile, von denen nur das eine (2) fihtbar ift, und die miteinander dur eine Stange verbunden find, verichliegen oben und unten den Cylinder, jobald durch den Flügelpropeller (c) bei dem Aufbolen des Inftrumentes die Schraube (d) in Bewegung gefetst Sigsber'fcher 5 ä ’ 6 : s A 2 Tieffeewajjer- wird. Die lestgenannte wird hierbei auf das obere Dentil aufgedrüdt, saöpfer. Petterfon’s Wafjerfchöpfer. 157 Elemmt fowohl diefes, wie auch das mit ihm durch eine Stange verbundene untere auf den Cylinder feft und ftellt dadurch einen ficheren Derfhluß her. Die Sigsbee- Pd fhen Apparate find für die Feftitellung des Salzgehaltes oder des fpecifiichen Ge- wichtes des Seewafjers fehr bequem; fie eignen fih aber nicht für Gasbeitimmungen, weil das heraufgebracdhte Waffer nicht gegen die in den Tropen ftarfen Tent- peraturänderungen zwi- fchen Tiefe und Dber- fläche gefhüst ift. In diefer Hinficht tft ihnen der Petterffon’ihe tfolierende Waf- ferfhöpfer über- legen, den wir in einem ziemlich großen Eremplar an Bord hatten und für alle Unterfuhungen, bei denen es jih um Be- ftimmung des Gasge- haltes handelte, ver- werteten. Der Appa= rat Shüst dadurch ein Quantum Tiefenwaj- fer gegen nadträg- lihe Temperaturein- wirfungen, daß er aus einer Neihe in- einandergefügter, Fon- zentrifcher Meffingeylin- der befteht. Mur der innerfte Petterffon’s ifolierender Tiefenwafjerfchöpfer < d R er 5; bei dem Berablaffen. Wajjercylinder wird für die Entnahme der Probe benusßt; um ihn liegende Wafjerringe Petterffon’s Waflerfchöpfer follen bei der großen fpecififchen Wärme des Waffers refp. Betib emenintEommıen, der großen Trägheit gegen Temperaturänderungen den imnerjten Teil gegen Er- wärmung fhüsen. Die beiftehende Figur zeigt den Apparat offen und fertig zum Derjenfen in die Tiefe. Der Derfchlug wird oben und unten gleichzeitig durch mehrere 158 Yachmweis einer Derfeihtung im füdatlantifhen Ocean. Gunmiplatten (a), welhe am Dedel (6) und am Boden (c) befeftigt find, bewirkt, und zwar dann, wenn der Schraubenpropeller (d) die Hafen (e) fo weit auseinander bewegt hat, daß der unter dem Huge eines Gewichts (f) ftehende obere Derfchlußdedel (6) mit Gewalt herab auf den Eylinder g fällt. Tritt dies ein, dann fällt auch der Cylinder famt Dedel auf den unteren Abfchluß c und es ift ein größeres Quantum Tiefenwafjer allfeitig abgefperrt, das man fpäter mit Be- quemlichfeit vermittelft eines am Boden befindlichen Dentils abfüllen Fann. Es braucht wohl Faum erwähnt zu werden, daß der Schraubenpropeller (2), wie bei verfchiedenen fchon vorher Querfchnitt durch den Petterifon’fchen Wafferfchöpfer. erwähnten Inftrumenten, fih infolge fchnellen Aufholens in a. Der innere, die Wafjerprobe ent- a h R - n nalekderesfirbenn dem Wafjer bei vertifalem Suge in Bewegung feßt. Wie notwendig es war, daß man vor Ausführung aller fonftiger Operationen fich zu- nächit felbft in jenen Regionen, die anscheinend genügend durchlotet find, über die Nelief- verhältniffe des Meeresgrundes orientiert, mag ein Dorfommmis am IC. Dftober lehren. Als wir am genannten Tage bei ruhigerer See wieder unfere gewohnten Arbeiten in vollen Umfange aufzunehmen vermocdten, befanden wir uns unter 25° 26’ f. Br. und 6°19' 8.8. Die Seefarten geben in der Mähe diefer Pofition außerordentlich große Tiefen an, und fo wurde im Binblid auf die früheren Kotungen ein Dertifalug bis 2000 m Tiefe angeordnet. Als das Net hoch Fam, war es zu unferer Über- rafhung auf den Grund geraten und teilweife gefüllt mit einem feinen, gelblichen Foraminiferen-Schlid. Wlerfwürdigerweife blieb der feidene Gazebeutel unverlest und enthielt eine in den Schlif eingebettete auffällig große, hochrot gefärbte Krabbe aus der Gattung Geryon. Die fofort vorgenommene Kotung überzeugte uns von der über- rafchenden Thatfahe, daß wir auf eine bisher unbefannt gebliebene Banf geftoßen waren, auf der wir zwei Kotungen mit JS und 956 m ausführten. Da derartige mitten im Dcean gelegene Erhebungen nad früheren Erfahrungen ftets ein reiches Tierleben aufweifen, wurde ein Schleppzug angeordnet, der denn auch das reichite Refultat lieferte, daß wir nach dem Derlaffen der Faröer zu bezeichnen hatten. Mehr als hundert große, rote Krabben (Geryon), ein Dutßend jener eigentümlichen, mit plumpem Kopf nnd monftrös vergrößerten Augen ausgeftatteten Tieffeefifche aus der Familie der Macruren, eine Anzahl von Korallen, Seewalzen und Ranfenfüßlern waren in dem fchwergefüllten Yetbeutel enthalten. Einen befonders auffälligen Beftandteil des Fanges bildeten zahllofe Einftedlerfrebfe (Paguriden), deren Körper in Schneden- Schalen ftecten, welche ihrerfeits wieder von violetten Aftinten aus der Gattung Zoan- thus befest waren. Die Polypen find groß und rofettenförmig im Unikreife der Schale Tieffeefauna. 159 zu zehn bis zwölf angeordnet. Da ihre Keibeshöhlen an der Bafis miteinander ver- einigt find, ftellen fie eine Kolonie dar, deren Einzelindividuen in eine gallertige Grundfubftanz eingebettet find, über welche fie nur mit ihrem vorderen Abfchnitte hinausragen. Die hofoladebraunen falten der Mägen, an denen dunfelrote Eimafien hängen, heben fich fein abgetönt von dem Diolett der Gallerte ab. Die Polypen hatten den Kalf der Schnekenfhalen völlig aufgelöft und nur den hornigen Belag derfelben Geryon aus Y81 m. Oben Männchen vom Rüden, unten Weibchen von der Bauchfeite. Balbe natürliche Größe. unverfehrt gelafjen. Da indefjen die gallertige Grundfubftanz faft Fnorpelhart tft, bieten ie dem Einfiedlerfrebs genügend Schub für den zarten Binterleib. Eine derartige f } 3 ? q Dergefellfihaftung oder Symbiofe zwifchen Paguriden und Aftinten ift auch bei Ober- g ) g Y 3 ) g flächenformen weit verbreitet. Beide haben ihren Dorteil von derfelben: die Aftinten, indem fte von den Speifereften der Krebfe leben, die Einftedlerfrebfe, indem fie durch die mit Hefjelfapfeln ausgeftatteten Polypen gegen Angriffe Schuß erhalten. 160 Tiefentemperaturen im füdatlantifchen Ocean. In oceano:- sraphifcher Hin- von uns geführte Hachweis einer mitten im füd- lichen Ocean ge- legenen Untiefe nicht ohne jn- terefje fein. Wenn man er: wägt, daß wir fhon am näd)- ften Tage, nur 11; Breitegrad füdlicher, eine Tiefe von 5040 m loteten, jo er= giebt ih zwi- jchen beiden Po- fittonen eine Dif- ferenz von mehr als 4000 m. Der fpäteren oce- Paguriden mit Zoanthus vergefellfchaftet, aus 981 m. a. NUnverfehrte Kolonie vom Rüden. 5. Die eingefchloffene und aufgelöfte Schnedenfcale freigelegt. ce. Der Einfiedlerfrebs freigelegt. d. Polypen im £ängsjchnitt und Krebs. anographifchen > { Balbe natürliche Größe. Forfchung bleibt es vorbehalten, ein intereffantes Problem zu löfen, auf weldhes Prof. Supan im Anfhluß an unfere Kotungen aufmerffam madht. Aus einem Dergleiche der Tiefen- temperaturen nördlich und füdlich der von uns aufgefundenen Derfeichtung ergiebt es jich nämlich, daß dte Mittelwerte der Temperaturen in Tiefen von 4000 m und darunter Unterfchiede von nahezu 2 Grad aufweifen. NHördlih, in der „Südafrifanifchen Mulde“, Liefern 15 Meffungen einen Mittelwert von 2,4°; füdlich, in der „Kaps Mulde“, erhält man aus I Mieffungen einen Mittelwert von 0,5°. Aus diefen Differenzen zieht Supan fcharfiinnig den Schluß, daß ein unterfeeifher Rüden, der „Walfifh-Rüden“, welcher vermutlich in der Mähe der Walfifschbat mit dem füdafrifanifchen Socdel fich ver- einigt, als Querriegel zwiihen das antarftifhe und atlantifhe Tiefenwajffer eingefchaltet ift. Wie aus unferer Kartenjfizze auf $. 72 erfichtlich ift, fo dürfte der Walfifh-Nüden mit dem Atlantifhen Rüden zufammenfliegen. Wenn fih thatfählih ergeben follte, Schleppnebjug in großen Tiefen. 161 daß wir nicht eine lofal umgrenzte Bank, fondern einen Teil einer langgejogenen Schwelle anloteten, fo würde diefe eine Parallele zu dem „Isländifhen Rüden“ (vergl. S. 46) darbieten. Wie Ietterer das Falte arftifhe Tiefenwafjer von dem nordatlan tischen Dcean abgrenzt, fo würde der Walfifh-Rüden dem Dordringen des Falten ant- arftifhen Tiefenwaffers in den füdatlantifhen Dcean einen Riegel vorfchieben. Der Südoft-Pafjat hielt bis zum 28. Grad f. Br. an, und wich dann wechjelnden Winden, weldhe ruhiges Wetter im Gefolge hatten. Wir nusten es für Stufenfänge mit den großen Dertifalnesen an einer und derfelben Stelle in verfchiedenen Tiefen aus. Sie follten hauptfählih dazu dienen, die obere Derbreitungsgrenze einer Anzahl eigen- artiger, von uns ftets in den Tiefennesen erbeuteter Organismen Fennen zu lernen. Da diefe großen, freifehwinmenden Krufter und Fiihe den Fleinen Schließnesen aus- weichen, vermochte lediglich die Anwendung der Dertifalnese den immerhin bemerfens- werten Auffchluß zu geben, daß erjt unterhalb TOO m die Dlutroten oder bleichen Krebfe, welche zum Teil blind jmd, die fammetihwarzen Tieffeefifhe und ungemein zarten, Ödurchfichtigen KLephalopoden vorfommen. Daß wir die Hahl der pelagifch lebenden, 8. h. freifhwimmenden, Tieffeeorganismen bei diefer Gelegenheit durch die Entdefung von neun Lentimeter großen Uppendifularien bereicherten, mag beiläuftg er- wähnt werden. Ihre Derwandten find Hwerge im Dergleiche mit diefen dSurchfichtigen Riefenformen, die wir um fo weniger verfehlen werden, dent Kefer im Bilde vorzuführen, als der Fund nady feinem Befanntwerden das allgemeine Intereffe der Soologen erregte. Da wir von dem ausgefeßten Boote aus auch eifrig der Fischerei an der Oberfläche nachgingen, jo mag nur hervorgehoben werden, daß zwei Tage hindurch eine bisher nur fehr felten beobachtete Salpenart (Salpa flagellifera) in erftaunlichen Mengen auf- trat. Sie bildete bisweilen gelblich gefärbte Schwärme von der Känge des Schiffes, in denen die Surchfichtigen Individuen jo dicht gedrängt waren, daß die Schöpfgefäße wie mit einem lebendigen Brei erfüllt Schienen. Am 20. Dftober entfchloffen wir uns zu einem Schleppneszug in der größten bisher von uns durchfifchten Tiefe von SIOS m. Es fchten wünfchenswert, daß wir das Kabel und die Seilleitung vor dem Eintritt in das antarftifhe Gebiet, welches vorausfichtlich Feine geringen Anforderungen an die Keiftungsfähigkfeit der Apparate ftellen würde, bei den fchwierigen Operationen in fo großer Tiefe einer gründlichen Prüfung unterzogen. Um dem Kefer eine Dorftellung von der Seit zu geben, welche ein Dredfchzug bei Tiefen über 5000 m beansprucht, jet folgendes erwähnt. Das große Schleppneß (Trawl) wird vor Beginn des Zuges hergerichtet und mit drei eifernen Dliven von je 25 kg (zwei hinten am Vebfad, eine an dem Vorläufer aus Hanf direft vor dem Hetse) belaftet. Während die Mafchine ftoppt und der Dampfer ftill liegt, läuft fo viel Drahtfeil aus, als die Kotung anzeigt; ift das Ueb über dem Grunde angelangt, Thun, Aus den Tiefen des Weltmeeres, Zweite Auflage. ı 162 Derfahren bei dem Dredfhen in großer Tiefe. fo wird langfame Fahrt gemaht und noch ein Drittel der bisher ausgegebenen Seillänge hinzugefügt. Um eine Seillänge von 6COO m auszugeben, bedurfte es 5 Stunden. Indem nun bet Rücwärtsgehen der Mafchine eine Stunde lang unter jtändiger Beobahtung des Dynamometers gedredfcht, und fpäter in 41/, Stunden das eb aufgewunden wird, beanjprucht der Zug IO!/,, einfchlieglich der Kotung 15 Stunden. Ein Dredfhzug in großen Tiefen tellt an alle Beteiligten, nicht zum mindeften auch an das feemännifche Gefchiet des Kapitäns, hohe Anforderungen. Es würde zu weit führen, wenn wir die Technif des Dredfchens hier auseinanderfeten fie wird zudem von Wind und Seegang derart beeinflußt, daß einheitliche Regeln fih fehwer geben laffen. Wie das Schiff dafür Sorge getragen wird, daß hinzulegen tft, auf welche Weife das Kabel unter einem joll, frei vom Schiffe abfteht, ob Schleppens des Trawls auf dem oder rücwärts gehen läßt, welche der nicht mehr als 90° betragen man während des langfamen Grunde die Mlafchine vorwärts AMNanöver auszuführen find, wenn der Hug auf den Dynamometer die normale Grenze überfteigt oder wenn gar das Tramwl auf dem Grunde feftfommt: dies alles ijt den jeweiligen äußeren Der- Manganeifenfnollen aus 5108 m Tiefe. Habezu halbe natürliche Größe. hältniffen anzupaffen. Dabet hat der die Seilleitung überwachende Dffizier feine Auf- mierffamfeit darauf zu richten, daß die an den Dampfwinden und an der großen Kabeltrommel befhäftigten Matrofen zufammenwirfen und fich gegenfeitig unterftüßen, da anderenfalls ein Unfall im Hinblit auf die hohe Spannung, welcher das Kabel ausgefest wird, nicht ausgefchloffen ift. Wenn niemand während des Dredfchens verunglücte, wie dies früheren Erpeditionen nicht erjpart blieb, fo ift dies wefentlih der gefpannten Aufmerffamfeit und Hingabe aller Beteiligten zu verdanfen. Man atmete jedesmal auf, wenn das Trawl aus großen Tiefen glatt auffam, und die Beflemmung machte der Erwartung auf das Refultat aller Mühen Plab. Manganeifenfnollen. 165 In unferem falle entiprach das lettere infofern nicht den Hoffnungen, als nur ein Bruhftük einer Seewalze in dem este enthalten war. Dafür entjchädigte ein anderer merfwürdiger fund, nämlich gegen 50 fauftgroße, fhwarze Nlanganfnollen, die riejigen Brombeeren glihen. Es waren ungewöhnlich jhöne Stüde, wie fie bisher noch nicht im Atlantifhen Dcean zur Beobahtung gelangten. Die Challenger- Erpedition und der „Ulbatroß" haben fie häufig im Lentrum des füdpacifiihen Dceans gedredfcht, aber nur felten größere Stüde, als die von uns erbeuteten (das größte Eremplar befist einen Durchmeffer von 8 cm) erlangt. Auf dem Durdfchnitt weißen fie eine Fonzentrifche Schihtung auf und die chemifhe Analyfe ergiebt einen hohen Prozentjat von Manganeifen. Es wird Aufgabe des Chemifers fein, ihre bisher noch nicht befriedigend aufgeflärte Entjtehung aus Serfeßungsproduften des Tiefenfchlammes Flarzulegen. Das füdliche Kapland und die Aqulhas-Banf, Während wir jeit dem 18. Dftober große Tiefen über 5000 m gelotet hatten, fo belehrte uns die rafch erfolgende Abflahung am 25. Dftober, daß wir uns dem Kaplande näherten, das denn auch gegen Hachmittag des 26. Dftober zuerft duftig, dann immer Flarer hervortretend vor unferen Blifen auftauchte. Die füdöftlihen Winde hatten nach einigen ftürmifchen Tagen abgeflaut, die See war ftil, das Barometer begann bei leichtem Südweit zu fteigen, und jo wurde der Tafelbai mit Devil’s Peaf. 11* 164 Im Bintergrunde der Tafelberg, rechts Kion’s In der Taf Head, e der Signalhügel und die Häufer von Scapoint. (gnpanaag wiyspoar u quiazloans uaqualplaaay uog pang quıl nauudg Ac) ‘gp3g=suorg up warf Slphgunyog Scenerie des füdlihen Kaplandes. 165 Entihluß gefaßt, ohne Aufent- halt in Kapftadt unverweilt die Unterfuhung der wegen ihrer Stürme berüchtigten, dem Sü- den des Kaplandes vorgelager- ten Agulhas-Banf in Angriff zu nehmen. Es fiel uns aller- dings fchwer, uns von dem großartigen Panorama loszju- reißen, das fih dem über- rafchten DBlide darbot. Der Tafelberg beherrfcht die Scene- tie, Iimfs von dem fteil abfal- Be — mm, oz ze" lenden Kegel des Devil's Peaf, EN Das Kap der quten Hoffnung. (Marloth phot.) rechts von dem Kion’s Head Bas flankiert. Es ift ein großartiger Rahmen für die Kapftadt, welhe wir nur flüchtig mit dent Blife muftern Fonnten, da wir uns darauf befhränften, frifhe Lebensmittel einzunehmen und Profeffior Shimper an Sand zu fesen. Der leßtere benuste die Seit, welche wir auf die Erforfchung der Agulhas-Banf und der füdlihen Kapfüfte verwendeten, zu einer botanifchen Erfurfion in die Forften von Knysna und auf Dehfenwagen — warob er von uns viel beneidet wurde — weit in das innere des Kaplandes bis zu der Karroo. Als wir am Abend die Tafelbai verließen, tauchte die Sonne in das Mleer und übergoß den Tafelberg und das romantifh. an ihn fih anfchliegende Apojftelgebirge mit tiefem Rot, während das Meer fhwärzlih-blau mit faft glühend roten Kämmen fharf von dem Lande fihh abhob. Wir hatten den feltenen Anblid der über dem Tafelberg wie ein gewaltiges Polfter ausgebreiteten Wolfenmafje, des fogenannten Tafeltuches: ein unfehlbares Seichen, daß ein Umfchlag in der Witterung bevoritand. Bei dem Unfahren des fteil und wuchtig in das AMleer abfallenden Kaps der guten Hoffnung machte fich bereits ein frifcher Weftwind geltend, der denn auch während der nächten Tage häufig ftürmifch anfachend anhielt und uns nötigte, unfere Arbeiten in die Buchten des füdlichen Kaplandes zu verlegen. — Mit der Tafelbat fann es an wirfungsvoller Umrahmung nur noch die ihr gegenüberliegende Falfebat aufnehmen, während fhon gegen den füdlichiten Punft des Kaplandes, Bi gegen das Kap Agulbas, die Küfte abflaht und mit breiten Sandflähen gegen = verftreicht. Tag für Tag liefen wir in eine diefer Buchten ein und lernten « r Reihe nach die Mofjelbai, die Plettenbergbat und die Francisbai Fennen. Der ne war jtets ein ähnlicher: ein weites, zu Beginn des füdlihen Frühjahres mit grünen Matten 66 In der Algoabai. l ” q bedetes Dorland, im Bintergrunde niedrige Höhenzüge, über weldhe ab und zu die Bebirgsketten des Inneren in bläulichem Duft hervorragten. Yur die Plettenbergbai wird zum Teil von ausgedehnten Waldungen, dem berühmten, in rationelle Kultur genommenen forft von Knysna, umrahmt. An den vorfpringenden, in Klippen aus- laufenden Zungen, weldhe die Buchten abgrenzen, ftand ftets eine Schwere Brandung und die aufgepeitfchten Wafjermengen löften fih in feinen, die gefährlichen Niffe ver- hüllenden Staub auf. So donnerten denn auch am Abend des 29. Dftober die Wogen gegen das jturm- umbraufte Kap Recife an, nad defjen Umfahren fich der Ausblif auf die Algoabai eröffnete. Sandflächen, Steppen und Fahle Hügel umfäumen die gewaltige Bai, in deren Hintergrund allmählich die weißen Häufermaffen von Port Elizabeth auftauchen. Die offene Reede bot immerhin Schub gegen den ftürmifchen Meftwind, und es Fam uns feltfan ungewohnt vor, als wir nach dem fchweren Seegang der porausgehenden Tage auf ruhiger, glatter Fläche anferten. Das Erjcheinen des großen weißen Dampfers, welcher die Neichsdtenftflagge führte, erregte Auffehen in Port Elizabeth. Alan vermutete erjt ein deutfches Kriegsichiff, vermochte aber die Kadebäume mit diefer Deutung nicht in Einklang zu bringen. Auf Deranlaffung des deutfchen Konfuls Fanı rafh ein Kotjenfutter angefahren, defjen Führer freilich ob der ihm erteilten Ausfunft Fopffchüttelnd das Weite fuchte. Auf die frage, woher wir fämen, lautete die Antwort unferes Kapitäns: „from the North- pole“. Als man dann zögernd das Neifeziel wiffen wollte, erdröhnte es ebenfo prompt: „to the Southpole“. Konful Shabbel, der mit Dr. Hofmann, dem betagten und rüftigen deutjchen Arzte, bald an Bord erfchien, hatte freilich den Simm des Drafels rajh enträtfelt und [ud mit gewinnender HerzlichFeit die Mitglieder der Erpedition zu einem Befuche von Port Elizabeth und zu einem gefelligen Zufanmenfein in der deutfchen „Kiedertafel” ein. Port Elizabeth mit feinen 26000 Einwohnern madht den Eindruf einer vafch aufftrebenden und wohlhabenden Stadt. Das gefchäftige Treiben in den breiten Straßen mit ihren lururiöfen Bauten, Bankhäufern, großen Erportgefhäften und dem gleich am Hafendanım fich erhebenden eleganten Stadthaus deuten darauf hin, daß wir es mit einer Handelsempore zu thun haben, welche Kapftadt an Bedeutung fajt gleich fommen dürfte. In der That repräfentiert Port Elizabeth den natürlichen Stapelplat und Ausgangspunft für den Handel mit dem nördlichen Kapland, dem Freiftaat und Transvaal. Allerdings führten unfere KSandsleute, von denen wir mit Stolz fagen dürfen, daß fie das ausfchlaggebende Element in Port Elizabeth bilden, lebhaft Klage, dag nach dem Einfall von Jamefon der Erport von Transvaal merflich abgenommen habe. Es läßt fich fhwer jagen, weldhe Rüfwirfung auf den Handel von Port Elizabeth der unglücfelige Krieg haben wird und wie die dortigen Derhältnifje fich weiterhin Port Elizabeth. 167 Princeß=Street in Port Elizabeth (ältere Aufnahme). entwickeln werden. — Die Stadt ift mit einer eleftrifhen Bahn ausgeftattet, welche jteil gegen dte Höhen durch) anmutige Straßenzüge auffteigt, die von niedrigen, mur zweiftöcigen und von Deranden umfäumten Dillen gebildet werden. Auf der Höhe liegt der Sammelplat der Bewohner, nämlich der Stadtpark, bei deijen Anlage man darauf Bedaht nahm, die charakteriftiichen Pflanzen des Kaplandes in anfprechenden Gruppen vorzuführen. Dies alles ift dem trocdenen, vrötlichen Steppenboden abgerungen, über den ungehindert die Weftwinde braufen und die Stadt mit Sand und Staub überjchütten. Im Süden und Weiten wird fie von einer malerifchen Schlucht umfäumt, jenfeits derer ein Kaffernfraal errichtet ift, dem wir nicht verfäunten, einen Befuch abzuftatten. Im den anfpruchslofen, großen Bienenförben gleichenden Hütten herrfchte ein buntes Treiben. Da die Kaffern zu den mannigfachiten Dienftleiftungen in der Stadt herangezogen werden, jo weifen fie durch vielfältige Dermifchung zum Teil nicht mehr den reinen Eypus auf, wie denn auch andererfeits Mischlinge mit den Hottentotten uns häufig entgegentraten. In der Stadt gehen fie nach Polizeivorfchrift vollftändig befleidet, in ihren Hütten werfen fie den modernen Plunder ab und fühlen fich wieder als Kaffern. — Wir wurden anfänglich mit mißtrauifhen Bliden und oft unwilligen Worten em- pfangen, bis fpäterhin das fehwarze Dolf allmählich zutraulicher wurde in der Erfennt nis, daß wir Feine Geheimpoliiften waren, welche dte Hütten nach dem Nationaltranf, dem Kaffernbier, revidieren follten. Dies wurde allerdings reichlich Fredenzt und dte 168 Kaffernfraal. Folgen machten fih bald in einer übergroßen Särtlichfeit der Pärchen, bald in ftür- mifchen Willfonmenbezeugungen uns gegenüber geltend. Immerhin verdient hervor- gehoben zu werden, daß die Kaffernmädchen wegen ihrer moralifcheren Lebensführung weit den BHottentottinnen als Dienjtboten vorgezogen werden. Don den Höhenzügen oberhalb Port Elizabeth bietet fich ein prächtiger Blif auf die mit Schiffen überfäte Neede und die weit ausgedehnte Algoabai. Es läßt jich freilich nicht leugnen, daß Kapftadt durch feine großartigen Hafenanlagen Port Elizabeth weit überlegen it, deffen Reede bet gelegentlich eintretendem Südojtfturme die Schiffe Im Kaffernfraal bei Port Elizabeth. allen Unbilden des Seeganges preisgiebt. Dft find fie dann genötigt, die Anfer zu lihten und gegen die See anzudampfen. Da uns das Wetter günftig war, verwendeten wir einen ganzen Tag auf die Unter- fuhung der Algoabai, die uns an manchen Stellen einen überrafchenden Neichtum von auf dem Grunde fetjisenden Drganismen Fennen lehrte. Umfhwärmt von Mlöven und fhwärzlichen Sturmtauchern (Puffinus), von denen die erfteren gewandt im Fluge nach ausgeworfenen Fleifchjtüfen fchnappten, die Ictteren erft fih auf das Wafjer niederliegen, die Brocken faßten und dann über die Oberfläche weggtrippelnd aufflogen, gelangten wir in die WMähe des einfamen, vegetationslofen Eilandes St. Croir. Bier Die Uaulhasbanf. 169 gewahrten wir zum erjtenmal aus der Entfernung eine Kolonie von Pinguinen (Sphe- niscus demersus), deren Jugendformen uns bereits in der Großen Fiichbat be- gegnet waren. Die Rüdfahrt von Port Elizabeth nad) Kapftadt führte uns mitten über die von dem warmen imdifchen Agulbasitrom überflutete Ugulhasbanf. Sie fchiebt fi, ftunipf- dreiecfig geftaltet, dem Kaplande vor bei einer wechjelnden Tiefe von TO bis 200 m. Ihr Grund erweift fi) außerordentlich vielgeftaltig. Sandflächen wechjeln ab mit fel- figem Boden, Konglomerate mit grünlichem, glaufonitifhem Grund, der namentlich im Meften der Bank herrfchend wird. Weil die Seekarten nur nad) gelegentlichen Kotungen die Bodenbefhaffenheit angeben, fo fanden wir häufig an Stellen, wo günftiger Dredfd- grund verzeichnet war, felfigen Boden, der fhwere Derlufte an Hesen zur Folge hatte. Die Banf fällt fteil in eine Tieffee von über 4000 m ab. Wir vermocdten in ihrem Weften durch eine in einer Peilung gelegene Kotungsferie das Profil des Steil- abfalles bis zu HTO m anfhaulid Flarzulegen. Als Brenzwarte zwifchen en indischen und den jüdatlantifchen und fubantarftifchen Gebiete dürfte fie in fauniftifcher Hinficht befonderes ntereffe darbieten. In unferen Sammlungen fehlen faft vollfommen Db- jefte von der Agulhasbanf, und fo fteht zu erwarten, daß unfere reiche, bei 26 Dredfch- zügen gewonnene Ausbeute die Hoologen in ftand fesen wird, über den tiergeographi- fhen Charakter der dort erbeuteten Organismenwelt ein ficheres Urteil zu fällen. Aus den bis jest vorliegenden Berichten der einzelnen Bearbeiter des gefanmelten Mlateriales geht hervor, daß nicht nur eine auffällig große Sahl neuer Formen er- beutet en fondern auch in Binfiht auf die geographifche Derbreitung fih mande überrafchende neue Gefthtspunfte eröffnen. Daß atlantifshe und indifche Arten auf der Banf vergefellfhaftet fih vorfinden würden, war von vornherein zu erwarten und hat fih auch bei der genaueren Sichtung bewahrheitet; daß aber typifche antarftifhe Arten, welche wir bisher nur von einzelnen weit nah Süden vorgefhobenen Regionen — fpeciell von der Magelhaensftraße und von den Falflandsinfen — Fannten, auch der Agulhasbanf nicht fehlen, hat fiher niemand erwartet. Einige Beifpiele mögen das Gefagte erläutern. Am 2. November veranftalteten wir am Dftabfall der Agulhasbanf einen Dredic- zus in 900 m Tiefe. Die Bodentemperatur betrug 7,8° und der Grund erwies fich als feiner Slobigerinenfhlit. Als das Trawl auffam, wurden wir mit einer folchen Fülle von Organismen überfchüttet, daß eine lange Kifte erforderlich wäre, um nur die Samilien nambaft zu machen, welche oft durch zahlreiche Arten vertreten waren. Don den Fiihen an bis herab zu den Schwänmmen Fonnten wir faft alle marinen Typen nachweifen. Wollte man die Seiten fummieren, welche die Bearbeiter des Materiales brauchen, um den Inhalt dtefes einzigen Suges (wir haben mehrere ähnlich reiche I7O Sauna der Aaulhasbant. Aftinien. Hüge auf der Banf ausge führt) zu unter- juchen und abzubil- den, fo würde man nicht zu hoch greifen, wenn man fie auf zwei Jahre veran- fchlagt. Bochrot gefärbte Aftinie. Dass Ayı ulhasformen ee Uach dem lebenden Tiere photographiert. Agulhas=-Banf, 500 m. Nat. Größe. tier-geographifcher Binficht, nn bald dargelegt werden foll, befonderes Intereffe dar- bieten, wollen wir wentgftens den Derfuh machen, einige charafteriftifche Dertreter des in 500 m Tiefe veranftalteten Zuges dem Kefer in Wort und Bild vorzuführen. Hunädft fei auf die Abbildung einer prächtigen, hochrot gefärbten Aftinie hin= gewiefen, die der Tieffeegattung Polysiphonia wegen der charafteriftifchen Derfürzung der Fangfäden gleicht. Afteriden. Unter den zahlreichen Seefternen tung Gnathaster ab, der durch die zelnen Wärzchen gebildete Seich- terifiert tft. Befondere Iel bilden wir einen Dertreter der Bat: jterliche wabenförmige, aus em- nung der Dorfalflihe charaf Interefje Fnüpft fih an das Gnathaster (?,sp. 500 m. Agqulhas-Banf. Nat. Größe. Wiederauffinden der von Sladen befchriebenen Gattung Astrophiura. Die fünf von uns er- beuteten Eremplare gleichen Fleinen Seefternen und erft bei genauerem Aufehen ergibt es fi, daß fie den Schlangenfternen (Ophiuriden) zu- gehören. Die Seitenplatten ihrer erften jteben Arniglieder find derart erweitert, daß fte inter- radial zufammenftoßen und eine faft gerade, mit Hähnchen befeste Randlinie bilden. An den Eden des fo entjtehenden Fünfels ragen Astrophiura sp. Agulhas=Banf. 31. 500 m Ic2 Brachyuren. Scyramathia Hertwigi Doflein n.sp. Agulhas=Banf, 500 m. Nat. Größe. (Doflein gez.) noch einige wenige, rudimentäre Armglieder frei hervor, die freilich faft überall ab- gebrochen find. Troß diefer aberranten Bildung der Arme befitt die Form in gewilfen Teilen des Sfeletts den primitivften Bau unter allen bisher befannten Ophiuren. Einen befonders auffälligen Beftandteil des Materiales bildeten zahlreiche Dreieds- Frabben, von denen wir eine neue, der Gattung Scyramathia zugehörige Art im Bilde vorführen. Diele Eremplare derfelben waren mit parafitifhen Afjeln (Bopyriden) behaftet und außerdem hatten fi auf ihnen Ranfenfüßler (Lirripedien) angefiedelt. Fauna der Maulhasbanf. 175 echt minder reichlih waren in dem fange zahlreiche große Schneden mit gewun- denem Gehäufe, welche nach der Beftimmung von Prof. v. Martens der antarftifchen Art Trophon Magellanicus Chemn. angehören. Wie feltfam fih indifche, atlantifche und antarftifche Arten hier begegnen, mag die Durchmufterung der in demfelben Zuge ent- haltenen Seeigel beweifen. Hah den Mitteilungen von Prof. Doederlein ift die indifhe Gattung Stereocidaris durch eine neue Art vertreten, neben der typifch atlan- tifhe Formen, wie Spatangus Raschi und Brissopsis Iyrifera fih finden. Su ihnen gefellt fi) wiederum eine antarftifhe Art, nämlich der nur von der Magelhaensftraße befannte Echinus horridus. Wenn wir nun noch hinzufügen, daß in dem Huge zwei neue Arten der Gattungen Echinus und Strongylocentrotus enthalten find, fo gefchieht dies lediglich, um zu zeigen, welhen Suwadhs an Erfenntnis diefer einzige Hug allem fhon für eine fharf umgrenzte Gruppe bringt. Man möchte fast der Auffaffung zuneigen, daß es ftch in jenen fo weit nach Horden vorgefhobenen antarftifhen Formen um eine Neliftenfauna handele, die fich auf der von dem warmen Agulbasftrom beftrichenen Banf aus einer Seit erhielt, wo die Elimatifhen Derhältniffe weniger günftige waren. Eine geringfügige Erniedrigung der mittleren Jahrestemperatur um wenige Grade mußte zur Folge haben, daß die nörd- lihe Grenze der ftürmifh wehenden Weitwinde bis zum Kap verlegt wurde. Die mächtige, nad Dften gerichtete Strömung der Weitwindzone wird dann weit energifcher, als es in der Jebtzeit gefchieht, den warmen, entgegengefest fliegenden Agulhasjtrom abgelenft und ihrerfeits mit Faltenı Waffer die dem Kaplande vorgelagerte Bank über- flutet haben. Day thatfählih auch den fubantarktifchen Regionen eine Eiszeit — zum mindejtens eine Seit, wo die mittlere Jahrestemperatur um einige Grad niedriger lag — zufam, foll in einem anderen Sufammtenhang noch dargelegt werden. Der Agulbasftrom tft einer der Fonftanteften und am rafcheiten fließenden warmen Ströme, die wir aus jenen Gebieten Fennen. Die Kotungen in feinem Bereiche waren mit ganz ungewöhnlichen Schwierigkeiten verbunden. Erjt nad) vier vergeblichen Der- fuchen gelang es uns, füdlih von der Algoabati das Kot bis auf den Grund zu bringen und eine Tiefe von über IJOO m nachzuweifen. Allerdings betrug die Stromgefhwin- digfeit während diefes Derfuches am I. November 5,7 Seemeilen in der Stunde. Um die Schwierigkeiten zu würdigen, welche dem Kapitän bei feinem Bejtreben erwuchten, den Dampfer an derfelben Stelle zu halten, wo das Kot verfhwand, fei nur erwähnt, daß eine Stromgefhwindigfeit von 5,C Seemeilen in der Stunde faft genau der Ge- fhwindigfeit gleihfommt, mit welcher die Donau bei Wien fließt. Würde man fic denken, daß diefe ein zwei Kilometer tiefes Bett ausgewühlt hätte, fo möchte man es fhon als eine hervorragende Keiftung bezeichnen, inmitten eines fo rafh fliegenden Stromes eine Kotung zu bewerfftelligen. Hierbei ift weiterhin noch zu berüdfjichtigen, daß nur die oberflählihen Wafferfhichten in rafhem Fluß fih befinden. Hac unferen 174 Temperaturdifferenzen zwifchen atlantifchen und indischen Strömungen. Wahrnehmungen, die fih auf die Stellung des Drahtes bei dem Koten, Dredfchen und Sijchen mit den Dertifalnesen gründen, erftret fih im Agulbasjtrom das rafche Fliegen nur auf die oberjten Schichten bis 200 m Tiefe. In allgemeinen waren wir bei der Nüdfahrt in diefen durch ihre Stürme berücd- tisten Gegenden ungewöhnlih vom Wetter begünftigt, und erft als wir auf dem Weftrande der Banf anlangten, fachte der Hordwind fo ftürmifh an, daß wir am 9. Hovember Zuflucht in der Falfebai vor Simonstown fuchen mußten. Die Faljebai wird noch von Ausläufern des Agulhasitromes berührt, und aus diefem Umjstande erklärt fih, daß ihre Temperatur ftets um einige Brad höher liegt als diejenige der Tafelbai, von der fie durch eine relativ fchmale Kandzunge getrennt ift. Wir maßen in der Falfebai eine Dberflächentemperatur von I7,9°, während gleichzeitig die Tempe- vaturen in der Tafelbai nur 12—14° betrugen. Ähnliche Erfahrungen machte die Challenger-Erpedition, welche mehrere Wochen mit dem Drdnen ihrer Sammlungen befchäftigt in der Falfebat vor Anfer lag. Dem Bewohner der Kapftadt wird die auf Erden nicht mehr verwirflichte MiöglichFeit geboten, nady Belteben ein erquidendes Bad in den Fühlen Fluten de s Atlantifhen Oceans zu nehi oder einftündiger Atlantifhen Dceans zu nehmen oder nach eimftünd Fahrt fihh dem Warmwaffer des Andifchen Dceans anzuvertrauen. Die Daldivia bei der Arbeit r iz er er I I £ ne X. Don Kapitadt zur BouvetzInfel, E war ein präcdtiger Sonntagsmorgen, an dem die „Daldivia” aus den groß- artigen Hafenanlagen von Kapftadt ausfuhr. Die aufgehende Sonne beleuchtete am Id. Dftober bet wolfenlofem Himmel den Devil’s Peaf und Tafelberg jo jchräs, daß alle vorfpringenden Kiffe und eingerifjenen Schluchten fi) fharf abhoben und weit wirfungsvoller, als um die Mittagszeit, das Gebirgsrelief hervortreten li Es fiel uns fchwer, der gaftlihen Kapftadt Dalet zu fagen, nachdem wir die C welche o Fa wir dort verbradten, in angeftrengter Thätigfeit ausgenußt hatten, um unfere Aus- rüftung zu vervollftändigen und nebenbei auch das überreih mit Naturfchönbheiten gefegnete Kapland Fennen zu lernen. In dent Beftreben, der Achtung vor den wiljen- fchaftlihen Unternehmungen des Deutfchen Reiches Ausdruck zu geben, erwies man der Erpedition befondere Ehrungen. Unfere in der Gefellfihaft „Germania“ vereinigten Sandsleute veranftalteten einen feftlihen Rommers, bei dem der Humor in fein Recht trat, und mufifalifhe Talente mit vednerifchen wetteiferten, den mit einem füdafrifantichen Sumpen-Drchefter eingeleiteten Abend zu einem genußreichen zu geftalten. Wie in Port Elizabeth, fo berührte es uns auch in Kapftadt auf das wohlthuendfte, die Summe von Intelligenz und Thatfraft, dte dem deutjchen Elemente des Kaplandes innewohnt, Fennen zu lernen und durch eigenen Augenfhein uns zu überzeugen, welche hervor- ragende Rolle demfelben in dem Getriebe der Kolonie zufällt. Es war faum ein Jabr vor dem Ausbruche des Krieges; dte Derhältniffe Hatten fi) in dem Parlament, wo die holländifche Partei in die Mlajorität gelangt war, bereits fcharf zugefpist, und fo % es gerade den Deutfhen zu, mit rubigem, fahgemäßem Urteil das Fünglem an vr Wage der widerftrebenden Intereffen zu bilden. Auch die Stadtverwaltung und die erften wifjenfhaftlihen Kreife von Kapftadt wollten nicht zurüditehen. Am Abend vor unferer Ausfahrt wurde ein öffentliches Bankett zu Ehren der Daldivia- Erpedition unter den Aufpizien des Mayor von Kap- ftadt und des Präftdenten der South-African Philosophical Society, Dr. Steward, veranftaltet. Was Kapftadt an Männern von Bedeutung aufwies: Vertreter der Wiffenfhaft, WMinifter, hervorragende Beamte und Private, fand fich zufanımen. 16 Kapftadt. Mit fprühendem Humor fchilderten Mir. Miuir und Dr. Gill, der gefeierte Direktor der Kap-Sternwarte, die wifjenfhaftlihen Beftrebungen und Errungenschaften des Kaplandes, wobei fie im Hinblik auf eine deutfhe Erpedition, welche die Küften der Südfpise von Afrifa in den Bereich ihrer Unterfuchungen gezogen hatte, es nicht daran fehlen liegen, eine fcharfe, wenn auch nicht verlegende Abrechnung mit dem anwesenden Miniftertum zu halten. Auf ihre Darftellung der Mühen, die es gefoftet hatte, um die Mittel für die Gründung der Univerfität, für die in ihrer Art einzig daftehende, weltberühmte Sternwarte und für das prächtige, foeben vollendete Mufeunisgebäude bewilligt zu erhalten, antwortete der fchlagfertigfte Redner des Kaplandes, Finanz- minifter Merriman, in feiner farfaftifhen Weife. Indem er die Erpeditton im Namen der Regierung willfommen hieß, fuchte er die Derdienfte der letteren um Förderung wifjenfhaftliher Beftrebungen — im Gegenfat zu feinen Dorreönern, die den Deutfchen nur erzählt hätten, was die Regierung nicht that — Flar zu legen. Der Fapländifhe Mtinifter gleiche einen fliegenden Fifch, der in dem Beftreben, dem Rachen des Tünmmlers zu entfliehen, dent Delphin zum Opfer falle. So Fönne er nur wünfchen, daß auch eine Erpedition ausgerüftet werde, welche die Tiefen des politifchen Dceans lote und zur Kenntnis der merfwürdigen Tiere, die fie da entdecken würde, beitrage. Wer hätte damals geglaubt, daß feine Anfpielung fo bald in Erfüllung gehen follte! Daß wir alle ihm mit vollem ‚Herzen zuftimmten, als er die Scenerie des Kaplandes, die Ausblife um Wynberg I und von der Kloof-road den anmutigften Partten des Golfs von Heapel an die Seite ftellte, braucht nicht erft verfichert zu werden. Die wenn das Kapland uns n der Ausfahrt den Abfchied hätte fchwer machen wollen, jo zeigte es fich nach den vorausgegangenen regnerifchen Tagen in feinem ver- führerifchiten Gewande. Kanagfanı glitt die „Daldivta” durch die fpiegelglatte Tafelbai; Hunderte von Kormoranen und AMtöven Frächzten heifer Dalet, während der Dorfigende des deutfchen Dereins, unfer Freund Dr. Marloth, es fich nicht nehmen ließ, perfönlich die guten Wünfche unferer Landsleute für den weiteren Derlauf der Fahrt zu übermitteln. Wir übergaben ihn, als er mit dem Kotfenfutter zurückfubr, die lesten fchriftlihen Grüße an die fernen Unfrigen und verabfchtedeten ihn mit einem Fräftigen Hip! hip! hurrab! Der Signalhügel wurde umfahren, die anmutigen Dillen und Häufermafjen von Seapoint glänzten in der Morgenfonne, und fcharf hob jich der Kion’s Head mit feinen in feinem Dufte verfhwimmtenden Beftänden von Silberbäumen (Leucadendron) ab. Bald öffnete fih der Blif auf die Kamp-Bai, und deutlih Fonnte man den fchmalen Pfad verfolgen, der uns bei einer Befteigung des Tafelberges durch dte fchroff ab- jtürzenden Schluchten auf den Kanımı geführt hatte. Es war das eine Erfurfton, die in Gemeinfchaft mit zwei jo gewiegten Botanifern, wie Marloth und Schimper, den ganzen Sauber der wunderbar üppig entwidelten und im der Welt durch den Reichtum an endemifhen formen wohl einzig daftehenden Kap-Slora enthüllt hatte. Leucadendron argenteum (Silver-trees) am Ktons=-head (Kapland). Kapflora. (7 Die weit über mannshohen Büfche der für die Kap-flora harafteriftifchen Proteaceen, welche in den Silberbäumen des Kion’s Head ihre befannteften Dertreter finden, wechfeln ab mit von Blüten überfchütteten Pelargonien und anmutigen Orchideen, mit Beeten der weißgblühenden Aroidee KRichardia und den roten Ühren der Watfonia, welche unferen Bladiolen gleichend oft als Blumenfhmudf für Pferde und Gefährte verwertet wurden. Das Kapland dürfte es an Fülle fchön blühender und duftender Blumen wohl mit den gefegnetiten Gebieten unferer Erde aufnehmen; allein an Konpofiten Fommen im Kapgebiete jo viele Arten vor, als Morddeutfchland verfchiedene Pflanzenformen zählt. Das Degetationsbild wird freilich nicht unwefentlich, aber für den Nordländer befonders anheimelnd, beeinflußt durch die zahlreichen Eichen und Kiefern, welche die holländischen Kolonijten anpflanzten. Dom Schiffe aus vermochten wir noch die dunflen Haine hei- mifcher Baumgruppen zu erfennen, zwifchen denen iöyllifch verftecft die alten holländischen sarmen liegen. Dorbei ging es dann an den I2 Apojfteln mit ihrem fcharfgezacten Kamme und den romantischen Buchten, unter denen der Hout Bay wohl der Preis gebührt. An den ihr vorgelagerten Riffen fhäumten die Brandungswogen, auffällig Fontraftierend mit der dunklen, Fühn aufftrebenden Bergfuppe, welche mit ihrem übergeneigten Gipfel wie ein drohender Wächter der Bat erfcheint. Der Swaarte-Berg, die Warte der Tafelbat, hatte fich in Wolfen gehüllt, hinter denen in feinem Duft die beiden Spiten des Kaps der guten Hoffnung über die vorgezogene niedrige Kandfchaft hinausragten. Proteaceen am Sufße des Kion’s Head. Chun, Aus den Tiefen des Weltmeeres. 5meite Auflage. c 178 Wahl der Route in das Antarftifche Meer. Als wir das Rap zur linfen Seite liegen liegen und mit SSW.-Kurs dem endlofen füdlichen Meere zuftrebten, mag man wohl auf einem von Dften Fommenden Auftralten- fahrer fich feine eigenen Gedanfen über den fonderbaren Kurs eines Dampfers gemacht haben, der mit weißen Tropenanftrich eine feit mehr als fünfzig Jahren von feinem Schiff gewählte Route einfchlug. Es galt der Unterfuhung des antarftifhen Mleeres. Yur ein Erpeditionsihiff, welches die oceanographifhe und biologifche Erforfhung der Tieffee fih zur Aufgabe geftellt hatte, nämlich der „Ihallenger”, war in das antarftifche Gebiet vorgedrungen. Unter Benußung der faft jtändig wehenden ftürmifchen Weftwinde fchlug die englische Erpedition den Weg über die Marion- und Crozet-Infeln nad) den Kerguelen ein, um von dort aus in füdöftliher Richtung einen Dorftoß bis 66° 40’ f. B. zu unternehmen. Don Kapitadt aus hatte fhon vor dent Ehallenger die „Gazelle” fast diefelbe Route gewählt, um nad den Kerguelen zu gelangen. Da beide Schiffe unterwegs oceano- sraphifche und biologische Unterfuhungen ausführten, hatte man wenigitens eine einiger- mapen befriedigende Dorftellung von dem Tiefenrelief der befahrenen Strede erlangt. E Unterfuhungen betraute Korvetten eingefchlagen hatten. Südlih vom Kaplande dehnt fich ein weites Mleer aus, das in oceanographifcher Hinficht unerforfcht war. Gleich widerftrebte uns, denfelben Bahnen zu folgen, welche zwei mit wifjenfchaftlichen ın hinter der Agulhas-Banf brechen alle Kotungen ab und niemand Ffonnte vorausjagen, welche Auffchlüffe eine in füdlicher Richtung vordringende Erpedition durch ihre Kotungen und fonftigen Unterfuchungen gewinnen würde. Wenn fich allgemein die Auffaffung eingebürgert hatte, daß man es mit einem relativ feichten AMieere zu thun habe, defjen Boden allmählich gegen den antarftifchen Kontinent anfteige, fo Fonnte zur Stüte diefer auch in Tiefenfarten niedergelegten Dorftellung lediglich die Thatjahe herangezogen werden, daß der „Challenger” und die „Bazelle“ zwifchen dem Kap und den Kerguelen nicht gerade beträchtliche Tiefen nachwiefen. Derfolgt man auf den britifchen Seefarten die weite unbefchriebene Fläche füdlich vom Kaplande, fo ftößt man nur auf eine Angabe, die freilich auch wieder als unficher bezeichnet wird. Unter dem 54. Breitengrad finden fi nämlich drei Infeln verzeichnet, welche als die „Boupet-Gruppe” zufammengefaßt werden. Aus gleich zu erwähnenden Gründen fchien es verlockend, den Kurs auf diefe Infelgruppe zu nehmen. Die Schwierigkeiten, welche einer derartigen Route im Weg ftanden, wurden nicht unterfhäßt: wir hatten die Region der ftürmifchen Weftwinde mit ihrer hochgehenden See zu Freuzen und mußten darauf gefaßt fein, daß frühzeitig die Eisverhältniffe dem Dorftoß ein Ende machen würden. Denn aus dem Studium der Karten über die Eisverbreitung geht hervor, daß der antarftifhe Ocean offenbar eine Kältezunge in der Richtung auf die Bouvet-Gruppe vorfchtebt, welche die Treibeis-Örenze ziemlich weit nördlich verlegt und eine befonders reiche Anhäufung von Eisbergen zur Folge hat. Die „Bouvet- Gruppe”. 179 Andererfeits war aber die Miöglichfeit auch nicht ausgeichloffen, daß nad der großen Eistrift der Jahre 1892 bis 1896, welche felbit Auftralienfahrer in Bedrängnis brachte, die Derhältniffe fich günftiger geftaltet hatten, und daß wir rafcher als auf anderem Weg in das eisfalte antarftifche Waffer mit feiner eigenartigen pelagifhen Fauna gelangen Fönnten. War die Boupet-Gruppe zu erreichen, fo ftand ein wefentlicher Gewinn für alle Unterfuhungen in Ausficht, infofern wir nicht nur die Nelief-Derhältniffe des Meeresbodens und die Befchaffenheit des Grundes in Gebieten aufflärten, welche nie- mals mit dem Kot durchforfcht wurden, fondern auch Gelegenheit fanden, die Grund- fauna in jenem Gebiet zu erbeuten, welches ein Bindeglied zwifchen der uns wohl- befannten Sauna der Magelhaens-Straße und der Kerguelen abgiebt. Endlich reiste es au), zu der Löfung eines geographifchen Problems einen Beitrag zu liefern, das immerhin einiges ntereffe darbietet, infofern hervorragende Forfchungsreifende fich vergeblich bemühten, die Eriftenz des am I. Januar I759 von dem Heftor der antarf- tifchen Forfhung, Lozter Boupvet, unter dem 94. füdlichen Breitengrad und 4°20’ 5.8. gefichteten „Tap de la Circoncifton“ zu erweifen. Weder Coof (ITTd), noch James Roß (1845), noh Moore (1845) vermocten troß aller hierauf verwendeten Mühe die „Bouvet=Infel", als welche inzwifchen das vermeintliche Dorgebirge eines Süd- Kontinents erfannt war, wieder aufzufinden. Immerhin hatten im Anfang diefes Jahrhunderts zwei Kapitäne von Walfifhfängern, welche im Dienft der Londoner firma Enderby ftanden — nämlich Lindfay (A808) und Morris (825) —, beftätigt, daß in der von Boupet bezeichneten Region eine bezw. zwei nfeln liegen, deren Pofition fie freilich abweichend beftimmten. Heuerdings neigte man, im Hinblif auf die vergeblihen Bemühungen um ihre Wiederauffindung, zu der Dermutung, daß die Infeln, deren Hatur Norris ausdrüdlic als vulfanifcy bezeichnet, entweder der Abrafions-Thätigfeit des ftürmifchen Meeres oder einem vulfanifhen Ausbruch zum Dpfer gefallen feien. Sollte diefe Dermutung fih thatjfählich als zutreffend erweifen, fo ftand zu erwarten, daß wir durch Kotungen in der Kage waren, derartigen Hypothefen eine geficherte Unterlage zu geben. Da die „Daldivia“ fi als ein vorzügliches Erpeditions-Schiff bewährt hatte, reifte im Dertrauen auf die umfichtige Schiffsführung von Kapitän Kredh der Entihluß, die Bouvet-Region aufzufuchen und einen erneuten Derfuh zur Wiederauffindung der von drei Erpeditionen vergeblich gefuchten Infelgruppe zu wagen. Die günftige Witterung hielt nad) der Abfahrt von Kapftadt auch während der nächiten Tage an, und fo vermochten wir alle Arbeiten in wünfchenswerter Weife zu fördern. Mit Rüdfiht darauf, daß wir von jett an in Regionen vordrangen, deren Bodenrelief unbefannt war, wurde täglich vor Beginn der übrigen Arbeiten eine Kotung 12* 180 Eintritt in das Kaltwafjergebiet. ausgeführt. Schon die erfte, am I4. Hovember vorgenommene, überzeugte uns von der Thatfahe, dag die Agulhas-Banf in ein außerordentlich tiefes Meer von über 4000 m abfällt. Es mag aud) gleich darauf hingewiefen werden, daß wir während der nächjten Seit Feine Derminderung der großen Tiefen nachweifen Fonnten. Am IT. Hovember loteten wir des Morgens allerdings nur 2595 m, doch wurden wir fhon am Nachmittag desfelben Tages durch den Hachweis einer Tiefe von 9250 m belehrt, daß jedenfalls in diefen Gebieten noch nicht eine Derfeichtung des fubantarktifchen Mieeres zu erwarten war. Welche Überrafchungen uns die weiteren Kotungen bei dem Dordringen nah Süden bracdıten, foll noch eingehender fpäterhin gewürdigt werden. Hahden bereits unter dem SC. Breitengrade eine hohe, wejtliche Dünung uns belehrt hatte, daß wir in die Region der ftändig wehenden „braven Wejtwinde” ein- getreten waren, auf deren Bedeutung für die Segelfchiffahrt nah Auftralten zuerft James Roß hingewiefen hatte, begann am 16. Hovember der Weftwind ftürmifch einzufegen. Wir begegneten an diefem Tage einem englifchen Schiffe, dem Dampfer „Titanta”, der auf der Fahrt nah Süd-Auftralien begriffen war. Es war für lange Het das leßte Schiff, welches wir fichteten; wir verfehlten denn auch nicht, unfere Route mit der Bitte um Meldung zu fignalifieren. Während wir bisher uns noch in dem Warmmaffergebiet bewegten, das eine Ober- flächenteniperatur von durchfchnittlich IC° C. aufwies, fo gelangten wir zwifchen dem 99. und 40. Breitengrade in Regionen, wo die warmen Ausläufer des Agulhasjtromes teichterförmig in die Fühlen antarftifchen Waffermaffen ausftrahlen. Auffällige Sprünge in der Oberflächentemperatur, welche am 16. November Unterfchiede bis zu C°C. auf- wiefen, verrieten die Auflöfung des warmen indischen Stromes, dte auch dadurd fchon dem Auge bemerfbar wurde, daß Streifen feegrün gefärbten Warmwaffers mit foldhen von intenfiv blau gefärbten Kaltwaffer abwechfelten. Es war dies um fo auffälliger, als fpäterhin bei dem Eintritte in die Warmwaffer des Indischen Dceans die Färbung fih umgekehrt verhielt, und gerade das Warmwaffer durch feinen tiefblauen Ton hervor- jtah. Die Temperaturfprünge erfolgten oft fo rafch, daß wir mit den Thermometer- ablefungen Faun nachzufommen vermocdten. Um durch einige fpecielle Daten aus unferen ftündlich erfolgten QTemperaturablefungen die Derhältniffe zu beleuchten, fei hervorgehoben, daß am 16. Hovember mittags 12 Uhr die Oberflächentemperatur noch 17,4° betrug, während fie am 18. Hoveniber um diefelbe Zeit bereits auf (,8° gefunfen war. Seitdem nahm die Temperatur fo rafh und ftettg ab, daß nad Überfchreiten des 55. Breitengrades anı 24. Wovember bereits Oberflächentemperaturen von — I? gemefjen wurden. Atit diefenm faft unvermittelt erfolgten Eintritt in das antarftiihe Kaltwafjer- Gebiet ftand auch eine völlige Underung in der Sufammenfesung der an der Dber- fläche flottierenden Organismen, des fogenannten Plankton, im Sufammenhang. Am Antarktifher Radiolarienfhlamm. 181 IT. Yovember trafen wir zum erftenmal im Dberflächenwafjer jene Diatomeen und niederen Organismen an, welche von nun ab faft zwei Monate hindurch die Leit formen des Falten Oberflächenwaffers repräfentierten. Der Wechfel des Planftons in den oberflählichen Schichten läuft einer allmählich erfolgenden Underung in der Befchaffenheit des Mleeresbodens parallel. Weitab von dem Sande, wo die fogenannten „pelagifhen Sedimente” in dem Tiefenjchlammt vor- herrfchen, fpiegelt fih in den unterfeeifchen Grabjtätten das Seben an der Oberfläche infofern wieder, als die abgeftorbenen Keiber niederriefeln und die unlöslichen Sfelette den Hauptbeitandteil des Bodens bil- den. Nachdem wir wochenlang im Süd-Atlantifschen Dcean Glo- bigerinenfhlamm angetroffen hatten, mifchten fich demfel- ben von etwa dem 40. füd- lichen Breitegrad an immer reichlicher die auch im nie- drigeren Breiten nachweis- baren Diatomeenfchalen bei, welche allmählich von dem 44. Brad an die Dber- band befamen und fchließlich einen reinen Diatomeenfchlid bildeten. In das Grenzgebiet fchaltet fi) ein fchmaler Streifen ein, der vorwiegend aus den Schalen großer und Fräftiger Radiolarien gebildet wird. Die beiftehende Abbildung mag dem inte etither-Radihfastenfehfemm St 123 Sefer diefen interefjanten antarftifchen Ra EN SEAN EN Befteht aus großen Fuge und fcheibenförmigen diolarienfchlif verfinnlichen, den wir unter Nadiolarien, agalutinierenden Soraminiferen und den 49. füdlichen Breitegrad antrafen. Die en ee gez.) Grundprobe beftand allerdings nicht rein aus Radiolarien, fondern zeigte neben zahl- reichen Diatomeen und fpärlich vertretenen fandigen Foraminiferen fo zahlreiche vul- Fanifche Blas- und Gefteinsiplitter, daß man fie auch als vulfanifhen Schlamm hätte bezeichnen Fönnen. Das Wetter blieb vom IT. November an bei mäßigen weftlichen Winden und ge- legentlich hoher nordweftlicher Dünung fo günftig, daß wir felbft die feinften Iete im große Tiefen zu verfenfen vermochten. Yamentlich nütsten wir den 18. und I9. Hovember 182 In der Weftwindregion. dazu aus, um durch Schliegneszüge ein Urteil über die in tieferen Mafjerfchichten flot- tierenden Organismen zu gewinnen. Befonders die am 18. Hovember ausgeführten Schliegneszüge überrafhten uns alle durch die auffällig große Hahl von lebenden Drga- nismen, welche wir bei zwei Hügen in Tiefen zwifchen I6OO und IO0OO m fchwebend nachweifen Fonnten. — Am Abend des 19. November war die See jo ruhig, daß man vermeinte, auf der Elbe zu fahren. Ein intenfives Abendrot, von der bleifarbenen Ober- fläche refleftiert, machte fi) bis nach 8 Uhr geltend, und das Schiff verfolgte ruhig feinen Kurs, indem es rhythmifch in dte Kimme der langgezogenen Weftdünung eintauchte. Mit dem Eintritt in die Fühlere Region hob fi fichtlih der Gefundheitszuftand und das Wohlbefinden der durch vielfach wiederholte Malaria-Anfälle heimgejuchten Mitglieder der Expedition. Allerdings machte fih an den nächjten Tagen die rafche Abfühlung der Luft, welche ungefähr gleichen Schritt mit der Temperaturabnahme des Dberflächenwaffers hielt, fo empfindlich geltend, daß faft niemand von Katarrhen verfchont blieb, die indefjen fehnell vorübersingen. Auch forgte die am 19. Hovember zum erftenmal angelafjene Dampfheizung dafür, daß.wir im Salon und in den Kabinen uns behaglich fühlten. Das gute Wetter follte freilich nicht lange anhalten. Am 20. Hovember begann das hochitehende Barometer von 760 mm auf 758 zu fallen, und gleichzeitig fachte der von Nordoft nah Weit zu Süd umgebende Wind zum fchweren Sturm an. Da die Windftärfe nach der Beaufortffala IO betrug, fo donnerten die Wogen gegen die Wandung des Schiffes, überfpülten das Derdef und nötigten uns fchlieglich, beizudrehen, um gegen den gewaltigen Seegang anzudampfen. Das rafhe fallen des Barometers feste uns an fpäteren Tagen nicht mehr in Überrafchung, aber als wir es zum erftenmal erlebten, machte die tief nach abwärts iteigende Kurve des Regiftrierbarometers einen faft unheimlichen Eindruf. Dabei ver- dunfelte fich zeitweilig der Himmel ftarf und Fontraftierte fast schwarz mit dem weißen Gifht der gewaltigen Wogenfänme, die meift zu drei hintereinander anfamen und über das Derdef fegten. In diefem Aufruhr bemerften wir einen antarftifchen Pin- guin, der mit heiferem Schrei durch Fräftige Schläge mit den zu Flofjen umgebildeten Flügeln fih wie ein Delphin in Furzen Sprüngen über Waffer erhob und längere Seit dem Schiffe folgte. So recht in ihrem Elemente fühlten fich die Sturmvögel, unter denen zum erjtenmal die afchgrauen Albatrofje (Diomedea fuliginosa) mit |hwärzlichem Kopfe und weißen Augenlidrändern gefpenftifch wie Dampyre ihre erftaunlichen Flug- Fünfte in ruhigen eleganten Kurven um das fchwer arbeitende Schiff ausführten. Am Morgen des 21. November bot das Meer bei gelegentlich durchbrechender Sonne einen großartigen Anblit dar: die mächtige nördliche Dünung wurde von einem von Weiten Fommenden Wogengang durchfreuzt und bedingte eine wild aufgereste, pracht- voll blau und weißihäumende See. Die „braven Weftwinde”. 155 Da wir in weftlicher Richtung gegen den Wind andampften, wurde in regelmäßigen Intervallen das Schiff durch die von Horden Fommende Dünung gepadft und zur Seite geworfen. Dies hatte ein faft unerhörtes Schlingern zur Folge, bei dem in den Kabo- ratorien die Gläfer aus ihren Repofitorien herausfuhren, die Treppen mit Reagentten übergoffen wurden, und gar mancher dem angefchraubten Drehftuhl Dalet jagte, um in unfreiwilliger Reife mit dem anderen Ende des Salons Befanntfhaft zu machen. An einen Schlaf war nicht zu denfen gewefen, und bei dem Frühftük hatte es aud feine Schwierigfeiten. Dbwohl fchon längjt die ominöfen quadratifchen Fächer auf dem Tifhe befeftigt waren, fo flogen doch Teller, Meffer, Löffel — nicht minder aud ie Stewards — umher, und niemand war zu beneiden, der etwa gleichzeitig ein eihes Ei und eine Taffe voll Thee zu bewachen hatte. — Ebenfo rafc, wie das Barometer gefallen war, begann es am 21. Hovember wieder zu fteigen und die für 5% diefe Breiten ungewöhnlihe Höhe von CTO m zu erreichen. Gleichzeitig drehte der allmählich abflauende weftliche und füdweftlihe Wind unter Regenfhauern und BHagel- böen wieder nach Nord zurüd, Es traten einige ruhigere Tage ein, an denen wir freilich durch die von nun an häufiger fich einftellenden Iebel an einem rafchen Dor- wärtsfonımen gehindert wurden. Wir waren öfters genötigt, zu ftoppen; ging es troßden bei Yebel mit halber Kraft vorwärts, fo ertönte in regelmäßigen Intervallen die Dampfpfeife, um das Eho von einem etwa vorliegenden Eisberge zu wecen. So trafen wir denn am 24. Hovember in der Höhe des 94. Breitengrades auf jene Region, in welcher die englifhen Admiralitätsfarten drei Infeln verzeichnen und fie als Boupet-Gruppe zufammenfaffen. Ein fchneidender, bald ftürmifh anfachender Nord hatte das Derdef mit Glatteis überzogen, und mehrmals fich einftellende Iebel er- jchwerten den Ausblid. Da indeffen gelegentlich die Sonne durchbrach, wurde die Hoff- nung nicht aufgegeben, über das Schifal der Infeln Auffhluß zu erhalten. Während in den leßten Tagen jehr anfehnlihe Tiefen zwifhen 4000 und 5000 m (zweimal fogar Tiefen über 9000 m) gelotet worden waren, ergab eine am 25. Hovember vor- genommene Kotung J985 m, und die am 24. ausgeführte nur 2268 m. Hierdurch war ein unterfeeifher Rüden nachgewiefen, der vielleicht den Infeln als Socdel dienen Fonnte, und es handelte fih nun darum, fyitematifch dte ganze Region abzufuchen. Der Navi- gationsoffizier hatte zu diefem HSwede die von Bouvet, Kindfay und Morris an gegebenen Pofitionen ihrer Kandfichtungen in eine Karte eingetragen, und man begann nun, von Dft nad) Weit vorgehend, die Derhältniffe zu prüfen. Am 24. wurde em Erfolg nicht erzielt, obwohl der Himmel zweimal aufflarte und auf Furze Seit ganz wolfenlos war. jmmerhin blieb die Luft eigentümlich diefig, während das Wafjer durch mifroffopifhe Algen, welhe geradezu einen Brei an der Oberfläche bildeten, grünlich verfärbt wurde. Wenn dann gleichzeitig der Himmel mit einem monotonen grauen Wolfenfchleier verhängt war, fo zeigte die AMleeresoberflähe jenen [hwärzlichen 184 Miederauffinden der Bouvet-Infel. Ton, dejfen fo oft in der Neifebefchreibung des „Challenger” gedacht wird. Gegen Abend brach die Sonne wieder durch und ging hinter einer impofanten Wolfenwand unter, in die man anfänglich hohe Infeln hineindeutete, bis erft allmählic) die Täu- fhung erfannt wurde. Am Morgen des 25. November loteten wir mitten zwifchen den angeblichen Kand- fihtungen von Boupvet, Kindfay und Horris eine Tiefe von 5458 m. Damit jhwand nun freilich die Hoffnung, daß wir in diefen Gegenden eine Infel nachzuweifen vermöchten, doch deutete immerhin das reiche Dogelleben — nicht zum mindeften die Erbeutung zweier Kaptauben mit Brutflef — auf die Yähe von Sand hin. Ge- legentlih auffommende Schneeböen wechfelten mit einem Aufflaren des Himmels ab (audy während der furzen Naht war die Luft ziemlich fichtig), und fo wurde die Suche nach den Infeln in wejtlicher Richtung fortgefeßt. Denn wenn auch anzunehmen war, daß die alten Seefahrer die Breite ziemlich richtig angegeben hatten, fo war ein Jirr- tum in der Kängenbeftimmung im Hinblik auf die damals noch unvollfonmenen Mittel nicht ausgefchloffen. Gegen Mittag des 25. Hovember Fam der erfte große Eisberg in Sicht. Er machte, als er in vollem Sonnnenfchein vor uns glänzte, einen mageftätifchen Eindrud. Dies nicht zum mindeften durch die ftolze Ruhe, mit welcher der Koloß wie verankert dalag, wäh- rend die Brandung oft bis zum Gipfel emporftieg und ihn mit Gifcht überfchüttete. Hatte man bisher den Schaum der Wogen als den Inbegriff des blendend Weißen betrachtet, fo war man überrafht, daß dtefer fih von den wie frifch überfhneit er- fcheinenden Flächen eines von der Sonne befchienenen Eisberges graugelblih abhob. Dabei fchien ein feiner bläulicher Duft über dem Ganzen zu liegen, der in den Spalten und Grotten in ein tiefes Kobaltblau übersing. Am Hachmittag wurde es wieder etwas bewölft und unfichtig. Hach den ftürmifchen Tagen und fchlaflofen Mächten gab der Kapitän feinem Unmut über die unficheren Beitimmungen der alten Seefahrer in Fräftig feemännifcher Weife Uusdruf. Wir waren beide der Anficht, daß nur noch bis Sonnenuntergang die Suche nach den wie verzaubert erfcheinenden Infeln mit weftlihem Kurs fortgefetst werden follte, als 50 Minuten nad) 5 Uhr unfer erjter Offizier mit dem Ausruf: „Die Bouvet’s liegen vor uns” das ganze Schiff in Aufregung brachte. Alles ftürmte nach vorn und auf die Brüde, und da lag denn in verfhwonmenen, bald deutlicher hervortretenden Konturen, nur C Seemeilen reht voraus, in feiner ganzen antarftifhen Praht und MWildheit ein fteiles Eiland. Schroffe und hohe Abftürze gegen Horden, mächtige, bis zum Mieeresfpiegel abfallende Gletfcher, ein gewaltiges Firnfeld, welches fanft geneigt im Süden mit einer Eismauer im Mteer endet, die Kämme der Höhen in Wolfen verfteft — das war der erfte Eindrud, den wir von der feit CH Jahren verfhollenen und von drei Erpeditionen vergeblih gefuchten nfel empfingen. b “2 _ [08 Y 4 . 1 Q =) S Akt J Ju Ri) In IO \ [6] 120 v unge | u - J q ] J 12 N n Akt un < ul DI R Qu m en Umbellula n.sp. 457 m. Bouvet=Jnfel. x : Er . Halbe natürliche Größe. graphifhe und biologifche Arbeiten zu erle- Der ifoliert dargeftellte Schopf von Polypen gehört einer im JIndifchen Ocean unter dem Aquator aus Zul Dnuzsetze2ttntenilmbellulston. in einer Entfernung von drei bis vier See- Tiefenfauna der Bouvet-Infel. 185 Bedenft man alle Schwierigkeiten, die jich ihrer Wiederauffindung in den Weg ftellten: faft unaufhörliche ftürmifhe Winde, die eine hochgehende See bedingten, häufig eintreten- der Hebel, welcher die Gefahr einer Kollifion mit Eisbergen oder Kiffen nicht ausfhloß, fo Fann der fyiteatifch durchgeführte Nachweis von der Eriftenz der Bouvet-nfel als eine bemerfenswerte Seiftung von Kapitän und Offi- zieren, die Mächte hindurch nicht von der Brüde famten, bezeichnet werden. In See der Infel, gefhüßt gegen den Mordweft, fanden wir die erwünfchte Gelegenheit, oceano- N digen. Da fie fteil in die Tieffee abfällt und f meilen Tiefen von 400 bis 600 m auf- \ weit, vermochten wir fünf Dredfchzüge auszuführen, welche eine außerordentlich reihe Fauna zu Tage förderten. Wir waren erjtaunt über die Pracht der teil- weije blutrot gefärbten See-Anemonen (Aftinien) und jener glanzvollen Der- treter von Seefedern, die als Umbellula bezeichnet zuerft im arftifchen Aleer ent- deckt wurden und nun hier in außerordent- lich ähnlichen Formen wiederfehrten. Dazu gejellen jich bufhförmig geftaltete Anthozoen, Seewalzen, Schuppenwürmer (Polyno&), Bryo- zoen, ein Heer von See- und Schlangenfternen, Fr zarte Mufhen, Käferfchnefen und jene, wie- A derum aus dem antarftifchen Meere uns zuerft be- ” Fannt gewordenen, bizarr geftalteten Krebfe, welche der Familie der Arfturiden angehören. Endlich jet noch hervorgehoben, daß auch die intereffanten, auf fchlanfen Stielen feitfitenden Seefcheiden aus der Gattung Boltenia der Fauna der Bounet-Infel nicht fehlen. Die beiftehenden Abbildungen mögen den Habitus 186 Tiefenfauna der Bouvet-Infel. einiger Polypen verfinnlihen; fie geben freilich Feine Dor- IN ftellung von der wunderbaren Ffarbenpradt, welche diefen Bewohnern der antarftifchen Tiefen eigen if. Die Um- bellula befitst einen orangegefärbten Stiel, von dem zart violett fchattiert die großen Polypen fich abheben; die 4 übrigen Arten weifen eine nicht minder feine Farben- 2 we a zufanmenftellung in Rofa und Weiß auf. Das den allgemeinen Charakter der Tiefjeefauna bei der Boupet-nfel anbelangt, fo giebt fie, wie von vornherein erwartet werden Fonnte, thatfächlich ein Bindeglied zwifchen der Kerguelenregion und der Mashellan’fhen Fauna ab. Heben befannten Formen tritt indeffen eine fo große Sahl neuer Arten auf, daß man faft den Anfchein erhält, als ob es fih um eine Unterregion mit manchen eigen- tümlichen Formen handele. Um das Gefagte an einer eng umgrenzten artenreichen Gruppe zu erläutern, fei auf die fünfarmigen Sclangenfterne (Ophiuren) hinge- wiefen. ach den Mitteilungen des Bearbeiters diefer Gruppe, Prof. zur Straffen, wurden neun Ophiurenarten gedredfcht, von denen fechs neu find. Don den drei befannten Formen ift eine in Anthomastus antarcticus n.sp, Kükenthal der Süöhemijphäre weit ver- le a ee breitet (Ophiacantha cos- mica Lym.); eine andere (Ophioglypha Lymani Ljgm.) Fennen wir von der patagonifchen Weftfüfte, eine dritte (Ophioglypha Deshayesi Lym.) von der Kerguelenregion. Unter den neuen Arten finden wir Dertreter zweier Gattungen (Ophiopyren und Asteronyx), die bisher in der Antarktis nicht beobachtet wurden. Wir bilden eine der lesterwähnten Gattung nahejtehende neue form ab, welhe mit ihren langen an den Enden jpiral aufgerollten Armen fih an Rindenforallen (Primnoella) anflammert (S. 187). Auh die Ausbeute an Seefternen dürfte: für die Erkenntnis ihrer geographifchen Derbreitung fi als wertvoll erweifen. Diefe antarftifchen Formen gehören nach den Mitteilungen von Prof. Ludwig nicht weniger Paraspongodes antarctica n. sp. Kükenthal denn fieben Gattungen an (Pontaster, Bathybiaster, Luidia, aus 566 m bei der BonvetzInfel. Gnathaster, Po- rania, Solaster, Asterias, Brisin- ga), deren Bezie- hungen zu den bis jest befannt wordenen See- ge fternen des ant: arftifchen Gebie- tes durch ein ein- gehendes Studium geprüft werden müjjen. Was endlich die Krufter aus der Familie der Arkturiden anbe- trifft, welche auf Blid wal- zenförmigen be dornten Körpers ihre Sugehörig- Feit zu den Aiffel frebfen Faun ver- raten, jo jind fie fhon durch die Erpeditionen der „ Gazelle " und des „Challenger“ in einer größeren Hahl von Arten im antarktifchen Gebiet nacdge wiefen worden. Eine genauere Unterfuchung er- giebt, daß alle Neue, der Gattung Asteronyx nahejtehende Ophiuride, an Rindenforallen (Primnoella) fich anflammernd Bouvet=Infel. 450 m. Hat. Gr, 188 Befchreibung der Bouvet-JInfel. antarftifhen Arten durch gewifje ge- meinfame Süge von der arf- ttiihen Gattung Arcturus verfchieden find. Hur Straffen hat daher für die erfteren eine neue Gattung: der Boupet=- \nfel wurden die Antarcturus begründet. Bei größten und fchönften unter allen bisher befannt gewor- denen Arkturiden er- beutet, welche wir im beifol- genden Bilde (S. 189) vorführen. Solaster sp. 457 m. Bouvet=Infel. Nat. Größe. Es lag auf der Hand, daß wir den näcdften Tag, den 26. Hovember, ausnusßten um eime Rundfahrt um die Infel zu veranftalten und durch Peilung marfanter Punfte, die unfer NMavigationsoffizier unter AMlitwirfung des Kapitäns und des erjten Offiziers ausführte, ein Bild von der Geftaltung des wiedergefundenen Eilands zu gewinnen. Photographifhe Momentaufnahmen, die freilih vielfah dadurdy erfchwert wurden, daß bei der hochgehenden See und unfichtigen Luft ein Flares Bild nicht zu gewinnen war, unterftüßten den durch Peilungen gewonnenen Einblid. Es fet geftattet, an der eben. ie) Hand diefer Aufnahmen eine Furze Befchreibung der Infel zu q Die Mitte der Bouvet-nfel liegt unter 94° 26,4’ |. Br. und 5° 24,2’ 5.8. In weftöftlicher Richtung beträgt ihre größte Breite 5,1, im nordfüdlicher 4,5 Seemeilen. An Ausdehnung Fommt fie alfo ungefähr der fpäterhin von uns befuchten nfel Heu- Amfterdam im Südindifchen Ocean gleih. Auch infofern giebt fich eine Ülbereinftimmuug fund, als die Bouvet-nfel (wie dies Norris ausdrüdlich für fen Thompfon= Jsland hervorhebt) vulfanifcher Hatur ift. Wir haben zwar Fein anftehendes Geftein fchlagen Befchreibung der Bonvet-Jnfel. 189 fönnen, bemerften aber bei den erften Dredfchzügen, daß wir uns auf grauem vul- Fanifchem Boden befanden, der gelegentlich den Lesen fchlimm zufeste. Die in den Dredfchen enthaltenen Gefteine beftanden aus halb zerjestem Tuff und feinförnigem Bafalt; da fie forgfältig gefammelt wurden, wird eine fpätere Unterfuhung nocd ge- naueren Auffhluß geben. Auf die vulfanifche Hatur der Infel deutet vor allem auch ihre eigenartige Geftalt hin, die fich freilih nur einmal (am 26. Hovember, mor gens O Uhr) frei von Wolfen ent- fchleterte. Eine Mlo- mentaufnahme zeigt einen wei- ten, Scharf ge= zadten Krater- rand, von dem nach Süden und Diten in fanf- ter Heigung die Hänge zum Meer abfallen. An dent Mord- oftfap macht fic) indejjen bereits ein Steilabfall geltend, wie er für die ganze nördlihe und weftlihe Küfte (am fchroffiten auf der Nord: wejtleite) typifch it. In danfba rer Erinnerung an das nter- ne Altajeftät an der Erpeditton Antarcturus oryx n.sp. Zur Straffen. Bouvet=zJnfel 450 m. Nat. Gr. 190 Dergletfcherung. nahm, wurde dem vulfanifchen Kegel, welcher mit Ba weiten Krater die nfel beherrfcht, der Name „Kaifer Wilhelm-Pif" beigelegt. Die höchfte Erhebung des Kraterrandes liegt auf der NMordfeite und beträgt 55 m. An fünf Stellen, nämlich im Horden, Hordoften, Süden, Südweften und Hordweiten, jpringt dte Infel etwas vor. Das nördlihe Rap läuft in ein großes Felfenthor aus; wir haben das erjtere als „Kap Daldivia” bezeichnet. Dergeblich wurde nach einer tiefen einfpringenden Bucht gefucht, weldhe einen gefhüsten Anferplat hätte bieten Fönnen. Steht man die relativ geringe Größe der ungefähr in gleicher Breite mit Südgeorgien gelegenen nfel in Betracht, fo überrafcht die ausgedehnte Dergletfcherung in hohem Maß. Ste Fann nur darin eine Erklärung finden, daß das antarftifche Meer in diefer Richtung eine Kältesunge vorfchiebt, wie fie fih auch in der auffällig niedrigen Tem- peratur des Meeres und in der gerade unter diefen Kängen weit vorgefhobenen Treib- anze Infel ift mit einem ausgedehnten Gletfcherfeld be- eneigten Süd- und Dftfeite bis zum Mieeresfpiegel fich eisgrenze wiederfpiegelt. Die deckt, welches auf der fanft a herabfenft und dort mit einer fenfrechten Eiswand abbriht. Miufchelförmige Ausbrüche 1m {e) an ihrem Rand deuten darauf hin, daß Fleinere Eisberge fih von ihr loslöfen. An dem Steilabfall der Küjte fteigt die Eiswand in die Höhe und fchiebt jich überall fo weit vor, als die Eismaffen noh Halt finden. Ein präcdtiger, in blaue Kängsfpalten zerflüfteter Gletfcher fenft fih auf der Nordfeite, fteil aus der Höhe abfallend, zum Meer. Wir legten ihm den Namen Pofadowsfy-Öletjher bei. Auch auf der Süd- feite der Infel — da, wo fie im die fteil auffteigende Weitjeite übergeht — reichen zwei furze Gletfcher, von denen der eine ziemlich breit ift, bis zum Mleeresfpiegel. hr Rand fchien die einzige Miöglichfeit zu einem Kandungsperfuch zu bieten, der imdeijen wegen der noch immer hochgehenden See und der gelegentlich fich einitellenden Ytebel nicht auszuführen war. An allen übrigen Stellen macht die fteile Küfte oder die jenf- rechte Eismauer eine Landung unmöglich; fie wäre zudem auch dort gefährlich, etwa ein Kleiner Dorfprung den ftändig niederfallenden und in Trümmer fich auflöfenden Eismafjen Halt gewährt. Yürgends bemerften wir fliegendes Waffer, das fc ficher den Blicfen um fo weniger entzogen haben Fann, als der Steilabfall der Küfte die Bildung von Kasfaden bedingen würde. Yur an einer Stelle der wild und jäh abftürzenden Weftfüfte fiel mir ein filberglänzender Strich auf, der fi) bei dem Näherfommen als ein zu Eis erjtarrter faft fenfrecht herabhängender Gletfcherbah erwies. Der Mangel an fliegendem Waffer fheint darauf hinzudeuten, daß bei der Bouvet-Infel die Schneelinie in Mleereshöhe liegt; fhwerlich dürfte auf Exden eine zweite Infel fich nachweifen laffen, welche unter gleich niedriger Breite ähnlich ungünftige Flimatifche Bedingungen aufweiit! Aus unferen Kotungen gebt hervor, daß der vulfanifche Kegel ziemlich fteil in das leer abfällt. Immerhin find einige Klippen vorgelagert, unter denen namentlich Liverpooi 1. Nors:is ro Dez. 1825. Das Aufsuchen der Bouvet 6ruppe durch die Deutsche Tiefsee-Expedition am Bord der „Valdivia“ Kursnach\ler Packeisgrenze 24.-28. Novbr. 1898. =: ° Kap Valdivia Felsenthor Brandung / BR Gletscher Y., Muthmasslicher Krater | N I AN N 2 | \ N VAN Brandung Südl. Atlant. Ocean BOUVET-INSEL „ nach Aufnahme der 2 Deutsehen Tiefsee-Ex pedition G Klibbe durch W., Sachse, Nav.Offizier der „Valdivia“ am 25. u. 26. Nov. 1898. Mitte d.insel: { °*} 22 HN nugT = N 3° 2420.14 . - Polen 7 Tiefen und Höhen in Meter. Massstab 1:70.000 N = Brandung Chun, Aus oen Tiefen des Weltmeeres. ”. Aufl. Verlag von Gustav Fischer, ‚Jena P. Weise, Lith., Jana. rt a 2 > Do > — ei Südof tn dtsanoe ‚snumssttd malisııss® 8 aun pmnpfunnsnmo@ isd stishttodiT 808] sdınsuot „0° stil 4 oa NornuplS Asa «e ze Ungünftige Elimatifche Bedingungen. 191 Die Bouvet=Jnfel, frei von Wolfen (Sachse phot.) Südoftfeite aus 8 Seemeilen Entfernung, 26. November 1898. eine vor dem Südfap gelegene und Feilförmig geftaltete, fowie einige unterfeetfche, nur durch Brecher fich verratende vor dem Südoftende hervorzuheben find. Im Gegenfab zu Bouvet und Kindfay, welhe von einem Baumwucds berichten, verdient hervorgehoben zu werden, daß mit dem Fernrohr Feine Spur einer Degetation (auch nicht aus einer Entfernung von nur zwei Seemeilen) wahrzunehmen war. Auc das Tierleben, das fonft in der Nähe antarftifcher Infeln fo auffällig reich entwidelt it, zeigt in Überftimmung mit ihrer Gletfcherbedefung und den durch überhängende Eismaffen bedrohten Steilabfällen eine relativ fpärliche Entfaltung. Am zahlreichiten traten die Kaptauben auf, während alle fonftigen antarftifchen Dögel feinen bemerfens- werten Reichtum erfennen ließen. Hervorgehoben fei nur, daß der fchneeweiße Sturni- vogel (Pagodroma nivea), den fhon Roß mit vollem Recht als fiherften Heugen für das nahe Eis aufführt, zum erftenmal bei der Bouvet-nfel das Schiff umfreite. Wer die Eigenart des antarftifhen Gebietes und die Derfchtebung aller Flimatifchen Bedingungen würdigen will, thut gut, die Derhältniffe der nördlichen Halbfugel zum Dergleiche heranzuziehen. Auf gleicher Breite wie die Bouvet-Jnfel liegen nördlich 192 Dergebliches Suchen nad einer zweiten Jnfel. vom Ilquator Helgoland und die nfel Rügen. Man ftelle fih nun vor, daß Rügen mit ewigem Schnee bedect fei, Gleticher bis zum Meere entfende und auch im Hodhfommer gelegentlih von fchwerem Padeis umgeben werde. Die Dberflächen- temperatur der Hord- und Ditfee fer — dies ftets im Sommer — unter den Nullpunft gefunfen und Eisberge machen die Schiffahrt in der Mähe der englifchen Küfte zu einer fhwierigen. Ein fahrzeug, das bis zu den Kofoten durch Padeis vordringt, würde in den Annalen verzeichnet werden, und wer gar Spitbergen erreichte, das heutzutage von Dergnügungsreifenden auf Salondampfern befuht wird, würde als Fühner Ent- decfer gepriefen werden, der weiter vordrang, als es einem James Clarf Rof ver- gönnt war! Norris berichtet, daß er 45 Seemeilen entfernt von „Liverpool Island", welches vielleicht mit der jest wiedergefundenen nel identifh fein dürfte, eine zweite Infel in NNO. fichtete. Er nannte fie „Chompfon Island“ und vermochte mit einem Boot eine Sandung zu bewerftelligen. Die Befasung fehlug dort Robben und Pinguine, Fonnte indefjen wegen ftürmifchen Wetters erft nad) fieben Tagen wieder an Bord gelangen. Da wir den als Ruhetag geltenden Sonntag, den 27. Wovember, auf andere Weife uszunußen gedachten, wurde befchloffen, die zweite Infel in der von Morris an- gegebenen Richtung aufzufuchen. In der Yacht fuhren wir bei heftigem Schneetreiben von der Bouvet-nfel ab und langten morgens 6 Uhr an der Stelle an, wo Thompjfon- Island zu vermuten war. Die Luft war unfichtig, und da eine Kotung die relativ geringe Tiefe von 134) m angab, fchien es ratfam, in diefer Region zu Freuzen und ein Aufflaren abzuwarten. Kebteres trat bei rafch fallendem Barometer für einige Heit ein und geftattete, im Umfreis von etwa IO Seemeilen zu fehen. Da feine An- deutung von Kand zu bemerfen war, und eine etwas öftlicher vorgenommene Kotung die Tiefe von 2521m ergab, wurde der Kurs bei fichtigem Wetter zunächit weit ih und dann im Binblif auf den ftürmifh anfachenden YWordweft wieder in der Fa auf die Boupet-nfel genommen. Su dem fchweren Seegang gefellte fich gegen Abend Yebel. Jeder Ausblif wurde benommen und fo fhien es ratfam, die Yacht hindurch gegen die gewaltig hohe Nordweftdünung anzudampfen. Der nad Weit drehende Sturm jagte die feinen Schneeflodfen faft horizontal durch die Luft, das Tauwerf war vereift und erft gegen IO Uhr morgens Harte es auf. Hachdem es ge- lungen war, aftronomifche Beobahtungen zu machen, fehrten wir an der Hand der- felben nach der Bouvet-Infel zurüd, die erft in einer Entfernung von drei Seemeilen gefichtet wurde. Unter Schneeböen, denen zeitweiliges Aufflaren bei faft blauem Himmel ste, veranftalteten wir noch drei erfolgreiche D a um dann am Abend des Hovember in füdöftliher Richtung die Fahrt fortzufeße Während des Dredfchens waren wir der Infel bis En Se Seemeilen nahe ge= Fonmmen. Einen lesten Ausblik auf fie verfagte uns neidisch ein dichter, fie verhüllender fol 28. Hochfommen gelegentlich von Tits BR ae temperatur der Nord- und Dftfee fei — dies ftets im So er — un gehend und. Ferm RR) die Sala in der Bit tähe ee von auf Salondampfern befucht wird, deder gepriefen werden, der weiter vordrang, als es einem " Jamss en war! NNO. fichtete & nam We „EUhompfon Island“ und vermochte IR einem Boo Sanbung zu bemerfftelligen. Die Beiakung fhlug dort Robben und Pinguine, inbeifen megem Hiemifchen Metters orft nach Reben Tagen wieder an Bord gelan en. Da wir den als Ruhetag geltenden Sonntag: den 27. Honember, anf ‚andere W auszunusen gedadhien, wurde beikofien, de umeite. Ka in der vom’ Boris, Alle gegebenen Richtung aufzwiuchen. | Abe er bei ans Bi von der Bouvet- Jnfel ab und la re | Island zu vermuten vo ke ee sr Tiefe von 1849 m angab, fchien es saljarıı im‘ diefer Kosin re, u deutung von Sand zu bemerfen war, und eine etwas öftlicher vorgenommene Be die. Tiefe von 2521 m ergab, wurde der Kurs bei fichtigem Wetter zunähft a wei lih und dann im Binblid auf den ftürmifh anfachenden Wordweft wieder Richtung auf die Bouvet-nfel genommen. Zu dem jchweren Seegang gefi sen Ubend Hebel. Jeder Ausblid wurde benommen und fo jchien es ratfamı, Tat hindurch gegen die gewaltig hohe Nordweftdünung anzudampfen. Der, Weit drehende Sturm jagte die feinen Schneefloden faft horizontal durch die £uft, Tauwer? war vereift und erft gegen IO Uhr morgens Flarte es auf. Hachdem ES lungen war, aftronomifche Beobadhıtungen zu machen, fehrten wir am der Hand 2 jelben nach der Bounet-nfel zurüc, die erft in einer. Entfernung von drei Seemeil gefichtet wurde. Unter Schneeböen, denen zeitweiliges Aufklaren Bei faft blauem Him } folgte, ‚veramftalteten wir noch drei erfolgreiche Dredichzüge, um dann am Abend 28. Hopember in füdöftlicher Richtung die Fahrt fortzufeken. % Während des Dredfchens waren wir der. Jnfel bis auf zwei Seemeilen nat e g 5 pentität der Bouvet-Jnfel mit früheren Sanpdfichtungen. 195 Wolfenfchleier: da verjtanden wir, daß Noß Feine Spur von ihr erblicte, obwohl er nach dem von ihm genau angegebenen Kurje Faum vier Seemeilen entfernt vorbeifuhr! Im Hinblif auf derartige Erfahrungen Fann nicht in Abrede geftellt werden, daß noch eine zweite jnfel eriftiert, die wir indeffen nicht aufzufinden vermochten. Eine Erörterung der Frage, ob die jett wiedergefundene Infel mit den Sandfichtungen von Bouvet, Kindfay und Morris identifch tft, würde in dem Rahmen diefer Darlegung zu weit führen. Wahrfheinlid find Bouvet'’s „Lap de la Lirconcifion”, Sindfay- Island und das von Morris gefichtete Kiverpool=- Island identifch mit der von der Expedition wieder- gefundenen Infel. Bouvet und Kindfay fanden fie mit Padets umgeben, berichten aber übereinftimmend, daß fie im SSO. rejp. ©. niedrig und flach tft. Kindfay fand das Sand im Weiten fteil und hoch, während Norris dasfelbe von der NMordfüfte be- richtet und wiederum hervorhebt, daß die Südfeite flah war. Aus dtefem ber- einftimmen mit dem thatfächlihen Befund dürfte hervorgehen, daß es fih um eine und diefelbe Infel handelt, der wir zu Ehren des Entdekers den Mamen „Bouvet- Infel” belaffen. Auf der Suche nach der Bouvet=Jniel. Thun, Aus den Tiefen des Weltnieeres. Zweite Auflage l Tafelförmiger Eisberg gefichtet am 19. Dezember 1898 in 61° 22’ |. Br, 61° 40'658. XI. Im antarftiichen Meere, 79% zweite Abfchnitt der Fahrt im antarktifchen Gebiet darf als der weitaus er- folgreichite bezeichnet werden. Miag es an der Wahl der Route gelegen haben, welche durdy ein zwifchen die Weftwindregion und die für höhere füdliche Breiten typifche Dftwindresion fih einfchaltendes Kalmengebiet führte, oder mag dem Unternehmen das GSlüf in befonderem Maß hold gewefen fein: Thatfache bleibt, daß die Erpedition bei einem für antarftifhe Derhältniffe ungewöhnlih günftigen Wetter drei Wochen bindurch faft ungeftört ihren Arbeiten nachgehen Fonnte, fchlieglih mit einem Feines- wegs für die füdlichen Eisverhältniffe berechneten Dampfer den 64. Breitegrad über- fchritt und in die Nähe des vermuteten antarftifchen Kontinents gelangte. Daß gerade diefer Teil der Fahrt troß der günftigen Witterung an das Befchie und die Umficht von Kapitän und Offizieren befondere Anforderungen ftellte, liegt auf der Hand. Häufig eintretende Yebel, heftige Schneeböen, zahlreihe Eisberge und weit nad Norden fich ausziehende Treibeisfelder nötigten uns zu vielfahen Rursänderungen und mehrmals zum Durchbrehen der vorliegenden Eismaffen. Durch vorfichtiges Abwägen der Derhältniffe und forgfältige Berücdfichtigung älterer Nachrichten über die Padeisverbreitung gelang es imdeffen, ohne den geringften Unfall viel weiter füölich vorzudringen, als bei Antritt der Fahrt vorauszufesen war. Sehr förderlih war der Umstand, daß die Erpedition bereits im Hopember von Kapftadt aufbrach (alfo weit früher als vorhergehende Erpeditionen) und gerade zur Heit der längften Tage in füdlichen Breiten anlangte. enfeits des 60. Breitengrades An der Treibeisarenze. 195 war es troß des jtändig bedeften Himmels aub um WMütternaht jo hell, daß man bequem zu lefen vermochte. Kurz nad) Derlaffen der von Stürmen umbrauften Bouvet-nfel (am 28. November) flaute der Wind ab und erreichte während nahezu dret Wochen nur felten die Stärke T oder 8 nad der Beaufortffala. Swifchen dem 55. und 60. Breitegrad war die MWindrihtung unbeftändig. Es herrfchten im allgemeinen nach Süden oder meift nad Horden umgehende ganz flaue Winde von der Stärfe I—5 vor; erft jenfeits des 60. Grades begann die öftlihe Windrichtung fich Fonftant geltend‘ zu machen und um jo mehr zur Herrfchaft zu gelangen, je weiter die „Daldivia“ nach Süden vordrang. Hiermit jteht in Sufammenhang, daß wir während der ganzen fahrt längs der Eisgrenze Feine Anzeichen von Fonftanten ftarfen Strömungen antrafen; die Bejtec- verfesungen waren im allgemeinen geringfügige und alle Operationen wurden dadurch wejentlich erleichtert, daß die Kabel der Dertifalnese und Schließneße, nicht minder auch der Kotdraht, genau jenfrecht ftanden. Iene heftigen Schwanfungen des Luftörucfes, wie fie unter plößlichen Windände- rungen für die Wejtwindregion typifh find, deren füdliche Grenze etwa durch den 99. Breitengrad gebildet wird, vermißten wir während der Fahrt längs der Eisgrenze. Dabet war der Himmel von einem monotonen grauen Wolfenfchleter verhängt, der nur felten jich lüftete und auf einen furzen Moment die Sonne hervortreten ließ. Das oceanijche Klima bringt es weiterhin mit fih, daß die Temperatur nur in geringen Grenzen jhwanft. Der antarftifhe Hocfommer war im Anzug und wir genoffen ihn 196 Grenze des Treibeifes. 5 (£infs ein fliegender Albatros, . Dezenber 1898, Diomedea fuliginosa.) Schollen des Treibeifes. 197 unter gelegentlich einfeßenden Schneeböen bet einer Temperatur, die nur felten über O° betrug und nie unter — 2,9° fanf. Bereits am 50. Hovent- ber erreichten wir bet ruhiger fahrt mittags Furz nad 2 Uhr unter 56° 45’ die Treibeisgrenze. Wie immer bei der Annäherung an das Eis, fo zeigten fie auch hier zunächft Fleinfte Schollen oder Broden, die häufig mit dem Winde zu langen Streifen fih an- oröneten. Auf fie folgten größere und Kleinfte Treibeisichollen. breitere quer zur Windrichtung geftellte Felder von Treibeis, die allmählich immer dichter wurden und offenbar, wie gelegentlich ein heller Eisblimf verriet, in fchweres Padeis übergingen. Die Treibeisfelder festen fih aus zum Teil ftarf zertrümmerten Schollen zu= fanımen, zwifchen denen gelegentlich größere, himmelblau gefärbte Eisftüce trieben. Jhre aus denı Waffer hervorragende Partie war oft bizarr geftaltet und gewährte der Phantafie den freieften Sptelvaunı zu Dergleichen mit Statuen, Tieren und Gerät. Es handelte fih meift um fchneeweiße Kuppen, die auf dem tiefblauen im Wajfjer flottierenden Poftamente ruhten; ihr unterer noch von den Wellen befpülter Teil war ftärfer auf- gelöft als die obere, manchmal auf einer jchlanfen Eisfäule ruhende Partie. Die Kuppen beftehen wohl in der Hauptfahe aus mehrfach gefhichteten und zufanımen- gefrorenen Schneelagen, welche man mit dem Ruder des gelegentlich ausgefesten Bootes leicht zu durchftehen vermochte. Die größeren Schollen maßen hier 2, felten 5m im Durchmeffer, und wir mußten fie forgfältig zu vermeiden trachten, da das außerordentlich) fpröde Eis leicht einen Schaden an der Schiffsfchraube hervorgerufen hätte. Swifchen den bald langgeftrecten, bald atollartig geitalteten Treibeisfeldern war das Meer öfter fo ruhig wie ein See. Wir nußten diefen Umstand mehrfah aus, um mitten in dem Eife unferen Arbeiten nachzugehen. Allerdings hatten fich während der oft einen ganzen Tag dauernden Unterfuchungen, bei denen das Schiff ftill lag, die Eisfelder hinter uns vielfach verfchoben, und fo waren wir genötigt, fie fowohl gleich am erften Tage, wo wir auf das Eis trafen, wie auch fpäterhin (3. B. am d., 5. und I. De- zember) zu durchbrechen, um wieder offenes Waffer zu gewinnen. Hierzu zwang uns auch manchmal der Umftand, dag das Eis in Geftalt langer Sungen fich vorjchob, die fenfrecht zu unferem Kurfe geftellt waren. Es war ftets ein großartiger, aber aud) 3 g gropartig ] 198 Durchbrechen der Treibeisfelder. mit mannigfahen Beflemmungen verbundener Mloment, wenn die Feineswegs für die antarktifchen Eisverhältniffe berechnete und zu diefem Swed nicht verftärfte „Daldivia” mit Dolldanıpf gegen die Eisfelder anfuhr, erjt direft vor ihnen ftoppte und fi nun durch die Frachenden Schollen ihren Weg bahnte. Wir waren allerdings jo vorfichtig, uns die fchmalften Stellen der Treibeisfelder zu derartigen Erperimenten herauszufuchen, die vecht verhängnisvoll hätten ausfallen Fönnen, wenn die Kraft des Schiffes durch den Andrang der Schollen gebrochen worden wäre, und wir mitten im Eife die Mafchine hätten in Bewegung fesen müffen. Wefentlich erleichtert wurde unfer Dorhaben durd einen „Eisbrecher”, welchen der talentvolle Koh aus zwei Flafhen Portwein und einer Flafhe Lognac herftellte. War die Sage befonders Fritifch, fo verwendete man als Punfch zweit Flafhen Cognac und eine Flafhe Portwein. Schon in der erften acht von 90. November auf den I. Dezember waren wir genötigt, unter mannigfachen Kursänderungen mehrmals die Felder zu durchfahren, und fchwerlich dürften bei dem unbeimlichen Krachen und Knirfhen an den Wandungen des Schiffes die Infaffen den Schlaf gefunden haben. Hachden es uns am I. Dezember gelungen war, wieder in freies Waffer zu Fom- if men, bejchloffen wir, im allgemeinen einen füdöftlichen Kurs fo lange einzuhalten, bis die Treibeisfelder uns etwa zu einer Anderung desfelben nötigen würden. m großen und ganzen darf denn auch hervorgehoben werden, daß wir 21/5 Wochen hindurd Treibeis am 5. Dezember 1898 in 55° 2' f. Br., 20° 50' ö.€ Große Tiefen des antarktifchen Mieeres. 199 ungefähr diefe Fahrtrichtung beizubehalten vermocten und dadurch in dte Lage Famen, auf einer Strefe von nahezu SO Kängengraden die Sreibeisgrenze während des jlid- lichen Sommermonats Dezember feitzulegen. Die unter relativ günftigen äußeren Bedingungen längs der Eisfante erfolgte Fahrt gab Anlaß zu einer eingehenden Unterfuchung des Meeresgrundes, der chemifch-phyit- Falifchen Derhältmifie des Seewafjers und der pelagifchen Tierwelt, wie wir jte veich entfaltet an der Dberflähe und in größeren Tiefen antrafen. Da es etwas monoton flingen würde, wenn wir in chronologifcher Neihenfolge unfere Fleinen täglichen und nächtlichen Erlebniffe während diefes in genußreicher Arbeit verflofjenen Reifeabfchnittes fhildern würden, mag es geftattet fein, die wichtigeren Ergebniffe und Eindrücke im Hufanımenhang dem Kefer vorzuführen. Die Kotungen. Das wichtigfte Ergebnis unferer fahrt längs der Eisgrenze mag vorweggenommen werden: es betrifft den Nachweis eines gewaltig tiefen antarftifchen Mieeres. Don jteb- zehn Kotungen zwifchen der Bouvetregion und Enderby-Land weifen nicht weniger als elf Tiefen zwifchen 5000 und 6000 m, fünf foldhe zwifchen 4000 und 5000 m und nur eine (dicht bet der Bouvet-nfel) eine Tiefe von 5080 m auf. Auf Grund dtefer Sotungsferte (der eriten, welche in folcher Dollftändigfeit imı antarktifchen Gebiet durch- geführt wurde) erfahren die bisherigen Dorftellungen über das Tiefenrelief des ant- arftifchen DOceans eine wefentliche Erweiterung und Berichtigung. Für das Derftändnis der Tiefenverhältnifje des antarftifhen AWleeres lagen vor der fahrt der „Paldivia“ nur 15 Tiefenzahlen füdlich von den 50. Breitengrade vor: die Erpedition hat füölich von dem 50. Brad 29 Kotungen bis zum Grund durchgeführt und im Gegenfas zu der herrfchenden Dorftellung, daß das antarktifhe Mleer ein relativ feichtes Beden darftelle, den Nachweis feiner unerwartet großen Tiefe geführt. Auf der unferen Schilderungen beigegebenen „Karte der Mleerestiefen”, welche Dr. Schott auf Grund des bis zum Jahre IIOO veröffentlichten Materiales entwarf, find die Pofittonen der wichtigjten Daldivia-Kotungen eingetragen. Indem wir auf diefe verweifen, fei be- merft, daß man früher lediglich auf theoretifhe Erwägungen hin den AMteeren in der Teähe der Pole unferer Erde geringe Tiefen zufchrieb. Diefe Auffaffung ift einerfeits durch HKanfen’s Ergebnifje im Polarmeere, andererfeits durch diejenigen der „Daldivia” im antarftifchen Meere endgültig widerlegt. Unfere Kotungen liegen allerdings in geringeren Breiten, als diejenigen der arftifhen Erpedition, aber fie erftrecfen fich immerhin bis dicht an den Rand des antarktifhen Feftlandes über einen Flächenraum von fünfztg Kängegraden. Es lag in der Hatur der Sahe, daß man im Hinblif auf jo unerwartete Auf- fchlüffe den oceanographifhen Unterfuchungen im antarktifchen Meere den Ehrenplas 200 Temperaturverhältniffe des antarktifchen Meeres. einräumte. Die täglichen Kotungen hielten uns nach Derlafjen von Kapftadt länger als einen Monat hbindurh in Ländiger Spannung: für die Richtung unferes Kurfes längs der Eisfante wurden fie geradezu ausfchlaggebend. Die Temperaturverhältnijje des antarktifchen Meeres. In allen wärmeren DOceanen nimmt die Temperatur des Seewaffers von der Ober- fläche bis zum Grunde ftändig ab. Allerdings erfolgt diefe Abnahme nicht gleich- mäßig, jondern gelegentlich mit mehr oder minder auffällig fi) geltend machenden Sprüngen, dte in den einzelnen Mieeresgebieten in verfchiedenen Tiefen zwifchen 50 und 200 m liegen. Wenn wir davon abfehen, fo geftattet die immerhin allmählich er- folgende Erniedrigung der Temperatur dte Anwendung von Martmal- und Minimal- thermometern, infofern man mit Sicherheit darauf rechnen Fanın, daß die auf dem Ntinimalthermometer verzeichnete niedrigfte Temperatur der größten vom Thermometer erreichten Tiefe zufommt. In der Dorausfetung, daß dies für alle Mleere zutreffe, be- diente jich die Challenger- Erpedition ausfchlieglih der Martmal- und Mintmalthermo- meter. Erjt jpäter wurde man durch eigentümlihe Wahrnehmungen im arftifchen und antarftifchen Gebiete zur Konftruftion der Negretti-Zambra’fhen Umfippthermometer veranlagt. Als einer der überrafchendften oceanographifchen Befunde der Challenger- Erpedition darf füglich der Nachweis betrachtet werden, daß im antarftifchen Gebiet in der Hähe der Eisgrenze das Oberflächenwaffer Fälter ift, als darunter liegende Waffer- fchichten. Die Dceanographen der Challenger- Erpedition vermochten indeffen eine nur annähernde Kenntnis von den Temperaturverhältniffen der tieferen Schichten zu ge- winnen, infofern die von ihnen abgefühlten und in gewifje Tiefen verfenften NTinimal- therniometer bei dem Aufwinden der Keine in Fälteres MWaffer gerieten und daher ent- jchieden durdh Abfühlung in den oberflächlichiten Schichten nicht genau die Temperaturen wiedergaben, die an den tiefiten von dem Thermometer erreichten Stellen obwalteten. Wir verwendeten daher zu unferen Unterfuhungen im antarftifchen Gebiet fait aus- jchlieglih die Kippthermometer und find in der Sage, an der Hand zahlreicher Tempe- raturferien ein wefentlich Forrefteres Bild von der Schichtung der warmen und Falten Wafjermengen im vertifalen Sinne zu geben. Die Beobahtungen lehren im allge- meinen, daß bis zu einer Tiefe von OO m das Oberflächenwaffer Temperaturen unter Hull Grad aufweift, und dag dann erft Schichten folgen, in denen die Temperatur über Hull Grad fteist. Swifhen 500 und 400 m trafen wir die wärmften Wafjerichichten von einer Temperatur von + 1,C° C. an. Don bier an nimmt die Temperatur im allgemeinen langjfam ab, um erft in relativ beträchtlichen Tiefen von 5000 bis 4000 m wiederum unter Mull Grad zu finfen. Im allgememen betrug die Bodentemperatur in 5000 m im antarftifchen Deean etwa — 0,5°. PETER ET a a ge en Bewegungsrichtung — =—— Bewegungsrichtung von. relativ warmem. Wasser von. relativ kaltem Wasser R 10° m 200 500 E B Bee Ego ne uogunpununagen uop nz stq PUBFa9-1a1nog ap won SULOZO IENEPNS SPP SlJTEH Pyoınso » ar Samee op ap = "TO 082 Azq ‚Sg Jun Bee pnbcon, ISUNISOM Anz SIq SIENPIOU pur [- Äqaopuy uoA 20 'PuI SOp [IoL uspenuso uop yoaınp IyoadsdueT "I 55°0.L----1---» 75° OL. Geogr. Anst.v. Wagner & Debes, Lapzigq Entw. v.Dr GSchott. von Gustav Fischer in. Jena. Verlag V Rn Kaltes Oberflähenwafjer, warmes Tiefenwafler. 201 | Stat. 155 || Kombinierte Stat. Nr. 149 +152 + 155 | 2. Dezbr. 1898. 16. bis 18. Dezember 1898. Tiefe | 56°50'j.Br., | Etwa 65° f. Br,, 54° ö.£., an der Eisfante im Meridian von | 14°20'ö.€. | Enderby=£and. | Bouvet-Region. Salzgebalt | o | CO; m | ° Cels. | °Cels. po ccm g ) 5 10 33,7 | 8,04 | 0,0520 10 — N 20 — 7,93 | 0,0521 40 — 12 ' 50 — 1,6 —1,% 7,98 0,0523 60 — | so —\U7 6,81 | 0,0559 100 — 1,5 ZN 5,44 0,0545 110 — 0,5 | 120 — 03 5,19 0,0555 130 —0,6 +0,2 | 140 | +08 | sol + 0,8 200 | Fası 0,0541 175 +02 | 200 +0,5 ZN, 250 300 +17 4,14 | 0,0544 400 +0,6 = 1060 54,4 4,54 0,0545 500 | | | | 600 a2 800 + 0,8 + 1,5 1000 + 0,8 +16 54,5 | 1500 +0,\ + 1,6 54,6 4,55 | 0,0576 2000 +06 | 2250 | —08 | | Bodentiefe | 5095 4656 | | in m Boden- | 05 05 | temperatur | | Don Interefje ift die Thatfache, daß die Abfühlung, welche fi in der Boupetregion bereits an der Oberfläche des Meeres durch auffällig niedrige Temperaturen von — |,9° geltend macht, auch für die tieferen Wafferfhichten gilt. Eine Temperaturferie, welche der Dceanograph am 2. Dezember in der Nähe der Bouvetregion ausführte, zeigt in den Tiefen von H0O—1500 m in allen Schichten eine um oft mehr als 1° niedrigere Temperatur, als wir fie an unferem füdlichjten Punfte in der Yähe der Padeisgrenze von Enderby-Kand nachzumweifen vermochten. Bier wird die ftärfere Durhwärmung oberflählicher und tieferer Schichten offenbar durch die von den Kerguelen in füdlicher Richtung fliegende Strömung bedingt. Die obenftehenden Tabellen mögen das Gefagte vielleicht bejfer als Worte erläutern; insbefondere fei auf die graphifch eingetragene 202 Temperaturfurven. Vor Enderby-Land,an der Packeis grenze. Temperaturreihe. Cels. Datum: 13-18 December 1898 Station N? 149,152u.153 { Zositiore :63°6%°5. Br,55°6. 1. Tiere : ca.4700 m. Tiefe in Meter 19 -E0 =025 0°0 +0°5 +12 0 +12 5 2 3 nn + 1 - ; = jez ses E| E fan =: 123 > =, i l JS] a1 1 s; t En Bi! = —t = Sn 3 m = Feten — 200 Sprurgschicht zw = 5 ln Sees == 4 5 zes SE 1 == Fi mn = Bus E 350 mi =? rt : T T Nesese-c-cos 1 n | | 1 | e er leelelkeeleliees) | der Eisberge von ur ee u ae 717507 über Wabs 600 ir [ARMOR | 156 28 (ara | [2 ER L lea ee! ee | j al | | | | | [-5800Bl88 112° er Zenjen a LANE LA ESTER BEE al SLILAE | | Il | | | | | | IS | | | f =) + m t 1 - — rt Taalıler! a To T ze | 2000 | | | | = ae a La. | L | I | | \ | | Hase | AR ne Ei ar va - ERELAEN I | 1 ! | IE ERRIE EN | | | | | 2 | | | __1200 HH L tt } = nt 4 = NE Kt l IL ul A || | || | [9 1300 ee eu + e—— Be 1 ar =; iz Toelertunfamı] - | 19) el | \ | | | | | | — — ir + ir ; In) | | Atelil | Fr al! 1} | } AL - | | 1 | + U, | r ++ 1 | Karel zul + da ]olall H + 1 IEHENHEE ze ] | Sara | | | nu + | H PR l = + + | | zer ir T I | Kurve verwiefen, welche die Abfühlung an der Oberfläche und allmäblihe Erwärmung nach der Tiefe veranfchaulichen. Die Kurve daß das Mlininuum der Temperatur nicht direft an der Oberfläche, jon- dern erjt bet HO bezw. SO m Tiefe liegt. Es jcheint, daß die Unter- fehiede zwifchen der Dberflächen- zeigt insbefondere, temperatur und der in etwa OO m Tiefe fich geltend machenden etwas weiter öftlich, wo der „Challenger“ feine Beobadhtungen anitellte, be= trächtlicher find. Andererfeits darf wohl darauf hingewiejen werden, daß die Befunde von Hanfen eine bödhjt auffällige bereinftimmung in den Temperaturprofilen der arf- tifchen und antarftifhen Waifer- majffen erfennen laffen. Auch wird es wohl von vornherein einleuch- ten, daß die auffällige AbFühlung des Dberflähenwaffers durch den Schmeßungsprozeß der und des Tretbeifes bedingt wird. Das Schmelzwafjer ift fpecififch leich- Eisberge ter als das Seewaffer, und diefem Umjtande allein ift es zuzuschreiben, daß es, obwohl Fälter als das leb- tere, doch eine oberflähliche Ta- gerung einnimmt. — Um das Ge- fagte durch einige fpecielle Daten zu belegen, fei hervorgehoben, daß wir den Salzgehalt des Dber- flächenwafjers bei Enderby-Land auf 59,C%/,0 berechneten, während er in 150 m 54%, in 1500 m 54,6°/, aufweiit. — Parallel der Hunahme des Salzgehaltes mit der Tiefe läuft nad den Unterfuhungen unferes Chemifers an abjorbierter Koblenfäure, Temperaturfurven. 205 Vor Enderby-Land,an der Packeisgrenze. nen derd ET im. Liter Centigramme ganı ‚gebundene Kohlensäure im Liter. Datum : 15-18 December 1898. Station N? 149, 152.153 Position. : :63°6#°8.Br,55° 6.2. ca.4700m.. { 1 Ze \ | = } 12 400 _ AunE | B® | DE en 600 ! a PR ee sa 4 600 | | 700 RR [ | daB | ( | 700 800 1 ui! Veee a 800 ; 1 malen Hal) | IA! | | soo | I ELLI LIE EI IL -2200 1000 Mi | MAIL | [en ea ra] BR BE ER A | ran Da Tonak 21100 | il ve EA | 1100 N | | Il | II | 1200 Hi 1a ME] | 1200 EN ASSRNI SHEREHERNNN 1300 | | | | 1300 na th 1400 | pi m | 1400 15002 ee [a EA ARIR Weecn 1600 I 8 | | 1600 je 1700 ! a u 1700 1} | 1800 N [E | 1800 I NNDEBANEENEENE 1900 | | 1900 44 2000 | | | al 2000 2100 | 2100 + =! 4 2200 | edle En == rt II | 2300 Bl II | | 2300 2400 al \ + I = 2400 | 2500 H | | L 2500 2600 | un 2600 2700 N IB | | 2700 2800 A | 2800 er Lili IB 2900 IL AL Al! J | 2900 3000 | ae] je [| | | | | | 3000 #000 | tr ! | #000 eine Zunahme des Gehaltes wie er fich gleichfalls in der tabellarifhen Uberficht 204 Gehalt an Sauerftoff und Kohlenfäure. ausdrüct. — Andererfeits nimmt der Gehalt an abforbiertem Sauerftoff von der Dber- flähe nah der Tiefe Fontinuterlih ab und beträgt beifpielsweife in A500 m Tiefe nur die Hälfte des Sauerftoffgehalts der Dberflähe. Immerhin erfcheint der ber- fhuß an abforbierter Koblenfäure, dem eine Derminderung des Sauerftoffgehalts parallel geht, nicht jo beträchtlich, daß er dem organifchen Leben fich als feindlich erweifen würde. Das Auftreten einer über 2000 m mächtigen Schicht relativ warmen Waffers im antarftifhen Aieere ift eine Erfcheinung, deren Bedeutung wir jowohl in oceanogra= phifcher, wie auch in biologifher Hinficht nicht hoch genug würdigen Fönnen. Das antarftifche Tiefenwaffer findet feinen Weg in langfamer Cirfulation bis zum Üquator und im Indifchen Dcean fogar weit über denfelben hinaus. Wenn nun aud) die jtarfe Erwärmung der Dberfläche in gemäßigten und tropifchen Mleeresgebieten die tieferen Schichten etwas in Mitleidenfchaft zieht, fo reicht fie doch nicht aus, um erhebliche Unterfchiede in der Temperatur zu bedingen. In 2000 m Tiefe ift das Wafjer des centralen Indischen Dceans direft unter dem ÜUgquator nur um 2 Grad wärmer, als in der Mähe des antarftifchen Kontinentes. Das find fo geringfügige Unterfchiede, daß fie ein bemerfenswertes Ergebnis unferer Füge mit den Dertifal- und Schließ- neßen erflärlich erfcheinen laffen: diefelben pelagifhen Organismen, welche dent tro- pifchen Tiefenwaffer eigen find, haben wir teilweife auch in demjenigen des antarf- tifchen Meeres wiedergefunden. An der Dberfläche giebt fich eine weitgehende Der- fchiedenheit in der Fufammenfeßung der fchwimmenden Kebewelt Fund, in der Tiefe eine auffällige bereinftimmung! Wir geben unferer Befhreibung zwei Kängsprofile bei, welche die vertifale Tempe- raturverteilung einerfeits von der Boupetregion durch den füdatlantifhen Dcean bis zu den Wigermündungen, andererfeits von Enderby-Land durch den Indifhen Ocean bis zur Weftfüfte Dorder- Indiens darftellen. Sie zeigen anfchaulicher, als wir mit ein- gehenden Erörterungen darzulegen vermöcdhten, die Überlagerung der Falten antarktifchen, bis über den Üquator hinaus ihren Weg findenden Wafjermafjen durch die warmen Schichten der fubtropifchen und tropifhen Regionen. Bei Gelegenheit der Schilderung der tropifchen oberflächlichen „Sprungihicht” werden wir Anlaß nehmen, nochmals auf die Karte zurückzufommen. Um indejjen das für die polaren Regionen charafteriftifhe Auftreten einer Falten, fpecififch leichten Schicht von Dberflähenwaffer würdigen zu Fönmen, dürfte es angezeigt fein, der Struftur und allmählihen Serfesung der antarftifhen Eisberge eine Furze Betrachtung zu widmen. Die Eismauern der Antarktis. 205 Die Eisberge. An der Bouvet-Infel fällt die Schneegrenze mit der Mleeresoberfläche zufammen. Wir wüßten Faum eine Infel zu nennen, welhe in jo geringer Breite eine \ähnlich ausgiebige Dergletfcherung aufweift. Draftifh giebt fich hier die Wirfung jener Kälte- zunge Fund, welche das antarftifhe Gebiet gegen die Bouvetregion hin entjendet. Die früheren Seefahrer Fonnten fih der Infel nicht nähern, weil fie vollftändig von Padeis umgeben war. Wir fanden fie frei von folhem, vermochten näher heranzufahren und feitzuftellen, dag an der Südoftfüfte der Bruchrand des fanft geneigten Gletjcherfeldes eine Höhe von ST—I55 m erreiht. Er ftellt jih dar als eine jenfrecht in das Mieer Tafelförmiger Eisberg mit Brandungswoge. Höhe 54 m, Breite II) m. 19. Dezember 1898. 950 a.m. 61° 40 f. Br., 61° 51’ 6.8. abftürzende Eismiauer, welche das vulfanifhe Geftein nur da zu Tage treten läßt, wo die Küfte fteil abfällt. Un den Hängen drängt die Eismauer oft in bedeutender Höhe fo weit vor, als ihre Stirnflähe noch Halt auf dem Untergrund findet; in den wenigen Thalfenfungen jchieben fich die Eismafjen in Geftalt wildzerflüfteter Gletfcher aus der Höhe bis zum Strande vor. Die Eismauer, mit welcher an der fanft geneigten Südoftfüfte das mächtige bis zum Kraterrand reichende Gletjcherfeld abbricht, wiederholt in Fleinem Mlaßitab jene sigantifhen Mauern, welche die Südpolarfahrer in weiter Ausdehnung dem antarktifchen Kontinent vorgelagert fanden. 206 Kalben der Gleticher. Allgemein befannt ift die gewaltige Eismauer, welhe Roß im füdlichften Teile des Diftorta-Landes nachwies. Er fchäste ihre Höhe auf 60—O m und vermochte fie auf eine weite Strede hin öftlih vom Alount Terror zu verfolgen. Sie bildet die Stirn jener ungeheuren antarftifchen Gletfcher, welche fich längs der geneigten Küfte weit in das Meer vorfchteben. Die Kotungen von Roß lehren, daß die oft mehrere Seemeilen über den Kontinentalrand vorgefhobenen Maffen von Inlandeis nicht mehr feftem Untergrund aufliegen, fondern infolge ihres geringeren fpecififhen Gewichtes auf dem Waffer flottieren. Eine Berechnung ergiebt, daß fie zu etwa %/, ihrer Höhe in das Waffer eintauchen und nur mit einem Siebentel über dasfelbe herausragen. Würden wir alfo die Gletfcherzunge des Diftoria-KLandes uns direft in der Höhe des Strandes abgebrochen denken, jo müßte fie die gewaltige Höhe von 400—500 m aufweifen. Der Unterfchied zwifchen dem fpecififhen Gewichte des Seewaffers und des nland- eifes führt dazu, daß die annähernd horizontal dem Micere aufliegende äußerfte Zunge or es Öletjchers — mag fie mehr oder minder breit fen — einen flahen Winfel mit den rückwärtigen, dem anfteigenden Fejtlande aufliegenden Maffen bildet. Es ergeben fih Spannungen, dte fchlieglih dazu führen, daß ein Bruch erfolgt. Die Stirn des Hletjchers Löft fih ab und fchwimmt als tafelförmiger Eisberg davon. Ob nun diefes „Kalben” des Sletihers lediglich durch den hier dargeftellten fogenannten Auftrieb des Waffers erfolgt oder ob noch andere Kräfte hierbei im Spiel jind, müfjen weitere Unterfuhungen lehren. Roß vermutete, daß die Temperaturunterfchtede zwifchen der abgefühlten Oberfläche und der wärmeren Unterfläche der Schwimmenden Gletfcherzunge zur Cöfung beitragen möchten. Diefe Dermutung ift nicht ohne weiteres von der Hand zu weifen, Unfere oben erwähnten Temperaturmeffungen des antarftifhen Tiefenwafjers haben ergeben, daß in 500-400 m Tiefe ein Mlarimum von + 1,C° herriht. Die Bletiherzungen tauchen bis zu diefer Tiefe ein und werden von einem Wajjer um- fpült, das um 5° wärmer ift, als das Oberflähenwaffer. Ob diefer Wärmeüberfhuß thatfächlih Wirkungen im Gefolge haben Fann, welche fchlieglih ein Kalben des Hletfchers bedingen, hat der Phyfifer und Dceanograph zu entjcheiden. Die Eisberge verbreiten fich allmählih von ihrem Urfprungsherd aus über ein weites Gebiet des antarftifhen und fubantarftifchen Meeres und vermögen unter Um- ftänden felbjt die Schiffahrt nah Auftralien zu gefährden. So machte jich in den Jahren 1594 bis ISYT eine gewaltige Eistrift geltend, welhe am Kap Horn einjesend Dis in die Nähe des Kaps der guten Hoffnung reichte und fpäterhin in mehr Sftlicher Richtung die Auftralienfahrer in Bedrängnis brachte. Bei Antritt unferer Fahrt nad) Süden waren wir daher in feiner Weife in der Lage, uns ein Urteil darüber bilden zu Förmen, wie die antarftifhen Eisperhältniffe fih möchten geftaltet haben. Da wir unbehindert bis zur Boupet-Infel gelangten, darf man wohl annehmen, daß die Tafelförmige Eisberae. 207 Hauptmaffe des Eifes im öftlicher Richtung abjbwanmm und jchließlih in den wärmeren Gebieten der Serfesung anheimfiel. Wir trafen erft jenfeits des 95. Breitegrades die eriten Eisberge und beobachteten jte um fo zahlreicher, je mehr wir uns der Eisfante näherten. Unfere wahhabenden Offiziere führten Protofoll über die einzelnen von uns gefehenen Eisberge und verzeichneten deren im ganzen ISO; ausgenommen find freilich die faft unzählbaren Eisberge, welhe wir an unferem füdlichiten Punfte am 16. und IC. Dezember beobachteten. Auffällig war ihr frühes Derihwinden auf der Fahrt nach den Kerguelen. Wir fichteten den letten Eisberg amı 19. Dezember ungefähr auf dem Schnittpunft des 61. Breitegrades mit dent O1. öftlichen Kängegrad. Die von den Kerguelen nach Süden feßende warme Strömung ftaut die Eisberge zurüf und bedingt eine ungewöhn- liche Maffenanfammlung derfelben in der Nähe ihrer Geburtsftätte. Uhnliche Wahr- nehmungen machte auch der „Challenger“, der im Februar I8C4 erit nach Überschreiten des 60. Breitegrades Eisberge fichtete. Was nun die Geftalt der antarftifchen Eisberge anbelangt, jo tft allen Beobadhtern aufgefallen, daß fie in der Mähe ihres Entftehungsherdes tafelförmige Riefen von ein- förniigem Ausfehen darftellen. Da fie aus Gletfchereis beitehen, fo ergtiebt die Berech- nung, daß fte zu etwa 1/, aus dem Waffer hervorragen, während nicht weniger als 6, in das Wafjer eintauchen. Wir haben verfucht, durch erafte Mefjungen ihre Höhe über WDaffer zu beftimmen, indem wir behufs Ermittelungen der Entfernung des Schiffes von dem Eisberge die Fortpflanzungsgefhwimdigfeit des Schalles in Geftalt des prächtig von demfelben widerhallenden Echos benusten. Es wurden Schüfje abgefeuert, mit der Sefundenuhr genau die Seit zwifchen Knall und Echo Fon- trolliert, und dann mit dem Sertanten die Höhe des Eisberges gemefjen. Eine ein- fache Rechnung er- gab den Nachweis, daß mancher der von uns gejehenen Eisberge die beträdht- lihe Höhe von nahezu 60 m erreichte; die Mlehr- zahl war niedriger und wies eine mittlere Höhe von 50 m auf. Tafelförniiger Eisberg. \9. Dezember [898 mittags in 61° 22' |. Br., 61° 40’ 5.€ Die Känge der von uns gemefjenen Höhe der niedrigften Kante 28 m, Breite 455 n ID S [6%) Höhe und Breite der Eisberge. Tafelförmiger Eisberq vom 19, Dezember aus größerer Nähe. Rechts eine Brandungswoge. Eisberge fchwanfte felbjtverftändlich im noch viel weiteren Grenzen, als die Höhe. Einen der längften, den wir maßen, trafen wir am 14. Dezember an; er war 54 m hodh und SCd m breit. Gewaltige Berge, wahre Eisinfeln, fahen wir in der Haht vom IT. zum 18. Dezember bei Enderby-Kand. Als wir uns damals aus dem Padeife herausarbeiteten, befanden wir uns in nicht weiter Entfernung von einem Eisberge, den ich anfänglich für die dem Feftlande vorliegende Eismauer hielt, bis es fich herausftellte, daß wir es mit emer Eisinfel zu thun hatten, deren Aus- dehnung von den Offizieren auf 4 bis 5 Seemeilen gefhäßt wurde. Solche Niefen- infeln müfjen gewaltigen Gletfhern entjftammen, welche die Schneenaffen eines weit- ausgedehnten und fanft gegen die Hüfte abfallenden Hinterlandes dem Meere zuführen. Sie Fönnen fih in derartiger Ausdehnung nur in verhältnismäßig gefhüßten Mleeres- abihnitten erhalten. Wenn manche Geographen der Auffaffung zuneigen, daß Enderby- Sand eine von dem antarftifchen Kontinent getrennte Infel darftelle, jo müßte fie zum mindeften eine große Ausdehnung befisen. Mir fcheint es im Hinblif auf das Dor- fommen folcher Eisriefen wahrfcheinlicher, daß Enderby-Kand nur einen vorgefchobenen Teil des weitausgedehnten antarftifchen Feftlandes bildet. Sämtliche früheren Beobachter weifen übereinftimmend auf die charafteriftifche Strei- fung der tafelförmigen Eisberge hin, welche im allgemeinen dem Plateau parallel läuft. Es handelt fih hierbei um eine regelmäßige Abwechslung von blauen und weißen Höhe und Breite der Eisberge. ‚Berl ssdrus2g@ mi e Em, g ir ‚me ilodsont ber a u sd Astbils b ” Istbie gina 3 ” sa .. 9m A Eisberge fchwanfte ea “or im_nod Biel ._—. Grenzen, als die Höhe. Einen der längiten, a “wir EI zens 1D3 RR SI wir RT Dezember an; er war 54 m hodh und 5Cö m breit. Gewaltige Berge, wahre Eisinfeln, fahen wir in der Hacht vom IC. zum 18. Dezember bei Enderby-Land. Als wir uns damals aus dem Padeife herausarbeiteten, befanden wir uns in nicht weiter Entfernung von einem Eisberge, den ich anfänglich für die dem Feftlande vorliegende Eismauer hielt, bis es fich herausftellte, daß wir es mit einer Eisinfel zu thun hatten, deren Yus- dehnung von den Dffizieren auf 4 bis 5 Seemeilen gefhäßt wurde, Solche Kiefen- infeln müfjfen gewaltigen Gletihern entjtammen, weldje die Schneemafien eines weit- ausgedehnten und fanft gegen die Küfte abfallenden Hinterlandes dem Meere zuführen. Sie fönnen fih in derartiger Ausdehnung nur in verhältnismäßig gefhüsten Mleeres- abfchnitten erhalten, Wenn manche Geographen der Auffaffung zuneigen, dag Enderby- Sand eine von dem antarftifchen Kontinent getrennte Infel daritelle, jo müßte fie zum mindeften eine große Ausdehnung befisen. Mir fcheint es im Hinblid auf das Dor- fommen folcher Eisriefen wahrfcheinlicher, daß Enderby-Kand nur einen vorgefchobenen Teil des weitausgedehnten antarftifchen Fejtlandes bildet. Sämtliche früheren Beobachter weifen übereinftimmend auf die charakteriftiiche Strei- fung der tafelförmigen Eisberge hin, welche im allgemeinen dem Plateau parallel läuft. handelt fid hierbei um eine regelmäßige Abwechslung von blauen und weißen > ir’ D 0 0 £ N‘ Streifung der Eisberge. 209 Sagen des Öletjchereifes, welche auch wir an vielen Eisbergen deutlihh wahrzunehmen vermochten. Allerdings tragen die zerftörenden Wirkungen der fchweren Brandung und die Schneeftürme dazu bei, daß die von ihrer Urfprungsjtätte weit abgetriebenen Eis- berge oft die Schichtung nur undeutlih, unter Umständen auch gar nicht erfennen laffen. Sie erfcheinen öfters an den Seitenflächen durch den angetriebenen Schnee wie überzucfert, und nur an frifchen Bruchjlächen tritt dann die Streifung wieder deutlicher hervor. Ganz ungewöhnlich ausgebildet zeigte fie fich bei einem am 1. Dezember in der YWähe der Bouvet-nfel beobachteten Eisberge, infofern mehrere Meter dicke Schichten Fobaltblauen Gletfchereifes mit dünnen fchneeweißen Lagen abwechelten. Um die verfchiedene Färbung der einzelnen Schichten zu erklären, bedarf es eines furzen Eingehens auf die Struftur des Eifes. Man war früherhin allgemein der Anficht, daß das Gletfchereis fih von dem durd Gefrieren von Waffer gebildeten durch eine fogenannte Kornftruftur unterfcheide. Es befteht nämlih aus einzemen Körnern oder Individuen, welhe wohl urfprünglih aus Schneefryftallen entftanden find. Die neueren Unterfuhungen von Emden haben indeffen den Hachweis gebracht, daß diefe Eisberg mit diden Schichten blauen Eifes, 1. Dezember 1898 in 56° 26' f, Br., II’ IT’ ö.£. Thun Aus den Tiefen des Weltmeeres. Zweite Auflage. 14 210 Korntruftur des Eifes. Kornftruftur fämtlihen Eisarten zufonmt, und allerdings nur da deutlich hervortritt, wo eine Eismafje in freier Sage einer mäßigen Erwärmung der Luft ausgefest wird. Die einzelmen Körner befisen außerordentlich verfchiedene Größen; zwifchen jtecfnadel- fopfgroßen und walnußgroßen finden fi alle möglichen Übergangsformen. Die Fleinen Körner vergrößern fich dadurh, daß Schmelzwaffer in die tieferen Schichten des Eifes fifert und gefrierend fih um fie ablagert. Sie preffen fich bei ftarfenı Drude, der fih namentlich auf die tieferen Sagen des Gletfchers geltend macht, polyedriich gegen- einander ab und bilden optifch einahjige Kryftalle. Teil der Wandung des am 5. Dezember 1898 in 56° O' f. Br., 16° 18’ ö, £. gefichteten Eisberges. Höhe 59 m. Die Wandfläche ijt befchneit; Streifung nur in der Nähe des Plateaus undeutlich fenntlich. Aufnahme im Webel, Unter den Beimengungen, welche die Farbe des Eifes bedingen, find in erfter Kine nach den Unterfuchungen von Drygalsfi £ufteinfchlüffe von Wichtigfeit. Sie finden fih nicht allein an den Korngrenzen, fondern oft auch innerhalb der Körner. Se reicher an folchen, bisweilen nur durh das Mifroffop nachweisbaren Kuftbläschen das Korn ift, defto weißer erfcheint die gefamte Eismaffe. Wird ihre Oberfläche von Sonnenftrahlen durchfreffen, dringen zahllofe Luftfanäle zwifchen und in die Körner ein, fo blenden fie durch ihre fchneeweiße Farbe. Andererfeits erfcheint das Korn blau, Blaue und weige Schichten. 211 wenn MWajjer die Luft verdrängt hat und in den Hohl- räumen ausgefro- ren tft. je weniger Beimengungen an Kuftbläschen dem- nad) das Eis befitt, " defto blauer ift es getönt. Es liegt auf der Hand, daß fei- ne farbe au noch durch mannigfache fonitige Beimen- gungen, wie Staub und Sand, beein- flußt wird. Frühere Sorfchungsreifende berichten von Eis- Padeisfcholle durch erdige Beimengungen teilweife chofoladebraun gefärbt. 16. Dezember 1898 bei Enderby=£Land. bergen der antarf- tifchen Region, welche gelegentlih mit Schuttmaffen bedeckt waren und ein fchmusßig- braunes Ausfehen darboten. Uns find derartige Eisberge nicht begegnet, wenn wir von zwei Padeisfchollen abjehen wollen, die wir an unferem füdlichiten Punkte, vor Enderby-Kand, beobadhteten. Sie zeigten fich zum Teil chofoladebraun gefärbt, und es gelang uns vermittelit eines ausgefesten Bootes, von x denfelben Eisjtükfe abzufchlagen, welhe lehrten, daß die anorganifhen Beimengungen aus eifenfhüfft- gen, in regelmäßigen parallelen Schichten ange- oröneten Sand- und Quarzförnchen bejtanden. Was nun die Entjtehungsweife diefer regel- mäßig abwehfelnden blauen und weißen Bänder des Gletfchereifes anbelangt, fo neigt man der Anficht zu, daß es fih um eine Erfcheinung handelt, die eimerfeits durch den 2Druf der auf den tieferen Sagen lajtenden Maiffen, andererfeits durch) das langfame Dor- rücen des Gletfhers bedingt wird. Wie jchon die Challenger-Erpedition nachwies, fo werden die 14* Das gefärbte Padeis wird vom Boot aus abgefchlagen. 16. Dezember 1898. 212 Umformung der Eisberge. tieferen Sagen des Eisberges wefentlih aus dem blauen Eife gebildet, zwifchen denen die weißen Schichten an Die außerordentlih zurüdtreten. Umgefehrt nehmen diefelben gegen das Plateau Sr ne an at, Rn auf der genannten Er- pedition ausgeführt wurde, lehrt, daß die Fobaltblauen Fa sen bedeutend fprö- der find, als die weißen Schichten. Es wurde nämlich ein Eisberg mit der Ka- none befchoffen, und dabei ergab es fid, daß dte Kugel bei dem Eindringen in die unteren Sagen ee ee ei no: linie große Stüde Eis abfplitterte, während fie in der Mähe des Plateaus ohne weitere fihtbare Wirfung in die weißen Eismaffen einfchlug. In der Hähe der Wafferlinie werden die weicheren weißen Schichten rafcher auf- Sit, als die jpröden Blaubänder, wie dies befonders auffällig bei einem gewaltigen 1 o ee Eisberg ze hervortrat, in dejfen Mähe wir bei Yebel am #. Dezember gelangten. Kaunı entjtanden, wird der tafelförmige Eisriefe bereits unter den Einwirkungen der Außenwelt umgeformt. Die gewaltigen Klöße, welche aus Millionen von Tonnen Eis beftehen, unterliegen der fchmelzenden Wirkung des Wafjers und der Luft, nicht minder auch den mehanifhen Eingriffen der Brandung. Wie lange ein antarftifcher Koloß den äußeren Einflüffen zu wiederftehen vermag, läßt fih bei dem Mangel an 3 zuverläfjigen Beobahtungen fchwer entjcheiden. Wlag er Fürzere oder längere Seit vielleicht ein Jahrzehnt aushalten, fo ift doch fchon bei der Geburt fein Schidfal Mechanifhe Wirkung des Wajlers. 213 befiegelt, das ihn um fo rafcher erreichen wird, je fchneller er durch Strömungen, unter Umftänden au durch ftändig wehende Winde, in warme Gebiete getrieben wird. In erjter Linie ift die mechanifshe Wirkung des Waffers hervorzuheben. Das antarftifhe Mteer ijt ftets bewegt, und jelbjt bei anfcheinend glatter See gelingt es Faum, mit einem Boote fit) dem Eisberge direft zu nähern und etwa feiten Fuß auf ihm zu faffen. Sangfam, wie mit regelmäßigem Pulsfchlag, arbeitet die Dünung in der Höhe der Wafferlinie an den Flanfen des Berges; Fräufelt ein Wind die Oberfläche, fo beginnen die Wogen an ihm zu nagen, und bericht Schwerer Sturm, fo bietet fih dem Seefahrer ein geradezu überwältigendes Schaufpiel dar. Mächtige Wogenfänme ftürmen gegen den in majeftätifcher Ruhe daltegenden Tafelförmiger Eisberg von der Schmaljeite gefehen. Höhe 42 m. Man beachte die Streifung nahe der Wafferlinie; gegen das Plateau zu tritt fie weniger deutlich hervor. Der Eisberg zeigt auf der einen Breitfeite (fie ift dem Befchauer jtarf verfürzt zugefehrt) drei tief einfchneidende breite Grotten. %. Dezember 1898. 5h p.m. in 55° 28’ füdl. Br., I9° 4’ öftl. €. Aufnahme bei nebeliger £uft. 214 Bildung von Hohlfehlen und Grotten. Eisfoloß an, zerftieben bei dem Anprall in feinen Gifht, um in Brandungswogen von faft unerhörter Höhe längs der eifigen Mauern fih aufzubäumen und das Plateau mit weißem Schaum zu überfchütten. Ein derartiges Schaufpiel bot fi uns dar, als wir nad) Derlafjen von Enderby-Kand bei fchwerem Dftfturm die lesten Eisberge fich- teten. Man glaubte dumpfen Ka- nonendonner zu vernehmen, wenn die Brandungswogen anprallten und ihr Serftörungswerf mächtig för derten. Hunäcft äußert fih die mecha- nifhe Wirfung des Wajjers durch die Bildung einer Hohlfehle in der Höhe des Wafferfpiegels. So lange der Eisberg noch in Falten Wafjer, deffen Oberfläche unter Yull Grad erniedrigt ift, Shwimmt, Fann eine Schmelzung des Inlandeifes nicht ftattfinden, wohl aber wird durch die ftändig von den Wogen erzeugten Stöße die Hohlfehle mehr und mehr vertieft, fo daß fchlieglih ein Abbruch der über ihr gelegenen Eismaffen erfolgt. Indem die der Lupfeite zugefehrte Fläche des Berg als die Eisberg mit Hohlfehle in Meeresniveau. (Schmidt phot.) es rafcher zerftört wird, min eefeite, tritt dann durch eine leichte Derlegung des Schwer- punftes die Hohlfehle frei zu Tage. Die fchräg zu der Fläche verftrei- chenden ynd an den Flanken auf- jteigenden Wogen. polieren dann oft den unteren Teil des Eis- berges faft glatt. Die Serfegung wird nun weiterhin dadurch be= günftist, daß Fleine Kängsfpalten, welche oberhalb der Wafjerlinie auftreten, neue Angriffspunfte für den Wogenprall darbieten; jie = Sn werden erweitert, bis fie fchließlich Eisberg mit gehobener Hoblfchle. (Schmidt phot.) tief einfchneidende Brotten bilden, die gelegentlich wie von gotischen Schwibbogen begrenzt bis gegen das Plateau hinaufragen. ft ein Ianggeftreter Eisberg Wochen bindurdh Serjtörung der Kupfeite. 215 mit der einen Breitfeite dem Wogenprall preisgegeben, fo fann es fomımen, daß feine Seefeite eine glatte Eismauer darftellt, während feine Kupfeite duch Grotten bereits ftarf durchlöchert erfcheint. Einen derartigen Eisberg beobachteten wir am 4. Dezember; er machte auf der Dftfeite den Eindrud, als ob er aus drei gewaltigen Bergen fich zufammenfeßte, während die Weitjeite vollftändig glatt erfchten. Schneiden die Grotten tief ein, und gehen von ihren Decken Spalten aus, die bis zu dem Plateau vordringen, jo Flaffen die durch fie getrennten Eisblöfe auseinander, neigen fih etwas zur Seite Eisberg mit 150 m langer Zunge, an der die Bildung einer Hohlfehle und das Polieren durch die Brandungswoge erfichtlich ift. Il. Dezember 1898. Gh 50m p. m. in 58° 59' f. Br., 45° 56’ ö,£. Böhe 50 m. (Sachse phot.) und fuchen Anlehnung an die benachbarten. Dann nimmt die Streifung an den planfen einen zicfzackförmigen Derlauf. Bet weitergehender Zerftörung brechen fhließ- Jterjach! g gen Q 2 IıTeR lih die Eismaffen zufammen und bilden unter Umständen Sturmböde, deren fich der 3 Wogenprall bedient, um den noch ftehengebliebenen Teil der Eiswand in Mitleiden- Ihaft zu ziehen. Auf diefe Weife Fan es fich geben, daß Ichlieglich die ganze Kupfeite des Eisberges vernichtet und zu einem weiten Amphitheater umgeftaltet wird, deifen 216 Amphitheatralifche Eisberge. Ummallung die auf der Leefeite noch erhaltene Eismauer abgiebt. Ich werde niemals den Eindruf vergefen, den einer der größten Eisberge auf uns machte, welchen wir anı €. Dezember bereits aus einer Entfernung von 20 Seemeilen fichteten und jpäterhin umfuhren (S. 219 u. 220). Wir festen damals ein Boot aus, um ihn von diefem aus mitfamt dem Dampfer bei relativ ruhiger See zu photographieren. Don der Weitfeite, die wir zuerft zu Geficht befamen, fchten er monoton tafelförmig geftaltet; als wir indejjen auf die Dftfeite gelangten, vermochte niemand einen Ausruf der Be- wunderung Über den großartigen Anblif zu unterdrüfen. Sie bot fich uns als ein gewaltiges Amphitheater dar, das in feiner eigenartigen Mifchung von Blau und Weif wohl die riefenhaftefte Arena darftellte, welche uns je zu Geficht gefonmen war. Serfetter Eisberg mit hochliegender Hohlfehle und polierten Wänden, %. Dezember 1898, 2b p. m. in 55° 24’ |. Br., 19° 36’ ö.£. (Derfelbe Eisberg ijt von einer anderen Seite in Heliograväre dargeftellt.) Es liegt auf der Hand, daß bei folchen einfeitig zerftörten Bergen der Schwerpunft verlegt wird. Sie neigen fich ein wenig in der Richtung der noch ftehenden Eiswand eil taucht immer höher über Wajffer auf. Derartig geftaltete Eisberge trafen wir recht häufig an. Sie beftehen gewiffermaßen aus zwei Etagen, nämlich einer niedrigen Plattform, deren Oberfläche jehr unregel- mäßig geftaltet ift, und einer fteilanftrebenden Wand. Auch in dem Werfe der Chal- lenger-Erpedition finden fih mehrere Abbildungen derartig geftalteter Eisberge. Endlich Fann es fonmımen, daß entweder die noch erhaltene Wand oder gleich von vorn- e & en 216 Amphitheatralifche Eisberge, Ummallung die auf der Keefeite noch erhaltene Eismauer abgiebt. Ich werde niemals den Eindruf vergeflen, den einer der größten Eisberge auf uns machte, weichen wir am 7. Dezembar bereits aus einer Entfernung von 20 Seemeilen fichteten und Mäterhin umfubren 219 u. 220), Wir festen damals ein Boot aus, um ihn relem aus mitiamt dem Dampfer bei relativ ruhiger See zu photograshiszen. m der m he, Die wir zuerft zu Geficht befamen, fchien er monoton tafelifemig aeitaltet; indejjen auf die Dftjeite gelangten, vermochte niemand einen Musruf der Be- wunderung über den großartigen Anbli€ zu unterdrüden. Sie bei Wh uns als ein gewaltiges Amphitheater dar, das in feiner eigenartigen Mifchung von Blau und Weiß wohl die rieimhafteite Arena darftellte, welche uns je zu Geficht atmen war. Serfehter Eisberg mit hochliegender Hohlfehle und polierten Wänden, %, Dezember 1898, 2a p.m. in 55° 24’ 5, Br., 19*36' 5.6, (Derfelbe Eisberg ift von einer anderen Seite in Heliograpäre dargeinlln} E: i auf der Hand, daß bei folchen einfeitig zerftörten Bergen der Schwerpunkt verlegt ı Sie neigen fich ein wenig in der Richtung der nad ftehenden Eiswand umd der zeritört taucht immer höher über Waffer auf. Derartig gi Eisberge trafen wir recht häufig an, Fre baieben gewiffermaßen “aus zwei Etagen, ı & einer niedrigen Plattform, deren Pherllähe fehr unregel- mäßig geftaltet ift, w kteilanftrebenden Wand. Auch in dem Werke der Chal- lenger-Erpedition finden Rd mehrere Abbildungen’ derartig seilalteler Eisberge. Endlich fann es fommen, dag entweder die noch erhaltene Wand oder gleich von vorn- vo Serfall in einzelne Abteilungen. DIE herein der ganze Eisberg durch tief- einfchneidende und ftändig erweiterte Spalten in mehrere Abteilungen zerlegt wird. Die fteil auf- ftrebenden Sinnen, welche dem biswei- len ganz vom Waf- fer bededten Mafjiv aufligen, erinnern dann lebhaft an die Fühnen ‚Formen der Dolomiten. Da wir unfere Herjetter tafelförmiger Eisberg. (Schmidt phot.) 14. Dezember 1898. 9h a. m. in 60° 13’ f. Br., 52° 55’ 6. £. die Einwirkungen Höhe der Nordfeite 44m, der Südfeite 54m. Breite der Nordfeite 575 m, der Südfeite 551m. Darlegungen auf beijhränfen, welhe noch innerhalb der antarftifchen Sone — 8. h. in jener Region, Waffers unter 0° jinft — den Eisberg betreffen, fo mag der Furse Hinweis genügen, daß in niedrigen Breiten zu der mechanischen q ie 9 genug ß g 3 wo die DOberflächentemperatur de in Wirkung des Dberflähenwaffers auch die fchmelzende fih hinzugefellt. Im höheren Breiten Ffommt diefe zwar nicht in Betracht, wohl aber erweilt fjich die in den Som mermonaten er- höhte Temperatur der Kuft als ver- hängnisvoll für den Sufamnten- halt der Eismafle. Steist die Tem peratur über 0° und jinft fte ander- feits um nur ein Geringes unter den Teil des Eisberges von 14. Dezembergmit Streifung. (Schmidt phot.) 218 Schmeljwirfung der erwärmten Kuft. Aullpunkt, wie dies gerade für den größten Teil der von uns durchfahrenen Region längs der Eisfante zutrifft, fo erfolgt ein ftän- diges Auftauen und Wiederge- frieren der ober- flählihen Schich- ten. Das Schmelz- wafjfer ficert im die Spalten und übt, da es bei Grotte im Eisberg vom 14. Dezember. (Schmidt phot.) dem Gefrieren fi ausdehnt, eine Sprengwirfung aus, welhe eine ausgiebige Sertrümmerung zur Folge hat. Bet dem Umfahren des vorhin erwähnten amphitheatralifch geftalteten großen Aus zwei Etagen beftehender Eisberg. £infs eine Brandungswoge 29. November 1898. 5h 50’ a.m, in 55° 14’ füdl. Br., 4° 40’ öftl. £ Sonnenftrahlung. 219 Eisberges löften fih von den Seiten des Plateaus gewaltige Blödfe ab, die unter einem Donner, wie wenn eine Kawine im Hochgebirge niedersinge, in das leer herab- praffelten. So findet man denn auch gewöhnlich den Eisberg auf feiner Keefeite von zahllofen Schollen umgeben, welhe fih) dem Treibeife beimifchen und durch ihre Fobaltblaue Färbung von dem mehr blaugrün gefärbten Mteereife fich abheben. Durch ihre Härte find fie der Schiffahrt befonders gefährlich und feit jeher von den Süd- polarfahrern gemieden worden. Daß ein ftändiges Auftauen und Wiedergefrieren während der Sommermonate in höheren Breiten erfolgt, lehren auch dte gewaltigen Eiszapfen, welche wir oft von den Rändern des Plateaus niederhängen fahen. „PDaldivia” einen tafelförmigen Eisberg umfahrend. 7. Dezember 1898. 24 50’ p. m. in 55° &7' f. Br., 29° 52’ ö,£. Aufnahme der Weitfeite des Eisberges von dem Boot aus. Nechts ein fliegender Albatrof. Eine ähnlihe Wirfung wie die erwärmte Kuft übt die Sonnenftrahlung aus. Sie dürfte fih freilih in jenen Regionen, dte wir durchfuhren, wegen des fait ftändig bedecften Himmels weniger geltend machen, als in füslicheren Breiten, wo der Himmel häufiger aufflart. Roß bemerfte an den Dorfjprüngen der großen Eis- mauer des Diftoria-Landes lange Eiszapfen, deren Auftreten bei der dort herrjchenden niedrigen Sommertemperatur wohl wefentlih auf Rechnung der Sonnenftrahlung zu feßen ift. Im Hinblid auf die gewaltigen Mlafjen, um die es fich bei einem antarftifchen Eisberg handelt, Fann es nicht überrafhen, wenn die durch Auftauen entjtandenen 220 Schmelzwaffer. Süßwaffer fich in zahlreihen Hinnfalen fammeln und fchlieglich Fleine Bäche bilden, die in Kasfaden von dem Rande des Plateaus in das Meer abfallen. An dem be- reits erwähnten Eisberge vom C. Dezember fahen wir mehrere Wafjerläufe über den Teil des Eisberges vom 7. Dezember (Oitfeite), Die „Daldivia“ befindet fich auf gleicher Höhe mit dem Eisberg. niedrigen Teil des Plateaus fih in die See ergießen, obwohl zu der Seit, als wir anfuhren, die Kufttemperatur — 1° betrug. Da wir immerhin anı näcjten Tage um die Mittagszeit eine Temperatur von + 0,4° beobadteten, fo begreift man, wenn bei diefem ftändigen Schwanfen um den Nullpunkt ein- stetig fließender Quell dem Eisberge entjtrömt. Es brauht nicht noch befonders darauf hingewiefen zu werden, welhe Gefahren für die Schiffahrt die Eisberge darbieten. Sich ihnen Ödireft zu nähern, ift unter Feinen Umftänden ratfam, da oft fchon ein Schuß genügt, um die in labiler Gleihgewichtslage befindlichen, durch die Sprengwirfung der frierenden Schmelzwaffer gelocderten Blöce zum Derabftürzen zu bringen. Da weiterhin in dtefen Gebieten mit einer oft unheim- lihen Schnelligfeit ein Nebelfchleier fich einftellt, der jeden Ausblif benimmt, fo waren wir häufig genötigt, die Mafchine zu ftoppen, wenn vorher Eisberge gefichtet wurden. Erfhien der Horizont frei und Fam Hebel auf, fo fuhren wir immerhin mit halber Kraft und fuchten durch ftändiges Stehen an der Dampfpfeife das Eho von etwa vorliegenden Bergen zu weden. Durch einen Umstand wird allerdings auch bei dicfem F, 220 - Schmelzwafler. Süßwaffer fih in zahlreichen Ainnfalen jammeln und fchlieglich Fleine Bäche bilden, die in Kasfaden von dem Rande des Plateaus in das Mleer abfallen. An dem be- reits erwähnten Eisberge vom €. Dezember fahen wir mehrere Wafferläufe über den Teil des Eisberges vom 7. Dezember (Oftfeite), Die „Daldivia” befindet fich auf gleicher Höhe mit dem Eisberg. niedrigen Teil des Plateaus fih in die See ergießen, obwohl zu der Seit, als wir anfuhren, die Lufttemperatur — I° betrug. Da wir immerhin am nädften Tage um die Mittagszeit eine Temperatur von + 0,4° beobadıteten, jo begreift man, wenn bei diefem ftändigen Schwanfen um den Xullpunft ein-ftetig fliegender Quell’dem Eisberge entitrömt. Es braucht nicht noch befonders darauf hingewiefen zu werden, welche Gefahren für die Schiffahrt die Eisberge darbieten. Sich ihnen direft zu nähern, Hi unter feinen Umständen ratjanı, da oft fhon ein Schuß genügt, um die in Tabiler Gleihgewidtslage befindlichen, durch die Sprengwirfung der frierenden Schmelzwafjer seloderten Blöde zum Herabjtürzen zu bringen. Da weiterhin in diefen Gebieten mit einer oft unheim= lichen Schnelligteit ein Uebelfchleier fich einftellt, der jeden Uusblid benimmt, fo waren wir häufig genötigt, die Mafchine zu ftoppen, wenn vorher Eisherae gefichtet wurden. Erichien der Horizont frei und Fam Mebel auf, fo fuhren wir immerhin mit halber Kraft und fuchten durch jtändiges Stehen an der Dampfpfeife das Edhio von etwa iegenden Bergen zu weden. Durch einen Umstand wird allerdings auch bei didem DOT a un ee Te map ng Sr ER ara. = Gefahren für die Schiffahrt. eo) Wetter die Annäherung an den Eisberg verraten. jn unmittelbarer Mähe des- felben erfolgt nämlich, wie wir mehrfah zu erproben Gelegenheit fanden, ein Auf- flaren, welches offenbar dadurh bedingt wird, daß die von dem Eife ausjtrahlende Kälte ein Gefrieren und Hiederfallen der Wafjerteilhen in der umgebenden Luft zur Folge hat. Alle die hier genannten Einwirfungen von Waffer und Luft betreffen nur die oberflächlihe Partie des Eisberges. Weit wirfungsvoller dürfte fich indeijen auf Grund unferer Unterfuhungen die Serftörung erweifen, welche dadurch bedingt wird, daß der Eisberg mit feinem Fuße in Schichten eintaucht, welde unter Um- ftänden um 5° wärmer find als das Dberflähenwaffer. Es ift fchon früher darauf hingewiefen worden, daß in 500—400 m Tiefe, alfo in jener Tiefe, bis zu welcher der größte Teil der Eisberge hineinragt, eine Temperatur von + 1,7° herrfdt. Daß hier ein ftändiges, intenfives Abjhmelzen des Eifes erfolgen muß, liest auf In zwei Hälften zerlegter Eisberg, von denen die Fleinere (dem Befchauer zugefehrte) fich in eine Eismauer fortjett. 8. Dezember 1898. 5h p.m. in 57° 10’ f. Br., 55°20' ö.€£, Höhe 45 m. der Hand. Diefe fpecififch leichten, aber Falten Schmelzwaffer fteigen zur Dber- fläche und breiten fih über das ganze antarftiihe Gebiet in allerdings dünner 222 Schmelzwirfung des warmen Giefenwafjers. Schiht aus. Hier macht fih eine Einwirfung geltend, die ftill, aber nachhaltig, ficherlih alles überbietet, was Wogenprall und warme Luft an dem über die Oberfläche herausragenden Teile des Eisberges zumwege bringen. Ein beträchtlicher Wärmevorrat wird dem Tiefenwaffer entzogen und durch das Schmelzen des Eifes gebunden. Gerät nun gar der durch das Auftauen von unten ftändig leichter werdende Berg in wärmere Regionen, wo der Schmelzprozeg auch im DOberflächenwajffer jich geltend macht, fo Fann es fich wohl geben, daß der Schwerpunft völlig verlegt wird und ein Umwälzen erfolgt. Ein folhes haben wir freilih niemals im Falten Gebiete zu Geficht befommen. Eisberg vom 8. Dezember 1898. (S. 221). Anficht von der £eefeite mit treibenden, von ihm abgelöften Schollen, berge in in Im allgemeinen ift wohl der Schluß gerechtfertigt, daß ftarf zerfeßte Ei ® weiten Abftand von ihrer Urfprungsftätte angetroffen werden und demgemäß auch auf eine große Entfernung des antarftifchen Kontinents hinweifen. Die erjten Eisberge, welche wir jenfeits des 55. Grades gewahrten, deuteten denn auch darauf hin, daß fie offenbar eine lange Reife zurücdgelegt hatten. Vorficht ift indefjen bet derartigen Schlüffen notwendig, wie dies aus der Thatjache hervorgeht, daß wir bereits am 5. und am 4. Dezember, alfo noch in der Boupetregion, tafelförmige Eisberge an- trafen, welche durchaus den am füdlichjten Punkte der Fahrt beobachteten glihen. Der Sandnahe und landferne Eisberge. 223 am 5. Dezember in 56° 0’ f. Br. und 16° 18’ 5. 8. gefichtete und in Feiner Weife zerjeßte Eisberg war zudem mit 59) m der höchite, welchen wir maßen. Andererfeits berechtigt das Dorfommen Fleiner unregelmäßig geftalteter Eisberge durchaus nicht zu dem Schluffe, dag man fich weitab von dem Lande befinde. Die antarftifhen Küften zeigen feinen Mangel an Sletjchern, welche oft aus jteiler Höhe niederfallend ebenfo ftarf zerflüftet find, wie die grönländifhen Eisftröme. Es liegt auf der Hand, daß fie bet dem Kalben nicht jene tafelförmigen Niefen liefern, deren wir bisher gedachten, fondern unregelmäßig geftaltete Berge, wie fie dem arftijchen Gebiete eigentümlich find. Die wenigen Berichte über das Wälzen antarftifcher Eisberge dürften vorwiegend an folhe anfnüpfen, welche den GSletfchern von Steilfüjten Eisberg, gefichtet am 5. Dezember 1898, 5h a.m. in 55° 0’ f. Br,, 20°40'6.£. Die fchräg anfteigende Hohlfehle ift nur verjchwommen fichtbar. entftammen. Immerhin unterfcheiden fich, wie aus älteren Berichten hervorgeht, ditefe unregelmäßig geftalteten in nahem Kandabftand gefundenen Eisberge dadurch von den weit nach Horden getriebenen, daß fte fharfe Bruchflähen und eine ungewöhnlich deutlich ausgeprägte Streifung aufweifen. Dagegen find ihnen Hohlfehlen und durch die Brandung glattpolierte Flächen nicht in dem Maße eigen, wie den bis in die Weit- windregion verfchlagenen Bergen. 224 Antarftifhe Stimmung. Die bisherige Darftellung vermag nun freilich Feinen Begriff von der überwältigen- den Pracht zu geben, welche diefe antarftifhen Kolofje darbieten. Kein Maler ift im ftande, diefe wundervollen Scattierungen des Blau wiederzugeben, wie fie in der Mähe eines Eisberges zum Ausdrudf gelangen. Ein feiner Duft jcheint über dem Ganzen zu ltegen, hier und da treten blendende, fchneeweiße Flächen hervor, während die Spalten, Grotten und Amphitheater in allen Abjtufungen bis zum tiefften Kobaltblau fhimmern. Das den Eisberg befpülende Waffer nimmt die Färbung von Kupfervitriol an und hebt fih jharf ab von dem bei bededtem Himmel grau erfcheinenden Mleere. Dabei geben die bizarren Formen der ftarf zerfesten Eisberge der Phantafie ftändigen Spielraum; man fucht ihre Geftalt aus der Wirfung der zerftörenden Kräfte zu erflären, und wird nicht müde, diefe Feftungen mit ihren Sinnen, diefe Dome und fteil anftrebenden Türme, diefe Amphitheater und wild zerflüfteten Eisgebirge vor dem ftaunenden Auge vorüber- ztehen zu laffen. Sie werden belebt von Pinguin- Kolonien, die fie als Standquartier bei ihren Reifen durch das antarftifhe Gebiet ausnusgen, und umflogen von Sturm- vögeln und Albatrofjen, welche in der Brandung des KEisberges ein günftiges Jagd- gebiet finden. Wer mich fragen würde, welcher Teil des freien Deeans den nadhhaltigjten Eindruck binterlaffen hat, dem würde ich ftets ohne Säumen das antarftifche Mieer nennen. Es ijt freilih ein Gebiet, dem Sonnenglanz und warnıe Töne verfagt find. Grau ift der Himmel verhängt und grau wird er von der Wafferfläche widergefpiegelt. In langgezogener Dünung fcheint das Mleer wie mit ruhigen Atemzügen einem tiefen Schlafe verfallen. Seine Dede bildet ein Nebelfchleier, Totenftille herrfcht ringsum und mit halber Kraft verfolgt das Schiff zögernd feinen Kurs durch unbefannte Regionen. Auch auf der Brüde tft es ftill geworden; mit gefpannter Aufmerffamfeit fuchen Auge und Ohr einen Moment zu erhafchen, der Aufihluß über die Fährlichfeiten des antarf- ttfchen Hiflheim giebt. In fingendem Rhythmus hallt, feltfam durch den Hebel gedämpft, der Ruf der Wache wieder, und mit greller Diffonanz heult die Dampfpfeife in die Nacht, ohne ein Echo zu finden. Doch die Ruhe trügt. Eine leichte Brife fest ein, um im überrafchend Furzer Seit zu fhwerem Sturm anzufachen, der zwar den Yebel ver- fheucht, aber dichtes Schneegeftöber mit fih bringt und wagereht den feinen irn in die fchmerzenden Augen jagt. Der Seegang wird Fräftiger und bald ftürmen Wogen- fämme von einer Sänge und Höhe an, wie fie in Feinem andern Mieere je beobachtet wurden. Die Spannfräfte haben fich in lebendige Kraft umgefest; ein wildes Treiben, ein froh puljierendes Soeben herrfcht ringsum. Schwärme von Sturmvögeln und gewaltige Albatroffe umEfreifen das Schiff, bald hoch über den Maften fchwebend, bald in die Wellenthäler niederfaufend. Treibeisfelder unterbrechen die Mlonotonie der Oberfläche und endlich übermitteln die Wunder des antarktifchen Südens, die Fryftallenen Paläfte Antarftifches Plankton. an ut aus Eis, unnahbar und in majeftätifher Ruhe der tofenden Brandung ihre weiß und blau fchillernden Flanfen darbietend, die Grüße eines von Gletihern umpanzerten und von dem Schleier des Geheimnisvollen umwobenen Kontinentes. Brandungswoge an einem 54 m hohen Eisberg. Das Waffer ift mit weißem Gifcht bededt 19. Dezember 1898 in 61° 40’ f. Br., 6l 51’. £. Das antarftifche Plankton. In dem eisfalten, unter Null Grad abgefühlten DOberflähenwafjer der Antarktis pulfiert ein erftaunlich reiches tierifches und pflanzliches Leben. Es wiederholen fich bier ähnliche Derhältniffe, wie wir fie aus den arftifhen Mleeren Fennen, deren Pro- duktivität an oberflählihem organifhem Material in Bezug auf Quantum diejenige der gemäßigten und warmen Meere überbietet. Allerdings wiffen wir, daß diefe Majjen- produftion organifcher Subftanz nicht das ganze Jahr hindurdy ftattfindet. Sobald die Sonne im Srühjahr über den Horizont fteigt, beginnt die Oberfläche fih mit mifro- fFopifchen Organismen zu beleben, die fih im Frühfommer etwas verringern, um dann während der Hochfommermonate zum zweitenmal eine Periode üppiger Dermehrung einzuleiten. Dann nimmt ihre Sahl ab, und während der Wintermonate dürfte die Produktivität an der Oberfläche des Falten Waffers außerordentlich zurücjtehen gegen jene wärmerer Mieeresgebiete. Wir waren offenbar gerade zu jener Seit nah Süden vorgedrungen, wo das Quantum an organifcher Subftanz feinen Höhepunft erreicht hatte. Kieg man die feinen Seidennete in das Wafjer hinab, fo Famen fie mit einem bräunlichen € hun, Aus den Tiefen des Weltmeeres. Smweite Auflage. 15 226 Antarftifche Diatomeen. Brei von Organismen gefüllt wieder auf; glühte man denfelben, jo erhielt man eine weißliche Maffe, die aus nahezu reiner Kiefelfäure gebildet wurde. Das Mifroffop lehrte denn auch, daß es fihh wefentlih um eine Mafjenproduftion von Diatomeen handelt, die, ähnlich wie im arftifchen Gebiet, auf weite Streden bin das Mleer verfärben. An dem Fuße der Eisberge, am Rande der Schollen bemerkte man einen gelb- braunen Strich, der bei mifroffopifcher Unterfuhung fih als eine Anhäufung von Diatomeen erwies. nfofern macht fi) allerdings ein Unterfchied zwifchen arftifchem und antarftifhem Planfton geltend, als die dem erfteren mafjenhaft beigemengten Ceratien dem lesteren vollfommen fehlen. Wir beobachteten diefe dreihörnigen Formen, auf welche fchon bei Gelegenheit der Schilderung des Guineaftromes und der Ugquato- rialftröme hingewiefen wurde (S. 76), an der Oberfläche noch häufig bis zum IC. Ho- vember. Wie mit einem Schlage hatten fi) vom näcjiten Tage ab die Derhältniffe geändert. Eine neue Degetation trat an der Dberflähe auf, und zwar genau an dem= jenigen Tage, wo uns zum lettenmal das Thermometer die Einwirfung des warmen Agulbasftromes verriet, und die fächerförmig in ihn vordringenden Falten Wafjerftreifen die Dberhand gewonnen hatten. Don nun an waren es wefentlih nur Diatomeen, welche, untermifcht mit einer Fleinen, gallertige Maffen bildenden, einzelligen Allge allein- berrfhend auftraten. Zu ihnen gefellten fih Schwärme Fleiner Krufter aus der Drd- nung der Copepoden, zahlreiche Pfeilmürmer (Sagitten) und die antarftifchen Flügel- fchneden (Pteropoden). Wenn ein Sturm einfeste und die Brandungswogen hoh an den Eisbergen in Schaum zerftoben, fiel es ftets auf, daß der Gifcht nicht das blendende Weiß der Eisberge zeigte, fondern häufig gelblich oder grau verfärbt erfchien. Dies rührt allein von der mafjenhaften Beimifchung Fleiner und Fleinfter Organismen her. Da wir wochenlang uns nahezu ausfhlieglih mit dem Fangen und dem Studium diefes Plankton befchäftigten, dürfte die Erpedition über die Sufammenfesung des- felben, namentlich aber auch über feine vertifale Schichtung, eine Reihe neuer Auffhlüffe gewonnen haben. Es fei daher etwas eingehender diefer Perhältnifje gedacht. Die Diatomeen find als einzellige, niedrigftehende pflanzliche Organismen befähigt, aus anorganifcher Subftanz unter dem Einfluß von Sonnenliht und bei dem Dor- handenfein gelblich oder bräunlich gefärbter Chromatophoren die Eiweißfubftanzen zu bilden, aus denen ihr Pleiner Sellenleib fich aufbaut. Diefe Chromatophoren bedingen den gelbbraunen GBrundton, welcher dem antarftifhen Oberflächenplanfton eigen tft. Da die Diatomeen fih auf ungefchlehtlihem Wege durch Teilung vermehren, vermögen fie in Purzer Seit fo mafjenhaft fih anzuftauen, daß die Oberfläche des Mleeres ver- färbt erfcheint. Ihre FZellwandung wird aus Kiefelfäure gebildet, die fo reizvolle Sfulpturen aufweift, daß fie feit jeher Kieblingsobjefte für das Studium der Mlifro- fFopifer abgaben. Da der Kiefelpanzer aus zwei Hälften befteht, die wie der Deckel auf eine Schachtel fih imeinander fchieben, jo Fann auc) leicht bei der Teilung der An der Oberfläche gebildete „Urnahrung”, 227 Derband beider Schalenhälften gelöft werden. Site fchieben fich auseinander und die fehlende Panzerhälfte wird, eingefhachtelt in die alte, neugebildet. Das antarftifhe Plankton fesen Arten zufammen, dte meift nur der Art nad) von jenen der anderen Meere verfchieden find. Por allen Dingen treten in größter Mlaffen- haftigfeit Dertreter der Gattung Chaetoceras auf, deren Sellleiber mit langen, die Anordnung zu Ketten ermöglichenden Fortfäßen ausgeftattet find (S. 250). In der Hähe des Eifes herrfchten fie in dem Oberflächenplanfton vor. Heben ihnen find es die langgeftredten, ftabförmigen Rhizofolenien und die einer gebogenen Hadel gleichenden Synedren, welche in mehreren Arten auftreten (S. 228). Ausnahmsweife fönnen aud) Arten der reizvollen Gattung Corethron und Fragilaria durch ihre Maffenhaftigfeit auf- fallen (S. 250). Gewöhnlich herrfchen die Dertreter einer der genannten Gattungen in dem Dberflächenplanfton derart vor, daß man von einem Chaetoceras-, Rhizosolenia-, Synedra- und Corethron-Planfton fprehen Ffann. Weit feltener treten an der Dber- fläche die fcheibenförmigen, wie Wlünzen geftalteten Gattungen Coscinodiscus und Asteromphalus ($. 255) nebft anderen Formen, deren YTamen wir nicht erwähnen wollen, auf. Befremdlich ift das Zurüdtreten der Geißelinfuforten oder Flagellaten, unter denen, wie fchon erwähnt, die Teratien vollftändig fehlen, während die übrigen Peridineen nur durch wenige Arten vertreten find. Alan darf indefjen nicht voraus- fegen, daß direft an der Oberfläche die genannten Organismen fih in größter Sahl anftauen. Es fiel uns. fofort auf, daß bis zu etwa 40 m Tiefe die Oberfläche ärmer an fhwimmenden Organismen ift, als tiefere Wafferfchichten.. Es ift nicht leicht, zu fagen, welche ungünftigen Bedingungen an der doch direft vem Sonnenlicht beftrahlten Dberflähe das fpärlichere Auftreten von Organismen herbeiführen möchten. Die Tempe- ratur Ffann faum von Einfluß fein, da die Oberfläche, wie wir früherhin betonten, ein wenig wärmer tft, als das Waffer in den Schichten zwifchen 40 und SO m. Dielleicht dürfte darauf hingewiefen werden, daß diefen, auf äußere Derhältniffe jo fein re= agierenden Drganismen der geringe Salzgehalt der oberflählichiten Schichten nicht zu= fagt. Den lesteren mifcht fi) etwas reichlicher das Schmelzwaffer der Eisberge und Eisfelder bei, und fo Fommt es, daß ihr Salzgehalt nur 55,7%/,, beträgt, während er erft in tieferen Schichten (bei ISO m) 54/,0 erreicht und dann langjanmı gegen den Grund zunimmt. Mehrmals fiel es uns auf, daß im nächjter Mähe der Eisfelder die Dberflähe am ärmften an Organismen war. Auf die von meift mifroffopifchen pflanzlichen Organismen an der Oberfläche ge- bildete „Urmahrung” ift in letter Kine der gefamte Tierbeftand des Mieeres — die Tieffeefauna nicht ausgenommen — angewiefen. So einfah und felbftverftändlich diefer Ausfpruh auch Flingt, fo hat es doch recht mühfeliger Derfuche bedurft, um eine Schlußfolgerung zu ziehen, die gewiffermaßen das Keitmotiv für die weiteren Dar- legungen abgeben foll. Wirfung des Kichtes. Eine einfache Überlegung läßt die Schwierigkeiten würdigen, welche einer Köfung der Frage nah der Er- nährung der Tieffeeorganismen im Wege ftehen. Die Diatomeen und fonftigen niederen pflanzlichen Organismen bedürfen des Kichtes für ihre affimilatorifche Thätigfeit und vermögen bei ftarf abgedämpfter Be- leuhtung nicht mehr zu eriftieren. Soweit wir bis jest Kenntnis von dem Dordringen des Lichtes in tiefere Wafjerfhichten befigen, dürfen wir wohl annehmen, daß unterhalb 500 m abfolute Finfternis herrfht. Sind die oberflählihen Schichten reich mit Plankton durch- fett, fo wird das Kicht nicht fo weit vordringen, wie in dem Fryftallflaren, an fchwebenden formen armen Waffer, wie wir es 3. B. im norödweftlichen Teil des indischen Dceans antrafen. So viel ift fiher, daß das Licht gerade in dem antarftifhen leere mit feiner überrafchend reichen Pro- duftivität an der Oberfläche bei feinem © Dordringen in tiefere Schichten ftarf gefhwädht wird. Einen annähernd ficheren Mla$- ftab für die Intenfität der Be- Iihtung in tieferen Wafferfhich- ten wird ftets das Dordringen affimilterender Drganismen lie fern. Käßt es fich nachweifen, daß fie von beftinnmten Tiefen an fehlen oder eine Derände- rung ihres Sellinhaltes auf- weifen, wie wir fie durch Fünjt- liche Derdunfelung herbeiführen Fönnen, fo dürfen wir aud an- nehmen, daß nicht mehr genü- gendes Licht vorhanden tft, um irgend welche Afjimilation zu ermöglichen. 3 Bi] Oberflächenplanfton aus dem antarftijchen Mleere. Dergr. 15/1. 1. Chaetoceras sp. 2,5. Synedra sp. 4,5. Rhizosolenia sp. (Ehrmann gez.) Tiefenverbreitung des lebenden pflanzlichen Planftons. 22 So wurde denn auf der Erpedition befonderer Wert darauf gelegt, durch jyjtematifch an einer und derfelben Stelle ausgeführte Stufenfänge mit den Schließneten über das Dordringen der marinen Degetation in größere Tiefen Auffhluß zu erhalten. Die Ausführung der Züge war nicht zum mindeften aus dem Grunde peinlih und müh- felig, weil es fih um Drganismen handelt, welche zu den Pleinften gehören, die wir Fennen. Da muß in erfter Linie für einen tadellofen Derfchluß der Bügel des Schließ- neßes Sorge getragen werden, der durchaus verhütet, daß bei dem Aufwinden des gefchloffenen Webes lebende Formen aus oberflächlichen Schichten erbeutet werden. Reinigt man die Blasgefäße, welche den Inhalt des Schliegneses aufnehmen follen, nicht auf das forgfältigite, fo genügt ein Tropfen Seewafler von der Dberfläche, um durch die in ihm enthaltenen Diatomeen das Xefultat zu trüben. Hoch mehr Aufmerffamfeit erfordert das Ausfpülen des Metbeutels mit dejtilliertem Wajjer, um gleichfalls Fehlihlüffe zu vermeiden. Bei allen derartigen Stufenfängen machten wir es uns zur Pflicht, zunächit die tiefften Süge und dann fchrittweife die oberflächlicheren auszuführen. Würde man umgefehrt verfahren, fo Fönnte es fich leicht geben, da$ troß der peinlichiten Ausfpülung des YWetsbeutels doch einzelne DOberflähenformen in den Mafchen hängen blieben und unter das Tiefenmaterial gerieten. Es darf wohl hervorgehoben werden, daß wir recht bald in der Sage waren, zu beurteilen, ob irgend eine Fehlerquelle vorhanden war, die zu einem anfcheinend unerwarteten Nefultate bei der mifroffopifchen Unterfuhung führte. Profeffor Shimper unterfuchte in Gemein- haft mit den Soologen den Inhalt der Schließnese gleich nach dem Auffommen, und feinen Bemühungen verdanken wir folgende Ergebniffe über die vertifale Der- breitung der pflanzlichen, lebenden Organismen. Die Hauptmaffe des pflanzlichen Plankton ftaut fich zwifchen 40 und SO m Tiefe an. Gegen die Dberfläche nimmt das Quantum, wie fhon erwähnt, ab. YHicht minder auffällig ift aber auch die rafche Abnahme unterhalb SO m. Auf Grund unferer Unter fuhungen Fönnen wir mit Sicherheit behaupten, daß die untere Grenze für die Der- breitung lebender pflanzlicher Organismen zwifchen 500 und 400 m liegt. Unterhalb 200 m find lebende Diatomeen bereits fo jpärlich geworden, daß man oft lange Heit die Präparate durchmuftern muß, bis man auf folhe ftößt. Da trifft man Feine Ketten von Chaetoceras, fondern nur noc) einzelne Bruchftüde derfelben; die Arten der Gattung Corethron fehlen unter SO m gänzlich, und nur äußerft felten wird noch eine Rhizosolenia, Fragilaria oder Synedra wahrgenommen. Auffällig ift es hingegen, daß die Zahl der Eremplare von Coscinodiscus und Asteromphalus fich bis gegen 200 m unvermindert erhält, während es weniger befremdlich erjheinen Fann, daß die nicht aflimilterenden Peridineen gleichfalls in größerer Tiefe noch relativ reichlich auftreten. Don einer eigentlichen „Schattenflora”, wie wir fie aus den wärmeren leeren bereits Fennen lernten, ift im antarftifchen Gebiete nichts wahrzunehmen, zumal da [CL ELTERN ETUI, namaananaıaanamnayan Bus ITTTIU HIT Bamannaanamnaam rn! Honr TIP aaı aaaaaann Laaaıanagnan 22) mau uyvare mn yugr] baaayynanaaan ATtceel ger h " namen IasapnoaBDedn2R2 ze Maanaaarıannananan Oberflächen und Tiefenplanfton aus dem antarftifchen Meere. Tuscarora (Radiolarie aus der Ordnung der Phaeodarien). Dergr. ca.®%/ı. Sig. 2—5. Diatomeen von Schwebt unterhalb A000 m Tiefe. 5. Fragilaria sp. (Kette von der Schmalfeite oder Gürtelbandfeite gefehen). sig. 1. % u. 5. Chaetoceras sp. . Corethron sp. n der Oberfläche: Dergr. ca. @/ı. 5ig. 2-5 nach Zeichnungen von Ehrmann. Tiefenverbreitung des lebenden tierifchen Planftons. 251 auch ein charafteriftifher Dertreter diefer Formen, nämlich die Gattung Halosphaera, mit dem Eintritt in das Kaltwafjer fehlt. faßt man alfo diefe Kefultate Furz zufammen, jo lehren fie, daß das pflanzliche Planfton nur auf eine außerordentlich dünne oberflählihe Schicht angewiefen ift, und unterhalb 400 m völlig [hwindet. Sm Gegenfat hierzu ergeben nun unfere Schließ- neßverfuche, daß tierifche Organismen, welche doch in letter Linie in ihrer Ernährung auf die Pflanzen angewiefen find, unterhalb 400 m bis zum Mleeresgrund in oft über- vafhend reicher Zahl ihr Dafein friften. In einem Schließnebzuge, den wir am 12. Dezember zwifchen 5000 und 4400 m ausführten, fanden wir lebende XRadiolarien (Acanthometra), ‚ $ ER lebende Lopepoden, die vier Gattungen angehör- ten, nebjt zahlreichen, lebhaft fi bewegenden Sarven derfelben, und einen lebenden Mufcel- frebs (Dftracoden). Obwohl diefe Drganiss 4 men dem gewaltigen Drucke von 500 At- £ mofphären ausgefett find, fo zeigten fie fi doch in ihrer Struftur wohlerhalten. A Wir müfjen allerdings bedenken, daß ja N diefer Drucd nicht einfeitig wie zwifchen zwei Walzen wirft, fondern daß er fi nach befannten Gefeten im Waffer all- feitig verteilt. Der einzelne Organismus gleicht gewiffermaßen einem winzigen Waffertröpfhen, das, ivie wir wiffen, \ j | | | bei jo hohem Druck eine Faum nachweis- | \ \ y | l j | | bare Kompreffion erleidet. PEREN \ & Don diefen gewaltigen Tiefen bis hinauf zu der Oberfläche haben unfere \ Schliegnesfänge ohne Ausnahme bei Periphylla regina Haeck. F = f . Aus einem am 5. Dezember 1898 bis zu 2000 m ausgeführten jedem Zuge eine Anzahl lebender tiert- Dertifalnegzuge. Etwas verkleinert. fher Drganismen zu Tage gefördert. ea Unter ihnen find namentlih Radtolarien aus den familien der Acanthometren und der Phäodarien nebft zahlreichen Copepoden und Dftracoden hervorzuheben. Zu ihnen gefellen jich die gegen die Oberfläche an Zahl zunehmenden Radiolarien aus der familie der Ehallengeriden, die Blobigerinen, Pfeilwürmer, Karven von Anneliden (Pelagobia), vereinzelte Flügelfchnefen (Limacina), Medufen und Appendicularien. Das Schliegneß erbeutet allerdings als ein verhältnismäßig zterliher Apparat nur Pleinere Organismen. Auf Grund zahlreiher Züge mit den großen Dertifalnesen 232 Ernährung der Tieffeetiere. —— haben wir indefjen au allen Anlaß, den tieferen antarftifhen Schichten fd AR größere fhwimmende Formen von Ffifchen (Scopeliden), ftieläugigen Tintenfifchen aus der familie der Cranchtaden, zehnfüßigen Kruftern und violetten Miedufen (Periphylla) zuzufchreiben. Da die Schliegnesfänge nod nicht gefichtet und eingehender be- arbeitet find, läßt es fich einftweilen fchwer fagen, ob eine gewifje vertifale Schichtung unter den verfchiedenen hier erwähnten Tierformen zum Ausdrude fommt. Es ift uns 3. B. aufgefallen, daß wir die prächtigften aller Radiolarien, nämlich die Tuscaroren (vergl. S. 250), nur dann erbeuteten, wenn wir die lebe in große Tiefen hinabliegen. Der £efer wird fih wohl fhon längft gefragt haben, wie es denkbar fei, daß Tiere in Regionen vorfommen, welche dem pflanzlichen Keben, von 2 ». dem doch die tierifche Eriftenz abhängt, fi) als 8 „# feindlich erweifen. Auch diefe Frage erhält (ul “75 durch die Schließgmetsfänge einen befriedigenden J \ 7: r " % ) " Aufihluß. Der maffenhaft an der Oberfläche h art ; . . . ( 1) ; “ gebildete pflanzliche Detritus ß v4 i r " N . y \ ‚> fiert nämlich langfam in \ ; tiefere Schichten hinab. Der ) IR Neue Gattung eines ftieläugigen Tintenfifches Fonfervierenden Kraft des B 4 aus der $amilie der Cranchiae. m 4 t 7 7 h: 10, Dezember 1898. Dertifalneg bis 1500 m. Falten Seewajjers tit es IE \ i x } Dergr. I/2mal. e ae > n 5 ED, 2 Daneben die Tentafelfeule ftärfer vergrößert. zufchreiben, daf das Proto- @° 7 $ { (Rübsaamen gez.) plasma nicht fofort zerfeßt 9 X >. ü : " Ur R SS wird, fondern mehr oder minder verändert und von der +, RN Schale umfchloffen auch noch in tiefere Schichten gelangt. / A { 4 Mandhmal war der Inhalt der durch Fräftige Schalen | m a RN | ausgezeichneten Diatomeen noch fo wohlerhalten, daß I a: Ri f : : | $ i Ber man die betreffenden Formen aus etwa IOOO m Tiefe ] N) 7 \ für lebend hätte halten mögen, wenn nicht die veränderte \ ; = Gruppierung der Chromatophoren darauf hindeutete, daf \ es fih um bereits abgeftorbene Drganismen handelte, Don Br iz: | 3 1 stzto TEN > 3 hi > > der reichbejeßten Tafel an der Oberflähe fallen alfo oa n. sp. Cephalopode aus der Sam. immerhin nicht wenige Brofamen in die Tiefe, welche Dee) Sranchiges ü N 2 : 3. Dezember 1898, Dertifalneg bis 2000 m. den dort befindlichen tierifhen Formen das Dafein er- Dergr. 21/s mal. Daneben die Tentafelfeule ärfer vergr, (Rübsaamen gez.) möglihen. je tiefer man fifcht, defto feltener werden Serfegung der niederfinfenden Organismen. 233 freilih Pflanzenrefte mit abgeftorbenem Plasma. Leere Schalen der Oberflächenformen überwiegen um fo mehr, je tiefer das Yet herabgelafjen wird. Bemerkenswert ift es, daß gerade die gemeinften Oberflächen-Diatomeen, nämlih die Arten der Gattung Chaetaceras, unterhalb 600 m nahezu vollfommen dadurch fchwinden, daß nicht nur ihr Protoplasmaleib, fondern audy die Schalen bei dem Herabjinfen vollitändig auf- gelöft werden. Dagegen gelangen die Schalenrefte von Rhizosolenia, Fragilaria, Sy- nedra und Coscinodiscus bis auf den Mieeresgrund; in den tieferen Wajjerfchichten überwiegen namentlich die widerftandsfähigen Schalen von Fragilaria und Coscinodiscus. Müt diefen Beobahtungen fteht es im Einflange, daß aucd das tierifche Leben gegen die Tiefe zu eine auffällige Abnahme erfennen läßt. Don 400 bis [500 m Tiefe trifft man noch eine reiche Sahl lebender Formen; darunter werden fie um fo fpärlicher, je tiefer man die Hete verfenft. Auch die in mittleren Wafferschichten reichlich vorfommenden tierifchen Organismen fterben ab und jinfen zu Boden; ihre Seiber find es, die nun wieder den in den tiefjten Schichten lebenden Arten zur Beute fallen. So giebt es fih doh, daß Feine Wafjerfhicht vollftändig des organifchen Mlateriales entbehrt, welches den dort lebenden tierifchen Organismen die Erijtenz er- möglicht. Eine unverfiegliche Hahrungsquelle fließt endlih den auf dem Grunde des Meeres angeftedelten Tieffeeorganismen. Alles, was aus oberflächlichen, mittleren und tiefen Schichten abgeftorben und halb oder ganz zerfett niederfanf, was direft über dem Mleeresboden noch lebend flottiert, fällt der Grundfauna zur Beute. je größer das Quantum von organifcher Subftanz ift, welches an der Oberfläche produziert wird und wie ein feiner Regen in tiefere Schichten niederriefelt, defto üppiger entfaltet tritt uns die pelagifhe Tiefenfauna entgegen, defto reichhaltiger ift das Tierleben auf dem Grunde ausgebildet. Alle Wahrnehmungen weifen unzweideutig darauf hin, daß die Grundfauna in direften Abhängigfeitsperhältnis zu der Produktivität der oberflächlichen Schichten fteht: in dem antarftifchen AMieere mit feinem imponierenden Reichtum an Dberflächenorganismen erweist fie fich felbit in Tiefen zwifchen 4000 und 5000 m, wie an der Hand unferer Erfahrungen noch dargelegt werden foll, erjtaunlich reich- haltig entwidelt. Yılad > Der Meeresboden ift eine riefenhafte Grabftätte für alles, was an der Dberfläche feine Kebensarbeit verrichtet. Die organifche Subftanz wird zwar bei dem Hiederfinfen aufgelöft oder fällt anderen Organismen zur Beute, denen fie die Erijtenzfähigfeit fihert, aber die anorganifchen Schalenrefte erweifen fich als widerjtandsfähiger und riefeln in die Tieffee. Hicht alle gelangen auf dem Mleeresgrunde an. Unfere Schließ- neßverfuche lehren unzweideutig, daß ein beträchtliher Teil der Kiefelpanzer von Dia- tomeen auf der langen Reife in unbelichtete Tiefen aufgelöft wird. Dies betrifft namentlich die an der Oberfläche jo maffenhaft angeftauten Arten der Gattung Chaetoceras und 254 Bildung des antarftifhen Tieffeebodens. Corethron, welhe mitfamt ihren Sfeletten fhon in geringen Tiefen dem Untergang geweiht find und unterhalb 600 m nahezu vollfonmen fehlen. Da auch die Kalk fhalen der allerdings nur fpärlih vertretenen Globigerinen und Flügelfchnefen in größeren Tiefen aufgelöft werden, fest fih der Grund des antarftifchen Meeres, wie die Challenger-Erpedition bereits nachwies, wefentlih aus den Kiefelfhalen der Dia- tomeen zufammen. In gewiffen Sinne giebt der Mleeresboden eimen Spiegel für lichte, fonnige Regionen ab, aber immerhin einen folchen, der nicht getreu das Leben und Weben an der Oberfläche refleftiert. Don der Bouvet-Negion bis gegen Enderby- Sand finden wir ihn aus faft hemifch reiner Kiefelguhr gebildet; erft an unferem-füd- lichften Punfte gefellten fih anorganifche Partifel hinzu, welche auf eine Herfunft von dem nahen Lande hindeuteten. Immerhin wollen wir nicht verfchweigen, daß zwifchen dem 26. und 29. Känge- grad in der ungefähren füdlichen Breite von 99° vulfanifcher Schlamm vorherriät. In den beiden Grundproben, die wir am 6. und T. Dezember aus Tiefen bis zu 9992 m gewannen, waren bis zu 60%, Brucftüfe von Bimsftein und anderen vul- Fanifchen Gefteinen nachweisbar. Da es fih um beträdtlihe Tiefen handelt, die weitab von vulfanifhen Infelgruppen gelegen find, fo laffen diefe Befunde einen Rüd- fhluß auf unterfeeifhe Ausbrüdhe zu. In der nebenftehenden Abbildung wurde der Derfuh gemadht, möglihft gewiljen- haft den Erhaltungszuftand und das Mengenverhältnis der den Boden in Tiefen zwifchen 5000 und 6000 m zufammenfesenden Drganismen wiederzugeben. Eine Durchmufterung der anfcheinend verwirrenden Fülle von Formen lehrt zunädft, daß die fcheibenförmigen Dertreter der Battung Coscinodiscus (I—5), an der Oberfläche einen nur untergeordneten Bruchteil des Plankton bildend, im Schlamme überwiegen. Ste find nicht immer unverfehrt (1, 5), fondern häufig mehr oder minder aufgelöft. Hamentlich lodert fich bet einigen Arten leicht der Sufammenhang zwifhen dem ring- förmigen Rande (2) und dem mittleren Abfchnitt der Schale (4), weldy Ietterer dann meift nur noch in Bruchteilen vorliegt. Recht widerftandsfähig erweifen fich die Gat- tungen Asteromphalus (6) und Fragilaria ((). Die letstere bildet mit den mehr oder minder lang erhaltenen Schalen der Synedra (8, 9) einen hauptfählichen Beftandteil des Tiefenfhlammes. Dagegen fallen die fo mafjenhaft an der Oberfläche angejtauten Rhizosolenia-Arten der FSerfebung anheim und höchitens bleibt noch eine Schalenfpite (AO) vor der Serftörung bewahrt. Wenn früher bemerft wurde, daß die gemeinften Dberflächenformen, nämlich Chaetoceras und Corethron, bereits in geringer Tiefe auf- gelöft werden, fo bedarf diefe Angabe einer Fleinen Einfhränfung. Ganz vereinzelt trifft man nämlich in der Grundprobe fonderbare zweifchenflige Gebilde (IM, welche fih als die Anfchwellungen der hornförmigen Auswüchfe einer auf 5.250 Fig. 4 dar- geftellten Chaetoceras-Art erweifen. i\ | er | (Rübsaamen gez 6000 m bei mifroffopifcher Unterjuchung. Sig. 15, 14. Dictyochen und R . Fragilaria. 000 — 5 Tiefenjchlamm des antarftifchen Meeres aus arien. Deragr. ca, diol Rhizosolenia. a ig. I—12. Diatomeen. 6. Asteromphalus. Radiolarie 14. 15. Dictyocha. Chaetoceras. I. l 10. 9. Synedra. 8 c 1—5. Coscinodiscus sp. 256 Erhaltungszuftand der Schalen. Im Dergleiche mit den hier erwähnten Diatomeen find die Kiefelpanzer fonftiger marmer Drganismen nur ganz vereinzelt nachweisbar. Trefflich erhalten fich die zier- lichen Sfelette von Geißelinfuforien (Dictyocha, 15), während man von Xadiolarien faft nur Bruchftüdte (IH antrifft. Werden derartige Unterfuhungen über den Erhaltungszuftand der Schalen auf ver- fchiedene Tiefen ausgedehnt, jo Fönnen fie auch dem Geologen fingerzeige über die Hatur gewiffer fedimentärer Schichten abgeben. Er wird um fo leichter die Tiefe des Aleeres fchäsen Fönnen, in welchem foffile Diatomeenfhichten abgelagert wurden, als diefe winzigen formen, von dem ummodelnden Einfluß äußerer Bedingungen Faum betroffen, feit paläozotfchen Seiten ihre Geftalt nur wenig geändert haben. Eine Kiefel- guhr, welche aus ähnlich ftarf zerfesten Schalen befteht, wie wir fie auf der Abbildung darftellten, deutet darauf hin, daß fie in einem fehr tiefen und Falten Meere zur Ablage- rung gelangte. Sind die Schalen weniger angefreffen und gefellen fih ihnen vereinzelte Globigerinen hinzu, fo liest ein Sediment aus mittleren Tiefen vor. Finden fich end- lih noch wohlerhaltene NRefte von Chaetoceras, ganze Rhizofolenien und dem Corethron ähnliche Formen, fo darf man fiher darauf fchliegen, daß es fi) um den Boden einer Flahfee handelt. Tafelförmiger Eisberg umgeben von Padeisfchollen, Bei Enderby=-£and 16. Dezember 1898 Yh a, m. Der fchneeweiße Sturmvogel (Pagodroma nivea). XL. Keßter Dorftog nach Süden. m Dienftag den Id. Dezember befand fich die „Daldivia” auf dem Schnittpunfte des 60. fjüdlichen Breitegrades mit dem 90. öftlichen Kängegrad. Wir waren weiter nach Süden gelangt, als wir bet der Abfahrt von Kapftadt mit unferen Fühnften Erwartungen vorausfesen durften. Tags zuvor hatte uns das am Morgen aufflarende Wetter beit mäßigen öftlihen und nordöftlihen Winden ermöglicht, den tiefiten Schlie- ne&zug bis zu 9000 m auszuführen. Gegen Abend frifchte indeffen der öftliche Wind ftürmifh auf, verbunden mit heftigem Schneetreiben, welches das Schiff mit einer dicken Schneefhicht bededte. Mlan nuste die günftige Gelegenheit zu einer regelrechten Schnee- ballihlaht aus, die einen unauslöfhlihen Eindruf auf unfern in Kamerun ange- mufterten Neger machte. Heulend, nicht ohne daß ihm einige Grüße auf den Wollfopf nachgefendet worden wären, flüchtete er in die Koje. Der etwas nach Hordoft herum- gehende ftürmifche Wind ftand den ganzen 15. Dezember hindurch) und erleichterte nicht gerade die Kotung, welche wir indeffen bis zu 5566 m tadellos durchzuführen ver- mochten. Wiederum gelangten wir gegen 2 Uhr nachmittags in die Mähe von Treib- eis, das uns zu nordöftlihem Ausbiegen nötigte. Wir verloren es indefjen bald außer Siht und Fonnten daher den früheren Kurs nad Dften beibehalten. Aus faft allen Karten früherer Erpeditionen im antarftifchen Gebiete geht deutlich hervor, daß gerade in jener Region, in die wir jest eintraten, die Grenze des Treib- eifes unter fharfem Winkel weit nad) Süden ausbiest. Es Fann dies nur darin feinen Grund haben, daß eine etwas wärmere, von den Kerguelen nah Süden reichende Strömung ihren Einfluß ausübt. Als wir daher in der Frühe des 14. Dezember 258 Dorjtoß am 14. Dezember 1898. eisfreies Aleer füdlih von uns hatten, wurde die Frage nahegelegt, ob man es wagen dürfe, einen lesten Dorftoß in rein füdlicher Richtung zu unternehmen. Die Ffährlich- Feiten, welche einem derartigen Dorgehen im Wege ftanden, und denen auch mehrfad Ausdruf gegeben wurde, waren nicht zu unterfhäßgen. Denn wenn auch, offenes Meer vor uns lag, jo war doch die Möglichfeit nicht ausgefhloffen, daß rüfwärtig fich Felder verfchoben, deren Durchbrechen fih für unfer, in feiner Weife gegen das ant- arktifche Eis gefhüste Schiff Fritifch geftaltet hätte: wurde die Schraube verlegt, fo mußten wir bet dem Mlangel von Tafelage zur Segelführung auf das ÄAußerfte gefaßt fein. Troßdem wurde der Derfuch gewagt, und nah 6 Uhr morgens der Kurs nahe dem 55. Kängegrad rechtweifend Süd gefest. Ein Dergleih mag vielleicht bejjer als langausgefponnene Erwägungen dte Stimmung wiedergeben, in der man jich befand. Man denfe fih zwei Schacdhjfpieler, welche fich zu einer Partie zufammenfegen; der eine ift der Mensch, der andere die Natur mit ihren „ewig ehernen Gefeten”. Die lettere zieht an und thut immer den denkbar beiten Zug. Der Ausgang liegt auf der Hand. Aber wie der erftere fich wehrt, wie er in die Abfichten feines Gegners einzudringen verfucht, um nicht von vornherein die Partie aufzugeben, fondern erjt nach langer Seit mit Ehren fich fhachmatt zu erflären, das ijt fein Derdienit. Im Derlauf des 14. Dezember ließ fich unfer Beginnen vielverfprehend an. Der Wind flaute in der Wacht vollitändig ab; die Luft blieb einigermaßen fichtig und erft gegen Mitternacht ftellte fich YWebel ein, der uns zu um fo vorfichtigerem Dorgehen unter zeitweiligem Stoppen nötigte, als wir an diefem Tage nicht weniger als 14 Eis- berge pafjterten. Die zuerjt uns begesnenden waren auffällig Flein und jtarf zerjeßt; doch paffierten wir um 9) Uhr einen Kiefen von 54 m Höhe und 575 m Breite. Es ift das jener ftarf zerflüftete, mit wundervoll blau durchleuchteten Grotten ausgejtattete Eisberg, der auf $. 21T dargeftellt wurde. Das Barometer begann langfam zu fteigen, erreichte am 14. um Mitternacht T48 mm und behielt feine fteigende Bewegung auch an den nächiten Tagen bei. Am 15. Dezember überfchritten wir bereits den 62. Brad und vermochten, begünftigt durch leichten, öftlihen Wind, nicht nur eine Tiefe von über 5000 m zu loten, fondern auch eine Reihe von Sügen mit den Dertifal- und Planfton- nesen auszuführen. Wiederum begegneten uns fleinere, ftarf zerfetste Eisberge und eine Anzahl größerer, bald abgerundeter, bald fharffantiger Schollen, die oft nur wenig über die Dberfläche hervortraten und bisweilen unter Pumpbewegungen auf- und niedertauchten. Die Temperatur des Oberflächenwaffers fan? bis zu —I,5°, mit ihr hielt denn auch die Lufttemperatur gleihen Schritt. Ein feiner Staubjchnee machte fih während des ganzen WNachmittags geltend, und gleichzeitig zeigten fich ebenfo, wie an dem vorhergehenden Tage, Maften und Tauwerf ftarf vereift. Da die Krufte bisweilen 2 cm di wurde und um dte Mittagszeit in großen Stüden herabfiel, war einige Im Padeis. 259 Dorficht bei dem Aufenthalt auf Def geboten. Das Dorwärtsfonmen wurde uns nicht unmwefentlich dadurch erleichtert, daß es in der Macht troß des ftändig bedeckten Himmels faft taghell war. Bei der ungewohnten Kichtfülle und der begreiflichen Erregung über den weiteren Derlauf des Dorftoßes dachte man nur wenig an Schlaf und fuchte nur auf Furze Stunden die Koje auf. Als ich mich am Abend des 15. Dezember zur Ruhe begab, fiel es bereits auf, daß die fchweren Eisjhollen häufiger wurden. Gegen I Uhr ließ mich der Kapitän weden, da wir uns mitten in fchwerem Padeis befanden. Der Anblif wird mir unvergeßlich bleiben: Überall ftarrte es am Horizont von Eisbergen, während ringsum das Schiff von I5—20 m breiten Padeisfchollen jo dicht umgeben war, daß ein weiteres Dordringen ausfihtslos erfhien. Wir befanden uns auf 64° 14,5’ füdl. Br. und 54° 51,4 öftl.X. Es war der füdlichite Punft, den wir auf der Fahrt erreicht haben. Um ihn feitzu- legen, wurde nadts nah 2 Uhr durch den Hapigations- offizier eine Lo- tung veranftal- tet, die, danf der Anjtren- gung aller Be- Auf der Brädfe im antarftifchen Nleere, teiligten, glatt von ftatten ging und eine Tiefe von 447 m ergab. Die Grundprobe zeigte, wi o fhon am vorhergehenden Tage, nicht mehr reinen Diatomeenfhlid, jondern erwies fih zu 909%), aus thoniger Subjtanz und Fleinen mineralifchen Brucdhftüden zufammen= gefeßt. Die letteren beftanden, wie die mifroffopifche Unterfuhung ergab, aus bis- weilen 5 mm großen Körnern von Quarz, Feldfpath, Glimmer, Hornblende und vul- Fanifhem Glas. Kiefelorganismen waren nur zu IO®%/, nachweisbar und zwar in Geftalt von Diatomeen, denen Radtolarien und Schwammnadeln beigemifcht waren. Ganz glatt ging freilich die Kotung nicht ab, da fchwere Padeisfhollen antrieben und mit Stangen von der Bemannung abgehalten werden mußten. Es galt, aus dem Eife fich heraus- zuarbeiten, über dem rauchgraue Albatroffe und fchneeweiße Sturmvögel ihre Kreife 240 Bei Enderby-Land. befchrieben. Die „Daldivia" wand fich elegant bei nördlihem Kurs an den Pacdeis- fchollen vorbei; doch wurde es erft gegen Morgen lichter, und uns begreiflicherweife auch freier zu Mlute. Wir befanden uns nur 102 Seemeilen, nicht viel mehr als eine halbe Tagesfahrt, entfernt von jenem Sande, welches der die Brigg „Tula” befehligende Kapitän Biscoe am 27. Februar 1851 entdedt und der thatfräftigen Firma zu Ehren, in deren Dienten er ftand, Enderby-Land genannt hatte. Er giebt feine Pofition auf 659° 57’ f. Br. und 47° 20’ 5.8. an. Biscoe folgte dem Lande bis zum 49. Grad öftliher Länge. Drei Jahre fpäter (1854) fichtete Kemp öftlih von Enderby-Land in 66° 25’ f. Br. und 59° 5. €. gleichfalls Land, das ihm zu Ehren Kemp-FLand genannt wird. Db es fih bei Enderby-Land und Kemp-Land um die Küfte des antarftifhen Kontinents handelt, oder ob fie mehr oder minder umfängliche Infeln repräfentieren, wird hoffent- lich der deutfchen Südpolar-Erpedition zu entfcheiden möglich fein. An diejer Stelle kann nur betont werden, daß wir nicht in der Sage waren, bei der allerdings etwas diefigen Kuft in der Yacht vom Id. zum 16. Dezember deutliche Anzeichen von Land zu gewahren. Der Kapitän glaubte allerdings, einen im Süden leicht anfteigenden weißen Streifen als Land anfprehen zu Fönnen, doch fchien es mir wahrfcheinlicher, daß es fih um ungewöhnlich ausgedehnte Eisberge handelte, wie wir fie noch am nächiten Tage wahrnahmen. Da der Oftwind nur flau auftrat und das Barometer langjam weiter ftieg bis auf 754,8 mm, Fonnten wir am Nachmittag des 16. Dezember, nach- dem wir uns völlig aus dem Padeife herausgearbeitet hatten, eine Reihe von Schließ- neßzügen veranftalten und unfere Dorbereitungen für einen der ergebnisreichiten Tage im fernen Süden, nämlich den IT. Dezember, treffen. Die Schliegneszüge, welche wir an diefem füdlichiten Punfte veranftalteten, ergaben, da die Hauptmaffe des Plankton fi zwifchen 45 und SO m angeftaut hatte. Unter- halb SO m zeigte es eine recht finnfällige Abnahme an Quantum, die auch für die oberflählichen Schichten bis zu 40 m fich geltend machte. An der Oberfläche herrfchten unter den Diatomeen die wie eine YTadel geftaltete Synedra thalassothrix und Chaeto- ceras- und Rhizosolenia-Arten vor. Auffällig war es, daß alle diefe Formen vielfache Anzeichen eines anormalen Zuftandes durch Zufammenballen ihrer Chromatophoren und ihres Plasmaleibes erfermen ließen. Die ganz vereinzelt ihnen beigemengten, dofenförmig geftalteten Gattungen Coscinodiscus und Asteromphalus zeigten erjt unter- halb 40 m eine fo ftarfe Zunahme, daß fie hier geradezu herrfchend wurden. Als ob ein gütiges Gefhif uns für alle Mühen und Sorgen der Ietsten Seit hätte entfhädigen wollen, jo brach ein Tag an, wie er im antarftifchen Süden nur felten einer Expedition befchert wird. Der Wind flaute in der Macht zum IC. Dezember vollftändig ab, das Barometer ftieg anhaltend und erreichte am Morgen des IT. mit 756 mm einen fo hohen Stand, wie wir ihn feit Derlaffen der Bouvet-nfel nur einmal, am "SHSL PqWERGE 9) "QUDFÄgRgug ng »tu1dspppg 129 UN Dredfchzug in 4656 m. 241 I. Dezember, beobachtet hatten. Wir fuhren in der taghellen Nacht jo ruhig, wie auf der Elbe, pafjterten fieben Eisberge und loteten nah 5 Uhr unbehelligt eine Tiefe von 4656 m. Da galt es, die ungewöhnlih günftigen Derhältnifje auszunußen und ein in An- betracht der großen Tiefe und der ganzen äußeren Umftände nicht geringes Wagnis zu unternehmen, nämlich einen Dredfchzug mit dem großen Trawl auszuführen. Wenn man bedenft, daß man im antarftifhen Mleere niemals vor plöslih einfesendem ftürmifchem Wetter oder dichtem Uebel in der Mähe von Eisbergen ficher tft, jo wird man es begreiflih finden, daß wir feit Derlaffen der Boupet-Jnfel uns nicht zu Dredfch- zügen entfchließen Fonnten. Allerdings hatten die unerwartet großen Tiefen, welche wir ftändtg loteten, wefentlih dazu bei- getragen, uns von einer Ope- ration abzuhalten, welche leicht die bedienende Mannfhaft hätte gefährden und uns zudem das Kabel hätte often Fönnen. Alle diefe Be- denfen wurden in- deffen auf Grund der Erwägung, dat ein Dredfchzug nicht nur über die Tieffeefauna, fon- dern auch über die Sufammenfeßung ® Br en Padeisihhollen bei Enderby=£and. des Grundes wertvolle Auffchlüffe 16. Dezember 1898. &h a. m. liefern Fonnte, hintangefett. Um 7 Uhr liegen wir das mit zwei eifernen Dliven be- fchwerte, befte Trawl herab. Es erreichte den Grund Furz nah 12 Uhr, nahdem wir 6400 m Kabel ausgegeben hatten. Wir zogen es hierauf eine Stunde lang über den Grund, wobei der rafch anfteigende und gelegentlih mehr als fünf Tons betragende Zug darauf hindeutete, daß es eine fchwere Laft gefaßt haben mußte. Als wir dann endlich mit dem Aufhieven des Schleppneßes begannen, wich die Beflommenheit im Hinblif auf einen Tag, wie wir ihn auf der ganzen fahrt in füdlichen Regionen faum jemals ähnlich ruhig erlebt hatten. Im Dften, gegen Kemp-Kand zu, ze 2 fich Schweres Padeis, und ein heller Eisblinf überzeugte uns bald, daß wir im dtefer 2 N 3eus Richtung unmöglich mit der , ‚Daldivia“ weiter vorzudringen vermocdten. Die Sonne war nur des Morgens gegen 8 Uhr auf einen Moment durchgebrochen, der Himmel Chun, Nus den Tiefen des Weltmeeres. Zweite Auflage, 16 242 Dogelleben an der EisFante. war grau verhängt, und vereinzelte Schneetreiben benahmen uns zeitweilig den Aus- blif. Klarte es dann auf, fo fand man den Horizont von gewaltigen Eisbergen be- grenzt und überzeugte fih auch durch einen hellen Eisblinf im Süden, daß uns dort der Weg verlegt war. Neizvoll war das Dogelleben im äufßerften Süden. Rauchgraue Albatrofje, Dio- medea (Phoebetria) fuliginosa, fegelten ruhig über die mit vereinzelten Pacdeisfchollen bedecfte Oberfläche. Sie waren uns von der Bouvetregion an treu geblieben und ich finde in dem Journal Faum einen Tag verzeichnet, an dem nicht ihr Erfcheinen vor- gemerft wäre. Mleift zeigten fie fich zu zweien oder dreien, felten ftieg ihre Sahl auf neun oder zehn, Mit fcharf eingezogenem Kopfe, den Schnabel nach abwärts gefentt, folgten fie in anfcheinend plumper Haltung ftunden- und tagelang dem Schiffe, ohne die leifefte Ermüdung zu zeigen. Selten nur wird ein Slügelfchlag ausgeführt, während fie den Körper mit feinen mächtig langen und fchlanfen Schwingen bald horizontal, bald jchräg, bei Wendungen gelegentlich auch völlig in Seitenlage der Luft darbieten. Kein antarftifcher Dogel fefjelt fo die Aufmerffamfeit, wie diefe in unhörbarem Fluge dem Schiffe folgenden Segler. Wenn fie fich der Brüce fo nahe hielten, daß man fie faft mit Händen hätte greifen mögen, und dabet mit ihren weiß umrandeten Augen, die aus dem fjammetnen Schwarzgrau des Kopfes hervorblisten, aufmerffam dem Treiben der Alenfchen folgten, machten fie einen faft gefpenftifhen Eindruf, Man glaubt, die ewigen Juden des antarftifchen Mleeres vor fich zu haben, welche ruhe- und raftlos ihre Kreife ziehen und dann fi} am wohlften fühlen, wenn die Wogen- fänıme vom Sturme gepeitfcht zu unerhörter Höhe anfchwellen. Immerhin bemerkte ich einmal — am 15. Dezember — mehr als ein Dutend grauer Albatroffe, das auf einem Pleinen Eisberge behaglich der Ruhe pflegte. Das Gefieder zeigt eine der feinften Abjtufungen des Grau, die wir aus der Tierreihe Fennen; der faft in das Schwärzliche fpielende Kopf geht janft in das lichte Grau von Bauch und Rüden über, von dem fich die Flügel und Schwanzfedern in dunklerem Sammetton abheben. Einige Erem- plare fielen durch den faft filbergrauen Hals und Rüden auf. Die Unterfuhung des Mageninhaltes ergab, daß die grauen Albatroffe fich vor- wiegend von Tintenfifchen und pelagifhen Kruftern nähren, aber auch Fleinere Dögel nicht verfhmähen. Bei ftille liegenden Schiff liegen fie fi) auf dem Waffer nieder und hafchten gierig nad) allen Abfällen. Der ewige Hunger Fennt Fein Bedenken und jo machten fie fich bisweilen über ihre eigenen von uns erlegten Genofjen her, hadten ihnen die Augen aus und richteten fie übel zu, bevor das ausgefette Boot den auf dem Wafjer treibenden Kadaver erreichte. Kängjt fchon hatten uns die übrigen Albatroß-Arten Dalet gefagt. Weder der große (Diomedea exulans), noch der gelbfchnäbelige (D. chlororhynchus), noch aud der fchwarzweiße Albatroß (D. melanophrys) dringen in das eigentlich antarftifche T, B Die Albatroffe. 245 Gebiet bis zur Eisgrenze vor. Die Eleineren Arten be- b gegneten uns bei der Annäherung an das Kapland und gaben uns mit den großen das Geleit auf die Agulhasbanf und in die Weftwindregion. Als die Temperatur des DOberflähenwaffers unter Hull Grad fanf, fahen wir die legten; am weitejten beglei- tete Diomedea melanophrys das Schiff, Diomedea (Phoebetria) fuliginosa. den wir noch am 24. November — be- Ba vor wir die Boupet-Infel erreichten — bemerften. Er war es denn auch, der fchon wenige Tage nach der Umfehr von dem füdlichiten Punkte jich wieder einjtellte. Am 20. Dezember, zwei Tage nad dem Sichten der letten Eis- berge, führte der fchwarz- weiße Albatroß feine Flugfünfte um das Schiff aus, bei denen ihn un- fer Photograph mit der Hand- Famera lüber- rafchte. Don Sturm- vögeln im en= geren Sinne folgten uns längs der Eis- grenze der Niefen- fturmvogel(OÖssifraga gigantea), defjen wenig anmutendes Treiben wir fpäterhin noch werden Fennen Diomedea melanophrys. 16* Homentaufnahme des fchwarzsweißen Albatrof 244 Die Sturmvögel. lernen, und vor allen Dingen als treue Benoffen der antarktifche Sturmvogel (Tha- lassoeca antarctica) und der füdliche Eisfturnwogel (Priocella glacialoides). Die beiden letsteren find es namentlich, welche die Brandung der Eisberge als Jagdrevier be- vorzugen und oft in dichten Schwärmen die nie fehlende Staffage für die Koloffe ab- geben. Der füdlihe Eisjturmvogel ift das Gegenftük zu feinem nordifchen Derwandten, dem er an Größe und Färbung ähnelt. Das Weiß des Kopfes und Bauches geht auf dem NRüdfen und Schwanz in ein Silbergrau über, von dem fich nur die Flügel- fpiten etwas Ödunfler abheben. Der ein wenig Fleinere antarftifhe Sturmvogel ift auf den erften Blif dadurch Fenntlih, daß Kopf, Rüden, Flügel- und Schwanszfpisen einen bräunlichen Ton zeigen, der von dem Weiß der Kehle, des Bauches und der Flügelmitte abftiht. Beide Sturmvögel find echte Hochfeeformen, welche oft zuthunlich in der Nähe des ftilleliegenden Schiffes fich niederliegen und hierbei die ihnen ein leich- teres Auffliegen ermöglichende Kupfeite bevorzugten. Bei Enderby-Kand belebten fie in malerifhem und traulihem Durcheinander die Oberfläche gemeinfam mit zahlreichen, auf der ganzen Fahrt uns treu gebliebenen Kaptauben (Daption capense). Wir fütterten fie mit Spef und Abfällen, welhe die Kaptauben nur von der Dberfläche, die antarktifhen Sturmvögel weit gefchieter dSurh Tauchen zu erhafchen fuchten. So eifrig waren fie damit befchäftigt, daß einer unferer Matrofen mit dem an langer Stange befeftigten Käfcher eine Kaptaube von Bord aus fing. Unfere Skizze von dem Dogelleben auf der antarftifchen Hochfee wäre unvollftändig, wenn wir nicht noch der zu der Gattung Prion gehörigen blauen Sturnivögel gedenken wollten. Sie find Faum von Taubengröße und gleichen fich in ihrer Zeichnung, infofern Kehle und Baudy fchneeweiß, Kopf und Rüden blaugrau, und die äußeren Schwingen fhwärzlicd gefärbt find. Bet Prion coeruleus laufen die Schwanzfedern in einen weißen, bei P. desolatus und P. Banksi in eimen fchwarzen Streifen aus. Die beiden lett- genannten Arten find imdefjen leicht dadurch zu unterfcheiden, daß der bet P. Banksi ftarf verbreiterte Oberfchnabel an feinem Innenrande fiebförmige Kamellen (wie bei den Siebfchnäblern) trägt, welche bei der Betrachtung von der Unterfeite deutlich Fenntlich find. Die blauen Sturmvögel begegneten uns fhon in der Weftwindregion und waren von da an die ftändigen Begleiter bei der Fahrt längs der Eisfante bis nach Enderby- Sand und weiterhin bis zu den Kerguelen. Site find fcheuer, als die übrigen Sturm- vögel, hielten fi) etwas weiter von dem Schiffe und fifchten eifrig in dem Kielwaffer. Wenn bei den Dorbereitungen zum Loten und Fifchen der Dampfer rückwärts ging und die Schraube weithin das Waffer zu weißem Gifcht aufwühlte, waren fie oft in Shwärmen von Hunderten dabei, die aufgewirbelten pelagifhen Organismen zu er- beuten. Ihr Flug tft unruhig und erinnert durch die rafchen Wendungen an jenen der Fledermäufe; einen prächtigen Anblit gewährt es, wenn bisweilen die Shwärme gleich- zeitig eine Drehung ausführen und die weißen Bauchflähen dem Beobachter zufehren. Hahrung der antarftifchen Dögel. 245 Alle Eigenfhaften, welche die Sturmvögel zu den fympathiichiten Genofjen des See- fahrers machen, finden fich vereint in dem wunderbaren jchneeweigen Sturmwogel (Pagodroma nivea), dem ficherften Seugen für das nahe Eis (f. 5. 257). Als ob die Yatur fih felbft habe übertreffen wollen, fhuf fie einen Dogel, der ar Anmut des fluges und reizvoller Färbung feinesgleichen fucht. Das Gefieder tft fchneeweiß und wetteifert bei feinem Seidenglanz mit dem Weiß des blendend von der Sonne be- fhienenen Eifes. Uur einige winzige fchwarze Federchen umfäumen das große und ausdrudsvolle Auge mit feiner dunfelbraunen ris; Schwarz find die Ruderfüge und der Fleine Schnabel, mit dem unter graziös wippenden Bewegungen die Beute im Fluge von der Oberfläche gehafht wird. Kein Dogel hat es mir jo angethan, wie diefes Edelweiß des antarftifhen Südens; ftundenlang folgte man feinem eleganten Fluge über Wogenfämme und durch Wellenthäler, über Treibeisfelder und ftille, vom Eife umfäumte Buchten. Wie ein Gruß aus fernen heimatlichen Gebieten mutete es an, als bei Enderby-Land inmitten der fehneeweißen Sturmvögel ein Schwarm niedlicher fchwarzer Peterspögel (Oceanites oceanica) auftauchte und zwijchen den Padeisfchollen, von dem Schiffe fcheu fich fernhaltend, eifrig nadı Beute fpähte. Die Unpafjungsfähigfeit diefer Sturm- fchwalbe an die verfchiedenartigften Flimatifchen Bedingungen ift geradezu erjtaunlich: von den Küjten Englands Dis herab nad) Enderby-Land, durch 120 Breitegrade, be- merften wir fie um das Schiff. Kängs der Treibeisgrenze tauchte fie öfter, wenn auch ftets nur vereinzelt, auf und nur ungern entfchloffen wir uns, bei Enderby-KLand em Eremplar als Belegjtüf für die ausgedehnte Derbreitung zu fchießen. In dem antarktifchen Meere ift diefen Schwärmen von Dögeln ftets der Tifch ge- deckt. Treibeis und Eisberge geben Ruhepläge ab und gleichzeitig fördert die Brandung an den eifigen Steilwänden eine Menge pelagifcher Organismen zu Tage, unter denen namentlich die prächtigen Keuchtfrebfe (Euphausia) und der Gattung Pasiphaea zugehörige zehnfüßige Krebfe nebjt Tintenfifchen als Koft bevorzugt werden. Die in den Krujtern enthaltenen gelblihen und rötlichen Öltropfen fammeln fich in dem Kropfe der Sturm- vögel zu anfehnlichen Mafjfen an. Das ÖL dürfte fowohl eine Wahrungsreferve für ungünftige Seiten abgeben, als auch zur Derteidigung dienen. Wer fo unvorfichtig ift, einen Sturmvogel zu hafchen oder einen an der Angel gefangenen in die Hände zn nehmen, wird von dem wenig aromatifhen Thran befudelt, den der Dogel oft mehr- mals hintereinander im Strahle von fich giebt. Überrafhend war es, daß der Mageninhalt der grauen Albatroffe, der Eisfturm- vögel, der antarftifchen und fchneeweißen Sturmvögel oft ausfchlieglih aus Sc hnäbeln von Tintenfifchen beftand. Ijn unferen Tiefennegen fanden fi) zwar bisweilen Fleine Arten aus der merfwürdigen Lephalopoden- Familie der Lranchien, doch erbeuteten wir niemals den großen, diefer Familie angehörigen Taonius, obwohl ein zerfegtes 246 Die antarftifhen Pinguine. Eremplar in dem Magen eines grauen Albatroß gefunden wurde. Da auch ein 20 cm langer horniger Rüdenfchulp, wie er den Calmaren eigen ift, neben den Hornfchnäbeln im Magen eines grauen Albatroß gefunden wurde, fo beweifen derartige Befunde, daß diefe eleganten Schwimmer dem antarftifchen Meere nicht fehlen, obwohl fie fich unferen Heßen entzogen. Unfere Darftellung von dem Dogelleben auf der Hochfee wollen wir nicht abfchliegen, ohne einer Gefellfchaft flugunfähiger Reifender zu gedenfen, die niemals verfehlten, die Aufmerffamfeit in befonderem Maße zu fefeln. Es find dies die antarftifchen Pinguine (Pygoscelis antarctica), welche die niedrigen Plattformen und vorfpringenden Zungen der Eisberge als Standquartier bei ihren Wanderungen benußten. Auf der Belio- grapüre des am 4. Dezember gefichteten Eisberges beobachtet man eine Anzahl Schwarzer Punkte: es find Pinguine, welche bei unferer Annäherung, erfchreft durch Flinten- Ihüffe, unter ftürmifcher Heiterfeit der Mannfhaft die fteile Eiszunge aufrechtitehend hinabrutfchten. Andere landeten wieder, indem fie gefchift eime Brandungswelle benusten, um feften Fuß zu faffen und vormübergebeugt mit zur Balance vorgezogenen Floffen ihre fteile Warte zu erflimmen. Müt ihrem fchwarzen Kopfe, Rüden und FSloffen und dem weißen gemäfteten Bauche, der nur unter der Kehle ein fchwarzes Band aufweift, gleichen fie von weitem Fleinen preußifchen Grenzpfäblen. Kommt man dann näher, fo erheben diefe Betfchwejtern mit ihren dunfeln Mantillen und Kapuzen ein lautes Gezeter, fingen mit zum Himmel geredten Hälfen ihr Ballelujah, jeten fih im Dollgefühl der beleidigten Jungfräulichkeit in Pofitur und fchießen auf einem gewifjen Körperteil die Nutfchbahn hinab in das Waffer. Hier aber ift der Pinguin in feinem Elemente und hier fordert er die Bewunderung und Anerkennung dejjen heraus, der ihn zuvor nur als drollige und felbftverftändliche Staffage für die antarftifche Scenerie wollte gelten laffen. MTag der Dampfer noch fo rafch feinen Kurs verfolgen, fo überholt ihn der Pinguin mit fpielender Leichtigkeit. Dabei findet er noch Seit, mit gefpreisten Floffen auf dem MWaffer zu liegen, aus den dunklen, faft fhalfhaft blifenden Augen das frenide Ungetüm anzuftaunen, um dann mit einem heiferen Rrräh unterzutauchen. Unter mächtigen Ruderfhlägen geht er fo tief, daß er für längere Seit dem Auge entfchwindet. Wenn er dann plößlich wieder der Ober- fläche nahe ift, fchmellt er fih mit dem Körper angefhmiegten Rudern im Bogen über Wafjer und verfchwindet von neuem im der Tiefe. Nichts ift Föftlicher, als einen Trupp von Pinguinen zu beobachten, der feinen Eisberg verläßt und wie eine Herde Fleiner Delphine in eleganten Sprüngen dem Schiffe zuftrebt. Keinem Sturmvogel wird der Nahrungserwerb fo leicht gemacht, wie diefen pro- feffionierten Taucher; wir fanden den Magen des antarftifhen Pinguims oft voll- sepfropft mit Leuchtfrebfen, welche größer waren, als die von uns erbeuteten. Gefteine aus einer Tiefe vorn 4656 m. 247 Es ift Schwer, . die Erregung zu fchildern, die fi aller bemäd)- tigt hatte, als nad) 41/, ftündigem Auf- hieven abends gegen fehs Uhr das Trawl der DOberflähe nahe Fam. Alle Dorrichtun- gen waren getroffen, um es rafh und une verfehrt an Bord zu befonmen, zumal da es fich ergab, daß die fhwere Saft, welche der Dynamometer Alle Auffommen des Trawl am 17. Dezember 1898. gezeigt hatte, nicht von Schlamm, fondern von Gefteinsmafjen herrührte. Da lag zunächft obenauf im unverfehrten Uetbeutel ein fünf Centner jchwerer, roter Sandjtein mit deutlich eingeriffenen Gletfherfhliffen. Soweit er in den Tiefjeeboden eingejunfen war, zeigte er Schwarzen Ton, der von dem weißlichen Diatomeenfhlid fharf abftad. Mit Genugthuung wurde diefer fchwarzweiß-rote Gruß aus der antarktifchen Tiefjee in Empfang genommen. Der SandfteinbloF Fann einen Roman berichten: Urjprünglich ein auf dem antarftifchen Feftlande anftehendes Geftein, wurde er von den Gletihern gefehranımt, losgelöft und an der Bafis eines Eisriefen in das AMleer hinausgetragen. Durch den Einfluß des warmen Tiefenwafjers abgetaut, finft er in 4656 m nieder, liegt dort friedlich gar lange Zeit, bis er von dem Schleppnet einer Tiefjee-Erpedition gefaßt, zur Dberfläche befördert und jpäter der Ügquatorfonne des indifchen Dceans aus- gefeßt wird. Yun paradiert er vor einer wißbegierigen Studentenfchaft auf dem Dor- Iefungstifch als ftummer und doch wieder beredter Zeuge, daß Enderby-Land offenbar nicht vulfanifcher YWatur if. Darauf deuten denn auc die übrigen Gefteine hin, die das Vet noch im reichen Maffen gleichzeitig gefaßt hatte. Nach den Mitteilungen meines Kollegen Sirfel handelt es fich bei diefen Repräfentanten des geologifchen Aufbaues von Enderby-Land vorwiegend um granitifche Gefteine und Gneife (einige mit reich- lichen Einfhlüffen von bis 5 mm großen Granatförnern) nebjt Fryftallinifchen Schiefern. Dazu gefellen fich fedimentäre Sandfteine und Thonfchiefer von vermutlich altjedimen- tärem Charakter. Dertreter von Effufivgefteinen find äußerft fpärlich, während Pro- dufte, welche unter Ausfhluß eimer anderen Deutung auf eine heutige vulfantiche Thätigfeit hinweifen, überhaupt nicht gefunden wurden. 248 Antarftifche Tieffeefanna in 4656 m. Wenn wir in Betracht ziehen, daß die Ehallenger-Erpedition unter annähernd gleicher Breite zwifchen dem 80. und 95. öftlihen Kängegrad ähnliche Befunde zu ver- zeichnen hatte, fo dürfte es vielleicht fih ergeben, daß die Urgebirgsformation den eigentlichen Kern des ant- arftifchen Feftlandes bildet, der von den Dulfanketten des Diftoria-Xandes und Graham-Kandes flanfiert wird. Hatten fomit fchon allein die gewonnenen Gefteins- proben dte Mühen des Dredfchzuges reich entfchädigt, jo waren wir nicht minder überrafcht über die relativ große Sahl tierifcher Organismen, welche in diefen ge- waltigen Tiefen bei einer Temperatur von — 0,5°C. leben. In den Schwabbern des Trawl hingen zwei eigenartige Ascidten von fast Fauftgröße, die an einem ftriefnadeldünnen, über Im langen Stiele auf dem Grunde befeftigt waren. Ste find verwandt der Gattung Boltenia (Culeolus) und zeichnen jich durch die gallertige Befchaffenheit ihres an Medufen erinnernden Körpers aus. Offenbar flottieren jie an ihrem ftricfartigen Stiel wie eine Boje, da Faum abzufehen ift, daß er den Körper zu ftüsen imjtande ift. Heben ihnen fielen uns zwei geftielte Seelilien (Irimoiden) auf, von denen eine fchwefelgelb gefärbte der Gattung Hyocrinus, die andere der Gattung Bathyerinus angehört. Hac den Mit- teilungen von Profeffjor Doederlein handelt es fih um zwei neue Arten, welche den von der Challenger-Erpe- dition weiter nördlich und in flacherem Waffer, nämlich bei den Lrozet- nfeln, erbeuteten Formen nahejtehen. Die Ehinodermen bildeten überhaupt einen anjehn- lihen Bruchteil der gedredfchten Organismen. Befon- ders zahlreich waren die Schlangenfterne (Dpbhiuren) ver= treten. Nach der Bejtimmung von Prof. zur Straffen gehören fie vier Arten an, von denen eine neu ift, die übrigen aber (Ophioplinthus medusa Lym., Amphiura patula Lym., Ophiocten pallidum Lym.) von dem Hyocrinus n. sp. aus 4656 m. 17. Dezember 1898. Nat. Größe „Challenger” unter ähnlihen Derhältniffen, nämlich in der Nähe der antarftifchen Eisfante, gefunden wurden. Hu ihnen gefellten fich See- walzen, unter denen namentlich eine fchöne, dunfelviolett gefärbte Art aus der Familie der Elpidien und dret weitere, mehr fahl gefärbte Dertreter hervorzuheben find. Padeis und Schneefturm. 249 Wenn wir ferner noch hervorheben, daß eine zerbrochene Seeigelfchale, mehrere wohl erhaltene Hydroid-Polypen, Glasfhwänme und zahlreiche auffällig große foramint- feren in dem Hebe enthalten waren, fo ergiebt fih ein in Anbetraht der immerhin beträchtlihen Tiefe bemerfenswerter Reichtum an Organismen. Da es jih um den ttefiten Dredfchzug handelt, der bisher und vorausfihtlich für lange Seit im antarftifchen Bebiet jenfeits des 60. Breitegrades ausgeführt wurde, jo haben wir einige Dertreter der erbeuteten Tiefjee- organismen abgebildet. Kaunı hatten wir das Schleppnes an Bord, als dichter Vebel fich einftellte, und uns nötigte, unter äußerfter Dorficht bet nördlichem Kurfe vorzufahren. Als es endlih um IO Uhr abends aufflarte, war das Schiff wieder von fchwerem Padeis umgeben. Während wir uns durch das- felbe hindurhwanden, gewahrten wir im Dften den größten Eisberg, der uns auf der ganzen fahrt be- gegnete. Wir glaubten erft die antarftifhe Eis mauer vor uns zu haben, überzeugten uns N aber fpäterhin, daß es fih um eine förmliche Eisinfel handelte, die wir leider bei dem Kavieren durch das Padeis nicht genauer zu meffen im ftande waren. Die Shäßungen von Kapi- tän und Offizieren bezüglich ihrer Breite bewegten fich zwifchen vier und fünf Seemeilen. Wie an dem vorhergehenden Tage, jo trafen wir auch diesmal auf eine durch erdige Beimengungen chofo- ladebraun gefärbte Eisfcholle. Hahdem wir uns zum zweitenmal aus Soraminiferen aus 4656 m Tiefe. 17, Dezember 1898. Dergr. "/ı. dem Padeis herausgearbeitet hatten, begann das Barometer rafh zu fallen. Der aus Dft-Hord-Dft wehende Wind wurde zum vollen Sturme und erreichte amı Sonntag den 18. Dezember um Mittag die Stärfe IO nach der Beaufortjfala. Welcher Kontraft zwifchen geftern und heute! Im Schnee- jturm domnerten die Wogen gegen das Schiff, mehrfach auftretende Webel hinderten an einem rafchen Dorwärtsfonmen, und nur mit Mühe war es uns noch in der 250 Oftftirme. Frühe gelungen, unfere Tempe- raturferie durch eine mit der Le Blanc’fchen Kot- mafchine gewonnene Temperaturprobe aus SOOO m Tie- fe zu ergänzen. An ein weiteres Dordringen nad Süden refpeft. Dften war unter diefen YUm- jtänden nicht mehr zu den- fen, und fo wurde denn der Kurs Dadelajuolengbst Suberbr Kan. gegen die Kerguelen genommen. Waren 16. Dezember 1898. 8h a. m. = < wir bisher drei Wochen lang bei unferer fahrt längs der Treibeisgrenze ungewöhnlich vom Wetter begünftigt gewefen, fo erhält der lette Abfchnitt unferer Fahrt im Falten Gebiet feine Signatur duch eine fort- laufende Reihe fchwerer Stürme, welche uns faft an allen Arbeiten behinderten. Fünf Tage hindurch (vom 18.—22. Dezember) hielten die ftürmifchen, mit dichtem Schnee- treiben verbundenen öftlichen Winde an und erreichten zeitweilig, fo am 20. und 22. De- zember, die Windftärfe ID nah der Beaufortffala. Ein Umfchlag erfolgte unter dem 56. Breitegrad am 22. Dezember, indem der Wind nah Norden, und an den folgenden Tagen nach Nordweft und Weit umfprang, ohne indefjen an Stärfe einzubüßen. Der Eintritt in die Weftregion wurde am 22. Dezember durch energifhe Schwanfungen im Luftdruf angedeutet, infofern der Barograph innerhalb 12 Stunden ein Fallen um 2lmm verzeichnete, und mit 725 mm den niedrigften auf der Keife beobachteten Kuft- drucf markierte. Eine gewaltige Dünung aus Mordweft und Weit, deren erjte Anzeichen wir bereits unter dem 61. Brad bemerften, gelangte gegen den durch die öftlichen und nordöftlichen Winde bedingten Seegang ftets zum Durhbruh und gewann fchlieglih die Dberhand. Mehrmals mußten wir beidrehen und gegen die überholende See an- dampfen. Don der Brücde bietet fich dann ein gewaltiges Schaufpiel dar: der Sturm heult und pfeift durch Maften und Tauwerf, der naffe, rafch tauende Schnee wird horizontal in das Geficht getrieben, und die Wogen erreichen eine Höhe, wie wir fie auf der ganzen Reife nicht erlebten. Das Schiff erflimmt die Wellenberge und fauft dann in dte Thäler nieder, un, am Bug in Gifht eingehüllt, wieder elegant aufzu- fteigen. Selbft das Dedhaus wurde überfpült, und Faum vermocdten wir bei dem fchweren Rollen den Derfehr an Bord aufrecht zu erhalten. Trotdem gelang es uns, begünftigt durch den Umijtand, daß der Wind mehrfah nah Mitternaht abflaute und Sotungen. Die lebten Eisberge. 251 erft im Kauf des Dormittags wieder aufbrifte, bis zu den Kerguelen eine Serie von fehs KLotungen durchzuführen. Sweimal mußten die Lotungen wegen des fchweren Seeganges abgebrochen werden, doch bewährte fih auch unter diefen Derhältniffen die Sigsbeefhe Lotmafchine trefflich, indem fie eben fo eraft, wie unter normalen Der- hältniffen, den Auffchlag des Kotes auf den Grund anzeiste. Die Kotungen lehren, daß der Boden zwifchen Enderby=-Land und den Kerguelen ftarf gefaltet it. Südlich der Atc. Donald-Injeln und Heard-Eiland loteten wir 2588 m und glaubten, damit die Schwelle erreicht zu haben, welche ji) über die genannten Eilande hinaus in füdöftlicher Richtung verfolgen läßt. Imdefjen zeigten die Kotungen der nächiten Tage, daß das flahe Plateau, weldhes die Kerguelen mit Heard-Eiland verbindet, nah Weiten fehr fteil abfällt, infofern zwei am 24. Dezember ausgeführte Kotungen Tiefen von 5925 m und in direfter Mähe des Rüdfens noh 2045 m ergaben. Wir haben bereits früher (S. 257) Gelegenheit genommen, darauf hinzuweisen, daß eine wärmere Strömung von den Kerguelen nad Süden fett. Ihrer Einwirfung mag es vorwiegend zuzufchreiben fein, daß mitten zwifchen den Falffreien Ablage- rungen von blauem Thon und Diatomeenfhlamm ein Falfreicher Globigerinenfchlamm auftritt. Wir Fonftatierten dies bemerfenswerte Dorfommnis durch Analyfe einer am 19. Dezember aus 5548 m gewonnenen Grundprobe (61° 45’ f. Br., 61°16’ 8. 8.). Hah den Angaben von Philippi fett fi) der Grund aus Schalen von Oberflächen- foraminiferen (Globigerina Dutertrei und Gl. pachyderma) und Bodenforaminiferen (Biloculina, Cassidulina, Rotalia, Truncatulina) zufammen. Die Grundprobe befteht zu 65%, aus Fohlenfaurem Kalf, während die Kiefelorganismen nur zu I%/, vorhanden find. Auffällig war auf diefer Route das frühzeitige Derfchwinden der Eisberge; wir trafen am 19. Dezember die Ießten, unter ihnen einen tafelförmigen Riefen von 455 m Ketter Eisberg, gefichtet am 9. Dezember 1898 in 61° 8' f. Br., 61° 25" ö.£. In der linfen Hälfte eine Brandungswoge. 252 Weihnachtsabend 1898. Seegang vom Hinterded aus gefehen. Fänge, unter 61° 22° füdl. Br. an. Gleichzeitig begann die Oberflächentemperatur des Waffers fich zu heben; während wir am 16. Dezember nob — 1,8° (inmitten des Pad- eifes — 0,8°) gemeffen hatten, betrug amı 20. Dezember die Oberflächentemperatur O°, und ftieg dann anhaltend bis auf +5° am 24. Dezember. Den Weihnahtsabend verbrahten wir in froher Erwartung des Chrijtgefchenfes, das fich uns am folgenden Tage in Geftalt der Kerguelen darbieten würde. Die jteben- tägigen Stürme hatten uns an allen Arbeiten behindert. Die Lufen waren gefchlofjen und in den Saboratorien jah es wunderlih genug aus. Mit dreiekigen Klötschen hatte man Gläfer und Flafchen fejtgeflemmt; Mifroffope, Lupen und all der Kleinfranı, deifen der Beobachter bedarf, waren angefhraubt und mit Kappen und Watte um= wicelt. Als ob nedifhe Heinzelmännchen fich jeden Unfug hätten erlauben Fönnen, fo fprang troßdem gar manches bei dem Stampfen des Schiffes aus feinem Behälter und bisweilen fah es in den Arbeitsräumen — um mit frit Reuter zu reden — aus „as up de leiwe Bottesird vör den irften Schöpfungstag". Man hatte Zeit genug, fih zum Befcherabend zu rüften. Das Pianino erhielt neue Saiten aus Sotdraht; der aus grünem Papier und Stäben gefertigte Chriftbaum wurde an der Dede des Salons feitgebunden, während die Mannfchaft einen ebenfolhen in Weihnachtsabend 1898. 255 der Kambüfe mit Konfeft und Würften deforierte. Man mußte darauf verzichten, die Gefchenfe, zarte Erinnerungen an die fchwachen Seiten der Mitglieder, fäuberlich auszubreiten und war froh, wenn man fie unverfehrt aus den Nocdtafchen hervor- holen fonnte. Gar bald rollten fie, untermifht mit Pfannfuchen, die der Koch unter fhwierigen Derhältniffen bereitet hatte, auf dem Boden zu nicht geringer Befriedigung unferes Dachshundes „Daft“. Jmmerhin lernte man bald, auf das Wohl der An- gehörigen, die über IOO Breitegrade entfernt unferer gedenfen mochten, fo anzujtoßen, daß nicht der ganze „Eisbrecher" in die Weite des Gegenüber floß. Weniger Erfolg hatte der Photograph mit feinem Derfuche, diefen denfwürdigen Weihnahtsabend mit Blislicht aufzunehmen. Er faufte mitfamt feinem Apparate in die andere Ede, das Magnefium ging in der Luft los und fchreiend ob des Spufes brannte der Ueger durh. NWicht viel beffer war der Leiter der Erpedition daran, den man mit Strifen, die bald riffen, an das Klavier feitgebunden hatte, damit er unter HSitherbegleitung des Kapitäns dem Abend die Weihe gäbe. Zwar gingen Piano, Hither und Dfarina ftets um einen halben Ton auseinander, aber bei dent heulenden Sturme flang es recht harmonifh. Schwerlih wird fit) Kofhat haben träumen laffen, daß feine fteirifchen Weifen auch einmal den Albatroffen des antarftifchen Meeres zu Ohren fonmen follten. Die „Daldivia” am Weihnachtsabend 1898. Den mifroffopierenden Soologen als Ungebinde gewidmet, XIII. Die Kerguelen, wifchen dem 48. und 50. füdlichen Breitegrad und dem 68. und TI. öftlichen Kängegrad liegt eine Infelgruppe, deren Flächeninhalt etwa ISO Quadratmeilen beträgt. Die Kerguelen, wie die Gruppe zu Ehren ihres Entdefers genannt wird, jegen ji) aus einer Hauptinfel und aus nicht weniger denn 150 a und Fleineren Infelchen zufammen. Bei der Nennung ihres Hamens tauchen eigenartige und feffemde Erinnerungs- bilder auf. Die Berge find teilweife mit ewigen Schnee und in Öletfcher auslaufen den Firnfeldern bedeckt; Fjorde, oft von Steilabftürzen begrenzt und von Bafalt trümmern umfäumt, fchneiden tief in das Sand ein; tafelförmige Terraffen, aus horizontalen Bafaltfchichten fih aufbauend, prägen der vulfanifhen Kandfhaft ihren Iharafter auf; aus zahllofen Süßwajffertümpeln fammeln fi die Schmelzwaffer, um in malerifhen Kasfaden über die Steilwände der Fjorde herabzuraufhen; grüne Matten, gebildet aus einer eigenartigen Flora, bedecken das flache Dorland und ziehen fi oft weit an den Hängen hinauf, und endlich wird dies alles belebt von einer über- wältigend reich entfalteten Dogelwelt, die an anmutender Harmlofigfeit mit den den Strand bedefenden Elefantenrobben wetteifert. Auf Coof machten die Infeln einen jo troftlofen Eindrud, daß er fie Defolation- Islands nannte. Auch dte fpäteren Befucher ftellten fie uns als ein ungaftliches Hebel- land dar, in deifen Fjorde der Wind, bald Negen, bald Schnee mit fidy führend, mit unerbörter Gewalt ftößt. Der Eindrudf, den fie auf den Befucher machen, dürfte freilich nicht unwefentlich von den frifchen Kücerinnerungen an von der Natur milder und reicher ausgeftattete Regionen beeinflußt werden. Wer das üppige, fonnige Kapland mit feiner Blüten- pracht verlaffen bat, um den Kerguelen zuzuftreben, wird diefes fturmgepeitjchte Hebelland, das meiit neidifh den Ausblif auf fein malerifches Hochgebirge verfagt, düfter und ungaftlih finden. Wer aber, wie wir, feit dem Derlafjfen Kapftadts 92 Tage lang das antarftifhe Meer durhfuhr, nur eime in Eis gepanzerte Infel zu Geficht befam und wochenlang, oft von fchweren Stürmen gerüttelt, nur Treibeisfelder und Eisberge fah, dent erfcheinen die Kerguelen fast in paradtefifcher Pradt. Es war, Klima der Kerguelen. 255 als ob fie fich zur feier unferer Ankunft in ihr Seftgewand gefleidet hätten. Während der drei Tage, die wir im Gazelle-Hafen verbrahten, herrihte wahres Srühlings- wetter bei einer Temperatur von 4°C. Nacı allen Seiten zerftreuten fich die Partien, um die Umgebung zu durchftreifen; Fein Sturm warf die Wanderer nieder, Fein Iebel benahm ihnen die Ausficht, und bei hellem Sommenfhein umfuhren wir die Nordoitfeite bis zum Weihnadtshafen. Wie fehr wir während der vier Tage, die wir auf den Kerguelen zubrachten, vom Wetter begünftigt waren, lehren die früheren Schilderungen. Jhr Klima fönnen wir am beften mit den Worten von Schleinit wiedergeben: „Es weht faft bejtändig Sturm zwifchen Yord und Weit mit Schnees, Hagel- und Regenböen, dtefigem Horizont, aber oftmals Flarem Himmel und Fühlem Wetter. Ab und zu wird diefer Sturm durch Flauten oder jeltener durch ftürmifhen Wind aus Hordoft unterbrochen, welcher dichten Uebel und Regen bringt.“ Die Stärfe der Windftöge fehildern fowohl die Teilnehmer an früheren Erpeditionen wie auch die Robbenfchläger in den lebhaftejten farben. Sie brechen fo plöglih in manche Buchten herein, daß die Schiffe mit den ftärfften Kabeln und Anfern vertäut werden müffen, daß die Boote umfchlagen und der Wanderer auf dem Kande fich platt niederwerfen muß. Gegen dte dem unermef- lihen antarftifhen Meere zugefehrte Weitfeite donnern die Wogen jtändig mit fo gewaltigem Prall an, daß fie heute noch in ihrer Gliederung fajt unbekannt ift. Im allgemeinen find die Weftftürme mit einem Steigen des Barometers verbunden, während plößlicher ftarfer Barometerfall das Herannahen eines Nordfturmes anzeigt. Wie fhwer die Kerguelen von diefen Stürmen heimgefucht werden, mag der Hinweis illuftrieren, daß der „Challenger”, der fie im Sommer befuchte, an 26 Tagen fechzehn- mal Sturm verzeichnet, während Roß, der 68 Tage hindurh im Winter auf den Kerguelen Station machte, nicht weniger als 45mal Sturm durcdlebte, und nur drei Tage anführt, welche frei von Schnee und Regen waren. Am 12. februar ICT2 entdette der franzöfiihe Kapitän Mves Jofeph de Ker- guelen-Tremarec mit feinen Schiffen „Fortune“ und „Broswater“ die Infelgruppe, welche noch heute feinen Namen trägt. Am näcjten Tage fichtete er die Fleinen, der Weftfüfte vorgelagerten Fortune-Infeln und die ganze Weftfüfte von Kap Kouis bis zum Kap Bourbon. Er vermochte zwar die Hauptinfel nicht zu erreichen, doch gelang immerhin ein Sandungsverfuch in einer Bai, die „Koup marine” genannt wurde. Man hinterließ in diefer, wahrfcheinlich bet Kap Bourbon gelegenen Bucht eine Slafche mit einem Dofument des Befuches. Seine Entdefung erregte nach der Nüdfehr berech- tigtes Auffehen. Man glaubte, der damals herrfhenden Dorftellung Raum gebend, dat das große Südland mit feinen erträumten Wundern gefunden fei, zu defjen Ent- defung Kerguelen im Auftrag der franzöfifchen Regierung ausgefendet worden war. So wurde er denn fhon im folgenden Jahre beauftragt, feine Sandjichtung weiter zu Bliahs Gap For) f Croyl & ucooft > $ 5 en & NR S Memo L. } S iH ES » : I 45 i 5 N a‘ GugnyI NEBE FR] ; 250 Al «Bin! — — Ten Rs = 49° H = Tnter Rent “Ku Sean ni mon er mas "Shndw B Ih N ; IN 45" St LOW“ I" B OFortune I H R m eralcana . N A herenbmuls 0 ” N 63 i 0 ei 13 - v F ! | { ep! IM | "1 112° x Soltary lo Sr ] 2 | Ss Wuneset Kopie”der Karte imTChallengere Wert. BHöhenangaben in englifchen Suß. Der Kurs der „Daldivia” ift eingezeichnet. Entdeefungsaefchichte der Kerauelen. 257 verfolgen. Er gelangte am 14. Dezember IcC5 zum zweiten Male in die Nähe der Infeln und entdedte die Fleine ihr nordweitlich vorgelagerte Gruppe, welche er zutreffend „Wolfen-Infen“ (Cloudy-Jslands) nannte. Indeffen gelang es ihm nicht, wegen der ichweren Stürme, an Sand zu fommen, bis endlih am IS. Januar IcC4 einer feiner Begleiter, Mir. de Rofnevet, im Weihnahtshafen landete und im Kamen des Königs von FSranfreich von der Terra australis nochmals Befit ergriff. Die Flafche mit dem hierauf bezüglichen Dofument wurde fpäterhin von Loof bei feiner dritten Neife wiedergefunden. Den Nachweis, daß es fich thatfählih um Infeln handele, die Feinen Sufammen- hang mit einem antarftifchen Kontinent aufweifen, Iteferte a Coof, der fchon auf feiner zweiten Entdefungsreife füdlih von den Kers — ohne fie aller= dings zu Geficht zu befommen — vorbeigefahren war = n - die von ihm als „Defolation- Island“ bezeichnete Gruppe zum erjten Male genauer unterfuchte. Er umfuhr fie bis zur Südfüfte und gab einzelnen Buchten und Gebirgsftöcken Namen, die bis heute noch ihre Geltung behalten haben. Die zweite genauere Durchhforfchung der Kerguelen verdanken wir dem großen Entdefer der antarftifchen Region, James Roß, der am 12. Mai 1540 im Weihnadtshafen vor Anfer ging und nicht weniger als 68 Tage auf die Unterfuchung verwendete. Ein junger Arzt, der fpäter fo be- rühnt gewordene Botanifer Hoofer, begleitete ihn und gab in feiner Flafjtfchen „Jlora antarctica” die erfte eingehende Schilderung der eigenartigen Kerguelen-Dege- tatton. Späterhin wurden die Kerguelen von nicht weniger denn fünf Erpeditionen angelaufen — ganz abgejehen von den zahllofen Walfifhfängern, welhe die Buchten auf die Kunde von ihrem Robbenreichtum ziemlich regelmäßig befuchten. Außer der Challenger-Erpedition, die im Januar ISCH 26 Tage lang bei den Kerguelen Freuste, haben zwei deutfche Korvetten, nämlih die „Arcona” und die „Gazelle“ — lettere von 26. Dftober bis 25. Dezember ISCH —, die Kerguelen aufgefuht. Wir Ffönnen mit Befriedigung hervorheben, daß es wefentlich die fleigigen topographifhen Auf- nahmen der „Bazelle* gewefen find, die uns über die Gliederung der Ditjeite einen genaueren Auffhlug gaben. Der Kommandant des franzöfifhen Erpeditionsichiffes „Eure“, welhes im Januar 1895 die alten Anrechte auf die Kerguelen erneuerte und fie für Sranfreih in Befis nahm, hat nicht verfehlt, der Gewifjenhaftigfeit der von der „Bazelle" ausgeführten Arbeiten rücfhaltlofe Anerkennung zu zollen. Wir felbft haben im vollen Dertrauen auf die Zuverläffigfeit deutfcher Forfhungen in der Hacdıt zum 25. Dezember beide Keffel geheizt und fuhren mit voller Kraft von zwölf Knoten an der Hand der Kotungen der „Gazelle vorbei an zahllofen Tangfeldern in jenen Hafen ein, der durch feinen Hamen an dte Thätigfeit des deutichen Erpeditions- fchiffes erinnert. Thun, Aus den Tiefen des Weltmeeres. Smweite Auflage 17 >58 Erftes Infichtfommen der Kerauelen. 1 u in A hriftgefcehen? boten fih uns in der Frühe des Weihnachtsjonn- tags, des 25. Dezember, die Kerguelen dar. Bei ftürmifhem Weit, der fchwere Sturzfeen bradhte, Fam früh um 6 Uhr ein feiner, x dunkler Streifen Sand in Sicht, hinter dem fchneebedecte Gipfel durh den Aufenthalt der englifhen Expedition zur Beobahtung des Denus-Durchganges be- in auftauchten. Es war die Region de Fannt gewordenen Royal Sound mit dem vorgelagerten Prince of Stiegender Kormoran. Wales Foreland, die wir angefteuert hatten. Bei dem Näherfonmen eröffnete fich der Blif auf das flache Marfchland der äußerften öftlichen KHone der Kerguelen, aus dem einzelne, niedrige Kegel — unter ihnen giebt namentlich der Mount Peeper eine treffliche Anfteuerungsmarfe ab — hervorragten. Erftaunlich veich geftaltete fich das Dogelleben: Taufende der blauen Sturmwögel (Prion) fifchten eifrig in den Strömungen, drei Albatroß-Arten (Diomedea chlororhynchus, melanophrys und fuliginosa) umfreiften das Schiff oder faßen brütend auf dem grünen Dorland zerftreut, während zahme Kormorane in fchwerfälligem, ungefchietem Slügelichlage mit lang vorgeftreften Bälfen neugierig dem Schiffe fo nahe Famen, daß man fie bisweilen hätte greifen mögen. Chimney Top (725 m) Mount Hoofer (7J5 m). ‘pvdz zunoug -aaıfoap yunour -orlauız doy -Sıaquayng "n0d3 yunout % [99 260 Die Gebirasftöcde der Objervations - Halbinfel. = Gegen Mittag näherten wir uns dem fchneebedecten Gebirgsftof der Obfervations- Halbinfel. Auf der Höhe der Acceffible-Bat mit ihrer als Betfy-Cove bezeichneten Bucht, in der die Bazelle-Erpeditton zur Beobachtung des Denus-Durchhganges (9. Dezember ISCH) ihr Stationsgebäude errichtet hatte, genoffen wir einen prächtigen Ausblick auf den langgezogenen Mt. Miofeley, den Chimney Top mit feinem bizarr gejtalteten bafal- tifchen Auffas und den anfchliegenden Mit. Hoofer. Der Seegang geftaltete jih auffällig ruhiger, nachdem wir in See der Gebirgsitöfe gefommen waren; gleichzeitig deuteten Das ECrozier= Gebirge (990 m). langgezogene, braune Streifen die Stellen an, wo auf flacherem Grunde die gewaltigen Seetange (Makrocystis pyrifera) wurzeln. Dem Blafentang ift es wejentlich zu ver- danken, daß die Schiffahrt in der Nähe der Buchten fich fo ficher geftaltet; vermeidet man die Stellen, wo er fich angefiedelt hat, fo fann man mit Sicherheit auf tiefes, sefahrlofes Fahrwaijer rechnen. Nah dem Umfahren von Kap Mowbray eröffnet fich von dem Elifabeth-Hafen aus ein feffelnder Blif auf den Hüttenberg und Mount Eyall, hinter denen der Koundery-Brandı. 261 Fr E47 Einfahrt in den GazellesHafen, von letterem aus gefehen. (Sachse phot.) wildzerflüftete, I9O m hohe Kamm des Crozier-Gebirges zum Porfchein Fonmt. Eine weiteinfchneidende Bat, die Hillsborough-Bai, trennt diefe Gebirgsitöcde von dem Bewimmel der großen und Pleinen Eilande, welche der Dit- £ Eüfte vorliegen. Sie entjendet nah Südwejt einen >= & von Kap Ahlefeld und der Jachmann-Halb- “ £ infel begrenzten Sweig, die Foundery- Brand. Seelhorst Hfn. FOUNDERY- \ AN BRANCH HALBI I ENG "5 N NSEL j NEE. NE ling | H A Schön- "Wette fn Umgebung des Gazelle» Bajfin (nach der Karte im Gazelle=Werf). 262 Der Gazelle- Hafen. Als die „Gazelle" in diefelbe eimfuhr, entdeckte fie zu ihrer Überrafhung am 16. Hovember ISCH einen Fjord, weldher durch einen fchmalen, nur eine Kabellänge breiten Kanal ausmündet. Der lestere wird von zwei Bafaltfuppen eingeengt, welche wie Baftionen den Sugang beherrfchen. Der vordere Abjchnitt des Fjords erhielt den Hamen Gazelle-Baffin, der hintere wurde als Schönwetter-Bafen bezeichnet. Wenn wir gerade das Gazelle-Baffın als Standquartier wählten — in erfter Tinte mit Rücjicht darauf, daß die Keffel dringend einer Reinigung bedurften —, fo gab nicht nur der Gazelle-Beriht, fondern auch die Schilderung des Kommandanten der „Eure” hierfür Anlaß. In beiden Darftellungen wird das Gazelle-Baffin als der befte und gefchüstefte Hafen der Kerguelen bezeichnet, in welchen die Winde nientals mit foldy elementarer Wucht hereinbrehen, wie in die befannteren Fjorde. jedenfalls Fönnen wir bejtätigen, daß es uns während der 91a Tage, welche die „Daldivia”, durch zwei Anfer gefichert, im Gazelle-Hafen verbrachte, vorfam, als ob wir fo ftill und ruhig wie im Hamburger Hafen lägen. Es war uns anz eigenartig zu Miute, als die quadratifchen Geftelle, die „Schlingerleiften“, von den (de) „Daldivia” im GazellesHafen. Blid nad} Süden. Kerguelen. cenerie am Gazellehafen. (= Scenerie am Öazelle- und Schönwetter-Bafen. 265 Südufer des Schönwetter-Bafens mit Ausblid nach Nordweit. Tischen verfhwanden und nftrumente nebjt Reagentien auf den Arbeitsplägen ohne fihernde Dorfehrungen umherftanden. Dagegen fcheint der Schönwetter-Bafen feinen Hamen weniger zu verdienen, weil in, ihn, wie wir auch felbjt es erfuhren, der Wind gelegentlich Fräfttg ftößt. Was die Scenerie des Gazelle- und Schönwetter-Hafens anbelangt, fo bemerft hier- über der Bazelle-Bericht folgendes: „Diefe beiden Beden find von einer ununterbrochenen Reihe hoher Berge eingefhloffen und bilden die beften aller Häfen der Kerguelen-Gruppe. Die Stürme werden durch hohe Ufer gemäßist, und die Somnenftrahlen jcheinen in diefent Keffel größere Wirfung auszuüben, als auf anderen Teilen der Infeln, foweit man aus der hier üppigeren Degetation fchliegen darf.“ Was zunädft den Gazelle-Bafen betrifft, fo find die ihn umfäumenden Höhenzüge 264 Rundblid vom Gazelle-Platean. niedriger als in dem Schönwetter-Hafen, wo fie an manchen Stellen fteil gegen das Ufer abfallen. Der lettere maht wohl einen romantifcheren Eindrud, dafür aber ift der Gazelle-Hafen weit anmutiger und entbehrt durch die reiche Gliederung feiner Umgebung durchaus nicht eines feffelnden Neizes. Die ihn umfäumenden Höhenzüge zeigen namentlich auf dem jüdlichen Ufer jene charafteriftifche, horizontale Lagerung der Bafaltdefen, welche durch; rötliche verwitterte Sagen voneinander getrennt werden. Man gelangt leicht von allen Seiten auf das flache Plateau, von dem aus fich ein padender Scenerie auf dent Plateau jüdlih vom Gazelle- Hafen. Sachse phot. Im Dordergrund die Polfter von Azorella, im Hintergrund tafelförmiger Berg mit horizontaler Schichtung der Bafaltdeden. Rundbli eröffnet: nach Weiten auf den firnbedecten, gletfcherreichen Lentralftod, der in dem Mlount Richards gipfelt, und nah Dften über das Kap Ahlefeld nach dem Crozier- Gebirge und den fernen Gipfeln des Chimney Top, des Mount Hoofer und Mount Syall. Nach Süden gewahrt man jene plateauförmigen Erhebungen, die einen Eharafterzug der Kerguelen-Scenerte abgeben; nad Horden, von der Jachmann- Halbinfel aus, die den Gazelle» und Schönwetter-Kafen gegen die Srifh-Bay abgrenst, eröffnet fich der Blif auf das Gewirr von Infeln und FKjorden der Dftfüfte. 264 Rundblid vom Gazelle-Platean. niedriger als in dem Schönwetter-Hafen, wo fie an manchen Stellen fteil gegen das Ufer abfallen. Der lestere macht wohl einen romantifcheren Eindrud, dafür aber ift der Gazelle-Hafen weit anmutiger und entbehrt durch die reiche Gliederung feiner Umgebung durchaus nicht eines fefjelnden Neizes. Die ihn umfäumenden Höhenzüge zeigen namentlich auf dem füdlichen Ufer jene charafteriftifche, horizontale Lagerung der Bajfaltdefen, welche durch rötliche verwitterte Sagen voneinander getrennt werden. Man gelangt leicht von allen Seiten auf das flache Plateau, von dem aus fich ein padender 2 a ne Scenerie auf dem Plateau füdlih vom GazellesHafen. Sachse phot. | Im Dordergrund die Polfler von Azorella, im Hintergrund tafelförmiger Berg mit horizontaler Schichtung der Bafaltdeden. k Kundblie eröffnet: nach Welten auf den firnbedecten, gletfcherreihen Lentralftod, der F | in dem Meonmt Richards gipfelt, und nah Diten über das Kap Ahlefeld nah dem | Erozier-Hobirge und den fernen Gipfeln des Chimney Top, des Mlount Hoofer und Mount Eyall, Nah Süden gewahrt man jene plateauförmigen Erhebungen, die einen — l Iharafterzug Herguelen-Scenerie abgeben; nadı Yorden, von der Jachmann- 2, Balbinfel aus, di Bazelle- und Schönwetter-Hafen gegen die Jrijh-Bay abgrenst, eröffnet fich der Blid auf das Gewirr von nfeln und Fjorden der Dftfüfte. „x a “ Rücdgang der Gleticher. 265 Alle früheren Beobachter find darauf aufmerffam geworden, daß die Bletfcher früher viel weiter gegen die Küfte herabragten. Dies Derhalten betont der Challenger-Bericht von dem Royal-Sound, und derjenige der „Bazelle” von den centralen Gletjchern, die von dem YIO m hohen Mount Richards ausgehen. Bei dem Befuche des Plateaus der Jahmann-Halbinfel überzeugten wir uns gleichfalls, daß fie einft von einem ge- waltigen Gletfcher bedeft gewefen fein muß, defjfen Einwirkungen fih auf den Mord- abhängen des Schönwetter-Hafens bis gegen das centrale Gletfhergebiet des NTount Richards verfolgen laffen. Die Ba= faltblöce, denen er auflag, find rund gefchliffen, feitlihe Hänge find ge- glättet und mit Gletfcherfchliffen be- deckt, und überall liegen zerftreut die transportierten Findlinge. Die bei- gegebene Beliograpüre dürfte viel- leicht beffer, als es Worte vermögen, den eigenartigen, weltverlorenen Ein- druck verfinnlichen, den diefe Gla: cial-Kandichaft, von Menfchenhand unberührt und vielleicht noch nicht von menfchlihem Fuße betreten, auf den Beobadhter mad. Wo irgend auf den DPlateaus > fih eine Dertiefung findet, fammeln fih dte Schmelzwäfjer an, um Xa- chen und Tünpel, oder Fleinere und größere Süßwafjerfeen zu bilden. Der größte Süßwafferfee der Ker- guelen liegt hinter dem Schönwetter- Hafen und überbietet den Ießteren fait noh an Ausdehnung. An Daldivia= Fall (Sachse phot.) fließgendem Waffer fehlt es denn in der Südwejtede des Gazelle-Bafens. auch nicht; Fleine Gebirgsbäche ftrömen den Fjorden zu, häufig in Kasfaden gegen diefelben abfallend. Einen hübfhen, Fleinen Wafferfall trifft man an der Weitece des Gazelle-Hafens an, wo zugleich auf flahem Dorlande der Flaggitod mit der auf ein Metalljchild gemalten Trifolore fteht. Ihm gegenüber, auf der Jachmann-Balb- injel, hat die „Eure” ein Proviantdepöt errichtet und bezeichnet, das auf Erfuchen der franzöftihen Admiralität der DOceanograph mit den Dffizteren der „Daldivia” repidterte und vollftändig intakt fand. 266 Tierleben. Aus diefem Umjtande darf wohl gefchloffen werden, daß die Kerguelen im lesten Jahrzehnt nicht mehr von Walfifchfängern und Robbenfchlägern befucht wurden. Mir haben nirgends einen Schoner zu Geficht befommen und bemerften Feine verlafjene Sagerftätte, dte auf einen in den leßten Jahren erfolgten Befuh hingedeutet hätte. Der Eingang des Gazelle-Hafens in den Schönwetter-Hafen wird von Fleinen Infeln verengt, die mir in befonders angenehmer Erinnerung ftehen. Als ih ihnen gleich nach unferer Anfunft in Begleitung des erften Mafchiniften einen Befuc abjtattete, hatten wir reichlih Gelegenheit, den Sauber würdigen zu lernen, welchen die faft paradiefifche Harmlofigfeit der Tierwelt der Ker- guelen auf den unbefangenen Be- obadhter ausübt. Die graztöfen Seefhwalben (Sterna virgata) umflogen uns in Schwär- men und liegen ji) zutbunlih auf dem geltdah der Danıpfbarfaffe nieder. Auf den durch die Wogen abgefchliffenen jchwarzen Bafalt- Fuppen der Infeln trippelten weiße Dögel heran, welche Fleinen Hüh- nern an Größe gleichfamen. Es waren die einzigen Landvögel der denfchnäbel (Chionis minor). hr Gefieder tft vollftändig fchneeweiß; der fchwärzlihe Schnabel tft über den Hafenlöchern mit einem jcheidenförmigen Auffat ausgeftattet, und die jchwach Scheidenjchnäbel (Chionis minor). fleifchfarbenen Füße gleichen denjenigen der Hühnervögel. Sm Syitem nehmen fie eine tjolterte Stellung ein; am eheften dürften fie noch einigen Watvögeln angereiht werden. Heugierig picten fie an den Schuhen und Gewehrfolben, um uns dann mit trippeln- dem Gang auf der weiteren Wanderung zu begleiten. Wir hatten nur wenige Schritte gemacht, als wir wie fejtgebannt ftehen blieben und inftinftiv die Gewehre in Anfchlag brachten. Da lag vor uns ein mächtiges Tier, ein weiblicher See-Elefant (Macrorhinus leoninus L.) ($. 268), der mit feinen wundervoll großen, Faftanienbraunen Augen uns anfhaute, ohne fih zu rühren. Erft als unfer Dahshund ihn anfläffte, fperrte er \ o J 267 ierlebent. Bafaltfelfen auf den Injelnm im Gazelle-Hafen mit Brutjtätten der Chionis. Die Degetation befteht zumeift aus Gräfern (Festuca, Poa). 268 Barmlofigfeit der höheren Tierwelt. und jchlief weiter. Wer an eine derartige Harmlofigfeit einer Feine Derfolger Fennen- den Tierwelt nicht gewöhnt ift, nähert jih nur fchüchtern dem 5m langen Tiere, bis er end- lich) Öreifter wird und durch einige Flatfchende Schläge den brüllenden Elefanten zum Der- lafjen feines Sagers bewegt. — Ein ganzer Schwarm der prächtig fchwarz und weiß ge- zeichneten und mit fcharfer Silhouette von dem Himmel fih abhebenden Dominifaner- möpen hatte fich erhoben und begleitete, dicht über den Köpfen fliegend, mit dem wie Lachen klingenden „hähähä” die Wanderer. Doc man follte fobald noch nicht von feinem Brüllender See=Elefant. Erftaunen fie) erholen. Als wir uns niederfetten und dem Treiben der Scheiden- jchmäbel, dem wieder zur Ruhe gefommenen See- Elefanten und den um uns fi fam- melnden Dominifanermöven zufchauten, fanden es zwei Kormiorane (Phalacrocorax verrucosus) für angezeigt, uns auf demfelben Rafenpolfter Gefellfhaft zu leiften, indem fie faft jchalfhaft den Kopf auf dem Halfe redten. Prächtige Dögel, diefe Kormorane der Kerguelen! Der Bauch ift fchneeweiß gezeichnet, der Rüden ftahlfarben und der Schnabel an feiner Bafis durch einen rot- gelben, bis zum Auge fich erjtredenden, warzigen Wulft ausgezeichnet. Bald ge- fellten fih noc jüngere Individuen hinzu, die em einförmig braunes Jugendgefteder aufwiefen. Die ganze Infel war bededt mit Schalen von AMtiesmufcheln (Mytilus) und Hapf- fchneden (Patella), fo daß man mand)- mal hätte glauben mögen, es handele fih um Kjöffen-Ntöddinger, jene prä= biftoriichen Küchenabfallhaufen der dänt- fchen Infeln; das alles hatten die Dominifaner- Weiblicher See= Elefant. Sandfauna von niederen Organismen. 269 möpen angefchleppt und namentlich vor den Hiftplägen angehäuft. Wir fanden ihre zahlreichen Funjtlofen mit Gras gepoljterten Nefter, in denen 4—5 bräun- lich gefärbte Junge in ihrem ftruppigen braunen Dunenfleide Fläglih piepften. Als ich in eine Kleine Höhlung griff, fuhr eine Ente heraus von der Größe unferer Kridente; fie jaß brü- tend auf einem weißen Eie und gejellte fich ihren Genofjen bei, deren wir bald eine größere Sahl bemerften. Don allen Befuchern wurde diefe einzige Entenart der Kerguelen (Quer- quedula Eatoni) wegen ihres wohlfchmedenden FSleifhes sefhäßt. Yücht minder wird der Bli durch die eigenartige Sandfauna niederer Drganismen gefeffelt. Bet dem Surücdbiegen der Blätter des Kerguelenfohls fallen in den yormoran (Phalacrocorax verrucosus), Blattjcheiden große den Blattläufen gleichende Infekten Iinfs im Jugendgefieder. (Sachse phot.) auf, die freilich bei genauerem AZufehen als echte Fliegen fich entpuppen. Daß man fie als folhe zunächft nicht anfpricht, ift begreiflich: fehlt ihnen doch eines der wichtigjten Attribute der Fliegen, nämlich die Flügel. Eine wundervolle Anpaffung an das Keben * in einer fturmdurhbrauften Region giebt fi in diefer Flügellojigfeit der Calycopteryx Moseleyi fund, denn es liegt auf der Hand, daß eine mit Flügeln und Flugvermögen ausgeftattete Fliege bald der Dernichtung anheimfallen würde, wenn fie nicht einen zudem noch fo gefhüßten Aufenthalt zwifchen den Fräftigen Blattjcheiden einer wetter- feften Pflanze wählte. Übrigens fei erwähnt, daß die Kerguelen nicht weniger als fieben fliegenartige Infektengattungen aufweifen, von denen die eine, nämlich Ama- lopteryx maritima (S. 270), eigentümlich ver- Fünmmerte Slügel erfennen läßt. Site vermag fich diefer jenfenförmig geftalteten Schwingen denn auch nicht mehr zu bedienen, ift aber durch die Fräftig entwidelten Schenkel der Hinterbeine befähigt, durch weite Sprünge davonzueilen. Diefe Flügellofigfeit ift auch charaf- teriftifch für die Käfer der Kerguelen, welche man mit Keichtigfeit in großer Hahl Calycopteryx Moseleyi. Eaton. Deragr. !%/ı. Slügellofe Sliege 5. (Enderlein gez.) 2XoO Slügellofe Infekten. unter Steinen zu fammeln vermag. Bet ihnen find die weich- häutigen hinteren Flügel verfümmert, während die ftarren vor- deren Slügeldeen, wie bei faft allen Käfern, als fhüßende Hüllen dem Körper aufliegen. Merfwürdigerweife handelt es fi haupt- fählih um Nüffelfäfer, welche der Gattung Ectemnorhinus zu= y sehören. Mir finden fte in andern Kän- dern meift unter der Rinde von Bäu- men, und Schon diefer Umftand legt die Dermutung nahe, daß einft die Ker- guelen mit Baumwuchs ausgeftattet wa- ren. Thatfächlih hat denn auch fchon NE : ar (Euderlein gez.) Roß darauf hingewiefen, daß iM Ectemnorhinus viridis. Waterhouse. Weihnahtshafen in gewiffen Schich- Degen SSL GET ten verfiefelte Baumftämme gefunden werden. Auch das Dorfonmen von Koblenlagern deutet darauf hin, daß urfprünglich die Kerguelen mit Wald bedeckt waren. Wir Fönnen daher Studer nur beiftimmen, wenn er das Auftreten von Nüffelfäfern mit einer ehemali- gen Waldbedefung in Sufammenhang bradte. ur ein einziger Schmetterling, eine Mtotte (Embryo- nopsis), tft den Kerguelen eigen. Es gelang uns, auch von diefem flug- unfähigen Falter Eremplare mit den verfürzten Flügeln, und (Enderlein ge) die im Kerguelenfohl fich auf- Amalopteryx maritima. Eaton. Derar. /ı. Sliege mit verfümmerten Slügeln. haltenden Raupen zu erbeuten. Um noch der übrigen Glieder der Kandfauna zu gedenken, fo fei erwähnt, daß man unter den Steinen Dertreter der niedrigft S ftehenden flügellofen Infeften, nämlih der Collembolen (Enderlein gez.) (Tulbergia), eine Spinne (Myro kerguelensis), eine Fleine Sa Sungenfchnede (Helix Hookeri), und endlich in der Erde recht häufig einen mittelgroßen Regenwurm aus der Gattung Acanthodrilus antrifft. Yücht minder feffend als diefe Tierwelt bietet fi die Dege- tation dar. Da erheben fih zunächit (Enderlein gez.) Tulbergia antarctica. Lubbock. Dergr. /ı. Deaetatton. 271 die dunfelgrünen Polfter einer Charafterpflanze der Kerguelen, nämlich der Azorella selago. Sie ift überall auf den nfeln zerftreut, bildet auf den Plateaus halbFugelige Erhebungen, in die der Fuß leicht einfinft, fteigt hinauf bis zu SOO m Höhe, und an einigen gefhüsten Stellen felbft noch darüber hinaus. Soldy riefige Polfter, wie fte gerade auf den gefhüsten Infeln des Gazelle-Hafens fich vorfinden, haben wir freilich fpäterhin nicht mehr beobadıtet. Es handelt fih um eine Freuzblütige Pflanze, welche = I Azorella - Politer auf dent Plateau füdlich vom Gazelle= Hafen. (Sachse phot.) Man bemerft die beiden Bafaltfuppen, welche den Eingang zum Hafen verengen. über alle antarftifhen Infeln und felbft auch über die Südfpite von Feuerland ver- breitet ift. Einen wirfungsvollen Saum um die Polfter bilden dte mit filberglänzendent Slaun bedeften Blätter einer Kompofite, der Cotula plumosa, welche fonft nur noch) auf den Infeln füdlih von Heufeeland vorfommt. Heben ihr find es die graugrünen Blätter einer Nofacee, nämlich der Acaena affınis, welhe eine Charafterpflanze der unteren Zonen abgiebt und oft auf weite Flächen hin faft alleinherrihend auftritt. DQ2 Deaetation. Kerguelenfohl. ic (Sachse phot.) Pringlea antiscorbutica an fteilen, für die Kaninchen unzugänglichen Selswänden Das größte Interefje erregt indeifen der feit den Zeiten von Roß berühmt ge- wordene Kerguelenfohl (Pringlea antiscorbutica). Seine eiförmigen oder lanzettlichen, filzigen Blätter umfcheiden faft I m hoch werdende Blütenftände, die teils abgeftorben auf dem Boden liegen, teils Fraftitrogend fih in dte Höhe erheben. Der Kerguelen- Fohl ift die einzige endemifche Pflanze, welhe auf Erden Feine näheren Derwandten Charakter der Degetation. 273 aufweift und außer auf den Kerguelen nur noch auf dem füdlicher gelegenen Heard- Eiland und auf der Marion- und Crozet-Gruppe vorfommt. Die Mannfchaft von Rof nährte fih von den Blättern, die als wirffames Gegenmittel gegen Sforbut ge- rühmt werden, und daher auch zur Species-Bezeichnung Deranlafjung gaben. Wir haben nicht verfehlt, uns ein Gemüfe aus Kerguelenfohl bereiten zu lafjen, das that- fählich einen nicht unangenehmen, etwas bitteren Geihmad befist. Wenn wir noch hervorheben, daß Gräfer, den Gattungen Poa, Agrostis und Festuca angehörig (unter ihnen die endemifchen Arten Poa Cookii und Festuca kerguelensis), überall in Büfchen zerftreut aufftreben (f. S. 267), fo hätten wir der hervorragendften Charafterpflanzen, welche die Phyfiognomie des Kandes beherrijhen, Erwähnung ge- than. Sie alle bedingen jenen graugrünen Grundton, welcher den Matten und Hängen der Kerguelen eigen ift. Daneben ift es nun noch ein Heer von Fryptosamifchen Pflanzen, namentlich von Flehten und Moofen, die alle Felstrümmer überziehen und oft durch ihre lebhaften, gelben, filbergrauen und fchwarzen Töne die Färbung der Sandfchaft beftimmen. Es ift erjtaunlih, in weldher Fülle die Kryptogamen, und zwar gerade ihre niederjten Sandformen, auf den Kerguelen wiederfehren. Den 2] von dort befannt gewordenen Blütenpflanzen ftehen nicht weniger als 160 Arten von Mioofen, Flehten und Keber- moofen gegenüber. Hu ihnen gefellen fi noh vier Arten von Sarnen, unter denen man zu feiner Überrafhung wohlbefannte Fosmopolitifhe — fpeciell auch in Deutjch- land verbreitete Arten, nämlich das derbe Polypodium vulgare und die zarte Cysto- pteris fragilis neben den für die jüdlichen Fühleren Regionen typifchen Formen (Lomaria alpina, Polypodium australe) antrifft. Dergleiht man die phanerogamifchen Pflanzen der Kerguelen mit jenen der arf- tifhen Region, fo fällt es auf, daß einerfeits die Zahl der Arten eine relativ geringe ift, und daß ihnen anderfeits die Blütenpracdht fehlt, durch welche felbjt im Norden Grön- lands und in Spitbergen während der Furzen Sommermonate die arktifche Slora den Reifenden feffelt. Darwin hat uns zuerft den Blif dafür geöffnet, daß duftige und farbenprächtigen Blüten beftimmt find, Infeften anzuloden, welche ihren Ueftar faugen und dabei zugleich die Beftäubung übernehmen. Thatfählih find denn auch die arf- tifhen Regionen durch zahlreihe fliegende nfeften, felbit noch durch mehrere bunte Salter, charafterifiert, während in diefer Hinficht das antarktifche Gebiet — und zwar jpectell die Kerguelen — zurüditehen. Offenbar fehlen den Kerguelen nfeften, welche die Beftäubung der Blütenpflanzen übernehmen Fönnten. Wenn man aud wohl ge- legentlich vermutet hat, daß die flügellofen Fliegen durch ihr Umbherfriehen auf den Blütenftänden des Kerguelenfohles das Beftäuben vermitteln möchten, fo darf ich wohl hervorheben, daß ich niemals an den ungewöhnlich fchönen und fonnigen Tagen, die uns befchert waren, die Fliegen auf den Blütenftänden bemerkte, fondern fie ftets nur Thun, Mus den Tiefen des Weltmeeres. Zweite Auflage. 18 274 Anpaflung an Windbejtäubung. dann zu Geficht befam, wenn man die Blattfcheiden des Kohles zurükbog. Schon Hoofer hat vermutet, daß der Kerguelenfohl eine windblütige Pflanze fei, und dürfte wohl mit diefer Annahme das Richtige getroffen haben. Shimper machte mich darauf aufmerffam, daß für alle phanerogamifhen Kerguelen-Pflanzen die Anpaffung an die Beftäubung durch den Wind finnfällig entgegentritt. Es fehlen die bunten Blumen- blätter, welche zum Anloden der Infeften dienen, nicht nur der Pringlea, fondern auch den beiden, für die Kerguelen charafteriftifchen Ylelfenarten (Lyallia und Colobanthus). Bei den zwei NRanunfelarten (Ranunculus crassipes, R. trullifolius) find die Blumen- blätter zu fchmalen, weißen Streifen rücgebildet, und der Kompojfite Cotula fehlen die fonft zum Anloden von nfeften dienenden NRandblumenblätter. Die Unpaffung an die Windblütigfeit hat es wohl in erjter Sinie bedingt, daß auch im Sommer der höheren Pflanzenwelt durh den Mangel des Blütenflores ein gewiffer melancholifcher Hug eigen ift. Der Gazelle-Hafen ift ebenfo wie die tief in das Land einfchneidenden Fjorde an allen jenen Stellen, wo die Felswände an das Wajjer herantreten, mit einem Trümmer- feld von Bafaltblöfen bedekt, welhe mit mannigfach gefärbten Slehtenarten über- zogen find. Die Sertrümmerung des Gefteins muß fih in eimer Region befonders energifch geltend machen, wo häufig die Temperatur fi) um den Nullpunkt bewegt, und das zwijchen die Spalten fifernde Waffer bei dem Gefrieren feine Sprengwirfung ausübt. Diefe Trümmerfelder find die typifchen Wohnpläße für eine Pinguinart, die nicht wenig zur Belebung der Phyfiognomie der nfeln beiträgt. Es ift der prächtig gefärbte Schopfpinguin (Eudyptes chrysocome) mit fchneeweißem Baucde, fchiefergrau gefärbtem Rüden und Slofjen, hochrotem Schnabel, voten Augen und einem Fofettem Schopf goldglänzender Federn jederfeits amı Kopfe. Hähert man fich ihren felfigen Heimftätten, jo empfängt den Beobadhter ein taufendfältiges, an eine Gänfeherde erinnerndes Gefchrei. Ewiger Hanf und Streit herrfcht unter diefen Dögeln, dte ihre unwillfürlihe Komif nicht zum wenigjten dem Umftande verdanken, daß fte auf ihren weit nah hinten gerüdten Füßen wie Fleine Gnomen aufrecht ftehen und in abfonder- licher Unbehilflichfeit mit ihren zu Floffen umgebildeten Flügeln herummirtfchaften. Überall ftehen auf den Kuppen der Felsblöfe die Männchen in Gruppen zufammen, eiferfüchtig mit Schnabelhieben jeden Genoffen bedenfend, der etwa zufällig von oben berabrutfchte und unter fie geriet. Yicht anders geht es dem Fremdling, der neu> gierig und gefefjelt von dem eigenartigen Schaufpiel zum erften Mal eine Pinguin- Folonie befuht. Das Klettern auf den Blöfen ift fchon an und für fih mühjfelig und wird dadurch nicht noch angenehmer geftaltet, daß überall fhlüpfriger und übelriechender Unrat einen feten Halt verwehrt. Kommt man dann einem Trupp näher, fo erhebt fih allgemeines Gezeter; den Kopf dem Beobahter zugewendet fucht die Gefellfhaft Uvyayaamnops usg m duvdny "uojondao, WW “ Die Schopfpinguine. 275 bald halblinfs, bald halbrechts zufammenzurücden, bis es dann fräftige Schnabelhiebe und Schläge mit den Floffen abfett. Yicht nur auf den Blöfen, fondern aucd unter denfelben giebt fih unwilliges Gejhrei Fund. Da fisen in den gefhüsten Höhlen die Weibchen auf ihrem Funftlofen Yefte, falls man überhaupt die meift mit Dung bedecten flahen Gruben fo nennen will, und brüten auf ihrem einzigen weißen, gewöhnlich ftarf mit Shmuß bededten Ei. Sie lafjen es fich, von einigen Schnabelhieben ab- EEE Pinguinfolonie (Eudyptes chrysocome) anı Eingang zu dem Schönwetter=Hafen. gefehen, meift ruhig gefallen, daß man ihnen dtefelben wegninmt. Da wir viele Eier fammelten, fo ergab es fich bald, daß fte fait durchweg Embryonen enthielten, welche dem Ausfchlüpfen nahe waren; nirgends fanden wir in einem Üejte bereits ausgefchlüpfte Junge. Der von den Eihüllen befreite junge Pinguin zeigt ganz die Geftalt des Alten, ift auf dem Bauche weißlih und auf dem Nücen fchiefergrau gefärbt, entbehrt aber noch der beiden Federfchöpfe amı Kopfe. Ein ftarfer Horm- wulft auf dem Schnabelvücden bildet den fogenannten Eizahn, vermittelft deffen die 18* 276 Brütende Pinguine. Eudyptes chıysocome. (Schmidt phot.) Rechts die brütenden Weibchen, Iinfs die Wache haltenden Männchen. Die erftaunten Pinguine. (Schmidt phot.) 276 Rechts die brütenden We a In. Pu a) moin} mon en E ‚noloupuodt ; (Schmidt phot.) reiben, Uns die Wache haltenden Männiben. Die erftannten Pinguine, (Schmidt phot.)- nn nr anne ma ame sn RS Ds ent ii, Pucgseien SEITEN DSH R Sebensweife der Schopfpinauine. DIT Schale gefprengt wird. Die Männchen find unabläfjig bemüht, dte Weibchen mit Hahrung zu verforgen, indem fie mit beiden Beinen gleichzeitig die Felfen hinab- hüpfen und mit ihrem vorgeftredten Kopfe, gefrümmiten Hafen und fhräg gehaltenen Sloffen an den Pater Filucius erinnern, wie ihn Bufcd zeichnet. Sind fie dann am Wafjer angelangt, jo geht es mit einem Kopffprung in dasfelbe, und nun zeigt fich erft der Pinguin in feinem wahren Elemente. Die Sloffen dienen als Ruder, und mit erftaunlicher Gefhwindigkeit [hwimmt und taucht er oder fpringt er wie ein Delphin über die Dberflähe. Stunden fann man in einer Pinguinfolonie verbringen, ohne des originellen Treibens müde zu werden. Da ftehen fie um uns herum, pusen und orönen das Gefieder, mit dent Kopf und den goldigen Federfhöpfen jtändig in Bewegung, bald zärtlich fih an ihren Benoffen anfchmiegend, bald zornig Schnabel- und Flofjenhiebe austeilend. ch ver- ftehe zwar nicht die Sprache der Pinguine, durfte aber wohl annehmen, daß das, was fte mit funfelnden roten Augen und hämifh zur Seite gebogenem Kopfe dem Eindringling zu vernehmen gaben, fehr beleidigender Art gewefen fein muß. Stets jieht man auch zwifhen den Felfen verteilt eine Anzahl von Scheidenvögeln (Chionis), deren Trei- ben und Abfichten freilih durchaus Feine harmlofen find. Bat ein Pinguinweibchen einmal das Yejt ver- lafjen, fo find jte gleich bei der Hand, um mit einem fräftigen Schnabelhieb das Ei zu zertrümmern und gterig den Inhalt zu geniegen. Wie Studer, der Hoologe der Gazelle- Erpedition, bemerkt, fo dienen die fheidenförmigen Auffäße auf dem Schnabel (S. 295 wejentlich dazu, das Derfleben der Hafenlöcher mit Embryo von Eudyptes dem Eiinhalt zu verhüten. vor dem Ausfhläpfen. Nat. Er. Wenn man bedenkt, daß Taufende und aber Taufende von Pinguinen überall da, wo ‚Felfentrümmer am Rande der Buchten fi) aufhäufen, ihre Wohnjtätten aufge- jchlagen haben und daß fich zu ihnen ein fast überwältigender Reichtum an antarftifchen Shwimmovögeln gefellt, jo wird die Frage nahegelegt, auf welche Weife denn eigent- lich diefe Dogelwelt ihr Hahrungsbedürfnis befriedigt. Kehrten es nicht fchon die zahllofen Mufhel- und Schnedenfhalen, die man überall an den Standorten und Brut- plägen umberliegen fteht, jo überzeugt man jich leicht, daß der antarftifchen Dogelwelt in dem leere ftändig der Tifch gedet ift. Erjtaunlich reich ift die marine Strand- fauna der Kerguelen entwidelt. Hebt man einen Stein auf, fo Fann man ficher fein, 278 Marine Strandfauna. daß Dubende von Affelfrebjen davonjagen, um unter anderen Steinen Schuß zu fuchen. Manche derfelben, fo 3. B. die Serolis latifrons, erinnern auffällig an dte fofjilen Trilobiten. eben ihnen fommen Borftenwürmer und ein Heer niederer Organismen vor, die namentlich die prächtigen, in allen Tinten von Not fchillernden Büfche der FSlorideen und Algen bewohnen, an denen der felfige Strand fo reich ift. Mir Fennen von den Kerguelen nicht weniger als I Arten niederer Mleeresalgen, zwifchen denen fih rötlih gefärbte Seefterne, Schlangenfterne, Krabben (Halicarcinus) umbertreiben, oder auf denen fich Seefcheiden (Ascidien), Mloostierhen (Bryozoen), Aftinten und Hydroidpolypen angefiedelt haben. Wo die Büfche der Fleinen, buntgefärbten ‚Flori- deen fehlen, trifft man in der Strandzone auf die große, tangartig geftaltete Durvillea mit ihren grotesfen, gelappten Blättern. eben ihr beherrfcht der Niefentang (Macro- cystis pyrifera) die Scenerie. Er wurzelt etwas tiefer als die Durvillea auf Felsblöden, welche in dem grünlih-fhwarzen Schlid des Grundes liegen; hier bildet er ein Wurzel- werf, das wie ein Neft miteinander verwachfener Korallenzweige fih ausnimmt. Don ihm gehen enorm lange Stiele aus, welde lanzettlihe Blätter mit flafhenförmigen Suftbehältern tragen. Wlan bat Üfte gemeffen, die eine Länge von nicht weniger als 500 m aufweifen. Da der Tang auf den felsblöfen bis zu 20 m Tiefe fich anftedelt und durch feine Shwimmmvorrichtungen an der Oberfläche zu Tage tritt, fo verrät er mit Sicherheit dem Seefahrer alle Stellen, die bei der Einfahrt in die Häfen zu ver- meiden find. ASugleich bietet er verfchiedenen Organismen Gelegenheit zur Anheftung, welche mit Dorliebe von den Dögelm genofjen werden. Dor allen Dingen find es die Yapffchnefen (Patella), die mit ihrer wie ein Saugnapf geftalteten Fußicheibe fejten Halt an den glatten Blättern gewinnen. Ältere Blätter find oft ganz überzogen von Wioostierchen und Hydroidfolonten und befetst mit einer leicht rofenrot fhimmernden Seewalze (Pentactella laevigata), dte ihre feinverzweigten zehn Kiemenbüfchel ausftredt. Sefchüsste Stellen der Buchten find oft auf weite Strefen hin mit Miiesmufcheln be deckt, welche in ihrer äußeren Geftalt denjenigen unferer deutfhen Küjten zum Der- wechfeln ähnlich fehen. So ift den unabläffig an der Oberfläche, bald auf Tang, bald am Strande fifchenden Dögeln der Tifch reich gedeft. Hur in einer Hinficht ftehen die Kerguelen zurüf, infofern ihre Sifhfauna relativ ärmlich entwidelt ift. Sie bejichränft fih auf vier Arten von Knochenfifchen, die nur von geringer Größe find und zum Teil der für die antarftifhe Region charakteriftifhen Gattung Notothenia angehören. Auch die tieferen Regionen der Buchten unterhalb 20 m weifen eine Fülle eigenartiger Brundbewohner auf, denen fich allmählich weiter außerhalb, auf dem die Kerguelen mit Beard-Island verbindenden Plateau, Typen zugefellen, welche den Übergang zu der Tieffeefauna vermitteln. Wir haben von unferer Dampfbarfaffe aus zwei Tage lang im Gazelle- und Schönwetter-Bafen gedredfht und an gefhütsten Stellen in furzer Seit eine aufßer- ene Kerguelenformen. 279 {a} eht Buchten oft eigentümlihe Formen beherbergen, welhe an ordentlich reiche Ausbeute gewonnen. Aus den Berichten früherer Erpeditionen < hervor, daß die einzelnen 2 anderen Stellen jelten find oder fehlen. Da die marine Fauna des Gazelle-Baffins und Schönwetter-Hafens unbefannt war, fo mag es diefem Umftande mit zu verdanken fein, daß wir eine beträchtliche Sahl für die Kerguelen neuer Küftenformen erbeuteten. So fei nur darauf hingewiefen, daß wir im Schönwetter- Hafen den Blättern des Blafentangs auffißende, eigentümliche Miedufen auffanden, die ihre fchwimmende Kebensweife aufgegeben haben und mit ihren verzweigten Tentafeln riechen. In unferen nordifchen Mleeren find fie durch die Gattung Eleutheria vertreten, welche acht dichotom gegabelte Arme bejist. Die neue Kerguelenform weift einen ganzen Wald von Randtentafeln auf und erreicht den relativ anfehnlihen Umfang eines Zehnpfennig- ftüces. Swifchen den Infen am Übergang beider Häfen war die Brundfauna be- fonders üppig entwidelt, und hier gelang es uns aud, einen großen, achtarmigen, rotbraunen Tintenfifh zu erbeuten, defjfen Eriftenz auf den Kerguelen noch nicht mit Sicherheit nahgewiefen war. Den früheren Beobadhtern ijt es bereits aufgefallen, daß faft alle die hier genannten marinen Organismen Brutpflege ausüben. Sie befiten Feine frei fhwärntenden Karven, jondern bergen ihre Hachfommenfchaft fo lange in gefchüsten Tafchen, bis diefelbe, dem Mluttertier vollftändig gleichend, felbftändig ihrem Hahrungserwerb nachgehen fann. In dem Challenger- Bericht finden fih anziehende Beifpiele diefer Brutpflege von Seeigeln (Hemiaster), Seefternen und Seewalzen abgebildet. Alle diefe von den Rerguelen be- Ffannt geworde- nen Arten haben wir wiedergefun- den, und jo mag zur Slluftration diefes Derhaltens auf die beiftehende Abbildung von Schlangenfternen hingewiefen wer- den, welche die ju= gendlihen Erem- plare in den er- öffneten Brutta- [hen anihaulidh vorführen. Selbjt Ophioglypha hexactis mit Embryonen in den Brutfäden, Natürliche Größe. 280 Brutpflege der marinen Fauna, Ophioglypha hexactis mit Embryonen. Natürliche Größe, von Formen, bei denen eine Brutpflege bisher nicht befannt war, ift fie an der Hand des von uns gefammelten Ntatertals nachgewiefen worden. So berichtet Dr. Carlgren, daß eine neue Gattung der Schönen, rofenrot gefärbten Seerofen der Kerguelen, die er Marsupifer Valdiviae nannte, ihre junge Brut in fechs zwifchen die Septen fich ein- fenfenden und an der Außenflähe des Körpers ausmündenden Bruttafchen aufzüchtet. Es fällt nicht leicht, eine Erflärung für diefe in fo weiten Umfange geübte Brut- pflege zu geben, zumal da diefelbe Sn auch bet Sp den arktifchen Seetieren wiederfehrt. Es liegt auf der Hand, daß die Derbreitung der Art in befonderen Maße dadurch gefichert wird, dag die Jugend dl formen nicht auf früheren Entwidelungsitadien T/; ausfhwärmen, und den Fährlichfeiten entgehen, Hl denen fie in arftifchen und antarftiichen Gebie il ten an der Oberfläche ausgefeßt find. Weshalb H indeffen die Brutpflege den in gemäßigten tro- N pifhen Klimaten vorfonmienden Formen fehlt IN vefpeft. nur untergeordnet in Erfcheinung tritt, Marsupifer Valdiviae Carlgr. %ı. In jedem der fechs Brutfäfe (2) find 50—100O Em= bryonen enthalten. 7 der eingezogene Tentafelfranz. S/ Ringmusfeln (Sphinfteren. Scenerie bei Sandy Cove. 281 läßt fich zur Seit fchwer beurteilen. Man möchte gern die phyfifalifch-chemifhe Be- fchaffenheit des Oberflächenwaffers hierfür verantwortlid machen, aber dem fteht doch andererfeits wieder im Wege, daß gerade an den Kerguelen felbft die zarteften Ober- flähen-Drganismen in überrafchender Fülle auftreten. Das Meer ift belebt von durdy- fihtigen Mledufen, duftigen Rippenquallen aus den Gattungen Bolina und Callianira und von Siphonophoren-Kolonien aus der Gattung Agalma. Endlich zeigt fih in der Kerguelen- Region befonders reich jene pelagtfche Lebewelt entwidelt, die als Hahrungsproducent den unverfieglichen Quell abgiebt, aus dem alles jchöpft, was auf dem Boden, am Strande und auf dem Sande lebt. Fu den antarftifchen Diato- meen gefellen fih grünliche, fchleimige Maffen bildende Kugelalgen, welche oft auf weite Strecken hin die Oberfläche verfärben. Es war begreiflih, daß die Mitglieder der Erpedition fih nad) allen Seiten zer- ftreuten und je nad) ihren Heigungen bald der höheren und niederen Tierwelt, bald der Pflanzendefe und geologifchen Befchaffenheit der Umgebung des Gazelle-Hafens ihre Aufmerffamfeit zuwendeten. Unfere Offiziere hatten gemeinfam mit dem Kapitän am nächten Morgen nad) der Unfunft einen Ausflug nach der „Sandy-LCove” benannten Bucht unternommen, welche gleich Imfs neben dem engen Eingang in den Bazelle- Hafen liegt. Dort waren fie auf eine Herde Elefantenrobben aufmerffam geworden, welche in grubenförmigen, von Acaena ausgepolfterten Dertiefungen nahe dem Strande lagen, um den Haarwechel durchzumahen. Sie erlegten nicht weniger als 15 Stüd, welhe wir am näcdften Tage durch die Schiffsmannfhaft abbalgen und zum Teil fFelettieren ließen. Man gelangt fehr leicht zu Fuß nad Sandy Love, indem man den Höhenrüden am Eingange des Gazelle- Hafens überschreitet und einige Süßwaffer-Anfammlungen pafjtert, die ebenjo wie die anfehnlicheren, füdlicher gelegenen Süßwafjer-Seen zahl- reihe Rinnfale nah dem Ende der Bucht entjenden. Die mitgeführten Mafjen von Geröll und Schlamm bilden Alluvialbänfe, welche zu der Bezeichnung Sandy Copve Deranlafjung gaben. Die Bucht ift von fanft geneigten, mit dichten Rafen von Acaena bewachfenen Hängen umgeben. Auf der Dftfeite begrenzt fie ein ungefähr 500 m hoher, unbenannter Berg, an dem ebenfo wie bei allen diefen Rücken von mittlerer Höhe der Aufbau aus horizontal gelagerten, durch rötliche Derwitterungserde getrennten Bafaltihichten Flar hervortritt. Dffenbar handelt es fi hier un mehrfach wieder- holte Ausbrüche flüffiger Kava, deren Oberfläche unter dem Einfluffe des die Serfebung begünftigenden Klimas verwitterte oder mit vulfanifcher Afche bedet und dann durch eine neue Bafaltdefe überflutet wurde. Yur undeutlich läßt fih ein Serfall der fejten Bafaltdefen in fenfrechte Säulen nachweifen. 282 Dermehrung der ausgefegten Kaninchen. = In der Umgebung des Gazelle-Bafens fowohl, wie namentlih auch in jener von Sandy Cove, fielen uns die maffenhaft in ihren Erdlöchern verfhwindenden Kaninchen auf, welche von der englifhen „Dolage*- Erpedition zur Beobahtung des Denusdurc- gangs auf Rat von Kapitän Mares, den Kommandanten des „Challenger", ausgefest worden waren. Alles wimmelte von grauen, feltener fchwarzen Hagern, die imı Gegenfat zu der harmlofen, Feine Derfolger Fennenden Kandfauna der Kerguelen ihre Surdhtfamfeit und Flüchtigfeit nicht verloren hatten: ein bemerfenswertes Beifpiel von Dererbung pfyhifher Eigenfchaften unter Derhältniffen, die doch immerhin zu der Erwartung berechtigten, daß die Anpafjung an neue Eriftenzbedingungen auch eine allmähliche Herabminderung des Inftinftes im Gefolge gehabt hätte. Leider hat diefe Überfhwemmung mit Kaninchen auch eine Underung in der Phyfiognomie der Dege- tatton herbeigeführt. Alle früheren Erpeditionen berichten, daß der Kerguelenfohl in Menge über die ganze nfel zerftreut vorfonmt; Roß fammelte nod) Furz vor feiner Abfahrt von den Kerguelen fo viel Kohl, daß für Monate feine Nlannfchaft mit zuträglicher Koft verfehen war. Heutzutage möchte dies jchwer fallen, infofern an allen den Kaninchen zugänglichen Stellen die Pringlea vollftändig ausgerottet ift; man trifft fie nur noch an fenfrechten Felswänden (S. 272) oder auf den in den Fjorden gelegenen nfeln. Dbwohl die See-Elefanten erft amı Morgen erlegt worden waren, fo hatten fich doch fhon Taufende von Dögeln um diefelben angefammelt, eifrig damit befchäftigt, den Seib aufjuhaten und fih Zugang nah dem Immern zu verfchaffen. Dies gelang freilih nur den mit mächtigen Schnäbeln ausgeftatteten großen Sturmovögeln (Össifraga gigantea), welche von weiten in ihrem Benehmen an die Geier der wärmeren Gegen- den erinnerten. Mit fchlaff herabhängenden Flügeln, Kopf und Bals mit Blut befudelt, umgaben fie zu Hunderten die Kadaver und hatten fi zum Teil fo voll gefreffen, daß fie nicht im ftande waren, aufzufliegen. Raub- und Dominifanermöven belagerten in dichten Wolfen die Stätte, wo unfere Matrofen eifrig damit bejchäftigt waren, unter Anleitung des Fleifhers die Kadaver abzubalgen. Hur ein ganz junges Männchen, das noch nicht die charafteriftifhe Auszeichnung des mächtigen erwachjenen Bullen, nämlich die rüffelartige Derlängerung der Nafenregion, aufwies, befand jich unter der Herde. Die Paarungszeit der Elefantenrobben fällt in den September. ach den Berichten von Augenzeugen werden an hundert Weibchen von nur einem Männchen bewacht, das fie an Größe mindeftens um das Doppelte überbietet (es erreicht eine Känge von 9—IO m) und mit mächtigen Hauern fi feiner Rivalen erwehrt. Die ungefhlahten Tiere follen fih unter weithin fchallendem Gebrüll aufrichten, den Küffel mit Luft aufblafen und fih mit ihren Hauern fchwere Wunden beibringen. Yach der Paarungs- zeit zerftreut fich die ganze Herde und die Weibchen Fommen erft im nächiten September ‘405 Äpurg 199 9191995 WPNSAN, a _ Sebensweife der Elefantenrobben. 285 wieder an Fand, um ihr einziges Junge zu werfen, das nach 6 bis 8 Jahren fort- pflanzungsfähig wird. m Dezember erfcheinen fie dann wiederum, um apatbifch, ohne Hahrung zu fih zu nehmen, in ihren grubenförmigen Sagern den Haarwecfel durhzumahen. Wir fanden denn auch den Hlagen der erlegten Tiere vollftändig leer. Da fich in früherer Heit, angelodt durch die Schilderungen von Roß, zahlreiche Wal- fiih- und Robbenfhläger nah den Kerguelen begaben, wurde unter den Elefanten- robben um fo mehr aufgeräumt, als man bei den Mleseleien, die man unter den wehr- lofen Tieren anrichtete, auch die Jungen nicht fchonte. Es ift vielleicht ein Glück, daß Weibliche Elefantenrobbe mit Jungem. Der Boden ift mit Blättern der Durvillea bededt. allmählich der Robbenfchlag nicht mehr lohnte, und der Befuch der Kerguelen feltener wurde. Der Kommandant der „Eure” berichtet, daß er nur noch einen Kapitän an- traf, welcher zum NRobbenfchlag die Kerguelen auffuchte. mn neuerer Seit fcheint Fein Sansfhiff mehr dort gewefen zu fein, und diefem Umftande allein war es zu ver- danken, daß wir alle Buchten wieder voll von Robben fanden und in der Furzen Seit unferes Aufenthaltes deren mehr zu Beficht befamen, als frühere Erpeditionen während mehrerer Monate. Yicht nur da, wo unfere Offiziere eine Herde von etwa JO Stüc überrafcht hatten (das größte derfelben maß 5,25 m), trafen wir auf ihre Kager, 284 Elefantenrobben. fondern auch an allen Stellen, wo Sandy Copve durch janftgeneistes Dorland günftige Kan- dungsftellen darbietet. Alan hatte es bald verlernt, den harmlofen Tieren mit dem Gewehr zu Leibe zu gehen, wie denn überhaupt der Jäger auf IAnfen, wo er Tiere nicht erft zu befchleihen braucht, die Büchfe zur Seite ftellt. Bar manchmal faßen wir bei den Robben, die nur dann, wenn jte vorher durch die Mlatrofen gefcheucht waren, ein heiferes Gebrüll ausjtießen und Gähnende Elefantenzobbe: unter Bewegungen, welche lebhaft an diejenigen einer Friechenden Made erinnerten, zu flüchten verjuchten. Sonft aber verhielten fie fich mit ihren Jungen ruhig bei fleifigem Gähnen und Schlafen. Weibliche Elefantenrobbe mit fchlafendem Jungen. Ausfahrt aus dem Gazelle- Hafen. 285 Waren fie munter, fo lagen fie gern auf der Seite, den Kopf leicht erhoben, mit ihren prachtvollen ausdrudsvollen Augen die Umgebung mujternd, oder jo graziös, wie es halt nur eine Elefantenrobbe vermag, mit der Bruftfloffe fih auf Nücen und Slanfen Fragend. Gegen Abend des 28. Dezember waren die Neinigungsarbeiten an den Kefjeln 5 Uhr am 29. Dezember wurden die Anker gelichtet. Das beendigt und Morgens Selfepthor am Eingang zum Weihnadts= Hafen. Barometer war von 60 mm (in der Nacht vom 27. zum 28. Dezember) auf C4 mm gefallen. Damit fündigte fih ein Umfchlag in der Witterung an, der fih zunädit an einem leichten Hordoft-Suge bemerfbar machte. Während das Schiff ftill und ruhig durch den friedlich daliegenden Gazelle-Hafen glitt und in die Foundery-Brandy einlenfte, hob fich allmählich der Nebel, welcher in der Nacht fich eingeftellt hatte, und zum legten Male grüßten die fchneebedekten Gipfel der Obfervations-Halbinfel herüber. Dafür bot fihh zum erften Male der Ausblif auf den fernen, in blendendem Weiß fchimmernden Mount Roß (IS60 m), den höchften Gipfel der Kerguelen, dar. 286 Der Weihnactshafen. Mount Havergal auf der Südjeite des Weihnadhtshafens. Bei ruhigen Wetter veranftalteten wir in 88 m Tiefe außerhalb der Infeln auf dent bis nach Heard- sland fih erftrefenden Plateau noch zwei Dredfchzüge, welche uns eine Fülle intereffanter Dertreter der merfwürdigen Kerguelen-fauna lieferten. Da hingen in den Mafchen des Hebtes blutrote Riefenformen von Affelfpinnen (Pryeno- goniden), während der Beutel ganz gefüllt war mit Blumenpolypen, Seefternen, See- igeln, Schlanaenfternen, prachtvollen Schuppenwürmern, Afjelfrebfen (Serolis) und großen Nochen. Mir umfuhren in weiten Bogen die Bismarf-Halbinfel und gelangten zwijchen der Howe nfel und Swain- Island um 5 Uhr in den berühmten Weihnachtshafen. Seine Einfahrt wird fhon von weitem durch das befannte Felfenthor gefennzeichnet, an das fi zumächit niedrige, dann fteil aufftrebende Wände anfchliegen, dte einen vorderen weiten Keffel und einen hinteren verengten Abfchnitt begrenzen. Drohend ragt an der Südfeite der unförmige Mount Havergal auf, während die Hordfeite von dem in Teraffen fich) aufbauenden Tafelberge begrenzt wird. An Romantik übertrifft der Weihnachtshafen weitaus das Gazelle-Baffin und wohl auch die meijten Häfen der Kerguelen; dagegen bietet er den Schiffen nur fchlehten Schuß, da alle Kapitäne, dte in ihm vor Anfer gingen, über die plößlich hereinbrechenden wejtlichen MWindftöge Hagen, welchen nur die mächtigften Kabel und Anfer gewachfen find. Da es bei unferem Einlaufen rubig war, entjchloß ih mich mit Dr. Danhoeffen zu Tierleben am Weihnacdtshafen. DET einer Bootpartie, um das Kohlen-Dorfommen an den von dem Feljenthor ausgehenden Steilmänden Fennen zu lernen. Die fahrt längs der fenfrehten Abftürze it ungemein malerifch; nicht weniger als vier Bäche ftürzen in Staub fich auflöjend auf die Fels- trümmer herab, welche von Taufenden und aber Taufenden von Pinguinen belebt find. Yürgends haben wir fie in folher Mafjenhaftigfeit zu Geficht befommen, und dabei machte die Gefellihaft einen Speftafel, als ob in dem Wiener Neichsrat über die Sprachenverordnungen debattiert würde. Leider gelang es uns nicht, wegen der Fräf- tigen Dünung an Sand zu Fommen, obwohl wir deutlich die dunflen Queradern be- merften, wo die Kohle anfteht. Es handelt fich freilich um ein minderwertiges Brenn- material, das den Abbau oder die Ergänzung des Kohlenvorrates nicht lohnt. Hach Nachrichten von Walfifhfängern foll allerdings in anliegenden Häfen etwas bejfer brennende Kohle zu Tage treten. Bei der Rückfahrt zu dem in der inneren Bucht feft verankerten Schiffe hatten wir reichlih Gelegenheit, die. Tücken des Weihnacts- hafens fennen zu lernen: plößlih hereinbrehende Windjtöge bedingten Furze, hohe Wellen, deren Gifcht uns bald vollitändig durchnäßte. Erft nach zweiftündiger, an- ftrengender Arbeit, bei der alle Hände an die Ruder angelegt wurden, gelang es uns, an das nahe Schiff zu Fommen. Don dort aus hatten inzwifchen die Andern den flachen Strand im Hintergrunde der Bucht aufgefucht und waren gleich nad) dem Landen auf einen männlichen Seeleoparden (Ogmorhinus leptonyx) geftoßen, der, weit beweglicher und fcheuer, als die See-Elefanten, in rafcher Flucht dem Waffer zueilte. Er wurde neben dem von der ee errichteten franzöfifhen Flaggfto erlegt. Die See-Elefanten, welche in Trupps bei den Süßwaffer- rinnfalen lagen, behelligte man nur oe als der Napigationsoffizier es fich nicht verfagen Fonnte, fie als Xeittiere zu benußen. Da man audy auf Könisspinguine ftieß, von denen einige gefchlagen wurden, fo fuchten wir nochmals die betreffenden Stellen auf, um den Seeleoparden abzubalgen und die Pinguine an Bord zu Schaffen. Es war denn auh ein Bild antarftifhen Tierlebens ohnegleichen, weldes fich uns an der Bucht darbot. Dbwohl der Seeleopard erjt Furz vorher erlegt worden war, fo hatten fich doh fchon dichte Scharen der großen Sturmvögel und braunen Raub- möpen angefanmmelt. Alan Fonnte fich des hungrigen Gefindels Faum erwehren; eine Raubmöve ri mir das ausgefhnittene Herz des Keoparden aus der Hand, und andere waren damit befchäftist, zwei der gefchlagenen Pinguine, welche fich erholt hatten und aufreht daftanden, in der widerwärtigjten Weife zu zerfleifchen. Un- befümmert un das, was neben ihnen vorging, lagen die Elefantenrobben in ihren Kagern, umftanden von Efelspinguinen (Pygoscelis papua) und einer Herde von etwa 0 fait Im hohen Königspinguinen (Aptenodytes longirostris). Die Könige find die ftolzeften Dögel der antarftifchen Region. Der fchneeweig gefärbte Bauch wird unter dem Halfe von einem Kollier goldgelber Federn eingefaßt, während Rüden, Floffen, 288 Die Königspinguine. und der mit langen, Fräfttgem Schnabel ausgeftattete Kopf fchieferblau gefärbt find. Als ob fte fih bewußt wären, die Auserwählten ihrer Sippe zu fein, benehmen fie fih mit befonderer Würde. Ungleih den ewig zeternden und hüpfenden Schopf- pinguinen feßen fie langfam und gravitätifch einen Fuß vor den andern. Wohlgefällig wird das Gefieder auf dem Rücken und auf dem gemäfteten Bäuchlein geordnet, ab und zu wird der Hals gereft und mit gen Himmel gerichtetem Schnabel ein heiferes Fräh, [) Königspinguine (Aptenodytes longirostris) am Weihnadtshafen (Sachse phot.) fräh, Fräh ausgeftoßen. Meift aber ftehen fie mit eingezogenem Hals und fchräg nad) oben gerichtetem Kopfe als Philofophen des Unbewußten da, im Fett faft erjticend und geduldig abwartend, bis das Gefieder — denn es war gerade die Seit der Maufer — erneuert war. Ich Fonnte mir nicht verfagen, die Herde gegen das Ufer zu treiben. Als fie fi in Bewegung fette, vermeinte man, daß eine Paftorenfonferenz fih zum Zuge oröne, oder daß die Neftoren der Hochfchulen im Drmate, jeder von dem eigenen Werte Derlafjen der Kerguelen. 289 Weibliche Elefantenrobben am Weihnachtshafen. (Sachse phot.) genügend durhödrungen, zur Audienz antreten. Ging es zu rafch, fo wurde man durd Schnabelhiebe und Slofjenihläge belehrt, daß die Hofordnung der Könige dies nicht zulafje; ftand man nach zehn Schritten ftill, fo war die erfchöpfte Derfammlung nur jhwer zum Weitergehen zu bewegen. Als ich mir indefjen beifommen ließ, ein Halle- Iujah zu fingen, recten alle gleichzeitig dte Hälfe und festen fich unter Fräh, Fräh, Fräh in Bewegung. Unter anmutigem MWechjelgefang der Pilgerfhaft langten wir nad einer halben Stunde bei dem Boote an. Den Matrofen, welche den nötigen Ernit wenig wahrten und die vier fchönften Könige herausgriffen, um fte nebft zwei Efels- pinguinen lebend an Bord zu fchaffen, wurde mit Schnäbeln und Slofjen fo zugefest, daß fie jchwerlich ein zweites Mal zu einem derartigem Attentat fich werden bewegen lafjen. Um 8 Uhr abends wurde der Unfer gelichtet, und nach einem legten Blif auf die malerifhen Wände des Weihnachtshafens, die von den trippelnden Chionis und von den Hunderttaufenden der lärmenden Pinguine belebt waren, wurde der Kurs nördlich, in der Richtung auf St. Paul, gefeßt. Thun, Aus den Tiefen des Weltmeeres. Zweite Auflage. 19 290 Entjtehung der Kerguelen. Wir verließen eine eigenartige Infelgruppe, die mir ftets als das gelobte Sand für einen Naturforfher im Gedächtnis bleiben wird. Wann ift fie entjtanden? Auf welhem Wege hat fie ihre eigenartige Flora und Fauna erhalten? Das find Fragen, denen die Forscher feit der Entdefung der Kerguelen gern nachgegangen find. Die Dorftellung, daß einft ein gewaltiger antarftifher Kontinent eriftierte, der fpäter- hin ins Meer fanf und nur wenige Spuren feiner Eriftenz in den weltverlorenen, fturmumbrauften Infelgruppen zurüdließ, beherrfcht die früheren Darftellungen. Sie fpiegelt fih auch in der bis zu unferer Fahrt allgemein gültigen Annahme wider, daß der antarftifhe Dcean nur geringe Tiefe aufweife. Durch unferen Nachweis der großen Tiefen ift der Annahme der Boden entzogen, daß zwifchen Südamerika, den Falfland-nfeln und den weiter im Süden vorgelagerten antarktifchen Infelgruppen einerfeits, und den Kerguelen anderfeits jemals eine Sandverbindung möchte beftanden haben. Aus eimem gewaltig tiefen Meere ragen nur einzelne vulfanifche Infeln, wie die Boupet-nfel, die Marion» und Lrozet-Infeln, die Kerguelen und Heard- Island hervor. So viel ift ficher, daß die beiden leßtgenannten Infelgruppen ein zufammen- gehöriges Ganzes bilden, infofern fie ein nur flaches Plateau, auf dem durchfchnittlich etwa 200 bis 500 m Tiefe gelotet wurden, miteinander verbindet. Nach Weiten fällt dasjelbe, wie unfere Kotungen ergaben, fteil in die Tieffee ab. Es jcheint, daß aud die Marion- und Erozet-Infeln mit den Kerguelen durch einen unterfeeifchen Rüden, der freilich noch nicht genügend ausgelotet ift, verbunden find. Db aber eine Der- bindung mit Südafrifa eriftierte, dürfte in hohem Maße fraglich fein, da zwifchen den leßtgenannten Infelgruppen und dem Kontinent wieder große Tiefen gelotet wurden. Erft von der genaueren geologifhen Durhforfhung der Kerguelen, dte ficher eine Fülle intereffanter Auffchlüffe verfpricht, dürfte der Entfheid abhängig gemadht werden, zu welcher Zeit die Kerguelen fich über den Mleeresfpiegel erhoben. Außer den ver- Fiefelten Hölzern Fennen wir bis jest von ihnen Feine Petrefaften, die indefjen, wie einzelme Berichte von Walfifhfängern lehren, mit Sicherheit fih werden nachweifen laffen. Studer vermutet, daß fie fich, wie viele bafaltifhe Infelsruppen, zu Beginn der Tertiärzeit erhoben, und wir werden fpäter noch Gelegenheit finden, auf einen Umftand aufmerffanm zu machen, der diefe Dermutung ftüßen dürfte. Wenn wir nun auf ihren fauniftifchen und floriftifchen Charafter einen Bli werfen, fo muß zunädft in Betraht gezogen werden, daß die Infeln nad) ihrem Auftauchen fih wieder teilweife gefenft haben. Einzelne Gebirgszüge ragten noch über Waffer hervor und bilden jenes Gewirr Fleiner und großer Infeln und zum Teil nur fchmal mit der Hauptinfel noch zufammenhängender Halbinfeln, welches wir namentlich auf der Dftfüfte wahrnehmen. In die Thäler drangen die Waffermaffen em und bildeten jene tiefeinfchneidenden Fjorde, welche einen Hauptcharafterzug in der Phyfiognomie Charakter der Kerguelenflora. 291 der Infeln abgeben. Die Hypothefe einer Senfung wird dadurch unterftüst, da auf eine Hebung deutende Strandlinien noch nicht nachgewiefen find. Db der oben erwähnte Rückgang der Bletfcher als ein Beweis für die Senfung des Landes angezogen werden Fann, dürfte immerhin fraglich fein. Wahrfcheinlicher ift es, daß er einer langfamen Erwärmung zuzufchreiben ift, die nach einer Eiszeit fich geltend machte. Daß die An- nahme eimer folhen durch das Dorfommen rein antarftifcher Organismen auf der heutzutage von einem warmen Strome überfluteten Agulhas-Banf nahegelegt wird, haben wir bereits früherhin (S. 175) auszuführen gefucht. Weiterhin müffen wir mit der Thatfache rechnen, daß dte Kerguelen einft mit Wäldern bedeckt waren, wie wir fie heute noch in Geftalt prächtiger Buchenwälder auf dem viel weiter nah Süden reichenden Patagonien und auf den Falflands-nfeln beobahten. Da dte mittlere Jahrestemperatur 4° C. beträgt und, wie bei allen oceanifchen Infeln, innerhalb ge- ringer Grenzen fchwanft, fo würde dies dem Dorfommen von Waldungen an gegen den Weitfturm gejhüsten Hängen nicht im Wege ftehen. Heutzutage fehlt indefjen den Kerguelen Gebüfh und Holz vollftändig. Was die höheren Pflanzen anbelangt, fo zeigen fie zum Teil nahe Derwandt- e fchaft mit jenen des Feuerlandes. Dies betrifft fpeciell dte Ranunfelarten, eine Welfe Degetation von Acaena an einem Bachesrand. (Sachse phot.) 292 Endemifche Pflanzenformen. (Colobanthus), die Acaena und die beiden Grasarten. Fünf Pflanzenarten find fogar identifch mit jenen vom Feuerland, und zu diefen gehört auch fpectell die Charakter- form der Kerguelen, nämlich Azorella selago. Ein endemifches Genus weift wieder- um auf Beziehungen mit dem fernen Weiten hin, nämlich Lyallia Kerguelensis, deren Derwandte wir von den Anden Fennen. Andererfeits Fommen Arten vor, die im fernen DOften wieder auftauchen. Unter diefen mag namentlich auf die Kompojfite Cotula hingewiefen werden, dte wir nicht vom Feuerland, wohl aber von den füdlich von Heufeeland gelegenen Audlands-Infeln Fennen. Während fich alfo hier einerfeits Be- ztehungen nach Weften, andererfeits nach Diten ergeben, fo ift doch eine Pflanzengattung den Kerguelen, Heard-\sland, den Marion- und Crozet-Infeln allein eigen, nämlich der Kerguelenfohl (Pringlea). Aus dem Dorfommen einer fo eigenartigen phanerogamen Pflanze dürfen wir wohl mit Recht fchliegen, daß die Kerguelen-Bruppe feit Beginn der Tertiärzeit, wo die Bildung der Blütenpflanzen anhebt, eine ifolterte Stellung einnahm. Dhme weiter auf die Beziehungen einzugehen, welche die Kryptogamen aufweifen (von denen wiederum die Mehrzahl nad der Südfpise von Amerifa hinweift), fo drängt fi fchon allein bet unbefangener Prüfung der floriftifchen Eigentümlichfeiten die Auffafjung auf, daß die Kerguelen, unter dem Einfluß der berrfchenden Wejtwinde, ihre wenigen höheren Pflanzenformen größtenteils von dem Feuerland zugeteilt erhielten. immerhin aber beftanden fie fo lange ifoliert, daß fie auch neue, eigenartige endemifche Genera herausbildeten, von denen eines, nämlich die Cotula, wiederum unter dem Einfluß der Weftwinde bis füdlih von Heufeeland ver- breitet wurde. So werden denn auch die Hoologen zur Erflärung der fauniftifchen Charafterzüge der Kerguelen nicht mehr die hypothetifche Eriftenz eines weit ausgedehnten antarftifchen Kontinents heranztehen dürfen, fondern die Mittel zu erörtern haben, durch welche unter dem Einfluß der Meftwinde die Kerguelen mit Sandformen befiedelt wurden. Selbftverjtändlih fällt es leicht, für die Schwimmmoögel einen Import nachzuweifen. Wer mit eigenen Augen gefehen hat, wie die flugunfähigen Pinguine die Eisberge als Transportmittel benusen, wie Albatroffe, Sturmvögel und Seefhwalben über das antarftifche Meer hin das Schiff begleiten, wird fich nicht wundern, diefe Formen über die ganze antarftifche Region verbreitet zu finden. Unter den Kandvögeln ift es die Chionis, welche wiederum ihren nächften Derwandten auf den antarftifchen nfeln der füdamerifanifchen Region aufweift. — Daß die Kerguelen mit Infekten beftedelt wurden, Fann nicht auffallen, immerhin deutet die Flugunfähigfeit derfelben auf einen langen, natürlichen Süchtungsprozeß hin. Es handelt fich bei der Rücbildung der Flügel um ein felbjtändiges Auftreten einer Anpaffung an das Leben in von Stürmen fchwer heimgefuchten Negionen; auf den Salflands-Infeln find die Fliegenarten noch mit wohl entwidelten Flügeln ausgeftattet. B ıqtoosyue vopsung esowngd eo) ‘osejas vipp1ozy) wolvyapfoo ud UODDAT uapondaoy, Befiedelung der Kerauelen mit Sandtieren. 295 Das Dorfommen von Rüffelfäfern hat fchon Studer mit vollem Recht in Zufanımen- hang mit einer einftigen Waldbedefung gebraht. Schwieriger fällt es immerhin, zu erklären, durch welhe Transportmittel die einzige Kungenfchnefe (Helix Hookeri) und der NRegenwurm auf die Kerguelen gelangten. Immerhin ift auch hierbei zu bedenfen, daß die Gattung Acanthodrilus, zu der der Regenwurm gehört, dem füdlichen Gebiet eigentümlih tft, und daß die Schnecke ihre nächiten Derwandten in füdafrifanifchen und feuerländifchen Formen aufweift. Chionis minor. XIV. Im jüdlichen ISndifchen Ocean. und außer Tee der Kerguelen Famen, empfing uns eine ftürmifch aufgeregte See mit einer gewaltig hohen Dünung aus Weft und Hordnordwefit. Das Schiff begann faft unerhört zu vollen, während der Wind allmählich zunahm und um die Mittagszeit des SO. Dezember die Stärfe IO erreichte. Während des Weitfturmes ftieg das Baro- meter innerhalb I2 Stunden um nicht weniger denn 20 mm und erreichte am Abend des SO. Dezember einen Stand von C6O mm, nahdem es noch im Weihnachtshafen bis auf (55 mm gefallen war. Dabet machte fih eme Erwärmung der Luft bereits fühlbar geltend (dte Mlorgentemperatur betrug 7,2° C.), obwohl die Sonne nur ge- legentlih zum Durchbruch gelangte und ein grünlich verfärbtes Meer mit feinen ge- Di wir den Weihnachtshafen anı Abend des 29. Dezember verlafjen hatten > o waltigen Wogenfämmen beleuchtete. Schwärme von fchwärzlihen Sturmvögen (Majaqueus) begleiteten uns, denen fich mehrere Albatrojje (Diomedea melanophrys und exulans) hinzugefellten. Unfere Königs- pinguine hatten wir in einem Derfchlage im Steuerbordgang untergebracht, wo jte uns zunächft durch das Gefchid, mit welchem fie bet dem ftarfen Rollen die Balance wahrten, überrafchten. Unter fih waren fte freilich fo unverträglih, daß wir ein dickes Weib- chen, den von zwei Männchen mit Schnabelhieben ftarf zugefeßt worden war, chloro- formierten und der Sanunbing einverleibten. Bei dem Abbalgen ergab es fih, daß dasfelbe gerade im Beginn der Maufer ftand. Auch die drei noch übrig gebliebenen mußten durch Bretterverfchläge voneinander getrennt werden, da es ftändig unter einem hämifchen Beifeitebiegen des Kopfes und einem heiferen, gänfeähnlichen Schrei Stöße und Biebe mit den Scdmäbeln abfette. Mit diefen wurde auch der Befucher, der ihnen nahe Fam, nicht verfchont, doch gewöhnten fte fih immerhin in den nächjten Tagen an den Menfchen und nahmen es befonders gern auf, wenn fie in regelmäßigen Hmwifchenräumen mit Wafjer begoffen wurden. Süßwaffer fchludten fie mit offen- barem Wohlgefallen, verhielten fich aber gegen jegliche fonftige Koft ablehnend. Frei- lih waren jie jo fett, daß fie offenbar die Mlauferperiode, vor der fie ftanden, ohne Hahrungsaufnahme zu überdauern vermögen. Den ganzen Tag waren fie damit be- ichäftigt, das Gefieder zu ordnen; namentlich, wenn fie mit Waffer übergoffen waren, ging es an ein Reden des Halfes, an eim Schütten des Körpers, Schlagen mit den Auf der Fahrt nach St. Paul. 295 Sloffen und jorsfältiges Ordnen der Federn auf Rüden und Bauch mit dem langen, überallhin veichenden Schnabel. Am 5l. Dezember bedingte der Weftfturm einen fo gewaltigen Seegang, daß wir gegen IO Uhr morgens genötigt waren, beizudrehen und gegen den Seegang anzu= dampfen. An irgend welche Arbeiten war nicht zu denken, doch wurden wir immerhin durch unfere Temperaturmefjungen darauf aufmerffam, daß wir, wie einjt bei der Annäherung an die Bouvet-Infel, fo hier bei dem Eintritt in wärmere Regionen unter dem 45.° |. B. mit jenen auffälligen, fhon früher erwähnten Temperaturfprüngen zu rechnen hatten. Das fjchmusig-grünlid verfärbte Falte Wafjer von 4—4,5° wurde gelegentlih von rein blauen Streifen Warmmwaffers, defjen Temperatur zwifchen 7,6° und 9,4° fchwanfte, durchfeßt. Gleichzeitig ergab es fih aud, daß eine Probe des Dberflähenplanktons, welche wir mit vieler Mühe fifchten, eine volljtändige Änderung in der Sufammenfesung der mifroffopifhen Organismen aufwies. Die Diatomeen, welhe in dent Falten Wafjer herrfchend find, zeigten ji abgeftorben oder zerjest, während andererfeits die für das Warmwaffer typifchen Ceratien zu überwiegen be- gannen. Dollitändig fehlten die Leitformen des Falten Waffers, nämlich die Chaetoceras- und Fragilaria-Arten; mit ihnen waren auch die in der Kerguelenregion fo majfjenhaft auftretenden Fugeligen Algen gefhwunden. So feierten wir denn wiederum im Sturme das anbrehende neue Jahr. Einen eigenartigen Eindruf machte es, als man in der Sylvefternaht auf der Brüde des fehwer arbeitenden Schiffes ftand, und inmitten der unermeßlichen WVafjerfläche mit ihrer gigantifchen Weftdünung die Dampfpfeife ertönte, um das neue Jahr zu verfünden. Wünfhe, die man für unerreihbar hielt, hatte das alte in Erfüllung gebradtt: wird das neue den Erwartungen entfprechen und weitere Auffhlüffe über Regionen bieten, die Feines Mlenfhen Auge jemals zu fehauen vermag ? Am I. Januar 1899 näherten wir uns der Region des Luftdrucfmartmuns, das in Derbindung mit Windftillen während des füdlihen Sommers für den Indischen Dcean zwifchen dem 58. und 54. Breitegrad charafteriftifch ift. Das Barometer ftand andauernd hoch und zeigte um die Jahreswende bereits einen Drud von (68 mm. Allerdings begann es bald wieder etwas zu fallen unter der Wirfung einer während 2% Stunden im entgegengefeßten Sinne der Bewegung des UÜhrzeigers erfolgenden Drehung des Windes. Er ging von Weit über Süd nad) Mord und Schließlich wieder nah Weit um und hatte trübe Luft, Regen und in der Yacht zum 2. Januar dicken Hebel im Gefolge. Immerhin gelang es uns, fowohl am I. Januar wie auh am darauffolgenden Tage durch gefchiete Steuerung des gegen den Seegang gehaltenen Schiffes zwei Kotungen bis zum Grunde durchzuführen, welhe Tiefen von 5455 refp. 5296 m ergaben. Die Grundproben lehrten, daß wir nicht mehr den für die antarftifhe Region typifchen, weißlichen Diatomeenfchlamm, fondern gelblichen Globigerinenfhlik vor uns 296 Sichten von St. Paul. hatten. Die Bodentemperatur in diefen Tiefen betrug + 1,4°, während die Oberfläche bereits auf 12,5 —15,9° erwärnit war. Da die Kufttemperatur derjenigen der Oberfläche ziemlich genau entfprad, fo bedingte die zunehmende Wärme ein Befchlagen der ftarf ausgefühlten Schiffswände und veranlaßte uns bald zum Anlegen leichterer Kleidung. Eine Herde von 20 Grindwalen, welhe während des Kotens erfchien, belehrte uns gleichfalls, daß wir in wärmere Mleeresgebiete eingetreten waren; feit langen Wochen hatten wir das Blafen der Wale nicht mehr vernonmen. Nachdem am Abend des 2. Januar nad einer fteifen Böe der nördliche Wind nad Weitfüdweft unigefprungen war, begann er rafch abzuflauen, indem auc gleichzeitig der Seegang abnahm. St. Paul. Wir hatten den 40. Breitegrad überfhritten und feit drei Tagen bei dem bededten Himmel Feine aftronomifche Obfervation gewinnen Fönnen, fo daß wir im Sweifel waren, ob angefichts des zweimal erfolgten Beidrehens und der leichten Kursänderungen, die wir vormehmen mußten, um den dwars Fonmenden Seegang mehr von vorn zu nehmen, genau die Richtung auf St. Paul feftgehalten worden war. Trotdem hatte das fcharfe Auge des Kapitäns fehon in der Frühe des 5. Januar nad Tagesanbruh das einfam gelegene, vulfanifche Eiland wahrgenommen. Allmählih dämmerte es immer deutlicher bei vollftändig Flarem Himmel und ruhigem Seegang auf. Kurz nah 8 Uhr raffelten vor dem Kraterbeten die Anker nieder, und gefpannt auf das, was uns Öiefes, mitten im Indischen Ocean 5190 Seemeilen vom Kap der guten Hoffnung und von der auftralifchen Küfte entfernte Eiland bieten follte, vuderten wir in Booten demfelben zu. St. Paul hat feinen Hamen von feinem Geringeren als dem berühmten van Diemens erhalten, der am IC. Juli 1655 zwifchen ihm und dem nördlicher gelegenen Yeu-Almfterdam hindurh fuhr. Seit jener Heit it es von zahl- reichen Schiffen und mehreren Erpeditionen befucht worden; vor allem war es die öfter- reichifche Novara-Erpedition, die vom 19. Uovember bis zum 6. Dezember 1857 fich auf St. Paul behufs Dornahme aftronomifcher, magnetifcher und geologijcher Beobach- tungen aufbielt. Durch einen anziehenden, der Feder von KR. von Scherzer entjtammenden Bericht ift auch in weiteren Kreifen die Entdefungsgefhichte und die Natur diefes ein- famen Eilandes befannt geworden. Da wir nur wenige Stunden auf dem in den meijten geographifchen Handbüchern als Typus einer Kraterinfel dargeftellten St. Paul verweilten, darf es vielleicht entfchuldbar fein, wenn wir in unferer Darftellung uns fürzer fafjen. St. Paul gleicht im Grundriß einem Bufeifen, deijen Öffnung nach Nordoften gefehrt ift. Es befteht aus einem Dulfane, der bei einer Eruption teilweife zerjtört wurde. Etwa ein Drittel des Kegels ftürzte auf der Ditfeite ein bis auf einen Pleinen, als Yinepin-Rocd bezeichneten, fteil aufragenden Reft. Weit Flafft hier der impofante Krater, Das Kraterbefen von St. Paul. 297 deffen Grund von dem AMieere aus mit Wafjer gefüllt wurde. Don der Ditfeite gefehen, bietet fich die Infel als ein großartiges Almphi= theater dar, zu dem nur ein fchmaler Zugangs führt. Eine Barre verwehrt die Ein- & Q F € ER fahrt in das tiefe, = ftille Beden, das allfei- tig von Krater See iteil ab- fallenden, Dis zu 2 m auffteigenden Wänden umgeben wird. Willem de ie $laming fand die Barre bei feinem Befuh im Jahre 1697 noch nicht durchbrochen. Erit fpäterhin hat der Wogen- St. Paul. prall die Mitte derjelben Die Zahlen geben die Tiefe in Metern an. (Mach der englifchen Seefarte.) erodiert und einen leider für größere Schiffe unpaffierbaren HSugang gefchaffen. Die Erwartung, daß man den Dftindien- und Auftralienfahrern mitten in dem von fhweren Stürmen heimgefuchten füdlichen Indischen Ocean einen wunderbar gefhüsten Bafen fchaffen Fönne, wird wohl jchwerlich jemals in Erfüllung gehen. Denn ab- gefehen von den erheblichen Koften, welche ein durch Sprengen der Barre gejchaffener Zugang für große Schiffe bedingen würde, bietet das Kraterbeden nicht bei jedem Wetter Shut. YWamentlich follen nach dem Berichte der „Eure“, welche auf der von "mod 5 uapagaapayy un? Buvsuıp uag Ind pe Fischer. Franfreih in Befit genommenen nfel ein Proviantdepot errichtete, füdweltliche Windjtöge derartige Wirbel in dem trich- terförmigen Krater erzeugen, daß nur die ftärfften Ketten und Anfer Sicherheit gegen das Kosreißen bieten. Als wir uns der nfel näherten, wurde auf der nördlichen Stelle der Barre mit eimer franzöfifhen Flagge gewinft. Bald erfannten wir eine Anzahl von Atenfhen, die uns bei dem Landen mit der den Franzofen eigenen, liebenswür- digen Courtoifie begrüßten. Es war der Unternehmer Herrmann von Reunion mit feinen Sohne, der in Gemeinfchaft mit etwa 20 Sarbigen und Schwarzen den Fischfang dort betreibt. Ein Fifcher- fhoner mit zwet Mlaften lag im Innern des Kraterbefens in der Mähe der aus einfachen Steinhäufern errichteten Anftede- lung. Had) nahezu zwei Monaten trafen wir zum erftenmal wieder mit fremden Mtenfhen zufammen, die auch ihrerjeits nicht verfehlten, ihrer Freude darüber Ausdruf zu geben, daß in die Miono- tonie des Dafeins einige Abwechfelung, wenn auch nur für Stunden, Fam. Mir. Herrmann, dem man feine TO Jahre Faum anfab, erinnerte fich noch) fehr wohl der Heit, wo die „Bazelle” einen ganz Furzen Aufenthalt auf St. Paul nahm, und gab uns bereitwillig über alle Der- bältniffje Ausfunft. St. Paul ift ebenfo wie Amjterdam erftaunlich fifchreih. Hauptfächlich werden große, der Familie der Lirrhitiden zu- gehörige wohlfhmedfende Fifche (Chilo- dactylus fasciatus und Latris hecataia) Sifchreichtum. 299 erbeutet, welche eingefalzen und hauptjädh- ih nah Mauritius und Reunion vertrieben werden. Wir waren überrafht über die Sorgfalt und Sauberfeit, mit der hierbei verfahren wurde. Die Fifche waren durch- aus gerucllos, was wohl wefentlih dem Umjtande zu verdanfen ift, daß fie zwei Tage nach dem Einfalzen gepreßt werden, um alles fett auszutreiben. Dbwohl nad) der Angabe von Herrmann gerade zur Seit unferes Eintreffens die fchlechte Fifch- periode bei allerdings gutem Wetter ein- getreten war, fo gelang es doch der Mlann- fhaft, von Bord aus eine reiche Sahl ihmadfhafter fiihe zu pülfen. Innerhalb des Kraterbefens erbeuteten unfere Fischer in furzer Seit eine Schar präctiger Lan- guften, die allgemeinen Beifall wegen ihres wohlfchmedfenden Fleifches fanden. uch die Einfiedler auf St. Paul verfahen uns reichlich mit frifchen Fischen und Kanguften (Palinurus Lalandei) und nahmen dafür mit ftrahlendem Blif Ligarren, Tabaf und (Schmidt phot.) Pülfen von Sifchen vor St. Paul. Rotwein in Empfang. Man glaubte fih in die früheften Heiten des Taufchhandels verfeßt, wo die hergegebene Ware einen nur geringen, das Eingetaufchte dagegen einen um fo höheren Wert in den Augen des Empfängers bejitt. An dem Strande, und zwar fowohl am nördlihen Ende der Barre, wie auch etwa 5 Minuten davon entfernt am Kraterbefen, fommen als Zeugen der nie erlöjchenden vulfanifchen Thätigfeit heie Quellen zum Dorfchein, in denen die Bewohner ihre Fiiche und Krebfe Fohen. Auffällig war es uns, daß troß der hohen Temperatur grüne Algenrafen die Steine des heien Becfens bededten. Eine reiche Degetation von Florideen tritt überall an der Strandzone auf, während große Bänfe von Blafentang (Macrocystis) vor der Einfahrt in die Barre zu bemerfen find. Einen etwas melandholifhen Eindruf madht es, wenn man über die gewaltigen Rollblöke der Barre den Hütten fich nähert und auf eine Anzahl von Gräbern ftößt, deren Infchriften freilich zum Teil fhon verwifcht find. Eines derfeiben barg einen bei der franzöfifchen Denus-Erpedition verunglüdten Mlatrofen. licht minder deutet auch das Wradf einer englifchen Brigg vor der Barre darauf hin, daß die Annäherung bei ftürmifchem Wetter Feine gefahrlofe tft. Die Degetation von St. Paul zeigt im ganzen ein wenig charafteriftifhes Gepräge. Sträuchhe und Bäume fehlen vollftändig, und dafür find die Wände des Amphitheaters 00 Scenerie von St. Paul. bedeft mit hohen Grasbüfchen (Poa Novarae und Scirpus nodosus), welche bet dem Klettern einen willfommenen Halt gewähren. Swifchen ihnen fprießen Polfter von NMoofen und Kebermoofen, unter denen die Fosmopolitifch verbreitete Marchantia poly- morpha als alte Befannte auffällt. Gegen den Kraterrand zu treten dann noch einige farnfräuter, nämlich) Blechnum boreale, eine Bärlapp-Art (Lycopodium cernuum) und die auch auf den Kerguelen vegetierende Lomaria alpina, untermifht mit einer Anzahl phanerogamer Blütenpflanzen, auf. Don der Höhe genießt man eine Ausficht, die um fo pacdender wirft, als eine derartige Scenerie wohl Faun zum zweitenmal auf Erden wiederfehrt. Schroff und wuchtig fällt der amphitheatralifh geftaltete Krater gegen den fpiegelglatt in friedlicher Stille unter uns liegenden Kraterfee ab. Die Wände fhimmern grünlih von den hohen Grasbüfhen und laffen nur bier und da die regelmäßig abwechfelnden, grau und rötlich getönten Schichten von Afiche, Bafalt und Doleritlaven erfennen. Der Abfall ift fo fteil, daß man glaubt, mit emem Steinwurf das Derdef des Schoners oder die Dächer der vier Hütten treffen zu Fönnen, oberhalb deren ein armfeliger Friedhof Gräber umschließt, denen niemals trauernde Hinterbliebene eine pietätvolle Pflege angedeihen lafjen. Obwohl die See glatt ift, arbeitet doch die langgezogene Dünung unabläfftg an der einwärts gefhwungenen Barre und am vulfanifchen Geftein, die ganze Küfte mit weißem Gifcht umfäumend. Über die Kuppe des fenfrecht abfallenden Yinepin-Rof hinweg fchweift der Blif weit hinaus auf die fchter endlofe Wafferfläche des Indischen Dceans, und findet nur an dem fchmucden, verankerten Erpeditionsfhiffe einen Ruhepunft. Wer an diefen weltfernen Kraterwänden entlang Flettert, indem er öfter an den Srasbüfchen feften Halt zu gewinnen fucht, wird nicht wenig überrafcht fein, in halber Höhe des Steilabfalls viel- ftimmiges Gefchrei zu vernehmen und bei dem YHäherfom- men auf eine bunte Gefell- Ichaft von Pinguinen zu stoßen. Sie gleichen den Schopfpingui= nen der Kergu- elen in Färbung und Größe, und St. Paul, Ninepin=Rod. (Apstein pho.) Unterfcheiden fich von Eudyptes chrysolophus. Bon! St. Paul. Blid auf die Aniiedelung der Sifcher. Im Bintergrunde Anferplat der Daldivia, ihnen wefentlich nur durch die längeren goldgelben Federbüfchel am Kopfe. Bei ge- nauerem AZufehen bemerft man allerdings noch weitere Unterfchiede, unter denen mur einer hervorgehoben fein mag. Bet Eudyptes chrysocome von den Kerguelen bleibt der Mundwinfel und der Rand des Unterfchnabels als fleifchroter Streifen frei von Federn, während bei Eud. chrysolophus, wie man die auf St. Paul vorkommende Art benannte, die betreffende Partie befiedert ift. Auch in dem Benehmen weichen die Bewohner des Kraterbefens etwas ab, inden fie bet dem Schreien den Hals refen und mit gen Himmel gewandtem Schnabel jtändig den Kopf mit fchönem Federbufch fhütten. Während auf den Kerguelen die Weib- chen noch brüteten, fo waren hier unter einem wärmeren Himmel die Jungen bereits 302 Sebensweife der Schopfpinguine von St. Paul. ausgefhlüpft und hatten zum Teil fhon die Größe der Alten erreicht. In ihrem Dunen- Pleide fehen fie niedlich und fauber aus; der Bauch ift fchneeweiß, Rüfen und Floffen find jchieferblau gefärbt. Um jo drolliger nehmen fi jene aus, welche das Dunen- gefieder wechfeln: wie ein dicfer, wollener Pelz, der hier und da bereits abgefallen war, fitsen die Erftlingsfedern dem neufpriegenden, definitiven Gefieder auf. Da Taufende von Jungen gerade in der Mlaufer begriffen waren und den Eindruf erwecten, als ob fie mit von Motten zerfreffenen Theaterpelzen befleidet feien, fo wirbelte es in der Kuft von Federn, wie wenn ein Schneegeftöber eingefest hätte. Dft rannte die ganze Gefellihaft wie eine Herde einige Schritte vorwärts und geriet unter die benachbarten Pinguine, worauf unter unbefchreiblihem Gezeter, Schnabelhieben und Zaufen im Haden die ungebetenen Bäfte wieder herausgeworfen wurden; Andere wieder blieben zuthunlic jisen, und namentlich die Jungen liegen fi ohne Widerftand in die Hände nehmen. Die Hefter find äußerft Funftlos hergeftellt, indem ein Fleines Bündel Gras als Unterlage dient. Sie entwendeten es fic oft gegenfeitig, was freilich ftets einen Sturm der Entrüftung bei den Beraubten erregte, dem durch energifches Schüttelm der Feder- fhöpfe und gen Himmel entjendete Klagen Ausdruf gegeben wurde. Daß im übrigen der Geruch in einer jo umfänglichen Pinguin-Kolonie mit dem überall umherliegenden Unrat, den ausgefpieenen Schnäbeln von Tintenfifhen und fonftigen Speifereften nicht gerade ein aromtatifcher tft, mag nebenbei bemerft werden. Alan ift erftaunt über dte Mlühfeligfeit der Wanderung, der fich diefe Pinguine, bergab hüpfend, unterziehen. Deutlich laffen fih die im Kaufe der Jahrhunderte ge- bahnten Wege beobadten, auf denen fie aus diefer Höhe fih nach dem Mleeresitrande gegenüber dem Yinepin-RoF begeben, um dann mit der Beute im Kropfe das müh- felige Klettern nah aufwärts zu unternehmen. Da die Jungen außerordentlich fett waren, jo befommt man Achtung vor der Keiftungsfähigfeit der Alten, die ftändig bergauf, bergab in Bewegung find, um die Hahrung herbeizufchleppen. Bet dem Füttern, oder genauer gefagt „Kröpfen” der Jungen, ftehen fie weit auseinander, ftets bedacht, daß nicht etwa fremde Junge fi) zudrängen. Die Fifcher genießen weder die Eier noch das Fleifch der Pinguine, zumal da ihnen die verwilderten Kapins eine gefhäßte Nahrungsquelle bieten. Die Siegen, welche einft von der Movara-Erpedition ausgefest wurden, fcheinen fich ebenfowenig wie die durc) die Kaninchen ausgerotteten Gemüfearten gehalten zu haben. Denn auch der Dulfanfegel von St. Paul ein außerordentlih malerifcher Punft ift, der durch feinen geologifhen Aufbau nicht wenig feffelt, fo dürften doch diejenigen nicht zu beneiden fein, welche darauf angewiefen fmd, auf diefer nur drei Seemeilen breiten nfel ihr Dafein zu friften. Kein Baunı fpendet Schatten, Fein Bah raufht in an- mutigen fällen über dte Hänge. Schonungslos braufen im füdlichen Winter die Stürme Tieffeefauna bei St. Paul. 505 über diejes Eiland, im vulfanifhen Trichter fih verfangend und durch ihre Wirbel den Kraterfee aufwühlend. Tagelang fiten dann die Bewohner dumpf binbrütend in Steinhütten, denen die Windsbraut oft das Dah entführt, und es fehlt ihmen an allem, was die Mionotonie mildern möchte. Da der Kraterfee für größere Schiffe unzugänglic ift und die Befhaffung von Süßwafjer große Schwierigkeiten darbietet, wird St. Paul weder von Auftralien- noch von Dftindienfahrern angelaufen. Die Unter haltung der anfäfjisen Fifcher erhält nur dadurch einmal eine Ablenfung, daß in weiter Ferne ein Segel oder der Rauch eines Dampfers gefichtet wird, und wie KTichtpunfte im dem troftlofen Einerlei werden getreu mit allen Einzelheiten die Befuche von Erpeditions fchiffen im Gedäcdht- nis fejtgehalten. Wir lichteten um 2 Uhr nachmittags den Anker, dampften einige Seemeilen weit in öftlicher Richtung, um dann, nachdem das Kot eine Tiefe von 6C2 m ergeben hatte, einen Dredjch- zug zu wagen. Daß wir uns freilich auf einem gefährlichen Terraim befanden, lehrte der Miangel einer Brundprobe in der Kotröhre, welche offenbar auf SFelfen aufgefchlagen hatte. Bald zeigte denn auch der hohe Drud an dem Dynamometer, daß das eb feitge- fommen war. Wir vermochten es zwar abzubringen und auf- Korallen (Caryophyllia paradoxa) und Shwämme (Anconina und Erylus) 5) 1 aus 672 m bei St. Paul. (v. Lendenfeld phot.) 504 Unzugänglichfeit von Hen-Amjterdam. zuhieven, doch Fam es in Fläglihem Suftande an die Oberfläche: der halbe Rahmen fehlte, die am Ende des Hesbeutels angebrachten eifernen Dliven waren abgeriffen, und der Sad hing in Feen herunter. Troßdem hatten wir einen reichen und wert- vollen fang gemadt. Der Boden um St. Paul muß mit einem unterfeeifchen Walde von Korallen bedeckt fein, zu denen fih noch praditvolle Rinden-Korallen und Penna- tuliden aus der Gattung Anthoptilum gefellten. Ihr bläulich fchtmmernder Stamm war mit mildhweißen Polypen bedeet, deren Schlundrohr und Magenwülfte zart fleifchrot durchfchimmerten. Dies alles hing nebjt Hydroidpolypen, Beractinelliden, Brachio- poden, Würmern und den Korallenjtöden auffisenden zart fleifchroten Actinten im zer- festen Beutel. Hah den Mitterlungen von Marenzeller's erweifen fih unfere reichen Korallen- funde bei St. Paul und Heu-Amfterdam als befonders wertvoll für die Erkenntnis des Sufanmenhanges der atlantifchen und indischen Tieffee-fauna. Wir fanden an diefen einfamen nfeln die Solenosmilia variabilis, Desmophyllum crista galli, Lophohelia prolifera und Caryophyllia paradoxa in eimer ähnlichen Dergefellfhaftung wieder, wie die „Porcupine” und der „Challenger” im atlantifchen Gebiet. Die reizvolle Soleno- smilia variabilis, zuerft bet der zweiten Fahrt der „Porcupine” an der Küfte von Portugal erbeutet und fpäter von dem „Challenger“ bei Triftan 9’ Ucunba und bet den Prinz- Edwards-Infeln wiedergefunden, taucht bei St. Paul in Eremplaren auf, welche iden- tifch find mit den vom „nveftigator” bei Travancore geftfchten und mit Unrecht unter einem neuen Hamen befchriebenen. Nens QAlmfterdam. Wir liegen uns in der fternklaren Nacht bei ruhtgem Wetter treiben, da wir am näcften Mlorgen unferen Arbeiten vor Meu-Amfterdam nachgehen wollten, das bereits gegen Abend in feinem Dufte gefichtet wurde. Als wir ihm in der Frühe näher ge= fommen waren, hatten wir den feltenen Genuß, die Infel vollftändig frei von Wolfen zu fehen, während gleichzeitig das leer fpiegelglatt dalag. Heu-Amfterdam wird beherrfht von einem fanft auffteigenden, nur eine Fleine Kratermündung aufweifenden Dulfanfegel von etwa 920 m Höhe. Hahlveiche Fleine Eruptionsfegel, deren man bei der Annäherung von Hordoft nicht weniger als etwa acht zählt, Tafjen fich fchon aus der ferne erfennen, während außer der höchjten Spibe nur noch ein im MWeften der nfel gelegener Berg deutlicher fich abhebt. Alle früheren Befucher machten fchon die Erfahrung, daß fie außerordentlich Schwer zu= sänglich ift. Der ganze Süden und Weiten fällt mit einer durchfchnittlih SO m hohen fteilen Wand in das Meer ab, die im Dften und Yordojften niedriger wird und in mächtige, eine Landung vereitelnde Kavablöde übergeht. Hur im NHordoften ift der oa, h $, ASK ee 504 Unzugänglichkeit von Heu-Amjterdam. zuhieven, doc Fanı es in Fläalichem Zuftande an die Oberfläche: der halbe Rahmen fehlte, die am Ende des Nenkeniels angebrachten eifernen Dliven waren abgeriffen, und der Sad hing m Keen hermier Krosdem hatten wir eimen reichen und wert- vollen. fang armai. Der Hoden um St. Dam muß mit einem unterfeeifhen Walde von Korallon besedt jemm, zu denen fh moch prachtwolle Rinden=Korallen und Penna> tuliden aus der Gattung Anthoptilum gefjellien. ihr blaulih fohimmernder. Stamm war nit muildymeigen Polypen bededt, deren Schlundrohr und Magenwülfte zart fleifchrot Surdidrimmerten. Dies alles hing nebft Bydroibpolypen, Heractinelliden, Brachio- poden, Würmern und den Korallenftöden auffisenden zart Heifchroten Actinien im zer- festen Beutel. ah den Mitteilungen von Marenzeller's erweifen fi unfere reichen Korallen- funde bei St. Paul und Heu-Amiterdam als befonders wertvoll für die Erfenninis des Hufammenhanges der atlantifhen und indischen Tiefjee-fauna. Wir fanden an diefen einfamen infeln die Solenosmilia variabilis, Desmophyllum crista galli,. Lophohelia prolifera und Caryophyllia paradoxa in einer älmlichen Dergefellfhaftung wieder, wie die „Porcupine” und der „Challenger" im atlantifchen. Bebiet, Die reizvolle Soleno- smilia varialsilis, zuerft bet der zmeiten Fahrt der „Dorcupine" an der Bulle von Portugal erbeutet und fpäter von dem „Uhallenaer” bei Triftan d’Acunha und bit der Prinz Edwards-nfeln wiedergefunden, ‚lun‘ id =1, Dasl in Eremplaren ‚auf; weiche iden- ih ind minsbaduatns tl ans: si, anpeıid un, sun 6, tun, BilEt, mit Unvecht unter einem nleustigölaeundo esiqubnäl), sinolotninemig ots s6mwıarssro sm, Heu» Amfterdam. Mir liegen uns in der fternflaren Yacht bei ruhigem Wetter treiben, da wir am nächten Morgen unferen Arbeiten vor Neu-Amfterdam nachgehen wollten, das bereits gegen Abend in feinem Dufte gefichtet wurde. Als wir ihm in der Frühe näher ge- fommen waren, hatten wir den feltenen Genuß, die Infel vollkändig frei von Wolfen zu feben, während gleichzeitig das Meer fpiegelglatt dalay. UmUmfterdam wird beherrfcht von einem fanft aufllsigenden, nur eine Tleine Kratermündung aufweifenden Dulfanfegel von etwa MO m Höhe. HSahlreiche Fleine Eruptionstegel, deren man bei der Annäherung von Mordof nicht weniger als etwa ad zählt, laffen Ab ichon aus der ferne erfennen, während außer der höcften Spike nur nocy ein im Weiten der nfel gelegener Berg deutlicher fi abhebt. Alle früheren Befucher machten Icon die Erfahrung, dag fie außerordentlich jchwer zu- gänglich ift, Der ganze Süden md Weften fällt mit einer durchichnittlich 80 m hohen fteilen Wand in das Mieer al, die im Dften und Nordoften niedriger wird und in mädtige, eme Landung vereiieinde Tanabläde übergeht. ur im Yordoften ift der rar E > Pe en ee 5 mn Dr 2 we ER Sandıung auf eu -Amjterdam. 505 Neu=sAmjterdam. Anficht aus NNO. in % Seemeilen Abitand. Strand flaher und dort bietet er bei ruhigen Wetter die Mlöglichfeit, mit Booten zu landen. Hier hatte der Kommandant der „Eure“ im Januar 1895 einen Slaggitod errichten und zugleich ein Proviantdepot anlegen laffen. Hachdem wir etwa 4 See- meilen von der nfel entfernt in einer immerhin noch beträchtlichen Tiefe von 1465 m einen wenig ergebnisreichen Dredfhzug ausgeführt hatten, fuhren wir auf fie zu, um an der genannten Stelle einen Kandungsperfuch mit Booten zu machen. Selbjt nicht in direkter Nähe der Hordoftfüfte fanden wir bei vorfichtiger Anfteuerung troß der aus- Chun, £andungsftelle auf Neu=Amfterdam, Aus den Tiefen des Weltmeeres. (Schmidt phot.) gedehnten Bänfe des Blafentangs günftigen Anfergrund. Die Küjte tft, wie uns die Fifcher von St. Paul berichteten, befonders reich an wohl- ihmedenden Fischen und Kangujten, und diefem Umftande dürfte es wohl wefentlich zuzufchreiben fein, daß die ergiebigen Gründe von Walen häu- figer aufgefuht werden. Wir fahen mehrere derfelben oft in geringer Entfernung von dem Schiffe blafen. Schon von weitem waren uns zahlreiche [hwarze und rötliche Punfte aufgefallen, die über die Hänge zer- ftreut fih bewegten und zu um fo mannigfacheren Deutungen Anlaß gaben, als in feinem Neifeberichte 20 506 Jagd auf die Stiere. des Dorfommens von größeren Kandtieren Erwähnung gethan wird. Bei dem Mäher- fommen erfannten wir zu unferer Überraihung, daß es fih um Rinderherden handelte, die, von mächtigen Stieren bewadht, fowohl in der Hähe des Strandes, wie auch in den höheren Regionen weideten. Ein rotbrauner Bulle hatte neben dem Slagaftod Poften gefaßt, ftarrte den Dampfer an und peitfchte ab und zu mit dem Schweif die Flanken. Auf einen fo refpeftabelen Derteidiger der Trifolore gegen germanifhe Eindringlinge waren wir nun freilich nicht gefaßt. Unfere beiden beften Schüßen, der erfte Offizier und der Havigations- offizter, brannten darauf, den Stier anzugreifen. Da — wie vertraulich bemerft werden darf — niemand ihnen die Ehre des Dortritts ftreitig machte, fo wurde ein Boot herabgelafjen und die Landung glücklich bewerfitelligt. Gedekt durch Felsblöde, Fam zunäcft der erjte Offizier an den etwa IOO m landeinwärts ftehenden Stier heran und feuerte. Der Aufregung, welche der Schüsen nicht minder, als auch der Aufchauer auf dem Dampfer fich bemächtigt hatte, mag es zuzufchreiben fein, daß ein Dulfanfegel angefchoffen wurde und auch eine zweite Kugel fehl ging. Yun aber geftaltete fich die Sage Eritifh: mit gefenftem Kopfe ging der Stier zum Angriff auf feinen Gegner vor, machte aber auf einen dritten Schuß hin Halt, peitfchte die Flanken und trollte dann langfam den längft flüchtig gegangenen Kühen und Kälbern nad. Die Sorbeeren des Genofjen liegen den Napigattonsoffizier nicht ruhen. Er pürfchte fih, während die Mannfchaft unter dem Kommando des Fleifchers und im Glauben, daß der Stier verwundet fei, an Kand ging, an einen zweiten mächtigen, jchwarzen Bullen heran, den wir fchon feit faft einer Stunde beobadıtet hatten. Es gelang ihm, gedeckt durch einen felsblod, mit einem wohlgezielten Blattfhuß das gewaltige Tier niedersuftrefen. Während ein lautes Hurrah dem glüdlichen Schüßen dankte, Fam der Stier wieder in die Höhe, fchleuderte mit den Hörnern die Kavablöfe hoh auf und attacierte einen Mlatrofen, der fih zu rafch vorgewagt hatte. Es war ein Glüd, daß gerade noch im rechten Moment ein zweiter etwas hoch gegangener Schuß das Nücen- marf verlette und das Tier endgültig zu Fall bradite. Yun ging es an ein Funftgerehtes erlegen, und unverdroffen fchleppte die Niann- fchaft die zentnerfchweren Fleifchmaffen über das gefährliche Terrain an den Strand. Allgemeine Bewunderung erregte die Dede mit ihrer langen Schwanzquafte und dem zottigen Pelz, nicht minder der Schädel mit den Fräftigen Hörnern: eine ftolje Jagd- trophäe, die freilich der Kapitän mißtrauifch darauf prüfte, ob fie etwa einem vor den Pflug gefpannten Tiere angehört haben möchte. Wir hatten am nädjten Tage den jel- tenen und langentbehrten Genuß einer frifchen Fleifhbrühe, wenn auch verfichert werden darf, daß wohl niemals einer Hafmafchine durch zäheres Fleifch übler mitgefpielt wurde. Es tit nicht ausfindig zu machen, bet welcher Gelegenheit Rinder auf Heu-2lmfterdam ausgefest wurden. Der Kommandant der „Eure“, welcher 1895 auf der Infel Tandete Schwierige Wanderung. DOT und in feinem Berichte aller Hilfsmittel für Schiffbrühige Erwähnung thut, gedenkt der Rinder ebenfowenig wie frühere Befuher. Wenn man fie in der Abficht ausfebte, vorbeifommenden Schiffen die MöglichFeit der Derforgung mit frifchem Fleisch zu bieten, fo dürfte der Zwed Faum fich erreichen lafjen. Kühe und Kälber eilen mit fo erjtaun- liher Gefhwindigfeit über das fchwierige Terrain hinweg, daß ihnen der Mtenfch faum zu folgen vermag. für Sciffbrücige, welhe ohne Gewehre und Munition auf der einfamen nfel feiten Fuß zu faffen vermögen, find zudem die Stiere lebens- gefährlih. Wollte man den Ürmften unter den Armen frifches Fleifch bieten, fo wäre es befjfer gewefen, Kapins und Stegen auszufesen. Auch dürfte es fich empfehlen, in den Segelanweifungen nachdrüdlich zu bemerfen, daß man mit Reufen, die aus dem auf der nfel vorhandenen Material geflochten werden Fönnen, Sanguften im Über- fluß zu erbeuten vermag. ah dem Stiergefeht war die Bahn frei für eine eingehendere Befichtigung der Infel. Sie ift bedecft mit mächtigen, vulfanifhen Bomben, weldhe das Wandern zu einem auferordentlih mühfeligen und nicht ungefährlichen geftalten. Wie fchwierig das Dorwärtsfommen über die Infel fich geftaltet, mag folgendes Dorfommmis er- weifen. Am 24. Auguft 1855 fcheiterte das englifhe Schiff „Ateridian“ bei Heu- UAmjfterdam. Der Befasung gelang es mit Hilfe von Tauen, das fteile Ufer zu er- Elimmen. Wach fünf Tagen erfchien ein Schiff, der „Ntonmouth”, und bemerfte die Ffeuerfignale der an Land Befimdlichen, vermochte aber nicht wegen der fchweren Bran- dung zu Hilfe zu Fonmmen. Alan gab den Schiffbrühigen Seichen, daß fie fih von dem Südftrande nach der Mordoftfeite begeben möchten, wo Boote fie aufnehmen wür- den. Troßdem die Infel nur fünf Seemeilen breit ift, brauchten dte Unglüdlichen nicht weniger als jechs Tage, um, öfter von allen Qualen des Durjtes heimgefucht, über das Geröll und die Felsblöfe hinweg an den Drt zu gelangen, wo auch wir die Sandung bewerfitelligten. Überall gähnen fhwarze Löcher, in denen leicht der Fuß verfinft; man ift froh, wenn ab und zu ein glattes Bafaltbett ficheren Untergrund abgiebt. Häufig hängen die Ränder der bafaltifchen Defen über und bilden tiefe Grotten, welhe Schub gegen die Umbilden der Witterung gewähren. Die vulfaniihe Befchaffenheit der nfel ver- rät fich fchon von weitem durch fchwärzliche Eruptionsfegel, welche überall, fowohl in der Nähe des Strandes wie auch an den Flanken des Hauptfegels, auftreten. HSwei nicht weit von der Kandungsitelle oberhalb des Flaggjtods gelegene Eruptionsfrater bildeten das nächite Stiel unferer Wanderung. Sie bauen fih aus fhwärszlichen Bome- ben und Schlafen auf, find fehr regelmäßig geftaltet und fo wenig zerfest, daß fie offenbar auf neuere Ausbrüche hindeuten. Der vulfanifhen Sandfchaft wird der Eindruf ftarrer Ode und troftlofer Der- wüftung dadurch benommen, daß fie mit einer üppigen Grasvegetation, einem wahren 20* 808 Flora von Meu-Amfterdam. Srasmeere, bededt ift. Dor allen Dingen treten die auh auf St. Paul vorfonmenden Poa Novarae und Scirpus nodosus in mächtigen Büfchen von halber Manneshöhe auf. N Segen den Strand überwiegt das ftattlihe Tufjofgras, die Spartina arundinacea. SHwifchen den Gräfern fpriegen farne aus den Gattungen Nephrodium und Aspidium, nicht minder auch die auf den Kerguelen verbreitete Lomaria alpina. YWamentlich in den gefhüsten Höhlungen zwifchen dem vulfanifhen Beftein fanden wir wahre Pradt- eremplare von Nephrodium, defjen Wedel I'/; m Höhe erreichten. Am freudigiten be- grüßten wir es indejjen, daß auf Heu-Amjterdam uns zum erjtenmal wieder ein niedriger Baum begegnete, nämlich die Phylica nitida, welche auf dem einfan im Südatlantifshen Dcean gelegenen Triftan D’ Acunha tebft dem Tufjofgras wiederfehrt. Die Stänmchen ftehen bald verein- zelt, bald treten fie zu Fleinen Wäldchen zufammen. Wenn auh die Scenerie in mancher Hinfiht an = Öras- region des Kamerunpifs er- innerte, fo fiel es doch bald auf, daß mit bunten Blüten ausgeftattete Pflanzen volljtän- dig fehlen: ein Heichen für die Anpafjung an Windblütigfeit in diefen weltverlorenen, fturme durchbrauften Regionen. Fliegendes Waffer bemerf- ten wir nirgends in der Um- (Schmidt phot.) Blid von einem Eruptionsfrater auf den Gipfel. gebung. Frühere Reifende be- richten allerdings, daß es an folhem auf der Südfeite der Infel nicht fehlt; das Gedeihen der Rinderherden wäre denn auch unerflärlich, wenn im Sommer die Waffer- läufe verfiehen würden. Hmwifchen den mächtigen am Strande aufeinander getürmten Bafaltblöden niften Schopfpinguine, deren Junge wir übrigens auc weitab in der Grasregion be- er e finden reichliche Nahrung an den überall fi) anftedelnden marinen Organismen. Ir e Wajfferlahen zwifchen den Blöfen wachen zterlibe Büfche von Florideen und Korallinenalgen, zwifchen denen fich zahlreiche Fleine Krufter und Seeigel umbhertreiben. Die Anpaffung an die fchwere Brandung, die dort meift fteht, zeigte fi) namentlich bei einer Anzahl von Seefternen jehr auffällig dadurd, daß der pentagonale Körper EN aajpajstoydnap 19mE aqumadaagaoıT ul UDgAHLUNTENdIT Am Strande von Veu-mfterdam. 509 wie mit einer Saugfcheibe dem Felfen feit anfaß und oft nur mit einigem Kraftaufwand abgetrennt werden Fonnte. Der Dceanograph hatte inzwifhen das von der „Eure errichtete Depot, das an der Hand der durch den Flaggftot und die Infchrift-Tafel gegebenen Richtung leicht Degetation von Neu=Amfterdam. Büfche von Poa Novarae und Scirpus nodosus, Stämme von Phylica nitida. gefunden wurde, revidiert. Es ftellte fich heraus, daß dasfelbe inzwischen von Mtenfchen befucht worden war, infofern von den 15 durch die „Eure“ niedergelegten fäffern nur noch 8 voll und unberührt daftanden. 510 Im füdlihen Suftdrudmarimum. Hahden wir im ganzen vier Stunden auf der nfel verbraht und zulett noch unfere melandolifhen Betrachtungen über Schiffstrümmer, die hier angefjhwemmt worden waren, angeftellt hatten, lichteten wir nach 5 Uhr den Anker. Durch unadhtfames Umgehen mit Feuerzeug hatten einige trocdene Grasbüfche oberhalb des Kandungsplaßes Feuer gefaßt. Kangfam breitete fih der Sapannenbrand gegen den Wind aus, und fo hatten wir von Bord ein ähnliches Schaufpiel, wie es einft auch der Hovara- Erpeditton geboten wurde: ungeheure Rauchwolfen wurden aufgewirbelt, die von weiten den Eindruck erwecten, als ob ein vulfanifher Ausbruch ftattfinde. Yücht weit ab von dem Sande, m D0OO m Tiefe, verfuchten wir es mit einem zweiten Dredfchzuge. Die Fleine Dredfche enthielt fat ausfhlieglih vulfanifhe Kapillt, auf derien fih nur fpärliche Tiere angefeßt hatten. Der Serftreuungsfreis der vul- Fantfhen Auswürflinge um Heu-Amfterdam muß ein außerordentlich weiter jein, da wir noch am nächten Tage in einer Entfernung von I14 Seemeilen bei einem Dredich- suge in 2414 m Tiefe das Trawl mit centnerfhweren, bafaltifhen Bomben gefüllt fanden. Im füdlichen Indifchen Ocean. ah Derlaffen von Neu-Amfterdam wurde der Kurs etwas nordöftlih genommen, um in möglichite Entfernung von der Kotungslinie der „Egeria“ zu Fommen. Wir traten in die Region des Luftdrucmarimums ein, die uns denn bald auch einen Baro- meterftand von T75 mm bradte. Yacd den ftürmifchen Tagen, die wir bis zu unferer Ankunft vor St. Paul und Weu-Amfterdam durchlebt hatten, empfanden wir es als eine wahre Wohlthat, als die Sonne wieder ftändig vom blauen Himmel jchien. Freilih nahm auch gleichzeitig die Temperatur fo rafh zu, daß wir fon am 9. Januar 21,5° und aht Tage fpäter die Tropenfchwüle von 28° zu verzeichnen hatten. Man richtete bald wieder am Derdef die Dufhe ein, verlangte nicht mehr nach einem wärmenden Brog, holte Sonnenfegel aus und verbrachte den Abend auf dem Derdec, gefeffelt durch die Pracht des Sternenhimmels. Die Maghellanwolfen hoben fih deutlih rechts von der Milchftraße ab, das fternlofe Feld, der fogenannte Koblenfat, zwijhen jüdlihem Kreuz und der Milchftraße, trat fcharf hervor, und in nie gefehener Pracht ftrahlte der Drion. ch habe es mir nie erflären Fönnen, wie es eigentlih gefommen fein mag, daß man dem an und für fich fo unbedeutenden füdlihen Kreuz den Preis unter den füdlichen Stewmbildern erteilt; wie unfcheinbar nimmt es fich neben jenen aus, die zu fchauen auch dem auf der nördlichen Hemifphäre MWohnenden vergönnt it! Die Oberfläche des im ftromlofen Gebiete fpiegelglatten Meeres bededte fih fhon am d. Januar mit Tierformen, welche auch den fubantarftifhen Gewäffern vollftändig fehlen. Kleinere und größere Seeblafen oder Phyfalien wiegten fih anmutig auf der Derfammlung von Albatroffen. am Dberflähe, untermifcht mit blauen Delellen. Zu ihnen gefellten jich die Folontebildenden Radiolarien, Siphonophoren, Salpen und himmelblau gefärbte Krabben aus der Gattung Halicareinus, welche eifrig die Bordwände des ftillliegenden Schiffes abjuhten. Höchit eigentümlih nahm es fih aus, als wir am 6. und 7. Januar auf Hunderte von Albatroffen ftießen, die in langen Neihen auf der Oberfläche des Meeres jagen und erft aufflogen, wenn das Schiff ihnen allzu nahe Fam. Es gelang mir, vom Boote aus vier derfelben zu erlegen, die ji als Dertreter des gelbjchnabeligen Albatroß (Diomedea chlororhynchus) erwiefen: ein feingezeichneter Dogel, deffen Schwarze Flügel fih fcharf von dem weißen Körper abheben und defjen dunkler Schnabel in eine rötlich- gelbe Firfte ausläuft. Offenbar verfammeln fich die Dögel in fo dichten Shwärnten, um ihren Brutplägen zuzuftreben. Schauins- land fiel es gelegentlich feines Aufent- baltes auf der im pacififhen Ocean einfam gelegenen Infel Kayfan auf, daß die Albatrofie an ganz beftimmten Tagen in dich- ten Schwärmen anfamen und ihrem Brutgefhäft nachagin- gen. Sicherlich gaben fich un fere Gelbfchnäbler in diefem windftillen, ftromlofen Gebiet ein Rendez-vous, von dem aus jie ihre Reife unternehmen. Hacjhdem wir einmal diefe Albatro- Derfammlung pafjiert hatten, nahm frei- lihh das Dogelleben um das Schiff außer- ordentlich rafh ab. Die legten grauen Albatrofje A hatten wir bei St. Paul gefehen, den letten Majaqueus Dex gelbfajnäblige: lbatrog fchoffen wir am 7. Januar, und von da ab vermißten wir oft gar fehr das an- ziehende Treiben der füdlichen befhwingten Gefellfchaft. Während nad) dem Derlaffen von Meu-Amjterdam unfere Kotungen durchaus nicht, wie wir anfänglich erwartet hatten, eine allmählich zunehmende Tiefe ergaben, fondern ein ftarf gefaltetes Bodenrelief enthüllten, traten wir erft am Il. Januar unter dem 28. füdlihen Breitegrad und 92. öftlichen Kängegrad in eine Region ein, wo über 4000 m, bald auch über 5000 m Tiefe gelotet wurden. Gleichzeitig ergab es fi, daß der Mleeresboden aus jenem charafteriftifhen „roten Thon“ (red clay) gebildet wird, wie er für die großen Tiefen der Mieere wärmerer Klimate typifh ift. Das Lot fchlug oft tief im ihn em und förderte eine chofoladebraune, zähe Mafje an 312 Dr. Martin Bachmann. die Oberfläche, welche beim Trodfnen fehr feit wurde und etwas hellere farbe annahm. Sie bejtand bisweilen bis zu 94°, aus amorpher thoniger Subjtanz, in weldhe Fiih- zähne, wenige Kiefelorganismen (R jtüfe von Mineralien (Feldjpath, Quarz, Glimmer, vulfanifhes Glas und Eonftant Manganförner) eingefprengt waren. Da das Auftreten des roten Thones in diefen adtolarien und Shwammmnadeln) und Fleine Bruch- Regionen des Indischen Dceans bisher noch nicht erwiefen war, fo fei bemerkt, daf wir ihn dur etwa IO Breitegrade (bis in die Wähe der Kofos-Infel) nachzuweisen vermochten. Unter dem 27. Breitegrad feste der indische Südoft-Pafjat ein, der anfänglich nur fhwad, fpäterhin aber fo ftürmifh auftrat, daß wir mehrere Tage hindurh an der Dornahme feinerer Unterfuhungen gehindert wurden. Der rafche Übergang aus der Falten in die warme Region wurde zwar von den meiften AMtlitgliedern der Erpedition ohne Unbehagen hingenonmen, erwies fich aber verhängnisvoll für einen uns befonders teuer gewordenen Neifegefährten. Dr. Bad- mann, unfer Arzt, der noch auf St. Paul und Heu- Amfterdam einer der rüftigjten Kletterer war, wurde bei dem Eintritt in das warme Gebiet von einem fchweren, alten KZeiden, das mit heftiger Migräne verbunden war, befallen. Wir fahen ihn zum lestenmal nur flüchtig am Abend des 15. Januar. Als wir in der frühe des 14. feine Kabine öffnen liegen, lag der Benoffe als Leiche im Bett. In ihm verloren wir einen ungewöhnlich befähtgten ärztlihen Berater, der als früherer Afftftent an der medizinischen und hirurgifchen Klinik in Breslau das Gefamt- gebiet der medizinischen Wiffenfchaft beherrfchte. Aus reinem Enthuftasmus für wifjen- fhaftlihe Bethättgung gab Dr. Bahmann, der eimer angefehenen Xojftoder Pro- fefforenfamilie entjtammte, eine für einen jungen Arzt glänzende Praris auf, um feinen Idealen auf der Erpedition nachzugehen. Dor Abgang derfelben hatte er fich auc fpeztell in die bafteriologifchen Forfhungsmethoden eingearbeitet, und an der Hand der Natihläge von Flügge, Roh und FSifcher das bafteriologifhe Kaboratorium auf der „Daldivia” eingerichtet. Über feine Befähigung fpricht fih ein Fompetenter Beurteiler, Prof. fifcher, folgendermaßen aus: „In Bern Dr. Bahmann, der für die Erpedition als Arzt und Bafteriologe berufen war, hatte man einen ebenfo be- gabten wie ftrebfamen, im Flügge’fhen Injtitut .bafteriologifch vorzüglich gefchulten Forfcher gewonnen. Wie gut er fih auf feine Aufgabe vorbereitet hatte, und mit welcher Sorgfalt ex feine Ausrüftung für die bafteriologifche Forfhung betrieb, davon Fonnte ich mich perfönlih überzeugen, als er einige Wochen vor Beginn der Erpedition mic in Kiel befuchte, um mit mir das Unterfuchungsprogramm und die Ausrüftung zu befprehen. Die Unterfuhung des Meeresgrundes, fowie der tieferen Abfchnitte des Ateeres hatte er fih in erfter Linie zur Aufgabe gemadt; foweit als möglich follte aber auch das Derhalten der Bakterien an der Mieeresoberflähe, namentlich in den Dr. Martin Bachmann. 915 bisher nocd nicht darauf unterfuchten Gegenden des Atlantifchen Dceans, fowie im ISndifchen Dcean, für welchen überhaupt noch Feine Unterfuhungen vorlagen, berüc- fihtigt werden. Es war ihm nicht vergönnt, das Werf, welchem er bis zum lesten Augenblif feine ganze Kraft gewidmet hatte, zu vollenden.” Wir verdanfen Dr. Bahmann den wichtigen Nachweis, daß fowohl das Tiefen- wajjer, wie auch die Grundproben — felbit noh in großen Tiefen — Bakterien ent- halten. Als ihn fpäterhin die häufigen Malaria- Recidive der Erpeditionsmitglieder vielfach von feinen gewohnten Befchäftigungen ab- lenften, ftellte er es fich zur Aufgabe, die durch die Malariaparafiten beding- ten Deränderungen an den Blutför- perchen zu jtudteren, welche infofern von nterefje waren, als nad) un- ferer Abfahrt aus Kamerun die MiöglichFeit einer weiteren AMla- laria- Infektion ausgefchloffen er- fhien. Die Hingebung, mit der er die Patienten bei ihren Fieber- anfällen pflegte, indem er häufig die Nacht zum Tage machte, wird Feiner vergeifen, dem ein derar- tiger ärztlicher Berater zur Seite ftand. Es war ein fhwerer Schlag für uns, daß wir diefen talentvollen und bewährten Freund miffen muß- ten, doppelt fchwer, weil wir von nun an das unheimliche Gefühl nicht los wur- den, bei Erfranfungen und Unglüdsfällen, die fich denn auch thatfächlih bald nad) fei- nem Binfcheiden ereigneten, eines medtzinifch ge- Dr. Martin Bachmann. fcehulten Beraters zu entbehren. Tief erfchüttert er) übergaben wir am Sonntag den Id. Januar vor verfammelter Mannfchaft nad An- jprachen des Leiters und des Kapitäns den im die deutfche Flagge gehüllten und bejhwerten einfachen Sarg dem Imdifchen Dcean. Der Zufall hatte es gefügt, daf wir gerade an diefem Tage eine Tiefe von SYM m, die größte, welche wir überhaupt auf der Fahrt loteten, nacwiefen. So ruht er denn nun auf einem Grunde, der nie- mals entweiht werden wird, und defjen Nätfel zu entfchletern fein heißes Beftreben war. >14 Bei den Kofosinfeln. Der Südoft-Paffat, in deffen Gebiet wir etwa am II. Januar eintraten, wehte ungewöhnlih Fräftig und nötigte uns, auf das Fifhen mit den feineren Heben zu verzichten. Erft als wir am IC. Januar in die Mähe von Kofos- Jsland gelangten, entfchloffen wir uns, in Lee der Korallenriffe zu dreöfchen. Sie müffen außerordentlich fteil in die Tieffee abfallen, da wir nur zwei Meilen von der größten nfel, nämlich Roß- Island, entfernt die anfehnlihe Tiefe von 2154 m loteten. Während des Dredfch- zuges hatten wir alle Muße, den fremdartigen Eindruf auf uns wirfen zu laffen, den derartige Faum über den Wajferfpiegel fich erhebende, palmenumgürtete Koralleninfeln machen. Sudem Früpft fih aud gerade an diefe Infeln infofern ein befonderes biftorifches Intereffe, als fie es gewefen find, auf denen Darwin zwei Mlonate ver- weilte und den Grund zu jeinen Flafjischen Studien über dte Korallenriffe legte. Wir fahen deutlih das Wohnhaus von Roß, auf dem eine englifche Flagge aufgezogen wurde, Fonnten uns aber, als das Schleppnes ein recht Elägliches Refultat erzielte, nicht dazu entfchliegen, auf den Infeln längeren Aufenthalt zu nehmen. Bierzu trug freilich auch die Erwägung bei, daß wir fpäterhin auf den Alalediven und dem Chagos- Archipel hinreichend Gelegenheit finden würden, ein Korallenatoll Fennen zu lernen. ad) Derlaffen von Kofos-\sland änderte fich bald das Wetter. Die Temperatur ftieg Schon des Morgens auf 28°, der Himmel war bedeft und zeitweilig wurde das Schiff von Tropenregen geradezu über- fhwenmt. Wir waren in das Gebiet des von den Schiffen als Mlal- Pafjat bezeichneten Horöweit- monfun eingetreten, der denn auch vom 19. Januar an zum Durhbrucd gelangte. Bei den Kofosinfeln hatte die Grundprobe einen Blobigerinenfhlid,durd- fest mit Korallenfand, ergeben. Die Befchaffen- heit des Grundes änderte jich imdeifen rafch, als wir wieder größere Tiefen lo- teten. Am I9. Januar tra- fen wir in 5248 m Tiefe Ra- dtolarienfhlif an, welder nad dem Auswafchen dem überrafchten Auge das Bild von ungezählten, reizvollen Radiolarienfhlamm aus dem Indifchen Ocean, 5%. (Rübsaamen gez.) Tiefjter Dredfchzug in 5248 m. 915 Styracaster n. sp. aus 5248 m Tiefe. Natürliche Größe. Kiefelffeletten der Radtolarten darbot. Ein einziges mifroffopifches Präparat zeigte eine derartige Formenfülle, daß ein Beobachter wohl reichlich ein Jahr brauchen würde, um die verfchtedenen Sfelette zu zeichnen und zu ftudieren. Im übrigen bejtand die Probe zu 90%, aus Mineralien (Augit, Feldfpat, Glimmer), unter denen namentlich die zahl- reichen Bimsjteinfesen auffielen, welche des Krafatau herrühren dürften. An Kiefelorganismen enthielt fie 19%, und der Neft wie Philippi vermutet — von dem Ausbrud feste fich aus Foraminiferen (6%,) und amorpher thoniger Subftanz zufammen. Da auf dem roten Thon erfahrungsmäß äußerft wenige Organismen leben, fo wurde be- fchlofien, auf dem geeigneteren Nadtolariengrund einen Dredfhzug auszuführen, der denn auch der tieffte auf der Erpedition veranftaltete war. Es wurden COOO m Draht- Fabel ausgegeben, und nah 9 Stunden Fam nachmittags nad 5 Uhr das Yet wieder auf. Auf einen reichen Fang war von vornherein nicht zu rechnen, dafür aber bieten die Organismen, welhe in fo gewaltiger Tiefe unter einem Drudfe von mehr denn 900 Atmofphären leben, befonderes nterefie. Das Ueb enthielt einen der Gattung Styracaster zugehörigen Seeftern, mehrere violette Schalenftüde eines zerbrochenen, leben- den Seeigels, und außerdem 9 Polypen einer neuen Art aus der Gattung Cereanthus, welche in fußlangen, aus ftarf verfilster Mlaffe gebildeten, lederartigen Röhren jtecten; 916 Delagifche Tieffeefanna. dazu gefellte fich noch ein Fleiner Tieffee-Schwanm und Bruchftücde einer Seewalze. Alles in allem genommen zeigt demnach diefer Befund, daß immerhin aud in fo großen Tiefen noch eine relativ beträchtlihe Hahl von Organismen ihre Eriftenzberechtigung findet. Der Druf der MWafferfäule war fo ftarf, daß unfer Tieffee-Thermometer durch denfelben zertrümmert wurde. Erft amı nächften Tage vermochten wir nachzuweifen, daß in einer Tiefe von 4885 m eine Temperatur von +1,1° C. berrfcht. Eine fo niedrige Temperatur wäre nicht erflärlih, wenn nicht das antarftifche Falte Tiefen- wafjer langfanı feinen Weg bis in die Nähe des Sunda-Archhipels fände. Überrafcht waren wir auch über die reiche Sahl von flottierenden Tieffee-Drganis- men, die wir gerade in diefen Kegionen erbeuteten. Ein Dertifalneszug, welchen wir am 18. Januar bis zu 2500 m Tiefe ausführten, überfchüttete uns geradezu mit den feltenften Tiefjeeformen, unter denen nicht weniger als vier neue Arten der großen, blutroten Krebfe aus der Gattung Notostomus, eine blutrote Gnathophausia, fünf Dertreter des wunderlichen, durchfichtigen Amphipoden Thaumatops, drei neue Tinten- fiihe, von denen einer geftielte Augen befaß, und endlich weißliche Fifche mit teleffop- artig nach oben gerichteten Augen auffielen. Wenn man bedenkt, daß außerdem eine Fülle der prächtigen Tuscaroren, Würmer, Salpen, Flügelfchnefen, Medufen und Pleinerer Krufter in diefem einen Zuge enthalten war, fo läßt es fi Faum abfehen, welche Seit und Mühe dereinft darauf verwendet werden wird, um alle diefe Föftlichen, meijt neuen Formen zu zergliedern und zu befchreiben. | KIOIOOOOOOOER XV. Sumatra. a: wir am Abend des 20. Januar zum erftenmal feit mehr denn zwei Monaten das Kicht eines Dampfers fichteten, wurde man belehrt, daß wir wieder in Ge- biete gelangten, welche weniger vereinfamt find, als die bisher befahrenen. Die rafcı abnehmende Meerestiefe deutete die Annäherung an Sumatra an, das denn auch am Morgen des 2]. Januar in Sicht Fam. Wie einft bei der Anfteuerung von Viftoria, fo war auch hier der Himmel mit fchweren Regenwolfen verhängt, welche Fräftige Regenböen entjendeten. Doch Flarte es bald auf und bei dem Dorbeifahren an der füslichften jener Infeln, welche der Weftfüfte vorgelagert find, nämlih Triefte, grüßten in feinem Duft die hohen Kegel des Barifangebirges. Der Seegang beruhigte fich, und wir traten in ein durch Sumatra und die ihm vorgelagerte nfelreihe abgegrenztes Beden ein, das fpäter nicht nur durch den Neichtum feiner unterfeeifhen Schäße, fondern aud duch feine eigenartigen Temperaturverhältniffe in befonderem Maße unfer Intereffe erregen follte. In der Haht zum 22. Januar gingen fo fchwere Regenmaffen nieder, daß das Wafjer eindrang und unferen Salon durchweichte. Gleich- zeitig wurde bei ftürmifchen Hordweft-Mlonfun die Luft fo unfichtig, daß in der Hacht Signale mit der Dampfpfeife gegeben werden mußten. Gegen Nlorgen Flarte es auf und nun bot fih eine Scenerie dar, an der man mit faft trunfenem Blick haftete. In dret bis vier Etagen baut fih das Hochland von Sumatra auf, überragt von in violettem Dufte fchimmernden Dulfanfegeln. Die Thäler waren durch Wolfen- fchleier verhängt, welche den gewaltigen Urwald in ftändige Feuchtigfeit baden. Eine Aienge Fleiner Koralleninfeln und Korallenriffe, welche die Schiffahrt in der Mähe des Sandes zu einer recht gefahrvollen geftalten, ift dem Feftlande vorgelagert. Sie alle find, wie das Dorland, dicht bewaldet und an ihrem Saume mit Palmen umgürtet, welhe ihre Wipfel nach dem Meere neigen. Man wird nicht müde, diefe Föftlichen, bald niedrigen, bald zu domförmigen Kuppen fich erhebenden nfelhen zu muftern, die nach dem treffenden Dergleiche eines Forfchungsreifenden wie [hwimmende Blumen- Förbe fich ausnehmen. Das Kand fcheint längs des füdlichen Abfalls der Barifanfette nicht dicht bevölkert, und erjt bei der Annäherung an Padang bemerft man deutlichere Spuren menfchlicher Thätigfeit. 918 Der Emmahafen. Nachmittags um 9 Uhr am Sonntag den 22. Januar gingen wir in dem anmutigen Emmahafen der Koninginne-Bat vor Anfer. Die Hafenanlagen wurden exit IS92 be- endet und dem Derfehr übergeben. An Stelle der offenen Reede vor Padang bei dem in das Meer vorfpringenden Affenberg bieten fie trefflihen Schuß und alle Bequemlich- Feiten für rafches Löfchen der Kadung. Dur die Bahnverbindung mit Padang und den Kohlenfeldern der Hochlande giebt zudem der Emmahafen den natürlichen Aus- sangspunft für ein fo reiches Hinterland ab, daß der Auffhwung des transoceanifchen Dampferverfehrs nicht ausblieb. Seit dem Beginn des Sommers IIOO Taufen dte Dampfer der Deutfh-Auftralifhen Dampfihiffahrtsgefellihaft auf der Rücdfahrt nah Deutfhland monatlih einmal Padang an und Fonfurrieren mit den holländischen Dampfergefell- fchaften, welche bisher allein den Derfehr mit Wejt-Su= matra vermit- ] telten. Wir haben aht Tage in -dem ftillen und iöyllifchen Ent- mahafen vor Anfer gelegen und ihn mit feiner maleri- fchen Umrah- mung fajt lieb in AM. 5. „Bufjard“ im Emmahafen Salut jchießend, gewonnen, ob- wohl bei der gefhüsten Sage die Temperatur manchmal unerträglich wurde. Die Königin-Bat, deren nordweftliche Efe zum Hafen umgewandelt wurde, wird in weitem Halbfreis von bis zum Strande bewaldeten Höhenzügen umgeben. Sie tragen den Charakter einer alten Kraterunwallung und bieten Schuß gegen öftliche, nördliche und nordweitliche Winde. Eim SYS m langer neu aufgeführter Damm geht von dent Hordweititrande der Bat aus und dient als Wellenbrecher gegen den füd- wejtlihen und füdlihen Seegang. Bet der Fundamentierung für die Quaimauern, das Stationsgebäude und die großen, für Aufnahme der Umbilien-Kohlen bejtimmten Speicher ftieß man infofern auf erhebliche Schwierigkeiten, als die im Hordwejten den Untergrund bildende Korallenbanf gegen alle Dorausfegung nur die geringe Mlächtigfeit Tropenabend in Padang. 519 von 4-8 m aufwies und einen muddigen Grunde auflag. Alan war daher darauf angewiefen, alle Bauten fo leicht wie möglich geftalten und durch finnreihe Konftruf- tionen für die nötige Stabilität Sorge zu tragen. Kebende Korallenftöcde, zwifchen denen ein ganzes Heer von dunklen Seeigeln, See- jternen und Holothurien fich umhertreibt, haben jih überall auf dem Boden angejtedelt. In gefchüsten Buchten bilden fie unterfeeifche Gärten und Grotten, deren farbenpradht auch die glühendfte Phantafte in Worten nicht wiederzugeben vermödte. Hachdem die üblichen Förmlichfeiten erledigt waren, das Schiff veranfert und achtern an einer Boje vertäuf lag, nubtte ich mit dem Derwalter noch den Ilesten Abendzug nad Padang aus, um, wenn möglich, die von Allen erfehnten Nachrichten aus der Heimat durch Dermittlung des Konfulats zu erhalten und telesraphifh die Nückehr der „Daldivta" aus dem antarftifhen Meere zu melden. In dem ftieben Kilometer von dem Emmahafen entfernten Padang trafen wir auf unfern Ronful, Herin Schild, dem bereits die Ankunft der „Daldivia” gemeldet worden war, holten drei fchwere Sädfe voll Brieffchaften ab, und leifteten dann der liebens- würdigen Einladung zum Abendmahl in feinem Haufe Folge. Kängft war die Nacht hereingebrochen, und man Fam fih faft wie in ein Mlärchenland verfest vor, deifen Sauber nicht nur der Konful, fondern auch alle anderen feit langer Seit anfäfjigen Sandsleute mit beredten Worten fchilderten. Als wir dann in der Tropennacht, von einem malayifchen Kutfcher geleitet, durch die dichten Palmen- und Bambusgebüfche bei blendendem Miondfhein nah dem Hafen fuhren, vorbei an den laufchigen, im Gebüfch verftekten Bambushütten der Eingeborenen, umfhwärmt von zahlreichen, posphorescierenden Glühwürmchen, da wirfte dies alles auf die durch lange fahrt be- fcheiden Gewordenen fo ein, daß man fi manchmal fragte, ob es Wirflichfeit oder ein Traum aus IVO Yacht fei. Obwohl wir fpät an Bord Famen, waren doch alle Genofjen noch bei der Hand, um mit Jubel die langerfehnten Nachrichten in Empfang zu nehmen. Der nächte Tag galt den Befuchen bei den holländifchen Behörden, dte fowohl durch den Generalgouverneur von Batavia aus, wie auch durch den abwejenden Houperneur von Sumatras Weftfüfte angewiefen waren, uns mit Rat und That zur Seite zu ftehen. Es hätte defjen freilich nicht erjt bedurft: wir wurden ohnehin fo warn auf- genommen, daß fi rafh ein Gefühl fiheren Behagens einftellte. — In erjter Linie handelte es fi darum, einen Arzt zu gewinnen, der vielleicht geneigt wäre, uns auf der weiteren fahrt zu begleiten. ch war nicht wenig erfreut, als Chef des holländischen Sanitätswefens auf Sumatra einen Schlefter, Oberft Kuhnert, anzutreffen. Er tele- graphierte jofort nad) Batavia, um einen foeben beurlaubten holländischen Militärarzt zur Teilnahme an der Expedition zu bewegen; leider war derfelbe am Tage vor unferer 320 Bevölferung. Handelsquartier. Ankunft abgereift. Wir mußten uns in das Unvermeidliche fügen und uns mit dem Gedanken vertraut machen, daß es erft in Leylon gelingen würde, einen Erjas für Dr. Bahmann zu erhalten. Padang. Padang weilt durchaus den typifchen Charakter einer faft endlos ausgedehnten Tropenftadt auf: breite, vorzüglich gehaltene Fahrwege Ödurchfreuzen es nah allen Richtungen, und wenn fie auch bisweilen eine lange Perfpeftive geftatten, fo verliert fih doch alles in Einzelheiten, die um fo mehr feifen, je unvermittelter man ihnen gegemübertritt. Immerhin fällt es nicht fhwer, in der von einem buntjchedigen Dölfer- gemifch bewohnten Stadt jene Diertel herauszufinden, welche teils durch die natürlichen Sufuhrwege für den Handel, teils durch die nationalen Eigentümlichfeiten ihrer Be- wohner ein bejonderes Gepräge erhalten. Padang zählt nah den mir durch Konful Schild zur Derfügung geftellten neueren Ermittelungen etwa 55000 Einwohner. Sie verteilen fi der Nationalität nah auf 1900 Europäer (das Militär und die Indo-Europäer eingefchloffen), 206000 ein- geborene Malayen, 4000 Ihinefen, IOOO Araber und Inder. Der Net entfällt auf Eingeborene der Infel Nias, welche als fleißige Kulis, Simmerleute und Gärtner von den Europäern den Malayen vorgezogen werden. Das Centrum für den Handel liegt amı rechten Ufer des Padangfluffes. Hier trifft man auf die Kontore und Kagerräume für die Großhandlungshäufer, auf die Konfulate, die verfchiedenen Bureaus der Re- gterung und auf die umfänglihen Bouvernements-Kaffee-Kagerhäufer. Den natür- lihen Zugang zu dem Gefchäftspiertel giebt der Padangfluß ab, der von feiner Nlün- dung an etwa l'/,; Kilometer ftromaufwärts für die malayifchen Küftenfegler fahrbar ift. Um die malerifchen Prau's, welche zu beiden Seiten des Flufjes dichtgedrängt verankert liegen, entwickelt fich jtets ein buntes Treiben; gefhäftig werden die Produfte des Küften- landes und der vorgelagerten Infeln, wie Hölzer, aus den Rotangpalmen gefertigtes Stuhl- rohr, Harze, Copra, Kofosnüffe, Reis, Früchte und Geflügel durch Kulis ausgeladen. An das Handelsquartier fchließt fich das chinefiiche Diertel an, das, wie überall, fo auch hier die nationalen Eigentümlichfeiten der langbezopften Infaffen wiederfpiegelt. Dor ihren aus Stein errichteten und wegen den häufigen Erdbeben nur einftöcig gehaltenen Häufern breiten die chinefifhen Händler in gefchmadvoller Anordnung heimische und europätfche Artifel aus. Ich Fann nur lobend erwähnen, daß überall, wo wir Einfäufe in chimefischen Gefhäften machten, die Bedienung eine reelle war, und die Fuporfommenbeit der Chinefen nichts zu wünfchen übrig ließ. Sie werden denn auch, wie man mir verficherte, im allgemeinen nicht als unliebfame Eindringlinge betrachtet, in deren Bänden zudem eine Anzahl der bedeutendften Gefchäfte (die Der- proviantierung der „Daldivta” hatte gleichfalls ein Chinefe übernommen) fich befindet. Das hinefifhe Diertel. 521 In Begleitung des Konfuls machte ich eines Abends dem angejehenften Dertreter der chineftfchen Kolonie einen Befuh. Er war der fchönfte und intelligentefte Chinefe, den ich je gefehen habe. Mlit vollendeter Kitterlichfeit machte er die Honneurs des Haufes, war ftol; darüber, daß wir an den Foftbaren, vergoldeten Möbeln Gefchmad fanden, und zeigte uns mit befonderem Wohlgefallen fein prachtvoll gefchnißtes Himmelbett. Yücht minder reich ift der Schmud in dem chinefifchen Tempel, in welhem man den Fremdling mit großer Suvorfommenheit aufnimmt und durch eine Tafje delifaten, von einem Priefter gereichten Thee erquidt. An dem Altar waren in den eindring- lichften Abbildungen einerfeits die Qualen der Hölle, andererfeits die Freuden des Daradiefes dargeftellt: die erfteren unterfcheiden fih nur wenig von den abjchredenden chriftlichen Darftellungen, wie fie deutfhe Maler in der Seit vor Kranad) lieferten; die letteren fefjeln dagegen oft durch finnige Auffaffung. Gern wandte ich den Blick von den dargeftellten Graufamfeiten ab zu jenem Bildchen, wo ein holdes Mlägdelein einem Lhinefen im Paradiefe den höchjten Dienft Ieijtet, indem es ihm mit einem Fächer die Mosquitos wegwedelt. eben angenehmen Eindrüden bleiben freilih aucd die minder anziehenden dem Fremdling in dem chinefischen Kampong nicht erfpart. Staub und Ausdünftungen — leßtere zumal auf dem fleißig von den Söhnen des himmlischen Reiches befuchten Fiich- und Gemüfemarft — geftalten den Aufenthalt zu einem nicht gerade aromatifchen, und die Derfaufsläden von Opium, neben denen dasfelbe geraucht wird, eröffnen den Ein- blif in die fchlimmiten Kafterhöhlen der Menschheit. Ich werde den widrigen Ein- druck diefer verftecft gelegenen Opiumhöhlen, die ich eines Abends in ficherer Begleitung auffuchte, jo bald nicht vergefjen. Don dem chinefifchen Diertel führt eine breite Straße längs der Werfftätten der hinefifhen Möbelmacher, der europätfchen Drudereien und einiger Kadengefchäfte nad) dem europätfchen Stadtteil. Er trägt den Charakter einer weit ausgedehnten und wohl- gepflegten Parflandfchaft. Breite, gutgehaltene Chauffeen durcfreuzen ihn, auf beiden Seiten von Kofospalmen, tropifhen Baumgruppen und den einzelnftehenden Wohn- häufern umfäumt. Der praftifhe Sinn des Holländers bethätigt fih auch in der den tropifhen Derhältniffen Rechnung tragenden Bauart der Häufer. Sie find faft durch- weg aus Holzwerf errichtet, ftehen einen Mieter hoch über dem Boden auf einge- rammten Pfählen und haben ein mit den Blättern der Atap-Palme gededtes Dad). Da die Luft unter diefen Pfahlbauten frei hindurchftreicht, bleiben die Wohnräume troß des feuchten Küftenflimas und der häufigen Tropenregen trofen und doch auch wieder verhältnismäßig fühl. Swet breit ausladende Deranden umfäumen die Dorder- und Hinterfront; die vordere dient als Empfangsrauns, in den nach Sonnenuntergang von 7— 8 Uhr die Befuche abgeftattet werden; die hintere benust man mit Dorliebe als Speiferaum. Hinter dem Haufe, gegen den weiten und fchattigen Garten zu, liegt ftets ein Thun, Xus den Tiefen des Weltmeeres. Zweite Auflage, Mi 822 Der enropäifche Stadtteil. fleiner Kompler von BaulichFfeiten für die Dienerfchaft, die Küche und der unentbehrliche Baderaum. Eine Lifterne enthält das Fühle Waifer, mit dem man fich des Morgens und Abends aus Schöpfeimern begießt. In den Wohnräumen fchaltet, umgeben von einer faft allzu zahlreichen Dienerfhaft, die Dame des Haufes, die Nonja, in ihrer Eleidfamen, dem Sande angepaßten malayifhen Tradt. Ver dem gefalteten Sarong wird eine fein- gejtickte, weiße Jade getragen, und die bloßen Füße fteen in zierlichen Holzpantöffelchen. Hur bei Ausgängen vertaufhen die Damen die heimische Tracht mit der europäifchen. Im Centrum des europätfhen Stadtteils wurden umfängliche freie Pläße angelegt, die mit ihren Rafenflächen und anmutigen Ausbliken nad den bewaldeten Höhen einen a ee En Michielsplein, Padang. (Nieuwenhuis phot.) friedlichen und ftillen Eimdruf machen. Sie werden umfäumt von Klubhäufern, treff- lih gehaltenen Hotels, dem Gouvernementsgebäude, dem Gerichtshof und dent em eigenes Stadtviertel bildenden Milttärhofpital. Auf dem größten Plate, dem Michiels- plein, erhebt fich ein gotifhes Monument zur Erinnerung an den im hinterindifchen Archipel hob in Ehren ftehenden General Michiels, den Eroberer der Bovenlande und der Infel Balt. Der endlih fern von dem Getriebe der Stadt fich ergehen will, findet auf dem Apenberg und den an ihn fih anlelmenden Höhen laufhige Spazierwege, auf denen er die gefchonten und dreift gewordenen Lercopithefen mit Bananen füttern und fich ab und zu an den malerischen Durchbliken erfreuen mag. Dem pafftonierten Jäger bietet Der Pafar von Padang. 325 [7 fich die Gelegenheit, nahe der Stadt in den fumpfigen, mit Bambus, Yipa-Palmen und Pandanus beftandenen Dieichten mannigfaltige Dögel und MWildihweine (Sus vittatus) zu erjagen. Wer das malerifche Durcheinander der verfchiedenartigen in Padang anfäffigen Dölfertypen genießen will, der verfäume nicht, an einem Marfttage den Pafar (Marft) zu befuchen. Es ift ein großer, mit zahllofen, in regelmäßigen Reihen ftehenden Buden bedefter Plab, an deffen Peripherie fich die Hunft der Gold- und Silberfchmiede an- gefiedelt hat. Ihre Siligranarbeiten haben wir namentlih noh in den Hochlanden Wohnhaus des deutjchen Conjuls J. Schild auf dem Pafar von Fort de Kof zu bewundern Gelegenheit gefunden. Don allen Seiten Fommen fchon in der Frühe die von dem fumatranifchen Büffel, dem Karbau, gezogenen Wagen herbei, die zu einem faft undurhdringlihen Wagenparf zufammen- geftaut werden. Eifrig ift man damit befhäftigt, die auf ihnen aufgeftapelten Schäße auszuladen und fie gefhmadfvoll bald auf der Erde, bald in den Buden auszubreiten. In langen Reihen liegen da die verfchiedenen Gemüfearten neben den Föftlichen Tropenfrüchten, welche das Padang’fche Miederland erzeugt. Bananen, Ananas, Citronen, Drangen, die gelben Früchte der Mlangas (Mangifera indica) und der Melonenbäume (Carica papaya) werden neben den durchaus auf das hinterindifche Gebiet befchränften Utangoftanen (Garcinia mangostana) aufgefhichtet. Gefhmaf, Aroma und Farbe 2i* 524 Kleimhandel auf dem Pafar. vereinigen fih, um den Mangoftan mit feiner dunfelroten Schale, die fechs bis act fchneeweiße, einen Kern einfchliegende und zu einer NRofette angeordnete Früchte umhüllt, zu einer der Föftlichften Gaben aus Pomonas Füllhorn zu geftalten. Daneben liegen in mächtigen Haufen die dur ihren Geruch fich verratenden faft Fopfgroßen Durian (Durio Zibethinus). Über Faum eine Frucht geht das Urteil weiter auseinander: während die Einen, fo 3.B. Wallace, fte als das Köftlichjte rühmen, was der hinterindifche Archipel erzeugt, und den rahmartigen, von einer derben, grünlih-grauen, in fpisen Warzen vorfpringenden Schale umfchloffenen Jnhalt jeder anderen Frucht vorziehen, Fönmen die Anderen fih nur fchwer entjchliegen, den Abjcheu zu überwinden, welchen der an faule Eier erinmernde Geruch erwelt. Er haftet zudem noch fo lange demjenigen an, der die Frucht genießt, daß für die Bahnhöfe und die von den Malayen benusten Waggons der fatale Durian-Beruc geradezu typifch ift. Ich felbjt vermag Fein Urteil zu fällen, da ich nur zu fehr von der Auffaffung befangen war, daß Aroma und Schmad- haftigfeit bei Früchten untrennbar miteinander verbunden fein follten. Daneben fallen fpanifcher Pfeffer, die Ianggeftredten Knollen der Bataten, und die dem Betelfauen dienenden NMüffe der Pinangpalme (Areca Catechu) dem Befucher auf. Dem Betel- oder Sirth-Kauen huldigt die malayifhe Bepölferung mit Keidenfchaft. Man hüllt ein Stüf der Muß nebft gebranntem Ralf in das Blatt des Betelpfeffers (Piper betel) und empfindet es nicht als widerwärtig, daß der Speichel rot, die Hähne Schwarz fi färben. Salzbändler haben ihre Stände neben dem Fifh- und Fleifchmarft errichtet, der in den Tropen fich ftets von weiten dem Geruchsjinn aufdringlih bemerfbar madt. Daß neben dem SFleifhmarfte fliegende Küchen errichtet find, an denen die Ein- geborenen den Reis mit Händen effen, liegt in der Natur der Sache. Befonders anztehend find die lan- gen Stände, in denen die oft mit Fünftlerifchem Gefhmad hergeitellten FSlehtwaren zu billigen Preifen aus- geboten werden. ch Fonnte der Der- fuhung nicht widerjtehen, mich mit Hüten, Korbwaren und mit den reiz- vollen Fleinen Dogelbauern zu bela- den, in denen der vogelliebende Ma- laye feine Tauben oder den von ihm hohseihästen, die Klangfarbe der menfchlihen Sprade täufchend nadı- ahmende Beo (Eulabes religiosa) über Sand mit fih trägst. Su Schwarzen Bündeln aufgeftapelt liest das vor= Karbau ($ort de Kod). (Schmidt phot.) Einheimifche Induftrie. 325 züglih haltbare Tauwerf, welches aus der Juderpalme (Arenga saccha- rifera) hergeftellt wird; es find dunkle Safern, von den Malayen Jdju ge- nannt, welche zwifchen den unteren Blattfcheiden und dem Stamme fich finden und in den Hochlanden wegen ihrer MWiderftandsfähigfeit mit Dor- liebe auch zum Deden der Dächer be- nust werden. Bei der allgemein verbreiteten Seidenfchaft des Rauchens trifft man auf zahlreiche Stände mit Tigaretten- tabaf, der in Blätter der Mipa-Palme eingefhlagen wird. Hamentlih in REN den Hochlanden fällt es nicht jywer, Büffelwagen. (Schmidt phot.) fih für einen überrafchend geringen Preis mit trefflichem Cigarrettentabaf zu verjehen. Auch die Produkte der in den Urwäldern wild wachjenden Bäume, fo der Kampher, das Benzoe-Barz und aus Isonandra gutta gewonnenes Guttapercha, liegen zum Der- faufe aus. Durch Dermittelung des Konfuls erhielt ich aus Guttapercha gearbeitet Reitpeitfchen, welche nur in einem Drte des mmeren von dem Dorfhäuptling, dem Panghulu Kapala Lago, erzeugt werden. Die Peitfchen, welche den Stempel des Der- fertigers tragen, haben wegen ihrer gefhmadvollen Herftellung aus gewellten braunen und weißen Sagen gar manchmal die Bewunderung von Kennern erregt. Der Pafar erhält dadurch noch fein befonderes Gepräge, daß emmerfeits die nie fehlenden betriebfamen Chinefen ihre heimifhen Waren ausjtellen, andererjeits ein- heimifche Trödler europäifchen Tand der fhauluftigen Menge anpreifen. Es war mir angenehm, zu bemerfen, daß darunter auch gediegeneres Material, jo vor allen Dingen an Solinger Eifenwaren, fich befindet. Sie feffelm nicht minder die Aufmerf- famfeit der fie prüfend umftehenden Mlalayen, als die elegant gearbeiteten Erzeugniffe heimifcher Schmiede in Geftalt von Kris und Dolchen. Heben den importierten Kattun- waren in oft fehretenden Muftern find es namentlich die einheimifchen Sarongs, die dem Befucher wegen ihrer oft gefehmadvollen Muster und dauerhaften Webung in das Auge fallen. Allerdings wird man auf einem Pafar wohl fchwerlich jene Fojtbaren, aus Seide gefertigten und mit Bolditickereten durchwebten Sarongs und Kopftücher zu Beficht befommen, die im allgemeinen nur bei feftlichen Gelegenheiten getragen werden. Wer fih nicht davor fcheut, auf dem Pafar alle die Unannehmlichkeiten, welche durch die Hitse, den Geruch der zufammengedrängten Karbau, des Durtan, der faulen 526 Einfuhr und Ausfuhr. Sifihe und durch das GBewoge einer buntjchefigen Dölfergefellfhaft bedingt werden, mit in Kauf zu nehmen, wird nirgends anziehendere Bilder und anregendere Gelegen- heit zum Studium des Dolfes geboten befommen. Um indefjen über den Kleinhandel au den Großhandel nicht zu vergeffen, fo fei erwähnt, daß Padang in langfamem aber ftetigem Auffhwung fih zu dem erften Handelsplat Sumatras entwidelt. Im Jahre ISIS belief fih der Wert der Einfuhr auf CIOOOOO Holl. Gulden, der Ausfuhr auf 5200000 &ulden. Die wichtigften Ausfuhrartifel find Kaffee, Copra, Musfatnüffe, Nlusfatblüte, Guttaperha, Kaut- fhuf, Häute, Simt und Stuhlrohr aus Rotang-Palmen. Falls die deutfche Imduftrie es verfteht, fih dem Gefhmade der Bevölferung eines reihen und aufnahmefähigen Hinterlandes anzupaffen, fo eröffnet fih ihr in den Padang’fhen Kanden ein lohnendes Abfaßgebict. ach Padang-Pandjang. Don allen Seiten wurde uns geraten, den Aufenthalt in Padang zu einem Ausflug in die Padang’fhen Hochlande, oder, wie der officielle holländifhe Ausdruck lautet, im die Boven-Kande, auszunüßgen. In liebenswürdiger Suvorfommenheit ftellte uns das Bouvernement einen Salonwagen der Gebirgsbahn zur Derfügung, der uns in Pulu Ajer, einem Dororte von Padang, erwartete. Der Emmahafen ift der Ausgangspunft eines Syitems von Schmalfpurbahnen, welches in erfter Sinte der Derwertung der fumatranifhen Kohle dient. Sie wird Sitlih von dem See von Singfaraf in dem von dem Dberlaufe des Umbilien-fluffes durchftrömten Bebirgs-Terrain abgebaut und an dem Endpunfte der Bahn in Sawah- Kunto verladen. Die Kohlenfelder wurden in den Jahren IS67 und 1868 durch den Nlineningenieur W. H. de Greve entdet. Die Kohle tritt in mehreren Flözen, deren eines eine Mächtigfeit von 6 m erreicht, zu Tage und ftammt aus der früheften Tertiärzeit. Es handelt jih alfo nicht um Steinfohlen, fondern um Braunfohlen, die allerdings etwa CT P/, Koblenftoff enthalten und fomit den Steinfohlen der Rohlenperiode an Brennwert beinahe gleichfommen. de Greve erfannte fofort die Bedeutung feiner Entdefung und ging mit wahrem feuereifer daran, die Regierung zu einer Derwertung des unerwartet reichen Kohlenvorfommens zu drängen. I8C2 wurde eine Kommifjion unter feiner Führung in das Kohlenterraim entjendet, um Dorfchläge über den geeig- netjten Transport nad) der Weftfüfte zu machen. Em trasifches Befchief ereilte bei diefer Gelegenheit den verdienten Entdeder: das Boot, von dem aus die Dermefjungen im Rwantanfluß vorgenommen wurden, fhlug um und de Greve ertranf im der reigenden Strömung. Man hatte inzwifchen erfannt, daß ein Transport der Kohlen über Sand unter teilweifer Benusung der Wafjerläufe unausführbar war, und fo Entdedfung der Kohlenfelder. 327 Malayifche Typen (Padang=Pandjang). machte fich denn auch die Regierung mit de Greve’s Gedanken vertraut, eine Bahn: verbindung zu jchaffen. Sie beauftragte 1875 den Ingenieur Cluyfenar mit Der- mefjungen und der Ausarbeitung eines Bahnprojeftes. Swei Wege ftanden zur Der- fügung, um die Kohlen nad Padang zu fhaffen: ein fürzerer, der durch den Paß von Subang (1125 m) dte Barifan-Kette überschreitet, und ein längerer, welcher bei Padang- Pandjang (775 m) die Wafferfcheide erreicht und durch die Kloof des AUnet in die Benedenlande einmündet. Wenn man fih zu definitiven Entihlüffen Seit ließ, Schließe lich die längeren Trace wählte und das Unternehmen nicht in Hände von Privat- sefellfchaften gab, fo trugen hierzu noch andere Erwägungen bei. Die Padang’fchen Hochlande gehören zu den dichteft bevölferten Teilen von Sumatra und vielleicht von garız Binterindien. Es ift ein Kand uralter Kultur, das man durch einen Schtenenweg zu erfchliegen gedachte. Diefem Swede follte denn auch ausjchlieglih ein Abzweig dienen, der von Padang-Pandjang nah Fort de Kof und Pajafombo in das Auge gefaßt wurde. Karte der Staatsbahnen von Sumatras Weftfüfte (nadı offiziellen Angaben). 94 Fort de Kock+920 6 .SINGALANG + Y ww 2390 \\ 127 [a)ohombor 574 we 179 Pilocdk ZN leng7 >20 KAART 99501910 DER STAATSSPOORWEGEN am #903 TER SUMATRAS WESTKUST Schaal 1:400000 — 6 .SAGO +2038 7 6 MERAPI+2776 PFort von der Orpellen £2 ‚Koeboe Poedı n9+728 / 4 KoeboeArombil 4647 A 70 Drmparo Tergoh & 75 KondenzAmz IE D v Boeoyar. #75 ec e h26.Doehoe+7 DarongAr = \ W20Z/ oedock Beraja +3 oe Beloef): “N z I u 90 Soem,pger + 470 Day, 04 Böfoe lobal+ 370 Sa lanı T / 2 Köler eld : 156 Sawahloen/o 278], &, x 14 Singkarah +69 752 Moeorg 2; EEE Be , (48 Srloengkargt. d 1,Soergei lo3977332 _.@SOgP Yang En as ven, 5 Ba 7723 7 NZ S LEGENDA mm Adhoesiespoor — -— - Groote weg Hit 7ardrod spoor = Goenoeng(berg) De gelallen voor denormen geven den en Ärlomelers aan Yan of de Enmahaver. De gelallen ach ter de namen, duider de koogtarıı (reMeters aor Bover het IA Adangsch Peil. Bau der Staatsbahn von Sumatras Wejtfüfte. 929 Reisfelder mit jungen Pflanzungen, umgeben von Kofospalmen. Der Hauptingenieur der Japanifchen Staatsbahnen, Jjzermann, wurde ange- wiefen, fich nad) Deutfchland zu begeben, um die neueften Derbefferungen am Sahnrad- betrieb fernen zu jlernen und dann die Dberleitung für den Bau der Padang’fchen 990 Eröffnung der Gebirgsbahn. Staatsbahnen zu übernehmen. Ende ISST begann der Bau, 1892 Fonnte die Strede Padang-fort de Kot eröffnet werden, und Furz vor unferer Ankunft waren die ge- famten Anlagen den Betriebe übergeben worden. Als Shmalfpurbahn mit Fombiniertem Adhäftons- und Zahnradbetriebe fteht fie bei ewier Gefamtlänge von 506 Kilometern bis jest unerreicht da: em ftol zes Werf in Anbetracht der ungewöhnlihen Schwierig- Feiten, die fich unter dem ÜÄquator dem Bau einer Gebirgsbahn in den Weg ftellen. Kaum eröffnet wurde denn auch der fchwierigite Teil der Strede von dem MWildwajjer des durch einen Wolfenbruc angefchwollenen Anei=fluffes in der Kloof zerjtört; die alte Trace nicht nur, fondern auch das Flußbett mußten an mehreren Stellen verlegt werden, bevor man auf eimen gegen tropifhe Wolfenbrüche geficherten Betrieb rechnen durfte. Was die Steigungen anbelangt, die durch Hahnradbetrieb überwunden werden, jo drängen fte fich zumeift auf die nähere Umgebung von Padang-Pandjang zufammen. Die höcdhjfte Strefe der Bahn verläuft bei Kotta-Baru am Fuße des Dulfanes Mierapi; mit 154 m fommt fie ungefähr der Höhe des Gotthardtunnels gleih. Auch deutjche Intereffen Famen bei dem Bau der Bahn in Betraht: die Kofomotiven ftammen aus Eflingen und die Schienen aus den Krupp’fhen Werfen. Die fFleinen Waggons find, den Derhältniffen entiprehend, Iuftig gebaut und führen zweit Klaffen, deren eine von dent auf der Bahn eifrig verfehrenden, niederen Dolfe, deren andere von den Euro päern, reichen Chinefen und wohlhabenden Mialayen benust wird. [BE z EEE FEEH Es fällt fchwer, die fül- le von Kand- jchaftsbildern und neuen Ein- drücken, mit denen der Nei= jende faft über- jchüttet wird, feftzubalten. Die Bahn überfest auf einer elegant gefhwungenen eifernen Brüde den Padang- fluß und durch- Padanafluf Durch die Kloof des Anei nach Padang- Pandjang. 3a fährt nah dem Derlaffen von Padang in nördlicher Richtung das üppig Fulti- vierte Miederland oder Be- nedenland. In feinen Cha- rafter gleicht es einer weiten Parklandfchaft: die Sawa’s oder Fünftlih bewäjjerten Reisfelder wechfeln ab mit den von Palmen und frucdht- bäumen überfchatteten Se- höften, einzelnen Wäldchen und Fleinen Sumpfniede- rungen, die mit Furzjtän- migen Uipa-Palmen (Nipa fruticans), Sagopalmen und Pandanus beftanden find. Der Unterlauf des Anei- flufjes wird gefreuzt und nach faft zweiftündiger Fahrt wendet fih der Hug dem Ge- birge zu, über das in fcharfer Silhouette die Kegel des rauchenden Mlerapi und des Doppelvulfans Singgalang- Tandifat hinausragen. Bet der Station Kajutananmı, wo die Kofomotive gewechfelt wird, tritt die Bahn in ein Querthal — die Schlucht des Anei — ein. Die Hänge des 2455 m hohen Tandifat verengen die Kloof, und nun windet fih die Sahmradftrefe im zahlreihen Kurven achtmal den Anei überfesend durch eine Schlucht, welche die wilde Romantik des Hochgebirges mit dem Sauber der üppigiten Tropenvegetation vereint. Die Hänge find mit Urwald bedeckt, in dem die langarmigen fhwarzen Gibbons, die Siamang (Hylobates syndactylus), ihr infer- nalifhes Geheul anftimmen; hier und da ftehen bald vereinzelt, bald in Gruppen neben dem Bahnförper Baumfarne, während in der Tiefe über Trahyt- und Schieferblöde hinweg der aus den Hodlanden Fommende Anei raufht. ln ver- fehtedenen Stellen bemerften wir noch die Hefte zerftörter Brüdfen und die Spuren der furz nah Eröffnung der Bahn durh die Wildwafjer angerichteten Derwüftungen. So wird denn ein Wechjel von Bildern gefhaffen, der ftets zu neuen Ausrufen der Überrafchung veranlaßt; bald ift es ein Wafferfall, der dicht neben dem Bahn- Förper herniederraufht (S. 552), bald find es eng zufammentretende Wände, bald wieder noch nie gefehene Dertreter der tropifchen Flora, welche den Blick fefjeln. Die Bahn fteist bis zu TTO m auf und verläßt erft unmittelbar vor Padang-Pandjang die Schlucht. Bahnftrede bei Kajutanam mit Musblid auf den Merapi. 392 Padang-Pandjang. Padang-Pandjang enttäufht denjenigen, der in ihm eines der vielgerühmten hod- ländifchen Dörfer mit der malerifhen Architeftur erwartet; nüchterne Häufer, viereckige Kajten aus Stein, mit Dächern aus Wellbledh reihen fi) monoton aneinander. Der hollän- difche Beanıte belehrt uns, daß wegen der Feuersgefahr neuerdings die Derwertung von Wellbleh an Stelle der Palmfaferdefung vorgefchrieben wurde. So rationell au diefe Mafregel fein mag, fo trägt fie doch, wie ich zu meinem Keidwefen fpäterhin vielfach zu bemerfen Gelegenheit fand, nicht wenig dazu bei, den malerifchen Charafter der hochländifhen Gebirgsdörfer zu vernichten. Das fpröde Material eignet fi Faum für den graziöfen Schwung des Dadhes, und fo nimmt der Unbemittelte bei MHeubauten Abjtand von der althergebrachten Architeftur und ftellt neben die Föftlichen oberländifchen Wohnhäufer in grellem Müßflang die abjheulihen Kaften mit den Wellblehdächern. Erft wenn man den Drt felbft durch- wandert hat und auf die Sandftraße gelangt, an welcher ein Militärfafino und der Wohnfit des Affiftent= Reft- denten gelegen find, machen die an- ziehenden holländischen Dillen, end- lih auch die noch erhaltenen ober- ländifhen Häuschen einen freund- liheren Eindrud. Dazu trägt nun freilich nicht wenig der impofante Ausblif auf den mächtigen, bis in die Nähe des Gipfels bewaldeten Aerapt (2776 m) bei, der ab und zu feine dunklen Rauchwolfen aus er | dem Fonifchen Krater entfendet. (Schmidt phor.) In der Fühleren Gebirgsluft fühlt man fich nad) dem Derlaffen der heißen Niederung faft wie neugeboren. Alan ver- mag weite Wanderungen zu Fuß zu unternehmen und läßt es jich in dem mit hollän- difcher Sauberkeit von einem biederen Ehepaar geleiteten Gajthaus „AWierapi” wohl fein. Des Morgens erquidt eine Fräftige Dufche Fühlen Gebirgswafjers; nad der Wanderung mundet die landesübliche „reisfpeis” mit ihrem Dusend von pifanten Huthaten trefflih; gegen Abend fit man im Garten und fchaut dem malerifchen Trei- ben der heimfehrenden Bevölferung zu, bis die Macht hereinbricht und Hunderte von Glühwürmchen in nie gefehener Pracht aufflammen. Möge der Lofer es freundlich aufnehmen, wenn wir ihn aus den Tiefen des Welt- meeres in die Padang’fhen Hochlande geleiten und die dort gewonnenen Eindrüde in ein befcheidenes Gefamtbild vereinen! u 3 In der Kloof des Anei. Dulfanismus auf Sumatra. II0 Die Padang’fchen Bovenlande, Die Südweftfüfte von Sumatra wird von mehr oder minder fteil abfallenden Gebirgs- Fetten eingenommen, welche in drei bis vier Parallelen die Injel in ihrer ganzen Länge von Südoft nach Mordweft durchftreihen. Bis auf die Kämme hinauf jmd fie bewaldet und gelegentlich von Querthälern durchbrochen, weldhe raufchende Bebirgsbäche zu der Küfte entfenden. Nur felten tritt diefes Barifangebirge zurüd, um erweiterte Quer- thäler mit fruchtbarem Alluvialboden zu bilden, welche gelegentlich von zum Aieere fich abzweigenden Webengebirgsrücen begrenzt werden. Die breitefte diefer Ebenen ift die gefegnete Umgebung von Padang (das malayifche Wort pädang bedeutet Ebene). hr Hebengebirgsrüden endet in dem andefitifchen Apenberg, nachdem er noch vorher durch einen alten Krater die Koninginne-Bat gebildet hat. Der Weftabhang des Barifan- Bebirges wird überragt von den Fegelförmigen Gipfeln der Dulfane, unter denen heute noch elf thätig find. Die Zahl der thätigen Dulfane ift geringer als diejenige Savas mit feinen I4 rauchenden Schloten; ob indeffen Sumatra auh an Hahl erlojchener Dulfanfegel hinter Java zurüciteht, ift im Hinblif auf unfere lücenhafte Kenntnis von Hord-Sumatra fchwer zu fagen. Derbeef zählt bis zum 2.’ Grad n. Br. 69 Pulfan- Fegel auf und berechnet, daß auf IY km Infellänge durhfchnittlich ein Feuerberg Fommt. Der höcdhjite it der Pif von ndrapura, der füdlih der Bopenlande bis zu 5690 m aufragt. Wenn wir nun in Betracht ziehen, daß fi zu den genauer befannten Kegeln noch 20—25 in den Battaflanden und eine noch nicht ermittelte Anzahl in Nord-Su- matra hinzugefellen, fo dürften wir fchwerlich zu hoch greifen, wenn wir Sumatra annähernd IOO Dulfane zufchreiben, von denen freilih nur etwa ein Heuntel thätig ift. An mehreren Stellen treten die Kegel enger zufammen, indem fie Anhäufungsgebiete bilden, welche durch lange Zwifchenftrecen mit relativ fpärlich gefäten Dulfanen getrennt werden. Wie Dolz feititellte, jo find diefe Häufungsgebiete dur Störungen im teftonischen Aufbau der Schichten in Geftalt von Grabenverfjenfungen und Spaltenverwerfungen charafterijiert. Es find „Bruchgebiete”, an welche die Hauptentwiclung der vulfanischen Thättgfeit anfnüpft. Das ift 3. B. der Fall in den Battaflanden und jenen Gegenden, die hier eingehender gefchildert werden follen, nämlich in den Padang’fchen Hochlanden. Sie erhalten ihre Signatur durch den rauchenden, 2776 m hohen Merapt und den gegen- überliegenden, gleichfalls thättgen 2891 m hohen Singgalang. Der lettere tritt als ein Swillingsvulfan uns entgegen, infofern eine füdlihe Spite, der Tandifat (2455 m), fich dicht anfchmiegt. Diefe Dulfane überfchütteten die Hochgebirgsthäler mit ihren Aus- würflingen, unterbrachen ihren Derlauf und bildeten das Hochplateau von Agam. Wenn in alten Traditionen vielfah die Stammfise der Menfhen in die Fühlen, fruchtbaren Hochebenen tropifcher Gebiete verlegt wurden, jo trifft dies jicherlich für das Plateau von Agam zu. Es ift das Centrum des uralten Reiches Menangfabau, dejjen alte Hauptitadt Prian- gan, heute noch in ver= witterten Rumen erhal- ten, an die Slanfen des Merapi fih anlehnte. Die alte Bevölferung huldigte dem Brahma- ismus, der nad dem Seugnis von Naffles erft im 15., nah an- deren bereits gegen En- de des 12. Jahrhunderts durch den Islam ver- drängt wurde. So viel ift ficher, daß im Jahre 160 die Malayen von der übervölferten Hoch- ebene zum Teil aus- wanderten, nach Mla- laffa überfetten und fich von dort aus im Sunda- Archipel verbreiteten. In den Padang’fchen Hocdlanden jtehen wir auf dem Flafjifchen Bo- den uralter Kultur, für die freilih nur nod wenige ftumme Xejte Seugnis ablegen. Was vor dem 12. Jahrhun- dert liegt, verfchwinmt im Dämmerlicht der Gefhichte, weldher Art die Menfchen waren, die auf diefer von der latur verfchwenderifch bedadh- ten Hochebene ihre Ke- bensarbeit verrichteten, Durch Erofion gebildete Steilmände; Kloof von Arau Geologie der Hochlande. 335 nur ab und zu durch das unheimliche Not vulfanifcher Ausbrühe in ihrer Thätigfeit geftört, — wer will es jagen? Wenn wir uns an den Geologen wenden, um Ausfunft über die Entitehung der Padang’fhen Hoclande und wohl auch des größten Teils von Sumatra zu erhalten, fo belehrt er uns, daß das Kand noch zu Ende der Kreidezeit vom Meer bedect war und erit im früheften Beginn des Tertiär fich zu heben begann. Die vulfanifchen Durhbrüche erfolgten durch ein Urgebirge aus Schiefern und Graniten, das vielfach von Kobhlen- Falf und devonifchen Sedimenten überlagert wird. Ihnen liegen in den Bovenlanden Sandfteine und Aiergelfchiefer auf, in denen Abdrücde eocäner Fifche noch trefflich erhalten find. Yachdem das Kand fich gehoben hatte, bededte es fich mit einer üppigen Degetation, deren Hefte in den Kohlenflözen heute noch vorliegen. Sie finden fich in einer verfteinerungsarmen Sandfteinfchicht, die gelegentlih IOOO Fuß Mlächtigkeit erreicht. Die Entdefung der Umbilten- Koblenflöje gab der Kolonie eine ungeahnte Bedeutung und bot au, wie fchon erwähnt, den wefentlihen Anlaß zum Bau der Gebirgsbahn. Ab und zu finden wir dann noch die Kohlen führende Sandfteinfchicht von Korallenfalf überlagert. Die Hochebene von Agam, weldhe wefentlih aus den vulfanifchen ande- fitifhen Aufjhüttungen gebildet wird, zeigt längs der Flanken des Singgalang und Merapt tiefe Spalten, die wohl durch vulfanifche Thätigfeit entjtanden fein mögen und durch Erofion der fie Surchraufchenden Gebirgsbähe noch erweitert wurden. Die erodierende Thätigfeit des Wafjers prägt vielfach der Hochebene ihren phyfiognomifchen Iharakfter auf. Breite Thalfeffel oder Mulden, welhe dann durch enge Schluchten wieder mit den nachfolgenden Thalmulden in Derbindung ftehen, laffen fich namentlich in der Umgebung von Fort de Kod bis nadı Pajafomıbo (am inftruftiv- jten beit Bafo) beobadhten. Anderer- & feits bedingte die Erofion die Ent # jtehung jener als „Kloof” bezeichneten Schluchten, von deren oft fenfrecht ab- fallenden Wänden dte Bebirgsbäche in vaufhenden Kasfaden oder in Staub fih auflöfenden Fällen herabftürzen. So werden denn Kandfchaftsbilder sefchaffen, die oft troß aller Derfchie- denheiten an diejenigen des Berner Dberlandes erinnern. Freilich fehlt ein Ausblick auf fhneebedefte Gipfel, re deren Stelle hier die Dulfankegel ver- ler treten. Aber die raufchenden, von Bisher. In Terraffen angelegte Reisfelder (Sawa’s), teilweife unter Waffer gefett. (Schmidt phot.) 356 Phyfiognomie der Hocdlande. üppiger Degetation eingefäumten Gebirgsbähe, die Wafjerfälle, die den grünen Matten vergleichbaren, von Neisfeldern bedeften Kulturflächen, die reizvoll zwifchen Bambus verftecten Gebirgsdörfer mit der mialerifchen Bauart der Häufer, und endlich die erfrifchende Gebirgsluft lafjen doch inımer wieder alte Erinnerungsbilder auf- tauchen. Hat man fich durch die tiefeingeriffenen Schluchten durchgearbeitet, fo fcehweift dann der Blid zu den in violettem Duft über den Wolfen verfhwinmenden Kratern, Mühle zum Ausprefjen des Zuderrohres. zu den Ketten des Barifangebirges und zu dem blaufhimmernden Spiegel des Sees von Singfarah, der den an die Hochflähe angrenzenden Einbruch ausfüllt. Der vulfanifche Derwitterungsboden, die ftändige Feuchtigfeit, welche häufige Hieder- ihläge bedingt, fchaffen alle Dorbedingungen für eine reih und üppig entwickelte Dege- tation, die freilich, foweit der Urwald in Betracht Fommt, vielfah zurüdfgedrängt wird durch weitausgedehnte Kulturflähen. Dor allen Dingen ift es die Neis- oder “(w )6g2) Huvpöduıs uvyjng 90 9 uaquppog usip| SupgpgF usg un snpyugom qaumbrnug uf salpplum gun (ySıssıp) OlplollT Reis und Huderrohr. IL Sawafultur (S. 555), welche überall in den Dordergrund tritt. Die Felder werden durch ein finnreihes Beriefelungsyfitem, defjen Derbefferung die holländische Regierung fich garız befonders angelegen fein läßt, unter Wafjer gefetst. Alan wird überrafcht durch die außerordentlihe NRegelmäßigfeit, mit welcher die jungen Neispflanzen in fchnurgeraden Kinten in den Sumpfboden eingepflanzt werden. Der Neis, von dem der Eingeborene mit fharfem Auge an I4 Körnerarten unterfcheidet, wird zweimal im Jahre geerntet und häufig noch in recht primitiver Weife durch Stampfen mit den Füßen ausgedrofchen. Oberländifcher Dorfwald (bei Pajar Nebo). Daneben treten Sucderrohrfelder uns entgegen, inmitten derer, vollftändig im Grün der hohen Nohrbüfche verftet, die Zudermühlen angelegt find. Ste werden von einem Büffel, dem Karbau, getrieben, der mit verbundenen Augen an einer Querftange im Kreife geht. Sie fest den fenfrechten BloE in Bewegung, in deffen fpiral vorfpringende Umgänge diejenigen eines zweiten eingreifen. Man fchiebt zwifchen fie die Stengel des Huderrohres und fängt den ausgepreften Saft in darunter angebrachten Wannen auf. Thun, Aus den Tiefen des Weltmeeres. Zweite Auflage. > Arenga saccharifera (Zudferpalme), rehts Bambusgebüfc Wie in dem Unter- land, fo find audh in den Bovenlanden die Palmen reich vertreten. Häufig trifft man auf die Huderpalme (Aren- ga saccharifera), deren Bajftfafern das Mlate- vial zum Decden der Häufer bieten, während ihre angefchnittenen, in langen Trauben herab- hängenden Blütenfol- ben den gefchästen fü- Ben Saft liefern. Mehr vereinzelt ftehen die Pi- nangpalmen (Areca ca- techu), deren Früchte als Betel gefaut werden und die Caryota urens mit ihren in Etagen an- geordneten, einem farn- wedel nicht unähnlich geftalteten Saubmaffen. Dor allen Dingen aber it es die Kofospalme (Cocos nucifera), wel- che herrfchend auftritt, zu ungewöhnlicher Höhe emporfchießt und bis- weilen volljtändigelDäl- der bildet. Das Hodı- land maht durchaus den Eindruf einer Parf- landfchaft, deren grü- ne KRulturflächen unter- brochen find von den Dorfwäldern. Mächtige are er e a d von Pajafombo. 4Kofoswal >40 Das oberländifche Wohnhaus. Bambusgebüfhe, neben denen bisweilen wahre Riefen von FSruchtbäumen mit ihren fchlaff herabbängenden jungen Blättern, nämlich der Durtan (Durio zibethinus), Ntangas (Mangifera indica) und Atangoftane (Garcinia mangostana), aufftreben, überfchatten oft jo vollftändig die Häufer, daß Bi fie erjt dent Hahefommenden ins Auge fallen. Das Bild wird belebt dur die Erythrinen, die Cassia mit ihren roten Blättern an den Aftipisen und durch die farnbäume, welche den tropifchen Neiz diefer Dorfwälder ausdruds- voll erhöhen. Als ob der Menfch mit der Natur ha- be wetteifern wol- len, um den Haus ber, den die Hoch- lande auf den Sremdling aus- üben, zu erhöhen, gab er feinen MWohnftätten eine fo reizvolle, Fünft- lerifhe _ Geftal- tung, wie fie auf dem ganzen ma= layifchen Archipel nicht wiederfehrt. Die Dorfhäufer ftehen durchweg auf Bambus- pfählen, und der eigentliche Wohn- raum liegt min- deftens fünf Fuß über der Erde. Das Dad) reicht tief hernieder und fällt fchon von weitem durch feinen elegant gefhwungenen, Fonfaven Giebel auf, der feitlih in mit Architeftur an einem Wohnhaus (Solof). (Nieuwenhuis phot.) Samilienhaus, Mofchee (Miffigit). 54 Metall befhlagene oder vergoldete Spiten ausläuft. Dem Haufe fehlen umlaufende Deranden, dafür aber ift es namentlich bei wohlhabenden Mlalayen überreih mit ge- fhnißten Arabesfen verziert, deren Wirfung häufig noch durch bunte Bemalung oder eingelaffene Metallblättchen verjtärft wird. Die Fenfter find relativ Flein, nicht minder auch der Eingang, zu dem eine leiter- artige Treppe, bei Dornehmen eme fteinernefreitreppe, führt. Befonders eigenartig ift der Eindrud der grö- Beren Familten- häufer mit den dem Stammhaus angegliederten feit- lihen Anbauten, deren jeder in eine gefchweifte Giebel- firfte ausläuft. Michrere der fa- milienhäufer bil- den einen Kam- pong, der fait ftets mit einer Mtiffigit (Mofchee) ausge- ftattet if. Auch diefe feffelt wieder durch ihre male- rifhe Bauart. Ihr Grundriß ift qua- dratifh, und das jteil wie eine Pyra- mide auffteigende Dad ift in mehrere Etagen gegliedert. Ie nach der Wohlbabenheit der einzelnen Kampongs wird die Mofchee von außen mehr oder minder reich mit in Marmor oder in Holz ausgeführten Arabesfen verziert. Gern legt man in der Nähe der Mofchee oder der Wohnhäufer Fifchteihe an, Endlich entbehrt auch Fein größeres oberländifches Dorf Reisjcheuer (Padang=-Pandjang. (Nieuwenhyis phot.) 542 Reisfcheuer. der jogenannten Balei, nämlich des Gefellfhaftshaufes, das meift in Beftalt eines lang- gezogenen Nechtefs errichtet wird und von weiten fchon durch die durchbrochenen Kängs- Reisfcheuer (Padang=Pandjang). (Nieuwenhuis phot.) MR wände als folches Fenntlich erfcheint. Die Föftlichite Beigabe zu den Wohnhäufern bil- den die Schmuden Reisicheuern. Auf hoben Pfählen jtehend, im Quer- Schnitt quadra- tijch, felten Freuz- förmig geftaltet, und nach oben breiter ausladend, machen jte mit ihren gefchweiften Biebeln und dem reihen Schmud an Arabesfen und bunten Mlujftern einen faft Fofetten Eindrud. Man nenne mir ein Dorf auf Er- den, das in Hin- blif auf barno- nifhe und Fünft- lerifhe Durchbil- dung von Kirche, Beratungshaus, Wohnhaus und Dorratsräumen es mit den ar mutigen Kame pongs der Boven- lande aufnimmt! Soctale Derhältniffe im Oberland. 545 Die Bauart der einzelnen Häufer, ihre Gruppierung zu Fleineren oder größeren Dorffchaften würde Faum verftändlich fein, wenn wir nicht einen DBli auf die, in ihrer Eigenart einzig daftehenden focialen Derhältniffe der Bovenlande werfen würden. Die Grundlage des malayijhen Staates, der Familienverband, ijt nirgends in fo altertümlich erfcheinende Formen gegoffen, wie gerade in den DOberlanden. jedes einzelne Haus, ob groß, ob Flein, repräfentiert ein Familienhaus, in weldhem nicht mur die Angehörigen einer Familie, fondern aud) gleichzeitig diejenigen der nächjten Alı- verwandten haufen. Der mittlere, große Eingangsraum dient als allgemeiner Der- fanımlungsort, in dem die Kinder und unverheirateten Glieder der Familie nächtigen, während die feitlichen Anbaue (die Sechszahl nicht überfchreitend) für die Derheirateten in Anfpruch genommen werden. Da indeffen die Zahl der zu dem engeren ‚Familien- verband gehörigen Glieder leicht gewilfe Grenzen überfchreitet, jo werden in der Yähe des Stammbhaufes weitere familienhäufer angebaut, welde dann als Kampong eine Eleine Dorfgemeinde abgeben. Über jedes Samiltenhaus wadht ein Hausvorftand, der Pangbulu, meift der ältefte Bruder der Mlutter, dem alle Samilienmitglieder große Ehrerbietung entgegenbringen. Der ältefte der Panghulus wird nun wiederum zum Dorfvoritand erwählt, und in ähnlicher, auffteigender Folge giebt ein Panghulu fchließ- lich auch den Chef des Diftrifts oder der Kota ab, zu der die einzemen Dorfichaften vereinigt find. Yicht minder lebhaft als der Sinn für die Familienzugehörigfeit ift beim DOber- länder derjenige für die Stammeszugehörigfeit entwidelt. Alle bovenländifchen NMalayen, aber auch noch manche der angrenzenden Gebirgsgegenden, teilen fich in einige Ge- fchlehtsftämme oder Sufus, die ihren Urfprung in leßter Kinie nicht von einem Urahnen, jondern einer Urahnin herleiten. Die Angehörigen der einzelnen Sufus find für die Handlungen aller ihrer Mitglieder folidarifh haftbar. Ihre Panghulus fesen den Diftriftsrat oder Kara zufammen, weldher nah dem alten Gewohnbheitsrecht, dem Adat, das dem Dberländer als heilig gilt, entfcheidet. Die holländische Regierung hat in weifer Einfiht das uralte Gewohnheitsreht zu fhonen verjucht und fchuf ji im Kaufe der Seit treu ergebene malayifche Beamte, indem fie auf Dorfchlag der Bevölkerung die Dorfitenden der Karas anftellt und befoldet. Wenn auch die Würde eines folchen einheimifchen „Sarashoofd" häufig in der Familie erblich ift, fo tft doch immerhin ein gewilfer demofratifcher Zug infofern gewahrt, als nicht unter allen Umftänden bei der Wahl hieran feitgehalten wird. Bet unferem Befuh in Padang-Pandjang war gerade ein Karashoofd anwefend, der fih auf Deranlafjung des liebenswürdigen Affiftent- Refidenten de Sannoy bewegen ließ, unferent Photographen eine Situng zu gewähren. Der alte, freundliche Herr verfäumte nicht, feine holländische Uniform anzulegen, um die noch ein Furzer, Foftbarer Sarong in Goldftikerei gefchlungen wurde. Auf dem Bilde ift zugleich noch der gefchäftige, malayifche Polizeimeifter dargeftellt, eine jehr >44 Das Adat. £arashoofd van VI Kota. einflußreiche und von der eingeborenen Bevölferung in hohem Xefpeft gehaltene Per- jönlichFeit. für den holländifchen Beamten, namentlich für den jungen, in einfamen Diftriften lebenden Kontrolleur, ift es Fein leichtes Ding, fich in die verwicelten oberländifchen Derhältnifje hineinzufinden, welche das alte Adat gefchaffen hat und an dem der Ein- geborene troß der islamitifchen Einflüffe mit Sähigfeit hängt. Es gehört der dem holländifchen Beanten eigene hohe Grad von Bildung und Taft dazu, die Bevölferung amolplseox au sup quppog alp| SungoF svavz vyoy m snpQusmunf TE EL Ur”, I Matriarchat. 545 mit dem milden Regiment einer andersgläubigen Raffe zu befreunden, und es zumwege zu bringen, daß die einflußreichen Karashoofde willige und, wie wohl gefagt werden darf, dem Affiftent-Refidenten jederzeit gefüge Dermittler zwifhen dem europätfchen und einheimifhen Element daritellen. Unter allen Satungen des Adats mutet Feine den Europäer fremdartiger an, als die Herrfchaft des Matriarhats. Spuren desfelben finden wir ja bet verjchiedenen Dölferfhaften, aber nirgends tt es in fo fefte, altertüm- lihe formen gefügt, wie in dem Dberlan- de. (Nieuwenhuis phot.) Miffigit (Mofchee) bei Sort de Kod. 946 Erbrecht. Wie die einzemen Sufus oder Gefchlehtsftämme fih von einer Urahnin herleiten, fo bejtimmt denn auch die Miutter die Stammesangehörigfeit und den Derwandt- fhaftsgrad. Die Mutter, nicht der Dater, bildet den Müttelpunft der Familie; die engere Familie fest fih nur aus Angehörigen mütterlicher Seite zufammen. Der ältefte Bruder der Mutter oder der ältefte Bruderfohn wird zum Panghulu erwählt, und bet allen höheren Rängen ift es ftets die Derwandtfchaft mütterlicherfeits, welche den Ausfchlag giebt. Der Dater wird niemals in den Familienverband aufgenommen, in welchen er hineinheiratet; er bleibt ftets ein Glied des Sufu, aus dem er entftanımte. Eine weife Emrichtung ift es hierbei, daß im allgemeinen Glieder desfelben Sufu nicht untereinander heiraten. Das ehelihe Band erfcheint unter foldhen Derhältniffen als ein relativ loceres. ur in der erften Seit nach der Derheiratung lebt der junge Ehemann jtändig bei der frau und hilft ihr bei den Arbeiten auf den Neisfeldern, während er fpäterhin feine Arbeitsfraft wieder im nterefje feiner eigenen familie den Schweftern und Schwefterfindern zur Derfügung ftellt und jih nur auf Furze Befuche bei frau und Kindern befchränft. Im allgemeinen deutet denn auch an dem Familienhaufe die Zahl der durch einen fpisen Giebel gefennzeichneten Anbauten auf die Zahl der verheirateten Töchter hin. Die Kinder der Mutter hängen mit großer Härtlichfeit an dem Familten- vorftande, meift alfo an ihrem Onfel, während die Beziehungen zu dem Dater weniger innige find. Hand in Hand mit dem Matriarhat hat fih aucd das Erbreht entwidelt. m allgemeinen Fann bier nur erwähnt werden, daß das Dermögen von frau und Kindern der mütterlichen Samilie verbleibt und nicht auf diejenige des Daters übergeht. Er kann allerdings einen Teil deffen, was er durch eigene Arbeit erworben hat, feinen Kindern vermachen, ift aber verpflichtet, den anderen Teil feinen Schweftern oder deren Kindern zu binterlaffen. „De dames hebben ter Wejtfuft dan oof heel wat meer te vertellen dan de heeren,” jo vermeldet ein holländifcher Bericht. Dies mag wohl in gewiffer Hinficht zutreffen, wenn auch andererfeits nicht zu überfehen ift, daß doch der eigentliche Schwerpunft bei den Entfchliegungen auf den männlichen Derwandten der Mutter, ihren Brüdern und ihren Dnfeln mütterlicherfeits, liegt. Immerhin it es von ntereffe, daß felbjt der Islam nicht im ftande war, die Geltung und Stellung der Frau in fo langen Zeiträumen wefentlih in feinem Sinne zu beeinfluffen und die Ausbreitung der Polygamie zu begünftigen. Was den Charakter des Malayen der Bovenlande anbelangt, fo fteht es dem, der nur furze Seit unter ihnen weilte, nicht zu, ein Urteil abzugeben. In erfter Kinie fällt die freie, felbftbewußte Art auf, mit der er, ganz im Begenfab zu den Friechenden Javanen, dem Fremden gegemübertritt. Daneben freilihd machen alle holländischen Charafter des oberländifchen Malayen. 5 Beamten und Kenner des Dolfes darauf aufmerffam, daß ein Kardinalfehler des malayifchen Stammes, nämlich die angeborene Trägheit, in befonderem Maße dem Dberländer eigen if. Es mag dies fiherlih mit dem eigenartigen Bewohnheitsrechte und dem ausgeprägten verwandtfchaftlihen Sinn der Bevölferung im Sufammenhang ftehen, der es bedingte, daß ein Proletariat fich nicht ausbilden fann. Daß er freilich auch Auswüchle, wie die Blutrache, im Gefolge haben Fann, ift nicht in Abrede zu ftellen. Wenn man weiter von ihnen fast, daß fie falfh und nactragend, Schlecht von Sitten und treulos find, fo rühmın doch aud) andererfeits Fompetente Beurteiler in hohem Maße ihre Ehrlichkeit, ihre freifinnige Denfungsweife und die Anhänglichkeit an das GBeburtsland. In einem amtlichen Berichte über den Bau der Staatsbahn wird als ein Zeugnis für den guten Geift der oberländifchen Bevölferung hervor- gehoben, daß die Enteignung der Taufende von Parzellen niemals zu ernten AMtig- helligfeiten Anlaß gab. Sm Hinblid auf die verwicelten Befisverhältnifje geftalteten fich allerdings die Der handlungen mit den Familienhäup- tern meift zu un fo langwierige- ren, als der Dberländer ein ge- borener AdvoFfat ift. Da er fich nicht zu Bahnarbeiten bequemen wollte, ließ man flinfe Javanen und Sundanefen Eommen, dte in Ge meinfchaft mit den für fehwerere Arbei- ten herangezogenen chineftifhen "Kulis und tafern rüftig das Werf förderten. Erft all- a a de mählich ftellten fich die Mlalayen ein, anfänglich fehr von ihrem eigenen Werte über- zeugt, doch bald den übrigen an Brauchbarfeit nicht nachjtehend. Keinesfalls find dte Dberländer fanatifche Mlohanmedaner, wenn auch gelegentlich unter den Hadjis, den in hoher Derehrung ftehenden Meffapilgern, Anfäge zu fana- tifcher Bethätigung ihres Glaubens fich geltend mahen. Ich hatte felbft Gelegenheit, im Sazarett von Fort de Kof einen Hadji zu fehen, der in religiöfen MWahnftnn ver- fallen als gemeingefährlih in einer folterzelle gehalten wurde. Fu Anfang des Jahrhunderts hatte allerdings eine allgemeine Sittenverderbnis in den Hocdhlanden, die fich in dem Überhandnehmen hoher Wetten bei Hahnenfämpfen und Hazardfpielen, im DOpiumrauchen, Raub und Mord äußerte, Anlaß zur Entjtehung einer geiftlichen Sefte, der Padries, gegeben. Mit dem ganzen Defpotismus einer unduldfamen Hierarchie verfuchte fie die Bovenlande zu reformieren und ihre Herrichaft 548 Künftlerifche Begabung. auch über die Batta-Länder, welche fie in unmenfchlichen Kriegen nahezu entvölferte, auszudehnen. Der unerträglihe Swang, unter dem die Padries von ihrer Hauptitadt Bondjol aus das Land nieder- hielten, gab der holländischen Regierung den Anlaß zum Ein- greifen. Sie führte, von einem Teile der eingeborenen Häuptlinge zu BHilfe gerufen, von 1825 bis 1858 jene denfwürdigen Känıpfe, in denen fich holländifche Führer, wie der junge Naaff (das Grab- denfmal diefes Helden fteht am Strande bei Padang), Codhius und Michiels, hohen Ruhm er- warben. Wenn auch noch hier und da jich gelegentlich ein Aufflafern des finjteren Geiftes der Padrtes bei mancden Mteffapilgern geltend macht, fo dürfte doch immerhin der ruhige Befit der Bovenlande dem holländifhen Bouvernement sefichert fein. Es läßt es an nichts fehlen, um auf die Bevölferung erziehlich einzuwirfen und ihre un- leugbare Begabung zur Bethätt- gung anzuregen. Giebt fich fhon in der Bauart der Häufer ein Fünftlerifcher, auf uralter Tradi- tion beruhender Sinn wieder, fo überrafht er in noch höherem Grade durch ihre Befähigung für alle Arten von Webereten, Stice- reien, SFlehtwerf und filigran- arbeiten. Wem es vergönnt war, Gefhmüdte Braut (Sort de Kod). (Nieuwenhuis phot.) auf dem Pafar von Fort de Rod jene unvergleihlihen Schauftüfe der Boldfchmiedefunft zu bewundern, die mit den denfbar einfachjten Handwerfszeugen hergeftellt werden, der wird nicht hoch genug 2 ! zeug erg ? 2 Oberländifche Trachten. 549 (Nieuwenhuis phot.) Dornehme Nlalayen im Zejtgewand (Kota Gedang bei Sort de Kod). über die in einem fo begabten Dolfe fchlummernden Talente urteilen. Nicht min- der erregen manche feinere Flechtwaren aus Pandanusblättern und die Fünftlerifch 350 Phyfiognomien. vollendeten Miufter der Sticfereien die gerechtfertigte Bewunderung des Kenners. Anziehend bleibt unter allen Umftänden das buntfchefige Treiben diefer Iebens- freudigen Bevölferung, die es nicht verfäumt, jeden Anlaß zu einer feftlichen Der- anftaltung auszunußen oder von einem Mlarfte nad dem andern zu ziehen, in Wit und Spiel fi zu ergehen, Hahnenfämpfe zu veranftalten und fich eifrig an dem Wett- rennen in fort de Kod zu beteiligen. Bei feierlichen Gelegenheiten, einer Hochzeit oder eimem fonftigen Fefte, befommt man dann auch die malerifchen Trachten zu hauen, bet denen freilich oft eine faft überladene Pradıt entfaltet wird. Die ernften Befichter der älteren Männer, bei denen der mualayifche Typus mit hervortretenden Badenfnochen, Furzer breiter Yafe, mehr oder minder aufgeworfenen Lippen und nur jpärlicher Bartentwiclung auffällt, Fontraftieren mit den bisweilen geradezu anmutigen, feinen Phyfiognomien der fchwarzhaarigen Mädchen mit ihren bligenden Augen. Man rühmt die frauen von Solof und Pajafombo wegen ihrer Schönheit, und that- fächlih befamen wir auf dem Pafar von Pajafombo Geftalten zu Gefiht, die aud) vor einem verwöhnten europäischen Auge beftehen Fonnten. Für denjenigen, der von Haturvölfern bisher nur die Bewohner des fchwarzen Erdteils Fennen gelernt hatte, war es ein wahrer Hochgenuß, unter eine Bevölferung verfeßt zu fein, die durch ihre alte Kultur, ihr gemeffenes Wefen und anmutendes ÄAußere angenehm abjtach gegen die brutale Urwüchfigfeit des Hegers. So war es denn auch unfer fchwarzer Diener Matthew, der entjchieden des allgemeinften nterefjes in den Bovenlanden fich zu erfreuen hatte. Die wenigjten hatten jemals einen Heger zu Geficht befommen; faft alle aber wußten von den Kämpfen im Atjeh (Atjichin), wo die Holländer früher einige Schwarze in Sold genommen hatten, daß es fi um jhlimme XRaufbolde handle. In den Gafthöfen verfehlten niemals die malayifchen Diener zu fragen, was man dem „orang hitam“ vorfegen folle, und wo derfelbe fein Nadtlager auffhlage. Als ich ihnen antwortete, daß er gewohnt fei, täglich einen Malayen zu verfpeifen, nahm die Hohadhtung faft bedenkliche Dimenfionen an. Unter den Drtfchaften in den Padang’fhen Hochlanden erfreuen fich zweit, nämlic fort de Kot und Pajafombo, nicht nur wegen ihrer Haturfchönheit, fondern auc wegen ihrer günftigen fanitären Derhältniffe mit Recht im ganzen hinterindifchen Acchipel des beiten Rufes. Fort de Kod liegt 922 m hoc inmitten der Hochfläche von Agamı ztemlich frei und trägt den Charafter einer freundlichen Dillenfolonte, die fich im Kaufe der Seit um das alte Fort gruppierte, Seine Refte find mit dem es umgebenden Sturm-Parf zu einer anmutigen gärmerifchen Anlage umgewandelt worden, von der aus man einen weiten, abwechslungsvollen Blif nah Süden auf die Dulfane Mlerapi und Singgalang, nah Dften und Worden auf das fteil zerflüftete Kamanggebirge, und Sazarett in fort de Kod. | nach Weiten auf dte den Krater- fee von Manindju umfäumenden Känme genießt. Es ift der Sit einer ftändigen Garnifon von der Stärfe eines Bataillons, die gerade, als wir anlangten, zu einer Übung ausrüdte. Sowohl die eingebore- nen, Dbarfuß gehenden Truppen, wie auch die europäifchen, ange- worbenen Soldaten der Infanterie und Gebirgsartillerie machten in ihren gutgehaltenen Uniformen und in ihrem ganzen Auftreten einen vorteilhaften Eindruf. Befonderes nterefje erregte das Sazarett, welches, wie alle Auf dem XKraterjee von Hanindju, (Schmidt phot.) holländifhen Sazarettbauten, nad) dem Baradenfyften angelegt if. Wir waren an- genehm überrafht, als Dorfteher desfelben wiederum einen deutfchen Kandsmann aus Bayern, Dr. Preitner, fennen zu lernen, einen älteren Herrn, der uns mit freundlicher Huvorfommenheit die Einrichtungen des Sazaretts erflärte. Dbwohl es audh Ein- geborene aufnimmt, fo war es doch wefentlich mit Refonvalescenten von Atjeh belegt. Bei dem Eintritt des Arztes in die Kranfenfäle erheben fich die Malayen, foweit es ihnen möglich ift, und fiten aufrecht mit gefreuzten Beinen im Bett. Wir hatten bier überreichlih Gelegenheit, die oft bis zum Erfchrefen abgemagerten Beri-Beri-Kranfen mit dem charafteriftifchen Musfelfhwund Fennen zu lernen. Wenn auch die Ätiologie der neuerdings auf eine bafterielle Infektion zurückgeführten Kranfheit noch nicht völlig aufgeflärt ift, fo fteht es doch feit, daß es für die Heilung Schwerer Fälle Fein anderes Mittel giebt, als die Evafuation aus dem verrufenen Atjehgebiet. Dasfelbe gilt auch für die fchwer an Malaria Erfranften, welhe ein mindeftens ebenfo hohes Kontingent an Patienten bilden. Die Malaria ift die Geißel des Hinterindifchen Archipels, und die Gefundheit eines einzelnen Drtes wird wefentlih nah der Häufigkeit und ntenfität der Mialariafälle bemeffen. Da lediglich die ftatiftifhen Aufnahmen in den Milttär- hofpitälern uns ein Urteil über die Derbreitung der Malaria ermöglichen, fo mag er- wähnt fein, daß fpectell in Atjeh anfangs der achtziger Jahre jede europäifche Milttär- perfon wenigftens einmal an fchwerer Mialaria erfranfte. Die Derhältniffe haben ji neuerdings, wie ich den Mitteilungen eines holländifhen Militärarztes, Dr. Ernt, ent- nehme, infofern gebefjert, als nur der je zweite Mann, von den Aftaten jeder vierte Mann erfranft. ur dann, wenn die Malaria wie ein Würgengel durch das Land 352 Malaria. geht und ganze Gebiete heimfucht, erhält gelegentlih der den Derhältniffen ferner D Stehende einen Begriff von dem Umfange der durch fie angerichteten Derwüftungen. Samilienhäufer in Pajafombo. Die holländifhe Regierung hat es nicht an Derfuchen fehlen lafjen, aud die Bevölkerung der Wohlthaten des Chiningenuffes teilhaftig werden zu laffen. Auf Evafuation der Patienten in die Gebirgsgegenden. 355 Deranlafjung des holländifhen Kolontalminifters Pahud begab fih 1855 der Bo- tanifer Haßfarl nad Peru; es gelang ihm unter abenteuerlihen Streifzügen troß des ftrengen Derbotes der peruanifhen Regierung einige hundert junge Chinabäume durcy- zufehmuggeln und fie in den für ihr Gedeihen förderlichen Hocregionen von Java zwifchen I500 bis 2000 m anzupflanzen. Sehn Jahre fpäter warfen die trefflich ge deihenden und durch Stedlinge vermehrten Stänmchen bereits fo hohe Erträge ab, daß das faft mit Gold aufgewogene Ehinin erheblih im Preife fanf. Die Nlalayen haben troß ihrer Abneigung gegen europätfche Arzneimittel fih an den Genuß von ihnen Foften- frei überliefertem Chinin gewöhnt und die wohlthätigen Folgen wurden bald allgemein verfpürt. Immerhin bildet in fchwereren Fällen die Evafuation auf die See oder in höher gelegene Sanatorien das einzige Mittel, um dem Kranfen Genefung zu fchaffen. So hat fih denn ein in feiner großartigen Kiberalität einzig daftehendes Syftem der Evafuation in den holländifchen Kolonien ausgebildet, von dem man einen ungefähren Begriff erlangt, wenn man erfährt, daß im Jahre ISIT in den Hinterindifhen Militär- hofpitälern 60451 Kranke in Behandlung waren, von denen nicht weniger als I7692 in die Bebirgsgegenden von Java und Sumatra evafuiert wurden. für Sumatra fommt in erfter Linie Fort de Kof in Betracht. Die Fühle Gebirgs- luft wirft faft wunderbar auf die an Malaria und Beri-Bert Erfranften ein: der Appetit wird reger, der Schlaf tiefer, die Elafttcität des Ganges ftellt fih wieder ein und nach wenigen NMlonaten ijt meift vollftändige Heilung erzielt. Allerdings bedarf der Kranfe in fort de Kod infofern befonderer fürforge, als die Unterfchiede zwifchen den Mittags- und Abendtemperaturen recht beträchtliche find, und dabei häufig Fühle Winde vom Mierapi und Singgalang die Gefahr von Erfältungen nahelegen. Da es fich wefentlich um Patienten aus Atjed handelt, fo fet nur erwähnt, daf diefelben aus dem großen Kazarett von Kotta-Radja zu Schiff nah Padang trans- portiert werden, wo ein großer Teil in dem dortigen Lazarett Aufnahme findet. Dberft Kuhnert führte mich in diefem geräumigen, aus zahlreichen Baraden und Kranfen- fälen fich zufammenfegenden Sazarett umher, das zur Seit der aufregendften Kämpfe in Atjeh gelegentlich nicht weniger denn 5000 Kranfe aufnahm. Das Kazarett be- det einen ganzen Stadtteil, durch den ein Bach geleitet wurde behufs Abfuhr der FSäfalten in den Padangfluß. Don Padang aus werden die des Aufenthalts in der Höhe bedürftigen Kranfen teils nah den Sazarettanlagen in Kajutanam, teils nad) Fort de Kof und Pajafonıbo mit der Bahn übergeführt. Ergiebt fi auch dort Feine Beilung, fo fteht es den Offizieren und Beamten frei, eimen zweijährigen Urlaub nad Europa fich auszuwirfen. Ein folcher wird überhaupt allen Beamten bewilligt, die I Jahre in Hinterindien verbradt haben. sort de Kod befitst den größten Pafar der Hochlande, auf dem gerade zur Feit unferer Ankunft ein buntes und gefchäftiges Treiben herrfhte. Zu Fuß und zu Chun, Aus den Tiefen des Weltmeeres. Ömweite Auflage, 23 994 Wagen hatte jich die Bevöl ferung in Be- wegunggefeßt: die Weiber meiftchwer be- laftet, dtelltän- ner nur felten jih abfchlep- pend,oderhöd- ftens in den zterlich gefloch- tenen Dogel- bauern TQTau- ben mit fih tragend. Die vornehmeren Malayen be- nußen die Heinen, luftigen Gefährte, zwifchen dte jich die von dem Karbau oder einem Zebu gezogenen Karren mit den dem malayifchen Dad gleichenden Aufbauen drängen. Ein Pafar in den Hochlanden giebt die befte Gelegenheit, die Freude des Malayen an bunten, oft auffälligen Trachten Fennen zu lernen. Dielfach mifcht fi freilich jchon europäifche Tradt ein, doch fehlt Pafar von Fort de Ko. Paiar in fort de Kod Pafar in Sort de Kod. anliegendes, jchwarjes € niemals der Sarong, der entweder um die Hüften gefchlungen, oder wie ein Platd über die Schulter getragen wird. Als Kopfbedefung dient den Männern bald ein turbanartig ge= ichlungenes Tudh, bald ein einfaches Strohfäppchen, oder bei regnerifcher Witterung die breiten, jpit zulaufen- den, aus Palmblättern geflochtenen Hüte, während die Weiber feidene Tücher, und bei Fejten einen fajt bizarr fih ausnehmenden ihmud aus Silber- und Goldfiligran tragen. Meift verhüllt em decent FG ewand den trage in Pajafombo. Ss mn nn auf dem Pafar von Pajafombo. ) Daringin (Ficus indica s! eines tammt © Pajafombo und Kloof von Aran. 357 Dberförper, über das die Neicheren Foftbar gefticte feidene Sarongs in mannigfaltiger Drapierung gefhlungen haben. Don Fort de Ko führt die neueröffnete Bahnftrecfe weiter bis Pajafombo. Der Zug durchfährt weite, mit Sawa’s (Reisfeldern) bejtellte und von Kampongs überjäte Erofionsthäler, die nach Süden den Ausbli zu dem 2080 m hohen Dulfan Sago eröffnen, und zwängt fich durch malerifche, von niederen Höhen eingeengte Schluchten, bis fich endlich die Sandfchaft zu einem breiten Keffel ausweitet, der mit einem Kofos- wald bedeckt if. Yur auf den Koralleninfeln des Indifchen Acchipels find uns ähnlich ausgedehnte Kofoswaldungen entgegengetreten, wie hier in dem Hochlande in der Um- gebung von Pajafombo. Der Drt felbt liest in einer Höhe von Hl4 m und bejitt ein milderes Klima als Fort de Kof. Da er vollftändig in den Kofoswald eingebaut ift, 1öft er fich in eine Fülle idyllifher Einzelbilder auf. Breite Chaufjeen durchicmeiden ihm nach allen Richtungen und fesen auf anfehnlihen Brücken über den jüdlich vor- beiftrömenden Agamflug. Derdekt von dem Grün des Unterholzes und der Bananen, überdacht von Teafbäumen (Tectona grandis), die man als Schattenfpender zu beiden Seiten der Straßen anpflanzte, und überragt von den ftolzen Kronen der Palmen gleichen die Mofcheen und oberländifchen Häuschen niedlichen Spielzeugen, die man in buntem Durcheinander durch diefen grandiofen Tropenparf verteilte. Einen feffelnden Anblit gewähren auf dem Pafar zwei Waringin (Ficus indica), von deren Alten wie Couliffen die Luftwurzelm niederhängen; da fie offenbar bejchnitten werden, fo haben fie nicht in dem Boden Wurzel gefaßt. Während unferes zweitägigen Aufenthaltes in Pajafombo verfehlten wir nicht, einen Ausflug nach einer jener Schluchten zu machen, die einen Charafterzug der Padang’ihen Hoclande abgeben. Es war die Kloof von Arau, dte wir im einem leichten malayifchen Gefährt nah etwa 2 Stunden erreichten. Die Hütten in dem wiederum intenfiv Fultivierten Slachland machen einen etwas ärmlicheren Eindruc, während die Scenerie bald einen ganz eigenartigen Charakter annimmt. 2m Rande der Ebene, gegen Arau zu, ftürzen die Wände des Erofionsthales jenfreht ab, um dann bei einem Eleinen Gehöft, dem „Kofftepafhuis“, näher zufammenzurüden und eine Schlucht zu bilden, die fo lebhaft die Scenerie des Kauterbrunner Thales wider- fpiegelt, daß der Vergleich fi unwillfürlih aufdrängt. Die bis zu SOO m aufitrebenden Wände beftehen aus horizontal gefchichteten, zu einer Breccie verbadfenen Sedimenten, welche von zahlreichen, fenfrechten Riefen durhfurcdht find. Über fie raufcht eine ganze Anzahl von Wafjerfällen hernieder, unter denen der vom Batang-Nlrau gebildete auf das Iebhaftefte an den Staubbachfall erinnert. Der über Beröll vafh hinfchiegende und von der üppigen Degetation oft halb verdekte Bach bewäfjert die Neisfelder, welche noch bis zum Eingang der Schlucht angelegt werden. Die Steilmände nähern fi) an einer Stelle bis zu 20 m und weichen dann Eingang in die Kloof von Aran. In der Kloof von Arau. Fall des Batang= rau. 360 Kontrafte, auseinander, um langgezogene Beden zu bilden, in denen das Echo der abgefeuerten Schüfje prächtig widerhallt. Hur an dem erweiterten Eingang, hinter dem Pachaus, jtehen noch einige ärmliche oberländifche Hütten, von dem KLaubwerf der Fruchtbäume fat vollfommen verdeckt und von dem wuchtigen Hintergrunde faft erdrüct. llberall, wo fie nur irgend Halt finden Fann, fprießt an den Hängen eine üppige Vegetation von Rletterfarnen (Lygodium), rotblühenden Melaftomaceen und breitblättrigen Cingiberaceen. Der Boden wird von den in den Tropen weitverbreiteten farnen aus der ‚Familie der Gleicheniaceen bedeckt, zwifchen denen die Fosmiopolitifhen Adlerfarne und einige Prachteremplare von Baumfarnen (Cyathea) aufragen. Bunte falter, unter ihnen die glanzvollen Dertreter der Gattung Ornithoptera, fliegen langfam und doch wieder zu rafch, als daß man jie hätte erhafchen Fönnen, dahin. Man giebt denn auch bald den Derfuch, ihnen nachzueilen, auf, da die üppige Degetation feitab vom gebahnten Wege ein Fortfommen fat ausfchließt. Die fumatranifhen Hochlande padfen mächtig den Befucher, auch wenn er nicht mit frifchen Rücerinnerungen an Eisberge und einfame von Stürmen umbraufte Infeln die wuchtige Pracht der Tropen auf fih einwirfen läßt. Mag er Haturforfcher fein, mag er für foctale Derhältniffe Intereffe hegen, jo wird er in diefem alten Kultur- lande, dem eine aufgeflärte Nation eine weife und mufterhafte Derwaltung gab, fi ftändig zur Bethätigung angeregt fühlen. Wer die Tropen mit ihrer überfchäumenden Fülle .von Leben in befhaulihem Behagen will Fennen lernen, der genieße fie auf den Hoclanden von Java und Sumatra, wo man ficherer und unter günftigeren äußeren Bedingungen reift, als in manchen europäifchen Kanden. Die Gegenfäße treffen freilich nirgends fchroffer aufeinander, als in Sumatra, m Horden grenzt die Hochebene von Agam an das Sand der Battafer, welche noch vor wenigen Jahren dem Kanni- balismus huldigten; im Süden und Dften dehnen fich weite, Faum erforfchte Gebiete aus, deren Unabhängigfeit ausdrüdlih von holländifchen Goupernement anerfannt wurde, und endlich liegt weftlih von Padang, nur eine halbe Tagesfahrt entfernt, die größte der AMlentawei-nfeln, deren Eingeborene mit Bogen und vergifteten Pfeilen fih des Fremdlings erwehren. Erfrifht und fast beraufht von den Scenerien des paradiefifchen Hochlandes Fehrte man nach dem heißen Emmabhafen zurüd, in dem inzwifchen der „Bufjard“ fich vor Anfer gelegt hatte. War die „Daldivia” der zweite deutfche Dampfer, der die Koninginne-Bai auffucdte, fo wurde dem „Buffard“ die Ehre zu teil, als erftes deutfches Kriessihiff in dem Emmahafen Salut zu feuern. Xafch entwidelte fi) — wie überall, wo wir mit den Fleinen im Ausland ftationterten Kriegsfchiffen zufammten- trafen — ein ungezwungener Derfehr zwifchen den Befaßungen. Das deutfhe Element "zu rafch, als dag man fie hätte srhafchen Fönnen, dahin. Man giebt denn auch bald . vor Anfer gelegt hatte. War die „Daldivia“ der zweite beutfche Dampfer, der di Be }:5 Tu 360 Kontrafte. i f ae Ha al DER te > Ber auseinander, um langgezogene Beden zu bilden, in denen Br Echo der abgefeuerten. ie Schüffe prächtig widerhallt. ur an dem erweiterten Eingang, ‚hinter, dem Pakhaus, jtehen nod; einige ärmliche oberländifche Hütten, von dem Saubwerf der Fruchtbäume faft vollfommen verdedt und von dem wuchtigen Hintergrunde faft erdrüdt. Überall, wo fie. nur irgend Halt finden Fann, fprießt an den Hängen eine üppige Vegetation von ve Rletterfarnen (Lygodium), rotblühenden Melaftomaceen und breitblättrigen Tingiberaceen. 2 IR Der Boden wird von den in den Tropen weitverbreiteten Farnen aus der Familie Bl der Bleicheniaceen bedeet, zwilchen denen die fosmopolitifchen Adlerfarne und einige sa) Pradteremplare von Baumfarnen (Oyathea) aufragen. Bunte Falter, unter ihnen a die glanzvollen Dertreter der Gattung Örnithoptera, fliegen langfam und doc wieder den Derfuch, ihnen nadhzueilen, auf, da bie üppige Degetation feitab vom gebahnten Wege ein Forttemmen faft wmeihleßt. Die jumatranifhen Hodlande paden möcis den Befucher, auch wenn er nicht mit fetfchen Rüderinnerungen an Eisberge e von Stürmen umbraufte A DS he A © mag er für fociale Derhälmifje Snterefie hegen, jo wind er im diefem alten Kultur lande, dem eine aufgeflärte Nation eine weile und mufterhafte Derwaltung gab, fi ftändig zur Bethätigung angeregt fühlen. Wer die Tropen mit ihrer überfhäumenden Fülle.von Leben in befhaulihem Behagen will Fennen lernen, der genieße fie auf den Hodlanden von Java und Sumatra, wo man ficherer und unter günftigeren äußeren y Bedingungen reift, als in manchen europäifchen Sanden, Die: Begenfäße treffen freilich Fe j nirgends fchroffer aufeinander, ais in Sumatra, Im Morden grenzt die ER, von Agam an das Land der Battafer, welde noch vor wenigen Jahren dem Kanni- Re balismus huldigten; im Süden und Dften dehnen fi weite, faum erforfchte Gebiete aus, deren Unabhängigkeit ausdrüdlih vom holländifhen Boupernement anerkannt ES 5% wurde, und endlich Iiegt weitlich von Padang, nur eine. halbe Tagesfahrt entfernt, die größte der Mlentawei-Infeln, deren -Eingeborene mit a und ARRBRRER Pisten HN fi) des fremdlings erwehren. 3 Erfetfcht und faft beraufcht von den Scenerien des parabieftidien Khlandes rn GER man nah dem heißen Emmahafen zurüf, in dem innolfcden ber „Bufjard“ fh ih > 2 4 Koningimme-Bat auffudhte, fo wurde dem „Buflard" te Ehre zu teil, als erfte: deutfches Kriegsihiff in dem Emmahafen Salut zu feuern. Rafch entwidelte fih wie überall, wo wir mit den Kleinen im Ausland ftationierien Kriessichiffen zufnmen- trafen — ein ungezwungener Derfehr zwifchen den Befasungen. Das deutiche Element = * Rs SU Bee nn Abfchied von Padancg. 561 mochte denn auch wohl ebenfo ftarf wie das holländische vertreten fein, als wir der Pflicht der Danfbarfeit Genüge leifteten und die Dertreter des Houvernements und der Kaufmannfhaft mit ihren Damen am Abend vor der Abfahrt auf der „Daldivia“ als Bäjte begrüßen durften. Der warme Danf für das Entgegenfommen Fang in das Hoc auf die anmutige Königin Wilhelmine aus und die Kapelle des „Buffard“ intonierte die holländifhe Hationalhymme. Unter Dorantritt der Nlufif geleiteten wir die Bäfte aus Padang zu dem Ertrazug, der fie vor Mitternacht noch zurüdführen follte. Er fuhr mit vier Stunden Derfpätung ab. XVI Im Mentawei:Becken, Il" Aiontag den 50. Januar morgens 6 Uhr lichteten wir den Anker und fuhren aus dent Emmahafen, indem wir den Kurs auf die NMordfpise der größten Atentawei=nfel, nämlich Siberut, festen. Ein malerifher Blif auf die Barifanfette mit den beiden dte Scenerte beherrfhenden Dulfanen Singgalang und Mterapi bot fich uns bei fpiegelglatter See dar, nachdem wir den Affenberg und die zahlreichen Fleinen Kiffe und Infeln, welche der Reede von Dandang vorgelagert find, pafftert hatten. Im Norden tauchte duftig violett der fagenumwobene vulfanifche Kegel des DPafaman oder s DOphir auf. Wie es gefommen fein mag, daß man gerade hierher das Kand 9% Kar) 2 edomitischen Häfen ausgerüftet wurden, bezog, tft fchwer zu jagen. Wie man früher- hin die Höhe des Ophir (SOOO m) bedeutend überfchäste, fo haben fih -aud die Er- wartungen, die man an reiches Goldvorfommen in Sumatra Fnüpfte, nicht erfüllt. Hwar jmd im Bereiche der Urgebirgsformation zahlreiche Goldwäfchen von den Ein- geborenen angelegt worden, aber der Ertrag ift doch immerhin ein fo mäßiger, daß Sumatra bis jest den ihm im alten Traditionen zuerteilten Ruf eines Boldlandes nicht gerechtfertigt hat. Unfere weiteren Unterfuhungen galten jenem Bedfen, das zwifchen der Südweftfüfte von Sumatra und der ihr vorgelagerten Infelfette fich erftret. Die lettere befteht aus größeren, in regelmäßigen Abjtänden fich folgenden Infen und aus zahllofen Fleinen Eilanden und Kiffen, welche teils die umfänglicheren Erhebungen umfäumen, teils den nördlichen flachen Teil des Befens ausfüllen. Die füdlichite Infel ift Engano mit feiner neuerdings rapid dahinfterbenden Bevölkerung, dem in weiteren Abftande die von uns bei der Annäherung an Sumatra gefichtete Infel Triefte folgt. An diefe fliegt fih eine Infelgruppe an, die als die Mlentawei-Gruppe bezeichnet wird. Die beiden füdlichjten Infeln der genannten Gruppe, nämlich Hord- und Süd-Pageh, werden von den Holländern auch als Hafjau=nfeln bezeichnet. Mtit Pora und der größten Anfel, nämlih Siberut, jchliegt die in ethnographifcher Hinfiht einen einheitlichen Kompler bildende Mentawei-Gruppe ab. Die in der Höhe von Padang liegende Siberut- jtraße trennt fie von den Batu=-nfeln. Auf diefe folgt die größte und bedeutungsvollfte Infel, nämlich Yias, an die weiter- hin die Fleinen, das Beden aus- füllenden Banjaf-Infeln, und endlich Pulo-Babi fih anreihen. Über den seologifhen Aufbau der genannten Infeln find wir leider nur fehr un= vollfommen orienttert. Sie find alle dicht bewaldet, Faum aufgefchlofien, und fo würde es fich nicht verlohnen, die einzelnen geologifhen Daten, die wir namentlich von Hias bejißen, genauer zu charakterifieren. Es mag genügen, zu erwähnen, daß ein vul- Fanifher Aufbau im Gegenfas zu Sumatra noch nicht mit Sicherheit nachgewiefen wurde, wenn auch die häufigen von dort ausftrahlenden Erdbeben ihren Erfchütterungsfreis bis zu den Infelgruppen ausdehnen. Es Scheint, daß fie einen Kern aus UÜrgebirgsformation bejiten, dem jün- gere, fedimentäre Schichten (in Hias wurden jungmiocäne Mlergel mit Braunfohlenlagern und pliocäne Ko- rallenfalfe nachgewiefen) aufliegen. Das Bedfen zwifchen der Küfte von Sumatra und der genannten Infelreihe ftarrt in feinem nördlichen Abfchnitte von zahllofen Korallen- riffen, welche die Schiffahrt zu einer gefährlichen geftalten. m Süden be- fchränft fich die Kiffbildung auf dte fumatranifhe Küfte, der denn aud die zahllofen, bereits früher erwähn- ten Fleinen und dichtbewaldeten Ko- ralleneilande vorgelagert find. Die Seefarten geben lediglich die Tiefen bis zu 60 faden in der 1 Sudl Breite UMATRA 0° Nöordl.Breite S; (23) = RS I . “pl R 5 See S |. en) ya « NE © E e\ = [23] at = jeT 4 y 8, ri Banjakl N MENT: 307 605 903 0" Sudl. Breite 1 Nordl Breite 4° yaga 7 (Schott gez.) Tiefenangaben in Metern. Die £otungen der „Daldivia” find durch fetteren Drud hervorgehoben. Meerestiefen längs Sumatras Weftfüfte. 564 Tiefen des Mentawei- Bedens. Umgebung der Küften an, bieten aber feinen Auffhluß über die Neltefverhältniffe des füdlichen Abfchnittes des Mientawei- et en waren in der Tage, fowohl in oceano- sraphifcher, wie in zoologifcher Hinficht eine Neihe neuer Auffhlüffe zu gewinnen, unter denen wohl der wichtigfte jener fein dürfte, EN die Tiefen- und eigenartigen Tempe- raturverhältniffe des füdlichen Abfjchnittes betrifft. Während man nämlich vermuten durfte, daß es fich um ein relativ flaches Gebiet handele, fo waren wir fchon bei unferer Annäherung an die fumatranifhe Küfte nicht wenig überrafcht, inmitten des Bedens eine Tiefe von I67I m zu loten. Fünf Kotungen zeigen denn aud, daß wir es mit einem relativ abgefchloffenen Randbefen zu thun haben, das wohl eine Tiefe von 2000 m aufweifen mag. Es fehren alfo hier ähnliche Derhältniffe wieder, wie fie bereits durch frühere Sorfhungen aus dem weftlichen pacififhen Dcean befannt ge- worden find. Es fet nur erwähnt, daß zwifchen den Philippinen und China das tiefe China-Befen ausgebildet ift, dem dann noch fünf weitere Befen — unter ihnen das Celebes-, das Timor- und das Banda-Befen — fi anreihen. ber die & Gliederung, die Tiefen- und Temperaturverhältniffe diefer Berfen hat inzwifchen die unter der Keitung von Prof. Weber ftehende holländifhe Siboga-Erpedition durch ihre fleigigen Unterfuhungen eine fülle neuer und wichtiger Auffhlüffe gebradt. Es mag genügen, an diefer Stelle darauf hinzuweisen, daß die hinterindifhen Befen durchweg tiefer find, als das von der „Daldivta” nachgewiefene fumatranifche, weldes Prof. Supan als „Nentawei-Becen“ bezeichnete. Indem wir diefe Benennung beibehalten, fei bemerft, daß wir fie, um nicht einen neuen Ausdruck zu fchaffen, aud) auf den nördlichen, aller- 35 flahen, Abjchnitt ausdehnen. Der Tieffeeboden des Mlentawei-Bedfens bejteht nah unferen Unterfuhungen im füdlichen Abfchnitt aus einem graugrünen vulfanifhen Shlid. Er enthält 1I—20%, fohlenfauren Ralf in Seftalt zahlreiher Schalen von Oberflächen- und Bodenforamini- feren mit eingeitreuten Coccolitben. Kiefelorganismen, wie Diatomeen, Nadiolarien ding und Schwammnadeln, treten durchaus zurüd. Kleine Niineralförner aus vulfanifchen Blas, Feldfpat, Quarz, Ausit, Hornblende — gelegentlih auch Nlagneteifen und Scwefelfies — find in die amorphe thonige Subftanz eingefprengt. Durch frühere Kotungen war bereits der Nachweis geführt worden, daß außerhalb der Sumatra vorgelagerten Infelreihe dte Küfte fteil im große Tiefen abfällt. Wir werden noch Gelegenheit finden, an der Hand unferer Kotungen Rs von Mias die Derhältniffe etwas jpecteller Flarzulegen. Swifhen den einzelnen Infeln zeigen nun die Hugänge inmitten der Straßen nicht fehr anfehnliche Tiefen. In der Stra en von Siberut loteten wir T5O m und in der Mitte des großen Uias-Kanals (füdlich von Hias) 6C7 m. Die Zugänge dürften fchwerlih eine größere Tiefe als IOO m aufweifen, wie dies aus den Ergebniffen der von dem Dceanographen ausgeführten Temperaturferien hervorgeht. Wenn wir leßtere etwas fpecieller in Betracht ziehen, fo ergaben fie folgende NRefultate: Temperaturferien. 565 Indifher Ocean. 1899. Tiefjeetemperaturen (° C.). Station Station | Station Station | Station Ar. 168 | Nr. 17 u.180 | Mr. 221 Nr. 190 Ar. 214 ; Datum Datum | Datum Datum ee 5a 16. I. | 22. 1I. | 30.1. 10. II. | Breite Ss. | Breite S. | Breite S. | Breite S. | Breite N. | 36° 14.3 ISSN 4° 6' | 0° 58.2 7° 43.2 £änge O. £änge O. \ £änge OÖ £änge O. Länge OÖ. 78° 45.5 96°20.3 | 73° 54" 99° 43.2 | 88°44.9 | Südäquatorial- ana a |ttoesdanatoniar | Stromftillen Der | Strom Aqua ar = egen rom 1l Strom |" gadtichen (SO.-Paffat) | Aesltoufun) | (NO.-Monfun) | BoßeBreiten, | _ | Öftt. Teil, | Öft. Ceit Öftl. Teil | Öftl. Teil bei | Centr, Teil, en | = En Tiefe in m d. Kofos =Jnfel | Chagos=Gegend Beden Bengalen Tiefe in m {6} 17°4 277% 27°5 2904 2704 [0] 25 16.0 27.5 26.9 28.5 DR.\ 25 50 15.1 27.0 26.0 DR.7 50 75 14.0 25.7 21.8 (6) ‚100 15.0 24.2 20.5 27.% 23.3 100 125 12.8 23.1 19.7 25 150 12.6 21.7 16.2 16.9 150 175 16.2 15.0 175 200 12.% 18.2 14.7 12.6 13.9 200 250 11.9 250 500 11.9 15.2 1.5 11.5 500 400 11.5 9.9 400 500 9.2 9.7 9.1 500 600 10.2 9.0 9,9 600 800 7.6 6.5 KEN 800 1000 2.9 D.2 6.1 5.9 7.4 1000 1500 3.1 3.9 4.6 1500 2000 2.5 2.5 2000 Boden in r = 5005 n | an \ Boden in m Tiefe 241% 5854 2926 1280 | 5092 | m Ciefe Temperatur | r r | | Temperatur 2» e | .8 ‚gt 12 am Boden 1 15 | \ 2) | \ | am Boden N) und in Stat. Ur. 187: Bodentiefe 1671 m, Bodentemperatur ebenfalls 5°9. Dergleiht man nun die im Alentawei-Befen gewonnene Temperaturferte mit den außerhalb der nfelreihe im freien Indifhen Ocean gewonnenen, jo ergiebt es fich, daß von Y0OO m ab die Temperatur mit 5,9° fich gleich bleibt, während fie von der genannten Tiefe ab im freien Dcean Fontinuierlih abnimmt und 3.3. bei 500 m 4°, - bei ICOO m 9° trägt. Aus diefen Unterfchieden in den Tiefentemperaturen Fönnen wir mit Sicherheit den Schluß ziehen, daß die Sugänge zu dem Mentawei-Beden nicht tiefer als IOO m liegen, und daß von der genannten Tiefe an die Temperatur, 566 Oceanographie des Mentawei-Bedens. wie in allen derartigen relativ abgefhloffenen Bedfen, fih unabhängig von derjenigen des freien Dceans geftaltet. Erwähnt fei nur, daß in den hinterindifchen Beden, die meift über 4000 m tief find (im Banda-Beren lotete die „Siboga" 5684 m), die Zugänge zum freien Dcean tiefer liegen. Sie weifen nämlich erft von I60O m an bis zum Grunde eine fich nicht erniedrigende Temperatur von durchichnittlih 5° auf. Bemerfenswert ijt weiterhin noch der Umstand, daß der Salzgehalt im Mlentawei- Befen an der Oberfläche mit durchfchnittlih 55,8%, geringer tft, als in größerer Tiefe, wo er 3. B. in 600 m den Betrag von 59,5%0 erreicht. Die Herabminderung an der Dberflähe mag wohl wefentlit dadurch) bedingt werden, daß es fih um ein Gebiet handelt, welches im Bereiche des Noröweit-Monfuns mit feinen veichlichen Regengüffen gelegen ift. Es wiederholen fih hier ähnliche Derhältniffe, wie wir fie fhon früherhin bei Befprehung des Guineaftromes zu erwähnen Gelegenheit fanden. Wie dort, fo ift es auch bier in diefem feuchtwarmen Gebiet drückend fhwül. Die Lufttemperatur betrug um die ne im Mittel 51°, und es fühlte auch dann nicht ab, wenn fchwere Gewitterregen niedergingen. Ein derartiges Gewitter brach gleih in der Naht nad Derlafteniz von Padang herein; wer nach demfelben das Mleer im Scheine des Doll- mondes ruhig glitern fah, hätte nicht geglaubt, daß Furz vorher noch ein wilder Auf- ruhr der Elemente herrichte. Gleich bei dem Eintritt in das Mlentawei-Beden wurden wir in hohem Maße durch das Ergebnis unferer Schleppneßzüge überrafcht, welches der Erwartung Raum gab, daß bei genauerer Durhforfhung uns reiche unterfeeifhe Schäße zu teil werden würden. Unfere Hoffnungen find in vollem Mlaße in Erfüllung gegangen, und jo verweilten wir viel länger, als wir urfprünglich beabfichtigt hatten, bei den nfel- gruppen und gaben fchlieglich der Fahrt auf Grund der prächtigen Ergebnifjfe eine Ausdehnung bis zu den Hifobaren. Die MentaweisInjulaner. . Bevor wir die zoologifchen Ergebnifje Furz ffiszieren, fei es geftattet, den nfeln felbft und ihren Bewohnern unfere Yutmerkfomtekt zuzuwenden. Als wir gegen Abend des JO. Januar vor Siberut anlangten und während der Nacht uns mit ausgeworfenem Schleppnet treiben ließen, fiel der Unterfchted in der Phyfiognomie der größten Mlentawei- Infel mit Sumatra recht nahdrüdlih auf. Die Infel ift zwar gebirgig, aber im ganzen niedrig und, fo weit das Auge reicht, von dichten Urwald bedeckt, über dem jchwere Hebelwolfen lagerten. Man hatte uns in Padang nahdrüdlich gewarnt, einen Kandungs- verfuch in Siberut zu unternehmen, da die Bewohner in fchlehtem Xufe ftehen. Ich Ethnoaraphie der Mentawei- Gruppe. 36€ habe nachher es aufrichtig bedauert, daß wir, wenn nicht Siberut, fo doch den füdlicher gelegenen Infeln feinen Befuch abftatteten. An einen folhen dachte man freilich Faum im Raufche über die Ergebniffe umferer Schleppnebe, die alle Hände in Bewegung feßten. Immerhin bietet die Bevölferung in ethnographiicher Hinficht jo hohes Interefie dar, daß man es vielleicht entjchuldigen wird, werm ihr hier eine Furze Bejprehung zu teil wird. Ich vermag fie durch eine Anzahl photographifcher, den Typus jenes eigen- artigen Dolfes trefflih wiedergebender Aufnahmen zu beleben, die mir Herr Hieuwenhuis in Padang zur Der- fügung ftellte. icht minder bin ich Konful Schild zu Danf verpflid- tet, daß er mir mit großer Hu- vorfonmenheit eine Sanımlung ethnographifher Dbjefte von Hord-Pageh zufommen ließ. Da derartige Objekte in un- feren Mufeen noh zu großen Seltenheiten gehören, jo er- laube ih mir an der Hand einiger Bemerkungen diefelben zu reprodusieren. Der erfte Europäer, der uns über die Eingeborenen der Aentawei-Gruppe unterrichtete, war ein Deutfcher, H. von Ro- fenberg, der in holländischen Dienften ftand und im Auftrage des Gouverneurs die Infeln bereifte. 21b- gefehen von fpäteren Befuchen holländifcher Beamten (bei welcher Gelegenheit auch die nachftehenden nen Gau SL Snunen nn N wurden) haben neuerdings I8IT) Maaß und Morris, welh Iesterem wir eine trefflihe Abhandlung über die Sprache der Alentaweier verdanken, die Infel Pora erforjcht. Was die Bewohner der Mentawei-Gruppe anbelangt, fo handelt es fi) um einen mittelgroßen, Fräftigen und entfchieden fchönen Menfchenfhlag von rotbrauner bis gelb- brauner farbe. Der Typus weicht fehr ab von jenem des Malayen auf Sumatra 568 Typus der Männer. und bietet bisweilen Anflänge an dte Papuas (dies namentlich) in Süd- Pageh), wenn auch andererfeits gewiffe phyfiognomifche Ahn- lichFeiten mit den Dajats, den Bewohnern von Bor- ra ne neo, nicht abzuleugnen find. Die Sippen find etwas aufgemwuljtet, die lange Iafe ift platt und die Bacenfnochen treten durchaus nicht u EEE EEE: fo ftarf hervor, wie bei den Malayen. Die Augen find groß und ausdrudsvoll, ftehen nicht chief, obwohl das untere Augenlid am inneren Augen \ winfel leicht eingezo- gen ift. Die Baare find bet Männern und Weibern lang, fhwar;, leicht gewellt und wer- den entweder frei he- rabhängend oder in ei- nen Knoten aufgewunden getragen. Junge Männer fchneiden fie vorn Furz ab und Fänmen fie gegen die Stirn. Eimen Bartwucdhs laffen die Abbildungen nicht erkennen. Da die Mlentaweier feinen Betel Fauen und nur, wie aus den Bildern erfichtlich if, Tabaf (Neuwenhus Pet) Mord-Pageh. Mann mit Hut. rauchen, den fie in form von Ligaretten in die Blätter der Hipa-Palme einfchlagen, fo befiten jie weiße Hähne, welche vorn dreiefig zugefeilt find. Die Bewohner von Siberut und Pora bedefen in beiden Kleidung von Männern und Weiber. 969 Befchlechtern den Körper mit fehr auffälligen, diejenigen von Pageh mit weniger hervor- ftechenden Tätowierungen. Die Kleidung ift die denfbar primitivfte. Die Männer gehen nadt bis auf einen 6 m langen Kendengürtel, der aus Baumbaft hergeftellt und braun gefärbt wird. Dazu Fommt ein mächtiger Hut, wie er ähnlih groß wohl von faum einem YWaturvolf befannt if. Er wird aus den Blattfcheiden der Sagopalme verfertigt und am Xande mit Rotang verftärft. Die Kleidung der Weiber befteht aus einem Hüfttuchh aus Baumbaft oder erhandelter Baumwolle. Dazu fommt bei Aus- gängen ein wunderlicher Sierat, der geradezu als Charafterijtifum für die Bewohner gelten darf, nämlich eine Kendenfraufe aus zer- ichlisten, getrodneten Bananenblättern. Wäh- rend bet den Mädchen der Oberförper ent- blößt ift, tragen die Frauen noch eine Bruftfraufe, und in Pageh einen die Bruft einfhnürenden Baftjtreifen. Die frauenhüte haben in Siberut und Pora dte Form von Kinderhelmen; in Pageh werden aus zerfchlisten Bananenblät tern gefertigte Spitshüte bevorzugt. Ein fympathifher Aug ift es, daß Männer und Weiber es lieben, fich täglich neu mit bunten Blüten und Fe- dern zu fchmücen. In eine Stirnbinde ftecfen fie die roten Blüten des von ihnen befonders verehrten Hibiscus rosa Sinen- sis und verfchiedener Croton=Atrten. Präd- tig foll diefer anmutige Schmuc mit der a Er dunklen Haut, die durch fleigiges Baden und durch Einreiben verfchiedener Säfte gepflegt wird, Weiber von Siberut. (Nieuwenhuis phot.) Fontraftieren. Dabei lieben fie es, Halsfchnüre, die mit bunten Mufchelftückhen oder erhandelten Perlen befett find, und Lendenfhnüre aus langen Rotangitreifen anzulegen. Fingerringe und Armfpangen werden, wie aus den Photographien erfichtlih ift, von Atännern und Weibern getragen. Wenn die Mentawei- Gruppe von den Europäern fo wenig befucht wurde, fo liegt dies wefentlich daran, daß die Männer eine in ganz Sumatra gefürchtete Waffe tragen. Hur Jagd auf Wildfchweine, Hirfche und Affen, nicht minder aber auch zu der energifchen Abwehr gebrauchen fie nämlich Bogen und vergiftete Pfeile, mit denen fie auf 50—60 Schritt Entfernung faum das Stel fehlen. Die fehwarjen Bogen werden aus dem elaftifchen Hole der Salap-Palme (Arenga obtusifolia) hergeftellt, die Sehnen aus Baft, Chun, Aus den Tiefen des Weltmeeres. Zweite Auflage. 24 80 Das Pfeilaift. der mit Harz verfeßt ift. Die Pfeile beftehen aus zwei Teilen, nämlich einem aus dem Blattitiel der Yipa-Palme gefertigten Schaft und einer aus dem Holze der Caryota urens gefertigten, über feuer gehärteten Spite. Gelegentlich bringen fie an Stelle der langen Spise Stacheln von Nochen oder aus Metall gefertigte zwei- fchneidige SFalpelle an. ac den Angaben von Rofenberg foll das Gift dem Umei-Baum entftammen und mit Er- traft der Wurzel eines Locculus-Strauches, dem Tabaf und Lapficum beigemifcht wird, verjest werden. Ich habe die Dfeile aus zwet Köchern (jeder Köcher enthält 40 bis 90 Pfeile) meinem Kollegen‘ Boehm, dem befannten Pharmafolo- gen, zur Unterfuchung übermittelt. Es ergab fich, daß die in dem einen Köcher enthaltenen Feine Giftwirfung erfennen ließen, während diejent- gen des anderen, obwohl fie fchon lange Seit außer Gebrauh waren, nod fehr energifche Reaktionen hervorriefen. Der furze Bericht lautet folgender- maßen: „Die Pfeile des Nord-Pageh. Ülterer Mann und Mädchen. (Nieuwenhuis phot.) zweiten Köchers find an der Spite zur befferen Firierung des Giftes mit Fäden umwidelt und darauf tft die Biftpafta in ziemlich dicker Schicht gefchmiert. Das abgelöfte Gift tft reichlich in Waffer [öslih. Das Löslihe von 5—IO mg genügt, um bei Fröfchen den charafteriftifchen ın Sern- und Nahwaffen. BYa| Nord=Pageh. Junge Männer. (Nieuwenhuis phot.) fvftolifchen Berzftillitand nah circa Ya Stunde hervorzurufen. Eine Kate verendet I Stunde nah fubfutaner Injektion der Löfung von 0,06 gleichfalls unter den für die Herzgifte charakteriftifchen Symptomen. Alfaloide find in der Giftlöfung nicht nachweisbar. Es ift fonad) zweifellos, daß das Gift ein Glufofid aus der Reihe der Dersgifte enthält, hödhftwahrfcheinlih aus Antiaris toxicaria hergeftelltes Antiarin.“ Aufbewahrt werden die Pfeile in einem langen Bambusföcher, der an einer Schnur oder an einem Baftitreifen getragen wird und einen Decdel zum Schub gegen Negen- und Seewaffer aufweift. Außer Pfeilen und Bogen werden auch noch KSanzen und Doldhe als Hahwaffen verwendet. Die Spiten der Kanzen und Klingen der Dolce find zweifchneidig und aus Eifen hergeftellt, welches fie von malayifhen und hinefifschen Händlern erftehen und mit außerordentliher Geduld zurechtichleifen. Der Kanzenfchaft befteht aus dünnen Bambus und läuft in eine Meffinghülfe aus, welche die zweifchneidige lange Spite trägt. Die 24* 372 Boote und Sifcherei. Dolhgriffe und die Scheiden der Dolce find fehr eraft aus einem hellen Holze ge- arbeitet; der Griff des Mientawei-Dolches ift gefhweift und endet in figuren, die einem Dogelfopf gleichen. Der Doldy wird an der rechten Seite im Bauchgürtel getragen. Auffällig Plein und leicht find die jowohl innen wie außen mit bunten Siguren be- deckten Schilde. Schmäler und Faum länger als der Hut fehrumpfen fie faft zu einem Spielzeug im Dergleih mit den voluminöfen Schilden anderer Haturvölfer zufammen. Immerhin dürfte die leicht zu handhabende Defung wohl geeignet fein, anfchwirrende Pfeile abzufangen. Alle Bewohner find leidenfhaftlihe Jäger und Fischer, welche in einfachen Prau’s, die aus einem ausgehöhlten Baumjtamm hergeftellt werden, fich auf das Meer hinauswagen. Die Prau's find von den verfchiedenften Brö- gen; auf Pora bejiten die Dorfhäuptlinge gro- fe Boote, welche I20 Menfchen faffen, wäh- rend dem gewöhn- lihen Gebraud, Flet- nere Kähne dienen, in welhen Mann nnd frau Fnieend mit außerordentlich zterlich gearbeiteten Fleinen Paddeln ru- dern. Selbit die Kin- der wagen fih in ntedlihen, wie eine Mondfichel geformten Kähnen auf das Meer. nn = Auf Süd-Pageh find die = Bene gewöhnlichen Ruderboote, wie die Abbildung zeigt, mit Doppel- (Nieuwenhuis phot.) ’ Süd-Pageh. Eingeborene und Boot mit Ausleger. auslegern verfehen. Die formen der Ruder find fehr verfchieden; bald wird ein rundes Nuderblatt durh NRotang mit dem Stabe verbunden, bald find Stab und Blatt aus einem Stüf als fharf zu- gefpitte Paddeln gearbeitet. Die größeren Boote befiten einen oder zwei Majten, an denen Mattenfegel aus Baft angebraht werden. Außer Fifchnesen verwenden fie Wohnungen. Religiöfe Dorftellungen. 309 Harpunen, die, wie ein mir vorliegendes Eremplar bezeugt, offenbar von dem Bogen abgefhofjen werden. Ühnlich wie der Pfeil befteht die Fifhharpune aus zwei Teilen; der untere ift fehr leicht und aus einem dünnen Bambusjtabe gefertigt, der obere fann ihm aufgefest werden und trägt drei aus Meffing gearbeitete Widerhafen. Durch einen langen, um den unteren Abfchnitt gewicelten Bindfaden hängt die Harpunenfpise mit dem Stabe auch dann noch zufammen, wenn fie fih lodert. Dies erfolgt offenbar nach dent Anfchießen des Fifches: die Widerhafen haften in dem Körper, wäh- rend der leichte YBambusftab an der Dberfläche flottiert und als Schwimmer den Weg andeutet, den der Fifch genommen hat. Ihre Wohnungen liegen ftets entfernt vom Strande an Fleinen Fluß= oder Bacdläufen. Sie beftehen teils aus großen Derfammlungshäufern, in denen oft mehrere Hunderte von Perfonen ihre Seite feiern, teils aus Samilienwohn- häufern, die, im Grundriß vechtefig, auf Bambuspfählen ftehen und bisweilen eine gefhmadvoll gearbeitete Front mit einer vorfpringenden Plattform aufweifen. Den Sugang zu den Platt- formen bilden Stämme, in welche Stufen gehauen werden; auch führen fie Knüppeldämme und Kaufitege vom Slußufer bis zu den größeren Käufern NE auf, über welche der Mentaweier „loopt als een Parijzenaar over zijn Boule- vard”. In der Umgebung der Dorffchaften werden auf Fleinen Parzellen primitive Pflanzungen von Colocafien, Bananen, Huderrohr, Kofos- und Sago-Palmen angelegt. ER ALn: er (Nieuwenbuis phot) Uber ihre religiöfen Porftellungen und Gebräuche, Sr welche eine fo ausgiebige Rolle in der Lebenshaltung jpielen, daß oft für Wochen dem Fremdling der Befuch der Dörfer unterfagt wird, find wir nur unvollfommen unterrichtet. Sie glauben an einen guten Geift, dem fie in einem reich gefhmücdten Heiligtum in prächtiger Urwaldlandfchaft vor der Aus- fahrt zu ihren Sifchzügen opfern. Das Beilistum befteht in Pora aus einem großen 57%4 Charafter der Nentaweier. Süd=Pageh. Wohnhütte. (Nieuwenhuis phot.) Bambus-Cylinder, der mit bunten Streifen Zeug und Blumen behangen ift. Kleinere derartige Heiligtümer in Geftalt von heilbringenden, in Stoff gewicelten Blättern werden in den Häufern aufbewahrt. Das Scniten roher Fetifche ift ihmen fremd; in den Häufern werden die Schädel von Birfchen, Affen, Schweinen nebjt Rüdenpanzern von Schildfröten aufgehängt und angeblich verehrt. Die Furcht vor böfen Geiftern und die Sorge um Befänftigung derfelben jcheint bei allen wichtigen Angelegenheiten, wie Ge- burt, Heirat und Tod, das Motiv zu gewiffenhaft befolgten Gebräuchen abzugeben. Nord-Pageh. Waffen und Geräte der MentaweisIniulaner. Nach einer von Konjul Schild übermittelten Kolleftion. Auf Yıı verkleinert. 5. Sifchharpune. 4, But. Derfelbe verdedt teilweife zwei Ruder; auf ihm 1. Bambusföcher mit Dedel für die vergifteten Pfeile. 2. Dolch mit Scheide. £endenfchurz aus Bafl. Der Schild hängt ein Balsihmud. 5. Lange, mit Perlen befegte Rotangjchnur. 6. Rotangfchnüre und Bindfaden aus Baft, T. it Im hoch, außen und innen bemalt und am Handgriff mit einer Kofosfchale verjehen. 576 Herfunft der Mentawei-Infulaner. Der Mentaweier erflärt fih dann als „pantang” (der Ausdruck bedeutet etwa „ver- boten“) und es ift ihm unterfagt, während eines bejtimmten Seitraumes mit anderen zu fprechen oder Handel zu treiben. Bei außergewöhnlichen Dorfommniffen Fann ein ganzes Dorf „pantang” werden: ein bequemer und gerade in neuerer Seit öfter ge- brauchter Dorwand, um Derhandlungen mit Fremden und holländifhen Negterungs- beamten aus dem Wege zu gehen und ihnen das Betreten der Ortfchaften zu unterfagen. Im übrigen tft es ein lebensfrohes Dolf, das in Gefang und Tanz, in Bogen- fchießen, Wettfhwimmen und Hahnenfämpfen fich ergeht. Bei dem Tanz wird ein Tanzfhürzhen getragen und unter anmutigen Bewegungen der Flug der Dögel nac- geahmt. Daß dem Mentaweier Fünftlerifher Sinn nicht abgeht, bezeugen die trefflich ausgeführten Schnißereien und die lebenswahren bildlihen Darftellungen von Tieren. Atan hat die Derwendung von Fernwaffen in Geftalt von Bogen und Pfeil ge- legentlih als ein Charafteriftifum der melanefifshen Naffe bezeichnet. Immerhin muß hierbei in Betracht gezogen werden, daß einerfeits nicht alle Mlelanefier diefe Fern- waffen Fennen, und daß andererfeits auch die Uegritos von Dft-Luzon fih ausfchlieglich der Bogen und Pfeile bedienen. Mit vergifteten Pfeilen fchiegen befanntlich die Dajafs von Borneo; allerdings verwenden fie zum Abfchnellen nicht den Bogen, fondern das Blasrohr. Im allgemeinen jteht öftlih von Sumbawa, Celebes und den Philippinen der Bogen, weftlih das Blasrohr im Gebrauh. Um fo mehr muß es auffallen, daß auf den am weiteften nad) Weften vorgefhobenen Infelgruppen des malayiihen Archipels ein Dolf wiederfehrt, weldhes Bogen und vergiftete Pfeile gebraucht. Diefe Fennen weder die Bewohner von Engano, noch diejenigen von Uias. Die Gegenfäse ftoßen auf diefen noch wenig durchforfhten Infeln hart aufeinander: in Engano verwendet man zur Abwehr fo ungefüge und fchwere Schilde, daß fie faft wie Schilderhäufer den Mann defen — auf den Mlentawei- Infeln wird der Schild zum rudimentären Organ! Wir haben in den Mlentaweiern unftreitig einen in ethnographifher Binficht fcharf umfchriebenen Stamm vor uns, über deffen Urfprung es freilich einftweilen fhwer fällt, fih Nehenfhaft abzulegen. Handelt es fih um eine Urbevölferung, die auch auf Sumatra anfäffig war und durch die malayifhen Einwanderer verdrängt wurde, oder laffen fih verwandtfchaftlihe Beziehungen zu den Polynefiern nachweifen? Das find fragen, welche erjt nach einer eingehenden ethnographifchen Forfhung einer Löfung nähergebracht werden Fönnen. Die Abbildungen der Mentawei- Infulaner, welche hier reproduziert werden, haben nicht minder als diejenigen der noch zu fchildernden Hifo- barer in hohem Maße das Interefje Fompetenter und befreundeter Forfcher — unter ihnen der Dettern P. und $. Sarafıin — erregt; ich möchte wünfchen, daß die legteren ihre erfolgreichen Forfhungen im hinterindifben Arcipel auch auf die Mlentawei- Gruppe ausdehnen! Sandung auf Süd-Xias. 30C ias. Es dürfte nicht ohme Intereffe fein, der Schilderung der Mentawei- Infulaner die- jenige der Bewohner von Hias folgen zu lafjen. Dem Fetifchismus ergeben, als Kopf- jäger verrufen, nehmen diefe begabten Bewohner einer reichen Infel eine nicht minder tfolierte Stellung in dem bunten malayifhen Dölfergetriebe ein, als die Nlentawei- Infulaner. Dabei haben fie auf dem füslihen Teile von Hias, unberührt von dem Einfluffe der Kultur, ihre Eigen- art jo vollfommen bewahrt, daß der Sefer es vielleicht entfhuldigen wird, wenn wir den flüch- tigen Eindrud un- feres Furzen Befuches wiedergeben. Hachdem wir un- fere Arbeiten in der Siberut-Straße er- ledigt hatten, fuhren wir an den niedrigen Batu= nfeln vorbei, denen ein Fleines Ei- land, Pulo Bo8Jo, in der Siberut-Straße vorgelagert ift. Sein fchlanfer, fcharf von dem dunflen Urwald Eingeborene von Süd =Nias. (Sachse phot.) fih abhebender Leuchtturm ragt bis zu S6I Fuß auf und entfendet zweimal in der Minute ein Blisliht, das auf 27 Seemeilen im Umkreis fihtbar ift. Am I. Februar paffierten wir zum viertenmal den Aquator und Freuzten zwei Tage lang, belohnt durch eine faft überreiche Ausbeute, in der Süd-lias-Straße. Da wir am Yachmittag des 2. Februar der Südfüfte von Hias nahegefommen waren, fuhren wir in die ftille Bucht von Talof-Dalam ein. Palmenumrahnt, auf der Ditfeite mit hohem Urwald beftanden, der bis zum Strande herabragt, bietet fie mit ihren teils Rn 978 Phyfiognomie der Hiafer. bewaldeten, teils mit grünen Flächen bedecten, hügeligen Hintergrund ein liebliches und friedliches Bild. Wir anferten auf I6 Faden Tiefe, und ich entfchlog mich, da wir an dem Strande zahlreiche braune Menfchen bemerften, mit einigen Gefährten zu einem Kan- dungsverfuch. Die Bucht ift bis im direfte Nähe des Strandes tief und wird von einem Korallenriff um- fäumt, das hauptfählich aus Madreporen mit ihren bläulichen Sweigipisen gebildet wird. Bei einiger Dorficht gelangt man mit dem Boote über die einen feenhaften Anblit gewährenden Xiffe bis in die Hähe des Ufers, das wir nad) Durcdh- waten des Riffes ungefährdet erreichten. Don allen Seiten Famen die Einwohner herbei, und es bot fih dem Heuling zum erftenmal der Anblid faft nadter, bewaff- neter Nlänner dar, die man nur allzu bereit- willig als „Wilde“ zu bezeichnen pflegt. Sie nahmen uns freundlich auf, fchüttelten uns die Hände und begannen eine lebhafte Konverfation in (Sachse phot. Junger Xliafer. ihrer wohllautenden, von dem Malayifchen gänzlich verfchiedenen Sprache. Hur ein mit Speer und Schild bewaffneter größerer Mann fchrie fchon von weiten, fprang mit gefhwungenem Speer auf mich zu und ftieß ihn vor mir in den Sand. Da er dann fehr aufgeregt mit demfelben herumfuchtelte, war es mir im erften Moment unangenehm, daß ich Feine Waffen bet mir hatte. Als ich ihm imdefjen meine brennende Ligarre in den Mund ftete, beruhigte er fich rafch und rauchte wie ein Schlot. Wir hatten veichlih Gelegenheit, an den von allen Seiten herbeifommenden Männern und anfänglich fheu am Strande fich vorbeidrücdenden Meibern unfere Be- obadhtungen anzuftellen. In feiner Phyfiognomie fteht der Bewohner von Nias dem Mlalayen entjchieden näher, als derjenige der Mientawei-Gruppe. Die Badenfnochen fpringen zwar nicht fo ftarf vor wie bei dem Mlalayen, doch find die Lippen gewulftet und dle Hafe platt. Im allgemeinen erreichen die bartlofen, hell Faffeebraun gefärbten Männer Faum Müttelgröße, feffen aber durdy die fchlanfe, fehnige Beftalt. Ihr Haar hängt entweder ftraff herab oder wird in einen Anoten gebunden; manche hatten es vollftändig raftert, andere wiederum liegen nur einen Kranz von Ffurzen Haaren ftehen. Die Schneidezähne, uoa 2UAOJEUZJ Are Kleidung und Waffen. 579 fhwarz vom Betelfauen, find etwas abgefeilt, aber nicht dreiedkig zugefpist. Unter den munteren Jungen waren einige durch ftarf entwicelten Hängebauch mißgeftaltet. Die Weiber find faft einen Kopf Fleiner als die Männer. Ihre Bruft ift Schwach ent- widelt; das runde Beficht der Mädchen zeigt angenehme SHüge, war aber bei den frauen verfallen und abgehärmt. Die Kleidung der Männer ift eine jehr primitive, infofern die meiften fich mit einem £endentuch begnügen, defjen ausgefranfte Enden vorn herunterhängen. Einige trugen aus Baft gefertigte ärmellofe, auf der Bruft offene Jaden. Sie fallen durch ihre Schwere auf und find dabei fo feit gewebt, daß fie wie ein Panzer Schu gegen Biebwaffen verleihen. Um dte Stirn legen manche Männer ein Band refp. eine Schnur zum Feithalten der Haare, während andere mit einem Tuch, das nach Art einer Müse gefhlungen wird, oder auch mit einem runden, geflochtenen Hut den Kopf bedefen. Die eingefammelten Kofosnüffe trugen fie auf Bambusftäben, welche durch Querjproffen nah Art einer Leiter miteinander verbunden waren. Bei den Frauen ift der Dberförper nat, während der Unterförper in einem on ngen, dunfelbraunen, weit herabreichenden Sarong fteft. Sie tragen die runden ma= layifhen Hüte aus Palmblättern, die fie bei dem Schleppen der Kajften in aus Baft geflochtenen Rudfäcen ab- nehmen. Um den Hals winden jte Schnüre aus blauen Glasperlen, und in den Ohren teten fo große und fchwere, filberne Ohrringe, daß die Dhrläppchen lang ausgezogen waren. Bei den Männern bemerfte man zwar feine Ohrringe, doch befaßen mehrere durchbohrte Ohrläppchen, und einige trugen gleichfalls Schnüre um den Bals. Die älteren Ntänner gingen bewaffnet mit den für die Infel Hias fo harafteriftifchen Kan- zen und Schilden. Der Kanzenfchaft befteht aus Palmenhol; (Arenga), das mit regelmäßig abwecjelnden Ringen aus Rotang umflochten ift. Die eiferne Spiße ift einfchneidig und mit einem Niafer mit Baftjaten langen Widerhafen ausgeftattet. Der ias-Schild, deffen Form aus der Abbildung erfichtlich ift, zeichnet fich durch feine geringe Breite und durch fein Auslaufen in zwei 380 Holländifher Einfluß auf Xias. Spigen aus, von denen die untere die längere ift. Ein jeder — die Jungen nicht ausgenommen — trägt einen Furzen Kris in geflochtener Scheide, der Iinfs im Lenden- tuch ftedt. Wir befchenften fie mit dem, was uns geradezu zur Derfügung ftand, und ich Fann verfichern, daß ich mich felten einen Hacmittag hin- durch befjer un- terhalten habe: fie fprahen Niafifd) und ich Franf- furter Dialeft. Die allgemeine Befrie- digung fand denn auch darin ihren Ausdrud, daßun- fer Derwalter, der alle um Hauptes- länge überraste, mit der erworbe- nen Sanze unter mächtigem „hau, hau"einenKriegs- tanz aufzuführen begann; die Hi- afer zogen ihre Rrife, fhwangen Sanzen und Schil- de, und bald tanzte die ganze Gefellfihaft in den gewagteften frauen von Süd=-Nias. Sprüngen am Strande zu nicht geringer Beftürzung der an Bord Zurücdgebliebenen, welche glaubten, wir feien überfallen worden. Die große Infel, deren Bevölferung man auf ungefähr 200000 Seelen fchäßt, fteht nur zum Teil unter holländifhem Einfluß. In dem BHauptorte der Dftfüfte, Bei den Koppenfnellers. 581 Bunung Sitoli, refidiert ein holländifcher Kontvolleur, dem eine Fleine Truppe unter dem Kommando eines DOberleutnants beigegeben ift. Der Kontrolleur präfidtert dem Eingeborenen-Berichtshof, der nad altem Recht, dem Rapat, aburteilt. Außerhalb des im Umkreis von Gunung Sitoli gelegenen Rapatgebietes dürfte die Bevölferung als nahezu unabhängig gelten. Sahlreiche Rajas, denen wieder Dorfhäuptlinge unterftehen, üben die Macht über ein jeweiliges eng umgrenztes Gebiet aus. Die einflußreicheren Häuptlinge tragen als Seichen ihrer Würde bei feftlihen Gelegenheiten eine bizarr ge- arbeitete goldene Krone und die Staatslanze nebft einem rot umfpannten Fächer. Gerade in neuefter Zeit wurde lebhaft Klage darüber geführt, daß namentlich in Süd-Iias dur die ftändigen Fehden zwifchen den einzelnen Bemeinwefen die Unficherheit überhandnehme. Die Be- wohner von Süd-lias find berücdhtigte Kopfjäger oder „Koppenfnellers”, wel- he benahbarte Dörfer überfallen und die Bewohner, foweit fie nicht nieder- gehauen werden, zu Sflaven machen. Noch im April IJOO wurden nahe der Budt, in die wir eingelaufen waren, am Strande fünf Leichen, darunter eine Frauenleiche, mit abgefchnittenem Kopfe gefunden. In älterer Seit gebrauchten die Hiafer bei ihren Hahfämpfen (außer den fchon oben erwähnten Waffen) Sturmhauben, welhe aus Eifenbledh gefertigt wurden; auc, legten fie aus gleihem Material hergeftellte Schnurr- bärte an, um fich ein matttalifches ß > Hiafifcher Helm und Schnurrbart aus Eijenbled. Ausfehen zu verleihen. Derartige ab- Schild’fche Sammlung. GraffisMufeum, Eeipzig. fonderlihe Auszeichnungen fcheinen außer Gebrauch gefommen zu fein, da Fein neuerer Reifender derfelben Erwähnung thut. Es dürfte daher einiges ntereffe darbieten, diefe Foftbaren und in unferen Miufeen wohl Faum vertretenen Stüde, welche wir der Sammelthätigfeit von Conful Schild verdanken, im Bilde vorzuführen. Während bis 1827 ein einträglicher Sflavenhandel blühte (man führte jährlich gegen I90O Sklaven aus), fo hat die englifche und fpäterhin die holländische Regierung mit Erfolg dem Unwefen gefteuert. Immerhin verfallen in Sflaveret nicht nur die bei den verräterifchen Überfällen Geraubten, fondern auch die Schuldner der einzelnen Häuptlinge. Da lestere durch ein raffiniertes Syfitem die Schuld von Jahr zu Jahr verdoppeln, gerät nicht nur der Betreffende, fondern auch ferne familie in Sfla- veret oder — bef= fer gefagt — in Keibeigenfchaft, aus der ihn nur felten en in mühfamer Ar- beit dem Ab- tragen derSchul- den gewidme- tes Keben befreit. Stirbt ein ange- jehener Häuptling, fo werden je nad (Nieuwenhuis phot.) Rajah von Gunung=Sitoli (Mord=Nias). feinem Range eine größere oder geringere An= zahl von Sklaven, oft unter raffinierter Grau- famfeit, gefchladhtet, deren Köpfe bei dem Keichenfefte zur Derzierung des Grabes Der- wertung finden. Die Bewohner von Nias find Fetifchiften. Immerhin foll nicht unerwähnt bleiben, daf nad den Berichten der Rheinifchen Miffions- sefellfehaft neuerdings Nord-Iias ein frucdht- bares Feld für ihre Thätigfeit abgiebt, m- fofern im Jahre IYOI zehn Stationen mit 9cC8 Chriften aufgeführt werden. Alle ihre religiöfen Dorftellungen werden beberrfht von dem Glauben an gute und böfe Seifter. Dem Einfluß der leßteren fchreibt man Unglüdsfälle, Erfranfungen und fonitige Midrigfeiten zu. Dorfpriefter, die fogenannten Eingeborener aus Nord=Nias. (Nieuwenhuis phot.) Fetifchismus. 989 Ereh’s, fuchen diefelben als profefjionierte Befhwörer und Charlatane zu bannen. Die guten Geifter, welche namentlih in den Seelen der Derjtorbenen fortleben, werden als Ahnenbilder und Hausgöten, fogenannten Adju, gefchmist, in dem Baufe auf- geftellt und je nah der Hatur irgend eines Ereigniffes angerufen. in den Dörfern ftellt man größere, oft aus Stein gefertigte Jdole als Dorfichußgeifter auf, wie denn auch andererfeits die Fürften Wert auf reich gefhnitte und befleidete Ahnenbilder legen. Bet einigen der mir vorliegenden, rohen Schniswerfe fällt die Tendenz auf, fie dem Europäer ähnlich zu geftalten. Was den Charakter der Ti- afer anbelangt, jo bietet er eine ANtfhung von abftoßenden und fyvmpathifhen Sügen dar. Die Graufamfeit, mit der fie bet ihren Ülberfällen felbjt Weiber und Kin- der nicht fchonen, das Abjchladh- ten der Sflaven bei Keichenfeiern, die Habgier der Häuptlinge bei der Dermehrung der Schulden SUN AN Mo ihrer Xeibeigenen haben die Yi- afer in fchlehteren Ruf gebradt, als er ihnen gebührt. Wer län- Did vo h Hi x ; ger mit ihnen zufammenlebte, oder gar mit den nach Sumatra Ausgewanderten zu thun hatte, rühmt ihr offenherziges, fanftes und ehrliches Wefen. Als frob- finnige Menfchen lieben fie Tanz und Gefang, als fleigige Arbeiter werden fie in den Handelsftädten in hohem Maße gefhäßt. Por allen Dingen haben jie fich als tüchtige Handwerker, geübte Eifen- fchmiede und Weber eingeführt. Daß fie vortrefflibe Simmerleute find, beweifen nicht nur ihre auf mächtigen Pfählen errichteten Wohnhäufer, fondern auch die ge- legentlich fehr Foftbar hergeftellten Paläfte der eingeborenen Fürften. Wenn auch der nah Sumatra wandernde Miafer fich dem Einfluffe der Kultur nicht Riafijche Hausgößen. entzieht und weit über den in monotonem Eimerlei dahinlebenden Eingeborenen hin- fichtlich feiner Kebenshaltung fteht, fo hängt er doch zäh an feinen hergebradten Sitten. 384 Begabung der Niafer. In Padang hatte ich Gelegenheit, in Begleitung des Konfuls einer niafifchen Hochzeit beizuwohnen. Am Eingange zu dem im charafteriftifhen YHias-Stil gebauten Haufe waren die Hausgöten aufgeftellt, und im Innern bewegte fih in auffällig gemefjener Ruhe die Feftgenoffenfhaft. Wir wurden auf die Ehrenpläße geleitet und fahen den heimifhen Neigentänzen der Männer und den anmutigen Einzeltänzen der Mädchen zu, denen fich zu meiner großen Überrafchung eine tadellos ausgeführte und franzöfifch fommandierte Frangaife anreihte. Entfchieden handelt es fich um ein begabtes Dolf, das in feiner wohllautenden Sprache (jedes ntafifche Wort endet auf einen Dofal) fich in finnigen Wechfelgefängen, den „Lailo”, ergeht und unter dem Einfluffe gefitteter Anfhauungen tüchtige Eigenfchaften entfaltet. Gelingt es den Holländern, auf Hias fefteren Fuß zu faffen, der Unficherheit und den Graufamfeiten ein Ende zu machen, fo fteht zu erwarten, daß die Bevölferung fihh als eines der brauchbarften Glieder des malayifchen Stammes erweifen wird. Sahrt bis Atjchin. Durch frühere Lotungen war bereits der Nachweis geführt worden, daß die dem Indifhen Dcean zugefehrten Küften von Java und Sumatra in ein Meer, das Tiefen Unterfuchungen weftlih von Yias. 385 zwifhen 5—6000 m aufweift, abfallen. Derartige Steilabfälle find, wie wir früher zu erwähnen Gelegenheit fanden (S. #, nichts Befremdliches in Regionen, wo der Dulfanismus a, in dem Scichtenbau der Erdoberfläche bedingt. Da das Bodenrelief längs der Mordweftfüfte von Sumatra noch nicht genauer erforfcht war, fchien es von nterefje, durch eine Kotungsferie genaueren Auffhluß über den Heigungs- winkel des Sandes gegen die Tieffee zu erhalten. Wir fuhren daher am 5. Februar 60 Seemeilen wejtlih von ias und loteten hier die beträchtliche Tiefe von 9214 m. Die Bodentemperatur betrug I,2° und der Grund erwies fih als ein feiner, graugrüner Schlid, der zu 7%, aus amorpher thoniger Subftanz bejtand. Die in regelmäßigen Abjtänden gegen die Küfte zu veranftalteten Kotungen, welche Tiefen von SI2T, 1145 und 660 m ergaben, bieten ein anfchaulihes Bild für den Steilabfall innerhalb einer furzen Strede dar. für die Dornahme fonftiger Unterfuhungen mit Tiefenthermometern und feinen Heben erwies fih eine ftarfe nach Horden gerichtete Strömung fehr hinderlih. Sie führte reichlihes Sargaffumfraut mit fi, zwifchen dent eine recht eigenartige Fauna niederer Organismen fih umbhertrieb. In vieler Hinficht erinnert fie an die Kebewelt der Sargaffofee im Atlantifchen Dcean: dies nicht zum wenigften durd die ausgeprägte Schusfärbung, welhe alle Arten erfennen laffen. Ihre gelb- oder grünlichbraunen Töne harmonieren fo täufchend mit der Färbung des Krautes, daß nach Beute fpähende Schwimmpvögel wohl fchwerlih die Infaffen wahrnehmen möchten. Die Sauna des Sargafjumfrautes beftand aus Fifhen, Miollusfen, Kruftern und Würmern. Die Fifhe festen fih aus Dertretern der auch im Atlantifhen Dcean diefelbe Kebensweife führenden Gattung Antennarius und aus einem Squamipenner zufammen, deffen bizarr ausgefranfte Rüdenfloffe nicht nur in Färbung, fondern auch in ihrer Geftalt dte Blätter des Krautes nahahmte. Dasfelbe gilt für eine mit blattähnlihen Fortfäßen ausgeftattete Nactfchnefe (Elysia), die rafch Frieht und fich völlig auf das Keben im treibenden Kraut angepaßt hat: losgelöft von demfelben benimmt fie fi fehr un- sefhiekt, indem fie fih von einer Seite nach der andern Frümmt, ohne reht vom Flef zu fommen. Unter den Kruftern waren es zwei Feine Krabbenarten, den Gattungen Nautilograpsus und Neptunus zugehörig, welche nicht minder durch die vollendete Sarbenanpafjung überrafhten, als ein fpaltfüßiger Krebs (Schizopode) und zwei Fleine Ringelwürmer. Wie in dem Süd-Nias-Kanal, fo veranftalteten wir auch in den Nord-Mias-Kanal gegen die Banjaf-Infeln zu eine Reihe ergebnisreicher Dredfchzüge. Groß-Banjaf oder Pulo Tuwangfu ift relativ niedrig und bis zum Strande dicht bewaldet. Da das etwas höhere und Fleinere Weft-Banjaf (Pulo Bangfaru) einen guten Hafen befist, fuhren wir auf dasfelbe zu, wurden aber von mächtigen Regenböen derart eingehüllt, daß wir, obwohl wir der nfel auf eine halbe Seemeile nahegefommen fein mußten, bei dem Thun, Mus den Tiefen des Weltmeeres. Zweite Auflage. 25 Nordweflfüfte von Sumatra bei Atjeh. Atfchin und die Surrat-Pafjage. 387 unfichtigen Wetter nicht einzulaufen vermodhten. YWachdem wir die nördlichite der vor Sumatra gelegenen Infeln, nämlih Pulo Babt (St Malur), ein von Atfjchinefen be- wohntes langgeftredtes, niedriges, mit dichtem Urwald bededtes Eiland, umfahren hatten, wurde der Kurs auf Atjeh (Atihin) abgefest. Wir befanden uns in einer nicht nur dur die Riffe, fondern auch dur die Bevölferung verrufenen Gegend. Die Segelanweifungen mahnen zur äußerften Dorficht bei dem Landen und. berichten lafonifh: „Die Mannfhaft des Dampfers Hof Lanton wurde durch die Eingeborenen überwältigt, als er vor Rigas im Junt I8S6 vor Anfer lag, und der größte Teil der Europäer wurde ermordet." Die Atfchinefen befolgten hierbei die Taftif, daß fie fich zu Bilfeleiftungen auf dem Schiffe anwerben ließen, um dann von dem verjtecft ge- tragenen Kris einen vandalifchen Gebrauch zu machen. Wie wenn die Sonne hätte andeuten wollen, daß der Boden mit Blut gedüngt fei, übergoß fie am 6. Februar bei dem Aufgang mit glühendem Not die heigumiftrittene Sandfhaft von Atjeh. Loch einmal zeigte uns Sumatra den ganzen Sauber feiner wilden Romantif. Je mehr man fi der Küfte — und zwar fpeciell der Surrat- pafjage — nähert, dejto wuchtiger treten die letten Ausläufer der Barifanfette hervor, um in dem mächtigen Batu Mufurahb (A942 m) ihren Abflug zu finden. Beim Eintritt in die Surratpaffage und nah dem Umfahren von Atjeh-Head fchieben fich die Parallelfetten des Gebirges wie Couliffen vor, und in feinem Duft taucht der Aus- läufer der hinterften Kette, nämlih der IC26 m hohe fogenannte Golden Mount (Selawah djanten) auf. Die Surratpafjage ift eine der malerifchften des Hinterimdifchen Arhipels. Sie wird verengt von einer Anzahl größerer und Fleinerer Infeln, welche dem Feitlande dicht vorliegen. Unter ihnen fei das dicht bewaldete und bis faft zum Gipfel mit Kofosplantagen beftandene Pulo-Kelapa, fowie das Fleine, von Urwald und Pandanus bedefte Pulo-Batu hervorgehoben. Der Nordoft:Pafjat hatte inzwischen ztemlich frifh eingefest, fegte die Wolfen weg und Flärte den Ausblick auf die Neede von Atjchin mit dem Eleinen Küftenorte Dleleh. Einige holländifhe gepanzerte Küften- dampfer und ein Kriegsfchiff, dem wir unfere Route fignalifterten, lagen vor Anker und deuteten darauf hin, daß man fich einer Gegend genähert hatte, die den Schauplat langjähriger Tragödien abgab. Swifchen die äuferften Ausläufer der Bartfanfette jchtebt fih die Hiederung von Kotta Radja ein, durch Malaria und Beri- Bert ver- rufen und durch einen Paliffadenzaun gegen die Überfälle der Atfchinefen sefhüst: ein Danaergefchent, das fchon Fehntaufenden das Leben Eoitete. Wir fanden noch Zeit, gegen Abend auf einer der Reede von Dleleh gegemüber- Itegenden nfel, nämlih Pulo Web, eine Landung zu veranftalten. Ein zerfester holländifcher Soldatenhelm und Trittjpuren barfuß gehender Menfhen gaben zu tief- finnigen Betrahtungen Anlaß, aus denen man freilich rafch durch die feffelnde Scenerie aufgerüttelt wurde. Sahllofe Sandfrabben, auf das täufchendfte mit dem Weifigrau des 25* Indo-malayifche Strandflora. Tournefortia argentea. Pandanus. Scaevola Koenigii. Strandflora auf Pulo=Weh. Reichtum der Tieffeefauna im Mentawei-Beden. 589 Korallenfandes übereinftimmend, hufchten nebft Raubfäfern aus der Gattung Cicindela nach allen Seiten auseinander. Bunte Schmetterlinge flatterten um das Gebüfh und in dem Walde führten die Licaden im Derein mit feltfam Frächzenden Dögeln ihr Abendfonzert auf. Schalen von Mufheln und dem merfwürdigen Hautilus, Korallen- bruchitüde, Treibholz; und Shwimmfrüchte hatte die Flut an manchen Stellen zu dichten Bänfen aufgehäuft, die nur da unterbrochen waren, wo Felfen und Grotten bis zum Waffer vordrängten. Der düftere Urwald giebt den Hintergrund für eine Strand vegetation ab, die faft Fosmopolitiih an den tropifchen Küjten verbreitet if. Groß- blätterige Barringtonien, Terminalien und blühende Erythrinen überdachen die äußerfte one des Strandwaldes, welche von Fleinen Stänmen der Tournefortia argentea und Scaevola Koenigii, untermifht mit den großen Xofetten des wohlrtechenden Crinum asiaticum, gebildet wird. Hoc ragen über fie die Stänmme des Pandanus mit den dichotom gegabelten Üften und den fperrigen, in Schraubenlinien angeordneten Blatt majjen hinaus. Die Tiefjeefauna des Mentawei-Bedens. Wir wollen von Sumatra und dem Mientawei-Beden nicht fcheiden, ohne wenisjtens noh mit einigen Worten der Ergebniffe unferer zoologtjchen Unterfuchungen zu ge- denfen. Waren fie es doch, die vorwiegend Anlaß zu den Sihzakffahrten um die Anfeln gaben und uns in Ar Erregung hielten wegen der ungeahnten Pradt und des Neichtums der Tieffeefauna. Schon bei dem Eintritt in das Mientawei-Befen am 21. Januar fiel es uns daf “ ie züge aus größerer Tiefe Fifche lieferten, die wir bisher nur aus nn ne jen früherer Flabellum n. sp. Dermatodiadema Indicum Doederlein n. sp Süd-Nias=Kanal, 470 m. Nat. Größe. 470 m. Süd=-Mias= Kanal, Seeigel aus dem Mentawei- Beden. Palaeopneustes Niasicus Doederlein n.sp. Süd=-Nias= Kanal, 47O m. Don der Mundfeite. Nat. Größe. Palaeopneustes Niasicus Doederlein. Don der Seite. 470 m (Doederlein phot.) Indifhe Tieffee-Echinodermen. 91 Erpeditionen Fannten. Die Erwartung, daß bei gründlicher Unterfuhung des Bedens in erheblihem Maße die Lücken unferer bisherigen Sammlungen fich möchten aus- füllen laffen, wurde denn audy nicht getäufht. Im Hinblid auf die Iberfülle von Drganismen, welhe die Üese enthielten, begnügen wir uns an diefer Stelle mit nur flüchtigen Andeutungen über die intereffanteften Dertreter der fumatranifchen Tiefjeefauna. Sie ift reih an Glasfhwämmen (Beraftinelliden), zu denen fich ein ganzes Heer von Rindenforallen, Seefedern (Pennatuliden) und Jfideen gefellt. Auc die Stein- Forallen waren häufig, und zwar nicht nur die Foloniebildenden Sproßforallen, jondern auch die folitären Formen. Unter den letsteren überrafchten namentlich dte Dertreter der Gattung Flabellum mit ihrem feitlih Fomprimierten Kelhe durch ungewöhnliche Dimenfionen (S. 589). Ein befonderes Intereffe bieten die von uns gefammelten Stachelbäuter dar. Die zuerst aus den nordifchen Aleeren befannt gewordene Seejtern-Gattung Brisinga er beuteten wir mehrfach in großen, wohlerhaltenen, fleifhroten Eremplaren, vergefell- fchaftet mit violetten Tieffee-Holothurien, Schlangenfternen und Seeigeln. Unter den leßteren jeien na= mentlih die mit lederartiger Haut und mit Giftjtacheln ausge- ftatteten Dertreter der Gat- tung Phormosoma hervorge- hoben. Dorocidaris elegans. Süd-Nias=-Kanal 614 m. (Doederle in phot.) 892 Edhiniden. Im Hord-Nias- Kanal gefellten fih zu ihnen zahlreihe Eremplare der Battung Palaeopneustes als einer der interefjanteften Funde unter den Echiniden des In dischen Dceans. Sie waren prächtig gefärbt, infofern die fchwefelgelben größeren Rücenftachel fih Scharf von dem Dunfelviolett der Schale abhoben. Außer Fleineren, mit langen feinen Stacheln ausgeftatteten Diadematiden (Dermatodiadema) imponieren Stereocidaris Indica Doederlein n.sp. Süd-Nias=Kanal, 47O m. Wenig verkleinert (Doederlein phot.) rächtige neue Dertreter der indifchen Gattungen Porocidaris, Dorocidaris und Stereo- Y KURS eidaris mit ihren gewaltigen dreifantigen Stacheln, auf denen oft ein ganzes Heer mn e niederer Organismen fich angefiedelt hat. Freudig überrafhte uns weiterhin das De Auffinden von vier neuen Dertretern der Seelilien (Irinoiden). Sie gehören den $attungen Pentacrinus und Metacrinus an; die in der Abbildung dargeftellten, aus der Siberutftraße ftammenden Fleineren Formen waren oltvgrün a während Erimoiden. 5395 Pentacrinus n. sp. Siberutftraße, I280 m. (Doederlein phot.) Prachteremplare eines großen Metacrinus, den wir fpäter noch im Bilde vorführen werden, den Ton von lithographifhem Schiefer aufwiesen. Unter den Cruftaceen begegneten uns gleichfalls eine Fülle von Formen, die wir 994 Galatheen der Tieffee mit pigmentarmen Augen. Munidopsis sp. Süd-Nias-Kanal 646m. Xat. Größe. Tieffee- Ernftaceen. 995 bisher nicht erbeutet hatten. Es waren vor allen Dingen Tieffeegarneelen aus der Gattung Nematocarcinus mit monftrös verlängerten Beinen, welche durch oft blendende färbungen feffelten. Auch die blutroten Barneelen mit den Körper um das Sehn- bis Zwölffache an Länge übertreffen- den Fühlern (Aristaeus, Aristae- opsis) traten häufig auf. Hu ihnen gefellten fich zahlreiche Krabben, unter denen namentlich Dertreter der mit einem Walde fcharf- fpißiger Sta- cheln befeßten Gattung Li- thodes her- vorzuheben find. Ein- fiedlerfrebfe hatten in Er- mangelung von Schnef- Fenfchalen ih- ren zarten Hin- terleib, biswei- len auch den ganzen Körper, in hohle Holzftüde oder in fingerlange Schalen der abfonderlichen Mollusfengattung Dentalium eingezwängt. Neben Kruftern mit großen, purpurrot glühenden Augen, wie fie namentlich dem mehrfach er- ne eg beuteten großen Nephrops Andamanicus zufonmen, wurden auch folche mit rücgebildeten Stielaugen gefunden. Jn geringerem Grade macht fih der Pigmentmangel und die Rüdbildung des Auges bei den Gattungen Munida und Munidopsis geltend, während bei der unferem Flußfrebs ähnelnden Gattung Nephropsis, die zu unferer Überrafhung im Indifhen Ocean auftauhte (Agaffiz 596 Tieffee -Irnjtaceen. hatte fie im Pacific gedredfcht), die Augen bereits hochgradig verfümmert find. Sie fehlen endlich völlig der Gattung Pentacheles, einem Dertreter der familie der Eryoniden, der dem AMientawei-Befen nicht fremd ift. Interefje erregte weiterhin der fund einer Riefenform von Lirripedien, nämlich des aus den oftafiatifhen Mleeren befannt gewordenen Scalpellum Stearnsi Pilsb. Unter den Mlollus- fen fanden fich Dertreter vie- ler für die Tieffee cha- rafterijti- iher Ty- pen, und zwar m Erent- plaren, wie fie in folcher Schönheit noch nicht zur Beob- ahtung gelangten. Wir illuftrie- ven fie durch die Dertreter der Gattung Xenophora, einer Schnede, welche die fonderbare Gewohnheit befitst, leere Gehäufe an- derer Schneden in regelmäßiger Xenophora (Phorus) von der Rüdenfeite, Nat. Größe. es Anordnung an ihrer Schale Auf einigen der von der Schnede aufgefitteten Schalen fiten lebende Schneden aus 2% x der Gattung Capulus. zu befeitigen. Wlan möchte faft glauben, daß eine Fünftlerifhe Hand bei der Gruppierung diefer fremden Schalen mit im Spiele gewefen wäre. — Unter den Tintenfifchen fet nur eines fundes Er- wähnung gethan, der freilich zu den wertvolliten zu rechnen fein dürfte. Als wir Mollusfen und Fifche. 397 im Süd-Nias-Kanal aus 594 m das Schleppnes an die Dberfläche brachten, fchien es nicht den Grund berührt zu haben, wies aber ein in den Mlafchen hängendes Eremplar der Gattung Spirula in treffliher Erhaltung auf. An manchen Küjten- ftreden finden fich die pofthornförmig gefrümmten Schalen derfelben maffenbaft an- getrieben; merfwürdig aber ift es, daß Eremplare mit wohlerhaltenem MWeichförper zu den größten Seltenheiten gehören. Die Challenger- Erpedition und die amerifanifche Blafe-Erpedition haben nur je ein Iebendes Eremplar der Spirula erbeutet: man Fann fi die Befriedigung vorftellen, die wir empfanden, als es auch uns be- fchieden war, ein fo Foftbares Stück der Sammlung einzuverleiben. Um endlich noch der Fifche mit einigen Worten zu gedenken, fo jet hervorgehoben, dag wir eine große Sahl jener Arten erbeuteten, welche bereits durch die indischen Forfchungen des „Inveftigator” befannt geworden waren. Hamentlich häufig waren die großen, fchwarzen Dertreter der Gattung Lamprogrammus und Tieffee-Aale aus der Gattung Conger- muraena mit ihren pupurnen Augen. Su ihnen gefellten jich die bizarr geftalteten Arten aus der Familie der Kophiiden, wie Chaunax und Dibranchus. Manche diefer Formen follen uns fpäterhin wegen der Ausbildung wunderlicher Drgane an ihrer Schnauzenfpise noch eingehender befhäftigen. Daneben waren es die mit Keuchtorganen ausgeftatteten Dertreter der Sfopeliden (Neoscopelus, Echiostoma u. a.), welche in hödhjit abjonderlihen Formen uns entgegentraten. Sowohl unter den auf dem Grunde lebenden, wie in größeren Tiefen fchwin- menden Fifchen fielen uns Arten auf, die wir auf Feine Weife in den Syjtem unterzubringen vermochten. Als wir gar bei den Banjaf- Infeln in 45 m einen fammetihwarzen, leicht bläulich fchimmernden fchuppenlofen Ffifh von einem halben Meter Känge erbeuteten, deffen breiter, mit ungewöhnlich großen Augen ausgeftatteter Kopf und deffen Floffenftellung an die ee Karpfen erinnerte, während die Seitenteile des Körpers mit Tram! bis 594 m. Pegelförmigen irren befeßt waren, da gab man es auf, ver- ae geblihh über derartige Monftra in der Kitteratur nah Befcheid zu fuchen. Im allgemeinen ift es uns aufgefallen, daß in der fumatranifchen Tieffee die ver- Ihiedenartigften Organismen in buntem Hebeneinander vorfommen. Ein Dorherrfchen beftimmter Arten, wie es fih im atlantifhen Dcean bei einzelnen Zügen geltend machte, war nicht zu beobachten. Der Neichtum an Formen, dte fich hier auf engem Terrain zufammendrängen, läßt weiterhin den Rükjihluß zu, daß die Nahrungsquelle ergiebig 593 Reichtum des Oberflächen- Plankton. fliegen muß. Die Unterfuhung des Plankton im Mientawei-Befen ergab denn aud eine üppig entwicelte Flora niederer Organismen. Die für den freien Ocean charafte- riftifchen Oberflähenformen fehlten zumeift und wurden durdy Arten erfet, welche mehr an die Mähe der Küften gebunden find. Bor allen Dingen war es eine fpiral gedrehte Alge aus der Gattung Oscillaria, die bei relativ beträchtlicher Größe auf weite Streden bin das Wafjer verfärbte und als bräunlicher Brei gelegentlih den Haupt- inhalt unferer Dertifalnege abgab. Dabei zeigte der Tieffeeboden einen olivgrünen, bisweilen mehr ins Graue oder Bräunliche fpielenden Ton, wie wir ihn von dem Tieffeegrunde des Golfes von Bengalen und neuerdings auch durch die holländischen Forfhungen aus dem Hinterindifchen Archipel Fennen. Scalpellum Stearnsi Pilsb. Auf einer Schnedenichale figend. Süd-Nias-Kanal 470 m. Nat. Größe. a EN NIE XVII. Die YUfobaren, E° war von vornherein zu erwarten, daß die von uns im NMlentawei=Beden nadı- gewiefene Tiefjeefauna mancherlei Übereinstimmung mit der durch das indische Dermefjungsihiff „Inveftigator" im Golfe von Bengalen erbeuteten aufweifen würde, Immerhin ergaben fich doch auch wieder fo viele Unterfchiede, daß es wünfchenswert erfchien, den Anfhlug an die indifchen Forjchungen, die bis zu den Andamanen aus- gedehnt worden waren, durch ein Dorfahren bis zu den Hifobaren zu gewinnen. Da inzwifhen die holländische Siboga-Erpedition eine gründliche Unterfuhung der hinterindifchen Tieffee durchgeführt hat, fo fteht zu erwarten, daß die von drei Erpeditionen in benahbarten und gegenfeitig fich ergänzenden Gebieten gewonnenen Ergebnifje ein, wenn aucd) noch nicht abgefchloffenes, fo doch abgerundetes Bild liefern werden. Daß wir auch nah dem Derlaffen von Sumatra auf einem für Tieffeeforfhungen Elaffifchen Boden unferen Unterfuchungen nachgingen, lehrte eine Reihe von Dredfch- zügen, die wir am C. und 8. Februar zwifchen 500 und SOO m Tiefe ausführten. Außer den fhon im Mientawei-Befen erbeuteten und im vorigen Abjchnitte Furz &harafterifierten Formen fiel uns hier namentlich der Reichtum an Glasfhwämmen (Beraftinelliden) auf, dte fchon in geringeren Tiefen in wahren Prachteremplaren er- beutet wurden. Vertreter der Gattungen Pheronema, Hyalonema, Aphrocallistes, und ein beinahe SO cm hohes Eremplar der Gattung Semperella, eines der fchönften Schau- ftücfe unferer Sammlung, lohnten reichlich die aufgewendete Niühe. Unter den fonftigen Funden fet nod) fpeciell auf die Krabben hingewiefen, die nicht nur eine Anzahl neuer Formen, fondern auch die intereffanteften, vom „Thallenger” erbeuteten Typen lieferten. So wurde die bisher nur nach einem zerbrochenen Eremplar befannt gewordene Cyrto- maia Suhmi häufig gefunden, nicht minder auch die große Platymaia Wyville-Thomsoni. Der Challenger-Bericht bezeichnet die Ilestere Art als eine der interefjanteften Ent- decungen der Erpedition; fie fand fih nur in einem Eremplar im pacififchen Dcean, während wir bei den Uifobaren deren nicht weniger als 25, dte meijten in tadellofer Erhaltung, dredfhten. Da fich unter den Eremplaren, welche durch die Abplattung der monftrös geftalteten, vorn mit mächtigen Dornen bewehrten Beine ausgezeichnet 400 Tieffeefauna bei den Wifobaren. find, auch Jugendformen von nur I cm Größe befanden, fo erhalten wir auch einige Auffchlüffe über die Entwidlungsgefhichte eines fo bizarren Organismus. Der Grund erwies fih in der Umgebung der Mifobaren bis zu Tiefen von 900 m als ein recht vielgeftaltiger; grobe Sande und olivgrüner vulfanifcher Schlid wechfelten mit Pteropoden-Schlamm ab. Der lettere trat in geringeren Tiefen füdweftlih von Platymaia Wyville- Thomsoni Miers. 296m. Halbe nat. Größe. Groß-Nifobar auf und zeigte eine fo bunte Zufammenfesung aus den Schalenreften verfchiedenartiger Organismen, daß wir ihn durch eine Abbildung illuftrieren. Bei der Durhmufterung des Bildes fallen zunäcdhjit die tutenförmigen Schalen von Flügel- ihnefen (Pteropoden) auf, denen zahlreihe Boden- und Dberflächen- Soraminiferen beigemiengt find. Dazu gefellen fih Fleine Schalen von Mufheln und Schneden, Grundproben von den Uifobaren. 401 Shwanmmnadeln und große eiförmige Gebilde, die fih als Ercremente von Echino- dermen erweifen. Als wir weitlih von Kadhal eine Tiefe von S05 m loteten, erhielten wir feine Grundprobe, und das herabgelafjene Trawl Fam ftarf zerriffen an die Ober- fläche, gefüllt mit großen Blöcken einer weißlichgrauen, cementartig zufammengebadenen Maffe. Wir mußten diefen aus grobem Sand beftehenden Tiefenfhlamm mit dem Beile zerfchlagen, um die zahlreichen, der Gattung Phascolosoma zugehörigen, grün- lichen Sternwürmer mit ihrem Furzen Schöpfrüffel zu gewinnen, welche die harte Mafje mit ihren langen I cm breiten Gängen Ödurchfesten. Da es indefjen nicht ratfamı er- fchien, auf einem für unfere Hebe fo verhängnis- vollen, wenn auch den Beraftinelliden be- fonders zufagenden Boden die Unter- fuhungen fortzufeßen, fo entjchloffen wir uns zur Weiterfahrt, nicht ohne dag wir indefjen erft eine Sandung im Hanfauri- Hafen veranftaltet hätten. Die Hifobaren teilen fich in drei Gruppen, deren füd- lichjte von Klein- und Broß- Hifobar gebildet wird. Das leßtere ift langgejftreckt, dicht bewaldet und mit nicht jehr hohen, bis 600 m aufitet- genden Bergfetten ausgeftattet. omwifchen beiden Infeln verläuft der St. Georgs-Kanal, in dem wir am Abend des C. Februar unter dem Shut eines Fleinen nfelchens, nämlich Kandul, vor Anfer gingen. Eine Bootfahrt, die wir nach Kandul unternahmen, Pteropoden-Schlamm. Stat.208 (SW. von SR >. Pteropodenfchalen und deren Brucftüde, Oberflächen und Boden= ergab, daß die Infel unbewohnt ift. foraminiferen, Shwanmnadeln, fleine Sweifchaler (Gaitropoden), Der fandige Strand war bedect mit ee ne Brucftücen von Xiffforallen und Drgelforallen (Tubipora); zahlreiche Krabben mit jenfreht erhobenen, walzenförmigen Augen wühlten fih gewandt bei unferer Aln- näherung in den Korallenfand em. An Strande trat wiederum dte auf falziges Terrain befchränfte Strandflora auf, welche fih aus Barringtonien mit ihren großen Schwimmfrüchten, zahlreihen Pandanus, einigen der Gattung Cycas zugehörigen Pal- men und zahlreichen Tafuarinen, die mit ihrem feinen Laube die fteilen Hänge decten, Thun, Aus den Tiefen des Weltmeeres. Zweite Auflage. 26 (Rübsaamen gez.) 402 Ein Yifobaren-Pfahldorf. (Apstein phot.) Pfahldorf Jtu mit den im Waifer ftehenden Geifterbäumen. zufammenfeste. Fliegende Hunde hatten fih in den Bäumen aufgehängt und führten ein wahrhaft infernalifhes Konzert auf. Die mittlere Gruppe der Hifobaren fest fich aus drei größeren Infen zufanmen, nämlih Kachal, Nanfauri und Karmorta. Hachdem wir das ganz bewaldete Kadhal umfahren hatten, eröffnete fih zunächft der Ausblif auf das Fahlere Karmorta mit feinen grünen Hügeln, welches fo nahe an Nanfauri heranrüdt, daß nur ein enger, gewundener Durchgang, der trefflih gefhüste, aber heiße und durch Malaria verrufene Hafen von Hanfauri, freibleibt. Seine Unigebung ift eine außerordentlihh malerifche: der Urwald tritt bis an das Ufer heran, und fcharf heben fih die Hütten der Ein- geborenen von dem dunklen Hintergrunde ab. Bei der Einfahrt wurden wir in hohem Grade gefefjfelt durch rotbraune, nadte Männer, die mit Harpunenlanzen auf den Klippen ftehend dem Fiichfange oblagen. Dbwohl in den Segelhandbüchern die Be- wohner der Nifobaren als Seeräuber dargeftellt werden und Dorficht bei einem Be- fuche der infeln anenipfohlen wird, reisten doch die beiden Anfiedlungen derart zu einem Befuche, daß wir vor einer derfelben, nämlich tu, auf I6 Faden Tiefe anferten, ein Boot ausfesten und eine Kandung unternahmen. Ein Hifobaren-Weiler macht einen fo fremdartigen Eindruf, dag das Erinne- rungsbild getreu bis in alle Einzelheiten uns haften geblieben ift. Sechs große Hütten, Urwald mit Locos- und Rotang-Palmen auf Uanfauri (ifobaren). Befuch der Anfiedelung Jtu. 4053 die meiften wie Bienenförbe geftaltet und auf hohen Pfählen ftehend, find an dem Strande in Flut- höhe angelegt. Der Urwald, gebildet aus prächtigen Eremplaren des Calophyllum mit feinen duftenden weißen Blüten, aus der Heritiera litoralis mit ihren brettförmigen Wurzelplanfen, aus Erythrinen und Pongamien, über welche die eleganten Wedel der Ko- fos-, Rotang- und Pinang-Pal- men hinausragen, tritt dicht bis an die Anftedelung heran. Don weiten fchon tft fie dadurch Fennt- lich, daß in das Wafjer Bamıbus- ftänme eingerammt find, an de- nen in regelmäßigen Intervallen 5—( Blattquirle angebradt wer- den. Wir zählten jechs folcher mit Tauen aus Rotang gegen das Umfallen geficherten und den aber- gläubifchen Sinn der Bevölkerung von vornherein andeutenden Heifter- bäume. Die Annäherung wird durch Korallenbänfe erfchwert, zwijchen de= nen zahlveihe fhwarze Holothurien und elegant fchwimmende Seefchlan- gen fih umbertrieben. Ein mit weißer Jade und einem Sarong befleideter jün- gerer Mann orientierte uns in gebrochenem Englifh über die Sandungsitelle und ver- fiherte, daß wir freundlich aufgenommen werden würden. Durch einen mehrjährigen Aufenthalt auf Nifobarifcher Greis. den Andamanen war er wenigftens infoweit von der Kultur belect worden, daß er mit feinen fchwer verftändlichen Broden Englifh über einige Derhältnifje Ausfunft zu geben vermochte. Wenn auc unfer Aufenthalt in tu fich nur auf einen Hadı- mittag erftredte, jo dürfte es doch vielleicht von Interefje fein, über das fefjelmde Treiben der in paradiefiiher Einfachheit lebenden Eingeborenen einen befcheidenen Bericht abzuftatten. — Sum erftenmal in meinem Feben traten mir vollitändig nadte 26* 404 Phyjiognomie der Yifobarer. Eingeborene entgegen, die nur eine dünne Kendenfchnur tru= gen. Es waren zwei alte Männer, die würdig auf uns zufamen und freundlich die Hände fchüttelten. „Lichts ift züchtiger und anftändiger, als die fimple Natur“: unwillfürlih dachte man an den Ausfprudh von Seffing, als diefe unbefleideten Mlenfchen unbe- fangen uns begrüßten und zu dem Befuche des Weilers einluden. Die übrigen Eingeborenen hatten offenbar Seit gefunden, weniger aus Schamgefühl, denn aus einer Regung der Kitelfeit, Kleidungs- ftüde anzulegen; die einen trugen einen Sarong, die anderen Furze Shwimmhofen oder Jaden, und nur die Jungen gingen nat bis auf einen Streifen weißen oder roten Kendentuches, deffen Ende fie Fofett um einen Arm gefchlungen hatten. Das erfte, was uns an allen älteren Keuten auffiel, war die geradezu grauenvolle Mißgeftaltung des Gebiffes durch übermäßiges Junger Mann von Nanfauri. Betel-Kauen. Das HZahnfleifh war gefhwollen und die Dorderzähne fehlten oder ftanden in Stumpfen fchräg hervor: ein widerwärtiger Aln- blif, an den man fich erjt allmählih zu gewöhnen hatte. Alle früheren Neifenden berichten übereinftimmend, daß die Yifobarer zu den häßlichiten Haturvölfern gehören. Ich Fann diefem Urteile nicht ganz beiftimmen. Die beiden alten Mlänner, welche uns zuerjt entgegenfamen, waren wohlgebaute, Fräftige Geftalten und wiefen, abgejehen von der Derunftaltung des Mundes, entihieden interefjante Hüge auf. Unter den jüngeren Leuten trafen wir einen an, der, wenn nicht als fchön, fo doch mindeitens als woblgeftaltet bezeichnet werden muß, und die Jungen waren durchweg das, was man gewöhnlich „aller- liebfte Bengels" nennt. Bereitwillig gingen die Ein- geborenen darauf ein, fih photographieren zu lafjen, und fo dürften denn unfere ungefchminften Aufnah- men auch dem Kefer ein Urteil ermöglichen. Wenn die Phyfiognomien ernft und mißtrauifch fcheinen, jo mag man dies auf Rechnung des Unbehagens feßen, wel- ches der geheimnisvolle photographifche Apparat erwedte. Die Hautfarbe der Nifobarer ift etwas dunfler, als die- jenige der Mlalayen, und zeigt einen ganz entjchiedenen Stich Nifobarijcher Junge. u" ur N En Alter Nifobarer. Körperbau. 405 in das Rotbraun, der namentlich bei den am Ufer fiihenden, zuerft bemerften Leuten fo auffällig hervortrat, daß man an die Rothäute Wordamerifas erinnert wurde. Die Mifobarer find durchfchnittlih etwas größer als die Malayen; mit etwa 1,6 m fommen fie der Größe des Europäers gleih. Die Kinnbaden treten ftarf her- vor, die Wafe ift abgeplattet und der breite Mund etwas aufgeworfen. Eine Schief ftellung der Augen fiel bei feinem auf; fte liegen meift tief, find von Fräftigen Nugen- W brauenbogen überdaht und zeigen das obere Kid durch eine übergreifende Hauffalte ver- det. Eine Abflahung des Hinterhauptes, die nach früheren Berichten bei den Kin- dern Fünftlich herbeigeführt wird, trat nicht ne uns ra Senne) gerade auffällig hervor. Die fhwarzen Haare find dicht und lang; ein alter Mann trug ein fo ftattliches, auf die Schultern herabwallendes und durch einen Neifen zu= fammengehaltenes graues Gelod, daß ich es Freund Dahn als Dorbild für feine Schilderung der Germanen anempfehle. Bei anderen Männern wurde das bald jtarf gewellte, bald ftraffe Haar etwas Fürzer getragen. Sweit Männer — darunter unfer Dolmetiher — hatten es in der Mitte gefcheitelt und reichlit mit Kofosöl gefalbt glatt herabgefämmt, während die Jungen Furz gefchoren gingen. Keiner befaß aud nur einen Anflug von Bartwuchs. Der Körper ift wohl proportioniert und zeigte mit Ausnahme eines älteren, zu fettanfat neigenden Mannes eine Fräftig ausgearbeitete NMusfulatur und ftarf herportretende Denen. In den bei älteren Leuten durchbohrten Ohrläppchen ftecten Stäbe aus Bambus; auch dienten fie bet dem Mtangel der Be- Eleidung als Tafchen oder Etuis für die Ligarren, welche mit Freuden entgegengenonmen wurden. Eine Tätowierung war nicht zu bemerfen. An Schmud trugen die Männer filberne Armreifen und Finger- ringe. Shre Sprache fiel durch dte auch fchon von früheren Reifenden erwähnten gurgelnden Laute auf, die freilich den Jungen weniger eigentüntlich waren. Uber die Weiber vermag ich leider Feine weiteren Weiber von Jtu. 406 Konjtruftion der Wohnhütten. Angaben zu machen, als daß die älteren mit ihren ftarf vortretenden Badenfnochen, platten Hafen und durch Betelfauen entftelltem Mund von abjchredfender Häflichkfeit waren. Sie hodten mit nadtem Oberförper in ihren verrauchten Hütten, und es Eojtete Mühe, ihnen flar zu machen, daß fie diefelben behufs photographifcher Aufnahmen verlaffen möchten. Als jie dann endlich zum PDorfchein Fanıen, erwecten fie die un- geteilte Bewunderung der männlichen Bevölferung ob ihres fhmuden Koftüms: dte Haare trieften von Kofosöl und der Körper ftefte in baumwollenen Tüchern mit den fchreiendften roten Mluftern und in SJafen, die teils verfehrt, teils gar nicht zu- gefnöpft waren. Don den fehs Hütten waren drei im Grundriß quadratifch geftaltet und wurden, wie wir bald bemerften, nur als Dorratsräume benußt. Demfelben Swecde diente eine Fleinere fiebente Hütte, die in weiterer Entfernung etwas verjtekt errichtet war. Die Wohnhütten zeigen eine Form, wie fie in dem ganzen malayifchen Archipel mit Ausnahme der nfel Engano nicht wiederfehrt: fie find rund und gleichen von weiten riefigen Bienenförben. Die Anfiedelungen werden durchweg im Bereiche des Flutwaffers angelegt, möglichit sefhüst gegen den Südwejt-AMonfun, aber dem heiteren Nordoft- Monfun ausgefest. Alle Hütten ftehen auf hohen Pfählen, welhe aus zugehauenen Baumftämmen gefertigt find. Die Rundhütten wiefen etwa IS in einen Kreis geftellte Außenpfähle auf, zu denen hie und da noch fchräg ftehende Pfähle fich hinzugefellten. Innerhalb der Außenpfähle trifft man nocd eine Anzahl in Reihen ftehender Iimnen- pfähle, welche Freuzweife übereinanderliegende Bambusftämme ftüsen. Der Fußboden der Hütten liegt 2—2%/, m über der Erde, fo daß man bequem unter ihm durchzu- gehen vermag. Innerhalb der den Boden ftüßenden Pfosten wird der Raum zum Aufftapelm von Dorräten benust, die entweder auf rohen Geftellen oder auf Plattformen ltegen, weldhe an Notangftrifen aufgehängt find. Das Fuppelförmig gejtaltete, mit einem gejchnisten Pfahle gefrönte Dad) ift hohgewölbt und gedecft mit den Fafern der Hipa-Palme. Die Seitenwände des Wohnraumes werden durch eine Bretterverfchalung sefhüst und außen, wie an zwei Hütten zu bemerfen war, entweder mit Palmbaft oder mit Palmwedeln bedekt. Eine Leiter führt zu dem vieredigen Eingang der Hütte, der durch eine Klappe aus Palmfafern gefchloffen werden Fann. Was bei dem Betreten des eigentlichen Wohnraumes in erjter Kinte auffällt, ift die große Hahl von Mienfchen, die in demfelben ihren häuslichen Befhäftigungen nac- gehen. Ich bemerkte etwa zehn Perfonen, meift ältere Weiber mit nadftem Dberförper, welche eifrig damit befchäftigt waren, für das noch zu fchildernde Geifterfchiff Bananen- blätter zu zerfchligen. In der Mlütte der Hütte hing ein bunt bemaltes vierecfiges Brett, das mit grünen Guirlanden aus zerfchlisten Blättern behängt war. ch hielt es anfänglich für einen Auspus des Geifterfchiffes, erfah aber aus älteren Daritellungen, daß das Brett mit den Blattfränzen, denen man Sauberfraft zufchreibt, in jeder Hütte re lifoba I Alter Inneres der Rundhütten. 407 Wohnhütten mit Bretterverfchalung ; linfs ein Geifterpfahl. (Sachse phot.) fich findet. Da die Blattfränze bei feftlichen Gelagen zur Abwehr gegen böfe Geijter um den Bals gelegt werden, erhielten fie von den biederen Miffionaren, den mährifchen Brüdern, den Namen „Sauffranz“. Gegenüber dem Eingang befindet fich der niedrige, von Steinen umrahmte Herd aus fandiger Erde. Auf ihm briet ein älterer Alann ein in zwei Teile zerlegtes Huhn, wobei getrodnete Palmblätter als Feuerungsmaterial dienten. Heben mannigfahen Schmudfahen, Tüchern, Perlenfhnüren und geflochtenen runden Körben, welche an der Dede der Hütte aufgehängt waren, fielen vor allen Dingen die bizarren Fetifche auf, welche an den Wänden aufgeftellt waren: faft lebens- große gefchniste Figuren mit Lendenbinden befleidet und Waffen in den fteif ausge- jtrecften Händen fhwingend. Wahrlih — etwas Wunderlicheres, als diefe grotesfe Derfammlung von etwa fünfzehn Fetifchen, die zum Teil dem Europäer mit Cylinder- hut nachgebildet waren, habe ich in meinem Seben nicht zu Geficht befommien! Der Aufenthalt in der Hütte war durch den Rauch und den Geruch der zu- fammengedrängten Mlenfhen Fein angenehmer, aber entjchteden doch infofern für den 408 Haustiere. Wahrung. Eingeborenen ein zwecdienlicher, als fchwerlich die das Fieber bedingenden Mosfitos hier eindringen werden. Sicherlich entjprang die für malayifhe und papuanifche Dölfer- Ichaften charafteriftifche Gewohnheit, die Hütten auf Pfahlbauten oder auf Bäumen zu errichten, nicht lediglich der Furht vor Überfällen, fondern auch der durch lange Tra- dition gefräftigten Erfahrung, daß fie Schuß gegen die Malaria bietet. Die Mosfitos fliegen im allgemeinen nicht jehr hob; wenn der italienische Hirt in der Campagna auf hohen Geftellen jchläft, unterhalb deren er ein qualmendes Feuer anzündet, fo fucht er fich in derfelben Weife gegen das Fieber zu fehüßen, wie die in verrauchten und fajt hermetifh abfchliegbaren Pfahlhütten fih zufammenpferchenden Haturvölfer. An Haustieren bemerften wir Schwarze Schweine, zahlreiche Hühner und eine mittel- große, ziemlich fanfte Hunderafjfe. Das Schwein giebt den Feitbraten des Nifobarers ab, dem im übrigen die tropifche Umgebung reichlich den Tifch det. Seine Kieblings- nahrung ift eine aus den Früchten des Pandanus mellori bereitetete Pafta, welche die Stelle des Brotes vertritt. Nberall fanden wir auf den Dorratsgeftellen die einge- fammelten Pandanusfrüchte aufgeftapelt. Daneben ift es die Kofos-Palme, der treue Begleiter des tropifchen Mienfchen, welhe aud) dem Hifobarer zur Beftreitung des Kebensunterhaltes unentbehrlih ift. Man reichte uns, als wir eine Seit lang in der glühenden Sonnenhite amı Strande gegangen waren, aufgefchlagene Kofosnüffe, deren wäfferiger Inhalt uns ein wahres Kabfal war. Durch Anfchneiden der Knofpen- und Blütenftengel gewinnt der Hifobarer feinen Palmwein oder Toddy, den er in Bambus- sefäßen auffängt. Aus der Sagopalme, der Cycas Rumphii, bereitet er den ftärfe- mehlreihen Kuchen, während fonit noch Bananen, Papayas, Mangas und Ananas genoffen werden. Daneben jpendet das Meer reichlich feine Schäte. Alle Beobachter ftimmen darin überein, daß der Hifobarer ein trefflicher Fifcher ift, der mit Harpunenlanzen von guter Arbeit, mit Reufen und Ueben die verfchiedenartigen fhmadhaften Fifche erbeutet. Weniger fcheint er die Jagd zu lieben, die feinem furchtfamen Haturell nicht zufagt. Immerhin erbeutet er Wildfchweine mit Wurflanzen; größere Sagdgefellihaften jollen fogar den behenden Büffeln zu Leibe gehen. Wie alle Haturvölfer find auc die Xifobarer Scharfe Beobachter der umgebenden Hatur, welche die verfchiedenartigen Pflanzen und Tiere wohl unterfcheiden und mit befonderen Yamen belegen. Dem Gefhil im FSiihfang entipricht dem auch die treffliche Herftellung der Boote. werden aus den Stämmen des Calophyllum gefertigt, fmd mit Auslegern, einem {N i rm a 1 afte und mit aus NRotangblättern oder aus erhandelter Segelleinwand gefertigten egeln verfehen. Das Dorderende läuft in einen elegant gefchweiften Bug aus; mehrere In ın isbretter ermöglichen einer größeren Zahl von Perfonen das Rudern mit den im em langes Ruderblatt auslaufenden Paddeln, welhe aus dem roten Holze des wilden Mangoftan bergeftellt werden. Es gelang mir, vor der Abfahrt eines der Ruderboote Eingeborene auf Nanfauri. Yifobaren. Geifterglauben der Nifobarer. 409 zu erwerben, in denen die Eingeborenen an das Schiff herangefommen waren; es fteht jest als intereffantes Schauftüf im Dölfermufeum zu Leipzig. Auf dem ftillen fahr- wajffer längs des Strandes bemerfte ich außerden noc einzelne Eingeborene, die von auffällig Fleinen Booten aus ftehend fifchten. Ein merfwürdiger Zufall brachte es mit fich, daß wir die Eingeborenen bei einer Befhäftigung antrafen, welche frühere Keifende und Miffionare, die fich längere Zeit auf den Yifobaren aufhielten, faft nur von Hörenfagen Fannten. Ste mühten fich nämlich eifrig mit der Herftellung eines eigenartigen Fahrzeuges ab, das als Geifter- fchiff in ihren abergläubifhen Dorftellungen eine wichtige Rolle fpielt. Wir befißen nur eine zuverläfjige Befchreibung eines Beifterfhiffes aus der Feder des trefflichen dänifhen Beobahters de Noepftorff, der auf Karmorta — nicht von Yifobarern, fondern von einem Sepoy — ermordet wurde. Es dürfte daher vielleicht einiges nterefje darbieten, wenn wir das, was wir fahen, erzählen und an der Hand der Mitteilungen von Miffionaren und Kennern des Dolfes eine gedrängte Schilderung der religiöfen Dorftellungen geben. Wir folgen hierbei dem gewifjenhaften zufanınten- faffenden Bericht von Spoboda, einem öfterreichifchen Marinearzt, der Eurze Seit auf den Hifobaren weilte. Dichten und Trachten des Nifobarers wird, wie bei allen Natur- völfern, von dem Glauben an böfe Geifter beherrfcht. Insbefondere find es die Geifter der Der- (Sachse phot.) Wohnhätte (feitlih mit Palmmwedeln gededt) und Geifterfchiff. 410 Der Jwi. ftorbenen, die Jwi's, welche fich wieder nad) einem Körper fehnen und in irgend jemand hereinzufahren verfuchen. Der Geift des Toten bleibt ohne Heimat, ohne Eigentum und Freuden und verfucht, fih ganz von dem toten Körper loszumachen und von irgend einer Perfon Befit zu ergreifen. Bat er fich eines Lebenden bemächtigt, fo bemerft es der Betreffende bald an allerhand Heimfuhungen, unter denen namentlich das Fieber eine Hauptrolle fpielt. Um dies zu verhüten und dem wi das Derweilen bei der Seiche anmehmlicher zu machen, giebt man dem Derftorbenen alles mit in das Grab, was ihm im £eben von Wert war. Augleich entjagen die Anverwandten für längere Seit allen Freuden und Genüffen — namentlid auch dem Betelfauen —, um den Beift zu verfjöhnen. Der Name des Derfchiedenen wird nicht mehr genannt, und jede Beziehung wird dadurch abgebrochen, daß man fihh von der Hinterlaffenihaft losfast. Der Aberglaube gewinnt die Dberhand über die Gier nach Befis: der Schmuck wird der Seiche beigegeben und die Waffen nebit dem Hausgerät ftellt man verpadt oder zerbrochen auf dem Grabe auf. Die Eingeborenen führten mich nah dem dicht hinter Be letten Hütte gelegenen Friedhof, einem Fleinen, malerifh im Kofosgebüfch ver- iteften Plab, in dejjen Umfreis einige furz gehauene Pfähle eingerammt waren. Auf ihm ftanden zwei zufammengefchnürte Bündel von mannigfachem Gerät, deren eines an einer über die Aftgabeln von zwei Stämmen gelegten Querftange befejtigt war. In der Mitte zwifchen diefen Bündeln ftand noch ein Pad zufammengebundener Speere und Angelharpunen. Was in den feit verjchmürten und teilweife mit Kattunlappen ummicelten Bündeln enthalten war, Fonnte ich nicht erfennen, an einem hingen Kofos- ihalen, an dem anderen ein forgfältig verbundenes Pafet. Auf dem Boden lagen geflochtene Körbe, zerbrochene Thonjchalen, ein Hammer, und außerdem waren an einer Rotangfchnur Kalebaffen aus Kofosihalen aufgehängt. Da die Jwi’s troß aller Dorfichtsmaßregeln häufig auch in dte Hütten hineinfahren, fo werden die Schon erwähnten Geifterbäume im Waffer errichtet. Noepftorff bielt diefe Wahrzeichen der Uifobarenweiler für Sandmarfen, bejtimmt, den Tandenden Booten die feichten, unzugänglihen Stellen anzudeuten. Andere Beobachter vermuten in ihnen Dorrichtungen, welche mit dem Glauben an böfe Geijter in Sufammenhang zu bringen find. Entfchieden ift die letstere Dermutung zutreffender, da die Eingeborenen als tüchtige Fischer nicht erft diefer abjonderlichen, mit Kaubbüfheln verzierten Bambus- pfähle bedürfen, um fich über die Fahrrinnen zu orientieren. Wenn ich die Geijter- bäume als Dorrichtungen betrachte, welche den Jwi von der Anfteölung abhalten follen, fo beftimmt mich hierzu einerfeits die Thatfache, daß ebenfolhe mit Kaubbüjheln aus- geftattete Bäume auf Brabpläten errichtet werden, andererfeits die in früheren Berichten nicht erwähnte Wahrnehmung, daß ähnliche Pfähle, nur viel fürzer und oben in einen einzigen Quirl von Blättern auslaufend, vor jeder der drei Wohnhütten aufgejtellt waren. Sie gleichen jenen, welhe man bisweilen auf Gräbern antrifft, wo fie als Beerdigung. 411 Fräftiger Sauber gegen den wi gelten. Mie die letsteren, fo tragen auch die Geijter- pfähle vor den Hütten Kofosichalen. Nifobarifjcher Begräbnisplat. Wie man die Weiler und die Wohnhütten gegen die Einwirfungen des Jwi fchüst, jo fuhen auc, die einzelmen Perfonen fich mit einem tüchtigen Zauber zu umgeben, der den böfen Beift fchret und verjagt. Diefem Swede dienen jene Fetifche oder „Kareau”, 412 Setifche. Geifterfchiff. welche aus weichem Holze gefhnist an den Wänden der Wohnräume aufgeftellt find und in ihrer naiven Nachahmung europätfcher Suthaten geradezu grotesf wirken. Unter den zahlreichen Kareau, die wir dort fahen, habe ich feinen bemerkt, der aud nur annähernd jenem glich, welchen ein Fürzlich Derftorbener hinterlaffen hatte. Da ih auch im der Kitteratur Feine Andeutung über ähnliche Sdole von den Yifobaren finde, mag der gegen eine Slafhe Whisfy mir bereitwillig übergebene Fetifh im Bilde vorgeführt werden. Es handelt fih um ein weibliches dol, zu dem des Teufels Großmutter Modell geftanden zu haben fcheint, wohl geeignet, einem fi einfchleichenden Jwi geheimes Grauen zu erregen. Das Geficht ift rot bemalt, die herab- hängenden Brüfte find mit Blut befchmiert und die Augen mit Perlmutter ausgelegt. Als ich ihn auf dem Sande vor- fichttg hinlegte, Fam rafch einer der älteren Männer herbei, um ihn wieder aufrecht hinzuftellen. Treten nach der Beerdigung des Derftorbenen wi- drige Aufälle oder Fieber bei den Hinterbliebenen ein, fo werden zunächt Dorbereitungen getroffen, um den Iwt zu verjagen. Man veranftaltet ein Teufelsfeft, vertilgt ein Schwein, trinft reichlich Palmwein und raucht, während die Weiber unter Geheul ihre Geräte und Kebensmittel opfern. Die Sauberer oder Mlanloene, welche die Fähigkeit befißen, in der Trunfenheit den wi zu fehen und zu binden, geraten allmählich in Aufregung und beginnen die Be- ihwörung. Ste ftimmen ein Klagelied an, laufen dem IJwi nah, um ihn zu fangen und in einem Geifter- Forb auf das Geifterfchiff zu bringen. Mit defjen Her- jtellung war die Bevölferung von tu befchäftigt. Seine Grundlage bildet ein aus drei langen Baumftämmen hergeftelltes Floß, dem dadurch Halt gegeben wird, daf man in regelmäßigen Abftänden fünf Querftämme auf Setifch (Karcau) der Nifobarer. fich Freuzenden Pflöcen fejtbindet. Das Schiff war mit zwei Mlaften aus Bambus verfehen und trug an feinem dem Wafjer zugefehrten Ende ein Bugfpriet. Ein Tau- werf aus Notang geht von den Mlaften aus und ift behängt mit Guirlanden aus zerfaferten Palmblättern. Am Bintermaft bildeten die Guirlanden eine Art von Segel; beide Mlaftbäume find außerdem noch mit zerfchlisten Bananenblättern verziert. Hinten jteht ein Tifch, der mit Kofosmatten bededt ift, und von ihm gehen Holsftäbe, eine Reeling andeutend, bis zum Buggipriet. Auf den Tifh wird nah Noepftorff Berftellung des Geifterfhiffes. 415 Mit der Herftellung des Geifterfchiffes befchäftigte Nifobarer. Hahrung für drei Tage dem wi hingelegt, und außerdem follen noch Geifter- förbe zum Einfangen des wi aufgehängt werden. Dffenbar gehörten zum Auspus des Geifterfchiffes noh etwa jehs an eime Hütte angelehnte Bambuspfähle mit 414 Totenfeft der Vifobarer. Blattwirteln, welche durchaus den vor den Hütten errichteten Geifterpfählen glichen. Db freilich die auf einem Gejtell neben dent Schiffe liegenden Pandanus- und Kofos- früchte nebjt einem großen geflochtenen Korbe für den wi beftimmt waren, läßt fich fchwer jagen. Das Geifterfhiff wird von jungen Keuten in das Schlepptau genommen und auf das Meer hinaus gerudert, wo man es dann dem Spiel von Wind und Strömungen überläßt. Damit find nun freilich die Deranftaltungen zur Derföhnung des Geijtes des Derftorbenen noch nicht abgefhloffen. Drei Monate nach dem Tode halten nähere und entferntere Anverwandte eine Totenfeter bei Fadelliht ab und oft erft nah Jahren bildet das große Totenfeft — bei dem zugleich auch der nachträglich Derjtorbenen ge- dacht wird — den Abfchluß aller feierlihen Deranftaltungen. Sie find mit erheblichen Koften und viel Aufwand verbunden, zumal da zu dem großen Fefte auch aus benadh- barten Dörfern die Geladenen erfcheinen. Site erwarten, daß man mit Speife und Tranf — vorab mit Schweinebraten und Palmwein — nicht Fargt. Alan fängt des- halb fhon lange vor dem Feft die Schweine in Bambusftälle ein, mäftet fie mit Kofos und Pandanus und fichert fie gegen den Jwi (denn die Schweine leiden auch unter dem Fieber) durch gefchniste Schweine- fetifshe. Nah mehreren mit Gefang und Tanz, Schweinefhlahten und Fejtmahl durhfhwärmten Tagen und Nächten wird die Weh- lage angeftimmt und die Leiche ausgegraben. Wlan reinigt den Schädel, bringt ihn in feierlicher Prozefjtion, bet der die Männer in fehtmüsen mit Fechtjtöden fechten, in die Hütte und fest ihm dort einen Totenhut auf. Alle Anverwandte nehmen den Schädel in den Schoß, Iiebfofen ihm und ftellen ihn dann auf einen Altar, imdent fie ihm Betel, Cigaretten und ein feftmahl vorfesen. Hat der Tote fih von der tiefen Trauer der Hinterbliebenen überzeugt, fo wird der Schädel wiederum beerdigt. Sulett verbrennt man die trodnen Blätter der Deforationen, wobet die nadten Gejtalten durch das Feuer fpringen, um fich die Kälte (das Fieber) zu vertreiben. Hachdem mit Fadfeln die Jwi’s aus den Hütten verjagt find, wird eine Votivplatte aufgehängt und nun beginnt für die Familie ein neuer Abfchnitt in dem durch den Glauben an die böfen GSeifter geplagten Dafein. Dielleicht wird mancher der Sefer mitleidig die Derirrungen des Aberglaubens be- Flagen, welche es zuwege bringen, daß dem Naturmenfchen ein gutes Teil der Dafeins- freude vergällt wird. Es maht den Eindruf, als ob er im einer gewitterfhwangeren Atmofphäre dahinlebe, jtändig darauf bedacht, daß das Unheil nicht bei ihm einfchlage, und immer bereit, fich den eigenartigften Keiftungen zu unterwerfen, um es abzuwehren. Die Sorge vor den Wirkungen des böfen Geiftes verleitet ihn zu raffinierter Brau- famfeit, aber auch zu Gebräuchen, denen ein poetifcher Hauch nicht fehlt. Fu lesteren dürfen wir wohl die Herftellung eines Geifterfchiffes rechnen, das zur Derföhnung der Seele des Derftorbenen in feltfamem Aufpus auf das Mleer befördert und dort feinem Setifhismus. 415 Schiefal überlaffen wird. m übrigen leuchtet es ein, daß der Haturmenfch, welcher in einer übel verrufenen fiebergegend lebt, der Furht vor Heimfuhungen einen finn- fälligeren Ausdruf giebt, als der Bewohner gefunder Gebirgsgegenden. Im Hafen von Hanfauri hat eine Miffton der anderen weichen müfjen, ohne daß troß aller Aufopferung eine nachhaltige Einwirfung auf die Eingeborenen erzielt worden wäre; die von dem englifch-indifchen Gouvernement errichtete Straffolonte mußte ISIS) wegen des Fiebers aufgegeben werden — nur der Eingeborene, obwohl felbit nicht gegen das Fieber gefeit, hat ausgehalten. Sein ganzes Dichten und Trachten geht darauf hinaus, fih gegen die Wirfungen einer ihm unheimlihen, im Dichungel lauernden Heimfuhung zu fhüsen, und lange Erfahrung hat ihn dazu gebradht, daß er bei feinen Derfuchen, fich des Jwi — wir dürfen wohl fagen: der Malaria — zu er- wehren, einige rationelle Wege einfhlägt. Freilich läuft gar mancher Spuf mit unter, aber immerhin hat es doch der Hifobarer verftanden, das utile cum dulci zu vereinen, indem er mit Thränenmahl, StoFduellen, Ahnengalerie, fliegenden Holländern, Fleder- wifhen, Palmweinraufh und Schweinebraten feinem wi zu Leibe geht. Der Fetifhismus beruht darauf, daß irgend einem Förperlihen Gegenftande eine übernatürlihe Einwirfung beigelegt wird. Der geläuterten Denfweife widerftrebt die Annahme einer derartigen Beziehung, nicht aber der natwen Auffafjung des Dolfes. Sie ift reich durchfest mit fetifchiftifhen Anfhauungen, die oft recht finnfällige Paral- lelen zu der deenwelt des Haturmenfchen abgeben. Hier wie dort der Glaube an die Einwirfung der Geifter, die man durch AUmulette, Reliquien, gemalte und gefchniste Fetifche fich geneigt zu machen fucht, oder durch Befhwörer und Medizinmänner ban- nen, bisweilen auch in fpiritiftifchen Sisungen erfcheinen läßt. Der Geifterglaube der Yifobarer zeigt bei allen Anflängen an die fetifchiftifchen Dorftellungen malayifher Dölfer doch auch fo viele eigenartige Hüge, daß immer wieder die Beobachter zu der Frage nad) der Herkunft der merfwürdigen Infelbewohner Stellung nehmen. Sie find auf den nördlichen Infeln mit der Kultur mehr in Be- rührung gefommen, als auf den mittleren und füdlihen. Gerade auf der füdlichiten Infel, nämlid auf Broß-Lifobar, haben fie fih im Innern und an einigen Küjften- orten am reinften erhalten. Dort haufen die Shompen, welche nad) den Berichten von Roepftorff, der fie zuerft zu Geficht befam, und von Man, dem früheren Super- intendenten der Straffolonie, die primitivften Ytifobarer abgeben. An diefe in Hinficht auf Förperlihe Erfcheinung, Sprahe und Gebräuche den übrigen infelbewohnern ähnelnden, aber auf noch niedrigerer Kulturftufe stehenden Urbewohner muß eine gründliche ethnographifche Forihung anknüpfen, welhe die Frage nah der Herfunft der Yifobarer Flären will. Die Anfiht von Roepftorff, daß fie der mongolifchen Raffe zuzurechnen feien, hat wenig Anklang gefunden. Wer fie dem malayifchen Dölfer- gemifch zurechnet, braucht fih nicht nur auf ihre Förperliche Erfcheinung zu berufen, 416 Herfunft der Nifobarer. fondern Fann auch eine wichtige Thatjachhe geltend machen: die Nundhütten, auf dem ganzen malayifchen Archipel unbefannt, Fehren an einer entlegenen Stelle, nämlich auf Engano, der füdlichiten Infel des Mentawei-Befens, wieder. Thatfächlich ver- fichert denn auh) Giglioli, daß die zahlreichen Photographien, welche der unerfchrocdene Modigliant anfertigte, eine bemerfenswerte Ühnlichfeit zwifchen den Bewohnern von Engano und der Vifobaren aufweijen. NN WEBER 416 Herkunft der Nifobarer, fondern Fann auch eine wichtige Thatjache geltend madhen: die Rundhülten, auf dem ganzen malayifchen Archipel unbefannt, Fehren an einer entlegenen Stelle, nämlich. auf Engano, der füdlichiten mfel des Mentawei-Berens, wieder. Challählich ver- fichert denn auch Biglioii, daß die zahlreichen Photsgrapbien, welche der umesfhrodene Modigliani anfertiste, eine bemerfenswerte Ayndicheit zustichen den Bewohnern von Engano und der Yüfobaren aufmeifen. a N u Zi = N RG XVII. XHach den Malediven. 385 einem ftimmungsvollen Sonnenuntergang fuhren wir am Abend des 9. Februar aus dem idyllischen Hanfauri-Hafen aus. Friedlih lagen die Hütten in ihrer dunklen Umrahmung da, während die Eingeborenen von ihren Booten aus uns Ab- fchied zuwinften. Die Dunkelheit brach rafch herein; am wolfenlofen Himmel erglänzten im Senith der Drion und der Sirius, und gern begrüßte man aucd wieder das Stern- bild des großen Bären als Seihen, daß wir uns act Breitegrade nördlich vom Ugquator befanden. Der Kurs wurde auf Ceylon abgefeßt; da wir achterlihen Wind und mitlaufende Strömung hatten, Ffamen wir rafch durch den füdlichen Teil des Holfes von Bengalen vorwärts. Swei Lotungen mit 5IC4 refp. 5692 m zeigten, daß der Tiefenfhlamm aus blauem Schlif und aus Globigerinenfhlamm beftand. Da im übrigen in diefer Region bereits durch die indifhe Erpedition die Tiefen- fauna erforfcht war, verzichteten wir auf Dredfchzüge und befchränften uns auf Füge mit den Dertifalnegen, die, wie früher im Atlantifhen Dcean, fo auch hier im difhen Ocean ein außerordentlich reiches Ergebnis lieferten. An der Oberfläche trafen wir eine ähnliche mifroffopifche Lebewelt an, wie fte für den tropifhen Atlantifshen Dcean und wohl auch für alle tropifchen Mleeresgebiete typiich fein dürfte. Die Fugeligen Pyrocystis, die Xhizofolenien, langarmige Ceratten und die früher (S. CO—C2) bereits dargeftellten prächtigen Dertreter der Peridineen, wie Amphisolenia, Ornithocercus, Ceratocorys, Goniodoma, und in größerer Tiefe die Planktoniella, Halosphaera und Asteromphalus gaben unferen Zügen das charafte- riftifche Gepräge. Das Derdef hatte fi) inzwifhen in einen zo0ologifhen Garten verwandelt. Keiner der Mlatrofen verfäumte es, fih in Padang einen Affen zuzulegen, und fo faß denn Ian Mlaat in den freien Stunden in zärtlihem Tete-a-Tete mit feinem unverträglichen Kiebling. Wurde ein Dredfchzug veranftaltet, fo hocdten an 20 Dierhänder neugierig umber und verfehlten nicht, die Begeifterung der Hoologen über einen neuen, merf- würdigen fund fi zu nuße zu machen, um mit einem gewandt erhafchten Tieffee- frebs in die Wanten aufzuentern und ihn gewifjenhaft zu zergliedern. Wir mußten die Gefellihaft anbinden, wofür fie fich freilich durch manchen dem rafcy Dorübergehenden Thun, XAus den Tiefen des Weltmeeres, Zweite Auflage, 27 n- - 418 Ceylon. verjesten Bi fchadlos zu halten fuchte. Ein großer Cercopithecus, der fi) losgeriffen hatte und eifrig gejagt wurde, fiel bei einem feiner waghalfigen Sprünge über Bord, als das Schiff im voller fahrt war. Bei feiner ausgefprochenen Abneigung gegen einige Deranftalter oceanographifcher und biologifher Unterfuhungen war er der Ktebling der Mannfchaft und fein Schieffal erregte allfeitiges Bedauern. Aber man hatte nicht mit der Gewandtheit und Geiftesgegenwart eines Affen gerechnet: noch im legten Nioment erwifchte er das ftets hinter dem Schiffe nachgefchleppte Patentlogg, hielt jih an demfelben feft, obwohl er ftändisg herumgemwirbelt wurde, und gelangte thatfächlih mit der aufgezogenen Koggleine wieder an Bord, wo er durch Hähne- fletfchen feine Danfbarfeit bewies. Schwerlih möchte ihm ein anderes Tier oder gar ein Mlenfh dies Bravourftük nahmaden! Am Abend des I2. Februar fichteten wir die füd- lihen Keuchtfeuer von Leylon, das troß des wolfen- lofen Himmels vollftändig in Dunft gehüllt war. Als wir dann am nächiten Morgen, umfchwärmt von den Booten der Singhalefen, in den ftattlihen Hafen von Colombo einfuhren, als wir mit einem Schlage in das Getriebe des transoceanifchen Dampferverfehrs und in das gefchäftig pulfierende Großftadtleben verfett wurden, da überfam eimen faft die Sehnfucht nad den ftillen Fjorden und Buchten, die wir in der legten Heit befucht hatten. Aber denriodh Fann fich Feiner dem Sauber der vielgepriefenen Tropeninfel entziehen und das felbjt dann nicht, wenn er vorher Gebiete befucht hat, in denen die Degetation wuchtiger fich entfaltet und die Gebirge mächtiger aufftreben. Denn mit den im ftändige Feuchtigfeit gebadeten Negen- wäldern des Kamerunpif und der Weftfüfte von Sumatra vermag es fo leicht nicht eine tropifche Degetation aufzunehmen. Dafür aber bietet Ceylon in den dem Buddhiften heiligen Banyanen (Ficus religiosa) mit ihrem Säulenwald von in die Erde fich fen- Fonden und zu Stämmen erftarfenden Kuftwurzeln, in feinen Taltpotpalmen (Corypha umbraculifera), welche in einer ungeheuren Blütenrifpe ihre ganze Kraft und Schönheit erfchöpfen, um dann abzufterben, und endlich in den großartigen Bambuffen des bo- tanifchen Gartens von Peradenyta Pflanzenformen dar, die von der Geftaltungsfraft der Tropen ein faft überwältigendes Seugnis ablegen. Auf der Hochfläche von Agam mag ein Dolf gelebt haben, deffen Kultur ähnlich weit zurücreicht, wie diejenige der finghalefifhen Eroberer von Ceylon. ber es fehlt die hiftorifch beglaubigte Tradition. Diefe ift es, welche den Befucher padt, wenn er Kandy. 419 den vielumftrittenen Bo- den Ceylons betritt und nach einer an male- riihen Ausbliden überreichen Fahrt in der finghalefi- chen Königftadt Kandy umber- pilgert. Gern entflieht er dem lärmendenTrei- ben in dem Buddhiftentem- pel, der eine Millionen von Atenfchen heili- ge Reliquie, den Hahn des Bubd- dha, birgt, um auf einfamer Sahrt über die umgebenden Höhenzüge den Rundblid auf fih wirfen zu laffen. Da liegt im CThalEeffel der ftille See, umrahmt von Tempeln, Dillen und dem von ge- radlinigen Straßen durchzogenen Häufer- gewirr der Stadt; an anderen Stellen evöffnet fih nah dem Austritt aus dem dichten Urwald der Blif in das Thal des Nahawelli Banga und fchweift weiter nach den centralen Gebirgftoct der Infel mit feinen hohen im Süden gelegenen DTE Bambus (Dendrocalamus giganteus) im Botanifchen Garten zu Peradenyia (Ceylon). 420 Abfchied von Ceylon. Gipfeln, unter denen der fagenummwobene, Fühn und fteil aufjtrebende Adanıspif das Wahrzeichen von Leylon abgiebt. Mag man audh nad der Rüdfahrt durh das intenfiv Fultivierte, in der Höhen- region mit Theeplantagen überfäte Land von dem Mienfchengewühl des volfreichen Colombo faft aus dem Gleichgewicht gebracht werden, fo wird man doch gern an- erfennen, daß die braunen Singhalefen und die fpäter eingewanderten dunklen Tamilen an Ebenmaß des Wuchfes, an Schmiegfamfeit und anmutiger Haltung ihresgleichen fuchen. Sie mögen ihre Fehler haben und in Hinficht auf Thatfraft und Selbftbewußt- fein hinter anderen Stämmen zurüdftehen, aber nie werden diefe dramwidifchen Sivah- Derehrer und finghalefifschen Buddhiften verfehlen, einen fympathifhen Eindruf zu hinterlafjen. Wenn wir nur flüchtig Leylons gedenken, fo gefchieht dies nicht zum wenigiten deshalb, weil Ffaum eine Tropeninfel enthuftaftifchere und Fompetentere Darfteller ge- funden hat. Wer nur wenige Tage dort weilte, in Colombo, Kandy, in dem bota- nifchen Garten von Peradenyia von neuen Eindrüfen überfchüttet wurde, der ver- mag Faum die Fülle des Gebotenen zu verarbeiten, gefchweige denn ein zutreffendes Bild zu entwerfen. Er Fann nur der Pflicht der Dankbarkeit Ausdruck geben dafür, daß der Furze Aufenthalt durch das Entgegenfommen der Direftoren des prächtigen Atufeums in Colombo und des botanischen Gartens in Peradenyia zu einen lehrreichen und umferer deutfchen Sandsleute zu einem genußreichen fi geftaltete. Wer fern von dem Getriebe des geräufhvollen Hafens in der eleganten Dilla „Siriniwefa” unferes Konfuls, Heren Ph. Freudenberg, Gaftfreundfchaft genoß und nad erquidender Hacdtruhe in dem wohlgepflegten Garten den Tropenmorgen anbrehen fah, zählt folhe Ntomente zu den wenigen erlefenen, die das Leben befchert. Den Bemühungen des Konfulats war es denn auch zu verdanfen, daß ein junger Arzt, Mr. G. Hay, fich entjchloß, uns auf der weiteren fahrt zu begleiten. Hachdem wir ihn in der Frühe des 16. Februar an Bord genommen hatten, lichteten wir den Anker und fuhren bei fpiegelglatter See an der impofanten Reihe von Dampfern vor- bei, welche für die Bedeutung Lolombos beredtes Seugnis ablegen. Mt der außer- halb des Hafens vor Anker gegangenen „Kaiferin Elifabeth” taufhten wir Grüße aus und festen dann den Kurs füdweftlih in der Nichtung auf die dem ÜUgquator benadh- barten Atolle der Malediven. Unfere Kotungen nahmen wir wieder regelmäßig auf, da wir in Gebiete Famen, dte in oceanographifcher Hinficht entweder nod) gar nicht oder doch nur ungenügend erforfcht waren. Sie ergaben anı IC. und 18. Februar an- fehnliche Tiefen von 4454 refp. 4155 m. Der grünliche Tiefenfhlamm, welchen wir feit dem Eintritt im das Aientawei-Bedfen als Grundprobe erhalten hatten, ging in einen graugelblihen Globigerinenfhlif über. Die Tiefentemperaturen betrugen nur 1,4°, und die Temperaturferien lehrten, daß nur die oberflächlichiten Wafjerfchichten Pelaaifhe Organismen. 421 bis hödhjitens zu IOO m eine ftarfe Durhwärmung aufweifen, worauf mit rajchem Sprunge die Temperatur Fontinuierlih bis zum Boden jinft. Während wir bisher die unter dem Einfluffe des Nordojt-Monfuns fich geltend machende, nach Weften gerichtete Strömung oft derart verjpürt hatten, dag das Herab- laffen der Mete und Thermometer erhebliche Schwierigfeiten verurjachte, jo traten wir anı 18. Februar in ein ftromlofes Gebiet ein. Wir nusten die günftigen Derhältniffe von früh bis fpät am Nachmittag zu den verfchiedenartigiten oceanographiichen und biologifhen Unterfuhungen aus. Befonders überrafchten uns hier die Ergebniffe der Dertifalneszüge. Der Reichtum 7; Tiefen fchweben, tft ein erftaunlicher; die UÜebe an Organismen, welde in größeren Astronesthes splendidus n. sp. Brauer ($am. Astronesthidae). (Winter gez.) Befitztt ein größeres drehbares Leuchtorgan hinter dem Auge; die übrigen Leuchtorgane find in zwei laterale und zwei ventrale Reihen angeordnet. Außerdem treten folche zwifchen den Kiemenhautftrahlen und als fleine über die Haut zerftreute weife Pünftchen auf. Dertifalnet bis 2000 m, füdlich von Ceylon. 3ı. Bathylychnus cyaneus n. gen. et sp. Brauer ($am. Astronesthidae). (Winter gez.) Ein eines Leuchtorgan liegt auf dem Kiemendedel, davor ein großer weißlicher Sled. In jeder lateralen Heihe finden fich 52, ın jeder ventralen 52 Keuchtorgane. Außerdem treten folche zwifchen den Kiemenhautjtrablen, um das Auge, am Überfiefer und als fleine Pünktchen zerjtreut über den ganzen Körper auf. Dertifalneg bis 2000 m, füdlich von Ceylon. ?/ı. Famen oft ganz gefüllt mit fhwarzen Tieffeefifihen, durchfichtigen Tintenfifchen, bunt- gefärbten zehnfüßigen Krebfen (Sergeftiden), violetten Tieffeemedufen (Atolla) und ver- fchiedenartigen Wurmformen, unter denen namentlich die pelagifh lebenden Schnur- würmer (Pelagonemertes) auffielen, an Bord. YHicht wenig Erftaunen erregte der Fund einer Fielfüßigen Schnede aus der Gattung Carinaria, die bei einer Länge von 55 cm den Niefen ihres Gefchlehts abgiebt. Aus der Reihe der hier erbeuteten Tieffeeformen führen wir im Bilde zwei fanımet- fhwarze neue Arten von Fifchen vor, auf deren Ausftattung mit Keuchtorganen wir ipäter noch zu fprechen Fommen. 422 Pelagifhe Organismen. Auch an der Oberfläche herrfhte ein reiches Leben von größeren Organismen. Dor allen Dingen waren es die Hate, welche nad) dem Derlafjen des Gebietes der füdlichen Roß- Breiten fi) wieder regelmäßig einftellten. Wir wagten es nicht mehr, ein Boot von dem ftillliegenden Schiffe zum Swede der Oberflähenfifcheret auszufesen, nachdem einmal eine der Beftien ein Ruder gefaßt hatte. Am IC. Februar fingen wir unter der üblichen Aufregung nicht weniger denn fieben Haie, an denen zahlreihe Schiffs- halter (Echeneis) anfaßen. Allmäbhlich lernte man es, fie auch durch wohlgesielte Schüffe zu erlegen, die freilih nur dann einfchlugen, wenn der Hai nad) einer aus- geworfenen Slafhe fchnappte und die Schnauze etwas über Waffer zeigte. Saß der Schuß im Birm, fo fchnellten fih die gewaltigen Tiere durch einen mächtigen Schlag mit der Schwansfloffe über Waffer, um dann in Schraubenlinien in die Tiefe zu verfinfen. Don befonderem ntereffe war ein fund, den wir am IC. Februar an der DOber- fläche madten. fchien, noch von dem Tiere bewohnt war. Es gelang uns, diefelbe aufzufifchen, wo- bei es fich freilich ergab, daß die Wohnfammer nicht den lebenden Lephalopoden, fondern Fische enthielt, die fich fcheu im diefelbe ducdten. Da wir neben den Dampfer noch einige Fifhe bemerften, welche unfjtät umberfjhwammen, warfen wir die leere Schale noch einmal in das Wafjer und hatten bald die Genugthuung, daß alle vafch auf diefelbe zufhwammen und fih in ihr bargen. Wir hielten diefe Fifche noch eine Heitlang lebend in unferem Baffin und es ergab fich hierbei, daß es fih- um Dertreter der Baliftiden handelte, von denen wir nur einen (Glyphidodon Bengalensis) zu be- ftimmen vermocdten. Sie Flappen gefchiet ihren Rüdenftachel m eine furche ein und fuchen bei der Annäherung des Menfchen rafh die Wohnfammer der mit Hydroiden und Algen bewachfenen Schale zu gewinnen, um jich platt mit dem Kopfe voran an In der Mähe des Schiffes trieb eine Nautilusfchale, weldhe, wie es n die Seitenwände zu ducfen. Als fhlehte Schwinmer befiten fie eine relativ Fleine Schwansfloffe. Merfwürdig rafch ändern fie bei der Erregung die Farbe: helle Flede traten auf dem grauen Grunde auf, der rafch bläulihe Färbung annahm und fich bis- weilen mit weißlichen mäandrifchen Seichnungen bededte. Se mehr wir uns dem Üquator näherten, defto ftärfer bewölfte fich der Himmel, indem gleichzeitig der Wind aus Weiten zu wehen begann. Selten haben wir jtin- mungsvollere Sonnenuntergänge genoffen, als hier inmitten des tropifchen Indischen Dceans; die Farbenpract der blutrot und goldig umfäumten Wolfen und das eigen- artige Bleigrau des mit Rot übergoffenen Meeres vermöcte fhwerlib ein Maler mit dem Pinfel fejtzubalten. Da wir beabfichtigten, auf der Höhe des Üquators eine An- n zahl von Unterfuchungen auszuführen, fteuerten wir am Hacmittag des I). Februar eines der füdlichen Malediven-Atolle, nämlich das Suadiva- Atoll, an und anferten dicht vor dem Riff rauf IO Faden Tiefe bei der als Kanduhuludu bezeichneten Jnfel. Sonnenuntergänge, 423 Sonnenuntergang bei dem Pajfteren des Aquators. 20, Sebruar 1899, gang q Die Malediven ftellen befanntlih eine langgeftrefte Reihe von Korallen-Atollen dar, die fih von 0°42' f. Br. bis zu T°6’ n. Br., alfo nahezu über acht Breitegrade, erjtrect. Es mögen im ganzen wohl 20 größere Atolle fein, die in politifcher Hinficht von dem auf Mlale refidierenden Sultan in zwölf Gruppen eingeteilt werden. Die tolle find durch breite, tiefe Kanäle voneinander gefchteden, welche ohne Gefahr von den größten Seedampfern paffiert werden fönnen. Der breitefte Kanal ift der Alqua- torial-Ranal zwifhen dem Suadiva- und Adu-Atoll; gerade diefer war es, dem unfere nächften Unterfuhungen gelten follten. Die Atolle fallen nah Weit und Dft in ein mehr als 4000 m tiefes Mieer fteil ab. Die Kanäle zwifchen den Atollen waren bisher mit Ausnahme des Achtgrad- und des Ügquator-Kanals noch nicht ausgelotet worden; erfterer weit Tiefen von IT66 m auf, in leßterem loteten wir direft unter den Uquator 2255 m. Erft im vergangenen Jahre ION unterfuchte A. Agaffiz auf feiner Erpedition nach den Malediven 424 Suadiva- (Huvadu-) Atoll. genauer die Neliefverhältniffe des nn Er Meeresbodens im Unifreis der Atolle. Es ergab näle zwifchen den Rn EV nördlichen Atollen flaher find, als x “ a diejenigen zwifchen den füdlichen; PN en © in den erfteren be- In, trug die größte Tiefe 684m (zwi- ae abe Bor fchen S. Male und es Phalidu), während in Kubudu : den brei- teren jiüd- lichen Kanälen bereits 5 Madi 736 % "Funah-du P 8 EE<] 5 20% ET u ” s 2 8 8 “ = % 20 & "Havafıı tinadu Ya 3 En Lem, u» Mahadu® — 7 men “ rs ER sr ‚good wuter 7 wg“ 2 Foo Uddee g + a8 % “ 29 ae ” 3 = E © owBushy Lo, “ Te = 75 EG, zuge | 2 Nad; der Aufnahme von Kapitän Moresby und £ieutenant Powell. Das Suadiva-Atoll. 425 Tiefen von 2045 m (Dat Mandu-Kanal) von 2067 m (Anderthalbgrad-Kanal) auf- treten. Unter der Berücdfichtigung der oben erwähnten Lotungen im füdlihen Kanale (Üquator-Kanal) ergiebt es fich demnadh, daß die gewaltigen ringförmigen Malediven- Atolle einem unterfeeifhen Rüden auffisen, der von Süd nadı Hord allmählich, anfteigt. Wir werden bald nody Gelegenheit finden, an der Hand unferer Kotungen den wichtigen Hachweis zu führen, daß diefer Rüden fih bis zu der Chagos-Gruppe fortfest. Das Suadiva-Atoll befist einen nord-füdlihen Durchmeffer von nicht weniger als 45 Seemeilen und fpiegelt eine weitere Eigentünlichfeit der Mlalediven-Atolle infofern wieder, als es nicht eimen gefchloffenen Ring darftellt, fondern von zahllofen (mehr denn IOO) Kanälen durhbrochen ift. So wird es denn in eine AMienge Fleiner nfel- chen zerlegt, deren jede von einem flachen Saumriff umgeben ift. Auch das Innere des Atolls ift mit einer Anzahl Fleiner Infeln ausgejtattet und weijt relativ geringe, nicht über SO m betragende Tiefen auf. In den Kanälen zwiihen den Infeln läßt fi) je nah den Gezeiten eine ziemlich ftarfe Strömung wahrnehmen. Der Kanal, vor dem wir anferten, zeigte amı Abend einen Fräftigen, nad) Südoft gerichteten ausgehen- den und am näcjten Morgen einen in umgefehrter Richtung fliegenden eingehenden Strom. Während die nördlichen Atolle noh von den indifchen WMlonfun = Minden beeinflußt werden, fo üben diefe ihre Wirfung nicht mehr auf die füdlichen aus; \ \ N I\\ \ l V r f Anjteuerung des Suadiva=Atolls am Abend des 19. Februar, 426 Bewohner von Kanduhuludu. bier ift Wind und Wetter bei häufigen Regenfchauern und gelegentlichen Stürmen fhwanfend. Kurz nachdem wir vor Anfer gegangen waren, Fam ein großes, flaches Boot ohne Ausleger, das von etwa 20 Mann gerudert wurde, an das Schiff heran. Da die Seute einen vertrauenerwedenden Eindruf machten, ließen wir fie an Bord Klettern. Es war der Dorfältefte von Kanduhuludu, ein freundlicher, älterer Mann, der mit einem Teile der Bewohner uns begrüßen wollte. Wir waren überrafcht über die fhönen, gewandten und fchlanfen braunen Geftalten, die neugierig und doch wieder mit einer gewifjen fcheuen Zurückhaltung das Schiff mufterten. NRafch entwickelte fich eine eifrige Konverfation. Mtenfch bleibt Menfh: der pantomimifhe Ausdrud der einfacheren Regungen und Gefühle ift auf dem ganzen Erdenrund ein fo finnfälliger, daß eine Derftändigung — mochte es fih um Heger, um Viafer, Hifobarer oder Mlalediver handeln — rafhı zuwege Fommt. Erleichtert wurde der Derfehr ein wenig dadurdh, daß der Alte über etwa fehs Worte gebrochenes Englisch verfügte. Er ftellte uns feinen Bruder vor und lud mich ein, die Nacht in feiner Wohnung an Sand zu verbringen. Ich lehnte dies ab, verjprah ihm aber, in der Frühe des nächten Morgens einen Befuh abzuftatten und Suppenfchilöfröten (eine Abbil- dung derfelben eröffnete das Derftändnis für unfer Dor- haben) einzuhandeln. Alan hatte inzwifchen Seit, den eigenartigen Typus der füdlihen Malediver genauer ins Auge zu faffen. Er ift durchaus verfchteden von jenem der Malayen und zeigt Anflänge an indifches, bisweilen fogar an arabifches Blut. Das Geficht verrät in jeder Hinficht Intelligenz ; die Augen find groß und ausdrudspvoll, die Lippen fleifchig, die Yafe bald breit, bald durdy- aus nach dem arifchen Typus gejtaltet. Un- ter den jüngeren Keuten fielen allgemein die oft Naledipifcher Junge. Typus der Malediver. DU Der Dorfältefte und Eingeborene von Kanduhuludu. vollendet Schönen hellbraunen Geftalten auf. Faft alle bedeckten das furzgefchorene Haupt im Gegenfat zu den Mlaledivern der nördlichen Atolle mit einem Turban von weißem oder buntem Tuch. Der Oberkörper bleibt bet den jüngeren unbefleidet; dte älteren trugen ver- fchiedengefärbte Jaden. Über eng anfhliegende Kniehofen wird nadı Art eines Sarong ein Tuch gefhlungen und durch einen Gürtel feitgehalten, in dem ein offenes Mtefjer jteckt. Srühmorgens, noch vor Tagesanbrucd, fuhr ich mit einigen Gefährten in den Ein- gang zum Atoll. Das Fortfommen wurde zwar durch den eingehenden Strom er- leichtert, aber in der Nähe der Infel durch das vorgelagerte Saumriff faft völlig ge- hindert. Da uns indefjen bei Tagesgrauen einige am Strande verfammelte Bewohner Maledivifcher Sriedhof und Fleine Mojchee auf Kanduhuludu (Suadiva=:Xtoll). Maledivifcher Friedhof. 429 bemerften, bemannten fie rafh ein Boot und lotften uns durch die mäandrifch ge- wundene fahrrinne zum Strand. Wir wurden dort von der ganzen männlichen Be- völferung in Empfang genommen und zunäcdft zu etwa 50 auf dem Küden liegenden Seefchildfröten (Chelonia viridis) geleitet, die man uns gegen geringes Entgelt zur Derfügung ftellte. Etwas weiter landeinwärts, verftecht zwifchen Kofospalmen, Mangas, Granatbäumen und Bananen liegst das Dorf. Das Geäft der Bäume war von zahl lofen Sliegenden Hunden und Krähen belebt. Wir fhoffen einige Eremplare und es ftellte fi jpäterhin heraus, daß die Krähenart nocd nicht befannt war. Saft an jeder Palme fielen uns Fleine Schutßdäher und fallen auf, die man zur Abwehr der Kofos- ratten ange- bradt hatte. Das Dorf felbft bejteht aus niedri- gen rechtect- sen Hütten, die ganz aus dem Mlate- rial der Ko- fospalmen hergejtellt find; dte mit weißem Ro- rallenfand belegten IDe- ge fielen nicht minder als die Hütten Grabmale aus Korallenfalf. durch ihre Sauberfeit uns auf. Unfer freundlicher Führer, der Dorfälteite, geleitete mich in fein Wohnhaus und zeigte mit Stolz die Wanduhr, die brennende Ampel und das Gefchirr aus Porzellan. Als ich die fauberen Betten und den reinlichen, mit fchön geflochtenen Matten belegten Boden fah, bedauerte ich faft, die Einladung zum UÜber- nadhten nicht angenommen zu haben. Ein fchattiger Weg führt vorbei an einigen Lifternen zu dem Fleinen Kirchhof, der ftimmungsvoll von Kofospalmen und weißblühender Plumiera umfäumt an eine Fleine, befcheidene Miofchee fih anlehnt. Unfere Begleiter verrichteten ihr Gebet, während deffen wir Seit hatten, die Grabmale aus Korallenfalf, die mit Arabesfen und ge- legentlihy mit arabifhen Infchriften verziert find, in Augenschein zu nehmen. Auf dem 450 Sympathifcher Eindrucd der Malediver. Samiliengrabe des Dorfälteften hatte man zahlreiche weiße Fähnchen auf- geftellt; andere Gräber waren mit Muffelin überfpannt. Bei der Rüdfehr in das Dorf wurden auch allmählich die Kinder zutraulicher und wagten jich fchlieg- lih mit den frauen und Mädchen heran. Müt Stolz ftellte mir der alte Mann feine Tochter vor, die von einer Anzahl chöner Nädchen umgeben war. Sie alle tragen ein bis über die Knie reichendes röt- liches Obergewand, unter dem noch ein buntes Untergewand heraus- ragt. Bals und Bruft waren mit sefhmacdvollen Sticereien in Silber und Gold bedeckt, und nicht wenig Maledivifches Mädchen. überrafchte der reihe Shmuf an goldenen Balsfetten, goldenen Armbändern und aufgereihten Münzen. Unftreitig er- freut jich die Bevölkerung eines gewiffen Wohlftandes, auf den auch die Ausitattung der Hütten hindeutet. Silbermünzen, dte ich ihnen gab, wurden gern angenommen, Kupfermünzen aber durchaus verweigert. Man wun- derte fih offenbar, daß wir Feinen Shmud trugen, und äußerte eine naive Freude, als man wenig- ftens einen goldenen Trauring bemerfte. Es war ein liebliches \dyll, welches fich hier in dem Dorfe entfaltete: lauter anmutige, oft Schöne Mtenfchen, dte neugierig und doch wieder mit feiner SJurücdhaltung die Fremödlinge mufterten und ihnen mit einem gewiffen Stolz eimen Einbli in ihr Heimwejen gejtatteten. Die Männer gaben uns das Seleit zum Schiffe, indem fie ihre Boote mit Hühnern und Schildfröten beluden. Sie rudern im Siten mit langen Ruderftangen, an denen eine Furze Schaufel angebradt tft, und gebrauchen Boot mit Segel aus Kofosmatte. Abfahrt von den Malediven. 451 “© ıN < o = \ als Segel entweder vieredige Kofosmatten oder dreiefig zugefchnittene, erhandelt leinwand. Ein malerifhes Treiben entfaltete fich bei unferer Abfahrt, als die N diver in fteben Booten, deren jedes 20-50 AMienjhen faßte, das Schiff umfreiften und unter lautem Zuruf uns Dalet fagten. Maledivifches Slachboot. (Apstein phot.) Es fällt nicht leicht, den ethnographifhen Charafter der Bevölferung der Malediven fcharf zu beftimmen, zumal da dte hiftorifchen Daten über die Bewohner der Atolle nicht jehr weit zurücreichen. Der erfte, welcher die Malediven befuchte und fich längere Seit, nämlih I! Jahre, auf ihnen aufbielt, war der berühmte arabifche Reifende Jbn Batuta. Aus Tanger gebürtig folgte er teilweife den Pfaden eines AMtarco Polo, indem er Bufhara, Dorderindien, Tibet und China bereifte und fchließ- lih im Jahre 1545 nad) den Mialediven gelangte. Dort verheiratete er fich mit frauen aus den angefehenften Familien, gelangte zu hohem Anfehen, das in feiner Ernennung zum Minifter Ausdruf fand, Fehrte aber fchlieglich doch wieder, von Sehn- fuht nah dem Heimatlande ergriffen, zurüd. Eine befonders eingehende Schilderung der Mialediven gab dann fpäterhin ein franzöfifher Edelmann, Pyrard de Kaval. In ihm lebt der unbändige normannifhe Unternehmungsgeift fort, der ihn veranlaßte, 452 Ältere Reifeberichte. von Saint Malo aus um das Kap und über Madagasfar die vielgepriefenen, reichen indifhen Länder aufzufuchen. Er litt Schiffbruhh auf den Malediven und wurde dort nicht weniger als 9 Jahre lang gefangen gehalten, aber immerhin freundlich be- handelt. Durch den Ilberfall eines Bengalenherrfchers 1607 befreit, Fehrte er nad) noch manchen abenteuerlihen Erlebniffen wieder nah Frankreich zurüd. Aus den Berichten diefer beiden Reifenden geht hervor, daß jedenfalls feit der Zeit, wo fie die Malediven auffuchten, der ethnographiihe Charafter des Dolfes bis auf den heutigen Tag fih Faum geändert hat. In neuerer Seit wurden die Malediven von nur wenigen NReifenden aufgefucht, obwohl der transoceanifche Derfehr nach) Indien und Dft-Aften zwifhen ihren Atollen bindurhführt. Die wertvollften Nachrichten verdanfen wir den Unterfuchungen englischer Mlarine-Dffiziere, die von der indischen Regierung behufs Dermefjung und Erforjhung der Infeln in den Jahren 1854—1856 ausgefendet wurden. Die topographifchen Auf- nahmen der Atolle durch Kapitän Mloresby und feine Offiziere find wahre Mufter gewiffenhafter Arbeiten und für die Kenntniffe der Korallenbildungen um fo wertvoller, als fih an der Hand ihrer Karten die fpäter durch Hebung und Senfung erfolgten Ün- derungen leicht Fontrollieren lafjen. Wenn man bedenkt, daß alle Offiziere und Mlann- {haften an fchwerer Mlalaria erfranften, fo wird man ihrer Ausdauer und Energie nur das höchite Lob zollen Fönnen, Eimen Auszug aus ihren Schilderungen der Malediven, vervollftändigt durch eigene Beobadhtungen, veröffentlichte Bell und neuerdings Roffet, der fih hauptfächlich auf der Sultansinfel Male aufhielt. Die eingehendfte floriftifche und fauniftifche Unterfuchung der Atolle verdanken wir Stanley Bardinger. Seine treff- lichen Darftellungen, von denen freilich erft ein Fleiner Teil vorliegt, werden über die Hatur der Malediven ebenfo helles Licht verbreiten, wie die bis jest nur durch einen brieflichen Bericht befannt gewordenen Arbeiten von A. Agaffiz. Einige Furze hiftorifche Dar- legungen, welche wir im Anfchluß an Roffet geben, mögen fchlieglih noh Plat finden. Wir dürfen wohl annehmen, daß die Malediven zuerft von Ceylon aus bevölfert wurden. Dem finghalefifihen Blute mifchten fih, wie wir ficher wiljen, arabifche Elemente von Malabar aus, aber auch jchwarze von der afrifanifchen Küfte bei. Keinesfalls haben wir es mit einer reinen Raffe zu thun, fondern mit einer jedenfalls fehr glüdlihen Mifhung indogermanifcher, hamitifher und femitifcher Dölfer. Der Einfluß des Islam fcheint fhon vom 8. Jahrhundert ab fich geltend gemadt zu haben, und offenbar waren die Mlalediver bereits im I2. Jahrhundert, wo fie unter der Herrihaft eines der an der indischen Küfte gegründeten mohammedanifchen Köntgreiche ftanden, zum Islam befehrt. Als mit dem Beginn des 16. Jahrhunderts die Portugiefen als Weltmacht auftraten, gerieten auch die Malediver in ein Abhängigfeitsperhältnis von denfelben. Don nun an fpiegelt fi) auf den weltfernen Atollen jener großartige Umfhwung in den Machtverhältniffen wieder, wie er durch die Derdrängung des Biftorifches über die Malediven. 435 portugiefifchen Einflufjes durch den holländifchen und nach der Einnahme von Ceylon ITI6 durch den englifchen bedingt wurde. Dhne Braufamfeiten und empfindliche Schläge für die herrfchenden Nationen ging es freilich bei diefem Wechfel der Einflugfphäre nicht ab. Immerhin wußten die maledivifhen Sultane, welche auf dem bedeutungsvolliten Atoll, nämlich Male, refidieren, fich eine gewifje Unabhängigfeit zu wahren. Die Befchichte ver- zeichnet eine ganze Reihe thatfräftiger, hochbegabter und Funftfinniger Herrfcher, welche in weifer Erfenntnis, daß ihre Macht gegen den europäifhen Einfluß nicht ausreicht, feit 1645 alljährlich eine mit hohen Ehren aufgenommene Befandtfchaft an den Bou- verneur von Ceylon fenden. Die Greuel, welche in den mohammedanifchen Berrfcher- häufern durch die ungeregelte Thronfolge bedingt werden, blieben freilich auch den Male- diven nicht erfpart. Wenn fie in etwas milderer Form fic) geltend machten, fo entfpricht dies der fanften und troß der Strenggläubigfeit toleranten Denfungsweife der Eingeborenen. Der Dorfältefte von Kanduhuludu (Suadiva=:XtoN) Chun, Aus den Tiefen des Weltmeeres, Sweite Auflage. 28 XIX. Diego Garcia, ee der Abfahrt von dem Suadiva-Atoll wurde der Kurs rechtweifend Süd auf — N die füdlichfte Gruppe jener Korallen-Atolle abgefest, die in langer Neihe mit den Saffadiven beginnend ihren Abjhlug in dem Ehagos-Archipel finden. Wir ver- anftalteten während der viertägigen fahrt vom 20.— 25. Februar eine Serie von 5 Kotungen, welche jedenfalls ein in geographifcher Hinficht wichtiges Ergebnis, nänlich den Nad- weis eines unterfeeifchen Der- bindungsrücdens zwifchen der Thagos-Gruppe und den Malediven lieferten. Wejt- lih wie öftlich von den ge- nannten Korallen-Atollen hatten fchon frühere Kotun- gen den Nachweis eines 4 bis 5000 m tiefen Meeres erbracht. Unfere Lotungen er- gaben auf der direften Der- bindungslinte zwifchen den Mtale- diven und den Chagos-nfeln ge- ringere Tiefen, die fich zwifchen 2255, 2524. 2926 und 5596 m bewegen. Bier- (Rübsaamen gez.) . r R 7 ons zo Sy mit erweilt lich jenes garze Syitem Tropifcher Globigerinen=Schlamm aus dem JIndifchen Ocean, von Korallen-rchipelen, dte in nord- Indifhen Dcean vorgefchoben erjchei- 222, 2255 m. Enthält: Globigerina bulloides, sacculifera, digitata, dubia, Pullenia füdliher Richtung in den centralen obliqueloculata, foraminiferen, Echinidenftaheln 2c. 2/ı- Pulvinulina menardii, Orbulina universa, Boden= nen, als ein einheitlicher Kompler, der freilich durch breite und tiefe Kanäle in einzelne Gruppen zerfällt. Die Grundproben ergaben bei einer Bodentemperatur von 1,2—1,8° Dredfchzüiige unter dem Aquator. 455 einen weißlichen Globigerinenfchlid, der bei dem Auswafchen @®lo- bigerinen, aber auch zahlreiche Kiefelfhalen von Radiolarien erfennen läßt. Die genauere Unterfuhung von drei Grund- proben ergab einen hauptjächlih durch Globigerinen be- dingten Gehalt an Fohlenfaurem Kalf von 59—69%/,. Die Kiefelorganismen waren mit J5— 20%, reichlich ver- treten. Der Neft beftand aus thoniger Subftanz mit recht fpärlichen Mineralförnern. Schliegneßzüge, die wir “= bis dicht über dem Grunde ausführten, enthielten neben En \ 0 lebenden Organismen, wie Copepoden und mit rotem x Darm ausgeftatteten Sa- gitten, folche Mten- gen leerer NRa- diolarien- und (Blochmaangen) Slobige- mit N > rinen- 2919 m. 2. fchalen, daß der Fang eine weißlih trübe Färbung aufwies. Die gün- fttge Witterung ermöglichte es uns, Ende des verzweigten $ußes des Bradiopoden (Blochmann gez.) mit den die Soraminiferen (meift Globigerinen) umfpinnenden oder durchjetenden Ausläufern. 17/ı. 28*+ 456 Phua Mulafı. MaledivenzInfel Phua Mulafu. nicht nur zahlreihe Züge mit den Dertifalnesen auszuführen, die uns mit einem Fojt- baren Material faft überfchütteten, fondern auch zweimal in 2255 und 291) m Dredfch- züge zu veranftalten. Die Grundfauna in diefen Regionen ift zwar nicht fehr reich entwicelt, weijt aber immerhin eine Anzahl intereffanter Formen auf. Unter ihnen fielen namentlich die jhönen Dertreter der Battung Umbellula (vergl. S. 185), Penna- tuliden, Antipathiden, violett gefärbte Seeigel (Dermatodiadema), Seefterne und vor allem recht eigenartige Brachiopoden auf. Die Ießteren laffen eine bemerfenswerte An- pafjung an das Keben auf dem Blobigerinenfhlid durd) die ungewöhnliche Ausbildung ihres Fußes erfennen. Derfelbe ift im Gegenfat zu den der Gattung Terebratulina angehörigen Derwandten ftarf verlängert und mit zahlreichen feinen Seitenäften befest, vermittelft deren die Blobigerinen umfponnen oder durchbohrt werden. Eine derartige Umformung des Fußes ift bis jeßt, wie mir Prof. Blohmann mitteilt, von feinem Bradhiopoden befannt geworden. In den erjten Tagen nah der Abfahrt von den Malediven war es unter dem Üquator erdrücend fhwül. Wir paffterten am 20. Februar die füdlichite Mlalediven- Infel, nämlich Phua Mulafu, die als niedriges dicht mit Kofoshainen bejtandenes Korallenriff erft aus größerer Mähe gefichtet wurde. Dffenbar hatten die Einwohner feit langer Zeit feinen Dampfer vor Augen gehabt, da fie auf ein Signal mit der Dampfpfeife hin von allen Seiten zu Hunderten herbeirannten. Ein Boot mit roter Flagge wurde von der Infel abgelaffen, worauf wir ftoppten, um dasjelbe abzuwarten. Diego Garcia. 4% Seider wagten die mißtrauifch gewordenen Ruderer nicht an das Schiff heranzufommen, fo daß wir, ohne zu landen, unfern Kurs fortjegten. Hatten wir bisher Windftille oder nur fehr leichten Meftwind zu verzeichnen gehabt, fo fette feit dem 21. Februar immer Fräftiger der Hordweit-Mlonfun ein. Unter heftigen Gewitterböen wehte er am 22. und 25. Februar fteif und bedingte eine fehr fühlbar fich geltend machende, nach Südoft gerichtete Strömung. Am Nachmittag des 25. Februar Fam Diego Garcia in Sicht, doch dunfelte es be- reits, bevor wir uns der Einfahrt zur Binnenlagune näherten. Bet dem ftarfen See garıg fehien es wenig behaslich, die Naht hindurh vor dem Atoll zu Freuzen, und jo fuhr der Kapitän an der Hand der trefflichen englifchen EB 50 Admiralitätsfarte beit Dollmondfchein in die gewal- Bd tige, von Korallenriffen ftarrende Binnen- Madleli N Barton, Point lagune ein, obwohl die Seezeichen fchon N. Se L 170 \ ul & o RR fi wBNe nn . 54 \ 0x7 fett einigen Jahren aus ihr entfernt 2 W 8 Birald&\ _ 7 6 oO - = 0 worden waren. Die Bevölkerung von 2 Diego Garcia war nicht wenig überrafht, als fie simpsorupt (4 am näcjten Miorgen den großen in der Kagune vor Anker gegangenen Dampfer erblidte. Es dauerte denn auch nicht lange, bis ein von Schwarzen in fchmuder Mla- trofentracht gerudertes Boot von der Hauptanfiedelung, Kait- Point, heranfam. Der Ad- miniftrator von Diego Gar- cia, Mr. de Caila, fteuerte es und ° war einigermaßen erjtaunt, als auf feine frage, ob wir Kranfheit an Bord hätten und was der Hwed unferer Ankunft fei, von der Brücde geant- wortet wurde, daß wir feine nfel befehen und Schweine einfaufen wollten. An Bord orientierte er fh —— Do indeffen rafch über den Cha- ee a rafter unferer fahrt und erbot fi mit der dem Süd- In franzofen eigenen liebenswürdigen und weltmännifchen Unbefangenbeit, als Sotje bei der weiteren Fahrt durch die Sagune bis zu dem KLandungsftes amı Hauptetablifjement Diego Garcia. Tiefenangaben in engl. $aden. Yach Bourne, toll. [0 6) 45 zu dienen, nicht ohne daß er dem Kapitän feine Anerfennung über das von feinem früheren Dampfer unternommene Wagnis, bei Nacht in die Sagune einzufahren, aus- gejprochen hätte. Bevor wir indeffen dem Kefer das eigenartige foctale Getriebe auf einer einfamen, inmitten des tropifchen Indischen Dceans gelegenen, von dem großen Weltverfehr nunmehr vollitändis abgefchnittenen Koralleneilandes fchildern, fei es geftattet, feine Öeftaltung, Degetation und Tierwelt, wie wir fie während eines 21/,tägigen Befuches fennen lernten, Furz darzulegen. Diego Garcia liegt unter 7° 15’ f. Br. und 72° 25’ 8.8. Es repräfentiert ein typifches Korallen-2Xtoll von unregelmäßig dreieckiger Geftalt, deffen Spite nach Süden, defjen Bafis nad Hordweft gewendet ift. Das Sand ift Faum breiter als eine Seemeile, an manchen Stellen nod bedeutend fchmäler, und ph umgrenzt eine großartigefa- gune, die im Hordweiten nach dent frei- en Dcean fi öffnet. Der Eingang zu der Kagune wird durd drei Infeln: die Dit, die Müttel- und die Weft- oder Dogel-Infel in eine entiprehende Zahl von Kanälen ge- Düne aus weifem Korallenfand zwifchen Außenriff und Strandflora. teilt. Unter ihnen ift der für die Anftenerung geeignetfte und ficherfte jener, welcher zwifchen der Mittel- und Weft-nfel hHindurchführt; bei einer Tiefe von IO—I2 m Fann er von den großen Dceandampfern paffiert werden. Da von hier aus eine tiefe Fahr- rinne zwifchen unterfeeifchen Korallenriffen bis gegen dte Hauptanfiedelung, nämlich Eajt-Point, hinführt, fo giebt die Kagune einen großartigen und wunderbar gefchüßten Hafen ab. Die Ausdehnung von Diego Garcia in nord-füdlicher Richtung beträgt 121 ,, in .oft-weftlicher an der breiteften Stelle T Seemeilen. Das Land tft flach und erhebt fih nur wenige Mieter über den Mieeresfpiegel. Es befteht aus Korallenblöden und Korallenfand, der nur an wenigen Stellen durch den von April bis September wehen- den Südoft-Paffat zu etwa S—IO m hohen Dünen aufgehäuft wird. Wo es mit einer Sagune, 459 üppigen Degetation bedeet ift, bilden abgefallenes Kaub und die Hülfen der Kofos- früchte einen fruchtbaren Mulm. Gegen die Kagune fällt der Strand flach ab; nad der Außenfeite hin fteigt das Land höher an, um dann mit einer fchneeweißen Düne fchroffer fich zu dem während der Ebbe freiliegenden Y/, bis Y, Seemeile breiten Saumriff zu fenten. Die Lagune ift im Müttel 20 m tief; die größte in ihr gelotete Tiefe beträgt 50 m. Gegen ihr zugefpittes füdliches Ende fcheint fie fich in den leßten Jahrzehnten langfam zu verflahen. Keine Worte vermögen die Farbenpradht des Waffers innerhalb der Lagune wiederzugeben: die aus der Tiefe heraufjchimmern- den Korallenriffe bedingen in dem blauen Grundton die mannigfachiten Reflere in Weiß, Grün und Gelb- rot. Bauptjächlich fnd es Madre- poren, Stern Forallen(Ajträ- en), Mäandri-= nen, Mlllepo- ren und Pilz- Forallen (Fun- gien), welde ebenfowohl im es Innern der Ka- gune, wie an der Außenfeite des Niffes ge- deihen. Auf dem Saum- Außenriff und Brandungszone. riffe, das zu- dem bei Ebbe nur teilweife von Wafler bedeckt wird, vegetieren Feine lebenden Ko- vallen. Die Üfte find abgebrochen und die Kelche abgerieben; dabei fcheuern frei- liegende Blöfe auf den häufig zufammengebafenen Trümmern der übrigen Korallen. Diego Garcia ift Flein im Dergleich mit der mächtigen, ihm nördlich vorliegenden großen Chagos-Banf, welche im Süden und Norden von zwei Fleinen, über Wajjer liegenden Atollen, nämlich den Sir Islands und den Peros Banhos umfäumt wird. Die gewaltige Chagos-Banf, nicht weniger als 95 Seemeilen lang und 65 Meilen breit, ftellt ein riefiges, verfunfenes Atoll dar, deffen Rand T—I8 m unter Waffer liegt und deffen Kagune Tiefen bis zu 82m aufweift. Mit Diego Garcia und den ge- nannten Kleinen Atollen bildet die große Chagos-Banf einen zufammengehörigen Kompler, der als Chagos-Bruppe bezeichnet wird. Während des füdlihen Winters 440 Degetation von Diego Garcia. von dem Südoft-Paffat beftrichen, gilt Diego Garcia troß der häufigen Regen, welche während des ganzen Jahres niedergehen, als verhältnismäßig gefund. Malaria tft nicht befannt, dagegen Flagen die Europäer über Keberleiden, die bei längerem Aufent- halt fih häufig einftellen. Eine großartige Degetation bedeckt die Infel. Dem Pflanzengeographen bereitet fie freilich infofern eine gewiffe Enttäufhung, als endemifhe Pflanzenformen fehlen und im allgemeinen nur jene wiederfehren, die wir durch den gefamten Tropengürtel auf den Koralleninfenm nachzuweifen vermögen. n= deffen dürften wenige tolle eine ähnlich wuchtige Entwidlung der Pflanzendefe aufweifen, wie gerade Diego Garcia. Dor allen Dingen find es die Millionen von Kofospalmen, die mit ihren nah dem Stuchtftein von Calophyl- leere und nach der Lagune geneigten Wipfeln die Phyfiognomie lum inophyllum, RE 14 c ern rg, a EHE beherrjchen und ein jo dichtes Kaubdach bilden, daß man hier that- Schwimmgewebe zeigend. fächlih unter dem Schatten der Palmen wandelt. An mehreren a ne Stellen werden fie von den Kafuarinen (Casuarina equisetifolia) mit ihrem dünnen an Tamarisfen erinnernden Saube und dem fchlanf aufftrebenden Aft- werf überragt. Dor den Hiederlaffungen ftehen wahre Praditftämme des Calophyllum inophyllum und der Barringtonien, die wohl ichon vor langer Seit dort angepflanzt wurden. Der uralte Stamm des Calophyllum — die Einwohner nennen ihn mit dem. em auch auf den Seychellen gebräuchlichen Hamen: bois Tatamaca —, EE $ welcher vor Point Marianne fteht und mit feiner wucdtig aus- ld ladenden Krone das Etabliffjement überfchattet, möchte wohl auf Erden nicht feinesgleichen finden. Künftlich angepflanzt dürfte ein großer Banyan (Ficus Bengalensis) hinter dem Wohnhaufe von % % Eajft-Point fein, der mit feinen im Boden haftenden Kuftwurzeln “ ein weites Territorium beherrfht. Gegen den Innen= und Außen- ftrand drängen fich dann weiterhin noch Terminalien, Dertreter der Gattung Hernandia, Scaevola und Tournefortia ein. Die beiden lettgenannten Gattungen bilden namentlih an der Außenfeite des Strandes gegen die abfallende Düne eim faft undurchädringliches aba Dieicht, hinter dem die ftolzen Kronen der Kofospalmen au ragen. Auf den Bäumen fahen wir als Schmaroßergewäcle häufig das Asplenium nidus, während der Boden von Farnen a aus der Gattung Gleichenia und vor allen Dingen von Bär- (unten durchcnitten). Yat. Gr. lapp-Bewächfen aus der Gattung Psilotum bedeckt ift. ne Wenn auch auf dem weltentlegenen Diego Garcia Feine ihm eigentüntliche Pflanzen= formen entdect wurden, fo ift es doch von nicht geringem ntereffe, die Faktoren Derbreitung der Strandflora durh Schwimmfrüchte. 441 fennen zu lernen, welche eine fo ausgiebige Befiedelung des Atolls mit univerfell ver- breiteten, gegen die Gefahren von Wind und Wellenfhlag, Dünenfand und ungünftige Einwirkung der Seefalze gefhüsten tropifchen Pflanzenformen bedingten. Wir wiljen, daß viele Pflanzenfamen an eine Derbreitung durch den Wind angepaßt find, während andere durcy Dögel, deren Darm fie paffieren oder an deren Füßen und Gefieder fie anhaften, weithin zerftreut werden. Für die tropifhe Strandflora erweilt jich indejjen, wie dies fehon Kinne erfannte, der Transport der Früchte durch Mleeresftrömungen als weit bedeutungsvoller. An dem flachen Strande findet man neben Treibhol; und fon- ftigen Auswürflingen des Meeres oft banfweife die Früchte gerade je- ner Pflanzen aufge- fchichtet, welde die Phyfiognomie der Strandzone bedingen. Ein genaueres Hu- fehen lehrt, daß fie ihre Keimfraft nicht eingebüßt haben, ob- wohl jie oft aus weiter ferne ange- fhwenmt wurden. Die Samen werden von Büllen umgeben, welhe nicht nur die fhädlichen Einwirfun- gen des Seewaflers ab- halten, fjondern aud gleichzeitig durch Aus- bildung von lufthal- tigen Sellen und Räu- men Schwinmmorgane darjtellen. Für die uns fpecieller interef- jterende indo-malayi- ER ihe Strandflora hat I a Hernandia sp. 442 Höhere Tierwelt. neuerdings namentlih Schimper die mannigfahen Anpafjungen fennen gelehrt, welche in der Ausbildung von Schwimmgeweben fih Fund geben. Die mächtigen luftreichen Hüllen (Mefocarp) der Kofosnüffe, der vierfantigen Früchte der Barringtonien, der weit verbreiteten Terminalia katappa, der Tournefortia, Scaevola, des Calophyllum und wie alle die Charafterformen der tropifchen Strandflora heißen mögen, find für die geographifche Derbreitung von einfchneidender Bedeutung. Yicht minder als die Flora feffelt das Treiben der höheren Tierwelt von Diego Garcia. Schon bei der Annäherung fallen die Schwärme von weißen und grauen Seefhwalben auf, die in drei Arten namentlih auf den am Eingange zu dem Atoll gelegenen Infeln niften. Zum erjten Mal jahen wir hier in größerer Hahl die für den Tropengürtel des indo-pacifiichen Dceans cbarafteriftifhen fchneeweißen Feenfeefhwalben (Gygis candida). Ihren poetifhen Yamen verdienen fie mit vollem Rechte. Als tropifches Gegenftüc zu dem antarftifchen jchneeweißen Sturmvogel wetteifern fie mit ihren Genofjen an Anmut des Fluges und der Färbung. Yichts ift Föftlicher, als diefe graziöfen Segler Blif auf die Binnenlagune. Die Feenfeefhwalben. 445 mit ihrem feidenweichen blen- dend weißen Gefieder von dem Grün der Dalmenfronen und tropifchen Saubbäu- me fich abheben zu fehen; wenn fie nach Sonnenuntergang die Kafuarinen auffuhen, auf denen fie auch bei Tage mit Dorliebe aus- ruhen, möchte man thatfächlich glauben, daß EL- fen ihren ftillen Reigen um das fhwanfe Geäft ausführen. Ungleich ihren Derwandten ni- ften fie denn auch auf Bäumen, indem das Weibchen das einzige Ei zwijchen die Ajtgabeln ablegt. Jh war ange- nehm überrafcht, als ich fpäterhin auf den Sey- hellen die Feenfeefhwal- ben an einer Stelle wie- derfah, wo man fie am wenigjten erwartet hätte, nämlih in den Wipfeln des die hohen Bergfup- pen bedecenden Urwal- des. Mit den Seefchwal- ben beleben die Tölpel Kafuarinen (Casuarina equisetifolia) und Negerhütten. 444 Tene Doaelarten. (Sula) die Sagune, während am Strande eine anfehnlihe Sahl von Watvögeln jich umbertreibt. Unter ihnen fallen namentlich zwei Arten von Neihern, ein größerer und ein Swergreiher, auf. Bei der Sichtung der von uns heimgebrachten Dogelbälge ergab es fih, daß der Fwergreiher, den Reichenow Butorides albolimbatus nannte, eine neue Art re- präfentiert. Don Sandvögeln war bisher nur ein der mabdagafjt- fchen Region an gehöriger, präd)- tig rot gefärb- ter Webervogel (Foudia mada- gascariensis) be- Fannt geworden. In Hinfiht auf den längeren Au= fenthalt, den neu- erdings ein tüch- tiger englischer Smyaotosmald: Beobachter, Bourne, auf Diego Garcia nahm, muß es auffallen, daß ihm vollftändig eine Tauben- art entging, die wir gar nicht fo felten in den Wipfeln der Bäume bemerften. Auch fie erwies fi) als eine neue Art, die infofern befonderes ntereffe beanfprucdt, als fte die einzige endemifche Art von Kandvögeln abgiebt, die auf der Thagos-Öruppe vor- fonımt. Sie gehört einer wiederum für das madagaffifhe Gebiet charafteriftifchen Gruppe an und wurde von dem fchon genannten Drnithologen als eine neue Art der Battung Homopelia befchrieben. Sie ähnelt der madagaffifchen H. picturata, ift aber dunkler gefärbt; von dem verwaschen weinfarbenen Grundton, der an manchen Stellen in ein düfteres Grau übergeht, hebt fi) ein Schwarzes Flefenhalsband ab, wie es au) den nächiten Derwandten diefer Taube zufommit. Mit Rücficht auf den Furzen Aufenthalt, den wir auf der Chagos-Bruppe nahmen, darf es immerhin als ein befriedigendes Ergebnis bezeichnet werden, daß wir zwei neue Dogelarten, unter ihnen die einzige endemifche Art von Landformen, erbeuteten. Wer den Kofoswald durhwandert, ift nicht wenig überrascht, ihn von Organismen durhfchwärmt zu finden, welche wir fonft nur als Bewohner des Mieeres fennen. Es iind die zahllofen, der Gattung Gecarcinus zugehörigen, in Fomifcher Haft feitwärts Sandfrabben und Infekten. 445 davoneilenden Kandfrabben, welhe an den überall umherliegenden Früchten reichlich Hahrung finden. Den originellften Dertreter derfelben nimmt man freilich bei Tage nicht wahr. Es ift der in den Kofoswäldern aller Korallenriffe verbreitete Dalmen- dieb (Birgus latro), ein Krebs, der durch den mächtig entwidelten Binterleib von den Krabben fi unterfcheidet. Die Heger wifjen fehr gefchiet diefen an dem Fuße der Palmenftämme in tiefen Gruben bei Tag fich bergenden Krufter herauszuholen und verfchafften uns wahre Prachteremplare derfelben, die eine Känge von etwa 55 cm erreichten. Wie die Sandfrabben, fo ift auch der Birgus latro mit einem Xefpirationsapparat für Luft ausgeftattet, welcher in der die Kiemen überdachhenden Miantelhöhle auftritt. Die Eier legt er, ebenfo wie die Sandfrabben, im Wafjer ab, und erit nach vollendeter Mletamorphofe begiebt er fi auf das Kand, wo er mit feinen Fräftigen Sangen fehr gefchieft die „Augen“ der Kofosnüffe auffneipt und fih Zugang zu dem Kern verfchafft. Alanhhe Beobadhter berichten, daß er au auf die Palmen felbft fteige, um die Früchte abzufneipen. Ijndeffen verficherten mir fowohl die Europäer wie die Schwarzen auf Diego Garcia, daß fie niemals einen Eletternden Birgus gefehen hätten; wohl aber jeien fie häufiger darauf aufmerffam geworden, daß mitten im Walde mit Seewaffer gefüllte Kofosihalen gefunden wurden, die auf feinem anderen Wege als durch den Trans- port von feiten des Birgus dahin geraten fein Fonnten. In dem weißen Korallenfande, wie er namentlich zwifchen dem Korallenriff und den von den Tournefortien und Scävolen gebildeten Gebüfhen auftritt, balten fich majffenhaft der Gattung Ocypoda zugehörige Sandfrabben auf, weldhe tiefe Gänge bilden und dtefe, um ein Sufammen- fallen zu verhüten, mit Saub aus- tapezieren. An Infeften fehlt es nicht auf Diego Garcia, wenn aud die Hahl der Arten gering ift. Hu gewiffen Seiten erfcheinen Fliegen in enormen Schwärmen, deren Auftreten von den Ein- wohnern mit um fo gemifchteren Gefühlen entgegengefehen wird, als gleichzeitig Augenentzündun= gen ganz allgemein fich einftellen. Aumdere lugeneift Mosfitos fehlen ebenfowenig, wie die überall auftretenden Ameifen, Termiten, Bienen und der Samilie der Danaer zugehörige Schmetterlinge. Eine fcehlimme Plage für die 446 Fauna der Riffe. Kofospflanzungen geben neben den Ratten die den Bockfäfern zugehörigen Kofosfäfer ab, deren Sarven den Kern der Muß zerftören. Wir müßten eine dicfe Abhandlung fchreiben, wenn wir ausführlicher der marmen Drganismen gedenfen wollten, welche zwifchen den unterfeeifchen, von den Korallen gebildeten Paläften und Grotten fih umhertreiben. So fei nur hervorgehoben, daß die Sagune auferordentlih fischreich ift und den Yegern gefchätte Speifefifche aus der familie der Scaroiden liefert. Dazu gefellen fich Aale, unter denen einige Dertreter der Muränen durch ihre geradezu glanzvolle braune und gelbe Marmorierung feffeln. Das Aufenriff liefert als Delifatefje gefchätte Hummer, und außerdem befuchen, wenn auch nicht fo häufig wie auf den Malediven, die Suppenfchilöfröten (Chelone viridis) und die wertvolle Tarettfchildfröte, von der wir ein Eremplar zum Gefchenf erhielten, das Atoll. Wir haben Stunden verbracht, um auf den Kiffen watend die Fülle von niederen Organismen zu Sammeln, welche teils in den Sachen zwifchen den Korallen- blöden, teils in die Blödfe felbft fih einbohrend auftritt. Unzählbar ift das Heer von Bolothurien, von Seefternen (darunter intenfiv dunfelrofa gefärbte Dertreter der Gattung Culeita), von Seeigeln aus den Gattungen Eucidaris, Echinothrix und Brissus, und von MDürmern, unter denen namentlich prachtvolle Euntciden auffallen. Es wird dem Kefer nicht ohne Intereffe fein, zu erfahren, wie fih mitten im Indifchen Deean auf einer weltfremden Koralleninfel, die nur wenige Mieter über die Dberfläche ragt, ein foctales Gemeinwesen herausbildete, deifen Betriebe wohlgeordnet ficher und ungeftört fich abfpielt, ohne daß Beamte, Richter und Wächter des Gefeßes eingreifen. Die Bedeutung von Diego Garcia liegt nahezu ausschlieglih in der Nusnusung des prachtvollen Beftandes von Kofospalmen. Schon in früheren Seiten hatten einzelne Befiter Farmen auf dem Eilande errichtet, die allmählich in die Hände einer in Mauritius anfäffigen Kompagnie gelangten, als deren Adminiftrator noch zu jener Zeit, wo ein junger englifcher Yaturforfcher, Bourne, die Infelm befuchte (8ST), Mr. Jules Secomte, und zur Zeit unfers Befuches deffen Schwiegerfohn, Ar. Phi= lippe de Caila, thätig war. Beutjutage Fommmen nur zwei große armen in Be- tracht, von denen die eine, Point Marianne, auf der Weftfeite, die andere, Eajt-Point, auf der Dftfeite gelegen ift. Da Diego Garcia unter englifcher Oberhoheit fteht und dem Derwaltungsbezirt von Mauritius angegliedert ift, fo wurde bei dem Erfcheinen der „Daldivia” die englifche Flagge auf Point Marianne gehißt. Ihm galt unfer erjter Befuh. Ein langer, aus Holz gebauter Pier führt über das Korallenriff zu der An- fiedelung, die von Prachteremplaren des an uralte Eichen erinnernden Calophyllum inophyllum mit feinen weißen, wie Drangen duftenden Blüten überfchattet wird. Point Marianne. AAT Wahrfcheinlih haben diefe herrlichen Stämme zu der in den Segelanweifungen ent- haltenen Bemerfung Anlaß gegeben, daß Diego Garcia mit einer ganz befonderen Art fchnellwüchfiger, zu anfehnliher Höhe emporftrebender Bäume bedect fer. Unter dem Saubdah diefer Kiefen ift das Wohnhaus mit feinen luftigen Deranden errichtet, um- geben von Kagerräumen und Schuppen, in denen die Lopra bearbeitet wird. Die zur Seit unferes Befuches einem Engländer, Mr. Minnings, unterftellte farm wird von Bartenanlagen mit tropischen Nusgewächfen umgeben, an welche fich direft die Kofos- plantagen, untermifcht mit hoch aufftrebenden Kafuarinen, anfchliegen. In einer großen Einfriedigung wird ein anfehnlicher Beftand von Schweinen gehalten, die an den Ab- fällen der Copra eine trefflihe Mlaft finden. Erhält man fchon hier den Eindruf eines weitfchichtigen und energifchen Betriebes, fo wird derjelbe noch gejteigert bei der Anfunft in dem Hauptetablifjement zu Eaft-Point, bei dem die „Daldivia” vor Anker ging. Da der hölzerne Pier von einem Sturm zerftört worden war, fo ftand man gerade im Begriff, einen neuen in Eifenfonftruftion aufzuführen, der mit einem Schienen- weg ausgeftattet tft. Alter Stamm von Calophyllum inophyllum vor Point Marianne (Sachse phot.) 448 Bevölkerung von Diego Garcia. Negerhütte, (Sachse phot.) Wie in Point Marianne, fo fällt auch in Eaft-Point eine Allee prächtiger Stämme auf, an deren Ende das Herrfchaftshaus gelegen ift. Kinfs und rechts gliedern fich Gebäude zur Aufnahme des Kofosöles in großen eifernen Hufen, Stallungen für Pferde und Efel, Schmiedewerfftätten und die Kagerräume für die Copra an. Etwas weiter landeinwärts fteht noch ein Fleines Wohnhaus für die Familie eines dritten Be- amten, Mir. Mulnier, dem fich dann füdlih die anfpruchslofen, volljftändig aus Kofos errichteten und mit Palmwedeln gededten Hütten der jchwarzen Bevölferung an- fhliegen. Sur Seit unferes Befuches zählte Diego Garcia einfchlieglich der Kinder 927 Bewohner. Das Hauptfontingent bilden aus Mauritius jtanımende Fatholifhe und das franzöfifche Kreolen-Patois fprechende Yeger, zu denen fih wenige Inder gefellen. In den Plantagen von Eaft-Point arbeiteten 145 Männer und 85 Frauen, in Point AMtarianne etwa halb fo viele. Manche, und zwar, wie verfichert wurde, die tüchtigften lrbeiter, find auf der nfel felbft geboren, während der Neft fich für drei Jahre Fontraftlich verpflichtet hat. Die Männer erhalten monatlich 8, die Weiber 6 Rupien pAlpagr-soöpyp) vmıdgQ 061g Inp 4musosop Copra-Bereitung und ÖI-Gewinnung. a 449 Kohn bei einer nicht fchweren Arbeitszeit von morgens 6 bis abends 5 Uhr. Don dent Sohne werden ihnen der zu mäßigen Preis abgegebene Reis und die fonftigen Sebensmittel abgerechnet; außerdem erhalten fie täglich eine halbe, am Sonnabend eine ganze Flafche Rotwein. Da die Arbeit Fontraftlich in der Weife geregelt tft, daß einem jeden fein Quantum für die Woche zugemwiejen wird, jo vermag ein gewandter Arbeiter mit Keichtigfeit fehon vor Ende der Woche fein Penfum zu erledigen und fih dann dem Siihfang, häuslihen Befhäftigungen oder dem Müßiggang zu widmen. Es tft über- rafhend, daß nur vier weiße familien die dunkle Gefellihaft in Drönung halten, wobei freilich fait alles auf den Taft und die Energie des Adminijtrators anfommt. Aufftände der Neger, wie fie früberhin unter naiven, Fommuniftifhen Forderungen mehrfach fich ereigneten, find in neuerer Seit nicht miehr vorgefommten. Allerdings trägt hierzu wefentlich bei, daß im der Abgabe von Wein ftrenge Regelung herricht und die Möglichkeit zum Erwerb von Spirituofen durch das Ausbleiben der Dampfer neuerdings ausgefchloffen erfheint. Alles erhält fi in fo ficherem zufriedenen Be- triebe, daß felbjt einige der Anftifter früherer Nevolten, die fih als tüchtige Arbeiter bewährten, zu Auffehern mit befferen Löhnen ernannt wurden. Die Thätigfeit dreht fich faft ausfchlieglih um die Loprabereitung und um die daran anfnüpfenden Mebenleiftungen. Wenn auch der Bejtand an Kofospalmen ohne Hachpflanzungen fich erhält, fo ift man doc neuerdings rationeller vorgegangen und hat große Strefen mit jungem Hahwudhs aufgeforjtet. Don der Palme bleibt Faum ein Teil unbenust. Der Stamm liefert ein fchweres, feites Hol, während die Blätter als Dahbedefung und zu Flehtwerf Derwendung finden, wie es namentlich die Hegerinnen in Geftalt trefflicher Matten herzuftellen verftehen. Die ausgefchnittenen jungen Blatttriebe liefern das Föftlichte aller Gemüfe, nämlich den Palmfohl. Freilich Foftet das Ausfchneiden der Palme das Leben, und fo haben wir mit befonderer An- dacht eine als Salat angemadhte Speife verzehrt, die man außer auf einer Kofosinfel fhwerlich dem Fremdling vorfesen wird. Faft der ganze Betrieb dreht fih um die Derarbeitung der Wüffe, welche von den Schwarzen in einzelnen Trupps unter der Keitung je eines Auffehers eingefammelt und mit großer Gefchielichfeit entrindet werden. Hierbei tet der Arbeiter ein fpeerartiges nftrument in den Boden und entfernt auf ihm mit wenig Kraftaufwand die dicke, faferige Hülle. Die eingefammelten Yaüffe werden dann in die FKarmen befördert, wo die Weiber und Kinder damit befchäftigt find, fie zu zerfchlagen und auszubreiten. Mlan unterwirft fie zunächft einer fermen- tation auf Trofendarren, wobei fie forgfältig vor den häufig niedergehenden Negen- güffen bewahrt werden müffen. Diefem Swede dienen Schußdäcer, die auf Kollen über die Darren weggefhoben werden. Sind die Kerne der Müffe als Copra genügend vorbereitet, jo gelangen fie dann in die Kofosmühlen, welche in primitiver Weife durch Efel getrieben werden. Mehr als hundert Grautiere werden in dem großen Eifelftalle Thun, Aus den Tiefen des Weltmeeres. Sweite Auflage. 29 450 h Heimifche Indnftrie, gehalten oder tummeln fi außerhalb desfelben frei umher, wo fie an Copra-Abfällen und an einigen Gräferarten reichliche Koft finden. Bet der zweiftündigen Arbeit an der Mühle fpannt man fie mit verbundenen Augen zu 4 oder 6 vor einen mit Korallenblöden befchwerten Querbalfen, der feinerfeits die Mühle treibt. Das aus den zerquetfchten Müffen ausfliegende Öl wird in Fäffern gefammelt und, nachdem es durch Filtration geflärt ift, im großen, eifernen Wannen aufbewahrt. Ein dem Etabliffement gehörendes Segelichiff bringt dasfelbe halbjährlich nach Mauritius, wo ] Es es mit Dorliebe von den Negern für die Zubereitung der Speifen und zum Einfalben der Haare verwendet wird. Der Europäer macht im allgemeinen nur untergeordneten Gebrauh von dem Öle, das in Hinficht auf Gefhmad und Geruch es nicht mit dem Dlivenöl aufnehmen Fann. Nach den Mitteilungen des Admintftrators werden auf Diego Garcia vierteljährlih 24000 Deltes ACOOOO I) Kofosöl bereitet. AL les, was zur Der- ftellung der @e- bäude, der Geräte und zu notwen- digen Xepara-= turen gebraucht wird, fertigt man auf der Infel felbjt an. Schmie- de und Simmer= leute find ftändig befchäftigt; man ift ebenfo über- vafht über ihr technifhes®efchid wie über ihre 1. Dielfeitigfeit und Zerfchlagen und Ausbreiten der Kofosnüffe. Findigfeit. Wer die eleganten, auf der Infel hergeftellten Ruderboote fah, wird von der Qualität der fhwarzen Arbeiter einen hohen Begriff befommen. Eine Zeitlang fhien es, als ob Diego Garcia für den Weltverfehr eine große Be- deutung gewinnen follte, da es gerade auf der direkten Route der durch den Suezfanal fahrenden Auftralien-Dampfer gelegen ift. Die Orient Steam Navigation Company und die Firma Fund in London errichteten auf dem Atoll Kohlenftationen, und fo herrfchte dem dort eine Zeitlang ein lebhafter transatlantifcher Derfehr, auf defjen Steigerung die Infelbewohner die Fühnften Hoffnungen festen. Sie find nicht in Seben in Eaft- Point. 451 Erfüllung gegangen, und dies wohl wefentlih aus dem Grunde, weil der Preis für die Kohle mit annähernd 60 Schilling pro Tonne ein faft erorbitanter war. Als wir anlangten, waren denn auch alle Seezeichen wieder entfernt bis auf eine Boje, und nur ein Quantum von 60 Tonnen Kohlen lag noh auf einer den Eingang zum Atoll beherrfchenden nfel. So tit es denn wieder einfam geworden auf Diego Garcia, und wenn es nunmehr von dem Weltverfehr abgefchnitten ift, fo ftellte fih doch auch andererfeits Ruhe und Dor dem Herrfchaftshaufe von Eaft=Point. Hufriedenheit wieder ein. Den Hegern ward die Möglichfeit zum Erwerb von Spiri- tuofen benommen, und die Polizeitruppe mit dem Dffizier, welche man 1885 von Ceylon fommen ließ, hat man längft aus ihrem angenehmen Müßtggang auf dem jeßt ver- lafjfenen Minni-AMtinnt wieder zurücdberufen. Seit jenen Seiten, wo forfter und Chamiffo ihre begeifterten Schilderungen von den Koralleneilanden des Stillen Dceans entwarfen, wurde gar manchmal in poetifher Form die Auffaffung geäußert, daß jenem das höcfte Glück bejchteden 09% 452 Dereinfamung von Diego Garcia. fei, der, fern von dem Getriebe der Welt, auf einer palmenumgürteten nfel unter harmlofen Menfchen ein befchauliches Leben verbringe. Die Heuzeit ift müchterner geworden. Sie beurteilt die NWaturvölfer anders als die großen Entdeder des 18. Jahrhunderts, und nur felten Flingt in Poefie und Profa das Sehnen nach dem Seben auf weltentlegenen Eilanden durh. Hier in Diego Garcia möchten fchon alle Bedingungen zufanmentreffen, welche den Aufenthalt als einen beneidenswerten er- fcheinen laffen: ein gejundes Klima, eine üppige Degetation, eine unvergleichliche Barmonie der tropifchen Farbentöne, ein fehaffensfrohes Treiben harmlofer fchwarzer Menfhen, welhe Freud und Leid mit ihren Arbeitgebern teilen. Aber ich glaube unfere Gaftgeber nicht mißverftanden zu haben, wenn gar manchmal das Gefühl der Dereinfamung aus der Unterhaltung hervorflang und jie veranlaßte, den ihnen fremden Mlenfchen ohne die leifefte Nebenabjicht einen jo warmen Empfang zu bereiten. Danfbar nahmen fie es auf, daß unfer Arzt Konfultationen erteilte, und es that ihnen wohl, daß für einige Tage die Beziehungen zur Außenwelt wieder hergeftellt waren. Unausgefprohen, vielleiht unbewußt, Fam dasjelbe Gefühl des Ausgefchlofienfeins von einer Umgebung, die dem Keben einen reicheren Inhalt giebt, bei den Kindern zum Durhbruh. YWoc immer ftehen mir die zwei blaffen Mädchen mit blondgeloften Haaren vor Augen, wie fie finnend die Photographien ihrer Alters- genoffinnen in der Kabine des Dampfers betrachteten und zum Abjchied das Schönfte, was die Infel an Mufcheln und Korallen bietet, anbraten, »Donnez ga a Anna, mes compliments a Lily« — fei es ihnen noch von hier aus warm gedankt! (Sachse phot.) Negerhätte auf Diego Garcia. XX. Die Seychellen, JE wir vor Diego Garcia anlangten, trat der Nordweit-Monfun fo frifh auf (er erreichte bisweilen die MWindftärfe T), daß er uns an allen feineren Unterfuchungen behinderte. Da er auch nocd während unferes Aufenthaltes in der Kagune unter ge- legentlich einfegenden Regenböen fteif wehte, fchien es angezeigt, bei der Fahrt nad den Seychellen nicht eine füdlihe Route über die Saya de Malha-Banf zu wählen, fondern in nordwejtlicher Richtung vorzufahren, um wieder günftigere Witterungs- verhältniffe anzutreffen. Allerdings Famen wir damit etwas näher an eine frühere Sotungslinte, nämlich diejenige der „Enterprife”, heran, aber andererfeits eröffnete fich die Ausficht, unfere biologifchen Unterfuhungen, auf denen ja der Schwerpunft der Erpedition lag, nachhaltig fördern zu Fönnen. Im allgemeimen ift denn auch diefe Erwartung in Erfüllung gegangen. Der Wind flaute etwas ab, behielt aber, indem er allmählich von Hordweften mehr nadı Horden herumging, immerhin durchfchnittlih die Stärfe # bei; erft direft vor den Seychellen machten Winditillen mit fpiegelglatter See fich geltend. Da die Strömungen anfänglich entweder dem Winde direft entgegengefest oder rechtwinklig auf ihn verliefen, fo hatten wir felbft bet bewegter See den Dorteil, daß das bei bereits ftarf gemindertem Kohlen- vorrat hodhy aus dem Wafjer liegende Schiff während des Kotens und Fiihens nicht fo jtarf abgetrieben wurde, wie wir befürchteten. Was die auf diefer Route ausgeführten Kotungen anbelangt, fo ergaben fie ein ztemlich ftarf gefaltetes Bodenrelief. Am Tage nad) unferer Abfahrt von Diego Barcia loteten wir 20 Seemeilen wejtlich der großen Chagos-Banf bezw. der Fleinen Sir Islands 2I27 m und am Tage darauf die beträchtliche Tiefe von 429 m. Man erfieht hieraus, daß die Bank nad) Weiten zu in ein fehr tiefes AMleer abfällt, das freilich nicht gleihmäßig dtefe Tiefe beibehält, fondern eine unterfeeifhe Schwelle er- fennen läßt. Swifchen die beiden Kotungen vom 27. Februar und 2. März, welde Tiefen von über 4000 m ergaben (am 2. März 4599 m), fchaltet fi nämlich eine Erhebung, auf der wir 2745 m loteten, ein. Die Temperaturen betrugen in den 454 Unterfuhungen zwifchen Diego Garcia und den Seychellen. größten geloteten Tiefen 1,8° und der Tieffeeboden erwies fich als weißer Globigerinen- fchlit von ähnlicher Zufammenfesung wie der auf 5. 454 gefchilderte. Unferen fei- neren biologifchen Unterfuhungen Fonnten wir bereits am dritten Tage nad) der Ab- fahrt von Diego Garcia nachgehen. nsbefondere hatten wir es uns zur Aufgabe gefebt, die Schliegneßzüge, welche über die vertifale Derbreitung fhwimmender Dr- ganismen Auffhlug geben, jyitematifh derart zu betreiben, daß wir an einer und derfelben Stelle Serien von Fügen durchführten. So waren wir 3.8. am 2. März in der Sage, eine Schliegnesferie von 6 Sügen, welche ftufenweife das Dorfommen der Drganismen von I6OO m Tiefe an bis zur Oberfläche illuftriert, vorzunehmen. Reich an neuen Aufihlüffen waren denn auch wiederum dte Züge mit den Dertifal- neßen, welhe an manchen Tagen formen von allgemeinerem Intereffe lieferten. Unter ihnen fei namentlich auf die Tieffeefifche hingewiefen, von denen wiederum einige durch die teleffopartige Umbildung ihrer Augen überrafchten, während ein anderer mit feinen auf enorn langen Stielen fienden Augen eines der bizarrit geftalteten Wirbeltiere ab- giebt. Weiterhin fiel es uns bet diefen Hügen auf, daß wir pelagifche Tiefenformen rbeuteten, die uns früher in identifchen Dertretern im Atlantifhen Dcean in die [> 2 Tebe geraten waren. Weniger ergebnisreich war ein Schleppneßzug, welchen wir am c 8. februar in 2745 m Tiefe veranftalteten. Dbwohl wir uns weitab von den Kiffen DD befanden und nad allen früheren Erfahrungen mit Sicherheit darauf rechnen Fonnten, daß der Boden eben fei, fo hafte doch das Het nach einiger Seit feit; und nur mit großer Mühe gelang es nad) faft halbftündiger Arbeit, dasfelbe frei zu befommen; als es auffam, war es zu unferer Überrafhung unverfehrt, dagegen zeigte das Kabel fur; vor dem Dorläufer Kinfe, die darauf hindeuteten, daß es fi) auf irgend eine Weife zwifchen Felfen eingeflemmt haben mußte. Das Ergebnis war ein Färgliches, infofern ein Schlangenftern, zwei jener fchon erwähnten abfonderlichen Sandbrachiopoden, eine Sproßforalle und eine fchwarze Rindenforalle (Antipathide) die ganze Ausbeute abgaben. Nahe. Weiße und graue Seefhwalben umfhwärmten uns am Morgen des 9. März und ein grünlich verfärbtes Mieer, in dem reichlich Sargaffum trieb, deutete die Nähe der Seychellen an. Bei Sonnenaufgang tauchten fteil und wuchtig fih erhebende nfeln auf, die dem an niedrige Korallenatolle gewöhnten Bli doppelt impofant erfchienen. Da lagen fie vor uns, diefe granitifhen Bruchftüde eines uralten Feftlandes mit ihren vomantifchen Hängen und Schluchten, deren Palmenpradt fi) unauslöfhlic dem Ge- dächtnis eimprägt: zur Rechten Sa Digue, Marie Anne, Seltcite und Praslin, zur Sinfen das einfame Fregate und im Hintergrund, alle andern überragend, Wlahe mit dem in Wolfen verftecten Mtorne Seychellois. Tiefenrelief in der Umgebung der Seychellen. 455 Die Seychellen bejtehen aus etwa 29 Jnfeln, von denen freilich nur C anfehnlichere Größe erreichen, während der Neft aus oft recht Fleinen Eilanden gebildet wird. Sie erftrefen fich durch zweit Breitegrade (zwifhen 5° 55’ und 5° 55’ f. Br., 59°16’ und 56° 10’ 5. £.) und umfaffen ein Areal von 264 qkm. Hiervon fommen auf die Haupt- infel Mahe IT, auf die zweitgrößte, nämlich Praslin, 40 qkm. Daß alle diefe Infeln einen einheitlichen Kompler bilden, lehrt das Tiefenreliefz fie fiten einer nur JS—-80 m tiefen Bank auf, welhe gegen die benachbarten Korallenriffe der Amiranten ebenfo fteil abfällt wie gegen die füdöftlih vorgelagerte Saya de Malha- und Hazareth-Banf. Don den Amiranten trennt fie ein mindeftens 2000 m tiefes, von den leßtgenannten Bänfen nebft Mauritius und Reunion ein über 5000 m tiefes leer. Eine noch be- trächtlihere Einfenfung von über 4000 m, aus der nur vereinzelte Fleine Eilande hervorragen, fcheidet fie von Mladagasfar. Die Seychellen. Curiense I " West SisterNyQy East Sister er Bar © Felieite 1 hasst ir; La Digue i. RenommeeR* . “ Chimney R** S’Annel o o Cerf I 5 Kilometer Höhen & Tiefen ın Metern. (Nach Brauer.) 456 GSeologifher Aufban. Mill man einen uralten verfunfenen Kontinent „Lemurien“ Fonftruieren, auf den man gar vielerlei, unter anderem auch die Wiege des Mienfhengefhlehts, verlegte, fo bieten die großen Tiefen für eine Dereimigung Madagasfars und der Masfarenen mit den Seychellen erheblihe Schwierigfeiten dar. Im geologifcher Hinficht weifen freilich die letteren weit mehr Übereinftimmung mit Ntadagasfar, als mit dent vul- Fanifchen Mauritius und Reunion auf. Sie bauen fi durchweg aus Granit auf, der nur hier und da am Strande von bis zu 25 m gehobenen Korallenriffen überlagert wird. Als wir uns gegen Mittag Mahe näherten, lehrte fchon die Phyfiognomte der Infel, daß man es nicht mit einem vulfanifchen Sande zu thun hat. Es fehlen Port Diftoria auf Mahe. Kegelberge oder zerzafte Kraterränder, und an deren Stelle treten fteil aufragende Kuppen, die häufig wie Bajftionen geftaltet find. Man ift überrafcht über die Fülle von Sandfchaftsbildern, die diefe reich gegliederte und im Morne Seychellois bis zu 988 m auffteigende Infel erfennen läßt. Dabei ift fie bis hoch hinauf bewaldet, an ihren Hängen mit üppiger Kultur bedekt, in ihren Schluchten von Gebirgsbädhen durchraufcht und gegen das Mieer zu von einem Saumriff umgeben. Die Anfteuerung von Port Diftoria ift eine ziemlich fchwierige, wenn auch gut durch Seezeichen, Keuchttürme und Bojen gefennzeichnete. Unter Lotfenführung paffterte Nahe. 457 die „Daldivia” die enge, gewundene fahrftraße zwifchen den Kiffen, um in der Mähe des langgezogenen Dammes vor Anker zu gehen. Während der Einfahrt wird man nicht wenig durch die Farbenpradht des in eine Tiefe von T—9 Faden abfallenden Riffrandes gefeffelt. Die Mladreporen mit ihren blauen Aitjpisen, die mehr bräunlich getönten Mäandrinen und Sternforallen jchim- mern aus der dänmerigen Ödunfelblauen Tiefe bis zur Oberfläche hervor und verleihen der Bucht ein fo abwehslungsreiches Kolorit, daß ein Maler fi vergeblich abmühen möchte, diefe gelblihen, grünlihen, braunen, blauen und weißen Tinten zu einem harmonifhen Gefamtbild zu vereinen. Gegen das Fand zu gejtalten jich die Der- hältniffe für das Wachstum der Korallen ungünftiger, zumal auch ein Teil des Niffes bei der Ebbe freigelegt wird. Schließlih nimmt der Korallenfand überhand und um- fäunt als weißer, von dem dunklen Grün der Strandflora fcharf fih abhebender Strich das Ufer. An ihm zieht fih lang die etwa SO0OO Einwohner zählende malerifche Haupttadt der Seychellen, Mahe, hin. Bat man den weit in den Hafen eingebauten, aus Korallenblöfen errichteten Danım paffiert, jo feffeln die Shmucden Dillen der an- fäfligen Engländer und wohlhabenderen Kreolen dur die Pracht der Gartenanlagen mit ihrer Überfülle von tropifchen Charafterpflanzen. Der dem Engländer eigene Sinn für Schaffung parfartiger Anlagen prägt fih namentlich in der Umgebung des Bouvernements aus, das im Grün mächtiger Alleen verfteft und von einem Eremplar der ftolzeften aller Palmen, der Lodoicea, überragt, einen padenden Hintergrund durch den Steilabfall der Trois Freres erhält. Im ihm empfing uns der Aöminiftrator, Air. Cofburn-Stewart, mit der dem feingebildeten Engländer eigenen Kiebens- würdigfeit. Mitt deutfchen Derhältniffen aus eigener Anfhauung wohlvertraut, bot er alles auf, um in Gemeinfhaft mit Dr. Broofs, unferem humorvollen Konful, Mr. Baty, dem nfpeftor der Forften und deffen Bruder, dem Befiter der nfel Felictte und Pächter der Amiranten, den Furzen Aufenthalt zu einem genußreichen zu geftalten. Die einer Dillenkolonie gleichende Stadt läuft in eine fchattige, den Strand entlang führende Kandftraße aus. Die fie einfäumenden Wohnhäufer der Kreolen nehmen all- mäbhlich einen anfpruchsloferen Charakter an und gehen in die aus Bambus errichteten und mit Kofoswedeln gededten Hegerhütten über. Um dte buntfcheftge Sufanımenfeßung der Bevölferung, welhe größtenteils das Kreolenpatois fpricht, zu verftehen, dürfte es angezeigt fein, einen Furzen Nücblif auf die Entdekungsgefhichte der Seychellen zu werfen. Wenn auch die njeln in geolo- sifher Hinfiht als uralte Bruchitüde einer vielleiht zufammenhängenden Landmaffe erfcheinen, fo Eennen wir fie doch erjt feit dem Jahre IC42 genauer. Damals ent- fendete der thatfräftige Gouverneur von le de France und Bourbon (Reunion), näm- lich Mahe de Sabourdonnais, den Kapitän KSazare Picault, um die nördlich 458 Entdekunasgefhichte der Seychellen. gele- genen Seychellen zu erforschen. Der letere ftat- tete einen günftt- gen Bericht ab und wurde daher zum zweiten Male 1C44 ausgefchict, um defint- tiv im Namen von Lu- dwig XV. Befit von der Degetation an der £andftraße. £infs Ravenala Madagascariensis, rechts Brotfruchtbaum (Artocarpus). - Bevölferung. 459 Infelsruppe zu ergreifen. Er gab dem Archipel zu Ehren des Gouverneurs den Namen Sabourdonnais und nannte die größte Infel Mahe. Keime Spur von Mlenfchen war bei diefer erften Erforfhung der Seychellen nachzuweifen. Hachdem Kabourdonnais in Ungnade gefallen war, fendete fein Nachfolger Magon IC56 den Kieutenant NMor- phey aus, welcher den Hamen der Gruppe änderte und ihr die heute noch gültige Bezeichnung Seychellen, wahrfcheinlih zu Ehren des Generalfontrolleurs der Finanzen, Moreau de Scchelles, beileste. Hwölf Jahre fpäter wurde wiederum ein fran- zöfifcher Kapitän, Marion Dufrene, ausgefendet, um die Arbeiten feiner Dorgänger zu ergänzen. Bei diefer Gelegenheit erhielt die zweitgrößte Infel die Benennung Praslin, zu Ehren des Kriegsminifters, Herzog von Praslin. Die erjten Kolonijten franzöftfchen Urfprungs famen von Jle de France und Bourbon ITTO nad den Sey- hellen. Etwa 20 Jahre fpäter beftand die ganze Bevölferung aus 20 Weißen und 250 fhwarzen Sflaven. Srühzeitig fuchte England aus den inneren franzöfiihen Wirren Nuten zu ziehen und die Seychellen unter britifche Oberhoheit zu ftellen. Der erfte Derfuh (CI wurde nicht ratifictert und Bonaparte felbjt verbannte ISO TI Perfonen nach den Seychellen, die im Derdadt ftanden, an dem Attentat der Höllenmafchine teilgenommen zu haben. Erxft im April 1811 fielen die Seychellen mit Ile de France, deffen ame in „WMauritius” geändert wurde, definitiv an England. Allerdings mußte das englifhe Gouvernement fich verpflichten, die franzöfifihe Eigenart in Sprache und Kultus zu fhonen, die denn auch heute noch derart in den Dordergrund tritt, daß die Infeln den Eindruck eimer franzöfifhen Kolonie erwelen. Der Grundftok der Benölfe- rung wird gebildet von Kreolen, die aus Mauritius und Reunion einwanderten, anfänglich von dem Ertrage der abgeholzten Urwälder lebten und erjt unter dem Ein- fluffe der englifhen Berrfhaft zu Plantagenwirtfchaft übergingen. Sie gelten als gaftfrei, gefellig, gewandt und liebenswürdig im Derfehr. Imdeffen betonen alle Kenner des Landes, daß diefe an- genehme Außenfeite nicht hinweg- täufhen Fann über ihren Mlan- gel an Energie, ihre Heigung zu Trunf und Ausjchweifungen. Negerhütte auf Nahe, 460 Kreolen und Ieger. Plantagenbetrieb. Dies alles hat zur Folge, daß die Plantagen der eingeborenen Kreolen, wenn fie nicht überhaupt verfallen, fo doch Feinen Dergleih mit jenen der Mlauritianer und eingewan- derten Europäer aushalten. Das farbige Element bejteht wefentlih aus Vegern, die man namentlich von Mozambique einführte, weiterhin aus einigen NMladagaffen, Hindus und den als Händlern thätigen Chinefen. Kreolen und freie Neger geben ein Element ab, das eine erfolgreiche Kulturarbeit Faum in Ausficht ftellt. Dem englifchen Bouvernement fällt es nicht leicht, in die Derhältnife beffernd einzugreifen, zumal da der öffentliche Unterricht der Fatholifhen Bevölferung faft ganz in den Händen franzöfifher Miffionare tft, dte 24 Schulen unterhalten. Erwähnt mag nur noch fein, daß 1891 die gefamte Be- völferung der Seychellen [6440 Perfonen betrug: eine geringe Sahl im Dergleich mit dem ausgedehnten, gefunden und fruchtbaren Areal. Da unter der englifhen Herrichaft der Plantagenbetrieb mehr und mehr in Auf- nahme Fan, fo wurde der fhon durch die erjten Anftedler ftarf gelichtete Urwald oder, wie man ihn dort nennt, der alte Wald, mehr und mehr zurükfgedrängt. Er hat fich in voller Urwüchfigfeit nur noch auf den entlegeneren Höhenzonen in der Umgebung R des Mount Harrifon auf dem füdlihen Teil der nfel erhalten. Ihm galt eine der genußreichiten und lehrreichiten Fußwanderungen, die wir unternahmen — doppelt an= ziehend, weil einer unferer Freunde und Neifegefährten, Prof. Brauer, der fih ein Jahr lang auf den Seychellen aufgehalten hatte, den gewiegten führer abgab. Bei Tagesgrauen machten wir uns auf den Weg und genoffen in der Morgenfrifche die Föftlihen Ausblicke nach rechts auf die fteil abfallenden, hie und da von Bebirgsbädhen durchraufhten Hänge des Lentralftodes, nah linfs auf das Mleer mit den ihm fich zuneigenden Kofospalmen und den dünnen Kafuarinen, durch die der Wind wie durch unfere Hadelhölzer pfeift. Hah faft einftündiger Wanderung auf der Kandftraße biegt ein gut erhaltener und meift fchattiger Pfad in zahlreihen Sidzafwendungen gegen die mit Plantagen bedecten Höhen ab. Die erften Anfiedler pflanzten namentlih Kofos und Suderrohr an; exit fpäter, als die Sucerproduftion nicht mehr lohnte, wurden Simmet und Gewürznelfen, die fhon ITTI von den Sunda-Infeln durch Poivre eingeführt wurden, ausgiebiger Fultiviert, zu denen dann weiterhin der Kafao als ausfichtsreihes und gut gedeihendes Produft fih binzugefellte. KXeider haufen die eingefchleppten Xatten troß aller in Geftalt von Schirmen um die Stämme gelegten Schußvorrichtungen jo verheerend, daß an manchen Stellen der Betrieb aufgegeben wurde. So ift es denn neuerdings die Danille, deren Anpflanzung mehr und mehr in Aufnahme fommt. Die Zufunft muß lehren, ob die an ihre Kultur gefnüpften hochfliegenden Erwartungen in Erfüllung Wanderung in die Höhenregion von Nlahe. 461 Strandfcenerie von Port Diftoria. gehen werden, da gerade die Danille in ihren Erträgen fi jehr launifch erwetit und nur unter Derhältnifien gedeiht, die ihrem Dorfommen im wilden AZuftande angepaßt find. Das Gouvernement felbjt hat eine Anzahl von Danille-Plantagen angelegt, deren Früchte mit Stichen gemarft find, um die Defraudation zu verhüten. Der Weg nimmt in der Höhe eine immer fchärfer hervortretende rote Färbung an, die durch den Katerit, den für dte Tropen charafteriftifchen Derwitterungsboden des Granites, bedingt wird. An den Granitblöden, die teils vom NMiorne Seychellois herab- gerollt jmd, teils in weiterer Entfernung noch anftehen, machte mich Prof. Brauer auf fenfrechte Rillen aufmerffam, die im Kaufe der Jahrtaufende durch das Negenwafjer und mitgeführte Quarzförnhen ausgefhliffen wurden. Bejonders anztehend gejtaltet fich die Wanderung bergauf dadurch, daß hie und da noch Nefte des alten Waldes in Beitalt von auf Stelzen ftehenden Pandanus und Palmen fi erhalten haben. An den Hängen des Mlorne Seycellois treten fie bisweilen noch zu größeren Bejtänden zufammen, umrahmt von wahren Wiefen der für die Tropen typifchen farne aus der Familie der Gleichenien. Dur ihre dichotome Derzweigung und ihr gejelliges Dorfommien an fonnigen Standorten beftimmen fie nicht wenig den Charakter der Sandfchaft. 462 Ausficht bei La Mifere. In der fühleren Höhenreston ha- ben vermögende Bewohner von Mahe elegante, von wohlge: pflegten Gärten umgebene Land- häufer erbaut, welche fih um einen als La Mifere bezeich- neten Bergrücden gruppieren. Die Ausficht, die man hier genießt, ift eine der padend- ften, welche die Tropen zu bieten vermögen. ber die Sandhäufer, die Gärten und Plantagen hinweg jchweift der Blif zu dem Fühn auf- ftrebenden Morne Seychel- lois, deffen Höhe man um fo mehr zu überjhäßen ge= neigt tft, als den Gipfel eine Mebelfappe verdedt. Rechts flanfieren ihn die drei Gipfel der Trois Fre- res, Imfs ragt fühn der Morne Blanc auf, um fteil gegen die MWeftfüfte ab- zufallen. Diefen Gipfeln find abgerundete, bewaldete Kuppen und Bajtionen mit Steilabfällen vorgelagert. Alan überfjhaut die weit in den tiefblauen ndifchen Deean vorgezogene, von wei- fer Brandung umfäumte Nordhälfte der Infel mit ih- von wie Loulifjen fich einfchte- benden Höhenrüden; deutlich erfennt man die weißen Häufer- majffen von Mahe, den langge- itreten Diftorta-Pier, und die im Verschaffeltia splendida (Palme) und Pandanus Seychellarum, -(uojpspaaS) 34vylT 5 Klima der Seychellen. 465 farbenreihen, von Ffleinen Injen umfäumten Hafen veranferte „Daldivia". Die Scenerie erinnert an italienifhe Küftenlandfchaften, übertrifft fie aber durch die fatten leuchtenden Farben und durch die Pracht der tropifchen Degetation. Alan begreift es wohl, daß man fih in einer fo paradiefifshen Umgebung in fein Sandhaus zurüd- zieht, unbehelligt von den Fährlichfeiten, die in Geftalt von Fieber und Lyflonen den füdlicher gelegenen Ntasfarenen zufommen. Das Klima der Seychellen wird mit vollem Recht gerühmt wegen feiner Gleich- förmigfeit und des Freibleibens von erceffiven Hitegraden. Die mittlere Jahres- temperatur beträgt 27— 29°C. bei täglihen Schwanfungen von 6—C°, und Fann hier oben in der Höhenregion bis auf 20° finfen. Yicht zum mindeften verdankt indefjen der Urchipel feinen Ruf als tropifhe Gefundheitsftation dem Umiftande, daß Malaria auf ihm nahezu unbefannt tft. Dies mag wohl wefentlihh dadurch bedingt werden, daß die zahllofen, durch die granitifhen Schluchten über Quarzfand raufhenden Ge- birgsbähe auf den fteil nach allen Seiten abfallenden Infeln Feine fumpfigen Hie- derungen bilden. Sie finden fih) nur auf dem flachen füdlihen Teil von Mlahe, der denn auch in fanitärer Hinficht etwas zurüditeht. Die Kämme und Gipfel des Ge- birges find faft ftets in Wolfen verftekt, und die ftändige Feuchtigkeit trägt dazu bei, daß die Bachläufe nicht verfiegen. Obwohl wir im füdlichen Sommer während der von Dezember bis April dauernden Regenzeit eingetroffen waren, jo hatten doch gerade in diefem Jahre anormale Derhältniffe geberrfht, infofern feit fieben Wochen Fein Regen gefallen war. Es war denn auc, glühend heig, als wir um die Mittagszeit durch Schattenlofe Schluchten auf fteinigem, wenig begangenem Pfade uns dem AMlount Barrifon näherten. Gern machte man an einem Gebirgsbahe zwifchen dichtem Ge- büfch von Tropenfarnen aus der familie der Marattiaceen Halt, um ein befcheidenes Frühftüf einzunehmen und dann — freilich vergeblih — nah den fhmadhaften Krebfen zu fahnden, an denen es in den Wafferläufen der Seychellen nicht fehlt. Be- fonders gefchätt wird eine große Art von Garneelen mit mächtig verlängerten fchwarzen Dorderbeinen (Bithynis), weldhe den Aufenthalt im Mieere mit dem Leben im Süß- wajfjer der Gebirgsflüffe vertaufht hat. Hur noch eine Furze Wanderung und dann eröffnete fich der Ausblik auf die be- waldeten Hänge des Mount Harrifon mit feinen mächtigen Kapuzinerbäumen (Si- deroxylon), deren gewaltiger, 5—6 m breiter Stamm bis zu 50 m Höhe fich erhebt. Über ihnen fchwebten die eleganten Tropifvögel und als liebgewordene Genofjen freudig begrüßt die fchneeweißen Feenfeefhwalben (Gygis). Dorbei an einigen verdorrten Stämmen, die gejpenftifch ihre Üfte veckten; ging es in das geheimnisvolle Dunkel des alten Seychellenwaldes. Er trägt einen fo eigenartigen Charakter zur Schau, wie er uns bisher in feinem anderen tropifchen Urwald geboten wurde. Vicht zum wentgjten überrafcht es, daß der 464 Urwald am Mount Barrifon. Wurzelfteljen dev Palmen. Pandanus (P. Hornei und Seychellarum), fonjt an die Küftenregion gebunden, hier in der Höhe waldbildend auftritt, Hu ihm gefellen fih eine Anzahl den Seychellen eigentümlicher Palmen, die nicht wenig da=- durch feffeln, daß fie auf gilt nament- lih für dte Verschaffel- tia splendida, neben der Roscheria melanochae- tes und die mit breiten Fächern aus- gejtattete Stevensonia grandifolia herrfchend auftreten. Man glaubt in ein über- fülltes Treib- haus zu fom- men und fin= det Faum den Weg dur diefes Gewirr pradtvoller Dalmmebel. Ab und zu drängt fich ein Wurzeljteljen der Verschaffeltia splendida. Baunifarn, die graziöfe Cyathea Seychellarum, ein, während der Boden an vielen Stellen von den ein hohes Dicficht bildenden Eyperaceen (Hypolytrum latifolium) bedeft wird. Die Saubhölzer. Kandfauna. 465 Sonne vermag durch das dichte Blätterdah von Palmen und Farnwedeln Faum hindurdh- zudringen; der Boden ift von fhwarzem Mulm bedeckt, und in dem grünlichen Switelicht berrfcht jener eigenartige Urwaldduft, wie ihn der Mloder und die Jarne bedingen. Heben Palmen, Pandanen und Farnen birgt der alte Seychellenwald noch eine Fülle von Laubhölzern. Der Kreole belegt fie mit eigenen Hamen und unterfcheidet fie fchärfer als der Bota- nifer, der manche derfelben noch nicht in das Syftem eingereiht hat. Wir erhiel- ten von dem Bouvernement eine Sammlung von etwa 40 verfchhiedenen Holzarten zum Gefchenf, unter denen manche durch ihre Schwere und Feftigfeit fih auszeich- Das Tierleben tft im Urwalde nicht gerade reich entfaltet; immerhin ver- mochten wir in ihm eme Anzahl für die Seychellen ty- pifcher Sungenfchnedfen und Infeften zu fammeln. Un- ter den leßteren fanden jich auch Dertreter der Gefpenit- heufchreden — allerdings nicht jener Art, die als „wandelndes Blatt“ (Phyl- lium siccifolium) von den fharfäugigen Jungen an fonnigen Standorten gefan- melt und gern dem Frem- Urwald auf Mahe (Mount Barrifon). den angeboten wird. Sie ahmt fo täufhend in Farbe und Geftalt grüne Blätter nah, daß man felbjt auf einem fleinen im Simmer ftehenden Zweig erft nach fcharfem Sufehen das ruhig fitsende Infekt erfennt. Die eigenartigiten Dertreter der Seychellenfauna find die Blindwühle (Loe- eilten), welche indeffen nicht nur in dem Mlulm und den miodernden Stämmen des Urwaldes, fondern auch bis hinab zu der Strandregion in feuchter Erde gefunden Chun, YXus den Tiefen des Weltmeeres. Zweite Auflage. 50 tamm einer jüngeren weiblichen Lodoicea mit Srüchten S Lodoicea Seychellarum. 467 werden. Es find Amphibien (eine Art der Gattung Cryptopsophis und zwei Arten der Gattung Hypogeophis), die freilih in Anpafjung an die unterirdische Kebensweife nicht nur ihre Augen, fondern auch ihre Gliedmaßen verloren haben und äuferlih den Blindfchleichen ähneln. Über die merfwürdige Entwidlung und Lebensweile diefer uralten formen haben die Unterfuhungen von Prof. Brauer — nicht minder aud diejenigen der Dettern Sarafin über die Leylonifhen Blindwühle — befriedigende Aufklärung gebradtt. Praslin. In dem Botanifhen Garten von Peradenia auf Ceylon wurde uns von dem Direftor als eines der ftolzeften Schauftüke ein Eremplar der Lodoicea gezeigt, das freilih ein Swerg war im Dergleih mit dem Stamme, der das Gouvernements- gebäude in Mahe überragt. Als ich ftaunend vor diefer Wunderpalme mit ihren sigantifchen Früchten ftand, gab man mir die m daß auch fie nur ein ihwaches Bild von der Wucht und Pradt liefere, welche diefe Fürftin ihres Gefchlechts an dem natürlichen Standorte darbiete. Er ift freilih ein außerordentlich befchränfter, infofern te fih nur auf Praslin und der Hachbarinfel Curieufe — auch dort wieder nur an engumgrenzten Stellen — findet. Es hätte denn auch nicht erft des Drän- gens von Freund Schimper bedurft, um uns zu veranlafjen, einen Stand- ort zu befuchen, der zu den Flafjifchen der Erde gehört. Wer nicht die Lo- doicea in den einfamen Thälern fah, wo jie heimisch ift, der Fennt nicht die Seychellen! Der nfpeftor der Forften, Mr. Baty, gab uns mit feiner Gemahlin und feinem Bruder das Seleit, als wir am 8. März mit dem Bafenfapitän an Bord vor Sonnenauf- gang den Anfer lich- teten, um dur die fpiegelglatte See, die Lodoicea. Smwei männliche Blütenfolben; linfs ein weiblicher Kolben mit jugendlichen Srächten, rechts eine ausgebildete Srucht nadh Entfernung der äußeren Hälle. 50* 468 Eriter Unblic® der Palmen. ab und zu von fliegenden Fifhen und Delphinen belebt wurde, nah Praslin abzufahren. Nach drei Stunden trat die grüne nfel immer impofanter her- vor, und nicht wenig fteigerte fich die Erwartung, als wir bei der Annäherung jhon von Bord aus mit dem Fernrohr die gelblih-grün fich abhebenden Kro- nen der Palmen benterften. Wir war- fen bei der Bat von St. Anne an der Ditjeite der nfel Anker und fuhren in der Dampfbarfafje auf die mit Sar- gafjum dicht bewachfene Niffregion zu. An dem fandigen Strande erwarteten uns Üeger und gern fuhte man Schub vor der glühenden Sonne im Schatten eines Fleinen, mit Palmen gedeten Holzhaufes. Ein roter Sateritpfad führt bergauf nach der Nordoftfeite der Anfel, wo in nur Lodoicea, Srucht mit erhaltener äußerer Hülle. zwet Schluchten die Palmen wacdfen. Es läßt fih fchwer der erjte Eindruck wiedergeben, den bei einer überrajchenden Wendung des Pfades an einer teilweife gelichteten Schlucht die gewaltigen Stämme machen. Die Wucht in der Entfaltung der Kaubfäcer, die Schönheit und Eleganz der Palme, ihre eigentümlihe Befhränfung auf einen eng umgrenzten Diftrift und endlich der Sagenfreis, der fih um diefelbe gewoben hat: dies alles trägt dazu bei, daß der- jenige, dem es vergönnt tft, dtefen Wunderbaum zu fehen, in enthuftaftifche Erregung zerät. Man begreift wohl, daß Kinne die Palmen als Principes bezeichnete und fie an die Spite feines Syftemes jtellte, weil er, von der Mlajeftät ihrer Erjcheinung ge- paft, nicht wagte, fte in eime der übrigen Pflanzenflafjen einzurethen. Kerzengerade erheben fich dte mächtigen, hellen Stämme bis zu einer Höhe von 40 m, daneben dte jüngeren Palmen, welche anfchernend direft aus dem Boden ihre gewaltigen, bis zu T m hohen und 4 m breiten Blattwedel fprießen laffen. Faft möchte ich diefen leßteren, welche die ganze Wucht der Belaubung recht finnfällig in Erfheinung treten lafien, den Preis vor den älteften, hoch über die Kronen der übrigen Bäume ragenden Stämme erteilen. Die mittelgroßen weiblichen Stämme jind über und über bedeckt mit den ungefügen Früchten, welche in allen Entwidlungsjtadien, riefigen Eicheln gleichend, dem Fructitande anfisen. Wie der Wedel, fo ift auch die Frucht die mäd- tigjte und fchwerfte, welche das Pflanzenreich erzeugt. Im eine die Bajthülle, wie bei Lodoicea Seychellarum auf Praslin. Coco de Mer. 469 der Kofosfrucht, eingehüllt liegt der eigentliche Kern mit feiner herzförmig eingeferbten Scale, die poliert [hwarz wie Elfenbein erjcheint. Diefe wunderlichen, einen halben Lentner fchweren Früchte waren es, weldhe ab und zu von den Strömungen an die Malediven und weitlihen Küjten von ndien ge- trieben wurden und dort feit alter Zeit gerechtfertigtes Erftaunen erresten. Da man über ihre Herfunft im unklaren war, hielt man fie für Meeresprodufte und gab ihnen Lodoicea Seychellarum auf Praslin. KO Urwald von Praslin. gyler PA N Urwald auf Praslin. £infs Stamm einer weiblichen Lodoicea, rechts ein jüngeres Eremplar mit Blattftielen. den heute noch gebräuchlichen Namen Coco de mer. Man legte ihnen geheimnis- volle Kräfte bet und wog fie fat mit Gold auf: foll doch Rudolf von Habsburg für eine einzige Frucht 4000 Boldgulden bezahlt haben! Erft im Jahre IC69 wurde Augen und Entwicklung der Palme. ra gelegentlich der von dem Duc de Praslin angeordneten Unterfuchung der Seychellen die Trägerin der Früchte durch den Ingenieur Barre entdet. Labillardiere gab ihr dann den heute noch zu Recht beftehenden Namen Lodoicea Seychellarum. Barre war fo unvorfichtig, eine Korvette mit Coco de mer zu befrahten und nad ndten zu fenden, wo fhon der bloße Anblik der reichen Ladung dazu beitrug, die Frucht für alle Zeiten im Werte ganz erheblich fallen zu lafjen. Die Palme ift getrenntgefhlehtlih und diefer Umftand trägt bei ihrer Seltenheit nicht wenig dazu bei, daß die Dermehrung nur langfam fortfchreitet. Yeben den weiblichen Palmen wurden wir bald auf die männlichen aufmerffam, weldhe an einem etwa Im langen Blütenfhaft zahlreiche unfheinbare, gelblihe Blüten tragen, die einen intenfiven Geruch nah Lopra oder nah Aronswurz erfennen lajjen. Seffelt die Palme jhon durch ihren Fraftitrogenden Wuchs, fo find ihre fonjtigen Eigenfhaften nicht minder merfwürdig. Die Früchte brauchen zur Neife nicht weniger als 7 Jahre; werden fie in den Boden eingepflanzt, fo dauert es I Jahr, bis der Keim erfcheint, häufig mehrere Meter unter der Oberfläche hinfriehend, bevor er nad) außen durchbricht. Exft nah 59—40 Jahren werden Blüten entwidelt, und fchwer fällt es, zu fagen, welches Alter die gewaltigen Stämme erreichen mögen. Wird fchon bei der Kofospalme jeder Teil des Baumes verwertet und gefhäst, fo gilt dies in noch) höherem Grade für die Lodoicea. Das Holz des Stammes ift fchwärzlich und jcheint wie Eifen den Einwirkungen der Außenwelt zu widerftehen. In der Wohnung des deutfhen Konfuls, Dr. Broofs, jah ich einige Stämme der Lodoicea in den Em- pfangsraum eingebaut: ein Holz, nicht minder Foftbar und widerftandsfähig, als das- jenige des Kanarienlorbeers. Die Blattwedel verwendeten die Eingeborenen von Pras» Iin zum Deden der Hütten, aus den Blattfafern fertigen fie Flechtwerf und elegant gearbeitete Damenhüte, und die harte Schale der Frucht verarbeiten fie zu mannig- fahen Trinfgefäßen. Sie umfchließt bei der frifhen Frucht ein gallertiges Endofperm, welches zwar erfrifchend, aber etwas fade füßlih fchmedt; bei älteren Früchten erftarrt es zu einer harten, weißen Maffe. Die Palme wäre vielleicht jhon ausgerottet, wenn nicht John Horne, der verdiente Direftor des Botanifchen Gartens von Mauritius, 1875 energisch die Regierung aufgefordert hätte, zu ihrem Schuße einzufchreiten. So wurde denn das eine Thal auf Praslin, in dem die fchönften Eremplare ftehen, und die Nachbarinfel Curieufe als Kronland erflärt und durch ftrenge Maßregeln einem Ausrotten auch der übrigen Eremplare vorgebeugt. Die Lodoicea fommt in den beiden Thälern auf Praslin nicht in dichten Beftänden, fondern zerftreut zwifchen den übrigen Urwaldbäumen vor. Der Urwald felbft ift trocken und wiederum ausgezeichnet durh den Reichtum an fonftigen Palmen, unter denen namentlich der elegante, ende- mifche Palmift (Deckenia nobilis) auffällt. Wie in Mlahe, jo Fehrt auch hier die Stevensonia mit ihren gewaltigen Blattwedeln und von Kaubhölzern das »bois rouge: 42 Picni anf Praslin. (Wormia) wieder. Gegen das Meer zu traten, untermifcht mit Lodoicea, Kafuarinen und prächtige Stämme des auf den Seychellen als bois Tatamaka bezeichneten Calo- phyllum auf. Dereinzelt war denn auch noch der Pandanus Hornei eingeftreut. Ein Picdni unter dem mächtigen Kaubdach einer Lodoicea bejhloß den erjten Teil der Wanderung. Geöffnete Früchte der Palme wurden mit begreiflichem Intereffe ge- noffen, und hieran fchloß fih ein lufulliihes Mahl, das dem Sterblichen wohl nur einmal zu teil wird: Palm- fohl aus einer männ- lihen Lodoicea berei- tet, der als Salat mit feinen mansdel- ähnlichen Gefhmad noch mehrmals an Bord — denn wir erhielten einen jol- chen Trieb zum Se- fhen? — wohl die feinfte Deltfatefjfe ab- gab, welche wir über- haupt auf der Neife genofjen. Den Befhluß un- feres Ausfluges nad) Praslin bildete eine freilih heiße Wan- derung über den Höhenrüfen an die Nordfüfte, wo wir von den dort an- fälligen Kreolen und Hegern liebenswür- dig aufgenommen und fpäter in Boo= - ten nad) dem ver- anferten Schiff zu- rücbefördert wurden. Dort wartete unferer eine neue UÜberrafchung. Urwald von Praslin. Palmijt (Deckenia nobilis). ceda. odoi N lin mit S Iıwald auf Pra l ro l x —- . = en 2 Elefantenfchildfröten. 475 Der Befiter von Felicite, Wir. Harald Baty, war in Begleitung unferes Havi- gationsoffiziers in der Dampfbarfaffe nad) feiner Infel gefahren und hatte von einem Kleinen ihr vorgelagerten Riff eine der größten und älteften NRiefenfchildfröten (Testudo elefantina) abgeholt, um fie der Erpedition zum Gefchen? zu mahen. Es war denn auch thatfächlich ein faft antediluvianifh fi) ausnehmendes Mlonftrum, welches vor mehr als hundert Jahren (der Großvater eines auf Felicite anfäfjigen bejahrten egers hatte bereits die Schildfröte gefannt) von Aldabra übergeführt worden war. Da uns Mir. Baty noch zweit weitere, allerdings jüngere Eremplare, fchenfte und Dr. Broofs diefen ein für Se. Mageftät den Kaifer bejtimmtes hinzufügte, fo war Die Elefantenfchildfröten an Bord der „Daldivia”. es ein ftattliher Beftand ftumpffinniger Riefen, der fih an Bord der „Daldivia” umbertrieb. Die Elefantenfchildfröten waren auf den Seychellen bei ihrer .erften Erforfchung nicht heimifch, fondern wurden von Aldabra aus eingeführt, wo fie heute noch, gefhüst durd) die Abgelegenheit der Infel und durch ihre verfteckte Sebensweife im dichten Bufh in jtemlicher Hahl und, wie es fcheint, in mehreren Arten vorfonmen. Die nach den Seychellen eingeführten pflanzen fich mit Keichtigfeit fort, und jo hält man denn auf den meiften farmen einen Fleinen Beitand von Elefantenfhildfröten, die bet feftlichen Gelegenheiten als von den Kreolen befonders gefhätte Koft auf der Tafel erfcheinen. 474 Seychellentauben. Manaelhafte Derfehrsverhältniffe. Da uns auch geftattet worden war, einige der feltenen endemifchen Dogelarten der Seychellen zu fchiegen, fo erfuhren unfere Sammlungen einen recht wertvollen Suwads. Die Infeln des Seycellenarchipels müffen fchon feit langer Seit getrennt beftanden haben, da faft jede der größeren eine Anzahl ihr eigentümlicher Kandformen aufweift. Dies betrifft fpeciell die taubenartigen Dögel, unter denen die prächtigfte, nämlich Alectroenas pulcherrima, auf Feltcite erlegt wurde. Als wir mit botanifchen und zoologifhen Schäßen reich beladen am Abend wieder vor Port Diftoria angelangt waren und unfere fympathifchen Neifegenoffen ausgefetst hatten, Fonnten wir die gaftliche Aufnahme, die wir auf den Seychellen gefunden hatten, nur mit eimen befcheidenen Gegendienft erwidern. Seit 6 Wochen hatte Fein Dampfer Mahe angelaufen, und fo übernahmen wir gern die Poft, um fie in Sanfibar ge= wifjenhaft weiter zu befördern. Handel und Derfehr mit den Seychellen find dadurch empfindlich benachteiligt worden, daß feit einer NReihe von Jahren die Messageries Maritimes ihre Fahrten nach Mahe fowohl, wie nah Reunion und NMlauritius einftellten. ur felten — hödjtens den Monat einmal — geht ein englifher Dampfer im Port Diftoria vor Anfer, und es find wefentlich englifche und unfere Fleineren deutfchen Kriegsfchiffe, welche ab und zu etwas Keben in das einförmige Dafein bringen, indem fie die von der Hatur fo reich sefegneten Infeln als Gefundbeitsftation auffuchen. r N ER ———— Terran MS AS ZU N Er )A N ur u a XXI. Nach Oftafrifa. DI der Rückfehr von Praslin fuhren wir noch am Abend des 8. Nlärz mit weit- ( lihem Kurs, indem wir die Amiranten bafbord liegen ließen, bet jtillem Wetter und wolfenlofem Himmel von den Seychellen ab. Während der achttägigen Neife bis zur oftafrifanifchen Küfte hatten wir ganz flauen Wind, der langfam nach Nordojt drehte und uns ftändig fchönes, Flares Wetter bei mäßigen Stromverjeßungen und meijt fpiegelglatter See brachte. Um die Erfcheinungen an der Mieeresoberfläche, fpeciell auch den Mangel aus- gefprochener Strömungen auf diefem Fahrtabjchnitte würdigen zu Fönnen, dürfte es angezeigt fein, einen Befamtblif auf die Strömungsverhältnifje des Sndifchen Dceans während des füdlichen Sommers (des nördlihen Winters) zu werfen und hierbei auf einige Punfte zurücdzufommen, deren wir bereits mehrfach bet der Schilderung unferer Fahrt im Bereiche des Jndifchen Deeans gedacht haben. Es wird fich empfehlen, zunächft die füdlich des Uquators fich geltend machenden Strom- und Windverhältniffe darzulegen, um diefen diejenigen anzufchliegen, welche im genannten Seitraum nördlich des Ugquators zur Beobachtung gelangen. Der füdliche Abjchnitt des Indischen Dceans bietet eine jehr finnfällige Parallele zu den Strömungen im füdlihen Atlantifhen Dcean dar. Bier wie dort haben wir es mit eimem gewaltigen Stromfreis zu thun, dejjen Bewegung gegen den Ührzeiger gerichtet erfcheint. In der Weftwindörift, welche wir fowohl nah Derlaffen von Kapftadt, wie bei der Fahrt nad) den Kerguelen und St. Paul pafjterten, werden die Waffermaffen durch die „Braven Weftwinde”, die meift jtürmifch auftreten, in Fräftigem Strom nad Dften getrieben. Ein Teil des Falten Wafjers trifft auf die MWeftfüfte Auftraliens, wird hier nadıy Hord und Hordweit abgelenft und bildet den fogenannten Weft-Auftralftrom, der mit feinem Fühlen Wafjer ein Gegenftük zu dem Benguelaftrom an der Südweftfüfte Afrifas abgiebt. Er verliert fih in die von dem Südoftpafjat getriebene „Ugquatorialftrömung“, welhe im Gegenfat zu derjenigen des Atlantifhen Deeans nicht auf Mordbreite übergreift, fondern im Hordwinter auf etwa 10° Südbreite, im Wordfonmer etwas weiter bis auf 5° Südbreite fich geltend madt. Im Hordfommer liegt alfo der Chagos-Archipel im Bereiche des Südoftpaffats und der nach Weiten gerichteten Südäquatorialftrömung. Ihre Schnelligkeit ift nicht beträchtlich, ee er 110: = De rabısches Mer = EI A777 > = Fan er er = TE a ce ei | I er NE Strömungen im äquatorialen Jndifchen Ocean zur Zeit des NO.-Monfuns (Nordwinter). Nach G. Schott, Weltfarte der Meeresjtrömungen, 1898. ri: Strömungen im äquatorialen Indischen Ocean. I Yard und nur ftellenweife, fo 3. B. in der Hähe der Hordfpise Madagasfars, bei Kap Amber, gewinnt der Strom über zwei Seemeilen jtündliche Bewegung. Er trifft dann ungefähr in der Höhe des IO. füdl. Breitegrades auf die oftafrifanifche Küfte und gabelt fich hier in zwei Üfte: einen fhwächeren, Sanfibar treffenden, nach Yorden und allmählich mehr nordöftlich gerichteten Zweig, und einen bedeutungsvolleren, bet Kap Delgado füdliche und allmählih mehr füdweftliche Richtung gewinnenden Aft, den Agulhas-Strom. Er bietet des Gegenftük des atlantifchen Brafilienftromes dar, ift indeffen weit mächtiger, Fräftiger und zugleich eimer der Fonftanteften Ströme, den wir Fennen. In feinem Anfangsteil auh als Mozambique-Strom bezeichnet zieht er mit immer zunehmender Schnelligkeit. in füdweftliher Nichtung an Hatal vorbei und überflutet jchlieglich dte Asulhas-Banf, um, wie wir bereits früherhin erwähnten, fich endlich im zahllofe Hweige auflöfend in der Weftwinddrift zu verlieren. Er fließt längs des füdlichen Kaplandes fo rafch, daß hier Schiffe fchon bis zu IOO Seemeilen in 24 Stunden (im Etmal) nach Weiten verfest wurden. Was nun die nördlich vom ÄUquator gelegenen Stromgebiete des Indischen Dceans anbelangt, fo werden fie auf der Hochjee derart von den Monfunen beeinflußt, daß fte im Saufe des Jahres ihre Richtung wechfeln. Im nördlihen Winter, zur Seit des heiteren YHordoft-Monfuns, fließen die Wafjermaffen faft durchweg nah Weiten, im nördlihen Sommer, wenn der oft ftürmifch auftretende Südweft-MTonfun weht, jtrömt das Waffer der Oberfläche, häufig ftarfe Derfeßungen bedingend, nah Dften. Mit Recht hat man diefe mit der herrfchenden Windrichtung übereinftimmende Umfehr in der Stromesrichtung als das gewichtigfte und fchlagendfte Beifptel dafür angeführt, daß in erfter Sinie dte Strömungen durch die herrfhenden Windrichtungen bedingt werden. Da wir im nördlichen Winter und Frühjahr den Indifchen Ocean durchfuhren, fo inter- effieren uns an diefer Stelle fpecieller die zu jener Seit fi) Fundgebenden Strömungen. Die Wafjermaffen werden unter dem Einfluß des Hordoft-Monfuns fowohl im Golf von Bengalen, wie in dem arabifchen Meere, wie endlich auch in dem Breitenftriche zwifchen der Hordfpise Sumatras, Ceylons und der ganzen zwifchen den Mlalediven und der oftafrifanifchen Küfte gelegenen Region nad Weften getrieben. Wir bezeichnen diefe ganze weftlihe Strömung als Nordäquatorialftrömung. Allerdings treten fowohl im noröweftlichen Teile der Bat von Bengalen, wie auch andererfeits im Aden-Golf und unter der arabifchen Küfte Gegenftrömungen nach Dftnordoft refp. Nordoft auf. Endlih macht fich noch zwifhen Bombay und Taltcut längs der Wejtfüfte von Dorder- indien ein „longshore-Strom“ nah Süden geltend. Keylons Nord- und Südfüfte wird von der Monfundrift umfloffen, die hier und am Hordaussang der Malaffa-Straße ihre größte wejtlihe Gefhwindigfeit aufweift. In dem wejtlichen Teile des ndifchen Deeans zwifchen dem Ügquator und etwa 8° Südbreite find ganz veränderliche und fehr jhwache Bewegungen vorhanden. Yur nah Dften hin, in der Richtung auf die 478 Stromlofe Gebiete. Unter dem Sonmenäguator. Meftfüfte Sumatras, tritt allmählich eine deutliche Dftftrömung auf, die fchlieglich nach Südojt mit einer bei ftarfem Yordweft-NTonfun oft jehr großen Gefhwindigfeit fließt. Diefe öftlihe Gegenftrömung tft, wie leicht einzufehen, das indifche, auf Südbreite ver- laufende Gegenftük zu der atlantifchen Guinea-Strömung. Wir haben bereits bet der Schilderung der Annäherung an Sumatra Gelegenheit gefunden, diefer im Bereich des regenfchwangeren Hordwejt-IMonfuns gelegenen, fehr warmen Strömung zu gedenfen. Hwifchen diefe großen Stromfreife, gewifjermaßen im Centrum der Strommwirbel gelegen, Schalten fich ftromlofe Gebiete mit Windftillen und bisweilen hohem Luftdrud ein. Ein folhes ftromlofes Gebiet pafjierten wir füdlich des Üquators nad Derlaffen von St. Paul und Heu-Amfterdam, und in ein foldhes waren wir denn aucd ein- getreten furz vor Anfteuern und nach Derlaffen der Seychellen bis in die Mähe der oftafrifanifchen Küfte. Da bei Tage der Wind meift abflaute und nur in der Macht fehr leicht aufbrifte, jo war es bei dent heiteren Himmel glühend heiß. Das Thermometer zeigte bei direfter Infolation 50°, während fonft die Temperatur im Schatten zwifchen 28° und 52° ihwanfte. Das find nun freilicd Temperaturen, die fich im Binnenlande häufig geltend machen und nicht gerade als unerträglich heiß empfunden werden. Wenn fie aber auf dem tropifchen Dcean drücend fhwül erfcheinen, jo wird dies dadurd bedingt, daß die Kuft mit Feuchtigfeit bis zum Sättigungsgrade gefchwän- gert ift. Der Schweiß verdunftet Faum auf der Haut und jede Förperliche Arbeit erfcheint doppelt erfhwert. Man fühlt fich felten mehr erfchlafft, als gerade hier, wo wir im Bereiche des Sonnenäquators fuhren und Schon gleich anı Tage nad unferer Abfahrt von den Seychellen, am 9. März, um die Mittagszeit das Schaufpiel genoffen, daß ein fenfrecht ftehender Stab Feinen Schatten warf. Man litt zwar nicht amı Tropenfoller, jtellte aber doch Fühnere Behauptungen auf, als man unter nor= malen Derhältniffen verantworten Fonnte, und atmete erft auf, wenn das ftundenlang bet Windftille im Sonnen- brand daltegende Schiff nach Beendigung der Arbeiten wieder mit Dolldampf weiter fuhr. Da beneidete man den Kapitän, der fi) aus einem in der Mlitte durch- gefägten Ffaffe, an dem die Hälfte der Faßdauben als Rücenlehne erhalten war, emen Seffel hatte zurichten laffen, unter den aus der Eismafchine ein tüchtiges Mittag unter dem Sonnenäguator. Quantum Eis eingelegt wurde. Aucd; wunderte man Sotungen und Schliefnegfänge zwifchen Seychellen und Oitafrifa. 479 fich nicht, wenn unter der Einwirkung der Hite amı Abend ernftliche Derfuche gemadt wurden, Momentaufnahmen der Wolfen mit Blisliht anzufertigen. Wer freilih damals auf den Einfall gefommen wäre, zu behaupten, daß anderthalb Jahre fpäter Kapitän Krecdh auf der „Hamburg“ den Stab des Grafen Walderfee nad Shanghai überführen würde, und daß die „Daldivia” als Transportichiff für die Beförderung deutfcher Truppen nah China Derwendung finden würde — der wäre für unbeilbar erflärt worden. Die Kotungen, welche wir auf diefer Route vornahmen, ergaben gleich nad Der- laffen der großen Seychellen-Banf am 9. März; 2577 m (4° 54’ f. Br. und 55° 45’ 5. 8), und am MN. März die überrafchend große Tiefe von SOTI m (4° 45’ f. Br. und 48° 59’ 5. 8). Die Mieerestemperatur be- trug in rund 5000 m Tiefe 1,2°C., und der Boden erwies fih als ein gelblich weißer, thoniger Globigerinenfhlid, dem reichlih (zu 25%) Kiefelorganisnıen beigemengt waren. Da die Üete und Kotleinen bei dem Mangel ausgefprochener Strömungen faft vertikal ftan- den, jo nusten wir diefen Fahrtabfchnitt wefentlih dazu aus, Temperaturreihen und Stufenfänge mit den Schliegnegen auszu- führen. Als wir die große Tiefe von I07I m loteten, fchten es von ntereffe, durch einen Schliegnesverfuh Auffhluß darüber zu ge- winnen, welche Organismen direft über dem Meeresgrunde fhweben möchten. Das Schließ- nes wurde in DOOO m hinabgelafjen und be- rührte, wie fih aus den dem Gehäufe des PER RA Propellers anhängenden Schlammreften er- Momentaufnahme nach dem Leben. wies, den Grund. Da es indefjen, auch wenn es dem Grunde auflag, fich nicht öffnen fonnte, jo müffen die Organismen, die im ihm enthalten waren, Ödireft über dem Grunde, und zwar, da es fich erft nach einiger Seit bei dem Aufbieven öffnet, etwa von 60 m an über ihm gejhwebt haben. Don lebenden Organismen enthielt das Hess Lopepoden mit ihren Larven und Radiolarien aus der Familie der Challengeriden. Beradezu erftaunlich war aber der Reichtum an leeren Schalen von Tintinnen, Radio- larien und Globigerinen, wel lestere zum Teil fogar noch ihren Stachelbefat auf- wiejen. Es fcheint aus diefem Befunde hervorzugeben, daß in fo großer Tiefe fich die leeren Schalen von Organismen befonders dicht über dem Grunde anftauen. 480 Oberflächen- und Tiefenfauna. Ein erfreuliches Ergebnis lieferten weiterhin die Fänge mit den Dertifalnesen. Eine ganze Anzahl neuer Tieffeefiihe, die meift durch fammetschwarzen Ton und durch Leucht- organe ausgezeichnet find, wurden auf diefer Fahrftrefe erbeutet. Wir fönnen uns nicht a einen der monftröfeften Dertreter der Kophtiden aus der Gattung Melano- cetus, welcher noch Iebend an die Oberfläche Fam und in dem abgefühlten Aquarium 2 Stunden gehalten wurde, nach einer Momentphotograpbie im Bilde vorzuführen. Der bizarrfte Fund unter den Fifchen war freilich eine Fifchlarve, deren wir wegen ihrer auf langen Stielen ftehenden Augen fpäterhin nocd gedenken wollen. Dazu gefellten fich Eephalopoden, deren einige gleichfalls geftielte Augen befaßen, und ein Heer von Crujta- ceen, unter welchen wahre Niefeneremplare der vollendet durchfichtigen Gattung Thauma- tops uns auffielen. In mehreren Eremplaren erbeuteten wir auch die wunderbaren, wie Aftinten fich ausnehmenden, zarten fchwimmenden Seewalen aus der Gattung Pelagothuria. Die Miee EL zeigte im allgemeimen ein nicht gerade befonders reich ent- wideltes Tierleben. Dagegen begleiteten uns nach) dem Derlafjen der Seychellen die Delphine in ganzen Beerden, nicht minder auch die fliegenden Fische, die wir in fo dichten Shwärmen über das Waffer fhwirren fahen, wie niemals zuvor. Keider ftellten fich regelmäßig neben dent ftillliegenden Schiff dte großen Hate in fo anfehnliher Sahl ein, daß wir es nicht wagen Fonnten, das Fleine Boot. zur Dberflächenfifcheret aus- zufegen. Alan war fleißig dabei, fie zu Schießen, indem man je mit zerbrochenen Slafchen und in Alfohol Fonfervierten Fleifchitücen Föderte, die fie gewiljenhaft ver- fhlangen. Aprig jens ergab die Unterfuchung des Mageninhaltes einiger mit dem Hai- hafen erbeuteter Eremplare, daß fie auch die ihnen anfitenden Saugfifche (Echeneis) zu fchnappen verftanden. Das Meerleuchten war, wie überhaupt im Indischen Dcean, fo auch auf diefer Strefe nur fchwac entwidelt und wurde wefentlih durch Fleine Rrufter (Schtzopoden, Leucifer, Pleuromma) bedingt. Als wir am 14. März der oftafrifanifchen Küfte bereits nahegefommen und eme Tiefe von 2959 m (6° 15’ S. Br. und HIT 5. €.) gelotet hatten, entfchlofjen wir uns zu einem Schleppneßzug. Wir erwarteten in einer Tiefe von beinahe SOOO m eine mur Färglich entwickelte Fauna und waren daher angenehm überrafcht über den Artenreich- tum, den wir hier nachweisen Fonnten. Eine Anzahl von Einftedlerfrebfen, welche ihre mit feinen Sinneshaaren bedeften Scheren aus den Schnefenfchalen hervorftreeten, der Gattung Scalpellum angehörige Ranfenfüßler, Pyfnogoniden, fahle Schlangeniterne und Seefterne aus der Gattung Styracaster, Würmer, Heraftinelliden und eine Anzahl jchlei- miger Klumpen von der Größe eines Marfftüces, die mit Globigerinenfchalen bejett waren (wahrfcheinlich Riefenformen von Rhizopoden), bildeten den wefentlichen Inhalt des Fanges. Er beftärfte uns nicht wenig in dem Dorhaben, fpäterhin noch ein- a die offenbar eine reiche Ausbeute verfprechende oftafrifanifche Küfte zu erforfchen. Erfte Eindrüde an der oftafrifanifchen Küfte. 481 Darzes-Saläm, In der Frühe des 15. März Fam die oftafrifanifche Küfte in Sicht. In nicht geringer Spannung ftand man auf Def und mufterte die Fleinen Koralleninfeln, deren eine als Quarantäne- ftatton eingerichtet ift, deren andere, Mafatumbe, den fchwarz- weiß geringelten Leuchtturm trägt. Kin niedriges Dorland, das in weiter ferne von den in bläu- lihem Duft verfhwimmenden Puhu- Bergen überragt wird, gewaltige Baobabs als Wahrzeichen des [hwarzen Erdteils und ein palaftartiges Gebäude, das zwifchen Kofospalmen durch- jchimmerte und jich jpäterhin als das großartige Hofpi- tal erwies — dies waren die erften Eindrüde, welche man von unferem oftafrifanifchen Küjtenland em= pfing. Bald tauchte auf einer fjüölich gelegenen Anhöhe die idylliihe, von den Müffionaren er- richtete Fatholifihe Müffton auf, und nun begann die gewundene, durch Bozen Ph wohlgefennzeichnete Einfahrt in den Fanalartig jich vorziehenden Sipfel einer tief in das Sand einfchnet- denden Bucht. Auf der Xeife haben wir jelten einen über- rafchenderen Ausblick genoffen, als jenen, der fih nad) einer fharfen Biegung des en- gen Kanals auf die große und ftille Binnenlagune von Dar-es-Saläam dar- bot. So malerifch hatten wir uns die Hauptitadt unferer oftafrifanifchen Kolonie nicht vorgeftellt! Da liegt an der Nord- feite des weiten Bedens, fat als ob es fidh um eimen wirfungsvoll Baobab (Adansonia) und Kofospalmen bei Darzes=Saläm. Chun, Aus den Tiefen des Weltmeeres. Smweite Auflage, al Salam. Darz-es->a Strande von D coriacea) am Dumpalme (Hyphacne Dar-es-Saläm. 485 aufgebauten theatralifhen Hintergrund handele, die ganze Flucht der jtattlich fchim- mernden Regierungsgebäude. Es ift erftaunlih, was hier im Kaufe weniger Jahre nah dem Yiederwerfen des Aufftandes geleiftet wurde. Don dem zwijchen Palmen verfteten Bouvernementsgebäude jchweift der Blid über die Beamtenmeffen, das Hotel „Deutfher Kaifer“, die im Bau begriffene Fatholiihe und noch wenig fortge- fehrittene proteftantifhe Kirche, das Gebäude der Deutfih-Ditafrifanifchen Gefellichaft, das Sollamt und die Regierungswerfftätten. Hahlreihe Dhau’s beleben die Lagune, auf der wir zu unferer angenehmen Überrafhung auch die „Schwalbe" als guten Be- Fannten von Kapftadt her veranfert fanden. Gegen Süden fest fih die Lagune in einen weiten Creek fort, der von Mangroven und niedrigen Höhenzügen mit ihren Blif über die £agune auf Darzes-Saläm, Kulturflähen, Savannen, Baobabs und Schirmafazien umfäumt ift. Die Scenerie war fo pafend, daß der größte Teil der Mitglieder fich bereits in Dar-es-Salanı zer- ftreut hatte, ehe dte Sanität in Geftalt des Dberjtabsarztes Dr. Simon und des Be- zirfsamtmanns von Strans erfchten. Selten ift eine deutfche Expedition mit größeren Ehrungen und gewinnenderer Herzlichfeit aufgenommen worden, als fie uns hier in Dftafrifa entgegengebraht wurden. Die Stadt flaggte und der Gouverneur, General von Siebert, wetteiferte mit den Beamten und anfäffigen Kaufleuten, uns den Aufent- halt lehrreih und genußreich zu geitalten. Die Umfahrt in Dar-es-Salam amı Nach- mittag unferer Ankunft unter führung des Gouverneurs belehrte denn auch bald, daß z1* 484 Einfluß des Muhammedanismus. zene ftattlihe Flucht von NRegierungsgebäuden an der Kagune nicht bloß eine Coultfje abgiebt, hinter der ärmliche Hütten und ein ödes, der Kultur unzugänglihes Küften- land fih bergen. Man Fonnte nur immer feiner Genugthuung Ausdrud geben über die folide und für tropifche Derhältniffe großartige Anlage der übrigen Baulichfeiten, unter denen in erfter Kinte das palaftartige Hofpital und die Dr. Stuhlmann unter- jtellte Sandeskulturanftalt feffeln. Breite Fahrftraßen, umfäunt, von Dillen und den Baumgruppen des parfartig angelegten botanischen Gartens, durchfchneiden den euro- päifchen Stadtteil und bieten fefjelnde Durchblike nach) dem tiefblauen Meere. An dem Strande hebt fih einfam, wie ein Wahrzeichen, von dem Bintergrunde der Kofos- palmen eine Dumpalmte mit ihren mehrfach gegabelten Alten und fperrigen Fächern ab. Seitdem die Eingeborenen fich überzeugt haben, daß fie nirgends ficherer und unter Fräftigerem Schuße fi anfiedeln Fönnen, als in En Nähe des Regierungsfißes, nimmt fowohl die Uraber-, wie vor allen Dingen die Negerftadt an Umfang ftändig zu. Bei dem Durchwandern der langen, von a bütten eingerahmten Straßen- ge des Eingeborenenviertels drängt fih eine Wahrnehmung auf, die man fchon in (URWEr2 m: umatra und in noch höherem Grade auf den Mlalediven machte. Sie betrifft die Rüdfwirfung des Muhammedanismus auf Dölferfhaften, welche zu fanatifcher Be- thätigung ihres Glaubens zwar nicht neigen, aber es doch mit den religiöfen Dor- fchriften gewiffenhaft nehmen. Ihre Signatur läßt fich in drei Worte zufammenfaffen: Sauberfeit, Müchternheit, Ehrlichfeit. Die drei Kardinaltugenden, vereint mit der nie fehlenden Baftfreundschaft find es, welche den Aufenthalt unter manchen muhammedani- ichen Dölkerfchaften zu einem wohlthuenden geftalten. Sie unterfcheiden denn auch den Heger der oftafrifanifhen Küjte vorteilhaft von dem Fetifchiiten in Weftafrifa, der an Unflat, Trunfenheit und Betrug es manchmal nicht genug thun Fann. Wird der lettere von der Kultur belect, fo finft er häufig zur Karifatur des Europäers herab. Anders der muhammedanifche Heger, der fchon äußerlich durch die Fleidfame orien- taliihe Tracht einen fymipathifheren Eindruf madt. Die weife Derordnung, daß Beamte und Europäer im Derfehr mit den Ein- geborenen das Kifuaheli fprechen, trägt nicht wenig dazu bei, die Bevölferung enger mit der Regierung zu verfnüpfen. Man dringt in die Denfweife des Dolfes ein, gewinnt eim leichteres Derftändnis für feine Bedürfniffe und läßt es ji) menfchlich näher rüden. Die Umgebung von Dar-es-Saläm ift fo oft und von fo Fompetenten Beobacdhtern gefchildert worden, daß wir uns damit begnügen wollen, mehr das in den Dordergrund zu ftellen, was den Naturforfcher in die Augen fällt. In erfter Linie ift es die Dege- tation, welche viel reicher, als wir erwartet hatten, entwicelt ift und der Kandfchaft ihren Charakter aufprägt. Der Gouverneur modjte es wohl herausgefühlt haben, daß wir gerade hierfür empfänglih waren, und fo gingen wir gern auf feinen Dorfchlag Hungersnot und Heufchredenplage. 485 ein, fhon am näcdften Tage in der Frühe einen Ritt in den „Sachfenwald“ von Dar- es-Saläm zu unternehmen. Es war die Heit des Monfunwechfels, und der bisweilen auf Furze Seit bededte Himmel entfendete nach langer und peinlicher Trodenzeit, die im Innern eine Hungersnot im | Gefolge gehabt hatte, die erften Negengüffe. Auf der breiten, weit in das innere führen- den Kandftraße herrfchte ein re- ges Treiben. Mit freundlichem „Jambo“ grüßten uns die Eingeborenen, unter denen ab und zu bis zum Er- fchrefen abgemagerte Ge- ftalten Zeugnis für die Kei- den ablegten, die fie durch- zumachen hatten. Hicht minder eindringlich lehr- ten die Wedel der Kofos- palmen von einer ande- ven DHeimfuchung, nänı= lihder Heufchredenplage. Sie fahen zum Teil mit ihrem abgefreffenen Lau- be, von dem nur die mittleren Blattrippen ftehengeblieben waren, troftlos aus. je weiter man land- einwärts reitet, dejto mehr macht fih der Charakter einer Bufchfavanne geltend, die in buntem Wechfel mit Bufhwald für die oftafrifanifche Küftenregion typifch ift. Der Wald ift auf flahe Mulden befchränft, in ZegeneiberfansyDarzes=Salam.sgs(Sachserphot.) welchen während der Regenzeit das Waffer fih anfammelt. Wo das Grundwafjer während der Trodenzeit fehlt, tritt mehr die Savanne in den Dordergrund. Sie ftellt fich als eine von meijt Fleineren Bäumen und Sträuchern reich befette Grasflähe dar. Swifchen den fteifen Fniehohen Srasbüfcheln fcheint während der Negenzeit ein reicher Blumenflor zu fpriegen. Ijn den metjten Fällen Übergang der Bufchfavanne in den Bufchwald bei Dar=es=-Saläm Dft-Afrifa. Im Sadfenwald von Dar-es-Salam. Bufchfavanne. 487 erheben fich die Gruppen der Holzgewähfe auf alten, ver- laffenen, rundhügeligen Termitenneftern. Der höchite Baum der Savanne ift das wegen feines dem N Nlahagoni ähnlichen Holzes sefchäßte Erythrophyllum Guineense: ein etwa d0m hoher Baum mit gera- dem Stamme und lof- ferer, fchirmförmiger Krone Heben ihm erreicht auc der Ta- marimdenbaum, der ausfhlieglih auf alten Termitenneftern wädhit, beträchtliheren Um- fang. Dazu gefellt fich eine Anzahl wenig be- Fannter, vielleicht auch noch gar nicht bejchrie- bener Baumformen aus den Familien der Legu- minofen und Afaszien, die Faum höher als unfere Obftbäume wer- den, aber 5.T. ein ge- fhätßtes Holz aufwei- fen. Alle Bäume find immergrün und bejiten die Eigentünlichkeit der Gewäcle trodener tro- pifcher Gebiete, nämlich lederartige, Fleine oder nur mäßig große, oft ge- fiederte Blätter, relativ dicke, Eoufaramonpeiitensaßerfotafeıfantneransammt: fchuppige Borfe am Stamme und dicht behaarte Knofpen. Auf vielen war bereits das junge, rötlich oder gelblich getönte Laub zur Entwidlung gelangt. Da die Blütezeit mit der Mitte der Trodenperiode zufammenfällt, Fonnten wir nur Früchte einfammeln, welche teils an die Derbreitung durch den Wind, teils an eine folhe durch Tiere, unter 48 [0 0) Bufhwald. denen namentlich die in der Savanne häufigen Tauben in Betraht zu ziehen fern dürften, angepaßt find. Dielfah waren die niedrigeren Sträucher und Bäume von einer parafitifchen Xaureacee, nämlich der Cassytha filiformis, mit ihren ziegelroten oder grünlichen Fäden faft vollfommen überzogen. ah einftündigem Nitt geht allmählich die Bufhfavanne in den Bufchwald, den „Sachjenwald“ über, der einen Hauptanziehungspunft der Umgebung von Dar-es-Salam abgiebt. Es fehlt aucdy nicht das Forfthaus Friedrichsruh, in dem wir von einem Inder mit rot gefärbtem Barte devot empfangen und mit erfrifchenden Getränfen gelabt wurden. Es ift die Domäne von Forftaffeflor v. Bruhhhaufen, der fih um fo lieber Profeffor Shimper zur Derfügung ftellte, als der praftifche Forftmann im Beginn der rationellen Bewirtfhaftung eines tropifchen Waldreviers mit dem wifjenfchaftlichen Botanifer Hand in Hand zu gehen hat. ch halte mich denn aud, wie bet der Fur- zen Charafteriftif der Bufch- favanne, fo bei der folgenden Daritel- lung an die Mlit- teilungen, die mir unfer Bo- tanifer gab. - Wenn man es auch fchon lLängjt verlernt hatte, einen Tropenwald nach demCha- rafter unferer einheimischen Wälder zu be- urteilen, fo mußte man fih doch da- ran gewöh- nen, den oft- afrifanifchen Cassytha filiformis das Bufchwerf überwuchernd. Bufhwald unter anderen Gefichtspunften aufzufaffen, als die Regenwälder von Kamerun und Sumatra. Wo Boden und Luft gleihmäßtg mit Feuchtigkeit gefhwängert find, da fällt der Regenwald in erfter Kinte durch feinen Reichtum an Kianen und Schmaroßergewächen Charakter des Sachfenwaldes. 489 Sorfthaus „Sriedrichsruh” bei Darzes=Salam, auf, von denen erjtere an feuchten Boden, lettere an feuchte Luft gebunden find. Die Kianen fehlen dem Sahfenwald nicht und treten fogar überrafchend reich auf; fte Flettern hbodh empor und befiten bisweilen recht ftattliche, die Stämme. Ihr Dorfommen beweift, daß der Wald auf wafferreihem Boden fteht. Dagegen deutet der faft voll- Ffommene Mangel von höheren Schmarogern, deren wir nur zwei Fleinere Orchideen bemerften, darauf hin, daß die Luft nicht die genügende Feuchtigkeit befist, um felbjt den äußerft genügfamen Farnfräutern die Eriftenz zu ermöglichen. Die Bäume des Waldes find zum großen Teil verfchieden von jenen der Savanne, freilih auch wegen ihrer beträchtlicheren Höhe und des dichteren Sufammentretens fchwieriger zu unter- fcheiden. Auch ihnen fehlt das für die Strahlen der Sonne fajt undurchdringliche Saubdah, und gerade dtefem Umftande mag es zuzufchreiben fen, daß das noch reich- liches Licht empfangende Unterholz eine befonders üppige Entwidlung aufweift. Einige Rubiaceen und eine gefellig wachfende Sanseviera traten am häufigiten ftrauchbildend auf. Jedenfalls find für das Unterhols unter dem dünnen, das Kicht nicht ftarf fhwächenden, die Tranfpiration aber doch ftarf herabfesenden Kaubdah die Eriftenz- bedingungen günftiger, als für die Bäume felbft, deren Kronen während der Troden- periode dem Einfluß der Sonne und der Lufttrocdenheit unmittelbar ausgefest find. Mehrere Straucharten des Unterholzes nebft der Sanseviera ftanden in voller Blüte. 490 Strandvegetation. Meift waren die Blüten weiß gefärbt, mit langer, enger Röhre und fternförmiger Krone ausgeftattet. Da fie eimen imtenfiven Wohlgeruch entfalteten, darf man ver- muten, daß fie an die Be- ftäubung durch Abendfalter angepaßt find. Einen etwas abweichen- den Charakter nimmt die Degetation bei Dar=es- Salam in der Yähe der Küjte und auf den Eleinen, ihr vorgelagerten Korallen- eilanden an. Direft am Strande ift fowohl in dem Creef, der von der Kagune ausgeht, wie auch gegen das Meer zu eine Mangrove-Degetation usgebildet, die hauptjäch- ie von den mittelhohen Stämmen der Sonneratia acida gebildet wird. Nichts tft eigenartiger, als wäh- rend der Ebbezeit ihre zahlreichen, fußhohen, bis armlangen Hebenwurzeln zu beobadhten, welche wie Spargel direkt aus der Erde emporftreben. Sie dienen als „Prreumatophoren” zur Sauerftoffperforgung der unterirdifchen Teile und fommıen auch den meijten übrigen Mangrovebäumen mit Ausnahme der Rhizo- Xanthoxylum sp. auf verlafjenem Termitenhägel ftehend. phora-Arten zu. Do die Miangrove fehlt, macht fih am Strande der Pandanus geltend, während weiter landeinwärts Pradtitämme des Baobab der Sandfchaft ihren Charakter auf- prägen. Wir hatten fie in der Kongo-Savanne entlaubt mit_ihren gefpenftifch aus- DEFFZ LE Far Kianen in Sachienwald bei Darzes-Salanı. N ! it Mangrove und Plantagen. 491 gerekten Üften gefehen, während fie hier in vollen, üppigem Grün als grotesfe Riefen nur noch von den Kofos-Palmen überragt wurden. Unter den fonftigen Pflanzen- formen waren es niedrige Steppenpalmen (Hyphaene), Schirmafazien und einzelne Stämme von Sideroxylon, welche ein äußert abwechfelungsreiches Bild fhufen. Bier und da Schalten fich größere Grasflähen ein, auf welchen das Taganyifa-Dieh mit feinen monftrös langen Hörnern weidet. Die bizarriten aller oftafrifanifchen Pflanzen- formen find indeffen die baumförmigen Euphorbien mit ihren wie riefige Kandelaber aufjtrebenden Üften, welche bei einigen Arten in regelmäßiger Reihenfolge rhombifche fteife Derbreiterungen aufweifen. Site waren es, die namentlih auf den Koralleninfeln den Charakter der Sandfchaft beftimmten. An dem füdlichen Strand der Kagune hatte man auf Deranlafjung von Dr. Stuhl- mann eme Anzahl von Aloe-Plantagen angelegt, die freilih in ihren fchnurgeraden, fteifen Reihen nicht gerade anztehend wirfen. Um fo höher fteht ihr NMußwert. Die Blätter werden nach zwei Jahren gefhnitten und auf Mafchinen behufs Gewinnung des langen Baftes gequetfht. Ber einfacher Manipulation ift es ein lohnender Betrieb, denn der fchneeweiße Bajft ift von einer Haltefraft, die nahe an NManilahanf heranreict. In den Plantagen richten dte wenigen ilpferde, welche noch in dem Lreef vorfommen, oft fchlimme Derwüftungen an. ch machte mich mit dem Kapitän eines Morgens in Oftafrifanifche Mangrove (Sonneratia acida) 492 Baumförmige Euphorbien. Treiben in Dar-es-Saläm. der Frühe auf, um von der Dampfbar- Fajje aus, wenn möglich, eines der Ungetüme zu Schuß zu befonmen. Wir fahen denn auch zwei Eremplare, die in der Mähe der Mangroven ihren ungefchlahten Kopf über Wajfer zeigten. Uber längit, ehe man in Schußweite Fam, tauchten fie unter und verfchwanden. — Dafür genoffen wir einen Sonnenaufgang, der uns die oftafrifanifhe Sandfchaft in ihrem verführerifchiten Be- wand zeigte. Die dunflen Kronen der Baobabs und der fehirmförmigen Afazten, die Wedel der Kofos- und Dumpalmen erhielten von der Palette der aufgehenden Sonne Farben zuerteilt, die Fein Maler in ihrer leuchtenden Glut wiederzugeben vermödhte. Der feftlihe Empfang, den man uns in Dar-es-Saläm bereitet hatte, fand feinen Höhepunkt und Abjhlug in einer Italtenifhen Wacht, die man in den Afazienanlagen neben der Boma dicht an der Kagune veranftaltete. Buntfarbige Sampions und ben- galifche Feuer erleuchteten den weiten Plat, auf dem alle Deutfchen und die aus- ländifchen Hotabilitäten fich ein Stelldichein gegeben hatten. Der intelligente Walt feffelte nicht minder als die fympathifche Beftalt des depoffedierten Sultans von San fibar, Satd Chaled, der mit jener dem vornehmen Araber eigenen, ritterlichen Nebenmwurzeln (Prneumatophoren) der Sonneratia acida. Abfchtedsfeit. 495 Bewandtheit fih unter den Bäjften bewegte. In dem Mufifpavillon Fonzertterte die treff- ih gefhulte Hoanefen-Kapelle unter der Leitung ihres Dirigenten, Feldwebel KRnauft. An langen Tifchreihen faß eine feitlich geftimmte Gefellfihaft, laufhte unter dem gligernden tropifchen Sternenhimmel den Klängen des Kohengrin-Marfches, und lie fih bei dem Schein der von der „Daldivia” geworfenen Nafeten die abgefühlten Ge- tränfe munden. Aus der ungezwungenen Unterhaltung wurde man jäh aufgefchreckt durh ein hundertftinnmiges Geheul. Schwarze Geftalten im phantaftifchen Koftümen und meift mit Stöcen bewaffnet durchbrachen dte Tifchreihen, ftürmten in das Dunfel Baumförmige Euphorbien in der Nähe des Strandes. Baumförmige Euphorbien auf der QuarantänesJnfel, und wurden dort von Schnellfeuer emt- pfangen. Man hatte uns mit einem afrifanifchen Kriessipiel überrascht, und nicht lange dauerte es, bis die abgefchlagenen Schwarzen unter in- fernalifhem Gebrüll zurüdfluteten. Ihnen folgten die Usfart’s, welche unter dem Kommando von Haupt- mann Sangheld einen tadellofen DParademarfch ausführten. Auch die Schwarze Einwohner- ichaft wollte ihr Teil an der allge- meinen Freude abhaben, indem te mit viel Rumor und Ausdauer eine Ygoma veranftaltete. Als der Nior- sen graute und die „Daldivia” fich zu einer Ausfahrt rüftete, hallte noch vhythmifch der die Hegertänze be- gleitende Gefang über dte ftille Ka- gune herüber. Es galt, den legten Tag zu Schlepp- Taganyifa=Dieh: Dredfchzüge bei Sanfıbar. 495 Euphorbienvegetation am Strande. nebzügen in der Umgebung von Dar-es-Saläm auszunußen. Der Gouverneur, der Kom- mandant der „Schwalbe" mit den abfömmlichen Offizieren und einige Gäfte gaben uns das Beleit. Auch der Walt hatte fich eingefunden, folgte fehr aufmerffam den Dpera- tionen und ftellte dann ganz Forreft feine Fragen: weshalb wir denn das Meer an Stellen ausloteten, wo feine Gefahr für das Feitfommen der Schiffe vorliege, und warum wir mit großen Koften und untfänglichen Inftrumenten Tieffeetiere herauf- holten, für die man Feine praftifche Derwendung habe. Die gegebene Ausfunft fchien ihn etwas zu verwirren; wir fanden ihn bald auf einem Kehnfejjel eingefchlummert. Die Lotung ergab füdlih von Sanfibar eine zwar nur geringe Tiefe von 404 m, aber die zwei Dredfchzüge, welche wir hier ausführten, überrafhten uns nicht minder, als der in größerer Tiefe beit der Annäherung an die oftafrifanifhe Küfte veranftaltete durch die reiche Zahl intereffanter und bisher noh nicht zur Beobahtung gelangter 496 Abfchied von Dar-es-Saläm. Tieffeetiere. Einige bizarr geftaltete Tieffeefifche, Tephalopoden aus der Gattung Opistoteuthis, Heraftinelliden und Garneelen bildeten den bemerfenswerteften Inhalt der Fänge. 5.M,S. „Schwalbe“ in der £agune von Darzes=-Saläm, Känas der oftafrifanifchen Küfte, Mit dem gehißten Heimatwimpel verliegen wir, von der „Schwalbe“ mit den Wünfchen für gute Fahrt begleitet, in der frühe des 21. März das gaftliche Dar-es- Salam und die idylliih daliegende Lagune. Lange noch glänzte das Hofpital in den Strahlen der aufgehenden Sonne und bald Fam die niedrige Küfte von Sanfibar, um= fäumt von bewaldeten Koralleninfeln, in Sicht. Die deutfche Kolonie hatte uns eine Einladung zum Befuhe von Sanfibar über- mitteln lafjen, der wir nicht verfehlten, Folge zu leiften. ach dreiftündiger Fahrt jhimmerte in der Ferne die weiße Stadt, und bald gewahrten wir die im Flaggen- fhmudf prangende, in dem Grün der Palmen reizvoll verftete deutihe Klub-Schamba. Ein Gewirr von Sehmbhütten der Ueger, niedrige Steinbauten und hohe ftattliche Konfulate löfen fi) der Reihe nah ab, bis bei einer vechtwinfligen Biegung der Dölfergemifch in Sanfibar. 497 dreiecfigen Landzunge, auf der die Stadt Sanfibar liegt, faft überrafchend das Palaft- viertel mit feinen von Dampfern, Kriessfhiffen und Dhau’s mit roter Sultansflagge belebten Neede auftaucht. Baugerüfte um den großen Palaft und die Trümmer des fleinen erwecen heute noch eindringlich die Rücerinnerung an das Bombardement der englifchen Kriessihiffe im Auguft 1896. Es bedeutet den Abjhlug jener Um- wälzungen, welche zur folge hatten, daß die einft ganz Dft-Afrifa vom Kap Buardafui bis Mozambique beherrfchenden Sultane nunmehr gefügige Werkzeuge in den Händen ihrer englifchen Minifter abgeben. Hachdem wir vor Anfer gegangen waren, Fam der deutfche Konful, Graf Harden- berg, mit einer Anzahl von Dertretern der deutfchen Kolonie, darunter den Chefs des weltbefannten Haufes D’Swald und Hanfing, an Bord, um uns zu einem Befuce der Stadt und ihrer Umgebung einzuladen. Wenn irgendwo, fo wird hier in Sanfibar der Ueuling aus dent Geleife gebracht über dies finnverwirrende Durcheinander von afrifanifchen und aftatifchen Dölfer- typen. Dornehme Masfat-Xraber, funnitifhe Araber aus Hadramaut, Belutjchen, Perfer, mohammedanifhe Inder, Dedagläubige, Parfi, Fatholifhe Boanefen, Malayen, Ihinefen, Lomorenfer, Sudanefen und eine fhwarze Sflavenbevölferung, welche alle Stämme Central-Afrifas umfaßt: wer will fich in diefem Iebendigen ethnographifchen Mufeum zurehtfinden? Alan bewundert die Sicherheit, mit der unfer Begleiter an einem oft nicht in Worte zu fafjenden phyfiognomifchen Etwas es herausfindet, ob man es unter den mohammedanischen mdern mit einem Schitten aus der Sekte der Kojas oder der Bohoras zu thun hat, ob dtefer ein Parfi oder ein Goanefe ift, ob der Hegerfflave von dem Seengebiete den Wanyafja oder Manyema zugebört. Und wären es nur Dertreter reiner Naffen! Aber da hat fi) gar vielerlet miternander fo vermifcht und gefreuzt, daß Schließlich auch der raffiniertefte Ntenfchenfenner nicht mehr weiß, ob der Ueger, der Araber oder Inder mehr zum Durhbruh gefommen ift. Das lärmt und drängt fi gefhäfttg durcheinander, Fauert auf der Straße oder fit hinter gefchmadvoll angeordneten Auslagen und in berücend reich ausgeftatteten Käden, bewegt fich in gemeffenem Ernft oder ergeht fih in unerjchöpflihem Wis, huldigt dem Nlohanımed, dem Kalifen Ali, dem Buddha, Sivah und Chriftengott, oder betet Feuer und Fetifhe an. Da mag man es noch fo oft lefen, daß Sanjibar den Bazar für Oft-Afrifa abgiebt, fo muß man halt mit eigenen Augen diefes Drängen um Erwerb, diefen Kampf um das Dafein zwifchen fhlauen und fFrupellofen Händlern Afrifas und Aftens gefehen haben, um vollauf die Bedeutung eines derartigen Handels- emporiums zu ermeffen. Unferen Sandsleuten, welhe zu Ehren der Ankunft der „Daldivia" die Gefchäfte sefchloffen hatten und uns in der Klub-Schamba einen folennen Empfang bereiteten, find wir zu warmem Danf verpflichtet, daß fie mit ihrer eingehenden Kenntnis von Thun, Aus den Tiefen des Weltmeeres. Zweite Auflage. 32 > “ıpgıluv 498 Fahrt längs der Somali-Küfte, 499 Sand und Bevölferung fo viele Auffhlüffe gaben, als der Furze Befuch ermöglichte. Der Ausflug, den wir in einer ftattlihen Wagenreihe in die malerische Umgebung der Stadt unternahmen, eröffnete uns den Ausbli auf eine üppig Fultivierte Hügelland- fhaft mit ihren Parfanlagen, Gärten, Hainen und Helfenplantagen. Es war das leste Mal, daß uns die gerade in Sanfibar befonders fchmuc ge- deihenden Kofospalmen überfhatteten; als wir eine Woche fjpäter uns der Somali- Küfte näherten und die troftlofe Monotonie der Wüfte vor Augen hatten, überfam gar manchen dte Sehnfucht nad) diefen ftolzen »prineipes« des Pflanzenreiches, unter deren Heihen wir nunmehr ein Dierteljahr verbraht hatten. Indem wir uns der Schilderung des Testen Abjchnittes unferer Fahrt zuwenden, fo fei hervorgehoben, daß die in einem Kandabitand von 19—20 Seemeilen an der oftafrifanifhen Küfte nachweisbaren Tiefen von rund IDOO—I500O m fich für die Fifcheret mit den Schleppneßen als befonders ergebnisreich erwiefen. Wir veranftalteten von Sanfibar bis Aden 25 Hüge mit dem großen Trawl, die uns eine erjtaunlich reiche, durch eine Fülle eigenartiger Formen ausgezeichnete Tieffeefauna enthüllten. An Quantität und Qualität fteht dte hier von der Erpedition erbeutete Organismenwelt in feiner Hinficht hinter der bet Sumatra und den Uifobaren von uns nachgewiefenen zurüf. Wenn fie auch manche gemeinfame Züge mit der Tieffeefauna des Mentawet- Befens und des Golfes von Bengalen aufweift, fo ergab fie doch auf diefem jung- fräulichen Boden eine fo große Hahl ungewöhnlicher Formen, daß man bisweilen den Eindruf hatte, als ob eine neue unterfeeifche Welt fih vor den erftaunten Blicken ausbreite. Was die Grundproben anbelangt, fo zeigten fie eine grau-grüne Färbung, die dadurch bedingt ward, daß in Kandnähe die fogenannten terrigenen Ablagerungen einen mehr oder minder großen Bruchteil des Tiefenfhlammes ausmachen. Diefem „blauen Schlid" waren indefjen ftets Globigerinen, bisweilen auch Pteropodenfchalen in folher Menge beigefellt, daß man im Sweifel fein Fan, ob man die Brundproben als Globigerinenfhlamm oder als blauen Schlid bezeichnen foll. Der Küfte felbft Famen wir nur einmal, am 26. März, auf 1° nördl. Breite nahe. Sie erhebt fih bier zu einen ziemlich hohen öden Plateau, deffen roter KLateritboden deutlich zu Tage tritt. Ihm find flahe Hügel und monotone Sanddünen vorgelagert, auf denen hier und da graue Büfche und vereinzelte Schirmiafazien ftehen. Da wir die dort gelegene Fleine Feftung Brava in nur zwei Seemeilen Entfernung paffterten, wurden auf dem Fort die italienische und Sultansflagge gehißt. Bet der Stadt lagerten einige Karawanen und nicht weit entfernt davon zogen die Dromedare in langer Reihe durch die öde MWüftenlandfchaft. 52* 500 Stromgrenze des nord- und füohemifphärifchen Waffers. Es war an manchen Tagen faft unerträglih fchwül und wir empfanden es an- genehm, daß etwa von zwei Grad Südbreite an der Hordoft-MTonfun mit ftändig flarem Wetter einfeste und einige Erfrifhung bradte. Hatten wir dann unfer er- gebnisreiches und oft anftrengendes Tagewerf vollendet, fo genoß man am Abend die Pracht des fternflaren Tropenhimmels. Häufig fiel uns die ntenfität des im Weiten ftehenden Hodiafallihtes auf, das fih vom Horizont bis zu den Plejaden, manchmal jelbjt bis zum Drion erftrefte. Als wir uns einige Breitegrade nördlich von dem Ugquator befanden, Fonnte man gelegentlih faft fäntliche Firfterne I. und 2. Ordnung des nördlichen und füdlichen Sternhimmels gleichzeitig überjchauen und die Pracht der Sternbilder von dem großen Bären bis zu dem füdlichen Kreuz und den Magbellan- Wolfen muftern. Den von dem NMordoft-Monfun geregelten Strom empfanden wir als ftarfe, nad) Süödweft gerichtete Gegenftrömung nur nahe unter Sand. Sie trifft im 21/,° füdl. Br. auf die Iesten Ausläufer der nach Yordoft abgelenften Sid-Aquatorialftrömung. (Vergl. die Karte auf S. 4706.) Es ift nicht ohne Intereffe, die tiefgreifenden Derfchiedenheiten in phviifaliih-chemifher Binficht auseinanderzufesen, welche die Wafjermafjen des füd- hemifphärifchen und nordöhemifphärifchen Gebietes aufweisen. Das fpecifiihe Gewicht, der Salzgehalt und die Temperatur des Meerwaffers deuten mindeftens ebenfo fcharf wie die auf Grund der Stromverfesungen ermittelten Wafjerbewegungen den Übertritt in ein neues Stromgebiet an. Die im nachfolgenden wiedergegebene Tabelle mag das Sefagte vielleicht beifer als längere Ausführungen illuftrieren. Südlih von der Stromgrenze. Hördlih von der Stromgrensze. Il. Ausläufer des Süd- ÄAgquatorialitrom es | |. Trift des NO.-Monfuns nah SW. mit nach NO. mit einer Gefhwindigfeit von einer Gefchwindigfeit von 2,2 Seemeilen 2,4 Seemeilen in der Stunde fließend. in der Stunde fließend. (Nordhemi- (Südhemifphärifches Waifer.) fphärifches Waffer.) 2. Waffertemperatur ftets hob; 28,0° bis | 2. Wafjertemperatur plößlich herunter- 28,8°. gehend auf 27,I°, 26,4° und 25,8°. 5. Wafferfarbe tiefblau, nach der Forel- | 5. Wafferfarbe grünblau bis graublau ver- Stala-—]. färbt, Forel-Sfala = I— 4. Durchichtigfeit des Waffers (für die fleine | 4. Durchfichtigfeit des Waffers nur Id m. weiße Scheibe) 45 m. 9. Specififhbes Gewiht des Waflers | 5. Specififhes Gewiht des Waflers S Fe — 1,02420 durdhichnittlidh. S u — 1,02514 durcdhichnittlich. Um emen wichtigen Teil unferer Unterfuhungen, nämlich die Ermittelung der Tiefenteniperaturen im Indifchen Dcean, zum Abfchluß zu bringen, verließen wir am Iharfreitag, den Sl. März, die Küfte und fuhren ITO Seemeilen öftlih von Ras Hafun, Unterfuchungen auf der Hochfeeftatton öftlih von Nas Hafun. BJ6)| wo wir eime Hochfeejtatton mit 5064 m Tiefe (9° 6,1’ nördl. Br., 55° 41,2’ öftl. €.) erreichten. Das Meer war fajt fpiegelglatt, eine deut- lihe Strömung war nicht wahrzu- nehmen, und da Fein Abtreiben des Schiffes erfolgte, Fonnten wir mit Mufe alle feineren Unterfuchungen vornehmen. Es war einer der ar- beitsreichiten Tage während der gan- zen Fahrt: Temiperaturferien, Fänge mit den Dertifalnesen, Planfton- nesen und Scliegnegen wurden von früh bis zum Abend ausgeführt, und eine Berechnung ergab, daß wir an diefem Tage nicht weniger als 55000 m Draht bewegt hatten. Was die Temperaturferie anbelangt, die wir dort gewannen, fo ergab fie fol- gende Werte: Baififchichiegen im äquatorialen Jagdfoftüm. Die Reihe zeigt infofern eine Eigentümlichfeit, als die ee ze1g g ) UmMZ2ZGOIE. Wärmefchichtung fih fehr ähnlih derjenigen im Golfe von 2 ZENUDT Bengalen gejtaltet, und die in den übrigen Teilen des Jndifchen 90m Er264, Deeans oft fehr ausgeprägte Sprungfchichte von 80 bis JOO m 100m72238,.0-7: an bier weniger finnfällig hervortritt. Intereffant it auch Am Dar die relativ hohe Temperatur, welche die mittleren Schichten IN von etwa 400 m ab erfennen lafjen. Da die Bodentemperatur 00) N 1,2° beträgt, fo geht hieraus hervor, daß das Falte antarf- Sn, WFT tihe Wafjer in einem Unterftrom von vielleiht unmeßbarer ID, LE Gefchwindigfeit bis zum Golf von Aden hin feinen Weg 8007, 10,9, findet. Hierfür fpriht auch der Salzgehalt des Tiefenwafjers 1000 „ 2a in 5000 m, der mit 55,1%, (an der Oberfläche betrug er ION nr MET, 56,0%) nahezu denfelben Wert wie in gleichen Tiefen des 9064 „ a antarftifchen Gebietes aufweiit. Die Grundprobe aus 5064 m erwies fih als ein feiner Globigerinenfhlid, dem zu 20° , Radiolarten und andere Kiefelorganismen beigemengt waren. An der Oberfläche zeigte fih ein reiches Tierleben. Ein Schwarm von Gold- mafreelen (Coryphaena) eilte in mächtigen Sprüngen auf das Schiff zu. Es war em berrlihes Schaufpiel, welches fihb in dem ungewöhnlih durhfichtigen MWaffer (unfere 502 Im Golf von Aden. weiße Blechfcheibe blieb bis 46 m Tiefe fichtbar) uns darbot. Die faft Im langen, in allen Nüancen von Gold, Grün und Blau fchillernden Fifhe ftürmten in wilder Jagd unter den eleganteften Wendungen auf die an den Angeln herabgelafjenen Bleififche los. NWoh ehe fie das Waffer erreicht hatten, fchnellten fich Schon dte Mlafreelen in die Höhe, fo daß wir in wenigen Minuten eine ganze Anzahl derfelben an Bord liegen hatten, wo fie mit ihren Schwansflofjen Fräftig das Derdec peitichten. Wundervoll nahm fich der rafche MWechfel der Farben bei den gefangenen Tieren aus: ihr Blau wich einem goldenen Grundton, über den bald blaue Flede, bald filber- graue Schatten binweghufhten. NHach Furzer Seit aber wurden die Fiiche vorfichtiger, zumal nachdem einige fih von der Angel losgeriffen hatten; obwohl fie noch lange das Schiff umjchwanmen, bi doch Feiner mehr an. Es dauerte nicht lange, jo ge- fellten fih ihnen zweit Adlerrochen von mittlerer Größe und ein Hammerhat (Zygaena) mit feinen monftröfen, feitlich verbreiterten Kopfe bei. Wir vermochten feinen derfelben zu erbeuten, wohl aber fchoffen wir nicht weniger als fünf Hate, die wir mit Slafhen Föderten. Unter wilden, fpiraligen Drehungen, bei denen der nad oben gefehrte weißliche Bauch hervorfchim- merte, verfanfen fie, noch lange dem Auge Fenntlich, in die Tiefe. Don der Hochfeeftation aus wurde der Kurs auf Kap Guardafut und Aden gefeßt. Am Abend des Diter- fonntags (2. April) Famen die hohen, plateauförmigen Bergrüden, welche jtaffelför- mig in das Kap auslaufen, bei diefiger Luft in Sicht: bald belehrte denn auch die Änderung in der Farbe des Waffers und in dem Salz- gehalt, der 56%/,, überftieg, daß wir in ein Gebiet ein- getreten waren, welches den Übergang zu den für das Rote Mleer typifchen Der hältniffen bildet. YHachdem Eobte oceanographifche Unterfuchung am 1. April 1899. wir im Golf von Aden noch Aden. 505 zwei ergebnisreiche Dredfchzüge in IS4O m und I4CO m ausgeführt hatten, eröffnete fich in der frühe des 5. April der überrafchende und malerijche Ausblict auf die hohen, pulfanifhen Berge, welche den Golf von Aden beherrfhen. Alles ift Shwärzlichgrau, unterbrochen von rötlichen oder weißlichen Streifen: trojtlos, Fahl und öde für jenen, der noch wenige Wochen zuvor die Pracht der Tropenvegetation gejchaut hat. Als wir freilih an Land gingen und von Seapoint aus der Stadt Aden mit ihren im- pofanten Befeftigungen und dem berühmten Wafferrefervoir einen Bejuch abitatteten, da überzeugte man fich immerhin, daß auch hier die Degetation nicht fehlt. Die Bergfette bei Aden. Reifenden, denen Aden als eine Felswüfte erfcheint, dürften wohl fchwerlich ahnen, daf fie fih in einem pflanzengeographifchen Eldorado befinden, infofern nicht weniger als 95 endemifche Pflanzenarten auf die Aden-Halbinfel befchränft find. Da es vor T Wochen geregnet hatte, jo ftand ein Teil diefer durch ihre Anpafjungen an die Trofenheit merfwürdigen Flora in Blüte. Eigentümlih wird man freilich berührt, wenn die Araber und Somali mit einer fajt fcheuen Ehrfurcht auf den Brunnen, der in den MWafferwerfen das Foftbare Naß fjpendet, und auf den ihn überfchattenden Banyan (Ficus bengalensis) als hödhjite Merfwürdigfeit Adens hinweifen. 904 Wilhelm Scimper. Wir hatten monatelang Gebiete durchfahren, in denen dte Sonne nur felten zum Durhbruh gelangte, hatten die tropifhen Regengüffe und die feuchte Schwüle unter dem Uquator faft bis zum Überdrufß Fennengelernt, und ftanden nun hier auf einem Gebiet, wo jeder Tropfen des Föftlichen Haß dem Menschen heilig ift. Dbwohl wir uns noch elf Breitegrade füdlih vom Wendefreis befanden, fo war es uns doch zu Mut, als ob wir der Tropenpraht nunmehr für alle Seiten Dalet gejagt hätten. Die Abjhiedsitimmung wurde freilich nicht 2 wenigjten dadurch bedingt, daß wir mit dem Eintreffen in Aden eine der wichtigften Aufgaben der Erpedition, nämlich die Erforfhung der Tiefen des Indifchen Dceans, zum Abfhluß gebraht hatten. In rafher Fahrt ftrebten wir durh das Rote und Müttelländifche Meer der Heimat zu. Die eigenartigen Anpaffungen, welche die Flora von Aden an das trocdene Wüften- Elima erfennen laffen, erregten in fo hohem Mlaße das ntereffe unferes Botanikers, Prof. Wilhelm Schimper, daß er in Sue; von uns fchied, um die Grenzgebiete der Sahara zu durchftreifen und die Wüftenflora zu ftudieren. Wir haben diefen ausgezeichneten Forfcher nicht mehr wiedergefehen. Schwer von den Necidiven der Kameruner Malaria heimgefucht, denen fich nach dem Derlafjfen von Aden Diabetes binzugefellte, wurde er am 9. September IIOT durh einen fanften Tod im neuen Botanifhen Inftitut zu Bafel von feinen Leiden erlöft. Das Hinfcheiden des unvergeglihen Freundes und Neifegefährten mag umfomehr Anlaß bieten feiner Thätigfeit zu gedenfen, als es jih um einen Botanifer handelt, deffen Keiftungen ihm dauernd einen ehrenvollen Yamen in feiner Wifjenfchaft fichern. Schimper entjtanımte einer familie, aus der nicht weniger als vier tüchtige Botanifer hervorgegangen find. Die einzelnen Glieder der Familie waren teils in dem Eljaß, teils in Baden heimifch. Dem Elfäffer Zweig gehörte Wilhelm Philipp Shimper, der Dater unferes verjtorbenen Neifegefährten, an, der 1862 zum Profeffor an der Straßburger Fakultät ernannt wurde. Er blieb dem Elfaß troß eines verlocenden Rufes an den Jardin des Plantes in Paris auch nach dem Kriege treu bis zu feinem Tode im Jahre ISSO. Als Pflanzenpaläontologe und als treffliher Kenner der Mloofe hat er fich einen Namen gemaht. Don dem badifhen Zweig der Jamilie Shimper jind die beiden Dettern des Straßburger Profeffors, Karl Shimper und Wilhelm Schimper, auch in weiteren Kreifen befannt geworden. Der erftere dozierte in jpä- terer Seit in München und wurde der Begründer der berühmten Blattjtellungstheorie, während Wilhelm Schtmper fih urjprünglich der militärifchen Saufbahn widmete, dann aber auf wiljenichaftliben, oft abenteuerlihen Neifen die Mlittelmeerländer, Arabien und Abefjinten Surchitreifte. In Abefjinien heiratete er die Schwefter des Königs Ubie und ftarb I8T8 in Adua. Wilhelm Schimper. 505 In dem jungen Wilhelm Shimper, dem am 12. Mai 1856 geborenen Sohne des Straßburger Profefjors, zeigte fih jchon früh die traditionelle Begabung für botanifhe Studien. Die trefflihe Schule, welhe ihm emerfeits durch feinen Dater, andererfeits durch feinen Lehrer de Bary zu teil ward, brachte es mit fich, daß er weit umfafjender als feine Dorfahren dem Gefamtgebiete der Botanik feine Aufmerk- famfeit zumwendete. DBehandelten die Ietteren vorwiegend pflanzenpaläontologifche, fyitematifche und morphologifhe Fragen, fo liegt der Schwerpunft von Wilhelm Schimpers Arbeiten auf pflanzenphyfiologifhenm und biologischen Gebiete. Seine Unterfuhungen über das Wachstum der Stärfeförner, über dte Chromatophoren und über die Bildung und Wanderung der Kohlenhydrate in den Kaubblättern haben nicht minder als die fpäteren biologifchen Studien den Hamen Schimpers zu einen geachteten gemadht. Die Wanderluft, gleichfalls ein Erbteil feiner Dorfahren, trieb ihn früh hinaus. Nachdem er von I8SO ab ein Jahr lang an John Hopfins Univerfity zu Baltimore ftudtert und bei dtefer Gelegenheit Ausflüge nah Florida und Weftindien unternommen hatte, Fehrte er 1882 nach Europa zurüd, um im Bonn, wo er fpäter zum außerordentlichen Profefjor ernannt wurde, als Privatdozent jich zu habilitieren. Schimper war freilich Fein Freund de 17 jtillen Eimfißens, und fo unternahm er denn von Bonn aus drei große Tropenreifen, die für feine fpätere Entwicklung maßgebend wurden. Die erjte führte ihn nach Wejtindien und Denezuela, wo er fein fpestelles Interefje den tropifchen Schmarogergewächfen (Epiphyten) zumendete. Für die zweite Reife, die er I886 in Gemeinfhaft mit feinem Freunde Schend in den füdbrajiliant- jhen Urwald unternahm, gab eine Einladung des ausgezeichneten Frist Müller den Ausjchlag. Dem anregenden Derfehre mit Müller mag es denn auch wefentlich zu- zufchreiben fein, daß Schimper die Mechfelbeziehungen zwifchen Pflanzen und Ameifen im tropifchen Almerifa in Betraht 309: Studien, welche ebenfowohl das ntereffe der Botanifer, wie der Hoologen in hohem Maße erregten. Schon in Südamerika feffelte ihn die tropifche Strandflora, deren Unterfuhung er fi wefentlih auf einer 1889/90 unternommenen Studienreife nach Java widmete. Seine groß angelegten Unterfuchungen über die Schußmittel des tropifchen Kaubes gegen Tranfpiration und über die indo- malayijche Strandflora legen Seugnis ab für die unermüdliche Thätigfeit im Tropen- gebiete. DBegreiflih, daß ein Botanifer, welcher die Degetation der Erde aus eigener Anfchauung eingehender, als die meiften feiner Fachgenofjen hatte Fennen lernen, fich entjchloß, die Gefamtfumme feiner Erfahrungen in der großartigen Pflanzen-Beograpbie niederzulegen. Er betitelt das Werk „Pflanzen-Geographie auf phyfiologifher Brund- lage“ und betont hiermit den Gegenfat zu der bisher üblichen fyjtematifchen Behand- lung. Ihm ift es weniger darum zu thun, die einzelnen Slorenareale abzugrenzen, als darzulegen, in welcher Weife fich gewilfe gemeinfame Grundzüge und Konvergenzen durch die Ampafjungen an die äußeren Eriftenzbedingungen ergeben. Der Einfluß des 506 Wilhelm Schimper. Klimas, der Belihtung, des Windes, der Bodenbefhaffenheit und endlich der Tierwelt auf die Pflanzengenofjenfchaften tritt in den Dordergrund der Betrachtung. Als dem Keiter der Tieffee-Erpeditton von feiten des preußischen Kultusminiftertums der Wunfh nahegelegt wurde, Prof. Shimper zur Teilnahme zu bewegen, verjtand es fich von felbit, daß er dtefen mit Freuden entjprah. Glüclih der, dem bei dem Eintritt in ein Florengebiet, wo alles neu und fremdartig dem Befchauer fich darbietet, ein folder Befährte zur Seite fteht! Der Neiz einer gemeinfamen Wanderung mit Schimper läßt fich fehwer fchildern. Mlochte es fich um die gewaltigen mit Epiphyten überfäten Riefen des troptfchen Regenwaldes in Kamerun und Sumatra handeln, oder um die Steppengebiete und Mlangrove-formationen des Kongo und von Dftafrifa, oder mochten die Kanaren, die Kerguelen, die Kofoseilande und die Seychellen durch- wandert werden, jo war man mit wenigen Streichen, ohne daß das Gedächtnis mit zahllofen fyftematifchen Namen befhwert wurde, über den Degetationscharafter belehrt. Dem ohnehin nicht fehr widerftandsfähigen Körper mutete Schimper fchwere Strapazen zu: unbefümmert um tropifche Regengüffe ging es hinaus auf die mit Urwald bejtandenen Höhen, durchzog er die Karroo drei Wochen lang auf einem Ochfen- wagen, ftudierte er auf unwegjamen Pfaden die Degetation der Kerguelen, oder durch- pilgerte er inı glühenden Sonnenbrande die Steppe. Niemals erlahmte der Enthuftas- mus und die Spannfraft. Wir fehen ihn noch vor uns ftehen, wie er mit diden Päcen von Kerguelenpflanzen unter den Armen zurücfehrte und begeiitert die eigenartige Slora fchilderte, ohme zu bemerken, daß der Siegenbof, der feit Monaten Fein Grün- futter mehr gefeben hatte, eifrig an feinen Büfhen fraß. Die Expedition gab Schimper Gelegenheit, fih mit einem neuen Arbeitsgebiet vertraut zu machen, imdent er fich gleich nach der Abfahrt an der Unterfuchung der Planftonzüge beteiligte. Mlit jenem Fleiße und jener Findigfeit, die ihm eigen waren, arbeitete er fich rafch in die Syftematif der Diatomeen und Peridineen ein, um dann den Einfluß der verfchiedenen Stromgebiete auf die Verteilung des pflanzlichen Planftons in Betracht zu ziehen. Frübzeitig erfannte er den Wert des Schliegneßes für die Er- forfhung der vertifalen Derbreitung affimilierender Organismen, und fo gelangte er namentlich in der antarftifchen Region zu jenen wichtigen Refultaten, die wir früherhin mitteilten. Unermüdlih jaß er von früh bis fpät hinter dem Mifroffope, mochte es jtürmen, oder mochte die Aquatorfonne den Aufenthalt auf Det zu einem nicht be- neidenswerten geftalten. War dte Urbeit beendet, fo zeigte fih der fonft fo ftille Mann von einer neuen Seite. Schimper war ein Caufeur im bejten Sinne des Wortes. Mit feinem Humor wußte er die Unterhaltung zu beleben, und da gab es niemanden, der ihm nicht gern gelaufcht hätte, wenn er von feinen Wanderungen in Denezuela, von der Befteigung der Dulfangipfel Javas, von der gaftlihen Aufnahme, die ihm durh Frist Müller Wilhelm Schimper. 807 in Blumenau, duch Treub in Buitenzorg zu teil ward, plauderte. Dabei war ihm trot feiner Überlegenheit in Wiffen und Erfahrung eine befcheidene Zurückhaltung eigen; jeinen feinften Formen des Umgangs widerftrebte das Beltendmachen eigener Seiftungen und fcharf urteilte er nur da, wo ihm Überbebung und Kaftengeift begegnet waren. Hicht umfonft hat er während und nach der Erpedition raftlos geichafft; feine Auf- zeichnungen, die er in der Dorahnung des frühen Todes auf die wichtigiten Kapitel beihränfte, geben eine folide Grundlage für die Herausgabe des botanifchen Teiles des Reifewerfes ab, weldher — deffen find wir ficher — einen Ehrenplat in der biolo- sifhen Kitteratur einnehmen wird. Prof. Wilhelm Schimper. Vie Cieffeefauma. \ ID“: wir im Anfhluß an unfere Funde an der oftafrifanifchen Küfte einen Derfuh machen, dem Xefer einige Typen von Tieffeeorganismen vorzuführen, fo darf es wohl geftattet jein, etwas weiter auszju- greifen und uns nicht bloß auf jenes Gebiet zu befchränfen, das uns allerdings feine Gaben befonders reich zufommen ließ. Wer freilich erwarten würde, daß wir eine auch nur annähernd erjchöpfende Darjtellung von dem während der Fahrt erbeuteten Mlateriale bieten Fönnten, möchte fich enttäufcht fühlen. Die Sammlungen find Faum erft in die Hände der einzelnen Bearbeiter gelangt, und es werden Jahre vergehen, ehe es möglich fein wird, eine einigermaßen abgerundete Schilderung zu geben. mmterhin nöchten wir den Derfuch wagen, an der Hand der während der Fahrt gewonnenen imdrücfe und der uns inzwifchen von den Bearbeitern zugegangenen Berichte dem Kefer eine Anzahl typischer Tieffeeorganismen in Wort und Bild vorzuführen. Es wird fich hierbei empfehlen, eine Scheidung der Tieffeeorganismen im folche, welche auf das Leben am Grunde angewiefen find, und in foldhe, welche in unbelichteten Tiefen fchwebend ein fogenanntes pelagifches Dafein führen, eintreten zu laffen. Unfere Erpedition tft namentlich durch die ausgiebige Derwendung der Dertifalnese in der Sage, fchärfer, als es früher gefhehen ift, eime derartige Sichtung zu ermöglichen. Diele Tieffeeorganismen, die man früherhin als Grundformen in Anfprudh nahm und als an das Keben im Schlamme hervorragend angepaßt betrachtete, haben fi als pelagifche Formen herausgeftellt. Da fie gelegentlich in die Schleppnete bei dem Auf- winden durch Wafferfäulen von oft beträchtlicher Höhe hereingeraten, jo war es erflär- lich, daß man eine ganze Anzahl derartiger Formen als Grundbewohner betrachtete Obere Grenze der Tieffeefauna. 509 und ihnen ein Dorfommen in größerer Tiefe zufchrieb, als es thatfählich der Fall it. Es mag imdefjen gleich von vornherein hervorgehoben werden, daß eine fcharfe Grenze zwifchen Grundbewohnern und folchen, die direft über dem Grunde fchwebend fih aufhalten, nicht zu ziehen ift. Namentlich vermögen wir von einer ganzen Anzahl lansfhwänsziger Krebfe und eigentümlih geftalteter Tieffeefifche nicht mit Sicherheit zu entfcheiden, ob fie ledtglih auf dem Grunde leben, oder auch noch in beträcht- licher Höhe über demfelben fchweben. Yicht minder fchwierig tft der Enticheid, von weldher Tiefe ab man Drganismen als Tieffeeformen will gelten laffen. Wenn man früher vielfach die Hundert-Faden- Sinte als Grenzmarfe zwifchen Dberflächene und Tiefenformen hinftellte, jo ergiebt eine einfache Überlegung, daß es fih um eine willfürlihe Grenze handelt. In der arftifhen und antarftifhen Region herrfht in einer Tiefe von IOO Faden, alfo etwa ISO m, eine Temperatur, dte fih um den Nullpunkt bewegt; in manchen tropifchen Gebieten ift es bier noh fo warm, daß von vornherein nicht abzufehen ift, weshalb gewiffe Oberflächenformen jene Tiefe meiden follten. Im allgemeinen läßt fih nur jagen, daß die Tieffeefauna da einfest, wo einer- feits das abgefhwähte Sonnenlicht den Pflanzen eine affimilatorifhe Thätigfeit un- möglich macht, und wo andererfeits die Temperatur einen beträchtlichen Unterfchied gegen die Oberflähe aufweift. Für die arftifhen und antarftifchen Gebiete Fommt im wefentlichen nur der erjtgenannte Faktor in Betracht, während für die tropifchen und gemäßigten gleichzeitig beide fich geltend machen. In den gemäßigten Gebieten mit ihrer fchwanfenden Dberflächentemperatur beginnt die Tiefenfauna im allgemeimen erjt da, wo dte Tiefentemperatur Fonftant der mittleren DOberflächentemperatur während des Winter Unfere Unterfuhungen über die Tiefenverbreitung des pflanzlichen Planftons haben entjpricht. ın ergeben, daß unterhalb 590 m feine affimilierenden Organismen vorfommen. Die HBauptmaffe derfelben ftaut fich bis SO m Tiefe an und nur wenige formen find es, die als eine „Schattenflora” noch bis zu 500 m herabreihen. Milan darf alfo nicht überrafcht fein, wenn im antarktifchen Gebiete [hon in relativ geringer Tiefe bei der ftarfen Schwächung des Kichtes in den oberflählihen Wafferfchichten Organismen erbeutet werden, dte den Charakter von Tieffeeformen tragen. In den Tropen liegt die Grenze für das Miüfchgebiet zwifhen oberflählihen und abyflalen Arten tiefer. Wir waren oft in Derlegenheit, wenn wir in etwa S0O m Tiefe dredfchten, zu be- ftimmen, ob bei den erbeuteten Organismen mehr der Charakter von Oberflächenformen oder von Tiefenformen in den Dordergrund trat. m allgemeinen dürfen wir wohl annehmen, dak in den warmen Mleeren unterhalb 400 m nahezu ausschließlich echte Tieffeeformen auftreten. XXL. Die Grundfauna der Tieflee, IF dem Mieeresboden lebt eine Fülle der einfachften Organismen, nämlich der 8 Drotozoen. Als echte Tiefenformen treten unter ihnen namentlich die Foramini- feren auf, deren Schalen zumeift, wenn auch nicht ausjchlieglih, aus Fohlenfaurem Kalf bejtehen. Sie bilden in Gemeinfhaft mit den von der Oberfläche niederriefelnden Schalenreiten pelagifch lebender Foraminiferen den durch feinen hohen Gehalt an Fohlen- faurem Kalk ausgezeichneten „Globigerinenfhlamm“, auf defjen Derbreitung und Sujammenfesung wir fchon mehrmals früher hinwiefen (S. 81, 401, 45%. Diele Tiefjeeforaminiferen (S. 249) fiedeln fih zudem auf anderen Tieffeeformen, namentlich auf Korallen und Wurzelfhöpfen der Beraftinelliden, oft jo mafjenhaft an, daß fie förmlihe Kruften bilden. Manche ungewöhnlih große Formen bilden Föcherartige, verzweigte oder rumdliche Gehäufe aus zufammengefitteten Partifeln des Tieffee- jchlanmes. Solche anfehnlihe, der Gattung Rhabdammina angehörige Arten trafen wir namentlich an dem atlantischen Abfall der Ugulhas-Banf in 964 m Tiefe maffen- baft an. An der oftafrifanifchen A wurden in 2959 m Tiefe fchleimige Scheiben von der Größe eines Marfitüces erbeutet, die gleichfalls vollftändig mit den Schalen= reften von Globigerinen und Schl en überzogen waren. Ühnliche Formen wurden früber für Shwänmte gehalten, dürften fich aber als anfehnliche, nadte Fora= miniferen erweifen. Hu den glanzvolliten Dertretern von Tieffeeorganismen gehören eine Anzahl von Schwänmen. Wir haben hierbei freilich nicht jene Arten im Auge, welche ein Skelett aus Kalfnadeln oder Hornfafern bilden (die Kalf- und Hornfhwämme jind im all- gemeinen mebr auf die oberflählichen Regionen befchränft), fondern die Ölasfhwämme oder Heraftinelliden mit ihren wundervoll zart gewobenen Sfeletten aus reiner Kiefel- fäure. Bei den folgenden Darlegungen halte ich mich an den Bericht, welchen der aus= gezeichnete Kenner diefer Gruppe, $. E. Schulze, mir über das von der „Daldivia” erbeutete Heraftinelliden-Material zufommen ließ. Den Hamen Beraftinelliden haben die in Rede ftehe ihre aus Kiefelfäure beftehenden SFelettteile einfache Sechsitrahler (Heraftine) oder von nden Schwänmme erhalten, weil Aphrocallistes sp. Nat, Größe. 677m. SüdeNias=eKanal. ol Die Heraftinelliden. r diefen leicht abzuleitende Hadelformen darftellen. Bald Fommen diefe Glasnadeln von verfchiedener und meiftens außerordentlich zierliher Geftalt nur ifoltert, bald zu fejten Gittergerüften vereinigt vor. Folgen wir der Route der „Daldivia". Zuerft zeigten fich in 1626 m nordweitlich von Schottland einige bereits durch frühere Erpeditionen befannt gewordene Heraf- tinelliden, fodann traten fie in größerer Zahl in der Gegend zwifchen den Kanarifchen und Kap Derdifchen Infeln auf, wo einige neue mit dem befannten „Denusförbdhen“ (Euplectella aspergillum R. Dwen) naheverwandte Formen gefunden wurden. Auf der Agulhas-Banf im Südoften vom Kap der guten Hoffnung wurde in ver- hältnismäßig flahem Wafjer (in IOO—I2O m Tiefe) eine neue form emporgebradt, deren jacförmiger Körper mit einer fchleimähnlihen Hülle zierlicher Glasnadeln unt- geben ift. Während die Bouvet-Region Feine Heraftinelliden lieferte, jo Famen in der Nähe des Enderby-Kandes aus einem Abgrunde von 4656 m neue Repräfentanten von zwei Battungen — Holascus und Caulophacus — herauf, weldhe zu den typifchen Bewoh- un nern der größten Meerestiefen gehören. Wäh- rend dte Holascus glatte Röhren daritellen, » welhe mit eimem Kiefelnadelfhopfe im 2 Schlamme wurzeln, bilden dte Caulophacus N I» hutpilzähnlihe Formen, deren fcheibenför- IN ) miger Körper von eimem fchlanfen, am INS Grunde feitgewachfenen Stiele getragen wird. N I 9 Auf der ganzen Tour durch den füdlichen Teil Sechsftrahler der Beraftinelliden (nach F. E. Schulze). des Indischen Dceeans erbeuteten wir lediglich in der Nähe von St. Paul einige Glasfhwämme, und zwar fchon befannte Dertreter von Gattungen, welche auf felfigem Boden fiten. Um fo reicher ward dann aber die Ernte vor der Wejtfüfte Sumatras, wo zahl- reiche Individuen verjchiedener Arten erbeutet wurden, darunter in befonders großer Menge jene fchlanfen dünnwandigen Kelhe mit radiär vorragenden handfchuhfinger- förmigen Ausbauchungen, die Aphrocallistes, deren Wand von einem zierlichen Kiefel- gitterneße mit Fleinen regelmäßig fechsfeitigen Mafchen geftüst wird. Eine gleiche Fülle von Slasfhwänmen verfchiedener Form fand fi auc etwas weiter nördlich bei den Mifobaren, wo an einer einzigen Stelle, nämlich am Wejteingange zum Sombrero= Kanal in. 805 m allein fünf verfchiedene Species in zahlreichen und teilweife fehr an- fehnlihen Eremplaren geftfht wurden, darunter etwa JO fauft- bis Fopfgroße Stücke jenes rettigförmigen Schwammes, Pheronema raphanus, welcher jchon früher von an- deren Erpeditionen in der Bat von Bengalen aufgefunden ift. Kleinere Repräfentanten derfelben Art, fowie eine merfwürdige neue Form on der Gejtalt eines antiken Beraftinellidenfauna der ifobaren. 918 Nifhfruges lieferte eine benachbarte Station in 792 m, während weiter füdlih in 562 m Riefenereniplare einer langgejtreckten cy= Iindrifchen Sem- perella bis zu 80 cm Fänge mit wohl- erhalte- nem zier= lichen Hautgit- terneße berauffamen. Pheronema raphanus F, E. Schulze. Etwas verkleinert. 805 m, bei den Nifobaren. Auf der Fahrt von den Üifobaren quer durh den Indifchen Dcean bis zur afrifanifhen Küfte fanden fih nur wenig Glasfhwämme, dagegen trat wieder eine Chun Aus den Tiefen des Weltmeeres. Hweite Auflage. 55 Oftafrifanifche Heraftinelliden. wahrhaft überrafchende Ailenge in der Hähe des afrifanifchen Kontinents auf. Unter den vielen hier gefammelten Ar- ten find befonders zwei neue formen von hervorragendem Iintereffe, welche beide zu der fcharf begrenzten Gruppe der Am- phidiscophora gehören. Kettere find ausge- zeichnet durch die eleganten mifroffopiihen Doppelanfer oder Amphidisfen, welhe zu Taufenden den Weichförper durchjeßen, fowie durch feine tannenbaumähnliche vielfpißige Nadeln, Pinule genannt, welche die ganze freie Oberfläche dicht befegen und Pallifaden gleich die An Amphidist näherung lüfterner Feinde verhindern. Eine diefer AUmphidisfophoren hat die Geftalt einer Folofjfalen flahen Schöpffelle mit etwas auf- gebogenem Rande. Don dem den Handgriff der Kelle darftellenden unteren Fortfaß ragt ein Schopf itriefnadeldicfer Kiefelnadeln frei hervor, die jich mit eimer zweizähnigen End-Derbreiterung im Sande des Meeresgrundes veranfern. Wegen der äußeren Übnlichfeit mit einem Plattfifche foll fie die Bezeichnung Platylistrum (— Schöpffelle) pla- un tessa erhalten. Eine andere form derfelben Gruppe, Mono- rhaphis n. gen., ftellt einen armdiden cylindrifchen Körper dar, von deffen Unterrande nicht ein Schopf dünner Kiefelnadeln, fondern eine ein- jige lange Fräftige Tadel weit herpvoriteht einbohrt. Eine in 1644 m gedredfchte, ziemlich voll- jtändig erhaltene Hadel der Art weift bei einer | $ \ \ o ı£ weft > N und fich zweifellos tief in den Mleeresboden \ Y \ _ größten Dicke von 5 mm eine Känge von 1,5 m EEE 9 7 auf. Da nun ein von einem anderen Eremplare herrührendes Hadelbruhftüd we . e I A Pinul Kleinfingerdice bejitt, jo läßt fih mit (nad Schulze) Semperella cucumis n.sp. 562m. Nifobaren. 1/ı nat. Größe. Riefenformen von Hydroidpolypen. 515 Mahrfcheinlichfeit auf eine Känge der betreffenden UTa- del von etwa dm Schließen. Diefe Riefenformen von Schwanmnadeln, welche häufig mit Sproßforallen und Aftinien befest waren, haben nicht verfehlt, das gerechtfertigte Erftaunen der Hoologen wachzurufen. Menn wir uns nun den DPolypen der Tieffee zu= wenden, jo fer zunächit er- wähnt, daß die zierlichen Hydropolypen in große Tie- fen herabjteigen und zu= $, { Ba ii weilen geradezu gigantische Hautgitterneß der Semperella in nat. Größe. Dimenfionen annehmen. Dies gilt fpeciell für eimen Solttär-Polypen, den fchon die Ihallenger-Erpedition in großen Tiefen des Pacififhen Dceans erbeutet und als Mono- caulus imperator bezeichnet hat. Auch uns war es vergönnt, diefen Giganten feines Gefchlehts an der oftafrifanishen Küfte aus einer Tiefe von IOIY m zu dredöfchen. Das erfte Eremplar, welches wir erbeuteten, war zugleich auch eines der größten und prächtigft gefärbten; ungleich nämlich den Heraftinelliden, die faft durchweg einen fahlen, an den lithographifchen Schiefer erinnernden Ton aufweifen, zeigt diefer Monocaulus eine feine Farbenzufammenftellung in Xot. Sein Stamm, der mit dem Bafalabfchnitt im Schlamme jtedt, erreicht eine Känge von 1,Id m und trägt einen oberen, Felchförmigen Abfchnitt, der von wei hochrot gefärbten Tentafel-Kränzen umfäumt wird. Swifchen ihnen fißen [927 verzweigte Stiele, welche die Fortpflanzungsorgane (Bonophoren) tragen. Die Tentafeln find nicht, wie dies die erjte Befchreibung der vom „Challenger“ erbeuteten Eremplare vermuten ließ, radtär, fondern bilateral-fymmetrifch angeordnet. Wir haben nocd) drei Fleinere Eremplare des Monocaulus aus geringerer Tiefe (628 m) an der Somalt=Küjte erbeutet, welche in ihrem ÄAußeren den von Agaffiz gedredfchten glichen und von Marf an- fänglih mit Unrecht für eine Aftinte (Branchiocerianthus) erflärt wurden. ey In Färbung wie in Beftalt gleicht unferen Eremplaren eines, das neuerdings 355* Die Alcyonarien. an der japanifchen Küfte gefunden und von Profefjor Mitjufuri als Branchiocerianthus im- perator bejchrieben wurde. Unfere Expedition war bejonders erfolgreich imı Erbeuten jener Polypen, welche durch ein von Sep- ten geftüßtes Schlund- rohr und act fang- fäden harafterifiert find und als Alcyonarten Der bezeichnet werden. Bearbeiter diefer Gruppe, Profeffor Hüfenthal, ver- fihert mir, daß in dem von gewonnenen der „Daldivia” Matertale nicht nur die wich- tigften der bisher befannt ge= wordenen Typen, fondern auch eine tiberrafchend große Hahl neuer und durch ihren Bau fej- felnder Arten vertreten find. Wir haben bereits Gele- genheit gefunden, auf jene prächtigen Alcyonarien aus der Gattung Umbellula binzuweifen (5.185), wel- che zuerft in nordifchen Meeren gefunden wur- den. Sie gehören zu der Drönung der Pennatuliden und wurden fchon in der erften Hälfte des 18. Jahr- hunderts von Adriaanz, dem Konmandeur des Schiffes „Bri- Brönlands tannia“, an der Külte 500 Faden Tiefe mit der Kotlemme aus Platylistrum platessa F. E. Schulze n. gen. n. sp. 865 m. Oitafrifaniiche Kütte. Balbe natürl. Größe. Monorhaphis n. gen. F. E. Schulze. Yırterer fchmaler Teil der 1079 m, Somali= Küfte, Kiefelnadel von Mono- Der ftarf verkleinert dargeftellte Shwamnı ift teilweife verlegt und zeigt die große, ihn in feiner ganzen Länge durchjegende bejiedelt. Somali=Küjte. 1644 Kiefelnadel rhaphis in nat. Gröfe. Die Hadel ift von Sproßforallen Yene Familie von Pennatuliden. herauf- gebradht. Ahnliche Pracdterem- wir fie aus den Morden Fennen, plare, wie haben wir fo- wohl an der Bouvet=nfel wie Gebiete des Indifhen Dceans feffeln duch ihre feine Färbung, Polypen in Betraht fommen, auh im ganzen gedredfht. Sie alle dte inımer, joweit die einen dunfelvioletten Ä oder chofoladebraunen Ton / aufweift. Während diefe Formen, von denen wir 7 jechs neue Arten erbeuteten, in ihrem Babitus nicht von den H bisher befannten abweichen, fo lieferten unfere Fänge bei der N oftafrifanifchen Küfte Dertreter einer den Umbelluliden naheitehen- den, neuen und durchaus eigenartigen Familie von Pennatuliden (Verticilladeae Kükenthal). Es handelt fih um etwa meterlange Dolypare, deren fchlanfer Stiel nicht, wie bei der Gattung Umbellula, in einen Schopf zufammengedrängter Polypen ausläuft, jondern mit Wirteln von zu je zwei oder zu je drei zufammenjigenden Einzelpolypen ausgeftattet if. Am Ende des fajt haarfein aus- gezogenen Stammes fit der ältefte Polyp. Mlan vermag an diefen prächtigen Kolonien geradezu das Knofpungsgefeß, nach dem die dunfelvioletten Dolypen angelegt werden, abzulefen. Reich ift die Zahl der Rindenforallen (Borgoniden), die mit ihren prächtigen, orange, Forallenrot und weißlich gefärbten Po- Iypen als Dertreter der Gattungen Isis, Isidigorgia, Dasygorgia, Leptoptilum und Chrysogorgia erbeutet wurden. Yamentlich die der lestgenannten Gattung angehörenden formen fefjeln durch ihr feines Kolorit. Die Stammacdhfe ift fpiral gewunden und fchillert ebenfo wie die Seitenäfte in goldigem Metallglanz. Daß auch die Alcyoniden im engeren Sinne der Tieffee nicht fehlen und in mehreren neuen Formen namentlich bet der Bouvet=Infel erbeutet wurden, haben wir bereits früher (S. 186) hervorgehoben. Fu diefer Fülle von achtftrahligen Alcyonarten gefellen fich die mit einer größeren Zahl von Sangfäden ausge- ftatteten Fleifhpolypen oder Aftinien, die uns namentlich in der antarftifchen Region durch ihre auffälligen hodh- roten Farbentöne feffelten. Die den Aftinien zugehörige Battung Cerianthus wiefen wir als einen Bewohner der gewaltigen Tiefe von 5248 m nad. Selbft in diefer (Kükenthal gez.) Amphianthus abyssorum Kükenthal n. gen. n. sp. Oberer Stammabjchnitt eines Eremplares, deifen Polypen zu je zwei in Wirtel geftellt find. Nat. Größe. 865 m. Alcyonarien. 19 Chunella gracillima Kükenthal n. gen. n. sp. Chrysogorgia sp. Oitafrifanifche Küfte, 69% m. Hat. Größe. Die Polypen find zu je drei in Wirtel angeordnet. 818m. Oftafrit Küfte. Y/z nat. Oröße. 520 Aftinien. Tiefe zeigten die vier erbeuteten Eremplare eine fchöne violette Färbung der Sang- fäden. Die Tiere fteten in fehr langen, aus einer filjigen Mafje hergeftellten Ieder- artigen Hülfen. Unter den fonftigen Aftinien fei zunächft der Soanthiden gedacht, die meijt Folonie- bildend und von geringer Größe fich auf den Wurzelfhöpfen von Heraftinelliden oder auf den Sfelstten anderer Organismen (5. 160) anfieden. Auf der Agulhas-Bank dredfch- ten wir in feichtem Wafjer eine Niefenform von Soanthiden, welhe nah Larlgren fih als eine neue Gattung, Isozoanthus, erweift. Diele Tieffee-Aftinten find durch die verfürzten und Fnopfförmig geftalteten Tentafel ausgezeichnet. Dies trifft pectell auch für die Gattung Bolocera zu, von der wir ein prächtiges hochrot gefärbtes Eremplar auf S. ICO abbildeten. Die Tentafel Fönnen N (wohl eine Schußermrichtung gegen Feinde) von dem Tier abgefchnürt werden. Um indefjen dte Schilderung der Lölenteraten der Tieffee abzufchlie- Ben, fei noch hervorgehoben, daß die Steinforallen den abyfjalen Ne- gionen nicht fehlen. Das von der „Daldivia” erbeutete Material Fann fich zwar an Artenreichtum nicht mit den Rindenforallen und fonftigen Alcyonarien mefjen, erweilt fih aber nah den Mitteilungen von Mlaren- zeller's als befonders wertvoll für die Erfenntnis der geogra- phifhen Derbreitung. Da wir gar mandes jungfräuliche Gebiet durchforfchten, fo erfahren unfere bisherigen Dorftellungen von dem Dorfommien der Tiefjeeforallen eine oft recht überrafhende Erweiterung. Insbefondere darf hervorgehoben werden, daß eine erflefliche Sahl von bisher nur aus dem Atlan- Isozoanthus giganteus n. gen. n.sp. Carlgr. tifjhen Deean befannt gewordenen Korallen auh in € i % : Agulhas=Banf. 86 m. Wenig verfleinert. dem ndifchen Becen verbreitet ift. Wejtindifche Ar- ten, die fchon Pourtales dreöfchte (3. B. Amphihelia rostrata), tauchen bei den Hifobaren wieder auf, und imsbefondere erweifen fich unfere reichen Korallenfunde bei St. Paul und Meu-Amfterdam, wie wir auf 5. 50% betonten, als wertvoll für die Erkenntnis des Sufanmenhanges der atlantifhen und imdifchen Tiefenfauna. Wir erläutern die Geftalt der Tieffee-Korallen durch eine Anzahl von Abbildungen, welche teils an intereffante neue Formen, teils an bemerfenswerte Fundorte anfnüpfen. Sie betreffen Dertreter der Gattungen Caryophyllia, Stephanotrochus, Solenosmilia, Flabellum (S. 589) und Bathyactis. Tieffeeforallen. 521 Stephanotrochus campanıformi Marenz. n.sp. Südatlant. Ocean. (DaldiviaeBanft) 956 m Caryophyllia antarctica Marenz.n.sp. Bouvet=Jnjel. 566 m. Nat. Größe Stephanotrochus explanans Mar.n. sp. Solenosmilia varıabilis Duncan. Bathyactis symmetrica Mos. Bei Sanfibar. 400 m. Bei St. Paul. 672m. Nat. Größe. PembasKanal (Oftafrifa). 465 m Nat, Größe. (Marktanner phot.) Nat. Größe. Ein hervorragend wichtiges Kontingent zur Tieffeefauna ftellt der Typus der Stachel- häuter oder Ehinodermen. Ih wüßte Faum eimen Dredfchzug zu nennen, in den nicht wenigftens einige Dertreter der Seewalzen (Holothurien), Seefterne (Ajteriden), Schlangenfterne (Ophiuriden) und Seeigel (Edhiniden) nachweisbar gewefen wären. Seltener freilih find die prächtigen und für die Tieffee befonders harafteriftifhen See=- lilien (Erinoiden), dte niemals verfehlten, unfere Aufmerffamfeit in bejonderem Grade zu feffen. Wenn wir an die lesteren anfnüpfen, jo fei bemerkt, daß Dis jet T Gattungen geftielter Crinoiden, welche zum Teil ausgeftorbenen Formen fehr nahe- ftehen, in der Tieffee nachgewiefen wurden. Unfere Erpeditton hat nach dem mir zu- gegangenen Berichte von Prof. Doederlein D Gattungen in 8 verfchiedenen Arten wiedergefunden. Eine neue Gattung war unter ihnen nicht vertreten, doch ergab es fih, daß nur eine Art (Rhizocrinus Rawsoni) bisher befchrieben war, während alle übrigen neu find. Unter den nicht wiedergefundenen zwei Gattungen gehört die eine (Holopus) dent weftindifchen, die andere (Calamocrinus) dem pacififchen Gebiete an. Schon bei Erwähnung des tiefften Zuges, den wir im antarftifhen Gebiete nahe Enderby-Land in 4656 m ausführten, wurde darauf hingewiefen, daß er zwei Arten Rn Oo Ermoiden, der Gattungen Hyocrinus (S. 248) und Bathycrinus lieferte. Befonders reich an Cri- noiden erwies fich das Mlentawei-Beren, in dem wir nicht weniger als vier neue Arten von Pentacriniden nachzuweifen vernichten (S. 595). Unter ihnen befinden fich dret olivgrün gefärbte Arten der Gattung Pentacrinus, die wir bei Siberut dredfchten, und drei fahl gefärbte Erem- plare der Gattung Meta- crinus aus dem Sübd- Hias=Kanal, welche wahre Glanszftücfe unferer Samm- lung abgeben. Während die hier genannten neuen Arten fih in den Rahmen des von ihren Derwand- ten befannt gewordenen Derbreitungsgebietes ein- fügen, fo bedeutet die Ent- defung einer neuen Art des Rhizocrinus von der Somali=Küfte aus 1644 und 10668 m Tiefe eine überrafhende Erweite- rung unferer Kenntniffe über die geographifche Derbreitung. Es handelt fich um zterliche Crinoiden, dte wir mit leider faft durhweg abgebrodenen Armen in ziemlich großer Hahl auffanden. Sie jte- m yen dem von Michael Sars, dem ausgezeich- neten norwegifchen For- jcher, entdeckten Rhizo- crinus Lofotensis nahe, unterfcheiden fih jedoch von ihm nicht nur durch ihre anfehnlihe Größe, Pentacrinus n. sp." SiberuteSttaße, 90m. Ienig verkleinert (Daedetlein phot) ‚jottöernT, auch/ ourdh andere Eigentümlichfeiten ihrer Struftur. \ TI Auh von den N Su N MHZ nur in der Ju- Sy gend geitielten, fpäterhin aber frei beweg- lihen Lri- noiden wur- de eine nicht unbeträdt- liche Sahl von Arten in verfchie- denen Tiefen erbeutet. Den arftifchen Ante- don prolixa und atlantifhen Antedon phalangium dredfchten wir in der Faröer-Ninne, bezte- hungsweife auf der ofephinen- banf in derartigen Mengen, daß wir von den aus den Mafchen des Trawl niederfallenden Eremplaren geradezu über- fhüttet wurden. Don der Gattung En- diocrinus fanden wir befonders jchöne, fchwefelgelb gefärbte, einer neuen Art an= gehörige Eremplare bet der Somalt-Küfte in 1289 m. Was nun die Afteroiden anbe- langt, welche die Seefterne (Stelleriden) im engeren Sinne und die Schlangen- fterne (DOphiuroiden) umfaffen, fo mögen folgende Daten für ihren geradezu erftaunlichen Formen- reichtum in der Tieffee jpre- hen. Die Erpedition Metacrinus n.sp. Balbe nat. Größe. 37I m Siberut=Straße und 470 m Süd-Nias:Kanal 524 Ophiuriden. erbeutete allein an Dpbiuren nah der vorläufigen Aufitellung von Prof. zur Straffen etwa JO Gat- tungen und 220 Arten, unter denen mehrere Genera und viele Arten neu find. Don den > fängen, die überhaupt mit Grundneßen ausgeführt wurden, waren in nicht weniger ıls 84 Dertreter von Schlangenfternen (ein- mal zugleih neun verfchiedene Arten) ent- Kalten. Es wäre nicht möglih, im Rahmen diefer Fnappen Darftellung auch nur an- nähernd der Formenfülle von Dphiuren zu gedenfen und fo bejchränfen wir uns darauf, eimen prächtigen fleifchrot gefärb- ten Dertreter der Gattung Ophiocreas, der mit feinen Schlangenarmen emen gleichfalls fleifhroten Bufh von Rinden- Forallen umflammert, im Bilde vorzu führen. Eine ähnliche bei der Boupet- Infel erbeutete form ftellten wir früher S. 187) dar; auch fer daran erinnert, daß wir jowohl der merfwürdigen Gattung en (S.ITI), als audy der von ı Kerguelenformen ausgeübten Brutpflege 3 279) gedachten. Da die von früheren Erpeditionen erbeuteten Seefterne (Stelleriden) in einer Neihe gehalt- voller Unterfuhungen befonders eing a darge- jtellt wurden, fo mag hier etwas ee an der Hand der Mitteilungen des Fonipetenten Ken ners der Echinodermen, Prof. Ludwig, die Erwei- terung unferer Kenntniffe durch die Fahrt der „Dal- dipta” dargelegt werden. Die Ausbeute aus dem Atlantifshen Dcean bietet, wie Rhizocrinus n.sp. (Doederlein phot) 2 erwarten war, ein nur geringeres Interefje, da mir N bier meift nur befannte Formen, wenn aud; gelegentlich in befonders Schönen u dredfchten. Wir illuftrierten fie früher (S. 82—84) l Such den von Wyoille Thomfon befchriebenen Zoroaster fulgens und dur den prächtigen in nahezu 5000 m _ erbeuteten Hyphalaster Valdiviae. Bejonders typifiche Tiefenformen find jene Porzellanafteriden, welche fih durch einen Stahelbefas auf der dorfjalen Mittellinte der Arme auszeichnen. Wir hatten bereits Gelegen- heit genommen, einen neuen Dertreter derjel- ben aus der größten von uns durchforjch- ten Tiefe von 9248 m im Bilde vorzuführen (S. 515) und illuftrieren diefelben durch eine neue atlantifhe Art, die nach Derlafjen von Kamerun in 2492 m erbeutet wurde. Das Interefie an den Seefternen jteigert jtich bei der Annäherung an dte in tiergeogra phiiher Hinfiht fo intereffante Agulhas- Banf. Hier tauchte der große, den Aftropef tiniden zugehörige Di- psacaster Sladeni Al- cock, welchen der „Snveftigator” bei den Andamanen gedredfcht hatte, in geringer Tiefe auf. Der Agulhas-Banf var; 526 Afteriden. gehört denn aucd der in SOO m erbeutete prächtige Seeftern an, welchen wir auf S. II darftellten. Daß unfere Ausbeute an Seefternen (nicht minder aucy diejenige an Schlangen- jternen) von der Bouvet-infel von hervorragendem Werte für die Erfenntnis der geo- graphifchen Derbreitung ift, wurde gleichfalls früher (S. 186-188) betont. Mit dem Eintritt in den Imdifchen Ocean begegneten wir einer Anzahl von Formen, die bereits durdy die Forfchungen des „Inveitigator” befannt geworden waren. Jin jenen weftlichen Teile (bis zu den Chagos-Infeln) lieferte er namentlich im Mlentawei- Belen neben befannten Arten eine größere Zahl von neuen formen aus den Familien der Brifingiden (600— 2900 m) und Soroafteriden (500—2250 m). Dazu gefellen fich Arten aus den Gattungen Pararchaster, Pontaster, Pseudarchaster, Aphroditaster, Persephonaster und Dictyaster, Wir illuftrieren diefe dem öftlichen Gebiete angehörigen formen durch den fein ge- zeichneten Nymphaster Alcocki n. sp., der freilich auch auf die oftafrifanifche Region übergreift. Aus dem centralen Indifhen Ocean führen wir andererfeits den im Uquatorial-Kanal in 2250 m ge- dredfchten Pentagonaster abyssalis n. sp. im Bilde vor. Im öftlichen Teile des n- difchen Meeres, der oftafrifant- fhen Küjte entlang, war die Aus- beute an Seefternen eine ganz befon- Siyracastem.ap, DR N GoirorGuneR: ders reiche und interefjante. Eine hödjit Mas ıOrode: auffallende und anfcheinend auf diefen Bezirk der Tieffee befchränfte Form ift die neue Gattung und Art Pectinidiscus Annae, die zu den Porzellanafteriden gehört und fich hier in den meiften Merfmalen an die fonft nur aus antarftifchen Gebieten befannte Gattung Ctenodiscus anfhliegt, fich aber von ihr wefentlih durch den auffallenden Umstand unterfcheidet, daß die Rand- platten in jedem Armwinfel mit einer unpaaren Platte beginnen. In demfelben Gebiete fanden fi befonders viele Formen aus der Familie der Archafteriden: Pluton- aster-, Pontaster-, Persephonaster-, Pararchaster-, Dytaster- und Aphroditaster- Arten, ferner Aftropectiniden (Psilaster), Pentagonafteriden (darunter neue Arten aus den Gattungen Pentagonaster und Iconaster), und Porzellanafteriden. Unter den Pentagon- aftern zeichnet fich ein Eremplar von Pentagonaster excellens n. sp. von der Somali- Küfte dadurch aus, daß auf feiner Bauchjeite mehrere Eremplare einer eftoparafitiichen Schnede fchmarogen. n.sp. 2255 m. Aquator= Kanal (Malediven). Wat. Größe Pentagonaster abyssalis Ludwi Nymphaster Alcocki Ludwig n. sp. 1469 m. Golf von Aden. 528 Afteriden. Echiniden. Pectinidiscus Annae Ludwig n. gen. n.sp. 465 m. Sanfibar:Kanal. Nat Eröße. £infs von der Rüdenfeite, rechts von der Bauchfeite. Hu den bejtbefannten Tieffee- Ehinodernien ge- hören namentlih die Echiniden, über die uns Agaffiz in einer Xeihe gehaltvoller Monographien Bericht erftattet hat. Die Erpedition erbeutete ungefähr SO Arten von Seeigeln, unter de- nen nach den mir zugeganz-, genen Mitteilungen von Prof. Doederlein et- wa 12 als neu anzu- feben find. Die neuen Arten entfallen größ- tenteils auf den In= difhen Deeanz; unter ihnen wurde die einzige neue Gattung, welche der Gattung Eupatagus nahe fteht (Doederlein hat fie als Gymnopatagus bezeichnet), an der Somali-Küjte gedredfcht. Im ‚ntagonaster excellens Ludwig n.sp. 628m. SomalisKüfte. Nat. Eröße; mit auffizenden Schneden. Ediniden. 829 antarftifhen Gebiet wurde ein Eremplar der Gattung Schizaster an der Bouvet-nfel erbeutet. Was nun die Ehimiden des imdifchen Gebietes anbetrifft, fo feßen fie, wie wir be- reits früherhin hervorhoben, fchon auf der Agulhas-Banf ein, wo jte jih mit atlan- tifhen und antarftifchen Formen mifchen. Hur wenige waren bereits früherhin befannt: unter ihnen eine der fchönften der im Mientawei-Beden gefammelten Echiniden, nänı- lih Dorocidaris elegans (S. SQ). Alle anderen Arten find entweder neu, oder doch nicht ohne weiteres mit fchon befchriebenen zu vereinigen. Unter den merfwürdigen Ehimothuriden fand fih die erjt feit wenigen Jahren aus dem Atlantic befannte Gat- tung Sperosoma an der Küfte von Dftafrifa, und ebendaher ftammt das einzige von der Erpedition erbeutete Eremplar der Gat- tung Asthenosoma in einer, dem ja- panifchen Asthe- nosoma longispi- num nahejftehen- den Art. Dagegen war fowohl im Mentaweis-Beden wie an der oftafri- Fantfchen Küfte die Gattung Phormo- soma mit ihrer leder- artigen, der ftarren Kalfplatten entbehrenden Haut und ihren Giftjtacheln häufig und gelegentlih m Gymnopatagus Valdiviae Doederlein n. gen. n.sp. _(Doederlein phot.) r 115% m. Oftafrifanifche Küfte. Nat. Größe. riefigen Eremplaren vertre- ten. Als befonders intereffant erweifen fih die zahlreih im indifchen Gebiete er- beuteten Lidariden, welche den einander fehr naheftehenden Gattungen Stereocidaris (S. 592) und Dorocidaris angehören. Ein auffallender Charakter, den die meijten den genannten Gattungen angehörigen Arten vom Kapland bis nah Sumatra zeigen, ift der, daß an ihren Stacheln eine oder zwei, gelegentlih auch drei Längs- tippen blattartig bervorragen, wie dies bisher für Dorocidaris Alcocki befannt ge- worden ift. Befonders erwähnenswert ift noch das Dorfommen der beiden Diadematiden-Bat- tungen Aspidodiadema und Dermatodiadema ($. 589) im indifchen Gebiete. Erjtere Chun, YUus den Tiefen des Weltmeeres. Zweite Auflage, 34 1) 550 Brachyuren. ift durch eine neue Art repräfentiert, die größer ift, als die bereits befannten, lettere fand fih in zwei Arten im Indischen Mieere. Hu den intereffanteften Formen aus dem Indischen Dcean gehört die neue Art der Sattung Palaeopneustes (S. 590), die wir in zahlreihen Eremplaren im Süd-Itias- Kanal erbeuteten. Auffällig ift es, daß in dem ganzen imdtfchen Gebiete Fein Dertreter der merfwürdig geftalteten Gattung Pourtalesia, die in dem atlantifhen eine weite Derbreitung befitt, nachgewiefen wurde. Wenn wir der Seewalzen (Holothurien) Feine weitere Erwähnung thun, obwohl fie uns recht häufig bis zu den größten Tiefen begesneten, fo gefchieht dies mit Rüdficht darauf, daß der intereffantejte Dertreter derfelben jpäter noch eingehendere Würdigung finden foll. Wir fönnen es uns nicht verfagen, mit einigen Worten der Eruftaceen zu ge= denken, zumal da fie für die Tieffee nicht minder typifh find, als die Echinodermen, Was zunähft die Krabben (Brahyuren) anbelangt, jo darf wohl hervorgehoben werden, daß wir fajt alle intereffanteren Gattungen, welche frühere Erpeditionen fam- melten, wiederfanden. In dem indifchen Gebiete überrafht namentlich die große Zahl von Dreieffrabben Dryrhynchen). Wir haben bereits früher der merfwürdigen Gattung Scyramathia (S. 172), und Platymaja ($. 400) gedacht und illuftrieren die Dreiechfrabben durch die Cyrtomaia Suhmi Miers. Don diefer Art erbeuteten die Challengererpedition und der Inveftigator nur je ein Eremplar, während wir fie an nicht weniger als Ü Stationen fowohl bei Sumatra, wie an der Dftafrifanifhen Küfte in großer Sahl aus Tiefen von 650-1562 m dredfchten. Cyrtomaia Suhmi Miers. Sumatra und Ojtafrifan, Küfte. 650-1562 m. Xat. Größe. (Doflein phot.) Brachyuren. BJ | Don fonftigen im- terefjanteren Funden jet zunächft zweier indifcher Formen gedaht, welche der mveftigator im Golfe von Bengalen entdec- te und die wir längs Sumatra wiederfanden. ß . pas ’ R Retropluma notopus Alcock & Anderson ©. (Doflein phot.) Die eine betrifft eine neue Art 614m. Nias-Kanal. Nat. Größe. der bizarren Gattung Tricho- peltarium, die andere die durch federartige Binterbeine harafterifierte Retropluma notopus. Die Iebtge- nannte Art nimmt im Spyftem eme fo ifolterte Stellung ein, daß e wandtichaftsverhältnifje Flarzuftellen. fhwer fällt, ihre Der- ı$n Aus größerer Tiefe ftanımt eine neue zart fleifchrot gefärbte Art der Gattung Geryon, von der wir fchon früher (5.159) Dertreter dar- ftellten. Der hier abgebildete Geryon Paulensis repräfenttert zugleich einen der füdlichiten Krabben- funde der Erpedition. In dem eigentlichen antarf- tifchen Gebiete fällt die Armut an Krabben nicht minder auf, als in dem arftifchen. (Doflein phot.) Trichopeltarium Alcocki 5 n. Sp. Dofl. Wenn wir weiterhin noch des bei den Yifobaren er- 750 m. Siberut=Strafe. Nat. Größe. beuteten Benthochascon He- mingi gedenfen, fo ge= fhieht dies weniger aus dem Grunde, weil das hier abge= bildete Männchen bisher unbefannt war, als weil es jih um eine der wenigen aus größerer Tiefe befannt gewordenen Geryon Paulensis n. sp. Dofl. St. 172. (Doflein phot.) Im jüdl. Indifchen Ocean 2068 m. Nat. Größe, 54* 992 Shwimmfrabben und Homoliden. Benthochascon Hemingi 5 Alcock & Anderson. Nifobaren 296 m. Nat. Größe. (Doflein phot.) Shwimmfrabben handelt. Site fuchen zwar ftets wieder den Boden auf, find aber zu weiten Ausflügen in den freien Dcean durch ihre breiten hinteren Ruderbeine befähigt. Su den interefjanteften Entdefungen der Erpedition dürfte eine Homolide von der oftafrifantfchen Küfte gehören, welhe dadurh ausgezeichnet ift, daß jte am hinterjten Beinpaare des Thorar eine Schere trägt. VDermutlich erfaßt fie vermitteljt derfelben Fremdförper als Schusdah, wie es ihre an der Dberfläche lebenden Derwandten mit dent auf die Nücenflähe des Panzers erhobenen fünften Beinpaare zu thun pflegen. Wir erbeuteten mehrere Eremplare diefer wunderlichen, im Leben dunfelrofa gefärbten Krabbe aus einer Tiefe von IT m. Die Krabben der Tiefjee zeigen meift die fchon früher (S. 147) betonten lebhaften färbungen in verfchiedenen Abftufungen des Not. Selten treten bleiche oder gelbe Töne auf, wie fie einem Xiefenerenplar der Gattung Geryon zufamen, das wir an der Somali-Küfte in I562 m Tiefe dredjchten. Yicht minder fällt es auf, wie mir Dr. Doflein berichtet, daß bei den Tieffeeformen die Eier bedeutend größer find, als bei den DOberflächenformen. Dies deutet darauf Brachyuren. Paguriden. 535 bin, daß die Larven auf weit vorgerücdten Stadien ausjchlüpfen und einer verwicelten Mtetamorphofe entbehren. Hahe verwandt find den Krabben die Dertreter der durch einen Wald nadeljpiter Staheln ausgezeichneten Gattungen Lithodes und Echinoplax. Sie haben gar mand}- mal bei unvorfichtigem Durhfuhen des von den Trawl heraufgebrachten Tieffee- fehlammıes recht eindringlich ihre Anwefenheit verraten. Befonders reichlih traten uns im AlentaweisBefen und an der Somali-Küfte die Einftedlerfrebfe (Paguriden) entgegen. Sie lieben es befanntlih, ihren weichen, afymımetrifch gefrümmten Hinterleib dadurh zu [hüßen, da fie ihn in leere Schnecken- sehäufe oder in hohle Holsftüce fteken. Wir illuftrieren das Derhalten durch eine Form, welde fih eine große Schale des Dentalium als Wohnhaus ausfuchte und mit der rechtsfeitig mächtig entwicelten Kneipzange des erjten Fußpaares den Eingang Homolochunia n. gen. Dofl. Homolide mit Stirngeweib und Scheren am fünften Sußpaare. Oftafrifan. Küfte, ITT m. Nat. Größe 554 Paauriden. Echinoplax pungens Wood-Mason. 296m. Bei den Nifobaren. Hat. Größe verfchließt. Sie befitst ebenfo wie dte Dertreter der Gattung Xylopagurus einen gerade geftreckten Binterleib. Die leßteren ftefen in hohlen Bolzitüfen und verfchliegen die Mafruren. 9909 hintere Öffnung vermittelft einer harten dedelartigen Derbreiterung der letten Körper- fegmente. Wie an der Dberflähe, fo finden wir auch in der Tieffee die Einfiedlerfrebfe häufig mit Aftinien aus den Gattungen Epizoanthus und Adamsia vergefellihaftet. Die Epizoanthus-Arten löfen hier- bei die Kalffchale des Schneden- gehäufes auf, bieten aber dadurch Schuß, daß fie Fnorpelharte Be- fchaffenheit gewinnen und bisweilen ungewöhnliche Dimenfionen erreichen (S. 160). Die den Paguriden nahejtehen- den Balatheen liefern namentlich in den Gattungen Munida und Muni- dopsis typifche Dertreter der Tieffee, die häufig in den prächtigiten roten Farben fchillern. In größerer Tiefe geht das intenfive Rot mehr in einen zarten fleifchfarbenen Ton über, und zugleich fhwindet das Pigment an den Augen (S. 594). Unter den langfhwänsigen Kreb- fen (Mafruren) möge zunädjt die von allen Tieffee-Erpeditionen nacdh- gewiefene Gattung Glyphocrangon als ein wehrhafter Krufter erwähnt werden, der mit monjtrös großen Augen ausgeftattet ift, und defjen Panzer eine Fräftige Bedornung er- Fennen läßt. Dabei find die Ieb- ten Segmente des Hinterleibes mit Schnappgelenfen verfehen, jo daß Paguriden in großen Schalen von Dentalium. fie gefperrt gehalten werden Fönnen 638 m. Somali-Käfte. Nat. Größe. und mit ihren Dornen eine wirfungsvolle Abwehr daritellen. Die Familie der Aftaciden, zu denen auch unfer Flußfrebs gehört, ift durch die Gattung Nephrops vertreten, von der wir den prächtigen, vom „nveftigator” er- beuteten Nephrops Andamanicus im Mentawei-Befen wiederfanden. Dort überrafchte uns auch das Auftreten der Gattung Nephropsis in einer Art, welche der von Agaffiz 5956 Erponiden. Garneelen. an der pacififchen Seite von Amerifa erbeuteten Nephropsis occidentalis nahefteht. Ste gleicht äußerlih eimem Flußfrebfe und zeist fowohl den bräunlichen Körper, wie auch die zart rötlich gefärbten Füße (namentlich das erjte Scherenpaar) mit einem Pelze feiner Haare bededt. In Anpaffung an das Leben in der Tieffee find die Augen zu Eleinen, pigmentlofen Rudimenten rücdgebildet. Wir werden nicht verfehlen, diefe inter- effante Art fpäterhin noch dem Kefer im Bilde vorzuführen. Als einer der fchönften Funde der Challenger-Erpedition darf wohl die Entdeckung jener Tieffeefrebfe gelten, welche uns bisher nur aus trefflich erhaltenen Abdruden im Itthographifhen Schiefer von Solenhofen befannt waren. Die Eryoniden, wie fie ge- nannt werden, fcheinen m der juraffifhen Seit Bewohner der oberflählihen Schichten gewefen zu fein, wie dies aus dem Gefantcharafter der Solenhofer Fauna hervor- geht. Späterhin find fie in die Tieffee eingewandert und gingen fo vollfommen ihrer Augen verluftis, daß bei manchen Arten nicht einmal mehr die großen Augenhöhlen am Panzer nachweisbar find. Die den Eryoniden zugehörigen Gattungen Pentacheles, Willemoesia und Polycheles find für alle Tiefen harafteriftifch, und fo haben wir aud) nicht verfehlt, einen an der oftafrifanifchen Küfte erbeuteten Dertreter derfelben mit feinen feinen Pelze von Sinneshaaren und der charafteriftifchen rötlich-Freidigen Färbung auf der lithographierten Tafel dem Kefer vorzuführen. Auf derjelben finden fich weiterhin noch einige Arten von Garneelen abgebildet, die durch ihre blutrote Färbung in hohem Maße feffeln. Obwohl fie alle treffliche Schwimmer find, fo fcheint doch eme Anzahl von Gattungen (Peneus, Aristaeus, Aristaeopsis, Heterocarpus und Nematocareinus) direft über dem Grunde zu fchweben, Sie find alle mit wohlentwidelten Augen ausgeftattet und imponieren 3. T. durch die geradezu monjtröje Entwicklung ihrer Antennen. Don dem auf der Tafel in jtarf verfleinertem Abbilde wiedergegebenen Dertreter der Gattung Aristaeopsis fanden wir in einem Zuge an der Somalt-Küfte aus IT m fünfzehn Eremplare, welche bei einer Körperlänge von 28 cm Antennen von nahezu anderthalb Meter Känge aufwiesen. Eine befonders eigenartige Anpafjung an das Schweben über dem Grunde zeigt die gleichfalls im Bilde vorgeführte Gattung Nematocareinus infofern, als ihre zehn Thoracalfüße nach Art der Spinnenbeine monftrös verlängert find und in ein Büfchel von Sinnesborften auslaufen. Dabet weisen fie wiederum prächtige rote Töne auf, die bei einer im Wientawei-Befen aus IOO m erbeuteten Art in eine Kängsitreifung aus regelmäßig abwechfelnden roten und weißen Bändern überging. So mafjenhaft gerteten bisweilen die Tieffee-Barneelen in unfere Hebe, daß wir Faum wußten, woher die Gefäße nehmen, um fie zu Fonfervieren. mn zwei Hügen aus 658 und ITT m — waren Taufende von am 25. März an der Somali-Küfte Eremplaren aus den Gattungen Heterocarpus und Plesionika vorhanden. Da wir den Segen nicht zu bewältigen vermochten, wurde ein Teil gefoht und zum Frühjtüc uagag wagq Ipou uatkıyluagauf "uoopymaroo|laıd quaga] aumıg weg In qun aphıöopd "wa aayuıaı Forpespi?3e rag Hei Zepsu- 956 Eryoniden. Garnelen. der pacififchen Seite von Umerifa erbeuteten Nephropsis occidentalis nahbefteht. gleiht äußerlihzeinem Flußfrebfe und sg! fomwohl den bräunlien “Körper, wie a ) die zart rötlich Sefärbten n süße ( (namentli® das erite' Scherenpaa nit einem Pelze feiner Haare bededtz In Anpaffung an das Feben im der Tieffeg (Erd die Augen zu Fleinen, pigmentlofeg#udimenten rüdgebildet. Mir werden nicht Sehen, diefe imter- effante Art jpäterkurggnoh dem Kefer im SBSporzuführen. Ei Als einer der Enten Funde der CL Challäsger- -Erpedition darf So die Entdeckung jener Tieffeefrebfeggelten, welche uns bisherunge aus trefflich erhalten Abdrucken im „lithographiichen ShBfer von Solenhofen bekunt waren. Die Eigagiden, wie fie ge: Sna nt werden, (aäihen in der juraffifchen it Bewohner der obegfigchlichen Schichten & efen zu fein, wie dies aus dem GefamtdBirafter der Solenh&t& fauna bervor- Sge t. Späterhin fir fie in die Tieffee einge aerndert und gingen fo bollfommen ihrer Su ıgen verluftig, dg& bei manden Arten nic einmal mehr die großen Augenhöhlen Bam Panzer nachweisbar find. Die den Ervorlden zugehörigen Gattungen Pentacheles, Arfilemoesia und Pı 3 Imdb Air alle Tiefen charafteriftifch, und jo haben wir aud) Si ht verfehlt 22 an der oftafrifanifhen Hüfte erbeuteten Pertreter derfelben mit Siehnem feinen Peize don Sinneshaaren und der charafteriftifchen rötfich-Preidigen gärbung = f der lihographierten Tafel dem Kefer vorzuführen. 5 S Auf derjelben finden fich weiterhin noch einige Arten von Garneelen < die Bd rch ihre blutrote Färbung in hohem Maße feijen. Obwohl #e Eu Srefflick 9; hwimmer jind, fo fcheint doch eine Anzahl von Gattungen (Peneus, EAfistaeus, 34, 'istaeopsis, Heterocarpus und Nematocarcinus) direft über dem Grunde zuerfchweben. Is e find alle mit wohlentwidelten Augen ausgeftattet und imponieren 3. TA durch die 53 radezu monjtröfe Entwillung ihrer Antennen. Don dem auf der Taßjäin ftarf Spdrfleinertem Abbilde wiedergegebenen Dertreter der Gattung Aristaeopsis Saden wir einem Zuge an der Somali-Küfte aus ITT m fünfzehn Eremplare, weldgeBei einer Srperlänge von 28 cm Antennen von nahezu anderthalb Meter Länge a wiefen. Eine befonders eigenartige Anpaffung an das Schweben über dem Grunde zeigt e gleichfalls im Bilde vorgeführte Battung Nemgocareinus infofern, als ihre zehn Ühoracalfüße nad) Art der Spinnenbeine monjtrös Berlängert find md in ein Büfchel opn Sinnesborjten auslaufen. Dabei weifen fie Gehprum prächtige rote Töne auf, die bfi einer im Mentawei-Bedfen aus I00 m erbeigeten Urt in eine Kängsitreifung aus olgelmäßig abwechfelnden roten und weißen Bänder überging. So maffenhaft gerieten bisweilen die Cifegineen in nu Hesse, daß wir or bDesrsdrleps mu m Br a ärz an der Go lie Küfte — aus 638° 3 IT m — waren Caufenbep pon remplaren aus den Gattungen Heterocarpus und Hesionika vorhanden. Da wir den a egen nicht zu bewältigen vermochten, wurde ein Teil gefoht und zum Frühftüd _——— Cirripedien. Pyenogoniden. I ferviert. Wenn man allerdings bedenft, welche Koften das Deutfche Reich aufwendete, um uns diefes Föftlih mundende Krebsefjen zu ermöglichen, jo möchte felbft ein Lu- fullus Fopfjtußig geworden fein. Unter den jonftigen auf dem Grunde fich anjtedelnden Kruftern befhränfen wir uns darauf, der Rankfenfüßler (Cirripedien) Erwähnung zu thun. Sie heften fich an allem, was ihnen fejten Halt gewährt, an, und fo findet man fie nicht nur Steinen und leeren Schnedenfhalen, fondern auch den Stacheln von Echiniden und dem Panzer der Krabben auffitend. Im Süd-Mias-Kanal dredöfhten wir in CO m Tiefe das auf $. 598 dargeftellte Prachteremplar eines Cirripeds, welches den zur Seit größten befannten Dertreter der Drönung abgiebt. Endlich dürfte auch noch auf die abfonderlichen Affelfpinnen (Pycnogoniden) hin- gewiefen werden, deren Körper Fein fcheint im Dergleich zu den monftrös entwidelten, von Darmanhängen durchzogenen vier Beinpaaren. Wir erbeuteten nah den Mit- teilungen von Prof. Moebius I4 neue Arten derfelben und ftießen jchon bei den erften Dredfchzügen um die Faröer auf die hochrot oder gelblich gefärbten Niefen- formen aus der Gattung Collossendeis. Ühnlich große Arten erbeuteten wir am der Bouvet-Infel und auf dem Kerguelen-Plateau, wo fie durch ihre blutrote Färbung und abenteuerliche Beftalt fofort aufftelen. Wenn wir der Mollusfen des Tieffeebodens mit nur wenigen Worten gedenken, fo gefchteht dies wefentlich deshalb, weil wir Faum in der Sage wären, die Fülle der Schneden, Mufheln und Dentalten erfchöpfend zu ö charakterifieren. Es ji 0 deshalb nur darauf Neue Gattung eines achtarmigen Tintenfijhes mit breiten Armlappen. Oftafrifanifche Küfte. 748 m. Balbe nat. Größe. (Rübsaamen gez.) 558 Grundformen von Cephalopoden. hingewiefen, daß auc einige Tintenfifhe (Lephalopoden) fih dem Keben auf dem Grunde angepaßt haben. An der oftafrifanifchen Küfte erbeuteten wir zwifchen 400 und TOO m Tiefe ungewöhnlih große Eremplare der Gattung Heteroteuthis und der auch im Mlentawei-Befen vorfommenden Gattung Opistoteuthis mit ihrem fcheiben- förmig abgeplatteten, chofoladebraun gefärbten Körper. Der bemerfenswertefte fund war indeffen ein großer hellvioletter, achtarmiger Tintenfifch von der Somali=-Küfte aus C48 m. Er mift vom Körperende bis zum Rande der Mantelhaut 2] cm und befißt mit nur einer Reihe von Sausnäpfen be= fegte Arme, von denen das dorfale Paar am längjiten ift und im Fontrahierten Huftand 40 cm er- reicht. Der wichtigjte ’ Charakter die- ER fer neuen an A Eledoneerin- nernden Bat- tung legt in dem Auftreten breiter Sloffenfäume auf der den Saugnäpfen gegen- überliegenden Außenflähe der Arme. Da die Ieb- teren gegen den Körper Et en zurücgefchlagen werden, 768 m. Mentawei-Beden. Etwas verkleinert. fo hüllt fich der Dftopode in die namentlih an den dorfalen Armen mächtig entwidelten Säume wie in eimen 2 zweiten Mantel ein. Was die Grundfifche der Tieffee anbelangt, fo gehören diefelben zum größten Teil familien an, welche auch an der Oberfläche verbreitet find. Wir dürften wohl aus den meiften der bisher in der Tieffee nachgewiefenen Familien harafteriftifche Der- treter erbeutet haben, von denen, wie fich fchon jest ergiebt, ein großer Teil befannt war, wenn auch immerhin eine Anzahl neuer Arten und Gattungen uns unter ihnen Grundfifche. 999 entgegentraten. Da die Fische beweglicher find, als andere 3. T. ja aud feitfitende Tieffeeformen, fo erflärt es fih, daß wir in den bisher nocd nicht erforfchten Gebieten des Indischen Deeans Grundfiihe auffanden, die wir entweder aus dem Atlantifchen oder aus dem Pacififhen Ocean Fennengelernt haben. Erft ein genaueres Studtum wird uns darüber aufflären, ob thatfählih dem indischen Gebiete, wie es allerdings den Anfchein hat, gewiffe Typen ausjchlieglich eigentümlich find. Es würde den Sefer ermüden, wenn wir alle die einzelnen familien nach ihren zoologifchen Charakteren namhaft mahen wollten, weldhe in der Tieffee verbreitet find. So mag der Hinweis genügen, daß Knorpelfifhe aus den Familien der Rundmäuler (Eyeloftomen), Rohen, Hate und BHolocephalen nicht fehlen. Insbefondere war es wiederum die oftafrifanifche Küjte, an der wir eine Fleine neue form von Tieffee-Haien mit verbreitertem Kopfe, großen, grünlich f[himmernden Augen und von fhwarzbrauner Färbung in IS4O m auffanden, nicht minder auch eine neue Art eines großen, jchönen Barathronus bicolor G. & B. 1289 m. Somali-Küfte. Nat. Größe. Hitterrochen (Torpedo) aus 825 m Tiefe. Unter den Knochenfifchen fehlten niemals die Mafruren mit ihren großen Köpfen und bisweilen monftrös vergrößerten Augen. Sie find die gemeinften, in zahlreichen Arten verbreiteten Tieffeefifche, die wir Fennen. Heben ihnen fommen fehr häufig noch Dertreter der Schellfiiche (Gadiden), der Schleim- fiihe (Ophidtiden), der Bruftfloffer (Pedtculaten), der Aale (Muräniden) und der jchuppenlofen Alepocephaliden vor. Don manchen derfelben haben wir wahre Riefen erbeutet, welche die größten bis jest befannten Dertreter der genannten familien re- präfentteren. So erwies fich der fchon früherhin erwähnte (S. SIT) fchwarze Tieffee- fiih aus dem NMientawei-Befen als der größte Alepocephalide, und ebenjo fanden wir an der Somali-Küfte in 1289 m ein 90 cm langes, jhwarzes Monftrum, das einer neuen Gattung von Dphidiiden angehört. Es fteht diefer mächtige Tiefen- bewohner der indiihen Gattung Lamprogrammus nahe, unterjcheidet fich aber von ihr Coelorhynchus fasciatus Günther ($am. Macruridae). Agulhas=-Banf, 500 m. Etwas verkleinert. Bathygadus longifilis G. & B. (Sam. Macruridae), Oftafrifanifhe Küjte, Halbe Größe. Beide Sifche find in der Tieffee weit verbreitet und häufig. Srundfifche. >41 durch den Mlangel der Seitenlinie. Die echten Tieffeefifche zeigen im allgemeinen eine geringe Entwicklung der Bauchflofjen, einen langen, fpis zulaufenden Schwanz, ein ventral gerichtetes Maul, häufig eine Abplattung des Körpers und eine Umwandlung der Floffen zu Stügorganen. Dazu Fommt in feltenen Fällen eine Derfümmerung der Augen und Mangel von Pigment. Einen derartigen blinden fisch, den aus dem Atlantifhen Dcean durch dte Forfchungen des „Blafe” befannt gewordene Barathronus bicolor, führen wir in der Abbildung vor. Er wurde in 1289 m Tiefe bei der Somali-Küfte erbeutet, weit ein vollitändig Fnor- peliges Sfelett auf, und zeigt eine halb durchfichtige, zart rötlich gefärbte Haut, durch welche die Blutgefäße mit ihren feinen Derzweigungen hindurhfchtimmern. Die Ein- geweide find nicht fichtbar, weil die Keibeshöhle mit einem dunfelvioletten Pigment aus- gefleidet ift, welches zu der Bezeichnung bicolor (zwiefarbig) Deranlaffung gegeben hat. Die Augen find vollftändig rücgebildet, und ihre Stelle vertreten parabolifch gefrümmte Hohlfpiegel, welche in goldigem Glanze refleftieren. XXI. Die pelagijche Tiefenfauna, ID" haben jchon mehrfach Anlaß genommen, darauf hinzuweifen, daß dte gewal- tigen Wafferfhichten zwifchen der Oberfläche und dem Mleeresgrunde nicht azotjch find, fondern eine reiche Fauna von Drganismen aufweisen, welche zum Teil mit den an der Dberfläche lebenden übereinstimmen, zum Teil aber auch reht eigenartig ge- ftaltet find. Unsere Schließnesfänge, deren wir weit über hundert veranitalteten, lehren dies fo unzweideutig, daß man fchwerlich noch die Auffaffung wird verfechten Fönnen, es eriftiere Feine pelagifche Tiefenfauna. Wir haben gewiffenhaft jede Fehlerquelle auszufcheiden verfuht und Fönnen verfichern, daß wir auch nicht einen Schließneszug veranftalteten, in dem fich nicht lebende Organismen hätten nacweifen lajjen. In Bezug auf das Quantum an lebender, organifcher Subftanz laffen fich die Wafferfchichten in drei Etagen gliedern. Die oberfte Etage reicht bis zu SO m hinab und ift dadurch charakteriftert, daß in ihr dte niederen pflanzlichen Organismen unter den Einfluffe des Somnenlichts üppig gedeihen, indem fie durch Affimilation ihren Leib aufbauen. Die zweite Etage reiht von SO m bis zu etwa 550 m. Sie zeichnet fich dadurch aus, daß in ihr nur wenig pflanzliche Organismen, ganz unabhängig von den verfchiedenen dort obwaltenden Temperaturen, ihre Eriftenzbedingungen finden. Diefe „Schattenflora”, wie fie Schimper genannt hat, fett fih aus einigen Diatomeengat- tungen (Planctoniella, Asteromphalus, Coseinodiscus) und aus der Fugeligen Algen- @®attung Halosphaera zufammen ($. 77). Unterhalb 550 m bis zum Grunde ver- mögen Feine pflanzlichen Organismen zu eriftieren. Sie zeigen ftets deutliche Spuren des Zerfalles, der fih zunäcdhft in einer abnormen Anhäufung von Chromatophoren und Stärfeförnern Fundgtebt. Da indeffen, wie wir bereits auseinanderzufegen ver- fuchten, die pflanzlichen Nefte mit mehr oder minder zerfeßtem Inhalt mafjenhaft niederfinfen, jo erflärt es fich, daß in diefen dunklen Regionen noch eine reiche KTebe- welt tierifcher Organismen auftritt. Immerhin ergeben unfere Schließnesfänge von etwa SOO m an eine der Tiefe proportional verlaufende, ftändige Abnahme im Quan-= tum tierifcher Organismen. Don jenen formen, welhe in fajt feinem Schließneszuge fehlten, jeien zumächit Dertreter der Radiolarien aus den Familien der Acanthometriden, der Phäodarien, Ergebnifjfe der Schließnetfänge. >45 der Challengeriden und der nach unferen Unterfuhungen als typifhe Tiefenformen fich erweifenden Tuscaroriden erwähnt. Ebenfowenig fehlten bis zu den größten Tiefen herab Cruftaceen aus den Drönungen der Dftracoden und Copepoden. In mittleren Tiefen von IO00 m bis zu 5000 m gefellten fih zu ihnen lebende Sagitten, Wurm- larven (Pelagobia) und Anmeliden aus den Familien der Tomopteriden und Typhlo- feoleciden. Weiterhin fanden fich lebende Medufen (namentlih Trahomedufen), Siphono- phoren, und von Kruftern Dertreter der Amphipoden und namentlih der Euphaufiden. otemlich häufig beobachteten wir denn auch noch Miollusfen aus der Klafje der Flügelfhnefen (Pteropoden) und Fleine, den Scopeliden zugehörige fifhe (Cyclothone). Don allen den genannten Ordnungen fanden fich auch gleichzeitig die Karven, und über- rafhend war es; daß namentlich die als Hauplien bezeichneten Sarven der Topepoden felbft aus den gewaltigen Tiefen von 5000 und 4000 m noch Iebhaft beweglich an die Oberfläche gelangten. Hu ihnen gefellten fih die Larven der für größere Tiefen ganz befonders typifhen zehnfüßigen Krebfe aus der Ordnung der Sergeftiden. Er- wähnt jet nur noch, daß in dem legten Schließneszuge, den wir außerhalb Ras Hafun zwifchen 5000 und 4000 m veranftalteten, ein großer, blutroter Sergestes enthalten war, dejjen weißlich fchimmernde Augen eine ftarfe Rüdfbildung erfahren hatten und des Pigments entbehrten. Wir haben niemals verfäumt, den Inhalt der Schliegnesfänge gleih nach dem Herauffommen zu unterfuchen und diejenigen Formen zu verzeichnen, welche noch lebend refp. mit wohlerhaltenem WeichFörper, der Feine Spur von Ferfesung aufwies, an- getroffen wurden. Da alle Hoologen in Gemeinfhaft mit dem Botanifer an diefen Unterfuhungen fich beteiligten und das Ergebnis wegen feines hohen biologifchen In- terefjes ftets eifrig diskutierten, fo Fann wohl verjichert werden, daß dte fchärfite Kritik an dem gewonnenen Mlateriale und an dem tadellofen Funktionieren des Mebes geübt wurde. Das Scliegnes erbeutet allerdings, wie fchon aus der Aufzählung der oben er- wähnten Organismen hervorgeht, bei feiner Furzen Öffnungsdauer (es war die Ein- richtung getroffen, daß es nach Belieben verftellt werden Fonnte und demgemäß ent- weder Wafjerfäulen von nur 20 m oder folhe bis zu 600 m Höhe durchfischte) und feinem nicht fehr großen Durhhmefjer nur Feinere Organismen. Wir haben indeffen allen Anlaß zu der Annahme, daß auch große formen in un- belichteten Tiefen leben, welche wir 3. T. mit unferen riefigen Dertifalnesen zu erbeuten vermocdten. Die ausgiebige Derwendung diefer Nebe ift unferer Erpeditton eigen- tümlih, und fie hat denn auch dazu geführt, daß wir nicht nur frühere Dorftellungen über die KLebensweife von Tieffeeorganismen zu berichtigen in der Sage find, Sondern auch eine ganze Neihe neuer Formen entdekten, die das Interefie der Hoologen in befonderem Maße wachgerufen haben. 544 Radtolarien. Hledufen. Mir dürfen weiterhin auf Grund der Hunderte von Dertifalnesfängen, die wir in den verfchiedenften Tiefen ausführten, behaupten, daß die intereffanteften Dertreter dtefer pelagifchen Tiefenfauna erjt unterhalb 600—800 m vorfonmen. Da das Dertifal- net alles fifht, was fowohl in der Tiefe, wie in der Mähe der Oberfläche fchwebt, fo veranftalteten wir mehrmals an einer und derfelben Stelle Stufenfänge, die ftets nur dann diefe eigenartigen Formen lieferten, wenn wir das Üeb in größere Tiefen als SOO m verfenften. Bevor wir die biologifihe Eigenart mancher diefer pelagifhen Tiefenformen mit Sefer in Wort und Bild vorzuführen. Unter den niederften Formen, den Urtieren, fcheinen lebende foraminiferen in den größeren Tiefen felten zu fein. In den Schliegneßfängen fallen allerdings die zahl- reichen Kalfihalen von Globigerinen und fonjtigen pelagifhen SJoraminiferen auf, doch zeigt die Unterfuhung, daß meift der Weichförper zerfett ift. Der Auflöfung fallen denn auch frühzeitig die feinen Stacheln anheim, welche als Schwebvorrichtungen den an der Dberfläche flottterenden Formen zufommen. Daß die maffenhaft nieder- riefelnden Schalen von Foraminiferen den Globigerinenfchlamm zufammenfegen, der in gemäßigten tropifchen Zonen auf weite Streden hin den Tieffeegrund bildet, haben wir mehrfach im Lauf unferer Darftellung betont. Dagegen überrascht vor allen Dingen der Reichtum an Rabdiolarien. Hädel hat in einer prachtvollen, mit 140 Tafeln ausgeftatteten Monographie die Radiolarien der Challenger-Erpedition gefchildert. ch glaube verjichern zu Fönnen, daß der Bearbeiter der von uns erbeuteten Radtolarien ein nicht minder voluminöfes Werk verfaffen wird, wenn er den ganzen Reichtum an Formen, die zum Teil fogar bisher noch nicht befannte Familien enthalten, eingehend fhildern will. Da wir an der Hand der neueren Konferpierungsmethoden auf Er- haltung des WeichFörpers Wert legten, jo dürfte gerade in diefer Hinficht die Bear- beitung der Radtolarien einen willfommenen Kompens zu Hädels Darftellung abgeben. Unter den Medufen find wir gleichfalls auf eine ganze Anzahl von Formen auf- merffan geworden, welche als echte Tieffee-Medufen teils fchon von früheren Erpedi- tionen erbeutet wurden, teils aber auch unbefannt blieben. Dr. Danhoeffen, der fihb während der Expedition fpeciell mit den Medufen befchäftigte, berichtet, daß von den großen Scheibenquallen (Ucrajpedoten) I4 Gattungen mit 2] Arten erbeutet wurden, unter denen 5 Gattungen und I Arten neu find. Wir haben allen Anlaß, wie jchon Hädel vermutete, die durch ihre purpurmen, violetten oder bräunlichen Töne ausge- zeichneten Gattungen Atolla und Periphylla ($. 250) als echte Tieffee-Mtedufen auf- zufaffen, zumal da wir ein junges Eremplar der Periphylla regina in einem Schließ- nebzuge aus 1500-1000 m erbeuteten. Die alten großen Eremplare der Atolla fcheinen fich mehr in der Mähe des Grundes aufzuhalten, da fie bisweilen in erfledlicher Siphonophoren. Ctenophoren. >45 Hahl mit den Schleppnet erbeutet wurden. Diefe pradhıtvollen Formen fejjelten nicht minder unfer nterefje, als durchfich- tige oder rot und tief braunpiolett gefärbte Dertreter der Schleter- quallen (Craspedoten), von de- nen eine ganze Anzahl neuer | Arten und Gattungen häufig 7 in die Üebe gerieten. Wie fhon Studer bei Ge- legenheit der Gazelle-Erpedition nachwies, jo gehören auch einige Gattungen und Familien jener wunder- baren Kolonien von Shwimmpolypen (Siphonophoren) zu den echten pelagifchen Arolla n.sp. Dertifaineg bis 2000 m. Nat, Größe. Tiefenformen. Dies betrifft namentlich die Rhizo- a era phyfen, welche, wie bei früheren Erpeditionen, fo auch bei der unfrigen häufig an der Sotleine und am Dredfchfabel in größerer Tiefe fih verfingen. Ihr Stanını Fann enorm lang ausgezogen werden: wir haben einmal eine Rhizophyfide von 4 m Känge gemejfen. Seider gelang es uns nicht, Dertreter der vom „Challenger“ erbeuteten Auronectiden aufzufinden, dafür aber wurden wir mehrmals auf neue Formen von Phyfophoriden aufmerffam, die wiederum durch ihren dunfel-violetten Ton fich auszeicneten. Eine freudige Überrafhung war es für uns, daß wir auch aus der Klafje der Rippenquallen (Ctenophoren) formen erbeuteten, die als echte Tieffeeorganismen in Anfpruch zu —E nehmen find. Da es die erjten Tieffee-Cteno- 5 { - JZ Rs EI phoren find, die überhaupt befannt werden, fo x We “ N fet erwähnt, daß wir fowohl im Atlantifchen wie Indifchen Dcean eine Mlertenfte auffan- den, deren abgeplatteter Körper 4—5 cm breit wird und fich durch ein mildhig getrübtes Kolorit und durh einen jchwärslich-violett gefärbten Magen auszeihnet. Er läuft in eine breite Mundöffnung aus, deren dunkle Sippenränder bald feit aufeinander gepreßt, bald breit vorgewulftet werden. Die [tenophoren, welche wir in abgefühltem Waffer zu halten verfuchten, Fa= Ctenophore aus der familie der Mertenfien. Dertifalneg bis 2500 m. Atlant. nnd Indijcher Ocean. nen itets jtarf seihwädht an die Dberfläche; ihre Thun, Aus den Tiefen des Weltmeeres. Zweite Auflage. %%) N \ Holothurien. \\ 8% Schwimmplätthen waren zwar noch im Bewegung, x aber niemals entfalteten fie ihre Fangfäden. Ein- mal erbeuteten wir in einem leider ftarf verlegten Ereniplare eine blutrote [ydippide von cylindri- fcher Geftalt, deren Ntagen dur feinen fammet- fhwarzen Ton auffiel. Es ift bemerfenswert, daß bei diefen feltenen Etenophoren jene violetten \ a und fchwärzlichen Töne wiederfehren, welche den Tieffeemedufen eigentümlich find und den Dberflähenformen — foweit wenigjtens die I Br 2 De Ba Brenz „ BB -analjvlaog AaQ uoa ‘yy WSrapn elnmost]a _“ Ltenophoren in Betracht Fommen — durchaus fehlen. Eine der interefjanteften Entdeckungen der unter der Keitung von Agaffiz ftehenden Al- batroßg-Erpedition an der pactfifchen Seite der amerifanifchen Küfte war der Hachweis von fhwimmenden Echinodermen aus der Klaffe der Seewalzen (Holothurien). Prof. Ludwig hat diefelben an der Hand der Skizzen von -Jspaagadsnd uyuofiioh aqıalpliunarp Agaffiz und der freilich fehr unvollfommen Fonfervierten Eremplare als Pelagothuria be- fchrieben. Schon in dem Atlantifhen Dcean ae wurden wir auf die Jugendformen diefer Holo- thurte aufmerffam, doch gelang es uns erjt im -uvaao aalphıquf aapuiaogonbrr N Indifchen Deean — namentlich auf der Fahrt & j von den Seychellen zur oftafrifanifchen Küfte —, = h die gefchlechtsreifen Tiere zu erbeuten. ch Fann g N Pi verfichern, daß es Faum eine zartere und dabei glanzvollere Erfcheinung unter den pelagifchen c Tieffeetieren giebt, als diefe auf den erften Blick "u 000 an eine Medufe oder an eine Seeanemone er- innernde Holothurie. Der weiche gallertige Kör- per, welcher der für die Echinodermen typifchen Kalfförper entbehrt, ift leicht vofa gefärbt und 2 i nur das Hinterende zeigt einen dunfleren, violetten Ton. Daß es fich un eime echte Tiefenforn han- delt, welche freilich auch der Oberfläche nahe Fonmen 19a Hıuam Pelagothuria. BY Ta fann, lehrt ihr Auftreten in einem Schließnesfang (bei den Seychellen) aus I000 bis SOO m. Da die bisherigen Abbildungen eine nur ungenügende der von diefem wunder- baren Organismus geben, jo mögen die Sfizzen, welche ich nad) dem lebenden und in abgefühltem Wafjer gehaltenen Eremplare fertigte, dem Kefer vorgeführt werden. Zum Derjtändnis derfelben jet bemerkt, daß der auffälligite Charakter unferer Holothurie in der Ausbildung einer mächtigen Schwimmfceibe liegt, die von I2 Tentafeln durd- zogen wird. Sie find fymmetriih um eine Mledianebene angeordnet, welche mit dem langgezogenen Mundihlis zufammenfällt. Die feitlichen Tentafel übertreffen die übrigen an Känge und mejjen bei großen Eremplaren 8 cm. Innerhalb des Tentafelfranzes der Schwimmfcheibe fteht ein zweiter Kranz von Fürzeren fühlern, welhe an ihrem Ende fih in Furze Kiemenbäumchen gabeln. Ihre Zahl jtimmt nicht mit derjenigen der Tentafel überein, infofern fte Fonjtant 14.beträgt. Sie find gleichfalls fymme- trifch verteilt und durch wei- he Gallerte mit den 12 Tentafeln verbunden. Die von beiden Krän- zen umjtellte Mtund- fcheibe weift eine zwar gelegentlich rundlich verbreiter- te, meift aber in der Ruhelage fhlis- förmig geftaltete Mundöffnung auf. Der Dorderdarm gebt in einen fchleifenförmig gebogenen Mitteldarm über, dem ein amı hinteren Körperende ausmündender Enddarnm folgt. Der Darm war jtets mit einer gelbbraumen Mafje erfüllt, die jich bei mifroffopifcher Unterfuchung als Pelagothuria Ludwigi Ch. sıno ) 2] ’ Pro ee Anfammlung von Nadiolarien Schwimmjcheibe zurüdgefchlagen. Wenig über nat. Größe. 5r o1 RS [0 0) Pelagothuria. Pelagothuria vem Mundpol gefehen mit ausgebreiteter (nur teilweife dargejtellter) Schwimmfcheibe. (Phäodarten), Globigerinen- und Diatomeenfchalen erwies. Auf jener Körperfläcde, die man als Rüdenfeite zu bezeichnen pflegt, fchimmerten zwei helle Keimdrüfen durch, welche vielleicht neben dem Steinfanal (der Ausmündung des fogenannten Ambulacral- gefäßfyftens) auf einer langgezogenen Papille münden. Sie wird bei der indischen form von zwei Paaren Furzer Fühler unfäumt, die fih wie Umbulacralfüßchen aus- nehmen. Würmer. Cruftaceen. 94) Harte Sängsmuskelfafern und Kängsnerven verftreichen tiber die Tentakel und Kiemenfühler. Die Uerven der Ietteren gehen von einem Üervenring aus, welcher die Nundfcheibe umkreift; diejenigen der Tentafeln entfpringen in ftreng fymmetrifcher Derteilung aus vier Radiärnerven der hinteren Körperregion. Bei ruhigem Schweben wird ftets der Mund nach oben gewendet. Die Schwimm- fcheibe, gebildet aus den I2 Tentafeln und der fie an ihrem prorimalen Teile ein- fäumenden zarten Ballerte, wird bald horizontal ausgebreitet getragen, bald gegen den wurmförmigen Binterförper eingefchlagen. Die Bewegungen gefchehen jo langfam, daß Feinesfalls (hierzu ift auch die Mlusfulatur viel zu zart) durch) pumpende Be- wegungen nach Art der Medufen eine Drtsveränderung erfolgt. Die indifche Art zeigt fo auffällige Derfchiedenheiten von der pacififchen, daß die- felben nicht allein auf Rechnung ungenügender Beobahtung zu fesen find. Sie mag daher, dem Begründer der Gattung zu Ehren, den Uamen Pelagothuria Ludwigi tragen. Unter den Würmern fehlten niemals im Jnhalt der Tiefennebe große Pfeilwürmer (Sagitten) mit gelblichem oder rotem Darnı. Seltener waren prächtig rot oder orange gefärbte Typhlofcoleciden, während im antarf- tischen Gebiete prachtvolle durchfichtige Tomopteriden von faft Finger- länge mit rofa gefärbten Sußftummeln (Parapodien) beinahe mit jedem Tiefenzug an die Oberflähe gelangten. Angenehm überrafchte uns auch das Wiederfinden der pelagifch lebenden Dertreter von Hemertinen. Don diefer, font nur auf dem Nteeresboden lebenden Wurmgruppe, befchrieb eirier der Teil- nehmer an der Challenger- Erpedition, NMTofeley, nad ju- gendlihen Eremplaren die von ihm als Pelagonemertes bezeichnete, flottierende Gattung. Da fie in mehreren wohl- erhaltenen Eremplaren vorliegt, deren verzweigter Darm rot oder orange gefärbt war, dürfen wir eine Reihe neuer Auf- fhlüffe bei eingehender Unterfuhung erwarten. Eine Armee von Iruftaceen durchfchweift die tieferen Wafjer- fhichten. Stets hungrig und beutegierig, erwehrt fie fich mit Dornen und Kanzen der Angreifer, ftöbert mit übermächtigen Fühlern und Augen — bisweilen freilich auch blmd — ihrer Beute nad, loct die Opfer mit Blendlaternen an und packt fie mit in Scheren oder Spießen auslaufenden Raubfüßen. a Re ee Db unter den niederen Kruftern, fpeciell den Xüffet ift ausgeftredt; die im eben hochrot ge- färbten Zweige des Darmes treten deutlich hervor. Copepoden, die ja unfere Schließnesfänge Dis %. Tiefen des Atlant. und Indifchen Oceans. 990 zu den größten Tiefen lebend nachwiefen, ty- pilche Tiefenformen vorfommen, muß erjt die genauere Sichtung des Materials lehren. Sedenfalls wifjfen wir, daß von den Fleimen ANufchelfrebfen (Dftracoden) eine Drönung, nämlih die Halocypriden, als echte pelagifche Tiefenformen aufzufaffen find, infofern fie eine Nüdbildung der Augen erfahren haben und unter normalen Derhältniffen die Oberfläche meiden. Unter diefen trafen wir wahre Riefen von über | cm Größe an. Dor allen Dingen fejjelt eine von MW. Müller als Gigantocypris befchriebene Gattung, deren Fugelig geftaltete Anficht von vorn mit den perlmutterglänzenden Organen. Seitenanficht mit durchfchimmernden O®varien und langgezogenen £eberjchläuchen. Gigantocypris Müll., Riefenform eines Oftracoden, Tiefen des Atlant. und Indifchen Oceans. "ı. Schale prächtig orange gefärbt ift, durch die wunderliche Ausrüftung mit perlmutter- glänzenden Nefleftoren an dem Kopfabfchnitt. Da ich diefe abfonderlichen Gebilde nicht leuchten jah, fällt es einftweilen fchwer, fih Recenfhaft über ihre Funktion zu geben. Wir haben diefe Kiefen ihres Gefchlechts fowohl im Atlantifshen Dcean, wie auch im imdtfchen Gebiete bis zur oftafrifanifhen Küfte in identifchen Erem- plaren erbeutet. Erwähnt jei nur noch, daß eim ganzes Heer von Amphipoden der Tieffee Schizopoden. Br angehört. Häufig trafen wir auch hochrote oder fhwarzbraune Formen, die entweder eine auffällige Rüdbildung der Augen erkennen liegen, oder derjelben volljtändig entbehrten. Niemals verfehlte denn auch jener wunderbare, durchfichtige Amphipode, den fchon die Thallenger-Erpedition entdedte und als Thaumatops in die Wiffenfchaft einführte, die Aufmerffamfeit auf fih zu ziehen. Gelegentlih geriet er im geradezu riefigen Erem- plaren, deren auf der Stirnflähe zufammıenftogende Facettenaugen an Umfang von feinem anderen Arthropodenauge übertroffen werden, in die Hete. Als eine befonders typifche Ordnung von Tieflee-Lruftaceen find die Schizopoden aufzufaffen. Unter ihnen Fonmen namentlich die Dertreter der Euphauftden-Gattungen Nematoscelis und Stylocheiron von etwa S0OO m Tiefe ab in enormen Schwärmen vor. Wir haben fie vielfah in unferen Schliegnesen zwifhen A000 und 2000 m nachzuweifen vermocht, und thatfählih aeben denn auc diefe räuberifh lebenden N Krufter mit ihren gewaltigen, in Scheren oder Stilette auslaufenden SEN Raubfüßen, mit ihren monjtrös verlängerten Fühlern, mit ihren N Nematoscelis mantis Ch. Tiefen des Iltlant. und Indischen Oceans. $/ı. prachtvollen, zweigeteilten und für das Sehen im Däntmerlicht eingerichteten Augen, und endlich mit ihrer Ausrüftung von Leuchtorganen bejonders charafterijtifche Tiefen- formen ab. Ein intereffantes Ergebnis der Challenger-Erpedition war der Nachweis von Kiefen- formen der Schtzopoden, welche als Gnathophausia bezeichnet wurden. Es handelt fich um blutrote Schizopoden (ein Dertreter derfelben ijt auf der lithographierten Tafel dar- geftellt), deren wir eigentlich bei Befprehung der Grundfauna bereits hätten Erwäh- nung thun follen, weil fie offenbar mit Dorliebe fich dicht über dem Mteeresboden auf- halten. Wenn wir ihrer hier erjt Erwähnung thun, fo gejhhieht dies auf Grund der Thatfahe, daß wir fie mehrmals mit dem Dertifalnes IOOO oder 2000 m über dem Mteeresgrunde fhwebend auffanden. 352 Sergeftiven. Decapoven. Recht charakteriftifche Dertreter der pelagifchen Tiefjeefauna find jene zehnfüßigen Krufter, die als Serge En iden bezeichnet werden. Sie mangelten niemals in den Dertifal- neben, fobald diefelben in anfehnlichere Tiefen herabgelaffen wurden; auch haben wir bereits Anlaß genommen, zu erwähnen, daf zu Dertreter derfelben fih in einem Schliegneßfange aus SO00O—4000 m vorfand. Die Augen find bei ihnen felten rück- gebildet, und dabei überrafhen die Sergeftiden a die monftröfen Fühler, die den Körper um das Schn- bis Swanzigfahe an Länge überbieten. Ebenfo müffen wir der pelagifchen Tiefenfauna einige große zehnfüßige Krufter (Decapoden) zurechnen, die den Gattungen Acanthephyra und Notostomus angehören. Einen Dertreter der letstgenannten Gattung haben wir gleichfalls auf der Tafel dargeftellt, um die prächtige, blutrote Färbung zu illuftrteren. Eime ganze Neibe neuer Arten diefer prachtvollen Krufter geriet im unfere UÜete. Die Gattung wurde erft durch die Erpedition des „lbatroß" befannt und bisher der Grundfauna zugerechnet. Dasfelbe gilt für einige Dertreter der bImden Eryoniden. Sie gehören der Gattung Eryonicus an und zeichnen fih vor ihren auf dem Grunde lebenden Derwandten, den Pentacheles- und Wille- moesia-Alrten, dadurch aus, daß der rot oder mildhig gefärbte Körper in Anpafjung an die flottierende Kebensweije ballonförmig aufgetrieben tft. Die in größeren Tiefen flottierenden MollusFen weifen namentlich unter den Flügel- fchnefen oder Pteropoden eine Anzahl von Formen auf, welche fowohl durch ihren Bau wie durch ihre Größenverhältniffe feifeln. Unter den durchfichtigen, Fielfüßigen Cranchia scabra Owen. NMontentaufnahme n.d. eben, Nat. Größe. Golf von Guinea. Dertifalnet bis 5500 m Cephalopoden. Spirula. © Raubjchnefen (Heteropoden) fei nur auf ein Monftrum aus der Battung Carinaria hingewiefen, das nady dem Derlaffen von Keylon mit dem Dertifalnete gefangen wurde. Es mift 52 cm und marfchiert fomit, was Dimenfionen anbelangt, an der Spiße der Drönung. Befonders reih war die Ausbeute an pelagifh lebenden Tinten- fifchen (Cephalopoden), fobald wir die Hete unterhalb IOOO m herab- liegen. Manche diefer oft vecht zarten und durchfichtigen Formen jmd unter den bisher befannten Gattungen nicht unterzubringen. Da wir 2 1 > noch Gelegenheit nehmen werden, auf einige derfelben wegen ihrer biolo- Bar sifhen Eigentümlichfeiten binzuweifen, mag die beiftehende Aloment- aufnahme den Habitus diefer wundervollen Organismen verfinnlichen. Sie betrifft die Cranchia scabra, welhe Dwen nad einem jugendlichen Eremplar befchrieb. Da bisher von den feltenen Lranciaden faft nur Fleine Jugendformen befannt geworden waren, hat unfer Fund des großen erwachfenen Tieres um jo mehr nterefje erregt, als es fih um eim Mlänn- chen handelt, dejjfen vierter rechter Arnı zum Hefto- Fotylus (Begattungsarm) umgebildet tft. Überhaupt wird die Kenntnis der Cranchiaden h durch die Entdekung mehrerer neuer Gattungen, von denen wir bereits einige im Bilde vorführten ! (S. 252), wefentlich gefördert. Die nebenftehende Heihnung giebt den Habitus einer Form wieder, welche durch die pfeilförmige Geftalt und durch die geftielten Augen befonders auffällt. Als pelagifh lebender Lephalopode dürfte a, denn auch einer der Foftbarften Funde der Ne Erpedition, nämlich die im Süd-Mias-Kanal Keiee lebend erbeutete Spirula zu gelten haben. Sie a hing in den Mafchen des bis 594 m herab- (bei der Cocosinfel). gelaffenen Trawl (5. 59%). Dasfelbe hatte Wa indeffen den Grund nicht erreicht und enthielt außer der Spirula noch eine Atolla und einen pelagifch lebenden Tieffeefifch. Unfer Eremplar zeigt am hinteren Körperende deutlich einen Teil der pofthornförmig gefrümmten Schale und den merfwürdigen, a uengeez) einem Saugnapf gleichenden Fortfas. Ein treffliher alter Be- Spirula, fchräg von der Dentral= a N 5 . . N) feite. Crawl bis 594 m. obadhter, Rumpbhtius, befchreibt ICODS in feiner „QAlmboin’fche Süd-Nias-Kanal. Ba‘ Um ein Diertel vergrößert. Rariteitfammer" das erfte, freilich ftarf zerfeste Eremplar der 554 Riefenform von Appendicularien. Spirula und fpricht bei diefer Gelegenheit die Anficht aus, daß fie an den Felfen feft- hafte. Spätere Beobachter betrachten denn auch den genannten Fortfat geradezu als einen Saugnapf. Seine Struftur gleicht indeffen fo wenig den an den Armen der Lephalopoden vorfommenden gleichnamigen Bildungen, daß ich vermute, es möge fich eher um den als Roftrum bezeichneten, bei fofftlen Cephalopoden oft mächtig entwidelten Fortfab der Schale handeln. Aus dem Typus der Manteltiere oder Tunicaten fanden wir zwar bisweilen im Inhalte der Schliegnege Salpen und Dertreter der Gattung Doliolum, doc; erwiefen fich m Ddiefelben als Arten, welche bereits von der Oberflähe befannt waren. de N \ Auch ift es fraglich, ob die durch ihr herrliches Leuchten ausgezeich- SER ) neten Feuerwalen oder Pyrofomen in einzelnen Arten auf größere \ Tiefen befchränft find. Jaft möchte man es vermuten, da im n- = +. difchen Dreean das Trawl bisweilen einen Brei rötlicher Pyrojomen an f die Dberfläche beförderte. Sicher aber ift es, daß von einer Tunicaten- Klaffe, die durchaus pelagifch lebt, nämlich den Appendicularien, Dertreter erbeutet wurden, die niemals an der Oberfläche zur Beobadı- tung gelangten. Wenn man bedenkt, daß es fih um fleine Organis- / | men handelt, zu deren Studium wir jtarfe Dergrößerungen anwenden | | müffen, fo fann man jich wohl die berrafhung vorftellen, die uns durch das Erbeuten zweier vollendet durchfichtiger, farblofer, 84, cm | | großer Riefeneremplare von Appendtcularien bereitet wurde. Die \ größte bisher befannt gewordene Appendicularie ijt der Megalo- { cercus abyssorum, den ich früherhin in den Tiefen des Mlittelmeeres auffand: er ift ein Swerg im Dergleiche mit diefen Pracdtformen, RE 4 die in zwei Eremplaren bet der Amnäherung an das Kapland ich vurhochordaeus Charon Ch in dem bis 2000 m herabgelafjenen Dertifalnese fanden. Da die Nat. Gr. Südatlant. Ocean. x L 3 Dertifalnet bis 2500 m. Entdefung diefer Riefenformen das Intereffe der Soologen in be- beiftehender Abbildungen Flarzulegen. Jede Appendicularie fett fih aus zwei fcharf getrennten Regionen, nämlich dem Rumpfe und dem Ruderfchwanze zufammen. Der Rumpf erreicht bei den an der Ober- fläche lebenden Formen die Größe eines Stecdnadelfopfes, bleibt aber bei den Fritil- larten fo flein, daß er Faum mit unbewaffnetem Auge Fenntlich ift. Unfere Riefenform befist einen nußgroßen Rumpf von 25 mm Fänge und I) mm Breite, der in der Kich- tung vom Rüden zum Bauch Fomprimiert ift. An der Bauchfeite des hinteren Rumpf- abjhnittes fest fih der Nuderfehwanz an, der Tcm lang und mit feinen mächtigen FSloffenfäumen 5 cm breit wird. jonderem Mafe erwecte, fei es geftattet, ihren Bau etwas eingehender an der Hand Bau von Bathochordaeus Charon. 555 Don den inneren Drganen überfchaut man den gegliederten Darmitraftus in feiner ganzen Ausdehnung mit bloßem Auge. Er bejteht bet allen Appendicularten aus einem refpiratorifchen Kiemendarm und aus dem verdauenden Abjchnitt. Bet unferer Art zeigt der refpiratoriihe Abfchnitt infofern ein abweichendes Derhalten, als der mit £ 7: 2 ee EEE jr 1 4 H ; \ P n n I { 1 je ! 4 Fr N 1 } | | ; { ! £ a N 2; u i S Q N (Rübsaamen gez.) Bathochordaeus Charon. Ch. 41. Rumpf von der Dorfaljeite. Buchftabenerflärung f. im Cert. zwei Kiemenfpalten ausgeftattete Kiemendarm (27) ungewöhnlih Flein, der darauf folgende Schlunddarm oder Dfophagus (m) ungewöhnlih groß entwidelt it. Er führt itarf verengt in den mit einem gewaltigen linfsfeitigen Keberfad (Aep) ausgeftatteten Magen, welher fih von dem Darme nur wenig abfest. Der Enddarm biegt in fharfem Knik gegen die Mütte der Bauchflähe um und mündet unterhalb der 556 Ban von Bathochordaeus Charon. Anfastelle des Ruderfhwanzes durh den After (ar) aus. Einige Bemerfungen über den Kiemendarnı (27) mögen zur Erläuterung der in der Figur angedeuteten Derhält- niffe dienen. Der dorfal gelegene Mund tft auffällig Flein im Dergleiche mit den beiden auf der Bauchfeite in Geftalt langgezogener Schlite gelegenen äußeren Kiemenfpalten (s2). TE, Diefe münden in weite tafchenförmige Kiemenfäde ein, 43 N welche vermittelt innerer Kiemenfpalten (sp) den \ Dorderdarm durchbrechen. In einer ventralen Aus- | fafung des letteren liegt der allen Tunicaten zu= on Pr N Fommende Endoftyl (en) als Centrum des zum Y Gen v / j Berbeiftrudeln der Hahrung beftimmten Appa- rates. Don ihm verlaufen drei Flimmerleiften zum Dfophagus und zwei nad) vorn zur Mtund- Age öffnung. Auch die fchlisförmigen Offnungen der Kienenfpalten werden von flimmernden Bändern umjäumt. Don fonftigen Organfyftemen fei nur Furz des afynımetrifh nah rechts verfhobenen Hirngan- glions mit der angrenzenden Geruchsgrube (0/f) und des ventral gelegenen Herzens (c) gedacht, defien lebhafte Pulfationen man mit bloßem Auge zu erfennen vermag. Kine anfehnlid entwickelte An dent Ruderfhwanze fällt vor allen Dingen j der auch den niederen Wirbeltieren zufommende | Sfelettftab, die Chorda dorsalis (ch), auf. Sie tft fo dief wie die Chorda der Heunaugen und wird von zwei mächtigen WMlusfelbändern (mx) in Be- wegung gefeßt. Die Appendicularien fcheiden zarte Gallert- Gebäufe ab, die fie freilich leicht zu verlaffen ver- SR Be an nn a mögen. Auch unferer Form dürfte ein Gehäufe (Rübsaamen ge.) zufommen, da die vordere Dorfalflähe des Kör- pers mit einem Drüfenpoliter belegt ift, das im Umkreis des Mlundes vier wie Schnurrbärte geftaltete Wülfte bildet. Wir haben die Gehäufe nicht erbeutet; da fie im Dergleiche zu dem Körper fehr groß find, fo dürften fie in unferem Falle einem Kürbis an Umfang nicht nadjtehen. Wenn auch die hier dargeftellte Niefenform manche eigentümlihe Hüge aufweit, Pelagifhe Tieffeefiiche. die uns berechtigen, fie zu einer neuen Gattung zu er- | heben, jo dürfte doch die Erwartung, daß fie ungeahnte 1 Auffhlüffe über die Beziehungen der Wirbelttere zu nie- | deren Formen gebe, nicht in Erfüllung gehen. Sie erweilt \ fich in jeder Hinfiht als echte Appendicularie, und Feines ihrer Organfyiteme fällt auffällig aus dem gewohnten Rah- men heraus. Was die pelagifch lebenden Tieffeefifche anbelangt, jo glauben wir uns wohl Faum einer Übertreibung fhuldig zu machen, wenn wir jagen, daß eine ganze Welt von neuen Formen durch die Anwendung der Dertifalnete entdeckt wor- den ift. Der Bearbeiter der Fifche, Dr. Brauer, teilt mir mit, daß dtefelben nicht weniger als ISO Arten angehören, unter denen ein auffällig großer Teil mit bisher befannt ge- wordenen nicht zu identifizieren tft. Ste gehören meift den fa- milten der Scopeliden (Myftophiiden), Stomiatiden, Kophtiden und Muräniden an. Es ijt indeffen weniger die große Hahl von neuen Arten, Gattungen und felbjt Familien, die hier überrafcht, denn die wunderbare, oft monjtröfe Geftalt und die höchit eigenartigen Anpafjungen an den Aufenthalt in unbelichteten Tiefen, welche diefelben erkennen lafjen. Mleift find fie fhwarz und fast ftets mit Keuchtorganen ausge- jtattet; in feltenen fällen find fte filberglänzend oder bunt gefärbt. Da uns die merfwürdigen Anpaffungen der ganzen Körpergeftalt an eine räuberifhe Kebensweife in der Tieffee noch in einen anderen Sufammen- hbange befchäftigen werden, fo fet hier nur darauf bingewiefen, daß unfere Kenntniffe über dte Bio- logie diefer Organismen infofern eine wichtige Bereicherung erfahren haben, als wir mit aller Schärfe den Hachweis führen Fonnten, daß viele bisher für typifhe Grundbewohner gehaltene Formen pelagifhe Kebensweife führen. Dies gilt namentlih für eine Anzahl von Tieffee- Aalen und Kophiiden, deren wir einige im Bilde vor- führen. Die Phantafie eines genialen Teniers ver- möchte Faum bizarrere Monjtra auf die LTeinwand zu zaubern, als fie hier unter den Kophiiden uns Brauer gez g © Ss ae in =] a 2 a er Eu Es & 3 [1 Megalopharynx longieaudatus n. gen, n. sp, Brauer ($am, E Dertifalnet in 5500 m. Golf von Kuinea, 908 Pelagifche Tieffeeftfche. (Winter gez.) Pelagifch lebende Tiefjeefijche. a Melanostomias melanops n. gen. et sp. Brauer ($am. Stomiatidae). Indifcher Ocean (bei Atjeb). Tram! bis [024 m. Wenig verkleinert, 5 Gigantactis Vanhoeffeni n. gen. et sp. Brauer ($am. Ceratiidae). Ind. Ocean (öftlich von Sanfıbar). Dertifalneg bis 2500 m. Nat. Größe, c Cryptopsaras Couesi (?) Gill. (Sam. Ceratiidae). Golf von Mden. Tram! bis 1840 m. Wenig verkleinert. d Melanocetus Johnsoni G. ($am. Ceratiidae). Golf von Guinea. Dertifalnet bis 4000 m. Momentaufnahme nach dem £eben, Wenig verkleinert. e Melanocetus Krechi Brauer n. sp. Jnd. Ocean (weftlich von den Seychellen), Momentaufnahme nah dem £eben. Nat. Größe, vorliegen. Diefe Dertreter der Gattung Melanocetus, die wir in mehreren neuen Arten auffanden, wurden von früheren Forfchern, fpeciell auch von dent be- rühmten chthvologen Günther, für fo typifhe Bewohner des Tieffeefchlammes gehalten, daß fie geradezu in populären Werfen als in den Schlamm eingegraben dargeftellt werden. Wir haben fie durchweg pelagifch lebend, und zwar oft mehrere Taufend Mieter über dem Mleeresgrunde flottierend erbeutet. in welche Tiefen diefe Fiihe hinabfteigen, ift bis jebt fehr Schwer zu fagen; fie entfliehen den Schließnebten, und nur die gemeinften aller diefer Formen, nämlich die Dertreter der den Scopeliden Pelagifche Tieffeefiiche. 999 zugehörigen Baftung Cyclothone, jind auch in unferen Scliefnesfängen aus Tiefen von IE0O0— 600 m vertreten. Durch Unterftrömungen oder auf fonftigem Wege Fönnen gelegentlich folche pelagifche Tiefenformen pafjiv in oberflählihe Wafferfchichten geraten. So ift 3. B. einer der bizarriten Dertreter der Tiefenaale, nämlich der Säccopharynx am- pullaceus, bis jest nad nur fünf Erenpla- (Winter gez.) ren befannt ge- worden die in N Wenig vergrößert. Südatlant. Ocean. 1000 m. + Dactylostomias ater n. sp. Brauer ($am. Stomiatidae). bilflofer Sage an der Oberfläche trieben. Damit indefjen der Kefer fich ein Urteil über diefe monftröfen Tiefenaale mit ihrem gewaltigen Maul und dünnen Körper bilde, führen wir ihm den Dertreter einer neuen Gattung, Megalopharynx, vor. Er wurde im Suinea-Golf mit dem in 5500 m herabgelaffenen Dertifalnet erbeutet. Macrostomias longibarbatus n. gen., n. sp, Brauer. (Sam. Stomiatidae.) Golf von Guinea. 1880 m. Nat. Größe. Befitt ein Leuchtorgan unter dem Auge, 18 Organe zwijchen den Kiemenhauts ftrahlen und jederfeits I4G Organe in der lateralen Reihe und 179 Organe in der ventralen Heihe. (Winter gez.) XXIV. Hur Biologie der Tiefleeorganismen, ID" hatten es im Derlaufe unferer Fahrt mit vier Meeresgebieten zu thun, die entjchieden in der Sufammenfesung ihrer Fauna gewilfe Eigentümlichkeiten aufwiefen. Dies war einerfeits das von uns nur in feinem Außerften füdlichen Mus- läufer, nämlich in der Faröer-Shetland-Rinne, berührte arftifche Gebiet, weiterhin die atlantifche, antarftifhe und indische Region. Der wohldurchforfchte Atlantifche D- ean hat, foweit die Grundfauna in Betracht fonmt, nur eine relativ geringe Anzahl neuer Arten geliefert. Infoweit die bisher befannten Formen in Betracht Fommen, verftärfen fie die Uuffaffung, daß die Grund- fauna des Atlantifchen Dceans gewifje einheitliche Süge erfennen läßt: Arten, welche bisher nur von der amerifanifchen Seite befannt waren, tauchten auch längs der weit- afrifanifchen Küjte wieder auf. Die Derhältniffe ändern fih mit dem Eintritt in das antarktiihe Gebiet. Was namentlich die bei der Boupet=nfel erbeutete Tieffeefauna anbelangt, fo laffen fchon jet die Berichte der einzelnen Bearbeiter erfennen, daß eine ungewöhnlich große Zahl neuer Formen diefen Gebieten eigentümlih tft. Namentlich werden die dort fo reich vertretenen Alnthozoen, ste nicht weniger als T Gattungen angehörigen Seefterne und die zu I Arten gehörigen Schlangenfterne nebft den dort erbeuteten Kruftern fich für ttergeograpbifhe Betradhtungen als wichtig erweifen. Was endlih den Indifchen Ocean anbelangt, fo haben wir bereits Gelegenheit ge funden, darauf hinzuweifen, daß die Fauna des Mlentawei-Bedens, wie dies auch von vornherein nicht anders zu erwarten war, mannigfache gemeimfame Süge mit der im Golf von Bengalen durh den „Inveftigator" erbeuteten aufweift. Dies gilt teilweife N aud für dte im centralen Indischen Dcean und längs der oftafrifanifchen Küjfte er- beuteten Organismen. Immerhin hat gerade das leßtgenannte Gebiet eine wahre berfülle neuer und eigenartiger Formen geliefert. Denn es fih nun auch nicht in Abrede ftellen läßt, daß jedem der genannten vier großen Gebiete eine Anzahl von Formen eigentümlich find, fo Fann doch andererfeits nur mit Hachdruf darauf hingewiefen werden, daß zahlreiche bisher nur aus dem Atlantiihen Ocean befannt gewordene Formen in den Indischen übergreifen. Keinesfalls q Konvergenz zwijchen arftifchen und antarktifchen Arten. D61 bildet Südafrifa eine ftarfe Scheidewand zwijchen diefen beiden großen Befen. Wir haben fchon früherhin (S. IC5) Anlaß genommen, auf die bemerfenswerte Mifchung atlantifcher, indifher und antarftifcher Formen auf der AUgulhas-Banf hinzuweifen. Es wäre im Hinblid auf das reiche, Faum erjt den Bearbeitern überwiefene Material verfrüht, wenn wir jest fchon eingehender die Frage erörtern wollten, inwieweit wir berechtigt find, den genannten vier Beden eigentümliche abyjjale Formen zuzuschreiben und fie als tiergeographifhe Tiefenregionen zu unterfcheiden. Ebenfowenig vermögen wir jest fhon die in der Heuzeit vielfach erörterte Frage nach der Konvergenz der arftifchen und antarftifhen Arten zu einem endgültigen Aus- trag zu bringen. Es läßt jih nicht leugnen, daß in der antarftifchen Region Formen wiederfehren, die eine auffällige ÜhnlichFeit mit den arftifchen aufweifen. Dies be- trifft nicht nur die einzelmen Arten, fondern auch den Gefamtcharafter der Fauna. Es jind freilich einftweilen nur wenige Arten nambhaft gemacht worden, welche in identi- fhen Eremplaren dem Norden und Süden zufommen jollen. Db diefe Identität bei genauerer Prüfung des Mlatertales aufrecht erhalten werden Fann, ift immerhin frag- lih. So ähnelt — um nur ein Beifpiel anzuführen — die bei der Bouvet=nfel von uns erbeutete Umbellula (S. 185) auffällig der arftifchen Umbellula encrinus, unter- fcheidet fihh aber doch durch die Geftalt und Anordnung der Polypen fo finnfällig, daß fie von Küfenthal als eine Darietät mit der Bezeichnung antarctica aufgeführt wird. Bei anderen Gruppen, deren Derbreitungscentren in den beiden polaren Gebieten liegen, gehen die Unterfchiede noch weiter. So find — um wieder an früher Erwähntes (S. 189) anzufnüpfen — die Arkturiden der antarftifchen Kegion nach) den Unterfuhungen von zur Strafjen durchweg fo verfchieden von den arftifhen Derwandten, daß für fie die neue Gattung Antarcturus begründet wurde. Dorausfichtlih werden die Anfichten der Beobadhter auseinander gehen, ob die un- beftreitbare Konvergenz lediglich der Ausdruf gleichartiger Eriftenzbedingungen: tft, oder ob fie auf einen verwandtichaftlichen Sufammenhang hinweift, der die antarktifchen und arftifhen Tiefenformen gewiffermaßen als die Glieder einer großen familie er- fcheinen läßt, dte durch mißliche Derhältnifje auseinandergeriffen wurden. Wenn es fih nun nahweifen läßt, daß in den gewaltigen, über viele Breitegrade fich erftreden- den Swifchengebieten doch noch einzelne Refte von Familiengliedern fich erhalten haben, fo wird man die Konvergenz zwifchen arftifhen und antarftifhen Arten auf ein Über- wandern in der Tieffee zurücdzuführen fuchen. Kaffen fih imdeffen derartige Binde- glieder nicht nachweisen, fo wird man die von Murray und Pfeffer vertretene An= fiht annehmen, nah der urfprünglich eine einheitlihe Fauna den Grund des Meeres bis zu tertiären Seiten bedecte, die bei geänderten Erijtenzbedingungen in den äqua- torialen und gemäßigten Regionen fih gegen beide Pole hin zurüdzog. Chun, Yus den Tiefen des Weltmeeres, Sweite Auflage. 56 562 Einheitliher Charakter der pelagifchen Tiefenfanna. Was wir hier über die Grundfauna fagten, läßt fich durchaus nicht ohne weiteres auf die pelagifche Tiefenfauna übertragen. Als ein wertvolles Ergebnis unferer Er- peditton Fönnen wir in erfter Kinte den Nachweis bezeichnen, daß entfchteden die pela- sifche Tiefenfauna in allen Mleeresgebieten einen außerordentlich gleihmäßigen Charakter zur Schau trägt. Wir haben einen fo auffällig großen Bruchteil der pelagifchen Tiefen- fiiche in identifchen Formen fowohl inı atlantifchen, wie im antarftifchen und indischen Ateere erbeutet, daß man fchwerlih den Derfuh machen wird, die pelagifche Tiefen- fauna in einzelne tiergeographifhe Regionen zu gliedern. Was für die Fifche silt, trifft ebenfo für die Lephalopoden, Lruftaceen, Sagitten, Medufen und fonftigen cha- vafteriftifchen pelagifchen Tiefenformen zu. Wir verzichten darauf, dies an einzelnen Beifptelen zu belegen, und verfichern, daß folche fich überreichlich darbieten. Wenn mancde der intereffanteiten pelagifchen Tiefenformen nur in einem der genannten Gebiete zur Beobahtung gelangten, fo liegt dies wefentlich daran, daß es fi um feltene Organismen handelt, die überhaupt nur in wenigen Eremplaren in unfere Dertifalneße gerieten. Anders liegen nun freilih die Derhältniffe für dte pelagifhen Dberflächenformen und unter dtefen im erfter Kinte für dte auf belichtete Regionen angewiefenen afjimt- lierenden niederen Pflanzenformen. Sie reagieren fo fein auf die verfchtedenen Eriftenz- bedingungen in den einzelnen Stronigebieten, wie fie durch die Temperatur, den Salz- gehalt, das fpecifiihe Gewicht und vor allen dur die innere Reibung des Seewaffers bedingt werden, daß man fchon mit dem Mtifroffop an der Ünderung der Sufammen- feßung des pflanzlihen Planftons den Eintritt in ein neues Stromgebiet nachzuweifen vermag. Auch viele tierifihe DOberflähenformen zeigen diefelbe Empfindlichkeit gegen die Underung äußerer Bedingungen und erweifen fich als typifch für die einzelnen Strom- gebiete. Daneben aber giebt es eine Anzahl von periodifch an der Oberfläche erfchei- nenden Drganismen, welche gegen die Änderung in der Belichtung, der Temperatur und dem Salzgehalt in hohem Maße unempfindlich find. Sie erfcheinen zu ganz be- ftimmten Jahreszeiten mit einer überrafchenden Regelmäßigfeit an der Oberfläche, ver- mehren jich hier oft derart, daß fie fih zu dichten Schwärmen anftauen, um dann jo vafb, wie fie gefonmen find, auch wieder zu verfchwinden. Wenn man fie nun auch in den übrigen Teile des Jahres vergeblih an der Oberfläche zu erbeuten verfucdht, fo lehrt doch die Durchforfhung der tieferen Wafferfchichten mit feinen Heten, daß fie nicht fäntlih abjterben, fondern fih in Fühle Regionen zurückziehen. Über diefe früher von uns nachgewiejfenen Wanderungen in vertifalem Sinne vermag freilich eine von Tag zu Tag rafh den Drt ändernde Erpedition Feinen Auffhluß zu bringen; bier bleibt dent einzelnen Forjcher, der längere Seit hindurch an beftimmten Stellen das pertodijche Auftauchen und Derfhwinden der pelagifchen Oberflächen-Drganismen in Betracht zieht, ein weites und danfbares Feld für feine Bethätigung offen. Dertifale Wanderungen der pelaaifchen Fauna. 565 Inmerhin hat unfere Erpedition die Dorftellung verftärft, daß auch im freien Deean eine derartige Wanderung in vertifalem Sinne ftattfindet. Um dies Derhalten mit einigen Beifpielen zu belegen, jei erwähnt, daß wir in einem Schließneßzuge aus 1600-1100 m nad dem Eintritt in das Falte Gebiet zwifchen Kapftadt und der Bouvet-nfel eine typifhe Oberflächenform, nämlich die Salpa fusiformis, auffanden. Der Befund erregte ein fo lebhaftes, allfeitiges ntereffe, daß wir an demfelben Tage nochmals emen Scliegneßzug in gleicher Tiefe veranftalteten und wiederum die- felbe form im Inhalte des Hebes naczuweifen vermodhten. Ein anderes Beifptel entlehnen wir jenen prächtigen und duftigen Kolonien von Schwinmmipolypen oder Siphonophoren, welche in den warmen Stromgebieten des Atlantifshen Deeans in der zweiten Hälfte des Winters und im Frühjahr die Oberfläche bedecken. An den Kana- rifchen Infeln treten zu diefer Seit die Kolonien der Agalmiden, fpeciell die Gattung Crystallomia, in folhen Atengen auf, daß fte zu den gemeinften pelagifhen DOrganis- men gehören. Dergeblih wird man im Sommer und Berbite nah ihnen fuchen. Sie find indeffen nicht abgeftorben, fondern haben die tiefen Wafferfhichten aufaefucht, aus denen wir fie zu jener Seit, wo fte an der Oberfläche fehlen, mit unferen Dertifal- neßen im Guinea- und Süd-Ilquatorialftrom bervorbolten. Die vertifalen Wanderungen, welhe ein Teil der Oberflähen-Drganisnıen aus- führt, erflären es nun auc, daß pelasifche Organismen, die pertodifh an der Dber- fläche erfcheinen, eine Fosmopolitifche Derbreitung durch alle Mieeresgebiete gewinnen. Wenn wir felbjt früherhin geneist waren, die füdlich von dem Kaplande fi Fund- gebenden Strömungsverhältniffe als eine Barriere aufzufaffen, welche das Dordringen atlantifcher Formen in den Indifhen Dcean verhütet, jo ergiebt es fih nunmehr, daß dies Tediglih für jene Oberflächenformen der Fall ift, die thatjächlich niemals in das tiefe Waffer herabfteisen. Müfchen fie fi aber, fei es als Larven, fei es als aus- — gebildete Formen, der typifchen pelagifchen Tiefenfauna bei, fo werden fie durch den Austaufh des Tiefenwaffers in den einzelnen oceanifhen Bedfen mitgeführt und uni- verfell verbreitet. Endlich geben diefe Wanderungen in vertifalem Sinne den Schlüffel zum Derftändnis von Erfcheinungen ab, mit deren Erörterung wir wieder zum Ausgangspunft unferer Darlegung, nämlich der Frage nach den Konvergenzerfheinungen zwifchen arftifchen und antarftifchen Organismen zurücfehren. Die oberflähliche pelagifhe Draanisnıen- welt der Kaltwafjergebiete ift durchaus verfhieden von jener der warmen Stromgebiete. Yüdhts ift überrafchender, als diefe, wie mit einem Schlage erfolgende, radifale Underung in der Sufammenfesung des Oberflächenplanftons bei dem Übertritt aus dem Warm- wafjer in das Kaltwafjer. Wir erlebten dies felbjt, als wir zwifchen dem Kap uud der Boupetresion aus den lebten Ausläufern des Agulhasitromes in das antarftifche Kaltwaffergebiet eintraten. Da fehlten von dem Moment an, wo plößlihe Temperatur= 56* 964 Jdentifche arftifche und antarktiihe Arten. fprünge des Oberflähenwaffers die Einwirfung der Falten Region anfündisten, alle Drganismen, mit denen wir es monatelang bei dem Durchfahren der warmen Be- biete zu thun hatten. An ihre Stelle trat eine neue Kebewelt, mit der wir fo lange zu rechnen hatten, bis wir zwifchen den Kerguelen und St. Paul wieder in das Warm- wafjergebiet des Indifhen Dceans gelangten. Das antarftifihe Plankton ift erjtaunlich reich an verjchiedenartigen Formen, die zum großen Teil erft durch die Fahrt der „Daldivia” genauer befannt werden. mmer- hin läßt fih nicht in Abrede ftellen, daß der Gefamtcharafter gewiffe Nlbereinftim- mungen mit dem arftifchen Plankton aufweijt. Sie gehen foweit, daß fogar identische Formen in beiden polaren Wafjergebieten auftreten, welche in den ungeheuren, zwijchen beide fih einfchaltenden Warmmwafferzonen durchaus fehlen. Ein Pfeilwurm, die Sa- gitta hamata, tft fjowohl in dem arftifchen wie den antarftifhen Kaltwafjer verbreitet, nicht minder auch — um ein neues Beifpiel anzuführen — eine bisher nur aus dem arftiihen Gebiete befannt gewordene Fleine Siphonophore, die Diphyes arctica. Hätte man fidy damit begnügt, lediglich die oberflächlichen Wafjerfchichten auf ihre Scbewelt zu durchforfhen, fo würden derartige Konvergenzen uns unverftändlih ge- blieben fein. Sie finden indefjen eine ungezwungene Erklärung durch die Thatjache, daß die Bewohner des Kaltwafjers in die Tiefe vordringen und unterhalb der relativ flahen Warmwaffermafjen gemäßigter und tropifcher Gebiete weitereriftieren. Im tiefen und Falten Waffer tropifcher Gebiete findet thatfächlich, wie die Schliegneßbefunde bezeugen, ein Austaufh zwifchen arktifhen und antarktifhen Oberflächenformen ftatt. Anpafjungen an die Eriitenzbedinqungen. Es liegt auf der Hand, daß die Tieffee-Drganismen auh in ihrer äußeren Er- fcheinung die Anpafjung an die eigenartigen Derhältniffe zur Schau tragen, denen fie in Falten, unbelichteten Regionen ausgefest find. Dor allen Dingen äußert fih eine folhe in einer Rüfbildung der Augen. Unter den Bewohnern der Grundfauna treten uns eine ganze Anzahl von Formen entgegen, welche die Derfümmerung der Augen bis zun vollftändigen Derluft in allen Stadien verfolgen laffen. Unfer Material bietet ebenfo, wie dasjenige der früheren Erpeditionen, inftruftive Beifpiele für eine derartige Rücfbildung unter den Fischen und Iruftaceen dar. Sie geht fo weit, daß mande Eruftaceen, jo 3. B. die Eryoniden, vollftändig erblinden und jede Spur von Augen- ftielen und Sehorganen vermiffen lafjen. Unter den Grundfifchen mag der auf S. 559 dargeftellte Barathronus ein typifches Beifpiel für die Rüdkbildung der Augen abgeben, an deren Stelle zwei in goldenen Metallglanz erjtrahlende Hohlipiegel getreten jind. Aber auh in jenen fällen, wo die Augen anfcheinend wohlerhalten und äußerlich nur durch eine gewilfe Pigmentarmut charafterifiert uns entgegentreten, erweijt die Rüdbildung und übermäctige Ausbildung der Augen. 565 anatomische Sergliederung eine tiefgehende Nücbildung des Sehorgans. Dies gilt ipeciell für die Galatheiden der Tieffee (vergl. die auf 5. 594 dargeftellte Munidopsis), deren Retina fo umgeformt wurde, daß die Struftur nicht mehr in Einklang zu bringen ift mit dem normalen Derhalten. Dabei wird das äußerlich wohlerhaltene Auge von Bindegewebe ausgefüllt, in dem ein mächtiger, vielfach fi) verzweigender Nerv auffällt. Unter den pelagifchen Tiefenformen Fommt eine Rüdfbildung der Augen feltener vor. Bis jest Fennen wir noch feinen pelagifhen Tiefenfifh mit rudimentären Augen. Da- gegen zeigen viele Krufter entweder einen vollftändigen Schwund der Augen (Halocy- priden), oder eine weitgehende Rücbildung, wie fie namentlich beit manchen Amphipoden auffällt. Unter den zehnfüßigen Krebfen zeigten einige Sergeftiden ftarf verfümmerte Augen, und endlich entbehren die pelagifch lebenden Eryoniden (Eryonicus) ebenjo der Augen und Augenftiele, wie ihre auf dem Grunde lebenden Derwandten. Es läßt fih nicht leugnen, daß es doch immerhin eine relativ Fleine Hahl von Tieffeetieren ift, bet denen der ftändige Aufenthalt in unbelichteten Tiefen einen voll- ftändigen Derluft der Augen herbeiführte. Im Dergleich mit der Tiefjeefauna zeigt 3. B. die Fauna der unterivdifchen Grotten weit einheitlicher die Rücdbildung der Augen. Das Auftreten von wohlentwidelten, oft ungewöhnlich vergrößerten Augen bet Sifhen und Kruftern, welhe in ewig dunklen Regionen leben, hat die Biologen nicht wenig überrafht. Man vermutete, daß vielleicht ultraviolette Strahlen oder Strahlen uns noch unbekannter Art in die Tiefe vordringen und die Ausbildung von Seh- organen bedingen möchten. Der Phyfifer ift uns freilih bis jett den Beweis dafür jhuldig geblieben, daß unterhalb 6OO m eine Wirkung der Belichtung fich geltend macht, und bevor diefer Nachweis nicht unwiderleglicd geführt wird, haben wir nad) anderen Kichtquellen zu fuchen, welche den Tieffee-Drganismen zur Derfügung jtehen Fönnten. Die Dorftellung, daß diefes Licht von den Tieffeetieren felbit erzeugt werde, ift ungemein anfprehend und fchon längft durch direfte Beobachtung über allen Sweifel geftellt. Es gewährt einen feenhaften Anblid, wenn in der Dunfelheit das Dertifalneß oder die Dredfche mit ihren teilweife noch lebenden Inhalt an die Ober- fläche gelangen und die in ihnen enthaltenen Organismen in phosphorifchem Schein erglühen. Bald fondern fie leuchtende Sefrete ab, bald erftrahlt der ganze Körper, bald befchränft fih das Keuchtvermiögen auf fpecififche Organe. An den Sweigen der Pennatuliden, die wir an der Somalifüfte erbeuteten, hufchten blisartig von Polyp zu Dolyp übergreifend die Strahlen auf und ab. Die Protozoen, die Würmer, der von Asbjörnfon entdedte Seejtern Brisinga, viele Krufter der Tieffee und vor allen Dingen ein großer Teil der Tieffeefifhe find durch ihre Phosphorescenz ausgezeichnet. Bei manchen der Kebtgenannten umfäunen die Seuchtorgane, als. Blendlaternen mit Hohlfpiegeln und Linfen ausgeftattet, die Seitenteile des Körpers und den Baud, während andere Fische als Diogenefje der Tieffee ihre Glühlämpchen am Kopfe und 566 Seuchten und Seuchtorgane. auf dem Unterfiefer tragen. Selbt die Flojjenftrahlen, die Region vor der Schwanz- floffe und die Schwanszipise Fönnen als Träger von Keuchtorganen erfcheinen. Sie fonımen ebenfowohl Fifhen mit mächtig entwideltem, wie auch foldhen mit [hwadh ausgebildetem Gebiß zu, find bei den einen überreich ausgebildet und fehlen den nädhiten Derwandten. Da die wegen ihrer Ühnlichfeit mit Sehorganen früher für „Uebenaugen“ gehaltenen Keuchtapparate von Herven verforgt werden, fo dürfen wir wohl annehmen, daß die Phosphorescenz dem Willen des Tieres unterworfen ift. Man darf nun freilih nicht der Auffaffung fein, als ob diefer wunderbare An- DliE des Keuchtens der Tieffee-Drganismen fich ohne weiteres leicht beobachten laffe. Die meiften fommen tot oder doh ihon fo jtarf geihwäht an die Oberfläche, daß man es geradezu als einen Glüdsfall betrachten Fann, wenn einmal die Phosphores- cenz unzweideu- tig zu beobadten ift. Ich glaube Faum we Nephropsis n. sp. mit zu fleinen Stummeln rüdgebıldeten pigmentlofen Augen. einen der merk. 614 m. Süd-Nias-Kanal würdigeren pelagijchen u Tiefenfifche unter den Händen gehabt zu haben, ohne : mit ihm in die Dunfelfammer gepilgert zu fein, um ihn auf feine Phosphorescenz hin zu prüfen. Wenn _ auch nur in feltenen Fällen ein Leuchten Fonftattert werden Fonnte, fo find fie doch infofern von befonderem Werte, als die meijt recht auffälligen Organe gewifje einheitliche Züge erfennen lafjen und der Nachweis der Phosphorescen; an nur einem derfelben einen ficheren Nükjhlug auf die Funktion ähnlicher Gebilde geftattet. Um indeffen das Erwähnte an Beifptelen zu erläutern, fei zunächit auf den Melano- stomias melanops, jenen auffälligen fhwarzen Tiefenfifh bingewiefen, den wir auf S. 556 abbildeten. Er zeigt eine prachtvolle, bläulihe Phosphorescenz des dreiecfigen, am Dberfiefer hinter den Augen gelegenen Drganıs. Es ift von einer durchjichtigen, Angeln der Ceratiiden. 67 nah Art einer Cornea vorgewölbten Hautpartie überzogen und Fann zudem noc durch Muskeln derart gedreht werden, daß das Keuchten verfhwindet oder aufblist. Wir haben noch bet mehreren Dertretern der Stomiatiden und Sfopeliden das Leuchten nad- zuweifen vermocht, nicht aber bet jenen abjonderlichen Tieffeefifchen, die wir dem Kefer bereits in Geftalt der pelagifchen Ce- it nn AMREE., rattiden vor PE TERN führten. Er Diefe Glyphocrangon spinulosa Faxon. Nat. Größe. Typus eines Tieffeefrufters mit großen Augen. (Altere Zeichnung nach einem an der pacififchsamerifanijchen Küfte von Agajjiz in 1200 m gedrejchten Eremplar.) monftröfen Formen, von denen wir auf 5. 556 noch vier Arten dargeftellt haben, befigen eine zwijchen den Augen auf der Stirnfläche des Kopfes fich erhebende oder direft von der vorgezogenen Schnauzenfpise ausgehende, lange, durch Musfeln beweg- liche Rute, welche in einen Knopf ausläuft. Der leßtere ift mit Organen befett, die nach den Angaben von Dr. Brauer auf Grund ihrer Struktur als Keuchtorgane zu betrachten find. Dies trifft fpeciell auch für eine der abenteuerlichiten Formen, Gigan- tactis Vanhoeffeni, zu, welche wir etwas vergrößert im beiftehenden Bilde vorführen. a Gigantactis befist ein Fleines, faft rudinten- .) (Winter gez täres Auge und ift dadurch harafterifiert, daß die weit den Unterfiefer überragende Schnauze fich direft in den langen, aufrichtbaren Tentafel fortfeßt. Er fhwillt amı Ende zu einem Knopf an, der mit Taftfäden und mit pilz- förmigen Knötchen befest ift; im Innern des Kopfes liegt ein großes drüfiges Leucht- organ, das unten durch einen Porus ausmündet. Es fcheint, daß es fich bei diefen wunderlichen Tentafeln um einen weit nach vorn gerüdten erften Strahl der Rückenfloffe Gigantactis Vanhoefteni n. gen. n. sp. Brauer. Weftl. Ind. Ocean. Dertifalnet 1500 m. ?/ı. 268 Schnauzenorgane der Onchocephaliden. Schnauzenorgane von TieffeesPediculaten aus der familie der Onchocephalidae. Die $ifche find in natürlicher Größe dargeftellt. I. Malthopsis lutea Alcock. Oftafrifan. Küfte. 658 m. 2. Halicmetus n. sp. Sanfıbar= Kanal, 465 m. 2a. Organ desfelben jtärfer vergrößert. 5. Halicmetus ruber Alcock. 614m. Süde Nias=-Kanal. 4, Dibranchus micropus Alcock. 1289 m. Oftafrifan. Küfte. 5. Coelophrys bicaudata n. gen. n. sp. Brauer. 1024 m. Bei Atchin. 5%. Das Organ von vorn gejehen und ftärfer vergrößert, handelt. Wir wollen nicht verfehlen, darauf hinzuweisen, daß manche verwandte Grundfifhe aus der Drönung aud der Pediculaten höchft bizarre Bildungen aufweisen, welche entjchieden den Angeln der pelagifchh lebenden homolog find. Wir vereinigen im beiftehenden Bilde einige Formen, weldhe die Ausbildung diefer merfwürdigen Organe illuftrieren mögen. Bei der Battung Malthopsis hat fich die Angel zu einem gefnöpften Gebilde ver- fürzt. Bei anderen Arten zieht es fih mehr und mehr in einen von der Schnauzen- region gebildeten Hohlraum zurüf und nimmt dreilappige Geftalt an, ähnlich den Hafenauffäsen der Bufeifenfledermäufe. Als wir zum erjtenmal jene bizarren Fifche aus der Pediculatenfamilie der Onchocephalidae erbeuteten, glaubten wir anfäng- lih, daß ein monftrös geftalteter Niechlappen des Hirms bruchfadkförmig fih aus der Seuchten der Gnathophausia und Lephalopoden. 569 verlesten Schnauzenfpise vorgedrängt habe. Ein genaueres Sufehen ergab indeffen, daß die Fifche durchaus unverlest waren und Organe sui generis bejiten, die entfchieden alle Übergänge bis zu den langen Ruten des Melanocetus und der fonftigen Ceratitden aufweisen. Db es fich bier a ih um Keuchtorgane handelt, Fann erft auf Grund genauer anatomifcher Unterfuchungen ermittelt werden. Un indeffen aucd) noc) von anderen Organismen einige neue Beobachtungen über das Keuchten hinzuzufügen, jo fei zunäct der Gattung en unter den fpalt- füßigen Krebfen Erwähnung gethban. Wir haben einen Dertreter derfelben mit feiner prachtvollen, roten Färbung auf der Buntdructafel dargeftellt und erwähnen nur, daß der Battungsnanıe von Willemoes-Suhm gefhaffen wurde auf Grund einer an der Bafis des zweiten Marillenpaares gelegenen, lebhaft pigmentterten Auftreibung, die er für ein Üebenauge hielt. Der B Brarbeit ter der Schizopoden der Challenger- Erpedition, der trefflihe norwegifhe Forfher ©. Sars, fonnte Feine eimem Auge ähnlihe Bildung in dem genannten Organe erfennen und vermutete daher, daß es fih um ein Seuchtorgan handeln möge. Mit diefer Dermutung hat er das Kidy- tige getroffen, wie wir uns fchon bei Beginn der Fahrt an einem Eremplare der Gnatho- phausia überzeugten. Ste fondert nämlich aus diefem Drüfenorgan ein Sefret in langen Fäden ab, welches prächtig und intenfiv phosphoresciert. Um at dem Kefer noch ein Beifpiel von phosphorescierenden Cephalopoden zu bie- ten, fo möge N die beiftehende, nah einer Photographie gefertigte Abbildung hingewiefen werden, die Furz nach dem Herauffommen des Tintenfifches aufgenommen wurde. Diefer Der- treter der Gattung Lycoteuthis tft mit 24 DOr- ganen ausgeftattet, welche eine eigentümliche Gruppierung aufweifen. Jeder der beiden großen sangarme befitst deren zwei; der Unterrand der Augen ift von je fünf Drganen umfäumt, und der Neft tritt in der aus der Figur erfichtlichen Anordnung auf der Bauchfeite des Mlantels auf. Aus der anatomischen Unterfuhung gebt Y Lycoteuthis diadema Ch.n. sp. von der Bauchjeite . . > . 7 ar . H rn o f = e hervor, daß die Bauchorgane nicht in dem Aufnahme nach dem Leben mit den glänzenden Leucht organen. Weftwindtrift, nahe Bouvet-Negion. Mantel liegen, fondern unterhalb desfelben der Dertifalnet bis 1500 m. Wenig vergrößert BY@0) Seuchtoraane von Lycoteuthis. Körperwand auffisen. Wie die beiftehende Seichnung lehrt, fo um- fäumen die beiden oberen Bauchorgane den After, während von ul den fünf mittleren dte äußerften an der Bafis der Kiemen fißen. Da der Mantel im Leben durchhfichtig tft, fo Fann es nicht über- x; IR vafben, wenn Keuchtorgane an Körperjftellen auftreten, wo man 3 { fie bei confervierten undurchfichtigen Eremplaren nicht fuchen würde. Unter allem, was uns die Tieffeetiere an wundervoller Färbung darbieten, läßt fich nichts auch nur annähernd vergleichen mit dem Kolorit diefer Drgane. Man glaubte, daß der Körper mit einem Diadem bunter Edelfteine befest fei: das mitteljte der Augenorgane glänzte ultramarimblau und die feitlichen wiefen Perlmutterglanz auf; von den Organen auf der Bauch- feite erftrablten die vorderen in rubinrotem Glanze, während die hinteren fchneeweiß oder perl- mutterfarben waren mit Aus- nahme des mittelften, das einen bimmelblauen Ton (Rübsaamen gez.) Lycoteuthis diadema. aufwies. Es war eme Die Mantelhöhle ift geöffnet und zeigt ' a a n die Derteilung der Bauchorgane. Pradt! Die Dr gane find ment, pergraBert napfförmig gejftaltet; ihre Außenfläche wölbt fih nah Art einer Kinfe vor und die Inmenfläche ift mit fhwarzem oder braunen Pig- ment befleidet. Bei dem Konferpieren in der Dunfel- fammer ergab es fich, daß fie thatfählih noch eine ihwahe Phosphorescenz; erfennen Itegen. Bet eimer ganzen Anzahl der von uns gejfanmelten und verfchie- denen Gattungen angehörigen pelagifhen Tieffee-Tepha- lopoden lafjen fih übrigens derartige Organe im Umfreife der Augen wahrnehmen. Dffenbar hat jie au jchon ein trefflicher älterer Beobachter, Rüppel, deffen Publi- Fation freilih faft der Dergefjenheit anheimfiel, bei der von ihm als Enoploteuthis margaritifera befchriebenen Form gejehen. Ühnliche, wenn auch etwas Fleinere Organe bejesen bei Dertretern der Gattung Calliteuthis die ganze Körper- oberflähe von den Armen bis zu den Schwansflofjen. Die Bauchfeite ift allerdings auch hier wieder reichlicher Calliteuthis n. sp. von der mit Seuchtorganen über: 3 1,5 i a art e, R ; ; R fäten Bauchfeite. ——-. Dertifalneg bis 1500 m 3 are > < or‘ rn M = = mit ihnen ausgejtattet, als die Nüdenflähe Wir Sao Ze Biologifche Bedentung des Keuchtens. HYa| haben jie leider nicht leuchten fehen, dürfen aber wohl vermuten, daß der Anblick der in phosphorifhem Scheine erjtrahlenden Slühlämpchen fich zu einer »gloria maris« geftaltet. Es fällt außerordentlich fchwer, über den biologifchen Wert der Leuchtorgane eine einheitlihe Deutung zu geben. Ihre Größe und ihre Anordnung wechjeln dermaßen bei naheverwandten Formen, daß fie zwar als wichtige fyftematifhe Charaktere gelten Fönnen, aber andererfeits demjenigen, der im Einzelfall den biologifchen Grund für ihre Anordnung herausfinden will, wahre Rätfel aufgeben. Bald liegen fie vorn anı Kopfe und ermöglichen dem Organismus ein Erfennen der vor ihm befindlichen Objekte namentlich der Beutettere bald wieder umfäumen fie die Flanfen, den Bauch oder den Schwanz, fo daß der von ihnen ausgehende Kichtfegel nicht direft den Augen des Trägers zugänglich erfheint. Schwerlich dürften fie, wie vielfach geäußert wurde, als Schrecmittel zur Abwehr von Feinden aufzufafjen fein. Wenn wir uns mit einer der- artigen, den Leuchtorganen mehr negativen Wert zufchreibenden Erklärung nicht be- freunden Fönnen, fo gründen wir unfere Auffaffung wefentlih auf den Umstand, daß die auf die Dberfläche herabgelaffenen eleftrifhen Schwimmlampen in furzer Frift von einer erftaunlic) großen Sahl pelagifher Organismen umfhwärmt wurden, die, weit ent- fernt, von dem intenfiven und ftändigen Licht abgefchredt zu werden, vielmehr demfelben zuftrebten. Wir dürften wohl eher das Richtige treffen, wenn wir in den Keuchtorganen Kocmittel erblien, beftimmt, pelagifhe Drganismen, welche den Trägern der Phos- phorescenz zur Hahrung dienen, anzuziehen. Da auch viele auf dem Grunde des Meeres feftfigende oder träge bewegliche Tiere — es fei nur an Alcyonarien und an Seejterne erinnert — intenfiv leuchten, jo würde es fich erflären, daß bewegliche Tier- formen, mögen fte direft über dem Boden flottieren, oder auf dem Grunde leben, dur die Phosphorescenz angelodt werden und den unbeweglichen formen zur Beute fallen. Es läßt fich imdeffen nicht in Abrede ftellen, da dte Anordnung und der feinere Bau der Keuchtorgane, wie wir fie an der Hand des von uns erbeuteteu Mlateriales neuerdings genauer fernen lernen, es wahrfcheinlib machen, daß fie auch noch anderen Hmweden dienen Fönnen. Jede Gattung — häufig auch naheverwandte Arten — von Schizopoden, Lephalopoden und pelagifh lebenden Tiefenfifchen zeigt eine jo harafteriftifche Anordnung der Organe, daß fie fich als treffliche fyftematifche Cha- raftere erweifen. Dabei lehrt fchon die oberflähliche Betrahtung, daß häufig die Drgane bei demfelben Tiere beträhtlihe Größendifferenzen erfennen laffen. Die mifro- fFopifche Unterfuchung ergiebt denn aud eine geradezu überrafchende Dielgeftaltigkeit der an verfchiedenen Körperftellen bei einem und demfelben Individuum ausgebildeten Drgane. Bei dem oben erwähnten Tintenfifhe (Leucoteuthis diadema) finde ich die Tentafelorgane anders geftaltet, als die das Auge umfäumenden und die leßteren weichen wieder auffällig ab von den Bauchorganen. Dabei ergiebt es fih, daß weder die Hi Dielgejtaltigkeit der Seuchtorgane. entfprechend gefärbtes Ficht entfenden. Jmmerhin ift die Dor- Pr ag ftellung, daß verfchtedenfarbiges Kicht ausgeftrahlt wird, nicht als phantaftifh zu bezeichnen. Sicher aber trifft eine Auffaffung das Richtige, die fih Brauer über die Bedeutung der Keuchtorgane bildete. Er ift nämlih an der Hand der Unterfuhung unferes Materiales von Tieffeefiichen darauf aufmerffan geworden, daß nicht nur die großen, fondern auch die Pleinen Organe eine gefesmäßige Anordnung befisen. Ein Blid auf die beiftehenden Abbildungen mag das Gefagte bejjer er- läutern, als lange Darlegungen. Was zunädhft Cyclothone, einen g= = Augenorgane unter fich einheitlich geftaltet find, noch aud) die Baudy- a2 = ©)\ organe. Ein ähnliches Derbalten berichtet mir Prof. Brauer von E = =) den Seuchtorganen der Tieffeefifche: auch hier weitgehende Differen- Es: zen in dem feineren Bau der Drgane je nachdem fie in der I | L.: Hähe des Auges, auf den Kiemendedeln, an den Grundeln, = an den flanfen, auf denn Bauche oder über den ganzen Körper = S zerftreut auftreten. Ex; ; Entfchieden muß diefe Dielgeftaltigfeit einen biologischen = I} 0 Wert haben. Würden die Keuchtorgane, wie wohl faum in > E Abrede zu ftellen ift, lediglich dem Anloden und Erkennen von Be > Beutetieren dienen, fo Fönnten fie dtefen Anforderungen aud Se A E bet einheitlihem Bau Genüge leiften. Die Dielgeftaltigfeit läßt + = — io nun zunäcjt der Dermutung Raum, daß die Qualität des von Ex F den Drganen ausftrahlenden Kichtes eine verfchiedene ift. Bei Ber be Lyeoteuthis, defjen Organe im Keben rot, himmelblau, ultra= 52 % marin und perlmutterglänzend find, vermochte ich freilich nur f en ie nob ein fhwadhes Leuchten zu erfennen, das feinen ficheren 3 = = & Schluß auf eine verfchtedene Qualität des Lichtes zulieh. Eben- £r 5 'o fowenig fonnte bis jett der Nachweis erbracht werden, daß die 328 7 I rubinroten und grünen Kopforgane des Malacosteus (S.9C4) ein Bozar = 23 Dan uddap aa} a Er) ] der gemeinften pelagifchen Tieffeefifche, anbelangt, jo ftehen hier die quowmgjp fleinen punftförmigen Organe in Querreihen, welche dem Tier einen Ü 199 Bunugaougz 13q 2; 5 S S ES = uauddın ( 4 getigerten Anftrich geben. Bet dem Melanostomias, dejjen Habitus- en made, 2 : a 73% % ae bild wir auf S. 556 gaben, ordnen fte fich den Segmenten ent- [9] a a N D [4 = Sean fprechend zu breiten Querbinden an, die in die großen Seitenorgane A auslaufen. Andere Tieffeefifche zeigen eine Gruppierung der Fleinen 5; punftförmigen Organe zu Fleden (Malacosteus) oder zu Kängsbinden (Chauliodus). Phosphorescierende Seichnung. 575 Es ergiebt fich alfo aus den Unterfuhungen von Brauer, daß fait jedem pela- gifchen Tieffeefifche eine bejtimmte Seihnung zufommt, welche eine jo überrafchende Parallele zu den Zeichnungen der Dberflächenfornten und Kandbewohner darbietet, daß man verjucht ift, die über die Färbung der lesteren ermittelten Normen au auf Tieffeebewohner zu übertragen. Das Sufammenfinden der Gefchlechter und die Der- gefellfhaftung der einzelnen Arten zu Shwärmen dürfte nicht wenig durch die charaf- teriftifiche Seichnung besünftigt werden. G NHREER: FE = ARD RE LELANBRENNHEHBNAELLINNIENRUEN) — Cyclothone (Gonostoma Günth.) elongata G. & B. + wen SüdelliaseKanal. 677 m. 2/1. Anordnung der Leuchtorgane Es müßte einen magifchen Anblif gewähren, wenn es gelingen follte, einen lebens- Fräftigen pelagifhen Tiefenfifch in phosphorifhem Scheine erglühen zu fehen. Sollte auch die Qualität des von den einzelnen Drganen ausgeftrahlten Lichtes verjchteden fein, fo würde die an eine originelle Zeichnung anfnüpfende farbenprächtige Phosphorescen;, welche das geheimnisvolle Dunkel abyffaler Regionen blisartig erleuchtet, ein interefjantes, den Bedingungen des Tieffeelebens angepaßtes Gegenftük zu der bunten Seichnung der von der Sonne befchtenenen DOrganismenwelt abgeben. Das Dorfommen von Feuchtorganen bei den Tiefenbewohnern macht es denn au, wie wir fchon hervorhoben, verftändlih, daß fo viele Tieffeeorganismen mit wohl- entwicelten, häufig fogar monftröfen Augen ausgeftattet find. Unter den pelagifch lebenden Tiefenformen hat zudem bisweilen das Auge feine Kugelform aufgegeben und die Geftalt eines Telejfopes angenommen. Eine a Umbildung ift uns zuerft von einigen, den Amphipoden und Schizopoden zugehörigen Eruftaceen befannt geworden. Bei ihmen hat fi ein Teil der Glieder des großen Ffacettenauges derart verlängert, daß eine Sweiteilung in ein „srontauge” und in ein „Seitenauge” zu ftande Fommt. Wir haben früherhin an der Hand der phyftologifchen Unterfuhungen von Erner darzulegen verfucht, daß dte Frontaugen mit ihren enorm verlängerten Facettengliedern befonders geeignet find, in Bewegung befindliche Dbjefte zu erfennen, während die Seitenaugen für Wahrnehmung eines detaillierten Bildes eingerichtet find. Bei manchen pelagifch lebenden Kruftern ift fogar das Seitenauge vollftändig gefhwunden und nur noch das teleffopartig vorgefhobene Frontauge er- halten geblieben. 9cH Telejfopauge Der Nachweis, daß derartig umigebildete monftröfe Augen nicht nur den Kruftern, fondern auch einigen pelagifh lebenden Tiefenformen von Fifhen und Lephalopoden zufommeen, dürfte eine wertvolle Errungenschaft unferer Expedition fein. Wir haben auf der Buntdrudtafel einige dtefer außerordentlichen Fifhformen mit Teleffopaugen dargeftellt. ur einer derfelben (Opisthoproctus) war durch die franzöfifhen Forfchungen als Augendfornm befannt geworden, ohne daß freilich der bemerfenswertefte Charakter, nämlich die Umbildung der Augen in zwei nah aufwärts gerichtete Cylinder, in der Beichreibung Erwähnung gefunden hätte. Ein Blif auf die Abbildungen lehrt nun, day derartige Augen bald horizontal nah vorn gerichtet, bald vertifal nah oben ge= fehrt bet Dertretern verfchtedener Fifchfamilien wiederfehren. HSwei diefer Fifche gehören neuen familien an, von denen der eine, fanımetihwarz gefärbte und in der Schnauzen- region durchfichtige (Winteria) dem Opisthoproctus nahe- jtehen dürfte, während der andere (Gigantura) feinen ähnlich geftalteten. Der- wandten aufweift. Sein wundervoller Metall glanz, fein großes mit Raubzähnen befeßtes Maul, —— die abenteuer- lihe Derlän- Malacosteus n. sp. mit zwei Paaren von Leuchtorganen, (Brauer gez.) Das unter dem Auge gelegene Organ glänzt im Leben rubinrot; das hintere ijt augenähnlich geitaltet, gerung der liegt in einer Grube und alänzt grün. *ı. Südatlantijcher Ocean. Dertifalnet bis 5000 m. ;- unteren Schwansflofjenitrahlen und endlich die horizontal liegenden, nah vorn eleffop- ) ) augen ftempeln ihn zu einem der bemerfenswerteften bis jest Be Tiefje a e. Unfere Unterfuhungen über das Teleffopauge der Schizopoden ae ı ergeben, daß es das Endalied einer Reihe von Umbildungen darftellt, weldye das normale Aus auge betreffen. Dasfelbe Derhalten trifft denn auch nad) den Mitteilungen von Profefjor Brauer für das Teleffopauge der Fiihe zu. Im allgemeinen weift das Fiihauge eine halbfugelige form auf: die nah außen gewendete Hornhaut (Lornea) iit flach gewölbt und der Bulbus ftellt eimen ftärfer gefrünmten Kugelabihnitt dar. in der Rube ift das Fiihauge für nahe Objekte eingeftellt, infofern die Fugelige Kinfe in größerem Abjtand von der Ueshaut liegt; die Einftellung (Affomodation) für ent fernte Dbjefte erfolgt durch die Contraftion eines Nücdztiehmusfels der Linfe, welcher fie der Retina nähert. Anders das Teleffopauge: der Bulbus gleicht einem Lylinder- mantel und die Cornea tit jo ftarf gewölbt, wie wir es fonft bei Waifferbewohnern nicht Entwieelung des Telejfopauges. 555 beobachten. Der Abftand zwifchen der Kinfe, welhe der Tornea dicht anliegt, und der Heshaut ift ein fo großer, daß er ohne weiteres den Rükjhluß auf eine hochgradige Kurszfichtigfeit geftattet. Man möchte nun zunächit vermuten, daß die Umbildung des Kugelauges zu einem Teleffopauge dadurh erfolgt, daß die Hauptachje fi verlängert. Da fte durch die Derbindung des KLinfenmittelpunftes mit der Eintrittsftelle des Sehnerven gegeben ift, fo würde bei diefer An- nahme das Auge die radiäre Grund- i ER a Autersger.) £arve von Disomma anale Br. mit fpindelförmig form wahren und es müßte fpeciell geftaltetem Auge. Yı. der Sehnerp im Centrum der Bafis einftrahlen. Die Unterfuhungen von Brauer haben nun ergeben, daß die Umbildung nicht auf diefem Wege erfolgt, fondern durch eine eigenartige afymmetrifche Derlagerung der inneren Drgane bedingt wird. Um dies im einzelmen Flarzulegen, jet zunäcdft erwähnt, daß die Jugendftadien der mit Teleffopaugen ausgejftatteten Fifche ein normal geftaltetes Kugelauge aufweifen. Die erjte Andeutung zu einer Umbildung wird dadurd bedingt, daß das Auge eine fpindelförmige Geftalt annimmt. Befonders auffällig ift die Spindelforn bet der Karve des Disomma ausgebildet, welhe wir im der nebenftehenden Figur abbilden. Ein Kängsfchnitt durch das Spindelauge zeigt Feine wefent: #, liche Abweihung von dem normalen Derhalten, da die Kinfe central liegt und dte Netina in allen Teilen gleich dick tft. Infofern ergiebt fich allerdings ein finnfälliger Unter- jchied zwijchen oberer und unterer Augenhälfte, als die foge nannte Chorioidealdrüfe (CR), umgeben von Pigment (Zr und der filberglänzenden Faferfhicht (Fa) völlig auf die untere eh Hälfte rückt und dadurch zur fpindelförmigen Derlängerung des ae “N Augenbulbus beiträgt. Die Umformung zu dem Teleffopauge wird durch eine Wanderung der Kinfe in dorfaler Richtung ein- ‚ (Brauer ger) geleitet, Ste vollzieht fih nahezu jenfrecht zu der früher ae ern erwähnten Hauptachfe des Auges und hat eine afynı- a a metrifhe Entwillung der Iris (ihr ventraler Abfchnitt jenden 2rgentea. O Sehnerv. wird breiter als der dorfale) zur Folge. Bor allen aber wird die Hesshaut in Mlitleidenfchaft gezogen: fie erfcheint eingefnidt und eine Ffurce ichetdet jte in der Höhe der Eintrittsitelle des Sehnerven in eine dorfale und ventrale Hälfte. Die Iestere beginnt frühzeitig fih mächtig zu verdiden, während die dorfale Hälfte (7) in ihrer weiteren Entwillung zurücdbleibt und als „Webenneshaut” die der 876 Teleffopauge von Disomma. Symmetrieebene des Körpers zugefehrte Innen- flähe des Auges ausfleidet. Die „Haupt- neshaut“, d. b. der verdicte und für den Sehvorgang wefentlih in Be- tracht Fonmmende Abfchnitt, nimmt ichlieglich allein den Augengrund ein. Indem fich dte Kinfe von ihr immer weiter entfernt und die fih vorwölbende By Cornea gleichfalls dorjal verlagert wird, Fommt fhlieglich die typifche T- IR leffopform des Auges zu= ftande. Obwohl das Tele- jFopauge hochgradig Furz- fihtig tft, jo vermag es doch für entferntere Ge- genftände zu affomod- dieren. Betrachtet man nämlih das Auge von Disomma und einiger an- derer Tieffeefifche genauer, jo fällt am Dentralvand der weiten Pupille eine se ovale Derdifung auf, die jih nah abwärts in eine br he a3 nu w > \ gejtreifte Platte fortjest. <ängsfchnitt (Sagittalfchnitt) durch das ausgebildete Auge von Disomma. ?)ı. Aus dem oben abgebil- O Sehnerv. 7 Nebennethaut. >71 abgefchnürtes Stüd der Mebennetzhaut. CA Cho- = rioidea (Mderhaut). Sc Sclerotica. ZZ Ligamentum pectinatum. Z% £infenfiffen. deten Schnitt durhb das DT glatter Muskel. Fa Safern der Argentea. (Brauer gez.) Auge gebt hervor, daß das ovale Poljter (ZA) aus langgezogenen Hellen gebildet wird, an welhe fich Musfelfafern (47) anfeßen. Bei der Lontraftion der lesteren wird das „Linfenkiffen“, auf den die Kugellinfe ruht, nah abwärts gezogen und die Kinfe der (Winter gez.) Disomma anale n. gen. n. sp. Brauer ($anı. Odontostomidae). %ı. XAtlant., antarft. und Ind, Ocean. 600—4000 m. uagaz ag ipvu uaffıyluagavf uod oma uoßnpdoglopD mu Aplloolap Aplıvjad noyalad uago uoa Idoyz ylgau *reA Fast snpoadoysıdg ‚u 0093 "4laa 0008 sıq Yaujpgiyaaıt- adılparz uoa pıyzlaaı) uva aalpham qum vanıng uoa de 3 \ Hladang HS 20Q oa sjvuipou WaÖNT, ad, ! u p = gg " insuger. deu Tearpsulgeddsu u Heu gupsur Hsradsleps aisllschleps ur @ejslgobanäsur 576 Telejfopauge von Disomma. Symmetrieebene des Körpers zugefehrte nnen- flähe des Auges ausfleidet. Die „Haupt- nesghaut“, d. h. der verdidte und für den Sehporgang weientiich in Be- tracht Fommende Abjchnitt, nimmt ichlieglichallein den Hugengrund B ein. Ina jich die. Kinfe von // BEN: 3: /f ihr imm& weiter entfernt I I\ za a5 [Le BR So / 22 und die ich vormwölbende in | se Tomeg Seichfalls dorjal % De verlsa@&t® wird, Fomimt Me: ERDE. tonitche Tre. + ie-== Sa reise typifche Te- k © s teffopfggn des Auges 51 o ftande. Eöhwohl das Te I M | 3; ffopauge hochgradig furz- 5 Pe =} fihtig ijfg jo vermag es doc für&entferntere He- genftände zu affomod- F j Ale dieren. Betrachtet man nämlih das Auge von [3 Disomma und einiger an= derer Tieffeefifche genauer, fo fällt am Dentralrand der weiten Pupille eine SE & R BF: . = [77 ovale Derdidung uf, die 3 = Er o x zZ jih nah abwärssein eine &, : I rtte h geftreifte Platte 8: tjeßst. Eängsfchnitt (Sagittalfchnitt) durch das ausgebildete Auge von Disomma, 1/,. Aus dem oBe ws &baebil- © Sehnerw. rr Nebenneghaut. rı abgefchnürtes Stüädf der Mebenneghaut. CA Cho oO = 7 rioidea (AUderhaut). Sc Sclerotica. ZZ Ligamentum peefinstum. Lk £injenfifjen. deten Schnittg ah das M glatter Musfel. Fz $afern der Arkenten, ER 5 we $ s Auge geht he wa das ovale Politer (Z%) aus langgezogenen Aellen gebildet wird velche fig Yißskelfafern (7) anfetsen. Bei der Lontraftion der lebteren wird das 53-7 h er = 2 PN fien’ 235 dem die Kucgellinfe ruht, nah abwärts gezogen und die Kinfe der . a=< @ (Winter gez.) . n.sp. Brauer (Sam. Odontostomidae). Yı. AUtlant,, antartt. und Ind, Ocean. 600—4000 m. Disomma anal — ur m mmm mm 00001 nn vr u - | | | | Convergente Ausbildung von Teleffopangent. °HLE Achtarmiger Cephalopode (Amphitretus) mit Teleffopaugen. AgulhasStrom. Dertifalnet bis 1800 m. Wenig vergrößert. Hauptmeshaut genähert. Immerhin dürfte auch bei dtefer Affomodation für ent- ferntere Dbjefte fchwerlich eine Einftellung auf große Diftancen erfolgen. Es liegt auf der Hand, daß in der hodhgradigen Kurzfichtigfeit des Teleffopauges eine Anpaflung an die Bedingungen des Tieffeelebens gegeben tft. Wie Beer betont, fo find die Tieffeetiere darauf angewiefen, im „nächtig engen Umfreis ihrer eigenen Laternen zu fehen, da fie niemals aus weiter ferne Erfpähtes nacjagend verfolgen, fondern felbit blendend oder irrlichtig locend die ertaftbar ins Licht geföderte Beute aus größter Yähe erfchnappen". Keinesfalls ftehen die Formen mit Teleffopaugen in näherem verwandfhaftlichem Jugendforn: von Sifchen aus dem äquatorialen Indifchen Ocean mit Stielaugen (Stylophthalmus Brauer). Dertifalnet bis 2000 m. Dergr. ?/ı- Alle Eremplare befiten vor der Afterfloffe einen langen Anhang. Kinfs ift der Kopf einer mit fürzeren, breiteren Augenitielen ausgejtatteten Jugendform darftellt, welche mehrfah in den Tiefen des Antarftifchen Meeres erbeutet wurde, Ehun, Aus den Tiefen des Weltmeeres. Zweite Auflage. 37 878 Stielauge und Parietalauge. Hufammenhang. Es handelt fi hier vielmehr um eine Konvergenzerfcheinung, die vereinzelt bei den verfchtedenartigiten pelagifhen Tiefenformen zum Ausdruck gelangt. Daß fie auch den Cephalopoden nicht fehlt, mag die Abbildung eines achtarmigen, im Agulbasitrom erbeuteten Eremplares erweifen: mit feinen faft vertikal gejtellten Augen- eylindern bietet er einen höchit bizarren Anblid dar. Was es nun für einen Sinn hat, daß bei mehreren Jugendformen von Fifchen, die wir teils im antarftifchen Gebiet, teils im Indifchen Ocean (legtere in mehreren Erem- plaren) erbeuteten, die Augen auf Stielen, und zwar, wie die Abbildung lehrt, auf > 5, geradezu monjtrös langen Stielen ftehen, läßt fich fcehwer 0 fagen. Wenn wir annehmen, daß bei einer derartigen In- ferttion das Tier ein größeres Territorium überfhaut, fo tft dies eben nur die Umschreibung des thatjächlichen Befundes. a Bemerft fer noch, daß dur diefe Stiele hindurch fich nicht mur I: Augennerp, fondern auch die fechs, freilih zu feinen Strängen umgebildeten Augenmusfeln verfolgen laffen. Don den ce letsteren find die vier geraden Augenmusfeln außerordentlich lang ausgezogen, weil fie im der Augenhöhle des Knorpelichädels wurzeln. Die zwei fchiefen Musfeln find Fürzer, weil ihre An- heftungsftelle auf der Endplatte eines Knorpelftieles liegt, der fih weit in den Augenftiel vorzieht. Diefe abenteuerlihen Fifh- larven, welhe Brauer als Stylophthalmus bezeichnete, dürften Jugendformen von Stomiatiden fein und einer Gattung angehören, welhe Teleffopaugen befist. Daß übrigens Stielaugen nicht nur Jugendformen von Tiefert- fiichen, fondern auch jenen von Lephalopoden zufonmten, mag die 3 Abbildung des Dertreters eimer neuen Cranciaden- Gattung bezeugen, die wir im Bilde vorführen. (Rübsaamen gez.) Neue Gattung Feines @intenz Da wir nun einmal verfchtedener merfwürdiger YUmfor- fiiches aus der Samilie der Cranchiaden mit Stielaugen. Swifchen Seycellen und Of noch auf die Thatfache hingewiefen werden, daß bei manchen Aritanen x ; R SE: a : a j W: Sfopeliden auf dent Scheitel des Kopfes ein von einer durch- Dertifalnet 2000 m. 5 { mungen des Auges Erwähnung gethan haben, fo mag aud fichtigen, vorgewölbten Cornea überzogenes Gebilde liegt, welches dem Parietalauge mancher Reptilien gleiht. Db dasfelbe thatfählihh bei manchen Tieffeefifchen nocd) als Auge funftiontert, Fann erjt die genauere anatomische Unter- fuhung ergeben. Ein ewiger Hunger ift die Signatur für Organismen, denen der Mahrungserwerb nicht leicht gemacht wurde. Selbjt während des Aufhievens entbrannte in dem End- zefäß des Dertifalneges der Kampf um das Dafein; gar manchmal bedauerten wir, Anpafjungen an den Mahrungserwerb. 59 daß ein Tieffeefiih andere wertvolle pelagifhe Organismen verfhlungen hatte, oder feinerfeits wieder von den großen Kruftern durchbiffen und angefreffen wurde. Die ganze Drganifation zeigt bei den räuberifch lebenden Formen eine oft finnfällige Anpafjung an den Erwerb der meift fchwer zu gewinnenden Koft. Unter den Kruftern werden häufig die Ertremitäten zu Raubfüßen umgejftaltet, die entweder mit Dornen ausgeftattet find oder in Scheren, Spieße, Kanzen und Stilette auslaufen. Das Maul hat fich bei einigen pelagifch lebenden Tieffeefifichen fo monjtrös ent- et wicelt, daß es über Dreiviertel des Körpers einnimmt: der ganze Stich fcheint zu einem Rachen umgewandelt, dejjen übermäßig lang entwidelte Sähne bald wie eine Reufe, (Brauer gez.) Kopf eines Scopeliden (Ind. Ocean bei Ras Hafun, Dertifaines) mit pHald wie Widerhafen ein Entgleiten der gefaßten Beute dem Parietalorgan. >/ı verhüten. Einige der Gattung Labichthys zugehörige fifhe zeigen eine höchft wunderliche Umbildung der Kiefer zu gefrümmten, in Knöpfe aus- laufenden Angelruten. Da fie mit feinen Sähnen befest find, fo dürften fte befonders geeignet fein, in ihnen fich verftrickende pelasifhe Organismen feftzuhalten. Es läßt fich nicht leugnen, daß eine gewiffe Korrelation in der Bildung der Augen und des Maules infofern ftatt hat, als manche der gerade mit den monjtröfeften Mäulern ausgejtatteten Formen Fleine Augen aufweifen, während bei einigen mit auffällig Fleinem Wlaule ausgerüfteten Formen die Augen mächtig entwidelt oder zu Teleffopen umgebildet jind. Unter Umftänden Fann freilich das Derhältnts fich auch umfehren. Die Steigerung in der Keiftungsfähigfeit des gefammten Drientierungsapparates prägt fich endlich noch in der ungewöhnlichen Entwidlung der Fühler aus. Sie zeigen bei den räuberifch lebenden Tiefenformen oft eine fo große monftröfe Entfaltung, daß (Brauer gez.) Labichthys elongatus G. &B. Kopf und mit £euchtorganen bejette Bruftregion, Trawl 1668 m. Oftafrifan. Küfte. Dergr. ?/ı. fie den Körper um das Sehn- bis Swanzigfahe an Länge übertreffen. Dies gilt namentlich für die Sergeftiden und Tieffeegarneelen, unter weld' letteren wir bei einigen Arten von Aristaeus Fühler von anderthalb Mieter Känge nachweiien Fonnten. Während fie hier mit wohlentwidelten Sehorganen Fombintert auftreten, jo finden wir 30* 580 Anpafjungen an die Eriftenzbedingungen. bei den blinden Tieffeefruftern den Körper bisweilen mit einem ganzen Pelz; von Sinneshaaren überfät, wie dies befonders auffällig bet den Eryoniden der Fall ift. Auch unter den Tieffeefifchen begegnet man einer derartigen übermächtigen Entwick lung von Taftorganen in Beftalt von dem Unterkiefer anfisenden Barteln oder monjtrös verlängerten Floffenftrahlen, welche gelegentlich in merfwürdige, Fnopfartige Bildungen auslaufen. Wollten wir die Anpaffungen der Tieffeefauna an die eigenartigen Eriftenzbedingungen gründlich erörtern, fo möchten unfere Kräfte hierzu nicht ausreichen. Jeder Tiefen- bewohner regt zu Betrachtungen über den ummodelnden Einfluß äußerer Bedingungen an, die fich nicht nur im der ganzen Geftalt, fondern auch in der inneren Organifatton und in feiner Entwicdlung ausfprehen. Yimmt man einen Tiefenfifh zur Hand, jo findet man die Haut überfät von feinen Hervenendorganen, die bald an das reich ent- faltete Syitem der Seitenlinien und der Keuchtorgane anfnüpfen, bald wieder recht fremd- artige, fehwer zu deutende Bildungen darftellen. Seim Drientierungsapparat zeigt fic übermächtig ausgebildet: die Augen feffeln durch die eigenartige Form des Bulbus nicht minder, als durch den feineren Bau der mit ungewöhnlich verlängerten Sehftäbchen ausgeftatteten Weshaut; an den Behörorganen find die Dermittler des ftatijchen Sinnes, nämlich die halbzirfelförmigen Kanäle, fo umfänglich angelegt, daß das Lentralmerven- fvitem und die von ihm abgehenden Hirnnerven Plab jhaffen müfjen, und endlich it der Taftapparat fo fein und vielgeftaltig entwicelt, daß man nur immer von neuem feinem Staunen über die Geftaltungsfraft der Natur Ausdruck giebt. Unterfucht man das Nervenfyitem und die von ihm ausgehende Sirbel mit dem Parietalorgan, jo jtößt man wiederum auf Bauverhältniffe, die fich nicht ohne weiteres in den Rahmen des von Dberflähenbewohnern Befannten einfügen wollen. Nicht minder eigenartig ift die Anordnung und der mifroffopifche Bau der Musfelfafern und des Sfelettes. Daß das letstere Falfarmı tft oder bei den pelagifchen Tieffeefifchen überhaupt nur Fnorplich vor- liegt, dürfte als eine Anpafjung an die flottierende Kebensweife nicht minder verjtänd- lich fein, als die Ausbildung von gallertigem Bindegewebe. Mir verzichten darauf, der Eigentümlichfeiten in dem Derhalten der vegetativen Organe zu gedenfen, und ver- fihern, daß das Studium eines einzigen Tiefenfifches die Tebensarbeit eines gewiegten Forfchers ausmachen Fönnte. Manche Strufturverhältnifje — fo vor allen der Bau des Auges — dürften wohl einer ftreng phyfifalifhen Analyfe zugänglich fein, während andere uns Aufgaben jtellen, welche das Spiel der Phantafie mit Hypothejen zu löfen verfucht. Umformung der Geftalt. 581 Was bier von Tiefenfifchen gejagt wurde, gilt für jeden Bewohner abyffaler Re- gionen bis hinab zu einfahjt gebauten Kebeweien, den Protozoen. Wer will diefe Wunderwelt der Tieffee in allen ihren Beztehungen erfaffen, wer möchte fich vermeffen, heute fhon ihrer Eigenart gerecht zu werden ? Überall Sremdartiges, Erftaunliches, nie Gefchautes. Und doch geht dies niemals fo weit, daß neue Drganifationsverhält- niffe, neue Typen, welche fein Analogon an der Oberfläche befiten, uns entgegenträten. Es handelt fih immer nur um Anpaffungen und Umformungen von Geitalten, die in ihrem Aufbau von denfelben Gefeten beherriht werden, wie die Übrige Kebewelt. Man glaubt eine alte, längjt vertraute Melodie zu vernehmen, die ftets von neuem padend in unendlichen Dartationen wiederfehrt. „Sn ewig Wiederbolter Geftalt wälzen die Thaten jih um. Uber jugendlih immer, in immer veränderter Schöne Ehrit du, Fromme Natur, züchtig das alte Gefet.” (Winter gez.) Hastigerina pelagica d’Orb. (Soraminifere) mit Schwebeftacheln. GuineasStrom. EN op en - Teefsecklein. Maledivische Roptälvenbriühe Heu Amsterdamer Rinderbraten nit Sargassuahrauk FPingumn-Magonasse in Gelee. Dar-es-Sa- Lammbralten: Botanische Studterr in Essig und Oel, ur Zucker, nach der Natur. Antarklisches 615. Zebuhase: A, Appendicularien 161, 554. Acaena affınis 27. Aptenodytes longirostris 2837. Acanthias 141. \ Aquatortaufe 34. Arcturus 187. Areca catechu 524, 598. Arenga obtusifolia 509. Arenga saccharifera 525, 558. Adamsia 555. | Aristaeopsis 598, 550. Adansonia digitata 191. | Aristaeus 598, 986. Aden 503. Artocarpus 458. Adlerrochen 502. | Ascidien 278. Affenbrotbaum 131. Aspidodiadema 529. Aspidium 508. Asplenium nidus 440. Acanthephyra 5922. Acanthodrilus 270. Acanthometra 251, 345. Accumulatoren 27. Agalma 231. | Agrostis 272. | Agulbasbanf 165, 169. | Afjelfrebje 278. Agulhasitrom 173. ‚ Alfelipinnen 256. Aktinien 158, 170, 185, 518. Asterias 187. Albatros 147, 242. Afteriden 525. Asteromphalus 255, 47, 542. Alcyonarien 510. | E | Asteronyx 186. Alectroenas pulcherrima 474. Alepocephaliden 559. Asthenosoma 9329. Algoabai 166. Aftraeen 459. Amalopteryx maritima 269. , Astronesthes 421. Ambasbucht 90. Astrophiura 171. Ameijfen 129. | Atolla 544. Amphianthus abyssorum 518. ‚ Atchin 587. Amphidiscophora 514. | Azorella 271. Amphihelia rostrata 520. : Amphipoden 550. | 8 Amphisolenia 77, 417. | Amphitretus 577. Bafelli-Swergvolf 119. Amphiura patula 249. Bafwiri 92, 98. Anacardium 132. | Balaenoptera 141. Anhinga rufa 131. | Bali 99. Anona Senegalensis 152. Balijtiden 422. Antarftiiches Meer 194. Bambus 48. Treibeis 195. | Bangala 125. KSotungen und Tiefe 199. Baniafinfelı 5062. Temperaturverhältnijje 200. Banyanen 418. Gehalt an Sauerftoff und Kohlenjäure 205. | Baobab 131. Antarftijches Plankton 225. Barathronus bicolor 559, 54, 564. Antarcturus IS9, 961. , Barringtonia 589. Antedon phalangium Sl, 523. , Bathochordaeus Charon 594. Antedon prolixa 523. Bathyactis 520. Antennarius 585. Bathybiaster 180. Anthomastus antarcticus 156. Bathycrinus 249, 522. Anthoptilum 504. Bathygadus longifilis 540. Anthozoen 185. , Bathylychnus 421. Antipathiden 455. Baumameijen 129. Aphrocallistes 511. ‘ Baumfarne 560. Aphroditaster 520. , Benthochascon Hemingi 551. 84 Beo 524. Betelpfeffer 524 Birgus latro 445. Bithynis 4065. Blafedredjche 29. Blajentang 260. Blechnum boreale 500. Blindwühle 465. Boavista 71. Bobiainfel 107. Bolina 281. Bolitaena 36. Bolocera 520. Boltenia 249. Boma 154. Bouvet: Injel 154. Bradiopoden 47, 455. Brachyuren 550. Branchiocerianthus imperator 516. Brisinga 157, 591, 569. Brissopsis Iyrifera 179. Brissus 440. Broofes Tiefenlot 151. ? Brotfruchtbaum 458. Brutpflege 279. Bryozoen 155. Bilbül 95. Buea 10. Butorides albolimbatus 444. €. Calamocrinus 521. Calliteuthis 570. Callianira 281. Calophyllum 405, 440. Calycopteryx Moseleyi 269. Canarijche Injeln 59. Lapverden 7. Carcharias lamia 68, 70. Larettjchildfröte 440. Carica papaya 97, 525. Carıinarıa 421. Caryophyllia 505, 520. Caryota urens 558. Cassıa 540. Cassytha filiformis 488. Casuarina equisetifolia 440. Lajuarinen 440. Caulophacus 512. Cephalopoden 558, 555. Ceratium 76. Ceratium fusus 7@. Regifter. Ceratocorys 47. Ceratocorys horrida 75. , Cercopithecus mona 129. Cereanthus 515, 518. Ceryle rudis 129. Ceylon 418. Chaetoceras 227. Chagosbanf 455. Ihagos-njeln 454. Challengeriden 479. Charadrius hiaticula 142. Charadrius rufocinctus 142. | Chaunax 597. Chelonia viridis 429, 446. Chilodactylus fasciatus 298. Chimney Top 258. | Chionis minor 266. | Chrysodium 127. Chrysogorgia 18. Chunella gracillima 519. Clarence Pif 89. Clupea ocellata 141. Cicindela 589. Lingiberaceen 500. Lirrhitiden 298. Eirripedien 597. Cirroteuthise 4906. Cocos: Injeln 514. Cocos nucifera 558, 440. Coecilien 4069. Coelophrys 568. Coelorhynchus fasciatus 540. Colossendeis 537. Colobanthus 274. Congermuraena 597. Congo 123. Longo-Savanne 150: Copepoden 549. Copra 449. Corethron 227. Lormoran 49, 142, 258. Corypha umbraculifera 418. Coryphaena 501. Coseinodiscus 78, 255, 942. Cotula plumosa 271. Cranchia 232, 392, 578. Craspedoten 545. Erimoiden 47, 51, 921. Crinum asiaticum 589. Eruftaceen 550, 549. Cryptopsaras 598. Cryptopsophis 467. Crystallomia 569. a Ctenophoren 545. Culeita 446. Culeolus 249. Cyathea 104, 5060. Cyathea Seychellarum 4064. Cycas 401. Eycloftomen 559. Cyclothone 573. Cydippe 546. Cyrtomaia Suhmi 550. Cystopteris fragilis 275. D. Dactylostomias 559. Daption capense 147, 244. Dar es Saläm 481. Bevölferung und Umgebung 491. Bujchfavanne 455. Sachlenwald 489. Mangrove und Plantagen 491. Dasygorgia 518. Deckenia nobilis 472. Delphine 480. Dendrocalamus 418. Dentalium 595. Dentex rupestris I4l. Dermatodiadema 589, 529. Desmophyllum crista galli 504. Diatomeen, antarftijche 181, 226. Diadematiden 502. Dibranchus 568. Dictyaster 526. Dictyocha 255. Diego Garcia 454. Diomedea chlororhynchus 245, 258, 5U. Diomedea exulans 147, 245, 294. Diomedea fuliginosa 132, 242, 258. Diomedea melanophrys 245, 255, 294. Diospyros 104. Diphyes arctica 564. Disomma anale 575. Dipsacaster Sladeni 525. Doliolum 554. Dominifanermöve 268. Dornhai 14. Dorocidaris elegans 529. Dorocidaris papillata 47. Dracaena draco 57. Drachenbaum 57. Dredfche, große 27. Dreiedfrabben 550. Dualladorf 115. Regifter. | | Dumpalme 482. Durian 524. Durio zibethinus 524. Durvillea 278. Dynamometer 25. Dytaster 526. a Ebenholz 104. Echeneis 422. Echiniden 521. Echinodernen 521. Echinoplax 5959. Echinothrix 4406. Echinus horridus 175. Echiostoma 597. Ectemnorhinus viridis 270. Edinburah 22. Einjiedlerfrebje 158. Eisberge 209. Eisjturmovogel 257, 245. Elaeis Guineensis 97. Elefantenrobbe 254. Elpidien 249. Elysıa 589. Embryonopsis halticella 27 Enderby-Xand 240. Enoploteuthis margaritifera 570. Erica arborea 02. Eriodendrum anfractuosum 96, 150. Eryonicus 552, 509. Eryoniden 550, 504. Erytbrinen 559. | Erythrophyllum Guineense 487. , Ejelspinguin 287. Eucidaris 440. Eudyptes chrysocome 274. Eudyptes chrysolophus 501. Eulabes religiosa 524. Euniciden 440. Euphausia 246. Euphorbien 58. Euplectella aspergillum 512. Y Sarnbäume 104. S$aröer 48. Saröer- Shetland-Rinne 46. Seenjeejchwalbe 442. $ernando Po 89. 86 Festuca kerguelensis 275. Setifche 158, 585, 42. Seuerwalzen 148. Ficus bengalensis 440. Ficus indica 597. Ficus religiosa 418. Siichbai, große 159. Flabellum 589, 591. Slagellaten 7. Slamingo 145. liegende Kunde 402. Slügelfchneden 400, 552. S$oraminiferen 81, 85, 454, 510, 531. Foudia madagascariensis 444. Fragilaria 227, 254. Sungien 459. Hadiden 559. Garcinia mangostana 529. Garneelen 556. Gecarcinus 444. Geieradler 120. Geigelinfujorien 75. Geifterjchiff 409, 42. Geryon 158, 99. Gigantactis 59 Gigantocypris Gigantura 574. Slasichwänme 47, 71, 591, 510. Glaucus 32. Gleichenia 440. Globigerina bulloides 91. Globigerinen S1, 510. Slobigerinenjchlid SI, 454. Globiocephalus melas 80. Glyphidodon Bengalensis 422. Glyphocrangon 555, 56%. Gnathaster 171, 187. Gnathophausia 551, 569. Soldmafreelen 501. Horgoniden 518. Srindwal 30, 296. Srundproben SI, IS1, 514, 401, 454. Suimeaftrom 72. Gygis candida 442. Gymnopatagus Valdiviae 529. Gypohierax angolensis 126. N. 8,5 390. Daie 69, 422. Baifang 09. Regifter. , Halicarcinus Sl. , Halicmetus 568. Balocypriden 550, 569. Halosphaera viridis 78, 542. Kammerhai 502. Helix Hookeri 270. | Hemiaster 279. Heritiera litoralis 405. Hermandia 440. Heterocarpus 550. Heteronereis 141. Heteropoden 555. Hetheroteuthis 558. Beractinelliden 47, 71, 591, S10. Hibiscus rosa sinensis 509. Holascus 512. Holocephalen Holopus 521. Holothurien 520. Homolochunia 559. Homopelia picturata 444. Hyalonema 599. Hydroidpolypen 512. Hylobates syndactylus 591. Hyocrinus 249, 522. Hyphaena 152, 491. Hyphaena coriacea 432. Hyphalaster Parfaiti 54. Hyphalaster Valdiviae 85, 34. Hypogeophis 467. 359. Hypolytrum latifolum 464. Ar Jabafji 119. Janthina 52. cod 59. \ Iconaster- 526. Ilex platyphyllus 62. ideen 591. Isidigorgia 518. Isis 7], o18: Isozoanthus 520. tu 405. ' Imwi 40. K. Kabeltrommel 24. Käferfchneden 185. Kaffernfraal 167. Kaifer MWilhelm-pif 190. ‚ Kamerun 89. Reatiter. Kamerunpif, Eleiner 59, großer 90. Kandy 419. Kapflora 170. Kapland 163. Kapftadt 174. Kaptaube 147, 244. Kapuszinerbäume 469. Kap Daldivia 190. Karbau 524. Kajuarinen 440. Kautjchufbaum 104. Kerguelen 255. Klima 255. Entdedunasgefchichte 257. Gebirge 260. Gazelle- und Schönwetterhafen 262. Slactallandfchaft 205. Tierleben 266. Niedere KSandfauna 269. Degetation 271. Pinguine 274. Marine Sauna 277. Elefantenrobbe 232. Meihnachtshafen 235. Entftehung der Kerguelen und Sauna 290. Kerguelenente 2609. Kerauelenfohl 272. Kletterfarne 5060. Kofosfäfer 446. Kofoswald 557, 444. Kofospalme 358, 440. Königspinguin 288. Korallen 504. Krabben 444, 550. Kugelalgen 77. ihrer Slora ı sg Labichthys elongatus 579. . Saboratorien der Daldivia 20. Kaguna 64. Lamprogrammus 597. Landolphia 104. Kanauften 299. Lanius senator 71. Larus marinus 48. Larus tridactylus 48. Sas Palmas 65. Latris hecataia 208. Laurus canariensis 65. Leptoptilum 518. Lestris parasitica 48. Leucadendron 176. Keuchtfrebje 551. Keuchtorgane 560. Leucifer 480. Kianen 97, 459. Kille Dimon 49. Limacina 231. , Lithodes 555. , Lodoicea Seychellarum 407. Lomaria alpina 275, 500. Kophiiden 557, 367. Lophohelia prolifera 504. Kotmafchinen 57, 149. Luidia 156. Summe 48. Lyallia 274. Lycodes 47. Lycopodium cernuum 500. Lycoteuthis diadema 569. Lygodium 560. 2. Macrorhinus leoninus 260. Macrostomias 599. Macruren 559. Madreporen 459. Mäandrinen 459. Majaqueus aequinoctialis 294. Mafrelen 141, 501. Makrocystis pyrifera 260, 278. Malacosteus 574. Malaria 120. Malediven 417. Malthopsis 568. Atanganfnollen 162. Mangifera indica 525. Atangoftane 525. angrove 490. Manteltiere 554. Marchantia polymorpha 500. Marsupifer 250. Medufen 544. Megalocercus abyssorum 554. Megalopharynx 597. Melanocetus 479, 59 Melastomias 553, 30606. Atelaftomaceen 500. Aelonenbaum 97, 523. Mentawei-Beden 565. Alentawei- Injulaner 566. Mertensia 544. Metacrinus 502, 522. [e e) Re 1 [0 6) 58 Alichielsplen 522. Miesmufscheln 278. Atilleporen 459. Aollusfen 557. Monocaulus imperator 515. Monorhaphis 514. Mount Lrozier 259. Mount Eyall 259. Mormon fratercula 48. Munida 595, 999. Munidopsis 595, 959. Muränen 440. Nuräniden 597. Atujchelfrebje 550. Atufchen 150, 557. Mufferonabes 150. Miyctophiiden 557. Myro Kerguelensis 270. ı. Yanfauri 402. Napfichneden 278. Naucrates ductor 68. Nautilograpsus 535. Nautilus 589. Nematocarcinus 595, 950. Nematoscelis mantis 591. AWemertinen 549. Neoscopelus 597. Nephrodium 508. Nephrops andamanicus 559. Nephropsis 559- Neptunus 585. Weu-Amjterdam 504. Mias 377. Nifobaren 599. Tiefjeefauna 599. Gliederung des Archipels 401. Pfahldörfer 402. nfulaner 405. Haustiere, Nahrung 408. Geijterglauben 409. Nilpferd 491. Nipa fruticans 531. Notostomus 516, 552. Notothenia 278. Nymphaster Alcocki 526. D. ÖOceanites oceanica 240. Ocypoda 445. Oecophylla 129. Regiiter. ' Ogmorhinus leptonyx 287. Ölpalme 97. , Onchocephalidae 568. Ophiacantha cosmica 186. Ophidiiden 559. Ophiocreas 524. Ophiocten pallidum 249. Ophioglypha Deshayesii 150. Ophioglypha hexactis 279. ÖOphioglypha Lymani 186. Ophioplinthus medusa 249. Ophiopyren 186. Opistoteuthis 496, 558. ' Ophiuren 524. Opisthoproctus 574. ' Orbulina universa 81. Orgelforallen 401. Ornithoptera 500. Ornithocercus 417. Örnithocercus magnificus 7D. Össifraga gigantea 244. Oscillaria 598. Oftracoden 550. ao | Ottertrawl 29. Owenia 232. Padeis 211, 259. Pagodroma nivea 257. Paauriden 158. | Palaeopneustes 590, 550. Palinurus Lalandei 299. Palmen: Phoenix canariensis 62. Ölpalme (Elaeis Guineensis) 97. !Deinpalme (Raphia vinifera) 97, 127. Stachelpalme (Phoenix spinosa) 120. Savannenpalme (Hyphaene) 152, 491. Pinangpalme (Areca catechu) 524, 558. Sucderpalme (Arenga saccharifera) 525, 358. Tipapalme (Nipa fruticans) 551. Kofospalme (Cocos nucifera) 558, 440. Salappalme (Arenga obtusifolia) 569. Rotanapalme 405. Talipotpalme(Corypha umbraculifera) 418. Verschaffeltia splendida 402. Roscheria melanochaetes 4064. Stevensonia grandifolia 464. Lodoicea Seychellarum 467. Palmift (Deckenia nobilis) 472. Dumpalme (Hyphaene coriacea) 482. a Palmendieb 445. Palmijt 472. Pancratium maritimum II7. Pandanus 97, 588, 464. Pandanus Hornei 4064. Pandanus mellori 408. Pandanus Seychellarum 462, 464. Papageitaucher 48. Pararchaster 520. Paraspongodes antarctica 130. Pasiphaea 246. Patella 278. Pectinidiscus Annae 520. Pediculaten 508. Pelagobia 251. Pelagonemertes 421, 549. Pelagothuria 540. Pennatuliden 516, 518. Pentacheles 550. Pentacrinus 592. Pentactella laevigata 278. Pentagonaster abyssalis 526. Pentagonaster excellens 526. Peridineen 75. Peridinium divergens 75. Persephonaster 520. Periphylla 251, 544. Petersvogel 51, 2406. Petterfjon’s Wafjerfchöpfer 156. Pfeilwürmer 549. Phaeodarien 250. Phalacrocorax carbo 49, Phalacrocorax capensis 142. Phalacrocorax verrucosus 268. Phalacroma 75. Phalacroma rapa 75. Phascolosoma 401. Pheronema 599. Pheronema raphanus 912. Phoenicopterus roseus 149. Phoenix canariensis 62. Phoenix spinosa 126. Phormosoma 591, 529. Phorus 596. Phosphorescenz 148, 450, 565. Phua Mulafu 456. Phylica nitida 508. Physalia 310. Phviophoriden 281, 569. Pit von Teneriffa 55. Pilot 68. Pilztorallen 459. Pinangpalme 524. Resifter. Pinauin, antarftifcher 246. Pinguine 145, 169. Piper betel 524. Plankton 74. | Planfton des Guineaftromes 75. Planctoniella 78, 47. Planctoniella sol 542. Planftonnet 50. Plasmodium malariae 121. ' Platylistrum platessa 514. Platymaia Wyville-Thomsoni 400, Plesionika 556. Pleuromma 480. Plumiera 429. Plutonaster 320. Poa Cookü 275. Poa Novarae 500. Polycheles 556. Polyno& 185. Polypen SID. Polypodium australe 275. Polypodium vulgare 275. Pongamien 405. | Pontaster 1506, 526. Porania 187. Porocidaris 592. Port Elizabeth 160. Port Dictoria (Wtahe) 4506, 401. Pofadowsfy-Sleticher 190. Pourtalesia 550. Primnoella 187. Pringlea antiscorbutica 272. Priocella glacialoides 244. Prion Banksi 245. Prion coeruleus 245, 258. Prion desolatus 249. Procellaria aequinoctialis 142. Procellaria glacialis 49. Proteaceen 177. \ Protozoen 75, 250, 510, 544. Pseudarchaster 520. Psilaster 526. Psilotum 440. Pteropoden 552. Pteropodenjchlamm 401. Puffinus 142, 168. \ Puffinus arcticus Sl. Pullenia obliqueloculata SI. Pulvinulina canariensis 81. Pulvinulina menardii SI. Pyenogoniden 47, 537. Pyenonotus Gaboonensis 95. Pygoscelis antarctica 240. 590 Pygoscelis papua 287. Pyrocystis noctiluca 77, 47. Pyrosoma 148. Q. Oaftendrediche 29. Querquedula Eatoni 269. 2% Radiolarien 544. Radiolarienfchlic® 181, 514. Ranfenfüßler 557. Ranunculus crassipes 274. Ranunculus trullifolius 274. Raphiapalme 97, 127. Raphia vinifera 97, 127. Raubmöpe 45, 287. Raubjeejchwalbe 142. Ravenala madagascariensis 458. Retropluma notopus 591. Rhabdammina 9510. Rhizocrinus sp. 922, 524. Rhizocrinus lofotensis 522. Rhizocrinus Rawsoni 521. Rhizophora mangle 117, 126. Rhizosolenia 228, 241, 254. Rhizophyjen 549. Riefenjchildfröten 475. Riefenfturmvogel 232. Riejentang 278. Rindenforallen 518. Rippenquallen 549. Rochen 286, 502, 9509. Röhrenwürmer 12. Roscheria melanochaetes 464. Rotanapalme 409. m = Sagopalme 551, 408. Saccopharynx ampullaceus 599. = L agitta 549, 504. Salappalme 5609. Salpa flagellifera 161. Salpa fusiformis 569. Sandbrachiopoden 459. Sandfrabben 537. Sanseviera 489. Santa Cruz 64. Sargassum 539. Regifter. Savannenpalme 152, 491. Scaevola 589, 440. Scaevola Koenigii 589. Scalpellum 598. Scaroiden 440. Sceirpus nodosus 500. Schattenvögel 150. Scheidenjchnabel 266. Sciffshalter 422. Schimper 504. Schirmafazie 491. Schizaster 529. Schizopoden 531. Schlangenhalsvoael ISl. Schlangenjterne 524. Schleierquallen 545. Scließnege 51. Schneden 557. Schnurwürmer 549. Schopfpinauin 274. Schottijche Küjte 42. Schuppenwürmer 185. Schwimmfrücte 442. Schwimmpolypen 549. Sciaena aquila 14. Scopeliden 557, 579. Scopus 150. S Q blajen 510. elefant 260. federn 155, 591. igel 172. leopard 2837. lilien 521. erojen 520. eichildfröten 429. eichlangen 405. eejchwalbe 266. BEER DROO RR RPRO © © o eetange 278. ninininininininininininin Seezungen IA. Seilleitung 25. Semperella 515. Sergestes 549. Sergejtiden 592, 909. Serolis latifrons 278. Seychellen 453. Nabe 454. Entdedungsgejchichte 457. Bevölkerung 459. Plantagenbetrieb 460. Klima 465. yramathia Hertwigi 172, 550. efterne 32, 84, 186, 188, 515, SI, eewalzen 155, 249, 278, 550, 540. 324. Flora und Sauna 4069. Praslin 467. Kodoicea 407. Elefantenfchildfröte 475. Siamang 581. Sideroxylon 491. Sigsbee’s Kotmajchine 149. Sigsbee’s Tiefjeelot 152. Silberbaum 177. Siphonophoren 545. Solaster 158. Solenosmilia 504, 520. Sonneratia acıda 490. Spartina arundinacea 508. Spartium nubigenum 59. Spatangus Raschi 175. Sphaerodina dehiscens 81. Spheniscus demersus 145, 169. Spherosoma 529. Spinnenfrebje 47. Spirula 597, 555. Stahlfabel 24. Steinforallen 504, 589, 520. Stephanotrochus 520. Stereocidaris 175, 592, 529. Sterna 142. Sterna arctica 48. Sterna virgata 260. Sternforallen 459. Sternwürnter 401. Stevensonia grandifolia 464. Stomiatiden 557, 559. St. Paul 296. Strongylocentrotus 175. Sturmtaucher 51, 142, 168. Sturmvogel 142, 244. Sturmvogel, antarftifcher 244. Sturmoöael, blaue 245, 258. Stylocheiron 5531. Stylophthalmus 577. Styracaster 515. Suadiva-Atoll 425. Suderoe 48. . Südhering 14. Sula bassana 42. Sula capensis 142. Sumatra 5I7. Emmahafen 318. Padang 5319. Padang-Pandjang 552. Padangjche Bovenlande 353. Suppenjchildfröte 429. Reaifter. 991 Sus vittatus 525. Synedra 228, 234. Synedra thalassothrix 241. €. Tafelbai 169. Talipotpalmen 418. Taonius 240. Teafbäunte 597. Tectona grandis 597. Telejfopaugen 574. Tenea muricata 47. Teneriffa 55. Terebratulina 456. Terminalia 589. Terminalia katappa 442. Testudo elephantina 475. Thalassoeca antarctica 244. Thaumatops 5931. Tiefjeefiiche 597, 421, 559, 540, 557, 567, 568, 572, 575, 579. Tiefjeeforfchungen 1. Tiefjieehaie 559. Tiefjeemedufen 421. Tieffeerenufen 29. Tiefjeefhwänmme 510. Tiefjeethermometer 58, 155. Tiger-Balbinfel 144. Tintenfiiche 558. Tölpel 142. Tomopteriden 549. Torpedo 559. Tournefortia 539, 440. Tournefortia argentea 589. Trachomedufen 545. Tramwl 27. Treibeis 197. Trichomanes radicans 69. Trichopeltarium Alcocki 531. Trigla IA. Trophon magellanicus 175. Tubipora 401. Tulbergia antaretica 270. Tunicaten 554. Tuscaroren 250, 232. Tufjofgras 508. \ Typhloscoleciden 549. Ss Umbellula 185, 516, 561. Uria arra 48. Utricularia 106. 992 Reatiter. D. | Wollbaum 96. Daldivia-Sall 265. 1 Woodwardis2 sn, Vampyroteuthis inferualis 88. ZDUELBAAG, = 5 FE Velella 52, 310. MDvoville-Thomjon-Rücden 45. Denusförbchen 512. | Veretillum 142. | X, Verschaffeltia splendida 4062. Verticilladeae 518. Dertifalneg 50. Dictoria 91. Xanthoxylum 490. Xenophora 5 Xylopagurus 554. w. 5% Waringin 357. | Sitterrochen 559. Wajjerichöpfer 59, 156. Zoanthus 158. Webervogel 444. Zoroaster fulgens 32. Weinpalme 97, 127. Suderpalme 525, 558. Willemoesia 556. | Swergreiher 444. Winteria 574. | Zygaena 502. Drud von Breitfopf und Härtel in £eipzig iIrIoS nu. - . . = DEUTSCHE SMITHSONIAN INSTITUTION LIBRARIES 3 Ill 088 00884 1918